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||EX LIBRIS
MITTEILUNGEN
DES
KRIEGSARCHIVS.
HEKArSHEöEBEN
VON DER
DIRJ':kT10N des K. und k. krieosarchivs.
DRITTE FOLGE.
IV. BAND.
MIT FEKF BEII.AOEN END ZWÖI.F TEXTSKtZZEN.
WIEN 1906.
VERLAG VON L. W. SEIDEL & SOHN
K. UND K. UOrBDCKHlKDLK»
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Drnck vod Joiof Holler & Comp., Wien.
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3
v,4
INHALT.
Seito
Das k. nad k. Kriegsarchiy in seinem nenen Heim V
Dos Herzogtum Warschau von seinen Anflingeii bis zum Kampf
mit Österreich 1809. Von Hanptmann Juat. Mit zwei Bei-
lagen nnd einer Teitskizze t
Die Schlacht an der Piave. (8. Mai 1809.) Von Hauptmann Yeltze.
Mit z%vei Textskizzen 125
Hepresaalieiigefechte gegen die Moptenegriner im Jahre 1838. Von
Major Semek. Mit einer Beilage .... • 161
Die Besetzung von Krakau 1846. Von Hauptmann Jacubenz.
Mit einer Beilaige 215
Aufmarsch der östcrreiohiselien Armee gegen die Bevolution im
Qktober-'T?f*>f'^J^^W°"p^niaDn Czeike. Mit einer Beilage . . 2öl —
Ein Seekrieg in 8chwabeu!SK«cschichte der österreichischen Flottille
auf dem Bodensee in den Jahren 1799 und 18iX).) Von Ober-
Ipiitnant Bartsc.h . 3B1
Von Leipzig bis Erfurt. (Die Verfolgung der französischen Armee
in den Tagen vom 18. bis 23. Oktober 1813. i Von Hauptmann
Kerehnawe. Mit nenn Textskizzen 371
w304a'-?2
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Das k. und k. Kriegsarchiv in seinem neuen Heim.
ln den Sommermonaten dieses Jahres ist die Übersied-
lung des k. und k. Kriegsarchivs aus den verschiedenen und
entlegenen, ihm bis dahin zugewiesenen Übikationen in den
Akademietrukt der Stil'tskaserne in Wien (VII., Stiftgasse 2)
vor sich gegangen. Diesem Ereignis, das sich wohl kaum
nach Menschenaltem wiederholen dürfte, sind die nachstehenden
Zeilen in der .\bsicht gewidmet, es vor dem Schicksal zu
bewahren, giinzlich unbeachtet der Vergessenheit anheimzu-
fallen.
Das Kriegsarchiv war bisher weder einheitlich noch
zweckentsprechend unteigebracht. Die Direktion und ein
Teil der Schriftenabteiluug befanden sich im KriegsgebSude
.Am Hof, im 1. Stock, ein anderer Teil der Schriftenabteilimg
imd der Hauptstock der Bibliothek im Erdgeschoß dieses
Hauses; mangels anderer, geeigneter Räumlichkeiten diente
noch ein licht- und luftloser Keller dieses Gebäudes zur
Unterbringung ansehnlicher Bestünde der Schriftenabteilung.
Etwas abseits im selben Hause, ebenerdig, hatte die Karten-
abteilung ein sekr beschränktes, aber wenigstens für sich
geschlossenes Unterkommen gefunden. Im Seitzerhof (Seitzer-
gasso Nr. 4) lagen fast unzugänglich viele Hunderte von
Akteubündeln der Schriftenabteüung, in der Toreinfahrt dieses
Hauses mußte die Bibliothek die periodischen Zeitschriften
imterbringen. Die größte Sektion der Schriftenahteilung
befand sich im Laiuenzergebäude il., Fleischmarkt Nr. 19i;
gut ein Dritteil ihrer Bestände lagerten in einem, zum Glück
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VI
Das k. and k. Kriogsarohiv in seinem neuen Heim.
trockenen Keller, in welchen daftir der Staub der angren-
zenden Straße massenhaft eindrang. Die kriegsgeschiehtliche
Abteilung endlich, deren Leitung natiu'gemäß unmittelbar
dem Direktor des Kriegsarchivs obliegt, war am weitesten
entlegen und befand sich im 4. Stock des Hauses Nr. 4 am
I >eutschmeisteri)latz.
Diese Aufzählung .sagt genug : wie sehr der Dienst
durch die räumlich weit getrennte Unterbringung der ein-
zelnen Teile des Kriegsarehivs erschwert wimde, ist ohne-
weiters daraus verständlich; daß die Lagerung von unersetz-
lichen Akten in Kellerräumen ilrrer Benützung ebenso hin-
denid war wie ihrer Erhaltung abträglich, braucht nicht
näher erläutert zu werden.
Plbensü schlecht sah es mit den Räumen aus, in denen
die Offiziere und Beamten des Kriegsarchivs ihrem Dienste
obliegen mußten. Die wenigen Zimmer am Deutschmeister-
])latz boten ihren Bentitzem wenigstens genug Licht, sonst aber
keine Bequemlichkeit; die Räume im Laui’enzergebäude aber,
dann so ziemlich alle im Kriegsgebäude .\m Hof waren bis
zur äußersten .\usntitzung des Belages in horizontaler und
vertikaler Ausdehnung mit Kasten zur Aufnahme des Archiv-
materials erfüllt, tmd nur zunächst der Fenster konnte ein
Plätzchen erübrigt wertlen zur Aufstellung eines Schreib-
tisches, der mit einem Sessel und mit einem Waschkasten
das Um und .\uf der Kanzleieinrichtung bildete. Vom No-
vember bis A])ril brannte in diesen Räumen ewiges Ijicht —
nicht einmal durchgehends Gas- oder elektrisches Licht —
ila die natürliche Beleuchtung durch die Fenster bei der Enge
der angrenzenden Straßen au trüben Wintertagen selbst dann
unzureichend gewesen wäre, wenn es sich nicht noch um da.s
Lesen alter vergilbter Handschriften gehandelt hätte.
Das alles hat sich nunmelir, tind mit einem wahren .Auf-
atmen der Erleichterung sei es verkündet, gründlich geändert
und wesentlich gebessert.
Als durch die Verlegung der k. und k. Technischea
.Mihtärakadeniie nach Mödling der große, die ganze Länge
der Stiftgasse einnehmende Trakt der Stiftskastmie frei ge-
worden war, verfügte das k. und k. Reiohskriegsininisterium.
daß auch das Krieg.sarchiv in diesem Trakte unterzubringen
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Das k. und k. Kriegsarcliiv in seinem neuen Heim.
VII
sei') und daß die hiezu nötigen Ausmittlungen ebenso wie
die Adaptierung der Kämne von der Bauabteilung des 2. Korps
im Einvernehmen mit der Kriegsarchivsdirektion diu-chzu-
tühren seien. Damit war den schon fast unhaltbar gewordenen
Zuständen ein Ende gesetzt und eine neue Zeit brach fiir das
Kriegsarchiv heran.
Im ,, neuen Hause” nun, das wohl vielen .Angehörigen
der Annee bekannt ist und, nebenbei bemerkt, das ehrwürdige
-Alter von 160 Jakren aufweist ( der Bau die.ses Traktes wm-de
1746 begonnen), sind ilem Krieg-sarchiv zugewiesen worden:
Das Souterrain zwischen den beiden Stiegenhäusem, das
Erdgeschoß, eigentlich ein HochparteiTe, von der Stifts-
kirche bis zum nördlichen Stiegenhaus zunächst der Sieben-
stemgasse, und das ganze 1. Stockwerk, mit dem ansehn-
lichen Fluchenausmaß von zusammen 4690 Quadratmetern
(Alauerstärken und Kebenräume nicht mitgerechnet). Die
Grundfläche der Gänge beträgt 1463 Quadratmeter; hievon
sind 672 Quadratmeter nicht zum Belag herangezogen ;
das denmach verbleibende Ausmaß von rund 4020 Quadrat-
metern wurde ziemlich weitgehend ausgenützt, wobei aller-
dings für eine in absehbarer Zeit zu erwartende A’ermehrung
der Bestände einigermaßen Sorge getragen wurde. Diese
Grundfläche verteilt sich auf nind 70 geschlossene Zimmer
und Säle, die in jedem Stockwerk in einer Flucht angeordnet
sind, deren Front gegen den gi-oßen .Akademiehof sieht und
fast genau Jiach Osten orientiert ist ; ein fast 4'0 Meter breiter
Gang ist ihnen vorgelegt, von welchem aus die Räume zu-
gänglich sind. .AUes ist direkt beleuchtet, also hcht, luftig
vin<l fast au.snahmslos trocken.
Die Zimmerhöhen sind nicht groß : im Hochparterre
3'15 Meter, im 1. Stock 3‘70 Meter.
Die Zwischendecke zwischen Souterrain und Hochpar-
terre ist gewölbt, jene des 1. Stockwerkes besteht jedoch aus
Tramböden ; sämtliche Gänge sind eingewölbt.
‘) Daselbst befinden sich noch (im 2. und 3. Stock) : Die Kom-
mission zur Beurteilung der Stabsoffiziersaspiranten, die Korpsoffiziers-
schule und von den administrativen Militärfachkurson der Militärinten-
danzkurs, der Militarverpflegsvorwalterkurs und der Proviantoffl-
zierskurs.
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vni
Das k. nnd k. Kriegsarchiv in seinem neuen Heim.
Es muß bemerkt werden, daß der Akudemieliof bedeu-
tend tiefer liegt als das Niveau der Stiftgasse ; infolgedessen
ist das SouteiTain gegen den Hof als Erdgeschoß aufzu-
fassen.
Die drei Umstände: große Anzahl von Räumen mit ge-
ringer Höhe imd die beschränkte Tragfähigkeit des Fuß-
bodens im 1. Stock mußten die Neuaufstellung der Bestände
wesentlich beeinflussen. Die größte Belastung konnte dem
Souterrain aufgebürtlet werden ; eine nennenswerte Trag-
fähigkeit bot noch das Hochparterre; im 1. Stockwerk aber
war wegen der richtigen Verteilung der Lasten größere Vor-
sicht zu beobachten. Schon beim ersten Entwurf stellte sich
heraus, daß auch der 1. Stock zur Eiulagenmg von Archi-
valien heranzuziehen sei ; um nun hinsichtlich der Belastungen
und der möglichen Rückwirkung auf den Bauzustand des
Hauses außer Sorge zu sein, wurden drei große Säle mit
einem tragfahigen Fußboden, schwache Ziegelgewölbe zwischen
Eisenträgern, versehen. Im übrigen waren aber in den 1. Stock
alle Kanzleiräume zu verweisen.
Bei Neubauten von Archiven (und Bibliotheken) wurde
in jüngster Zeit wiederholt die Anlage eines .\ktenspeichers
bevorzugt, der eine kleine Grundfläche bedeckt, dafür aber
sehr hoch hinaufstrebt: die notwendige Teilimg in Geschosse
erfolgt hier durch Einbau von Eisenkonstruktionen, die
gleichzeitig das Gerip|) für die Behälter von Akten (oder
Büchern) bilden. Eiu solcher Aktenspeicher, der gegen .seine
Umgebung feuer- und einbmchsicher abgeschlossen sein muß.
hätte sich im neuen Heim des Kriegsarchivs nach Über-
windung mancher technischen Schwierigkeiten und mit bedeu-
tendem Geldaufwand wohl auch einrichten lassen ; der an-
gestrebte Zweck wäre aber nicht erreicht w'orden, da kaum
mehr als die Hälfte der Bestände der Schriftenabteilung darin
Platz gefunden hätte.
Die vorhin angefleuteten Raumverhältnisse zwangen
rielmehr zu einer, der vertikalen .-Vnorduung im Speicher
ganz entgegengesetzten Verteilung, nämlich zur Ausbreitung
in horizontaler Richtung. W'ie so oll im Leben, konnte amdi
hier aus der Not eine Tugend gemacht werden. Die geringere
Tragläliigkeit und die kleine Zimmerhöhe ließen nm die
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Das k. nnd k. KriegBarchlv in seinem netten Heim.
IX
Aufstellung von Kasten oder Stellagen mit 2-00 bis 2-50 Bieter
Höbe zu; dies hat nun den Vorteil, daß man selbst die
obersten Fächer (höchstens mit ZuhUfenahme eines trag-
baren Stufenschemels) leicht erreichen kann, ein angenehmer
Gegensatz zur Einrichtung im alten Hause, wo die Kasten in
2 und 3 Etagen übereinander lagerten, die oberen Fächer
daher nur mit schwankenden Leitern von 4-00, selbst
4-ÖO Meter Höhe zugängUeh waren. Nur die Bibliothek be-
sitzt in den geschlossenen Räumen oß'ene Bücherregale, die
bis zur Decke reichen, also 3- 15 Meter hoch sind; diese An-
ordnung war nötig, um die ganze Bibliothek in einem ab-
geschlossenen Gebäudeteile unterzubnngen. Die Verteilung
der Akten in mehrere Räume bot auch die Möglichkeit, dem
Wesen nach zusammengehörige Grupjten für sich imterzu-
bringen, selbst bei Bedachtnahme auf einen künftigen Zu-
wachs. Endlich war man auch in der Lage, die Abteilungen
des Kriegsarchivs, beziehungsweise die einzelnen Sektionen der
Schril'tenabteilung, in Raumkomplexen unterzubringen, die
ans der Anlage des Gebäudes natürlich hervortreten und für
sich abzuschließen sind.
Es befinden sich nun ;
Die Direktion, ziemlich zentral gelegen, im 1. Stock,
unweit des südlichen Stiegenhauses ;
die kriegsgeschichtliche Abteilung im 1. Stock, der
Hauptsache nach vereinigt, im Gebäudeteil zwischen der süd-
lichen Stiege und dem Südende des Hauses (Stiftskirche) ;
die Kartenabteilung, ganz tür .sich abgeschlossen, iin
1 . Stock, zwischen der nördlichen .Stiege und dem Nordende
des Hauses ;
die Bibliothek im Hochparterre, zwischen den beiden
Stiegenhäusern, flir sich geschlossen.
Die Schriftenabteilung, naturgemäß die größte des Kriegs-
archivs, konnte nicht in einen abgerundeten Raumkomplex
verlegt werden. Die I. Sektion derselben, deren Material
große Verseil iedenartigkeit aufweist (Feld- und Anneeakten.
3Ieiuoires, Ministerialakten u. s. w. i, wurde am meisten zer-
teilt, befindet sich gleichwohl gänzlich im 1. Stock, zu beiden
.Seiten der Duektion, einerseits an die Karten-, andererseits
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X
Dnf k. and k. Kriegsarohiv in seinom n«af-n Hoim.
au die krieRsgeschiclitliche Abteilung au^^enzeiid ; die II. Sek-
tion ( Hofkriegsratsakten I liegt im Hoch])arterre in dem an
die Stü't.skirclie anstoßenden ehemaligen Zöglingsspital,
fiir sich abgeschlossen; die EU. Sektion i Standesakten) be-
findet sich im Souterrain, der Hauptsache nach im ehe-
mahgen ArtUleriespeisesaal und im vorliegenden Gang, auch
in sich geschlossen ; der hier noch verbleibende ehemalige
Geniespeisesaal enthält einige weniger benützte .\ktengmppen
der n. Sektion, die etwa zwei Fünftel des Saales einnehmen,
der Rest ist zur .\ufnahme einer in absehbarer Zeit zu er-
wartenden Vermehrung der Hofkriogsratsakten Vorbehalten.
Hie nachstehende Tabelle läßt Anzalil und Flächenraum
der jeder Abteilung zugewiesenen Räume ersehen:
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Kartonabtoilmig
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Bibliotbckeabtciluag . . .
13
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975
55.000
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4Ö.0Ü0
MitKHfahrtKS totes Gewicht
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4688
1
450.000
•) Darunter «in« l’ortierlogo mit rund 33 Qaa>lrAtm«tdr.
Hinsichtlich der.Vrt der Finlagerung des .Archivmaferials.
ob in geschlosseneti Kasten oder in offenen Stellagen, konnto
nur ein Grundsatz eingehalten werden: Schatlüng möglichster
Bequemhchkeit bei Benützung und Handhabung des ^fatprials.
Ansonsten war man ziemlich gebun<len durch die gegebenen
Räume imd ihre geringe Höhe, hauptsächlich durch die Not-
wendigkeit. die im alten Hause bereits vorhanden gewesenen
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Das k. und k. Kriei^sarchiv in seinem neuen Heim.
XI
Kasten möglichst zu verwerten, endlich dm'ch das leidige
Geld, dessen Ausmaß auf das knappste berechnet war, somit
gp-ößere Anschaftungen ausschloß.
Die Aufbewahrung des Materials ist daher nicht einheit-
lich, Die Kartenabteilung erhielt hiezu durchaus Kasten : die
Bibliothek in den geschlos.senen Bäumen offene Bücherregale,
im Gang geschlossene Kasten mit Holztüren, in Bäumen, wo
größerer Verkehr zu erwarten — Bücherausgabe, Lesezimmer
— oder wo eine bessere Ausstattung angezeigt erschien,
Ka.sten mit Glastüren; die Schriftenabteilung endlich Kasten
und Stellagen gemischt, letztere für alle Protokolle und für
die Akten der III, Sektion,
Die Aufstellung dieser Behältnisse mußte eben auch den
vorhandenen Räumen angepaßt werden : in Gängen stehen
nur Kasten an der Längswand, in einfenstrigen Räumen an
den Querwänden; in mehrfenstrigen Zimmern, deren Fuß-
boden größere Belastung verträgt, sind Kasten oder Stellagen,
mit der Rückwand aneinandergelehnt, vom Fensterpfeiler in
das Innere des Raumes auf 6-00 bis 8-00 Meter hineinreichend
aufgestellt worden, wobei die Ausnützmig der Bodeufläehe
und der Beleuchtimg am besten ausfiel. Der leichten Benütz-
barkeit halber wimlen zwischen diesen Stellagereihen, also in
<ler Fensterachse liegend, niedere, pultartige Stellagen ein-
geschoben, deren Fächer ebenfalls zur Aufnahme von Schriften
dienen, während die obere ebene Tischplatte gestattet, ein
der Stellage entnommenes Aktenbündel oder Protokoll auf-
zulegen oder auszubreiteu, so daß an Ort und Stelle die
archivalische Arbeit besorgt werden kann.
Die Anordnung fler Bibliothek ist von der eben ge-
schilderten etwas abweichend. Die gescldossenen Räume der-
selben, in einer Flucht liegend, sind durch Mitteltüren ver-
bunden; es lag also nahe, die offenen Bücherregale, zwar
auch senkrecht zur Fensterwand, aber zu beiden Seiten eines
Mittelganges anzuordnen, von wo sie beiderseits bis zur Wand
reichen: auch hier sind zwischen den Doppelreihen der Regale
Pulte eingestellt, die insbesondere zur Aufnahme von Werken
größten Formats (Foliobände i dienen, nebstbei aber auch das
Hantieren mit den Büchern sehr erleichtern. Dieser alle
Bäume diuchziehende Mittelgang, dessen Länge 75 Meter
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Dm k. und k. KriegsarchiT in seinem neuen Heim.
(100 Schritte) beträgt, läßt die ganze Größe der BibHothek
mit einem übck erfassen ; der hiebei gewonnene Eindruck
kann zwar nicht als ein überwältigender bezeichnet werden,
verdient aber immerhin als ein bedeutender und, bei aller
Einfachheit der Einrichtung, getälhger und befriedigender
hervorgehoben zu werden.
Jeder Offizier oder Referent besitzt nunmehr ein eigenes,
in der Regel einfenstriges Zimmer, das aber im Durchschnitt
28-00 Quadratmeter an Bodenfläche aufweist, also nach hygieni-
sclien Begritfen mehr als liinreicheud. Den einzelnen Refe-
renten wiu-den in ihr Zimmer nur jene arcliivalischen Behelfe
eingestellt, die sie zu ihrer Arbeit am meisten brauchen,
d. s. die alphabetisch angelegten Indexe und die chrono-
logisch geortbieten Register, bezw. Kataloge u. dgl. Daß die
Eimichtung der Kanzleiräume durchaus einfach und auf das
Nötige beschränkt ist, kann bei der bekannten Auspruclis-
losigkeit unserer Offiziere nicht auffallen.
.\us dieser Schilderung ist zu schließen, daß das neue
Heim des Kriegsarchivs, soweit Größe und Verteilung der
Räume und die Einrichtungen zur Aufbewahrung des Mate-
rials in Betracht kommen, wenn auch nicht in idealer, so
doch in möglichst erreichbarer .Art allen billigen Anforde-
rungen entspricht, jedenfalls erheblich besser als die früheren,
nun verlassenen Unterkünfte. Nun kommen aber nebst der
Zweckmäßigkeit der Einrichtung bei Unterbringxmg eines
Archivs noch so manche Anforderungen in technischer und
baulicher Beziehung zur Geltung, von denen eine hauptsäch-
liche, die Feuer- imd Einbruchsicherheit, erwähnt werden
muß. Betrachtet man das jetzige Heim des Kriegsarchivs von
diesem (’iesichtspunkt aus, so muß man sich zweierlei vor
Augen halten; 1. Daß das Gebäude ein lu-altes ist, in welchem
also durchgreifende baidiche Veränderungen unzulässig waren :
2. daß die Lage des Kriegsarchivs vor der Übersiedlung
schon unhaltbar war und man daher mit beiden Händen zn-
greifen mußte, als sich etwas wesentlich Besseres bot, selbst
wenn es auch nicht das Beste war, dessen Erreichung übri-
gens in kaum absehbare Ferne gerückt wurde, d. i. ein für
das Kriegsarchiv ausschließlich bestimmter Neubau. Wenn
also zugestandeu wird, daß das Haus, in dem sich nunmehr
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Das k. tmd k. Kriegsarchiv in seinem neuen Heim.
xm
tias Kriegsarchiv befindet, niclit den strengsten Anfordcrungeu
bezüglich der Feuersicherheit entspricht, so muß daran sofort,
«las Bekenntnis geknüpft werden, daß die.ses Bedenken zu
jener Zeit, als es sich um die Entscdieidung handelte ; Uber-
siedeln in die Stiftskaseme oder nicht, allseits die schwerste
Sorge hervorrief. Daß man .sich dann doch zur (Tbersiedlimg
entschloß, war die Folge der Erwägung, daß es mit der
Feuersicherheit im alten Hause noch schlechter bestellt war,
im neuen zu erwarten stand, daß die Adaptierung des
Akailemietraktes zu vollständig feuersicheren Unterkünften
sehr hohe Geldbeträge erfordert hätte, die nicht zur Yer-
lügung standen und wenn sie da gewesen wären, beinahe
znr Schaffung eines neuen Gebäudes hingereicht hätten, end-
lich daß es möglich erschien, durch eine weitgehende Yer-
teilung der brennbaren Yorräte der Gefahr einer raschen
Au.'ihreitung eines Brandes entgegenzuwirken. AYas mit den
geläufigen Mitteln geschehen konnte, um eine Feuersgefahr
ahzuwenden, ist ausgeführt worden.
Mit der Feuensicherheit im engsten Zusammenhang
steht die Art der Beheizung und Beleuchtung. Eine moderne
ZentraUieizanlage konnte in das alte Haus nicht eingebaut
werden; dafür wurde der größte Teil der Bäume, darunter
die Bibliothek und die Kartenabteilung ganz, von der
Schriftenabteilung alle zu Aktendepots bestimmten Zimmer
mit Gasöfen versehen ; nur in den rein zu Kanzleizwecken
dienenden Zimmern sind Kachelöfen mit Kohlenfeuerung ein-
gestellt. Die künstliche Beleuchtung erfolgt durchaus und
ausreichend mit Gaslicht { Auerbrenner ), wird aber hortentlich
wenig in Anspruch genommen werden, da die Bäume genug
Tageslicht ein[)fangen und die Arbeitsstunden (t) Uhr vor-
mittags bis halb 3 Uhr nachmittags : in eine Tageszeit fallen.
Wo nur bei außergewöhnlich trüben, nebligen Tagen »dne
kdinstliche Beleuchtung zeitweise notwendig wird.
Die Einbruchsicherheit ist tunlichst gewährleistet durch
die Vergitterimg aller Fenster des Souterrains gegen die
Stiftgasse und den Akademiehof, durch den Abschluß der
einzelnen Gebäudeteile mittelst Eisengitter gegen das in
Benützung stehende südliche, uml durch vollständige .Ab-
maueriuig gegen das nördliche Stiegenhaus : endlich wurden
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XIV
Das k. and k. Kriegsarnbiv in saioem naueu Heim.
in einem Raume der Kartenabteilung einige Fenster, die auf
eine angrenzende Dachtiäche münden, mit eisernen I.aden ver-
seilen. Eine eutsprecbende Anzahl von Fenstergittem ist
zum Offnen eingerichtet, um im Falle eines Urandes die
bedrohten Aktenbündel auf dem kürzesten 'Wege ins Freie
schaffen zu können.
Fügt man nun noch hinzu, daß im Hause eine aus-
reichende Anzahl von Ausflüssen für Trink- und Nutzwasser
besteht, daß ein kleiner, passend gelegener Aufzug die BetÖr-
derung von Archivmaterial durch alle drei Geschosse hindurch
wesentlich erleichtert, daß die Direktion des Krieg.sarchivs
durch ein internes Telephon mit allen ihren Abteilungen,
durch den Anschluß an das Staatstelephon mit der ganzen
.\uBenwelt verkehren kann, daß eutUich ein eigener Portier
den Personenverkehr beim Haupteingang i Stiftgasse Nr. 2)
überwacht, so ist hiemit die Aufzählimg aller technischen
und personellen Vorkelirungen erschöjift, die dem Kriegs-
archiv nunmehr zu gute kommen.
Die Übersiedlung selbst, also die Überführung des ila-
terials und der Einrichtung, hat sich im großen ganzen leicht
und glatt abgewickelt. Es soU nicht verschwiegen werden,
daß gerade diesem Geschäft mit einiger Besorgnis entgegen-
gesehen wiude ; Erfahrungen über die. Beförderung solcher
Massen hatte eigentlich niemand. Glücklicherweise stand
genügend Zeit zur Verfügung ; man konnte daher gewisser-
maßen mit einem ^'ersuch beginnen und die daraus gewon-
nene Erfahrung für die Festsetzung eines geregelten Betriebes
verwerten. Hauptbedingung tür die anstandslose, ununter-
brochene Belorderung war die Bereitstellung der Kasten und
Stellagi'n für die bleibende Einstellung jener Schriften oder
Bücher, deren Überführung jeweils im Zuge war ; denn ein
vorläufiges Ablageru, etwa in den Gängen, und ein nach-
träghches Einstelleu hätte sicherlich zu Verwirrungen geführt
imd die ohnehin beschwerhche Arbeit unnötig vermehrt.
Große Erleichtenmg gewährte in dieser Beziehung die befrie-
digende Einhaltung der vorgeschriebenen Termine für die
Liefenmg der neubestellten Stellagen und Kasten; mehr Kopf-
zerbrechen hingegen verursachte das Abbrechen und Wieder-
aufstellen der vielen schon vorhandenen Kasten. Es ist durchaus
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Das k. nnd k. Kricg»arcbiv in seinem neuen Heim.
XV
nicht' kleinlich, dies zn erwähnen ; man muh nur bedenken,
(laß die übertuhrten Kasten aneinander gereiht die stattliche
AiLsdehnimg von fast ’/s Kilometer eiiuielimen, daß diese in
den früheren Räumen in zusammenhängenden, der Gestalt
des betreffenden Zimmers angej)aßten Gruppen in-, durch-
iind übereinander gebaut, von ungleicher Höhe, Breite und
Tiefe waren, tind daß bei der Wiederaufstellung eben nur
gleichartige und in die neuen Räume passende Teile
zusammeiigetugt werden konnten. Auch dies wurde in rich-
tiger Zeit bewältigt und ist anscheinend gelungen ; wer heute
im Kriegsarchiv einen der größeren Säle betritt, der sechs
Kastenreihen mit zusammen 50 bis HO Meter Kastenlänge
enthält, wird den Eindruck empfangen, daß die Aufstellung
so in den Saal j)aßt, als ob sie dafür von Haus aus bestimmt
gewesen wäre, und gar nicht glauben, daß diese Kastenreihen
aus vielen einzelnen Stücken zusammengesetzt sind, die
insprünglich gar nicht zusammengehörten.
Der Transport des Materials geschah mit halbgeschlos-
senen Möbelwagen ; wegen der ansehnlichen Steigung der
Zufahrtsstraßen ( Mari.ahilferstraße und Breitegasse i wurde die
Belastung eines Wagens mit nur 2500 Kilogramm voraus-
gesetzt. tatsächlich aber in der Folge etwas mehr autgeladen.
Die zerlegten Kasten wurden auf Streifwagen überführt.
Die Protokolle und Aktenbündel der Schriftenabteilung
winden ohne jede Verpackung unmittelbar auf den Boden
lies Wagens eingelagert. Die Kartenabteilung, die ihr Material
größtenteils in Enveloppen aus starkem Papj)endeckel ver-
wahrt, konnte diese Enveloppen auch unvermittelt einlagem,
nur lose Umschläge, Schuber, gebundene AVerko u. dgl.
winden vorerst in Kisten verpackt. Die Bibliotheksabteilung
liingegen war genötigt, zur Schonung der Bücher alles vorerst
in Kisten zu veqjacken imd diese erst zu verladen. Einrich-
timgsstücke wurden selbstverständlich ohne weitere Umstände
überführt.
Aus den bei der Übersiedhuig gefülirteu A'ormerkimgen
sollen hier einige Daten angeführt werden, die besser als
viele Worte über Gewicht und Ausdehnung des Archiv-
niaterials und der Einrichtung Aufschluß geben.
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XVI
Das k. und k. Kric^sarcbiv in seinem neuen Heim.
Die Direktion des Kriegsarchivs (Schriften der dienst-
lichen Korrespondenz. Dienstbücher, kriegsgescliichtliche Ela-
borate und der Verlagsvorrat der vom Kriegsarchiv heraus-
gegebenen Werke) benötigte zum Transport insgesamt
8 Fuhren; das Gewicht derselben kamt mit 20.000 Kilogramm
angenommen werden, wovon 7000 Kilogi-amm auf tlie Ein-
richtimg entfallen.
Die kriegsgeschichtliche Abteilung hatte fa.st nur Eiu-
richtimgsstücke zu transportieren, die wenigen Bücher und
Schriften, die zur fortlaufenden Arbeit nötig sind, kommen
nicht in Betracht. Auch hier wurde mit 8 Fuhren das Aus-
langen gefunden, das Gewicht darf also auch mit 20.000 Kilo-
gramm bemessen werden.
Die Schriftenabteihmg ('rund 23.000 Aktenbündel, 8000
Protokolle und einige hundert Büchen benötigte zui- Über-
führung des Materials 72 Fuliren: das Gewicht wird mit
200.000 Kilogramm angegeben.
Die Kartenabteilung (in etwa 1 700 Enveloppen untl
Mappen 13.600 Werke in 18.700 Exemplaren mit 148.400
Blättern, dann 2700 Hefte und Bände und über 3000 Porträts
imd Bilder i benötigte 1 2 Fuhren ; das Gewicht des Materials
kann mit 32.000 Kilogramm angenommen worden.
Die Bibliothek, eine der größten kriegswissenschaftlichen
auf dem Kontinent, umfaßt rimd 80.000 Bände ; zum Trans-
port der in ziemlich massiven Kisten verpackten Bücher
wTirden 29 Fuhren gebraucht. Das beförderte tote Gewicht
der Kisten darf mit einem Drittel der Gesamtlast angesetzt
werden ; daraus ergibt sich das Gewicht der Bücher allein
mit rund .55.000 Kilogramm.
Die insgesamt überfuhite tote Last, an der mehr oder
weniger alle .Abteilungen, vorwiegend aber die BibUothek
teihiahmen. wird auf etwa 28.000 Kilogramm geschätzt.
Die Überführung der im neuen Hause wieder aufge-
stellten Einrichtung kann nicht für jede Abteilung gesondert
berechnet werden; im ganzen wurden hiezu 35 Fuhren
benötigt. Da wegen der voluminösen Gegenstände die
Belastung des Wagens hiebei nur mit 1500 — 1600 Kilogramm
angenommen werden darf, ist das Gesamtgewicht mit etwa
55.000 Kilogramm einzuschätzen.
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Das k. und k. Kri6|;:9Rrofaiv in seinem nenen Heim. X\ II
Stellt man endlich das Gewicht der neu beschallten
Kasten, Stellagen und anderer Einrichtungsstücke mit etwa
40.(X)0 Kilogramm in Rechnung, so ergeben sich folgende
Summen :
llewicht des Arcbivmaterials . . . rund 300.000 Kilogramm
Gewicht der Einrichtiuig .... ,, 122.000
l-'berlührtes totes Gewicht . . . , 28.000 .,
Das gesamte in Bewegung gesetzte
Gewicht rund 450.000 Kilogramm
Um eine leichtere Vorstellung dieser Massen zu ge-
winnen, sei der Vergleich mit Eisenbahnlasten herangezogen.
Ein gewöhnlicher Lastwaggon kann hei voller Ausnützung
seiner Tragtähigkeit 10.000 Kilogramm Gewicht aufnehmen.
Es wiiren daher zur Aufnahme des Archivmaterials allein
30 Waggons, für die Einrichtung samt dem unvermeidlich
mitzuführenden Gewichte <ler Verpackungen 1 5 Waggons
nötig. Da aber die Einricht>ing nicht nach dem Gewichte,
Sündern nach dem Rauminhalt in Betracht gezogen werden
muß. kann die Anzalil der für den Transport derselben be-
nötigten Waggons unbedenklich um zwei Drittel der gefun-
denen Zahl, also von 15 auf 25 vermehrt wenlen.
Eine ziemlich sinnfällige. Vorstellung über die Menge
des Archivmaterials läßt sich auch aus den Abmes.sungen
der zu dessen Aufnahme verwendeten Kasten und Stellagen
gewinnen. Aneinandergereiht würden sämtliche im Kriegs-
archiv vorhandenen Kasten und Stellagen eine Länge von
1350 Metern 1 1800 Schritte) einnehmen, also vom Prater.stent
'Tegetthotf-Monument) in der Hauptallee bis zum 3. Katfee-
liaiis Ofler vom Schwarzenbergplatz längs des Kolowrat-,
Park- und Stubemünges noch über die A.spernbrücke reichen.
Die Höhe dieser Kasten uml Stellagen kann mit durch-
schnittlich 2‘25 Jleter angenommen werden ; die benützbare
vertikale Wandfläche wurde mit 2930 Quadratmeter erhoben.
Die Tiefe tler Kasten ist ungleich : in der Bibliothek durch-
gehends 0'50 Meter, in der Schriftenabteilung 0'55 bis 0'70 Met-er,
in der Kartenabteilung 0'85 Meter.
Von der angegebenen Länge entfällt fast genau die
Hälfte je auf Stellagen und Kasten : von der benützbaren
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XVTII
Da« k. und k. Kneg^arohiv in seinem neaen Heim.
vertikiilpii Wandfläclip hingegen 1647 Quadratmeter auf Stel-
lagen, 1383 Quadratmeter auf Kasten.
Wie viel von diesen .Ausmaßen auf jede .Abteilung einzeln
entfallt, ist in der ohenstehenden Tabelle üliersichtlich
zusamraengestellt .
Zum Schlüsse sei erwähnt, daß der Hauptteil der Über-
siedlung in den Monaten Juni und .Juli bewirkt worden ist.
Das Kriegsarehiv hat während der ganzen Zeit der l ber-
siedlung .seinen Dienst nicht unterl)rochen; nur die Erledigung
weniger .Anfragen von j)rivater Seite wurde nach vorhei'iger
Ankündigung bis zum 1. September verschoben.
Ein anschauliches Bild von der C4röße und Anordnung
des Kriegsarchivs in seinem neuen Heim zu bieten, ist in
den vorliegenden Zeilen kaum möglich gewesen : ein solches
läßt sich wohl nicht anders, als dMch eigene Anschauung
gewinnen. Ein Besucher des Kriegsarchivs wird dann noch
finden, daß für Forscher in der Schriftenabteihing ein eigener
Saal (91 Quadratmeter (Irundflächp, 3 große Fenster i bestimmt
wurde, licht, geräumig und wenn auch nicht prächtig, so doch
zweckmäßig und würdig eingerichtet. Ebenso steht den
Lesern in der Bibliothek ein Zimmer zur Verfügung, in
welchem sie ungestört ihren Studien obliegen können.
Die Schätze des Kriegsarchivs harren nun im neuen
Heim der Benützung zur Erforschung geschichtlicher Wahrheit.
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Das Herzogtum Warschau
von seinen
Anfilngen bis zum Kampf mit Österreich 1809.
Von
Hauptmaiiri Just.
(Mit zwei Beilagen und einer Textskizze.)
Witteiluuffon <3es k. nnd k. Krit'gsnrchivs. Dritte Folge IV. Bd. 1
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Benützte Quellen.
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kulturhistorischer Hinsicht. Nach Malte-Brun und Chodzko. Leipzig
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und Königreiches Sachsen. III. Bd. Gotha 1873. — Favrat Fran9ois
Andre, Beiträge zur Geschichte der polni.schen Feldzüge 1794 — 1796.
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1810 bei A. Fr. Böhme. — Exner Moriz, Die Anteilnahme der königl.
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letzten Tagen. Berlin 1897. — Eduard Hopfner, Der Krieg von 1806/7.
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Geschichte der polnischen Revolution vom Jahre 1794. Leipzig 1833,
Literarisches Museum. — Lelewel Joachim, Geschichte Polens. Deutsche
Ausgabe. Leipzig 1846. — Lefebvre Armand, Geschichte der Kabinette
Europas während des Konsulats und des Kaisertums 1800—1815,
übersetzt von A. Diezmann. Leipzig 1845. Marschall Oskar von
Bieberstein, Die Memoiren der Gräfin Potocka, 1794 — 1820. Leipzig
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Denkwürdigkeiten über Polen, das Land und seine Bewohner. Deutsche
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1*
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Pologne contre les Autrichiens. Paris 1841. — Französische „Zeitungs-
ausschnitte”. Sammelband des Czartoryski Museum in Krakau. — Rys
historiczny kampanii odbytej w roku 1809 w Ksifstwie Warszawskiem.
Posen 1869. — Opis wypadköw wojenuich w Polsce pod dowödztwom
Josefa X. Poniatowskiego w roku 1809. AVar.-chau 1831. — Kalendarzyk
Krakowsky na rok 1812. Krakau bei Groblowsky. — Kalendarzyk poli-
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Das Hersog;tam Warschau.
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(1772 — 1852). Krakau 1891. — K. Koimiana (1780—1850). Posen 1858. —
J. Urs. Niemcewicza. Tarnow 1680. — Wybiokiego. Lemberg 1881. —
Kl. Kotaczkowski. Henryk D^browski tworoa legionöw polskiech we
Wloszech (1755—1818). Krakau 1901. — „Wspomienia”. I. Heft.
1793 — 1813. Krakau 1898. — Fr. Paszkowski, Ksiqie Josef Poniatowski.
Krakau 1898. — Rembowski Al., Przyczynek do historyi konstitucyjnej
Ksi^stwa Warszawskiego in Przewodnik naukowy 1896. Tom. 24. —
Schnür-Peplow.ski, Jeszcze Polska nie zginela. Dzieje legionöw polskich.
Krakau 1897. — Fr. H. Skarbek, Dzieje Ksi^stwa Warszawskiego.
Posen 1860. 2 vol. — St. Tarnowski, Xasze dzieje w ostatnich
stu latacb. Krakau 1895. — Bruno Ubaldus, Wielkie Ksi^stwo
Warszawskie. Lemberg 1890 in Wydwanictwo imienia Stanislawa
Staszica. II. Jahrgang, Heft 12, Februar 1890. — A. H. Popov, Die
polnische Frage in Russkaja Starina. Jahrgang 1893, März-Maibeft. russ.
— Kajetan Stankiewitscb, Kritische Betrachtung des Feldzuges 1809,
mss., Petersburg 1861. — üngedruckte Quellen : Akten des k. und k.
Kriegsarcbivs (Feldakten 1809, 7. Korps; Militärfoldakten a; Operations-
journale; Standeslisten).
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Vorwort. .
Schon seit dem Aussterbeu des nationalen Herrscher-
geschlechts der .Jagiellonen im .Jahre 1672 hat die Entwicklung
tles Königreiches Polen die Politik der europäischen Fürsten-
höte mächtig beeinfluüt. Die „polnische Frage” in der
Gesamtheit ihrer Einwirkungen aut' den Gang der welt-
geschichtlichen Ereignisse schildern, hieße eine Geschichte
<ler Staatenpohtik in den letzten drei Jahrhunderten gelren.
In einem engeren Sinne haben Einzeldarstellungen
polnischer, französischer, deutscher und russischer Schrift-
steller die Absichten Napoleon I. darzidegen versucht, als
er die Kraft der polnischen Nation in Frankreichs Dienst
stellte. Hatte er den Willen, das 1795 untergegangene
Königreich zu neuem Leben erstehen zu lassen, oder war
Polen iiir ihn mm ein Blatt in dem hohen Spiele mit den
Geschicken der eimopäischen Staaten?
Selbst die französische Forschung der Jetztzeit neigt
zu letzterer Auffassung*). Während der Dauer des Krieges
1«06 — 1807 hatte Napoleon die Hoffnungen der Polen
geweckt, ohne sich zu bindenden Erklärungen über ihre
Zukunft zu verstehen. Die von ihm geschaffene „Commission
de gouvemement nationale” hatte in Wahrheit nur die von
den tranzösischeu Truppen okkupierten preußischen Land-
striche des einstigen Königi’eiches Polen zu verwalten, fui'
die Erhaltung der „Großen Armee” zu soi-gen und neue
Tnippen auszuheben. Beim Friedensschluß fühlte Napoleon
die Verjjflichtiuig, sich einer Nation dankbar zu erweisen,
welche so willig Gut un<l Blut für ihn eingesetzt hatte. Das
alte Königreich in seiner Gänze wiederherzustellen, wie
') Eine Übersicht gibt Rembowski Fußnote zu Kapitel I;
Thiers, VII, 217.
*) Van dal, La France et la Russie pendant la Campagne de 1809.
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b .1 U 9 t.
so manche polnisclie Patrioten erträumt hatten, war freilich
in diesem Zeitpunkt fhr ihn unmöglich. So schuf er denn
da.s ,,Ilerzogtiun Warschau” unter dem Zepter König
Friedrich Augusts von Sachsen, einen Staat bedeutsamer
in dem, was er in Zukunft erhoffen und befürchten ließ, als
was er zur Zeit verwirklichte.
Rußland und (fsterreich sollten in ihm keinen Grund zur
Besorgnis für ihren polnischen Besitz erblicken können.
Napoleons Kombinationen mit dem „Werte” Polen er-
wiesen sich jedoch dem Gange der Ereignisse nach als
verfehlt. Bas neue Hei-zogtum erschien beiden Kaiser-
staaten nicht bloß als eine ständige Drohung, sondern auch
als Gefahr für die innere Ruhe der angi'enzenden Provinzen.
Die Wollen nationaler Einheitsbestrebungen konnten nur
zu leicht die Grenzen überfluten, wie die Ereignisse des
Jahres 180U in Alt- und Neugalizien dem Wiener Kabinett
bewesen. Die polnische Frage beschleunigte aber auch den
Bruch mit dem Zaren Alexander I. Durch Blut und Eisen
wurde in der Folge über das entschieden, was der Tilsiter
Friedeusvertrag so schön zn Papier gebracht hatte.
Selbst die Polen waren in ihren Botfnungen durch die
Schöpfung fies Herzogtums bitter enttäuscht worden. Politisch
und wirtschaftlich unreif, vermochte die Nation nicht, den
inneren Gehalt der neuen Verfassung sich zu eignen. Fremd-
artig wie der Name ihres Staates blieben den Polen auch
alle Einrichtungen desselben. Nur die .Armee war vom Geist
der Nation in vollem Strom durchdrungfui, sie repräsentierte
das alte Polen in der Begrenzung des neuen Herzogtums.
Die Entstehung find Entwicklung derselben zu schdderu,
ist Zweck vorliegender iD'beit. Universalgeschichtlichen und
wirtschaftspolitischen Ausführungen sollte niu- Raum gegeben
sein, soweit sie zur Beleuchtung der militärischen Einrichtungen
oder Würdigung der führenden Personen dienen konnten. Da die
Alaßnahmen der Warschauer Regierung bis zum 15. April 1809,
dem Tage des Einmarsches der kaiserlich östeiTeichischen
Truppen indasGebiet des Herzogtums, zur Darstellung gelangen,
so mögen die nachstehenden Ausführungen als kleiner Beiti'ag
zur Vorgeschichte des ,,Osterreichist;hon Befreiungskrieges"
gelten.
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Einleitung.
Untergang des polnischen Staates 1795.
Die politische AV iedergeburt Polens hatte sich mit der
Proklamation der Konstitution vom 3. Mai 1791 vollzogen *).
Noch ehe die Lehren von der Souveränität des Volkes in
Frankreich mit Blut und Schrecken ihre Verwirklichung
gefunden, hatten die Polen eine Verfassung geschaffen, die
geeignet schien, den stetigen Verfall ilires Reiches zu hemmen
und der Nation neue Kräfte zuzuführen. Das „liberum veto”
war abgeschafft, die gesetzgebende, richterliche und voll-
ziehende Gewalt organisiert und die Erblichkeit der Krone
ausgesprochen worden. Nach dem Tode des Königs Stanisla us
August sollte Friedrich -\ugust, Kurfürst von Sachsen, ein
Enkel .\ugust III., den Tlirou besteigen.
Li der Periode der Verfassungsstürme Europas nimmt
diese Konstitution der Zeit nach die erste Stelle ein. Blieb
trotz wohltönender Phrasen vieles noch beim alten, gewann
durch sie eigentlich nur der Adel *), dessen Rechte bestätigt
wurden, so trug sie doch den Geist der neiien Zeit in sich.
Kousseaus ,,Considerations sm- le gouvernement de Pologne”
in weiser Mäßigung polnischem Wesen angepaßt, fanden in
ihr Raum und Geltung. Ein Rahmen der Freiheit für alle,
der Ordnung nach innen, der Kraft nach außen, schien durch
■) Wortgetreue Übersetzung, Weiß, IX. Bd., 1. Hälfte, 26.
•j Artikel 2 der Konstitution sagt : „Den Adel erkennen wir für
die erste Stütze der Freiheit und der gegenwärtigen Verfassung.” Dev
Adel war daher die Nation ; die Bauern gingen leer aus und waren
auf den guten Willen ihrer Herren vertröstet.
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J U B t.
sie gescharten. Polens weißer Adler regte mächtig die
Schwingen, als wollte er noch einmal zu Höhe und Glanz
emporsteigen. Sein Flug sollte aber bahl erlahmen.
Eine so tief greifende Änderung im Staatswesen konnte
nicht vor sieh gehen, ohne viele in ihren Ansichten, wie in
ihren Interessen zu verletzen. Manche Große, die anfangs
keinen Widerstand gegen die neue Ordnung gewagt, traten
auf einmal als deren Gegner auf und erklärten in einem Send-
schreiben, daß sie der Nation zu ihren alten Hechten und Frei-
heiten wieder verhelfen wollten.
-\m 9. .Januar 1792 wurde der Friede zwischen der Türkei
und Rußland geschlossen; Zarin Katharina hatte jetzt „beide
Ellbogen frei’’, wie sie schrieb ; nun konnten die alten Pläne
7Avr Vernichtung Polens von ihr wieder aufgenommen werden.
Die tief eingewiu'zelten polnischen Erbübel, Uneinigkeit, Neid
und Eifersucht der Parteien erleichterten das M'erk. „Polen
von Rang und Verdienst ') hätten die Kaiserin um Schutz
uml Hilfe äugenden und zu Targowice in der Ukraine eine
gesetzmäßige KontÖderation g<'gen die uugesetzmäßige
Warschauer gebildet. Die Kaiserin könne diesen Männern
ihren Beistand nicht versagen und habe dämm einem Teil ihrer
Truppen den Befehl erteilt, in das Gebiet der Republik ein-
zuriieken.”
-Vm 18. Mai ward diese Deklaration Katharinas dem
polnischen Minister des Auswärtigen zugestellt, drei Tage später
ira Keichsrat verlesen. König Stanislaus August und der
Reichsrat waren eines Sinnes, sich zu wehren gegen fremde
Eiumisclumg in innere Angelegenheiten des Landes. .Jetzt
mußte das Schwert entscheiden.
Des Königs Neffe, Fürst .Josef Poniatowski, damals
30 .Jahi'e alt, erhielt den Oberbei'ehl Uber die Armee, die abzüg-
lich der Besatziuigen kaum 46.000 Mann zählte. Unter ihm stand
Thadtläus Kosciuszko, der einzige Führer, .der .sich im Felde
V)ereits rühmlich hervorgetan hatte, der Freund und Waffen-
gefährte Washingtons und Lafay ettes. Die Truppen waren
allerdings brav, aber im Kampf ungeübt, an Kriegszucht
') Wie Felix Potocki, General der königlichen Artillerie, die
Kronfeldherren llzewuski und Hranicki.
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Das HerBogtum Warschau.
11
nicht gewöhnt. Gegen sie rückten unter den Generalen
Kachowski und Kretschetnikoff von der türkischen
Grenze und von Litliauen 1 00.000 Russen, welche zähe Tapfer-
keit, imvergleichlichen Todesmut im Kampf gegen die Türken
bewiesen hatten, in mehreren Kolonnen an. Statt sich zu
konzentrieren, zersplitterte Poniatowski .sein Heer und die
Russen standen den Polen immer in Überzahl gegenüber.
So wurde der Feldzug für die letzteren aussichtslos. Von
einer Stellung ziu anderen gedrängt und diuch stete Verluste
geschwächt, trat bald Mutlosigkeit ein. Am 18. Juli kam es
bei Dubieuka ziu Schlacht. Gegen dreifache Übermacht
wehrte sich Kosciuszko mit 0000 Mann. Mann gegen
Mami war der Kampf ausgefochten w'orden, Erbitterung und
Kampflust hatten auf beiden Seiten die Waffen geführt. Nur
das Dunkel der Nacht und der Wald, in den sich die Polen
zurückzogen, retteten den Rest ihres Heeres.
Die Fortdauer des Kampfes hemmte ein Schi-eiben dos
rassischen Gesandten in Warschau, König Stanislaus sei
am 23. .Tuli der Targowicer Konföderation beigetreten. Wie
eine Weide vor dem Stiume hatte sich der König gebeugt.
Statt als Held au der Spitze seines Heeres zu siegen oder
ruhmvoll zu fallen, befahl er der .\rmee, sich zurückznziehen
mul versetzte damit der Nation einen tödlichen Streich.
Erbittert verließ sein Neffe Fürst Josef Poniatowski
das Land, nm sich nach Österreich zu wenden, unter dessen
Fahnen er seine militärische Ausbildung und Feuertaufe er-
halten hatte.
Seit sich König Stanislaus August der Konföderation
von Targowice, die über ru.ssischen Befehl ihren Sitz nach Grodno
verlegt hatte, angeschlossen, repräsentierte dieselbe auch die
Regierung. Bald sollte ihren Häuptern klar werden, daß sie selbst
am Untergang des Vaterlandes gearbeitet. Im .Januar kam ilie
Nachricht nach Grodno, preußische Trnpi)en rückten in Piden
ein. Am 25. März 1793 erging eine Erklärung F'riedrich
Wilhelm II. und am 29. April die Deklaration der Zarin,
daß bei<le Höfe wiegen des überhandnehmenden .fako-
binismus für das Wohl ihrer eigenen und der Nachbar-
staaten, wie für die Ruhe der Republik es für zuträglich ge-
funden hätten, Polen in engere Grenzen einznschließen. Die
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12
J U ■ t.
Nation wur<le aufgelbrflert, so sclniell als möglich einen
Keichstag zu versammeln, um sich gütlich über die Länder,
welche Polen verlieren sollte, zu venständigen und die heil-
samen Absichten der beiden Mächte zu befördern, damit der
Republik ein dauenider Friede zu teil werde.
Schon in den nächsten Wochen erfolgten die Wahlen,
Bestechung half nach, und der am 17. Juni 1793 erötfnete
Keichstag war mit Ausnahme weniger Mitglieder zur Erfüllung
russischer Wünsche gefügig. Es kam zu der berühmten
,, stummen Siunng" in der Nacht vom 22. auf den 23. Sep-
tember 1793, in welcher der Reichstagsmarschall Bielinski
auf dreimalige Anfrage, ohne daß das Schweigen gebrochen
worden wäre, erklärte, der Ajitrag auf Abtretung gewisser
Landesteile an Preußen sei einmütig angenommen. In den
Formen eines historischen Trauerspieles hatte sich der letzte
Akt der gesetzgebenden Versammlung Polens vollzogen und
war doch nur ein großes „Komödiantenstück” gewesen
Am 2.0. September wurde der jireußisch-polnische Abtretungs-
vertrag unterzeichnet und die zweite Teilung Polens besiegelt.
Der Republik verblieben nur 4800 Quadratmeilen Landes mit
drei Millionen Einwohnern.
Nachdem der Reichstag auf Antrag des russischen
Gesandten Grafen Sievers die Reduktion der Armee auf
1.5.000 Mann verfügt hatte, opferte er am 23. November auch
noch die Verfassung vom 3. Mai 1791 und stellte den Rechts-
zustand vor dieser Zeit wieder her. Die Sitzung dauerte die
ganze Nacht, dann ward ein Tedeum gehalten und die Ver-
sammlung löste sich auf.
Die Zarin hatte ihr Ziel erreicht. Polen war nieder-
getreten. Noch gab es aber im Lande begeisterte .Anhänger
der Alaiverfässung, die trotz des verübten Gewaltstreiches an
der Möglichkeit einer A’erwirklichung der Konstitution nicht
verzweifelten, die Gut und Leben einzusetzen bereit waren,
um die bedrohte Heimat vor gänzlichem L’ntergang zu
bewahren. Die Sehrotlheit des (ienerals Igelström, der
als (Gesandter und Befehlshaber der russischen Truppen in
’) Siehe hierüber die intcressiinteii Schilderungen bei Bcrnhardi,
II. Teil, 2. Abt., 333 und Brüggen, 319—321, 39.5.
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Da« Uerao^um Warschau.
13
Warschau residierte, erinnerte aber auch jene Polen, weiche
nicht für die Verfassung scliwännten, daß ihr Vaterland
unteijocht sei. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft glühte
als Funke unter Asche und Schlacke fort.
In der Wahl dessen, der an der Spitze der Bewegung
stehen sollte, waren Volk und Heer einig. Niemand besaß
das Vertrauen der Polen in höherem Grade, keinen bebte
die Nation mehr, keinen anderen verehrte die Armee höher
als Kosciuszko. Er, wie der verabschiedete General
Zajaczek trachteten, die mibtärische Erhebung einzuleiten,
um noch einmal den Kampf aufzunehmen. Zajf^czek hatte
.sich anfangs 1794 im Geheimen von Leipzig nach War.schau
begeben, um die Mittel und Wege der Warschauer Patrioten
für eine aUgemeine Erhebung kennen zu lernen. Er fand, rlaß
die Vorbereitungen dem Eifer keuieswegs entsprachen, ja
daß es den führenden Persönbchkeiten an einem wohl übei’-
dachten Plan fehle. Er warnte daher vor jedem unzeitigen
und iladurch nutzlosen Ausbruch der Bewegung und riet,
den Aufstand der Bauern einzuleiten, der Armee sich völbg
zu versichern, die Bevölkerung von Warschau aber weiter
anzueifem.
Kosciuszko, der in der Nähe von Krakau eine Zu-
sammenkunft mit dem General Wodzicki gehabt hatte, fand
auch in Krakau die Veranstaltungen noch unreif, versprach,
sobald cbe Mittel bereit seien, an die Spitze des Unter-
nehmens zu treten, und reiste nach Rom.
Die Freunde der guten Sache taten inzwischen alles,
tun das Volk für die Idee der Abschüttlung fremder WiUkür
zu begeistern. Was für diesen Zweck wirken konnte, ward
in Bewegung gesetzt; Flugschriften über die Konstitution
vom 3. Mai, über Polens Lage und Hoftiiungen bei einer
nahen Veränderung des gegenwärtigen Zustandes wiutlen
heimlich verbreitet.
General Igelström konnte die wachsende Gärung nicht
verborgen bleiben. Verhaftungen folgten auf Verhaftungen,
ohne der immer steigenden Bewegung Einhalt tun zu
können. Da gedachte Igelström einen energischen Streich
zu führen. Er erließ eine Note an den ,, Immerwährenden
Rat”, die bereits zu Grodno besclilossene Reduktion der
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14
J n s t.
Armee bis zum 15. März durchzutuliren. Gegen diese kate-
gorische Anordmmg etwa.s zu unteniehmen, gebrach es
au Mut wie an Kraft. Der Chef des Kriegsdepartemeiits
sah sich gezwungen, unverzüglich Maßnahmen einzu-
leiten, erregte aber hiedurch in der Armee allgemeine
Erbitterung. Offiziere wie Gemeine wollten sich nicht von
ihren Wati'en trennen und die Ojjpositon organisierte sich wie
von selbst.
Der erste, welcher statt zu gehorchen, dem Befehl der
Kegierung oftenen AViderstand entgegensetzte, war General
Madalinski. Als er in Ostrolenka den Auftrag zur Entwaffnung
seiner Brigade erhielt, war sein Entschluß sogleich gefaßt.
Er ließ einen Bericht an die Kriegskommission nach AV'arschau
abgehen und erklärte, den Befelü der Regierung nicht früher
ausführen zu können, als bis er in stand gesetzt sei, seinen
Trujipen den bereits seit zwei Monaten rückständigen Sold
auszuzahlen. Er beabsichtigte, auf diese AVeise Zeit zu ge-
winnen, die AA’ eichsei mit seiner Brigade übersclireiten und
gegen Krakau vorrücken zu können, ehe ihm noch durch
die Russen der AVeg verlegt würde.
Am 12. Alärz von Ostrolenka aufbrechend, bewerk-
stelligte er bei AVyszogrod den Übergang über die AVeichsel
lind ging über Sochaczew, Rawa, Inowlodz, Konskie und
Radoszyce nach Krakau. Durch die Schnelligkeit seines
Marsches, welcher durch die Lande.sbewohner auf jede nur
möghehe Art getordert wm-de, gelang es Aladalinski auch
wirklich, den ihm nachgesendeten russischen und preußischen
Detachements zu entkommen.
Kosciuszko, aus Italien rückgekehrt, hatte in Dresden
von Aladalinskis Unternehmung Kachricht erhalten. Er
eilte augenblicklich nach Krakau und traf hier am 23. März
ein. Alit einer Begeisterung ohnegleichen empfangen, wurde
er zum Oberbefehlshaber emaimt und ihm die Leitung
der gesamten Erhebung, die A'erwendung aller Kräfte der
Nation, die Emennimg zu allen Stellen im Heere, sowie
die AAhihl der Mitglieder eines Nationalrates übertragen.
Kosciuszko nahm die Würde an, welche ihm dikta-
torische Gewalt einräumte und erließ am 24. März eine
feurige, von wildem Haß gegen Katharina und Friedrich
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Das Uerzogtam Warschau.
15
Wilhelm getragene Unabliängigkeitserklännig. (Krakauer
Konföderation.)
Der Obergeneral entfaltete nunmehr eine auüerordentliche
Tätigkeit. Seine Aufgabe war nicht leicht. Die Soldaten, die
ihm zu.strömten, kamen einzeln und in Haufen; e„s galt, sie in
Bataillone und Regimenter zu gliedern; es fehlte an Watfen.
er gab den Bauern Sensen. Zur nötigen inneren Festigung
imd Organisation der Armee reichte jedoch die Zeit nicht.
Schon nach sechs Tagen mußte Kosciuszko gegen die
Russen aufljrechen, die unter Tormassow und Denissow
gegen Krakau heranrückteu. Sein Heer bestand einschließlich
der mit Sensen und Piken ausgerüsteten Bauern aus 8000
Mann. Schon am 4. ,\pril griffen die Russen bei Raclawice an.
anirden aber mit einem Verlust von 600 Toten, Verwundeten
und 12 Kanonen zurückgeschlagen.
Unter anderen Verhältnissen wäre das Gefecht von
geringer Bedeutung gewesen, jetzt aher festigte es das Ver-
trauen, welches die Nation ihrem Führer schenkte und erweckte
frohe Zuversicht auf den glücklichen .\usgang des Kampfes.
Rasch verbreitete sich <lie Nachricht über den erfoch-
tenen Sieg in Warschau und rief eine mächtige Wirkung
hervor. Kosciuszkos Aufruf fand sich bald an allen Straßen-
ecken angeschlagen, Spottschriften gegen Rußland wurden
immer häufiger und kühner. Igelström hatte wohl die dunkle
.■Ahnung von einem drohenden Kamj)fe, wußte aber nicht, wo
und wie er den Gegner fassen könne. Ein treuer Vollstrecker
fremder Befehle, erwies er sich unfähig, selbständig Ver-
fügimgen zu treffen. Er glaubte nicht an eine allgemeine Er-
hebung, sondern nur an das Treiben einzelner Wühler und
verlangte daher vom ,, Immerwährenden Rat” die Verhaftung
mehrerer, durch ihren Ru.ssenhaß bekannter Personen. Diese
Maßregel brachte den aufgehäuften Zündstoft’ zur Explosion.
Der .Angriff gegen die Russen wurde für den 17. April,
den Gründonnerstag, festgesetzt. Während der Nacht herrschte
tiefste Ruhe auf den Straßen. Je melir sich die Gefahr näherte,
desto weniger kündigte sie sich äußerlich an. Um 4 Uhr
früh regte es sich im Zeughaus. Eine Abteilung der Garde
zu Pferd ritt aus den Kasernen heraus, griff ein russisches
Pikett, das in der Nähe stand, an und zwang es zum Rück-
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16
Just.
zug. Bald darauf riefen Kanonenschüsse und verabredete
Signale die polnischen Truj)pen auf ihre Posten und alar-
mierten die Bevölkerung. Nach einem SOstündigen er-
bitterten Straßenkampf schlug sich Igelström mit einem
Verlust von 2265 Toten und 122 Verwundeten') dimch
und vereinigte sich in Powonski mit dem i)reußischen Kori)s
des (jenerals von Wolki*). Am 19. April wurde bei
Kazun die Weichsel übersetzt, Russen und Preußen kanto-
nierten in imd um Zakroczyn. Nachdem Igelström hier
die Tru])pen aus Praga an sich gezogen hatte, ging er
wieder aufs linke Weichselufer und nahm Stellung bei Lowicz,
wo er ein Lager aufschlug und alle russischen Abteilungen,
welche in der Nähe standen, vereinigte. Er brachte bei 7000
Mann zusammen, die aber so bunt dmcheinander gewürfelt
waren, daß das Lager mehr dem von einer Menge Ordonnanzen
verschiedener Regimenter wimmelnden Hauptquartier eines
kommandierenden Generals als dem Lager eines Korps
ähnlich sah.
Eine weit größere Gefahr als von den Russen schien
daher für den Augenblick von Seite Preußens zu drohen.
Bei der geringen Zahl der russischen Streitkräfte hielt König
Friedrich Wilhelm H. die Gelegenheit für günstig, die Haupt-
rolle zu -spielen und hiebei ein gut Stück Land zu gewiimen.
Die Sorge um die Sicherheit der eigenen polnischen Besitzimgeu
konnte als Grund gelten, die in Polen aufgestellte Armee bis auf
einen Stand von 50.000 Mann (64 BataUloiie, 8500 Pferde) zu
erhöhen, über die der König am 3. Juni in Zamowice das
Kommando übernahm.
Kosciuszko hatte nach der Sclilacht bei Raclawice
Verstärkungen an sich gezogen und war am 17. Mai zim
Oliensive übergegangen, nachdem GL. Denissow sich gegen
SzczekoczjTi gewendet. Statt aber zu versuchen, die russische
und preußische Armee einzeln zu schlagen, bezog Kosciuszko
') Treskow, 51.
In SüdprouÜen kommandierte der GL. Graf von Schwerin
ein Korps von zirka 8000 Mann, welches die wichtigsten Garnisonen,
und auch diese nur schwach besetzt hielt. An Stelle dos erkrankten
Grafen Schwerin übernahm Mitte April GL. von Favrat das Kom-
mando Ober die bereits erheblich verstärkte Armee.
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Das Heraogtam Warschan.
17
bei Rawka ein Lager und erwartete hier den Angriff, der mit
seiner Niederlage endete (6. Juni 1794). Bald sollten neue
JliUertolge die großen Hoffnungen der Polen erschüttern.
Am 8. Juni erlag GL. Zajqczek dem ru.ssischen General
Derfelden bei Chelm und mußte sich nach einem sechs-
stündigen Kampfe, durch die überlegene russische Artillerie
erschüttert, nach Lubhii zurückziehen. Sieben Tage später
öffnete Krakau dem preußischen General von Elsner die Tore.
Die Kunde von diesen Schlappen veranlaßte in Warschau
Szenen, welche au die Septembertage der französischen Re-
volution erinnern. Der Pöbel erstürmte am 28. Juni die Ge-
fängnisse und übte selbst Justiz au den Gefangenen. Erschüttert
durch diese Vorgänge bat der König am 1. Juli Kosciuszko
brieihch, zur Aufrechterhaltung der Ruhe tmd Sicherheit wie
zu seinem eigenen Schutz ein Truppendetachement zu ent-
senden. Kosciuszko erscliien aber selbst, um die Hauptstadt
zu decken; Zajqczek, welcher bei Praga die Weichsel pas-
siert und bei Wilanöw sich postiert hatte, nahm hier die pol-
nische Hauptarmee auf.
Am 13. Juli langten nun die preußische und russische
Armee, erstere 25.000, letztere 13.000 Mann stark, vor War-
.schau an, ohne jedoch einen Angriff zu unternehmen. Aus
Graudenz und Breslau wurde Belagerungsgeschütz beordert
und alle Vorarbeiten zim Eiideitung der förmlichen Belagenmg
bis zmn 26. beendet.
Die Befestigimg Warschaus war anfangs Alai begonnen
worden imd erliielt erst während der Belagerung ihre Haupt-
werke. Die AVäUe waren mit 415 Geschützen armiert; die Zalil
der Verteidiger behef sich auf zirka 18.000 Mann. Am 27. Juli
begannen die Preußen die ersten Angriffe, welche von den
Polen mit wahrer Begeisterung zurückgeschlagen wurden. Der
letzte und blutigste Kampf entspann sich in der Nacht des
28. August, in welcher der A*erteidig;ungsabschnitt Dabrow-
ski.s mit Übermacht angegriffen wurde, während gleichzeitig
Zaj^czek die Preußen attakierte. Enttäuscht über das Aus-
bleiben jeglichen Erfolges, hob König Friedrich Wilhelm
in der Nacht vom 5. auf den 6. Septemlier die Belagerung auf.
,.\on allen Seiten treffen Meldungen ein, daß der Aufstand
in Südpreußen von Tag zu Tag an Stärke zunehme. Unsere
Uitt«ila2iaen des k. und k. Kriegsnrcbivs. Dritt« Folge. IV'. Bd. 2
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J U ■ t.
Kommunikationen sind unterbrochen, das Eintreft'en der Vor-
räte ist unsicher, ebenso wie die Ruhe meiner Provinzen.
Bei dem Schwinden aller Hoffnung, daß ein Truppenkorps
Euerer Majestät die Anstrengungen unterstützen werde, welche
ich der Einnahme von Warschau zuwandte, bUeb mir keine
andere Wahl, als mit meinen Truppen abzuziehen *i”. So ent-
schuldigte König Friedrich Wilhelm II. den AV)zug seiner
Truppen vor Zarin Katharina.
Warschau atmete wieder auf. Die Insurrektion in Süd-
preußen, wohin D^browski abgeschickt worden war, machte
Fortschritte, Bromberg fiel, höher stieg die Zuversicht der Polen.
Bald sollten aber Rußlands Waffen die Entscheidung bringen.
Fürst Rinnjänzow erhielt von Katharina den Befelil,
mit dem Heere, welches an der türkischen Grenze .stand,
Warschau zu nehmen. Am 18. September schlug Suworow,
der tatsächlich das Kommando führte, beim Kloster Ki’upczyce
die Polen unter Sierakowski. Derselbe zog sich nach Brze.sc
Litewski zurück, wurde aber schon am nächsten Tage noch
heftiger angegriflen. Acht Stunden wurde mit blanker Waffe
gekämpft; kaiun 500 Polen retteten .sich durch die Flucht,
die Zahl der Gefangenen betrug kaum einige Hundert. ,,Die
siegreichen Truppen Ihrer Majestät,” schrieb Suworow an
Rumjänzow*), „bezahlten seine [des Feindes] Verzweiflung,
keinen Pardon gebend, weswegen unser Verlust bemerkenswert,
wenn auch nicht groß ist. Das Schlachtfeld ist 15 Werst weit
mit Leichen bedeckt. Wir sind sehr müde.” Der Weg nach
Warschau stand jetzt offen.
Kosciuszko hob nun sein Lager bei Mokotöw vor
Warschau auf und ging mit seinem Korps über die Weichsel,
um den nahenden Feind in Person zu bekämpfen. Bei Siedlce
fiind er am 6. Oktober General Sierakowski mit deuTrümmeni
seines Detachements. Nachdem er eine strenge Untersuchung
über die Ursachen der Niederlage liei Brzesc angestellt
hatte, eilte er nach Grodno, wo General Mokranowski mit
einem lithauischen Kontingent stand. Kosciusko tibeitrng
demselben den Oberbefehl über alle lithauischen Truppen, die
b Friedrich Wilhelm an Katharina, 1. September 171U.
(Ssolowjoff, 353.)
’) Bericht Suworows. (Ssolowjoff, .358.)
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Das Hersofftum Warschaa.
19
M 0 k r a u 0 w s k i zu einem Korj)S vereinigen und gegen S u w o r o w s
Rücken und Flanke wirken lassen sollte. Er selb.st eilte sodann in
Sierakowskis Lager zurück, darauf bedacht, die Vereinigung
des uoch am linken Weichseluler stehenden russischen Korps
unter Fersen, Igelströms Nachfolger, mit Suworow zu ver-
hindern.
General Poninski war mit 3000 Mann abgeschickt
worden, den Übergang Fersens aufs rechte Ufer zu hemmen
oder ganz unmöglich zu machen. Er hatte sich aber täuschen
lassen und war nach Pulawy gerückt, während Fersen
nördlich davon bei Kozienice luigehindert das rechte Ufer
gewonnen hatte. Kosciuszko beschloÜ nun, Fersen an
der Verbindung mit Suworow zu verhindern und rückte
am 7. Oktober ohne Verstärkungen aus Warschau oder das
Eintreflen Poninskis abgewartet zu haben, mit 6500 Mann
Infanterie und 4000 Mann Kavallerie dem russischen General
entgegen. Den 9. Oktober kamen die Polen am Nachmittag,
die Richtung auf das Dorf Maciejowice einhaltend, aus einem
großen Wald hervor und erblickten nach einigen Minuten
die russische Armee. Nach kurzem Gejiläukel wurde das
Feuer eingestellt ; während der Nacht bereiteten sich beide
tiegner zur Schlacht. Die Russen waren an Truppeuzahl
uud Geschütz weit überlegen, die Polen hatten den Vorteil
der günstigeren Stellung.
Die Russen begannen um 5 Uhr früh mit einem mör-
derischen Geschützfeuer den Kampf und erötfueten auf Ge-
wehrsehußweite herangekommen ein heftiges Infanteriefeuer.
Rasch bedeckte sich der Boden mit Toten und Verwundeten,
die polnischen Kanonen verstummten. Zweimal -wuirden die
Russen mit dem Bajonett zurückgeworfen, auf die Dauer ver-
mochte aber die Infanterie dem Ansturm nicht staudzuhalten.
Kosciuszko machte an der Spitze seiner Generale und dem
Keni der Reiterei einen letzten Augrifl’, allein auch diese An-
strengung war vergeblich. Aus mehreren Wunden Vjlutend, stürzte
Kosciuszko vom Pferde, die Generale K am inski,Kniazewicz^
Sierakowski gerieten wie ihr Führer in Gefangenschaft. Niu-
loOO Polen retteten sich diu'ch die Wälder nach Warschau.
Mit Blitzesschnelle verbreitete sich die Kiuide von
Kosciuszkos Unglück bis in die ärmlichsten Hütten War-
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20
J n • t.
schaus. Auf allen Straßen, in allen Familienkreisen vernahm
man die Worte: „Koscinszko ist nicht mehr.” Mit diesem
Verlust lösten sich die lockeren Bande der Einigkeit, die
gerade jetzt um so fester hätten geknüpft werden müssen, da
der Augenblick herannahte, der Polens Schicksal entscheiden
sollte.
Der Natioualrat wählte nunmehr den bei der lithauischen
Armee befindlichen GL. Thomas Wawrzecki') zum Ober-
befehlshaber, bis zu desseuAukunft in Warschau GL. Zajijczek
das Kommando tiihren sollte. Dieses zu sichern war augen-
blicklich die Hauijtaufgabe. An den Verschanzungen Pragas
wurde daher mit dopjteltem Eifer gearbeitet. Za jaczek schhig
vor demselben ein Lager auf, während Fürst Poniatowski
Warschau von Norden her deckte. Zugleich wurde General
Mokrauowski mit der lithauischen Armee, .sowie Madalinski
uud Dqbrowski aus Südpretißen nach der Hauptstadt berufen
Allein auch Siiworow versäumte nach Kosciuszkos Fall keine
Zeit, um alle russischen Truppen an sich zu ziehen und mit
vereinter Heeresmacht gegen Praga vorzurücken, zumal er dem
König von Preußen zuvorzukommen trachtete. .A.m 4. November
mit Tagesanbruch begannen die Russ(»u die Befestigungen von
Praga zu stürmen. Bald waren sie genommen, nur einige
hundert Verteidiger retteten sich nach Warschau. .An 8000 Polen
fielen mit den Waffen in der Hand, Tausende von Einwohnern
beiderlei Geschlechtes winden niedergemetzelt. Praga bot
den Anblick einer ungeheuren Brandstätte ’t.
') Derselbe trat später in russische Dienste und wurde 1815 mit
der Leitung des Justizministeriums im „Königreich Polen" betraut.
*) Die Besatzung Pragas bestand aus 7800 Manu von der polnisch-
lithauischen Armee. 3200 Warschauer uud 1800 Pragaor Bürgern nebst
104 Kanonen. In Warschau selbst standen 15.000 Mann, zur Hälfte reguläre
Truppen. (Treskow 31(i.)
’) Man hat Suworow diese allerdings furchtbare Schlächterei
zum Vorwurf gemacht. Seine Antwort lautete : „Wenn ich in zehn
Schlachten jedesmal 2000 Mann getötet hätte, wäre kaum die Itede
davon gewesen und die Greuel des Krieges hätten 2 bis 3 Jahre
gedauert. Ich habe es mit einem Male beendet. Die Zahl der Toten ist
geringer als bei der ersten Annahme und die Mächte wie dio Polen
selbst, werden zur Kulie uud wohl auch zum Frieden kommen”.
(Hoyking, 430.)
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Das Herso^om WarjcUau.
21
Der ..Hohe Rat” entschloß .sich, die Stadt zu übergeben
und schickte Ignaz Potocki zu Suworow. Dieser erklärte
jedoch mit keinem der Eevolutionahäupter verhandeln zu
wollen, worauf der Magistrat der Hauptstadt eine Deputation
absaudte. Am 6. November war die Kapitulation definitiv ab-
geschlossen und der 8. als der Tag festgesetzt worden, an
welchem die Sieger von Praga in Warschau einrücken sollten.
Unmittelbar darauf löste sich der ,,Hohe Rat” auf und General
Wawrzecki legte die ihm übertragene Gewalt in die Hände
des Königs zurück.
Generale, Offiziere und Soldaten, welche die Waffen
nicht niederlegen wollten, sollten Warschau noch vor dem
Einmarsch der Russen verlassen. General Wawrzecki gedachte
daher alle jjolnischen Korps zu sammeln, ins Gebiet von
Sandomierz und Krakau zu rücken und von hier aus den Krieg
weiterzuführen. Am 8. November verließ W awrzecki mit zirka
1 2.000 Mann und 113 Geschützen Warschau, um sich Vtei Tarczyn
mit den detachierten Korps zu vereinigen, von hier zuD tjbro wski
an der Pilica zu stoßen und dann ins Krakauische zu gehen.
Mit Pragas Fall waren aber alle Bande gelöst, welche
die Polen zum gemein.samen Zweck verbunden hatten. Die
meisten Offiziere glaubten, nachdem sich Wawrzecki der
ihm eiugeräuraten höchsten Machtbefugnisse entäußert hatte,
auch des Gehorsams gegen den Oberbefehlshaber des Heeres
entbunden zu sein.
Wawrzecki fand in Tarczyn nur das Korps des Generals
Gedroyc, welches durch Desertion bis auf .^00 Mann zu-
sammengeschmolzen war. Er marschierte über Grojce nach
Nowemiasto an der Pilica und vereinigte sich daselbst am
10. November mit Dabrowski. Hioher hatte sich auch
eine große Anzahl der Soldaten der von ihren Generalen und
dem größten Teil der Offiziere verlassenen Korjis Ponia-
towskis, Koliskos u. a. gewendet, so daß Wawrzecki am
11. November ungefähr 18.600 Mann *) mit einer zahlreichen,
aber schlecht bespannten Artillerie versammelte.
Von der Konzentrierung der Preußen bei Skierniewice
und dem Anmarsch russischer Tru])pen unter Fersen über
') Treslcow, BeUage Via.
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22
J a ■ t.
Grojec und Warka unterrichtet, fürchtete Wawrzecki mit
Recht seinen Rückzug nach Krakau verlegt zu finden. Er
überschritt deshalb am 12. bei Nowemiasto die Pilica und
bezog ein Lager bei Drzewica. Hier erhielt er ein Schreiben des
Generals Suworow, worin ihm die Bedingungen mitgeteilt
wiu-den, unter welchen der Rest der polnischen Armee sich den
Russen ergeben könne. Am 11. November hatte auch GL. von
Kleist an Dabrowski die Anfrage gerichtet, ob er geneigt
wäre, mit seinen Tnippen m die preußische Armee zu treten.
Da Fersen bereits Nowemiasto besetzt, Denissowaber
die Pilica bei Warka passiert hatte, marschierte nun Wawr-
zecki am 14. nach Opoczno. Nur die Truppen des Korps
Dabrowski waren noch in guter Ordnung, die übrigen glichen
regellosen Haufen und desertierten scharenweise. Im Lager
bei Opoczno aber gab Major Majaczewski das Signal zur
Auflösung der .Armee. Er verabschiedete sein Regiment mit den
Worten: „Geht, wohin ihr wollt; hier ist nichts mehr zu
machen.” Das Beispiel fand Nachahmung. Gewehre und Kanonen
wurden stehen gelassen; jeder ging seines Weges; nur die
Brigaden Madalinski und Dfjbrowski blieben beisammen, ent-
schlossen dem Obergeneral zu folgen, wohin er sie führen würde.
Wawrzecki marschierte am 15. nach Konskie, am 16. nach
Radoszyce. Hier traf auch der von ihm am 13. nach Warschau
entsendete General Gorcziuski von Warschau ein und teilte
mit, daß Suworow sich zu keiner Änderung der einmal ge-
stellten Bedingungen verstehe.
So schloß denn Wawrzecki am 16. mit dem rus.sischen
General Denissow einen Waffenstill.stand, nachdem er den-
selben von seinen Unterhandlungen mit Suworow unterrichtet
hatte. Dijbrowski, der bereits gegen Malagoszcz aufgebrochen
war und Lobuszna eireicht hatte, um sich gegen die Preußen
zu wenden, keimte über Wawrzeckis Bitte am 17. nach
Radoszyce zurück, da letzterer mit Recht befürchtete, die
Russen würden, wenn noch ein Teil polnischer Truppen unter
Waffen bliebe, den Wafienstillstand nicht achten.
Der abgesclüosseneu Kapitulation gemäß, ließ Wawr-
zecki den Rest der Truppen auseinandergehen.
Unter Eskorte, die mau russischerseits ,, Ehrenwacht”
nannte, wurden der Generalissimus Dijbrowski und mehrere
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Das Hersogtam Warschau.
23
andere Generale nach Warschau geleitet. Hier eröfihete ihnen
Suworow, sie könnten ihren Aufenthalt frei wählen, wenn sie
sich veri)flichteten, bis zitr endgültigen Entscheidung aller An-
gelegenheiten nicht gegen die Russen zu dienen. Über Ver-
langen Wawrzeckis unterschrieben die Generale einen ihnen
vorgelegten Revers. — Es gab keine polnische Armee mehr.
König Stanislaus August war -während aller dieser
Ereignisse in Warschau geblieben. Über Befehl der Zarin
begab er sich am 8. Januar 1795 nach Grodno, wo er am
Jahrestag seiner Krönung, am 26. November 1795, der Herr-
schaft entsagte. Sein Land war schon durch den Vertrag vom
3. Januar 1795, dem PreuCen am 15. Aug^ist beitrat, zwischen
Rußland, Österreich und Preußen aufgeteilt worden *). Am
26. Januar 1797 erhielt die polnische Frage ihren Abschluß
durch eine von den Vertretern der drei Mächte in Peters-
burg Unterzeichnete Erklärung des Inhalts :
„Nachdem die Notwendigkeit, alles abzuschaffeu, was
die Erinnerung an das nunmehr vernichtete Königreich Polen
-wecken könnte, von den beiden Kaiserhöfen ebenso wie von
S. M. dem König von Preußen anerkannt worden ist, sind
die hohen Vertragsmächte übereingekommen und verpflichten
sich, die Gesamtbezeichnung ,, Königreich Polen”, die für jetzt
und immerdar unterdrückt sein und bleiben soll, niemals in
ihre Titulatur aufnehmen zu lassen ; jedoch -wird ihnen
unbenommen sein, die besonderen Titel anzuwenden, die
ihnen als Herren der verschiedenen unter ihre Herrschaft
gekommenen Provinzen zustehen.”
Polen hatte, nicht ohne tiefes, eigenes Verschulden,
seinen politischen Tod gefunden — um in den Heerlagern
der Republik Frankreich fortzideben ; es war aus der Reihe
der selbständigen Staaten Europas gelöscht — um eine militä-
rische Repräsentation in seinen Legionen zu finden.
‘) Textskizzo 1.
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I. ABSCHNITT.
Teilnahme der Polen an den Koalitionskriegen
1797 — 1807.
1. Die polnischen Le{?ionen'i.
Die dritte Teilung hatte den polnischen Staat vernichtet,
aber es gab noch ein polnisches ^’olk, ,.das genug heroische,
ritterliche, glänzende Tugenden hatte, al)hp weit weniger
nützliche und bürgerliche, ein leichtgläubiges und argloses
Kriegsvolk, immer bereit sein Leben gegen ein Ver-
sprechen einzusetzen, das niemand zu erfüllen gedachte *)”.
AVar mit fremder Hilfe die Wiederherstellung des Reiches
möglich, so glaubten Polens Patrioten nur auf Frankreich
rechnen zu können, welches seit 1792 mit der ältesten Erb-
monarchie Eiu’opas, t'isteri’eich, im Kampfe lag. Ein starker
Harst waffenfähiger Männer verließ denn rUe Heimat, um in
Frankreichs Sold für Frankreichs Interessen zu kämpfen,
sich dessen Hank dmch Hingabe und Treue zu verdienen.
Sie glaubten für das eigene Vaterland zu fechten, wenn sie
die Waffen für die Freiheit führten, welche in ihren Augen
von der Rej)ublik gegen Österreich verteidigt wiu’de. l)er
Träger dieses Gedankens, der Schöj)fer der polnischen
Legionen, war General .Johann Heinrich Dqbrowski, an
Fähigkeiten wold hinter Kosciuszko stehend, diesem aber
gleich an Liebe zum gemeinsamen Vaterland.
') Siehe über deren Geschichte: Leonard Chodzko und Schnür-
Pepto wski.
*} Brandes, 33. '
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Das Hersogtnm VVarscbati.
25
Er entstammte einer alten polnischen Familie, deren Mit-
glieder schon im 16. und 17. Jahrhundert vielfach Kriegsdienste
geleistet hatten. Sein Großvater war mit König Johann
Sobieski vor Wien gezogen; sein Vater hatte in der säch-
sischen Armee Dienst genommen. In Pierszowioe *) war
Johann Heinrich Dqhrowski am 29. Angnst 175.Ö geboren
worden. Im elterlichen Hause zu Hoyerswerda erhielt der
Knabe eine sorgfältige deutsche Erziehung und trat bereits
mit 15 Jahren beim Ulanenregiment Prinz Albert von Sachsen
ein, bei welchem auch sein Vater stand. Als Adjutant des
Grafen Bellegarde, Generalkommandeurs der .sächsischen
Kavallerie, vollendete Dqbrowski seine militärische Aus-
bildung. Mit rastlosem Eifer widmete er sich kriegsgeschicht-
hohen und geographischen Studien, zu welchen ihm die
Bibliothek seines Chefs reiches Material bot. Als in .A.us-
tuhrung der Konstitution vom 3. Mai 1791 eine polnische
Ge.sandtschaft nach Dresden kam*), zögerte Dabrowski
nicht, der Aufforderung zum Eintritt in die polnische Armee
Folge zu leisten, in welche er als Major aufgenommen wurde.
Es brauchte geraume Zeit, ehe sich Dqbrowski in die
neuen Verhältnisse eingelebt hatte. Seine Sprache ließ deutlich
die deutsche Erziehung erkennen und erweckte bei seinen
Vorgesetzten teils Spott, teils mißgünstigen Argwohn; seine
strenge Auffassung von Diszi|din aber war wenig geeignet,
die Herzen der Untergebenen im Fluge zu erobern.
Als der Kampf mit den Russen 1792 begann, stand
Dabrowski unter Kommando der Generals Hyszewski am
Bug. Da König Stanislaus August später befahl, die
Operationen einzusteUen, verließen die hervorragenden Führer
wieFürst Josef Poniatowski, Kosciuszko und Zajqczek die
-\rmee, voll Unmut über die aufgezwungene Untätigkeit,
Dijbrowski jedoch verblieb auf seinem Posten und ward
’) Zwischen Krahau und Bochiiia.
*) Die Schöpfer der Mai-Verfassung hatten einen auffälligen Miß-
griff begangen, den Kurfürsten von Sachsen als König von Polen zu
bezeichnen, noch ehe sie wußten, ob dieser auch die Krone annehmen
«olle. Die Bedingungen, die Friedrich August für diesen Fall .stellte,
schlossen eigentlich die Ablehnung in sich. (Sniitt, Suworow, II, 354
bis ;t57.)
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26
Just,
später nach Pultiisk unter das Kommando des Generals
Madalinski versetzt.
.4.1s dieser am 12. März 1793 ' i, in offenem Ungehorsam
gegen die Befehle des Kriegsdepartements mit seiner Brigade
von Ostrolenka authrach, statt dieselbe aufzulösen, hatte er
Diibrowski aus Mißtrauen mit einem kleinen Teil der Be-
satzung in Pultusk ztu'Uckgelassen.
Dfjbrowski empfand es bitter, daß Zweifel an seiner
patriotischen Gesinnung hatten auftauchen können. Kurz ent-
schlossen überfiel er eine russische Abteilung in Tykoczin,
machte mehrere Gefangene und kehrte nach Pultusk zurück.
Das kühne Wagnis mußte gerechterweise den höchsten
Unwillen der Regierung hervoiTufen und mit Rücksicht auf
Rußland auch Ahndung finden. Di^browski wurde von zwei
Offizieren verhaftet und nach Warschau gebracht, wo ein
Kriegsrat zusammentrat. Schon wm-den im Sitzimgssaale Rufe
laut, die ihn als Verräter bezeichneten. Da ergiift’ ein Bei-
sitzer, Josef Wybicki*), der später bei der Errichtung des
Herzogtums Warschau und im Feldzug 1809 eine so große
Rolle zu spielen berufen war, für ihn das Wort. Ein Meister
der Rede, überzeugte er das Kriegsgericht, daß Dtibrowski
als Soldat w'ohl gefehlt, als Patriot aber gehandelt hätte.
Damit traf er den Ton, der in den Herzen der meisten Bei-
sitzer Auklang fand, und erwirkte Dabrowskis Freispi-echung.
Kosciuszko vertraute in der Folge Di|browski das
Kommando über den rechten Flügel des verschanzten Lagers
von Warschaii an, welches Preußen und Russen vergeblich
einzunehmen versuchten. Als die Belagerer am 6. September
') Siehe Seite 14.
’) Josef Wybicki (geboren 1747, gestorben 1822) gehört zu den
bedeutendsten polnisclien Staatsmännern. Von liberalen Anschauungen
geleitet, hatte er an den Keformbostrebungen vor Erteilung der Mai-
konstitution 1791 bereits hervorragenden Anteil genommen. Während der
Erhebung unter Kosciuszko 1794 befand er sich beiGeneral Dubrowski
in Großpolen und mußte nach der Erstürmung Pragas fliehen. V'on
Napoleon 1806 mit der Organisation einer polnischen Regierung und
der Volkserhebung betraut, entwickelte er eine Tätigkeit, die lebhaft
an die Gambettas 1870 erinnert. Wie dieser verstand es Wybicki.
durch Wort und Schrift die breiten Massen des Volkes zu bewegen und
zu lenken.
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Das Herzogtum Warschau.
27
abzogen, erhielt D^browski eine neue Aul'gabe, die er
geschickt löste '). Am 10. September 1794 trat er mit einem
kleinen Korps von 1100 Mann Infanterie, 900 Mann Kaval-
lerie und 9 Geschützen seine Expedition an, deren Zweck die
Unterstützung der in Großpolen ausgebrochenen Insiurektion
war. Kleinere preußische Abteilungen wurden gefangen, Maga-
zine genommen, während Zuzüge aus Krakau, Gnesen, Posen
tmd Kalisz das kleine Korps stetig vergrößerten, das nunmehr
auch Bromberg in Besitz nahm. Schon damals zeigte D b ro w s k i
sein hervorragendes organisatorisches Talent. Von größter
persönlicher Tapferkeit, fester Zähigkeit in der Durchtührung
seiner Entschlüsse, hatte er es verstanden, Truppen, welche des
inneren Zusammenhanges entbehrten und zu ihm gestoßen
■waren, durch das Band der Disziplin zu einem Ganzen zusammen-
zuschweißen.
Während D^browski mit Erfolg in Großpolen operierte,
■war aber Kosciuszko bei Maciejowice am 10. Oktober 1794
der mssischen Übermacht erlegen. Die Armee hatte den Führer
verloren, der dimch seine Popularität und Persönlichkeit allein
im Stande gewesen wäre, die einzelnen Glieder zu lenken.
Dabrowski erhielt die Nachricht von dem unglücklichen Aus-
gang der Schlacht am 19. Oktober und wurde am 29. vom
Oeneralissimus Wawrzeoki angewiesen, gegen Warschau zu-
rückzugehen. Sein Korps war bis dahin auf 19.000 Mann und
23 Geschütze angewachsen und stand am 2. November bei
TarczjTi, südwestlich Warschau.
Um nicht von den Preußen unter den Generalen Favrat
und Kleist von der PUica abgeschnitten zu werden, mar-
schierte Dabrowski am 5. November nach Gostomya an
der PUica, eine Meile nordwestlich von Nowemiasto. Hier
erhielt er Nachricht von der Kapitulation Warschaus. Bald
kamen auch Generale, Offiziere und Gemeine an, die von
^Varschau und Praga geflüchtet waren, und setzten Dijbro wskis
horj)s durch Schilderungen der letzten Tage in Schrecken
lind Furcht. ,, Anfänglich wurden dergleichen T.eute arretiert
und schlecht behandelt, aber zuletzt kamen ihrer so viele,
') Dqbrowski hat seine Expedition in dem ,, Beitrag zur G<-
_ schichte der polnischen Revolution im .lahre 1794” seihst geschildert.
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28
Just.
daß mehr Arretierte waren, als diejenigen, so sie bewachen
mußten und konnten
Während in den übrigen Teilen der polnischen Armee
alle Bande der Disziplin sich gelöst hatten, hielt Dabrowski
dieselbe mit fester Hand in seinem Korps aufrecht. Sein
Projekt, mit allen noch Watfenfähigen über Cz^stochow an
die sclilesische Gi’enze zu rücken und sich dem nächsten
französischen Truppenteil anzuschließen, fand keinen An-
klang. Es gebrach an moralischer und physischer Kraft, ein
solches Wagnis dnrchzuftihren. Wie Schnee unter den Strahlen
der Sonne schwanden die ])olnischen Abteilungen, nur
Dijbrowskis Koqis blieb schlagfertig.
Wawrzeckis Kapitulation vom 16. November bildete
die letzte Phase im völligen Zusammenbruch der polnischen
Armee. Wohl hatte diese Beweise heroischer Tapferkeit
geliefert, allein auch deutlich den Mangel von innerer Zucht
lind Ordnung an den Tag gelegt. Mehr als die numerische
Überlegenheit des Gegners hatten ünbotmäßigkeit, schwere
Versäumnisse und Fahrlässigkeit der höheren Führer den
Untergang des Heeres beschleunigt. Dabrowski allein hatte
die ihm gestellten Aufgaben mit ebensoviel Geschick als
Ausdauer gelöst und war noch drei Tage vor der Schlacht
bei Maciejowice von Kosciuszko hiefür zum Generalleutnant
befördert worden. Nach dessen Fall galt Dabrowski als der
wahre Vertreter jiolnischen Soldatentums. Wohlwollen, ge-
paart mit strenger Gerechtigkeit, nnemiüdliche Fürsorge für
die Bedürfnisse und das Wohl der IVuppen hatten ihm die
Liebe seiner Untergebenen, persönlicher Mut und uner-
schütterliche Festigkeit aber die Achtung seiner Gegner
erworben.
Erst nach der Besetzung Warschaus durch preußische
Truppen unter GL. Favrat am 9. Januar 1796 erhielt
Dabrowski die Erlaubnis, die Stadt zu verlassen. Er begab
sich nach Berlin, um zunächst hier für seine Heimat zu
wirken. .Am 17. März vom König in feierlicher Audienz
empfangen, erschien er zum größten Erstaunen der an-
wesenden Minister in ])olnischer Generalsuniform. Vom König
‘i Beitrag zur Geschiclite der polni.schoii Revolution, 91.
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Das Herzogtum Warschau.
29
über die Stimmung in Polen befragt, erklärte er, das ganze
Land würde sich, erheben, ihn oder einen Hohenzollernsehen
Prinzen zum König erwählen, wenn Friedrich Wilhelm
für Polens Unabhängigkeit ziun Schwerte greifen wollte. In
einem dem preußischen Kabinett vorgelegten Memorial ent-
wickelte er seine Pläne ausführlicher. Galizien sollte insurgiert
werden, der Aufstand gleichzeitig in Lemberg, Jaroslau,
Sandomierz und Krakau ausbrechen, während in Großpolen
ein Korj)s von 30.000 Manu, auf preußisclie Kosten errichtet,
von polnischen Offizieren aber gefülmt, den Kampf gegen Rußland
eröffnen sollte. Österreich würde freiwilbg auf seinen gali-
zischen Besitz verzichten, da sein gef ahrUchster Nachbar doch
immer Rußland gewesen sei
Waren Dabrowskis strategische Pläne Phantasmagorien,
so erscheinen seine politischen Ansichten gänzlich unreif, ja
fast naiv, imd es ist nur zu begreiflich, daß sie nicht den
Gegenstand ernsterer Erwägung bilden konnten. Den Antrag,
in preußische Heeresdienste zu treten, lehnte er ab. Nach
Unterhandlungen mit dem französischen Gesandten Gaillard,
beschloß er in Frankreich für Polens Sache zu wirken, verließ
Berlin und traf am 28. September 1790 in Paris ein.
Hier legte er dem Direktorium einen Plan zur Bildung
polnischer Legionen vor, der aber unausführbar schien, weil
die Verfassung der Republik ausdrücklich verbot, fremde
Tnippen in Sold zu nehmen. Dij,browski wiu'de daher nach
Italien geschickt, um in den neuen, durch Bonapartes Siege
geschallenen oberitalischen Republiken diesen Plan zu ver-
wirklichen *).
*) Schnür-Peplowski, Jeszcze Polska nie zginela, 21, 22.
’) d’Angeberg 420; Lettre da President du Directoiro exücutif,
L. M. Reveillöre-Lepaux, an general Bonnparte.
Pari-s, 28. octobre 1796.
Les patrioles polonais, jnloux de preparer les nioyens de regü-
nerer lenr patrie, desireraient, citoyen güneral, preudre rang dans les
phalanges glorieuse.s de la rüpublique t'ran9aise. La proposition vient
de nous 4tre faite par le güneral Dombrowski de preudre a la solde
de la republique ceux que la düsertion engagerait ü quitter les
troupes impürinles. Aux tormos de la Constitution, le gouver-
nement franfais ne pouvant prendre ä sa solde aucune troupo
dtraagere, la proposition devient inexecutablc. Neunmoins, comme il
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30
J Q B t.
Von Bonapiirte unterstützt'), schloß Dijbrowski schon
am 9. Januar 1797 in Mailand mit der Verwaltungsbehörde
der Lombardei eine Konvention*) ab, nach welcher die PoleJi
das lombardische Bürgerrecht und aüe Rechte der National-
truppen erhielten. Sie bewahrten ihre Kommandosprache und
Nationaltracht, trugen die franzö.sische Kokarde und Konter-
ej)auletts mit den lombardischen Nationalfarben und der Um-
schrift : Gli uomini liberi .sono fratelli. ("Freie Menschen sind
Brüder. I Am 20. Januar erließ Dabrowski einen Aufruf an
seine Landsleute ’) ; in den ersten Märztagen standen bereits
2.500 Polen unter den WafteiU), <lie schon am 8. März ins Feld
rückten.
DijV>rowski glaubte sich stark genug, um mit Unter-
stützung eines französischen Korj« von 2000 Mann Infanterie,
600 Reitern und 6 Geschützen durch die Moldau in Ost-
galizien eiufaUen und die Polen Altgaliziens zu einer gemein-
samen Aktion gegen Österreich mitreißen zu können. Er begab
sich nach Graz und eröffiiete Bonaparte seine Pläne, ohne
freilich willfähriges Entgegenkommen zu finden. Dem Sieger
von Arcole, der mit klarem .\uge die Chancen für den Erfolg
eines Unteniehmens zu berechnen wußte, koiuiten Dabrowskis
Vorschläge nur wie eine Aufforderung „zum Ritt ins wild-
romantische Land’’ erscheinen; ihn mitmachen, wäre gleich-
pourrait u’ßtre pas inditßrent ä l’intdröt de la republique de faciliter
aux Polonais, qui soiit aiijourd’lmi au Service de l’Aulriche les moyens
de ddsdrter, le Directoire vous engago ä voir s’il ne serait pas possible
de determiner le gouvernement provisoire du Milanais, du Moddnaia etc.,
de Ics preiidre ä leur soldu. L. M. Keveill6re-Lepaux, president.
') d’Angeberg, 421. Lettre du general Bonaparte au congres
d’Ktat ä Milan.
Milan, 4 janvier 1797.
Ijp gdnirat Ilombro wski, lieutenant geudral polonais, oflicier
distingue et interessant par les inalbeurs de sa patrio qui a succombe
sous l’effort du meme onnemi qui a pendant tant d’anndes tyrannisd
sa patrie, s’offre k lever une Idgion polonaise, qui serait pour aider le
peuple lombard ä defendre sa liberte. Cette brave nation merite d’etre
accueillie par uu peuide qui aspire k la liberte. Je l’eugage k s’entendre
avec vous, et je prendrai volontiers toutes les mesures, quo vous croirez
prendre ä cet effet avec lui. Bonaparte.
’) d’Angeberg, 421.
•) d’Ängeberg, 42;5.
') Kolaczkowski, 31.
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Das Heraogtum Warschau.
31
liedeutend mit dem Abbruch der Verhandlungen über den
Frieden gewesen, an dessen Zustandekommen Napoleon das
höchste Interesse hatte.
Der AbschluC der Prähminarien von Leoben am 18. April
1797 bewies, daß den inzwischen in zwei Legionen unter den
Generalen Kniazewicz und Josef Wielhorski geteilten
polnischen Scharen, die auf 7146 Mann angewachsen waren,
nicht beschieden sein sollte, die Wafien fürs eigene Vaterland zu
fuhren. Wold hatte sich Dabrowski aus Reggio am 10. Juli
an Bonaparte gewandt, zu den Verhandlungen in Campo-
fonnio wenigstens einen polnischen Vertreter zuzulassen *).
Auch diese Bitte mußte von einem Realpolitiker wie Napo-
leon abgeschlagen werden, denn nur als Staat konnte Polen
im diplomatischen Verkehr Verti-etung finden, als solcher
aber war es von der Karte Europas gestrichen. ,,Und wenn
auch alle Freunde der Freiheit für die Sache Polens seien,
so müsse seine Wiederherstellung doch Zeit und Umständen
überlassen bleiben”’), war die Ansicht Napoleons.
Die Polen mußten ihre Hoffnungen schwinden sehen
und waren doch bereit, von neuem auf dem Kampfplatz zu
erscheinen, denn einmal müßte die Zeit kommen, da Fi'ank-
reich seine Dankesschuld begleichen und ihr untergegangenes
Königreich wiedererrichten werde. Während Zajfjczek und
Snlkowski mit vielen anderen sich der Expedition Bona-
partes nach Agyi^ten anschlosseu, traten die zwei italienischen
Legionen in den Kampf gegen die zweite Koalition ein, wmden
jedoch an der Trebbia und bei Novi fast gänzlich aufgerieben.
Uber den unglücklichen Verlauf des Krieges untemchtet,
hatte Napoleon Ägypten verlassen und sich durch den
Staatsstreich vom 9. November zum ersten Konsul aufge-
schwungen. Mit warmen AVorten der Anerkennung ’) cpiittierte
*) d'Ängeberg, 426.
’) d’Ängeberg, 428.
*) Brief des 1. Konsuls an GL. Dabrowski (d’Ängeberg, 432):
,.De retour en Europc, citoyen gönöral, j’ai appris avec intörot la
conduite que vous et vos braves Polonais avez tenue en Italie pendant
la demiere Campagne. — Des revers ont obscurei un instant la gloire
de nos armes, mais tont nous promet qu’elle brillera bientöt d’un nouvel
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32
Just.
er die Opfer, den Mut und die Ausdauer der Legionen, von
denen nur Trümmer mehr vorhanden waren, um freilich nur
neue Ansprüche zu stellen.
Dubrowski erhielt den Auftrag, 7 neue Infanterie-
bataillone und 1 Artilleriel)ataUlon unter dem Namen der „1. pol-
nischen Legion” zu emchten. Marseille wiu-de zum Sammel-
und Waffenplatz bestimmt. Bereits im Juni 18tX) zählte
Dijbrowski bei 5000 Mann unter den Fahnen, w'elche sofort
in Italien zur V'erwendung gelangten.
FJien so ra.sch ging die Bildung der ,, Donau-Legion”
von statten. Mit 3500 Mann rückte General Kniazewicz ins
Feld und trug in der Folge viel zum Siege der Franzosen in
der Schlacht bei Hohenhnden am 3. Dezember 1800 bei.
Der Friede von Luueville machte am 9. Februar 1801 dem
2. Koahtionskiieg ein Ende ; der Polen wurde im Friedenstraktate
nicht mit einem Worte gedacht. Ihr grenzeidoser Optimismus
hatte einen schweren Schlag erhalten. Kniazewicz und viele
andere nahmen ihre Entlassimg, Dabrowski aber beschloß
auszuhaiTen. Er übernahm das Kommando über die erste Legion,
welche Napoleon in den Dienst der cisalpiniachen Republik
stellte, w'ährend die Donaulegion unter General Wladislaw'
Jablonowski dem neugeschaffenen Königreich Etrurien*)
überwiesen wurde. Beiden Legionen sollte jedoch ein trauriges
Geschick beschieden sein.
Der Friedensvertrag von .Amiens, am 27. März 1802 unter-
zeichnet, machte auch dem Kampfe Frankreichs mit England
ein Ende ‘j und der erste Konsul war sofort bedacht, seine
kolonialpolitischeu Pläne mit Entschiedenheit in Austiüiruug
zu bringen. .'\ls willkommene Verstärkung der Expeditions-
eclnt. Ditos ä vos braves qu'ils sont toujours prösents i ma pensee,
que je coinpte snr eux, que j'apprecie leur dövoneraeut pour la cause
que nous döfendons, et que je serai toujours leur ami et lour camerade.
') Dasselbe hatte seit 1809 Napoleons Schwester Elisa als
Großherzogin von Toscana zur Herrscherin und kam 1811 wieder au
das Haus Habsburg zurück.
*) Freilich nur für kurze Zeit, denn schon am 20. April 1803 kün-
digte der englische Gesandte in Paris Lord Whitworth den Frieden
auf. Nach einer eiiyährigen Pause begann der Krieg von neuem, der
bis zu Napoleons Sturz nicht mehr enden sollte. Die nächste Folge der
Feindseligkeit mit England war der Verlust Domingos.
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Du Herzog^om Warschau.
33
truppe für San Domingo'') erschienen ihm die Polen, welche
in Erkenntnis der Nutzlosigkeit aller ihrer Anstrengimgen
allmähhch Unzufriedenheit an den Tag legten und Napoleon
unbequem zn werden anfingen. 6000 Legionäre wurden für
diese mörderische Expedition eingeschifft, um für Frankreichs
Weltpolitik zu kämpfen. Nur ein kleiner Rest von Infan-
terie und die Kavallerie blieben in Italien zmück.
In kurzer Zeit waren die polnischen Reihen gelichtet.
Was nicht den Waffen der Neger erlag, raffte das gelbe
Fieber dahin. Schon im November 1803 mufiten die Franzosen
San Domingo räumen ; kaum 600 Mann waren übriggeblieben,
die als Kriegsgefangene der Engländer erat nach dem Pariser
Frieden 1814 ihre Freiheit wieder erlangten.
Dies war das Ende der polnischen Legionen ’). Ihr
Schöpfer Dabrowski zog sich nach Mailand zurück, um im
engsten Kreise der FamUie und alter Waffengetährten aid'
eine Zeit zu warten, die ihn wieder an die .Spitze seiner
Landsleute stellen sollte. Napoleons Krieg gegen Preußen
1806 brachte die Erfüllung seines Wunsches.
') Auf dom Boden von Hayti hatte Kolumbus die erste Kieder-
lassung der Spanier in Amerika gegründet. Die Hauptstadt wurde San
Domingo, nach welcher bald die ganze Insel den Namen führte. Die
einheimische indianische Bevölkerung war durch die grausame Behänd-
hing seitens der Spanier fast völlig vertilgt worden. Ungeachtet der
Einfuhr von Negern zum Betrieb des Plantagenbaues wollte die Kolonie
nicht gedeihen. Erst als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts imWesten
der Insel französische Niederlassungen entstanden, gelangt« dieser Teil
bald zu hoher Blüte. Der Nationalkonvent hatte schon am 4. Eebruar
17W den Negern gleiche Rechte mit den Weißen bewilligt. 1797 wurde
der Neger Toussaint l'Ouverture vom französischen Direktorium
znm Obergeneral aller Truppen auf San Domingo omannt. Als dieser
sich unabhängig zu machen suchte und der Insel eine eigene Verfassung
gab. wurde GL. Ledere, der Gatte von Napoleons Schwester
Pauli ne, zu seiner Unterwerfung abgeschickt.
’) Aus der Zeit der Legionen stammt Wybickis Lied: „Jeszcze
Polska nie zginela”. Sein Gedankengang ist: „Es hat keine Not, Polen
wird bestehen. Marsch, Marsch, Dijbrowski! Es ist ein Vergnügen zu
leben, zu singen, sich zu schlagen.” Der Marsch, der gewöhnlich für
pathetisch gehalten wird, weil er im polnischen Nationalleben eine ähn-
liche Holle wie die Marseillaise in Frankreich gespielt hat, ist das sorg-
losest«, munterste Lied und spiegelt die Hoffnungen des alten Geschlechts
wieder, selbst nachdem der Axtschlag der dritten Teilung gefallen war.
UitteUungen des k. nndk. Kriegsarebivs. Dritte Folge. IV. Bd. B
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Just.
2.Teilnahme der Polen amFeIdzugl806 — 1807. Grttndnng einer
proTisoriachen Regierung nnd Errichtung des Herzogtums.
Als Napoleon den Kampf gegen Preußen vorbereitete,
erschien ihm Polen als ein nicht zu unterschätzender Faktor
bei fler Durchführung seiner politischen und militärischen Pläne.
Schon am 22. September 1806 ordnete er aus St. Cloud
die Emchtung zweier polnischer Legionen (legion du nord i
zu .Jülich unter GL. Zajijczek und zu Nürnberg unter
Oberst Henry an'). Jede Legion sollte aus vier Bataillonen
bestehen und mit der Formierung der ersten Bataillone sofort
begonnen werden. Die Kommandanten erhielten Weisung, Pro-
klamationen zu erlassen und die Polen, welche unter den Fahnen
derTeilungsniächte dienten, zur Desertion aufzufordem, ohne daß
jedoch tler Name ,, Polen” erwähnt werde. Die Mannschaft solle
der französischen gleichgehalten uiul nur am Kontinent ver-
wenilet werden, Unteroffiziere ln ihrer fi-iiheren Charge ein-
treten können. Da <lie Aufstellung zweier Korp.s zu langsam
von statten ging, wurden die beiden Legionen zu einer
einzigen vereinigt und gleiclizeitig einige polnische Offiziere
aus Italien in die ., Vereinigte Nordlegion” übersetzt *).
Diese Maßnahmen aber versprachen doch einen zu ge-
ringen Erfolg, als daß Napoleon nicht noch stä.rkere Hebel
in Bewegung gesetzt hätte. Die Erhebung der Polen sollte in
großem Stile vor sich gehen und Preußens polnische Untertanen
einmütig die Waöen gegen ihren Souverän ergreifen. Hiezu
bedurtte es eines starken Impulses, den aber Napoleon selbst
zu geben sich scheute. E.s galt daher Männer zu finden, deren
Ansehen groß genug war, um die Nation fortzmeißen. Bereit-
willig folgten GL. Dijbrowski’^ und Wybicki Napoleons
Auftbrderung, sich in seinem Haviptquartier zu Berlin eiiizu-
finden. Beide glaubten, trotzdem Napoleon mrr vage
Äußerungen üljer die Zukunft ihrer Heimat machte, den
Augenblick gekommen, um mit Frankreichs Hilfe den unter-
•) C. d. N, I., Tom. XIII, 217, Nr. 10.858.
•) Ebenda, 26t, Nr. 10.888.
*i Dqbrowski trat bereits Ende Oktober in Berlin ein und wurde
vom Kaiser über die Mittel zur Gewinnung Polens, die besten und
kürzesten Wege n. a. m. zu Rate gezogen. (Tagebuch Bray, 53.)
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Das Herzogtum Warschau.
35
gegangenen Staat wieder hersteilen und in dieser Hofthung
die polnische Nation zum Kampfe aufrufeu zu können.
Mehr als D^browski und Wybicki galt aber bei allen
Polen Kosciuszko, der in Paris eine Zufluchtstätte ge-
funden hatte. Sein Wort, sein Beispiel konnte das Volk
zu höchster Aufopferung entflammen, den Aufstand in allen
Teilen des imtergangenen Königreiches entfachen. Aus diesem
Gnmde wünschte Najioleon auch Kosciuszko gewonnen zu
sehen und sollte Fouche denselben zur Reise ins kai.serUche
Hauptipiartier bewegen V'- Allein der alte Freiheitskämpfer zeigte
sich wenig geneigt, dieser Aufforderung nachzukommen; ohne
positive Garantien mochte er sein Vaterland nicht in neue
Gefahren gestürzt sehen. Er stellte Bedingungen; auf solche
finzugehen, war aber nicht Napoleons Sache. Wolle er nicht
kommen, so werde man sich ohne ihn behelfen •).
Napoleon wußte aber wohl, daß Kosciuszkos Name wie
ein Schlachtruf alle Polen mitzureißen vermochte und ließ des-
halb Proklamationen, mit ,, Kosciuszko” gefertigt, drucken.
Diese waren eigentlich überflüssig, denn der Aufruf Dsjbrow-
skis und Wybickis vom 3. November’] aus Berlin hatte
bereits allgemeine Begeisterung geweckt. „Napoleon, der
ünbesiegliche, betritt mit einer Aimee von 300.000 Manu
den Boden Polens,” hieß es in derselben. Er werde
sehen, ob che Polen wert seien, eine Nation zu sein. ,,Von
Euch hängt es also ab, ein Vaterland zu haben. Euer Rächer,
Euer Retter i.st da. Beweist ihm, daß Ihr bereit seid, mit
Euerem Blute das Vaterland wieder zu errichten. Er weiß,
daß Ihr unbewaffnet seid ; er wird Euch Waffen geben.”
*) C. d. N. 1., Tom. XIII, 462, Nr, 11.153 vom .3. November.
„Faites venir Kosciuszko; dites-lui de partir en diligenoe pour
venir me joindre, mnis secrötoment et soiis un autro uom que le sien.
II s’adressera au gendral Dombrowski, ou directement au grand-ma-
r4chal Duroc. Donnez-lui tout I’argent dont il aura besoin. Faites partir
aussi tous les Polonais qu’il aurait avec lui. Je de.sire que tout cela so
fasse le plus secrfetement possible.”
*) C. d. N. I., Tom. XIII, 5S1I, vom 30. November.
„Si Kosciuszko veut venir, bien; Sans cela on so pa.ssera de
lui. II serait pourtant bon, qu’il vint.”
’) Anhang I.
3*
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36
J O • t.
So war die allgemeine Erhebung der Polen eingeleitet,
die um so größere Fortschritte machte, je näher die franzö-
sischen Truppen an die Weichsel rückten. Am 4. November
zog Oberst Exelmann mit dem I. Jägerregiment unter dem
Jubel der Bevölkerung in Posen ein. Die Straßen waren dicht
gefüllt und nur mühsam kam die Tmppevorwärts'). Dqbro wski,
der noch am 5. von Davout in Frankfiul. an der Oder empfangen
worden war, erließ bereits am 7. aus Posen eine Proklamation*),
in welcher er die Bürgerschaft aufforderte, die Anordnungen
der sich konstituierenden Kriegsverwaltung imbedingt zu er-
füllen, denn nur in schrankenlosem Gehorsam liege der Erfolg.
Auch Davout verfugte sich über Napoleons Weisung
jetzt nach Posen. Er hatte den Befehl, strengste Mannszucht
in seinem Korps zu erhalten, da es gefährlich wäre, die Polen
zu verstimmen *). Er selbst traf am 9. ein (sein Korps im Laufe
des 10. und 1 1 . i und gewann die besten Eindrücke, denen er auch
in seinen Berichten an den Kaiser Ausdruck verlieh. ,,Alle GeseU-
schaftsschichten zeigten nur den einen Wunsch, die jireußische
Herrschaft abschütteln zu können*).” Der Marschall schickte ein
Detachement nach Küstrin zur Abholung von 3000 Gewehren,
welche an die Truppen Dijbrowskis verteilt werden sollten
und überwies eine von Oberst Exelmann in den preußischen
Kassen Vorgefundene Summe von 40.000 Francs gleichfalls an
den Erstgenannten zur Bestreitung der ersten und dringendsten
Auslagen für die militärische Erhebung der Provinz. Das Volk
konnte kaum den Augenblick erwarten, da es ihm gestattet
würde, zu den Waffen zu greifen. Allo angesehenen polnischen
Familien versammelten sich in Posen, um Najioleon ihre Auf-
wartung machen zu können*). Mehr als 100 Jünglinge aus den
besten Kreisen stellten sich als Reiter mit voller Rüstung fürMann
') C. d. H. D., Tom. I, 316, Nr. 211.
’) Kolaczkowski,5.3.
C. d. N. I., Tom. XIU, 491, Nr. 11.196.
*) C. d. M. D., Tom. I, 324, Nr. 216.
*} Kbenda, 329, Nr. 22Ü; Tagebuch Brav, 67. „Der größte Teil des
polnischen Adels strömt in Scharen nach Posen. Alles ist in einer Be-
wegung, die Davout mit 30.0U0 Mann unterstützen kann. Der Kaiser
scheint die Wirkungen dieser ersten Maßregel abwarten zu wollen, bevor
er einen definitiven Entschluß faßt.”
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Dal Herzogtam W&rachan.
37
nnd Pferd zur Verfügung, um als Führer kleinerer Detachements
oder als Ordonnanzen und Kundschafter Verwendung zu finden.
Auf die günstigen Berichte Davouts hin traf Napoleon
neue Verfügungen*). Dfjbrowski sollte sechs Bataillone
jtmger Leute, wenn möglich aus der Elite der Bevölkerung
aufstellen; zu Offizieren Männer ernennen, welche bereits
früher in den polnischen Legionen gedient hätten. Die von
Küstrin abgeschickten 3000 Gewehre würden den Grundstock
der Bewaffnung bilden, weitere 40.000 nachgeschickt imd sukzes-
sive verteilt werden. Mündlich habe Davout den Polen von den
Bewegungen der „Großen Armee” Mitteilung zu machen und
dieselben zm- Erhebung gegen Preußen und Entwaffnung der
Warschauer Garnison zu ermimteni. Sobald sie Herren dieser
Stadt geworden seien, könnten sie der Unterstützung durch
französische Kavallerie sicher sein. Wenn Warschau sich er-
hebe, sollte GL. D^browski dahin entsendet werden, um die
Nationalgarde und 12 neue Bataillone zu errichten.
Sobald die Insurrektion im Posener und KaUszer Kreis
weitere Fortschritte gemacht habe, sei ein Handstreich gegen
die Zitadelle von Ltjczyca zu versuchen. Die Städte kömiten
Nationalgarden, die reichen Familien des Landes auf ihre
Kosten ein Ulaneiu-egiment errichten. Die angesehensten Männer
Polens sollten sich vereinigen, um die administrative Leitung
und militärische Erhebung des Landes zu organisieren.
Davout hatte bei der Durchführung aller dieser Ver-
fugimgen nur mit Hat und ermutigenden Worten Anteil zu
nehmen und durchblicken zu lassen, daß sein Kaiser sich
nicht früher erklären könne, als bis er die Polen organisiert,
bewaffnet sähe und sie „reelle Assistenz” leisten könnten •).
■) C. d. N. I., Tom. XIII, Ö29, Nr. 11.251; 5.S7, Nr. 11.258. —
Marschall Launes urteilte freilich anders. Mau dUrfe die lilaünahmeu
der Polen nicht nach dem Enthusiasmus einiger Edelleute beurteilen,
die aus Lust zu Geschrei und Neuigkeiten nach Posen gekommen
seien. Im Grunde seien die Polen leichtfertig, uneinig, anarchisch. Wollte
man ihre Nation wiederherstelleu, so würde man unnütz französisches
Blut für ein Werk ohne Sicherheit und Dauer vergießen. (Thiers, VII, 213.)
') In ähnlicher Weise äußerte sich Napoleon auch vor der am
19. November in Berlin eingetrofieneu polnischen Deputation. „Frankieich
habe die Teilung Polens nie anerkannt. Sobald er 30.000 bis 40.000 Polen
unter Waden sähe, wolle er ihre Unabhängigkeit proklamieren. Ihr
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J n ■ t.
Napoleons vage Versprechungen erfüllten trotzdem die
Gemüter vieler Polen mit froher Hofthung auf eine glanz-
volle Zukunft. Der Moment schien gekommen, für Freiheit
und Vaterland die 'Waffen führen zu können. Gar bald sollte
aber der ruhig und nüchtern denkende Teil der Patrioten
erkennen, daß die Nation Kraft und Gut nicht für ein großes
„Polen”, sondern für ein „ridicule duche de Varsovie” ' > einsetzte.
Die Proklamation Dabrowski.s vom 3. November war
von größter Wirkung gewesen. Aus allen Teilen des Landes
strömten FreiwiUige herbei. Die französischen Armeebulletins
erschienen fortab in den Tageszeitungen auch in polnischer
Sprache und erweckten freudige Zuversicht. Die Begeisterung
en'eichto ihren Höhepmikt, als Naiioleon am 27. November
in Posen eintraf. Die Stimmung der Bevölkerung befriedigte
ilm im höchsten Maße*). General Zajqczek erhielt die
Weisimg, die beiden Nordlegionen zu vereinigen und nach
Posen zu führen, Murat aber sollte mit den Korps Davout,
Launes, Augerau und der Reservekavallerie nach Warschau
Vorgehen. Am 27. stand Murat bereits vor dieser Stadt,
welche die russischen Truppen geräumt hatten, und hielt
am 28. unter allgemeiner Begeisterung seinen Einzug. Zwei
Tage später erschien auch Davout.
Die polnischen* Frei wiUigen hatten inzwischen die fran-
zösischen Tnippcn wirksam imterstützt. Berittene versahen
Patrouülendienste oder überfielen kleinere preußische Kom-
manden und Kuriere. Cz^stochöw, welches mit ihrer Hilfe den
Franzosen in die Hände gefallen war, bekam eine j>olnische
Besatzung *1, selbst das starke Lqczyca hatte sich ergeben. Der
Schicksal sei in ihre Hand gelegt. Er habe bereits den Befehl gegeben,
daU sich die Polen, die in Italien und anderwärts stünden, mit
ihnen vereinigten.” Dieser Befehl Napoleons kam freilich erst sehr spät
zur Ausführung. Siehe in der Folge die ,,L6giou polacco-italicnne”.
(C. d. N. I., Tom. XIV, 5, Nr, 11.339 und d'.Vngeberg, 449.)
') Niemcewicz, 351.
’) C. d. N. I., Tom. XIII, .581, Nr. 11.318 : „Les Polonais sont
animis de la meUleure volont4. Ils forment des compagnies ä pied et
k cheval avec une grande activite. Ils montrent une grande ardeur de re-
couvrerlcur indipendauce: la noblesse, le clergd, lespay.sans ne faut qu'un.”
•) C. d. M. D., Tom. I, 356, Nr. 237. 100 Mann unter Kommando
eines Hauptmanns. (C. d. W. D., Tom. I, 360, Nr. 239.)
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Dm Henogtun Warfobaa.
39
französische Kommandant des Platzes Major Perriii stellte bis
zum 1. Dezember vier Kompagnien Polen zu je 100 Mann auf,
die mit Waffen und Uniformen beteilt, täglich zweimal im Ge-
brauch der Waffen geübt wurden, und formierte über Davouts
Befehl noch weitere drei Kompagnien in Kalisz, welche zur
Verstärkung der Garnison von Czqstochow herangezogen wimden.
Mit dem Einmarsch der Franzosen in Warschau trat nun
der Mann in den Vordergrund, der sich bis dahin den poli-
tischen und militärischen Ereignissen femgehalten hatte und
bald die erste Stelle in der polnischen Armee einzunehmen
berufen war — Fürst Josef Poniatowski, der Keffe
des letzten Königs von Polen. Wenn Kapoleon auf
St. Helena von ihm sagte, er sei der wahre König von Polen
gewesen so kann es nicht wundem, daß die gleichzeitige
und spätere polnische Literatur sein Charakterbild mit den
leuchtendsten Farben ausgestattet, ja mit einem Schimmer
von Eomantik umwoben hat. Die Schilderung eines Zeit-
genossen *) möge hier sprechen : „Gott hat niemals eine
schönere Seele geschaffen und ihr eine edlere Hülle ver-
liehen. Der Fürst war das wahre Ideal eines Ritters mit dem
Zauber von Edelmut, Makellosigkeit, Güte und Zugänglich-
keit, die sich in seinem Antlitz und jeder Bewegung ausprägten.”
Wie sein Vater’) war, auch Fürst Josef Poniatowski
mit 18 Jahren igeboren 7. Mai 1762 zu Warschau) als Unter-
leutnant beim damaligen 2. Karabinierregiment Erbprinz Franz,
dem heutigen Kaiser Franz-Dragonerregiment Nr. 1, ein-
getreten, welches damals in Brandeis an der Elbe stand.
Der Fürst versah seinen Dienst mit großer Pünktlichkeit, galt
als vorzüglicher Beiter tuid gab wiederholt Beweise persön-
Las Casos, Memorial, 223: Nous parlions de la Pologne ibranläe
ä la Toix de l’Empereur, des rois auxquels nous lävions cruo destinee:
chacun nommait le sien. L'Empereur. qui avait gard6 le .silence, l’a inter-
rompu en disant: „le vrai roi de Pologne, c'etait Poniatowski; il en
reunissait tous les titres et il en avait tous les talent.s.”
’) KoZmian, Tom. II, 95.
•) Fürst Andreas Poniatowski war bereits als Hauptmann im
Aller von 23 Jahren wegen seines außerordentUohen Mutes in der
ersten Promotion vom 7. März 1758 mit dem Ritterkreuz des MTO.
»usgezeichnet worden. Er starb 1773 zu Wien als Feldzeugmeister;
'lessen Gattin Therese, eine geborene Gräfin Kinsky, 1806.
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Just.
lieber Bravour, so daß er bereits 1784 zum supemumerären
Major im Regimente ernannt wiu-de '). Im Türkonkrieg
unter Kaiser Josef EI. 1788 weilte er als Adjutant de.s
Kaisers im Hauptquartier vor Schabatz.
Als am 21. April zwei österreichische Stiu-mkolouneu
gegen Schabatz vorrückten, steUte sich Poniatowski selbst
in die Reihen und bewies die tapferste Haltung. Zwei Tage später
nahm er wieder an dem Sturm gegen die Zitadelle teü, ward
hiebei verwundet imd nach Semlin gebracht. Über Befehl seine.s
königlichen Oheims verließ er, von seiner Verwundimg genesen,
den österreichischen Dienst und begab sich nach Warschau.
Die nächsten zwei .Jalire trugen ihm wohl manchen
Tadel des Königs Stanislaus August ein. Poniatowski
stürzte sich in den Strudel des geselligen Lebens der Haupt-
stadt, sein Name war in aller Mund. Seine Art, sein Wesen
wurden nachgeahmt; er war der Held des Tages, umworben
und geliebt von aller Welt *). Seine ritterliche Soldatennatiu'
g;ing aber in diesem Wirbel von Vergnügungen nicht unter.
Die politischen und müitärischon Ereignisse nach der Pro-
klamiemng der Konstitution vom 3. Mai 1791 bereitetenden
Tagen sorglosen Genußlebens ein Ende. Mit voller Hingabe
und seiner großen Aulgabe bewußt, übernahm er das Kommando
über die polnische ,\rmee in der Ukraine. Erbittert verließ er
die Heimat, als der königliche Befehl ihn ziu- Einstellung der
Feindseligkeiten gegen die Russen gezwungen hatte, imd nahm
seinen Wohnsitz in Wien. Erst die Erhebung unter Kosciuszko
führte den Fürsten nach Warschau zurück. Nach der Einnahme
der Stadt durch Suworow und der Auflösiuig der Armee scldug
Poniatowski die glänzenden Anerbietungen der Zarin Katha-
rina zum Übertritt in russische Dienste aus, begab sich nach
Wien und kehrte erst nach der .Abdankung des Königs nach AV ar-
schau zmück, das bereits von ])reußischen Truppen besetzt war.
Er wohnte in seinem Palais „pod blachq” ’i, stand mit
den preußischen Behörden im besten Einvernehmen und
') Geschichte des 1. Uragouerregiments. Die Ranglisten führen den
Fürsten Josef 1781 als Dnterleuinant, 1782 als Sekondrittmeister, 178.3
und 1784 als Premiorrittmeister an.
*) Ko^mian weiß darüber viel Amüsantes zu erzählen. Tom. ll,9j.
*) So genannt wegen seines Blechdaches.
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Das Hersogtum Warsoban.
41
ward voll der deutschen Gesellschaft \vegen seiner persön-
hchen Liebenswürdigkeit hoch geschätzt. Sein Haus war der
Mittelpunkt der Ausländer, wenn auch die Jugend der pol-
nischen Hocharistokratie immer beste Aufnahme fand. Die
Konversation wurde nur französisch geführt, was ihm freilich von
den polnischen Patrioten sehr verübelt wiu-de. Als Poniatowski
während der Anwesenheit des Königs Friedrich Wilhelm IH.
und seiner Gemahlin in Warschau bei Hofe erschien und
selbst glänzende Festlichkeiten veranstaltete, wurden die
Angriffe gegen ihn immer heftiger *). Seine Haltung ver-
mochten sie jedoch nicht zu ändern, denn als Pole fühlte sich
der Fürst, mit seiner Heimat verwachsen, auch wenn er im
gesellschaftlichen Leben sich nicht der Landessprache bediente.
Als des Krieges eherner Schritt erdröhnte, da zeigte der viel
Gelästerte, daß sein patriotischer Sinn nicht erloschen, daß
er zur Stelle sei, wenn das Vaterland seiner Dienste bedurfte.
Die Vorhut Murats hatte sich Warschau genähert, unter
Vernichtung der Schiffbrücke waren die russischen Truppen
nach Praga abgezogen. Da erwartete Fürst Poniatowski mit
einer städtischen Abordnung am 28. November die Franzosen
vor den Toren der Stadt, deren Schlüssel er feierlich übergab.
Er kehrte hierauf in sein Palais zmück, zog polnische Generals-
uniform an und erschien nunmehr vor Murat als Rei)räsentant
der wiodererstehendon polnischen Armee, welche die franzö-
sischen Waffenbrüder begrüße.
Der Empfang Murats wurde im 36. ArmeebuUetin mit
glänzenden Farben geschildert*). Der Enthusiasmus der Polen
sei unbeschreiblich. Der Adel verlasse seine Schlösser, biete
seinen Reichtum, seine Kinder, seinen Einfluß an und bitte
laut um Wiederherstellung des Staates. Die Vaterlands-
hebe der Polen sei gestählt durch das Unglück, ihr sehn-
lichster Wimsch — wieder eine Nation zu werden. Die
gebildeten Stände sprächen französisch, die Landbevölkerung
hebe Frankreich. Bald würden 60.000 Polen unter W aflen stehen.
b Koimian fuhrt einen Spottvers aus jener Zeit an: ,,Jeszcze
polak po polsku i pisze i czyta — Bo nie cala Warszawa jest blachf^
pokryta.” (Noch schreibt und liest der Polo polnisch, denn noch ist
nicht ganz Warschau mit Blech gedeckt.)
•) C. d. N. L, Tom. XIV, 2, Nr. 11.332 ; 10, Nr. 11.349 ; 2, Nr. 11.333.
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J U 8 t.
Die Opferfreudigkeit der Nation anzuerkennen, anzu-
nehmen, ja auszunutzen, zögerte Napoleon nicht. Er gab
aus politischen Gründen sogar übertriebene Hcjiilderungen von
der Begeisterung und Leistungstähigkeit des Landes, eine
bindende Zusage jedoch zu machen, was Polen von ihm erwarten
könne, wies er zurück. Wer eine solche verlange, sei ein Egoist,
von wenig Vaterlandsliebe erfüllt. Arithmetisch ließe .sich die
Wiederherstellung Polens nicht berechnen. Er beabsichtige
nicht, mit demselben ein Mitglied seiner Familie auszustatten,
denn an Kronen für diese mangle es nicht')- Ob die große
Nation wieder zum Leben erstehen werde? Gott allein, welcher
die Geschicke lenkt, könne über dieses große politische Problem
entscheiden*).
Diese Zurückhaltung Napoleons machte viele einsichtige
und weiterbUckende Politiker stutzig, die Masse des Volkes
aber glühte vor Verlangen, unter die Fahnen zu treten.
Wie ein FrühUngssturm ging das Kriegsgetöse durch das
Land, die Hoffnung auf Selbständigkeit weckend, welche
die preußische und russische Herrschaft wie unter einer
Schneedecke begraben hatte. Die Feinde Napoleons waren
ja auch die alten Feinde Polens. So schwanden alle Bedenken
und sohrankeiüos vertraute sieh die polnische Nation der
Führung des Imperators an.
Lbesem aber lag die Zukunft des Landes wenig am
Herzen. Warschau war besetzt, Thoni durch das Korjis
liannes genommen, die Weichsel nunmehr zur Operations-
basis weiterer Offensivbewegungen geworden. Polen hatte
jetzt die „Große Armee” mit Lebensmitteln zu versorgen und
an Streitkräften so viel als irgend möglich aufzubringen.
Zu diesem Zwecke erließ Murat bereits am 1. Dezember
ein Dekret zur EiTichtnng einer ,,])olnischen Verwaltung in
Warschau für die wiedergewonnenen Landesteile *i”. Die
früheren preußischen Ämter, und zwar die kgl. Kriegs- und
Domiüienkammern sowie die Regentschaftskammer wurden
beibehalten und um 14 Mitglieder vermehrt.
h C. d. N. I., Tom. XIV, 11, Nr. 11.350.
’) Ebenda. 2, Nr. 11.332.
*) d'Angeberg, 453.
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Das Herzogtum Warschau.
43
Die Funktionen der ersteren wurden durch Errichtung
einer ..Kommission für Ajrprovisionierung” erweitert, welclie
als Zentralstelle die zur Verpflegung des Heeres erforder-
lichen Weisungen den einzelnen Kammern erteilen und die
Ausführung durch einen eigenen Kommissär übei-«'achen
sollte. Die allgemeinen Anordnungen des Kaisers wurden der
Kommission durch den französischen üeneralintendanten erteilt,
General Belliard zum Stadtkommandanten von W^arschau
ernannt und überdies zwei Intendanten dahin entsendet, um
den Verwaltungsapparat in Gang zu setzen.
GL. Dijbrowski hatte schon früher in allen Städten des
Posener Kreises, in denen polnische Abteilungen aufgestellt
worden waren, Polen zu Beamten eingesetzt. N ajioleon zögerte
jetzt nicht, die Vertreibung der ])reußischen Beamten gutzu-
lieißen. Um «lern öffentlichen Geiste die von ihm gewünschte
Richtung zu geben’), sclückte er Josef Wybicki, der sich
als Anhänger der Konstitution von 1791 im ganzen Lande der
größten Sjunpathien erfreute, auch nacli Warschau. Es war eine
glückliche "Wahl, denn wie kein Zweiter ver.stand es Wybicki,
hoch und nieder zu Opfern auf dem Altäre des Vaterlandes
zu begeistern.
Am 18. Dezember nachts war Napoleon selbst in
Warschau eingetrofien und hatte das königliche Schloß be-
zogen. Dichte Volksmassen sammelten sich schon am Alorgen
des 19., um den großen Schlachtensieger zu erldicken, allein
der Kaiser blieb unsichtbar. Erst gegen 4 Uhr nachmittags
begab er sich zu Pferd an das Weichselufer zu einer Peko-
giiosziening und kehrte sodann ins Schloß zurück, wo er die
Deputationen der Sta<lt und zahlreiche Mitglieder des ehe-
maligen Reich.stages empfing.
Mit Dekret vom 14. Januar*) wurde an Stelle der von
Murat angeordueten Verwaltung eine ,,])rovisorische Regie-
rang'’ für die Zeit, bis das Schicksal Polens durch einen De-
finiti\'frieden geregelt sein würde, eingesetzt. Diese bestand aus
einer Kommission von sieben Mitgliedern und war mit den
größten Machtbefugnissen ausgestattet. Mit der Leitung der
>) C. d. N. I., Tom. XIV, 1, Xr. 11.332.
’) Ebenda, 192, Nr. 11.630; d’Angeberg, 457; Anhang II.
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J a • t.
öffentlichen Verwaltnugszweige (Uericht, Inneres, Finanzen,
Krieg und Polizei i waren außerdem liinf Männer betraut, auf
deren Berichte hin von der Regierungskommission gesetzliche
Verfdgmigen erlassen werden sollten. Um der Regierung aber
die Möglichkeit zu geben, ihre Fmiktionen überhaupt beginnen
zu können, wurden derselben mit Dekret vom 29. Januar ’i alle
Steuern Preußisch-Polens zur Erhebung imd Einziehung über-
wiesen und von ilem französischen Generalintendanten eine
Million Francs ausbezahlt, welche der momentanen mißlichen
Finanzlage abhelfeu imd die dringendsten Auslagen decken
sollte.
Die Polen erblickten in allen diesen Maßnahmen den ersten
Schritt zur Wiederherstellung ihrer staatlichen Selbständigkeit
und l>rachten den besten WUlen entgegen, den Forderungen
Napoleons an Geld- und Blutsteuer zu entsprechen. Napoleon
hatte mit dem Dekret vom 29. in Wahrheit nur die Sorge für
den Unterhalt der polnischen Truj>pen auf die provisorische
Regienmg übertragen. Diese hatte alle Einkünfte zur Erhaltung
der Armee, für die Eirichtung von Magazinen und die Kosten
der zivilen Verwaltung zu verwenden. Die Leistung von Kriegs-
kontributionen war der Regierung niu’ unter der Bedingung,
daß Mehl, Koni, Hafer, Heu zu einer bestimmten Menge in
natura gehefert würden*), erlassen worden.
Nach den Dekreten vom 14. und 29. Januar forderte mm
Napoleon alle Leistungen als sein Recht, von dem er nicht
um Haaresbreite abzugehen geneigt war. Alle Anstrengungen
und Opfer, die gebracht wurden, dünkten ihm gering. Er
tadelte nicht bloß die Mitglieder der Regierung, welche ihren
Pflichten sclilecht naclikämen, sondern erging sich in heftigen
Worten auch gegen den Mann, dem er selbst die oberste
militärische Verwaltungsstelle übertragen hatte, gegen den
Fürsten Poniatowski *).
Erst auf den strikten Befehl Napoleons, welchen Murat
dem Fürsten übermittelte, hatte dieser die ebenso schwere, als
') C. d. N. I., Tom. XIV, 257, Nr. 11.732.
*) Ebenda, Tom. XIV, 5Ü0, Nr. 12.206.
’) Ebenda, Tom. XIV, 331, Nr. 11.873. „Ce bureau de la guerre
de Varsovie ne läit rien, et laisse desorganiser l’armee polonaise.”
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Das Hersogtum Warschau.
45
undankbare Last der Organisation und der administrativen
Leitung der Armee anfangs Dezember übernommen.
Es war ein dornenvolles Amt, zu dem Poniatowski
zwar den besten Willen *), aber wenig Eignung mitbrachte. Au
der Spitze seiner Truppen konnte er durch persönhche Bravour
begeistern und mitreiÜen — stetige, genaue Kanzleiarbeit war
ihm jedoch fremd geblieben. Seinem Wesen waren Güte, ja viel-
leicht Schwäche eigen, während gerade die Zeit einen Mann
forderte, der im stände gewesen wäre, mit starker Hand die
neu erstehenden Truppenteile zu einem einheitlichen Ganzen
zu verschmelzen. Die eigenartigen Verhältnisse, die ihn zwangen,
in Warschau zu bleiben luid keinen direkten Anteil an den
kriegerischen Ereignissen zu nehmen, während die Generale
Dabrowski und Zajaczek die neuaufgesteUten Regimenter
als Divisionsgenerale in den Kampf führten, hinderten ihn,
gerade diesen beiden gegenüber mit Strenge auf die Durch-
filhnuig seiner AVeisungen zu dringen. Die öffenthche Meinung
hatte Dqbrowski an die erste Stelle der Armee gesetzt, auch
Zajaczek galt als berufene Autorität. Poniatowskis Emen-
mmg bedeutete für beide eine Enttäuschung, die zu verhehlen
sie gar nicht bemüht waren. Während aber der erstere um
der nationalen Sache willen sich wenigstens scheinbar unter-
ordnete, blieb Zajaczek ein offener Gegner des Fürsten. Es
gelang Poniatowski nicht, ständige Rapporte von beiden
Generalen zu erhalten*); Zaj fjczek kündigte ihm gänzlich den
Gehorsam imd erklärte dem Fürsten rundweg, in administra-
tiven Angelegenheiten nur durch seinen Generalstabschef
Kossecki verkehren zu wollen; in anderer Beziehung wolle
er aber mit ihm ein für allemal nichts zu tun haben*).
') Talleyrand, welcher damals in Warschau neben seinen diplo-
matischen Geschäften nahezu auch die Agenden eines Generalintendanten
za versehen hatte, stellt dem Fürsten in einem Bericht an Napoleon
das beste Zeugnis aus. Poniatowski könne nicht mehr Eifer und Er-
gebenheit an den Tag legen, als er schon tue. (L. i. d. Tallevrand,
313, Nr. 237.)
’) L. i. d. Talleyrand, 312, Nr. 2.37 :
,J1 CSt fort mal secondÄ, et (juelqu’eflbrt qu’il fasse, il ne peut pas
obtenir une correspondence suivie de In part des corps qui sont ä l’armÄe.”
*) Anhang 111. (Wj’bicki, Pami^tniki, 245.)
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46
Just.
Es war ein hartes Amt also, das der Fürst gegen seine
Neigungen übernahm nnd das er doch in der uneigennützigsten
Weise auszufüllen bestrebt war. Selbst seine Uegner muüten
die makellose Reinheit, die nie persönlichen Clewiim erstrebte,
zugeben ’ i.
Trotzdem konnte er Na])oleou nie zufriedenstellen.
„Meine Grölie ist nicht auf die Hilfe einiger tausend Polen
gegi-üudet,” schrieb derselbe an den Großherzog von Berg am
2. Dezember 1806 In der Unterstützung durch Truj)pen spielt
Polen für den Kaiser der Franzosen eine ganz untergeordnete
Rolle ; die Ressourcen des Landes sind es in erster Linie, die er
begehrt, um die „Große Armee” zu unterhalten, nachdem er die
Weichsel zur Operationsbasis gemacht hat. Er weist Talley-
rand an, der provisorischen Regierung begreiflich zu machen,
daß die Subsistenzfrage wichtiger sei als die mihtärische.
..Die Geschichte Etmopas und die größten politischen Kalküls
hingen von Lebensmitteln ab Aus diesem Grunde habe die
Regierung den größten Eifer und Patriotismus zu erwecken,
und müsse alle Mittel gebrauchen, um seinen Forderungen
zu genügen. Diese waren aber ungeheuere *). Er verlangte am
12. Mürz 1807, daß von Warschau nach Osterode innerhalb
sechs Tagen 300.000 Brotportionen und 20.000 Pinten “) Brannt-
weiii geschaft’t würden. ,. Könne der Patriotismus der Polen dies
nicht zu Staude bringen, so seien sie zu nichts Großem
tauglich®,).”
Solchen Ansprüchen konnte Poniatowski nicht gerecht
werden. Behörden und Ämter mit jungen, neuen Beamten
waren für ilire Aufgaben weder geschult, noch denselben ge-
wachsen, denn sie hatten kaum Zeit gehabt, einen geordneten
Geschäftsgang einzurichten. Die ungünstige .Jahreszeit, die
schlechten Straßen, der Mangel an Transportmitteln, an
Pferden erhöhten die Schwierigkeiten und führten zu peiidiehen
Friktionen.
') Ko^mian, Pamivtniki, Tom. U.
C. d. N. I., Tom. XIV, 11, Nr. ll.im
’) Ebenda, 42.5, Nr. 12.005.
‘) Ebenda, 55, Nr. 11.421; 135, Nr. 11.545.
•) Französisches Hohlmaß, ungefähr 0113 Liter.
•) C. d. N. I., Tom. XIV, 432, Nr. 12.015.
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Das Herzogtum WarscbAu.
47
Wenn auch Napoleon im 52. Bulletin 'i erklärte, Polen
versorge die Armee und ihre Magazine reichlich, so war er
der provisorischen Regierung gegenüber doch ein steter Mahner
und harter Gläubiger*) ; für die Nachsicht, die er dem Lande durch
den Erlaß der Kontributionen erwiesen hatte, forderte er so hohe
Naturalleistungen, daß sie Polen für Jahre hinaus erschöpften.
Li gleicher Weise wie für die Ver[>flegung w'ar Napoleon
auch bedacht, die Kantonnements seiner Armee gegen feind-
liche Unternehmungen zu sichern, die gewonnene Position
an der Weichsel zu verstärken und gleichzeitig weitere
t>perationeu vorzubereiten. Napoleons Hauptaugenmerk war
auf den Raum gerichtet, den bereits einmal Marschall Moriz
von Sachsen*) als den strategischen Mittelpunkt Polens ange-
sehen und durch Befestigungsanlagen in großem Stile V'er-
teidigungsfähig zu machen geraten hatte, nämlich auf das
Land zwischen Weichsel und Bug — Narew mit den Haupt-
plätzen Warschau-Praga, Modhn und Siero<jk. Daneben sollten
die kleineren befestigten Orte wie Ltjczyca, CzQstochöw ver-
stärkt, Thom aber zu einem haltbaren Hauptdepot der Armee
ausgestaltet werden. Mit der Leitung dieser Aid)eiteu betraute
Napoleon den General Chasseloup, w'elcher schon am
1. Dezember den Befehl erhielt sich nach L^czyca, dann aber
nach Warschau zu begeben, um flie Ai'beiten zur Befestigung
von Praga einzuleiten, sodaim den Raum zwischen Weichsel
und Bug — Narew zu rekognoszieren und Sierock — Modliu im
M’inter auszubauen ■*). 14 Tage später ergehen neue Weisungen*),
>) C. d. N. I., Tom. XIV, 219, Nr. 11.668.
*) Ebenda, 560, Nr. 12.206.
*) Ein natürlicher Sohn König August II., des Starken, und der
Gräfin Aurora von Königsmark, geb. 1696, gest. 1750.
*) C. d. "N. I. Tom. XIV, 7, Nr. 11.H42. Eran9ois,Mar(iuis de Chasse-
loup. Laubat (1754 geb., 1893 gest.) leitete bereits vor Main?, alle Belago-
ningsarbeiten, gewann 1796 als Oenicchef in Italien Bonapartes vollstes
Vertrauen und ward für seine Verdienste bei der Belagerung von Mantua
Brigade-, 3 Jahre später Divisionsgeneral. 1807 führte er die Belagerung
von Danzig und Stralsund zu Ende. Sein bedeutendstes Werk war der
Ausbau von Alessandria. ln der Geschichte der Befestigungssysteme
Utsein Name bekannt durch die Verbesserung und Verstärkung des bastio-
nierten Umrisses, die er vorschlug mid in einzelnen festen Plätzen teil-
weise auch ausfOhrte.
*) C. d. N. I., Tora. XIV, 86, Nr. 11.465; 166, Nr. 11.586.
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J n 8 t.
die am 8. Januar 1807 auf das Genaueste präzisiert- werden').
Sierock und Modlin sind durch bastionierte Enceinten zu
umschließen; bei Sieroqk ist am linken Narew-, bei Modlin am
rechten Weichselufer ein Brückenkopf zu errichten. Abgesehen
von den bereits bestehenden 8 Bedouten, die ausgebaut werden
sollen, ist in Praga noch ein starker Brückenkopf zu errichten:
ebenso sin<l die Umfassungsmauern von Thoni wieder her-
zustellen und am rechten Weichselufer hier gleichfalls ein
Brückenkopf anzulegen.
Napoleon behielt den Fortgang dieser Arbeiten be-
ständig im Auge *i, ließ es an energischen Befehlen ziu’ Be-
schleunigung nicht fehlen, ohne freüich seine Intentionen
gänzlich ausgeführt zu sehen ’i. Die Ursache lag in dem
Gang der kriegerischen Ereignisse (8. Februar Schlacht bei
Eylaiii, in der Kürze der Zeit, zum größten Teil aber in der
Unzulänglichkeit der Arbeitskräfte. Die Belagerung der festen
Plätze Preußens Graudenz, Kolberg, Stralsund verlangte tech-
nische Mannschaften und die Landesbewohner Polens konnten
in einer Zahl, wie sie Napoleon wünschte, nicht aufgebracht
werden, denn die waffenfähige Jugend trat in das Heer ein,
welches nach des Kaisers Fordennig nicht groß genug .sein
konnte, wenn Polen Wiedererstehen solle.
Unter schwierigeren, ungünstigeren Verhältnissen ist wohl
nie eine Annee entstanden. Es gebrach eigentlich an Allem.
Bereitwillig hatte sich Posen erboten, Tuch für Uniformen,
Schuhe, Wäsche, Geld und Naturalien beizustellen, um die unter
die Fahnen tretenden Freiwilligen zu bekleiden und auszu-
rüsteii*). Dem Beispiel Posens w'ar auch Kahsz gefolgt. Die
Opferwüligkeit dieser Städte und des Adels aber konnte den
■) C. d. N. L, Tom. XIV, 166, Xr. ll..')86.
’) Ebenda, 512, Nr. 12.144. „Obervations sur la tete de pont de
Praga” und 584, Nr. 12,242.
b War auch nach dem Ab.schlnß des Tilsiter Friedens von der
Warschauer ßegierung die Vollendung dieser Anlagen in Angriff ge-
nommen worden, so bildeten die Napoleonischen Befestigungen doch
die Bollwerke des Widerstandes, so daß im Feldzug des Jahres 1800
Praga, Thorn, CzQstoehöw mit Erfolg gegen die österreichischen Truppen
verteidigt werden konnten.
*) d’Angeberg, 147. Declaration des habitants de la ville Posen,
adressde au general Diibrowski.
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Das Herzogtum Warschau.
49
Geltimaugel ebensowenig beheben, wie die von Napoleon
geschenkte MiUion Francs und die Überlassung der Steuern an
die provisorische Regierung. Letztere flössen bei der durch
den Krieg erzeugten allgemeinen Notlage nur spärlich ein,
waren kärgüche Tropfen und kein ergiebiger Brunnen.
Aber selbst wenn es an Geld nicht gefehlt hätte, wäre
es schwer gewesen, die Ausrüstung ftir die neuen Truppen
zu beschaffen. Die Waft'ensendungen gingen langsam vor sich.
Ziu Erzeugung fehlte es an Arbeitskräften und industriellen
üutemehmungen. Napoleon ließ wohl aus Küstrin, Glogau,
Breslau und Posen Gewehre herbeisehaffen, dieselben waren
aber vielfach unbrauchbar und mußten repariert werden. Aus
Posen wurden .Säbel imd Pistolen für die Kavallerie geschickt,
jedoch in so geringer Zahl, daß Napoleon dem Fürsten
Poniatowski sonderbarer Weise wegen der mangelhaften
-■Vusrüstung der Truppen seine höchste Unzufriedenheit aus-
drückte Noch fühlbarer machte sich der Mangel an Pferde-
material, Sattel- und Zaumzeug ; feldbrauchbares Artillerie-
material war aber gar nicht vorhanden
Schwierigkeiten solcher Art sollte Poniatowski mit
Hilfe von Behörden, die erst seit Wochen bestanden, und
mit einem an Zahl geringen, ungeschulten, jungen Beamten-
pt'rsoual überwinden. Darüber vermochten alle Hingabe, alle
Begeisterung nicht hinwegzuhelfen.
Nachdem bereits Dqbrowski in seinen Proklamationen
au-s Posen vom 4. vmd 7. November die militärische Erhebung
im einstigen Königreich Polen eingeleitet hatte, übernahm
Fürst Poniatowski anfangs Dezember die geregelte Leitung
der ,\niieeorganisation. In einer Proklamation vom 7. Dezember’/
forderte er alle früheren ])olnischen Oi'fiziere auf, mit ihren
von König Stanislaus August ansgestellten Diplomen sich
vorzustellen, um ihren einstmals bekleideten Rang wieder zu
••rhalten. ,,Im Schatten der Lorbeeren des großen Kaisers
Napoleon erstehe ihr gemeinsames Vaterland wieder. Im
Vertrauen auf den unbesiegbaren Monarchen mögen sie dem
Rufe des Vaterlandes folgen und eine glorreiche Pflicht erfüllen.’’
b C. d. N. I., Tom. XIV', 327, Xr. 11.HÖ4.
•) T. 1. i. ä N. I., 331, Nr. 245.
•) Anhang IV.
Mitteilangen des k. und k. Kriegserrhivs. Dritte Folge. IV. Bd. 4
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J a • t.
Den Mangel an Offizieren, noch mehr aber an Unter-
offizieren konnte diese Proklamation nicht beheben ‘ i. Es
fehlte aber auch an alter Mannsehaft. Von französischen und
polnischen Schriftstelleni wird häutig behau])tet, den Riihmen
für die neue polnische Armee hätten die Legionen ans Italien
gebildet. Diese Annahme ist unrichtig. Die polnischen Legionen
waren, wie in der Einleitung dargestellt worden, in den
Kriegen gegen die 1. und 2. Koalition, wie auf San Domingo fast
völlig aufgerieben worden. Die am 19. November I80G der
polnischen De|)utation in Berlin von Napoleon gemachte Ver-
heillung, die Polen aus Italien würclen in Kürze sich mit ihren
Landesbrüdem vereinigen, war ebensowenig in Erfüllung ge-
gangen, wie die Vereinigung der Nordlegion*). Es waren fast
') Am 27. Februar noch stehen in Osterode zwei polnische
Kavallerieregimenter ohne jedwede Organisation und doch verfügt
Napoleon am gleichen Tage, dali Fürst Pouiatowski alles, was an
Reiterei in den verschiedenen Städten liege, unverzüglich dahin nbschicke.
(C. d. N. L, Tom. XIV, 49, Nr. 11.897.) Es ist wahrlich nicht wunder-
zunehmen. daß es dieser Truppe an Disziplin und innerer Festigkeit
gebrach. Poniatowski hiefür allein verantwortlich zu machen, wäre
ungerecht.
’) -Am 5. April 1807 standen ungefähr 2000 Mann Infanterie und
400 Reiter aus Italien in Augsburg, aus denen Napoleon am 6. April
die „Legion polacco-italienno” schuf. Dieselbe sollte t> Bataillone
in der Stärke von 60(W Mann und ein Lanciorsrogiment mit 1200 Mann
bilden. Der MauuNchaftsstand war daher noch zu ergänzen, Pferde in
Schlesien zu beschaffen, ebendort auch Sättel und Uniformen anzufertigen.
Die alte polnische Tracht wurde beibehalteu, die Kappen zeigten die
polnische und italienische Kokarde. Die Reiterei dieser Legion wurde
im Observationskorps Jerome verwendet und zeichnete sich am 15. Mai
in Schlesien besonders ans. Nach dem Tilsiter Frieden trat die Legion
polacco-italienne in französischen Sold, sollte aber „den Polen im Falle
eines Angriffes zu Hilfe kommen”. (C. d. N. L, Tom. XV', 33, Nr. 12.305:
37, Nr. 12.315; 246, Nr. 12.604 ; 470, Nr. 12.984.)
Auch die Nordlegion, welche in ihren Reihen alte Legionäre zählte,
war bis zum Ende des Krieges unfertig geblieben. Am 8. Januar 1807
stand dieselbe in Magdeburg und wurde später zur Zernierung von Danzig
und Kolberg verwendet. Nach Thiers Angaben bewies sie viel Mut,
aber keine Festigkeit, da ihr eine ausreichende Organisation gemangelt
habe. Noch am 23. Juni 1807 beschäftigte sich Napoleon mit derselben,
da sie „weder Offiziere noch Unteroffiziere besitze.” (C. d. N. I., Tom. XV
30, Nr. 12.301: Tom. XIV, 213, Nr. 11.663 ; 285, Nr. 11.680.; Tom. XV,
364, Nr. 12.807.; Thiers, Vil, 396.1
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Das Herzogtum Warschau.
51
durch'wegs Rpkrnten, die freiwUig unter die Fahnen traten und
nach kiuTser militärischer Ausbildung, schlecht bewalinet und
bekleidet, vor den Feind gingen. Die von Napoleon am
2. Januar 1807 gegebene Gliedening des polnischen Koq)s •)
kam nur teilweise ziu" Ausführung. Die halbfertigen Regi-
menter und Bataillone, deren Verbände wegen der geringen
Zahl von Offizieren und Unteroffizieren innerlich ungefestigt
waren, wurden zu besonderen Köq)eni vereinigt und sofort
gegen den Feind geschickt.
Den Grundstock der polnischen Armee bildeten die
bereits im November 1806 von General Dijbrowski im Posener
Kreise gesammelten Truppen (die Posener Legion i in der
Stärke von zirka 6000 Mann. Dieselben wurden in Bromberg
konzentriert und zur Verstärkung des ifanzösischen Ein-
schließiingskoqts unter Marschall Lefebvre bestimmt. Der
Kommandant von Danzig, GFM. Kalkreuth, hatte eine
Abteilung von ungefähr 6000 Mann nach Dirschau geschickt,
um die.sen wichtigen Posten zu halten. Am 23. Februar gritf
D^browski die Preußen an, bemächtigte sich im Sturme
des Ortes und erbeutete sechs Kanonen *). Die polnischen
Rekruten hatten die Feuertaufe erhalten, mehrere himdert
waren gefallen. Dijbrowski selbst ward verwundet und über-
gab das Kommando an General Gedroycz, welcher die Division
vor Danzig führte. Hier gaben die Polen wiederholt Beweise
ihres Mutes®), wde am 20. März imd besonders am 15. Mai. an
welchem Tage sie den Vorstoß der Rus.sen von Weichselmünde
gegen Danzig erfolgreich abwehrten. Nach der Kapitulation von
Danzig am 27. Mai trat die pohiische Division mit einem
’) Anhang V.
*) Höpfner, III, 349.
*) Im Gegensatz zu den Schilderungen Thiers, welcher
den Polen Gerechtigkeit widerfahren läßt : „Los Polonais avaient
du zele, mais aucune habitude de la giierre. Les soldats de
U legion du Nord, trbs prompte dans les atta<jues, se dispersaient
a la moindre resistance”, weiß Marschall Lef5bvro nur Schlechtes zu
berichten. Napoleon tadelte sein auffahrendes Verhalten den Polen
gegenüber, rügte seine Ungeduld und empfahl ihiuNachsicht, die billiger-
welse geübt werden müsse. (C. d. N. I., Tom. XIV, 569, Nr. 12.219 ;
Tom. XV, 48, Nr. 12.a34; Thiers, VII, 413, 48:1.)
4*
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52
J a s t.
Stand von annähernd 4300 Mann*) unter das Kommando des
Marschalls Mortier, Herzog von Treviso, um am 14. Juni
unter den Augen Napoleons bei Friedland im Verein mit
der Division Zaj^czek als ebenbürtige Kampfgenossen der
französischen Truppen mitzukämpfen für die „Gloire” des
Im])erators *,i.
General Zajivczek, ursprünglich mit der Formierung
der Nordlegion betraut, war über Befehl Napoleons nach
Posen geeilt, um die Volksbewaffnung im Kaliszer Krei-se
einzuleiten. Die Formierung der Legion war noch nicht
beendet, als Teile derselben bereits gegen Graudenz’i und
Thom in Verwendung kamen. Am 6. Jfärz gab aber Na])oleoii
dieser unfertigen Legion eine andere Bestimmung. Nur eine
kleine Abteilung, die nach dem Falle Danzigs um zwei
polnische Bataillone vermehrt wunte, blieb vor Graudenz
zurück. Die vier Kaliszer und zw'ei Warschauer Bataillone,
sechs Geschütze, .sowie die ganze polnische Reiterei sollten
ein, .polnisches Observationskori)s'’ unter KommandoZaj aczek s
bilden. Dasselbe hatte einen Stand * i von ungefähr 4000 Mann
Infanterie und 2000 Reitern, mitdem Hauiitquartier in Neidenburg.
Das Korps sollte die „Grolle .^rrnee” in ihrer rechten
Flanke von Allenstein bis Neidenburg und an den Omulew
sichern die Reiterei desselben, auch wenn sie noch so
schlecht ausgerü.stet wäre, Napoleon die Kosaken vom
Leibe halten, die erschöpfte französische Kavallerie ablösen
und die Straßen und Wege sichern *i. Zaj aczek habe zu
trachten, mit den Kosaken in Fühlung zu kommen und über
jede feindliche Bewegung zu berichten. Sein Verhalten
') Hopfner gibt auf Beilage G zu Bit. III als Stand ü Bataillone
mit 4000 Mann an, was einer Angabe Liskennes in der Bibliothäque
historique, Tom. Vif, 220, gleichkommt, die im Verbände des X. Korp.s
au Polen 3041 Mann Infanterie und 520 .Mann Kavallerie ausweist.
«J Thiers, VII, 48.S.
*) Hopfner, IV, 713.
q Nach Thiers, VH, 441 und anderen Quellen, während Hopfner,
III, 554, das Korps auf GOOO Mann Infanterie und 3000 Reiter einschätzt.
») C. d. N. I., Tom. XIV, 393, Nr. 11.957; 394, Nr. 11.958; 411,
Nr. 11.979; 442, Nr. 12.0.32; 503, Nr. 12.130: Thiers, VII, 441.
') C. d. N. 1., Tom. XIV, 327, Nr. 11.804; 342, Nr. 11.893; 347,
Nr. 11.897.
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Daf Heraogtum Warschau.
53
fand allerdings bei Napoleon wenig Anerkennung. Wieder-
holt erlieü der Kaiser sogar taktische Verhaltungsmaß-
regeln an den General, da derselbe zu wenig Offensivgeist
bekundete.
Als die Russen um rlie Mitte Mai sich entschlossen hatten,
die Besatzung von Danzig zu verstärken, begannen sie gleich-
zeitig die Kantonnements der französischen Armee längs der
ganzen Front, zumeist aber am rechten Flügel, zu beunruhigen,
um die Aufmerksamkeit von ihrer Hauptojieration abzuleuken.
Es kam zu kleineren ScharmUtzehi, wie bei Wierzbice, an
welchem die Polen so rühmlichen Anteil nahmen, daß sogar
das 74. Armeebulletin ') ihrer Erwähnung tat.
Als Napoleon Anfang Juni zur Offensive überging,
erhielt Zajijczek den Befehl, nach Gilgenbiu-g abzurücken,
diesen Platz für das Korps Davout zu halten und dasselbe
beim Vormarsch in der rechten Flanke zu kotoyieren. .A.uf
dem Schlachtfeld von Friedland, unter dem Donner der
Beschütze feierten die polni-schen Truppen AViedersehen.
Nach der Schlacht wuirden die Divisionen Dijbrowskis und
Zajaczeks in der Stärke von annähernd 10.000 Maim*)
vereinigt und gingen nach Schippenbeil, südhch Friedland,
um den Feind noch weiter zu beunruhigen. Der Waffen-
stillstand vom 21. Juni machte dem Kampfe ein Endo; die
irolnischen Tnippen traten unter das Kommando Mortiers.
Während Djjbrowski und Zajqczek Waffenruhm
erwarben, von alt und jung als Helden gepriesen wurden,
hatte Fürst Poniatow'ski in wahrer Selbstverleugnung
Pflichten erfüllt, die wenig Ruhm, doch um so mehr Mühen,
-irger und Vorwürfe einbrachten. Nach Napoleons Weisung
vom 28. Januar“) errichtete er die Warschauer Legion in der
Stärke von sechs Bataillonen. Nachdem zwei derselben das
polnische ,,OVjservationskoT|ts” verstärkt hatten, verblieben die
anderen als Besatzung in Warschau und Praga. Die Redouten
Von Praga wurden durch ein Bataülon besetzt, ein Bataillon
bewachte die Schiffbrücke zwischen beiden Orten, die rest-
lichen zwei Bataillone versahen tlen inneren Dienst.
>) C. d. N. I., Tom. XV, 232.
*) Thiers, VII, 497.
’) C. d. N. I., Tom. XIV, 242, Nr. 11.706.
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64
J a a t.
Die provisorisclie Eegiemng war ihren Verpflichtungen
redlich nachgekommen. Sie hatte die Veq)flegung der „Grollen
Armee” ermöglicht und au Trup])en im Verlauf des Feldzuges
wohl 16.000 bis 17.000 Mann aufgestellt ’i.
Den Wert einer solchen Hilfeleistung kann nur eine
millgiuistige Beimteilung heraVisetzen. Als Besatzungs- und
Zemierungstruppeu hatten die Polen Erspriellliches geleistet,
im Felde redlich ihren Mann gestellt; ihre Opferwilligkeit
anzuerkennen, gebot nicht politischer Takt allein, sondern
natürliches Gerechtigkeitsgefülil.
Noch vor AbschluÜ des F riedens erhielt F ürst Poniatowski
die ihm von Preullen seinerzeit konfiszierten Besitzungen am
rechten Weichselufer der Starostei Wielona zurück, Dijbrowski
wurde mit der Herrschaft Winnagöra*) im Posener, Zajaczek
mit Opatowek im Kaliszer Kreise heschenkt’).
Nachdem Napoleon die Hypothekarforderungen des
Königs von Preußen auf seinen früheren ]>ohiischen Besitz
') Die Schätzung Hopfners, III, 550, der bereits im April
Ober 27.000 Polen unter den Waffen wissen will, ist übertrieben.
Richtiger sind Thiers Angaben, wonach die Stärke der Truppen
bei 16.000 Mann ausmachte. Aua Napoleons Korrespondenz ist ein
klares Bild nicht zu gewinnen. Die War.schauer Legion z. B. sollte
(L. i. d. Talleyrand, 245, Nr, 331) eine Stärke von 12.865 Mann .besitzen,
zählte aber gegen Mitte März kaum 7500. Das grellste Beispiel über-
treibender Ungenauigkeit bieten aber Napoleons Angaben über die zu
errichtende Nobelgarde, die in der Korrespondenz wiederholt angeführt
wird, und zu der Poniatowski kaum 40 Mann zusammenbracUte.
(L. i. d. Talleyrand, 332 und 4.3.3, Nr. 245 und 293.)
') Hier starb auch der General im Alter von 63 Jahren am
6. Juni 1S18, nachdem er seit 1815 sich völlig zurückgezogen hatte.
Nach Kotaezko wskis Schilderung war er von starker Konstitution,
groß, heiter, umgänglich im privaten Verkehr, im Dienste aber ver-
schlossen und viel fordernd. Er galt als „Vater der Soldaten”, steigerte
aber seine Ansprüche in Zeiten der Gefahr aufs höchste. Er liebte es
mit Turenne verglichen zu werden, dem er n,aoheiferte. Davout fällte
über ihn ein weniger günstiges Urteil (C. d. M. D-, Tom. I, 345,
Nr. 228); „Le gendral Dorabrowski cst plein de bonne volonte, mais
il a peu de töte et de mämoire, il ne sait rien. II s’en faut de beaucoup,
qu’il jouisse dans ces pays de la consideration de Kosciuszko.”
*) Außer diesen Schenkungen an die genannten polnischen Komman-
danten hatte Napoleon auch die eigenen Generale für ihre Dienste im
,.polni.schen Feldzuge” reich belohnt, ohne freilich die Finanzen Frank-
reichs zu belasten. Er behielt Krongüter im Schätzungswerte von
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Dm Ilerao^um Warschau.
55
für sich selbst reserviert hatte'), erötfnete er am 7. .Juli ohne
vorhergegangene Verabredungen dem König Friedrich
August von Sachsen, der seit dem Posener Friedensschluß
vom 11. Dezember 1806 aus einem Verbündeten Preußens
ein ergebener Rheinbundfürst geworden war ®), daß er Polen
mit Sachsen vereinige und demselben eine Konstitution gebe,
welche die Ruhe und die Freiheit dieses Volkes sichere ’).
Das Königreich Polen sollte nicht wieder erstehen ; der
Tilsiter Friedensvertrag schuf ein ..Herzogtum Warschau”
mit einem Flächenraiun von 1851 Quadratmeilen und zirka
2'/s Millionen Einwohnern ■*). Dies war Napoleons Dank-
geschenk an die i)olnische Nation.
26Vi Millionen Francs zu deren Beteilung zurück. Davout allein erhielt
die Herrschaft Lowicz im Worte von 4,831.238 Francs. (C. d. X. I.,
Tom.X V, 377, Nr. 12.838; 378, Nr. 12.839 ; 470, Nr. 12.984.) — „27Marschällcu
und Generalen hat er [Napoleon] die Domänen des Königs in Polen
verschenkt und dem Sachsenkönig das ausgesogene, luizufriedene
Land, was so betrogen ist, wie noch keine.s," schreibt Königin
Luise von Preußen aus Memel vom 5. August 1807 an ihren
Bruder. (Briefe der Königin Luise an ihren Bruder Erbprinz Georg von
Mecklenburg-Strelitz; veröifentlicht von Paul Bailleu im Bd. CV,
191)0 der „Deutschen Rundschau’’ von Julius Rodenberg, 363 bis 397.)
') C. d. N. I.. Tom. XV, 377, Nr. 12.838 ; 378, Nr. 12.839 ; 470,
Sr. 12.984 ; 481, Nr. 13.007 und d’Angeberg, 482: Artikel IV der
Konvention zwischen Frankreich vmd .Sachsen vom 22. Juli 1807.
’) SacKsen hatte zu Beginn des Feldzuges als Verbündeter Preußens
Truppen in der Stärke von 19.400 Mann aufgestellt, die in den Verband
des Prinzen Friedrich Ludwig von Hohenzollern-Ingelfingen
traten. In der unglücklichen Schlacht bei Jena hatten zwei sächsische
Brigaden lange Zeit standgehalten, bis sie schließlich noch immer kämpfend
von Murat teils zersprengt, teils zusammengehauen wurden. In der Ver-
folgung seines Sieges suchte Napoleon Sachsen von Preußen
abzuzieben und schloß mit dem Kurfürsten einen gnädigen Frieden.
Friedrich August erhielt den Königstitel und trat dem Rheinbund
bei. Bereits am 4. Februar 1807 rückten 6000 Mann sächsische Tnippen
unter General von Polonz ins Feld, um als Bundesgenossen der-
jenigen, die vor wenigen Monaten ihnen als Feinde gegenübergestanden,
gegen ihren früheren Freund zu kämpfen. Ihre nächste Bestimmung
führte sie vor Danzig, an dessen Belagerung sie rühmlichen .\nteil nahmen,
der weitere Gang der Ereigni.sse auf das Schlachtfeld von Friedland.
8iehe darüber auch Tagebuch Bray, 60, 56, 56.
») C. d. N. I., Tom. XV, ;i04, Nr. 12.872.
•) Anhang VI und Weiß, X, 1, 160.
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II. ABSCHNITT.
Das Herzogtum Warschau bis zum Eintritt in den
Kampf mit Österreich im April 1809.
1 . Politische Bedeatung, Verfassung, Verwaltung nnd Armee
des Herzogtums.
Nach Absdduli der Dresdner Konvention vom 22. Juli
1807 welcho dem König von Sachsen formell <len Besitz
des „Herzogtums Warschau” *) einriiumte, übernahm Graf
Guttakowski dasselbe am 17. September von dem fi’anzö-
sisehen Generalintendanten Daru’). Im Kähmen einer Ver-
fassung, welche Napoleon unter Mitwirkung von sechs
polnischen De2)utierten von Dresden aus am 22. Juh dem
neuen Staate gegeben hatte ^i, sollte derselbe einer gedeihlichen
Entwicklung entgegengelien.
Als politisches Werk war die Schöpfung des Kaisers,
wie selbst Thiers einge.steht ’), ,,imprudent, exces.siv, chime-
rifpie”, denn das Herzogtum erregte vom ersten Tage seines
Bestandes den Argw'ohn und die Besorgpiis seiner Nachbarn.
') d’Aiigeberg, 481.
’) Die Bezeichnung „Großlierzogtura Warschau” wurde zum er.sten
Male in einer ofßziollen Urkunde König Friedrich Wilhelm III. von
Preußen gebraucht. Durch den Elbinger Grenzvertrag vom 10. November
hatte sich der König auch zur Abtretung Neuschlosiens an Sachsen
verstanden und durch eine Zuschrift vom 26. J.muar 1808 aus Königs-
berg die Beiuuten dieser Provinz der Pflichten gegen ihren früheren
Souverän entbunden. (Journal de l’Erapire, Korrespondenz aus Breslau
vom 20. Februar 1808.) In der Folge erscheint die Bezeichnung „Groß-
herzogtum” fast häufiger als „Herzogtum”. Die erstere bleibt aber immer
unberechtigt ; auch der Wiener Friede spricht nur von einem Herzogtum
Warschau.
*) d'A n g e b 0 r g, 4.89.
*) d’Augeberg, 485. In Warschau proklamiert am 28. Juli.
*) Thiers, VII, 537.
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Dab Hersogtam Warscliaa. 57
Um Österreichs und RuÜlands Miütrauen zu beschudchtigen,
vertraute Napoleon diesen Keim eines polnischen Reiches
keinem Prinzen seines Hauses au. Einen Polen zum Herrscher
einzusetzen, dünkte ihm aber auch gefährlich, denn wie. leicht
konnte ein solcher in entscheidenden Momenten sich RiiUland
anschlieüen. Warschau in der Hand des Königs von Sachsen
war daher die beste Ijösung aller politischen Bedenken. Zwei
Könige aus dem Kurhause Sachsen hatten bereits die jrolnische
Krone getragen, die Kon.stitution vom .3. Mai 1793 Friedrich
August auf den Thron berufen, falls Stanislaus August
Poniatowski kinderlos sterben würde. Neben dem Vorteil,
das arme Land einem reichen Staate anzugliedem, gab der
Kaiser der Nation einen Herrscher, den sie einst selbst ge-
wüascht hatte, und sicherte sich selbst einen treu ergebenen
Lehensmann.
Für Sachsen bedeutete die Erwerbung des Herzogtums
nin eine scheinbare, rein äutierliehe Machtvergrößerung. Eine
im .Jahre 1792 erschienene Schrift „Über die Annehmung
der ])olnischen Krone” hatte mit Geschick die Gründe zu
wi<ierlegen gesucht, welche den Kurfürsten zur Annahme der
ihm angebotenen Königswürde hätten bewegen können. Was
der Autor damals sagte, paßte auch auf das Herzogtum
Warschau. ,,Der Glanz dieser Krone — ein schwaches Jjicht
in dicker Finsternis. Den deutschen Erbländem Vorteile zu
verschaffen — man bietet dir herkulische, undankbare Arbeit,
• •efahr und Bekümmernis. Polen ist eine erst im Werden
begriffene Macht, seine Krone ziert nicht, ohne mit Korge
zn erfüllen.”
Die leise Hoffming, Sachsen könne dazu berufen sein,
m Xorddeutschland an Preußens Stelle zu treten und eine
führende Rolle zu spielen ‘i, vergiftete die Beziehungen zu
') Dieses Ziel zu erreichen, bildete den Angelpunkt der säch-
sischen Politik, als 1809 der frühere Gesandte in Paris Graf Senf ft
die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm. In kaum be-
greiflicher Verkennung aller geschichtlichen Verhältnisse trug sich
derselbe mit dem Plane, auf den Trümmern des, wie er meinte, für
immer und ohne Kettung verlorenen preußischen Staates eine neue
sächsisch-polnische Zcntralmacht in Europa aufzurichten. Siehe darüber
Oncken, II, 234.
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58
J U 8 t.
«iiosem Staate ; die Rücksicht auf den neuen Besitz trug
überdies wesentlich dazu bei, Sachsen au dem Bunde mit
Franki-eich imerschütterlich t'esthalten und dadurch in
Deutschland immer mein- an Einfluß verlieren zu lassen.
Das Herzogtum ^\'arsehau brachte also seinem Herrscher
keinen Gewinn. Es war in Wirklichkeit eine schwere Last :
die Dornenkrone Polens drückte in veränderter Gestalt nicht
minder schwer wie früher. Ein weiser EntsclJuß des Königs hatte
Verwaltung und Finanzwesen seiner beiden Staaten völlig von-
einander getrennt. Obgleich selbst Talleyrand den zu seiner
Zeit fvir einen aufmerksamen Lauscher wohl bedenklich
klingenden Rat erteilt hatte, keine Geldopfer liir Polen
zu bringen, die wahi'scheinlich für Sachsen verloren sein
würden, schoß König Friedrich August doch dem War-
schauer Staatsschatz nach und nach bei 30 Millionen polnische
Gulden*;, endlich selbst aus sächsischen Kassen 2 */j Millionen
Gulden vor *).
Selbst den Polen bereitete der Tilsiter Friedensvertrag eine
bittere Enttäuschung, die auch in der zeitgenössischen Memoiren-
literatur, wie in älteren Geschichtswerken scharfen, ja oft
gehässigen Ausdruck gefunden hat ’). Utopistische Staatsideen
hatte Kapoleon mit der Schafhing des Herzogtums allerdings
nicht verwu'klicht, aber diePolen dem Zustand politischer Apathie,
die sich allmählich der Gemüter bemächtigt hatte ■*), entrissen.
Der neue Herzog entstammte dem Blute ihrer einstigen Könige
und erleichterte der Nation hiedurch die Unterwerfung unter
einem ausländischen Herrscher. Der Schein voller Selbständig-
keit wurde umsomehr erweckt, als schon die geographische
Lage es hinderte, das Herzogtum als sächsische Provinz zu
Ijetrachten. Da als Dienst- und Armeesprache die polnische
galt, so war auch dem Nationalgefühl keinerlei Schranke
gesetzt worden.
') = 60 Heller.
b Flathe, III, 15.
’) Dies gibt auch die neuere polnische Literatur zu. Vergl.
Bembowski, 577, 5S5, welcher in objektiver Weise derer Erwähnung
tut, die in der Verfassung des Herzogtums eine gewaltige Errungen-
schaft für Polen erblickten.
b Skarbek.
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Dag Herzogtam Warschau.
59
Die dem Lande gegebene Yerfassung *), welcheNapoleun
nach Bericht des Augenzeugen Wybicki in (eegenwart der
polnischen Deputierten in kaum einer Stunde dem Staats-
sekretär Maret in die Feder diktiert hatte, war, durchw’eht vom
Deist der neuen Zeit, vollständig nach französischem Muster
zngeschnitten imd rief deshalb im Lande nur geteilte Eindrücke
hervor. Der Adel, dem noch immer das Übergewicht gewahrt
blieb, konnte die imgebundene Freiheit des ancieu regime
nicht verschmerzen, das ^'olk jedoch, erst jetzt zu politischem
Leben erweckt, war fiü‘ ein solche.s noch unreif. So traten die
Vorzüge der Konstitution viel weniger der Nation zu Be-
wiiütsein, als gerade jene Bestimmungen, die altpolnischem
Brauch und Wesen zuwiderliefen.
Die oberste Kegiernngs- und gesetzgebende Gewalt lag
in den Händen des Herzogs, dessen Würde erblich. Seine
Einkünfte bestanden in einer Zivilhste von 7 Millionen ])ol-
nischen Gulden (zur Hälfte aus den königlichtni Domänen
und dem StaaLsschatz), dem königlichen Schloü und dem
sächsischen Palais in Warschau *).
Dem Herzog zur Seite stand ein Staatsrat irada stanui
von fünf Personen, rlem nach kgl. Dekret vom 5. Oktober
1807 der Justizminister Felix Graf Lubieiiski — der Minister
des Innern Luszczewski, ein sehr fähiger und arbeitski'äftiger
Mann — des Ki'iegsFürst Poniato wski. — der Polizei Alexander
Potocki und Finanzminister D^bowski angehörten. Als
Bindeglied zwischen König und Staatsrat wirkte der Staats-
sekretär Stanislaus Rreza. In Abwesenheit des Herrschers
übte die oberste Gewalt ein Vliuisterpräsident aus. damals
Graf V. Malachowski.
Der Reichstag bestand aus zwei Kammern: dem Senat
Izba wyszszai mit 18 vom König auf Lebenszeit ernannten
Mitgliedern und dem Abgeordnetenhaus (Izbaposelskai, welches
60 vom Adel und 40 von den Stadtgenieinden gewählte Ver-
treter begriff. Alle zwei .Jahre hatte der Reichstag zu einer
Utägigcn Session zusammenzutreten. Die vom Staatsrat
') d’Angeberg, 470.
•) Bezogen bat König Friedrich August diese Zivilliste niemals,
äa die Staatskasse sie nicht anf/.ubringen vermochte und die Domänen
keinen Reinertrag gaben.
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60
J Q ■ t.
verfaßten Gesetzentwürfe wurden dem Abgeordnetenhaus zur
Beratung und Beschlußfassung vorgelegt, und vom Senat
sanktioniert. Stimmenmehrheit entschied.
Die innere Verwaltung des Reiches war von streng
zentralistischen Gnmdsätzen getragen. Das Land zerfiel in
sechs Departements : Warschau, Kalisz, Posen, Bromberg,
Plock, LomÄa, mit je einem Präfekten an der Sj)itze, welche
60 Distrikte mit Unterpräfekten in sich sclilossen ' i. Die Ad-
ministration der Städte erfolgte durch amtlich bestellte Bürger-
meister’!. Der König, beziehungsweise der Staatsrat, ernannte
alle Beamten — vom Ministerpräsidenten bis zum letzten Amt.s-
diener. Diese Organisation, welche dem polnischen Herkommen
so ganz zuwider Uef, wäre als harter Druck empfunden wor-
den, wenn nicht die Bestimmung, daß alle Beamtenstellen
nur mit Polen besetzt werden sollten und bei allen amtlichen
Akten die Kationalsjirache anzuwenden sei, die Fremdartigkeit
teilweise verwischt hätte.
Der Titel 1 der Verfassungsurkunde, „IJber die Volks-
rechte”, brachte den Polen Emingenschaften, die sie während
des ganzen Bestandes des Königreiches nie genossen oder
erreicht hatten. Nachdem als Staatsreligion die katholische fest-
gesetzt wird, neben welcher alle anderen Bekenntnisse gestattet
sind, clekretiert dieser Titel weiter: „L’esclavage est aboli”,
die Leibeigenschaft ist aufgehol>en, allen Staatsbürgern wird
Schutz des Eigentums und der Person, Gleichheit vor dem
Gesetz zugesichert.
Den Bauern, deren trauriges Los in unzähligen
Berichten mit den dunkelsten Farben geschildert worden,
war die Freiheit geschenkt. Schon das bloße Gefühl derselben
erhob sie aus Sachen zum Menschen ; die Möglichkeit Eigen-
tum zu erwerben war der ländlichen Bevölkerung eröffnet
und ihr dadiu'ch der Weg zur Ordnung und Zivilisation
freigegeben. Nur stetiges, rastloses Fortschreiten durch eine
Reihe von .Jahren ließ aber dies hohe Ziel eireichen, in einer
') Kgl. Dekret vom li). Dezember 1807.
*) Die offenen Landgemeinden, über welche sich die Konstitution
gar nicht aussprach, konnten nach einem kgl. Dekret ihre Vorsteher
(Vdjte) selbst wählen. Damit war das zentralistische Prinzip eigentlich
durchbrochen.
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Das Herzogtum Warschau.
61
kurzen Zeitspanne konnte der Freiheit Segen allerdings nicht
zu tage treten.
Tausende von Bauern traten aus dem Hörigkeitsverhältnis
und verließen ihre Dörfer, um ins Elend zu wandern. Sie waren
vermögenslos, suchten Beschäftigung bei anderen Herren, deren
Boden und Wii-tschaftsbetrieh sie nicht kannten. Die frühere Er-
fahrungwar, wenn nicht ganz verloren, so doch von wenigXutzen.
Aus früher seßhaften Landarbeitern wurde ein demoralisiertes
Proletariat. Zu früh entmündigt, wußten die Bauern völlige Frei-
heit nicht zu schätzen und hielten Nichtstun für ein notwendiges
Korrelat derselben, bis Hunger und Not sie Beschäftigung bei
den im Lande angeordueten fortifikatorischen Arbeiten suchen
hieß. Der Landwirtschaft, der eigentlichen Einkommensquelle
Polens, entging auf diese Weise eine Fülle von jVrbeit.skraft, und
damit schwand auch die Hoffnung auf erhöhten Ertrag des
Grundbesitzes
Hatte sich bei der Neuordniuig des staatlichen Lebens
gezeigt, daß manche Bestimmungen der Verfassung polnischem
Wesen stark widerstrebten, so trat dieser Mangel am schärfsten
im Gerichtswesen zu tage. Die französische (.Tesetzgebung
hatte wohl die in den übrigen Staaten des Kontinents herr-
schenden Rechtssysteme weit überholt. Die Mündlichkeit des
zivilen und stratprozesstialen A^erfahrens entsprach heutigen,
ganz modernen Forderungen und trotzdem war die voll-
ständige Aufnahme französischen Rechtswesens mit dem Code
A'apoleon als bürgerbchem Gesetzbuch für Polen ein Mißgriff
Die Rechtskontinuität war damit unterbrochen. Das
bürgerliche Gesetz hatte sofort in Kraft zu treten und war
doch niemandem im Lande bekannt. Alte Rechtsstreitigkeiten
mußten teils nach preußischem Landrecht, teils nach früheren
polnischen Gesetzen und Rechtsgewohnheiten entschieden
«erden. Richter, welche das jetzt geltende Recht gekannt
hätten, gab es nicht, denn vier Jahre nach der Einfülu'ung des
Code existierte noch keine genaue jjolnische Übersetzung <ies-
selben.die Hörer der neuerrichteten Rechtsakademie mußten aber
‘‘rsi ihre Studien beenden, ehe sie die erw'orbenen Kenntnisse
') Vergl. Skarbek, V, 189; Tariiowski, 21; Rembowski, 771;
Jagegen Ubaldus, 39.
b Rembowski, 778.
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62
.Tust.
verwertfn konnten. Es trat ein Rechtswirrwan' sondergleichen
ein. Dazu kam noch, da 6 das neue Recht in vielen Punkten
auf polnische Verhältnisse gar nicht anwendbar war und
manche seiner Bestimmungen, wie vor allem im Eherecht,
sogar das religiöse Empfinden des Volkes verletzten. Die ün-
zuf'riedenheit mit den bestehenden Rechtsnormen steigerte
sich immer mehr, so daß der Reichstag vom .lahre 1810 eine
Besserung nur in der Aufhebung des ,,Code civile” erblickte.
Über das Heerwesen gab der Titel X der Verfassnngs-
urkunde bloß ganz flüchtige Anweisungen. Das Herzogtum
hatte eine Armee von 30.000 Mann Infanterie, Kavallerie und
Artillerie fdie Xationalgarden nicht eingerechnet) zu unter-
halten. Dem König von Sachsen wurde das Recht eingeräumt,
einen Teil dieser Truj)pen nach Sachsen verlegen zu können,
doch war er vei'pfiichtet. den .Abgang im Lande sofort durch
ein gleichgroßes .sächsisches Kontingent zu ersetzen.
Die .Abtretungskonvention vom 22. Juli 1807 *) ergänzte
diese Bestimmungen. Das Herzogtum hatte für die Befestigung
von Thom, die Herstellung des Briiekenkopfes von Sieroqk
und die Instandhaltung wie .Armierung des Brückenkopfes
von Praga zu sorgen.
Im Kriegsfall waren die j)olni.schen Truppen wie die
aller übrigen Rheinbundstaaten verpflichtet. Napoleon Heeres-
folge zu leisten. Für diese Eventualität hatte bereits Artikel 16
des Tilsiter Friedensvertrages eine große Alilitärstraße zur Ver-
bindung des Herzogtums mit Sachsen gesichert, welche gleich-
zeitig zim Förderung der Handelsinteressen dienen sollte. Die-
selbe ging ül)er Guben, Krossen, Züllichau, Köpnitz au die
polnische Grenze und von hier bis AVarschau. Trupj)entrans-
porte durften von den preußischen Zollbehörden unter keinerlei
A'orwand aufgehalten werden *i; Bagagen und Mundvorräte
waren frei von allen Abgaben.
Eine schwere Vei-j)flichtung hatte König Friedrich
August übeniommen, indem er auf das „Anerbieten” Napo-
') Convention entre la France et la Saxe, coucernant la cession
du duclie de Varsovie. (d’Aiigoberg, 4.81.)
’) Convention entre la France et la Frusse relativement ä la route
railitaire, qui sera etablie entre la Saxe et le dnch6 de Varsovie. Elbing
le 13 octobre 1807. (d’Angeberg, 400.1
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Du Herzo);tam Warschau.
63
leons einging, 30.000 Mann französische Truppen so lange
zuin Schutze des Herzogtums im Tjande zn belassen, als die
.\rmee desselben nicht gänzlich organisiert und die neue
Regierung nicht völlig etabliert sei ' i. Die Verpflegung dieser
Truppen, deren Sold von Frankreich erfolgt wurde, trag wesent-
lich bei. die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen der junge
Staat zu kämpfen hatte, noch zu vergrööem und Unzufrieden-
heit im Lande zu erwecken.
Mit den Worten: „Nierzadem PoLska stoi” iDie Unord-
nung hält Polen aufrecht) hatten selbst die Polen in den
letzten Jahren des Königreiches die zerrütteten und verwor-
renen Zustände desselben gekennzeichnet. Die Verfassung,
welche Napoleon dem Herzogtum gewährt hatte, geeignet,
Ordnung und Ruhe zu schaffen, war deshalb ein Segen für die
Nation. Nur Tendenz oder Enttäuschung leiten zum Teil die
Feder jener Schriftsteller, welche die Schöj)fung des Kaisers in
heftiger Weise angreifen *). Eine spätere Zeit brachte den
Polen die volle Erkenntnis, was sie Napoleon verdankten.
Der revolutionäre Reich.stag des Jahres 1830 gab dem toten
Kaiser, was des Kaisers war, Lob und Dank in den Worten
des Manifestes’) vom 18. Dezember: ,, Obgleich eng begrenzt,
gewann Polen von der Hand des Helden des .Jahrhimderts
seine Sprache, Gesetze, Freiheiten ; große Geschenke und
noch größere, Hoffnungen”.
') Artikel VIII der Abtretungskonveution (d’Angeberg, 482). Die
Dislokation der französischen und Warschauer Truppen anfangs Oktober
IW siehe Beilage 1.
*) Rüther, 24: ,, Napoleon hatte einen Staat im eigenen
Interesse mit einem .Scheiuparlamentarismus wie in I’rankreicli, mit
französischen Gesetzen und französischer Verwaltung geschatt’en, be-
stimmt, um in den absoluten Staaten Propaganda zn machen.” Flathe,
16: ,. Wirklicher Herrscher ist Friedrich August in Warschau nie
gewesen ; was dort geschaffen wurde, war unter dem dünnen Schleier
einer halb nationalen, halb fremdländischen Verwaltung die Napoleonische
Despotie.” Leie vel, 41.Ö; „Der Staat hatte einen König von Sachsen zum
Souverän, sächsische Münzen, französische Verfassung und Verwaltung,
französische Gesetze und einen französischen Residenten, der sich be-
ständig in Warschau aufhielt, um die Durchführung der Befehle seines
Herrn zu überwachen.”
Vollständig abgedruckt bei Kaiser, Geschichte der polnischen
Revolution vom Jahre 1830, I, 56.
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3. Wirtschaftliche Notlage des Herzogtums und Versuche zur
Behebuug derselben.
Am 14. November 1807 traf König Friedrich Angust
von Sachsen, der bereits am 23. September durch eine Prokla-
mation seine Reise nach Warschau in Aussicht gestellt hatte ‘ i,
mit seiner Gemahlin nnd einem grollen Gefolge in Posen ein,
nrn sich seinen neuen Untertanen als Herrscher vorzustellen.
Eine Parade, von General Dijbrowski kommandiert, gab dem
König Gelegenheit, das ihm vorgestellte Offizierskorps durch
T.ob auszuzeichnen unrl von den Tru[)pen den Eid der Treue
entgegenzunehmen. Eine Woche später hielt der König unter
dem Donner der Geschütze, Glockengeläute und den Klängen
der Militärmusiken, die sich mit den jubelnden Zurufen des
^’olkes mischten, feierlichen Einzug in Warschau. Hoffest-
lichkeiten, Bälle, Paraden, Theatervorstellungen *) füllten die
ersten Tage seiner Anwesenheit. Die wenigen königlichen
Dekrete aus dieser Zeit zeigen nur die Absicht. Napoleons
Wünschen in allen Stücken gerecht zu werden oder der
tiefen Verehrung für den Kaiser Ausdnick zu geben
Am 27, Dezember verließ Friedrich August, von
Marschall Davout und allen Generalen bis an die Stadtgrenze
begleitet, die Hauptstadt seines neuen Reiches. Die prunkenden
Feste waren verrauscht; nun galt es an ernste Arbeit zu
schreiten und den jungen Staat festzufügen und auszubauen.
') Auszug.swei.se Abschrift (d’Angeberg, 490): Citoyens du duche
de Varsovie .' La paix de Tilsit, le rö.suUat des eöbrts genereux et de
vastes conoeptions du heros pacificateur de l’Europe, vous a soumis a
notre couroime. Apr^s taut de troubles et de boulevorseineuts, qui out
dechire votre ]>atrie, vous trouverez enßn daii.s uii ordro de choses
Stahle, le bonheur et la tranquillite .... Braves soldats polonais! Dej*
l’Europe vaiite votre Courage; döjä la patrie chante vos exploits, que la
di.scipline luilitaire augmente la force comme les succts de la valeur.
*) Besondere Begeisterung erweckte die Aufführung eines Vers-
stückes „"Wittekind und Karl der Große’’. Es war eine wenig ver-
.schleierte Apotheose Napoleons. AVittekind, der Ahnherr des sächsischen
Königshauses, huldigt dein großen Prankenkönig.
’) So das Dekret vom 12. Dezember, welches die Änderung des
.Straßennamens „uUea nüodowa” in „Napoloonsstraße” verfügt und die
Entsendung einer Deputation nach Paris beschließt, um den Ausdruck der
Ergebenheit und des Dankes dem Kaiser zu übermitteln. (A’ergl.
.Skarbek, III.)
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Da« Herzogtum Warschau.
65
Hebung der Volksbildung, Unterstützung und Pflege aller
den Volkswohlstand fordernden Einrichtungen hätten das
nächste Ziel der Eegiening bilden müssen. Km- so wäre es
möglich gewesen, ein Leiden zu beheben, an welchem das
junge Staatengebilde vom ersten bis zum letzten Tage seines
Bestehens krankte — den chronischen Geldmangel.
Wünschte Napoleon in der polnischen Armee eine
lirauchbare Unterstützung bei seinen militärischen Plänen,
einen starken Posten auf seiner Beobachtungsstation im Nord-
osten Eiu'0])as zu besitzen, so erschien der Warschauer
Regierung die Erhaltung und Kräftigung des Heeres für die
Sicherheit des Staates inmitten feindhcher Nachbarn nicht
minder wichtig, ja das Hauptziel ihrer Tätigkeit.
Mochte auch der Stand von 30.000 Mann, wie ihn
Napoleon festgesetzt hatte, für die Einwohnerzahl von
2'/s Jlillionen Seelen numerisch nicht zu hoch gewesen sein,
die materielle Leistungsfähigkeit des Landes überstieg er doch
weit. Die in der Dresdener Konvention übeniommene Ver-
pflichtung zur Verpflegung von 30.000 Manu französischer
Truppen, sowie der Ausbau der festen Plätze verursachten
derartige Kosten, daß der Militäretat fast die gesamten Staats-
einnahmen verschlang ‘). Es hätte einer Reihe von .Jahren
ruhiger Entwicklung bedurft, ehe die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des Herzogtums sich soweit gebessert hätten, daß
das Land ohne Schaden tiir sein Gedeihen Ausgaben zu
bestreiten vermocht hätte, wie sie gleich in den ersten Monaten
seines Bestandes zu leisten waren.
Polen war ein Agrikultmstaat. Industrie und Bergbau
gab es nicht, die gewerbliche Tätigkeit stand auf der untersten
Stufe der Entwicklung, die Vielizucht war vernachlässigt
worden. Die einzigen Einnahmsquelleu lagen im Ex])ort von
tretreide, Brennholz und Holzkohlen. Die Ausfuhr war aber
durch den Krieg 1806 — 1807 nahezu völlig aufgehoben. Für
ilne liiefeningen während des Krieges erhielten die Grund-
besitzer nur ganz geringe Summen oder gar nichts, und der
Friede brachte keine Bessenmg. Was an Exportartikeln bis Danzig
gelaugte, ließ die KoutinentalspeiTe nicht aufs Meer bringen.
Flathe, 23.
Mitt«üuDgen des k. und k. Khegsarchivs. Dritte Folge. IV. Bd. o
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G6 J o 8 t.
Die Landwirtschaft lag völlig darnieder. Mit ehernen
Schritten hatte der Krieg von dem Wenigen, was der schlecht
bestellte Boden tmg, mir allzuviel niedergestamiift. Die kleinen
Grundbesitzer, die schon seit dem Eevolutionskrieg mit
Schwierigkeiten zu kämjifen gehabt, kamen um Haus und
Hof, die größeren waren nicht melir im .stände, ihre Schuld-
ziinson zu zahlen und mußten zum Verkauf schreiten. Speku-
lanten erwarben oft um ein Viertel des wirklichen Werte.s das
Land, die Hj’potheknrgläubiger aber kamen um ihr Geld.
Der Bankerott von allen, die noch etwas zu verlieren
hatten, der gänzliche '\'orfall von Handel und Landwirtschaft
bedrohten das neue Herzogtum und machte seine finanzielle
Lage von Anbeginn zu einer verzweifelten. Die notwendigen
Ausgaben zur Einführung der neuen Verwaltung, die Heeres-
kosten, Verpflichtungen der „provisorischen Regierung” aus
der Zeit des letzten Krieges wollten gedeckt sein. In der
ersten Begeisterimg liir die nationale Sache hatten freiwillige
Gaben der besitzenden Klassen der Unzulänglichkeit der
Staatsmittel abgeholfen, jetzt aber waren diese Quellen ver-
siegt und in den Staatsschatz flössen ganz geringe Einnahmen.
Die Hauszinssteuem der Stäflte gaben einen kargen Ertrag,
die Akzisen und Stempeltaxen brachten wenig, da Handel und
Wandel damiederlagen, die Grundsteuern endlich liefen in
dieser Kotstandszeit der Landwirte nur spärlich ein. Trotzdem
blieben die von Napoleon seinen Generalen geschenkten
polnischen Güter im Werte von 26’ '* Millionen Francs ') eximiert.
Als die Regierung von diesen Militärlehen Steuern einhebeii
und die Waldungen als Nationalgut behandeln wollte, klagten
die Generale beim Kaiser. Berthier stieß in des.sen Namen
den bereits durch den König von Sachsen bestätigten Beschluß
des Warschauer Finanzministers um und erklärte, es habe
niemand das Recht, die Geschenke des Kaisers in ihrem Werte
zu vermindern; der Kaiser allein könne die Lasten festsetze.n,
die auf Eeichslehen haften, w’elche in Polen lägen. Die
Stem[)eltaxen für die Einregistrierung derselben hätten zu
entfallen, die Waldungen auch in Zukunft bei den Gütern
zu verbleiben, zu denen sie von jeher gehört hätten *i.
■) Siehe S. .')4. Fuünote 3.
*) AVeiß, X, 1. Heft, Ud. I.
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Das Harsogtnm Warschau.
67
Sollte jetzt im Frieden nicht von Staats wegen dort
genommen werden, wo noch etwas zu holen war, so mußte
die Regierung Mittel ergreifen, um das Defizit von 21 Millionen
polnischen (.lulden, welches das Budget des Jahres 1808 auf-
vries '), zu decken.
In dieser Absicht wurden zunächst die Ansprüche der
Laudesbewohner an die Staatskasse, die noch aus der Kriegs-
zeit datierten, überrechnet und durch eine Kommission
liquidiert, die neuen Lasten aber, welche diuch die Ver-
pflegung der französischen Truppen entstanden, ents])rechend
verteilt.
Schwieriger gestaltete sich cUe Aufnahme einer Staats-
anleihe auf die Nationalgüter. War eine solche bei den kriege-
rischen Zeitläuften und dem noch wenig entwickelten Geld-
wesen damals selbst für größere Staaten nur schwer erreichbar,
so schien sie für Polen, welches im .\uslanfl gar keinen
Kredit besaß, kaum aufzubringen. Erst als Marschall Da vout
und Fürst Poniatowski sich bereit erklärten, mit ihrem
Grundbesitz für eine Summe von je öOO.OOO [)ohiischen Gulden
livqjothekarisch zu haften, und diesem Beispiel der Hochadel
•les Landes gefolgt war, kam die Anleihe in der Höhe von
4' 1 Millionen zu stände *).
Den meisten Erfolg zur Stärkung des Staatsschatzes
versprach sich aber die Hegierung von der Erwerbung
der sogenannten preußischen Schuldforderungen (creances
pru.ssiennes ).
Bereits vor Abschluß dos Tilsiter Friedens hatte der
französische Generalintendant Daru ein Verzeichnis aller
Hvqjothekarforderungen entworfen, welche der preußische Staat
aut' Gnindstücken des nachmaligen Herzogtums Warschau
besaß. Obgleich nun der Artikel 25 dieses Friedeiisvertrages
das Eigentum von öffentlichen Anstalten ausdrücklich von
der Beschlagnahme ausschloß, so waren doch auch Posten
der Berliner Bank und der Seehandlung, deren Fonds wenigstens
ziun größten Teil der preußischen Regierung zustanden, wie
Forderungen der Witwenkasse und des Potsdamer V'aiseu-
hauses von Daru in seine Lüste aufgenommen worden, die
’) Flathe, 17.
’j Journal de l’Empire, Mitteilung aus Warschau, 20. April 1808.
5*
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68
.last.
nun einen Gesamtbetrag von 43,466.220 Francs samt 4 Millionen
rüokständigen Zinsen aufwes').
Am 11. Februar war die bereits erwähnte*) polmache
Deputation in Paris eingetroffen und hatte mit Übergehung
des sächsi.achen Gesaiidteu Grafen Henfft um Audienz gebeten.
Berichte Davouta über die Zustände des Herzogtums, in
dem noch immer Unordnung herrsche, hatten Napoleons
Mißstimmung erhöht, die sich dann über die Mitglieder der
Dej)utation in höchst ungnädiger Weise entlud. „Wenn sie
ihre alten Intrigen und den Geist der Unruhe fortsetzten,
so werde er sie Gehorsam leimen und ihnen so viele Trui)pen
schicken, daß sie vernünftig werden sollten *).”
Diese Sprache schüchterte die Polen umsomehr ein,
als sie nicht bloß gekommen waren, lun Napoleon ihre
Ergebenheit auszudrücken, sondern auch Erleichterungen für
das Herzogtum zu erwirken, namentlich aber gegen die
Strenge, mit der von den Grundbesitzern Bezahlung der in
den Besitz des Kaisers übergegangenen Hjqjothekarschulden ver-
langt wurde, bittliche Vorstellungen zu erheben. Dies brachte
Napoleon auf den Gedairken, dem König von Sachsen die
Überlassung jener Forderungen anzubieten und auf diese W'eise
eine rasche Kealisierung in barem Gehle für sich selbst zu erzielen.
Der Vorschlag scliien bei oberflächlicher Betrachtung
liöchst annehmbar. Er bot den Vorteil, daß die Forderungen
eines fremden Souveräns zu Rechtsansprüchen der eigenen
Regierung wurden, welche ja bei der Eintreibung der Schuld
gewisse Rücksichten walten lassen konnte. Bei dem Uber-
nahmspreis von 20 Millionen Francs versprach das Geschäft
dem Warschauer Staatsschatz einen erklecklichen Gewinn
einzubringen und wurde denn auch durch die Konvention
von Bayoune am 10. Mai abgeschlossen'). Napoleon trat in
derselben die ,,creances prussiennes” gegen die Summe von
20 Millionen Francs, zahlbar in drei Jahresraten mit fünf-
prozentiger Verzinsung, an das Herzogtum Warschau ab.
Preußen mußte in einer am 8. September 1808 zu Paris unter-
*) Flathe, 10.
’) Siehe Seite (U, Fußnote 3.
•l Ompteda, II.
*) Anhang TU.
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Das Heno^am Warschau,
69
zeichneten Konvention gegen einen Naclilaü an der Kriegs-
steuer in der Höhe von 14 Millionen Francs ausdrücklich auf
alle Schuldforderungen verzichten, die ihm an Privatpersonen
im Herzogtum zustanden.
Der einzige Vorteil, welchen die Bayonner Konvention
den Polen brachte, war der, daü sie wenigstens der Verpflichtung,
die Veq)flegung der französischen Armee zu besteeiten, von
mm ab enthoben wurden. Dieser Nutzen aber war gering an-
znschlagen gegenüber der Flut von Verlegenheiten, welche
in der Ordnung der finanziellen Angelegenheiten nunmehr
entstanden. Die Warschauer Regierung hatte unsichere For-
demngen an sich gebracht und war selbst Schuldner geworden.
Ihr Gläubiger trat bei der Eintreibung der Ratenzahlungen
so hart auf, wie sie selbst aus Rücksicht für das Gemeinwohl
gegen ihre eigenen Untertanen aber nie Vorgehen konnte. Die
Steuerrückstände schwollen an, Schuldzinsen wurden nicht
gezahlt, da der Boden den heimischen Grundbesitzen! kaum
einen Reinertrag abwarf, die Staatskassen blieben leer, während
Frankreich pünktliche Einhaltung der Termine verlangte und
auch durchsetzte.
Durch die Haltung der preußischen Regierung erwuchsen
überdies neue, gar nicht geahnte Schwierigkeiten. Preußen
reklamierte den größten Teil der auf Darus Etat gebrachten
Summen als nicht dem Staate, sondern öffentlichen Anstalten
gehörig und verweigerte aus diesem Grunde die Herausgabe iler
Schuldiirkundeu ')• Ohne Rückgabe derselben erklärten aber
') Sachsen versuchte betreffs der Ausfolgung der IlypotUekar-
schnlddokumente einen gütlichen Ausgleich mit Preußen herbeizuführen.
Ein nin 10. September 1810 getroffenes Abkommen wurde aber annulliert,
ila Napoleon am 7. Oktober an den König von Sachsen schrieb; „Ich
begreife nicht, wozu Sie Preußen brauchen, um Schuldner zur Zahlung
zu nötigen, welche Ihre Untertanen sind, zumal diese Forderungen in
Hypotheken bestehen. Nach meiner Meinung bedürfen Sie der Dokumente,
welche der König von Preußen hat, durchaus nicht. Sie brauchen die-
selben nur durch ein Dekret für null und nichtig zu erklären und den
Schuldnern bei Strafe der E-vekution zu befeblen, daß sie an den Schatz
iie.s Herzogtums zahlen. Als ich Hessen-Kassel erwarb, bemächtigte ich
mich auch der Forderungen des Kurfürsten und die Schuldner haben
bezahlt und bezahlen, ohne daß ich die Schulddokumente besitze.
(C. d.N. I., Tom. XXI, 201, Nr. 17.019. An Uhampagny in der gleichen
Sache, 281, Nr. 17.066.)
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70
.T a B t.
auch die polnistoheii (imiidbesitzer keine Zahlungen zu leisten.
Zwangsmaßregeln, wie Suhhastation der Güter, konnte die
Warschauer Regierung jedoch nicht ergreifen, da sich wegen
Entwertung von Grund und Boden keine Käufer gefunden
hätten. Machtlos .stand sie einer Flut von Wirrungen gegen-
über, die sie freilich selbst hervorgerufen hatte. Die Einkünfte
des Staates flössen als Schuldraton zum größten Teil in
Frankreichs Kas.«en und dem Lande ging eine für die damalige
Zeit ganz ungeheuere Barsumme verloren.
3. Die polnische Armee.
Das Wort, die Polen wüßten wohl für die Freiheit zu
sterben, nicht aber für sie zu leben, bewahrheitete sich auch
jetzt, als es galt, die neue Verfassung zu voller, gedeihlicher
Entwicklung zu bringen. Der Nation traten gerade jene Be-
stimmungen der Konstitution, die altem polnischen Brauch
und Wesen zuwider liefen, viel stärker zu Bewußtsein als die
Vorzüge, die ihr eigen waren. So zeigte sich denn nur ein
höchst geringer Eifer bei dem .\ufliau der inneren Einrich-
tungen, und es brauchte geraume Zeit, bis die Staatsmaschiue
halbwegs in Gang kam.
In einer Beziehung allein herrschte im ganzen Lande
schrankenlose Opferfreudigkeit ; werktätige Fürsorge galt der
Annee. Diese erinnerte diuch ihre Feldzeichen*) in den
nationalen Farben mit dem weißen Adler an das alte König-
reich, wurde in der Landess])rache kommandiert und führte
den Namen „polnische Armee”. Auf ihre Ausrüstung und
Verstärkung war das ganze Interesse der Regienuig gerichtet.
Ehe eine feste Gliederung derselhen verwirklicht werden
konnte, war es nötig, zu bestimmen, unter wessen Befehle
einzelne aus dem Kriege stammende Formationen zu treten
hätten. Es waren dies die ..Nordlegion”, das „erste polnische
Husarenregiment” und die „Legion polacco-italienne”.
') Die "Weihe derselben hatte am Gedenktage des 3. .Mai während
des Krieges in Warschau stattgefunden. Talleyrand berichtet Napo-
leon über diese ,.cirdmonie brillante”, an welcher auch Deputationen
von llegimentern der ,,<.!roßen Armee” teilgonomraen hatten. (L. i. d. T.
'Iü3, Nr. 312); ausführlich hierüber Ubaldus.
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Das Hercogtam Warsobau.
71
Die Nordlegion*) unter Kommando des Obersten Puthod,
deren Stamm preußische Deserteure und Kriegsgefangene
polnischer Abkimft bildeten, war während des Feldzuges vor
Danzig imd Kolberg in Verwendung gestanden*). Nach
.\bsclüuß des Friedens erklärte ihr Kommandant, die Legion
habe mit den polnischen Truppen nichts zu schaffen, worauf
Fürst Poniatowski in seiner Eigenschaft als Warschauer
Kriegsminister durch Wochen hindimch Berthier um eine
Entscheidung bat. Napoleon stellte es schließlich der Legion
frei*), ob sie in polnische oder französische Dienste treten
wolle. Obgleich sich dieselbe nuu für das Verbleiben unter
polnischen Fahnen entschloß, so gab MarschaU Davout den-
noch dem General Rapp, welchem die Legion unterstellt war,
den Befehl, dieses Korps so lange als möglich unter seinem
Kommando zu behalten, da son.st nur die Verlegenheit der
Warschauer Regierung erhöht würde, welche ihre eigenen
Tnippen nicht bezahlen könne. Im September 1807 wiurde
die Legion, zirka 2000 Mann stark, nach Posen verlegt und
den Truppen D^browskis einverleibt. Die Mehrzalü der fran-
zösischen Offiziere trat nunmehr aus ihrem Verbände, da sie
die Sprache nicht verstanden und als Fremde behandelt
wurden *).
Das polnische Husarenregiment gab den Grund zu
einer umfangreichen Kon-espondenz zwischen Davout und
Berthier*!. Wie es zu diesem Namen gekommen, wußte
niemand zu sagen. Von einem Franzosen Prenac in Warschau
errichtet, war es eine kimze Zeit vom Fürsten Johann Sul-
kowski, später von Oberst Kalinowki, dessen Ernennung
durch Berthier erfolgt war, kommandiert worden. Das
Regiment zählte am 8. Oktober 1806 ungefähr 520 Mann unrl
stand nach einem Dekret vom 12. März 1807 in französischem
Solde. Eine einzige Kompagnie, 112 Mann stark, war auf
■) C. (1. D., Tom. II, 13, Nr. 352 ; 23, Nr. 357 ; 41, Nr. 367 ; 54, Nr. 376 ;
»5, Nr. ,378; 64, Nr. 383; 113, Nr. 411 und Seite 50, Fulinote 2.
*) Hopfner, IV, 5.55.
*) C. d. N. I., Tom. XV, 449.
*) C.d.N.I., Tom. XVI, 85, Nr. 13.249; C. d. D., Tom. II. 113, Nr. 411.
C. d. D., Tora. II, 29, Nr. 362 ; 42, Nr. 367 ; 71, Nr 387 ; 86,
N’r. 393 : 108, Nr. 405.
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Kosten des Obersten bekleidet, aber ohne Waffen, der Rest
aber in Landestracht, nnaiiagerüstet, ohne Pferde „dans le
])lus grand ötat de denüment”. Davout bat dringend um
eine Entscheidung des Kaisers, denn es sei unmöglich, in
einem Regimente Disziphn aufrecht zu erhalten, welches
weder bekleidet sei, noch Sold erhalte. GL. Rozniecki, welcher
in der neuen polnischen Armee den Posten eines Kavallerie-
inspektors bekleidete, hielt über Davouts Befehl eine
Musterung ab, welche ein so traiuiges Resultat ergab, daß sich
der Marschall bewogen fühlte, 400 Paar Schuhe und ebenso
viele Mäntel ausfolgen zu lassen, da die Leute sozusagen
,, nackt” seien. Am 27. Oktober 1807 erging endlich eine
Order Berthiers, welche die Eim'eihung des Regiments in
das Lanciersregiment der „Legion polacco-italienne” verfügte.
Diese Legion, deren Entstehung und \’erwendung bereits
geschil<lert worden '), war nach dem Tilsiter Frieden unter
Kommando des Generals Grabinski mit zwei Lifanterie- und
einem Lanciersregiment in der Gesamtstärke von mehr als 2000
Mann in Breslau verblieben. Nach den Weisungen Napo-
leons vom 13. Oktober 1807*) sollte ihr Stand erhöht wer-
den und sie in die Dienste des Königreichs Westfalen treten,
da die Mittel des Herzogtums Warschau kaum für die eigene
Armee ausreichten. Fürst Poniatowski erhielt den Befehl,
Mannschaften auszuheben und nach Magdebiug abzuschicken,
wo die Ausrüstung der Legion durchgeführt werden sollte.
Die Ereigpiisse in Spanien bewogen aber Napoleon, diesem
Tru])penkörper eine andere Bestimmung zu geben. Die
Legion, die zu Beginn des Jalires 1808 nach Mainz abgerückt
war und drei Infanterie- und ein Kavallerieregiment formierte,
wiude als „Legion de la Vi.stide” b nach Paris und von hier
nach Spanien instradiert, wo sie einen Teil des III. Korps
unter Marschall Jloncey ausmachte und einen hervorragen-
’) Siehe Seite 44, Fuünote 2 und weiters C. d. D., Tom. II, 13,
Nr. Sr>2; 23, Nr. 357 ; .55, Nr. 378; 64, Nr. 383 ; 137, Nr. 427: 178.
Nr. 452; C. d. N. I., Tom. XV, 470, Nr. 12.984.
*) C. d. N. I., Tom. XVI, a5, Nr. 13.249.
’) Ebenda, 355, 460, Nr. 13.706 ; 48H, Nr. 13.734. Eine zweite Legion
de la Vistule wurde 1809 aufgestellt, 1810 aber der ersten einverleibt.
(Balaguy, I, 40, 41, Beilage D; C. d. N. I., Tom. XIX, 224, Nr. 15.504.)
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Das Hersogtum Warschau.
73
den Anteil an der Belagerung von Saragossa nahm. Ihren
Gesamtstand vom 15. November 1808 weist Anhang VIII mit
7014 Mann (6178 Mann Infanterie und 836 Lauciers) aus.
Hiezu kam jetzt noch das Regiment der (Chevaulegers ‘),
welches Napoleon für seine Garde auszuheben befohlen
hatte. Während des Krieges waren trotz allem Brängen
Napoleons kaum hundert Mann für dieses Regiment aus-
gerüstet worden, denn es fehlte nicht bloß an Mannschaft,
tur welche der Kaiser Adehge imd Personen von Stand und
Ansehen wünschte, sondern auch an Pferdematerial*). Nach
dem Abschluß des Friedens war Oberst Graf Vinzenz Kr asinski
eifrig bestrebt, sein Regiment zu komplettieren, allein er stieß
auf Schwierigkeiten, die er schheßlich nur durch das energische
Eintreten Davouts überwand.
Die Übernahme von Offizieren untl Mannschaft der
polnischen Kavallerieregimenter zur französischen Garde, wie
sie Napoleon wünschte, fand im Herzogtum wenig Anklang.
Davout erblickte in dem Fürsten Poniatowski die Seele
dieser Opposition und beklagte sich über denselben beim
Kaiser in heftiger Weise. Poniatowski habe sieh geäußert,
wie könne man als guter Pole nur daran denken, für Frank-
reich Truppen zu werben, wenn man sich an das Schicksal
der Polen auf San Domingo erinnere. Offiziere, welche sich zum
Übertritt gemeldet, habe der Fürst bestraft, Personen aber,
welche als Gardisten einzutreten Lust zeigten, Unterleutnants-
stelleninder Linie angeboten. Auf die Einwendungen des Grafen
Krasi nsk i habe Poniatowski erklärt, Bitb'u in dieser Richtung
nicht willfahren zu können, da die polnischen Regimenter
EU sehr geschw'ächt würden.
Davout ergriff' energische Mittel, um den Willen des
Kaisers diu'chzusetzen. Er erhob Vorstellungen bei der Re-
gierung, die der Heeresleitung den gemessenen Aul'trag erteilte,
dem Übertritt keinerlei Schwierigkeiten zu bereiteji. Unter
solchem Hochdruck w^ar es dem Marschall Ende Dezember end-
lich möglich geworden, einen Teil des Regiments abzuschicken,
dem freilich erst am 15. Dlärz 1808 das letzte Detachement
b C. d. D., Tom. U, Nr. :184, 389, 421, 430, 4.%. Effektivstand 739
Maua. Siehe Anhang VIII.
b Siehe Seite 37 und 54, Fußnote 1.
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74
Just.
folgen konnte. Es erhielt den Befeld nach Spanien abzurücken
und ei’W'arb sich durch seine gänzende Attacke bei Sommosiera
am 30. November 1808 unvergänglichen Ruhm ').
Nachdem die polnische Heeresleitung zunächst die in
Frankreichs Dienste tretenden TruppenabteUuugen ergänzt
hatte, war es ihr möglich, der eigenen Armee eine feste
Gliederung zu geben. Den Weisungen Napoleons gemäß
hatte das Herzogtum ein Heer in der Gesamtstärke von
30.000 Mann zu erhalten, welches in drei Legionen formiert
war. .\n der Spitze der ersten (Warschauer) Legion stand Für.st
Josef Poniatowski, welchem gleichzeitig als Kriegsminister
die Armeeleitung zukam; die zweite (Kaliszer) Legion befehligte
General Zajaczek, die dritte (Posener) General Dijbrowski.
Jede Legion bestand aus 4 Infanterieregimentem ä
2 Bataillonen *i, 2 KavaUerieregimentem 1 1 .Jäger-, 1 ülanen-
regiment) ä 3 Eskadronen, 1 Kompagnie Fußartillerie ’i mit
6 Geschützen, 1 Sappeiu’kompagnie, 1 Trainkompagnie in «ler
Gesamtstärke von zirka 10.000 Mann. Die Uniform der I.egionon
war die gleiche; sie unterschieden sich mu' durch die Auf-
schläge und Passepoils ^ i.
Die Infanterie zählte 12 Regimenter, welche nach franzö-
sischem Muster aus dem Regimentsstab, 2 Feldbataillonen und
einem De|)ot bestanden h.
') Es war eine der glänzendsten Heitertaten aller Zeiten. Eine
Eskadron des Regiments sprengte den steilen Weg, der zur Höhe der
Puerto de Sommosiera (1443 m hoch) führte, gegen die spani.sche Stellung
hinan. 60 Pferde und Reiter stürzen im furchtbaren Geschützfeuer, über
die Gefallenen hinweg brausen die Übriggebliebenen in die spani.sclien
Batterien. Die Kanoniere werden niedergehauen und weiter jagt der
Harst. Die nachfolgende zweite Eskadron tindet bereits freie Bahn und
keinen ernstlichen Widerstand; Napoleon war der Weg nach Madrid
frei. (C. d. N. I., Tom. XVIII, Nr. 14.524, 14.770, 14.81U. — Balagny,
Tom. II, 402 bis 460.)
’) Die Aufstellung dritter Bataillone erfolgte anfangs 1809, als
ein Kampf mit Österreich immer wahr.srheinlicher wurde.
*) Die Fußartillerie weist bereits Ende 1808 eine ganz andere
Gliederung auf. Sie zäldt nach Soltyk 1000 Mann in 3 Bataillonen
zu je 3 Kompagnien. (Anhang IX.)
‘) C. d. D., Tom. II, 11, Nr. 3.52 und Soltyk, 105.
“) Die polnischen Quellen geben hierüber ganz lückenhafte Angaben
und müssen durch die Korrespondenz Napoleons ergänzt werden. Als
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Dm Hersogtam Warschau.
75
Das Feldbataillou formierten 1 Grenadier-, 1 Voltigeur-
und 4 Füsilierkompagnien ; für die Einteilung jedes Mannes
war ausscHießlich dessen Qualifikation entscheidend ; die besten
imd größten Leute gehörten der Grenadier-, die zum Tiraillieren
geschicktesten der Voltigeurkomi)agnie an.
Der Bataillonskommandant mit seinem Adjutanten und
zwei Unteroffizieren zählte auf den Stand des Eegiments-
stabes.
Die Komi)agnie hatte 3 Offiziere (l Kapitän und
2 Leutnants), 14 Unteroffiziere, 121 Manu, 2 Tambours, daher
in Summe 3 Offiziere und 137 Mann').
Bei der Aufstellung, die in drei Gliedern erfolgte,
standen die Grenadierkomjtagnien am rechten, die Voltigeur-
kompagnien am linken Flügel, die Füsilierkompagnien bildeten
die „Compaguies du centre”.
Die Bewaffnung der Infanterie war ungleichmäßig mit
Gewehren preußischer oder französischer Herkunft ; die
Dotierung mit Kriegstaschenmunition schwankte zwischen
50 bis 60 Patronen für das Feuergewehr.
Die sanitäre Ausrüstung beschränkte sich auf die Zuwei.sung
ärztlichen Personals, das mit Medikamenten und Verband-
mitteln versehen war, zumeist aber den Ansprüchen der Trupjte
nicht gerecht werden konnte.
Oeneral F i s z e r, der Chef des polnischen Generalslabes, im Februar 1809
in Paris weilte, nm Napoleon über die geplante llestringiemng der
Infanteriebataillone auf 570 Mann (6 Kompagnien ä 9.5 .Mann) zu
berichten, erklärte Napoleon, daß ein solches Bataillon viel zu schwach
wäre und jeder Festigkeit entbehren würde. Die Bataillone müßten auf
den Stand von 840 Mann gebracht werden. Diese Ziffer entspricht
genau dem Stand des französischen Butaülous. (C. d. N.I., Tom. XV'lll, 276,
Sr. 14.794; 2S0, Nr. 14 800: Mayerhoffer, Die französische Armee in
Denlschland hei Ausbruch der Krieges im Jahre 1809; Organ 1902,
Bd. LXV', Heft .3.) Die Stärke der Stäbe, wie die Gliederung der Depots
ließen sich nicht mit Sicherheit fe.ststellen, dürften jedoch analoger Weise
den französischen Ständen entsprechen.
') Das Regiment zählte daher einen Gesamtstand von zirka
1711 .Mann, und zwar Regimentsstab 8 Offiziere, 23 Mann, 1 Oberst
als Kommandant, 2 Bataillonskommandanten, 3 .Adjutanten, 1 Officier
payeur, 1 .Arzt, 1 Tambourmajor, 1 Tambourkorporal, 8 Musiker, 4 Unter-
offiziere der Bataillonsstäbe, 9 ärztliche Gehilfen und 2 Feldbatuillone
mit einem Stand von je 840 Mann.
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76
Just.
Zur Trahiausrüstung gehörte ein ärarisches Fuhrw'erk
für je ein Regiment.
Die Gefechtsausbildung der Infanterie erfolgte nach
französischem Vorbilde, umsomehr als Marschall Davout
während seiner Anwesenheit im Herzogtum als Höchst-
kommandierender im Lande den größten Einfluß auf die Aus-
bildung aller polnischen Truppenteile nahm.
Die Kavallerie zählte 3 Regimenter Jäger zu Pferd und
3 Ulanenregimeuter.
Jedes Regiment gliederte sich in den Stab, 3 Eskadronen
ä 2 Kompagnien und in das Depot, welches eine Eskadron
formierte '1. Die Eskadron hatte einen Stand von 250 Reitern,
das Regiment zirka 800 Mann *i.
Die Jäger zu Pferd trugen einen geraden Pallasch und
zwei Pistolen, die Ulanen Säbel, Lanze mit blau-weiß-roten
Fähnchen und Pistolen.
Das Pferdematerial war gut und ausdauernd.
Die GUedenuig der Artillerie in drei Kompagnien erwies
sich mit Rücksicht auf den Dienst in den festen Plätzen sehr
bald als unzureichend; bis Ende des Jahres 1808 wurden 3 Ba-
taillone zu je 3 Kompagnien und 1 Komj)agnie reitende Artillerie
aufgestellt. Ihre Stärke betrug 1050 Mann iind 935 Pferde*).
Das Geschützmaterial wies die verschiedensten Modelle
und Kaliber auf. Es waren 243 Geschütze (hievon 93 Feld-
geschütze! vorhanden ■* I.
Im Verband jeder Legion stand eine Sappeur- zu 160 und
eine Trainkompagnie®) zu 165 Mann. .Außer diesen existierte
eine llandlangerkompagnie in der Stärke von 50 ^lann und
eine ganz geringe Anzahl (8i von Pontonieren. Die Sappeure
waren mit Beil, Gewehr und einem kurzen Säbel bewaffnet.
Die .Ausrüstung der Truppen ließ sehr viel zu wünschen
übrig. Die Gewelue waren meist alt, reparaturbedürftig, von
') Den vollen Stand eines Itegiments gibt Soltyk mit 1047 Mann
an, was mit Balaguy ungefähr gleichkommt, der 1055 Mann zählt.
•) Die Komplettioraug auf den vollen Stand wurde erst im
März 1809 angoordnet, gelangte jedoch nicht zur Durchführung.
*) .Anhang IX.
0 Sol tyk, 111.
Soltyk, 109.
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Das Herzogtum Warschau 77
verschiedenem Kaliber; nicht besser stand es mit dem Ge-
schützmaterial * i. Die berittenen Truppen klagten über den
Mangel an Sätteln und Zaumzeug, der Infanterie fehlte es an
Reserveschuhen. Die Regierung zahlte wohl den Sold, aUein die
.\dministrationsbeamten der Legionen erhielten keinerlei Fonds
zur Unterhaltung von Armatur imd Rüstung. Eine Aushilfe
durch Frankreich, wie sie Davout vom Kaiser erbat, wies
dieser kinzweg von der Hand *).
Die Heeresergänzung regelte eine vom König von
Sachsen am 9. Mai 1808 erlassene Konskriptionsordimug ®,i.
Die Begeisterung, welche die Polen während des Krieges
unter die Fahnen geführt hatte, war langsam erloschen, die
-Abgänge konnten durch freiwilligen Eintritt der mannbaren
Jugend nicht mehr ergänzt werden. Über Betreiben Xapoleons
hatte nun König Friedrich August auf der Basis des fran-
zösischen Konskriptionssystems das neue "Wehrgesetz ein-
gefiihrt.
Die Konskribierten zerfielen in vier Altersklassen vom
21. bis 22., 23. bis 24., 25. bis 26. und 27. bis 28. Lebensjahr.
Außerdem wurden noch Listen über die Männer von 29 bis
50 Jahren, welche die Reserve bildeten, geführt-
Das jährliche Rekrutenkontingent setzte der König fest.
Sechs Liniendienstjahre befreiten von jeder weiteren Dienst-
leistung. Die zum Dienste Ausgelosten konnten Stellvertreter
stellen. Stellungsflucht wurde mit 1000 polnischen Gulden
betraft; im FaUe der Betrag nicht einzubringen war, hatte die
zuständige Gemeinde hiefür aufzukommen. Befreit vom Waffen-
dienste waren Beamte, Geistliche, Lehrer, Rabbiner und
Kantoren.
Um dem Mangel an Offizieren zu steuern, winde Offi-
zieren, die in Polen oder im Ausland Militärdienste geleistet
') Davout fand von HO Feldgeschützen nur 40 in brauchbarem
Zustand. (C. d. D., Tom. II, 227, Nr. 472.)
•) C. d. D., Tom. n, 146, Nr. 433 und C. d. N. I., Tom. XVI, 372, Nr. 13.599
«US Magdeburg. Davout hatte um Überlassung von 5<).ÜOO bis 80.000 Paar
Schuhen gebeten.
*) Anhang X. Dieselbe erregte im Herzogtum grobe Mißstimmung
und fand heftige Gegner, so daß Davout an Napoleon berichtete,
ihre Ausführung bliebe am besten bis auf weiteres verschoben. (C. d. D.,
Tom. n, 228. Nr. 475 ; 243, Nr. 480.)
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78
Just.
liatten, die Mögliclikeit des Eintritts in die Armee eröffnet ' i.
Dieselben konnten sich einer Prüfung vor zwei Brigade-
generalen unterziehen und wurden dann je nach dem Umfang
der bewiesenen militärischen Kenntnisse als Offiziere über-
nommen.
Zur Heranbildimg eines Offiziersnachwuchses wuirflen
eine Ingenieurschule zu Warschau und zwei Kädettenschulcn
in Kalisz und Kidm errichtet.
Als Gerichtsstand für alle Jlilitärijersonen sowohl in
zivil-, wie strafrechtlicher Beziehung fungierten die allgemeinen
bürgerlicheil Gerichtshöfe. Eine der ersten Verordnungen des
Königs von Sachsen hatte die bis dahin bestehenden besonderen
Militärgerichte aufgehoben*) und damit eine noch heute heftig
diskutierte Frage über die E,\emj)tion der Mihtärpersonen in
ganz modernem Sinne entschieden.
Zur freudigen Genugtuung der ganzen Armee war der
militärische Verdienstorden, den der letzte König von Polen
über Anraten seines Nefien, des Fürsten .Josef Poniatowski,
im Jahre 1792 gegründet, auf Pußlands Forderung aber bald
aufgehoben hatte, vom König von Sachsen wieder erneuert
worden*). Offiziere und Soldaten, die im letzten Feldzug
sich ausgezeichnet hatten, erhielten dieses Zeichen besonderer
') Journal de l’Empire, 1. September 1807.
*) Ebenda, Warschau, vom 2. Oktober 1807. Den Grund zu dieser
Verfügung gaben die zahlreichen Ausschreitungen der Truppen gegen die
ansässigen Deutschen. Fürst Poniatowski hatte bereits vor Erlaß der
königlichen Verordnung den Truppen unter Androhung der schärfsten
Strafen verboten, die deutschen Kolonisten, deren Industrie dem Staate
nützlich sei, durch Wort oder Tat zu beleidigen.
*) Der Orden war dem österreichischen Militär-Maria Theresien-
Orden nachgebildet ; Anspruch auf denselben gab nur ausgezeichnetes
Verhalten vor dem Feinde. Der Orden hatte drei Klassen, für Mannschaft
silberne und goldene Medaillen, mit deren Besitz aucli der Bezug einer
Reute verbunden war. Das Ordenszeiehen bestand aus einem goldenen,
mit schwarzem Email überzogenen Kreuz, an dessen Enden die In-
schrift: „virtuti militari” angebracht war. In einem Mittelscbild war
der von einem Lorbeerkranz umgebene weiße polnische Adler ange-
bracht. Die Keversseite fülirte in einem dunkelblauen Mittelschild die
Worte: „regi et patriae”. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte
dieses Ordens enthalten die Jahrbücher für die deutsche Armee, 1898,
Bd. 108
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Das Herzogrtam Warsohaa.
79
Tapferkeit vor dem Feinde *) ; der Kriegsminister beglück-
wünschte die Beteilten in einem besonderen Tagesbefehl
und gab damit die Stimmung der ganzen Armee wieder •).
Die äußeren Formen ftir die Entwicklung des Heeres waren
gegeben, die losen Truppenteile in festen Eabmen gefügt und
doch fehlte ihm die Seele aller gedeihlichen militärischen
Tätigkeit — der Geist des Gehorsams und des einheitlichen
Zusammenwirkens. Diesen zu erwecken und stets wach zu
'•rhalten, mußte die erste und wichtigste Sorge der Heeres-
verwaltung sein.
Während die Generale Dijbrowski und Zajijczek die
ihnen von Napoleon geschenkten Güter bewirtschafteten
und mm zeitweüig ihre Truppen in.spizierten, blieb die Last
der höchsten administrativen Stellung auch nach dem Kriege
dem Fürsten Josef Poniatowski anvertraut, der ,,dies .Amt
gerne abgegeben hätte, wäre jemand anderer nur bereit
gewesen, es zu übernehmen”*). Schon am 5. August 1807
hatte derselbe iu einem Tagesbefehle ■* i das Ziel bezeichnet,
dessen Erreichung ihm stets vor Augen bleiben werde, die
Erziehung zu Ordnung und Gehorsam. Napoleon sei mit den
Polen zulneden gewesen, habe ihren Mut, ihre Unerschrockenheit
anerkannt, jedoch auch hervorgehoben, sie verständen weder
genaue Ausfühnmg von Befehlen, noch eiidieitliches Wirken,
welches den wahren Soldaten erst ausmache. Sie hätten miU-
färische Ehre erworben, aber noch nicht genug für sich und
den Euhm des A^aterlandes getan. Hiezu seien Eintracht,
•^hdnung und Gehorsam nötig, die zu erwerben ihr Bestreben
sein müsse.
Während des Krieges war an eine gi'ündliche Ausbildung
der Truppen nicht zu denken gewesen. Die Alannschaft
bestand aus Freiwilligen, bei welchen strenge Disziplin und
Zucht zu üben oft vermieden wimde, um den Eifer und die
Begeisterung für die nationale Sache nicht zu vermindern.
Uerade die moralische Erziehung des Mannes zu Ordnung,
' An die Auszahlung der mit diesem Orden verbundenen Iteuten
konnte freilich des herrschenden Geldmangels wegen nicht gedacht werden.
*) Anhang XI.
*) Pami^tniki Drzewieokiego, 21U.
*) Anhang XIL
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80
.) a ■ t.
Selbstzucht und 0]>ferfreudigem Gehorsan) bildet aber die
Grundlage lur alle weitere militärische Friedensausbildung
und deshalb ging Fürst Poniatowski mit größtem Eiter
daran, dies Ziel als erstes, wichtigstes anzustreben.
Nach dem Spruche Friedrich II. liegt „der Geist der
Armee in den Offiziers”. Gerade bei den höchsten Offi-
zieren aber, den Legionskommandanten Dqbrowski und
Zajaczek*) stieß Fürst Poniatowski auf L’nbotmäßigkeit.
die sich auch uach unten fort|)flanzte und seine Bemühungen.
') Bereits in jungen Jahren war derselbe in die polnische Armee
eingetreten und hatte sich als Generalstabschef des Kronfeldherrn Grafen
Branioki verwendbar gezeigt, später auch im politischen Leben eine
bedeutende Rolle gespielt. Im polnischen Freiheitskampf wurde er am
8. Juni von den Russen unter Der fei den bei Chelm geschlagen und
bei der Verteidigung Pragas gegen Suworow verwundet. Ob der Vor-
wurf des Verrates, der nach dem Falle Pragas gegen ihn erhoben
ward, begründet sei, ist unerweislich. Nach einer längeren Haft in
Österreich trat er in die italienische Legion ein, schloß sich Napoleon
auf dem Zuge nach Ägypten an und verblieb sodann in französischen
Diensten. Im Lager von Boulogne kommandierte er eine Division und
erschien über Befehl Napoleons in Posen, um die Aufstellung der
Kaliszer Legion in Angrilf zu nehmen. Seiner Tätigkeit als Komman-
dant des „polnischen Observationskorps”, die ihm manchen berechtigten
Tadel von Seite des Kaisers einti-us', wurde bereits im I. Abschnitt
gedacht. — Während des I’eldzuges 1809 trat seine alte Gegnerschaft
und der lang verhaltene Groll gegen den Fürsten Poniatowski so
oü'en und scharf zu tage, daß ihn dieser gleich in den ersten Tagen der
Kampagne von der Feldarmee entfernte und mit einer „entlegeneren”
besonderen Mission betraute. Nach der Räumung Warschaus durch die
k. k. österreichischen Truppen erlitt Zajijczek bei der Verfolgung des
detachierten G.M. Freiberrn von Mohr bei Jedlinsko am 11. Juni eine
empfindliche Schlappe. — Beim Rückzug der ,, Großen Armee” von
Moskau 1812 verlor er ein Bein, was die allgemeine Meinung etwas zu
seinen Gunsten beeinflußte. Als Polen nach den Bestimmungen des
Wiener Kongresses als Königreich an Rußland fiel, nahm er 1815 als
Greis den Posten eines „kaiserlichen Kommissärs bei der Regierung
von Polen” an, dem jedoch seine Kräfte nicht gewachsen waren. —
Persönlicher Mut und Kaltblütigkeit werden ihm nachgerühmt. Ehrgeiz
und Wankelmut aber bilden Schattenseiten seines Wesens, das sich
keiner allgemeinen Sympathien erfreute. Die Memoiren der Gräfin
Potocka, 250, sprechen von ihm als ,, Emporkömmling und Schmeichler
Napoleons” und tadeln herbe seine „knechtische Unterwürfigkeit gegen
den Zaren .Alexander, dem er mit derselben Ergebenheit wie vordem
Napoleon zu dienen” erklärt habe.
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Das HenogtoiQ Warschau.
81
wahre Harmonie zu erzielen, paralysierte. Zajt^czek erklärte,
französischer General zu sein, und verweigerte offen den
(iehorsam, so daß Fürst Poniatowski sich bei Davout in
den bittersten Worten beklagte. Zaj^czeks Betragen sei
..skandalös”, geeignet des Fürsten Ansehen völlig zu untergraben.
Erst als Davout mit allem Nachdruck betonte, Zaj^czek
wie Dijbrowski hätten mit der französischen Armee nichts
zu schaffen, sondern stünden im Dienste des Herzogtums,
ließen beide von ihrer offenkundigen Opposition gegen den
Kriegsminister ab*). Volle Genugtuung erhielt Fürst Ponia-
towski trotzdem auch jetzt nicht, denn beide Generale
wurden nur angewiesen, die Verfügungen des Kriegs-
miiiisters in ministeriellen Angelegenheiten zu respektieren,
wahrend sie alle übrigen Befehle von Davout als dem
Hüchstkommandierenden aller Truppen im Herzogtum em-
pfangen sollten *).
Davout zw'eifelte .selbst daran, zwischen den polnischen
Generalen ein gutes Einvernehmen herzustellen •); ein gedeih-
liches Zusammenwirken derselben blieb ansgeschlossen. Selbst
kleinliche Angelegenheiten gaben Grujid zu laugen und ge-
reizten Auseinandersetzungen. D q b r o w' s k i remonstrierte
gegen die hohe Nummernbezeichuung der Infanterieregi-
menter seiner Legion, welche doch vor der des Fürsten
errichtet worden sei*); Zaji^czek aber hatte immer zu
klagen, daß Fürst Poniatowski die Truppen der eigenen
Legion bevorzuge und den Bedarf an Ausrüstungsgegen-
ständen und Monturssorten für die zweite Legion nur schlecht
und nachlässig decke.
Nationale Begeisterung hatte im Kriege die Tru])j)en
zusammengehalten, Zwietracht und Unbotmäßigkeit drohte
die Friedensarbeit zu stören, für w'elche der Armee nur eine
kurze Zeitspanne beschieden sein sollte.
■) C. d. D., Tom. U, 11, Nr. ,S52; 119, Nr. 416; 125, Nr. 420; C. d.
X. I.. Tom. XV, 545, Nr. 19.072.
•) C. d. D., Tom. II, 24, Nr. 857.
*) Ebenda, 25, Nr. 3.59 : ,,Jo ferai tout, ce qui dependra de
moi pour maintenir la bonne harmonie entre les g^näraux polonais,
mais je crains bien de n'y pas räussir."
*) Ebenda.
Uitteilangen dos k. and k. KriegsarchivB. Dritte Folge. IV. Bd. 6
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82
Just.
4. Einfluß der französischen Heeresleitung auf die polnische
Armee, Vorkehrungen in Rücksicht auf den Krieg in
Spanien und den drohenden Kampf mit Österreich.
Wie in allen Rheinbundstiiaten mußte auch im Herzog-
tum Warschau die militärische Größe Napoleons bestimmend
auf den Geist, die Ausbildung imd Verwendung der Truppen
in Friedens- und Ki’iegszeiten wii'ken. Die junge Armee, die
unter französischen Adlern ihre erste größere W^alfentat ver-
richtet hatte, erblickte im Sieger von Friedland nicht bloß ihren
Schöpfer, sondern auch Schützer und Förderer. Sein Geburts-
tag, der Tag der Kaiserkrönung, die Erinnerung an die
Schlachten bei Jena und Auerstädt winden durch militärische
Paraden gefeiert, die Armeebefelde *i verkündeten immer wieder
des Imperators Ruhm. Selbst die Errichtung von Denkmälern
und Triumphbögen wurde beschlossen *j und nur der Krieg
mit Österreich verhinderte die Ausführung derselben.
Schon die erste Proklamation des Pürsten .Josef P o n i a-
towski vom August 1807 hatte des eigenen Souveräns nicht mit
einem Worte gedacht und dadurch migewoUt das eigenartige
Verhältnis des jungen Heeres zu seinem Hen'scher klar-
gestellt*). Die miUtärischen Hoheitsrechte Friedrich .Augusts
in seinem neuen Lande beschränkten sich auf die Ernennung
von Generaladjutanten, Ordensverleihungen und Beförderungen.
Doch auch hiebei galten Napoleons Vorschläge als bindende
Befelde *j, so daß in Wahrheit der Beherrscher Frankreichs
der oberste Kriegsherr der jiolnischen Armee war.
Wohl den besten seiner Generale hatte Napoleon zum
Vollstrecker seines Willens eingesetzt, als er bereits am 12. Juli
1807 dem Marschall Davout das Kommando über alle Truppen
') Anhang XIII.
’) Journal de l’Empire, Aiigu.st 1808.
•) Wenn Oncken den König von Sachsen „Oberfrei.schärler des
polnischen Landsturms” nennt, so hat er sachlich unrecht. Das ge-
hässige Urteil Ober diese Armee widerlegen ihre Waffentaten.
‘) Die Ernennung des Fürsten Poniatowski zum General en
chef erfolgte im März 1809 auf einen Brief hin, den Xapoleon an
den König von Sachsen richtete: ,, Euere Majestät werden ohne Zweifel
da-s Kommando über die polnischen Truppen dem Fürsten Poniatowski
übertragen.” (C. d. N. 1., Tom. XVllI, 318, Nr. 14.804.)
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Das Hersogtom Warschau.
83
im Herzogtum Warschau anvertraute mid ihm alle Angelegen-
heiten betreffs Verteidigung der festen Plätze, Artillerie,
Genie, Administration, Sanitätspflege etc. zur Entscheidung
überwies ' >
Es war ein schwieriges und verantwortungsreiches Amt,
welches der MarschaU übernahm *). Mag er auch in politischer
Beziehung manches verfehlt haben, die militärischen Inten-
tionen seines Kaisers hat er voll erfaßt und durchgeführt.
Seine Kommandofühiimg in Warschau, nicht frei von Härte,
ließ doch Wohlwollen und Billigkeit erkennen und sichert©
ihm die Zuneigung der polnischen Armee.
.\ls Vertreter des kaiserlichen Willens war Davout in
den ersten Monaten bestrebt, seine Autorität ängstlich zu
wahren und schoß dabei oft über das Ziel hinaus, indem er
selbst kleinliche Details des Dienstes seiner eigenen Ent-
scheidiuig vorbehielt*). Leider war der Marschall zu Beginn
seiner Kommaudofühning von einem ganz ungerechtfertigten
Mißtrauen gegen den Fürsten Poniatowski erfüllt, trug das-
selbe auch zur Schau und stärkte damit die passive Opposition
der Generale D^brow'ski und Zaji^czek, wenn er auch die
Harmonie zwischen denselben äußerlich hergestellt hatte *).
■) C. d. N. I., Tom. XV, 411, Nr. 12.897.
•) „Le marüchal se trouvait daiis des conditions singulierement
deäcates, ayant ä contenir les Polonais sans les decourager, ä proteger
le nouveau gouvernement sans trop l’accablor de sa prepotence et ä
surveiller aussi l'Autriclie en Galicio;” C. d. D., Tom. II, 4, Vorrede;
Vigier, Tom. I, .857 : „Au moment de quitter Tilsit, l’Empereur conüa
a Davout un commandement semi militaire, semi politique de la plus
haute importance. II avait appreciä les qualites d’administrateur du
Marechal, sa rigide probitü, l'exacte discipline qu’il savait faire regiier
autour de lui. Toutes ces considerations le determiii5rent ä designer
le 3* Corps pour l’occupation du Grand Duchb de Varsovie et ä choisir
son chef pour presider ä la resurrection de ce fantöme de Pologne.”
*) Als anfangs Oktober die Reise Königs von Sachsen angeküudigt
worden worden war, überreichte FOrstPoniatowski dem .Marschall ein
Programm für den militärischen Empfang des Herrschers mit dem Be-
nierken, er werde seinen Generalstabschef Fiszer zur Begrüßung des
Königs nach Posen schicken. Davout war über diese Mitteilungen des
Fürsten höchst erzürnt. Fiszer habe ohne seine Erlaubnis Warschau
nicht zu verlassen, er selbst werde alle Anordnungen treffen.
*) Seite 81, Fußnote 2.
6*
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84
J Q t t.
Der taktischen Ausbildung der polnischen Truppen, deren
Disloziening ebenfalls seiner Entscheidung anheimgestellt war,
widmete Davout das regste Interesse. Durch häufige Besich-
tigungen hielt er den Eifer der Tmppenkommandanten wach ;
sein scharfer Blick nahm Cbelstände wahr, die er absteUte ;
durch Abhaltung großer Manöver gab er den höheren Kom-
mandanten Gelegenheit, ihre Fähigkeit als Truppenführer zu
betätigen.
Wie er den Fortgang der Befestigungsarbeiten im Lande
stets verfolgte, so hatte er auch für die Bedürfnisse der pol-
nischen Armee ein offenes Auge und war stets bereit, die
Schwierigkeiten überwinden zu helfen, welche der immer-
währende Geldmangel bereitete. In dieser Hinsicht dachte der
Marschall überdies billiger als sein Kaiser. Als Davout um
die geschenkweise Überlassung von 6000 Paar Schuhen für
die Polen bat, erklärte Nai)oleon kirnz und bündig, die
Magazine Frankreichs seien für französische Truppen da ‘),
und wies den Marschall streng an, sich nicht in die , .inneren
Angelegenheiten" des Königs von Sachsen zu mengen.
Napoleons Absicht, sich in der polnischen Armee eine
brauchbare Yerstärkimg der eigenen zu erziehen, hatte
Davout durch seine Tätigkeit verwirklicht. Der französische
Einfluß war von unleugbarem Werte gewesen; in stiller Friedeiis-
arbeit aber zu erstarken, sollte der Armee versagt bleiben.
Der Krieg in Spanien erforderte eine Kräfteanspannung,
zu der auch das Herzogtum herangezogen wurde. Die Weichsel-
legion erhielt Verstärkiuigen, das Regiment der Chevaulegers
war<l nach Spanien abgeschickt. Am 18. Mäi'z 1808 eröffnete
Napoleon weiters dem König von Sachsen, er sei geneigt.
8000 Mann der polnischen Armee in französische Dienste zu
übernehmen, lun die Heercslasten der Warschauer Regierung
zu verringern. Diese Truppen sollten nach Magdeburg abge-
schickt werden und würden mit der Weichsellegion ein Korjis
von 13 — 14.000 Mann bilden, welches der König, sobald er
wolle, weder erhalten könnte*). .\ls Davout von den Inten-
*) C. d. D., Tom. II, 18, Nr. 356 ; C. d. N. I., Tom. XV% 545;
Seite 77, Fußnote 2.
Napoleon an Champagne, (C. d. N. I., XVI, 419, Nr. 13.655),
an Davout vom 17. April ^C. d. N. I., XVII, 17, Nr. 13.755): „Ecrivez
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Das Herzogtnm Warscbati.
8b
tionen des Kaisers dem Fürsten Poniatowski Mitteilung
machte, erklärte dieser, es zirkulierten Gerüchte, welche die
Absichten Napoleons herabsetzten, die Erinnerung an San
Domingo neuerdings wachriefen,
Poniatowski wünschte die Besetzung der Komman-
dantenstellen mit supemumerären Offizieren, was Davout
aber nicht zugab. Die Bayonner Konvention machte den Be-
sprechungen ein Ende In einem Zusatzartikel übernahm
Napoleon die 8000 Mann und Davout ging sofort daran,
die Ausrüstung und Absendimg derselben durchzuführen.
Welche Regimenter abzugehen hatten, blieb nicht der Ent-
scheidung des Kriegsministers anheimgestellt. Davout be-
stimmte das 4. Infanterieregiment aus Warschau, das 7. Infan-
terieregiment aus Kalisz, das 9. Infanterieregiment aus Lowicz,
deren Kommandanten, die Obersten Felix Graf Potocki,
Sobolewski und Fürst Sulkowski, als tüchtige Führer
galten und durch ihre Ergebenheit an die französische Sache
bekannt 'W'aren. Die Regimenter wurden auf drei Bataillone
mit Kriegsstärke gebracht ; eine Kompagnie Fußartillerie und
Sappeiue sollten mitfolgen.
Davout besichtigte vor dem Abgehen die einzelnen
Truppenkörper, fand dieselben in bestem Stande, das Offiziers-
korjjs geeignet, auch den strengsten Anforderungen zu ent-
sprechen. Die Bewafihung jedoch ließ fast alles zu wünschen
übrig; ein Drittel der Mannschaft war ohne Gewehre, der
Rest mit Flinten verschiedener Systeme und Kaliber ver-
sehen*). Die Ausrüstung wurde in Breslau auf französische
Kosten beendet imd die polnische Division über Mainz *)
nach Frankreich und Spanien geschickt, wo sie um den
12. Dezember in den Verband des IV. Korps trat*).
&u sicor Bourgoing pour qu’il accil6ro le dipart de ces troupes et ponr
qu’on ne fasse partir des compagnies ä moins qu’elles ne soient ä 140
bonunes dffectives. Ce n’est pas une niide d'officiers que je veux, mais
des corps dont je pni.sse me servir.”
1 Seite 68 und Anhang VII.
•) C. d. D., Tom. II, 174, Nr. 452; 184, Nr. 456; 211, Nr. 468 ; 250,
Xr. 483 ; 277, Nr. 500 ; 287, Nr. 509.
•) C. d. N. I., Tom. XVn, 419, Nr. 14.233.
‘) Anhang VIII.
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86
Just.
Inzwischen hatte sieh die Lage der französisclien Trnjipen
in Spanien von Tag zu Tag verschlechtert. Nach der Kata-
strophe von Baylen am 19. Juli war von GL. Dupont am 20.
eine schmähliche Kapitulation geschlossen worden ; bei 17.000
Mann reguläre Truppen hatten vor einem ungeschulten Volks-
heer die Waffen strecken müssen.
Der Nimbus der Unbesiegbarkeit der „Großen Armee”
war damit zerstört; wie ein greller Blitz durchleuchtete ganz
Eiuopa die Kunde imd zeigte, daß geeinte, zielbewußte Volks-
kraft nicht als „fpiantite negligeable” zu betrachten sei. Das
Beispiel der Spanier konnte zu einer allgemeinen Erhebung
der von Napoleon unterjochten Völker führen, die Rüstungen
Ö.sterreichs ließen einen Sturm erwarten, den der Kaiser nicht
unvorbereitet über sich ergehen lassen wollte. Die Heran-
ziehung des Korjis Davout zwischen der Oder imd Elbe erschien
geboten, die [)olnische Armee aber stark genug, um das Land
allein zu sichern, dessen weitere Schicksale von dem Erfolg der
Napoleonischen Waffen abhiengen.
Bereits am 25. Augtist 1808 erhielt Davout die Weisungen
Napoleons zum Abmarsch ’), erteilte die nötigen Befehle
für die Truppen fies Korps und traf Vorkehrungen für den
Ersatz durch sächsische und jfolnische Kontingente. Oberst
Saunier, ein fähiger Kopf, der sich wegen seiner gewinnenden
Formen der größten Beliebtheit erfreute, wurde zum Platz-
kommandanten in Warschaxi ernannt.
Der Abmarsch der Franzosen erweckte im Herzogtum
große Bestürzung; die Polen w'ähnten sich verraten und
prei.sgegeben *}. Davout trachtete die erregten Gemüter zu
beruhigtm, ließ seine Frau in Warschau zurück und ver-
zögerte seine Abreise nach Breslau bis zum 5. September.
Zwei Tage vorher hatte er dem Fürsten Poniatowski, der
ihm auch femerlün unterstellt sein sollte, das Kommando
über alle Truppen im Herzogtum übertragen \
■) C. d. N. J., Tora. XVII, 437, Nr. 14.252; 464, Xr. 14.269; C. d.
I)., Tom. II, Nr. 496.
»; C. d. D.. Tom. II, 268. Nr. 496.
•) Davout an Poniatowski, 3. September 1808. (C. d. D.,
Tom. II., Fußnote auf Seite 27.5. „Le commandement important quo je
donno ä Votre Altesse de mon propre mouvement sera appris avec
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Daf Hersogtam Warschaa.
87
3. Zustand der Truppen and festen Plätze zn Ansgang des
Jahres 1808.
Die großen politischen Ereignisse, welche sich im Sommer
1808 vorbereiteten, die Nachrichten über die Mißerfolge der
französischen Waffen in Spanien, wohin nnn anch ein Viertel
der polnischen Infanterie abgegangen war, lasteten wie eine
schwere Wolke über dem Herzogtum. Auf eine ruhige Ent-
wicklung des Staatslebens in der nächsten Zukunft wägete
niemand zu hoffen ; mit Bangen erwarteten die Polen die
Ergebnisse des Erfurter Fürstenkongresses, auf -welchem ihr
bos „endgiltig entschieden würde” *).
Napoleon lag dieses aber gar wenig am Herzen. Er
schloß das Bündnis mit dem Zaren Alexander I. fester als
zuvor, beruhigte Preußen durch Nachlaß von 20 Millionen seiner
Kriegsschuld und sicherte sich in einer Geheimkonvention
vom 12. Oktober die aktive BimdeshUfe Rußlands für den
Fall, als er von Osteireich angegriffen würde. Als Davout
am Iß. Oktober beim Kaiser die Anfrage stellte, welche
Verteidigungsmaßregeln für das Herzogtum zu treÖen seien *),
erklärte dieser, für Polen sei nichts zu fürchten*); die pol-
nische Armee habe Praga, Modlin, Sieroyk und Thom zu
besetzen.
Davout ordnete daher von Breslau aus die Vereinigung
aller Truppen in dem Raume des polnischen Festungsdreieckes
an. Die Legion des Fürsten Poniatowski konzentrierte sieh in
Warschau und Konkurrenz, die Infanterie der Kaliszer Legion
winde bis auf die Besatzung von Cz^stochow nach Modlin
und Sieroqk verlegt, während die Kavallerie längs der öster-
reichischen Grenze an der Pilica und gegen Preußen an der
Warthe und Prosna verblieb. Das Hauptquartier Zajijczeks
wurde Modlin.
plaisir par l’Empereur ; jo vous prie de le regarder comme une preuve
de ma confiance absolue, ainai que de l’estime que je vous ai vouee
et que neu n’altdrera, Votre Altesse peut en etre convaincuo car
je n’ai coufu ces sentiments qu’aprös avoir reconnu les principes de
delicatesse et de loyautd, qui sont la base de votre caract^re.”
*) C. d. D., Tom. U. 289, Nr. 511 ; 291, Nr 512; 301, Nr. 521.
>) Ebenda, 309, Nr. 521 ; 313, Nr. 525.
>) C. d. N. I., Tora. XVIII, 18, Nr. 14.110.
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88
J n ■ t.
General Dabrowaki und sein Stab blieben ohne Ver-
wendung *) ; die Infanterie der Legion stand als Besatzung
in Danzig und Thom *), die Kavallerie aber an der preußischen
und russischen Grenze längs des Niemen, der Weichsel
und Netze.
Alle diese Verschiebungen wurden sukzessive und ohne
Hast dnrchgefUhrt, um im Lande keine Beunruhigung zu wecken.
Poniatowski rechtfertigte in dieser Zeit in glänzender
Weise das Vertrauen, welches Da vout in ihn gesetzt hatte*).
In stiller, unermüdlicher Weise war er bemüht, die Armee zu
rüsten und zu verstärken. Artillerie und Train wurden um je
eine Kompagnie vermehrt, tur die Ergänzung der Vorräte im
Warschauer Arsenal gesorgt das Geschützmaterial in brauch-
baren Zustand gesetzt. A^on besonderem Vorteil für den
Fortgang dieser Arbeiten war es, daß Fürst Poniatowski
überaus tüchtige, tähige französische Offiziere, wie die Majore
Pierre Bontemps und Jean Mailet*) au die Spitze des
Artilleriezeugs- und Geniewesens stellte, die oberste Leitung
dieser Zweige aber in die Hand des Obersten Jean Baj>tiste
Pelletier legte.
Dieser Mann stand auch in späterer Zeit dem Fürsten
als treuer Berater zur Seite. Voll unerschütterlichen Mutes
in den größtm Gefahren, weitblickenden Sinnes, tatkräftig
') Es geschah nicht ohne Absicht Davouts, der von General
Di^browski keine hohe Meinang hatte: „On ne peux pas le taxer
d’Stre malintentionnä, mais il est tr6s>leger, tr^s-inconsequent.” (C. d. D.,
Tom. II, 311, Nr. 524 und Seite 54, Fußnote 2.)
•) Anhang XIV und XVI,
•) C. d. D., Tom. n, 328, Nr. 533: „II est impossible de se mieux
conduire et avec plus de devouement et de loyautd, que ne l’a fait le
prince Poniatowski.”
*1 In demselben befanden sich 21.000 lufantoriegewehre und
5,000.000 Patronen ; für jedes der vorhandenen 243 Geschütze Munition
für 750 Schuß.
*) Beide wurden vor Ausbruch des Krieges 1809 zu Oberst-
leutnants ernannt. Während K otaezkowski dem ersteren in seinen „Er-
innerungen”, 58, 59, das Zeugnis völliger Beherrschung aller Zweige
des Artilleriewesens, grenzenlosen Mut und edelste Lauterkeit des
Charakters zuschreibt, nennt er Mailet einen Egoisten, einen theoretisch
wenig gebildeten Offizier, der in Polen nur Karriere und sein Glück
machen wollte.
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Das Hersos^tom Warschaa.
89
und arbeitsam im Frieden, war er berufen, eine grobe
Rolle zu spielen. Seine Xationalität erhöhte noch seinen
Einfluß ; er wußte die Gegensätze und Reibungen zwischen
den polnischen Generalen auszugleichen, die gegeiiseitige
Rivahtät aber in Schranken zu halten ’). Dieselbe war trotz
aller Bemühungen Davouts nicht geschwunden, denn weder
Zajfjczek noch D^browski konnten den tiefen Groll und die
Enttäuschung verbergen, daß Poniatowski die erste Stelle
in der Armee einnahm, die jeder von beiden liir sich bean-
spruchte. Eifersucht herrschte aber auch unter den übrigen
Cfeneralen, wie der anbrechende Krieg gar bald bew'ies.
Zaj^czek und Dijbrowski blieben Antipoden*); persönlicbe
Neigungen und Absichten traten in den ^’ordergmnd, wenn
das allgemeine Interesse des Dienstes harmonisches Zusammen-
wirken aller Kommandanten erheischte. Von diesem Vorwiui'
ist auch der vom Fürsten hochgeschätzte und wohl fähigste der
Brigadegenerale, Michael Sokolnicki, nicht freizusprechen. Mit
großen Fähigkeiten verband derselbe ^lutund kühne Entschluß-
fassung; er war der Vertreter rücksichtslosen ,,Drauflosgehens’’t
') Jean Baptiste Pelletier (geboren 16. Februar 1777, gestorben
1839) war mit 17 Jahren als Sekondleutnant beim 2. Fußartillerie-
regiment eingetreten, hatte als Hauptmann bei der Bekämpfung des
StraBenanfstandes in Paris 1793, als Major 1806 bei der Belagerung
von Kolberg und an der Schlacht bei Friedland teilgenommeu. Nach
Abschluß des Tilsiter Friedens verblieb er im Dienste des Herzogtums
und wurde am 4. März 1809 zum Brigadegeneral ernannt. 1812 komman-
dierte er die ArtUlerie im Feldzug gegen Rußland und focht bei Waterloo.
Unter den Bourbons wieder in den aktiven Dienst eintretend, wurde
er 18.36 Divisionsgeneral und Generalinspektor der Artillerie.
*) Es war eine alte Gegnerschaft, die zwischen beiden bestand
nnd durch die bereits erwähnte Schrift D^browskis, „Beiträge zur
Geschichte der polnischen Revolution im Jahre 1794”, erhöht worden
war. Der in dem Werke über einzelne Generale, darunter auch Zajqczek.
ausgesprochene Tadel veranlaßte letzteren, Dqbrowski zum Duell
berauszufordern. Die in Paris anwesenden Landsleute verhinderten
jedoch die Austragung des Zweikampfes und beschleunigten die Abreise
Dqbrowskis nach Italien, um die Bildung der polnischen Legion
nicht zu verzögern. Während des Feldzuges 1809 zeigte sich, daß der
alte Groll nicht erloschen sei. Im Kriegsrat gaben beide stets diametral
entgegengesetzte Urteile ab und Zajivczeks Niederlage bei Jedlinsk
eni 11. Juni wird von manchen Schriftstellern Dqbrowski zur Last
gelegt, der erstcrem nicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen sei.
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90
.last.
wegen seines kühlen verscldossenen Wesens freilich mehr
geachtet als gehebt*;.
Der alte Fraktionsgeist der Polen war auch in der Armee
nicht erloschen; es war ein Mangel, den Fürst Poniatowski
fühlte, ohne die Kraft zu besitzen, ihm mit voller Energie
zu steuern. Die Wagschale hielt als Gegengewicht nur das Ver-
trauen und die Liebe der Truppen zu ihren Führern, und
dies war der schönste Erfolg, welchen die Friedensarbeit
gezeitigt hatte *). Die Verteilung der Truppen zu Ausgang
des Jahres 1808 ließ schließen, daß das Exerzierfeld bald zu
ernster Walstatt sich verwandeln könne. Die Stärke der
Armee betrug 32.063 Mann und 6035 Pferde, von denen
jedoch, das .sächsische Kontingent abgerechnet, nur 20.372 Mann
im Herzogtum standen ’i.
Neben der Erhaltung des stehenden Heeres war der
Warschauer Reg^ierung durch Napoleon auch der Ausbau
der festen Plätze des Landes ziu" Aufgabe gemacht worden *).
Davout widmete wolil dem, Fortschreiten der von General
Chasseloup noch während des Krieges begonnenen fortitika-
') Michael Sokolnioki (geboren 1760, gestorben 1816) hatte als
Genieoflizier den Feldzug 1792 mitgemacht. Bei Maciejowice gefangen
und nach Petersburg gebracht, diente er nach seiner 1797 erfolgten
Freilassung unter Di^browski in Italien. 1800 als Brigadegeneral ver-
wendet, begab er sich nach dem Friedonsschluß nach Paris, wo er mit
Eifer wissenschaftliche Studien betrieb. Rer Feldzug 1806—1807 führte
ihn ins Vaterland zurück. Mit starkem Selb.stbewußtsein aasgestattet,
glaubte er sich zur höchsten Stolle in der Armee berufen.
*) Dijbrowski W'urde von seinen Soldaten als „Vater” gepriesen.
Poniatowski „erreichte durch ein Zeichen mehr als sonst nur durch
strenge Disziplin möglich w'ar”. (Memoiren der Gräfin Potocka, 199.)
’ Nach Anhang IX betrug der Gesamtstand der Truppen des
Herzogtums am 1. Januar 1809 32.063 Mann und 603.') Pferde.
Hievon standen :
Infanterieregiment Xr. 1 .... 2555 Mann 1
„ .. „ 7 2855 „ > in Spanien
T) )i )) fi 2555 ,, I
„ ..10 1485 „ I .
„11 1691 ., j
Artillerie, Genie, Train 550 ,. in Danzig und Spanien
somit außerhalb des Landes . . 11.691 .Mann
verblieben im Lande 20.372 „
•) .Seite 62.
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Pas Herzogtum Warschau.
91
torischen Anlagen regste Fürsorge * ), allein der strenge Winter
des Jahres 1807 — 1808 hatte zur Einstellung der Erd-
arbeiten, die erst im Sommer fortgesetzt werden konnten,
gezwungen. Überdies waren durch die stetige Geldnot der
Regierung, welche den für fortifikatorische Zwecke im Budget
eingestellten Betrag von 2,300.000 polnischen Gulden nicht
aiü'bringen konnte, häufig unliebsame Verzögerungen ent-
standen. Mit der Übergabe des Kommandos an den Fürsten
Poniatowski fanden die Arbeiten ihr Ende, ohne zum
völligen Abschluß gediehen zu sein *).
Den strategischen Kern des Landes umschlossen die
Plätze Modlin, Sierocjk, Warschau-Praga und deshalb war auch
für diese am meisten geschehen.
Die Hauptstadt selbst war zu einer Verteidigung un-
geeignet ; ihre Befestigungen stammten aus der zweiten Hälfte
des 18. .Jahrhunderts, waren von Kosciuszko erneuert und
wälirend des Feldzuges 1806—1807 von den Franzosen
erheblich verstärkt worden. Sie bestanden jedoch nur aus
Wall und Graben, die in einem Umkreis von ungefähr zwölf
Kilometern die Stadt umschlossen. Die Wallmaueni waren
meist verfallen, die Gräben seicht und an vielen Stellen selbst
fiir Kavallerie jiassierbar.
Über die Weichsel hatte Davout eine 761 Meter lange,
hölzerne Jochbrücke mit einem Kostenaufwand von 700.000
polnischen Gulden schlagen lassen und auf diese Weise die
Verbindimg mit Praga am rechten Ufer hergestellt’).
Der Brückenkopf von Praga bestand in einem an der
Kehle offenen Kronenwerk, welches zwar von Erde, doch mit
Holz verkleidet, kasemattiert und vollkommen sturmfrei war.
Demselben vorgelagert, beherrschten acht an der Kehle ge-
schlossene, im Halbkreis um die Weichsel gespannte Fleschen
das Vorfeld.
■) C. d. D., Tom. U, Nr. 376 ; 120, Nr. 416 ; 161, Nr. 444.
*) Mit Recht macht Soltyk den Fürsten für dies schwerwiegende
Versäumnis verantwortlich. (Relation).
•j Fast die Hälfte der Brücke wurde am 7. Februar 1809 durch
den starken Eisgang abgerissen, worauf in aller Eile durch Anlage einer
Schiffbrücke die Kommunikation wieder hergestellt wurde. (Moniteur
1809, 1. März.)
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92
J Q fl t«
Die militärische Hauptstadt des Landes, Modlin (heute
Nowo Georgiewsk) war in ihren Befestignngen imfertig geblieben.
Die Verschanzungen am rechten Weichselnfer bildeten ein
sechsseitiges bastioniertes Polygon ; die Wälle. 5'2 Meter hoch
und mit Holz verkleidet, waren gegen Handstreich gesichert.
Mit dem hnken Ufer war die Verbindung durch eine Schiti-
brücke hergestellt, die aber bei Eintritt des Winters ab-
gebrochen werden mußte. Davouts Absicht, hier eine Joch-
brücke zu schlagen, war nicht zur Ausführung gelangt imd
auch die Anlage eines Brückenkopfes am linken Weichsel-
ufer uuterbUeben, wodurch der Wert des Platzes für offensive
Operationen am linken Ufer fast aufgehoben war. Auf die
schmale Landzunge, welche durch die Weichsel und den
Narew-Bug gebUdot wird, führte eine Jochbrücke.
Die Befestigung von Sierotjk ließen am meisten zu wün-
schen übrig. Sie stellten ein Polygon mit fünf Bastionen und
zwei Fleschen dar ; eine Jochbrücke über den Narew war
am linken Ufer durch einen schwachen Brückenkopf ge-
schützt.
Thom, welches völlig in stand gesetzt, nicht bloß als
großer Dejiotplatz dienen konnte, sondern auch die Ver-
bindung mit den Departements Posen und Kalisz (Großpolen)
hätte eröffnen können, war nur am rechten Weichselufer einem
feindlichen Angriff gewachsen. Hier zeigte es eine Verteidigungs-
front mit sieben Bastionen, in Holz verkleidet und palisadiert.
.\uf das linke Ufer führte bei Benützung der Bazar-Insel
eine Schifl'brücke, die aber am linken Ufer niu' durch einen
ganz niederen Erdwall als Brückenkopf gedeckt war. Auf
der Bazar-Insel waren flüchtige Verschanzimgen aufgeworfen.
Die kleine Festung Czqstochöw an der Warthe, wichtig
durch ihre Lage am Knotenpunkt der Straßen, die von
Scldesien und von Krakau aus gegen Warschau fühi'en, be-
fand sich in völlig verteidigungslahigem Zustand. Die Befes-
tigung, lU'sprünglich zum Schutze des Klosters errichtet,
das ein wundertätiges Marienbild als höchsten Schatz ver-
wahrte, stellte ein bastioniertes Viereck dar, welches durch
seine hohe Lage das flache Land weithin behen’schte ‘j.
') Cz?stocb6w ist noch heute eine Wallfahrtsstätte für alle Polen.
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Das Herzogtum Warschau.
93
Bis auf Praga und Cz^stochöw waren demnach die
testen Plätze nicht völlig ausgebaut, die Armierung bbeb wegen
Mangels an Geschützen gleichfalls unvollständig ' i. Die Be-
satzungen. soweit sie zu Ende des Jahres 1808 ans Feld-
truppen bestanden, wurden, als der voraussichtliche Krieg
mit Österreich die Konzentrierung der letzteren notwendig
machte, durch die Dejmts der in Spanien stehenden Regimenter,
wie durch die zur Aufstellung gelangenden dritten Bataillone
ergänzt *).
6. Militärische Lage des Herzogtums vor dem Einmarsch der
österreichischen Truppen am 15. April 1809.
Empört über die Kriegführung seiner Generale, beschloß
Xapoleon, dem Kriege in Spanien durch sein eigenes Er-
scheinen eine entscheidende Wendung zum Besseren zu
geben. Ehe er an die Ausführung dieses Planes schritt,
wollte er jedoch Sicherheit haben, daß Österreich, dessen
Rüstungen ihn schwer beunruhigten, nicht zu den Waffen
greife. In einer an den Fürsten Metternich, damals Bot-
schafter in Paris, gerichteten Note*) frug Champagny, der
Minister des Auswärtigen: ,, Was will Ihre Regienmg? Warum
beunruhigt sie den Frieden des Kontinents? Ihre Provinzen
Werden von Ihren Prinzen durchkreuzt; sie rufen das Volk
zur Verteidigtmg des Vaterlandes auf; die ganze Volksmasse
vom 18. bis 45. Lebensjahr ist unter Waffen gesetzt, etc.
Will Österreich ernstlich den Krieg?” Metternich versuchte
mit Geschick in einem ausführlichen Privatschreiben an
Ch ampagny*) den Argwohn zu beschwichtigen. Die Errich-
tung der Landwehr sei eine dem französischen System nach-
g'*ahmte Maßregel, um die .Abgänge des Heeres zu ersetzen
und entbehre jeder feindlichen Tendenz.
Während Metternich noch am 3. Angpist dem franzö-
sischen Minister versicherte, das österreichische Volk venib-
srheue jeden Krieg, berichtete der französische Gesandte
’) Nach Soltyk fehlten zur völligen Ausrüstung der festen Plätze
im Lande 120 Geschütze
’) Ausgenommen in Czfstochöw, Anhang XIV.
*) Abgedruckt Wiener Zeitung, 1809, Stück 37.
*) 22. Juli, sbgedruckt Wiener Zeitung. 1809, Stück 45.
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94
J tt t t.
Andreossy aus Wien vom 8.: „Nach allem, was untrer
unseren Augen vorgeht, bot tlsterreich niemals einen so
kriegerischen Anblick wie jetzt *i.’’ Die Nachi-icht erhöhte
Napoleons Besorgnisse.
Beim Empfang des diplomatischen Korj)s anläülich
seines Namenstages am 15. August setzt« er Metternich in
einer fast einstiiudigeu Ansprache die Gefahren eines Krieges
lür Österreich auseinander und wies Andröossy an. dem
Grafen Stadion eine Schildenmg über die Audienz vom
15. August zu geben, die seinen Herrn bereit zum Frieden,
aber auch zum Kriege zeigen sollte.
Noch waren OsteiTeichs Küstungen nicht so weit gediehen,
um kriegerische Absichten ollen kund zu geben. Das Wiener
Kabinett versprach die Entlassung der Reserven bis zum
1. Sej)tember, wogegen Napoleon seinerseits Metternich
mit der Erklärung beruhigte, die französischen Trujjpen aus
PreuÜen und dem Groüherzogtum Warschau bis hinter die
Elbe zurückziehen zu wollen. „Bagen Sie Ihrem Kaiser,” war
sein Schluß, „daß ich alles zwischen uns als beendigt be-
trachte.”
Um seinen Zug nach Spanien aber mit voller Rücken-
freiheit ausführeu zu können, bedurfte es noch anderer Bürg-
schaften. Diese zu schallen und der M\’lt darzutun, wie un-
erschütterlich sein Bund mit dem Zaren Alexander sei,
war die Absicht Napoleons bei der Entrevue von Erfurt.
Kaiser Franz, der an derselben nicht teilnahm, sandte den
General Freihemi von Vincent mit einem eigeidiändigen
Schi’eiben vom 13. September*; an Na])oleon ab, in welchem
er seiner friedücheu Gesinnung Ausdruck gab.
Für den Winter 1808 — 1809 waren nunmehr Napoleons
Befürchtungen geschwunden. Nachdem die Armee in Spanien
verstärkt worden, verließ er am 29. Oktober Paris, ti-af bereits
am 5. November in Vittoria ein und übernahm persönlich das
Kommando. Die glänzende Attacke seiner polnischen Chevau-
') Champagny au Andr6ossy,16. August 1808. (Wiener Zeitung,
Stück ,5.5.)
•) Abgedruckt Wiener Zeitung vom 16. Juni 1809. Napoleons
Antwort an Kaiser Franz vom 14. Oktober bei Saski, Campagne de
1809 en Allemague et en Autriclie, Tom. J, 15.
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Das Herzogtum Warschau.
95
legers gegt^n die si)anische Stellung bei Sommosiera hatte
ihm den freien Weg nach Madrid eröffnet':, wenige Tage
nachher war die Hauptstadt in seinem Besitz. Die Nach-
richten über die drohenden Rü-stungen Österreichs Ließen ihn
jedoch die entscheidenden Operationen nicht zu Ende führen.
ilarschaU So ult übernahm die Fortsetzung des Krieges in
Spanien, Napoleon selbst aber eilte nach Valladolid und
von hier nach Paris, wo er am 22. Januar 1809 eintraf.
Seine Befürchtungen waren tief begründet gewesen; am
8. Februar fiel in Wien die Entscheidung, Österreich war zu
einem Angriffskrieg in großem Stile entschlossen.
In fieberhafter Eile ging Napoleon nun daran, dieTru])pen
Frankreichs und seiner Verbündeten für den gewaltigen
Kampf bereitzustellen. Der polnischen Armee war eine offen-
sive Rolle zugedacht, deren Durchführung nur die über-
raschend schnellen Operationen des zum Kampfe gegen das
Herzogtum bestimmten österreichischen VII. Armeekor])s unter
Kommando des Erzherzogs Ferdinand d’Este verhinderten.
Bereits am 15. Januar hatte Napoleon in Vallodolid
einen seiner Ordonnanzoffiziere, denPolen Chlapowski, über
Mainz und Kassel nach Warschau geschickt, um sich über
den Zustand der Armee hier eingehend zu informieren und
Bericht zu erstatten •).
Im Vertrauen auf die Bundeshilfe Rußlands hielt Na]) o-
leon das Herzog;tum nicht fiü‘ bedroht. „Da.sselbe könne ruhig
sich selbst überlassen bleiben, es habe mehr Truppen als zu
seiner Verteidigung nötig und die Österreicher hätten wohl an
anderes als an eine Invasion nach Warschau zu denken *).
Bei diesem „Überfluß” an Truppen verfügte Napoleon am
21. Febraar^), daß ein Kavallerieregiment (das vierte) für
Küstrin, Stettin und Glogau aufgeteilt, zwei Bataillone aus
Lissa nach Küstrin verlegt werden. Auf diese Weise „würde
auch das Herzogtum finanziell entlastet, da die Erhaltung
der Besatzung den festen Plätzen anheimfiele”.
') Seite 74, Fußnote 1.
•) C. d. N. I., Tom. XVIII, 184, Nr. 14.664. — Derselbe traf am.
9. Februar in Warschau ein.
') C. d. N. 1., Tom. XVTI, 411, Nr. 14.795.
*J Ebenda, Tom. XVllI, 280, Nr. 14.800 ; 276, Nr. 14.794.
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96
.last.
Am 4. März erließ Napoleon neuerliche Befehle an
Davout'), dem die sächsischen mid polnischen Truppen
unterstellt wurden. Während die ganze sächsische Armee um
Dresden vereinigt werden sollte, hätten die polnischen Be-
satzungen in Thom, Praga, Modlin, Sieroqk und den Oder-
festungen zu verbleiben, alles übrige aber sei in Warschau
zu versammeln, so daß 15.000 Mann bereit stünden, gegen
Krakau zu marschieren •). Zwei Tage später wurde dem
König von Sachsen erötfnet, daß alle Vorbereitungen zum
Kampfe mit Österreich getröden seien. Friedrich August
werde ohne Zweifel das Oberkommando über die Armee des
Herzogtums dem Fürsten Poniatowski übertragen*), welcher,
den Gang der Ereignisse abwartend, Galizien zu bedrohen habe.
Die polnische Kavallerie sei so nahe als möglich gegen Krakau
vorzuschieben, ohne daß sie die Grenze überschreite. Öster-
reich werde dadurch gezwungen, in Galizien bedeutende Kräfte
zu unterhalten. Auch Rußland marschiere gegen Österreich *).
Scharf und präzise aber drückte die Instruktion Napo-
leons vom 30. März an Berthier die Aufgabe aus, welche
der polnischen Armee gesetzt sei. Im Falle der Feindseligkeiten
habe Fürst Poniatowski den Österreichern zuvorzukommen:
mit der Feldarmee sei Galizien zu insurgiereu, das Festungs-
dreieck diuch Nationalgarden zu schützen *). Am 8. April
treten Sachsen und Polen in den Verband des IX. Koq)s
unter Marschall Bernadotte, Fürsten von Ponte Corvo*).
Napoleons Absichten wurden aber durchkreuzt, das öster-
reichische VII. Armeekorps kam der polnischen Armee zuvor.
•) C. d. X. L, Tom. XVIII, 308, Nr. 14.H48; 818, Nr. 14.864.
*) ln Ausführung der vom Kaiser gegebenen Weisungen, erteilte
Davout noch am gleichen Tage aus Paris, wo er zum Besuch seiner
Frau weilte, dom Fürsten Poniatowski die schriftlichen Befehle und
spricht die Überzeugung ans, Österreich werde sich bei einem Überfall
täuschen. Allo Maßnahmen seien bis zum 20. März bereits getroffen.
(C. d, D., Tom. n, 389, Xr. 587.)
•) Seite 82, Fußnote 4.
*) In ähnlicher Weise unterrichtet Napoleon auch den Vizekönig
Eugfeno Beauharnais am 16. März. (C. d. X. I., Tom. XVIII, 356,
Nr. 14.908; 3i»9. Nr. 14.909.)
•) C. d. N. I., Tom. XVI II, 441, Nr. 14.975.
Ebenda, 447, Nr. 15.029.
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Das Hersoginm Warschau.
97
Die Warschauer Regierung hatte über die Kriegsvor-
bereitungen Österreichs in Galizien durch Landesbewohner
und Deserteure genaue Kenntnis. Die Grenze, durch Kordons-
mannscliaften bewacht, war bis zum Beginn der Feindselig-
keiten von Österreich nicht gesperrt worden, so daß Personen
und Posten dieselbe ungehindert passieren konnten. Auf diese
Weise war es auch dem Fürsten Poniatowski möglich, an
Da vout detaillierte Berichte über die österreichischen Truppen-
bewegungen zu senden ').
Ende Januar wurde General St. Fiszer*), Stabschef
des Pürsten, nach Paris entsendet, um Napoleon über den
Zustand der Armee Rapport zu erstatten, gleichzeitig aber
die klägliche Finanzlage zu schildern und eine Aushilfe von
8 Millionen polnischen Gulden durch den Kaiser zu erbitten.
Obgleich Davout dieses Anliegen beim französischen Kriegs-
minister, General Clarke Graf von Hunebourg, mit warmen
Worten unterstützt hatte*), so war Napoleon zur Erfüllung
der polnischen Wünsche nicht zu bewegen. Die geplante
Restringierung der Infanteriekompagnien auf 90 — 100 Mann
wies er allerdings mit Recht aus taktischen Gründen schroff
zurück, da die Kompagnien sehr bald auf einen Stand
von 50—60 Mann herabsinken und jeder Stoßkraft entbehren
würden. Er forderte die Ergänzung auf 140 Mann, versprach
aber dafür die Mehrkosten zu tragen, soweit der Stand der
Kompagnien 100 überschreite. Enttäuscht kehrte General
Fiszer nach Warschau zurück.
') Soltyk 116; C. d. D., Tom. II, 3.54, Nr. 563 ; 363, Nr. 572.
*) General Fiszer (geb. 1769), während des Feldzuges 1809
Generalstabscbef des Fürsten Josef Poniatowski, war bereits mit jungen
Jahren in die polnische Armee eingetreten und von Kosciuszko
in den Kriegen 1792 — 1794 im Oeneralstabe verwendet worden. Bei
Maciejowice verwundet und mit Kosciuszko gefangen, erlangte er
erst 1797 die Freiheit, ging nach Frankreich und kämpfte als Oberst
in der Donaulegion unter Kniazowicz, wobei er in österreichische
Gefangenschaft geriet. Nach seiner im Jahre 1800 erfolgten Freilassung
lebte er im Kreise der Familie, bis ihn der Krieg Napoleons 1806 bis
1807 wieder in den Dienst der polnischen Armee führte. Von kühlem
Wesen und theoretischem Geiste war er ein Freund der Ordnung und
des strikten Gehorsams, geschätzt von Poniatowski, der sich in allen
Details des Dienstes auf ihn verließ.
•) C. d. D., Tom. II, .369, Nr. 577 ; 374, Nr. 581.
UitWilongon des k. and k. KrieKSArcliivs. Dritte Folge. IV. Bd. i
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Just.
Auf eine ausgiebige Unterstützung für das Herzogtum
durch Napoleon war also nicht zu rechnen. Die Größe der
Gefahr, die den kaum ersttindenen Staat mit einem neuen
Kriege bedrohte, gleichzeitig jedoch auch die Hoffnung, bei
einem glücklichem Ausgang desselben in dem Wiederaufbau
des „Königreiches Polen” ein gut Stück vorwärts zu kommen,
hießen Herrscher und Land die eigenen Kräfte voll einsetzen,
um Napoleons Erwartungen gerecht zu worden. Im Vertrauen
auf den Schutz seines großen Protektors war das Herzogtum
bereit, den Kampf mit Österreich aufzunehmen.
Am 14. März hielt der Reichstag seine erste Sitzung
und bewilligte am 20. die Komplettierung der Armee und
sofortige Aushebung von 9000 Mann aus der ersten Klasse der
Militärkonskription. Die Nation sei bereit, erklärten die
Abgeordneten, zum Wohle und zur Sicherheit des Vaterlandes
alles aufeubioten und keine Opfer zu scheuen '). Die Errich-
tung einer vierten Legion unter General Fiszer wurde be-
schlossen und zur Erhaltung der Truppen 30 Milloncu polnische
Gulden votiert.
Am 2ö. März w'urde der Reichstag geschlossen, der
König verließ Warschau, nachdem er die Ausübung seiner
Souveränitätsrechte dem Staatsrat anvertraut, und traf am
IB. April in Leipzig ein.
Mit fieberhafter Eile ging nun die Armeeleituug an die
Durchführung der vom Reichstag beschlossenen organisa-
torischen Änderungen. Der Stand der Infanteriebataillone
wurde auf 840 Mann gebracht, die dritten Bataillone der
Regimenter errichtet *), die Kavallerieregimenter auf 1047
Mann erhöht. Die Artillerie erfuhr eine erhebliche Verstär-
kung, indem drei neue Fußbatterien zur Aufstellmig gelaugten
und auf Kosten R<nnan Soltyks eine reitende Batterie errichtet
wurde. Die Rekrutenaushebuugen für die neue vierte Legion,
welche aus 3 leichten Infanterie-, 2 Kavallerieregimentern
und 1 Ariilleriebataillou unter Kommando des Generals Fiszer
bestehen sollte, wurden eingeleitet, doch bereitete der aus-
brechende Krieg denselben ein jähes Ende und General Fiszer
*) „Allgemeine Zeitung”, 1H09 vom 14. und l(i. April.
Dieselben wurden als Besatzungstruppen in den festen Plätzen
verwendet. Anhang XIV.
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Das Hsrsojftnm Warschau.
911
übernahm die Stelle des Generalstabschefs der „polnisohen
Division” der ..großen Annee”.
In Durchführung der von Napoleon am 4. März ange-
ordneten Verschiebungen ') befanden sich die Truppen zu Ende
des Monates in voller Aktion. Obgleich Fürst Poniatowski
in einem Bericht an Davout vom 12. April die öster-
reichischen Bewegungen als höchst ernsthaft bezeichnete, so
glaubte er doch nicht an einen unmittelbaren Angritf von
Seite (isterreichs und hielt das Korps des Erzherzogs
Ferdinand nur ftir ausersehen, die „Bewegungen" der Polen
zu beobachten, nicht aber ins Herzogtum einzurücken *). Die
vorgefaßte Meinung, Österreich werde sich scheuen, den Kampf
mitNapoleon zu eröffnen, hatte Poniatowski in Sicherheit
gewiegt und keine Vorkehrungen zu einem energischen Wider-
stand treffen lassen.
Zu einer Zeit, als das k. k. VII. Armeekorps hart an der
Pilica stand, sicherten nur ganz schwache Reiterabteilungen
am hiikeii Flußufer die Grenze, während das Gros der verfüg-
baren polnisch-sächsischen Stroitkräfte in der Gesamtstärke von
14.5.58 Mann mit 41 Geschützen nach den Dispositionen des
Fürsten vom 12. April teils in Warschau vereinigt war’),
teils südlich der Hauptstadt kantonierte. Nur ein Infanterie-
regiment, dem vier Geschütze beigegeben waren, hielt noch
südlicher vorgeschoben Raszyn besetzt
In dieser Stellung’) erhielt Fürst Poniatowski am
15. früh morgens ein Schreiben des Erzherzogs Ferdinand
') Siehe 90 und Fußnote 1.
’) „On onnonce g^nöralement que le oorp.s de l’archiduc Fer-
dinand se monte k 90.001) hommes ; mais il n’est guere probable qu'il
puisse porter de notre cöt6 au delä de 15 ä 18.000 hommes, et d5s lors
le corps qui doit agir sur la Pilica serait destine plutöt 5 observer nos
mouvements qu’ä eft'ectuer l'invasion du duchd si longtemps annonede.”
(Soltvk. ;}45, Pi6ces justificatives Nr. 1.)
’ Anhang XVI. Die in "Warstchau versammelten Feldtruppen be-
standen aus den ersten und zweiten Bataillonen der Intanterieregimenter
5’r. 1, 2, 6, 8, dem 2. Kavallerieregiment, Artillerie za Fuß 3 Kompagnien,
zwei reitenden Batterien und dem säohsisclien Kontingent. Das aus
Thom berangezogene 12. Infanterieregiment traf erst am 20. April ein.
*) Anhang XV und XVI.
‘) Beilage 2.
7*
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100
J a e t.
d’Este, Kommandanten des VII. Armeekorps, mit der Ver-
ständigung, daß derselbe am 15. um 7 Uhr morgens mit
seinen Truppen (25 Bataillonen, 11 Kompagnien, 44'/* Eska-
dronen und 94 Geschützen) '), die Pilica passieren und jeden
als Feind behandeln werde, welcher dem Vormarsch Wider-
stand entgegensetzen würde. Diese Erklärang war am 14.
um 7 Uhr abends durch einen Offizier dem polnischen
Postenkommandanten in Nowemiasto überbracht und von
letzterem gleich Oberstleutnant Mailet, welcher bei einer
Rekognoszierung der Pilica sich eben hier befand, zu-
gestellt worden.
So nahmen die kriegerischen Ereignisse ihren An-
fang und überraschten allerdings den polnischen Ober-
kommandanten, welcher geglaubt hatte, einen Gegner
vor sich zu haben, der seinen ,, Bewegungen" ruhig Zu-
sehen würde.
Die polnische Literatur, wie auch die Proklamation des
Königs von Sachsen vom 24. April sprechen von einem ,, un-
gerechten Überfall’’ des Herzogtums durch die kaiserlich-könig-
lichen Truppen. ,.Erst angesichts der österreichischen Bajonette
habe die Warschauer Regierung Maßnahmen zur Verteidigmig
des Landes treffen können. Der Überfall sei so plötzlich
erfolgt, daß die Bevölkerung von der hereingebrochenen
Gefahr erst Kunde erlangt, als der Feind nur mehr drei
Tagemärsche von der Hauptstadt entfernt gewesen sei. Wenn
Österreich mit Frankreich Krieg führe, so könne das
Herzogtum von demselben doch nicht berührt werden.”
Alle diese Anschauungen sind tendenziös und entsprechen
nicht der W ahrheit Diese erhellt scharf und klar aus
den früher geschilderten Weisungen Napoleons und gibt
den vollgiltigen Beweis, daß Österreich durch den raschen
Beginn seiner Operationen im Herzogtum nur der ge-
planten feindlichen Unternehmung gegen Krakau zuvor-
gekommen ist. Damit war eine schwere Gefahr für
Österreich abgewehrt worden, die gerade in den ersten
•) .\nhang XVU.
’) Soltyk zeigt in die.sem Punkte eine anerkennenswerte Objek-
tivität.
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Das Uorzogtam Warschau.
101 ’
Wochen des Krieges von den nachteiligsten Folgen hätte
begleitet sein müssen *).
Anfänglich an Zahl und innerer Ausbildung dem Gegner
nicht gewachsen, gab die polnische Armee bald Beweise ihrer
Tüchtigkeit und behauptete sich mit Erfolg gegen Österreichs
kampfgeübte Scharen. Es waren ausgezeichnete, vom besten
Geist erfüllte, im Krieg erprobte Regimenter, welche der
Kaiserstaat in den Kampf geschickt hatte. Die Tapferkeit des
Gegners allein hätte nicht vermocht, ihre Kraft zu zersplittern.
Wenn Österreich der Erfolg versagt blieb, so trug die Ver-
kennung des ersten und einzigen Zwecks jedes Kampfes; der Ver-
nichtung der feindlichen Streitkraft — die Haui)tschuld daran.
Solange jene nicht gebrochen, sind alle errungenen Vorteile
nur Scheinerfolge. Dem Schlachtensieger allein fällt als reife
Frucht zu, was der Di]>lomat als Zweck des Krieges erstrebt;
dieser kommt erst zum Wort, wenn der Feldherr gehandelt.
Politische Rücksichten und Ziele aber waren es, welche den
österreichischen Kommandanten zur mildesten Form der
Kriegführung bewogen, welche die eigenen Kräfte schonen
und sparen hießen, welche die Operationen zu einer Zeit
leiteten, als der Hauptzweck dos Krieges, Vernichtung der
feindhchen Armee, erreichbar gewesen wäre.
Aus diesem Grunde kann der Feldzug im Herzogtum
Warschau nicht vom rein militärischen Standpunkt aus eine
gerechte Würdigung finden *). Die politischen Kalküle Öster-
reichs im Jahre 1809, die Hoffnung auf Preußens Beitritt, auf
die Erhebung Norddeutschlands und die neutrale Haltung
Rußlands erwiesen sich als verfehlt und gaben nur wieder
einmal den Beweis fiir die Richtigkeit des Satzes :
„Die besten Bundesgenossen sind unsere braven Truppen.”
’) Im Verlauf des Feldzuges wurde Krakau erst am 14. Juli von
den Polen besetzt, ein weiteres VorrOcken derselben jedoch durch den
WaffenstUlstand verhindert. Für den Fall der Wiedereröfl'nung der Feind-
seligkeiten batte Fürst Poniatowski den Befehl, den Vormarsch nach
Olmütz anzutreten. (C. d. N. I., Tom. XIX, 4tiü, Xr. 15.798.)
*) Pelet, Tom. IV, 62: „Les intrigues politicjues portent une grande
complication an milien de cette guerre” und Stankiewicz, 334.
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Anhang.
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Anhang.
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I.
Aufruf Dqbrowskis und VVybickis an die Polen*).
P o 1 o n a i s.
Napoleon le Grand, rinviucible, entre dans la Pologne avec une
armee de trois Cent mille hommes. Sans vouloir approfoudir les mysteros
de ses vues, tAchons de mdriter sa iiiagnaiiimitd.
„Je verrai, nous a-t-il dit, si vous miritez d'etre une nation. Je
m’en vais a Posen; c’est lä (jue mes premieres idAes se formeront sur
votre corapte.”
Polonais! il dipend donc de vous d’exister et d'avoir une patrie ;
votre vengeur, votre createur est li.
Accourez de tous les cötes au-devant de lui, coraine accourent
les enfants iploris a l’apparition de leur pere. Apportez-lui vos coeurs,
vos bras. Agissez, et prouvez lui, tpie vous etes prits k vorser votre
sang pour recouvrer votre patrie. 11 sait que vous etes desarmes ; il
vous fonrnira des armes.
Et vous, Polonais, foroes par nos oppresseurs de combattre pour
eux et contre votre propre interet, venez! ralliez-vous sous les drapeaux
de votre patrie.
Bientöt Kosciuszko, appeli par Napoleon le Grand, vous
parlera par ses Ordres En attendant, recevez ce gage de sa haute protection.
-Souvenez-vons que la proclamation par laquelle on vous appela pour
tbnner des legions en Italie, ne vou.s a pas trahis. Ce sont ces legions
qui, meritant les suffrages de l'invincible lieros de l'Europe, lui ont
donne le premier indice de l'esprit et du caractere polonais.
Fait au quartier general de Berlin ce 3 novembre J8()6.
Dombrowski Wybicki.
q Abgedmckt franz. d'Angeberg, 440. poln. K olaczko w ski, 53.
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106
Just.
II.
D4cret ‘).
Varsovie, 14 janvier 1807.
Art. 1. Juaqu'i ce que le sort de la Pologne ait ete hxÄ par !a
paix definitive, eile sera gouvemdo par un gouvememcnt provisoire.
Art. 2. Ce gouvernement sera compose de sept membres. II prendra
le titre de Commission de gouvernement
Art. 3. I.a Commission de gouvernement nommera aon President
dans son sein. Elle choisira un secr4taire giniral hors de son sein.
Art. 4. Elle choisira ögalement hors de son sein cinq personnes
chargdes de la direction des differentes branches de l'administratiou
publique, suvoir : un directeur de la justice, un directeur de l’interieur,
un directeur des tinanoes, un directeur de la guerre et un directeur de
la police.
Art. 6. Ces directeurs travailleront avec la Commission de gouver-
nement, dont les decisions seront portees ä la pluralite des voix.
Art. 6. La Commission de gouvernement est investie de tonte
l'autoritd necessaire pour faire, sur le rapport du directeur de chaque
partie, les lois et rdglements relatifs & la justice, a l’administration
int4rienre, aux finances, k l'armde et a la police du pays.
Art. 7. 11 ne sera rien chang4 ä la division actuelle du territoire
en six d4partements, savoir; Varsovie, Posen, Kalisz, Bromberg, Plock
et Bialystock.
Art. 8. Sont nommes membres de la Commission de gouvernement:
M. M. le mar4chal comte Maiachowski; Gutakowsky,
President delachambre supreme; le comte Stanislas Potocki; Wybicki;
le comte Lzialynski; Bielinski, prösident de la chambre de Kalisz;
S o b o 1 e w s k i.
Napoldon.
>) C. d. N. I., Tom. XIV, 192, Nr. 11Ö30; d’Angeberg. 457.
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Das Hersogtum Warschau.
107
m.
Brief des Dirisionsgenerals Zaj^czek an Fürst Josef
Poniatowski ‘).
Monsieur le Directeur de la guerre!
Je suis fatiguÄ de votre oorrespondance. Le ton de Vos lettres
ne me convient pas; le plus sage est de iie pas nous ecrire.
Bappelez Vous que je suis un ol’ficier gdneral ; l'Empereur l’a
voalu. Je ne ddpends point de Vous pour ce qui est du inouvement
de mes troupes. Quant k l’interieur et l’organisaliou des corps, adressez
vos Ordres i Monsieur Kossecki, faisant les fonctions de chef d’Etat
major de ma division. II les reraplira.
Quant i moi, persuadez Vous bien unc fois pour toutes, que je
n'ai point d'ordre ä recevoir de Vous, que je n’attends rien du gouver-
nement polonais, que je dois tout k l’Empereur des Franyais et que je
n'ai et ne veux avoir rien k esperer que de lui.
Je Vous represente pour la derniere fois, que la troupe polouaise
que je commande a mille besoins urgents. Elle manque de cbaussure,
de chemises, de capottes, de gibernes, de sacs ä pain. La cavalerie n’a
que de trfrs raauvaises selles et brides et rien de ce qu’il faut pour faire
bivouaquer les chevaux. Toute la troupe est Sans luarmites et saus aucun
moyen de faire trainer les munitions de guerre apres eile. Je vous
en ai parld dans plusieurs de mes lettres ; elles n’ont produit aucuu
eli’et. Est-ce Votre faute, est-ce celle du gouverneraent polonais je
n'en sais rien.
Je Vous previens, que je communique la presente lettre ii sou
»lte.<se, le prince ministre de la guerre et qu’une fois pour toutes, je nc
veux rien avoir a d^miler avec Vous.
Xeidenburg, iy. avril 1807.
Le general de Division
Zayonczek.
*, Wybicki. PamiQtniki. S15.
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108
Just.
lY.
Proclaniation du prinee Joseph Poniatowski adressee anx
ancieus militaires qui oiit serri sous la r^publique polo-
iiaise, afln de fornier des eadres pour nne nonrelle armee
polonaise').
Varsovie, 7 (Uoembre 1806.
Appelö par S. A. J. lo grand-duc do Berg, lieutenaut de S. M.
rempercur des Fran^ais, ä roprendre le rang et les fonotions quo j’avais
exercees ä l’armee du roi et de la republique de Pologne, afin d’orga-
niser les forces militaires de uotre pays, j’invite en cons^uence tous
les anciens officiers, ä se presenter a mon etat-major, tous les jours de
neuf heures a midi et de se muuir des diplömes delivr«5s par S. M. le
roi Stanislas-Auguste, afin de reprendre leurs ancieus rangs. Ceux
qui n’ont pas servi, seront employes seien la capacite de leurs forces.
Polonais! l’espoir commence ä renaitre; notre patrie sacrifi^e pourra
se rolover et jouir encore de sa gloire antiquo, A I’ombre des lauriers da
grand empereiir des Franfais. Mais nous devons lui prouver que I’osprit
de nos ancetresne s’est point Ateint chez nous; que nous sommes dignes de
posseder leur heritage, et porter encore un nom illustre jadis par tant
de vertus et tant de glorieux exploits dans des circonstances si impor-
tantes, ilans des moments si propiiAs, et qui pent-etre ne se represen-
teront plus, je m’adresse a vous, mes chers collegues et anciens
compngnons d’amies, en vous assurant que mon plus grand boulieur est
celui de vou.s commander. Les principes de l'honneur vous ont toujours
AtA sacrea; aujourd’hui vous repondrez dignement i l’appel de la patrie
et k la conliance d’un invincible raonaniue: fiez-vous k son grand
caractere, et tous vous serez fiers d’avoir accompli un glorieux dovoir.
Joseph Prinee Poniatowski.
d' A n gH b erg , 456.
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Das Herzogtum Warscltau
109
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*) Nach Biblioth**qne bistoritine» Tom, VII.
110
Just.
VI.
A.ii8ziigsweise Abschrift des Tilsiter Friedensantrages vom
9. Juli 1807').
Art. 13. — Der König von Preußen entsagt für immer dem
Besitze aller Provinzen, die als einstige Bestandteile des Königreiches
Polen nach dom 1. Januar 1772 zu verschiedenen Epochen unter Preußens
Herrschaft gekommen sind, mit Ausnahme des Ermelandes und des
Landes im Westen von Altproußen, im Osten von Pommern und der
Neumark, im Norden des Kulmer Kreises und einer Linie, die von der
AV'eichsel über Waldau nach Schneidemühl geht und lilngs den Grenzen
des Bromberger Kreises und der Straße von Sebneidemühl nach Driesen
binlauft, welche Provinzen nebst der Stadt und Zitadelle Graudenz und
den Dörfern Neudorf, Parchken und Swierkorzy auch in Zukunft mit
allem Eigentumsrecht und Souveränität von dem König von Preußen
werden besessen werden*).
Art. 1.1. — Die Provinzen, welchen der König von Preußen im
13. Artikel entsagt, werden mit Eigentumsrecht und Souveränität von
dem König von Sachsen unter dem Titel eines Herzogtums AVarschau
besessen und nach einer A'erfassung regiert werden, welche die Freiheiten
und die Privilegien der Völker dieses Herzogtums sichert und sich mit
der Buhe der benachbarten Staaten verträgt.
d’Angeberg. 4(30. Karopaa Palingenosie, 1. 48.
Nach Art. VII des £lbmf;er (ironavortrages vom 10. November 18C/7 trat
Preullen auch Neuschlesien ab. (d'Angoberg, 495). Siebe noch Seite 5(3, FabooteS.
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Das Herso^um Warsobau.
11t
vn.
Auszugsweise Abschrift der Bayoiiner KouTention rom
10. Mai 1808 M.
Art. I. — SaMajeste l’Empereur das Fran^ais, Roi d’ltalie voulaut
aider las linances de S. M. Io Roi da Saxe dans le Duohd de Varsovie,
renonce ä Sa creance de 4,352.170 fr. sur le gouveruement Polonais
pour papier tinibre, carter i jener et autres produits du timbro. Elle
renonce egalement ä Sa creance de 349.805 fr. pour effets d’habiilement
ecpiippcment ou campement, livres au Duobe de Varsovie. S. M. J. et R.
reduit de 3,148.732 fr. ti 1,500.000 fr. Sa creance pour le sels, et
pareillement de 1,907.270 fr. b. 1,500.000 fr. Sa creance pour rartillerie.
retraiichant 497.270 fr. pour l’artillerie prise aux Russos et remise au
gouvcmement Polonais, de Sorte que ces deux creances ne s’eleveront
enscmblo qn'5 3,000.0(K) de francs.
Ces trois niillions jolnts au inillion, prete par S. M. Imp. et R. au
gouveruement provisoire de la Pologne seront veraes avant le 1 juillot
de cette annee dans la caisse du payeur Fran^ais i\ Varsovie eii trois
.«eries de bons.
Art. III. — II sera fait compen-sation, valeur pour valeur de la
Somme diie par le gouvcmement Polonais. pour los denrdes, qui lui
out etd livröes par le mareclial Davout. laquello est portdo de quatro
3 cinq millious, aveo le montaut des fournitures faites ä l'armee
commandee par le mardchal Davout, seit pour subsistances soit pour
les höpitaux, depuis le 17 soptembre jusqu'au 31 decembre 1807, les-
qnelles sont estiniees de trois ä quatre millions.
Art. IV. — Les ordances que S. M. l’Empereur et Roi s’est
reservdes par le traite de Dresde du 22 juillet, celles qui sont pre-
sentcnient connues, lesquelles, suivant I’ötat (jui en sera remis par
l’Intendant gendral de Tarmee et des pays contpiis aux comtnissaires
de S. M. le Roi de Saxe montaut i 43,463 220 fr. 51 ceiit. de Capital,
plus k quatre millions pour les interets arri^res ou echus depuis la con-
Marten •: Nouvean röcaeil ile traitce. I. 71. Göttingcn 1^17.
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112
Just,
quete, et celles qu’oii pourrait ulterieurement döcouvrir, sont ced6es par
S. M. l’Empereur et Iloi i S. M, le Koi de Saxe comme Duc de Varsovie,
pour l’am^lioration des finances du Grand DiicM.
En 4change S. M. le Roi de Saxe fera verser avant le 1 juillet
prochain dans les caisses de S. M. l'Empereur et Roi trois sÄries de
bons, chacun de 10.000 fr. la premiere et la seconde Serie seront de
600 bons chacnne et la troisiemc de 800; de Sorte qne le versement
total sera de 2000 bons, faisant vingt inillions de francs.
"Art. V. — Les bons porteront interöt de 5 pour Cent k compter
du 1 janvier demier 1808.
Art. VI. — Le corps de troupes Fran(,’aises, qui est dang le Duche
de Varsovie continucra d’ßtro k la Charge de S. M. Imp. et R. et sa
depcnse sera payee exactement. On pourra employer k ce payement
la partie des bons mentionnes dans l'article prdcedent, qui sera necessaire
cependant a compter du 1 juillet prochain, les boeufs, qu'on fera venir
de l'etrangcr pour rapprovisionneinent des troupes Fram,'aises seulonient,
seront achetds par Tadministration Fraiifaise, ou bien le prix en sera
reinbourse par eile eii num^raire.
Bayonne, le 10 mai 1808.
J. B. Nompere de Champagny
Stanislas comte Potocki
Xavier comte Dzialynski
Pierre comte Bielinski.
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Das Hürsogtam Warschau,
113
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fiCOI W91 ' — I — — I — — |w;r,l|9Ior. HOi;: • • • • ouiuinsuu«sdo
114
J U I t.
IX.
stärke und Dislokation der Trappen des Herzogtums
Warschau am 1. Januar 1809').
Nr.
obarst
Standort
Effekiivstnnd
Infanterie.
1
Malachowski . .
Praga
1934 Mann
2
Stanislav Potoeki
Warschau
1962
3
Zoltowski . . .
*1
2339
t?
4
Felix Potoeki . .
Frankreich
2555
O
5
Mich. Itadziwill .
Kübtrinu.Cz<;stochow
1933
»1
6
Surawski ....
Siero(.k
1807
7
Sobolewski . . .
Frankreich
2855
*»
8
Godebski . . .
Modlin
1888
i)
Snlkowski . . .
Frankreich
2555
10
Downarowicz . .
Danzig
1485
11
Mielczynski . . .
n
1691
*♦
12
W eyßenhoff . . .
Thom
1336
V
12 Infanterieregimenter, 24.339 Mann
Kavallerie.
1
Przebendowski .
1 Piiiseczno
Jäger zu
Pferd
2^
Tvszkiewicz . .
i Warschau
Ulanen
3
4
Louczyuski . . |
5(enczinski . . |
Echelon, an der Pilica,
Warthe n. Prosna
: d.OBterr.u.preuO.Urense.
:i u
1 Jäger zu
Pferd
5
6
Tnrno . . . . |
Dziewanowski . |
Echelon, am Niemen, an
der Weichsel und Nets«*
‘ gSKt^n die russiicbe und
preuliische Grenze.
'1 ” ’•
1 Ulanen
1
Im ganzen 5500 Mann, 5000 Pferde
') Zum Tttil Dach Soltyk, 108 bis 110; "Exner. 10, 77, 113.
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Da« Herzogtum Warschau.
115
Spezialwaffen.
Artillerie (Major Redl): 3 Bataillone & 3 Kompagnien; 1000 Mann.
8(K) Pferde. 1 Kompagnie reitende Artillerie (Kommandant Haupt-
mann Wladimir Potocki]: 50 Mann, 75 Pferde.
Sappeure (Major Gdrski): 3 Kompagnien; 450 Mann.
Train (Major Hurtig): 3 Kompagnien i 165 Mann und 1 Kompagnie
mit 45 Mann; 540 Mann, 100 Pferde.
Handlanger und Pontoniere: 1 Kompagnie; 58 Mann.
Summa: 2008 Mann, 1035 Pferde,
mit nachfolgenden Standorten:
Artillerie Sappeure Tiainkompagnien
Warschau 4 Komp, (hievon 1 d. reit. Artill.) . . 2
Praga ... 1 „ V, —
Sierovk .1 „ '/,
Modlin . . 1 „ ■/, >/i
Czsstochöw 1 „ */» '/i
Danzig . . 1 — —
Frankreich 1 „ 1 Vj
Stab.
3 Divisionsgenerale: Poniatowski,
Zajaczek, H. D^browski.
13 Brigadegenerale: Kaminski, liie-
ganski, Sokolnicki, Roiniecki,
Kamieniecki, Hauke, Piotrowski,
Niemoiowski,Hehdowski, Fiszer,
Grabowski, Woyoz3'nski, Isidor
Krasinski.
35 Adjutanten
1 Adjutant-Kommandant
3 Inspecteurs aux revue.s
6 Sous-inspecteurs
3 Kriegskommissäre
3 Zahlmeister
67 im ganzen.
Sanitätsdienst.
1 Chefarzt
1 Oberchirurg
1 Oberpharmazeut
3 Chirurgen I. Klasse
3 „ II-
0 im ganzen.
GeschUtzmaterlal.
243 Geschütze, wovon 93 Feld-
geschütze.
Gesamtstand der polnischen Armee:
Infanterie 24.3.39 Mann,
Kavallerie 5.550 „ 5000 Pferde
Spezialwaffeu 2.098 ,, 1035 „
Stab 67 ,,
Sanitätsdienst 9 „
32.063 Mann, 6035 Pferde
8*
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1 1 (> J n B t .
Hiezu eio sächsisches Koutingent io Warschau von:
1619 Mann Infanterie
278 Kavallerie
900 „ Artillerie mit 14 Geschützen
im ganzen 2197 Mann
unter Kommando des GM. von Dyherrn, und zwar:
1 Musketierbataillon des Infanterieregiments von öbscholwitz,
6 Grenadierkompagnion, je zwei vom Infanterieregiment von Rechten,
von Dyherm und König,
2 Kskadronen vom Husarenregiraent unter Major von Gablenz,
1 Detachement von Zastrow-Kürassieren,
2 Batterien vom Feldartilleriekorps unter den Hauptleuteu Raabe und
von Koch.
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Das Herzogtam Warschau.
117
X.
Konskriptionsordnmig vom 9. Mai 1808 ‘).
En notre palais de Pilnitz, le 9 mai 1808.
Fr^deric-Auguste, par la graco de Dien, roi de Saxe, duc de
Varsovie, etc.
Atinijue notre ann^e dans le dnchd de Varsovie soit constamment
au nombre d’hommes prescrit par la Constitution, et afin que le pa3'S
soit toujours pret i combattre pour sa defense nous avons dicretd et
decretons ce qui snit:
La consctiption sera aussitöt dtablie dans tout le duch6 de Var-
sovie, dan.s les villes et dans les villages, tant pour les bourgeois et
habitants que pour ceux qui ne seraient pas domicilids et qui appar-
tieudraient d’une manifere quelconquo au paj's, saus avoir Ägard a leur
naissance, ä leur dtat, dignitd, profession et religion. Sont exceptds de
la conscription ceux qui ont uu emploi et qui sont aux service civil
de l'dtat, tant qu’ils seront en place, tous les dcclesiastiques etc.
Quant aux juifs, qui demeurent dans le duehe de Varsovie
(quand mäme ils seraient nds ailleurs), il ne sera exceptö de la con-
scription qu’un rabin et un chantro pur chaque commune.
L’ägo determine la conscription; tous ceux qui sont ftgds de vingt
ans et un jour appartiennent, Sans distinction, h la conscription, jusqii’4
ce qn'ils aient atteint l’äge de vingt-huit rövolus; tous ceux qui ont
vingt-huit ans et im jour sont excempts de la conscription.
Oütre la conscription, il sera formd une rdserve, ä laquello appar-
tiendront tous les hommes du cercle, qui ont plus de vingt-huit ans,
et (jui, par consdquent, n’ont pos etd inscrits sur les registres de la
conscription. Tout individu qui aura atteint l’Sgo cinquanto ans et un
jour, sortira de la r^serve, et sera comptd parmi les anciens. Tous les
conscrits appellds k l'armee, dfes qu’ils y auront servi six ans con-
secntifs, sans ddserter, appartiendront i. la classo de ceux, qui out
acquitte leur dette h la patrie. De cette mani6re, tous les individus
niiles des departements et de chaque cercle du ducbd de V’arsovie seront
partages en cinq classes. La premiiro coniprendra ceux qui n’ont pas
läge recjuis; la seconde ceux qui sont propres a la conscription; la
troisiemo ceux qui appartiennent k la rdserve; la quatrieme ceux qui
ont servi leur temps; et la cinqui&me les anciens.
q Joomal de l'Empire, Varsovie, 29. juin idOS.
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118
Just.
XI').
Soldats!
LorS((ue le premicr guorrier du monle et des sifecles, le graiid
Napoleon, apres avoir termino glorieusement une guerre qui a laisse
ä rimmauite I'esperauce d une paix inaltdrable, a prononcd ces mots si
flatteurs pour la nation qu’il venait de relever de sa chute: Je .sui.s
Content de l’arm^e polonaise; S. Jl. le roi, notro maitre, voulant lui
donner de son c6t4, une marc|ue publique de son estime ot de sa satis-
faction, a etendu pour cette fois la recompense de la crolx militairo
sur toute l’armcc, en ddcoraut tous les gdndraux, les colonels, los
majors et les ofllciers, sous-oflicicrs et .soUats dans les etats-majors
et dans les corjis qui l'ont le mieux m^rite. C’est une recompense des-
tin^e aux vertus militaires ot eu rafeme teinps une marque d’honneur et
de noblesse, qui, comme l’honneiir lueme, ne peut soufl'rir aucune
attcinte. En la recevaut de votre roi, songess que vous contractez le
devoir sacrd d’en prouver le prix par votre m<5rite et de servir d’exemple
partout oü la patrie vou.s appellera, ä ceux ü qui le sort a refase
l'occasion de so signaler ot qui sont dans l’attente des dveuomeuts oü
ils pourront mörlter cette baute distinction, et cette gloire dont vous
ütes Couverts, et dont le ministre qui la partage avec vous, fdlicite
aujourd’hui.
•) Journal dü rKmpire. Varsovie, 81 d^combre 1807.
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Das Hersofftum Warsobau.
119
xn.
Proelumation dn prinee Joseph Poniatowski, ndressöe aux
l^gions polonaises ').
Varsovie, le 5 aoüt 1807.
Soldats! revenu de Dresde oü je m’etais rendn pour offrir i Sa
Majestd Imperiale et Eoi le demier hommago de notre profonde
vÄncration, au nom des troupes que j’ai l’honnenr de commander, je
regarde comme un devoir gloricux pour moi de vous rappeier les der-
ni^res paroles que ce monarque m'a adressees ä votro oocasion.
„Je suis Content, m’a-t-il dit, des troupes polonaises; j'ai trouvd dans
TOS soldats du courage et de l'dnergie; ils sont braves, intrepides mais
ils n’ont encore, ni la tenue ni l’esprit militaire, ils iio connaissent ni
cette justesse d’exdcution, ni cet ensemble qui caractörisent de vrais
soldats. Mais, j’aime ä le croire, une administration ferme et les loisirs
de la paix leur donneront bientöt ces qualitds qui leur manquent.”
Soldats, vous avez deploye assez de courage aur le cbamp de
bataille pour assurer votre röputation aux yeux de ceux avec lesquels
nous avons fait la gucrre, mais vous n’avez point encore assez fait pour
Tous-memes et pour la gloiro de la patrie. Elle exige de nous, outie
les vertus militaires, Tharmonie, l’ordre, la discipline et l’obdissance.
Le Premier des guerriers, le höros de l'univers et des siecles, le graud
Napoleon, a louö ce qu’il a trouve de bon en nous, sous le rapport
militaire; mais d’un autre cötö, il nous a fait connaitre ce qui nous
manqaait encore. Glorieux de ces louanges, n’oublions pa.s les sages
avis qu’il y a joints, afm qu’ötant comme inveslis de tout ce qu'il exige
la plenitude de notre vocation, nous puissious par la suite möriter de
plus grands eloges de la part de ce souverain et nous placer au rang
de ces troupes qui röpoudent dignement au voeu de leur gouvcmement,
comme au.ssi a celui de rhumauitö et du bien public.
Joseph prinee Poniatowski.
Conforme b, l'original. Le directeur en obef des bureaux du ddpar-
tement de la guerre. Colonel Hebdowski.
>) (l’AngeberK, 187.
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120
Just.
XIII.
Tai^esbefehl anläßlich der Gedenkfeier an die Schlacht
bei Jena ’).
Varsovie, 14 octobre 1803.
Holdats polonais!
II y a ileux ans, qu’i pareil jour une victoiro mdmorable a pose les
fondements de notre existence actuelle ; mai.s les sieclos les plus recules
doivent apprendre de quelle reconnaissance los coours polonais soiit
penetrds pour le htSros. <iui de sa puissonte inaiu, balam^ant les destindes
des nations, nous a rendu notre terre patemelle. Les preraiers pas que
vous avoz faits daus la carridre des armes ont dejä montrd que vous
etiez dignos de la haute bienveillanco du grand monarque. Ne cessez
jamais de prouver un ddvouement saus bornes d celui dont la sollicitude
continuelle vous prdparc un accroissement de prosperitd. Placds sous
les ordres d’un chef qui s'est couvert lui-mdmo do lauriers k pareil jour
reudez-vous dignes do combattrc k cötd des plus vaillants soldais. En
attendant qu'une beureuse destinde nous procure l’avantage de payer
de notre sang ce quo nous devons k la brave armee, qui a reconquis
nos droits, joignons-nous k eile pour offrir aujourd'hui notre homraage
k notre libdrateur. Vive l’Empercur Napoldon.
Le prince Poniatowski.
■) Journal de rEmpirc.
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Das Herzogtum Warschau. 121
XIV.
Übersicht über die inner- nnd außerhalb des Herzogtums
Warschau als Besatzungstruppen stehenden polnischen
Heeresteile.
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GeschUtso
Am 1. Januar 1809
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1
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>) AnmerkuDir 2 dod
Anhangs X V.
♦) Dnrch Zuwaclis der
dritten iiatuillone
des 10. nnd 11 ln-
faotoriereg. später
Mann.
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1B./5.I.R.‘), 1 F.A.K.,
'U Sapp. K., ’/j Tr. K.
1
730 1
'
») FeldbfttHillon unttr
Kommando des Ma-
jor Stuart.
Im ganzen 243 Geschütze (wovon 33 Feldgeschütze [Sol tyk, 111, lUIJ)
und ‘.K>40 Mann.
Danzig
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2B. 11. 1.U.,;
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Stralsund
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I Im ganzen zirka 3350 Mann.
I Somit als Besatzungstruppeu verwendet bei 13.130 Mann.
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122
J o • t.
XV.
Ausweis Aber die am 15. April 1809 rerfOgbaren Feldtmppen
des Herzogtums Warschau.
XVI.
Vergleichende Dislokatlonatabelle der Truppen de8 Herzogtums Warschau in der Zeit vom Oktober 1807
bis April 1809.
Das Hersogtam Wnrscban.
123
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120
1632
2072 — 1
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Die Schlacht an der Piave.
(8. Mai 1809.)
Mit zwei Textskizzen.
Von
Hauptmann Veltze.
Am 10. April 1809 war Erzherzog Johann mit der am
Isonzo konzentrierten innerösterreichisohen Armee in Italien
eingerückt. Nach den Erfolgen von Venzone, Pordenone und
Sacilo‘) drängte er das geschlagene französisch-italienische
Heer über die Piave, die Brenta und schon am 28. April
standen seine siegreichen Bataillone unmittelbar vor den
Toren Veronas.
FML. Marquis Chasteler hatte mittlerweile seine Truppen
durch das Pustertal und weiter im Tale des Eisack und der
Etsch vorgeschoben ; bei Peri betrat er italienisches Gebiet
und deutlich war von ausgesandten Nachrichtendetachements
des Erzherzogs schon am 27. der Donner seiner Kanonen
vernommen worden. Zu ebendieser Zeit jedoch, da kaum
jemand noch an der baldigen Vereinigung der beiden Gruppen
zweifeln konnte, trafen die Hiobsposten vom nördlichen
Kriegsschauplatz ein: ,, Napoleon habe die mächtige Armee
des Erzherzogs Karl, Österreichs Stolz und Hoflhung, in
mehreren blutigen Treffen geschlagen, zersprengt, diese
befinde sich auf dem Marsche nach Wien.”
Chasteler war auf diese Nachrichten hin sofort nach
Nordtirol aufgebrochen, auch die Lage der innerösterreichisohen
Armee wurde unhaltbar.
Am 1. Mai führte Erzherzog Johann seine Truppen
über die Gua und den Alpone und nach äußerst hartnäckigen
Gefechten mit dem lebhaft nachdrängenden Gegner war das
Gros am Morgen des 6. Mai an den Ufern der Piave angelangt;
die Absicht des Kommandierenden ging ursprünglich dahin,
') Siebe „Mitteilungen des k. und k. Kriegsarchivs”, Dritte Folge,
111. Bd., 111 bis 247.
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128
Veit «4.
den Rückzug ohne Aufenthalt bis an die Pässe Kärntens forfc-
zuführen und erst dort dem Gegner ernstlichen Widerstand
entgegenzusetzen. Aber die unaufhörlichen Regengüsse der
letzten Tage hatten die Straßen derart aufgeweicht, daß
die lange Kolonne der vorausziehenden Fuhrwerke nur unter
den größten Schwierigkeiten Terrain gewinnen konnte und
die letzten Wagen kaum die stehende Brücke bei la Priula
passiert hatten, als schon die Tete des YIII. Armeekorps in
Sicht kam. Eine gute Stunde stromaufwärts, bei Vidor, stand
für das IX. Armeekorps eine Pontonbrücke in Bereitschaft,
während die rechte Seitenkolonne — das aus Linientruppen
und Landwehr kombinierte Zernierungskor})s von Venedig —
die Holzbrücke von Lovadina zum üferwechsel benützte.
Gegen Abend stand die ganze österreichische Armee am
linken Ufer der Piave '). Die Nachhut, unter FML. Frimon t,
hatte den Gegner so lange aufgehalten, bis alle Vorbereitungen
zur Unbrauchbarmachung der Übergänge getroffen waren;
Oberstleutnant Collenbach steckte die Brücke bei Lovadina in
Brand *), die Pfeiler des Ponte la Priula wurden gesprengt.
Nur bei Vidor kam es bei Abtragung der Brücke zu einem
leichten Scharmützel ; kaum waren die Pontons losgemacht,
als feindliche Kavallerieabteilungen heransprengten, im Nu
absaßen und Miene machten, die Arbeiten zu stören; nachdem
jedoch die Geschütze einer am linken Flußufer maskierten
Batterie zu s[)ielen begannen, räumten die Reiter eiligst den
Platz.
Bei Narvese betritt die Piave die große italienische
Tiefebene. Im Gebirge in ein enges, tiefes Bett gezwängt,
ist ihr Lauf ein rascher, mitunter sogar reißend, daher ein
Uferwechsel für größere Armeekörper nur auf Brücken möglich;
im flachen Gelände dagegen schlängelt sich der Fluß, bei
äußerst geringem Gefälle und trägem Lauf, durch saftige
Wiesen und fruchtbares Ackerland, breitet sich nach Tun-
lichkeit aus, ästet sich in viele Arme und bildet Inseln, die
') K. A., F. A. 1809, Ital., V, 89, 91, 93; Op. Journ, 51, 53. (Ordre
de bataille, .siehe Anhang I.)
b Vaudoncourt, Histoire politique et militaire du prince Eugene
Napoleon, Paris 1828 ; I, 225.
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Image
not
a vailable
Die Schlnvbt an der Piave.
129
h
von herabgeschweramtem Schotter überdeckt, nur der genüg-
samen Weide und sumpfigem Schilf Nahrung bieten. Selbst
zu normalen Zeiten haben nicht alle Straßen stehende Brücken ;
die vielen Furten durch das seichte Gewässer machen sie
zumeist entbehrlich ; nur nach anhaltenden Regengüssen oder
zur Zeit der Schneeschmelze ist das Übersetzen der dann
angpschwollenen Fluten gefährlich, oft ganz untunlich. Die
flachen Ufer begleiten da und dort mäßig hohe Schutzdämme,
größere Anwesen und Orte liegen erst in einiger Entfernung
vom Flußbett, außerhalb des Inundationsranmes ; dann aber
in großer Zahl und Ausdehnung. Straßen und Wege durch-
ziehen das Terrain nach allen Seiten, doch erschweren besonders
die vielen Wassergräben und das zur Abgrenzung des Eigentums
aufgeführte Mauerwerk ein Abweichen von den Kommu-
nikationen. Ein kleines Flüßchen, die Piavisella, begleitet eine
kurze Strecke lang die Piave, wendet sich aber dann gegen
Norden und mündet in den Monticano.
Hinter jenem Gewässer hatte die österreichische Armee
in zwei Treffen Lager bezogen'): Am rechten Flügel das
Vni. Armeekorps, angelehnt an die Orte Susegana und S. Sal-
vador und an die steilen, unwegsamen Abhänge der letzten
•Ausläufer der Alpen; am linken das IX. bis nach Bocca di
strada. Die Landwehr unter GM. Sebottendorf wurde nach
Conegliano zurückgezogen, woselbst auch der gesamte Armee-
train aufgefahren war ; der entbehrliche Teil desselben sollte
den Rückmarsch am nächsten Tage, zeitlich morgens, fortsetzen.
Die Vorpostenreserve — 1 Bataillon Oguliner, ‘/s Kavallerie-
batterie. 2 Eskadronen Ott-Husaren — stand bei Campana,
in ihrer linken Flanke die Dragonerbrigade Hager, GM. Splenyi
mit den Husaren bei Barco ; die Linie der Vorposten lief von
Cimadulmo über S. Michele, le Grave bis nach Colfosco *),
woselbst zur Beobachtung dieses wichtigen Überganges
I Bataillon Oguliner mit '/s Kavalleriebatterie und 1 Eskadron
Josef-Husaren Aufstellung fand; überdies wurde 1 Eskadron
desselben Regiments bei la Priula, je eine Eskadron Friraont-
Husaren in Cimadolrao, dann zwischen Campana und Passo
') K. A., F. A. 1809, Ital., Op. Journ. 53. (Siehe Textskizze 2.)
•) Ebenda, V, 100.
Uittuilungen des k. und k. Kriegsarcbive. Dritte Folge. IV. Bd. 9
ei
SS
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130
V e 1 1 1 *.
di LovaHina *) aufgeführt. Zu gleichem Zwecke wurde je
ein Bataillon Franz Karl mit ’.'j Eskadron Ott- Husaren und
2 Geschützen nach Vidor, zur Furt von Lovadina und nach
Ponte di Piave beordert’); dem IX. Armeekorjis war aufge-
tragen worden, Kavalleriepiketts Piave-aufwärts bis nach
Feltre zu entsenden, welche alles zu Überfuhren etwa brauch-
bare Material zu zerstören hatten.
In dieser Verfassung glaubte Erzherzog Johann für
seine ermüdeten Truppen eine Ruhepause eiuschalten zu
dürfen, zugleich aber hoffte er die nötige Zeit zu gewinnen,
um das ruhige Abfließen des Trains zu ermöglichen und
noch all jene reichen Vorräte iu Sicherheit zu bringen,
welche die Intendanz, gelegentlich der Offensive der sieg-
reichen Armee im Monat April, im Rücken derselben auf-
ge.speichert hatte. Sollte jedoch der Gegner angesichts
der kanij)fbereiten österreichischen Truppen den Übergang
über die Piave forcieren wollen, so bot sich vielleicht
Gelegenheit, ihm eine empfindliche Schlappe beizubringen.
Der Wasserstand der Piave war noch am 7. Mai durchaus
normal, auch hatte der Regen seit 24 Stunden ganz anf-
gehört. Aber Nachrichten, die vom Oberlauf des Flusses
eintrafen, ließen vermuten, daß die eingetretene ungewöhnliche
Schwüle große Schneemassen im Gebirge zur Schmelze bringen
und mithin ein rajndes Steigen des Wassers zur Folge
haben würde.
Auf dem Turme des gräflich Collaltoschen Schlosses
zu S. Salvador, woselbst sich auch das Armeehauptquartier
befand*), hatte Erzherzog Johann einen Beobachtungsposteil
unter Leitung des Hauptmanns Sponville des General-
quartiermeisterstabes eingerichtet; von hier aus war man in
der Lage, die ganze Gegend zu überblicken, man konnte den
') K. Ä., F, A. 1803, Ital., Op. Journ. ül; V, 100.
•) Ebenda, V, 94; Graf MeransoUes Archiv, Erzherzog Johann-
.\ktou, 1299a; Geschichte des k. und k. Infanterieregiments Nr. 52.
•) Eine Inschrift am Haupttor des Schlosses erinnert noch honte
an die Aiiwe.seuheit des Erzherzogs, eine zweite an die seines
Gegners, des Vizekönigs von Italien. iZ wiedinek-Südenhorst, Erz-
herzog Johann etc., 6, Anmerkung 2.)
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Die Scblaobt an der Piave.
131
Anmarsch der feindlichen Truppen wahrnehmen, ihre Ver-
teilung wie auf einem Schachbrett evident halten.
Prinz Eugen Beauharnais, Vizekönig von Italien und
Oberkommandant der französisch-italienischen Armee, hatte
am 7. Mai seine Armee wie folgt verteilt *) :
Am linken Flügel bei Narvese die Division Sertis; vor
Arcade jene von Durutte, bei Spreziano die Division Pacthod,
befehligt vom Brigadegeneral Abbö’).
Im Zentrum, bei der Furt von Lovadina, die Avantgarde
unter General Desaix, vor dem Orte selbst die Division
ßroussier, dahinter jene von Lamarque.
Am rechten Flügel, nördlich von Maserada, die italie-
nische Division Fontanelli, südlich hievon die königliche
Garde unter General Lecchi.
\V eiters stand die leichte Reiterei S a h u c s bei S.
Nichiol, die Dragonerdivision Grouchy bei S. Biaggio, jene
von Pully im Raume Saletto, Fagare, bis zum Ponte di
Piave.
Das Hauptquartier befand sich in St. Artien, halbwegs
zwischen Treviso und Lovadina ®).
Der Vizekönig hatte am Naclunittag persönlich die
Ubergangspunkte bei Narvese, Ponte Priula und Lovadina
n-kognosziert, Generalstabsoffiziere waren unentwegt tätig,
die Brauchbarkeit der von den Landleuten angegebenen
Furten festzustellen.
Es ist unzweifelhaft, dati Prinz Eugen noch am 7. Mai
der festen Meinung war, nur den österreichischen Nachtrab
unter FML. Frimont — im ganzen höchstens 8000 bis
10.000 Mann — vor sich zu haben ; seine Kundschafter
batten ihm mit Sicherheit berichtet, daü der Erzherzog mit
der Hauptkraft schon den Rückmarsch über Sacile nach
Pordenone augetreten habe, wobei sie offenbar den Armee-
train. die Brückenequipageii, den Reservepark der Artillerie,
welche schon am 7. über die Livenza setzten, für eine
Truppenkolonne gehalten hatten. In diesem Sinne war auch
’) Siehe Textskizzo 2; Ordre de bataille Anhang II.
Vaudonoourt, I, 233, Anmerknng 1.
•) Du Gasse, Correspondance etc., V.
9*
132
V e 1 1 s
der Bericht verfaßt, welchen der Vizekönig am Abend an
Napoleon abfertigte und worin die Verlegung des Haupt-
quartiers für den nächsten Tag nach Conegliano angesagt wurde').
Immerhin ersieht man jedoch aus den Dispositionen*;,
daß der französische Generalstab, gewillt den Übergang über
die Piave zu erzwingen, auch die Möglichkeit eines ernsten
Widerstandes ins Auge gefaßt hatte. Die Absicht des geg-
nerischen Feldherrn ging im allgemeinen dahin, bei den
Übergangspunkten von Narvese und la Priula mit der Division
Seras zu demonstrieren, die Avantgarde zur Gewinnung eines
Stützpunktes bei Lovadina rasch zu übersetzen, mit der ganzen
Kavallerie aber die Piave bei S. Nichiol zu durchfurten.
um der österreichischen Aufstellung die linke Flanke abzu-
gew'innen und die Truppen womöglich gegen das Gebirge
abzudrängen ") ; Durutte und Abbe sollten der Reiterei auf
dem Fuße folgen, Broussier und Lamarque die Furt von
Lovadina benützen, während alle Anstalten getroffen waren,
an dieser Stelle <les Flusses eine Floßbrücke zu schlagen, um
nötigenfalls auch die anderen Truppen heranziehen zu können.
Gegen ö Uhr nachmittags wurde von der bei Cimadolmo
aufgestellten Eskadron Frimont-Hnsaren der Übergang stär-
kerer feindlicher Kavallerieabteilungen gemeldet. Es w'ar das
8. französische Jägerregiment*), welches Prinz Eugen bei
S. Nichiol hatte übersetzen lassen, um die Beschatfenheit der
Furt und genaue Nachrichten über die Stärke der Österreicher
zu ermitteln ; zur Unterstützung waren am rechten Ufer die
Dragonerregimenter Pullys aufmarschiert *). Die feindlichen
Jägerpatrouillen streiften bis gegen S. Michele und le Grave,
mußten aber bald wieder umkehren, nachdem von Campana.
kurz darauf auch von Tezze aus, schwere Staubwolken das
Anrücken österreichischer Kavalleriemassen ankiindigten : FML.
Frimont trabte an der Spitze von Hohenlohe-Dragonern und
Ott-Husaren heran, fand jedoch keine Gelegenheit einzugreifen,
') Kiigen an Napoleon, 7. Mai. (Du Casse, V, 172.)
*> Vignolle, Historique de la Campagne de 1800, Uevue militaire,
lOüO, 11, 700.
*) Vaudonoourt. 1, 232.
*) Vignolle, 705.
‘) Vaudoncourt, 1, 220,
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Die Schlecht an der Piave.
133
da die gegnerischen Reiter ebenso rasch verschwanden, als
sie gekommen waren.
Von dichtem Nebel begünstigt, setzten am 8. Mai um halb
6 Uhr morgens das französische 1. Voltigeurbataillon und das
9. Jägerregiment durch die Furt von Lovadina über die Piave,
warfen die österreichischen Patrouillen und das Bataillon
Franz Karl unter Oberstleutnant Collenbach nach kurzem
Gefecht zürück und besetzten den einige hundert Schritte
vom Ufer entfernten Damm. Um 7 Uhr früh hatte General
Desaix alle seine Truppen auf der linken Flußseite ver-
sammelt; er stellte die Voltigeurbataillone in einem flachen
Bogen derart auf, daß die beiden Flügel durch Anlehnung an
die Piave gedeckt waren, indes die Jäger hinter dieser Linie
anfmarschierten ') ; zwei Batterien Zwölfpfünder der Artillerie-
reserve, welche Prinz Engen links von der Straße von
Lovadina, am rechten Piaveufer, Stellung nehmen ließ, sollten
der Avantgarde als Rückhalt dienen.
Unter diesem Schutze begann die erste Staffel der
Division Broussier — das 9. Infanterieregiment — den Fluß
zQ durchwaten. Das Wasser war im Laufe der Nacht tatsäch-
lich bedeutend gestiegen; es reichte den Soldaten fast bis zu
den Schultern, so daß diese ilire Patrontaschen um den Hals
gebunden hatten und die Gewehre durch Hochhalten vor
Nässe zu schützen suchten *). Um die Gewalt der reißenden
Fluten zu brechen, hatte man oberhalb der Furt im Piave-
bett quer über den Fluß eine Anzahl Wagen aufgestellt,
während stromabwärts zur Vermeidung von Unglücksfallen
eine Kette von 150 der besten Schwimmer von Ufer zu Ufer
gezogen war. Unter diesen Verhältnissen stießen auch die
Arbeiten zur Schlagung der liier projektierten Brücke auf
ernste Hindernisse, der Übergang vollzog sich äußerst langsam.
Erzherzog Johann hatte noch im Laufe der Nacht, als
ihm Nachrichten über angebliche Maßnahmen des Gegners,
bei Narvese'und Ponte di Piave feste Übergänge zu schaffen,
zugekommen waren, zur Deckung der am meisten gefährdeten
’) Vaudoncourt, I, 235, 23G.
*) Vignolle, 802, Anmerkung 1.
134
V o 1 t » 6.
linken Flanke die Brigade Kalnässy nebst einer Batterie und
2 Eskadronen Josef-Husaren in die Orte Tezze, S. Michele
und Cimadolmo verlegt und das Infanterieregiment Franz
Jollachich unter Kommando des GM. Gajoli nach Colfosco
befehligt.
Auf die ersten Meldungen vom Übergang feindlicher
Abteilungen bei Lovadina, erhielt FML. Wolfskeel den
Auftrag, mit der Dragonerbrigade Hager und den zwei Eska-
dronen Ott-Husaren der Vorpostenreserve nebst einer Kaval-
leriebatterie über Campana vorzubrechen und zu trachten,
den Gegner wieder auf das jenseitige Ufer zurückzuwerfen.
FML. Frimont ließ die Südlisiere des letztgenannten Ortes
durch die Oguliner besetzen, die Brigade Kleinmayern wurde
knapp an die Vorpostenreserve herangezogen, die Truppen
der Generale Gavassini und Marziani als Verbindungsglied
mit der Gruppe Kalnässy nach le Grave vorgeschoben.
Als der Erzherzog von Oberstleutnant Co llenbaoh, dem
Kommandanten des bei la Priula gestandenen Bataillons Franz
Karl, soweit dies möglich war, von der Situation unterrichtet
worden war, erging sofort an die bei Barco stehende Brigade
Colloredo der Befehl, längs der Piave, den rechten Flügel an
diese angelehnt, in Gefechtsbereitschaft vorzurücken und den
in der Front zu erwartenden Angriff der eigenen Kavallerie
zu unterstützen; die beiden Bataillone des 1. Banalregiments,
welche Barco besetzt hielten, sowie vier Eskadronen Ott-Husaren
der Reiterbrigade S|)lenyi wurden gleichfalls dem Kommando
des GM. Colloredo unterstellt.
FML. Wolfskeel dagegen sollte nun, im Hinblick auf die
Stärke der schon übersetzten französischen Kräfte, mit der
Attacke bis zum Eintreffen dieser Kolonne zuwarten; der Befehl
hiezu kam jedoch, wie der Verlauf der folgenden Ereignisse
zeigen wird, nicht mehr rechtzeitig an den Ort seiner Be-
stimmung.
Gleich nach Pas.sierung der Piavisella war die öster-
reichische Kavallerie westlich der Straße in zwei Treffen auf-
marschiert : im ersten 6 Eskadronen Hohenlohe-Dragoner und
2 von Ott-Husaren, im zweiten das Dragonerregiment Savoyen;
die Kavalleriebatterie war eben im Begriff, links des ersten
Treffens aufzufahren, als plötzlich in dem noch immer dichten
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Die Schlaobt an der Piave.
135
Nebel die dunklen Unarisse französischer Reiterabteilungen
sichtbar wurden, welche ä cheval der Straße nach vorwärts
trabten. Es war eine Eskadron des 9. Jägerregiments, die
General Desaix zur Rekognoszierung gegen Campana ent-
sendet batte; nach kurzem Handgemenge mit den Flügel-
eskadronen von Ott-Husaren wurden die Franzosen geworfen
und s[)rengten in Unordnung auf die Haupttruppe zurück.
Diese an und für sich geringfügige Episode hätte leicht
schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können; die Ver-
wirrung, welche die daherjagenden Reiter besonders in den
rückwärtigen französischen Reihen verursachten, ist nur zu
erklären durch den Mangel jedweder Ültersicht und die hiemit
zusammenhängenden übertriebenen Meldungen von dem An-
riicken der ganzen österreichischen Armee, dann aber auch
durch das Gefühl, l)ei einem Echec in den reißenden Fluten
der Piave, im eigenen Rücken, einen unerbittlichen Feind zu
besitzen. General Macdonald, welcher hier den Oberbefehl
fühlte und eben das rechte Ufer erreicht hatte, mußte zu den
schärfsten Mitteln greifen, der Deroute Einhalt zu gebieten;
nur mit größter Mühe und durch Drohungen aller Art konnten
die Offiziere ihre Soldaten abhalten, sich in den Fluß zu
stürzen ‘).
Aber die österreichische Kavallerie kam nicht zur rechten
Zeit; durch vorsichtiges Rekognoszieren — bei dem dichten
Nebel allerdings begreiflich — hatte sie den richtigen Augen-
blick versäumt.
General Desaix hatte unterdessen seine Infanterie zwei
Karrees formieren lassen: das linke fünf Bataillone, das rechte
ein Bataillon stark ; zwischen beiden stand seine eigene
Artillerie und jene der leichten Reiterdivision Sahuc, w'elche
eben im Galopp eingetroffen war, hinter dem linken Flügel im
zweiten Treffen das 9. Jägerregiment.
Es war 8 Uhr morgens und diese Rnlliierung kaum
beendet, als das erste Treflen der Kavallerie Wolfskeels zum
Angriff heranbrauste. Von einem verheerenden Gewehr- und
Kartätschfeuer empfangen, gelaugten die Reiter bis an die
französischen Bajonette; aber hier brach sich die Wucht ihres
') Memoiren Macdonalds; Vignolle, 800.
136
V o 1 t z
Angriffs und sie mußten unter bedeutenden Verlusten weichen.
Diesen kritischen Augenblick wollten die französischen Jäger
benützen, um auf die retirierende österreichische Kavallerie
einzuhauen; sie prallten aber bei der Verfolgung auf die noch
intakten Sav'oyen-Dragoner des zweiten Treffens, welchen es
nach heftigem Kampfe gelang, die Gegenattacke blutig abzu-
vveisen. Unter den Toten befand sich auf gegnerischer Seite unter
anderen auch der Kommandant des Regiments, OberstMillon*).
Außerhalb Gewehrschußweite sammelte Wolfskeel seine
gelichteten Schwadronen und ließ sie südlich der Piavisella
in einer Linie aufmarschieren. Erzherzog Johann sandte ihm
sofortden erneuerten Befehl zu, keinen weiteren Angriff’ zu unter-
nehmen, bevor die Kolonne CoIIoredo an Ort und Stelle ein-
getroff’en sei und beauftragte den Artilleriedirektor GM.Reisner,
mit zwei Batterien an der Seite der schon aufgefahrenen
Kavalleriegeschütze Stellung zu nehmen.
Als der Nebel sich zu lichten begann, wurden die ersten
Kanonenschüsse gewechselt; das Artillerieduell, mit großer
Präzision geleitet, währte durch fast zwei Stunden und ver-
ursachte hüben wie drüben namhafte Verluste. Den 20 öster-
reichischen Geschützen standen nun auf französischer Seite
24 Kanonen am linken ’) und 10 am rechten ■*) Piaveufer
gegenüber.
Mittlerweile waren die drei französischen Reiterdivisionen
durch die Furt von S. Nichiol fast unbelästigt über den Fluß
gekommen; GM. Kalnässy hatte wohl versucht, mit seinen
Husaren*) den Übergang zu verhindern oder doch wenigstens
zu stören, konnte aber infolge der erdrückenden Übermacht
keinerlei Erfolge erzielen und mußte sich schließlich darauf
beschränken, einem weiteren Vordrängen des Feindes bei
Cimadolmo und S, Michele Widerstand entgegenzusetzen.
Prinz Eugen hatte seinen Standpunkt bei der Furt von
Lovadina, wo seine Sappeure eifrigst beim Bau der Brücke
*) Vaudoncourt, 236.
’) Zwei Kavallerie-, eine Brigadebatterie.
’) .-Vvantgarde 4, .Sahuc 4, Pully 4, Brou.ssier 12. (Du Gasse, V,
166, 187.)
Zwei zwölfptundige Batterien des Reserveparks.
“) Zwei Eskadronen Jo.set’-, eine von FrimonHIusaren.
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Die Schlacht an dor Piave.
137
tätig waren. Von hier aus konnte er nach dem Weiclien des
Nebels die lange Linie der österreichischen Kavalleriemassen,
den Aufmarsch der Fußtruppen im Zentrum, das Vorfahren
der Artillerie beobachten; die ganze Größe der Gefahr, das
(jewagte des Unternehmens, die prekäre Lage seines Vortrabs,
standen ihm deutlich vor Augen. General Desaix bedurfte
einer bedeutenden Verstärkung an Reiterei, noch bevor das
österreichische Gros sich in Bewegung setzte.
Im Galopp überbrachte ein Adjutant den Kavallerie-
divisionen Sahuc und Pully den Befehl, sich unverweilt gegen
die Furt von Lovadina zu ziehen und der Avantgarde als
Sontien zu dienen; die Dragoner Grouchys sollten vor
S. Nichiol verbleiben und hier den Übergang der Infanterie
decken.
Es währte fast eine Stunde, ehe die.se Bewegungen voll-
zogen waren ; die leichte Reiterei stellte sich nun links,
Pully mit den Dragonerregi inentern rechts von den Truppen
Desaix’ auf*); das 9. Jägerregiment kam ins zweite Treffen,
die übergegangene Infanterie Broussiers, — das 9. und drei
Bataillone de.s 84. Infanterieregiments — begann eben ihre
Verbände zu ordnen und stand in dichten Massen hinter den
schützenden Dämmen der Piave.
Erzherzog Johann stand an der steinernen Brücke über
die Piavisella, bei Campana und beobachtete von dort die
Bewegungen des Gegners ; der Aufmarsch des IX. Armee-
korps war beendet, auch der Rest der Brigade Splt'nyi —
6 Eskadronen Josef- und Frimont-Husaren — war schon in
derFront, am rechten Flügel der Reiterei Wolfskeels^. Trotz-
dem konnte sich der kaiserliche Prinz nicht entschließen, das
Zeichen zum Angriff zu geben, da die Truppen Colloredos
') Pelet, Feldzug des Kaisers Napoleon etc., Stuttgart 1825,
111, 1()8.
*) Graf Mer anscho.s Archiv; die Feldzugserzählung des Erzherzogs
besagt uusdrücklich, daU zwei Dragoner- und zwei Husarenregimenter in
einer Linie aufmarschiert waren. Woher es französische Autoren wie
Feiet, Vaudoucourt, VignoUe so genau wissen, daß die österreichische
Ivavallerie in zw'ei oder gar in drei Treften attackierte, ist nicht recht
ersichtlich: man wird daher den Angaben des Erzherzogs Johann, als
eines Augenzeugen, um so eher Glauben schenken müssen, als
die österreichischen Feldakten darüber gar nichts enthalten.
Si
6^
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V e 1 t z «.
noch immer nicht sichtbar waren ; schon zweimal hatte
Wolfskeel um die Genehmigung zur Attacke gebeten, beide
Male war die Bitte abgewieson worden.
Eben war auf schweillbedecktem Kosse — es mochte
10 Uhr vormittags gewesen sein — zum dritten Male ein
Offizier eingetroffen, der im Namen seines Kommandanten auf
<lie steigenden Verluste hin wies, welche das feindliche Geschütz-
feuer in die Reihen der schutzlos preisgegebenen Reiter riß
— und dieser Offizier wandte eben sein Pferd, um die Ge-
nehmigung des Erzherzogs zu überbringen: ,, Falls sich
ein besonders günstiger Augenblick ergeben sollte”
— als plötzlich zu aller Überraschung das Signal Attacke
geblasen wurde und die ganze in einer Linie aufmarschierte
Kavallerie sich in Bewegung setzte •).
„Wer hier der Anreger war, wer Wolfskeel die Erlaubnis
gab, ohne meine Antwort abzuwarten,” — sagt Erzherzog
Johann in seinen Memoiren — „darüber herrscht tiefes Dunkel;
die Toten können nicht sprechen und die anderen, die sprechen
könnten, werden es wohl bleiben lassen. Als die Verwirrung
eingerissen war, ritt einer ganz xinschuldig von jener Seite
zurück, der dort nichts zu tun gehabt hatte.”
Es ist müßig sich über die hier gemeinte Persönlichkeit
in Vermutungen einzulassen*); die Franzosen behaupten sogar,
daß ihre Kavallerie als erste zum Angriff überging, wodurch
das Verhalten Wolfskeels allerdings vollkommen begreiflich
und berechtigt erscheinen muß.
Tatsache ist nur, daß die beiderseitigen gewaltigen Reiter-
luassen — auf österreichischer Seite 20, auf französischer 32
Eskadronen — mit Ungestüm und voller Wucht aufeinander-
prallten und daß man anfangs nichts sehen konnte als einen
Knäuel von Menschen, Pferden, der sich im blutigen Hand-
*) Oraf Meranschos Archiv, Erzherzog Johaiiu-Akten, 180t>, Ital.;
Keldzugserzähluiig des Erzherzogs, Bogen 12. (li. A., E. A. ISOtt, Ital..
Op. Journ. 51.)
Es scheint vielleicht FML. Ignaz Graf Gyulai, der Komman-
dant des IX. Armeekorps, gemeint zu sein, de.ssen eigenwilliger, starrer
Charakter dein jugendlichen Erzherzog schon zu wiederholten Malen
zu schatfen gemacht hatte ; seine Stellung als Banus von Kroatien er-
heischte jedoch gerade im Jahre 1809 be.sondere Itäck.sichtnahme.
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Die Schlacht an der Piave. 139
gemenge über die Ebene hin- und herschob ; ein nur minuten-
langes verzweifeltes Ringen Mann gegen Mann, dann begann
die österreichische Linie der Übermacht zu weichen, immer
rascher, immer schneller, bis der Rückzug in eine wilde,
regellose Flucht ausartete ').
Alles Bitten, alles Drohen der Offiziere vermochte dem
Strome nicht mehr Einhalt zu gebieten, ohne Unterlaß wälzte
sich das Reitergetümmel gegen Barco, Mandre, Campana.
Bei letzterem Orte kam der Vorstoß des Feindes zuerst
zum Stehen ; ohne Rücksicht auf Freund und Feind begann
auf Befehl des Erzherzogs *) die daselbst stehende Batterie
Dreipfiinder gegen die heranbransende Masse zu feueni
und schon nach wenigen Minuten löste sich das bunte
Gewirr, die feindlichen Eskadronen begannen zu wanken,
und als FML. Frimont ihnen die rasch herbeigezogene
2. Majorsdivision von Ott-Husaren und einen Flügel von
Frimont - Husaren entgegonwarf, da wichen die franzö-
sischen Reiter zuerst einzeln, dann in ganzen Abteilungen
und fluteten, einer Sturzwelle gleich, wieder zurück auf ihr
eigenes Gros.
Recht schlecht erging es der vorgeschobenen Artillerie
Wolfskeels; überrascht von den Ereignissen, die sich blitz-
schnell abspielten, hatten die drei Batterien nicht mehr Zeit
aufzaprotzen — sie wurden überritten, die Kanoniere zusammen-
gehauen, die Bespannung niedergemacht. 15 Geschütze, eine
Anzahl Munitionskarren fielen dem Feinde in die Hände.
GM. Reisner wurde bei dieser Gelegenheit gefangen, Oberst-
leutnant Callot schwer verwundet^).
Der Strom der Verfolger, der sich gegen Barco gewendet
hatte, .stieß alsbald auf die in der Ebene, längs der Piave,
vorrtickende Kolonne Colloredo. Die an der Tete reitenden
4 Eskadronen Ott-Husaren wurden im ersten Anlauf, zum
Teil von der eigenen Reiterei, über den Haufen geworfen und
nun ging’s vorwärts auf die Infanterie; diese hatte wohl nicht
mehr Zeit Massen zu formieren, aber sie wußte genau, daß
') Geschichte des k. und k. Dragonerreffiments Nr. 13.
*) Graf Meransohes Archiv, Erzherzog .Johann-Akten, ISOtl, Ital.
*) Geschichte des k. und k. Jlusareurcgiments Nr. 5
K. A., H. K. R. 1809, K, 12, 47/55, 57.
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V* 0 1 t z
ihre Stärke gegen Kavallerie im Stehenbleiben liege : — und
sie stand unbeweglich. Unerschütterlich, gleich einer Mauer,
empfingen diese braven Regimenter die ansprengenden feind-
lichen Reiter mit einem abteilig al>gegebenen Feuer ; bis auf
.30, 25 Schritte hatte man den Gegner herankommen lassen,
erst dann erschollen die Kommandorufe zu den todbringenden
Dechargen und kein Ifeiter konnte in die nur zwei Mann tiefe
Front eindringen ').
Auch hier war der Ansturm gebrochen und die Eskad-
ronen von Sahucs leichter Kavallerie muUten zurück hinter
die schützenden Dämme der Piave, wo sie von der Infanterie
aufgenommen wurden. Leider mangelte es an intakter Kavallerie,
um diesen Teilerfolg entsprechend auszunützen ; die Infanterie
Colloredos formierte Karrees und verblieb an Ort und
Stelle *).
Der überwiegende Teil der fliehenden österreichischen
Reitermassen war nach Mandre gelangt ; hier, am Eingang zum
Dorfe war es, wo FML. Wolfskeel, der vergebliche Versuche
machte, in das Durcheinander etwas Ordnung zu bringen und
wenigstens einige Abteilungen zu ralliieren, vom Feinde um-
ringt und da er sich zu ergeben weigerte, von einem franzö-
sischen Lancier durchbohrt wurde. An seiner Seite fiel Oberst
Graf Aichel bürg, der Kommandant von Savoyen-Dragonern’),
GM. Hager .stürzte und geriet in Gefangenschaft.
Ein im Laufschritt herbeigeeiltes Bataillon Otocaner
verhütete wohl weiteres Unheil ; es warf die Franzosen mit
dem Bajonett aus dem Orte und fügte ihnen nach Besetzung
der Lisiere empfindliche Verluste bei. Trotzdem griffen einige
feindliche Abteilungen nördlich von Mandre aus, gelangten
auf die llauptstraüe und schwärmten bis Conegliano, wo sie
den Troll des eigenen Heeres überraschten und in nicht
geringe Verwirrung brachten.
General Pully, an der Spitze des 29. Dragonerregiments,
welchem sich Teile des 28. unter General Poinsot an-
schlossen, hatte gleich nach Übersetzung der Piavisella eine
*) Geschiclite de.s k. und k. InfaDtericregünents Nr. 27.
K. A., F. A. ISdO, Op. .Toum. 51.
’) Ge.schiclite des k, und k. Dragonerregiments Nr. 13.
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»II
Uie Schlacht aa der Piave. 141
Rechtsschwenkung vorgenommen und Richtung gegen Cam-
pana eingeschlagen.
Dieser Vorstoß traf indessen die Österreicher nicht un-
vorbereitet; die eiligst von le Grave — woselbst nur ein
Bataillon belassen wurde — herangezogenen Brigaden Mar-
ziani und Gavassini hatte der Erzherzog in der Front, hinter
Attacke der französisohen Kavallerie um 10 Uhr vormittags.
(Original im Graf M e ra n sehen Archiv, Graa.)
einem alten steinernen Damm rechts unil links der Brücke
von Campana aufgestellt, indes die Grenadiere und Grenzer
in einer scharfen Hakenstellung längs der Straße, die nach
Bocoa di Strada geleitet, in Bereitschaft standen').
Diese Truppen waren nun dem letzten Ansturm der
fianzösischen Reiter ausgesetzt; aber trotz des bravourösen,
') (Jrat' Meransches Archiv, Erzherzog Johann-Akten, IHOU, Itnl.
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V e 1 t c 4.
todesverachtenden Vorgebens der gegnerischen Eskadronen
waren die Karrees der in erster Linie stehenden Brigade
Kleinmayem nicht zu erschüttern und die Franzosen sahen
sich genötigt unter dem ihre Reihen furchtbar lichtenden Feuer
des österreichischen Fußvolkes zu weichen. Ein Wall von
Leichen — Pferde und Menschen — umgab jedes der eigenen
Karrees und schon nach wenigen Minuten stob die feindliche
Masse auseinander wie Spreu vor dem Winde'); im wilden
Rennen tobte der Reitersturm zurück, verfolgt von dem wohl-
gezielten Feuer der Grenadiere, von einigen wieder gesammelten
Trupps der österreichischen Reiterei.
Es war kaum 11 Uhr vormittags, als die teilweise
schon durchbrochene Linie der Österreicher sich wieder
schließen konnte und man Gelegenheit fand, die geschaffene
Situation zu überblicken. Das Feuer war auf dem Schlachtfeld
allseits verstummt, die Ermattung nach der eben gelieferten
Kraftprobe schien beide Teile zur Untätigkeit verdammen zu
wollen. Wohl hatte derVersuch der Österreicher, den Feind wieder
über die Piave zu werfen, Schifi’bruch gelitten, aber auch die
Franzosen waren nicht glücklicher in ihrem Bemühen gewesen,
die .Aufstellung ihres Gegners zu erschüttern; seine bedroh-
liche Nähe bildete eine stete Gefahr für die im Übergang
befindliche Armee, welche mit einem Flußlauf im Rücken,
ohne festen Übergang, kiimpfen mußte; ihre Lage war sogar
kritisch, solange nicht entsprechende Kräfte das linke Ufer
erreicht hatten.
Um die Mittagszeit hatten außer der Avantgarde und
der gesamten Kavallerie bei Lovadina General Lamarque
und drei Regimenter Broussiers, beiS. Niehiol drei Bataillone
Veliten und der gi'ößere Teil der Division Abbe, übersetzt L.
Der Übergang selbst vollzog sich infolge des hohen Wasser-
standes äußerst schleppend, so daß von den Truppen Dui uttes,
welche damit um 1 Uhr begonnen hatten, nach vollen zwei
Stunden ein einziges Infanterieregiment an Ort und Stelle
war; nachdem sich hiebei Unglücksfälle ereignet hatten, denen
mehrere Menschenleben zum Opfer gefallen waren, die
>) Chronik des k. und k. Inläuterierogiments Nr. 62.
*) Vaudoncourt, 23S.
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Image
not
a vailable
Die Schlacht an der Puive.
148
reiüenden Fluten auch keinerlei Tendenz zum Fallen zeigten,
ordnete Prinz Eugen die Einstellung weitererNacbschübe an und
traf Maßnahmen zu einem allgemeinen, entscheidenden Angriff.
Die Verteilung der französischen Streitkräfte war die
folgende’): Am äußersten rechten Flügel, gegenüber von Cima-
dolmo, drei Bataillone Veliten, dann die Division Abbe, im An-
schlüsse daran die Dragoner Grouchj's; im Zentrum die
Dragonerdivision Pully, General Broussier, dann das
23. Infanterieregiment der Division Durutte und die Division
Lamarque ; am linken Flügel General Desaix und die leichte
Reiterei Sahucs.
Auf österreichischer Seite standen am rechten Flügel
unter Kommando des FML. Albert Gyulai die Brigaden
Colloredo und Gajoli des VIIl. Armeekorps nebst einigen
schwachen Eskadronen Ott-Husaren; im Zentrum bei Campana
das IX. Armeekorps mit den Brigaden Marziani und Gavassini
und dem Nachtrab Frimonts im ersten, der Brigade Kleinmayern
im zweiten Treffen; ein Bataillon Grenadiere hielt le Grave
besetzt, während die Szluiner unter Major Dumontet mit einer
Eskadron Josef-Husaren und eine halbe Batterie nach Vazzola
detachiert wurden; von der Kavallerie, soweit sie wieder geordnet
war, standen die Husaren vorwärts der Piavisella, zwischen le
Grave und Campana, die Dragoner hinter der Mitte, an der Straße
nach Bocea di strada; den linken Flügel bildete die Brigade
Kalnässy, w'elche Gimadolmo mit einem'’), S. Michele mit zwei
Bataillonen Simbschen besetzt hielt, während das Regiment
Reisky, jenseits des hier vielfach gestauten Baches, in Tozze
stand; die beiden Eskadronen Josef-Husaren deckten die Flanke.
General Kalnässy hatte den Befehl, die Übergänge
über die Piavisella und besonders Tezze mit aller Kraft zu
halten und nur im Falle der äußersten Bedrängnis gegen
Vazzola zurückzugehen, wo die Truppen Dumontets zu seiner
Aufnahme bereit standen.
Wie vorauszusehen, richtete der Feind den Hauptangriff
gegen diesen Flügel, mit der Absicht, auf die Rückzugslinie
b Siehe Textskizze 3.
•) K. A., F. A. 1801), Ital., V, 112.
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V e 1 t I 4.
bei Bocca di strada zu drücken und hiedurch auch das Zentrum
luid den rechten Flügel zum Weichen zu bringen.
Es war nach 3 Uhr nachmittags, als General Grenier den
Auftrag erhielt mit den Veliten, den Divisionen Abbe und
Grouchy diese Operation durchzuführen; Macdonald sollte
mit den Divisionen Pully, Broussier, Dunitte, Lamarque
der Bewegung des rechten Flügels nur sukzessive und nach
Maßgabe des gewonnenen Terrains folgen, Desaix und
S a h u c einem eventuellen Vorstoß des österreichischen
Vm. Armeekorps entgegentreten.
Um 4 Uhr gab der Vizekönig das Signal zum Vorgehen
und die Angriffskolonnen setzten sich in Bewegung. Die
Dragoner Grouchys voran, nahmen die drei Bataillone Veliten
unter Oberst Gifflenga Direktion auf Cimadolmo, die Truppen
Abbös gegen S. Michele.
Die wenigen Eskadronen österreichischer Husaren wurden
mühelos zurückgedrückt, das feindliche 7. Dragonerregiment
sowie Teile des 30. und des Kegiments Königin-Dragoner
zwängten sich in den Raum zwischen beiden Ortschaften
und drohten die darin kämpfenden Bataillone zu umgehen; das
Feuer der hinter der Piavisella stehenden Infanterie des Regi-
ments Reisky brachte diese Bewegung wohl bald zum Stehen,
aber der erdrückenden Übermacht mußten S. Michele und
Cimadolmo nach hartnäckiger Gegenwehr überlassen werden.
Kaum hatten die drei Bataillone Simbschen, verfolgt von
den Reitern Grouchys, den Rückzug angetreten, als General
Grenier alle verfügbaren Kräfte gegen Tezze dirigierte und
<las Dorf durch die .Artillerie unter Feuer nehmen ließ; nach-
dem alle Versuche der feindlichen Kavallerie, über die Piavi-
sella zu setzen und hiedurch die Aufstellung Kalnassj’s im
Rücken zu fassen, an der Achtsamkeit und Energie der Husaren
scheiterte, entschloß sich Grenier, die Infanterie zum Angriff
mit dem Bajonett Vorgehen zu lassen.
Trotz der Verluste, welche das Kleingewehrfeuer der
tjsterreicher in die Reihen der vorrilckenden Franzosen trug,
trotz der bedeutenden Lücken, die das todbringende Blei in
die anstürmenden Bataillone riß, drangen diese bis an die
Lisiere vor, warfen die erste Linie und setzten sich nach längerem,
äußerst blutigem Straßenkampf in den Besitz des Ortes.
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Die SchlAcht nn der PiAve.
145
Auch die beiden Eskadronen Josef-Husaren, die ver-
sucht hatten während dieses Angriffs auf die gegnerische
Infanterie einzuhaueu '), hatten nicht den Erfolg für sich und
mußten in Unordnung wieder zurück; ihnen nach die Dra-
goner Grouohys, welche durch Übersetzung des Baches einen
Keil in die österreichische Verteidigungslinie schoben und
der Brigade KalnÄssy den Anschluß an das eigene Gros ver-
wehrten.
Dieser General mußte nun seinen Rückzug nach Vazzola
nehmen, wo er sich mit der Gruppe Dumontet vereinigte.
Es war ein Glück, daß in diesem kritischen Augenblick
ein Bataillon OtoCaner, welches Erzherzog Johann seinem
linken Flügel als Verstärkung zugedacht hatte, gerade auf dem
Marsche zwischen Campana und Tezze begriffen war und sich
dem Anprall der französischen Reiter entgegenstellte; nach
halbstündigem Gefechte waren bereits der Kommandant, fast
alle Offiziere und ein großer Teil der Soldaten gefallen ’), aber
diese Zeit hatte genügt, die österreichische Dragonerbrigade in
die bedrohte Flanke zu ziehen und weiteren Fortschritten des
Feindes, die zu einer Katastrophe hätten führen können, an
dieser Stelle Einhalt zu gebieten.
Im Zentrum und am rechten Flügel der Österreicher hatte
der Gegner sich begnügt, durch eine lebhafte Kanonade und
durch Demonstrationen die Aufmerksamkeit des Erzherzogs
zu binden. Erst als die Erfolge Greniers fühlbar wurden,
begann auch die Gruppe Macdonalds langsam vorzugehen:
die Division Lamarque gegen Campana, Broussier direkt
auf le Grave, zwischen beiden als Bindeglied das 23. Infanterie-
regiment Duruttes.
Schon senkten sich die Schatten des Abends über die
Gegend, als Erzherzog Johann die Befehle zum Rückzug
erteilte und die österreichischen Kolonnen des Zentrums sich
auf der Straße über Conegliano gegen Sacile in Bewegung
setzten.
Der rechte Flügel sollte durch einen Vorstoß den Abzug
des Gros maskieren, GM. Kalnässy durch einen Angriff auf
*) Vignolle, 80t).
„Österr. milit. Zeitschrift”, 1844, II, 140, 141.
UitUilangeQ des k. und k. Kriegsiirohivs. Dritte Folge. IV. Bd. ) 0
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V e 1 t t
Tezze die feindlichen Kräfte auf dieser Seite von einer Ver-
folgung abhalten.
FML. Frimont befehligte die Nachhut, bestehend aus
der Brigade Kleinmayem (ohne Szluinerj und dem Eegimeut
Erzherzog Josef-Husaren.
Ein Bataillon Grenadiere unter Major Chi mani') rückte
nach le Grave vor, warf die französischen Plänkler, welche sich
daselbst bereits eingenistet hatten, mit dem Bajonett zurück
und setzte sich in den Häusern des Ortes fest. Trotz des
mörderischen Feuers der feindlichen Artillerie — es standen
endlich 24 Geschütze im Feuer und das Dorf brannte
lichterloh — wichen die Grenadiere nicht und die ganze
Division Broussier mußte sich zum Angrilf entwickeln,
ehe es den Franzosen gelang in einen rauchenden Trümmer-
haufen Einzug zu halten ; in vollster Ordnung zog sich dieses
Bataillon, ununterbrochen fechtend, zurück und wies auch
die Attacken der verfolgenden Reiterei erfolgreich ab; Oberst-
leutnant Geramb, mit einigen Eskadronen Husaren, deckte
schließlich den Übergang über die Piavisella.
Vor Cnmpana stand die Division Lamarque im Kampfe
und konnte, ungeachtet dessen, daß schließlich auch das
23. Infanterieregiment Duruttes eingritf, nicht recht Terrain
gewinnen; ein Bataillon unter Hauptinann Bartholemy*), hatte
hier ein etwas erhöht gelegenes Gehöft und eine anstoßende
Stühle besetzt, von deren festen Mauern dem Angreifer ein
verheerendes Feuer entgegenschlug; vorn aber, in den Gräben,
hinter Hecken und Dämmen, lag noch eine dichte Schützen-
kette, welche das offene Terrain jenseits der Piavisella voll-
kommen beherrschte.
Als le Grave geräumt war und seine Besatzung die
Piavisella übersetzt hatte, ordnete auch Hauptmann Bartho-
lemy den Rückzug an; die Grenadiere formierten dann Massen
und zogen, zur Rechten flankiert von Josef-Husaren, über
') Auton Freiherr Chiiuaiii von Manuberg erhielt das Ritter-
kreuz des MTO. für hervorragende Leistungen in der .4flUre an der
Piave, als .Major von Simbschen-Infanterie; gestorben 1831 als General-
major.
’) Peter Freiherr von Bartholemy erhielt für diese Verteidigung
das Ritterkreuz des MTO.; gestorben 1832 als Oberst.
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Die Schlecht an der Piave.
147
die Ebene nach Bocca di strada und weiter über Conegliano
der Armee nach.
Der vom Erzherzog anbefohlene Vorstoß des eigenen
rechten Flügels war alsbald an der Überlegenheit der feind-
hchen Artillerie, welcher FML. Albert Gyulai nur den vierten
Teil an Geschütz entgegenstellen konnte, zum Stehen ge-
kommen.
Als die Meldung von der bevorstehenden Räumung
Campanas eintraf, wurde auch hier die rückgängige Bewegung
eingeleitet, die in zwei Kolonnen, über Susegana und Santa
Lucia angetreten ward ; bis zum Abfließen der Truppen
hielten je ein Bataillon des 1. Banal-, beziehungsweise des
Otoöanerregiments Mandre und Barco besetzt. In der
Dunkelheit gerieten 3 Kompagnien St. Julien bei Santa
Lucia auf einen Abweg, der sie direkt in die langsam nach-
rilckenden feindlichen Reiterkolonnen auf der Hauptstraße
bei Bocca di strada führte, woselbst sie sich alsbald ergeben
mußten.
Es war 9 Uhr abends, als der Vizekönig den Befehl
zum Abbrechen des Gefechtes gab ; die Kavallerie unter
Leitung Grouchys sollte nicht über Conegliano vorgehen,
die Infanterie auf dem Schlachtfeld nächtigen, und zwar *) :
Abb6 bei Tezze, Broussier und das 23. Regiment um Bocca
di strada, Lamarque in SantaLucia, Desaixbei S. Salvador
und Susegana; das Hauptquartier wurde wieder zurück auf das
linke Ufer der Piave, nach Lovadina, verlegt.
Das Gros der österreichischen Armee gelangte nach einem
anstrengenden Nachtmarsch, vom Feinde unbelästigt und in
vollster Ordnung, am 9. Mai um 7 Uhr morgens an die
Livenza, welche sie bei Sacile übersetzte; hier wurde halt
gemacht und abgekocht •). Der Marsch ging dann weiter über
den Tagliamento ins Tal der Fella, von wo aus die Armee
nach den Gefechten bei S. Daniele und Venzone am 13. Mai
abends bei Pontafel österreichi.sches Gebiet betrat.
') Vau don Court, 243.
’) K. A., F. A. 1809, Ital.i Op. Journ. 51.
10*
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V e l t z
Der Brigade Kalnässy war es im Laufe des Abends
sogar gelungen, vorübergehend Tezze wieder zu besetzen; es
waren die einzigen Truppen, welche die Nacht über auf dem
Schlachtfeld verblieben und erst am Morgen des 9. ihre
Stellung räumten.
Mit den zwei Bataillonen Szluinern, einer Eskadron und
einer halben Batterie unter Dumontet als Nachhut, wurde auf
der stehenden Brücke bei Brugnera die Livenza passiert und
nach Abbrennung derselben der Kückmarsch fortgesetzt, der
diese Kolonne, nach mittlerweile eingetroffeneu Befehlen, über
Udine ins Isonzotal führte.
Das bei Ponte di Piave stehende Detachement, befehligt
votiMajorOgrisovich, erhielt den Befehl zum Rückzug um 6ülu’
abends. Auf dem Marsche nach Oderzo wurde das Anrücken
einer überlegenen feindlichen Kolonne von Ormelle über
Confrancin bemerkt, weshalb der Kommandant im Laufschritt
eine Kompagnie Franz Karl zur Be.setzung der feindwärts
gelegenen Lisiere des erstgenannten Ortes beorderte ; unter
ihrem Schutze erreichte die Kolonne um 11 Uhr nachts la
Motta '), marschierte am nächsten Tage nach Latisana und
vereinigte sich am 12. Mai mit den Truppen des FML. Zach
bei Görz. Die bei Oderzo zurückgelassene Kompagnie wurde
von zwei Bataillonen der Division Fontanelli angegriflen und
mußte sich nach hartnäckigem Widerstand und nachdem ihr der
Übergang über den Fluß verlegt worden war, gefangen geben*).
Recht mühselig, zum Teil sogar abenteuerlich, gestaltete
gich der Rückzug des bei Vidor gestandenen Detachements,
unter Major Toperczer*;.
Nachmittags, gegen 3 Uhr, war ihm der Befehl zu-
gekommen, über Serravalle nach Ceneda zurückzugehen, falls
diese Orte jedoch vom Feinde schon besetzt seien, über den
’) K. A., F. A. 1809, Ital., V, 111; Geschichte des k. und k. Infanterie-
regiments Nr. 52.
’) Schneidawind, Pas Lehen des Erzherzogs Johann, Schafl-
hausen 1849, 16.ä.
“) K, A., F. A. 1809, Ital., V, 152 ; Geschichte des k. und k. In-
fanterieregiments Nr. 52, 254 bis 258.
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Die Scblacht an der Piave.
149
Lago di Santa Croco gegen Perarolo auszuweichen und im
äußersten Falle Innichen zu erreichen trachten').
Nachdem die ausgestellten Vorposten eingezogen waren,
rückte das Detachement — 1 Bataillon Franz Karl, 1 Flügel
Ott-Husaren, Vs Batterie — ab und erreichte über den Gol
S. Martin marschierend, spät am Abend Follina, am 9. morgens
Serravalle. Da ausgesandte Patrouillen die Anwesenheit starker
feindlicher Kräfte in der Ebene festgestellt hatten, mußte der
Weg über das hohe, unwegsame Gebirge eingeschlagen werden^
um vielleicht an einer anderen Stelle die Vereinigung mit
dem Gros vollziehen zu können.
Geschütze samt Munition mußten auf dem weiteren
Marsche preisgegeben werden und wurden im Lago di Santa
Croce versenkt, auch der größte Teil der Pferde blieb zurück
und nur einige Packtiere zogen mit.
Major Toperczer, ein schon älterer Mann, war durch
die Strapazen in seinen Kräften so herabgekommen, daß er
in Dardago niederbrach, woselbst auch Hauptmaun Freiherr
von Gschrei, .durch Sturz von einem Felsen schwer verletzt,
seinem Schicksal überlassen werden mußte.
Hauptmann Zsitväs übernalun das Kommando, Haupt-
mann Faverges, bekannt durch seine zu Anfang des April
unternommene kühne Übersetzung des Isonzo, wurde die Seele
der Expedition.
Nordostwärts über Berg und Tal ging der Marsch, der
Stand des Bataillons war schon auf kaum 400 Mann zusammen-
geschmolzen, in dem felsigen Terrain waren die Schuhe der
Leute binnen kürzester Zeit abgenützt, die Monturen, kaiun
mehr kenntlich, hingen in Fetzen an den erschöpften Leibeni.
Durch dichten Wald mußte man sich oft erst mühsam
Bahn brechen, stundenlang mußten die Soldaten in tiefem Schnee
waten, die Packtiere sanken nacheinander entkräftet nieder.
Immer mehr drängte das rasche Vorrücken der feindlichen
Reiterei das Detachement ins Gebirge; am 13. April durclifurtete
es den Tagliamento und am nächsten Tage trafen die Reste halb-
wegs zwischen Ovaro und Forno, ganz unvermutet auf fünf
Kompagnien des 2. Banalregiments unter Hauptmann Kunz,
') Siehe Textskizze 3 zu Seite 117, Mitteilungen des k. luid k.
Kriegsarchivs. Dritte Folge. 111. Bd.
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150
V 0 I t c
wodurch die Fühlung mit der Armee des Erzherzogs Johann
endlich wiederhergestellt war.
Die Verluste auf österreichischer Seite betrugen'):
Tot 5 Offiziere, 393 Mann
Verwundet . 2ß „ 671 ,,
Gefangen 15 „ 1664 „
Vermißt 4 „ 1116 ,,
Summe , . 50 Offiziere, 3844 Mann
Überdies wurden 15 Kanonen und eine Anzahl Muni-
tionskarren’) eingebüßt.
Französische Quellen geben ihre V erluste in verschiedenster
Höhe an; General Cafarelli weiß nur von 170 Toten und
300 V'erwundeten ’), Vignolle will auch nur 700 Mann, du
Gasse 1000 Mann zugestehen, während General Vaudoncourt
— ein Augenzeuge — den Verlust auf 2000 Mann schätzt. Viel-
leicht wird eine offizielle französische Darstellung auf Grund
des Aktenmat.erials die letztere Zahl noch einigermaßen richtig
zu stellen in der Lage sein.
Auf österreichischer Seite hatten an der Schlacht aktiv
teilgenommen '):
Strassoldo 3 Bataillone
St. Julien .3 ,,
Szluiner l’/s*) „
Grenadiere 4 ,,
Franz Jellachich . . 3 „
1. Banal 2 „
Franz Karl 1 ®) „
Fürtrag . . 17’/s Bataillone
Graf Moransches Archiv, Feldzugerzählniig des Erzherzogs
.Tohaim, Hogen 12. (Vergl. dagegen K. A., F. A. 1809, Ital., Op. Journ. 53.)
•) K. A., H. K. R. 18(i9, K, 12, 49/15.
*) Du Casse, V, 181.
b Iv. A , F. A. 1809, Ital., V, 45; siehe auch Anhang I.
‘i Eine Division unter Hauptmanii Lenardini war nach Sera-
valle detachiert. (Graf Meransche.s Archiv, 1809, Ital. 1299a.)
") Ein Bataillon in V'idor, eines bei Ponte di Piave, nahmen keinen
Anteil an der .Schlacht.
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Die Schlacht an der Piave. 151
übertrag
Allvintzy
Oguliner .
Reisky
Simbschen
OtoSaner
Summe
Ott-Husaren 8 Eskadronen
Frimont-Husaren 6 „ ’)
Josef-Husaren 8 „
Savoyen-Dragoner 6 „
Hohenlohe-Dragoner 6 „ .
Summe . . 34 Eskadronen
Die österreichischen Bataillone waren nach den offiziellen
Rapporten*) durchschnittlich etwas über 600 Mann, jene der
Grenadiere kaum 500 Mann stark ; die Eskadronen zählten
ungefähr 110 Reiter. Dies würde einen Maximalstand von
21.000 Mann Infanterie und 3750 Säbel ergeben.
Von französischer Seite waren am rechten Piaveufer
verblieben •) :
Division Broussier . . .
. . 3
Bataillone,
1500
Mann
„ Durutte . . . .
... 8
4700
„ Fontanelli . . .
... 14
8100
V
„ Seras
... 10
U
5700
Königliche Garde ....
... 3
Eskadronen,
450
Reiter
Prinzliche Jäger . . . .
. . 2
•1
2.50
Summe . . 35 Batailloue, 20 000 Manu
5 Eskadronen, 700 Reiter.
*) Zwei Eskadronen unter Major Brett'eld standen vor Palmanova.
K. A., P. A. 1809, Ital., V, 2.
’) Vaudoncourt, I, 240, Anmerkung 1. Die französische Auf-
fassung; die hier verbliebenen Truppen aus dem Kalkül ganz aus-
zuschalten, ist in diesem Falle wohl vollkommen verfehlt, da deren
Artillerie und auch die Infanterie wiederholt im Feuer standen und bei-
spielsweise der Aufmarsch der Division Seras bei Narvese, den Auf-
enthalt des ganzen Regiments Franz Jellachich und eines Bataillons
Oguliner nebst einer Eskadron und einer halben Batterie an jener
Stelle bedingte.
. . 17*/3 Bataillone
. . 30*/s Bataillone
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152
V e 1 t X
Es nahmen daher an der Schlacht am linken Piaveufer
aktiv teil;
Avantgarde
6
Bat.,
4
Eskadr., 3600 Mann,
500 Reiter
Broussier
9
1
,. 5000 ,,
100 „
Lamarque
12
1
—
7100
—
Abbe , .
14
1
7700
100
Durutte .
4
..
—
2400
—
Veliten .
,,
—
,. 1800
—
Sahuc . .
—
,,
16
—
1600 ..
Grouchy
—
12
—
1450 .,
Pully . .
—
12
1350 ..
Summe .
48
Bat.,
46
Eskadr., 27.600 Mann,
5100 Reiter')
Prinz
Eu
gen
Beauharnais hatte am 8.
Mai 1809 den
von ihm so lang ersehnten Erfolg endlich an seine Fahne
gefesselt ; in überschwenglichen Worten berichtete er seinem
kaiserlichen Adoptivvater über die Taten der seinem Befehl
unterstellten Truj)peu — seinen ersten Sieg über die öster-
reichischen Waffen.
Kühn in ihrer Anlage, zielbewu3t in der Ausführung,
verdient die Forcierung einer immerhin bedeutenden Flug-
linie angesichts der kampfbereiten Armee des Erzherzogs
Johann gewiü alle Anerkennung; doch darf, abgesehen von
der bedeutenden Übermacht, welche der Vizekönig in die
Wagschale werfen konnte, nicht übersehen werden, dall die
Österreicher in erster Linie nur um Zeitgewinn kämpften —
und daü sie, trotz der schließlichen Räumung des Schlacht-
feldes, wenn auch nach bedeutenden Verlusten, diesen Zweck
auch tatsächlich erreicht haben.
Eine zweite Frage ist es allerdings, ob nicht andere
Mittel zu demselben Ziele geführt hätten, ob einige Stunden
Vorsprung für den Train die empfindlichen Opfer wert waren,
welche die Österreicher inr Verlauf der Kämpfe an der Piave
notgedrungen bringen mußten.
Recht freimütig und offen äußert sich darüber der
österreichische Feldherr selbst, indem er seinen Erinne-
') Siehe acch Anhang II.
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Die Sohlftcht un der Piave.
153
rungen über die Ereignisse dieses Tages die folgenden Worte
anfügt’):
„Die Schlacht hätte vermieden werden können, wenn
die Aimee die Tage des 6. und 7. benützt hätte, um
ihren Rückzug wie bisher fortzusetzen, da man nie hoffen
konnte, sich zu behaupten, da man wußte, daß der Feind alle
seine Kräfte vereinigen könne und die Übermacht auf seiner
Seite haben werde — und auch im glücklichsten Falle ein
weiterer Rückzug, bedingt durch die Ereignisse an der Donau,
geschehen mußte; so war es geraten, jede Gelegenheit zu ver-
meiden, welche zu einem Kampfe Anlaß geben konnte und
die gesamten Kräfte für die Verteidigung der Eingänge
Kärntens imd Krains ungeschwächt zu erhalten.”
’) ßraf Merausches Archiv; Erzherzog Johann-Akten, 1809, Ital.
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I.
Orilre de bataille der innerösteiTeichischen Armee
am 8. Mai 1809.
Kommandant: G. d. K. Erzlierzos' Johann.
Vin. Armeekorps.
Kommaiidant; i'ML. Albert Gyulai.
Brigade GM. Colloredo:
Strassoldo-Infanterie Nr. 27
St. Julien- „ »61
Brigade GM. Gajoli:
Franz Jellachich-Infantorie Nr. 62
1. Baiialgrenzregiment Nr. 10
Brigade GM. Kalnässy:
Oguliner Grenzregiment Nr. 3
Keisky-Infanterie Nr. 13
Simbschen-Infanterie Nr 43
3 Bataillone
3 Bataillone
2 Bataillone
3
IX. Armeekorps.
Kommandant: FML. Ignaz Gyulai.
Brigade GM. Kleinmayern:
Grenadiere
Szlniner Gronzregimont Nr. 4 . . .
Brigade GM. Marziani:
Franz Karl-Infanterie Nr. 52
-lllvintzy- ,, »Ul
Brigade GM. Gavassini :
Otocaner Grenzregiment
Landwehrbrigade OM. Sebottendorf:
Grazer Landwehr
4 Bataillone
3 Bataillone
2 Bataillone
3 Bataillone
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158
V s 1 t r «.
Kavallerie.
Kommaiilant: FML. AVolfskeel.
Brigade OM. Hager:
Savoj’en-Dragoner Nr. 5
Hohenlolie-Dragoner Nr. 2
Brigade GM. Spl6nyi;
Ott-Husaren
Friraont-Husaren
Erzherzog .Josef-Husaren .
6 Eskadronen
8 Eskadronen
ß
8
Artillerie.
Koinmaiidant : GM. Reisner.
10 Batterien (dreipfündige Brigade- und Kavallerie-, sechs- und zwölf-
pfündige Positionsbatterien, je 8, bezw. ö Geschütze )
Summe : ISti Bataillone, :J4 Eskadronen, 70 Geschütze. i24800
Mann Infanterie, 87.50 Reiter.)
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Die Schlanbt an <ler Piave.
159
n.
Ordre de bataille der französisch-italienischen Armee
am 8. Mai 1800.
Kommandant Prinz Eugen Beauharnais, Vizekönig
Ton Italien.
Avantgarde, Brigadegeneral Desaix:
6 Bataillone V oltigeure, 9. Jägerregiment zu Pferd .
Bat.
6
Kskadr.
4
Oeseb.
4
Division Broussier:
9.,84.,92.,fran7.ösbchesLinienregimeat,2J Dragouer-
regiment
12
1
12
Division Durutte;
22., 23. französische.s leichtes, 62. Linionregiment .
12
10
Diviijion Lamarque:
13., 29., 42., 112. iVaiizösisches Linienregiment . .
12
10
Division Paethod (befehligt von Brigade-
general Abbe):
1.. 52., 102. französisches Linien- und 1. leichtes
Infanteiieregiinent, Napoleon • Dragoner (ital.)
14
1
12
Division Seras:
35. 53., 106. französisches Linienregiment ....
10
—
12
DiWsion Fontanelli (ital.):
1-, 2. italienisches leichtes, 3., 4. Linienregiment,
königl. istrianisches Bataillon, prinzlirho Jäger .
14
2
6
Königl. italienische Garde, Brigadegeneral Lecchi
Infanterie (Veliteu)
Dragoner und Ehrenganle
Artillerio :
3 Bataillone
3 Eskadronen
6 Geschütze
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160
V e 1 t I 4
Kavallerie.
Leichte Kavalleriedivision, General Suhuc: Eskadronen Qeschntze
6. französisches Husaren-, 6., 8., 25. Jägerregiment . 16 4
Dragonerdivision Pully;
23., 28., 29. franzö.sisches Dragonerregiment .... 12 4
Dragonerdivision Gronohy:
7., 30. französisches Dragonerregiment, Königin-
Dragoner (italienisch) 12 4
Summe: 83 Bataillone, 51 Eskadronen, 84 Geschütze. (47.600 Mann
Infanterie, 5800 Reiter').
Am 8. Mai befehligte General Grenier den rechten, Baragney-
d'Hi Ilers den linken Flügel. Mncdonald das Zentrum; dio Beservo und die
Kavallerie standen enr direkten Disposition des Vixekönigs.
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Repressalieiigefeclite
gegen die Montenegriner im Jalire 1838.
Von
Major Somek.
Mit einer Beilage.
Mittailangen fies k. and k. Kriegsnrcbivs. Dritte Folse. IV. Bd. ü
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Montenegros Lage, Verfassniig und Bewohner.
Von dem Stocke der Dinarischen Alpen breiten sich dort,
wo er die europäische Türkei durchzieht, zwei mächtige Arme
gegen Westen. Der eine, nördliche, erstreckt sich bis an die
Gestade der Adria, der andere wendet sich südwestlich und
lallt gegen die Niederungen des Skutarisees ab. Beide ver-
bindend lagern längs der Meeresküste geschlossene Gebirgs-
inassen, von deren Kamme das Auge bis weit über das
blauende Meer schweift.
Diese Bergi'iesen umschließen das Land, dessen chao-
tisches Felsengewirr jener kühne Serbenstamm bewohnt, den
die Venetianer Monteneriner nannten, den die Jetztzeit Mon-
tenegriner heißt. Das Volk selbst nennt seine wilde Heimat
Czernagora, im Andenken an seinen ersten Häuptling, unter
welchem es sich hier nach dem Untergang des großen Serben-
reiches, unil langer Verfolgung durch die Türken, eine
dauernde Heimstätte schuf.
Einer von der Natur kühn geschatfenen Festung gleich,
aus deren Felsenbastionen wie riesige Ecktürme, dem Meere
zu der Suturmann und Trnowo, in den Alpen wurzelnd der
Donnitor und Kom emporragen, liegt das Land.
Die Montenegriner scheiden ihre Heimat in den ersten
Besitz, die Czernagora im engeren Sinne, und in den später
erworbenen, Brda.
Iin Jahre 1838 noch von drei Seiten durch türkisches
Gebiet umfaßt, grenzte Montenegro nur längs der Küste
an Österreich, an jenes kurz vorher erworbene Gebiet, das
damals den Namen Österreichisch-Albanien führte.
Die Höhen, vom Berge Lovcen am Busen von Cattaro,
bis nordwestlich zum Trnovo und südwestlich zum Divlivrch,
11*
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164
S 6 m e k.
bildeten die Scheide zwischen dem Kaiserstaat und dem
Bergvolk trennten dieses von der Sehnsucht seiner Jugend,
dem geträumten Ideal seiner Lieder, „dem leuchtenden
Meer mit seinen Schätzen, seinem Handel und Verkehr”.
Wild und zerklüftet, wie an den Grenzen, türmen sich
auch die Felsen im Innern des Landes und nur unwillig
lassen sie den engen dunklen Tälern ßaum, die, sich zwischen
ihnen windend, spärliche Flächen harter mühevoller Bebauung
erschließen.
Wohl breitete sich schon 1838 ein verhältnismäßig
reiches Netz von Wegen über Montenegro, hier in das tür-
kische, dort in österreichisches Gebiet mündend. Aber der
Fremde bangte, wenn er die Pfade betreten sollte, die oft
nur dem Auge des Einheimischen erkennbar waren, —
schmale, den Felsen abgerungene, meist nur fußbreite
Steige, bald neben gähnenden Klüften, dann wieder im wirren
Zickzack über schwindelnde Höhen führend, oft durch herab-
gestürzte Felsblöcke versperrt, durch breite Abgründe unter-
brochen. —
Nur wenige waren allgemein benützbar, vor allem
jener, der von Cattaro nach des Landes Hanptort, Cettinje,
führte und von dort nach dem albanischen Zabljak in türkisches
Gebiet sich wandte. Von beiden Teilen dieses Weges zweigten
zahlreiche Verbindungen nach Österreichisch-Albanien ab ; —
benützbar für die Montenegriner zu ihren Einfällen und
Kaubzügen, aber meist unpassierbar für die Ausrüstung ge-
schulter Truppen. Wege, wde das räuberische Bergvolk sie
brauchte, ihm alle Chancen bietend, dem Gegner alle ver-
wehrend.
Montenegro war unbezwingbar durch den Mangel an
Kommunikationen. Das Volk wußte dies, darum wies es auch
das Danaergeschenk mit Entrüstung zurück, das der französische
Marschall Marmont 1807 ihm antrug - — Straßen durch das
Land zu bauen.
Außer dem Hauptweg von Cattaro führten auch aus
verschiedenen anderen Ortschaften des Berglandes, besonders
in den südlichsten Teil österreichischen Besitzes, mehrere
') PaiO und Scherb, Die Czeruagora.
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BepressftlieDgofecbte gegen die Montencgricer.
165
Pfade, die, fiir den Verlauf der zu schildernden Ereignisse
von Wichtigkeit, bei diesen ihre Beschreibung finden.
Einem Einfall der Montenegriner in die Monarchie boten die
Stadt Cattaro, der Landstrich Zuppa und das Pastrovicchio die
meiste Beute Cattaro schützte aber seine allzugroße Wider-
standskraft, die nur Geschütze brechen konnten, die ituppa war
zu weit entfernt und außerdem durch das Fort S. Trinitä be-
schirmt. So blieb nur das Gebiet Pastrovicchio bedroht. Ein
Lberfall desselben sicherte reichen Raub, die scheidende
Grenze lag nahe am Meere, die Festsetzung an diesem war
nach der leichten Erwerbung Castellastuas nicht schwierig;
die speziell für diese Gegend verwickelte Grenzfrago gab
einen steten und den besten Anlaß zu Feindseligkeiten.
Für einen Angriff Österreichs waren von den 25 Fußsteigen,
die in das Uochland führten, nur sechs und auch diese nur
teilweise gangbar.
Vor allem jener aus Cattaro, der solange er österreichischem
Boden folgte, sich bereits zur gangbai’en Kommunikation
erweitert hatte, auf montenegrinischem Gebiet aber, bis
hinab ins Cettatal, ungebahnt und höchst schwierig blieb.
Dieser Weg führte überNögus, den Hauptort der gleichnamigen
Nahia und über Baici.
Weiter ein Weg von Dobrota nach Vuöido, St. Elia ;
ein Weg von Dub, der den Loveen südlich umlief; ein solcher
vom Kloster Stanjevich, südöstlich des Berges Mastori, über
St. Nicola, BöloSi — alle nach Cettinje leitend.
Ferner eine Kommunikation von Braic, nordwestlich
vom Berge Seostik gegen Cettinje und vom Kastell Gomila
südöstlich um den Monte Bandiera gegen Uterg.
Schon vor 18.35 waren sowohl Czernagora als Brda je
in 4 Distrikte, Nahien nennt sie der heimatliche Laut, geteilt.
Jene der Czernagora hießen : Katunska, an Cattaro
grenzend, Czernicka an das österreichische Pastrovicchio, ferner
Hiecka und Lfzantka; jene Brdas ; Belopavlic, Piperi, Mo-
racka und Kucka, alle au türkisches Gebiet schließend.
Der Väter alter Sitte treu, teilte sich jede Nahia in
Stämme, diese schieden sich in Gemeinden und Familien. Freie
') Siehe Beilage 3.
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1 6f) S 0 m e b.
Wühl kürte das Oberhaupt des Stammes, den Glavar oder
Häuptling, freie Wahl auch jenes der Gemeinde, den Staresina
(Ortsältesten). Das Haupt der Familie war der Gospodar. Er
war der Verwalter aller häuslichen Angelegenheiten. Der
Stareäina übte das Richteramt über die Familien der Gemeinde,
der Glavar leitete die inneren Angelegenheiten. Die höchste
Instanz für letztere ruhte in der Hand des für mehrere
Stämme gewählten Knaz (Fürst).
Dort, wo an den Grenzen Gefahr drohte, war je ein
Serdar bestimmt. Er sammelte, wenn es AngriH’ oder Abwehr
galt, rasch die waffenfähigen Männer der näheren und weiteren
Umgebung als der Führer im Kampfe, bis der Yladika eintraf.
Dieser war das eigentliche Oberhaupt des Staates. Ihm
fiel die höchste, die priesterliche Gewalt zu. Der Vladika war
Bischof — seine Weihe erhielt er in Petersburg’). Die Re-
ligion Rußlands ist auch jene Montenegros. Die Würde war
erblich und das Erbteil der Familie Petrovic. Die priester-
liche Stellung versagte dem Vladika die Ehe, darum wurde
stets der Neffe der Nachfolger des Onkels. ,.Sveti Gospodar'"
(heiliger Herr) nannte in ehrfurchtsvoller Scheu der Sohn der
Schwarzen Berge seinen Vladika.
Bis 1833 bestand neben dessen Stellung auch die
eines weltlichen Oberhauptes, des Gouverneurs. Wohl war
dieser jenem an Macht keineswegs gleich, doch blieb sein
Einfluß nicht zu unterschätzen. Immerhin war er im stände
die Willkür desselben zu hemmen.
Dies empfand vor allem der Vladika Peter II., der
nach dem Tode seines Onkels, des großen Vladika Peter I..
die Herrschaft erlangt hatte.
Auf die Gunst des Volkes pochend, entledigte er sich
des Gouverneurs Radonie, indem er denselben 1833 des
Einverständnisses mit Österreich beschuldigte. Radonib wurde
verbannt, seine Güter eingezogen, sein Haus verbrannt. Er
flüchtete nach Cattaro, wo Österreich ihm und seiner Familie
Schutz und datternde Unterstützung lieh. Der Vladika ver-
einigte nun in seiner Person die volle geistliche und weltliche
') Peter II. wollte sich anfangs in Wien weihen la.ssen, doch
ließen ihn die Schwierigkeiten, die man ihm machte, hievon abstehen.
(Marko Fedorowitsch, Die Slaven der Türkei.)
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Bepreasaliongefccbte gegon die Montenegriner.
167
Gewalt. Ungestört konnte er jene Reformen anbahnen, welche
ihm zur Erstarkung des Landes nötig, zur Befestigung und
Erweiterung seiner Macht geeignet erschienen.
Schon 1831 hatte er mit Rücksicht auf dieses Ziel, unter-
stützt durch den russischen Oberstleutnant Oseretzkowsky,
einen Senat von zwölf Mitgliedern geschalFen, die er je für
ein Jahr selbst ernannte. Seinen Bruder Giorgio gab er
demselben zum Präsidenten, seinen Neffen zum Vizepräsi-
denten. Er erreichte damit einen Ersatz der alten Regierungs-
form, der ihm alle Macht gab.
Montenegro ist arm au Ressourcen jeder Art. Für das
kämpfende Volk mögen sie genügen, für den eindringenden
Feind sind sie weniger als zu gering. Dieser ist vollkommen
auf den Nachschub angewiesen.
Außer in der Nahia Belopavlic und im Kuckatal sowie
an den sonnigen Abfällen der Nahia Czerniczka gegen den
Skutarisee, bieten nur wenige und unbedeutende Flächen
Raum zum Anbau und kargen Ertrag.
In dem öden Felsgewiire, in den zahllosen Schrunden
und Klüften versickert das Wasser. Nur einzelne sorgsam
gehütete Quellen und Zisternen sichern den Bewohnern dürf-
tige Labung.
Der Besitz an Vieh ist des Montenegriners Reichtum,
die Zucht desselben sein Erwerb. Dieses, dann Kartoffeln und
die spärlichen Produkte, welche die Natur freitätig seiner
wilden Heimat geschenkt, zu verkaufen, steigt er von den
Höhen dem Meere zu, nach österreichischen Landen herab
und trägt dafür im Austausche Salz, Ol, Waffen und Munition
nach den Bergen heim.
Arm, aber auch bedürfnislos, fühlt er sich nur in seinen
Felsen wmhl. Mit der zähen Anhänglichkeit aller Bergbewohner
hängt er an diesen. „Ob es dort wohl ein Czernagora gibt,”
frug ein Montenegriner bang seinen Gastfreund und wies
feuchten Auges zum dunkelblauen Firmament.
Die Scholle, die er von seinen Vätern ererbt, der Stein
selbst, auf dem seine Ahnen geschritten, die dürftige Hütte,
in der sie gewohnt, sind ihm heilig. Heilig als deren Ver-
mächtnis, heilig auch im Sinne seines Wahlspruches; „Mein
Haus ist meine Freiheit.”
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168
S e m e k.
In }iarter Schule aufgewachsen, stählt der Montenegriner
seine Kräfte von Jugend an. Alle Schrecknisse der Bergwelt
sind ihm vertraut, Sturm und Regen so oft die Gefährten
seiner einsamen Wanderung. Kein Fels ist ihm zu steil, ihn
zu erklimmen, kein Abgrund zu weit, ihn zu überspringen,
kein Pfad zu schmal und gefährlich, ihn zu wandeln. In
die Opanken gehüllt, schmiegt sich sein Fuß sicher an die
harten Kanten der Felswände, während sein Blick durch die
Steintrüramer nach dem Feinde späht. Nicht Hitze, nicht
Kälte noch Hunger und Durst können seine Eisennatur zwingen.
Wenn die Nacht ihn in den Bergen überrascht, hüllt er
Haupt und Wallen in die schützende Struka *). Ob dann
auch Wind und Wetter hemiederrauschen, der erwachende
Tag sieht ihn in altgewohnter Elastizität und Frische vor-
wärts eilen.
Alles kann der Sohn der Schwarzen Berge entbehren,
nur seine Waffen mag er nicht missen. Schon mit 15 Jahren
wird er zum Manne und von diesem Augenblick an ziert
ihn der volle Schmuck derselben. Die Pistolen und den
Handschar im Güi'tel, die sichere fünf Schuh lange Flinte und
die Struka auf der Schulter, weilt er am Feld, hütet er die
Herde, zieht er hinunter nach den Handelsplätzen Dalmatiens.
Selbst im Innern seiner Hütte legt er Pistole und Haiidschar
nicht ab ; — stets gerüstet zur Abwehr, stets für den Ruf zum
Kampfe. Tapferkeit und Kühnheit stehen ihm über alles, sie
bewundert er auch am Feinde. Beim festlichen Mahle und
im stillen Frieden seines Hauses, bei frohen Versammlungen
und Gelagen, wie am flackernden Lagerfeuer besingt er zum
Klange der Gusla die Taten seiner Ahnen. Die Heldengestalten
der Vorzeit sind das Vorbild der Gegenwart, sie sind der
Born stets erneuter Kraft. In Liedern lebt die Geschichte
des Landes, nicht im Bann toter Bücher. Geschichte ist seine
Poesie, freilich auch oft Poesie seine Geschichte.
Das ununterbrochene Ringen mit den Gewalten der
Natur, die Schrecken der Bergwelt und der geheimnisvolle
Schauer weltabgeschiedener Einsamkeit begründen und ver-
stärken den tief religiösen Sinn des Volkes. Überall erblickt
') Aus Ziegeuluiaren gefertigter Schal.
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RepressalieitKef^'chie gegen die Montenegriner.
169
es das Walten der Gottheit. Die starren Höhen, die gegen
Himmel ragen, die rieselnden Quellen, die den Felsen ent-
springen, die dunklen Schatten der Wälder und die Haine
der Täler werden ihm zum speziellen Sitze derselben, oder
doch überirdischer Wesen.
In all diesen glänzenden Eigenschaften gleicht der
Montenegriner den Bewohnern des schottischen Hochlandes,
mit denen er aber in gleicher Weise den ungemessenen Stolz,
die malllose Selbstüberhebung und den Trieb zu inneren Fehden
teilt. Auch dem Gesetz der Blutrache huldigt er gleich jenem.—
Helle Lichter zeugen dunkle Schatten. — ■ Wie alle Berg-
bewohner ist der Montenegriner voll Mißtrauen gegen Fremde
und Fremdes. Listig sucht er seine wahren Absichten stets
zu verbergen, sein sonst so entschiedenes Wesen schreckt
dann selbst vor Heuchelei nicht zurück. Wo es sich um seinen
Vorteil handelt, erkennt er keines anderen Recht, scheut er selbst
den Raub nicht. Unmenschliche Grausamkeit ist dem Volke
zur Natur geworden. Verstümmelte und geköpfte Feindes-
leichen verdunkeln den Glanz seiner Siege. Möglich, daß das
blutige Beispiel der Türken hier in schauerlicher Nachahmung
sich widerspiegelt.
Die Kriegskunst der Montenegriner war in der Zeit um
die es sich hier handelt, jene aller Naturvölker. Ein absicht-
liches Zurückweichen des Zentrums sollte den Gegner zwischen
die Höhen locken, um ihn dann von den Flanken dem Wetter-
sturm gleich zu überfallen.
Bestimmte Signale leiteten sie im Kampfe, riefen sie
zur Vereinigung, um mit voller Wucht einen schwachen Punkt
des Gegpiers anzufallen und zu durchbrechen.
Unerschöpflich an List, kühn in allen Unternehmungen,
überraschend bei allen Überfällen, waren sie doppelt gefähr-
liche Gegner. Jeder einzelne wußte instinktiv die besten
Stellen zur Verteidigung zu wählen ; — dort hielt er uner-
schütterlich stand.
Nur beim Angriff über offenes Feld fand ihr Mut seine
Schranke. „Unerfahren und ungeschickt” nannten sie die
tapferen Jäger des 8. Bataillons, die kühn und furchtlos trotz
des heftigsten Feuers jene Steinwälle stürmten, die .sie ver-
bargen.
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170
S 6 m 0 k.
Dem Bajonett hielt das tapfere BergA'olk nicht stand.
Der moralische Mut war immer der Besieger des physischen.
Veranlassung des Konfliktes mit Österreich.
Die Ursache zu demselben liegt in der Geschichte der
Vergangenheit und dem durch diese bedingten Gröüeuwahn
des Volkes, liegt aber auch in den stolzen Plänen des
Vladika.
Die nächste Veranlassung gaben die Grenzstreitigkeiten
und die verhetzende Tätigkeit russischer Emissäre.
Schon in jener Zeit, als Dalmatien noch zu den Ge-
bieten Venedigs zählte, Montenegro dem Halbmond wenig-
stens nominell unterworfen war, blieb die Grenze zwischen
beiden Ländern stets eine schwankende. Auf der Karte
wiederholt fostgestellt, wurde sie in Wirklichkeit nie ein-
gchalten.
Die Übernahme Dalmatiens durch Österreich 1797, nach
dem Frieden von Campo Formio, schien den Hochländern
der günstigste Zeitpunkt, sich noch vor dem Eintrefl'en
kaiserlicher Truppen den Besitz der Ebene zu sichern und
neue Grenzen zu schaffen.
Der damalige Vladika Peter I. fiel unvermutet in das
Xachbarland ein und besetzte Budua sowie einen Teil des
Pastrovicchio. Die allgemeine Stimmung der Bewohner des
u.surpierten Gebietes, die sich für Österreich erklärten, zwang
ihn jedoch in der Folge, seine Erwerbungen dem abgesandten
österreichischen General Rnkawina zu übergeben.
Unmutig kehrte er in seine Berge zurück. Umsonst
blieben seine weiteren Bemühungen, von dem Kloster
Stanjevich aus die 2uppaner gegen den ,, Kaiser von Wien”
aufzuwiegeln. Zürnend rächte er sich, indem er Rußland zum
Protektor Montenegros erklärte. Damit hatte er für sich und
die folgenden Vladikas die Absicht proklamiert, einst doch
noch mit Hilfe Rußlands in den Besitz des umstrittenen Landes
zu gelangen — Montenegro bis zum Meere auszudehnen.
Als nach dem Frieden von Preßburg 1805 Dalmatien
wieder unter französische Herrschaft trat, rief Peter I. die
Russen aus Corfu zu Hilfe, besetzte Cattaro und beherrschte
trotz aller Angrifte Marmonts das Land, bis er es auf Kaiser
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Ropressaliengefechtc gegen die Montenegriner.
171
Alexanders Befehl nach dem Frieden von Tilsit wieder au
Frankreich abtreten mußte.
Trotzdem ließ er die Hoffnung nicht sinken seine Pläne
endlich zu verwirklichen. Sein Ehrgeiz kannte keine Ruhe,
seine Ausdauer keine Entmutigung.
Der Sturz Napoleons im Norden Europas eröffnete ihm
bald eine günstige Aus.sicht.
Rasch entschlossen sammelte er die kriegs- und beute-
frohen Scharen und schloß ein Bündnis mit den Bocchesen ’).
Vereint sollten beide die Franzosen aus dem Lande ver-
treiben, Montenegro und Cattaro für ewige Zeit verbunden
werden und einen Staat bilden, clessen Schutz sie den drei
Großmächten anvertrauen wollten.
Törichter Vladika ! Er war persönlich ein Held und ein
Marm von bedeutenden Geistesgaben, aber jene eigentümliche
Naivität seines Volkes, welche nur kennt, was ihm frommt und
anderer Rechte ganz vergißt, jene Naivität, die auch die
Verwicklungen 1838 herbeiführte, hatte er nicht abgestreift.
Wie konnte er denken, daß Österreich ihn im Besitz jenes
Landes schützen werde, das demselben nur der Friedensschluß
entrissen — !
An der Spitze seiner Czernagorer eroberte Peter in
rascher Folge Budua und das Fort S. Trinitä, sprengte
letzteres in die Luft und zernierte mit Englands Hilfe
Cattaro, das sich nach kurzem Widerstand ergab.
Damit war das Ziel seiner Wünsche, der Lieblingstraum
seines Volkes erreicht.
Man muß das Gefühl und Empfinden der Montenegriner
jener Zeit verstehen und würdigen, um ihre Haltung in der
Folge zu begreifen.
In Liedern glühender Begeisterung feierten sie den
ruhmvoll erstrittenen Erfolg. Das Meer, nach welchem sie
immer und immer von den Bergen sehnsüchtig herab-
geblickt, mit seinen grünenden Gestaden und den leuchtenden
Segeln, welche ihre Gesänge priesen, der freie Weg zu
Handel und Verkehr, zu Reichtum und Macht, war ihnen
erschlossen.
') Siehe Anhang III.
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172
S e m o k.
Unter all den bevorzugten Nationen hatten sie endlich
ihren Platz an der Sonne gefunden.
Doch nicht für lange ! Schon rückten österreichische
Truppen zur Besetzung Dalmatiens heran. — Wohl sträubte
sich der Vladika von der Beute abzulasson, wohl hiüte er
Rußlands Fahne auf den Mauern von Cattaro, zum äußersten
Widerstand bereit. Doch vergebens! England stellte sich
auf Seite Österreichs und damit war Cattaro, welches stets
dem BehciTscher der See zu eigen wurde, für ihn verloren.
Die Bocchosen verließen ihn und beugten sich dem neuen
Herrn. Ohnmächtig mußte der Vladika das Land dem General
Milutinovich übergeben. Ein zweites Mal hatte Montenegro
den heißersehnten und kühn erstrittenen Besitz an Österreich
verloren. — Eine Wunde, die nie vernarbte.
Die Czernagorer waren damit endgiltig in ihre Berg-
heimat zurückgewiesen, aber das leicht erregbare Volk träumte
weiter von seiner ephemeren Macht und sah in Österreich
nur den Usurpator der verlorenen Gebiete. Zum Schmerze
trat der Haß gegen dieses, der sich in heftiger Weise auch
gegen die Bocchesen wandte, die im entscheidenden Moment
des Bundes vergessen.
Von nun an blieben Grenzüberschreitungen, die Raub
und Plünderung im Gefolge hatten, an der Tagesordnung.
Wenn auch mitunter auf rechtliche Weise, durch Kauf und
Verkauf, setzten sich die Montenegriner doch meist durch
Gewalttaten allmählich in den Besitz eines großen Teiles des
Pastrovicchios und Dobrotas.
Vergeblich waren alle Versuche Österreichs, eine feste
Grenze und damit dauernde Ruhe zu schaffen. In dem Be-
streben möglichst korrekt und gesetzmäßig zu handeln, ver-
gaß es, daß das Recht stets und bei so wilden kriegerischen
Nationen um so mehr, in der Spitze des Schwerte.s liegt, daß
nicht künstlich erklügelte Paragraphen, sondern nur eine eiserne
Faust den Übermut und die Raubgier eines wilden Volkes
zu bändigen vermögen, vergaß es, daß es vitale Interessen
waren, welche Montenegro an das Meer drängten und daß
der Kampf ums Dasein in jeder Volksseele zu mächtig lebt,
um anders als durch drohende Vernichtung in Schranken
gehalten zu werden.
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Repressalient^efecht« cegon die Montenegfriner.
173
Die Stimme aller militärischen Betehlshaber und Organe
rief nach Gewalt, als der optima und ultima ratio, aber die
weisen Herren am Diplomatentische traktierten und versöhnten
so lange, bis die Katastrophe unvermeidlich schien und nicht
mehr durch den Todesmut der Truppen, sondern nur durch
die Zaghaftigkeit des Vladika im entscheidenden Augenblick
abgewendet werden konnte.
Schon 1820 versuchte Österreich durch einen Kontrakt
die Zession des von Montenegro usurpierten Gebietes von
Lositza zu erreichen. Der Vladika erklärte sich einverstanden,
doch als die Kommission zur Übergabe feierlich anrückte,
wurde sie von den Bewohner verjagt. Die Verhandlungen
zwischen Pastrovicchio und der Nahia Czerniezka 1823 hatten
den gleichen Verlauf und befriedigten nur die Diplomaten,
denn die territorialen Eingriffe der Montenegriner ließen
nicht nach und nahmen auch dann kein Ende, als 1835 mit
dem neuen Vladika Peter II. schriftliche Verträge über die
Grenzen beider Landstriche abgeschlossen wurden und die
Glavars diese bestätigten.
Trotzdem währten die Unterhandlungen fort, fort mit
einem Volke, das aller Verträge spottete.
Österreich suchte nun durch Vorlage der Original-
dokumente früherer Grenzbestimmungen Montenegro von
seinem guten Rechte zu überzeugen — das wilde Bergvolk, das
nur der Zukunft lebte, durch Vorlage längst vergilbter Akten!
Diesbezüglich war Oberst Caboga schon seit einer Reihe
von Jahren bestrebt, das nötige Material zu sammeln. Ein
mühevolles Beginnen ! — Der Sturz Venedigs, Frank-
reichs Invasionen, die Einfälle der Montenegriner, hatten
die bestandenen Archive größtenteils in Unordnung gebracht,
die Dokumente nach allen Richtungen zerstreut. Vielfach
waren dieselben in Privatbesitz übergegangen oder unter einer
Masse von Akten in Kellern vergraben. Es gelang nur einige
von entschiedenem Werte zu finden'). Dies waren bezüglich
des Besitzes von Lositza; Ein Pergament mit der goldenen
Bulle Stephans, des Kaisers von Serbien und Romanien aus
dem Jahre 1351, mit welchem dieser den Edlen von Cattaro
') H. H. u. St. A., Faszikel 9, Türkei-Greuzakte.
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174
S e XD e k.
alle alten Privilegien und Schenkungen seiner Vorfahren und
darunter ausdrücklich den Besitz von Mikacz und Lositza
zusiehert — ein Dokument, welches 1491 der venetianische
Rettore bestätigte.
Ferner eine Originalsenteiiz von l(i5ä, worin Lositza den
Spigliavinern und Scagliarinern zugesprochen wurde; endlich
ein Dekret des Proveditore Generale von Venedig aus dem
Jahre 1768, welches den gleichen Inhalt zeigte.
Bezüglich Pastrovicchios: Ein Instrument, betitelt: Vera
et giusta descrizione dei (Jonfini, che si trovano frä i Maini
Braichi, Montenegrini et Pastrovicchi fino Sutturmau, della
quäle una copia si ritrova nel Monasterio a Zettigne, e simili
nel Catastico di Cattaro. Dieses Instrument, durch Nicolo
Popovich, Canoelliera des Georgio Czernovich, Fürsten
von Montenegro, 1429 aufgestellt und gezeichnet, bestimmte
genau die Grenze zwischen Pastrovi6 und Montenegro. Seine
Authentizität war um so ausgesprochener, als noch 1823 die
Kommissäre des Vladika und jene von Pastrovic dieselbe
mit schiedsrichtlicher Sentenz vom 8. Oktober anerkannt
hatten.
Trotzdem war es eben die Regelung dieser Grenze,
welche besondere Schwierigkeiten bereitete, denn gerade in
Pastrovic hatten, wie erwähnt, die Montenegriner große
Gebietsteile usurpiert. ,, Diese Usurpation,” sagt Caboga in
seinem Bericht an den Militär- und Zivilkommandanton in
Zara, den FML. Grafen Vetter von Lilienberg, „ist fast
in allen Fällen das willkürliche Unternehmen einer einzelnen
Familie, wenn auch oft auf tatsächliche Forderungen
begründet.”
Indem sich in der Folge der ungerechtfertigte Privat-
besitz eines solchen eigenmächtig genommenen Grandes
verjährte, wurde er in den .\ugen des Montenegriners ein
legaler. Nun aber ging es über die Begriffe des letzteren,
so weit zu abstrahieren, um zu begreifen, daß der Angehörige
eines Staates auch ira fremden Lande Güter haben könne.
Er war daher rechtlich überzeugt, daß mit jeder Erwerbung
fremdländischen Bodens sich auch die Reichsgreuze ver-
schieben müsse.
Hierin lag ein Haupthindernis der Grenzregulierung.
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Repressalionf^efeohto gegen dio Montenegriner.
175
Dennoch hoffte Österreich noch immer, auf friedlichem
Wege zum Ziele zu gelangen. Als 1838 der angeordnete
stabile Kataster in seinen Arbeiten gegen das südliche
Dalmatien vorrückte, versuchte es, auf die angeführten Doku-
mente gestützt, neue Verhandlungen. Zu Beginn derselben
wurden, wie Hauptmann Oreskovieh *) sagt, den Mitgliedern
der Kommission ,, Sanftmut, Geduld und weise Nachgiebigkeit”
zur ersten Pflicht gemacht. Alle Streitigkeiten und Differenzen
sollten auf gütlichem Wege geschlichtet, im billigen Ausgleich
der davon berührten Gemeinden geordnet werden. Vergeblich!
Schon das erste Zusammentreffen machte die Hoffnung eines
endgiltigen Verständnisses illusorisch.
Die Montenegriner erschienen in Waffen, venvarfen ohne
Prüfung alle geometrischen Aufnahmen, Dokumente und
Grenzmarkierungen aus der venetianischen Epoche und gaben
klar zu verstehen, daß es der Zweck ihrer Ausbreitung sei,
das Meer zu erreichen. Keinen Fußbreit Landes wollten sie
abtreten und waren höchstens geneigt, den Besitz strittiger
Gründe der Entscheidung eines Zweikampfes anzuvertrauen.
Dennoch gelang es, die Grenzlinie teilweise festzustellen,
indem jene Flächen, welche keinen Anbau erlaubten, an deren
Wahrung also den Montenegrinern wenig gelegen war, ab-
gemarkt, die Greuzbestimmungen für die übrigen aber einer
späteren Übereinkunft Vorbehalten w'urden. In mühevoller Arbeit
und stetem Streite wurde endlich Castellastua erreicht. Von hier
aus sollte die Feststellung der Grenze Pastroviochios erfolgen.
Die Bezeichnung Pastroviccbio umfaßte jenen Landstrich^),
der westlich zwi.schen S. Stefano und der Kuppe Golivrch
beginnt und seiner Längsrichtung nach nördlich von Monte-
negro, südlich von der Adria begrenzt wird, im Osten aber an
Türkisch-Albanien stößt.
Seine Länge beträgt fast zwei geographische Meilen,
seine Breite, an der Westgrenze beiläufig ’.h ^Meilen, sinkt
') War frülier mUitärischer Agent in Cettiiije. 1838 war er proto-
koUfübreiider Adjutant Lilienborgs. iH. H. u. St. A., Faszikel 9,
Türkei Grenzakte : Memoire des Ilauptmaun Oreskovicli.)
Bericht des Majors Po.schaclier, Kommandanten des 8. Jäger-
batailloua (nach Roßbach), vom 12. September 183,8. (R. K. M., Registr.
1838, Pracs. Nr. l.')29C).
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176
S e m e k.
bei Castellastua gegen die montenegrinische Grenze bin, auf
4000 Schritte (Luftlinie) herab; wobei als solche die Planina
pastroviechiana in Betracht gezogen ist, in deren Besitze sich
Montenegro, wenn auch nicht de jure, so doch de facto
befand. Die Bewohner Pastrovicchios sind Nachkommen jener
Kriegsgenosson Venedigs, die als Seefahrer einst mächtig,
eine eigene Regierung besaßen und laut venetianischen
Gesetzes berechtigt waren, aus den ersten Familien der
Republik ihre Frauen zu wählen. Kriege und Kämpfe hatten
sie dezimiert, ihren Wohlstand vernichtet. Ihr stolzer kriege-
rischer Sinn erstarb in der Armut.
Der Besitz dieses Landstriches bot eine schwierige
Frage, denn die Planina pastroviechiana war verhältnismäßig
reich an fruchtbaren Gründen, gehörte mit Recht zu Öster-
reich und war für dieses von militärischer und wirtschaftlicher
Bedeutung.
Kaum näherte sich die Kommission dem Grenzort Novo-
selo, als gegen 1000 Montenegriner über die Grenze stürmten
und den Berg Kopaez hart vor Novoselo besetzten. Ver-
gebens sandte die Kommission an die Häuptlinge, um sie
zu friedlicher Auseinandersetzung einzuladen. Sie weigerten
.sich zu erscheinen. Erst auf Intervention des Bruders des
Vladika folgten sie langsam und widerwillig dem Rufe.
Trotzig und zum Kampfe bereit, traten sie der Kommission
entgegen. Ungestüm verwarfen auch sie die ihnen vorgelegten
Dokumente und leugneten keck ihre eigenhändigen 1835 aus-
gestellten Unterschriften. „Montenegriner, ehe ich zugebe,
daß ihr die Pastrovicebia planina verliert, soll diese Pistole
meinem Leben ein Ende machen 1” hatte ihnen vor der Unter-
redung Pero, des Vladika Bruder, zugerufen und zur
Bekräftigung sich die Pistole an den Hals gesetzt*)-
Die Häuptlinge wußten sich also nicht nur im Einverständ-
nis mit dem Volke, sondern auch, was mehr galt, mit dem
Führer desselben, dem Vladika. Hatte letzterer gleich mit
größter Bereitwilligkeit und scheinbarem Entgegenkommen
der Entsendung der Kommission zugestimmt, so hatte er es
') R. K. JI., Bogisti-. 1838, Praes. Nr. 1286 und H. H. u. St. A.,
Faszikel 9, Tttrkei-Grenzakte.
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nepreasaliengefecbte gegen die Montenegriner.
177
andererseits nicht unterlassen, die hier in Rede kommenden
Grenzbewohner (der Czerniczka Nahia) aufzuhetzen. Gerade diese
Xaliia war ja sonst Österreich freundlich gesinnt und haßte
den Vladika. Hatte sie doch früher Schritte getan, um unter
Österreichs Schutz zu treten. Dem Vladika blieb dies unver-
gessen und nun bot sich von selbst die Gelegenheit, beide zu
entzweien und dabei die Sympathien der Nahia zu gewinnen.
Wie hätte er diese nicht benützen sollen! Er wußte, daß der
Montenegriner die Verteidigung auch des illegalen Besitzes
als Ehrenpunkt betrachtet, daß er bereit ist Blut und Leben
dafür zu opfern und er kannte die Gesetze der Blutrache.
Seine Absichten fordernd, machte sich der Einfluß des
rassischen Hauptmanns Kowallsky geltend, der den Leuten
die fiir das Weiderecht zwischen den Dörfern in die Felsen
gehauenen Kreuze auf österreichischem Gebiet als eigentliche
Grenze bezeichnete.
Solchen Schwierigkeiten gegenüber mußten alle weiteren
Verhandlungen abgebrochen und einem späteren Zeitpunkt
Vorbehalten werden.
Der Vladika regte deren Beginn selbst an. Im Einver-
nehmen mit dem Kreisvorsteher von Cattaro bestimmte er
den 23. Juli für deren Wiederaufnahme und sagte sein per-
sönliches Erscheinen zu.
Hierin, doch nur hierin, hielt er Wort, in allen anderen
Fragen hatte er bald seinen Sinn geändert. Kaum war er zu
bewegen, eine kleine Anhöhe zu besteigen, um das strittige
Gebiet zu überblicken ; die Dokumente, welche ihm vorgelegt
wnrden, wies er zurück. Ihrer mündlichen Wiedergabe konnte
er .sich allerdings nicht entziehen, doch obwohl gezwungen
ihre Authentizität anzuerkennen, verwarf er sie mit der Be-
gründung, daß Zeit und Verhältnisse sich indessen geändert
hätten. Montenegro sei derzeit im faktischen Besitz des Bodens
und werde sich denselben nicht nehmen lassen, — er müsse
sich hierin dem stürmischen Verlangen seines Volkes beugen.
Umsonst waren alle weiteren Vorstellungen, alle Gründe.
Selbst jene Linie, welche die Sanitätswachhäuser markierten,
wollte er nun als Grenze nicht anerkennen.
Wieder schied die Kommission ohne Resultat, wieder
nahm sie das Versprechen künftiger Fortsetzung der Ver-
Uitteilungen des k. und k. Kriegsnrehivs. Dritte Fol,fC. IV. Ild. 12
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S e m 0 k.
handlungen als Beruhigung der Diplomatie mit. Der Vladika
versprach einstweilen seine Untertanen zu besänftigen und
zum Frieden anzuhalten.
Hart ist es hier Geschichte und keine Satire diplomati-
scher Tätigkeit zu schreiben.
Damit war aber eine Situation geschallen, die beim ge-
ringsten Anlaß zu Feindseligkeiten fuhren mußte.
Stärkerertaältnisse und Terrainverhältnisse fiir den Kampf
zwischen Österreich und Montenegro.
Die Stärkeverhältnisse Österreichs in jener Gegend waren
ungünstig, die Zahl der Truppen eine geringe. Alle Garni-
sonen und Posten dependierten vom Generalkommando zu
Zara, welches FML. Graf Lilienberg als Haupt der Militär-
und Zivilbehördo innehatte').
Von den im Pastrovicchio gelegenen Posten (Casetten)
waren S. Stefano mit 77, dessen Dependenzen Marovich
mit 29, Spiridiono mit 12, Oradienizza mit 12, Gomila mit
17 Mann der 2. Kompagnie; Castellastua mit 74, dessen De-
pendenzen, Novoselo mit 4fi, Vidrak mit 17, Gospodia, Zmilova-
Uliza, Vietemo-Gumno je mit 5, das Blockhaus mit 13 Mann
der 1. Kompagnie des 8. Jägerbataillons besetzt.
Fine Jägerkompagnie lag in Braici, Pobori und Maini,
eine weitere in Podmaini. Auf die Mithilfe dieser beiden war
bei kriegerischen Verwicklungen im Pastrovicchio nicht zu
rechnen, sie waren für den Schutz ihrer Aufstellungsorte un-
entbehrlich.
Unterstützung konnten nur Budua, das von einer .läger-
kompagnie und einer Kompagnie des 2. Bataillons vom In-
fanterieregiment Erzherzog Friedrich (jetzt Nr. 16) besetzt
war, und Cattaro gewähren, iu welchem gleichfalls eine Jäger-
kompagnie und dreieinhalb Kompagnien desselben Bataillons
von Erzherzog Friedrich garnisonierten.
Der Kommandant des Jägerbataillons war Oberstleutnant
Roßbach, jener des Infanteriebataillons Major Guolfinger.
Als Brigadier fungierte GiM. Turski.
*) Anhang I und II.
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Represaaliengefeohte gegen die Montenegriner.
179
Ai'tillerie stand im bedrohten Raume nicht zur Ver-
fügung. Kanonen konnten daselbst der Terrainschwierigkeiten
wegen nicht fortgebracht und verwendet werden und dem
eifrigen Bemühen des Oberstleutnants Roßbach um die
Absendung wenigstens einer halben Raketenbatterie") stellte
man sich ablehnend gegenüber.
Die Lage der einzelnen Casetten war nicht mit Rück-
sicht auf einen eventuellen Angrifi', sondern nur auf die
Durchführung des Sanitätskordons gewählt. Sie lagen an den
Weglinien, am Fuße oder doch an den Abdachungen der
Höhen. Das Material war Holz, der Zustand verwahrlost. Sie
auf längere Dauer zu halten, erschien, abgesehen von ihrer
geringen Widerstandskraft, schon aus dem Grunde unmöglich,
weil es an Wasser und Lebensmitteln fehlte. Beide mußten
vom Meere her zugeführt werden.
Die Zahl der Mannschaft in den Posten längs der Grenze
war so gering bemessen, daß, Novoselo ausgenommen, keiner
den anderen unterstützen konnte. Itn Falle eines Angriffes
mußte die Hilfe von Castellastua oder S. Stefano abgewartet
werden.
Die räumliche Gruppierung, respektive die Distanz-
verhältnisse der Posten zu- und voneinander waren folgende “) :
Von ihrem Haupt- und UnterstUtzungspunkt S. Stefano
lagen: Marovich l'A, Oradienizza ß'/'j, Gomila 4"'2 Stunden,
von Castellastua; Novoselo 2, Vidrak 4 Stunden entfernt.
Untereinander betrug die Strecke Marovich — Oradienizza
2, Oradienizza— Gomila 1, Gomila — Vidrak 1, Vidrak — Novo-
selo 2 Stunden.
Verstärkungen aus Ragusa, Spalato, Castelnuovo und Zara
heranzuziehen, war wohl möglich, doch bis zu deren Ein-
treffen konnten die Montenegriner sich leicht in den Besitz
des ganzen Landstriches setzen. Traf doch die Meldung über
die am 2. August vorgefallenen Unruhen mit abenteuerlicher
Schnelle erst am 7. August in Zara ein, zu einer Zeit also, wo
die kühnen Truppen Roßbachs bereits vernichtet gewesen
*) Meldung vom 13. Juli 1838. (E. K. M., Eegi.str. 1838, Praes.
Xr. UOO 1401, 1402.)
’J Uelation Poschachers. (Ebenda, Praes. Nr. 1529.)
12*
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180
8 o m e k.
wären, hätte ihre Existenz von weiterer Unterstützung abge-
hangen.
Allerdings stand den Truppen die sogenannte Territorial-
miliz ergänzend zur Seite.
Von dieser konnte aber bei einem plötzlichen Angrilf
auf das Pastrovicchio nur jene aus den Landstrichen von
Türkisch-Albanien bis Cattaro in Betracht kommen, aber auch
hievon mußten noch die Pastrovicchianer als persönlich be-
droht, zur Verteidigung ihrer Höfe, zu Xachschubsdiensten für
Munition und Proviant und hauptsächlich mit Rücksicht auf
die Gesetze der Blutrache, wohlweislich schon im vorhinein
ausgeschaltet werden *).
Die Institution der Territorialmiliz verpflichtete die
Bewohner Dalmatiens, sich im Falle es die Verteidigung des
Landes galt. zum Kriegsdienst zu stellen und an der Seite
der k. k. Truppen zu kämpfen. Sie wurden dann nach Bedarf
von der politischen Behörde aufgeboten und in Abteilungen
unter nationalen Befehlshabern rangiert — trugen die eigenen
Waflen und erhielten Patronen.
War es irgend möglich, so suchten sich die Leute dem
Aufgebot von Haus aus zu entziehen oder desertierten, zumal
bei einem Kampfe gegen ^Montenegro mit dem viele von ihnen
Bande des Blutes und des Glaubens verknüpften. Manche hatten
aber auch der siegreichen Kämpfe nicht vergessen, die sie
gemeinsam mit jenen gegen die Franzosen geführt.
Diesen teils schwachen, teils schwankenden Kräften
(jsterrcichs — zusammen lO'/s Kompagnien mit zirka 1700
Mann und 700 Terrieri — gegenüber verfügte Montenegro bei
einer Volkszahl von 100.000 Seelen über 20.000 Kämpfer.
Waren diese auch nicht an der Grenze versammelt, so
konnten sie doch binnen drei bis vier Tagen vollzählig dort
eintreffen.
Wenn der kühne Serdar au der Grenze Pastrovicchios,
der Chef der Czerniczka planina, der ungestüme Marko
Plomenaz zum Streite rief und die Kriegsfahne vom Dach-
first seines Fahnenträgers weithin sichtbar im Winde flatterte,
') ..\uch auf die übrigen war wenig Verlaß, schon deshalb, weil
sie vielfach dUOO in diesem Gebiet) Glaubensgenossen der Monte-
negriner waren. (R. K. M., Registr. 1838, Praes. Nr. 1400, 1401, 1402.)
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Rcpressaliengefuchio gugon ilie Montenegrinor.
181
dann erscholl der Kriegsruf aller, die sie erblickten, von den
Höhen und Gipfeln der Berge über die Hänge in die stillen
Täler und aus allen Marken des Landes eilten die Krieger
herbei.
In kurzer Zeit war die Umgebung, war die ganze Xahia
nm den Führer geschart. Den kargen Vorrat, den jeder für
die ersten Tage brauchte, trug er mit sich, den Nachschub
besorgten die' Frauen, im fremden Lande winkte die Beiite.
Wo blieben da die Hemmnisse, wo der schwerfällige Troß
moderner Armeen?
Aber nicht nur die Truppenzahl, auch die Konfiguration
des Terrains und dessen schwierige Gangbarkeit sicherte den
Montenegrinern jeden Vorteil.
Das Pastrovicchio bildet eine stetige Abdachung bis
gegen die Küste, welche nur einzelne bebaute Terrassen unter-
brechen, so daß ein Angriff österreichischerseits stets den Kampf
gegen beherrschende Höhen bedingte, während einem Einfall
der Montenegriner die dominierenden Punkte zu Gebote
standen.
Die Vertrautheit mit dem Gelände und die physische
Gewandtheit in Überwindung desselben, die durch Beschuhung
und Kleidung und den Mangel jeder beschwerenden Aus-
rüstung unterstüzt wurde, stellten dem Hohn der Berge jede
Einbruchsstelle frei, während die kaiserlichen Truppen an die
wenigen Kommunikationen gewiesen blieben. Kommunika-
tionen, die stellenweise für sie ungangbar, ihren Fortschritt
hemmen oder unmöglich machen mußten.
Aus Montenegro führten vier Steige nach dem Pastro-
•dcchio *).
Der erste von Uterg über den Paß Östren nach Gomila.
Hier teilte er sich nach drei Richtungen. Die eine leitete
nach der Comune Braici und weiter nach Budua oder über
Pobori gegen Cattaro, die andere über Oradienizza, S.Spiridione,
Marovich nach S. Stefano, die dritte über Vidernak, Vidrak,
durch den Paß zwischen den Bergen Spass und Kopacz, nach
Novoselo und Castellastua. Von diesen war der Weg nach
Braici und Vidernak schlecht, stellenweise nur mit Lebens-
Relation Poschaohers. (R. K. M., Registr. 1838, Praes. Nr. 15'29.)
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8 e m o k.
gefahr zu passieren, jener über Marovich nach S. Stefano
ziemlich benützbar. Eine zweite Verbindung führte von
Optochichi nach Vidrak, wo sie sich jener von Gomila her
anschloC.
Ein dritter Weg leitete von Bercselli (BrCeli) über den
Kopacz nach Novoselo.
Von diesem zweigten kaum gangbare Pfade einerseits
über die südliche Lehne des Kopacz und des Scalizza-Stognina
gegen jene Schlucht, durch welche man den Grenzpunkt von
Österreich, Montenegro und Türkisch -Albanien, „Treconfini”
(l’rirogga), en-eichte; andererseits über Grabovizza, Ressevizza
(Resevich) nach S. Stefano. Ein vierter führte von Gluida
über die Bergkuppe Scalizza gegen Sv. Gospodia und weiter
gegen Uliza und das Blockhaus oder gegen Vietcrno Gumno.
Von allen diesen Annäherungsliuien bot jene über
Gomila dem montenegrinischen Vormarsch die beste Gewähr
des Erfolges, da sie den Besitz der anderen sicherte. Zunächst
dann war jene über Bercselli von Wichtigkeit, da sie die
Vorrückung über Novoselo nach Lastua und damit den Besitz
des ganzen Küstenstriches erschloli.
Der ungünstigen Situation, in der sich Österreich Monte-
negro gegenüber nach jeder Richtung befand, war man sich
in den militärischen Kreisen allgemein bewußt, aber es ging
ganz über die Fassungsgabe der diplomatischen Machthaber jener
Zeit, sich irgendwie vorzustellen, daß das kleine Montenegro
es wagen werde, gegen das große Österreich aggressiv zu
werden. Man war noch verblendet von den längst ver-
rauschten Erfolgen gegen Napoleon und gefiel sich in der
Rolle des Löwen an Furchtlosigkeit und Großmut.
Die Entnüchterung kam rasch !
EröfTiiung der Feiiid.seligkeiten. Gefechte vom 2. bis 7. August
Die erste Veranlassung ziun Ausbruch der Feindselig-
keiten gab die Aufstellung eines vom Winde umgestürzteu
Triangnlierungszeichens am Berge Troica*). Bisher hatte diese
schon wiederholt nötig gewordene Arbeit die Montenegriner
kalt gelassen. Nun aber wollten sie darin eine eigenmächtige
') I’aiä und Scherb, Die Czemagora.
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Represflalienirefeohte gegun die Montenegriner.
183
Grenzbestimmung erblicken — das schürte die mühsam
zmückgehaltene Leidenschaft zn hellen Flammen. Erst ver-
suchten einzelne, die Arbeiter abzuschaften ; als dies vergeblich
war, riefen sie ihre Stammgenossen herbei, welche iiun die-
selben durch herabgerollte Steine verscheuchten, die beiden
zum Schutze mitgegebenen Jäger überfielen und gefangen-
nahmen. Eine rasch aus Gomila herbeigeeilte Patrouille mußte
vor dem seitens der Montenegriner eröfiheten Gewehrfeuer
zurückweichen. Damit hatten die Feindseligkeiten begonnen,
die sich bald darauf gegen die von den Truppen besetzten
Objekte richteten; vorerst gegen Vidrak. Eigentümlicherweise
war es ein Weib, welches dieselben erötfnete. Von einem
Manne, den sie mit ihrem Leibe deckte, gefolgt, suchte eie
die Casette in Brand zu stecken. Zwei Schüsse streckten beide
zu Boden ').
Da wurde es rings in den Bergen lebendig — aus den
schützenden Felsblöcken tauchten Hunderte von Monte-
negrinern auf und sprangen im wilden Ansturm über die
Felsen herab, gegen die Posten Gomila und Vidrak. Der
Angriff war eben schon vorher geplant, er hatte nur des Zeichens
zum Beginn geharrt!
Gefechte am 2. August*).
Es war um 12 Uhr mittags des 2. August. Von allen
Seiten umfaßt, alarmierten beide Posten die ganze Linie,
doch nur von Lastua oder S. Stefano konnten sie auf Hilfe
hoffen, bis zum Eintreffen dieser blieben sie der eigenen
Kraft, dem eigenen Mute überlassen.
Vor allem erschien Vidrak gefährdet. Am Fuße des
Berges gelegen, war die Wachhütte von diesem und den
benachbarten Höhen dominiert.
Der ünterjäger Karl Maukner, W'elcher dort befehligte,
ließ sofort, als er den .Angrifl’ erkannte, das Tor schließen
und forderte seine Leute zum äußersten Widerstand auf. Die
mutige Besatzung war bereit eher zu sterben, als den Posten
*) Nach Paic wäre es erst am :5. geschehen, nach der militä-
rischen Relation, K. A., F. A. Ropressaliengefochto 1838, VIII, ad 7,
werden beide schon mit 2. August unter den Toten angeführt.
’) Hiezu BeUage 3.
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184
S e m e k.
zu übergeben. Umsonst rollten die Montenegriner ganze
Steinlawinen herab, umsonst erschöpften Hunderte der wilden
Bergsöhne List und Gewalt. Nichts vermochte die ent-
schlossene Tapferkeit der Jäger zu brechen. Mehr als zwei
Stunden hielten diese unentwegt den wütenden Anfällen stand,
bis endlich die flatternden Federbüsche der Kameraden von
Novoselo aus dem Dickicht tauchten — Hilfe in höchster Not.
Oberleutnant Landtmann führte sie (zirka 30 Mann) in
eiligem Marsche heran. Eine geringe Kraft gegen den über-
mächtigen Feind. Schritt für Schritt erkämpfte sich die
Abteilung den Weg gegen die Hütte, aber für einen kräftigen
Ansturm war sie zu schwach. — Da riß in richtiger Erkenntnis
der Lage der kühne Maukner das Tor auf, stürzte an der
Spitze seiner Schar gegen die Montenegriner und schuf so
der Unterstützung Luft. Mit schallendem Hurra warf sich
diese nun auf den verwirrten Feind. Überwältigt flohen die
Czernagoren in den Schutz der Berge. Vidrak war erhalten
und damit der Durchbruch des Zentrums der Postenkette ver-
eitelt und mehr noch, der Weg, welchen die Verstärkungen
aus Budua gegen Novoselo und den Kopacz oinschlagen
mußten, gesichert. Ein Ergebnis von entscheidender Bedeutung
für die Folge. Oberleutnant Landtmann drängte den Gegner
bis über die Höhe und ließ dann den Oberjäger Jöchlinger
mit 27 Mann zur Besetzung derselben sowie des Postens
zurück. Ein rasch improvisierter Steinwall schützte erstere
vor plötzlichem Überfall. Er selbst eilte nach Novoselo, um
das wichtige Defile zw'ischen den Bergen Spass und Kopacz
zu besetzen.
Unterdessen w'ogte auch um Gomila ein heißer Kampf,
dem dann gleichfalls die Unterstützung der 1. Kompagnie aus
Lastua ein vorläufiges Ende machte, indem sie die Monte-
negriner zurücktrieb und sich des vorliegenden Berggipfels
bemächtigte. Später erschien, durch den Hauptmann Spanner
geführt, Hilfe aus S. Stefano und Budua, welche die Abteilung
der 1. Kompagnie ablöste und den Besitz Gomilas sicherte,
doch währte das Geplänkel bis gegen 9 Uhr abends.
Die Verluste iu beiden Gefechten waren üsterreichiscber-
seits unbedeutend. Leutnant Stravolino und zwei Jäger der
1. Kompagnie wurden verwundet, ein Jäger blieb tot.
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Uepressaliengefochte gegeu die Montonogrinf^r.
185
Oberstleutnant BoHbach, von dem Angriflf auf Vidrak
und Gomila in Kenntnis gesetzt, hatte sofort aus Budua die
5. Kompagnie (Hauptmann von Speck) und die halbe
4. Kompagnie (Hauptmann von Langenau) seines Bataillons
zur Unterstützung der Posten Gomila, Spiridione und Oradie-
nizza unter Hauptmann Spanner vordirigiert. Die zweite
Hälfte der 4. Kompagnie beorderte er nach Marovich, einen
Zug der 8. Kompagnie (Hauptmann Frank) des 2. Bataillons
von Erzherzog Friedrich-Infanterie nach Novoselo.
Er selbst eilte von Cattaro über S. Stefano nach Gomila,
nachdem er dem zurückbleibenden Kommandanten des 2. Infan-
teriebataillons, Major Guolfinger, den Befehl erteilt hatte,
mit seinen 1 Vs Kompagnien und der 6. Jägerkompagnie nach
Budua abzurücken, die dortige eigene 8. Kompagnie über
Zukovizza nach Novoselo zu senden und das Defile Spass —
Kopacz zu besetzen.
Nähere Dispositionen stellte er nach seinem Eintreffen
am Kampfplatz in .Aussicht. Die Sachlage werde entscheiden,
ob er die vom Generalkommando ein für allemal gegen
montenegrinische Übergriffe angeordneten Repressalien über-
haupt und wenn, in welchem Umfang er sie durchführen
könne.
Die Meldungen Roßbachs über die Ereignisse vom
2. August und seine infolge derselben erteilten Dispo-sitionen
langten erst am 7. August beim Generalkommando zu Zara ein.
Die Anordnungen, welche dieses verfügte, waren für die
weitere Entwicklung ohne Wert, da der Kampf an diesem
Tage bereits beendet war ’).
’) Die Verfügungen waren futgcnde : 7. August: Eine Kompagnie
-Mayer-Infanterie wurde aus ßagusa nach Castclnuovo beordert, um die
dortige Kompagnie Friedricli abzulösen. Letztere sollte nach Cattaro
abgehen ; eine halbe Raketenbatterio und eine eventuelle Verstärkung
aus dem nächsten kroatischen Gronzregiment wurden vom Hofkriegs-
rat erbeten. — Unterdes.sen hatte der G.VI. Tursky schon vorher
(4.' die Kompagnie Mayer aus Ragusa nach Cattaro instradiert, die
tiendung von .'lO.tKX) Patronen für die Truppe, von 80.000 für die Terrieri
angeordnet, den Nachschub an Lebensmitteln eingeleitet. 9. August:
Auf die Meldung ßodbachs vom 4. August, daß der Kampf größere
Dimensionen angenommen, disponierte das Generalkommando fünf
Kompagnien des 20. Jägerbataillons nach Cattaro und ließ die von diesem
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186
K e m o k.
3. August.
Oberstleutnant Roßbach traf am Vormittag des 3. August
bei Gomila ein und besichtigte die Stellung, in welche indes,
wie aus dem weiteren Verlauf hervorgeht, die 2. Jägerkom-
pagnie — nach Übernahme der Posten Spiridion, Oradienizza
und Marovich durch die 4. Kompagnie — eingerückt war. Von
der Zweckmäßigkeit der Besetzung überzeugt, verstärkte er
dieselbe durch einen Teil der 4. Kompagnie und stellte die
ganze Linie bis S. Stefano unter Kommando des Hauptmanns
Spanner. Die 5. Kompagnie führte er, für seinen rechten
Flügel besorgt, persönlich nach den Bergen Spass und Kopacz,
um deren Besitz die Abteilungen der 1, Jägerkompagnie und
der dahin gesendete Zug von Erzherzog Friedrich in ungleichem
Kampfe mit den Montenegrinern rangen.
Kaum bemerkte der Gegner den Abmarsch Roßbachs,
als er sich in wütendem Ansturm gegen Gomila warf, fest
entschlossen, um jeden Preis die Aufstellung daselbst an
der rechten Flanke zu durchbrechen und der abmarschierenden
5, Kompagnie in den Rücken zu fallen. Hauptmann Spanner
entsendete rasch alle verfügbaren Kräfte an den bedrohten
Punkt und wieder scheiterte an dem Mute und der Kraft
der Verteidiger die tolle Kühnheit, an deren Kaltblütigkeit
der rasende Angritf der wilden Leidenschaft des Gegners.
Unvermögend hier durchzudringen, wandten sich die
Montenegriner nun gegen die linke Flanke Spanners.
Von dem Berge Troica herab wälzten sie mächtige
Steinmassen und überschütteten die .Jäger mit mörderischem
Feuer. Aber weder die niederschmetteniden Felsblöcke, noch
das tödliche Blei vermochten den Mut dieser und der geringen
Zahl mitfeehtender Pastrovicchianer zu erschüttern.
an der türkischen Grenze innegehnbten Posten durch zwei Kompagnien
Mayer aus Zara besetzen. 11. .August betuhl das Generalkommando
weitere zwei Kompagnien Slayer nach dem Kampfplatz einzuschiffeu
und ließ Cattaro notdürftig mit Geschützen armieren (8 Dopi)el-
haken, 2 zehnpfündige Haubitzen). 12. August: Auf die Nachricht
vom Priodeusschluß wurden die in Marsch gesetzten Kompagnien
des 10. JägerbataiUons zurückberufen und die Einbarkierung der
Division Mayer eingestellt. Die Kompagnie Mayer, welche General
Tnrsky aus Ragusa berufen, hatte er bereits am 8. wieder dahin gesendet.
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RepresiHÜengefuchte die Montenegriner.
187
Nochmals machte die Naclit dem Kampfe ein Ende. Die
Montenegriner zogen sich ins Gebirge zurück. Gomila blieb
im Besitz der Kaiserlichen.
Aber auch Vidrak blieb es !
Dort hatte unterdessen ünterjäger .Töchlinger mit seiner
kleinen Schar die Wachhütte und den Steinwall auf der Höhe
gegen alle Angriffe gehalten. Von allen Seiten umschlossen,
spornte er durch Zuruf seine Leute an. Ruhig und besonnen
erteilte er im heftigsten Feuer seine Befehle.
Vierundzwanzig Stunden blieb die Mannschaft ohne
Nahrung, ohne Wasser, bis es einer Schleichpatrouille gelang,
sich nach S. Stefano durehzuschlagen und Lebensmittel herbei-
ziischaffen.
Oberstleutnant Roßbach war mit der 5. Kompagnie
um 12 Uhr mittags in der Nähe des Berges Spass angelangt.
Heftiges Gewehrfeuer zeigte ihm die Abteilungen der 1. Kom-
pagnie und den Infanteriezug in furchtlosem Kampfe mit
dem weit überlegenen Gegner, der bereits die Höhen des
Kopacz besetzt hielt und dem Eingang des Ortes Novoselo sich
näherte. Kaum 200 Mann kämpften gegen mehr als 2000. Rasch
entschlossen entwickelte er die Kompagnie zum Gefecht und
griff, gegen den gegnerischen rechten Flügel vorgehend, diesen an.
In die Kette aufgelöst eilten die .Jäger vor, bis zur
normalen Distanz für den Sturm. In diesem Augenblick ließ
Roßbach das Signal hiezu geben. Die steile Böschung
hinderte den Anlauf. Schritt fiü' Schritt, unbeirrt durch das
Feuer, drang Mann neben Mann vor, bis in die Stellung der
Montenegriner. Im Nu war dieselbe mit dem Bajonett ge-
säubert. Doch nochmals sammelte sich der Gegner auf einer
rückwärts gelegenen Kuppe. Roßbach ließ eine halbe Kom-
pagnie gegen ihn vorrücken, ralliierte die andere halbe als
Reserve und befahl ihr, der ersten zu folgen. Wieder wurde
die Stellung mit dem Bajonett genommen.
Die Höhe des Kopacz war endgiltig erstürmt. Verwirrt
flohen die Montenegriner auch hier in die Berge. An allen
Punkten waren sie entscheidend znrückgewiesen, die Ehre
des Tages blieb den kai.serlichen Truppen.
Unterdessen war auch die 8. Kompagnie von Erzherzog
Friedrich aus Budua bei Novoselo eingetroffen.
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188
S e m e k.
Den Ereignissen des Tages entsprechend, sendete
Roßbach an Major (xuolfinger den Befehl, mit der 6. Jäger-
kompagnie gleichfalls nach Novoselo zu marschieren, eine
Infanteriekomijagnie jedoch als Ersatz der 5. Jägerkompagnie
nach Gomila zu dirigieren.
Major Guolfinger disponierte die 10. Infauteriekom-
pagnie nach Gomila; mit der 7. und der 6. Jägerkompagnie
eilte er nach Novoselo.
4. und 5. August.
Die Kräfte, welche am 4. für die Fortsetzung des
Kampfes zur Verfügung standen, waren am linken Flügel
unter Hauptmann Spanner die 2. und 4. Jäger-, dann die
10. Infanteriekompagnie (letztere aber nicht komplett), am
rechten Flügel unter Major Guolfinger die 1., 5., 6. Jäger-,
dann die 7. und 8. Infanteriekompagnie. Ferner die vom
Kreisvorsteher zu Cattaro zu Hilfe gesendeten Terrieri des
Cattarenser, Mokriner und Zuppaner Kreises (zirka 700).
Auf die 1. Kompagnie war bei einem Vorgehen gegen die
Montenegriner nicht zu rechnen, da diese größtenteils in den
ihr zugewiesenen Posten verteilt war und bleiben mußte.
Der 4. und 5. August verliefen ohne feindlichen Angriff.
Das günstige Ergebnis der Gefechte am 3. bestärkte
Roßbach in dem Entschluß, mit den verfügbaren Kräften
eine allgemeine Repressalie gegen montenegrinischen Besitz
durchzuführen.
Die Nachricht, daß die Spizzanotten für den 6. August
einen Einfall in Montenegro j)lanten, bewog ihn, die Unter-
nehmung für diesen Tag anzuordnen. Der Zweck war, in
möglichster Ausdehnung Hab und Gut des Gegners zu ver-
nichten und hiebei denselben mit Waffengewalt zu verhindern,
sich der Durchführung zu widersetzen.
Für ersteres standen die Terrieri, für letzteres die Truppen
zur Verfügung.
Seiner Absicht zu entsprechen, mußte Roßbach einzelne
Kolonnen in montenegrinisches Gebiet senden, um einen
genügend ausgiebigen Raum zu okkupieren. Gleichzeitig war
es von Vorteil, eine stärkere Abteilung gegen Süden zu
dirigieren, die den Einfall der Spizzanotten unterstützen konnte.
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Reprossaliengefecbte gegen die Montenegriner.
189
Eoßbach erließ schon am 5. folgende Disposition, deren
Vollzug mit Anbruch des 6. auszufiihren war:
„Da verschiedene Terrieri aus der 2uppa, Cattaro und
Mokrine diese Expedition mitmachen und besonders zur Ver-
heerung der Felder und Häuser verwendet werden, so sind
überall unsere Truppen eingeteilt, um denselben den Weg und
die Lokalitäten zu zeigen, daher selbe beizeiten von den Ab-
teilungskommandanten an sich gezogen und belehrt worden
müssen”.
„Überhaupt muß sich alsogleich jeder Kommandant einer
gemischten Augriffskolonne seine hier ausgesprochene Auf-
gabe herausschreiben und sich pünktlichst darnach benehmen,
damit womöglichst der ganze Plan in Übereinstimmung aus-
geführt werde. Es versteht sich von selbst, daß beim Ein-
treten außerordentlicher Ereignisse ein jeder sich nach Um-
ständen benehmen wird, ohne jedoch das Ganze aus den
Augen zu verlieren.”
„1. Eine Jägerkompagnie und 50 Pastrovicchianer be-
halten Gomila besetzt und verteidigen es bis auf den letzten
Mann ; bedrohen den Weg gegen Östren und zerstören, wenn
es leicht sein könnte, die vorliegenden Besitzungen der Mon-
tenegriner; patrouillieren links gegen die Einsattlung von
Dolovi und halten rechts das Tal gegen Vidernak im Auge ;
der Herr Flügelkommandant darf nur im höchsten Notfall
ein Drittel seiner Reserve vorziehen.”
„2. Oradienizza— Spiridion bleibt mit einer halben Jäger-
nnd einer halben Infanteriekompagnie und dem Reste der
Pastrovicchianer samt 40 Cattaresem, den ältesten Hauptmann
zum Kommandanten habend, besetzt, beobachtet und pratrouil-
liert besonders seine Flanke und unterstützt im Notfall
Gomila ; verteidigt aber seine Position (wozu der spitze Berg
rechts vom Wege gehört) auf alle Fälle bis auf den letzten
Mann, damit ja kein Feind gegen Marovich herabkomme.”
„3. Die 100 Cattareser Terrieri (Serdar Nikolich), 1 Zug
Jäger, 1 Zug Infanterie von 12 Pastrovicchianern geführt,
brechen bei Tagesanbruch von Oradienizza auf und marschieren
den nächsten Weg auf Vidernak — Pod Übel los. Dort ange-
kommen verteilen sich die Terrieri nach Angabe der Pastro-
vicchianer in die Hütten und Felder und ruinieren und ziin-
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S 0 m c k.
den alles an, was ihnen unterkommt i nur nicht Religious-
gegenstünde, unbewaffnete Weiber und Kinder). Die Jäger
lösen sich an gut gewählten Orten in eine schützende Kette
auf, die Infanterie bildet nah ihre Unterstützung.”
,,4. Die Terrieri von Mokrine, 1 Zug Jäger, 1 Zug Infan-
terie von zwölf Pastrovicchianem geführt, brechen ebenfalls
so von Oradienizza auf und marschieren den nächsten Weg
von rückwärts, auf die rechte Lehne des Berges Yelja-Glava.
gegenüber dem Posten Yidrak. Dort angekommen
(wie sub 3).”
„Es wäre zu wünschen, die Montenegriner von dort bis
auf ihre höheren Berge zu vertreiben, um die nächsten Höhen
von \’idrak zu reinigen.”
„5. Yon dem PaÜ Kopacz — Spass werden ebenso 100 Zup-
paner mit 1 Zug Jäger, 1 Zug Infanterie, 12 Pastrovicchianer
zur Yerheerung alles Montenegriner Gutes, links vorwärts
zwischen dem Wege von Bercselli und dem von Yidrak, ab-
gesendet, benehmen sich so wie die anderen oben beschrie-
benen Kolonnen und bleiben links in gleichsamer Ver-
bindung mit Yidrak und rechts mit der Expedition gegen
Bercselli.”
„6. Desgleichen sendet der Herr Flügelkommaudant,
Major von Guolfinger, 100 Zuppaner mit einer halben Kom-
pagnie Infanterie, 12 oder mehr Pastrovicchianem gegen den
eigentlichen Grenzpunkt zwischen den Bergen Stahl und
Krst, von einem llauptmauu geführt.”
„7. Der liest der Zuppaner, Mainotten und Pastrovic-
chianer imelu'ere hundert an der Zahl), machen, unterstützt
von einer halben Kompagnie Jäger, einer halben Kompagnie
Infanterie (unter Anführung entweder des Herrn Flügel-
kommandanten oder eines Haupimanns) rechts hinüber eine
Diversion gegen Gluhido zu Gunsten der Spizzanotten, die,
wie ich zufällig in Erfahrmig gebracht habe, ebenfalls morgen
früh eine Repressalie auszuführen gedenken.”
„Dieser Expedition läßt sieh nichts vorzeichnen, sie be-
nimmt sich ganz nach Umständen, läßt die Felder von den
Terrieri verheeren und zieht sich wieder gegen Kopacz zurück,
wenn die Sjjizzanotten und die Uusrigen Rache genommen
haben.”
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Reprcssaliengefeclite gegen die Montenegriner.
191
„8. Dreiviertel Kompagnien Jäger und dreiviertel Kom-
pagnien Infanterie behalten den Paß von Kopacz — Spass unter
einem Hauptmaun besetzt und verteidigen ihn, was immer
geschehen könnte, gegen jeden Feind bis aufs äußerste, ent-
senden eine halbe Zugspatrouille rechts gegen Gliihido i Gluida i
und links gegen Vidrak-Dobrun, um auf diese Art in mög-
lichst permanenter Verbindung mit der ganzen Expedition
zu verbleiben.”
„Sobald die Repressalie bei jeder Kolonne vollbracht ist,
wird mit Erhaltung der Verbindung auf den Höhen in oder
vor unsere jetzt besetzte Grenzlinie zurückgegangen und
alldort eine gedrängte provisorische Position genommen, bis
etwas anderes befohlen würde.”
„Was immer sich inzwischen ereignen könnte, der end-
liche Rückzug bleibt immer der, woher man gekommen ist,
um die Schlüssel der gesamten Position aufrecht zu erhalten,
von denen alle folgenden anderweitigen Operationen ausgehen
müssen.”
„Die Losung ist Vienna — Parole Valentine, ich werde bis
morgen abends wenigstens, vor und am Paß Kopacz zu
finden sein.”
Gastellastua, am 5. August 1838, 10 Uhr früh.
Roßbach, Oberstleutnant.
Diese Disposition gliederte den Angriff in zwei
Hauptgruppen, deren eine von Gomila, die andere von
Kopacz dependierte. Als Kommandant der ersteren — des
linken Flügels — fungierte Hauptmann Spanner. Bestimmt
wurden von dieser: zur Besetzung Gomilas die 2. Jäger-
kompagnie ( Oberleutnant S c h o e b 1 wegen Erkrankung des Haupt-
maniis Karl von Delmotte); zur Besetzung von Oradienizza
und Spiridione die halbe 4. Jäger- und die halbe 10. Infanterie-
kompagnie (Hauptleute Langenau und Pindtner). Je ein
Zug dieser beiden Kompagnien rückte unter Oberleutnant
Sanner gegen Pod-Ubel, jo ein anderer unter Leutnant
Dietrich gegen Velja-glava.
Kommandant des rechten Flügels blieb eigentlich Roß-
bach selbst. Von diesem wurde ein Zug der 6. Jäger- und
ein Zug der 7. Infanteriekompagnie in den Raum zwischen
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192
S e in e k.
den Wegen nacli Vidrak und Bercselli, die halbe 5. Jäger-
und die halbe 8. Infanteriekompagnie unter Oberleutnant Baron
Reichlin (der Hauptmann war erkrankt) gegen die Berge
Stahl und Krst, die zweite Hälfte beider Kompagnien unter
Major Guolfinger gegen den Berg Kappa entsendet.
Die Testierenden drei Züge der 6. Jäger- und der 7. In-
fanteriekompagnie besetzten den Kopacz.
Dem Zwecke und der Disposition entsprechend, waren
die bei einem Vordringen unvermeidlichen Zusammenstöße
mit dem Gegner nicht als einheitliches Gefecht gedacht und
können auch nicht zu einem solchen zusammengefaßt werden,
müssen daher als völlig voneinander isolierte Einzelgefechte
geschildert werden.
Dem erteilten Befehle gemäß, rückten alle Kolonnen
mit Tagesanbruch nach den ihnen bestimmten Punkten ab.
Die Montenegriner waren, von der numerischen Schwäche
der kaiserlichen Truppen unterrichtet, auf eine so kühne
Offensive nicht gefaßt. Sie hatten sich, da sie ihren Zweck,
im raschen Ansturm die Besatzungen der Casetten nieder-
zuringen, durch das rechtzeitige Eintreffen der Verstärkungen
vereitelt sahen, größtenteils in den Bergen verborgen, um
einen weiteren Sukkurs ihrer Brüder aus den benachbarten
Nahien abzuwarten.
Nur wenige vorgeschobene Posten hielten das Feld.
Die Kolonne des Oberleutnants Sanner drang fast un-
behindert bis zu den Höhen südlich Gomilas vor.
In aufgelöster Kette warfen die Jäger den Feind gegen
die.se zurück. Doch auf der Höhe angelangt, machte derselbe
plötzlich halt und von allen Seiten stürmten mit wildem
Geschrei Hunderte von Montenegrinern auf die Kolonne ein,
um sie in die Ebene hinabzuwerfen ').
Kasch ließ Oberleutnant Sanner die Kette durch einen
Teil des von Unterleutnant Ghetto geführten Unterstützungs-
zuges der Infanterie verstärken und hielt so, wenn auch
mühsam, stand. Alle weiteren Anstrengungen des Gegners
scheiterten an dem kühnen Jlute der Truppen. Unter-
dessen stürzten sich die Terrieri über alles raonte-
') K. A., F. A. Repressaliengefechte IHijS, VIII, ad 12b/f und a/2.
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Bi^pressaliengefecbte gegen die ^iontenogriner.
193
negrinische Eigentum. In kurzer Zeit loderten die Flammen
auf, das Zerstörungswerk war vollbracht, der Gefechtszweck
erreicht
Oberleutnant Sanner befahl den Rückzug.
In diesem Augenblick riß eine Kugel dem Trom-
peter das Mundstück von der Trompete. Im allgemeinen
Lärm verhallte die Stimme der Of&ziere. Nur die
nächsten Leute verstanden den Befehl und folgten
seinem Rufe. Dadurch wurde die Kette gerissen, die
.Abteilung stand in höchster Gefahr, von den Monte-
negrinern, welche die Verwirrung bemerkten, durchbrochen
zu werden. Sofort rief Oberleutnant Sanner die Terrieri
herbei und eilte selbst an die bedrohte Stelle. Aber ihn warf
eine Kugel verwundet zu Boden, die Teirieri flohen, ohne
einen Schuß zu tun, bereits in hellen Scharen gegen Gomila.
In diesem kritischen Augenblick bewährte sich glänzend die
Disziplin und Kraft einer geschulten Truppe. Die Gefahr
drehender Vernichtung machte sie nicht wanken, sondern
entflammte sie zu neuem Mute, erweckte doppelt ihre
Tatkraft.
Allen voran stürzten sich Korporal Poli und der
Gemeine Porzoni an die bedrohte Stelle, rasch schloß sich
die Kette und warf den Gegner zurück. Dann erst führte
Leutnant Ghetto die Abteilung in voller Ordnung und Ruhe
in die Ebene hinab. Die Montenegriner verfolgten sie trotz
ihrer bedeutenden Überzahl nicht. Voll glühender Rachsucht
stürmten sie vielmehr den fliehenden Terrieri nach.
Hauptmann Spanner, der von Gomila aus Augenzeuge
dieser Vorgänge war, entsendete unter dem Oberjäger
Schmadlak eine Patrouille, bestehend aus diesem,
2 Patrouilleführern und 12 Gemeinen der bereits teilweise
herangezogenen 4. Kompagnie mit dem Auftrag, die Flüch-
tigen aufzunehmen und sie zum Widerstand zu ermutigen.
Vergebens — in sinnloser Verwirrung eilten diese weiter an
der zur Kette aufgelösten Patrouille vorbei. Schmadlak ließ
nun in wirksamer Weise das Feuer gegen den Gegner eröffnen,
er selbst aber suchte, gefolgt vom Patrouilleführer Schmid-
bauer, eine vorliegende Höhe zu erreichen, um die Verhältnisse
zu überblicken.
Hitteiiungon des k. und k. Kriegsarohivs. Dritte Folgo. IV. Dd. 13
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194
S e m *) k.
In diesem Augenblick sahen sich beide von mehr als
40 Montenegrinern umringt. Schnell entschlossen stellten sie
sich hinter eine Steinwand und hielten die Anstürmenden,
welche des lebhaften Feuers wegen die Höhe von einer
größeren Abteilung besetzt glaubten, länger als eine halbe
Stunde zurück. Dann erst gelang es zwei von Gomila
abgesendeten Patrouillen der 4. und der 2. Kompagnie, welchen
sich einige Pastrovicchianer Panduren angeschlossen hatten,
sie zu befreien.
Bei diesen Gefechten fielen der Kadett Conte Caprioli*),
1 Jäger und 2 Infanteristen.
Auch die Kolonne des Leutnants Dietrich vollzog ihre
Aufgabe die Repressalien durchzufuhren, aber auch sie mußte
sich dann, von überlegenen Kräften hart bedrängt und im
entscheidenden Augenblick von den Terrieri verlassen, nach
der Ebene zurückziehen.
Vidrak blieb wieder sieh selbst und der mutigen Ent-
schlossenheit des Oberjägers Jöchlinger überlassen*).
War die Lage der obigen Kolonnen, als der rechten
Flanke des linken Flügels der .Aufstellung, eine bedrohte, so
wurde jene der Besatzung von Gomila bald eine äußerst
gefährdete.
Wohl gelang es anfangs auch dieser, bis auf die Höhe
vorzudringen und das montenegrinische Eigentum zu zerstören,
doch jede Stunde brachte neue Scharen in die Reihen der
Gegner.
Schon setzten sich diese zu beiden Seiten und sogar im
Rücken des Blockhauses fest.
Ilauptmann Spanner mußte daher die halbe 4. Kom-
pagnie unter Hauptmanu Langenau vorziehen. Diese
bahnte sich durch entschiedene Angriffe den Weg und
machte so den Rücken der Stellung wieder frei. — Doch
nur für kurze Zeit. — Der feindliche Ansturm wiederholte
sich in rascher Folge und wenn er auch immer wieder
an der .Ausdauer der kaiserlichen Truppen scheiterte, so
') Die .Montenegriner stachen ihm beide Augen aus und tuUteu
Kommißbrot in die leeren Höhlen. (H. H. u. St. A., Faszikel 9, Türkei-
Grenzakten, Bericht Lilienbergs.)
K. .A., i’. A., Kepressaliengofochte 1S38, VIII, ad 11 b/2.
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Kepre88AUengt»fechte gegen die Montenegriner.
195
stand doch um 6 Uhr abends die eiugeschlossene Besatzung
in höchster Gefahr. Die schwache halbe Infanteriekompagnie
unter Hauptmann Pindtner, welche mit nur 18 Hotten
und 20 Cattarensem in Oradienizza stand, konnte ihrer
Aufgabe, dieses und damit Spiridione und Marovich im Falle
eines Angriffes zu schützen, selbst kaum genügen und hatte
alle Verbindung mit Goinila verloren. Der dringenden Bitte
des Hauptmanns Spanner um Unterstützung vermochte
Oberstleutnant Roßbach, selbst in schwere Kämpfe ver-
wackelt, nicht zu willfahren. Die Abteilung blieb der eigenen
Kraft, dem eigenen Mute überlassen — und sie verlor beides nicht.
Oberstleutnant Roßbach erhielt die Meldung Spanners
erst um 12 Uhr nachts — sie war ausschlaggebend für sein
ferneres Verhalten *).
Vorteilhafter als am linken gestaltete sich der Verlauf
der Gefechte am rechten Flügel.
Die Kolonne Guolfinger rückte in stetem Kampfe bis
zum Berge Kappa vor und drängte den Gegner bis zur
Höhe desselben zurück *). Hier empfing sie eine starke
Abteilung Montenegriner, die aus Gluhido (Gluidai zur Hilfe
herbeigeeilt war. Von drei Seiten durch Steinwälle geschützt,
schien diese unangreifbar — den Kaiserlichen war sie es nicht.
Rasch sammelte Major Guolfinger die in der Verfolgung
etwas auseinandergekommene Kom[)agnie und schmetternd
blies das Hom zum Sturme. Todesmutig gingen die Jäger,
ging die Infanterie vor, von Stein zu Stein in hart errungenen
Schritten, trotz des lebhaften Feuers und der stürzenden Fels-
blöcke. Endlich war der Wall erreicht und mit lautem Hurra
warfen sie sich auf den Feind. Jeder einzelne wurde zum Helden,
allen voran der Korporal Munari, dessen Kühnheit und Tapfer-
keit der Kommandant besonders hervorhebt. Ihm zur Seite
zeichneten sich Feldwebel Fernier, die Gemeinen Andre-
ghetti, Motta und die beiden Moino besonders aus. Im Nu
hatten die kaiserlichen Bajonette die Höhe vom Gegner
gesäubert. Unter dem Schutze derselben konnten nun die
Terrieri ungehindert ihr Zerstörungswerk durchführen.
■) K. K. M., Eegistr. IH.'tS, Pracs. Nr. 1400, 1401, 1402 (1320 C),
Bericht Roßbachs und Spanners.
*) K. A., F. A., Eepressaliengefeohte 1838, VIII, 12 a.1.
13*
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196
8 e m « k.
Bis 12 Uhr nachts, wo sie zurückberufen wurde,
hielt die Abteilung den Kappa besetzt ; doch vergeblich
erwartete sie das Eintreffen der Spizzanotten. Diese, von den
Montenegrinern bestochen, hatten den Einfall aufgegeben.
Schon während des Vordringens dieser Kolonne hatten
die Montenegriner versucht, im Rücken derselben, zwischen
ihr und dem Berge Kopacz, festen Full zu fassen und hiezu
den Monte Scala besetzt. Damit war die Kolonne abgeschnitten
und mußte im Falle eines erzwungenen Rückzuges zwischen
zwei Feuer kommen.
Oberstleutnant Roßbach, welcher sich am Paß Kopacz
befand, entsendete den Unterleutnant vonFellinger mit der
halben (!. Jägerkompagnie, um den Gegner zu vertreiben und
die Kuppe zu halten '). Von Stellung zu Stellung in drei
Stürmen warf die llalbkoinpagnie den Feind zurück und
sicherte den Besitz der Höhe. Umsonst waren auch hier alle
Versuche der Montenegriner, dieselbe wieder zu gewinnen.
Gleich der Kolonne Guolfinger drang auch die Kolonne
Reichlin erfolgreich vor *). Nachdem die Zuppaner die Repres-
salien durchgefülirt, bemächtigte sie sich der Einsattlung
zw'ischen den Bergen Stahl und Kr.st und hielt hier allen
Vorstößen stand.
Aber auch ihre Lage wurde von Stunde zu Stunde eine
gefährdetere, denn von allen Seiten strömten neue Scharen
der wilden Bergsöhne hei bei. Bald konnte sie sich nur
mehr mit äußerster Anstrengung behaupten. Oberleutnant
Baron Reichlin wurde verwundet, Leutnant Frosconi über-
nahm das Kommando. Bis gegen Abend währte das Gefecht,
da erklärten die zur Verstärkung herangezogenen Zuppaner.
nicht weiter kämpfen zu wollen und die Truppe zu ver-
lassen.
Nur mit Mühe wurden sie endlich vermocht, bis zum Ein-
treffen jener Verstärkungen auszuharren, um welche Frosconi
den Oberstleutnant Roßbach nun dringend bat. Dieselben
konnten ihm allerdings nicht gesendet werden, doch schützte
ihn das Hereinbrechen der Nacht und das damit verbundene
') K. A., F. A., Repressalien^elechto 1888, VIII, ad 12 b/3.
’) Kljenda. ad 12 b/1 und Meldung Robb achs vom 6. August, 8 Uhr
abends, beim Cteneralkomniaudo Zara, Praes. Nr. 288.
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Kepresgaliengefechte gegen die Uontonegriner.
197
allmähliche Erlahmen des gegnerischen Feuers vor der
Fahnenflucht der Terrieri.
Die Abteilung unter Leutnant Kier, welche die Ver-
bindung mit Vidrak herzustellen und den Raum zwischen
diesem und dem Wege nach Bercselli zu durchstreifen und
zu sichern hatte, wurde vom Feinde weniger bedroht.
Sie führte die ihr befohlenen Repressalien durch, doch
gelang es ihr ebenfalls nicht, Vidrak vom Ansturm des Gegners
zu befreien.
Immerhin behauptete sie die Stellung auf den Höhen
und schützte so die linke Flanke der Kolonne Reichlin von
Vidrak her.
Die Reserve unter Roflbach blieb am Berge Kopacz,
dessen Besitz sie festhielt, stehen und entsendete nur die
bereits erwähnte Halbkompagnie gegen den Monte Scala,
Bis gegen Abend währte, wenn auch zeitweise unter-
brochen, das Feuer von beiden Seiten.
Für die kaiserlichen Trupj)en machte sich schon am
Nachmittag der Mangel an Wasser und Munition hart fühl-
bar. Ihn zu beheben, fehlten die nötigen Transportmittel.
Endlich, es war gegen Vid Uhr, begann der Kaihpf all-
mählich nachzulassen, um bald darauf ganz zu verstummen.
Der Zw'eck, die Durchführung der Repressalien, war
allseits erreicht — die Montenegriner hatten die unwidersteh-
liche Gewalt altösterreichischen Mutes, altösterreichischer
Tapferkeit kennen gelernt, ihre Verwegenheit und Raubgier
war gezüchtigt, der Glanz des Erfolges umwob die kaiser-
lichen Waffen. — Helleuchtend erschien in der Siegesfreude
das Heute, — aber bange und düster war der Blick nach
dem Jlorgen.
Die Meldungen vom linken Flügel bei Gomila klangen
ernst, die Kolonne Reichlin war durch den Wankelmut der
Zuppaner in höchster Gefahr, Vidrak hielt der mutige Ober-
jäger Jöchlinger mit letzter Kraft.
Auf zeitgerechte Unterstützung war von keiner Seite
zu hoflfen. Erst am 4. hatte der Brigadier General Tursky
eine Kompagnie Mayer-Infanterie von Ragusa nach dem
Pastrovicchio in Marsch gesetzt, der Abmarsch von weiteren
fünf Kompagnien des 10. Jägerbataillons w’urde infolge der
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198
S 0 m e k.
Entfernung überhaupt erst am 9. anbefohlen. Die Terrieri
konnten nicht mehr zählen. Ans Montenegro kamen düstere
Nachrichten. Von allen Seiten eilten neue Kämpfer den
Brüdern der Czerniczka Nahia zu Hilfe und in Cettiuje harrten
über 3000 Mann, um am 7. unterstützend einzugreifen. Kaum
900 Mann standen gegen ebenso viele tausend.
Diese Lage forderte neue Entschlüsse.
Ein weiteres Festhalten der gewonnenen Höhen war
undenkbar und unnötig.
Vor allem galt es einem Einbruch der Montenegriner
über den Kopacz zu begegnen — dem Sclilüsselpunkt zum
südlichen Pastrovicchio. Die ursprüngliche Linie mußte ge-
halten werden, gehalten um jeden Preis. Und hiezu ent-
schloß sich Roßbach, das wollte er bis zum letzten Mann.
In lautloser Stille ließ er um Mitternacht die vorge-
schobenen Abteilungen am Kopacz sammeln und in kurzer
Zeit tvaren die 5. und 6. Jägerkompagnie, die 7. und 8. In-
fanteriekompagnie zu seiner Disposition vereint.
Ungebrochen an moralischer Kraft und kühnen Mutes,
aber physisch von dem fünftägigen Kampfe erschöpft, erwar-
teten die kaiserlichen Tru])pen den dämmernden Morgen, den
übermächtigen Feind ’).
Jeder einzelne war sich der Verhältnisse bewußt. Hier
galt es nicht mehr zu siegen oder zu sterben, es galt nur zu
sterben — und im Tode das Ehrenschild der kaiserlichen
Waffen unbefleckt zu wahren : Ave Caesar morituri te salutant 1
Kein Laut unterbrach die tiefe Ruhe des dämmernden
Tages. Still lagen die wilden Schluchten uud Felsen, kein
rollender Stein kündete die Feindesnähe.
Schweigend standen die Truppen zum Letzten bereit,
— doch vergeblich sahen die Späher nach einem anschlei-
chenden Gegner.
Was war geschehen? —
Der Mittag brachte endlich Klärung. Von den Bergen
stiegen Abgesandte des Vladika herab. Sie brachte den Frieden
und baten um Waffenstillstand. Das Unglaublichste wurde
zur Tat.
*) K. K. M., Registr. 1838, Praes. Nr. 14(K), 1401, 1408.
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Bepressaliongefoohte gegen die Uontenegriner.
199
Wohl war die Lehre, welche das wilde Bergvolk er-
halten. eine harte und in der ihm allein verständlichen Sprache
erteilt. Umsonst hatte es sich den Österreichern widersetzt,
umsonst versucht, deren mutigen Widerstand zu brechen ;
aus mancher Hütte scholl die Totenklage und manchen der
Brüder fesselte die Wunde an das Lager. Aber dennoch war
es sich seiner Übermacht bewußt — die Spuren des Kampfes
machten den einzelnen zum Helden, im Kampfe zu fallen,
gab dem Leben die Krone. Über 8000 Mann standen bereit,
die Niederlage von gestern heute mit der Vernichtung des
Gegners zu rächen. Gewiß hatte wieder andererseits die
beispiellose Kühnheit, die nie versagende Kraft des Vorgehens
der Truppe einem Volke imponiert, das sich nur der Tapferkeit
und der Gewalt beugt. Noch lange klang ja unter den Liedern
Montenegros der Sang von diesem Kampfe*), von dem großen
einäugigen Wojwoden*) und seinen unerschrockenen Wölfen,
die würdig seien mit den tapferen Czemagoren zu kämpfen
— aber gerade diese Lieder tönten in den Worten aus:
„Dennoch Tod ihren Häuptlingen, Tod jenen Gottlosen, die
gegen alles menschliche Recht den Nachbarn seines Erbes
berauben wollen, des Hauses worin seine Kinder geboren, und
welches Gott ihm gegeben zu verteidigen, als die künftige
Wiege seiner Kindeskinder.”
Das Volk fühlte sich nicht besiegt ; denn : ,, Glücklich
hat das Gewehrfeuer, welches nachts gleich Schwärmen von
Sternschnuppen von unserem Lager sprühte, hat der rasche
Schwung unserer Säbel diese Weiberschändor zurückgetrieben,
diese Herren der Schlösser an der grünen Küste, die Herren
des Meeres, welches sie den Söhnen des Czernojevic Ivo
entrissen.”
Nein ! Es war nicht die Tapferkeit der Truppen, nicht
die Furcht vor diesen, welche im entscheidenden Augenblick
den Stillstand erzwang, — diese Tapferkeit war auch zu hell
leuchtend, um eines solchen Reliefs zu bedürfen — es war
allein das mächtige Wort des Vladika.
') Paid und Scherb und Marko Fedoro witsch. Die Slaven der
Türkei.
’) Koßbach hatte bei Aspeni ein Auge verloren.
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200
8 A m « k.
Im Besitz aller Herrscher- und mehr noch aller priester-
lichen Gewalt schleuderte er den Bannfluch gegen jeden, der
es wagen würde den Kampf fortzusetzen. Da beugten sich
die gläubigen Hochländer vor dem Machtspmch ihres obersten
Priesters, da verstummte ihr Kampfgeschrei, ihre Rachsucht
knirschte in übersinnlichen Fesseln. Und der Vladika? \Va.s
hatte ihn bewogen, den sicheren Sieg aufzugeben, dem un-
gestümen Drängen des ganzen Volkes halt zu gebieten —
er, der früher nicht im stände sein wollte, die Regelung der
Grenze zu ermöglichen ? — Die Furcht vor den Folgen ! —
Der Vladika war gewiß sonst ein ganzer Mann, mutig und
kühn im Kampfe, energisch und entschlossen in der Aus-
führung seiner Pläne — sein Haß gegen Österreich blieb ein
steter Stachel. Aber er war auch Diplomat. Ein Geschöpf
jener Sorte, deren Tatkraft durch Erwägungen erlahmt, die
überklug, so oft von den Ereignissen überrascht werden.
Durch den russischen Hauptniann Kowalewsky aufge-
stachelt, hatte er den Kampf erregt — nun bei der Ent-
scheidung bangte ihm, zumal auch er.sterer ihn im Stiche
ließ, vor der Zukunft.
Hauptmann Oreskovich sagt darüber in seinem Me-
moire an die Staatskanzlei*):
Schon bei Beginn des Kampfes überzeugt, daß die nu-
merische Schwäche der kaiserlichen Truppen, der Überzahl
erliegen müsse, habe er sich nach Cattaro zu dem eben dort
weilenden russischen Hauptmann Kowalewsky verfügt.
Diesem, der ihn nun. etwas heuchlerisch um Rat fragte, was
er bei dieser Situation tun .solle, warf er in energischen
Worten vor, daß er alle Schuld an den Ereignissen trage.
Er habe es selbst gehört, wie er bei der Grenzregulierung
im Pastrovicchio die Montenegriner aufgereizt. Nun sei es
seine Sache, den Vladika zur Einstellung der Feindseligkeiten
zu betvegen. Kowalewsky war bestürzt, sein Spiel entlarvt
zu sehen, ,,Ich verspreche Ihnen, daß der mir gegebene Rat
unfehlbar und augenblicklich realisiert werden wird. Der
Vladika muß es tun, wenn ich es ihm sage, denn ich besitze
') H. H. u. St. A., Faszikel 9, TUrkei-Orenzakten, Memoire des
Hauptmanns Oreskovich.
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R^preasalieoKefechte gegen die Montenegriner.
201
hinlänglich Einfluß auf ihn, um Ihnen dies mit Gewißheit ver-
bürgen zu können” — erwiderte er wörtlich. Das gleiche
Versprechen gab Kowalewsky auch dem als Zeugen herbei-
gerufenen Kreisvorsteher von Cattaro, Ivacich, dann eilte
er nach Cettinje und 24 Stunden später baten die Abge-
sandten des V^ladika um Frieden.
Friedensschluß. — Regulierung der Grenze.
Am 8. erschienen von montenegrinischer Seite der Bruder
des Vladika Giorgio Petrovich und Hauptmann Kowa-
lewsky, von österreichischer, der Kreisvorsteher Ivacich zur
Unterhandlung. Oberstleutnant Roßbach erhielt den Befehl
die Truppen in die Stellungen vor dem 2. zu etablieren, die
Terrieri zu entlassen *).
Der Waffenstillstand wurde mit dreitägiger Kündigung auf
einen Monat geschlossen, doch kam es nicht mehr zum Kampfe*).
Unglaublich klingt es, daß die Verluste auf österreichischer
Seite nur 15 Tote, an Verwundeten neben 3 Offizieren, den
Oberleutnants Sanner, Baron Reichlin und Unterleutnant
Stravolino des 8. Jägerbataillons, nur 11 Mann betrugen’).
Die Zahl der gefallenen Montenegriner wurde mit 21 Mann
angegeben, die ihrer Verwundeten entzog sich jeder Schätzung.
Den Versicherungen des Vladika, daß die geschilderten
Vorgänge durchaus nicht geplant gewesen, sondern nur als
Gewaltakt einzelner aufzufassen seien, schenkte die österrei-
chische Regierung und leider auch der Hofkriegsratspräsident
Graf Hardegg trotz aller Gegenbeweise willig Gehör. Man
beruhigte sich mit der erkünstelten Überzeugung, „daß man
es keineswegs mit dem kombinierten Angriff des ganzen
Volkes, dem irgendwelche Vergrößerungsz wecke zu Grunde
lägen, zu tun hatte und hielt dafür, daß ein Großstaat aus den
Exzessen wilder Nachbarn keinen Ehrenpunkt machen könnet”-
') li. K. M., Registr. 1838, Praes. Nr. 1320, Moldving des FML.
Lilienberg.
*) R. K. M., Registr. 1838, Praos. Nr. 1518 und 149(!; -Anhang IV.
Militärisclio Auszeichnungen der Offiziere und Mannschaft
Anhang V.
*) Zum größten Glücke, denn General Tursky sendete voreilig
die aus Ragusa gekommene Kompagnie Mayor bereits am 8. zurück!
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202
S » m e k.
Diese Auffassung wurde durch die Erkenntnis gefordert,
oder war vielleicht ganz auf dieser basiert, daß im Gegenfalle
nur zwei Wege offen stünden. Entweder Montenegro exem-
plarisch zu züchtigen, oder es dauernd zu besetzen. Gegen
ersteres sprach der große .Aufwand an Geld und Truppen,
der Mangel an Transport- und .Subsistenzmitteln, gegen letz-
teres nebstdem der illusorische Wert, den nur die Vernichtung
der Bewohner zu einem realen hätte umgestalten können.
Den militärischen Ratschlägen •), die auf einen dritten,
wohl den einzig richtigen Weg wie.sen, verschloß man sich
ganz. Diese verlangten einen festen Schutz der Grenze. Die
Posten Gomila, Vidrak, der Kopacz und Gospodia sollten
befestigt, mit Geschützen und einer entsprechenden Besatztmg
versehen, starke Unterstützungen in Marovich und Novo.selo
bereitgestellt und Aufnahmsposten in Spiridione und Ora-
dienizza etabliert worden. In Gattaro, Budua, San Stefano und
La.stua seien Reserven unterzubringen. Hiefür wurden bei
absoluter Defensive, drei Bataillone, sonst aber sechs Bataillone
gefordert*). Das Bewußtsein starker österreichischer Kräfte
an der Grenze würde die Montenegriner für immer zur Ruhe
zwingen, die blutige Lehre die Roßbach mit den wenigen
Truppen ihnen erteilt, werde dann ihre Früchte tragen. —
Vergebens! — War es engherzige, übel angebrachte Spar-
samkeit, tvar es auch das charakteristische, stets wieder-
kehrende Streben, das eigene Licht dann leuchten zu lassen,
wenn die Gefahr vorüber, wenn der Soldat mit seinem Blute
widerrief am 12., als er die Nachricht vom Friodeu erhielt, alle getrof-
fenen luatradierungen. Man hatte sich eben zu sehr in der Überzeugung
gefestigt, Montenegro könne nichts Ernstliches unternehmen und die
unerwartete Bitte um Frieden war, da man ihre eigentlichen Beweg-
gründe noch nicht erkannte, nur geeignet, dieselbe zu bestärken.
') Des FML. Lilienberg, Majors Poschacher und Hauptm.mns
0 r es k o vich.
’) Memoire Oreskovich und Lilienberg. 11. H. u. St. A. Fas-
zikel y, Türkei - Grenzakte, II. llegiatr. ISilS, Nr. 1.Ö29. Poschachers
Memoire. — Die h Bataillone wurden vom FML. Lilieuberg sofort,
die () Bataillone erst mit dem Frühjahre gefordert, da es an Unterkunft
etc. mangelte. Man wollte aber auch die 3 Bataillone nicht senden, um
die Montenegriner nicht zu reizen. — E. K. M. Eegistr. 1838, Praes.
Nr. liy(>.)
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Reprc8saliengefe<‘hte gegen die Montenegriner.
203
Ordnung geschaffen — die militärischen Vorschläge blieben
unbeachtet. Die bequemeren Ansichten der Diplomatie siegten
über die unbequeme militärische Erkenntnis.
Die Folgen blieben nicht aus. Trotz des Waffenstillstandes
begannen die Grenzräubereien bald von neuem und die
kaiserlichen Untertanen im Pastrovicchio waren ungestraft
den empörendsten Gewalttätigkeiten der Montenegriner aus-
gesetzt. Umsonst baten sie dringend um Hilfe, umsonst
berichtete FML. Lilienberg über ihr Elend. ,, Heute bei den
vorhandenen Verhältnissen ist schon die Frage nicht mehr
am Unrechten Orte, ob es weniger klug und mehr schimpflich
wäre, die Oberherrschaft Montenegros anzuerkennen und einen
jährlichen Tribut zu zahlen, als sich unaufhörlich öflfentlieh
mißhandelt und seine Untertanen in das größte Unglück
gestürzt zu sehen’’ — so schreibt dieser 1839 nach Wien. —
Die Großmacht Österreich einen Tribut an Montenegro! Ein
kaiserlicher General, dem edle Menschenliebe dieses Wort
erpreßt!
Endlich waren 1840 die diplomatischen Unterhandlungen
beendet, der Friede kam zu stände, die Grenzstreitigkeiten
wurden unter Beihilfe Rußlands im Sinne Österreichs erledigt.
Hauptmann Kowalewsky mußte sich in Wien w'egen seines
\ orgehens entschuldigen und der Madika ließ bei Budua
einen Galgen errichten, auf welchem jeder gehenkt werden
sollte, der sich erkühnte auf österreichischem Boden zu
rauben. Gleichzeitig kamen die Klöster des ^Madika, Stanjevic
und Podmaini, durch Kauf unter österreichische Herrschaft,
Montenegro hatte keinen Besitz mehr in kaiserlichen Landen.
Um Gomila und im Bereiche des Kopacz war der Edlen Blut
nicht ganz umsonst geflossen.
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Übersicht
über die Garuisonspliltze und die Stärke der daselbst dis-
lozierten Kompagnien an gemeiner Mannschaft, mit Ilück-
sicht auf die zur Besetzung der verschiedenen Posten
abkommandierten Leute, im Generalkommando Zaral833').
Garnisonsort
Truppen
Normal
fiiatgOBetx-
tor Loko-
stfiiui an
0<?meinan
Hievon
(lurch-
sohnittUoli
komman-
diert,
absent und
krank
Zur Dienet-
leiitung im
Garnisons-
orte
verfügbar
7 Kompagnien Mayer-
infanterie
1260
300
960
Zara
14. Kompagnie des
5. Feldartillerieregi-
ments
140
19
121
Knin
1 Kompagnie des 10.
Jägerbataillons . .
160
90
70
Spalato
1 Kompagnie des 10.
Jägerbataillons . .
160
28
132
1 Kompagnie des 4.
Garnisonsbataillon.s
160
32
128
Fort Clissa
Vom 10.Jilgerbataillon
40
4
36
1 Kompagnie von
Muyer-Lifanterie
180
23
157
Lcsina
i
1
17. Kompagnie des 5.
Ärtillerieregiments
1 140
76
64
j
I LiäsSa
3 Kompagnien des 4.
G arnisoiisbutailioi) s
480
201
279
I ') Die Änderungen, welolie bis 2. August für diese Übersicht ein- |
treten, lietreffen nur das 8. Jägorbataillon, welches das oben angeführte
I 11. Bataillon abliista. Die Dialokationsverhältniase desselben bei Aus- I
brach der Feindseligkeiten giiit Anhang il.
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208
S 0 m e k.
t
Garnisonsort
Truppen
Normal
foat{;e8etz-
tor Ix>ko-
staud an
Oemoinen
Zar Dienst-
leistnnK izD
Oamisons-I
orte 1
verfügbar
Curzola
1 Kompagnie vom 4.
(faruisonsbataillon
lüO
94
66
4 Kompagnion Mayer-
Infanterie ....
720
177
543
Bagusa
10. Kompagnie de.s 5.
ÄrtillerieregimentR
140
47
93
Castelnuovo
1 Kompagnie des 11.
Jägerbalaillon-s . .
160
108
52
1 Kompagnie Erz-
herzog Friedrich .
160
63
97
Cattaro
2 Kompagnien des 11.
Jägorbataillous . .
.
' 320
58
267
3‘/* Komp^jien Erz-
herzog Friedrich
r)6o
183
377
Budua
2 Kompagnion des 1 1 .
Jügerbataillous . .
820
250
70
1 Kompagnie Erz-
herzog Friedrich
160
39
121
Xara, nm 7. Juli 1S38.
Jellacliich, Major.
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RopressaUecgefeobte gegen. dio Hontenegrinor.
209
Dislokationstabelle des 8. Jägerbataillons 1838.
IEnt-
Stabaoffiziere, Kompag
sube und andere Abteilungs-
Ent-
fornong
Ort
a
es
vom
Slnbe
(douUrbv
Meilen)
I Kreis Cattaro
BHtaillonssub Caltaro jj ßjl — j Der (iefertigte.
I Lastua 7-t 5 I Grenz-Pestkordons-
• Kommandant Haupt- j
j mann Jos. v.Delmotte
Hlockhams ... 13 j 6 i Grenz-Pe.stkordons-
Vieterno- Gumno 5 6'/t | Distriktskommandant
Smilov a-Uliza . . i 5 j 5“/« j Unterleutnant Sigmund
Sveta-Gospodia . | ,ö 5*/4 |1 Gergich d’Iwainska
Novoselo .... j| — I ö'/i 1^ Oberleutnant Frau/.
\idrak L — B || Landtmann
S. Stefano . . . ! 77 3^/i Grenz-Sicherbeitsposten-
I Kommandant Hauptm.
' Karl V. Delmotte
Marovich . . . . , 2‘j' 4’G Grenz-Sicherbeits-
I I Distriktskommandant
j Oberleutnant Franz
Schöbl
S. Spiridione . . 12 i’/t 1 Unterjäger
Oradienizza .... 12 n'.j 1 Unterjäger
Gomila 17 (i 1 Unterjäger
a. S. Spiridione . . I 12 i’/t
3 Oradienizza .... 12 .ö' j
o Gomila 17 (i
^ Braich Casa Mar- in,.,. , . . „ i
. , ! I Oberleutnant Franz
tmoyioh , lo 4V. ,
g „ Casa KJach I 06 — ]
Pobori ... . 77 4 Unterleutnant Andreas j
' M.ayer I
Maini 3B 3 | 1 Obeijager
4 Podmaini . . . . j 174 4 [l Uauptm. Sigmund Laug I
I V. Laugenau j
5 Budua 170 2'.j Hauptmaun Ferdinand
li Speck V. Szepfalu I
6 Cattaro 175 — - Uauptmanu Anton
I I Paccaneri
Cattaro, am 11. Juli 1838.
Koßbach, Oberstleutnant
Mitteilungon des k. und k Krieg.arohivs. Dritte Folge. IV. Bd. 14
Cattaro, am 11. Juli 1838.
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210
S e m e k.
III.
Manifest
des im Jahre 1813 während der französischen Herr.schaft
zu Dobrota in der Provinz Cattaro zusammengetretenen
Nationalvereins in Oenieinschaft mit Montenegro und
Unterwerfung unter die drei alliierten Mächte.
(Authentlsohs Kopie.)
Col uome di Uio, Amen.
Dobrota li 29. Ottobre 1813.
Le due Provincie limitrofe di Montenero e delle Bocche di Cattaro,
animale del Patriotismo, e da eguali Sentimenii, di Religione e di onore,
si sono coll’ajuto dell altissimo credeuti e rese libere, scuotando il giogo
francese, mediante il proprio sangue e sacrifici, e si giärano reciproca-
mente, sopra Iddio Signore la fedoltä e la costante unione in ogni caso
ed evento.
Sicome le medesime si sono ora dedicate sotto l’alte e potente
protezione dolle tre potenze alleate : Russin, Austria e Gran Bretagna
cosi dichiarono, ed a nome loro i rispettivi Capi, che si mai le Combi-
nazioni politiche obligassero o l’una o l’altra a dedicarsi e qualcuno in
particolare dei detti Goverui di seguire la stessa sorte ambedue, cio6
sottostare tutte due allo stesso governo con quelle condizioni e priveleggi
che banno goduto e che sperano di otteuere anche in appreso.
Che se mai la Potenza, che li govemerebbe fossa costretta ad
allontanarsi per le circonstanze della guerra, le medesime due Provincie
ed a nome loro i rispettivi capi dichiarano ed intendono di restar liberi
ed indipcndcnti, como liberi e di proprio Consentimento si sarebbero
dedicate. ratiticando la propria unione, ed indipendcuza anche nell'avc-
uire se occoresse col proprio sangue, intendendosi sempre escluso il
Governo Francese, contenti piu tosto di luorire uniti in qualcunque
disgrazia, che di rimauere sotto la Tirannia Gallien. In fedc
Metropolita Pietro Petrovich;
Govematore Vukolai a nome di tutto Montenero e Brda;
Aloise Conte Viscovich Capitano; Andrea Tripcovich Capitano;
Theodore Conte Ivellich Capitano; Vasilio Giurasscovich (in serviano) ;
Pietro Lazznri giudice per il Capitano Giuseppe Lukovich;
Thoodoro Ivellich per lu coutrada di Pastrovicohio;
Marco Antonio Ant. Gregorina per le Comuni del Conlado;
Prete Giuro Lazzaro vielt a nome dei tre Comuni e di Zuppa;
Prete Filippo Cortich a nome della Comuiie di Cartole (in serviano);
Prete Rade Rodonich a nome della Comune di Lositza;
Andreo Tripcovich (?) per la Comune di Stolievo;
Miri.slav Con. Zanovich per la Cittä di Budua;
Prete Giuro Lazzarorich a nome della Comune di .Scagliari che fa lacroce
cosi pregato dal loro Capitano Tripo Petrovich;
Steft'ano Lazzarovich a nome della Comune di Mulla.
Io Francesco Liejtopoli ho esteso e sottoscritto la retoscrita
scritura, cosi pregato da a. E. Monsiguor Metropolita e dei capi rispettivi
delle comunita qui sopra sottoscritti.
Francesco Liepopoli.
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Hepressalieogefecbte gegen die Montenegriner.
211
IV.
Dokument
für den Äbschlnfi des Waffenstillstandes zwischen Öster-
reich und Montenegro am 8. August 1838.
La convenzione conchinsa a voce nel giorno di jeri, viene oggi
confennata, e perci6 dal giorno d’ oggi 8. (otto) Agosto corrente sarano
sospese le ostiliti sul monte di Pastrovicchio fri le Imper. Keg. Truppe
ed i sndditi Austriaci da una parte, e gli ahitanti della Zernizza di
Montenero dall’ altra.
La sospesione dureri per un Mese, ed anche dopo tale termine
non potrano ripremlersi le ostilitü, senza il proaviso di tre giomi.
I Zemizzoni si retirerano dal monte di Pastrovicchio e rientrerano
alle loro case, e fatto ciö da loro parte, anehe la C. R. Truppa repren-
derä le posizione occupate prima dello sviluppo dello presenti ostiUtä.
Quelli, che doppo conchiusa la presente convenzione, si permetessero
di molcstare in qualunque maniera gli altri ; ovvero cometessero azioni
dirette ad alterare 1’ ordine e la qtiietü puhlica, saranno severamente
pnniti dalle Autorita da cui dipendono.
Le private proprietä sul Monte di Pastrovicchio, come pure i
prodotte loro, sia che spettino ai Zemizzoni, ovvero ai Peistrovicchi,
rimaiigono a Beneficio di quelli, a cui appertengono, come per 1' innanzi,
e col presente non viene fatta in ci6 alcuna alterazione ai loro rispe-
tivi diritti.
II presente per parti dei Sudditi Austriaci viene tirmato e garantito
dal I. R. Amministratore Circolare Gahriole Ivachich. ed a parte de
Zemizzani dal Signor Giorgio Petrovich, Vice Presidente del Senato
Montenegrino, appositamente autorizzato dal Vescovo di Montenero.
Bndua li 8 (otto) Agosto 1838.
Ivachich. Giorgio Petrovich.
Jellachicb, Major.
U*
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212
8 6 m e k.
Dem Original gleichlautend:
Die gestern geschlossene Übereinkunft wird heute bestätigt, somit
werden mit heutigem Tage, dem 8. (achten) August, die Feindseligkeiten
zwischen den kai.s. königl. Truppen und den österreichischen Unter-
tanen einerseits und den Bewohnern von Czernicza in Montenegro
andererseits am Berge Pastrovicchio eingestellt.
Der Waffenstillstand hat für einen Monat zu dauern und. auch
über diesen Termin hinaus können die Feindseligkeiten nur über drei-
tägige Kündigung wieder ergriffen werden.
Die Czerniczaner werden sich vom Berge Pastrovicchio in ihre
Häu.ser zurückziehen, haben sie dies getan, so wird auch die kais. königl.
Truppe jene Stellungen wieder beziehen, welche sie vor Beginn der
gegenwärtigen Feindseligkeiten innohatte.
Jone, welche nach AbscbluÜ die.ser Übereinkunft sich erlauben
würden. <len Gegenpart in irgend einer Weise zu bidästigen oder
Handlungen zu unternehmen, geeignet, die Ordnung und öffentliche
Kühe zu stören, werden von ihren zuständigen Behörden strengstens
zu bestrafen sein.
Der Privatbesitz am Monte Pastrovicchio sowie die Krzeugnisse
bleiben wie vor, sowohl hinsichtlich der Czerniczaner als der Pastro-
vicchier, als Eigentum de.ssen gewahrt, dem sie gehören: mit der gegen-
wärtigen Übereinkunft erfolgt in keiner AVeise irgend eine Störung der
bezüglichen Kochte der Betreffenden.
Die vorliegende Übereinkunft wird bestätigt und garantiert, für
die österreichischen Untertanen durch den kais. königl. Kreisvorsteher
Gabriel Ivachich, für die Czerniczaner durch Herrn Georg Petrovich,
Vizepräsidenten de.s Senates von Montenegro, in ausdrücklicher Ver-
tretung des Erzbischofs von Montenegro.
Budua, am 8. (ächten) August 1838.
Ivachich. Giorgio Petrovich.
Jcllachich, Major.
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Ropressaliengofechte gogen üio Ifontonogriner.
213
V.
Orden, Medaillen und Belohnungen,
»eiche (len an den Repressaliengefechten vom 2. bis 7. August
1838 beteiligten Truppen verliehen wurden.
•Allerhöchste Entschließung vom 23. September, 1. und 29. Oktober 1838.)
Oberstleutnant Roßbach erhielt das Ritterkreuz des Eeopold-
ordens.
Major Guolfiuger von Erzherzog Friedrich, die Hauptleuto
bpanner, Speck, Paccanari, die Oberleutnants Sanner, Baron
Reichlin, Schoebel, Baltin, die Unterleutnants Frosconi, Kier
8. Jägerbataillon, die belobende Anerkennung, welche in die Kon-
duitliste einzutragen war, wobei dem Major Guolfiuger, Hauptmann
Sp,’innerund Oberleutnant Sanner die tunlichste Berücksichtigung für
Beturderung zuge.sichort wurde ').
Oberjäger Schnee fuß erhielt die Vormerkung für eine Platz-
cffizierssielle, Oberjäger Jöchlinger jene für spätere Versorgung und die
sUberno Tapferkeitsmedaille, Oberjäger Schmadlak und Schrott
ebenfalls die silberne Tapferkeitsmedaille, Unterjäger Maukner die
goldene, Unterjäger Gelli, die Korporale Munari und Poli von Erz-
lierzog Friedrich die silberne Tapferkeitsmedaille.
00 Dukaten wurden dem Generalkommando zur Verteilung
tugewiesen.
') Hann er wurde mit Allorhdcbßter Entschließung vom 29. Oktober 1S38
nun Kspi tiinleutnant ernannt.
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Die Besetzung von Krakau 1846.
Mit
Benützung eines Manuskriptes des Oberleutnants Baron Gablenz
von
Hauptmann Jacubenz.
(Mit einer Beilage.)
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Die politischen Verhältnisse des im Jahre 1795 zum
dritten Male aufgeteilt-en polnischen Reiches wurden infolge der
Xapoleonischen Kriegsepoche eigentlich erst auf dem Wiener
Kongreß 1815 endgiltig geregelt.
In Österreich und Preußen bildeten die abgetrennten
polnischen Gebietsteile in den Staat einverleibte Provinzen,
während sie in Rußland, unter Gewähning einer eigenen
Verfassung, als , .Königreich Polen” dem Reiche angegliedert
wurden. Kur ein kleines Gebiet, über dessen Aufteilung sich
die Mächte nicht einigen konnten, blieb selbständig ; es war
dies der nachmalige Freistaat Krakau*), mit einem Areal von
etwa 1100 Quadratkilometern und einer Bevölkerungszifier von
rund 140.000 Einwohnern.
Unter dem Eindruck der noch immer lebendigen Erin-
nerung an die einstige Unabhängigkeit des polnischen Reiches
und der Erhebung von 1794, sowie all der durch die Napo-
leonischen Kriege hervorgerufenen Veränderungen im Besitz-
stand des vaterländischen Bodens, brach im Königreich Polen,
begünstigt durch die Freiheit, welche die Herrscher Rußlands
dem Lande gelassen hatten, der Aufstand des .Tahres 18.91
aus. Nach der Niederwerfung desselben siedelten sich zahl-
reiche Emigranten im Gebiet von Krakau, in Galizien und
sonst im Ausland an.
■) Die Republik Krakau erhielt ihre Verfassung am 9. Mai 1815.
Oieselbe wurde jedoch 1839 und 1896 über Verlangen der Schutzuiächte
revidiert. Ein Präsident, der nur mit Zustimmung der Sohutzmäclite
bestellt werden konnte, und aclit Senatoren leiteten die Staatsgeschäfte.
IV egen beständiger Unruhen und Ansammlung von Flüchtlingen war
die Stadt Kr.akau im Jahre 1891, dann von 1896 bis 1841 fast ununter-
brochen von Truppen der Schutzmächte besetzt.
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218
Jnonbenc.
Infolge fortgesetzter Wühlereien forderten die Schutz-
mächte des Freigebietes Krakau, Österreich, Rußland und
PreuUen, den Senat von Krakau wiederholt auf, die Emigranten
auszuweisen und als diesem Begehren nicht Folge geleistet
wurde, besetzten im Febniar 1836 Truppen der Schutzmächte
die Stadt. Diese Maßregel verursachte zwar, daß sich nunmehr
der größte Teil der Emigranten in Frankreich und Belgien
niederließ, doch erstickte sie keinesfalls den Revolutions-
gedanken ; denn die Emigranten schmiedeten fortan von Paris
und Brüssel aus ihre auf die Wiederherstellung des polnischen
Reiches abzielenden Pläne. An Verbindungen mit den auf
heimatlichem Boden Verbliebenen fehlte es nicht.
Die drei benachbarten Regierungen waren bestrebt, einen
festeren Anschluß ihrer polnischen Provinzen zu erreichen
und sorgten zunächst für die Hebung der materiellen Prosperität
ihrer neuen Untertanen. Da dem Adel bei seiner ausgesprochen
feindseligen Gesinnung nicht jener Grad von Vertrauen
geschenkt werden konnte, auf den er sonst vermöge seiner
Stellung Anspruch gehabt hätte, ein Mittelstand aber in den
von ihren Gutshorrschaften abhängigen Mediatstädten überhaupt
fehlte, fiel alle Fürsorge der Regierungen naturgemäß auf
den Bauernstand, dem die Schäden jahrhundertelanger
Knechtschaft noch immer anhafteten. Das Landvolk kannte
die frühere, unglückselige Herrschaft teils aus eigener Wahr-
nehmung, teils durch ererbte Tradition, mußte sieh daher bei
der Rechtssicherheit, die ihm nunmehr die neuen Verhältnisse
brachten, unbedingt zufriedener fühlen als zuvor. Die ländliche
Bevölkerung war deshalb auch das einzig verläßliche Element
der Regierungen.
Auch in Galizien war durch allmähliche Entmündigung
der Bauern und der kleinen Städte von der gutsherrlicheu
Gewalt diesfalls ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen; nicht
wenig trugen dazu die zahlreichen in die kaiserliche Armee
eingereihten Landleute bei.
Sie brachten aus den fremden Garnisonen einen weiteren
Gesichtskreis, ein gesteigertes Selbstgefühl, dazu Anhänglichkeit
au Kaiser und Reich in die Heimat zurück — ülomente, die
speziell während des Aufstandes in Galizien 1840 deutlich
zur Geltung kamen.
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Die Besetzung' von Krakau 1S46. 21«)
Die in ihren Umsturzplänen unermüdlichen Emigranten
in Paris hielten die Zeit für gekommen, um mit Beginn des
Jahres 1846 einen neuen Aufstand hervorzurufen. In Warschau,
beziehungsweise im Königreich Polen, verhinderte die strenge
Militärherrsohaft des FM. Fürsten Paskiewitsch vorweg jede
ernstere Bewegung, darum waren diesmal vom Revolutions-
komitee die Provinzen Posen und Galizien zum Schauplatz
der Erhebung erkoren. In Posen kam jedoch die preußische
Regierung den Wühlern zuvor, indem sie zahlreiche Rädels-
führer rechtzeitig verhaften ließ ; so war die Bewegung vor-
läufig auf Galizien allein beschränkt.
Die über das ganze Kronland zerstreuten Emigranten
und Emissäre waren seit geraumer Zeit in diesem Sinne tätig.
Die Regierungsorgane hatten wohl Kenntnis davon und die
Kreisärnter berichteten wiederholt über verdächtige Umtriebe
an das Landesgubernium; allein in Lemberg wurden diese
Berichte im Laufe der Jahre mit einer gewissen Gleichgiltig-
keit hingenommen und nicht entsprechend gewürdigt. Man
fand an leitender Stelle überhau])t, daß den Polen im hetero-
genen Völkerstaat Österreich eine andere Stellung eingeräumt
werden müsse als in dem national geeinten Rußland oder
Preußen; darum wurde über Weisung des Monarchen den
Eigentümlichkeiten des polnischen Volksstammes jede nur
mögliche Rücksicht zu teil. Selbst der wiederholte Miß-
brauch derselben erschöpfte nicht die Nachsicht des Kaisers ’).
In Lemberg residierte seit 1832 als Zivil- und Militär-
gouverneur der FM. Erzherzog Ferdinand d’ Este. Sein
milder Sinn, seine Frömmigkeit und Wohltätigkeit hatten ihm
die Sympathien des Adels erworben, welcher wieder durch
vorgebliche Loyalität seine Gunst genoß. Der Adel stellte
dem Erzherzog den galizischen Bauer als faul, roh und
tierisch, den Ruthenen gar als Ketzer dar; auf diese Weise
war es möglich, daß mau im Landesgubernium die Um-sturz-
pläne der Polen verkannte und den Berichten der Kreis-
vorstände nicht jene Bedeutung beimaß, die sie tatsächlich
verdient hätten.
') So wurde unter anderem den iin Hochverratsprozeß des Jahres
1S4.Ö zum Tode Verurteilten die Strafe gänzlich nachgesehen.
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220
Jaeabens.
Schon gogfii Eiule des Jahres 1815 machte sich in den
Städten AVestgaliziens eine gewisse Gärung bemerkbar; sie
wurde durch <iie gefährliche Xähe des Freistaates Krakau
venrnsacht. welcher schon im Jahre 1831 den Kevolutionären
als Ausgangs- und Stützpunkt ihrer gewaltsamen Unter-
nehmungen gedient hatte. Dtirch zahlreiche Emissäre, im-
gezählte öffentliche und geheime Vereine, massenhatte Ver-
breitung aui'reizender Schriften suchten sie auch diesmal in
der Bevölkerung den Boden für eine neuerliche Erhebung
vorzubereiten. Ihre Tätigkeit erzeugte indes nur ein Chaos
von Meiiningen : denn bei dem Mangel an Klarheit und
Einigkeit, bei der ablehnenden Haltung der Baueni, konnte
sich angesichts der wachsamen Behörden eine starke und
tatkräftige Kevolutionsparlei im Volke nicht herausbilden.
Zu Beginn des Jahres 1846 zeigte sich unter den
])olnischen Revolutionären, namentlich im Gebiet von Krakau
und im Westen Galiziens eine noch größere Rührigkeit: Von
allen Seiten wurden aufrührerische Umtriebe gemeldet, zahl-
reiche Verhaftungen entschleierten tlen Umfang der Bewegung.
Die Kreishauptleute des westlichen Galizien baten um mili-
täris<dien Sukkurs. da es nicht mehr möglich schien, mit den
gewöhnlichen Mitteln die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Demgemäß wurden einzelne Bataillone auf den erhöhten
Friedensstand gesetzt.
.\nfangs Februar 1846 äußerten sich die Merkmale
eines unmittelbar bevorstehenden Ausbruchs der Revolution.
Deshalb wurden weitere Bataillone durch Einbenifung ans-
gebildeter Urlauber und Einziehung von Rekruten verstärkt.
Trujtpen aus Ostgabzien in das bedrohte we.stliche Gebiet
dieses Landes in IMarsch gesetzt, überdies ein strenger M’acli-
und Bereitschaftsdien.st angeordnet. Kälte und tiefer Schnee
erschwerten in hohem Clrade den Dienst der Truppen').
') Der Schauplatz des Aufstandsveranches in Galizien war der
rein polnische Teil des Landes, westlich von Przemysl. Dort brach der
Aufstand am 18. Februar 1846 an zahlreichen Punkten gleichzeitig aus.
Ostgalizicn blieb ruhig, mit Ausnahme der Stadt Lemberg, wo jedoch
die Bewegung durch die am 13. Februar erfolgte V'erhaftung von
35 In.«urgentenfulirem im Keime unterdrQckt wurde. In Russisch- und
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Oie Besetzung von Krakau
221
Sonutay. den 15. Febi'uar 1845, war in der Stadt Krakau
eine tmgewölndiclie Bewegung. 'N'ulksnia.ssen durchzogen
•singend und lärmend die Stadt ; sie verkündeten laut ilie
endliche Befreiung Polens von der langjährigen ZwingheiTschaft
and verhießen eine goldene Zukiuift. Die frivolen Äußerungen
erträumter Freiheit fanden allerorts stürmischen Beifall. Die
Volksma.ssen schwollen immer mehr au und Bewarthete in
Krakauer Nationaltracht sammelten sich auf den Plätzen.
Vergeblich suchten die Behörden tbesem Treiben Einhalt
zu tun ; das Lärmen dauerte bis in die Nacht hinein — die
bestehende Ordnung ward gekündigt.
Der drohende Ausbruch ernster Unruhen bestimmte ilte
Residenten der drei Schutzmächte, den in Podgorze weilenden
m PreuÜisch-Poleii fanden nur g.^nz unbedeutende Aufstandsversuche
statt. — In IVestgalizien stand zu dieser Zeit die Trappendivision
F.ML. Csollich in Taniöw, mit den Brigaden Collin in Podgörie und
Legedics in Taniöw, zusammen d Bataillone zu C, 7 Bataillone zu
4 Kompagnien (46 Kompagnien), 14 Eskadronen und ■/» Batterie
2 Sechspfünder und eine Haubitze). Die erste Standeserhöbuug fand
.mfangs Januar 1846 statt, weitere folgten in demselben Monat und
im Februar, jedoch nur bei den aus Galizien sich ergänzenden Infan-
terieregimentern. Die Kompagnien wurden auf den Stand von 100 und
12U Gemeinen gebracht: am ‘26. Februar aber ward befohlen, den Stand
der Kompagnien auf 140 Gemeine zu erhöhen. Infolge der schlechten
Wege und der entlegenen Ausrüstungsdepots ging inde.s die Einrückung
der Einberufenen nur langsam vor sich. V^on den aus dem Osten gegen
Westgalizien entsendeten Truppen kamen nur ganz geringe Teile zur
Verwendung, weil die Unruhen im wesentlichen schon unterdrückt waren,
liis diese Truppen ihr Marschziel erreicht hatten. — Der .Stand an dienst-
baren Truppen des Generalkommandos für Galizien und die Bukowina
war nach der offiziellen „Haupt-, Stand- und Diensttabelle” folgender :
Waffengattung
Dozeiiiber Januar
IS4Ö
Februar
1840
Infanterie |
1 Mann 19.73.8
44 46
20.539 23.609
1S16
48
30.274
Kavallerie | |l 46 46 54 | 54
I Heiter ;| 5476 5407 | 6549 i 6768
Arüllerie | Compagnien
I Mann
2
256
2
0.)">
3
337
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222
J a e u b e n s.
GM. Collin im Wege einer an ihn von dem österreichischen
Residenten Hol’mt Liehmann von Palmrode gerichteten
Zuschrift vom 10. Februar zu ersuchen, er solle alle Malinalimen
treffen, um atif die erste Nachricht von dem Ausbruch des .Auf-
stands in Krakau mit seinen Trupj)en die gesetzliche Ordnung
wiederhersteUen zu können. .Auf (Ti'imd dieser Note imd einer
nachgefolgten mündlichen Besprechung Palmrodes mit Collin
berichtete letzterer noch am selben Tage direkt an den Hof-
kriegsrat nach A\'ien und an das Generalkommando in Lemberg,
(lall sein Einrücken in Krakau nach der ihm erteilten Instruk-
tion *1 nimmehr bevorstehend sei, doch bitte er, im Hinblick
auf die wachsende Gärung in Galizien um schleunigen Ersatz
für seine dadurch zu ('ntblößeuden Garnisonen. Zugleich ent-
sandte er ohne Verzug Estafetten *'i. um aus den ihm unter-
stehenden Ganiisijuen sechs Kompagnien Infanterie und eine
Eskadron Kavallerie nach PodgörÄe zu beordern.
Am gleichen Tage bat auch der Triipitendivisionär in
Tamöw, FMIj. Csollich, infolge der Unruhen in der Um-
gebung dieser Stadt um weitere Unterstützung, ,, indem seit
gestern die Umstände wieder dringender geworden, die Auf-
regung sich noch vermehrt hat und der Ausbruch eines Auf-
standes nach uUer Überzeugung nicht mehr fern zu sein
scheint”.
Am .-Abend des folgenden Tages erliielt GM. Collin
infolge der wachsenden Unruhe vom Uofrat Liehmann von
Palrarode die definitive .Aufforderung zur Besetzung von
Krakau. Gleiclizeitig erging über .Anregung des Staatskanzlers
Fürsten Metternich vom Präsidenten des Hofkriegsrates
G. d. K. Grafen Hardegg an das Generalkomniando in
Mähren der Befehl, ein Bataillon Infanterie und eine Batterie
nach PodgörÄe abzusenden. Der Generalgouvemeur von
Galizien, Erzherzog Ferdinand hingt^gen, dm’ch die immer
ungünstigeren Meldungen der Behörden veranlaßt, sandte am 18.
in der Person des Generalkommando-.Adjutanten Oberstleutuaiit
Ludwig von Beuedek’i einen A’ertrauensmann sogleich
*) H. K. R. Praes. Eeskr. vom 12. Februar 1841.
’) Telegraphenleitungeii bestanden damals noch nicht; die erste
wurde im Sommer 1840 in Böhmen errichtet.
”) 186(5 Feldzougmeistor, Kommandant der Nordarmee.
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Die BeBctiuDK von Krakau 1S46.
223
mittels Post j.mit besonderen dienstlichen Anlträgen” nach
Rzeszöw ab.
Um 8 Uhr früh des 18. Februar rückte nun GM. Collin
mit 6 Kompagnien des Infanterieregiments Nugent Nr. 30,
1*/. Eskadronen des Clievaulegersregiments Kaiser Ferdinand
Nr. 1 und Vs Batterie während eines heftigen Schneegestöbers
über die Weichselbrücke in Krakau ein').
Die Straßen der Stadt waren leer; erst nach und nach
sammelte sich eine große Volksmenge, darunter \-ielo ver-
dächtige Fremde, atif dem Ringplatz, woselbst die Truppen
aiifmarschiert waren, an. Letztere wurden sodann, und zwar
die Mannschaft in größere Abteilungen vereint untergebracht,
die Offiziere in Privathäusem einquartiert, starke Wachen
aiLsgesetzt, ein reger Patrouillengang angeordnet und schließlich
eine Alarmdisposition ausgegeben. Die republikanische Re-
gierung aber beeilte sich, dem östen-eichischen Befehlshaber
ihren Dank auszudrücken ,,tür den abermaligen beruhigenden
Schutz, den Österreich dem Freistaate gewähre”.
Um 6 Uhr aliends wunlen drei Kommanden von je
1 Offizier und 15 bis 25 Mann, denen Polizeikommissäre und
Gendarmen der Krakauer Regierung beigegeben waren, in
das Landgebiet der Republik entsendet, um Watfendejtots
anfzuheben und Verhaftungen vorzunehmen
') Das heranbefohlene Laiidwehrbataillon des Infanterieregiments
Hohenegg Nr. 20 traf erst nachmittags in Podgörie ein. Dasselbe
»mrde, wie schon früher beabsicliligt, ebenfalls nach Krakau gezogen,
dafür von den am Morgen ein marschierten Truppen 2 Kompagnien
wieder nach Podgörie zurückgeschickt. In Krakau verblieben demnach
4 Kompagnien von Nr. 30, 4 Dandwehrkompagnien von Nr. 20, l'/t Es-
kadronen Chevaulegers und 'It Batterie, zusammen beiläufig 800 Mann
Infanterie, I.ÖO Reiter und 3 Geschütze. In Podgdrko hingegen blieben
2 Kompagnien Nr. 30 und ’/i Eskadron Chevaulegers.
’) Am Abend desselben Tages brach der Aufstand in West-
galizien ollen aus. An verschiedenen Punkten der Umgebung von
Tarnöw hatten sich Insurgenten angesammelt, darunter viele „höheren
Ranges”. Die Bauern wurden aufgefordert, sich ihnen aiizuschlielien,
nach Tarnöw zu ziehen und die kaiserlichen Behörden daselbst zu
'■eijagen. Als die Bauern sich weigerten, kam es zu blutigen Zu-
sammenstößen, in welchen die Landbevölkerung die Oberhand behielt,
viele Insurgenten festuahm und sie dem Kreisvorsteher von Tarnöw
übergab.
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224
J a o u b e n
Der 19. Februar verlief ruhig; dennoch meldete GM.Colliii.
daß die Stimmung im Stadt- und Lanilgebiet von Krakau iu
hohem Grade erregt und der Ausbnich einer, wie e.s scheint,
weitverbreiteten und gut organisierten Bewegung stündlich zu
erwarten sei.
Von den drei in das Landgebiet entsendeten Kommaudeu
erreichte Leutnant Bernd mit 25 Chevaulegers um 5 Uhr
morgens seinen Bestimmungsort Krzeszowice (25 Kilometer
nordwestlich Krakau i, Leutnant Bitter von Begg gleichfalls
mit 25 Chevaulegers, wtdcher bisher denselben Weg mit
Bernd hinterlegt hatte, gelangte erst gegen Mittag au sein
Ziel Chrzauow (45 Kilometer we.stlich Krakau» und Leutnant
Potakowski mit 15 Infanteristen befand sich noch auf dem
Marsche nach dem 55 Kilometer von Krakau entfeniten Orte
Jaworzno.
Im Laiil'e des Vormittags des 20. Felmiar erhielt
GM. Collin in Krakau von verschiedenen Seiten die bestimmt
lautende Nachricht von dem unmittelbar bevorstehenden
Ausbruch eines Aufstandes in der Stadt. Von Mittag an
standen daher die Trupjten vorerst in iliren Quartieren und
mit Einbruch der Dunkelheit am Kingjtlatz in strenger
Bereitschaft. Die Wachen wm’den verstärkt, Patrouillen in
jene Stadtteile entsendet, die als Sammelpunkte der .Auf-
ständischen bezeichnet worden waren und alle in die Stadt
führenden Landstraßen scliarf überwacht. Der Tag verlief
jedoch ruhig. Erst gegen 11 Uhr nachts stieß eine Patrouille
der Krakauer Miliz*) auf eine Anzahl Bewaffneter, die sich
der Stadt näherten. Es kam zu einem Geplänkel, wobei ein
Insurgent erschossen, andere 5 bis 6 Mann aber gefaiigen-
genommen und auf die llauptwache gebracht wurden. Aus den
weiter eingelangten Nachrichten erfuhr GM. Collin, daß die
Insurgenten beabsichtigten, Schlag 4 Uhr morgens des nächsten
Tages von allen Seiten aus den lläuseni auf die Truppen los-
zustürmen. Darum wurden die Schlagwerke der Tunuuhreii
gesjjerrt und die Wachsamkeit verdoppelt.
') Die bewafi'neto .Macht der Kepublik bestand aus etwa 509 Manu
zumeist ausgedienten österreichischen Soldaten ; sie gliederte sich in
die Miliz (2 Kompagnien), die Polizei (1 Kompagnie) und in die Gen-
«larmerie (50 .Mann zu Pferd, 20 Mann zu Fuß).
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Die Besetzung von Kraknu lb46.
225
Nach halb 5 Uhr früh zeigte sicli ein starker Insurgenteii-
haufen in der Szlakowska-iNikt)lai- iGasse ; die Tnippen wurden
angeschossen, erwiderten das Feuer und schon nach der ersten
Salve zogen sich die Aufständischen zurück. Ähnliche Augi'iffe
wiederholten sich an mehreren Pimkten der Stadt, wurden
indes überall ohne Anstrengung zurückgewieseii. Mit Tages-
anbruch trat Ruhe ein und nur in den Vorstädten und vor
der Stadt blieben größere InsurgentenabteiJungen; der ge]>lante
nächtliche Überfall war gescheitert.
Von den in das Landgebiet entsendeten Konimanden
erreichte Leutnant Potakowski erst am 20. Februar sein
Ziel Jaworzno. Gerüchte über feindselige Absichten der
Insurgenten mahnten den Offizier zur Vorsicht. Kachdem der
ihm beigeordnete Polizeikomniissär sich auf seinem Posten
nicht eingefiinden hatte, setzte sich Leutnant Potakow'ski
in einem Gasthof in Jaworzno fest, traf dort Anstalten zur
Verteitiigung, stellte Po.sten aus und entsendete Patrouillen,
die auch tatsächlich die Anwesenheit von Insurgenten fest-
■stellten. Um 11 Uhr nachts griffen diese, über 300 Mann stark,
die schwache Trujipenabteilung an. Durch einen energi-
schen Ainsf all erzwang sich Leutnant Potakowski mit seinen
Leuten den Diu-chbruch und zog sich, fortwährend käm[>fend,
auf der Straße nach Krakau bis Trzebinia zurück. Hier jedoch
erlag das schwache Detachement dem Anjtrall der weit über-
legenen Gegner mul wurde ganz zers[)rengt. Die Mannschaft
war teils gefallen, teils gefangen und den braven Offizier
rettete der Ortspfarrer dadurch, daß er ihn vor der zügel-
losen Menge bei sich verbarg. Am gleichen Tage erhielt
auch Leutnant von Hegg in Chrzanöw die Nachricht, daß eine
In.surgentenabteilung einen Überfall auf sein Detachement
plane. Er ließ sogleich satteln und bezog nachmittags außer-
halb des Ortes in iler Nähe eines größeren Wirtshauses eine
gesicherte Aufstellung. Eine von ihm gegen Chrzanöw ent-
sendete Patrouille wurde mit Schüssen emjtfäugen, eine
zweite von dem aufgenommeuen Wegweiser in einen Hinter-
halt geführt: letztere konnte sich nur durch die Schnelligkeit
ihrer Pferde in der Richtimg gegen Krakau retten. A'or
Chrzanöw blieb das Detachement, die Maimschaft abgesessen,
neben den gesattelten Pferden imd vom Abend an im Stalle
Mitteilungen dea k. und k. Kriegaarchivs. Dritte Folge. IVMld. 15
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des erwähnten Wirtshauses, eines Au^-iöes gewärtig, als
g€'gen 11 Uhr nachts die aiügestellten Posten das Anrücken
der Insiu-genten meldeten. Leutnant von Begg lieü aufsitzen
und beschloß, zum Hoftor hinaus sich durchzuschlagen. Bei
dem nun folgenden Angriff erhielt der wackere Offizier
mehrere Schüsse und sank, tödlich getroffen, vom Pfenle.
Von seiner Mannschaft drang nur die Hälfte durch ; diese
stieß unweit vor Krakau abermals mit einer Insurgentenschar
zusammen und nur drei Mann des ganzen Kommandos nickten
zu ihren Eskatlronen ein.
Nicht viel besser erging es dem Leutnant Bernd in
Krzeszowice. Derselbe hatte sich im dortigen Schlosse ein-
quaniert und wiewohl ihn der beigegebene Kommissär sorglos
zu machen versuchte, dennoch die Anordnung getroffen, daß
die eine Hälfte der Mannschaft im Stalle Bereitschaft halte,
wälrrend die andere in einem Zimmer des Erdgeschosses
schlief. Gegen 11 Uhr nachts nun schlichen sich etwa
15 Insurgenten in das Zimmer der schlafenden Mannschaft
und überfielen dieselbe ; die dabei gewechselten Schüsse waren
für die übrigen .-Vufrührer (las Signal, um in den Stall ein-
zudringen, wo Tjeutnant Bernd mit der wachenden Mannschaff
sich befand. Die Unmöglichkeit einer wirksamen Verteidigung
eiusehend, beorderte Leutnant Bernd die im Stalle ver-
bliebene Mannschaft zum Aufsitzen und sprengte, nachdem
die Stalltür geöffnet worden war, an der Spitze einiger Reiter
mitten auf den vor dem Schlosse versammelten Volkshaufen
los. Ein Kugelregen emj)fuig die mutigen Chevaulegers,
doch gelang es ihrem Führer, sich durch den ganzen Ort
durchznschlagen. Allein nur drei Reiter vermochten ihm zu
folgen, die übrigen wurden gefangen, da die erschreckten
Pferde nicht ans dem Stalle zu bringen waren. Noch in der-
selben Nacht kam Leutnant Bernd, selbst schwer verwundet,
in Krakau an. um zu berichten, welche Behandlung kaiser-
lichen Soldaten widerfahren, die gekommen waren, die Ruhe
herzustellen, in einem Lande, <lessen Regierung erst zwei
Tage vorher den Dank für den gewährten Schutz aus-
gesjn-ochen hatte, deren Organe aber dennoch, im offen-
baren Einverständnis mit den Umstürzlern, mithalfen, brave
Soldaten meticlüings zu überfallen.
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Die Desetzang von Krakau 1&46.
227
Nach dieser in der Stadt und am Tiande stürmisch ver-
laufenen Nacht lieli GM. Colli n in Krakau das Standrecht
publizieren. Scheinbar trat Ruhe ein. Die Tnippen bezogen
(heselben Stellungen wie am .\bend vorher und für den un-
günstigsten Fall wurde das von einer Infanterie- und einer
Milizkoinpagnie besetzte Schloli „"Wawel” als Sammelplatz
und Reduit bestimmt, sowie auch notdürftig veri)roviantiert.
Die Nacht verging, ohne daß der erwartete Angriff' der
Insurgenten eri’olgt wäre. Keine der ausgesendeten Patrouillen
meldete Neues, um so deutlicher aber sjirachen ilie Berichte
der im Laufe des Tages i-ückgekehrten Chcvaidegers über die
Vürtälle im Laiiflgebiet.
Am 22. Februar bald nach ^Mittag erhielt GM. Collin
die Meldung von dem VoiTücken starker Insurgentenhaufen
aus dem Landgebiet ; ihre Existenz hatten schon lüe tags
zuvor eiugetroff'euen Chevaulegers [festgesteUt. Ton Westen
längs der Weichsel, von Norden auf iler Warschauer Chaussee
und von Osten auf der Ijubliner Straße rückten starke Haufen
Bewaffneter langsam gegen Krakau vor. Aus der Stadt
stiegen Raketensignale empor, um den Anrückenden ein
Zeichen zu geben, daß sie bemerkt wurden.
Die Residenten der Schutzmächte zogen sich nach
Podgör;te zurück und Hofrat von Palmrode sandte an
GM. Collin ein Schreiben, in welchem er ihm mitteilte, daß
er das w'eitero Verhalten 'ganz seinem Ermessen überlasse.
Der russische Re.sident schrieb dem General, Tnippen seines
Staates könnten nicht vor einer AVoche eintreff'en. Endlich
kamen auch aus Galizien Nachrichten, die den Ausbruch des
Aufstandes meldeten.
Die Lage schien so eine höchst kritische, wozu noch
der Umstand hinzukam, daß ehe Truppen, worunter rielo
Rekruten, durch die wiederholten Nachtwa<dien erschöpft
waren und nur noch wenig Munition besaßen.
Gewiß war es dem GM. Collin nicht leicht, bei dieser
Sachlage einen endgiltigen Entschluß zu fassen; natürlich
dachte er zunächst an einen Kampf, doch die tingünstige
Lage des Ringi>latzes, welcher von allen Seiten von hohen
Häusern eingeschlossen war, die meist auch von rückwärts
Eingänge hatten, Heß es nicht rätlich erscheinen, dort einen
l.ö*
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228
Jacoben z.
feindlichen Angriff zn erwarten. Auch von einem Vorstoß,
nach irgend welcher Riclitung hin. versprach sich der General
keinen grollen Erfolg und hielt schlielJlieh die Eestaetzung
im Schlosse sowie dessen liehauptung, abgesehen von der
tinztireichenden Infanteriemunition und dem raangehiden
Proviant, darum nicht für ratsam, weil er sich dadurch von
Podgdrze isoliert, demnach auch die Ausbreitung des Aufstandes
nicht zu hindern vermocht hätte.
In dieser Hituation griff GM. Collin zu dem bei solchen
Anlässen schon aus moralischen Gründen wohl selten zu
empfehlenden, in dem vorhegenden Falle aber schwer zu recht-
fertigenden Mittel; er beschloß die Stadt zu räumen. Da sämt-
liche Tru])pen ohnehin unter "Waffen standen, wurde auch
gleich abmarschiert. Die kleinen Ilabseligkeiten der Offiziere
und Mannschaft blieben zurück, weil es nicht angezeigt schien,
einzehie Leute zu deren Abholung aiistreten zu lassen.
ln ridiigem Kolonnenmarsch rückten die Tru])pen ein-
schließhch der Krakauer Miliz um 6 Uhr abends durch die
Haujit Straße über die Weichselbi-ücke nach Podgor2e. Hierauf
wurde die aus Flößen bestehende Brücke durch Abhauen der
Seile unbenützbar g(*macht.
Kaum hatten die Insurgenten in der Stadt den Abmarsch
der Trup])en wahrgenommen, als sie aus ihren Verstecken
hervorbrachen und unter Schießen und Hunrngeschrei sich
der abgebrochenen Brücke näherten. Bald war von ihnen das
linke Weichselufer besetzt und sogleich ein lebhaftes Klein-
gewehrteuer gegen das jenseitige Ufer begoimen, welches
von den Truppen nur schwach erwidert wurde, um bei dem
herrschenden Dunkel nicht zwecklos die ohnehin kargen
Miuütion.sbestände zu verschwenden.
^lit ilen Truppen zugleich hatten auch sämtliche Re-
gieruiigsbeamten die Stadt verlassen. Die ruhigen Bürger,
welche jetzt nicht ohne Grund Plünderungen und Exzesse
befürchteten, forderten nunmehr den Grafen .losef Wod-
zicki auf, die llegierung zu übernehmen. Dieser konsti-
tuierte jedoch nur ein unpolitisches ,, Sicherheitskomitee'',
welches aber schon nach wenigen Stunden ein jähes Ende
fand ; in der Nacht waren nämlich im Rathaus drei
Insurgenten in zahlreicher Begleitung erschienen, welche
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Dia Be8etsnn(f von Krakaa
229
erklärten, daß sie einer am 24. Januar in Paris nliRehaltenen
Sitzunfr der „Emigrantenregiernng” zufolge mit den Regienmgs-
gpscliäften in Krakau betraut worden seien. Die neuen Afac-bt-
haber traten auch sogleich in Funktion und ließen die Be-
schlüsse der ..neuen Regierung” in Form von Proklamationen
lind Manifesten bombastischen Stils erscheinen.
Am 23. Februar dauerte das Geplänkel an beiden
Weichselufeni ohne besondere Wirkung fort. GM. Co Hin
ließ den Grenzfluß scharf bewachen und sandte au die in Mähren
sich sammelnden Verstärkungen den Befehl zur schleunigen
Vorrückung. Wiewohl aber die neue Regierung in Krakau,
mit ihrer Einrichtung vollauf beschäftigt, keinen Vorstoß auf
österreichisches Gebiet unternahm, erschien dem österreichi-
scheu Befelilshaber nach Verlauf des Tages die allgemeine Lage
dennoch so ungünstig, daß er die Räumung auch der wichtigen
SteUung von PodgdrÄe beschloß. Zum Teil mag wohl die
momentane Ermüdung der Tni[)pen, raelir noch aber wahr-
scheitdich ilie eigene körperliche Abspannung, welche den
alten Mann nach den Mühen der letzten Tage und infolge
der fortgesetzten Nachtwachen befallen hatte, den General,
der zu selir besorgte, daß der Aufstand auch im Wadowicer
Kreise ausbrechen und ihm dadurch der Rückzug verlegt
werden könnte, bestimmt haben, jetzt zum zweiten Male ohne
Kampf, somit ohne zwingenden Grund, das Feld zu räumen;
denn die Knappheit der Munition und der Lebensmittel, <laun
die angebliche „Ausbreitung des Aufstandes in der ganzen
Gegenii” rechtfertigen nicht genügtuid einen Entschluß, der den
lusurgeuteu den Einbruch in tlas westliche Galizien ge.stattete.
Trotz ihrer Erschöjjfung traten die Truppen noch um
11 Uhr nachts den Rückzug über Mogilany nach Kalwarya
an und erreichten die.sen <)it, 30 Kilometer von PodgörÄe,
nach einem anstrengenden NaLditmarsch am 24. Februar.
Unterwegs wurden die zur Verstärkung augerückten
vier Kompagnien des Infanterieregiments Schmeliug Nr. 29
aufgenommen. Die Tnippen wurden während ihres Marsches
wiederholt beschossen und bei Kalwarya selbst erhielten die
Voqmsten von den sich zahlreicher sammelnden Insurgenten
mehrere Gewehrsalven. Ein eigentlicher ,\ngritf der Auf-
ständi.schen erfolgte indes nicht, vermutlich deshalb, weil
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230
J a o u b e n K.
ihnen das Eintreffen von Verstärkungen wohl auch nicht
entgangen war ').
Aber auch in Kalwarvn tiihlte sich GM. Colliu nicht
sicher genug und noch am Ahen<l des 24. Februar brach er
mit den marsclifähigsten Truppen — 2 Kompagnien. 1 Eskadron
mid der Halbbatterie — nach AVadowice (15 Kilometer von
Kalwaryai auf, welchen Ort er im Hinblick auf seine Magazine,
Kasenien und sonstigen Akzessorien für die Ausrüstung imd
Organisation der Tnj])pen als besonders geeignet hielt.
In Krakati hatte sich inzwischen auch das neue Regienmgs-
triumvirat nur einer kurzen Herrschaft zu erfreuen : dort war
in der Person Tyssowskis ein Diktator eingesetzt worden,
welcher in die Bewegung einen energischeren Zug bringen
sollte. Derselbe gab sogleich Befeld, ein Korps zu bilden,
das zu einem Einfall in Galizien bestimmt war. Das von
den Truppen geräumte Podgörie hatten die Krakauer Insur-
genten, welche die Weichsel auf Kähnen übersetzten, am 24.
um die Mittagszeit betreten, während andere sich auf den
Weg nach Müeliczka machten.
Die Gefechte von Gdow und Podgörze.
In Galizien war der .Aufstand schon am 24. Febniar
au dem blutigen Widerstand der Bauern und den ebenso
umfassemlen als strengen Alallregeln der Behörden gescheitert.
Die Unklarheit der Verhältnisse aber und die Berichte über
die furchtbaren Ausschreitungen der Baueni gegen die
Dominien, veranlaüten die Regierung, über .sämtliche ' Kreise
westlich von Ijemberg, einschließlich dieser Stadt, das Stand-
recht zu verhängen.
Der Gubernialvize])räsident Leopold Graf Lazansky
war am 22. Februar zur Wiederherstellung der Ordnung von
Lemberg in die Provinz entsendet worden tnid der General-
*) Bei Knhvarya wartin jetzt versammelt; 14 Kompagnien,
2 Eskadronen, */j Batterie und die Krakauer Miliz ; zusammen gegen
1400 Manu Infanterie, ISO Keiter, 3 Geschütze und 400 Mann Milit-
truppen. — Die Verluste der Tru])pen seit dem Einmarsch in Krakau
betrugen: tot: 1 Oflizier (Leutnant Ritter von Begg) und 10 Mann; ver-
wundet: 1 Offizier (Leutnant Bernd) und 12 Mann; vermißt: 1 Offizier
(Leutnant Potakowski) und 39 Mhnn.
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Die Besetzan^ vod Krakau 1846.
231
kommaiido- Adjutant Oberstleutnant von Benedek erhielt die
Weisung, sich weiter westwärts, in das an den Freistaat
Krakau grenzende Gebiet, zu begeben. Benedek befand sich
am 24. Febniar eben in Tamöw, als ihm die Nachricht von
der Räiunung Podgorstes imd dem Vordringen der Krakauer
Insurgenten gegen Wieliczka zukam. Mit gröbter Besclüeu-
uigtmg eilte er nach Bochnia, wo ihm unterwegs schon
Flüchtlinge begegneten, mid traf daselbst im Kreisamt um
10 Uhr abends ein, gerade als die Spitzen der Zivil- und
Militärbehörden versammelt waren und auch schon die
Räumimg dieses Ortes definitiv beschließen wollten. Benedek
erfuhr hier, daß größere Insurgentenhaufen aus Krakau im
Anzug seien, daß die aus zwei Kompagnien bestehende Gar-
nison von Wieliczka sich vor ihnen znrückgezogen habe, die
1200 Grubenarbeiter von Wieliczka bereits zu den Aufständi-
schen übergetreten und jene von den Salinen in Bochnia,
etwa an 400 an Zahl, ebenfalls durchaus unverläßlich wären.
Eine weitere Gefahr erbhckten die geängstigten Behörden
in den zahlreichen, im Orte nur notdürftig tintergebrachten
pobtischen Häftlingen; sie besorgten, daß unter diesen Um-
ständen schon beim ersten Auftauchen der Insurgenten gewiß
der allgemeine .Aufstand ausbrechen und ein geordneter
Rückzug sodann nicht mehr möglich sein würde.
Oberstleutnant Benedek teilte diese Befürchtungen
«iurchaus nicht; er hatte, aus Mittelgalizien kommend, überall
wahrgenommen, daß der Aufstand an dem bäuerlichen Wider-
stand gescheitert war und hoö’to, auch hier durch energisches
Eingreifen die Ordnung ehestens herzustellen. Er statuierte
in Bochnia sogleich ein ,, absolutes Mditän-egime” ‘) und traf
umfassende Anstalten zur Ünterdriickung der Bewegung. Noch
vor Mitternacht wurde, ein Feldwebel an den (iM. Co Hin mit
der Aufforderung abgefertigt, aucli seinerseits bei dem für
den 26. Februar beabsichtigten Angrift' auf Wieliczka mit-
zuwirken.
Am 25. Februar wurden die Vorbereitimgen zum Marsche
gegen Wieliczka getroffen, Kundschafter dahin abgeschickt,
Munition an die Truppen verteilt, die eingerückten Urlauber
') Nachträglicher Bericht Benedeks, d. d. Lemberg, 15. März 1S4B.
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232
Jaenbens.
<>ingereiht und die TUirgenniliz von Boehnia — etwa 130 Mann
— von Oberstleutnant Benedck gemustert. Durch den
Kreisvorsteher von Bochnia erging ferner an die in der
TJichtnng gegen \Vieliczka gelegenen Oeraeinden der Aufruf,
dati jeder Mann, der sich der VoiTückung gegen M’ieliezka
anschlieUe, einen Zentner Salz bekommen werde und daÜ tur
jeden lebeiul und gesund eingebrach ten Insurgenten eine
Belohnung von fünf Onlden ausge.setzt sei *).
Am Nachmittag langte von OM. Collin die .\ntwort
ein, wonach der Mangel an Munition und die Erschöjdung
seiner Truppen ihm es noch nicht gestatten, an dem für den
2(i. geplanten Uiiteniehmen mitzuwirken. Die ausgeseudeten
Kundschafter aber meldeten. daU sich in M^ieliezka gegen
ßOO Insurgenten befänden. ..meist unansehnliches Oesindel
zwar, welches jedoch durch den ausgeübten Terri.irismus sich
allmählich verstärke”.
Ungeachtet dessen blieb Bejiedek bei seinem EntschluÜ
und lieh noch in der Nacht vier C’hevaulegerapatrouilleu
abgehen, welche den .Aufruf des Kreisvorsteher.s verteilen
und den betreffenden Landleuten als Führer dienen soUti-n.
OM. Collin hatte indessen zur Festhaltung der Straße
AVadowice — PodgArüe nur das aus Mähren zur Verstärkung
eingetroffene Bataillon des Infanterieregiments Nr. 2S) (zwei
Kompagnien desselben standen bereits in Kalwaryai und
eine halbe Eskadron Chevaulegers von AVadowice auf der
genannten Straße vorgeschoben, alle übrigen Truppen aber
zu ihrer Ergänzung und Ausrüstung nach AV^adowice gezogen.
Das Ansuchen Benedeks blieb einstweilen unerfüllt, woran
übrigens auch das am selben Abend in AA'adowice ertblgte
Eintreiien des neueniannten, auf der Durchreise nach Lemberg
befindlichen Divisionärs, FAIL. Oraf Castiglioue, nichts
änderte *j.
’) Die in der Folge sowohl im Lande Galizien als auch im Parla-
ment erhobene Beschuldigung, daß die kaiserliche Eegicrnng auf die
Tötung jede« Insurgenten eine Prämie ausgesetzt habe, gehört, sofern
es sich um die oben erwähnte A’erfiigung handelt, in das Eeich der
Fabel; der Bericht Benedeks vom 15. März 18-16 spricht sich darüber
klar und deutlich aus.
•) Welchen F.influß FML. Graf Castiglioue diesfalls genommen,
ist nicht sicher festzustellen, nur soviel ist ersichtlich, daß er in den
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Die liesetxung von Kraknu l&tö.
233
Von Wien aus wurde unterdessen auf die Naeliricht <ler
Besetzung von Krakau die Absendung weiterer Verstärkungen
aus Mähren i3 Bataillone Infanterie, 3 Eskadronen Chevau-
legers und 2 Batterien) und auf die tmheilvolle Botschaft
vom Uückzug Collins, noch am 25. Februar die AufsteUiiug
eines Korjts von 12.000 bis 15.000 Mann zur Oiteration gegen
Krakau anbefohlen.
Oberstleutnant Benedek war, nach dem Vorange-
schickten. vorläufig bloß auf die geringen ihm zu Gebot
stehenden Kräfte angewiesen. Am 26. FeViinar, halb 7 Uhr
früh, marschierte er mit der 1., 2. und 5. Feld- und der
4. Laudwehrkompagnie des Infanterieregiments Nugent Nr. 30.
dann iVi Eskadronen des Chevaulegersregimeuts Kaiser Fer-
dinand Xr. 1 — insgesamt, einschließlich der schon in der
Nacht abgefertigten Patrouillen 327 Mann Infanterie und
155 Heiter — von Bochnia nach Wieliczka ab. ln Bochnia
verblieben gegen 200 Mann, denen im \'erein mit der Bürger-
miliz die Sicherung der Stadt und die Bewachung der zahl-
reichen {)olitischen Häftlinge übertragen wurde.
.\ls die Kolonne Benedeks in KsiaÄnice am Rabafluß
eingetrolfeu war, von wo aus über einen langgestrecktem
Rücken der kürzeste Weg nach Wieliczka eingeschlagen
werden sollte, brachte einer der in iler Xacht abgeschickten
Chevaulegers, ein Beutepferd an der Hand, die Meldung, daß
die Krakauer Insurgenten von Wiidiczka auf fler Straße gegen
tnldw in der Vorrückung liegi-iffen seien, daß die Chevau-
legers mit ilen aufgebotenen Bauern den Insurgenten bereits
im Kampfe gegenübergestanden wären, deren Vurrücken jedoch
nicht zu hindern vermocht hätten, weil die Bauern vor den
mit Feiiergewehren bewaffneten Gegneni Furcht zeigten.
folgenden Tagen die Brigade Collin bei ihrer AViedervorrückuiig gegen
Podgörie begleitet, dann aber seine Reise ' nach Lemberg l'ortgoseizt
hat. In einem Bericht des zum Kommandanten des Expeditionskorps
gegen Krakau mit 2.5. Februar 1846 ernannten FML. Grafen Wrbna an
den Hofkriegsrat (der Bericht trägt kein Datum, dürfte aber von Krakau
am 8. März 1846 abgegangoii sein), in welchem sich W rbna über Collin
sehr ungünstig ausspricht, ist unter anderem auch der Passus ent-
halten: ,,Denu er [Castiglione], nicht General Collin, leitete den
Angriff auf PodgörZe.”
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234
Jaoubens.
Olierstleutnant Benedek beschloß nunmehr, sich gegen
Gdöw zu wenden. Auf dem Weitemiarsch dahhi wurde bekaimt.
daß die Insurgenten, gegen 600 Mann stai'k. in üdöw stehen
gebüeben seien. Die aufgebotenen Baueni, etw'a 400. wurden
eine halbe Meile vor Gd6w angetroflen und der Truppen-
kolonne angeschlos.sf*n, welche sich diesem Orte ungehindert
näherte. Di»» dahin führende breite Straße war etwas aufgetaut,
aber gut benützbar, die angrenzenden Felder hingegen stark
aufgeweicht und nur für Infanterie, dann durch einzelne Reiter
unter Vorsicht zu betreten. Der Ort Gdöw war zu einer hart-
näckigen Verteifligung, tvofür übrigens die Insurgenten keine
A'orbereitnngen getroffen hatten, wenig geeignet. Die Orts-
li.siere sprang gegen Osten in einem spitzen Winkel vor und
bestand durchwegs aus kleinen, schlecht gebaut*»n, daher nicht
verteidigungsfähig»»!! Häusern. Auch war für den Verteidiger
noch der weitere I^mstan»! nicht g^iuistig, daß seine Rückzugs-
linie — che Straße über Wieliczka nach Krakau — in der Ver-
längerung seines linken Flügels lag. Von den Insurgenten war
nur ungefähr »lie Hälfte mit Gewehren bewaffnet und ihre
Reiterei konnte infolge des stark aufgeweichten, von kleinen
Rinnsalen durchzogenen Bodens zu keiner Wirkung kommen.
Sie stand, gegen 100 Reiter stark, nördlich des Ortes, auf
der Straße nach Wieliczka. Das Gros der unberittenen Insur-
genten hatt»» sich in den Häuseni des Ostrandes und in den
Gass<‘ii von Gdöw verdecjkt aufgestellt.
Kurz nach 10 Uhr vormittags, etwa 1200 Schritt von
Gdöw entfernt, »»fließ Oberstleutnant Benedek den Befehl
zum Angriff auf diesen Ort. Ein Zug der 5. Kompagnie
mit einigen Chevaulegers und sämtlichen Bauern unter
Kommando des Leutnants Hoffmann hatte auf die nördlich
der Anmarschstraß»» stehenden berittenen Insurgenten, s»)mit
gegen die Rückzugslinie der Verteidiger, v»>rzugehen. Auf
und neben »ier Straße nach (Idöw rückte ein Zug Chevauleg»»rs
als Vorj^)atr»juille bis auf zirka 400 Schritt gegen den Ort vor
und zog sich »lann in nördlicher Ricditung näher an die
Gruj)j)e des Leutnants Hoffmann: hinter den Chevaul»»gers
marschiert»»!! auf der Straße die 1., 2., dann der R»»st der
ö. Feld- und die 4. Lanilwehrkomjuignie von Xr. 30, hierauf die
übrigen Reitc»r. Mit Rücksicht auf den beschwerlichen Weg
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Die Besetzung von Krakau 181Ö.
235
wurde der Abteilung des Leutnants Hoff mann ein ent-
sprechender Torsprung gegeben.
Als nun vor Gd6w die Chevaulegers der Vorpatrouille
die Front räumten, entwickelte sich die 1. Kompagnie zum
Gefecht und ging, in Kette formiert, feuernd gegen den Ort
vor, aus welchem die Insurgenten das Feuer nur schwach und
gänzlich iinwirksam erwiderten. Als dann auch die Abteilung
lies Leutnants Hoffmann dem Orte ziemlich nahe gekommen
war, stürmte die 1. Kompagnie den östlichen Ortsrand, der
beim ersten Ajüauf erreicht und vom Gegner geräumt wurde.
Xunmehr ergriffen auch die berittenen Insurgenten die Flucht,
wobei sie von der Abteilung des Leutnants Hoffmann
beschossen wurden. Die Bauern, dies bemerkend, di’ängteu
jetzt „wie Geier vor, stritten sich um die ßeutepferde, fielen
über die herabgeschossenen Heiter her und umstellten
[maskierten] so die in einem Hohlweg gut ])ostierte Infanteiie
des Leutnants Hoffmann, wodurch die Flucht der sich gegen
Wiehczka wendenden Reiter begünstigt wurde *}”.
Beim weiteren Vordringen in den Ort wurde die
1. Kompagnie aus einigen Häusern beschossen. Darum ward
die 2. Kompagnie herangezogen, welche während ihres Vor-
marsches alle Häuser von Gdöw durchsuchte. Die übrigen
Tmppen folgten auf der Hauptstraße durch den Ort nach.
Schließlich drangen auch die Bauern in Gdöw ein und ,, er-
schlugen alles, was verwundet oder feig die Waflen streckte; nur
mitMühe, Geld und guten Worten, konnte ich einigen
jungen Burschen das Leben retten, aber es war keine
Zeit, sich viel damit zu befassen”. Während des Kampfes im Orte.
..der eigentlich ein Gemetzel war”, hatte Leutnant Hoffmann
die Straße nach Wieliczka gewonnen und gegen 50 flüchtende
Iu.surgenten gefangengenommen. Die Tru])pen hatten keijierlei
Verluste erlitten, nur zwei Mann wurden anfangs vermißt,
die sich aber später wieder einfanden. Ein schon des Morgcms
verwundeter und von den Lisurgmifen gefangengenommener
Chevauleger wurde bei der Einnahme des Ortes befreit. Von den
Bauern sind mehrere'im Handgemenge verwundet worden : sie
hatten Uber 150 Insiu-genten erschlagen, die Toten sodann aus-
*) Bericht des Oberstleutnants Benedek.
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.1 a o a b e n X.
geplündert, ja selbst vei-stümmelt. (legen 60 Gefangene, zumeist
verwundet, wurden eingehracht, endlich zwei Insurgenten-
falineii, mehrere Hagagewagen, viele Watten und einige
Pferde erbeutet, doch diese größtenteils den Hauern überla.ssen.
Nach einer halbstündigen Käst wurde der Marsch auf
der Straße nach \\'ieliczka fortgesetzt. Eine Schar von luigetäbr
50 berittenen, gegen .Myslenice versprengten Insurgenten,
zeigte sich kurze Zeit im Kücken iler Truppen, wagte aber
keinen Angritt’. Die Bauern, die doch nichts anderes teten,
,.als daß sie unsere Gefangenen erschlugen und jilünderten’’.
verliefen sich bald mit ihrer Heute; nur etwa .50 derselben
durchsuchten die Häuser an der Straße und begleiteten füe
Trupjien, welche — mit den Insurgenten in der Mitte — nach
3 Uhr nachmittags in Wieliczkn einrückten. Am Ortseingang
wurde die Kolonne von der Musik der Bergleute emjtfangen.
die aber Bene de k ,.alsogleich in den erstbesten Stall ein-
speiTen ließ, weil sie zwei Tage zuvor den Insurgenten jubehid
entgegengezogen war’’. Auf dem Stadt[>latz wurde aiifmarschiert
und der Bürgermeister vorgerufen. Mehrere hundert aus ilem
Sensendepot der Insurgenten in Wieliezka bewatthete Bauern
hatten sich ebenfalls eingefunden, ebenso rückten, gleichzeitig
mit der llaupttru])pe, die übrigen zwei noch in der Nacht
ausgesendeten Chevaulegers])atrouillen, aus der Kichtung von
Podgnrze kommend, in Wieliezka ein.
Diese Keiter, 26 an der Zahl, waren von Bochnia über
Niepoloniice und Targowisko, nördlich an Wieliezka vorüber,
gegen die Straße Wieliezka — PodgörÄe vorgegangen uml
auf etwa 60 bis 80 berittene Insurgenten gestoßen : beide
Patrouillen vereint unter Kadett von Brzoski, griflen die
Insurgenten sofort an, warfen und vert'olgten dieselben bis
halbeuwegs na( h Podgörze, worauf sie einrückten.
In Wieliezka traf nunmehr Oberstleutnant Benedck
Anordnungen hijisichtlich der Verptteg-ung und Unterbringung
der Truppen. Auf dem Hauptplatz blieb nur ein kleines
Kavalleriej)ikett und auf der Hauiüwache eine hallie Kompagnie
in Bereitschaft. Benedek begab sich sodann in das Schloß,
wo er den dort versammcdteii Salinen- und Magistratsbeamten
kategorisch und schonungslos ihr illoyales Verhalten vorhielt.
Während dieser Versammlung fielen aus einem Hause am
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Die Besetsung von Krakau 164Ö.
237
Hauptplatz, wo sich wahrscheinlich betrunkene Insurgenten
versteckt hatten, einige Schüsse. Leutnant Hol'fmann und
mehrere Chevaulegers drangen sofort in das betreffende Haus
ein, wobei vier Insurgenten erschossen wurden. Dieser Voiffall
steigerte ungemein die Aufregung der anwesenden Baueni,
welche gleich die Stadt jilündern wollten. Nur das abermalige
besonnene Eingi'eifen Benedeks verhütete größeres Unheil. Er
heß sogleich alle Ortsrichter, Beisitzer undWortiuhrer derLand-
leiite zu sich berufen, ermahnte sie zur Buhe und forderte die-
selben auf, nunmehr nach Haus zu gehen, datür anderen Tages
gemeindeweise und mittels Namensverzeichnisses beim Kreis-
hauptmaiui in Bochnia ]>er Mann einen Zwanziger in barem
beide und die Anweisungen auf das versprochene Salz zu holen.
AVirksam unterstützt von dem anwesenden Finanzoberkommissär
.Jani.szewski und anderen Notabein gelang es Benedek auf
diese Weise, „hie und da mit etwas Geld nachhclfend, die
ganz wild aufgeregte Horde zur Buhe zu bringen und sie
nach und nach, in beiläufig l’/s Stunden, aus der Stadt zu
weisen, ohne daß Plünderung oder E.xzesse geschehen wären,
obgleich die meineidige Stadt Wieliczka es verdient hätte, einige
Stunden geplündert zu werilen”. Die folgende Nacht verlief
ndiig und die Truppen konnten sich ungestört von den
überstandeuen Anstrengungen erholen; sie hatten trotz Gefecht
und großer, beschwerlicher Marschleistung nicht einen Maroden.
GM. Co Hin in Wailowice hatte inzwischen durch
Entsendung von Streifkommanden, Aufhebung von Watfen-
depots, Arretiening verdächtiger Personen und sonst an-
gemessene Maßregeln das Gebiet süllwestlich Krakau gegen
den Ausbruch eines Aufstandes gesichert. Nachdem sich die
Tnippen rasch wieder erholt hatten, mir Munition ver-
sehen wurden. Verstärkungen eintrafen und weitere binnen
kurzem zu erwarten w'aren. wurde der schleunige Wieder-
vormarsch gegen Podgorze, von den Trupjxm schon mit
l.ngeduld erw'artet. um so rascher beschlossen, als Colliii
ja auch den Obei’stleutnaut Benedek im Vormarsch von
Bochnia wußte. ,,Eine gi'oße Anzahl von Verwandten der
Soldaten von Fürstenwärther-Infanterie iNr. 56, Ergänzungs-
bezirk Wadowice^ hatte sich um die Kaserne cingefundeu:
kein Zagen, keine Klage wurde laut, der freudigste Iffut
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238
Jacnbens.
belebte aUe und von allen Trujipenteilen wurde ich gebeten,
sie nicht zurüokzulassen
Fast zur selben Zeit, als Benedek von Gdöw gegen
Wieliczka aufbrach, um 2 Uhr nachmittags des 26, Februar,
marschierte GM. Collin von M’adowice ab. Die erste
Truppenstati'el bestand aus dem 3. Bataillon des Infanterie-
regiments Für.stenwärther Nr. 56, 1 Eskadron des Chevau-
legersregiments Kaiser Ferdinand Nr. 1, ’/s Batterie und der
Krakauer Miliz. Derselben sollten anderen Tages das Laml-
wehrbataillon des Infanterieregiments Hochenegg Nr. 20 und
eine weitere Eskadron des genannten Chevaulegersregiment«
tljlgen. Unterwegs begegnete man zahlreichen gefangenen
Insurgenten, die von Bauern zum Kreisamt nach Wadowiee
eskortiert wurden. Wiederholt kam es vor, dall die Bauern
schon von der Feme die 'J’rnijpen mit dem Kufe begiiißten:
,,Es lebe der Kaiser, wir sind Galizianer, keine Polaken!”
In Kalwarya, Izdebnik und ^logilany wtirde genächtigt.
In Krakau war mittlerweile infolge der Untätigkeit des
Diktators von einigen der Hitzigsten unter den Revolutionären
die Absetzung Tyssowskis beschlossen worden. Frühmorgens
des 26. Februar ward er in seinem Zimmer überfallen und
zur’Abdankung genötigt, die auch gleich öfFenthch kundgetan
wurde. ,\lsbald widerrief jedoch Tyssowski diesen Ver/iclit
auf die Macht und ließ nun seinerseits Plakate mit der
Kundmachung anschlagen, daß er den Führer der Unzu-
friedenen dem Kevolutionstribunal übergehe.
Diese AVirren, sowie die Berichte einiger dem Gemetzel
von Gdöw Entkommenen, trugen nun nicht wenig zur Herab-
stimmung der ersten Begeisterung bei und hatten zur nächsten
Folge, daß Oberstleutnant Benedek in Wiehczka unbelästigt
seine weiteren JInßnahmen zur Wiederherstellung der •Ord-
nung treffen und auch durchführen konnte.
Am 27. Februar, 7 Uhr früh, erhielt Benedek von
GAl. Collin die Nachricht, daß letzterer noch am selbeti
Tagt' gegen Podgörie vttrrüeken werde und machte sich zur
Unterstützmig dieses Angriffes mit einer Komjtagnie und einer
') Nachträglicher Bericht des GM. von Collin, d. d. Bochuia,
31. März 1846.
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Die Besetxung von Krakftu 1816.
239
halben Eskadron sogleich auf den Weg gegen den genannten
Ort. Etwa 1000 Schritte vor demselben hielt er an ; hier er-
fuhr er, daß die Insurgenten auf den Höhen von Podgörze
Posten aufgestellt hatten, Kundschafter meldeten ferner, der
Ort sei wohlbesetzt und zur Verteidigung hergerichtet. Als
aber bis halb 5 Uhr nachmittags von der Vorrückung
Collins noch immer nichts wahrzunehmen war, trat Benedek
wieder den Rückmarsch nach Wioliczka an, wo er abends
eintraf und nun auch mehrere rasch aufeinander folgende
Kanonenschüsse aus der Richtung von Podgörze vernahm,
sodann in der Nacht Kunde von der Einnahme dieses Ortes
durch die kaiserlichen Truppen erhielt.
Der Diktator in Krakau hatte unterdessen, um die Scharte
des vorhergegangenen Tages auszuwetzen und Wieliczka
wieder zu gewinnen, eine neue Expedition dahin beschlossen,
für dieselbe jedoch infolge der mangelhaften Organisation
und der geringen Begeisterung keine genügende Anzahl von
Teilnehmern gefunden. Da aber doch etwas geschehen mußte,
um auf die erregte Landbevölkerung, der man allein die
Niederlage bei Gdöw zuschrieb, einzuwirken, beschloß man,
auf den frommen Sinn der Landleute bauend, eine kirchliche
Prozession mit Fahnen, Kreuzen und Reliquien, unter mög-
lichst zahlreicher Beteiligung der Geistlichkeit, nach Wieliczka
zu entsenden. Der Diktator berief die Geistlichkeit zu sich
und forderte sie auf, bei der Bekehrung der blutdürstigen
Bauern mitzuwirken. Die Sache schien zwar bedenklich, den-
noch sagten die Geistlichen schließlich ihre Teilnahme zu,
unter der Bedingung, daß Bewaffnete die Prozession begleiteten.
Von einer großen Menge umgeben, zog nun die Prozession,
fromme Lieder singend, um die Mittagsstunde über die Brücke
nach Podgörze, wo ein mehrstündiger Halt gemacht wurde,
um die dortige Bevölkerung für die Sache der Insurgenten
zu begeistern. Hierauf wurde der Marsch nach Wieliczka
fortgesetzt. Ein Insurgentenführer, in Bauerntracht verkleidet'),
das Kreuz in der Hand, schritt an der Spitze des Zuges.
Ungehindert ward an der Straße nach Wieliczka die Stelle
erreicht, wo noch kurz vorher Benedek, mit seiner schwachen
‘) Der Emissär Eduard Dijbowski.
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J aoubess.
Abteilung vergeblich wartend, gestanden war, als die über-
raschende Nachricht einlief, daß kaiserliche Trappen im
Rücken Podgor^e angriffen. Die Prozession trat jetzt zwar
schleunigst den Rückweg nach Krakau au, doch war es zu
spät, um über die Weichselbrücke zu entkommen.
In der Vorrückung gegen PodgorZe hatte GM,
Collin um die Mittagszeit Mogilany passiert. Abermals be-
gegnete man gefangenen Insurgenten und an der Straße
standen zahlreiche bewaffnete Bauern, welche sich den Truppen
anschlieUen wollten, was jedoch General Collin nicht ge-
stattete. Bei Borok, vier Kilometer vor PodgörZe, stieß
die Kolonne auf eine feindliche Reiterpatrouille, welche
jedoch eilig davonritt. Gegen 5 Uhr nachmittags langte
die Kolonne vor PodgörZe an, das, eingelaufenen Nach-
richten zufolge, von den Insurgenten zur Verteidigung her-
gerichtet war.
Einschließlich der während des Marsches anfgenommenen
fünf Kompagnien des Infanterieregiments Schmeling Nr. 29
(eine Kompagpiie davon war zur Sicherung der Marschlinie
bei Myslenice zurückgelassen worden) standen dem GM.
Collin ungefähr 1500 Mann Infanterie, 100 Reiter imd
3 Geschütze zur Verfügung *). Der Westeingang von PodgorZe
lag in einem Defile, gebildet einerseits durch die zur Zeit
stark angeschwollene Weichsel, andererseits durch einen un-
gefähr 1000 Schritt langen, steil abfallenden Bergrücken von
50 bis 70 Meter relativer Höhe. Gleich an dem etwa 200 Meter
breiten Ortseingang befand sich die feste, zur Verteidigung
geeignete und auch hergerichtete Hauptkaseme ; dahinter die
Ortschaft selbst, deren massiv gebaute Häuser auf dem Haupt-
])latz und an der zur Weichsel brücke führenden Straße als
zweite Verteidigungsstellung von den Insurgenten ebenfalls
hergerichtet worden waren.
Die Rückzugslinie der Insurgenten über die Brücke lag
in der Verlängerung ihres rechten Flügels, war somit für die-
selben nicht besonders günstig.
*) 5 Kompagnien des lufanteneregimcnts Nr. 29, 4 Kompagnien
des Infanterieregiments Nr. f)(j, 1 Eskadron des Chcvaulegersregiments
Nr. 1, eine halbe Batterie und die Krakauer Miliz.
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Die Besetznnf^ von Krakan 1819. 241
GM. Collin, mit der Örtlichkeit wohlvertraut und wissend,
wie sich die Insurgenten eingerichtet hatten, erteilte unver-
züglich den Befehl zum Angriff.
Hiernach hatte die 13. Kompagnie des Infanterieregiments
Fürstenwärther Nr. 56 die südliche Einschließungshöhe zu
ersteigen und längs deren Bandes vorzurücken, die 16. Kom-
pagnie desselben Begiments auf einem Nebenweg längs des
Fußes dieser Anhöhe zwischen dieser und der Kaserne, die
14. Kompagnie auf der Hauptstraße gegen Podgörlte vorzu-
gehen, die 15. Kompagnie aber mit einer halben Eskadron
Chevaulegers als Unterstützung zu folgen.
Eine Kompagnie des Infanterieregiments Schmeling
Nr. 29 und eine Abteilung der Krakauer Miliz wurden als
linke Flankendeckung entlang der Weichsel dirigiert. Als all-
gemeine Direktion war der Hauptplatz — die Hauptstellung
der Insurgenten — bestimmt und angeordnet, daß die übrigen
4 Kompagnien von Schmeling-Infanterie, Vj Eskadron und
2 Geschütze als Unterstützung den angreifenden Abteilungen
unmittelbar nachrücken, die Miliz samt der Gendarmerie zu
Pferd und einem Geschütz aber an einem geeigneten Punkte
vor der Stadt die ßeserve bilden und sobald der Ort ge-
nommen, sich auf dem Platze neben der Kaserne aufstellen
sollen.
Nach Annahme der befohlenen Formation setzten sich
die vier Angriffskolonnen in Bewegung.
Die ersten Schüsse aus der Kaserne fielen gegen die
auf und neben der Hauptstraße vorrückenden Tirailleure,
worauf GM. Collin, welcher sich in der Nähe befand,
alsbald den Sturm befahl. Im Laufschritt wurde die Kaserne
erreicht und deren Tor erbrochen. Die Insurgenten hielten
dem Ansturm nicht stand, sondern entwichen beim Ein-
dringen der Truppen auf der entgegengesetzten Seite nach
dem Hauptplatz des Ortes, wo nunmehr die ihnen nach-
setzenden Truppen von einer starken, aber w'enig wirkungs-
vollen Decharge aus den Häuseni empfangen wurden.
Das Gefecht löste sich jetzt in zahllose Einzelkämpfe
auf, wobei die Soldaten truppweise in die Häuser eindrangen,
aus denen die Insurgenten überall zu entfliehen und die
Weichselbrücke zu gewinnen suchten.
Mitteilungen des k. nnd k. Kriegsarchivs. Dritte Folge. IV. Bd. lÖ
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242
Jaotibens.
Doch nur einem Teile gelang es, die Brücke zu erreichen,
welche sehr bald von den nachdrängenden Truppen besetzt wimde.
Die am Uöhenfuße vorgerückte lli. Kompagnie fand mu:
geringen Widerstand ; erst beim Debouchieren auf den Haupt-
platz wurde durch das Feuer der Insurgenten ein Mann ver-
wundet. Die gegen die Höhe dirigierte 13. Kompagnie hatte
diese ohne Hindernis erstiegen und war, vor dem Feuer aus
dem Orte so ziemlich geschützt, längs des Rückens bis in die
Höhe des Ringplatzes vorgerückt, als sie auf eine größere
Insurgentenabteilung stieß, welche auch Fahnen führte. Diese
Abteilung wurde nun sogleich mit dem Bajonett angegriffen
und von der Höhe hinab auf den Ringplatz geworfen, wo sie
von den in den Ort bereits vorgedrungenen Trappen empfangen
und vollständig zersprengt ward.
Die längs der Weichsel vorgegangene Kolonne war als
Defensivfianke etwas zurückgeblieben und auf keinen Gegner
gestoßen.
Die Brücke sowie das rechte Weichselufer wurden nun
stark besetzt, zwei Geschütze ans der bis auf den Hauptplatz
nachgerückten Reserve vorgezogen und die Insurgenten auf
dem anderen Ufer (Krakauer Seite) beschossen.
Inzwischen wurde dem GM. Collin das Heraunahen
der bereits erwähnten bewaffneten Prozession, von der er
schon früher gehört hatte, gemeldet. Der Zug, mit einer
Anzahl Bewaffneter an der Spitze, war in der offenbaren
Absicht, den kürzesten Rückweg zur Weichselbrücke zu ge-
winnen, von der nach Wieliczka abzweigenden Straße auf
der Anhöhe südlich PodgorÄe erschienen.
Sogleich wurden jetzt aus der Reserve drei Kompagnien
des lufanterieregiments Nr. 29 entgegengeschickt, welche auch
unverzüglich, an der Kirche vorbei, zur Unterstützung der
noch auf der Höhe befindlichen 13. Kompagnie von Fürsten-
w'ärther-Infanterie abrückten. Diesen vier Kompagnien gelang
es nun, fast sämtliche Teilnehmer der Prozession nach zwei
Salven und einem kurzen Bajonettkampf gefangenzunehmen;
nur wenige erreichten unter dem Schutze der Dämmerung
Podgorze, vermochten aber nicht mehr nach Krakau zu ent-
kommen; sie wurden schließlich überwältigt und auch gefangeu-
genommen.
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Die BesctKong von Krakau 1816
243
Die Insurgenten am Krakauer Ufer, welche den Kampf
auf der Höhe südlich Podgörze bemerkt hatten, wagten zur
Unterstützung ihrer bednängten Gefährten einen vergeblichen
Sturm auf die Brücke; sie wurden jedoch von Kartätsch- ')
und Gewehrfeuer empfangen und mnÜten umkehren. Damit war
der Kampf in der Hauptsache beendet, wenn auch das Feuern
von beiden Ufern aus noch bis gegen 10 Uhr nachts währte.
Die Verluste der Truppen betrugen etwa 20 Tote und
Verwundete; die Insurgenten hingegen hatten an 100 Toto
und Verwundete und über 100 Gefangene, darunter 32 zum
Teil bewaffnete Priester zurückgelassen. Weiters erbeuteten
die Truppen mehrere In.surgentenfahnen und viele Waffen. Die
der Prozession abgenoramenen Kirchenfahnen und sonstigen
Paramente ließ GM. Collin tags darauf dem Pfarrer von Pod-
gorze übergeben, die F ahnen der Insurgenten aber vernichten.
Nach Beendigung des Kampfes ließ der österreichische
Befehlshaber rings um Podgörze Vedetten aufstellen, zur Aus-
forschung etwa geschlossener Insurgentenabteifungen Patrouillen
abgehen, gegen Wieliczka, von wo noch keine Nachrichten
eingelangt waren, starke Vorposten aussetzen und dann das
Gros seiner Truppen in den wiedergewonnenen Unterkünften
ruhen. Arg genug hatten die Insurgenten darin gehaust; die
ärarischen Magazine sowie die Wohnungen der Offiziere waren
gänzlich ausgeräumt und nur das Spital mit einigen unter
der Obhut eines Militärarztes zurückgelassenen Kranken
blieben von ihrer Beutesucht verschont.
In Krakau war indessen eifrigst an der Schaflnng einer
Insurrektionsarmee gearbeitet worden; zahlreiche Bauernauf-
gebote aus dem Freigebiet strömten herbei und harrten ihrer
Bewaffnung, während andere besser ausgerüstete Abteilungen
zu Fuß und zu Pferd schon bereitstanden.
Trotz der angeblichen Kampflust aber konnte sich der
Diktator für keines der vielen Aktionsprojekte entscheiden
und verlegte sich schließlich auf Unterhandlungen. Als diese
aber zu keinem Resultat führten, räumte er am Morgen des
3. März mit den Resten der Aufständischen die Stadt und
') Dies waren die in Wieliczka vernommenen, rasch aufeinander-
folgenden Kanonenschüsse.
Hi*
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244
J a o n b 6 D z.
trat sodann bei Chelmek auf preußisches Gebiet über, wo
die Insurgenten zur Waffenstreckung genötigt wurden.
GM. Collin setzte am 28. Februar die österreichischen
Behörden in Podgörie wieder ein und beabsichtigte nach Ein-
treffen weiterer Verstärkungen und nach Herstellung der von
den Insurgenten am 27. teilweise zerstörten Weichselbrüoke.
Krakau abermals zu besetzen. Schon an diesem Tage langten
aus Wadowice das 1. Landwehrbataillon des Infanterieregi-
ments Hochenegg Nr. 20, eine Division des Infanterieregiments
Schmeling Nr. 29 und eine Eskadron von Kaiser-Chevau-
legers au, welchen am 1. und 2. März der Regimentsstab und
zwei Divisionen von Hohenzollem - Chevaulegers folgten.
Diese Verstärkungen erlaubten es dem General, dem Ansuchen
des in PodgörZe eingetroffenen Oberstleutnants Benedek
Folge zu geben und die aus Bochnia nach Wieliczka gelaugten
Truppen ablösen und sie wieder nach dem ersteren Orte
rückkehren zu lassen. Ebenso blieben Wadowice, Kalwarya,
Izdebnik und Myslenice — an der Straße nach Lemberg —
von den Truppen Co Hins und anderen nachrückenden Ab-
teilungen besetzt, denn nebst dieser um Podgörze schon ver-
sammelten Trujjpenmacht rückten jetzt von allen Seiten größere
Streitkräfte gegen das Aufstandsgebiet heran. So zunächst Teile
des Korps FML. Graf Wrbna, dessen Aufstellung am 2.5. Fe-
bruar befohlen worden war, welches jedoch in der gedachten
Zusammensetzung nicht mehr zur Aktion kam ‘).
*) Dieses Korjis sollt« bestehen aus :
der Truppendivision GM. Graf üyulni mit der
Brigade G.M. von Collin:
1 Bataillon des Xnfanterieregimonts
Nr. 30;
1 Bataillon (Landwehr) des Infan-
terieregiments Nr. 20;
2 Bataillone des Infant«rieregiinent.s
Nr. 29;
1 Bataillon des Infanterieregiments
Nr. 51) ;
2 Eskadronen des Chevaulegeis-
regiment-s Nr. 1;
'/j Batterie und
.3 Kompagnien Krakauer Miliz.
Brigade GM. von Malter:
2 Bataillone des Infanterieregiments
Nr. fj4;
8 Eskadronen des Chevanlegers-
regiments Nr. 2;
1 Batterie (für die Brigade Collin
bestimmt, von welcher di« zweite
Iliilfte m die Reserve eingeteilt
werden sollte) ;
1 seehspfündige Kavalleriebatlerie.
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Die Bosetzang von Krakau 18<6.
245
Auch Erzherzog Ferdinand in Lemberg hatte zur
Unterstützung der Brigade Collin anfänglich die Aufstellung
einer mobilen Truppendivision angeordnet; die Ausführung
dieser Maßregel unterblieb jedoch infolge der von Wien aus
getroffenen Verfügungen.
Dagegen hatte der Gouverneur von Polen, FM. Fürst
Paskiewitsch, gleich zu Beginn der Unruhen im Krakauer
Gebiet, dem dortigen russischen Residenten ein Bataillon
Infanterie zur Verfügung gestellt. Dasselbe war schon am
2t. Februar in Michalowice an der Grenze, 13 Kilometer nördlich
Krakau eingetroffen, hatte sich aber wegen der im König-
reich Polen selbst drohenden Unruhen sogleich wieder nach
Miechow zurückgezogen. Auf die Nachricht von der zuneh-
monden Ausbreitung des Aufstandes wurden nun russiseher-
seits 16 Bataillone Infanterie, 8 Eskadronen Kavallerie, 9 Sot-
nien Kosaken und 20 Geschütze, unter GL. Panjutin, gegen
die Grenzen der Republik und Galiziens in Bewegung gesetzt
und vom Fürsten Paskiewitsch dem Erzherzog Ferdinand,
Gouverneur von Galizien, zur Verfügung gestellt*).
Die preußische Regierung hatte ebenfalls auf Grund des
Berichtes ihres Residenten in Krakau, zuerst 1 Bataillon In-
dann der Truppendivision (IM. Graf Schaffgotsclie, mit der
Brigade GM. Graf Nobili:
2 Bataillone des Infanterieregiments
Nr. 4;
2 Bataillone des Infanterieregiments
Nr. 8;
1 Batterie
Brigade GM. Für.st Eduard
Schwarzenberg:
2 Bataillone des Infanterieregiments
Nr. 11;
2 Bataillone des Infautorieregimonts
Nr. 36;
I 1 Batterie
und zwei KriegsbrUckenequipagen.
Von diesen Truppen stand die Division Gyulai schon am 28. Fe-
bruar zwischen Podgurie und Bielitz, die Division Schaffgotsclie befand
sich noch im Anmarsch aus Mähren, Böhmen und Niederösterreich ;
der Korpskomraandant und die beiden Divisionäre aber waren noch
in Wien.
*) Paskiewitsch schrieb an den Erzherzog Ferdinand nach
Lemberg von Warschau aus am 25. Febniar 1846: „si vous
jugez convenable de faire entrer nos troupes sur le territoiro de la
Oalicie, veuillez oharger cet ofticier [Adjutanten des i'ürsten und tlber-
bringer des Briefes] de leur porter vos ordres ils y obeiront sur le
cbanip,’’ . . .
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24() Jacabene
fanterie, 2 Küinpagnien Jäger und 4 Eskadronen Kavallerie
an die Grenze beordert.
Nach dem Rückzug Collins aus Krakau wurden diese
Truppen auf 6 Bataillone, (i Eskadronen und 15 Geschütze
verstärkt, dem kommandierenden General des 6. Armeekorps,
GL. Graf Brandenburg, aber der Befehl erteilt, sich per-
sönlich an die Grenze zu begeben, wie überhaupt auch
preußischerseits das größte Entgegenkommen bei der Unter-
drückung des Aufstande.s hen’schte ').
St> standen anfangs März an den Grenzen der Republik
Krakau zirka 30.0ÜO Alann österreichischer, russischer und
preußischer Truppen, bereit, den durch die Gefechte bei Gdöw
und Podgörie eingeleitetcn Pazifikationsakt zu vollenden.
Die zweite Besetzung von Krakau.
Angesichts solcher Vorkehrungen mußten die einsichts-
volleren Elemente in Jvrakau, darunter auch der Diktator,
wohl zur Erkenntnis gelangen, daß jeder fernere Widerstand
vergeblich sei.
Zur Anknüpfung von Unterhandlungen sandte daher
Tyssowski am 2. März mehrere Parlamentäre an GM.
Collin ab, die aber von letzerem mit der Weisung zurück-
geschickt wurden, daß er mit Rebellen nicht unterhandle,
sondern nach Herstellung der Weichselbrücke mit bewaffneter
Hand in Krakau einrücken werde, um die völlige Unterwer-
fung zu erzwingen.
Diese Antwort bestimmte nun den Diktator in der Nacht
vom 2. zum 3. März zur Räumung der Stadt Krakau und
zum Abzug der Bewaff'neten auf preußisches Gebiet, worauf
am folgenden Morgen eine aus angesehenen Bürgern von
’) Der prouliische Minister Graf Kanitz schrieb diesfalls dem
am Wiener Hofe akkreditierten iireußi.schen Gesandten unterm 23. Fe-
bruar 184t) : sollten die kaiserlichen Truppen Schwierigkeiten
finden, die Weichsel bei Podgörie zu überschreiten, so unterliegt es
nicht dem geringsten Bedenken, daß dieselben sowohl bei Benin den
FTuß passieren, wie überhaupt durch diesseitiges Gebiet marschieren
können, um nach Krakau zu gelangen ” (Diese Note wurde vom
Fürsten Metternich dem Präsidenten des Hofkriegsrates Grafen
Hardegg raitgeteilt.)
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Die Besetsang von Krakau 1H16.
247
Krakau bestehende Deputation dem GM. Collin die un-
bedingte Unterwerfung der Stadt unter den Willen der
drei Schutzmächte ankündigte. Mit Zustimmung Gollins hatte
sich diese Deputation, wie schon am 22. Februar, wieder als
„Sicherheitskomitee” konstituiert und dem General alle Bürg-
schaften geboten, daß der Besetzung dei- Stadt durch die
Österreicher von der einheimischen Bevölkerung keinerlei
Widerstand entgegengesetzt würde. -
Ohne erst die Mitwirkung der preußischen Truppen ab-
zuwarten, mit deren Kommando in Benin sich GM.
Collin am 2. März in Verbindung gesetzt und erfahren hatte,
daß dieselben erst in 6 bis 7 Tagen vorrücken könnten, beschloß
der österreichische BefehUhaber seinem schon früher gefaßten
Entschluß gemäß, sofort Krakau zu besetzen. Doch ging
die Herstellung der Weichselbrücke trotz aller aufgewandten
Mittel sehr langsam von statten. An Stelle der abgehauenen
Seile mußten neue herbeigeschalFt werden, indes der Wasser-
stand des Flusses fortgesetzt stieg, wodurch wieder eine Ver-
längerung der Brücke an beiden Enden notwendig ward.
So geschah es, daß die Küssen den Österreichern in der
Besetzung von Krakau zuvorkamen ; sie hatten eben kein
solches Marschhindernis, wie es die unüberbrückte Weichsel
darstellt, vor sich.
Gegen 4 Uhr nachmittags wurden am jenseitigen Ufer
des Flusses russische Stabsoffiziere in Begleitung von Tscher-
kessen sichtbar: die Offiziere übersetzten auf einem Kahne
die Weichsel und zeigten dem österreichischen General das
Herannahen der russischen Truppen an.
Nach kurzer Besprechung entfernten sich die russischen
Offiziere, worauf GM. Collin die Krakauer Miliz, vier
Kompagnien von Schmeling-Infanterie und die Mnjorsdivision
von Kaiser-Chevaulegers zum Einmarsch in Krakau be-
stimmte. Für Geschütz war die Brücke an diesem Tage
überhaupt nicht und auch für Kavallerie nur höchst schwierig
zu passieren.
Endlich gegen 5 Uhr nachmittags W'ar dieselbe not-
dürftig soweit hergestellt, daß der Übergang beginnen konnte.
Die vier Kompagnien von Schmeling-Infanterie besetzten
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Jftonbens-
gemeinschaftlich mit den Russen das Schloß und die Haupt-
wache, indessen die Miliz die übrigen Wachen, die Kavallerie
ein Biwak auf dem Ringplatz bezog.
Fortwährend rückten russische Infanterie- und Kosaken-
abteilungen, mit 12 Geschützen, nach und nahmen in den
verschiedenen Stadtteilen Aufstellung. Sjiät abends kamen
auch die russischen Generale Panjutin und Rüdiger an.
Zur Verfolgung der abgezogenen Insurgenten war rus-
sischerseits eine mehrere hundert Mann starke Truppen-
abteilung ausgesendet worden, die aber nur mehr auf einzelne
Nachzügler stieß, das Gros der Insurgenten jedoch nicht
einholte. Letzteres hatte am 3. März die preußische Grenze
noch nicht erreicht, doch hatten dessen vorausgeschickte
Parlamentäre mit den preußischen Militärbehörden bei Chelmek
wegen des Übertrittes Verhandlungen angeknüjift.
Der Kommandant des neuaufgestellten österreichischen
Korps, FML. Graf Wrbna und der zweite Divisionär GM. Graf
Gyulai trafen an diesem Tage, von Wien kommend, erst in
Bielitz ein. Die von hier abgesendete schriftliche Weisung
des erstoren an GM. Collin, ohne seinen ausdrücklichen
Befehl durchaus nichts zu unternehmen *), erhielt letzterer erst
um halb 3 Uhr morgens des 4. Mörz in Krakau, als die drin-
genden Umstände ihn bereits zur Besetzung der Stadt ver-
anlaßt hatten*).
') In iilinlichem Sinne berichtete FML. (traf M'rbna, d. d. Bielitz,
3. März 184t>, auch an den Präsidenten des Hofkriegsrates; „ . . . . Hin-
sichtlich der .-Vnträge zur Cbergabe Krakaus habe ich General Collin
befohlen, ganz allein auf die unbedingte Ergebung der Stadt cinzugehen,
und dali er für den Fall der Annahme dennoch au mich hierüber zu
berichten habe und daü nie die Bede vou irgend einer Kapitulation sein
könne.”
*) Trotz dieses, die Tatkraft Coli ins eher lähmenden Befehles
aber, scheint FML. (traf Wrbna. wohl in seinem Unmut darüber, daß
die Bussen mit der Besetzung von Krakau unseren Truppen zuvor-
gekoinmon waren, wie auch Ober das seiner Ansicht nach nicht
genOgeud energische Benehmen Collins, sehr ungehalten gewesen
zu sein; denn bald nachher, auf dem Bericht fehlt das Datum, schrieb
er an deu Präsidenten des Hofkriegsrates: „ erst als FML.
Graf Castiglione, durch seine Instruktion gezwungen sich zu
Sr kaiserl. Hoheit dem Erzherzog Ferdinand zu begeben, wieder
von Podgöräe entferin-n mußte, fing die Taktlosigkeit in letzterem
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Die BeBOtsang von Krakau ISMi.
249
Am 4. März kam FML. Graf Wrbna nach Krakau und
nun wurde der gemeinschafrliche Wachdienst, und zwar vor-
erst nur zwischen den Österreichern und Russen vereinbart
sowie auch österreichischerseits Streifkommanden in das Land-
gebiot entsendet, welche noch zahlreiche, versteckt gehaltene
Insurgenten aufgriffen und einbrachten.
Am selben Tage streckten die mit dem Diktator
aus Krakau abgezogenen Insurgenten, etwa 800 Mann, an
der preußischen Grenze die Waffen') und wurden nach der
Festung Kosel abgeführt.
Die den Insurgenten nachsetzenden Kosaken hatten sich
um zwei Stunden verspätet.
Nunmehr rückten am 5. März auch preußische Truppen
in der Stärke von etwa 4000 Mann in das Krakauer Gebiet ein.
GL. Graf Brandenburg war denselben nach Krakau voraus-
geeilt, daher konnten die höchstanwesenden Generale der drei
Schuf, zmächte unter Beiziehung der Residenten Österreichs
und Rußlands — der preußische W’ar noch nicht rückgekehrt —
ohne V'erzug über die nächst zu verfügenden Maßnahmen
beraten. Hiebei vertrat FML. Graf Wrbna mit Geschick
die Interessen Österreichs-) und die verwickelten Ver-
handlungen hatten zum Ergebnis, daß die provisorische
Verwaltung der Republik an Österreich übertragen wurde.
3 Bataillone, 2 Eskadronen und 1 Batterie österreichische
Truppen wurden als Stadtbesatzung bestimmt, während das
Orte wieder an, welche das traurige Resultat lierbeiführto, daß es sich
ereignen konnte, daß ein dsterreichischer Oeneral vor einer unbesetzten
Stadt stehen blieb, französische Sprnchmeistcr und Schuljungen als
Parlamentilre empfing, dieses Gesindel sich unanständig impertinent
gebärden ließ, während die Russen mit zwei Bataillonen die verlassene
.Stadt besetzten . . . .”
') FML. Graf Wrbna berichtet hierüber aus Krakau, 5. März lS4(j.
an den Präsidenten des Hofkriegsrates: ,,.... Major Graf Festetics,
den ich zu den preußischen Truppen sandte, war bei ihrem [der Insur-
genten] Übergang zugegen und meldete, wie selbe von den Preußen
äußerst schonend behandelt w’urdou, welche den sogenannten Offizieren
ihre Pferde ließen und nur die Ablegung der Watten forderten. ”
’) Note des Staatskanzlers Fürsten Metternich an den Präsi-
denten des Hofkriegsrates, d. d. Wien, 14. März lS4ü: „ . . . . daß
P.ML Graf Wrbna sich mit vieler Klugheit benommen zu haben
scheint . . .
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J a c u b e n X.
östliche Landgebiet 2 Eskadronen russische, das westliche
aber 2 Bataillone und 2 Eskadronen preußische Truppen
besetzt halten sollten.
Am 8. März übernahm FML. Graf Castiglione die
Leitung der provisorischen Regierung und am 12. März be-
zogen die hiezu bestimmten Truppen ihre Garnisonen. Die
Brigade Collin kam nach Bochnia in ihr früheres Verhältnis
zur Division Csollich, wogegen Krakau, PodgörÄe und Wado-
wice von Truppen des wieder aufgelösten Korps Wrbna
besetzt und dem Kommando des FML. Castiglione unter-
stellt wurden.
Im Gebiet der Republik herrschte fortan Ruhe; wohl
fanden noch fortgesetzt Verhaftungen statt, ein bewafiheter
Widerstand zeigte sich jedoch nirgends mehr.
Zur endgiltigen Regelung der Verhältnisse des Krakauer
Gebietes traten hierauf Bevollmächtigte der drei angrenzenden
Schutzmächte in Wien zusammen; ihre Beratungen hatten
zur nächsten Folge, daß die Besetzung des ganzen Gebietes
ausschließlich Österreich übertragen wurde. Diesem nach lösten
am 13. Juli 184(1 zwei österreichische Bataillone die im Land-
gebiet verteilten russischen und i)reußischen Trujjpen ab.
Die weiteren Konferenzen der verhandelnden Grenz-
mächte führten endlich zum übereinstimmenden Beschluß,
den kleinen Staat, welcher immer nur eine Quelle der Ver-
legenheiten für seine Nachbarn gewesen war, gänzlich zu unter-
drücken. So wurde am 6. November 1846 die Einverleibung
desselben in die österreichische Monarchie’) beschlossen und
zehn Tage später fand in feierlicher Weise die Eitisetzung
der österreichischen Ämter statt.
FML. Castiglione übergab die Leitung der Re-
gierungsgeschäfte dem neuernannten Hofkommissär Grafen
Deym, welcher nunmehr die Verwaltung nach österreichischem
Muster einzurichten hatte.
Der letzte Rest von Selbständigkeit des alten Polenreiches
war damit verschwunden.
') Im .Jahre 18^19 wanle das Gebiet von Krakau mit Galizien
vereinigt.
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Aufmarsch der österreicliisclien Armee
gegen die
Revolution im Oktober 1848.
Von
Hnuptinauu Czeike.
(Mit einer Beilage)
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Die revolutionären Bewegungen des Jahres 1848, von
Paris ihren Ausgang nehmend, hatten auch Österreich nicht
verschont.
Nach den verhängnisvollen Ereignissen der Wiener
Märzrevolution, deren Errungenschaften — Preßfreiheit, Er-
richtung der Nationalgarde, Zusicherung einer konstitutio-
nellen Verfassung — mit Jubel begrüßt wurden, war in der
Residenz momentan Ruhe eingetreten, die Bewegung jedoch
keineswegs zum Stillstand gebracht worden.
Schon anfangs April gewann die Partei des Umsturzes
wieder die Oberhand und Volksversammlungen, in welchen
fanatische Reden gehalten wurden, Katzenmusiken. Straßen-
skandale und Exzesse des Pöbels standen auf der Tages-
ordnung.
Die gesetzliche Gewalt lag in vollständiger Apathie, das
Ministerium schritt nirgends energisch ein.
Am 25. April erschien die neue Verfassung. Anfänglich
mit Begeisterung aufgenommen, genügte sie schon nach
kurzer Zeit — als oktroyiert — den Führern der Volks-
bewegung nicht mehr ; die Aufregung wuchs neuerdings und
machte sich schließlich in der ,, Sturmpetition” des 15. Mai
in der Hofburg Luft, welche die Aufhebung der Verfassung
und die Einberufung eines konstitutionellen Reichstages
verlangte.
Kaiser Ferdinand bewilligte zwar auch diese Forde-
rungen, verließ aber nach diesen Vorgängen am 17. Mai Wien
und begab sich mit der kaiserlichen Familie in den Schutz
seiner getreuen Tiroler nach Innsbruck.
Die nun vom Ministerium verfugte Auflösung der aka-
demischen Legion — der Quelle steter Beunruhigung —
führte am 26. Mai zum oifenen Aufruhr und Barrikadenbau.
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G z e i k e.
Das Ministerium mußte seine Anordnungen zurück-
nehmen, die ausgerückten Truppen wurden wie immer nach
passiver Verwendung zurückgezogen, der Terrorismus der
Massen hatte neuerdings gesiegt.
Weder der später tagende Reichstag, noch die Rückkehr
des Kaisers nach Wien konnten der in der Folge in
Permanenz tretenden Revolution mehr Einhalt tun und von
Forderung zu Forderung, von Aufruhr zu Aufruhr, von
Konzession zu Konzession, gelangte so Österreich schließlich
zu jenen schaudererregenden, die gänzliche Anarchie betäti-
genden Ereignissen des 6. Oktober.
Das Signal zum Ausbruch der oÖenen Empörung in
Wien gab der vom Kriegsministerium anbefohlene Abmarsch
des Grenadierbataillons Richter *) aus Wien nach Ungani,
welchen die Partei des Umsturzes um jeden Preis zu ver-
hindern trachtete.
Am 6. Oktober wurde dieses Bataillon auf der Tabor-
insel von den dort angesammelten Volksmassen aufgehalten
und zersprengt.
Das zur Unterstützung herbeieilende Bataillon des In-
fanterieregiments Nassau Nr. 15 geriet bei dieser Gelegenheit
in einen blutigen Kampf mit dem Volke und trat auf Befehl
den Rückzug in die Stadt an.
Auf die Nachricht von diesen Vorgängen hatte der
Kriegsminister FZM. Graf Baillet von Latour die Truppen
der Garnison um 2 Uhr nachmittags alarmieren lassen, worauf
sich diese am Josefstädter Glacis sammelten.
Die aus den Gronadierbataillonen Strastil, Gans und
Schwarzl bestehende Grenadierbrigade erhielt den Befehl, zur
Unterstützung der bedrohten Truppen zur Taborlinie abzu-
marschieren ; sie fand aber dort den Kampf bereits beendet
und rückte gegen 5 Uhr nachmittags auf das Glacis vordem
') Dieses Bataillon bestand aus den Grenadierdivisionen der In-
tantcriercf;imonter Leopold Großherzog von Baden Nr. 59 (seit 1852
FZM. Erzherzog Rainer), FML. Heinrich Ritter von Heß (auf immer-
währende Zeiten F’.M. Heinrich Freiherr von Heß) und FML. Johatm
Freiherr Ilrabovsky von Hrabova Nr. 14 (seit 1898 Emst Ludwig Groß-
herzog von Hessen und bei Rhein). Bataillonskommandant war Major
Richter von Binnerithal des Infanterieregiments Nr. 14.
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Aufmarsch der üsterreicbiscbon Armee gegen die Revolution 255
Frauzenstor ein, wo sie sich mit den übrigen Truppen der
Garnison wieder vereinigte.
Mittlerweile war es auch in der Inneren Stadt zum
Kampfe zwischen dem Militär und den aufgewiegelten Volks-
massen gekommen.
Die V'eranlassung hiezu gab ein blutiger Zusammenstoß
der beim Stephansturm aufgestellten Nationalgarden des
Kärntner\dertels mit jenen der Vorstadt Wieden, welcher zum
Kinschreiten militärischer Kräfte nötigte.
Zur Herstellung der Ordnung w'urden über Befehl des
Kriegsministers um 2 Uhr nachmittags zwei Kompagnien
Pioniere mit zwei Geschützen auf den Stephansplatz entsendet.
Am Graben kam es hiebei zu einem erbitterten Kampf,
in dessen Verlauf die Pioniere durch die Bogner- und Nagler-
gasse und mit dem zu ihrer Verstärkung eingetroffenen Land-
wehrbataillon von Nassau Nr. 15, über den Hof und die Freimig
znrückgedrängt wurden und den Rückzug aus der Stadt auf
das Glacis antreten mußten *
Der Kriegsminister Graf Latour hatte noch während
dieses Kampfes, über Drängen des im Kriegsministerium ver-
sammelten Ministerrates, den Befehl zum Einstellen des
Feuers ergehen lassen ; doch weder diese Maßregel noch dessen
etwas später eigenhändig niedergeschriebene Rücktritts-
erklärung konnten ihn mehr vor der sinnlosen Wut des in
das Kriegsministerium eingedrungenen Pöbels retten.
Nach den scheußlichsten Mißhandlungen fiel dieser edle
Greis unter den Händen einer entmenschten Mörderbande
seiner Pflichttreue zum Opfer.
Dem kommandierenden General, FML. Grafen Auers-
perg, war zwar vom Kriegsminister der Befehl übersendet worden,
vom Glacis aus in drei Kolonnen durch die Stadttore gegen
das Kriegsministerium am Hof vorzudringen, allein dieser Befehl
wurde schon bei Beginn der Vorrückung durch Latour selbst
wieder rückgängig gemacht und so der letzte günstige Moment
versäumt, dessen Leben und die Innere Stadt zu retten ®).
‘) Details über diesen Kampf siehe: Brinner, Geschichte des
k. und k. Pionierregiments, li, 5,5 und Duuder, Denkschrift über die.
Wiener Oktoberrevolution, 125.
*) Hübner, Ein Jahr meines Lebens 1848— 1H4!), 223. •
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256
C z e i k e.
Gegen 5 Uhr nachmittags war die ganze Stadt von den
Truppen geräumt; nur das kaiserliche Zeughaus wurde noch
von einer kleinen Schar bis zum Morgen des 7. Oktober
heldenmütig verteidigt und dann erst auf Befehl Auerspergs
einer Deputation des Reichstages, gegen freien Abzug der
Besatzung, übergeben.
Wien befand sich vollkommen in den Händen der Auf-
ständischen ; die Revolution hatte ihren Höhepunkt erreicht
und die Monarchie ging ihrer Auflösung entgegen, weim es
nicht gelang der einreißenden Anarchie rechtzeitig Herr zn
werden.
Grollend, aber in altgewohnter Disziplin schweigend,
den Säbel in der Scheide, hatte Österreichs pflichttreue
Armee dem tollen Treiben um sich her machtlos zusehen
müssen, jetzt war endlich der Moment gekommen, den sie so
sehnlichst erwartet hatte, mit der Schärfe ihres Schwertes
Ordnung zu machen in Österreich.
Nur diese vielgeschmähte Armee konnte in dem allge-
meinen Chaos noch Rettung bringen und sie hat sie gebracht.
Allein der größte Teil derselben kämpfte unter dem
greisen Marschall Radetzky gegen den äußeren Feind, auf
den Schlachtfeldern Italiens seine siegreichen Fahnen mit neuen
Lorbeeren schmückend ; im Innern der Monarchie war nur
ein geringer unentbehrlicher Teil zurückgeblieben, um die
sich allerorts geltend machenden revolutionären Tendenzen
niederhalten zu können.
Auf die Heranziehung der in Ungarn stehenden Regi-
menter war nicht zu rechnen, denn diese unterstanden dem
dortigen selbständigen Ministerium, der weitaus größte Teil
derselben w'ar überdies in die ungarische Revolution mit hin-
eingezogen worden und ebensowenig konnte die kroatisch-
slavonische Armee unter Jellacic in Betracht kommen, die
im Kampfe mit der ungarischen Armee noch um die Palme
des Sieges stritt.
Zur Niedertverfung Wiens standen somit vorläufig außer
den schwachen Kräften der Wiener Garnison nur die im
Norden der Monarchie aufzubringondon Streitkräfte, deren
Kenr die in Böhmen befindlichen Truppen bilden mußten,
zur Verfügung.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Revolation 1S18. 257
Wer aber sollte bei dem ratlosen Zustand der Monarchie
und in dieser Zeit, in welcher jede Autorität der legitimen
Staatsgewalt zusammengebrochen und die Armee nach der
Ermordung ihres Kriegsministers gleichsam verwaist war, diese
durch große Räume getrennten Truppen ohne Zeitverlust in
Bewegung setzen, sie vereinigen und zum entscheidenden
Schlage führen ?
Nur einer war im stände, diese so überaus schwierige
und verantwortungsvolle Aufgabe zu lösen, ein Mann, zu
welchem die ganze außeritalienische Armee, seit den März-
tagen unaufhörhehen AngriflEen schutzlos preisgegeben, ge-
demütigt und erniedrigt, mit unbedingtem Vertrauen empor-
sah, in dessen rettende Kraft sie allein alle ihre Hoffnungen
setzte und dieser Mann war der Kommandierende in Böhmen,
FML. Alfred Fürst zu Windisch-Grätz.
Seine Energie und Konsequenz der Revolution gegen-
über, hatte der Fürst schon zweimal betätigt.
Im März 1848 als Zivil- und Militärgouverneur mit un-
umschränkter Vollmacht zur Leitung der Staatsgoschäfte be-
rufen, war es ihm durch kraftvolles Auftreten gelungen, dem
weiteren Umsichgreifen der revolutionären Bewegung einen
mehrwöchentlichen Stillstand zu gebieten und die einstürzende
.''taatsmaschine auf die Dauer seiner Vollmachten zu erhalten.
Auf seiner Besitzung in Lesko'), wohin sich der Fürst
nach seinem Rücktritt, Erholung suchend, zurückgezogen
hatte, traf ihn die Nachricht von den revolutionären Ereig-
nissen des 15. Mai in Wien und er eilte nun sofort auf seinen
Posten nach Böhmen mit dem festen Entschluß, dieses ihm
anvertraute Königreich dem Zepter Seiner Majestät zu erhalten.
Mit eiserner Strenge warf er in Prag den Juniaufstand
nieder, übte aber, trotzdem ihm seine Gemahlin ermordet
worden war und sein ältester Sohn schwer verwundet dar-
niederlag, mit seltener Großmut und geradezu heroischer
Selbstüberwindung Milde und beruhigte das Land.
Der herrliche Geist seiner Truppen, ihre Treue und An-
häiighchkeit an die Person des Fürsten, hatten sich bei dieser
Gelegenheit glänzend bewährt.
'} Bei Tymau in Ungarn.
&litt«ilangen des k. and k. Kriegsarebivs. Dritte Feige. IV. Üü, 1 1
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258
C X e i k e.
Von den Parteien des Umsturzes ebensosehr gehaßt und
angefeindet als gefürchtet, von seinen Soldaten aber geliebt
und verehrt, sah Windisch-Grätz im Vertrauen auf diese
braven Truppen, gegen deren Verminderung er sich wieder-
holt energisch wehrte *), fest und unerschrocken den kommen-
den Ereignissen entgegen, die sein klarer Blick längst voraus-
gesehen hatte.
Die stetig sich erneuernden revolutionären Vorgänge in
Wien ließen den baldigen Ausbruch einer offenen Empörung
der Residenz nicht mehr bezweifeln.
Fürst Windisch-Grätz war für diesen Fall fest ent-
schlossen, mit den in Böhmen, Mähren, Schlesien und Galizien
entbehrlichen Truppen*), rasch gegen Wien zu operieren, die
Residenz, wenn nötig, mit Waffengewalt zu unterwerfen und
so nach Besiegung der Revolution den Boden des Rechtes
und der Gesetzlichkeit zu schaffen, auf welchem die Monarchie
in ihrer alten Kraft wiederhergestellt werden konnte.
Staatsmann und Feldherr zugleich, hatte er für diesen
Zweck seit Monaten in aller Stille seine Vorbereitungen
getroffen.
Im Besitz des unbedingten Vertrauens des Kaisers
Ferdinand und dessen hochherziger Gemahlin, der Kaiserin
Maria Anna, fand der Fürst einerseits die so notwendige
Unterstützung zum energischen Handeln, andererseits wurde
er hiedurch auch in die Lage versetzt, auf die Entschlüsse
des kaiserlichen Hofes Einfluß zu nehmen.
Zwischen Latour und Windisch-Grätz kam es wegen der
Inmarschsetzung von Truppen aus Böhmen auf den italienischen Kriegs-
schauplatz zu wiederholten .Auseinandersetzungen. „Wenn man so fort
macht,” schrieb er an Latour, „geht man dem Untergang entgegen;
die Dinge sind soweit gediehen, dajl sich Wien nur durch die Gewalt
der Waffen zur Ordnung zurückführen läßt. Jlan möge sich darülier
keinen Täuschungen hingeben; ich für meinen Teil kann um Italien
willen die böhinischo Armee durch Entziehung ihrer besten Truppen nicht
schwächen la.ssen.” (Helfert, Geschichte Österreichs vom Ausgang des
Wiener Oktoberaufstandes 1848, I, 77.) Don mehrfachen energischen Vor-
stellungen des Fürsten gelang ea schließlich, weiteren Truppenver-
minderungen in Böhmen, dessen Armeekorps schon auf den Stand von
23 Feldbataillonen, 34 Eskadronen und 48 bespannte Geschütze herah-
gesunken war, Einhalt zu tun. (K. A., Kriegsgeschichtliche Elaborate. 6.)
*) Diese Truppen werden in der Folge als „Nordarmee” bezeichnet.
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Aafmarscb d«r österreicbisohen Armee gegen ilie BoTolutiou 1848.
259
Oberstleutnant Baron Langenau ging in geheimer
Mission an den kaiserlichen Hof nach Innsbruck ab und
brachte von dort in einem kaiserlichen Handschreiben dem
Fürsten die erbetene Vollmacht, im Falle eintretender Not-
wendigkeit über die Streitkräfte der Monarchie, mit Ausnahme
jener der italienischen Armee, unumschränkt zu verfügen.
Durch den Generaladjutanten des Kaisers, den Fürsten
Lobkowitz und durch Oberstleutnant Baron Langenau
stand der Fürst in stetem Verkehr mit dem Hofe.
Er unterbreitete auch Seiner Majestät den Rat, sich bei
einer eintretenden Katastrophe mit der kaiserlichen Familie
unter dem Schutze verläßlicher Truppen, welche zu diesem
Zwecke in der Nähe bereit gehalten werden sollten, von
Schönbrunn nach Olmütz zu begeben.
An die kommandierenden Generale in Mähren und
Galizien — FML. Fürst Reuß-Köstritz und Freiherr von
Hammerstein — hatte sich Windisch-Grätz mit dem
Ansuchen gewendet, ihn eintretenden Falles schleunigst durch
Truppensendungen zu verstärken.
Endlich waren für die Truj^peu in Böhmen und für
jene, welche in Mähren entbehrt werden konnten, die Marsch-
pläne gegen Wien bereits vorbereitet.
So war in eben dem Maße, als die Revolution die
Monarchie an den Rand des Verderbens brachte, auch die
Kraft gewachsen, die sie vernichten sollte.
Österreich fand in einer seiner schwersten Krisen das, was
es brauchte : Eine pflichttreue opferwillige Armee und den
Mann, der sie zum Siege führte.
Bildung der Südarmee vor Wien.
Nach der Ermordung Latours war der Oberbefehl über
die am Glacis konzentrierten Truppen der Garnison Wien in
die Hände des kommandierenden Generals FML. Grafen
Auersperg übergegangen.
Sie blieben bis zum Einbruch der Dunkelheit am Glacis
stehen und marschierten sodann in die Position des fürstlich
Schwarzenbergschen Gartens und des b. k. Belvederes.
In einem Bericht an den Kaiser motivierte Graf
.Auersperg diesen Entschluß damit, daß er die schwache
17*
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260
O z o i k e.
Garnison in ihren Kasernen vor den Angriffen des fanati-
sierten, durch die Plünderung des Zeughauses mit Waffen
aller Art versehenen Pöbels nicht sicher glaubte, hauptsäch-
lich aber dieselbe den immer erneuten Verlührungsversuchen
entrücken wollte*).
Die Truppen biwakierten in der Nacht vom 6. zum
7. Oktober, nachdem die nötigen Sicherheitsmaßregeln ge-
troffen waren, teils im oberen Belvedere- und Schwarzenberg-
garten, teils in der Heu- und Rennweggasse.
Der Stand derselben am 7. Oktober, nach Abzug der
Brigade GM. Parrot, welche den Kaiser mit dem gesamten Hof-
staat an diesem Tage nach Olmütz begleitete, war folgender*);
Infanterieregiment Herzog von Nassau
Landwehrbataillon Erzherzog Stephan
„ Bianchi
„ Khevenhüller . . .
Grenadierbataillon Gaus
„ Strastil ....
„ Schwarzl
Pionierbataillon
Wrbna-Chevaulegers
,S b('spannte sechspfündige Batterien . .
3 Bataillone,
1
1
7)
77
Vo
77
Vc
6 Eskadronen,
18 Geschütze,
Zusammen: 8*'c Bataillone, 0 Eskadronen, 18 Geschütze.
Die Position im Schwarzenberggarten und k. k. Belvedere,
in welcher diese Truppen bis zum Morgen des 12. Oktober
lagerten, mußte vor allem gegen einen eventuellen Angriff der
Aufständischen für die Verteidigung in stand gesetzt werden.
Um eine direkte Verbindung zwischen diesen Objekten
herzustellen, wurden die beide Gärten trennenden Mauern von
den Pionieren durchbrochen und Kommunikationen hergestellt.
Die Position des oberen Belvedere verstärkte man durch
fünf Geschütze einer sechspfündigen Fußbatterie, von welchen
drei auf dem Linienwall nächst der Belvederelinie und zwei
zur Sicherung des Haupteinganges in das obere Belvedere
und zur Bestreichung der Heugasse aufgestellt waren.
*) K. A., F. A. 184S, Cernierung Wiens, X, 60'IS.
’) K. A., Haudschriftliche Elaborate.
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AafiuArsch der üsterreicbischen Armee gegen die Revolution 1848. 261
Das in die Heugasse führende Tor wurde durch einen
Erdaufwurf für Geschützplacierung hergerichtet, die Mauer-
einfassung des Hoffaunies durch vorgerichtete Bankette,
Schießscharten etc. in Verteidigungsstand gesetzt und das
den inneren Hofraum beherrschende dreistöckige Gebäude
zur Nachtzeit von einem Detachement besetzt.
Nachdem so das obere Belvedere gegen jeden Überfall
gesichert war, schritt man zum Bau von hölzernen Baracken
längs der den botanischen Garten abschneidenden Mauer, um
die Pferde und das Material der Infanterie- und Pionier-
truppe unterzubringen.
Zur Verhütung einer Feuersgefahr durch Brandraketen
wurde durch die Herbeischaffung von Feuerspritzen, Feuer-
leitern, Wassereimcrn etc. Vorsorge getroffen und diese im
oberen Belvederehof beim Wasserbassin in Bereitschaft ge-
halten.
Für den Fall einer Vereinigung oder wechselseitigen
Unterstützung der Kräfte des Banus Jellaöic mit jenen
.■Vuerspergs ließ letzterer über den Wr.-Neustädter Kanal
zwischen Simmering und dem Laaorberg drei Brücken schlagen,
welche in der Entfernung von 300 Schritten nebeneinander
am 11. Oktober durch eine Pionierkompagnie fertiggestellt
wurden.
Das Hau])tquartier, sowie die gesamte Generalität, be-
fanden sich im Schwarzenbergschen Palais ; das Kommando
im oberen Belvedere führte Oberst Fürst Jablonowski.
Die Aufstellung der Truppen war am 7. Oktober dahin
abgeändert worden, daß Wrbna-Chevaulegers außerhalb der
Belvederelinie mit der Front gegen den Südbahnhof auf-
gestellt und die beiden Feldbataillone von Nassau zur Be.setzuiig
dieses Bahnhofes sowie der nächstgelegenen Belvedere- und
Pavoritenlinie verwendet wurden ; das Landwehrbataillon
Nassau mit dem Pionierbataillon bildeten die Besatzung des
oberen Belvedere und dienten zugleich als Reserve für das
.^ußenfeld.
Während so im Lager alle Vorbereitungen getroffen
worden waren, einem eventuellen Angriff der Aufständischen
entgegenzutreten, hatte man auch auf die Sicherung des Neu-
gebäudes und der Artilleriedepositorien auf der Simmeringer
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262
C s e i k e.
Heide Bedacht genommen, wo sich ungeheuere Vorräte an
Munition und Artilleriematerial aller Art befanden.
Um diese Objekte gegen einen Überfall zu schützen,
wurden die Truppen im Neugebäude durch Heranziehung des
2. Bataillons Erzherzog Wilhelm Nr. 12 aus Wiener-Neustadt
verstärkt und das Kommando über diesen so überaus wichtigen
Punkt am 11. Oktober dem Obersten Heller des General-
quartiermeisterstabes übertragen *).
Am 9. Oktober rückte als willkommene Verstärkung das
Landwehrbataillon Paumgartten, über Klosterneuburg kom-
mend, im oberen Belvedere ein und mit ihm kam auch der
größere Teil des durch den Kampf am Tabor versprengten
Grenadierbataillons Richter zurück. Beide Bataillone wurden
mit Vivats empfangen.
Die allgemeine Stimmung des Offizierskorps mag nach-
stehende, bisher in der Kriegsgeschichte Österreichs noch nie
dagewesene und nur durch die ganz abnormen Verhältnisse
herbeigeführte Episode, näher beleuchten®).
Über Veranlassung einiger Stabsoffiziere ver.sammelten
sich am 8. Oktober fast sämtliche Stabs- und Oberoffiziere
der im Lager befindlichen Truppen, um sich über ihre
drückende und überaus unbehagliche Lage dem siegreichen
Aufstand gegenüber auszusprechen und ihren bitteren Ge-
fühlen über die vorausgegangenen Ereignisse Luft zu
machen.
Ein Hauptmotiv dieser Versammhmg bildete das geringe
Vertrauen des Ofiizierskoqis nach oben und die Besorgnis
vor weiteren nachgiebigen Maßregeln und noch stärkerer Kom-
promittierung der militärischen Ehre.
Man fand die Befürchtungen über den Geist der nicht-
deutschen Truppen für ungerechtfertigt und war der Ansicht,
daß rasches Handeln und eine kühne Offensive gegen die
Stadt noch immer die Bewältigung der Anarchie herbeiführeu
könnte, dagegen eine längere Passivität der Ehre der Truppen
nachteilig sei.
') Siehe hierüber auch Österreichische militärische Zoitschritt,
1849, 7. Heft
*) K. A., F. A. 1848, Cemieruiig Wiens, XIII, 33.
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Anfmarsch der österreichischen Armee gegen die Revolution 1843. 263
Das Resultat dieser Beratung war, daß aus der Mitte
der Versammlung zwei Stabsoffiziere an das Generalkommando
abgeordnet wurden, nm dasselbe zur Ergreifung der geeig-
neten Offensivmaßregeln zu bewegen.
Diese Stabsoffiziere gelangten jedoch nicht bis zur Person
des Kommandierenden.
Der im Lager anwesende Generalmajor Fürst Felix
Schwarzenberg hielt jedoch im Gegensatz zu den ge-
nannten Anschauungen die allgemeine Lage für äußerst kritisch.
In einem Gespräch mit dem Grafen Hübner äußerte
er sich wie folgt ') :
,,Das Beispiel der Grenadiere kann ansteckend wirken,
der Kommandant ist unfähig, endlich sind wir numerisch zu
schwach, um einen Angriff der Insurgenten zurückzuschlagen,
wenn wir ihnen die Zeit lassen sich zu verstärken oder
wenn die nahende ungarische Armee ihnen die Hand reicht.”
„Der Bestand der Monarchie hängt an einem Faden.
Wenn Jellacic nicht zur rechten Zeit kommt, wenn es ihm
nicht gelingt die Ungarn zu verhindern, den Wiener Insur-
genten die Hand zu reichen, wenn Windisch-Grätz nicht
im Stande ist, seinen Marsch gegen die Hauptstadt zu be-
schleunigen, wenn ein rascher Friedensschluß mit Sardinien,
den ich für höchst unwahrscheinlich halte, unsere italienische
Armee nicht verfügbar macht, so weiß ich wahrhaftig nicht,
wo wir die Mittel nehmen sollen, um mit der Revolution
fertig zu werden.”
Was das Verhältnis der im Lager befindlichen Truppen
zu den Aufständischen und umgekehrt anlangt, so war das-
selbe, den abnormen Zeiten entsprechend, in mehr als einer
Beziehung ganz merkwürdig.
In Wien waren die Leiter der Bewegung nach dem
6. Oktober eifrigst bestrebt, die entfesselte Volksleidenschaft
fortgesetzt zu steigern, um so einen direkten Angriff auf die
Position Auerspergs vorzubereiten.
Der noch gut gesinnte Teil der Bevölkerung aber, zu
schwach, gegen diese Agitationen offen aufzutreten, lebte iii
') Hübner, Ein Jahr meines Lebens 1848 — ISiO, 228 , 229
und 2.82.
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C z e i k e.
beständiger Sorge vor einem Angriflf der Truppen Auers-
])6rgs auf die Stadt, während man im Lager hingegen die
Eröffnung der Feindseligkeiten von Wien aus täglich er-
wartete.
Die Verpflegung der Truppen im Lager geschah nach
wie vor, wenn auch öfters nicht anstandslos, durch das
Militärverpflegsmagazin in Wien und im k. k. Militärinva-
lidenhaus befand sich noch immer der Platzkommandant
GM. Matauschek, welcher mit dem Gemeinderat und der
Reichstagspermanenz dienstlich amtierte.
Letztere war auch in Verkehr mit dem Kommandierenden
getreten und stellte wiederholt und insbesondere durch eine
an denselben abgesendote Kommission die Forderung, seine
das Volk beunruhigende und Wien bedrohende Stellung
durch Rückverlegung der Truppen in die Kasernen aufzugeben.
Graf Auersperg konnte selbstredend auf diese Forde-
rungen nicht eingehen ; er versicherte jedoch mehrmals, dall
er gegen die Stadt keinerlei feindselige Absichten hege,
welche Erklärung zur Beruhigung der Bevölkerung in einer
Proklamation des Wiener Gemeiaderutes bekannt gemacht
wurde.
Am 10. Oktober gegen Mittag erschien Hauptniann
Baron Jellacic, der Bruder des Banus und Chef der Sere-
zaner, im oberen Lager und wurde, als Vorbote der Armee
des Banus, mit einem so ungestümen Jubel empfangen, daü
er Mühe hatte, sich durch das freudige Gedränge durchzu-
arbeiten, um ins Hauptquartier Auerspergs zu gelangen
Der Banus von Kroatien, FML. Baron Jellacic, hatte
am 11. September mit ungefähr 40.000 Kroaten und Slavoniern
bei Warasdin die Drau überschritten und war, auf eigene
Gefahr den Kampf gegen Ungarn aufnehmend, ohne Wider-
stand bis Stuhlweißenburg vorgerückt.
Auf dem Marsche dahin stellten sich das Regiment
Heinrich Hardegg-Kürassiere (seit 1. Oktober 1867 Dragoner-
regiment Nr. 7) imd je eine Division von Wrbna- und KreJl-
Chevaulegers (jetzt Husarenregiment Nr. 16 und ülanenregi-
meut Nr. 1 1) unter seine Befehle.
') K. A., F. A. 1848, Cemierung AVions, XllI, 33.
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Anfmarscli der öüterreichisohen Armee gegen die Kevolation 1S18. 265
Bjitu Dorfe Päkozd stieß Jellacic am 29. September
vormittags auf die unter Kommando des FML. Mo ga stehen-
den ungarischen Streitkräfte und behauptete nach einem fast
dreistündigen Kampfe das Schlachtfeld, während sich Moga
über Velencze und Märtonväsär gegen Ofen zurückzog.
Abends erschienen Graf Szapäry und Oberst Kiss im
Lager des Banns, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln,
welcher auf die Dauer von drei Tagen abgeschlossen wurde ').
I'ML. Jellacic sah sich jedoch genötigt, über Raab
gegen die österreichische Grenze zu marschieren und traf
am 5. Oktober in Wieselburg und üng.- Altenburg ein, wo er
mit seinen ermüdeten Truppen eine zweitägige Rast hielt.
Als willkommene Verstärkung vereinigten sich hier noch
zwei Divisionen des Regiments Kreß-Chevaulegers und am
t). Oktober abends GM. Lederer, von Bruck a. d. Leitha
kommend, mit einer Division Sachsen-Kürassiere (seit 1. Ok-
tober 1867 Dragonerregiment Nr. 3), drei Kompagnien Erz-
herzog Stephan, einer Raketen- und einer sechspfündigen
Fußbatterie, mit der Armee des Banus *).
Von Altenburg aus entließ Jellacic ungefähr 10.000
ilann ungeregeltes Aufgebot mit sechs Geschützen, unter Befehl
des GM. Theodorovich, zum Schutze des von Truppen
entblößten Kroatien in die Heimat ’).
Am 7. Oktober abends erhielt der Banus die Nachricht
von den Vorgängen in Wien und säumte nun keinen Augen-
blick, um in Gewaltmärschen vor die Hauptstadt zu rücken und
seine Truppen für den Dienst des Kaisers und des gesamten
Vaterlandes zur Verfügung zu stellen.
Schon am 10. Oktober hatte er seine Armee südlich bei
Wien versammelt und trat am selben Tage durch die Kaval-
leriebrigade Lederer, welche beim Neugebäude ein Lager
bezog, mit dem Korps Auersperg in Verbindung^).
*) Das Protokoll wird, nachdem es in der Literatur über
das Jahr 1848 bisher noch nicht veröfientlicbt erscheint, ira Anhang 1
angeführt. Siehe auch Helfert, Geschichte Österieichs etc., 1, 4(l.h.
Anmerkung 31.
’) K. A., F. A. 1.848, Korps Jellacic, X, 12.
*) Ebenda, 31.
*) Ebenda, 41.
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C z e i k e.
Ziir Beobachtung der ungarischen Grenze waren zwei
Kompagnien Wiener Freiwillige Jäger und ein Zug Kreß-
Chevaulegers in Bruck a. d. Leitha zurückgeblieben, welche
am 11. nach Schwechat eingezogen wiirden.
Am 11. Oktober mittags fand im Wirtshaus „zum Land-
gut” auüerhalb der Favoritenlinie eine Besprechung zwischen
Auers])erg und Jellacid statt, bei welcher die mihtärische
Lage beider Armeekorps zur Erörterung gelangte.
Die Situation derselben war zu dieser Zeit eine keines-
wegs günstige zu nennen, sie konnte sich bei einem gleich-
zeitigen Angriff der ungarischen Armee und der Wiener Auf-
ständischen sogar äußerst kritisch gestalten.
Dieser Fall war aber nach der Lage der Dinge zum
mindesten nicht ausgeschlossen.
In Wien hatte man seit 6. Oktober alle Mittel aufgeboten,
die Stadt in Verteidigungsstand zu setzen, gleichzeitig aber
mit Auersperg und Jellacic Verhandlungen angeknüpft, um
deren Angriff hintanzuhalten oder wenigstens so lange hinaus-
zuschieben, bis die von den Ungarn sehnlichst erwartete Hilfe
sich geltend machte.
Die leitenden Organe des Wiener Aufstandes waren der
konstitutionelle Reichstag und der Wiener Gemeinderat.
Ersterer hatte dem Nationalgarde-Oberkommando den
Auftrag erteilt, Wien in Verteidigungsstand zu setzen und
den Wiener Gemeinderat aufgefordert, in stetem Zusammen-
wirken mit diesem alle zur Verteidigung der Stadt erforder-
lichen Maßregeln zu treffen; allein weder der Reichstag noch
der Gemeinderat wollten die Last der hieraus erwachsenden
Verantwortung auf sich nehmen, sie trachteten, sie gegenseitig
abzuwälzen.
Mit Auersperg und Jellaöic setzte sich der Reichs-
tag durch Deputationen und Zuschriften wiederholt in Ver-
bindung.
Auersperg wurde aufgefordert, den Schwarzenberg-
garten zu räumen und den Banus Jellaöic zu bestimmen,
mit seinen Trupjten den österreichischen Boden zu verlassen,
die Zufuhr von Lebensmitteln m die Stadt nicht zu hemmen
und dergleichen mehr.
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Aufmarsch der österreiobischen Armee gegeD die Revolution 267
Die Abgeordneten Prato und Bilinski überbrachten
Jellaöic ein ministerielles Schreiben, in welchem gegen
dessen eigenmächtiges Eindringen auf österreichisches Gebiet
— wodurch dasselbe zum Schauplatz eines ungarisch-
kroatischen Krieges gemacht werde — energisch Verwahrung
eingelegt und der Banus aufgefordert wurde, sich dem Befehl
des österreichischen Ministeriums zu unterordnen.
Hierauf antwortete Jellaöic in einem Schreiben aus
seinem Hauptquartier Rothneusiedl unter anderem kurz und
bündig: ,,Ich bin Staatsdiener und Soldat. Als Staatsdiener
bin ich verpflichtet, nach meinen Kräften der Anarchie nach
Möghchkeit zu steuern, als Militär an der Spitze meiner
Tmppen gibt mir der Donner der Geschütze die Marsch-
direktion. Von ungarischen Truppen werde ich nicht verfolgt ;
wenn sie aber k. k. Trappen auf österreichischem Gebiet an-
greil'en sollten, werde ich Gewalt mit Gewalt zu vertreiben
wissen.”
„Auf österreichischem Grund und Boden kenne ich keine
kroatischen und ungarischen, sondern bloß k. k. Truppen,
denen anzugehören die Meinigen die Ehre haben*).”
Auch der 2irovisorische Oberkommandant der National-
garde, Wenzel Messenhauser, welchem die Leitung der Ver-
teidigung Wiens anvertraut worden war, hatte sich in einem
langatmigen, schwülstigen Schreiben an Jellacic gewendet,
worin er Aufklärung über dessen Absichten verlangte.
Die Antwort des Banus darauf, welche dem Überbringer
dieses Schreibens mündlich erteilt wurde, war militärisch kurz
und abweisend.
Messenhauser hatte am 14. Oktober seinen General-
stab aus folgenden Personen zusammengesetzt; Als dessen
Stellvertreter fungierten der Kommandant des Bürgerregiments,
Schaumburg, der Chef des III. Bezirkes (Kärntnerviertels),
Nationalgardehauptmann Thurn und der Kommandant der
akademischen Legion, Aigner. Chef des Generalstabes war
Major Haug, Vorstand der Hauptadjutantur Hauptmann
Schneider, der Feldadjutantur Hauptmann Fenner von
Fenneberg, Direktor des Artillerie- und Befestigungswesens
') Dunder, 259.
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•268
C 2 e i k e.
Oberst Jelowicki, Vorsland des Platzkommandos Baron
du Beine.
Zur Leitung der strategischen Angelegenheiten siaud
ihm der „rühmlichst bekannte GL. Bern” — wie es in einer
von Messenhauser Unterzeichneten Kundmachung hieß —
zur Seite').
Die aktiven Streitkräl’te Wiens bestanden aus der im
März 1848 geschafFenen, gut organisierten Nationalgarde, den
bewaffneten Bürgerkorps, der akademischen Legion und der
irregulären, aus einem bimten Gemisch von Handwerkern.
Arbeitern, Taglöhnern etc. bestehenden Mobilgarde.
Außerdem hatten sich noch mehrere nationale Freikorps
von verschiedener Stärke und Zusammensetzung, vorwiegend
Fremde, gebildet.
An Kavallerie herrschte fast gänzlicher Mangel, denn
die früher aus mehreren Eskadronen zusammengesetzte National-
gardekavallerie löste sich im Oktober fast vollständig auf und
die von Bern organisierte polnische Lancierseskadron war nur
ungefähr 30 Reiter stark.
Trotz mancher Ubelstünde in der militärischen Organi-
sation Wiens waren die Kräfte der Aufständischen keineswegs
zu unterschätzen.
.Auersperg befürchtete daher stets einen nächtlichen
Angriff auf seine Stellung im Schwarzenberggarten-; und
.lellacic hegte — bei der vorläufig noch gänzlich unauf-
geklärten Lage g<“gen Ungarn hin — die Besorgnis, daß er
von der ungarischen .\rmee mit bedeutender Macht imd be-
s(uiders mit überlegener Kavallerie angegi'ifien werden könnte :
er fühlte .sich daher außer stände, in der offenen Gegend süd-
östlich von Wien eine Schlacht anziuiehmen.
■' Biographien über Messenhauser, Bern und Feuueberg bei
Ilelfert, I, S7.
•) Die Division Hartlieb des Banus erhielt noch am 10. Oktober
abends den Befehl, für diesen Fall mit einer Brigade die Favoritenlinie
zu nehmen, mit der zweiten in Bereitschaft stehenden aber nötigenfalls
unterstützend einzngreifeu und am 11. Oktober wurde seitens des Bnims
die Brigade Neustädter zur St. Marxer Linie beordert und dort zur
direkten Verfügung .■Vuerspergs bereitgestellt. (K. F. A. 1818.
Korp.s Jellaöic, X, ad 37 und ad 12'.
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Aafmursch der Gsterretohisclien Armee gegen die Revolution 1&48. 269
Aus diesen Gründen wurde Viei der Besprechung im
Wirtshaus „zum Landgut” der EntschliiU gefaLit, daß die
Wiener (iarnison den Schwarzenberggai'tpn verlassen und
sich mit dem Korps des Banus am Laaerberg vereinigen solle.
In dieser Stellung wollte man vorerst \veitere Kach-
richten über die Vorrückung der Ungarn abwarten und erst
im ungünstigsten Falle, wenn man zu schwach sein sollte,
lun einem gleichzeitigen Angriff in der Front und im Rücken
zu widerstehen, den Rückzug in der Richtung auf Krems
Äiitreten.
Am 12. Oktober, gegen 5 Uhr früh, räumte das Korps
Auersperg den Schwarzenberggarten und marschierte durch
liie Favoritenlinie auf den Chausseen gegen Rothneusiedl mid
Inzersdorf auf den Wiener- imd Laaerberg*).
Dieser Abmarsch mag von den Insurgenten gegen halb
6 Uhr früh bemerkt worden sein, denn um diese Zeit hörte
man in der Stadt ein allgemeines Glockengeläute und Alarm-
trommeln.
Mit welcher ganz unbegreiflichen Hast und Eile derselbe
stattgefunden haben muß, läßt sich aus nachstehendem ersehen.
Das Grenadierbataillon Gaus war als Bedeckrmg eines
Hafertransportes aus der Heumarktkaseme zurückgeblieben ;
von diesem Hafer scheint aber nicht viel gerettet worden zu
sein. A*on sechs Fuhrwesenstransj)ortwagen, welche die im
Schwarzenberggarten neu konstruierten sechs Feldbacköfen
hiuauszufuhren hatten, wnirden fünf von den Xationalgarden
'■ingeholt und zurückgehalten, weil die Bedeckung bereits
voraus war. Nur die Besjmnnung dieser Wagen gelangte noch
m die neue Position. Bepackte und leere Bagagewagen, eine
Menge von Kisten, Koffern und Bagagen aller Art hatte
man. vielleicht aus Mangel an Bespannungen oder von Transport-
mitteln überhau{)t, zurückgelassen, die nun der Plümlemng
durch das Proletariat auheimrielen. Nur ein Teil derselben
'vurde von den Nationalgarden gerettet und einige Tage
später dem Platzkommandanten GM. Matauschek übergeben.
-Am Laaerberg angelangt, biwakierte das Korps Auersperg
Vorläufig, Front gegen Wien, und zwar: Die Division
') Marschordnung Anhang LL
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270
0 z e i k e.
FJIL. Csorich bei den Ziegelöfen am Laaerberg, jene des
FML. Zephyris auf gleicher Höhe ä cheval der Inzersdorfer
Chaussee.
Im Laufe des Nachmittags wurden, ansclüießend an den
linken Flügel der .\rmee des lianus, Kantonierungen bezogen
imd eine neue Ordre de bataille verlautbart
Es wimde befohlen jeden Bewatfneten anzuhalten, während
der Nacht aber alles auf die Haui)tpikette bringen zu lassen,
wo es der Einsicht des Kommandanten überlas.sen blieb, die
Betreffenden eventuell dem Hauj)tquartier eiuzuliefem.
ln jedem Kantonieningsort soUten die Einwohner zur
Ablieferung «ler Waffen aufgefordert, sämtliche Zugänge
besetzt und eine Bereitschaft ausgescliieden werden, welcher
auch die Bewachung der eingeteilten Batterien oblag. Wegen
gedrängter Beijuartiening in Scheunen und Ställen waren alle
Vfirkehrungen gegen Feuersgetähr zu treffen und im übrigen
die strengste Mannszucht zu handhaben.
Die Lieferungen an Fleisch, Holz etc. wurden in den
einzelnen Orten kontraktlich sichergestellt.
Das Marodeuhaus befand sich in Vösendorf, der Alarm-
platz für sämtliche Truj)pen auf der Höhe bei der ..Spinnerin
am Kreuz” zu beiden Seiten der Chaussee, und zwar : Division
ZephjTis rechts, Csorich links der Chausse, die Kavallerie am
hnken Flügel.
Auf die Nachricht, daß sich steirische Insurgenten und
Arbeiter bei Mürzzuschlag und Gloggnitz als Zuzug nach
Wien sammeln, erhielt die Brigade Jablonowski den Befehl,
die telegraphische Verbindung auf der Gloggnitzer Eisenbahn
bei Altmannsdorf abbrechen zu lassen und die Eisenbahn
zwischen Atzgersdorf und Altmannsdorf durch .Aushebung
von Schienen zu zerstören, was noch um 11 Ulu' nachts
bewerkstelligt wurde.
Gleichzeitig ließ der Brigadier durch StreifpatrouiUen in
den nächst gelegenen Ortschaften die Glockenstränge auf den
Kirchtürmen abschneiden, um jedes Signalläuten zu verhindern.
Ein Detachement unter Kommando des Obersten Hor-
vath erhielt den Befehl, nach Baden und Wiener-Neustadt zin
Anhang III.
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Aofmarsch der österreichischen Armee Regen die Revohition 1&4B. 271
Besetzung der dortigen Bahnhöfe abzugehen. Gleich nach dem
Eintreffen des Grenadierbataülons Strastil dieses Detachements
am 13. nachmittags in Baden bemächtigte sich dasselbe dort
eines eben aus Gloggnitz ankommenden Zuges mit Arbeitern,
welche nach Wien fahren wollten. Da sie unbewaffnet und
sonst nicht verdächtig waren, wimden dieselben mittels Es-
korte per Bahn nach Gloggnitz zurUckgesendet und nur der
mit demselben Zuge angekommene Techniker Kohn in das
Hauptquartier eingeliefert ‘).
Die mihtärische Lage beider Armeekori).s bei Wien hatte
sich inzwischen wesenthch gebessert.
Die erwartete Verfolgung diu'ch die ungarische Armee
l’and nicht statt imd von Wien aus erfolgte kein Angriff ’i.
Mit der Armee des Banns vereinigten sich als erhebhche
Verstärkung die Kavallerieregimenter Wallmoden-Kürassiere
seit 1. Oktober 1867 Dragonerregiment Nr. 6) und Erzherzog
Franz Josef-Dragoner (seit 1. Oktober 1867 Dragonerregiment
Xr. 11), zwei BataUlone Ceccopieri-Infanterie Nr. 23, dann das
brenadierbataillon Ferrari®) und eine Division des 17. Grenz-
inlänterieregiments, welche Truppen unter Kommando des
tiil. Karger von Preßburg kommend, am 11. bei Hainbm’g
die Donau auf Plätten übersetzt hatten *).
Auch zum Korps Auersperg waren einige Verstärkungen
au-s dem Innern der Monarchie eingerückt.
Nach dem Eintreffen Auerspergs am Laaerberg hatten
beide Armeekorj)s am 12. Oktober eine Aufstellung von der
Douau bei Simmering über den Laaer- und Wieiierberg und
hizer.sdorf bis Atzgersdorf genommen und Vorposten gegen
Wien aufgestellt.
h K. A., F. A. 1848, Cernierung Wiens, X, 40.
”) Die Wiener Aufständischen verhielten sich, abgesehen von
einigen kleineren Ausfällen in der Zeit vom 10. bis 15. Oktober aus der
St. -Manter Linie gegen Simmering, überhaupt passiv und wagten keinen
gröberen Angriff gegen die Cemierungstruppon. (Details dieser Kämpfe
bei Erzherzog Johann, Geschichte des Infanterieregiments Nr. 12,
Wien 1880, 11, 81).
b Dieses Grenadierbataillon bestand aus den Grenadierdivisioneii
der Infanterieregimonter Nr. 23, 44 und 13.
*) K. A., F. A. 1848, Korps Jelladic, X, 52, ad 52 und Xllb 2.
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272
C z e i k e.
Vom Korps Auersperg kantonierte die Division Csoricli
in Altmannsdorf, Steinhof und Erlaa, die Di%dsiou Zephms
in Neustift, Vösendorf und Siebenhirten. Als Reserve standen
drei Kompagnien Pioniere in Inzersdorf. Korpshauptquartier in
Inzersdorf *).
Die kroatiscii-slavonische .Armee lagerte seit 10. Oktober,
und zwar: Division Hartlieb in Inzersdorf. Kempen in Ober-
unil Unter-Laa. Scbmiedl in Rothneusiedl. Korpshanptquartier
in letzterem Orte.
Die Linie der Vorposten erstreckte sich vom Donau-
kanul über Simmering, den Höhen des Laaer- imd Wiener-
berges entlang, zur Eisenbahnbrücke südlich von Aleidling.
dann längs der Chaussee nach .Atzgersdorf und Idesing Uber
die Ijindemer Mühle bis zu der von Brunn am Gebirge nach
Neustift führenden Straße *).
In der Aufstellung des Koqis Jellaciö fand am 13. Ok-
tober, nebst anderweitigen Dislokationsveriinderungen, insofeni
eine wichtige Verschiebung statt, als an diesem Tage die
Di\'ision Hartlieb einen Elankenmarsch hinter dem AViener-
berg machte und Kantoniemngen am linken Flügel des Korps
Auersperg in Hietzing, Ober-St. Veit. Lainz, Speising und
Hetzendorf bezog’).
Die A'orposten dieser Division standen längs des AVien-
flusses durch den Schönbrnnnergarten mit den A'orposten der
AViener Garnison in A’erbindung.
Die Dampfschiffahrt auf der Donau wimde durch Auf-
stellung einiger Geschütze in der Freudenau gesperrt.
Am 14. Oktober war somit AA^ien von den vereinigten
Koiqis .Auersperg und .lellaCic bereits im Halbkreis östlich
und südlich, von der Donau in der Freudenau bis Ober-
St. A'eit eingeschlossen.
Die lünie der gegen AA^ien aufgestellten A'orj)Osten er-
streckte sich von der Donau über Simmering, den Höhen des
') Details der Dislokation Aiiliang III.
’) K. A., F. A. 1.S48, Gernieruug AViens, XIII, 56 und ebenda, Korps
Jellaöiö, X, 76.
•) Diese Division verließ am 15. Oktober die angeführten Kan-
tonnements wieder und rückte nach Biedermannsdorf ab. (K. A., F. A.
1848, Cemierung Atüens, XIII, 3:i und ebenda, Korps Jellaci<5,-X, 73.)
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Aafmarsoh der üiterreichisohen Armee gegen die Revolntion 1^. 273
I>aaer- und Wienerberges entlang über Meidling und längs der
Wien bis Ober-St. Veit.
Unter dem Befehl Auerspergs standen zu die.ser Zeit
niu- 13 Bataillone Infanterie, das Chevaulegersregiment Graf
Wrbna und 4 Batterien.
Von diesen Truppen mußten jedoch zwei Bataillone zur
Besetzung des Xeugebäudes vei-wendet und zwei Bataillone nach
Wiener-Neustadt und Baden entsendet werden, um die Zuzüge
von Insurgenten aus Steiermark zu entwaffnen sowie die nicht
überall verläßliche Bevölkerung in Respekt zu erhalten,
während ein Bataillon die Türkensohanze zur Bewachung der
dortigen Artilleriedepots besetzt hielt.
Es blieben somit Auersperg nm acht Bataillone übrig,
von denen er bei einem etwaigen Angidfl’ der Ungarn nichts
mehr entbehren konnte, um den Banus zu unterstützen ').
Die Armee des Banns bestand aus nngefiihr 28.000 Mann
lufanterie, 4000 Reitern imd 80 Geschützen *i.
Von der kroatischen Infanterie waren jedoch niu- sechs Ba-
taillone gut und kampffähig; der übrige Teil derselben war
schlecht gekleidet, wenig in den Waffen geübt, nur zur Not
mit Offizieren und Unteroffizieren versehen und ermangelte
somit zu sein der inneren Haltung, um auch nur einigermaßen
f ertrauen einflößen zu können.
-Alles, was dem Armeekorps des Banus Kraft gab, waren
die Unterstützungen, namentlich an Kavallerie und Artillerie,
welche er vom Kriegsministerium und von den Truppen
-^.uerspergs erhalten hatte’).
Mit Rücksicht auf diese \"erhältniase hatten sich daher
sowohl Auersperg als Jellacio wiederholt an den Fürsten
fWndisch - Grätz mit der dringenden Bitte gewendet, den
Marsch seiner Truppen gegen Wien zu beschleunigen und
dort das Kommando über die gesamten Streitkräfte möglichst
bald zu übernehmen.
*) K. A., F. A. 1818, Cemierung Wiens, X, 60/29.
*) Anhang IV.
•) Nach einem Bericht Auerspergs an den Fürsten Windisch-
Or&tz. (K. A., F. A. 1848, Cemierung Wiens, X, 60/29.) Eine inter-
essante Schilderung des kroatischen Lagers vor Wien, sowie der Persön-
lichkeit des Banus Jella5ic bei Helfert, I, 54.
Uittailongon des k. und k. Kriegsarchivs. Dritte l'olge, IV'. Bd. 18
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274
C z e i k e.
Infolge eingelangter Nachrichten, daC eine 15.000 Mann
starke feindliche Kolonne von Üdenburg über "Wiener-Neustadt
vorzmlringen beabsichtige und es nicht unwahrscheinlich war,
daß es in den Absichten des Feindes lag, auch von Bruck
gegen die bei Wien stehenden Klüfte vorzugehen, während
die Wiener Aufständischen gleichzeitig von der Stadt aus
angreifen konnten ‘j, wurden die am 14. Oktober genommenen
SteUungen beider Korps am 15. und 17. Oktober wesentlich
verändert.
Die Kräfte derselben wurden nun derart gruppiert, daß
das Korps Auersperg mit einem Teile der kroatisch-slavonischen
Armee, Front gegen Wien, einen eventuellen Angriö' der
Wiener Aufständischen zurückzuweisen und die teilweise
Ceniierung der Stadt aufrecht zu erhalten hatte, der größere
Teil der Armee des Banns aber, Front gegen die ungarische
Grenze, eine zu gewärtigende Vorrückung der Ungarn und
deren Vereinigung mit den Wiener Insurgenten, selbst durch
Annahme einer Schlacht, verhindern soUte.
Um diesen doppelten Zweck zu erreichen umschloß das
Korjjs Auersperg mit einem Teile der Armee des Banus Wien
südöstUch imd .südlich von der Donau bis Atzgersdorf*i; die
kroatisch-slavonische Armee stand hingegen an der Linie der
Schwechat von Himberg über Schwechat bis Kaiser-Ebersdorf,
mit einer vorge.schobenen Brigade in Bauchenwarth und vor-
geschobener Kavallerie bei Schwadorf, Stixneusiedl und Tniut-
mannsdorf‘^1.
Diese Kräftegi'ujipierung der Gros beider Armeekoqis
wurde bis zum Eintreffen der Nordarmee und bis zur engeren
Ceniierung Wiens im großen ganzen aufrechterhalten.
Nur in den Dispositionen des Banus Jellaßiö ergaben
sich in der Zeit vom 17. bis 23. Oktober einige Änderungen,
zu welchen die Von'ückung der ungarischen Armee nötigte.
*) K. A., F. A. 1348, Ceniionuig Wiens, X, 49.
’) Zur Verstärkung dieser Stellung wurden Befestigungen her-
gestellt, und zwar; Auf den Höhen des Wienerberges zwischen der
^Spinnerin am Kreuz” und ,, Tivoli” westlich des Wirtshauses „Phila-
delphia” eine Lünette und östlich desselben eine Plesche für jo zwei
bis drei Geschütze.
’t Details Anhang V.
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Aofmarscb der öiterreichiscben Armee gegen die Revolution 275
FilL. Moga, der Kommandant der ungarischen Armee,
war dem Banus bis gegen die österreichische Grenze gefolgt,
konnte sich aber nicht entschließen, Jellacic auf öster-
reichischem Boden anzugreifen und trat vorerst aus seinem
Feldlager bei Brack a. d. L. mit dem Grafen Auersperg in
Unterhandlungen.
In seinem ersten Schreiben au letzteren aus Bruck a. d. L.
vom 12. Oktober erklärte Moga, daß er infolge Reichtags-
beschlusses verpflichtet sei, den als oftenen und ohne gesetz-
lichen Befehl in üngani eingebrochenen Feind in jeder Be-
ziehung zu verfolgen, daß die ungarische Armee die Grenzen
Österreichs nicht als Feind, sondern brüderlich und freundlich
gesinnt, überschreite, daß sie die dem König von Ungarn
Reschworene Treue halten werde und bereit sei, zum Schutze
der DjTiastie, der Monarchie und der ungarischen Yertassung
den letzten Blutstropfen aufzuopfern.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, verlangte Moga
schließlich von Auersperg, als kommandierenden General
der österreichischen Truppen, au diesem Kriege der Ungarn
gegen die kroatische Armee keinerlei Anteil zu nelimen und
sich mit der österreichischen Armee ganz neutral zu ver-
halten '
Am 19. Oktober forderte Moga im direkten Auftrag-
des Landesverteidigungsausschusses Auersperg nochmals
auf, ofteu und rückhaltlos zu erklären, ob er, ,,von dem
scheinbaren Plane, Ungarns wohlbegründete Rechte zu unter-
drücken und die Zufuhr vor M'ien sowie den friedlichen
Handelsverkehi- Ungarns mit Österreich abspeiTen zu wollen”,
nicht abstehe.
„Ungarns ganze Bevölkerung,” versicherte Moga, ,, harre
nur des Aufrufes, um in Massen von Huuderttausenden auf-
zustehen, um selbst dmxh Ströme Blutes Ungarns gutes Recht
zu verfechten*).”
FML. Auersperg beantwortete diese beiden Schreiben
am 20. Oktober mit der Mitteilung, daß ihm die Erledigung
derselben nicht mehr zustehe, nachdem Seine Majestät der
') K. A., F. A. 1848, Cernierung Wiens, X, .809.
’) Sbenda, 312.
18*
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C 2 e i k e.
Kaiser den Fürsten Windisch-ürätz zum Feldmarscliall
und Oberbefehlshaber aller k. k. Truppen, mit Ausnahme
jener unter dem Befehl Radetzkys ernannt und mit außer-
ordentlichen Vollmachten zur Beilegung der obschwebenden
Differenzen ausgerüstet habe*).
Mittlerweile hatte aber der Feldmarschall am 17. Oktober
von Olmütz aus Moga die gemessene Weisung erteilt, sich
für seine Person sogleich in das Hauptquartier vor Wien zu
verfugen imd mit allen im Augenblick dessen Oberbefclil
unterstehenden Offizieren und Truppenabteilungen ohne Zeit-
verlust zu dem unter Kommando des Fürsten stehenden
Heere zu stoßen, widrigenfalls dieselben als der Strenge der
Kriegsgesetze verfallen zu betrachten wären*).
Der Präsident des ungarischen Landesverteidigtings-
ausschusses, Kossuth, gab hingegen in einem Schreiben aus
Komom vom U). Oktober dem FML. Moga bekannt, daß er
mit dessen Plan, „um keinen Preis gegen Wien vorzurücken'^
nicht einverstanden sei.
Kossuth war der Ansicht, daß der Feind hiedurch nur
noch mehr Zeit gewinne, sich zu konzentrieren und die ihm
tauglichsten Positionen zu nehmen, die eigenen Truppen aber
«lurch ein so weit getriebenes Verzögerungssystem verstimmt,
mutlos, ja selbst krank und zu energischen Operationen un-
fähig gemacht werden.
Nach der Auffassung Ko ssuths sollte Moga alle irgend-
wie disponiblen Kräfte bei Wien konzentrieren, um einen
entscheidenden Schlag zu führen, da hiedurch auch die Kräfte
aller übrigen das Vaterland angreifenden Feinde, wenigstens
moralisch, gebrochen würden, was jedenfalls voti gp"oßer Be-
deutung sei*).
Während man so im ungarischen Lager aus militärischen
Gründen, sowie j)olitischen Bedenken, zu keinem einheitlichen
Entscliluß gelangen konnte und Moga durch melirere Tage
an der österreichischen Grenze untätig blieb, hatte aber der
Banus Jellaöic, wie aus der früher erwähnten Aufstellung
'j K. A., F, A. 1849, Cernierung Wiens, X, 314.
’) Ebenda, 311.
’) Ebenda, 313.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Revulution 1S48. 277
seines Armeekorps am 17. Oktober ersichtlich, bereits seine
Dispositionen gegeben, um einer Vorrückung der Ungarn
wirksam entgegenzutreten und deren Vereinigung mit den
Wiener Aufständischen zu verhindern.
Was speziell die Sicherung beider Armeekorjjs vor Wien
gegen einen eventuellen Vormarsch der ungarischen Streit-
kräfte anlangt, so waren seit 11. Oktober folgende Anordnungen
getroffen worden.
An diesem Tage wurde die Kavalleriebrigade Baltheser
tad interim Oberst Sedlmayer) aus dem Lager bei Unter-Laa
nach Schwechat beordert, um daselbst Stellung zu nehmen
und diwch vorgeschobene Abteilungen die ungarische Grenze
zu beobachten.
Sie hatte sich mit der beim Neugebäude befindlichen
Brigade GM. Lederer in Verbindung zu setzen, von welcher
sie im Falle eines Angriffes unterstützt werden sollte.
Den Befehl über beide Kavalleriebrigaden übernahm als
Divisionär ad interim GM. Baltheser, welcher am 12. Oktober
die ganze Kavallerietnippendivision an der Linie der Schwechat
vereinigte, alle Übergänge über dieselbe besetzte und mit
einer vorgeschobenen Abteilimg in Schwadorf die ungarische
Grenze beobachten Hell.
Am 15. Oktober wiwde das Divisionskommando dem
GM. Ottinger übertragen, der über Befehl des Banus die
Brigade GM. Balthe.ser an der Linie der Schwechat, jene des
GM. Lederer an der Fischa konzentrierte*)-
Schwächere Abteilungen wurden nach !Maria Eilend,
■Irbesthal, Sti.vneusieiU und Trautmannsdorf vorgeschoben, um
besonders gegen Bruck, Sommerein imd Höflein zu beob-
achten.
Bei einem starken feindlichen Angriff sollte die gesamte
Kavallerie auf die Höhen von Bauchenwarth rücken und
einen eventuellen Rückzug hinter die Linie «ler Schwechat
antreten.
.\m 17. Oktober erhielt die Kavalleriebrigade GM. Lederer
den Befehl, mit dem Gros am 18. nach Sti.xneusiedl zu
marschieren, mit einer Infauterieabteilung und einer Division
') Anhang VI und VII.
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278
C X e i k e.
Kavallerie aber Bruck a. d. L. zu besetzen und im Falle dies
nicht ausführbar wäre, einstweilen weiter rückwärts eine
geeignete Aufstellung zu nehmen, um die Linie der Leitha zu
beobachten *).
Die hiezu bestimmte Division Franz Josef-Dragoner mit
der Division Wiener Freiwillige Jäger trafen am 18. vor Bnick
ein, wurden jedoch dort durch Kleingewehrfeuer und das
Feuer zweier hinter dem Eisenbahndamm aufgestellten Ge-
schütze empfangen und traten nach einem kleinen Gefecht
den Rückzug an, um diesseits von Bruck eine beobachtende
Aufstellung einzunehinen.
Das Gros der Brigade Lederer kam am 19. nach Gall-
bnmn, deren Yorj)osten waren bis an die Leitha vorgeschoben.
Jellaßio hatte nunmehr den Entschluß gefaßt, ein
entscheidendes Gefecht erst hinter dem deckenden Wr.-Keu-
städter Kanal anzunehmen und traf in diesem Sinne seine
Dispositionen.
Im Falle eines nachdrücklichen Angriffes der Ungarn
auf Stixneusiedl und Schwadorf, sollte sich die bei Rauchen-
warth aufgestellte Infanteriebrigade, jedes Gefecht vermeidend,
ohne Zeitverlust nach Himberg zurückziehen, die Kavallerie-
division Ottinger aber fechtend nach Schwadorf zurückgehen,
dort sowie in Fischamend die Brucken abtragen oder ver-
rammeln lassen und dann den Rückzug von Stellung zu
Stellung über die Brücken bei Unter- und Ober-Lanzendorf
bis hinter den Wr.-Neustädter Kanal fortsetzen.
Alle in Fischamend befindlichen Abteilunge)i hatten durch
die Auen und längs derselben nach Kaiser-Ebersdorf zurück-
zugehen ; die Kavalleriebrigade Baltheser sollte sich bei
Laa konzentrieren und dort die weiteren Befehle erwarten*!.
Am 21. Oktober überschritt endlich Moga die Leitha
und rückte mit ungefähr 5 Batailk)uen Infanterie, National-
garden, 3 Divisionen Husaren und 1 Batterie in 3 Kolonnen
von Bruck gegen Stixneusiedl, dann längs der Eisenbahn
gegen Trautmannsdorf und auf tler Straße gegen Göttles-
brunn vor.
■i K. A., F. A. 1818, Korps Jellaäic, X, ll.ö.
’) Ebenda. 129.
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Aufmarsch der österreiobigohan Armee gegen die Revolution 1&18. 279
Die Bingade Lederer zog sich iniblgedessen fechtend
nach Schwadorf hinter die Fischa zurück ; ihre Yorjiosten
standen jenseits dieses Flusses auf den Höhen zwischen
Schwadorf und Gailbrunn. Der Feind besetzte die Ortschaften
Trautmannsdoif, Stixneusiedl, Arbesthal und Regelsbrunn.
Ln Falle einer weiteren Vorrückung der Ungarn beab-
sichtigte Jellaöic seine Truppen hinter die Linie der
Schwechat und des Wr.-Neustädter Kanals zurückzuziehen, das
Gros seines Korjis zwi.schen Laa und Hennersdorf zu konzen-
trieren und mit Behauptung von Kaiser-EVjersdoif, Schwechat
nnd des Wr. -Neustädter Kanals nachdrücklichst Widerstand zu
leisten, zu welchem Behuf am 22. Oktober die nötigen Befehle
erlassen wurden *).
Allein der erwartete Angiiff der Ungarn blieb aus: sie
hatten sich am 2ä. und 24. Oktober wieder hinter die Leitha
zurückgezogen.
Der günstige Angenblick, den Wiener Aufständischen
die Hand zu reichen und vereint mit ihnen, vor dem Ein-
treffen der Nordannee, einen entscheidenden Schlag zu führen,
war längst versäumt, denn schon stand Windisch-Grätz mit
dieser vor den Toren Wiens.
Die Nordannee.
Am 7. Oktober abends langten die ersten Nachrichten
von den Wiener Ereignissen in Prag ein ; dieselben waren
jedoch zu verworren und unbestimmt, um mit Sicherheit
etwas unternehmen zu kÖTineu.
Verläßliche Nachrichten hierüber erhielt Fürst Windisch-
Grätz erst am 8. abends, worauf er noch am selben Abend
den Hauptmann Drechsler des Generalquartiermeisterstabes
mit dem Auftrag nach Wien entsendete, in möglichster Eile
Kunde über die Sicherheit und den Aufenthaltsort der kaiser-
lichen Familie einzuziehen.
Gleichzeitig erging an alle in Böhmen entbehrlichen
Trappen der Befehl, sich in Marschbereitschaft zu setzen.
Durch den Grafen Moritz Pälffy, welcher sich ilem
Monarchen im Augenblick, wo er Wien verließ, in echt
•) K. A., F. Ä. 1848, Cernieruug Wiens, X, ad 103.
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C s e i k e.
ritterlichem Sinne ziu- Verlupiing gesteht hatte, empfing der
Fürst am 9. vormittags die Iteruhigende Versicherung von
der Abreise des Kaisers und der kaiserlichen Familie nach
Olmütz.
Auch Hauptmaim Drechsler, mit großer Geschickhchkeit
seine Aufgabe voUtuhrend, kehrte am 10. mit der Nachricht
nach Prag zurück, daß Se. Majestät die Donau bei Krems
glücklich passiert habe, am 9. in Pulkau übernachtete und
über Znaim und Selowitz am 14. in Olmütz eintreffen könne.
Die ersten Dispositionen für den Abmarsch des böhmischen
Anneekorps enthielt ein am 9. Oktober verlautbarter üenerals-
befehl, welcher mit nachstehenden Worten eingeleitet warO:
„Das gefährdete Wohl Sr. Majestät unseres vielgeliebten
kon.stitutionellen Kaisers und dessen erhabener Dynastie, wie
nicht minder die bange Sorge für das Heil der Gesamt-
monarchie legt mir die heilige Pflicht auf, mit einem Teile
der treu bewährten und .stets braven böhmischen Armee gegen
die Residenz Wien anfzubrechen und mit den Waffen dort
einzuschreiten, wo es das Gefühl für Pflicht, Ehre und Recht
gebieten wird, um dadurch zur Bekämpfuug der scheußlichen
Anarchie und der verruchtesten Umtriebe mitzuwirken, welche
Thron und Vaterland an den Rand des unvermeidlichen
Abgrundes zu bringen drohen.”
Dieser GeneralsbefelJ wurde von den Truppen mit Jubel
begrüßt, denn nun war endlich die Stunde gekommen, wo
der Soldat die seit Monaten erlittenen Unbilden mit der
Schärfe seiner Waffen beantworten konnte.
Fürst Windisch-Grätz, von der Treue und Hingebung
seiner Tru})peu überzeugt, \-ielleicht aber doch besorgt, daß
deren Eifer in den zu erwartenden Kämpfen über die Grenzen
der Humanität hinausgehen könnte, machte noch sämtliche
Truppenkommaiidanten darauf aufmerksam, daß bei dem Um-
stand, als die traurigen Ereignisse in Wien nur dem rastlosen
Treiben einer wühlerischen Partei zuzusclu-eiben seien, welche
den überwiegenden TeU der Gutgesinnten durch Terrorismus
eingeschüchtert, die Proletarier aber durch alle Künste der
Verführung irregeleitet hatte, bei der Unterwerfung der
’) K. A., F. A. 1848, Cernierung Wiens, X, 22.
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Aafmarsoh der ÖBterreicbiscbon Armee gegen die Rovolntion l&lb. 28t
Hauptstadt Mensehliehkeit und Pflicht gebiete, diese mit
möglichster Schonung und tunlichster Vermeidung alles Blut-
vergießens zu volLführen ').
Ein neuer Beweis seines edlen Herzens, das trotz der
in letzter Zeit erlittenen Schicksalsschläge keine Bache
kannte.
Der Fürst beabsichtigte zu dieser Zeit, vor allem die
Hauptstadt imd wenn es nötig sein sollte, die ganze Provinz
in Belagerungszustand zu erklären und Wien dinch eine voU-
ständige Absperrung und Abschueidung jedes Verkehi’s zur
Beshmimg zu bringen, zu welchem Zwecke die nötigen
Maßnahmen im geeigneten Zeitpunkt verfügt werden sollten.
Hiebei fiel bis zum Eintreffen der auswärtigen Verstär-
kungen der Wiener Garnison die Aufgabe zu, sich möglichst
passiv zu verhalten, in einer geeigneten, wenn nötig fest
verschanzten Stellung auf dem Laaerberg alle Kräfte zu
konzentrieren und das Neugebäude mit dem dort befindlichen
Artilleriematerial unter aUen Umständen gegen einen Hand-
streich zu schützen.
Die Stärke der zum Ausmarsch aus Böhmen gegen
Wien bestimmten Truppen betrug laut Ordre de bataille
13* 6 Bataillone, 18 Eskadronen, 54 Geschütze imd 4 Brücken-
equipagen *).
Diese Truppen hatten in der größtmögUchen Stärke,
mit den Feldrequisiten versehen und der Kriegsmunition aus-
gerüstet. bei Eücklassung aller unnützen Bagagen, jedoch
unter Alitnahme der Feldkessel und Kasserole abzmnar-
schieren.
Es lag in der Absicht des Fürsten, den größten Teil
seiner Truppen so schnell als möglich und so weit als tunlich
mit der Eisenbahn gegen Wien, unter allen Verhältnissen
jedoch wenigstens bis Olmütz zu befördern.
Hei dem Umstand aber, daß sich bald ein fühlbarer
Mangel an roUendem Alaterial geltend machte und man infolge
offenkundigen, mitunter bis ziu- Widersetzlichkeit gesteigerten
Widerwillens des Bahnpersonals, welches vom Beiclistag den
*) K. A., F. A. 1848, Cemierung AViens, X, liO/14.
») Anliang VIII.
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2Ö2
G z 0 i k e
Befehl erhalten hatte, unter keinen Umständen Trappen zu
befördern, auf immense Schwierigkeiten stieü, konnte es
einem grollen Teile der Truppen nicht erspart werden, ihr
Ziel in forcierten Märschen zu erreichen *).
Vor allem mußte für die Sicherung der Eisenbahnlinie
Prag — Olmiitz Vorsorge getroffen w'erden. Es erhielten daher
das .5. und eine Division des 6. .Tägerbataillons *i den
Befeld, noch am 9. abends mit der Eisenbahn von Prag ab-
zugehen, um alle 23 Stationen von B^cho'witz bis Stefanaii
vor Olmütz zu besetzen und mit allem Ernst und der nach-
drücklichsten Kraft die Eisenbahnlinie und den Telegraphen
auf der erwähnten Strecke zu sichern.
Die Brigade GM. Prinz Hohenlohe, bestehend aus
dem 3. Feld- und 1. Landwehrbataillon Wocher Nr. 25, dem
2. Feldjägerbataillon und einer ordinären Batterie, hatte mit
zwei Di%dsionen Ficquelmont-Dragoner (seit 1. Oktober 1867
Dragonerregiment Nr. 1 2 1 aus Klattau, welche dieser Brigade
ü Die Sympathien der Eisenbahnbenmten für die Eevolntion und
die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten beim Tran.sport der
Trappen per Bahn, welche die Truppenkommandanten oft zur Anwen-
dung der energischesteu Maßregeln gegen das Babupersonal zwang,
beleuchtet nachstehende Episode, die FML. Graf Kolowrat-Kra-
kowsky in seinen Erinnerimgen aus den Jahren 1848 und 1849, II, 31,
erzählt :
„Als die Truppen von Olmütz aus nach Gänserndorf befördert
werden sollten, weigerte sich der dortige Inspektor, dieselben zu expe-
dieren. Da ließ ihn General Schütte, der sich mit seiner Brigade am
Bahnhof befand, kommen und fragte ihn, wieviel Zeit er benötige, um
die Lokomotiven zu heizen. Auf die Antwort des Inspektors : in lich
glaube einer Stunde) einer Stunde — sagte ihm der General : ,Hören
Sie! Um die Befehle des Eeichstagos kümmere ich mich nicht, aber
ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß, wenn der Train nicht in einer
Stunde (er gab die gegebene Zeit an) abfahren kann, ich Sie erschießen
lasse.’ Der Inspektor, ganz erschreckt, entfernte sich, aber unter .Auf-
sicht, und in der festgesetzten Zeit stand der Train bereit. Als die Truppen
alle cingestiegen waren, befahl der General dem Inspektor, bei dem er
so schlechten 'Willen fand, den Train selbst zu führen und sagte ihm:
,Auf dem ersten Wagen sind Jäger, die den Befehl haben, bei dom ge-
ringsten Unfall, der dem Train zustoßen würde. Sie zusammenzu-
schießen. Sorgen Sie also, daß wir ohne Hindernis ankommen’.”
•) Dieses Bataillon war zum Ersatz der von Prag abrückeuden
Truppen von Eger nach Prag beordert worden.
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Aufmarsch der österreichischen Armee go^en die Rerolntion lSi9. 28B
zugeteilt wurden, 24 Stunden nach Erhalt des Befehles ' t aus
den Stationen Budweis, Tabor und Pisek aufzul.)rechen, in
forcierten Märschen über Krems nach Stein zu marschieren
und durch Besetzung von Stein und Mautern die dortige
Donaubrücke zu sichern.
An Stelle des erkrankten GM. Prinzen Hohenlohe
übernahm FML. Bamberg freiwillig das Kommando über
diese Brigade.
Für den Fall, als der Kaiser die Donau bereits über-
schritten hätte, soüto dieser General nnverweilt gegen Wien
vorrücken und eine Stellung am Kahlenberg nehmen, um
hiedurch die Einschließung Wiens von dieser Seite zu be-
wirken, das Nußdorfer Defile zu sperren und den vom Fürsten
AVindisch-Grätz in Aussicht genommenen Donauübergaug
l)ei Klostenieuburg zu unterstützen.
Die gesamte Kavallerie, mit Ausnahme des Dragoner-
regiments Graf Ficquelmont, wurde vorläufig angewiesen,
in der Ebene unweit von Komeuburg zu lagern und den
Nachrichten- und Sicherheitsdienst zu versehen.
Mittlerweile waren auch die kommandierenden Generale
von Mähren und Galizien im Sinne der mit dem Fürsten
tfüher getroffenen Vereinbarungen tätig gewesen.
Der Kommandierende in Mähren, FML. Fürst Renß,
hatte durch Major Graf Coudenhove am 8. den mündlichen
Befehl des Erzherzogs Franz Karl erhalten, seine sämtlichen
Tnippen gegen Wien zu dirigieren und wurden infolge dieses
Befehles sogleich das 1. Bataillon Erzhei'zog Stephan Nr. 58
von Znaim nach Stockerau und das Infanterieregiment Graf
MazzucheUi Nr. 10 in Marsch gesetzt.
Auch dem Fürsten Keuß war in letzterer Zeit ein
großer Teil seiner Truppen entzogen worden, so daß sieh der
Stand denselben in Mähren und Schlesien auf 10 Ve Bataillone
Infanterie, 3 Divisionen Kavallerie und eine Batterie redu-
ziert hatte.
Die Mitteilung über die Situation in Sßihren überbrachte
ilajor Graf Coudenhove in einem Schreiben <les Fürsten
Reuß an Windisch-Grätz am 9. Oktober in der Nacht
*) Dieser Befehl wurde am 9. Oktober gegeben.
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284
C s e i k e.
nach Prag, in welchem sich ersterer auch bereit erklärte,
nütigenfalls unter den Befehl des Fürsten Windisch-Grätz
zu treten.
Major Coudenhove rvurde mit der Weisung nach
Olmütz zuriickgesendet, daß vor allem die Sicherheit Seiner
^Majestät und in zweiter Linie jene der Eisenbahn Olmütz—
Lundenburg anzustreben sei.
Gleichzeitig hatte der Militärkommandant von Krakau.
FML. Graf Schlick, durch Ilauptmann Graf Theobald an
den Fürsten die Meldung gelangen lassen, daß je ein Ba-
taillon Schönhals Nr. 29, Herzog von Parma Nr. 24 imd Fürsten-
wärther Nr. 5(J, dann zwei Eskadronen Erzherzog Karl Ludwig-
Chevaulegers (seit 1. Juni 1851 ülauenregiment Nr. 7) und
die sechs])fUndige Kavalleriebatterie Nr. 15 im Anmarsch
gegen Wien zwischen dem 13. und 15. Oktober in Lunden-
burg eintretfen dürften, um sich dort an die böhmische Armee
anzuschließen ' i.
Wichtige und umfassende Aufgaben fielen in dieser ersten
kritischen Zeit dem fähigen und energischen GM. von WyE
zu, welcher vom Fürsten Windisch-G rätz mit dem Haupt-
mann I>obner des General(|uartiermeisterstabes gleich nach
der in der Nacht vom 9. auf den 10. eingetroffenen telegra-
phischen Depesche, daß die Eisenbahn bis Olmütz besetzt
sei, in das Marchfeld vorausgesendet wurde.
Die tiir diesen General verfaßte Instruktion enthielt im
wesentlichen folgende Punkte*);
1 . Sich<>rung der Eisenbahn von Olmütz bis Lundenburg
und womöglich bis Angern und Gänsemdoiff zum Zwecke
des Tru](pen- und Kriegsmaterialientrans[)ortes mittels der
Eisenbahn bis in die Nähe AViens ; Beobachtung der Kom-
munikationen nach Ungarn hin, sowie der Alarchbrücken bei
Hohenau, Dürnkrut und Angern.
2. Herbeischaffung aller Waggons für den Truppen- imd
Kriegsmaterialientransport zur beliebigen Disposition in Olmütz.
3. Konzentrierung der Truppen, die aus Mähren und
Galizien gegen Krems und Wien im Marsch begriffen waren
‘) K. A.f F. A. 1848, Cernierung AViens, X, 22.
Ebenda, 25 a.
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Aafmarscli der österreichiachen Armee gegen die Revolution ISIS. 285
CungefälirneunBataillone) und deren Aufstellung und Lagerung
bei Floridsdorf, um Wien am linken Donauufer abzusperren.
Überwachung der Taborbrücke und des Nordbahnhofes.
4. Ausmittlung eines Lagerplatzes für ungefähr 10 Ba-
taillone, 16 Eskadronen und 7 Batterien auf dem Marchfeld
inmitten der Stockeraner Bahn und der Kaiser Ferdinands-
Xordbahn.
6. Vorsorgen zur Sicherstellung der Verjtflegung für die
-\rmee.
6. Besetzung Klosterneuburgs, namentlich des festen
Klosters dortselbst und Sicherung der in dieser Stadt befind-
lichen Brückeneciuipagen, Verständigung des Obersten Schön
des Pionierkorps über das Eintreffen von vier Brüekenequi-
pagen aus Prag, weiters, daß die anrückende Armee minde-
stens zwei Brücken über die Donau, auf- und abwärts von
Wien benötigen und das zur Herstellung einer Schiffltrücke
notwendige Material requiriert und in Klosterneuburg depo-
niert werde.
Vorsorgen wegen des liberganges bei Tulln.
7. Bei hinlänglich konzentrierten Truppen, Besetzung
der Eisenbahn von Stockerau nach Wien, zur Deckung gegen
alle Eventualitäten und zm beliebigen eigenen Benützung.
8. Besetzung des Kahlenberges zur Sperrung des Defiles
bei Nußdorf, durch die zwischen dem 18. und 20. in Krems,
Stern und Mautem eintreffeude Brigade Hohenlohe, für den
Fall, als der Kaiser in Sicherheit gebracht w'äre und mit der
Herstellung der Donaubrücke begonnen werden könne. Endlich
hatte GM. Wyß von Olmütz aus mit den disponiblen Truppen,
namentlich aber mit dem Regiment Khevenhüller Nr. 35 und
einer Batterie per Bahn oder in forcierten Itlärschen als Avant-
garde bis Limdenbiirg oder selbst bis an die Donau vorzimücken.
Zwischen dem 9. und 12. Oktober waren sämtliche Truppen
aus den Garnisonen Budweis, Tabor, Prag, Theresienstadt,
Josefstadt, Königgrätz etc. derart in Marsch gesetzt worden,
daß dieselben teils per Bahn über Olmütz und Lundenburg,
teils wegen Mangel an rollendem Material oder aus sonstigen
Gründen, in forcierten Märschen auf den kürzesten Routen
von Budweis über Krems, von Prag über Tabor und Honi,
von Podiebrad über Kolin, Iglau und Znaiin, endlich von
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C s e i k e.
Josefstadt und Ivöuiggrätz über Pardubitz, Kamenitz und
Deutsch-Brod am 21. und 22. Oktober auf dem Marohfeld
bei Lang-Enzersdorf eintreffen konnten.
Nachdem diese Tru[»peu ohne lange Kriegsvorbereitnngen,
nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet, binnen 48 Stunden
ihre Friedensgamisonen verlassen muüten, trotzdem aber in
außergewöhnlichen, forcierten, mit seltener Ausdauer und
Cb'dniuig flurchgeführten Marschleistimgen, in der kurzen Zeit
von 8 bis 10 Tagen vollkommen schlagfertig in das Marchfeld
gelangten, so kann dem vorzüglichen Geiste derselben, ihrer
Disziplin und Ausbildung nur die größte Anerkennung gezellt
werden.
Fürst Windisch-ürätz hatte dem FML. Grafen
Auersperg von Prag aus den Befehl erteilt, sich vor Wien
möglichst passiv zu verhalten und in einer Stellung am Laaer-
berg den Anmarsch seiner Truj)peu abzuwarten.
Während nun Auersperg mit einem Teile der .4rmee
des Banus Jellacic Wien im Süden und Osten ceniiert hielt,
letzterer aber mit seinem Korps eine ^'ereinigung der unga-
rischen Streitkräfte mit den Wiener Insurgenten verhindern
sollte, lag es in der Absicht des Fürsten, alle seine Kräfte so
rasch als möglich durch eine konzentrische Vorrückung gegen
Wien zu dirigieren, um dann vereint mit den beiden dort
befindlichen Armeekorps seine Operationen gegen die Haupt-
stadt und die ungarische Armee aufzimehmen.
Aus einem Bericht Auerspergs vom 11. Oktober, in
welchem dieser nach seiner Unterredung mit Jellaöic mel-
dete, daß das Gros der vor Wien befindlichen Truppen .sich
möglicherweise auf Krems zurückziehen müßte, glaubte
Windisch - Grätz zu entnehmen, daß es sich hiebei lun
einen direkten Rückzug auf Krems mit gänzlicher Preisgebung
Wiens handle.
Der Fürst erklärte sich aber mit diesen Plänen keines-
falls einverstanden und beantwortete dieselben am 13. Oktober
mit nachstehendem Befehl an .Auersperg*):
,.lch rechne mit Zuversicht, daß der Banus die geeig-
neten Maßregeln in der Wahl seiner Dispositionen und be-
') K. A., F. A. 1818, Cernierung Wiens, X, 60 21 und 60,29.
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Aafmarsch der ostcrreicbiscben Armee gegen die Revolution l&iS. 2S7
sonders in Rücksicht des Terrains zu nehmen gewußt haben
wird, um die Übermacht der feindlichen KavaUerio zu
paralysieren und dem Feinde in seinem Vordringen Schranken
zu setzen.”
„Die Behauptung der Stellung auf dem Wiener- und
Laaerberg mit den vereinten Kräften der Wiener Gami.sou
imd den Truppen des Bauns ist von der höchsten Wichtigkeit
wegen des Neugebäudes und der großen Artillerieetablissements
alldort.”
„Auf keine Weise kann ich für den angenommenen un-
günstigen Fall den Rückzug der vereinten Kräfte nach Krems
gntheiüen, weil dadurch Wien völlig preisgegeben und die
Vereinigping der imgarischen mit der Wiener Insm-rektion nur
erleichtert wird."
„Für den Fall, daß es den vereinten Kräften unmöglich
sein sollte, einen Angriff abzuweisen, muß ich dringend er-
suchen, daliin zu wirken, daß, nebst Rettung des Artillerieparks
vom Neugebäude, eine Stellung mit dem linken Flügel auf
dem Kahlenberg an die Donau gelehnt, längs dem Rücken
des Hennannskogel, Dreimarkstehl, Grän-‘) und Roßkopfberges
bis über den Wienfluß genommen und durch alle möglichen
Mittel der Verschanzung oder Verhaue behauptet werde.”
„Das Koqis des Banus bildet den rechten, die Wiener
Garnison den linken Flügel.”
,,Bei Nußdorf i rekte Kahlenbergerdörfel) ist die Donau
zu sperren.”
,, Vermag aber der Banus sich in der Stellung südlich
von Wien zu halten, wäre dieses bei Kaiser-Ebersdorf oder
auf' einem geeigneten Punkte zu tun, von welchem mau die
Kommunikation auf der Donau beherrschen luid verhindern
kann. Der obige Rückzug ist umsomehr für den Fall, als dem
Drängen der ungarischen Insurrektion kein AVdderstand ge-
leistet werden könnte, als angemessen anzusehen, als die
ungarische Armee an geregelter Infanterie nur sehr wenig
besitzt und ihre größte Kraft in der Kavallerie besteht,
die dann in dem betretenen 'l'eiTaiu ihre Wirksamkeit
verhert."
') Südöstlich vom Hameau.
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288
C z e i k 0.
Fürst Windisch-Grätz verließ, nachdem nun alle vor-
läufig möglichen Dispositionen getroffen worden waren, Prag
und traf am 15. Oktober nachmittags in Ohnütz ein.
Die Leitung des Generalkommandos und das Kommando
über die in Böhmen zurückbleibenden Truppen, 10* e Bataillone
und 16 Eskadronen, -wurde dem FML. Grafen Kheven-
hüller übertragen.
Vor seiner Abreise nach Olmütz hatte der Fürst noch
in einer Proklamation ,,An die Bewohner Böhmens” seiner
tU)erzeugung Ausdruck gegeben, daß Ruhe imd Ordnung im
Ijande nicht mehr gestört werden würden.
An die in Böhmen zurückbleibenden Militärköiiier richtete
er in einem Armeebefehl nachstehende Worte *) :
,,Der treft’liche Geist, welcher .sämtliche Truppen des
Generalates beseelt, ist mir vollkommen bekannt imd genießt
meine ganze Anerkennung. Erfreulich wäre es mir, alle in
die Lage versetzen zu können mitzuzieheu, damit es auch
ihnen gegönnt -wäre, ihren Eifer, ihre Treue, ihren Mut und
ihre Ausdauer in Gefahr für unsem Allerhöchsten Monarchen,
für das M^ohl des Gesamtvaterlandes, auch anderwärts zu
betätigen. Indes alle an diesem Unternehmen teilnehmen zu
lassen, ist untunlich, doch bleibt den Ziu-ückbleibenden nicht
minder die erhebende Pflicht, einer Provinz als Schutz zu
dienen, die in unserer konstitutionellen ^Monarchie von hoher
Bedeutung ist.”
„Mit Beruhigung verlasse ich da.s Land, gebe mich aber
der vollsten Überzeugung hin, es wird ein jeder nach Kräften
bemüht sein, diesem schönen Ziel zu entsprechen und durch
Aufrechthaltung einer musterhaften Disziplin und Ordnung
sich die verdiente allgemeine Anerkennung und Achtung auch
für die Zukunft zu bewahnm.”
Mit Allerhöchstem Handschreiben vom 17. Oktober wurde
Fürst Windisch-Grätz in Berück.sichtigung seiner ausge-
zeichneten "N'erdienste und seiner gegenwärtigen Stellung zum
FeldmarschaU *) und Oberkommandanten über sämtliche
Truppen der Monarchie, mit Ausnahme der italienischen
*) K. A., F. A. 1848, Cernieruiig Wien.s, XIII, 30.
’) Mit Übergehung des Ranges eines Generals der Kavallerie.
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Aufmarsch der österreiohisohen Armee gegen die Revolution I64S. 289
Armee, eniaunt und mit allen Vollmacliten ausgerüstet, damit
er „das Werk des Friedens im Reiche nach eigenem Er-
messen in möghehst kurzer Zeit vollbringen könne”.
Während der Fürst von Prag ans seine ersten Disposi-
tionen traf, war mittlerweile GM. Wyß in Olmütz tätig gewesen.
Er hatte bei seinem Eititreffeu dortselbst keinerlei
roUeudes Material vorgefunden, um die Truppen weiter zu
belordem und setzte daher sofort zwei Bataillone Kheven-
hüller mit einer Batterie nach Lnndenburg in Marsch, worauf
er sich selbst m diese Station begab.
Die Eisenbahnstrecke von Olmütz bis Lundenburg wurde
liinch die 4. Feldbataillone Kaiser Ferdinand Kr. 1, Prinz
Emil von Hessen und bei Rhein Nr. 54 und Erzherzog Karl
Xr. 3 und die 7. Füsilierdivision von Prinz Emil, sämtliche
unter Kommando des Majors von Schneider vom Regiment
Kaiser Ferdinand, besetzt, so daß GM. Wyß am 15. in der
Lage war über diese Strecke zn verfügen ').
Alle in Olmütz eintretfenden Truj)pen sollten dmeh das
Festung.skommando auf die schnellste Art, eventuell in Doppel-
märschen, nach Lundenburg in Marsch gesetzt werden.
Am 15. abends waren bereits je ein Bataillon Kheven-
hüller, Erzherzog Karl, Herzog von Parma und Schönhals in
Lundenburg und Umgebung und am 16. das 2. Bataillon
Klievenhüller in Rampersdorf und Birnbaum versammelt.
Fürst Windisch-Grätz erteilte nun Wyß den Befehl,
mit zwei bis drei Bataillonen als Avantgarde gegen Wien
vorziurücken, die Stadt von der Taborseite abzusperren, die
Taborbrücke und den Ferdinands-Nordbahnhof streng zw
überwachen, den Telegraphen zu zerstören, Schitie für den
Brückenschlag zu requirieren und die Scliiffahrt auf der Donau
von Ungarn nach Wien zu verhindern.
GM. Wyß setzte sich bezüglich der über die Donau
zu schlagenden Brücke am 15. Oktober mit dem Obersten
Schön des Pionierkoq>s ins Einvernehmen, wobei letzterer
erklärte, mit Beihilfe der aus Böhmen disponierten Brückeu-
equipagen und seinem eigenen Material nur eine Brücke, und
') K. A., F. A. 1848, Cernieruog Wiens, X, 219.
Uitteilaogen des k. und k. KricgsarcMvs, Dritte Folge. XV. Bd. 19
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290
C z e i k 0.
zwar oberhalb AMens, für keinen Fall aber zwei Brücken
schlaj'cn zu können.
Oberst Schön beantraffte, die Donau entweder bei Lang-
Enzersdorf oder bei Nußdorf zu überbrücken, gab aber letzterem
Punkte den A’orzug, weil die Flußbreite bei Nußdorf ge-
ringer sei und wenn man die Brücke bei Lang-Enzersdorf
schlagen wollte, die dortigen in der Folge für die Armee
unentbehrlichen Schitfmühlen außer Tätigkeit gesetzt werden
müßten, was eine große Aufregung unter der Bevölkening
hervorrufen würde.
Er glaubte jedoch soviel Material autbringen zu können,
um die Überfulir bei Enzersdorf, welche binnen einer Stunde
mit Bestimmtheit 4000 Mann übersetzen konnte, fortbestehen
zu lassen.
Die Einleitung des Brückenschlages knüpfte er an die
Bedingung, daß der Kahlenberg und das Defile bei Nußdort'
sowie Klosterneuburg entsprechend besetzt werde.
Fürst AVindisch-Grätz entschied .sich später tür Nuß-
dorf als Übergangspunkt über die Donau, er rechnete aber
auch auf die freie Benützung der Überfuhr bei Enzersdorf
für militärische Zwecke.
A"on höchster Bedeutung schien dem Fürsten die Sicherung
eitles Überganges, namentlich fiir Kavallerie und Artillerie,
stromabwärts von AA'ien, um vom Marchfeld aus, allenfalls
über die Insel Lobau bei Kaiser-Ebersdorf, zur Unterstützung
dos Korps Jellacic auf das rechte Donauufer übersetzen zu
können.
Zu diesem Zwecke wurde FMTj. Auersperg angewiesen,
diese Insel zu besetzen und durch .Anlage einer Strand-
batterie auf derselben die Donauschiffahit zu sperren, was
durch Etablierung von vier zweipfündigen Geschützen geschalt b.
Über Ansuchen Auerspergs erteilte der Bonus .dem
Divisionär FMTj. Kempen am 16. Oktober den Auftrag, für
die Einrichtung einer Überfuhr nächst Kaiser-Ebersdorf A'or-
sorgen zu treffen und die Kommunikationen in der Lohau
herrichten zu lassen, für welche Zwecke demselben eine
Pionierkompagnie aus Simmering zugewiesen wurde.
') K. A., F. A. 1848, Cernierung Wiens, X, 60'32.
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Aufmarflch der üsterreicbischen Armee gegen die Revolution 1^18. 291
Eine Division fies 2. Walachenregiments war zur Deckung
der Arbeiten in die Lobau überschiflFt worden und hielt diese
besetzt.
Am 18. Oktober waren bereits acht Überfuhrplätten für
je 80 Mann bei Kaiser-Ebersdorf bereitgesteUt und wiu’de an
deren Vermehrung noch weiter gearbeitet*).
Auf die Benützung der Eisenbahn von Gänserndorf nach
Floridsdorf rechnete Fürst Wind isch-Grätz auf keinen Fall ;
er gab vielmehr den Befehl, diese Strecke durch Entfernung
der Schienen und Abgrabung bei Gänsenidorf so nulirauchbar
zu machen, daß sie auch von einer ohne Führer abgelassenen
Lokomotive nicht befahren werden könne.
Zur Deckung der hnken Flanke aller am hnken Donau-
ufer operierenden Truppen ließ Fürst Windisch-Grätz eine
aus allen AVaffengattungen zusammengesetzte Kolonne unter
dem Befehl des GM. Grafen Bellegarde iin Marchtal vor-
rücken.
2 Divisionen des Regiments Max Auersperg-Kürassiere
i'seit 18fi7 Dragonerregiment Nr. 5), welches am 17. Oktober
in Kostei eingetroäen war, 1 Sappeimdivision, 1 Kavallerie-
batterie und 1 bis 2 Bataillone Infanterie sollten zu diesem
Zwecke am 18. von Kostel über Lundenburg, Hohenau,
Dürnkrut und Schönkircdien in drei forcierten Märschen nach
Deutsch-Wagram und Markgrafneusiedl dirigiert werden *).
In Lundenburg mußte GM. Bellegarde jedoch die
ilajorsdivision von Auersperg-Kürassieren zur Deckung des
Hauptquartiers zurücklasseu, konnte aber das ihm von den
Tnippen des GM. AVyß zugewiesene Infanteriebataillon nicht
an sich ziehen, weil dieser General abwesend war und sich
zu dieser Zeit überhaupt nur ein Infanteriebataillon in
Lundenburg befand, welches den ausdrücklichen Befehl hatte,
flort zu verbleiben.
GM. Bellegarde setzte daher seinen Marsch nur mit
3 Eskadronen Kürassiere’), 1 Division Sappeure und 1 Kaval-
Ipriebatterie, zu welcher noch 2 dem Regiment Auersperg
zugewiesene Geschütze kamen, nach Hohenau fort.
*) K. A-, F. A. 1848, Korps JcUaüiü, X, 106 und 106 a, b.
’) Ebenda, Cernierung Wiens, X, ad 51.
’) Eine Eskadron befand sich seit 17. am Marsche nach Gänserndorf.
19*
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C X e i k e.
Da bei der Wichtigkeit der Aufgabe, die linke Flanke
der Armee zu decken, diese Kolonne in ihrer dermaligen
Zusammensetzung und geringen Stärke dem beabsichtigten
Zwecke nicht entsprach, so wandte sich GM. Bellegarde um
Erhalt der nötigen Verstärkungen direkt an den GM. Wvß.
Aus einer Meldung des letzteren an den Fürsten
Windisch-Grätz ist zit schließen, daß die Kolonne G^I. Belle-
garde erst nach Erreichung ihres Marschzieles noch durch
das nach Gänserndorf dirigierte Bataillon Schönhals mit einer
Eskadron !Max .\uersperg-Kürassiere verstärkt wurde
Tatsächlich war GJI. Bellegarde am 20. Oktober, um
4 Uhr nachmittags, nur mit 3 Eskadronen Auersperg-Kürassiere.
1 Division Sajtpeure und 8 Geschützen in Deutsch-Wagram
eingetroffen und hatte folgende Dislokationen bezogen: In
Deutsch- Wagram der Stab, Oberst 2. Eskadron, die Sappeur-
division und Kavalleriebatterie ; in Parbasdorf Oberstleutnant
1. Eskadron und in Aderklaa Oberstleutnant 2. Eskadron von
Max Auersperg-Kürassieren*!.
Auch an die aus Galizien nach Ungarn dirigierte Kolomie
des FML. Siinunich erließ Fürst Windisch-Grätz seine
Befehle.
Diese Kolonne, welche, aus den beiden Landwehrbatail-
lonen Erzherzog Wilhelm und Nugent (Infanterieregiment
Nr. 30», dann dem 1. Bataillon Ilartmann Nr. 9, der Majors-
division von Erzherzog Karl Ludwig-Chevaulegers und der
sechs])fündigen Fußbatterie Nr. 14 bestand und später durch
die beiden Bataillone Hochenegg Nr. 20 und Haynau Nr. ä"
und eine zweite Hatterie verstärkt wurde, sollte sich ursprüng-
lich in Dukla konzentrieren, in zwei Kolonnen über Kaschau
voiTÜcken, mit dem Banus Jellaciö die Verbindung hersteilen
und de.ssen Operationen unterstützen*).
Nachdem .sich aber der Banus nach Österreich gewendet
hatte, wurde FML. Simunich mit Rücksicht auf die geänderten
V'erhältnisse über Saybusch lunl den Jablunkaj)nß auf Csacza
dirigiert und erhielt von Windisch-Grätz den Befehl im
Waagtill vorzurücken, um einerseits die terrorisierten slova-
') K. A., F. A. 184S, Cerniening Wiens, X, 62.
’) Ebenda, 228.
*) Ebenda, 26.
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Aufmarsch der üsterreichlechen Armee gegen die Re%’olntion ]8i8. 293
kischen Distrikte zu Gunsten der guten Sache aufzurichten,
andererseits aber dxirch ein energisches Vorgehen in der
Richtung auf Neutra und Preßbui'g die ungarischen Streit-
krafte in der Flanke zu bedrohen und hiedurch deren Vor-
marsch nach Österreich am linken Donauufer zu erschweren.
An den Kommandierenden in Galizien, F^ITj. Freihemi
von Hammerstein, wandte sich Fürst Windisch-Grätz
am 16. Oktober von Olmütz aus mit dem Ansuchen, zu den
bereits entsendeten Streitkräften noch wenigstens 5 bis 6 der
zimächst der mährischen Grenze stehenden Bataillone, wo-
möglich unter Kommando eines Generals und Beigabe einer
Batterie, gegen Lundenburg zu disponieren und eine weitere
Xachrückung von Truppen seines Generalates nach eigenem
Ermes.sen einzuleiten *).
Am 17. Oktober wiude der Vormarsch nach Stammers-
dorf angetreten *).
Ziu Besetzung der Eisenbahnlinie Lundenburg — Gänsern-
dorf ging am selben Tage das Reservebataillon Erzherzog
Karl und das 1. Bataillon Schönhals unter Kommando des
■Majors Schneider mit dem Befehl nach Gänserndorf ab,
dort die Eisenbahn zu zerstören und den Telegraphen nach
Wien zu unterbrechen.
Für den Patrouillendien.st im Marchfeld war den zwei
Bataillonen eine Eskadron Max Auersperg-Kürassiere bei-
gegeben worden.
Das 1. Bataillon Khevenhüller, ein Bataillen Herzog von
Parma sowie die sechsijfündige Fußbatterie Nr. 6 wiuden am
17. von Lundenburg gegen Stammersdorf in Marsch gesetzt
und sollten am 19. dort eintreffen, während das 2. Bataillon
Khevenhüller und die Majorsdivision von Auersperg-Küras-
.■deren zur Deckung des Haupbpxartiers bis auf weiteres in
Lundeubiu’g zuriickblieben.
Von Stammersdorf aus beabsichtigte GM. Wyß ehestens
gegen die Donau vorzuriieken, um, wenn nicht unvor-
hergesehene Hindernisse eintraten, am 20. Floridsdorf und
') K. A.. F. A. 1848, Cernierang Wiens, X, 60/33.
*) Ebenda, 62.
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294
C z e i k e.
den „Spitz” zu besetzen, sich mit seiner Reserve in Groß-
Jedlersdorf aufzustellen und den weiteren Umständen gemäß
zu handeln.
Die nach und nach über Stockornu anrückenden Truppen
sollten in Stammersdorf vereinigt werden.
GM. Wyß selbst traf am 18. in Wölkersdorf und am
19. in Stammersdorf ein.
Zur Deckung des in Klosterneuburg befindlichen Biückeu-
materials sowie der notwendigen Vorarbeiten für den Brücken-
schlag war die Besetzung dieses Ortes um so wichtiger, als
es den aufwieglerischen Umtrieben von Wien aus gekmgeu
war, auf die Stimmung der Landbevölkerung in der Umgebung
von Klosterneuburg einen verderblichen Einfluß zu nehmen.
Die Vorbereitungen zum Brückenschlag bei Nußdorf
durch den Obersten Schön mußten sich bisher nur auf
technische Vorarbeiten beschränken, da bei der geringen
Stärke der in Klostenieuburg befindlichen zwei Piouierkom-
paguien und dem Umstand, daß Nußdorf von schlecht ge-
sinnten Nationalgai'den besetzt war, eine Requisition von
Schitien, die Herrichtung der Örtlichkeit für den Brücken-
schlag u. s. w. nicht vorgenommen werden konnte.
GM. Wyß sah sich daher veranlaßt das 3. Bataillon
Erzherzog Ludwig Nr. 8 von Wölkersdorf am 19. mit dem
Auftrag in ^Marsch zu setzen, durch Uberschittüng auf der
bei Lang-Enzersdorf bestehenden Uberiühr das recht« Donau-
ufer zu gewinnen und Klosterneuburg durch eine zweck-
mäßige Besetzung zu sichern'!.
Das 3. Bataillon Erzherzog Karl wurde aus Wilfersdorf
zur Besetzung von Wölkersdorf in diesen Ort verlegt, da
dem GM. Wyß nim die Bataillone KhevenhüUer und
Parma zur Verfügung standen und er sonst bei seinem
Vormarsch gegen che Donau ohne Reserve geblieben wäre.
Uber erneuertes Ansuchen des Obersten Schön um
Verstärkungen stellte Wyß demselben noch das am 20. in
Lang-Euzersdoif eintrciffende Bataillon Paumgartten und eine
Halbbatterie, welche am 21. mit den von Prag aukonuneuden
Biückenefiuipagen erwartet wurde, zur Verfügung.
K. A., F. A. 1S18, Cernicruug Wiens, X, 73, 82, 83, 84.
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Aufmarsch der östorreiebisobon Armee gegen die fievolntien 1848.
295
Es waren somit alle Vorbedingungen für den Brücken-
schlag gegeben, nachdem auch die Besetzung des Kahleii-
bergos und des Defües bei Xußdorf durch die Truppen der
Division Ramberg in Aussicht stand.
Am 19. Oktober nachmittags verließ Fürst Wiudisch-
Grätz Olmütz und traf abends in Lundenbimg ein.
Im HaupGiuartier des Feldmaivichalls befanden sich
Oberst Ritter von Schobelu als Generaladjutant, Oberst-
leutnant Lang, welcher in Vertretung des zum General-
quartienneister ernannten, aber noch in Fraukfiu't weilenden
Generals Grafen Nobili die Operationskanzlei leitete und
GM. Dittrich als Artilleriedirektor.
Von Lundenburg aus erließ Fürst Wind isch-Grätz
am 20. Oktober einen Armeebefehl an sämtliche vor Wien
vereinigten Truppen und eine Proklamation ,,Au die Be-
wohner Wiens”, in welcher er die Hauptstadt und ihre
Umgebimg in Belagerungszustand erklärte').
-\m 21. Oktober stellten sich dem Feldniarschall in
Stammersdorf zwei Deputationen vor, welche durch An-
kiiüpfiuig diplomatischer Verhandlungen eine iriedliche
Lösung der bestehenden WÜTen anstrebten.
Die vom Frankfiu'ter Parlament abgesendeten Reichs-
kommissäre Welcker und Mosle, im Namen <ler deutschen
Zentralgewalt ihre Vermittlung anbit'tend, wurden von
Windisch-Grätz zwar höfhch empfangen, deren weitere
Einmischung jedoch am Schlüsse der Unterredung mit den
Worten kurz abgelehnt : „Ihre Vollmachten brauche ich nicht
einzusehen. Östen'eieh bedarf der Paulskirche nicht ; es wird
den Kampf um sein Bestehen allein ausfechtpn.”
Einer Dejmtition von Wiener Abgeordneten hielt der
Fürst den Emst der Lage mit nachstehenden Worten vor
■Wgen : ., Meine Heiren. was Sie mir sagen wollen, weiß ich
alles. Sie sind, ich hoffe, Männer aus den Reihen der Gut-
gesinnten. Trachten Sie, die verirrten Gemüter auf den
rechten M'eg zu führen. Helfen Sie mir meine schwierige
■■Vufgabe so schnell als möglich zu lösen. Dazu gehört die
imhedingte Übergabe der Stadt und die Ablieferung der
‘) .iiihang IX und X.
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296
C z e i k e.
Watten. Gescliieht dies gleich, wohl und gut ; wenn nicht,
so werde ich zu den energi.schesten Mitteln gi’eifen, so schwer
es mir auch ankommt *).”
Die Situation tiir die Wiener Aufständischen gestaltete
sich denn auch von Tag zu Tag kritischer.
Den Befehlen des Feldmarschalls entsprechend hatte
Wyli Wien am 20. Oktober von aller Verbindung mit dem
linken Donauufer abgeschuitten und durch Besetzung der
Insel Lobau den Cemierungstruppen der Südarmee die Hand
gereicht ’).
Fürst Windisch-Grätz war mit dem Hauptquartier
am 21. in Stammersdorf eingetrotten, die Truppen der Nord-
armee hatten sich am selben Tage in einem Lager bei diesem
Orte konzentriert *) und standen bereit, auf das rechte Donaii-
ufer zu übersetzen.
Der Ring um Wien schloü sich immer enger, denn
schon war auch die Ditdsion FML. Ramberg von Krems aus
im Anmarsch, um die noch vorhandene Lücke im Westen
Wiens zu schließen ‘).
In Erkrankung des GM. Prinzen Hohenlohe hatte.
FML. Freiherr von Ramberg dessen Brigaile in Budweis
übernommen und war mit derselben nach Krems dirigiert
worden, wo er die tveiteren Befehle erwarten sollte.
b Helfert, I, 159, 160.
b GM. Wyß besetzte am 20. folgende Orte: Floridsdorf mit
dem 1. Bataillon Khevenhüller, 2 Geschützen und '.»Eskadron Civalart-
Ulanen Nr. 1, die Insel Lobau mit dem 12. Jägerbataillon und 1 Es-
kadron Civalart-Ulanon und Jedlersee mit 1 Division vom Infanterio-
regiment Parma. In Groß-Jedlersdorf standen als Reserve 4 Kompagnien
von Parma mit 4 Geschützen, in Streborsdorf l'/i Eskadronen von
Civalart-Ulanen. Vedetten und PatrouUIeu erhielten zwischen sämtlicben
Abteilungen die Verbindung.
b Der Lagerplatz befand sich zwischen Stammer.sdorf, Strebers-
dorf und Groß-Jedlersdorf. Die Truppen waren hier auf dem engsten
Raume vereinigt, in den genannten Orten war das für die Mannschaft
und Pferde notwendige Wasser, an welchem es sonst in der Gegend
überall mangelte, vorhanden und alle Verpflegsartikol konnten dort
bei|uem disponiert und gefaßt werden.
b K. A., F. A. 1818, Ceruierung Wiens, X, 60/37, 38, 64, 81,
218, 227 und 230.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Revolution 18iS. 297
Am 16. Oktober abends traf Hamberg in Krems ein
mul fand dort den Obersten Pott des Generalquartiermeister-
stabes imd den GM. Parrot mit ihren Tnippen vor.
Oberst Pott war am 11. Oktober vom FML. Auersperg
aus dem Schwarzenberggarten mit dem 4. Bataillon Heß Nr. 49
und dem 2. Bataillon Erzherzog Stephan zur Sicherung der
Donaubrticke nach Krems entsendet worden, hatte mit diesen
Truppen die Städte Stein und Mantern besetzt und bei
Loiben eine Abteilung Pioniere bereit gestellt, um die
Donaubrücke vor herabschwümmenden Zerstöningsmitteln zu
schützen.
Durch vertraute Boten stand Oberst Pott mit Auers-
perg in A'erbindung ; er hatte von letzterem auch den Befehl
erhalten, alle in Krems eintreffenden Trupj>en sogleich nach
Inzersdorf zu dirigieren, was jedoch gegen flie Absichten des
Fürsten Windisch-Grätz war und daher durch FML. Ham-
berg nach dessen Eintreffen in Krems verhindert wurde. Nur
das 2. Bataillon Erzherzog Stephan marschierte mit zwei
Geschützen am 17. über Herzugenburg, Sieghartskirchen und
Purkersdorf in das Hau])tquartier Auerspergs nach Inzers-
dorf; das 4. Bataillon Heß hielt mit einer Pionierabteilung
von 49 Manu Stein und Mautem weiter besetzt.
GM. Parrot, welcher mit einer Brigade den Kaiser
nach Olmütz l>egleitet hatte, war über höheren Befehl mit
8 Kompagnien Heß (3. Bataillon und eine Landwehrdivision),
5 Kom[)aguien von Kai.ser- Infanterie und 8 Geschützen am
16. Oktober in drei forcierten Märschen über Znaim in
Krems eingetroffen.
Seine Trupjien waren infolge der anstrengenden Märsche
sehr heruntergekommen, die Artillerie — fast felddienst-
untauglich — konnte nur mühsam mit Vorspann fortgebracht
werden, die Geschütze der Kavalleriebatterie waren zwei-
spännig und ohne jede berittene Charge, für alle Arten
von Geschützen nur ein Kairen mit 160 Schuß vorhanden.
Außer den genannten Truppen befanden sich noch das
2. Feldjägerbataillon und eine sechspfündige Fußbatterie seit
14. Oktober in Krems : am 17. rückten das 3. und das Land-
wehi'bataillon Wocher und am 18. zwei Divisionen Ficquelmont-
Dragoner dorthin ein.
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298
C s e i k e.
Auch diese Trupjieu hatten durch die ohne Unter-
hrechung hinterlegten forcierten Märsche viel gelitten').
Nach seinem Eintreflen in Krems erhielt FML. Ram-
berg ein Schreiben des GM. Wyß aus Lundenburg vom
15. Oktober, worin letzterer im Auftrag des Fürsten Windisch-
Grätz die Mitteilung machte, dal! Ramberg mit den Trui»pen
der Brigaden Hohenlohe und Parrot am rechten Donauufer
über Tulln zu marschieren und Klosterneuburg und den
Kahlenberg derart zu besetzen habe, daß damit der Brücken-
schlag über die Donau bei Nußdorf gesichert sei.
Ramberg teilte infolge dieses Befehles seine Truppen
in zwei Brigaden ein, von welchen die eine vom GM. Parrot.
die andere vom Obersten Simbschen befehligt wimde und
marschierte am 19. von Krems ab.
Die Division kantonierte am 19. in Traismauer und Rust
am Perschlingbach, am 20. mit der Brigade PaiTot in Zeisel-
mauer und St. Andrä, mit der Brigade Oberst Simbschen in
Küuigstetten und Tulbing.
Die zwei Divisionen Ficcpielmont-Dragoner hielten am
19. in Krems einen schon dringend nötigen Rasttag und
kamen am 20. nach Staa.sdorf.
FML. Ramberg bUeb am 19. noch in Krems zurück
und begab sich am 20. nach Königstetten.
Am 21. brach Ramberg mit Tagesanbruch in drei
Kolonnen auf, um vorerst den Kiddenberg zu erreichen und
Klostenieuburg zu besetzen.
Die rechte Kolonne, zwei Bataillone mit einer halben
Eskadron, marschierte unter Kommando des Obersten Sinib-
schen längs dem Gebirgsrücken, der vom Tiübingerkogel über
den RoBkoi)f zum Kahlenberg zieht und besetzte letzteren
nachmittags.
*) .Sie waren nach Krems wie folgt iustradiert worden : 2. Feld-
jiigerbataillon von Budweis über Schweinitz, Weitra und Zwettl. 1. LanJ-
wehrbataillon Wochor von Pisek über Wodfian, Budweis und weiter
wie das 2. Feldjilgerbataillon. 3. Bataillon Wocher von Tabor über
Wessely, Wittingau, Oratzen, Jagenbach und Groß-Motten. Die beiden
Divisionen von Ficqueliuout-Dragoncrn hatten sich aus den Stationen
Bisclioftoinitz, Taus und Dobrzan in IClattau zu konzentrieren und von
dort über Silberberg, Strakonitz, Wodünn, Budweis etc. nach Krems zu
marschieren. (K. A., F. A. 1819, Cernierung Wiens, X, 30.)
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Aufmanch der östeireiohischen Armee gegeQ die Revolution 181B. 299
Die mittlere Kolonne, aus einem Bataillon hesteheml,
rückte von St. Andrä durch das Tal des Kierlingbaches direkt
nach Klostenieuburg.
Die linke Kolonne, der Rest der Truppendivision, mar-
schierte auf der Straße längs der Donau über Greifenstein
nach Klosterneuburg.
Dort angelangt, erhielt FML. Ramberg durch den
Obersten Schön des Pionierkorps die Meldung, daß ein
Bataillon Erzherzog Ludwig mit einer halben Batterie gegen
Naßdorf vormarschiere, Jedlersee von einer Division Reisinger
Nr. 18 besetzt sei, die beiden anderen Divisionen dieses
Bataillons beim Kalilenbergerdorf stehen und die Wiener
Rebellen nur die Ijinien der Vorstädte besetzt halten, daher
die Dörfer bis zu denselben frei seien ').
Ramberg ordnete daher sogleich die weitere Vorrückung
seiner Truppen nach Döbling, Gersthof und Dombach an und
bezog eine Stellung zwischen Dombach, der Türkenschanze
and Ober-Döbling.
In der Türkenschanze Itefand sich zu dieser Zeit ein
Bataillon von den Truppen Auerspergs.
Das 2. Feldjägerbataillon besetzte die Orte Dombach,
Gersthof und Pötzleinsdoif, das 3. Bataillon Wocher mit
einer halben Fußbatterie stand zwischen der Türkenschanze
und Döbling, das Bataillon Erzherzog Ludwig in Ober-
Döbhiig.
Hinter dem rechten Flügel befand sich, Xeustift und
Sievering besetzt haltend, das Ijandwehrbatnillon V’ocher,
liiiiter dem linken Flügel das 3. Bataillon Reisinger unrl
liinf Kompagnien vom 3. Bataillon Kaiser samt einer Fuß-
batterie, welche die Orte Grinzing, Heiligenstadt und Xuß-
(lorf besetzt hielteri.
FJIL. Ramberg hatte sein Hauptquartier in Xiißdoif
genommen.
Li Anbetracht des kupierten Terrains wurden nur drei
Züge Kavallerie vorgezogen ; der Rest der zwei Divisionen
’) Die Bataillone Erzherzog Ludwig und Reisinger und eine
Batterie waren am 19. auf das rechte Donauufer üherschiii't worden.
A., F. A. 1848, Ceniierung Wiens, XI, 67.)
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300
C B e i k e.
Ficquelmont-Dragoner sowie die Kavalleriebatterie und die
Laridwehrdirision Heli waren in Klosterneuburg und Kon-
kurrenz geblieben.
Die Linie der V^orj)osten erstreckte sieh vom Schlosse am
Galitziuberg unterhalb Dombach in gerader Richtung zur
Türkenschanze und von da bei den letzten Häusern von Ober-
Döbhng bis zum Donaukanal.
Zur Verbindung mit dem Korps Auersperg detachierte
die Brigade Simbschen am 22. Oktober eine halbe Kompagnie
und einen halben Zug Dragoner nach Hütteldorf, welche die
Kommunikation mit Wien auf der St. Pöltener Straße sperrten.
FML.Ramberg hatte mithin am 22. Oktober vormittags
mit der ihm unterstehenden Division, bestehend aus 5 Batail-
lonen Infanterie, 2 Divisionen Kavallerie und 2 Batterien, an
welche sich noch die überschifften Bataillone Erzherzog
Ludwig und Reisinger (2 Divisionen), dann ‘/j Fußbatterie
angeschlossen hatten, eine starke Stellung von Ober-Döbling
über die Türkenschanze bei Dornbach bezogen, alle Ortschaften
zwischen dieser Stellung und Klosterneuburg besetzt und
hiediu'ch nebst der Einschließung Wiens von dieser Seite
auch den Brückenschlag bei Nußdorf gesichert*).
LTm die zwischen dem rechten Flügel der Division Ram-
berg und dem linken des Korjts Auersperg noch vorhandene
Lücke auszufüllen, erhielt tLM. von Chizzola am Nachmittag
des 22. Oktober den Befehl*), mit einem Teile seiner Brigade,
und zwar dem 3. Bataillon Erzherzog Karl, dem 1. Bataillon
Erzherzog Stephan und einer Batterie aus dem Lager von
Stammersdorf nach Lang-Enzersdorf aufzubrechen, hier die
Üb(>rfuhr zu benützen tind über Nußdorf, Heiligenstadt, Gerst-
hof, W'einlnms und Ottakring nach Breitensee zu marschieren,
um dort, nach gepflogenem Einveniehmeu mit FML. Bam-
berg nnd .\nsichziehung von zwei Divisionen Ficquelmont-
Dragoner samt der Kavalleriebatterie die Absperrung Viens
zu bewirken und zugleich die Verbindung mit dem Korps
Auersperg herzustellen.
') K. A., F. A. 1S48, Cernierung Wiens, X, 233.
*) Ebenda, 118, 231, 232.
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Aufmarsch der österreicliischon Armee gegen die Bovolution 1818. 301
G3I. von Chizzola besetzte am 23. mit dem Bataillon
Erzherzog Karl imd einer Halbbatterie Breitensee und stellte
in der Linie Schöubrunn— Ottakring Vorposten aus*).
Am 23. Oktober mittags war somit Wien auch von der
Westseite durch die kaiserlichen Truppen cemiert.
Inzwischen hatte Jellaöic dem Feldmarschidl das An-
rücken der Ungarn gemeldet und um Unterstützung gebeten.
Fürst Windisch-Grätz sah .sich daher veranlaßt am
22. Oktober die Brigade GM. CoUoredo zur Unterstützung
des Banus abzusenden.
Diese Brigade, bestehend aus dem 5. Feldjägerbataillon,
3. Bataillon Paumgartten Nr. 21, 2. Bataillon Latour Nr. 28
und 1. Bataillon Herzog von Parma, nebst einer Kavallerie-
batterie und der Oberstleutnantsdivision des Kürassierregi-
ments Kaiser Ferdinand (seit 18G7 Dragonerregiment Nr. li
erhielt den Befehl, unverweilt abzukochen und sodann unter
Kommando des GM. Grafen Colloredo — nachdem sich die
Brigade in Groß-JedlersdoiT gesammelt — über Kagran und
-\spem in die Lobau zu marschieren, hier die Donau mittels
Plätten zu übersetzen, von Kaiser-Ebersdorf nach Laa zu
rücken und sich dem Banus zur Verfiigung zu stellen *).
Nach einer später eingelangten Meldimg, daß der Banus
das zur Besetzimg der Lobau bestimmte 12. Jägerbataillou
an sich gezogen habe und diese nun unbesetzt sei, wimle
dem GM. Colloredo nachmittags noch anbefohlen, 2 Kom-
pagnien und wenn nötig auch 2 Geschütze zur Sperrung der
Pampfschifiahrt und zum Schutze der Uberfuhrj)lätten in der
Lobau zurückzulassen.
Die Brigade Colloredo wurde im Laufe des 22. und in
der Nacht zum 23. bei Kaiser-Ebersdorf überschifft und ver-
einigte sich mit der .Irmee des Banus.
Wien war nun nach den bisher getroffenen Verfügimgen
zwar schon von allen Seiten eingeschlosseu, allein der Cer-
') Die Überschüfiiiig dieser Truppen bei Lang-Enzersdorf konnte
wegen eines heftigen Sturmes am 22. nur zum TeUe vorgenommeii
werden und wurde erst am 23. gänzlich hewerkstolligt.
’) K. A., E. A. 1848, Cernierung “Wiens, X, 234.
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302
C a e i k e.
nieruiigskreis hatte noch einen so großen Umfang, daß hie-
durch nicht nnr der Dienst der Trappen ein sehr beschwer-
licher wurde, sondern auch eine vollständige Abspeirung der
Stadt von allem Verkehr nach außen kaum möghch war.
Es lag aber in der Absicht des Fürsten, die Residenz
durch Verhinderung jeder Einfuhr an Lebensmitteln ziu" Be-
sinnung zu bringen und deren Ünteiwrerfung vielleicht schon
bei Auwendixng dieses schonenden Büttels zu erreichen.
Zur Ceniierung Wiens am linken Donauufer genügten
die schwachen Streitkräfte des GM. Wyß vollkommen,
denn die Wuener hatten sich dimch Abbrecheu der Tabor-
briicke selbst der Möglichkeit beraubt, den Verkehr mit dem
linken Donauufer aufrecht zu erhalten.
Dem Feldmarschall handelte es sich jetzt vor allem
darum, mit dem (4ros der Xordamiee auf das rechte Donau-
ufer zu übersetzen, um durch Vereinigung seiner Streitkiäfte
mit jenen der Südarmee Wien nicht nur enger einzu-
schließen, sondern auch das der ungarischen Annee gegenüber-
stehende Korps Jellacic im Bedarfsfälle rasch untcr.stützen zu
können.
Am 22. Oktober wurde demnach folgende Disposition
zur engeren Cernierung Wiens gegeben ' i :
Das I. Armeekor])s, die kroatisch-slavoidsche Armee
unter FML. Baron Jellaöic. de.ssen Hauptaufgabe die Siche-
ning gegen einen Angriff der ungarischen Armee bildet, ver-
bleibt in seiner dei’maligen Stellung, kantoniert von Kaiser-
Ebersdorf bis Himberg, bewirkt nur mit einigen Bataillonen
die Abschließung der St, Marxer Linie durch eine geeignete
Aufstellung nächst Simmering und hält das Neugebäude mit
den übrigen wdchtigen Punkten, nach den vom Koqxskom-
mando bereits getroffenen Verfügungen, besetzt.
Das II. Anneekoii)s, die Trujxpen der Garnison Wien
unter FML. Graf Auersperg, verbleibt in seiner Stellung
am Wienerberg, hat Wien von der Südseite im Rayon der
Favoriten- und Matzleinsdorferlinie bis Meidling abzusperren
und schließt mit dem rechten Flügel seiner Vorjxosten an
’) K. A., F. A. 1.S48, Cornierung Wiens, X, 100 und Kriegs-
geschichtlichc Elaborate,
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Aafmargch der Östürreichieohon Armee gegen die Revolution JBtS. 30B
jene des I., mit dem linken nächst Schünbninn an jene des
III. -Vrmeekoqis an.
Das III. Armeekorps, die böhmische Armee, unter
dem Befehl des FML. Duca Serbelloni '), cemiert die
Residenz vom Wienfluß mit Einschluß von Schönbrunn auf
der Linie über ßreitensee, Ottakring, der Türkenschanze und
Xiißdorf bis ziu- Donau und bildet sonach den linken Flügel
der Aufstellung.
Die selbständige Brigade GM. von Wyß*; bewirkt
die Absperrung AViens am linken Donauufer durch eine Auf-
stellung bei Floridsdorf, Besetzung der Taborbrücke und
..Schwarzen Lackenau”, beobachtet die Übergänge üljer die
Donau und sichert sieh durch die Kavallerie gegen die
March hin.
Die Re.servedivision, nnd zwar : 4 Bataillone Infan-
terie und 6 sechspfündige Geschütze der Brigade GAL Schütte,
dann die Kavalleriebrigade GM. Bellegarde’), sowie der ganze
beschütz- und Alunitionsreservepark, haben nach bewirktem
Übergang über die Donau bei Kußdorf und Klosterneuburg
in ein Lager zwischen Schönbrunn und Kilaa zn rücken und
das vorliegende Terrain sowie die Gegend südlich des
Krottenbaches zu beobachten und abzusperren.
*) Das Kommando dieses Armeekorps war dein FML. Reuß-
Köstritz, welcher bisher die Ruhe in Mähren so erfolgreich zu er-
halten wußte, zugedacht. Bei dem sich aber noch immer uiiverläßlich
zeigenden Geiste dieser Provinz und bei der Wichtigkeit, welche die-
selbe durch den Aufenthalt des Kaisers in Olmütz erhalten hatte, konnte
Fürst Reuß sein Generalkommando vorläufig nicht verlassen, daher
das Korpskommando dem FML. Duca Serbelloni ad interim über-
tragen wurde.
’) Unter dem unmittelbaren Befehl dieses Generals standen:
1. Bataillon Sohönhals, 3. Bataillon Fürstenwärther. 1. LandwehrbataUlon
Reisinger, 1 zwölfpfündige Fuß- und 1 sechspfündige Kavalleriebatterie,
1 Division Max Auersperg-Kürassiere, eine Division Erzherzog Karl
Lndwig-Chevaulegers und 1 Kompagnie Sappeure, welißi letztere zur
Herstellung von Verschanzungen bei Jedlersdorf oder in der „Schwarzen
Lacke’’ verwendet werden sollte.
*) Dieser General war nach Durchführung seiner Aufgabe, die
linke Flanke der böhmischen Armee im Marchtal zu decken, seit dem
‘10. zurückgekehrt und hatte im Lager von Staramersdorf das Kommando
der dort befindlichen Kavallerie übernommen.
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304
C £ e i k e.
iUs Hauptquartier des Feldmarschalls wiu'de Hetzendorf
oder luzersdorf in Aussicht genommen, als jenes des Hl.
Armeekorps Breiteusee hi-stimmt * j.
Im allgemeinen war durch möglichst nahe Vorschiebung
der Vortrupj)en gegen die Wälle Wiens der Ceniie-
rungski'eis zu verengern, doch galt als Regel, diese außer
dem Bereich des feindlichen Geschützfeuers aufzustellen, um
sie nicht unnötigen Verlusten auszusetzen *),
Xachdem die am Tabor über die Donau führende Straßen-
und Eisenbahnbrücke von den Wiener Aufständischen teil-
weise abgetragen und stark verteidigt war, deren Forcierung
mithin bedeutende Opfer gekostet hätte, wurde die Herstel-
lung eines Überganges aus Kriegsbrückenmaterial anbefohlen
und hiezu jene Stelle der Donau zwischen Nußdorf und
Jedlerseo in Aussicht genommen, wo sich die permanente
Überfuhr befand ■*),
Der Strom hatte hier eine Breite von 313 Metern bei
2'2 Meter Geschwindigkeit; beiderseits führte eine gute Straße
zum Ufer.
Nach den Dispositionen des Obersten Schön war der
Briickenschlag vom linken Ufer dimch die 14, und 16.
Kompagnie, vom rt'chten durch die Aljteilungen aus Kloster-
‘) Die Divisionsstäbe sollten in folgende Orte kommen ; Division
Eamberg nach Nußdorf, Landgraf Fürstenberg nach Ottakring, Fürst
Liechtenstein nach Schönbrutin, Reservedivision nach Hetzendorf.
’) Die passiven Verteidigungsmittel Wiens bestanden aus einer
doppelten Umfassung, nämlich den 4 bis 5 Meter hohen Linienwällen mit
vorgelegten trockenen Gräben, welche die Vorstädte umgaben und den
hohen Festungsmauem mit vorliegendem Glacis, von welchen die Innere
Stadt eingeschlos.sen war. Hohe und solide Barrikaden sperrten die
durch die länieuwällo führenden Tore und ebensolche in den Haupt-
straßen und bei den Einmündungen der Seitengassen sollten den .Inl-
ständischen einen eventuellen Straßenkampf erleichtern. Die am linken
Ufer des Donaukanals gelegene Leopoldstadt war durch die sogenannte
Tabor-Donau, welche ein natürliches Annäherungshindemis bildete,
geschützt.
•) Diese Gefalir dürfte keine besonders große gewesen sein, denn
den Geschützen fehlte zumeist ansgebildete Bedienungsmannschaft, Be-
spannung und später auch Munition.
*) Briuner, Geschichte des k. und k. Pionierregiments, II, 63.
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Anftnarsch der österreichischen Armee gegen die Revolution iSiB.
305
iieuburg unter Kommando des Oberstleutnants von Hohen-
siuiier auszuführen.
Am 21. Oktober wm'deu in Klostcmeubiu'g sechs Kriegs-
briickenequipagen auf Gliedern au.s gekoppelten Pontons ver-
laden, ferner zwei landesübliche Fahrzeuge (Trauner Plätten)
mit eiirfachen Hebgerüsten ausgerüstet, welch letztei'o zum
An,schluß an das hohe verkleidete Ufer bestimmt waren, das
gesamte Material sodann nach dem Brückenschlag])latz geführt
und am linken Ufer gelandet.
Am Morgen des 22. Oktober, welcher Tag ursprünglich
für den Brückenschlag festgesetzt war, heiTschte jedoch bis
in die Nacht hinein ein äußerst heftiger, sturmartiger unterer
Wind, weshalb der Befehl erfolgte, die Arbeiten noch einen
Tag aufzuschieben, weil die Gefahr bestand, eventuell das
unersetzbare Brückeumaterial einzubüßeu.
Den 23. Oktober 9 Uhr vormittags wurde mit dem
Brückenschlag von beiden Ufeni aus gegen die Mitte begonnen.
Zum Einbau gelangten vom linken Ufer drei Böcke,
42 dreiteilige Pontons, sodann die beiden Traimer Plätten an
ilas rechte Ufer schUeßend.
In jedem Brückenfeld waren sechs Balken eingelegt. Die
Verwendung von durchgeheuds dreiteiligen Pontons und die
Verstärkung der Decke dtuch Einlage eines sechsten Balkens
war aus dem Grunde notwendig, iveil nebst einer großen
Anzahl schwer beladener Proviant- und Bagagewagen auch
Positionsgeschütze mit iliren schweren i\lunitionskan-en die
Brücke zu passieren hatten.
In der Brücke war anfänglich kein Durchlaß eingebaut
worden; ein solcher von sechs Feldern Breite wurde erst am
24. Oktober für die Durchfahrt von Dampfern hergestellt.
Nach 3 V» stündiger Arbeit war die Brücke geschlossen,
worauf der Übergang sofort begami imd bis in die Nacht
ununterbrochen fortgesetzt wiude.
Der Feldmarschall hatte an die noch im Lager bei
Stammersdorf befindlichen Truppen, und zwar das Grenadier-
bataillon Chmielnicki *), das 1. und 2. Bataillon Khevenhüller,
') Dieses Grenadierbataillon bestand aus den Greiiadierdivisionen
der Infanterieregimenter Nr. 11, 25 und 51.
Uittailongen des k. und k. Kriegssrobirs. Dritte Folge. IV. Bd. 2U
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306
G B e i k e.
eine Kompagnie Sappeure, dann 5 Batterien, endlich die
Kürassierregimonter Max Auersperg i2 Di\nsionen) und Karl
Auers])erg (seit 1 . Oktober 1867 DragoneiTegiment Xr. 8 1 und
Civalart - Ulanen , seine Disposition für den Übergang vor
Beginn des Brückenschlages in allgemeinen Zügen schriftlich
erteilt; derselbe sollte unter Kommando des GM. Grafen
Bellegarde in folgender Ordnung bewerkstelligt werden ’i:
Als Avantgarde ein Tnfanteriebataillon, die Sappem-
kompagnie und eine Fiitlbattene mit der Aufgabe, am rechten
Donauufer Stellung zu nehmen und dort so lange zu verbleiben,
bis der Übergang vollständig durchgeflihrt war. Dieser .\vant-
gnrde sollten der Best der Infanterie, die Batterien, die
Mimitionskarren und der Bagagetrain, daun die gesamte
Kavallerie und endlich die Arrieregarde, aus einer Abteilung
Kavallerie und InfaTiterie bestehend, folgen.
Die Sicherung der Pontonbrücke hatte während des
Überganges und nach demselben am linken Ufer GM. Wyß.
am rechten FML. Bamberg zu übernehmen.
Zur Fortsetzung des Marsches nach vollzogenem üfer-
wechsel wurde angeordnet, daß nur die Infanterie allein über
Xnüdorf, Grinzing, Unter- und Ober - Döbling. Weiuhaus.
Ottakring. Breitensee, Penzing, Grünberg, Altmaunsdorf nach
Inzersdorf, sämtliche Kavallerie, die Artillerie und die Bagagen
aber in einer Kolonne auf der Straße über Klosteraeuburg.
Gnüfeustein, St. Andrä, König^stetten, Eied, Purkersdorf und
bei Mariabrunn die Wien übersetzend, über St. Veit und
Schöidu'unn nach \’ö.sendori' marschieren sollten.
Xachdem der Marsch dieser letzteren Kolonne bei sieben
Meilen lang war und der Übergang über die Donau sich
voraussichtlich bis spät abends verzögern konnte, so sollte
dieselbe nach Umständen entweder hinter Klostenieubiu'g
oder auf dem Tullnerfeld lagern und erst am 24. Oktober in
die angewiesenen Stationen einrücken *(.
Der Feldmarschall übersetzte mit seinem Hauptquartier
am 23. Oktober voimiittags auf zwei aus Linz von dem
’) K. A., I’. A. 1.H48, Cernierung Wiens, X, 237.
’) Alle übrigen, im Lnger bei Stainmersdorf befindlichen und in
dieser Disposition nicht angeführten 'fruppen wurden auf Plätten und
Dainpfbooten über.schißt.
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Aufmarsch der österreicbisohen Armee gegen die Bevolution 1848. 807
ilortigen Militärkomraandautpn Grafen Wrbna herabgesendeten
Dampfschiffen die Donau und triif am selben Tage nach-
mittags unter Bedookting des Grenadierbataillons Kocy in
Hehiendorf ein, wo er von den beiden Korjtskommandanten
Fifl,. Auersperg und .Jellaßic empfangen wurde.
Ungefähr 70.000 Mann, 69 Bataillone, 67 Eskadronen
und über 200 Geschütze ‘j hatte der Feldmarschall tinter den
llauem Wiens versammelt, um die aufrührerische Residenz,
wenn notwendig, selbst durch Erstürmung niederzuwerfen.
In der Hand des Feldherm und seiner kampfbegierigen
Truppen lag das Schicksal Wiens, die Zukunft Österreichs.
Die Ausfälle der Wiener Aufständisc'hen am 23. Oktober
hatten gezeigt, daß auf eine unblutige Lösung der Wirren
nicht mehr zu hoften war ; das oöenkimdige Einveniehmen der-
selben mit den Ungani, deren Angriff bei ihrer Stärke von
über 30.000 Mann, mit zalilreicher Kavallerie und 60 Ge-
schützen, von emstlichster Bedeutung werden konnte und
jeden Tag zu erwarten stand, ferner die Erwäg^ing, daß ein
längeres Zögeni die eigene Armee in eine gefährliche Lage
bringen mußte , forderte zum raschen und entschlossenen
Handeln auf.
Nachdem noch eine zweimal verlängerte Frist zur Unter-
werfung resultatlos abgelaufen war, wtirtle am ‘27. die Dispo-
sition zum allgemeinen Angriff auf Wien gegeben, liieser
am 28. über Befehl dos Fehlmarschalls durchgeführt und die
Residenz nach hartnäckigem Kampf am 31. Oktober von
den kaiserlichen Trui)pen erstürmt.
Ein Ruhmesblatt mehr, eines der schönsten in der Ge-
schichte der österreichischen Armee, an deren traditionell
altösterreichischem Geiste felsenfester Treue die Stürme der
Revolution sich brachen, unter der Führung ihres mit den
besten Tugenden des Menschen und Soldaten ausgestatteten
Feldherm, des FM. Alfred Fürsten zu Windisch-G rätz.
*) Nachdem die Ordre de bataille der kaiserlichen Armee, je nach
den zu verschiedenen Zeiten ans den Provinzen eintrefFenden Truppen,
fortwährenden Veränderungen unterworfen war, so wird statt derselben
im Anhang XI ein entsprechendes Tableau der organischen Gliederung
der Armee am Tage des allgemeinen Angriffes auf Wien gegeben.
‘20*
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Anliang.
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I.
Die Unterzeichneten, ermächtigt vom Banns Kroatiens, FML.
Baron Jelladid und dem Herrn FML. von Moga, haben unter nach-
stehenden Bedingungen einen WafTenstillstand abgeschlossen:
A. Der 'Waffenstillstand kann von der Stunde der ßatiflkation
nur durch dreimal vierundzwanzig Stunden dauern.
B. Die Demarkationslinie der königlich ungarischen Truppen ist
Czakvar, Sukuro, Dynies, Sengj'cles und Solgo Egy Haza, jene der k. k.
kroatischen Truppen Czäkboreny, Zamoly, Puszta-Skala, Päkozd und
Sarkerestur.
C. Über die.se Demarkationslinie hinaus darf während der Waffen-
ruhe keine Operation vorgenommen und müssen die bereits zu nahe
vorgeschobenen Truppen außer Kanoncnschußberoich zurückgezogen
werden.
li. Sollte während dieser Waffenruhe eine Pazitikation von
höheren Orten eingeleitet sein, so kann dieselbe nach Umständeu ver-
längert werden.
£. Boi Verpflegung der Truppen ist möglichst jede Gewalttätig-
keit hintanzuhalten.
Im Hauptquartier Sr. Exzellenz des Banus. Pakozd, den
30. September 1848, nachmittags (5 Uhr.
Der Chef dos Oeneralstabes der
k. k. kroatisoli'slavonischon Armee;
Kiss Oberst. Zeisberg Generalmajor.
Anton Graf Szapäry.
Milpökh Oberst.
*) K. A., F. A. 1SU8. Korps Jclladie, IX, 151. (Original.)
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312
C z e i k e
II.
Marschordnniig am 12. Oktober 1848 ').
I. Kolonne.
FML. Jiepliyris; Haiiptmaun Unschuld.
1 Flügel Chevaulegers Avant-
garde
1 Pionierkompagnie
2 Bataillone Nassau (zwischen bei-
den das Bcgimentsstockhaus)
1 Fulibatterie
1 Raketeiibatterie
1 Bataillon Paumg.artten
Hauptquartier
Bagagewngen der Pioniere
Bagagewagen von Nassau
Paumgartten
„ „ Bianchi
Mobile Backöfen
Fuhrrvesenswagen
Handpferde
Pionierkompaguie mit dem Stock-
haus
1 Bataillon Bianchi
1 Kompagnie Jäger Arrierogarde.
II. Kolonne.
FML. Csorich; Hauptmann Kalik.
1 Flügel Chevaulegers Avant-
garde
1 Pionierkompagnie
(irenadierhataillon Schwarzl
2 Batterien (2 Geschütze im Bel-
vedere^
Bataillon Strastil
Bataillon Gaus
2 Kompagnien Stephan Arriere-
garde.
III. Kolonne.
Oberleutnant Ourmann.
10 bespannte Geschütze | Die Artilleriemannschaft.
*) K. A.. F. A. IStS. Crrnierimg Wiens, X,
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Aufmarsch der österreichischen Armee geilen die Revolution IB48. 313
III.
Ordre de bataille und Dislokation ').
FML. Csorlch in Erlaa.
üeneralstabshauptmann Kalik.
Oberst Klebe in
Erlaa ;
Ingenieurhptm.
Hof mann.
Oberst
J abloiiowski;
Generalstabshptm.
Laokenbacher.
6 Eskadronen AVrbna-Chovaulegers
Detachement 1'?. Jägerbataillon .
Raketenbatterie
Nassau 1. Bataillon
„ Landwehrbataillon .
Bianchi Landwehrbatailloii
sechspfündige Fußbatterie .
in Erlaa und
Neu-Erlaa
in Altmanns-
dorf und
Steinhof
FML. Zaphyris In Neustift
Generalstabshauptmann Unschuld.
f Wilhelm Landwohrbataillon . .
Stephan „ „ . .
Paumgartten „ „ . .
Khevenhüller ,, .
sechspfündige Fußbatterie . , .
Grenadierbataillon Strastil . . ,
„ „ Schwaiül . .
„ „ Richter , . .
„ Gaus ....
zwälfptündige Batterie
Reserve.
3 Pionierkorapagnien in Inzersdorf.
Jungbauer, Major,
Oeaernluaartiermeisterstab.
Von diesen Truppen wurden detachiert •) :
Das Bataillon Khevenhüller und das Grenadierbataillon Schwarzl
in das Neugebäude.
Das Bataillon Erzherzog Wilhelm nach Eber.sdorf und Laboratorien.
Das Landwehrbataillon Nassau in die Türkenschanze.
Da.s Grenadierbataillon Strastil und das Landwehrbataillon Paum-
gartten nach Wiener-Neustadt.
in Vösendorf
in Neustift
und Sieben-
h irten.
GM. Sanchez
in Vösendorf;
Ingenieurhptm.
Pidoll.
GM. Frank in
Siebenhirten ;
Ingenieurhptm.
Wolter.
K. A.t A. 1&18, Korps Jollaciö, X, rö <15. (Original).
*) Ebendn. Cernierung Wiens, XIII. X, 6.
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314
C s 6 i k ft.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Uevolution 315
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') Diese aus mohrorcu Standcsaiisweisen (K. A., F. A. IBIM. Korps Jellaciä, X. bT>b— m.) r.usammengestellte Ordre de bataillo
kann auf Vollkommenheit keinen Anspruch erheben und soll uur eine Übersicht bieten.
316
C z e i k e.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Revolution 1848 3 1 7
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318
C z e i k «.
V.
Aufstelinngen der Korps am 15. nnd 17. Oktober.
Korps Jallaöiö am 15. Oktober'):
Division Hartlieb im Lager bei Biederraannsdorf.
Division Kempen ließ 2 Bataillone, 1 Division Kreß-Chevau-
legers und eine seebspfUndige Batterie unter GM. Neustädter bei
Simmering in der alten Stellung zur Sicherung des Hackens gegen
Wien und Behauptung des Neugebäude.s gegen eventuelle .Ausfälle der
Wiener Insurgenten. Zu demselben Zwecke besetzte 1 Bataillon den
Laaerberg, 1 Bataillon mit einer sechspfündigeii Fußbatterie hatte
Schwechat zu halten und zur Verteidigung einzurichten, 2 Bataillone
besetzten Eannersdorf, der Rest mit dem Divisionsstab kam nach
Schwechat.
Division Sclimiedl lagerte mit einer Brigade bei Laa, mit
der anderen bei Hennersdorf. Divisionsstab in Laa.
Artilleriereserve kam nach Schwechat.
Kavall eriedi Vision Ottinger; Brigade Baltheser rückte in
die Linie der Schwechat, Brigade Lederer in jene der Fisoha.
Korpshauptquartier blieb in Rothneusiedel.
Korps Jellacic am 17. Oktober:
Division Hartlieb bezog mit einer Brigade ein Lager bei
Rauchenw.artb, mit der zweiten und dem Divisionsstab Himberg. Durch
ein Detachement in Achau wurde die Verbindung mit dom Korps
Auersperg hergestellt.
Division Kempen bliob in der alten Aufstellung.
Division iSchmiedl bezog mit beiden Brigaden ein Lager bei
Zwölfaxing.
Das Division.skommando übernahm in Erkrankung Schmicdls
GM. Kriegern.
Artillerieresorve und die Kavalleriedivision Ottinger
blieben in ihrer alten Aufstellung.
Korpshauptquartier kam nach Zwölfaxing.
■) K. A.. i’. A. Korp» .JtllaüiC. XIII. 2; X, 6B.
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AufmRrsi'h der österreichischen Armee gegen die Revolution 1&18. 319
Korps Auersperg am 16. Oktober'):
Brigade Jabloiiowski in Altmannsdorf und Hetzendort.
Brigade Klehe in Inzersdorf.
Brigade Sanoliez in Erlna.
Brigade Frank in Inzersdorf.
Korpshauptquartier in luzer-sdorf.
Korps Auersperg am 17. Oktober:
Brigade Jablonowski in Altmannsdorf, Steinhof und
Hetzendorf.
Brigade Klehe in Rothneusiedl.
Brigade Sanchez in den Ziegelöfeu südlich des Wienerberges.
Brigade Frank in Inzersdorf.
Die Vorpostenlinie der Brigade Jablonowski erstreckte sich
nach dem Abmarsch der Division Hartlieb von den Häusern am
Eichtplatz nächst der Matzleinsdorferlinie, längs den Höhen des Wiener-
berges und der Umfassung des Schönbrunner Parkes über die Höhen
bei Hetzendorf bis gegen Frlaa.
Die Vorposten von Erlaa bis auf die Höhen bei Hotzeudorf
trurdeu von zwei Kompagnien, jene von dort bis zum rechten Flügel
nächst der Matzleinsdorferlinie von einem Bataillon bestritten, wovon
eine Division mit zwei Geschützen und einer Kavallerieabteilung die
Hauptreserve bildete.
Anschließend an den rechten Flügel der Vorpostenlinie der
Brigade Jablonowski übernahm die Brigade Sanchcz die Vor-
postenaufsteMung vom Richtplatz bis zur Chaussee nach Rothneusiedl,
wo sie mit den am Uaaerberg stehenden Truppen der Division
Kempen des Banus in Verbindung stand.
Zur Bestreitung dieser Vorposten wurden für das Wirtshaus
„Stoß im Himmel” eine Division und für jenes „Zum Landgut” zwei
Divisionen bestimmt.
Die Brigade Frank gab als Reserve eine Division in die
Ziegelöfen an der Chaussee nördlich Rothneusiedl und hatte zur
•Sicherung gegen Süden einige Posten in der Linie Keu-Er aa— Roth-
neusiedl aufzustellen’).
Das Korpshauptquartier blieb in Inzersdorf
•) K. A., F. A. 18*8, Ceraienanpf Wiens. XIII, JJ3, o6 und X. 7, 9.
Ebenda, X. «56. 70.
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320
C E e i k e.
VI.
Dhlokatioussnsweis ').
Brigade Lederer.
1 Division Wiener Freiwillige im Lager von Schwechat
1 Bataillon Otoöaner Grenzer im Orte Schwechat
Regiment Kreß-Chevaulegers in Kaiser-Ebersdorf
Regiment Erzherzog Franz Josef-Dragoner >
Banderialhusaren j im Orte Schwechat
Vj sechspfiindige Fußbatterie I
'/» sechspfOndige Fußbatterie in Kaiser-Ebersdorf (Albern)
Kavalleriebatterie im Lager von Schwechat.
Brigade Sedlmayer.
Regiment Hardegg-Kürassiere in Unter-, Mittel- und Maria-Lanzendorf
Regiment Sachsen-Kürassiere in Klederling und Ranuersdorf
Regiment Watlmoden-K0ra.s8iere in Leopoldsdorf und Hennersdorf
Raketenbattcrie Nr. 1 bei Unter-Lanzendorf.
Schwechat, am 11, Oktober 1848,
Bai t he s er, Generalmajor.
*) K. A., F. A. 18AS, Kori>s Jella^ic. X, ad St. (Original.)
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Aafmanob der öiterreiohiscben Armee gegen die Revolntion 1848. 321
VII.
Dislokation der KaTallerietrappendivision GH. Ottinger
am 15. Oktober ').
‘2 Kompagnien Frei-
willige Jäger
1 Kompagnie Otoüaner
4 Bataillone
1 Division Franz Josef- Dragoner
in Ebergassing
2 Divisionen Franz Josef-
Dragoner
1 Division Kreß-Chevau-
legers
1 Kavalleriebatterie
1 Kompagnie Otoäaner im Lager
bei Arbesthal
1 Division Kreß-Chevaulegers in
Fischamend
GM. Lederer in Schwadorf.
im Lager
bei Eber-
gassing
2 DivisionenWallmoden-Kürassiere
in Rannersdorf und Klederling
1 Raketenbatterie in Rannersdorf
4 Kompagnien Otodaner
1 Division Sachsen-
Kflrassiere
1 Division Banderial-
husaren
2 sechspftlndige Fuß-
batterien
1 Division Hardegg - Kürassiere in
Mannswörth und Albern
1 Division Hardegg -Kürassiere in
Kaiser-Ebersdorf
OM. Baltheser in Schwechat.
Schwadorf, am 15. Oktober 1848.
Ottinger, Generalmajor.
K. A., F. A. 1848. Korps Jella£iä. X. ad 97. (Original.)
UittsUnngen de» ä. und k. Kriegsarchiva. Dritte Folge. IV. Bd. ‘dl
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322
C s e i k e.
VIII.
Ordre de bataille des aus Böhmen abrückenden Armeekorps').
Division
Brigade
Truppenkörper
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1
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1
1
GM. von Schütte
Hauptm. Dobner
des Geueral-
quartierraeister-
stabes ■ 1
Grenadierbat. Rattay ,
Chnüeluicki
„ Kocy . . .
1. u. 2.Bat.KliovenhüUer
Kavalleriebatterie Kr. .S
1
1
1
2
1
1
1
1
1
1
1
1
1
l
2
6
4
(1
GM. Fürst
Colloredo
Oberleutnant
S c li in i d t des ,
G.-Qu.-St.
ö. Jägeriiataillon . . .
H. Bataillon Pau mgartten
2. „ Latour . . .
I. Landwbat. Beisinger
Sechspfünd. Fußbatterie
Kr. 4
GM. Fürst
Hohenlohe
(in dessen Erkran-
kung übernahm
FML. von R amberg
aus eigenem Antrieb
dus Kommando
dieser Brigade)
2. JägerbntaiUon . . .
3. Bataillon Wochcr. .
1 . Landwehrbat. W ocher
1. „ Pauingartten
Sechspftnd. Faßbatterie
Kr. 1
GM. von WylJ
(erhielt eine andere
Bestimmung)
Oberleutn. Adam
des G.-Qu.-St.
Kaiser-Kürassiere . .
Karl Auersperg-Küras.s.
Ficquelmont-Dragoner .
Civalart-Vlanon ....
Kavalleriebatterie Kr. 2
Korpsgeschütz-
reser ve.
GM.
von Dietrich
Sechspfündige Fußbat-
terien Nr. 2, 5, ß . .
—
—
18
1
ZwölfpfOudige Fußbat-
i
terien Nr. 1. 2 ...
—
—
12 1
(
1 Kxtrakorps.
1 Pioniere mit 4 volUtänd.
j
1 BrUckenequipagen . .
1 '/»
—
— ■
1
j Summe . .
13V.
18
54
*) Entiiommon einem Elaborat »les GeneraltnippemnsnektorB Ludwig Pnn*
r.u Windisch-Grätz. Xaoh don Akten beträgt der Stand dieses Armeekorrs
12*/« Batailloue. 1» Kskadronun und 42 Gesebütze und sind m denselben das Lana-
Wehrbataillon Paumgartten sowie zwei sechsptundigo iulJbattenen der Ao^«-
gesohützresorve nicht autgenommon. iK. A., F. A. lölö. Cermorung W iens, a, —
und XIII, b,bO.) Nachdem ersteres schon am 0. Oktober in ^
im Belvcdert'garten eiurUckte und mit der Brigade Hohenlohe tatsächlich
abmarsohiert ist. so ist dasselbe zwoilellos bereits Irülier nach Wien instra-
wordoD, um, wie Heilert. I, Hl, angibt, die dortige Garnison zu Torstarken.
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Aafmarscb der »storreiobiseben Armee gegen die Rovolntion IHtö. 323
IX.
Armeebefehl *).
Die Allerhöchste Bestimmung Seiner Majestät des Kaisers hat mich
in einem entscheidenden Aioraent an die Spitze eines Teiles der k. k.
Armee gestellt.
Um so wichtiger und ehrenvoller ist die Aufgabe der bei Wien
in drei Korps vereinigten Truppen, Ober welche ich das Oberkommando
mit dem festen Vertrauen übernommen habe, dal! ich in dem sich stets
bewährten vortrefflichen Geist, in der unerschütterlichen Treue und
Hingebung der letzteren österreichischen Armee und ihrer Führer für
die mir von Seiner Majestät anvertraute Unternehmung die erwartete
Unterstützung finden werde.
Dali einige wenige irregeleitet, in den verhängnisvollen Wiener
Ereignissen ihre Haltung verlieren konnten, erfüllt mich mit ebenso
tiefem Schmerz, als daß ich Seine Exzellenz den Kommandierenden in
Siederösterroich hiemit beauftragen muß, diesen entsetzlichen Vorfall
mit Hinblick auf obige Andeutung untersuchen zu lassen und mir das
Resultat zur Entscheidung vorzulegen.
Nachdem nicht nur tapferes und entschlossenes Benehmen,
sondern auch Disziplin, Mannszucht und Ehrenhaftigkeit in der aus-
gedehntesten Bedeutung des Wortes den Maßstab zur Beurteilung einer
Trappe liefern, so fordere ich sämtliche Herren Truppenkommandanten
auf, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln Eingrift'en in fremdes
Eigentum und Erpressungen jeder Art kräftigst vorzubeugen, deren
Ahndnug an den Betreffenden und Verantwortung derSchnldtrngenden,
eine um so strengere sein müßte, als einesteils keine Epoche mehr als
'Re gegenwärtige eine achtunggebietende Haltung des Militär.« gegen-
über dem Zivile erheischt und anderenteils ich die Vorsorge für die
Bedürfnisse des Soldaten für eine meiner ersten Pfiichteii halte.
Lundenburg, den 20. Oktober 1848.
AV indisch-Graetz, Feldmarschall.
') K. A., F. A. 18AS, Ceruiemng Wiens, XIII, öö.
21*
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324
C I e i k 6.
X.
An die Bewohner Wiens’).
Von Seiner Majestät dom Kaiser beauftragt und mit allen Voll-
machten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetz-
losen Zustand ohne Zeitverlust ein Ziel zu setzen, rechne ich auf deu
aufrichtigen und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner.
Bewohner Wiens! Euere Stadt ist befleckt worden durch Greueltaten,
welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie
ist noch in diesem Augenblick in der Gewalt einer kleinen, aber ver-
wegenen, vor keiner Schandtat zurückscbaudernden Faktion. Euer
Leben, euer Eigentum ist preisgegeben der Willkür einer Handvoll
Verbrecher. Ermannt euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Ver-
nunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden, euch aus
ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.
Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vor-
städte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämtliche
Zivilbehörden unter die Militärautorität gestellt und gegen die Über-
treter meiner V^erfügnngen das Standrecht verkündigt.
Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der
Person und des Eigentums zu schirmen wird meine vorzüglichste Sorge
sein. Dagegen aber werden die Widerspen.stigen der ganzen Strenge
der Militärgesetze verfallen.
Lundenbnrg, den 20. Oktober 18+8.
Fürst zu Windisch-Graetz, Feldutarschall.
') K. A., HantlschriflHohe Elal’Orate.
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Aufmarsch der österreichischen Armee gegen die Revolution 1S4Ö. 825
XI.
Ordre de bataille').
Hauptquartier su Hetaendorf am 28. Oktober 1846 des Morgena.
.\rmeeoberkommandant: Se. Durchlaucht FM. Fürst zu 'Windisoh-
Grätz. — Oeneralquartiermeister: GM. Graf Nobili. — Souschef:
Oberstleutnant von Lang. — 1. Generaladjntant: GM. Ritter von
Mertens. — 2. Generaladjutant: Oberst Ritter von Schobeln. —
Feldartilleriedirektor: GM. von Dietrich. — Feldgeniedirektor: Oberst
von Trattnern. — Flügeladjutanten: Oberstleutnant Baron Langenau;
Major von Mertens; Major Alfred Fürst 'Windisch-Grätz. — Für
die politische Korrespondenz: Legationsrat Baron Kübeck.
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1. Bat. Otoöaner Grenzer .
3. „ Warasd. St. Georger
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Komponiertes Bataillon
Oguliner Szluiner . . .
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q K. A., Kriegageaohichtliche Elaborate.
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326
C z e i k e
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1
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1 Brigade
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Truppen
Übertrag . . |
I 3. Bat. ■\VaraB<l. Creuzer '
GAl. I 4. »j it
Dietrich I 4. „ „ St-Georger:
Sec'hspf. FuUbatterie Nr. 2
3. Bat. Liccaner Grenzer
2.
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Oberst
Hasztich |
4. „ desl.Banalregimonts 1
4. „ „ 2. „ 1
•2. ,, Cecoopieri
Kreli-Chevaulegers ....
Sechspf. Fußbatterie Kr. ü
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2. Bat. Broder Grenzer . .
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2. ,, 'Walachei)
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4. „ Szluiner
Oberst
1. „ Ceccopieri
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2. „ Gradiskaner ....
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G r a m ni 0 n t
Sere^aner
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I Sechspf. Fndbatterie Nr
\Vallmoden-Kürassiere . .
GM. Baron
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O
Baltheser
i Kaketenbatterie Nr. 1 . .
4. Bat, Otocaner ....
Wiener Freiwillige ....
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GM. Karl
7. Jägerbataillon
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Erzli. Franz Josef-Drag. .
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Lederer
1 Kreß-Clievanlegers ....
1
1 Sechspf. FuUbatterie Nr. 4
1
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' Kavalleriebatterie ....
Fiirtrag
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Aufmarsch der österreichiscbon Armee ?egea die Revolution ld46. 327
ArinfHe-
korps
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Seebspf. FußbatUirie Nr. 8
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Korpsgeschütz-
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Kreß'Chevaulegers zurBn»
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Für den 28. dem I. Korps
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zugeteilt;
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Kxtrakorps
Zur Bedeckung des Haupt-
quartierst König von
Sachsen-Kürassiere . . .
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Zur Verfügung des Banus:
1 Biuiderialhusaren ....
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' und einige Abteilungen
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1 Wroatischo Freiwillige,
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Starke dos I. Armeekorps
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Geaohüt26
KorpsqOArtior: laMrsdorf am Wienerberg.
Kommandant; FML. Graf Anereperg.
Chef des Oeneralstabes: Major J nn g bau e r. — Artilleriedirektort GM. Hanslah.
328
C X e i k e.
Armee*
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GM. von
Sanchez
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2. Bat. Erzh. Wilhelm . .
1. Londwbat. Paumgartten
(in Wr. -Neustadt) . . .
1. Landwbat. Khevenhüller
2. Bat. Erzb. Stephan (im
Neugebände)
1. Landwbat. Erzh. Stephan
Sechspf. Fuübatterio Nr. 2
5 “
1 «3
GM.
Frank
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Oberst Fürst
O
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Jablo-
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CQ
Oberst
Pn
Klebe
Grenadierhat. Schwarzl . .
„ Gaud . . .
„ Strastil . . .
„ Richter . .
Sechspf. Fußbatterie Nr. 3
1., 2. u. 1. Landwehrbat.
jj Herzog von Nassau . .
1. Landwehrbat. Kaiser . .
1. „ Bianchi .
Sechspf. Fußbatterie Nr. 1
Raketenbatterie Nr. 1 . .
Kaiser-Kürassiere . . . .
Graf Wrbna-Chevaulegers
Kavalleriebatterie . . . .
Zwölfpf. Fußbatterie Nr. 1
Korpsgeschütz- ,, „ „ 2
reserve ! Raketenbatterien Nr. 16, 16,
17, 18
Extrakorps : Pioniere
3
1
>/>
- ! 24
Stärke des II. Armeekorps
14 Vo
10
63
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ilronon
Aufmanoh der östorreicbisehon Armee gegen die Revolution 1848. 329
Brigade i
Truppen
. o I cd e .
' 5 p j< a
■ 'S o « o
1. n. 2. Bat. Khevenhüller 2
GM. 3. Bat. Erzh. Karl .... l
Chizzola 3. „ „ Ludwig ... 1
1. „ „ Stephan . . 1
2 sechspf. FuÜbatterien . .
3. Bat. Faumgartten „ 1
1. „ Herzog von g
GM. Fürst Parma ■ . . ■S'f S 1
Colloredo 2. „ Latour ... ä§^ 1
Sechspf. Fußbatterie “ j
Nr. 4 / a —
Oberst Karl I Jägorbalaillon | 1 _ j _
tf Baron Landwehrbat. Wocher .
^ Simbschon Fioquelmont-Dragoner . .
g Sechspf. Fußbatterie . . .
ej —
^ 12. Jägerbataillon ....
o 3. Bat. Kaiser
GM. von 1 3. „ Roisinger
^ Parrot 3 . „ Woeber
tu Heß-Infanterie
l'/i sechspf. Fnßbatterien .
Extrakorps j Pioniere
Stärke des HI. Armeekorps |ll5'/« 4 :13
Selbständige Brigade
des GM. von Wyß
1. Landwehrbat, Reisinger
1. Bat. Schönhals ....
3. „ Fürstenwärther . .
Sappeure
Majorsdivision von Max I
Auersperg-Kürassieren .
Oberstleutnantsdivision !
von Erzh. Karl Ludwig- j
Chevaulegers
KavaUeriebatterio ....
Zwölfpf. Batterie ....
Summe .
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|| Gesohütxe
330
C 2 e i k 0.
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Truppen
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3 1
Brigade des GM. von
Schütte.
5. Jägerbataillon
V,
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Grenadierbat. Kocy
l
— :
„ Jlattay ....
1
—
„ Chmielnicki . .
1
—
— 1
Seohspfünd. FuÜbatterie Nr. 3
—
6
Kavallerie re serve.
GM. Fürst Franz Liechten-
stein
1 Armee-
Brigade des GM. Graf Belle-
Hauptreserve
garde
Max Auersperg. Kürassiere .
—
4
—
Karl ,
—
e
—
Civalart-Llanen (hievon 1 Esk.
auf Hauptquartiersbedeckg.)
—
6
—
Kavalleriebatterie
! —
—
6
GeschOtzhauptrcserve.
!
6 ^
Sechspfünd. Fullbatterie . . .
j —
—
2 zwölfpfünd. Fuübattericn .
—
—
12
Extrakorps.
1
Pioniere
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Sappeure
V.
—
-
Stärke der Armeebauptreserve
16
30
Rekapitulation.
I. Armeekorps
22*/«
33
1
81
11.
14’/.
10
63
III,
15'/.
4
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Selbständige Brigade Wrß ...
3’/.
4
12'
, Armeehaaptreservo
4*/e
16
30,
fcumjno . .
5!»*...
67
219
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Ein Seekrieg in Schwaben').
Oe$ehichtc der österreichischen Flottille auf dem Bodensee
in den Jahren 1799 und 1800.
Von
Oberleutnant Bartscli.
') Der Titel ist einem zeitgenössischen Werk entnommen: Pahl,
Denkwürdigkeiten zur Geschichte von Schwaben. XördUngen ISO’i.
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Benützte Quellen.
Akten. Kriegsarohiv, Feldakten, Deutschland und Schweiz, 1799
und 1800. — Feldakten, Tirol 1799 und 1800. — Hofkriegsratsakten,
1799 tind 1800. — Protokolle der hofkriegsrätlichen Registratur 1799
und 1800.
Bücher. Pahl, Denkwürdigkeiten zur Geschichte von Schwaben,
1799 und 1800. Nördlingeu 1802. — Wurzbach, Biographisches Lexikon,
Bd. 56, Wien 1888. — Angeli, Erzherzog Karl, Bd. II. — Kleiner,
Die Kriegsflotte auf dem Bodensee 1799 und 1800 aus „Katholischer
Volkskalender für das Land Vorarlberg”, X. Jahrg. Feldkirch 1900.
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1. Vorgeschichte.
Das Jahr 1799 hatte OsteiTeich einen Krieg gebracht,
welcher in zwei ungelieinren Fronten von Holland rhein-
ahwärts durch die Schweiz und Oberitalien bis in die Eomagna
uusgel'ochten wurde.
Die beiderseitigen Streitkräfte ( verbündete Österreicher
und Russen und die Franzosen) l>egegneten sich zu den
Hauptaktionen des Feldzuges am Mittelrhein, in Schwaben,
VorarlVierg und in den Nordkautonen der Schweiz.
Zwischen diesen Schauplätzen aber lag als gewaltige,
über sechzig Kilometer lange Barriere der Bf)densee.
Zu Beginn des Jahres 1799 war das westliche Ufer jenes
Sees von der Rheinmünduug an dcu Grenze Vorarlbergs bis
zum Rheinausfluü bei Stein in den Händen der Franzosen,
uml es war der Initiative eines kühnen Feindes anheim-
gestellt, den See nicht als Bollwerk, sondern als breite Lücke
in der Front des jenseits stehenden Gegners zu betrachten
imd danach zu handeln. Denn die Ufer des Sees blieben
während des ganzen Feldzuges von regulären Tru])pen nur
sehr schwach besetzt.
Das Deutsche Reich und OsteiTeich mußten sich des
Sees und der Schiffalirt darauf bemächtigen, bevor Frankreich
es tat. Auch der lebhafte Handel über Wasser, besonders die
(Jetreide- und Salzausfuhr, soUte geschützt werden ; diese
Gesichtspunkte ergaben die Notwendigkeit einer Flotte auf
dem Bodensee, welche mindestens zum Dienste der Sicher-
heit, zur Küstenverteidigung und zum Schutz fiu‘ den deutschen
Handel geeignet war.
Erzherzog Karl war es, welcher die Schöpfung einer
solchen Flotte auregte ; das Deutsche Reich und die vorarl-
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B a r t a c h.
bergischen Laiidstände gaben die Geldmittel dazu, und scheu
im April des Jahres 1799 konnte eine österreichische Flottille
in See stechen, welche von der obersten Heeresleitimg die
Weisung erhalten hatte, sich streng defensiv zu verhalten,
nur Patrouillenfahrten zu machen, die eigene Schiffahrt zu
schützen und dem Schleichhandel mit Kriegskonterbande das
Handwerk zu legen.
2. Offiziere^ Mannschaft nnd Material.
Jedoch : Das junge Geschöpf wollte nicht ganz und gar
gehorchen.
Gar oft mußten Ermahnungen und Rügen die Unter-
nehmungslust des Führers der Flottille und seiner Unter-
gebenen zügeln — wiewohl ihr Temperament sich schwer
genug dem Gebot einer höheren Einsicht fügen wollte. Eben
darum jedoch, weil es nicht immer gelang, rasche, oft un-
bedachte Taten des jungen Seewesens zu verhindern, bildete
sich eine kleine Geschichte dieser Flottille und diese Geschichte
ist nicht so uninteressant, wie sie es hStte werden müssen, wenn
ein fügsamerer Untergebener Kommandant auf dem Bodensee
gewesen wäre, als Oberstleutnant Williams es war.
Dieser Mann bildete so sehr die Seele des Unter-
nehmens und drückte demselben ein so eigenartiges Gepräge
auf, daß sein Charakter vor der AufzShlimg von Mitteln und .
Material besprochen werden muß, um den Geist kennen zu
lernen, welcher in jene Schöpfung einkehren sollte*).
James Emst Freiherr von Williams*) war Engländer
von Geburt und hatte sich in Ostende Josef II. zu einer
Zeit vorgestellt, als der Kaiser für seine Kolonialpolitik Marine-
offiziere zu benötigen glaubte. Als aber jene Pläne des rastlos
schaffenden Monarchen drrrch andere verdrängt worden waren,
als der Türkenkrieg alle Kräfte des Staates beanspruchte und
aufzehrto, da schrumpften die Anfänge einer österreichischen
Seemacht schnell zusammen, und das Jahr 1788 fand Williams
statt auf hoher See als Kapitän einer Kriegsbarke auf der
Donau vor Semlin. Im folgenden Jahre wiu-de der tapfere j
*) Wurzbach, Biographisches Lexikon, Band 56, Seite 188.
•) K. A., H. K. R. 1799, 59, 137.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
337
Engländer Major und erhielt das Kommando einer Donau-
t’regatte ; nach beendigtem Kriege sollte er nach Triest zurück-
kehren, nni dort die Führung eines Schoners zu übeniehmen,
jedoch ging mit dem Tode des Kaisers dessen Schöpfung, die
junge österreichische Marine, zu Grunde. Williams lebte bis
zum Ausbruch der Hevolutionskriege mit einer geringfügigen
Abfertigung in gänzlicher Verschollenheit dahin, gewann dann
aber die Gunst des FZM. Prinzen von Koburg, welcher ihn
dem Generalquartiermeisterstab zuteüte.
In dieser Eigenschaft siedelte der vierunddreißigjährige
.‘Seemann 1795 auf den Rhein über und unterstützte hier die
Verteidigung der Festung Mainz mit Nachdruck aus einigen
Kanonenboten. Der kühne Parteigänger gelangte noch im
seihen .Jahre auf dem Rheinstrom zu einer Alaclit, mit welcher
die Franzosen rechnen mußten. Keine größere Kriegsunter-
nehmung, die er nicht zu Wasser unterstützt hätte, keine
Gelegenheit, keine Blöße, welche der Feind bot. die er
nicht nützte, wenn sie in seinen Bereich fiel. Er hielt die
Offensive der Franzosen bei Kostheim auf, verjagte sie aus
Weißenau, verfolgte sie auf ihrem Rückzug ans Kassel, alar-
mierte sie vor Mainz, wirkte mit him-eißender Bravour bei
der Erstürmung dieser bedeutenden Festung mit und zerstörte
persönlich mit wenigen AVagehälsen die Schiffbrücke der
Franzosen bei Mannheim. Für solche Taten mit dem Ritterkreuz
des Maria Theresien-Ordens belohnt und von Clerfayt und
Wurmser mit Ijob überschüttet, kam AV’il Harns als Zugeteilter
des Generalstabes in das Hauptquartier des Erzherzogs Karl.
Hier hatte er nicht viel Glück. Der Engländer, dessen
hervorstechendster Charakterzug neben Kühnheit ein starker
Eigensinn gewesen zu sein scheint, dessen Spuren bis in die Akten
reichen, hatte es bis zu diesem Zeitpunkt verschmäht, nicht
nur die im Hauptquartier notwendige Kenntnis der Dienst-
geschäfte zu erlernen, er beherrschte auch die deutsche Sprache
trotz einer zehnjährigen Dienstzeit noch so unvollkommen,
daß der FeldheiT selbst beim Hofkriegsrat Beschwerde führte,
wie man ihm einen so widerhaarigen Mann in den General-
stab stellen könne; der Hofkriegsrat möge Williams eine
andere Widmung geben. Um aber auf jeden Fall aus dem
Generalstab entfernen.
Uitt«iluDgen des k. und k. Kriegsarcbivs. Dritte Folge. IV. Bd. 32
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B a r t 6 o b.
Um dieselbe Zeit aber, es war im Frühjahr 1799, hatte
der Erzherzog die Notwendigkeit erkannt, den Bodensee durch
eine kleine Flotte festzuhalten und zu sicheni. Da xnag ihm
nun der A'orschlag des Hofkriegsrates, den unbequemen, aber
tapferen Seemann aus dem Hauptquartier auf die neu anszu-
rüstenden Schiffe zu versetzen, ebenso angenehm als nützlich
erschienen sein. Williams wiu-de Kommandant auf dem
Bodensee.
Er war der richtige Mann zu einem Unternehmen, welches
noch nach der Mitte des März 1799 nm- in der Idee bestand:
denn drei Wochen später schwamm als Zeichen seiner Tat-
kraft ein stattliches Geschwader auf' dem schwäbischen Meer.
Wie der Kommandant der Flottille waren auch deren
Offiziere Ausländer*): Anton Graf Fulconis, Karl Graf
Pouilly, Karl Graf Taulignon, August Marquis de Bonne-
Lesdignieres, Phiübert de Saint-Leger, Karl Nikolaus
Baron d’Haussay.
Zum grollten Teil aus der Prttvence, alle aber französi.sche
Edelleute des ancien regime, hatten sie in der Marine des
Königs von Frankreich gedient und ihr Vaterland nach dem
tragischen Ende ihres Königs grollend verlassen, um ihre
Dienste Österreich anzubieten, welches mit der Erwerbung
Venedigs eine ansehnliche Seemacht überkommen hatte. Diese
Emigranten waren alle noch junge Männer ; der jüngste zählte
25, der älteste 3H .Jahre, jedoch hatten sie 12 bis 21 .lahre
Scedienst hinter sich. Sie waren als Knaben von zai'tem Alter
in die französische Marine getreten und die meisten hatten schon
in beiden Indien und in Cayenne, alle auf dem Atlantischen
Ozean gedient*!.
Diese tlfhziere nun, welche unter dem Lilieubanuer der
damals noch ersten Marine der Welt auf deren stolzen Linien-
schiffen die halbe Erde umfahren hatten, sie sollten jetzt in
der Enge des schwäbischen Meeres auf schwertälligen Fraclit-
kähnen gegen die Vernichter ihrer stolzen A’ergangenheit aus-
ziehen. Sie mochten zu Beginn ihrer Dienstzeit auf dem See
ein vielleicht mißvergnügtes Koqxs gebildet haben. Keiner
>) K. A., H. K. R. A. 1800, 3, 3108.
*j Ebenda 1799, 25, 1138.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
339
aus dem halben Dutzend altfranzösischer Kavaliere hatte es
bis dahin der Mühe wert gefunden, die Dienstsprache der
Anuee zn erlernen, welcher sie angehörten. Neben ihrer
-Muttersprache brachten sie aus ihrer Schulzeit ein wohl-
erlerntes Latein mit, und von Venedig etwas Italienisch.
Dabei ließ sich freilich mit den wenigen seekundigen Schwaben,
welche sich als Schiffsmeister für die ihnen sehr bedenklich
scheinende Unternehmung anwerben ließen, keine Ver.ständi-
gung anknüpfen.
Leichtes Temperament und guter Wille riß jedoch auch
diese Offiziere bald zu lebhaftem Interesse für ihren neuen
Dienst hin, und keiner war unter ihnen, der sich im Verlauf
zweier kleiner Seekampagnen nicht wenigstens einmal im
besonderen ausgezeichnet hätte.
Im Frühjahr 1799 war FML. Hotze Korpskommandant
am Bodensee und erwies sich als eifriger Protektor der Flot-
tille. Der Bitte Williams’ gemäß trug er den Stand auf
20 Schiffe an, von welcher Zahl ungefähr zwei Drittel als
schw'ere Kanonenboote, ein Drittel als Jagd- und Patrouillen-
scbiffe gedacht waren. Für die letzteren namentlich, da es bei
ihnen um größte Beweglichkeit zu tun war, forderte Williams
330 Kuderer und für jedes der Flottillenschiffe einen Schifis-
meister. Erstere sollten täglich 45 Kreuzer, letztere einen Gulden
Keichswährung als Löhnung erhalten. Es ergaben die Bezüge
allein die Summe von 8000 Gulden monatlich, und an dieser
Klippe scheiterten die .Ansju'üche Williams’*,!, welche sich
eine wesentliche Reduzierung gefallen lassen mußtt>n.
Die Stände des Landes Vorarlberg gaben die Gelder zur
Ausrüstung und Lbiterhaltung der Flottille mit wahrhaft gi-oß-
herzigem Opfennut hin und erst als das Land gänzlich er-
schöpft war, baten sie, durch eine warme Fürsprache Hotz es
aufgemuntert, das Arar möge die Unkosten der Flottenrüstung
übernehmen. AVeil nun die kleine Seemacht nur zum geringsten
Teil österreichisches, zum weitaus größten Teil rcichsdeutsches
Gebiet und reichsländische Interessen zu unterstützen bestimmt
war*!, so wälzte Erzherzog Karl, als Oberkommandant in
■) K, A., H. K. R. A. 1799, 54, 104.
’) Ebenda, 25, 1178 ; 51, 235.
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B * r t a c h.
Deutschland, die Lasten zur Bedeckimg der Kosten aul' die
Reichsoperationskasse ab. Von ökonomisch-administrativem
Standpunkt betrachtet, war es also eine Flottille, welche das
Deutsche Reich zur Wahrung seiner Grenze unterhielt.
Alle deutschen Gemeinden von Hard au der Rhein-
mündung längs des ganzen Süd- tind Ostufers und am Über-
linger See bis Petershausen igegenüber von Konstanz) sollten
überflies flas notwendige Schitfsmaterial, wie Bau- und Masten-
holz. Segeltuch, Taue, Anker u. s. w., aber atich ein Kontingent
an Bootsleuten imd Ruderknechten stellen, welches dem
Stande der seefahrenden oder seehaudeltreibenden Bevölkeniug
entnommen wurde.
Hier aber versagte der Rüstungsapparat fast gänzlich.
Die vorsichtigen Schwaben verhielten sich dem gefaluwollen
Dienste gegenüber höchst zurückhaltend und die Vorarlberger
TiOtsen, welche beherzt nach dem neuen Handwerk gritfen.
reichten an Zahl nicht aus. So mußten denn Scliiffleute aus
den Regimentern der österreichischen Armee herangezogen
werden. Im Jahre 1799 lieferte das Regiment Bender Nr. 41,
welches sich aus den damaligen österreichischen Vorlanden
ergänzte, fast ausschließlich die Ruder- und SchitHeute. die
hier wegen ihrer Seekunde vortretllich zu vonvenden waren.
Im weiteren Verlauf des Feldzuges erlitt jedoch das wackere
Regiment flerartige Verluste, daß es keine oder nur wenig
Kommandierte mehr abgeben konnte und die Schiffsmami-
schaft der Winterkamjiagne mit zahlreichen Peteiuvardeinem
(Tschaikisten) und anderer Grenzmannschaft von der Save
und unteren Donau durchsetzt war*).
Von den wenigen Schwaben, mit welchen Williams
wegen eines Eintrittes in die Flottille unterhandeln konnte,
wuißte er bald an Hotze zu berichten: ,.Die liiesigen Schilf-
leute können bei diesen bewaffneten Schiffen nicht mit Nutzen
verw’endet werden, weil sie sich nicht kommissariatisch revi-
dieren lassen w'ollen *j, dann weil sie nur von flem ganz all-
gemeinen lind gew'öhnlichen Fahren einige Kunde haben und
mehrenteils verheiratete, mit zahlreichen Kindern behaftete
’) K. Ä., F. A. 1799, Deutschland, IV, 19.
*) Sie fürchteten mutmaßlich die Anwerbung als Soldaten.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
341
Leute sind, die sich der Gefahr nicht aussetzen wollen. Ich
dächte daher, daß diese Leute bloß zu Transportz wecken zu
verwenden seien” ').
So also stand es mit der Mannschaft. Das Schifismaterial
jedoch war noch widerspenstiger.
Die schönen, tiefgehenden Kielboote der italienischen
Seen mit ihrer Stabilität fehlten den deutschen Seen gänzlich.
Flachbodige, „ranke”, das heißt labile Plätten waren es,
welche diese Gewässer mit sehwerfäUiger Fahrt durchquerten.
.\m Bodensee hießen die größeren dieser Frachtschitfe Lädi
oder Lädinnen, die mittelgroßen Halblädi. Es fehlte ihnen
das Rückgrat des Segelmanövers, der Kiel, und sie gehorchten
dem Drucke des Segels nur bei günstiger Fahrtrichtung. Ein
.\nfkreuzen gegen den Wind war mit ihnen schlechti-rdings
immöglich, und selbst bei Seitenwind ,, trifteten” sie von
ihrem Kurse ab ; ansehnlich war jedoch die Größe dieser
Ungetüme, welche bis zu 110 Fuß Länge und 14 Fuß Breite
orreichten, so daß sie zu Mannschaft.s-, Pferde- und Güter-
transporten die beste Eignung hatten.
Den Grundstock der Flottille sollten allerdings die etwas
beweglicheren, auf dem Bodensee bisher in Dienst gestandenen
Wachtschiffe bilden, welche dortselbst die Seepolizei ausgeübt
hatten ; es waren ihrer aber nur drei und auch sie waren der
.Ausbesserung bedürftig.
Oberstleutnant Williams kam am 24. März 1799 in
Bregenz an und ging augenblicklich daran, die dort für ihn
vorbereiteten Schiffe zu prüfen und die tauglichsten auszu-
wählen. Sechs der besten Boote sandte er sogleich nach
Hard. welches damals im Rufe stand, die beste Schifl'swerfte
am Gestade des ganzen Sees zu besitzen*). Sodann wurden die
bis 31. März fertiggesteUten und mit Takelage versehenen
■'schiffe nach Bregenz und Lindau beordert, wo Williams
das für sie bestimmte Geschütz von den Lafetten heben und
auf Schiffssclileifen hatte montieren lassen. 1 G solcher Boote
waren es, welche hier mit Geschütz armiert wurden, und
zwar zehn mit Kanonen mittleren Kalibers (Sechs- und Vier-
') K. A., F. Ä. 1799, Deutschland, II. 45.
•) F.benda, III, 220, 233.
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B A r t 8 o h.
plünder i und sechs mit Einjitiiudern, deren Eohre ') der
])ruktische Seemann auf den leichten Patrouillenschiffen in
eine nach allen Seiten drehbare ( Jabel am Bug des Bootes
legte, als sogenannte Drehbasseu. Einige der schneller
segelnden Boote erhielten überdies noch eine Haubitze. Die
Radlafetten verblieben in Bregenz.
Ein schweres Stück Arbeit mochten die zu Kriegsfahr-
zeugen gewidmeten landesüblichen Boote gegeben haben. Neue
Schiffe konnten im Drange der Kriegszeit und bei den be-
sclu-änkteu Mitteln nicht gebaut werden, obwohl der Hof-
kriegsrat aus Venedig einen Scliitl'baumeister verschrieben
hatte.
Der seekundige Engländer muUte mit dem Gebotenen vor-
lieb nehmen und aus den flachbodigen, langen und schwer-
fälligen Plätten Kriegsschiffe bilden, von welchen man kaum
sagen konnte, zu welcher Funktion sie sich schlechter eig-
neten : zum Segeln oder zum Rudern ?
Doch wohl noch zu ersterem, denn aus der grolieu Zahl
der Ruderer, um welche Williams gebeten hatte, scheint
hervorzugehen, datl Williams aus seinen Kriegsfahrzeugen,
wenigstens aus den kleineren, eine Art Galeeren bilden wollte.
Er und seine Offiziere waren von Venedig berufen worden,
wo mau selbst damals, in der Blütezeit des Linienschiffs, mit
Nutzen die. alte geschmeidige, in keinem Manöver und bei
keinerlei Windlaunen versagende Galeere beibehalten hatte.
Jedoch saßen auf den Bänken solcher Ruderboote ange-
schmiedete Strätlinge.
Zu solchem Dienste jedoch war das freie, trotzige miJ
sehr behäbige Bauemvolk an den Ufern des schwäbischen See.s
nicht zu haben und die für sechs Patrouillenschiffe in An-
rechnung gebratdite Zahl von zirka 200 Ruderern sank aut
die bescheidene Ziffer von zehn Mann per Boot.
Williams bat nach diesem Mißerfolg, <lie Heeresleitmig
möge ihm doch mindestens auf jedes Schiff zwei erfahrene
Schiffleute geben, welche des Fahrwassers kundig wären.
Zim Besorgung der Segelmanöver und des Steuers aber wären
für das Schiff zum wenigstens fünf geübte venetianisclie
') K. A., F. 17Ü9, Deutschland, V, 48.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
343
Matrosen notwendig. Audi diese Bitte wurde nur zum kleinsten
Teile eiTiillt; es kam auf jedes Boot ein Schiffsmeister.
Nach soldien vergeblichen Bemühungen erbat Williams
die Zusage eines Detachements vorarlbergischer Landes-
schützen, tvelcho als Marinesoldaten „sowohl zur Verteidigung
als zur vorkommenden Ausbarlrierung verwendet werden”
konnten . . . . , ein kleines Streiflicht auf eine Änderung der
Plane des Kommandanten, tvelcher bei solchen Umständen
auf dem Wasser nicht \-iel Lorbeeren erwarten mochte. Im
selben Sinne schlug Williams vor, die Räderlafetten, welche
in Bregenz standen, der Flottille auf einem eigenen Scliiffe
samt der notwendigen Artilleriomannschaft uachzuführen, um
sie bei einer vorkornmenden Ausschiffung zu verwenden.
Schließlich bat Williams, Hotze möge ihm für min-
destens zwei solcher Boote, welche, mit Geschützen armiert
einem gewöhnlichen Schiffsmeister nicht anzuvertrauen waren,
einen Offizier gewähren. Wirklich kommandierte Hotze den
Benderschen Leutnant Seekircher zm- Flottille, welche
nun, Williams einbegriffen, auf 16 Scliiffen acht Offiziere
hatte. Zudem bestimmte Erzherzog Karl noch, daß dem im
Okonomiedienst unerfahrenen Engländer ein Rechnungsoffizier
beigegeben werde, welcher seinen Sitz in Bregenz oder in
Lindau aufzuschlagen hätte.
Es zeugt für eine erstaunliche Tätigkeit Williams’, daß
14 Tage nach seinem Eintreffen in Bregenz, am 8. April also,
schon 16 armierte Kanonen- und Patrouillenboote, dann ein
Reserve- und ein Spitalschiff' auf dem Wasser schwammen ‘).
Die bewaffneten Boote erliielten von dem nüchtera
denkenden Engländer keine Namen ; sie wiuxlen in drei Divi-
sionen fonniert und mit Nummern bezeichnet: Die Kom-
modorschift’e mit 1, 2 und 3, die Schift'e der ersten Division
mit 4 bis 6, der zweiten mit 7 bis 10 und der dritten mit
11 bis 16. Die an Schiffszahl schwächste erste Division hatte
gleichwohl das größte Deplacement und trug die schwersten
beschütze an Bord, während namentlich die dritte und zahl-
reichste Dirision nebst zwei Haubitzen fast nur Zwei- und
Einpfüiider führte.
K. A., F. A. 1799, Deutschland, IV, 64.
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344
U a r t s e h.
Außer diesen Schiffen zog Williams zu Beginn des
Ajiril noch eine Transportflotte von 14 schweren Lädinneii
zusammen, mit welchen er 4000 Mann und 80 Pferde samt
dem Bataillonsgeschütz über den See zu führen vermocht
hätte.
Der Feldzng im April und Mai 1799.
Ein solcher Trupj)entransj)ort war vom Erzherzog gleich-
zeitig mit dessen für den 10. April festgesetzten Eheinüber-
gang beabsichtigt* I. 4000 Mann soüten über den Bodensee
gesetzt und bei Arbon gelandet werden und Oberstleutnant
AVilliams sollte die Ausschiffung durch das Feuer sämt-
licher Geschütze seiner Flottille begünstigen.
Williams traf in fieberhafter Eile seine Vorbereitungen
und seine Befehle aus jener Zeit geben ein schönes Beis]iiel
von Umsicht.
Da verschob, noch am 9. April, Erzherzog Karl seine
Otl'ensive, bis FML. Bellegarde in Graubündten eiugeriioki
sein würde. Der große Truppenzug über den See unterblieb
jedoch gänzlich.
Williams teilte nun seine Flotte. Während die eine
Hälfte sich im südlichen Teile des Sees beobachtend verhielt,
segelte Williams mit acht Booten vor Konstanz, welche
Stadt noch von den Franzosen unter Oudinot besetzt war.
Jenseits der heiTÜchen langen Eheinbrücke, W'elche von der
Stadt Jiach Petershausen führte, standen die Vorposten des
FML. Piaesek, welcher sich, da er die Eheiubrücke, die als ein
Meisterwerk in ihrer Art galt, schonen und erhalten wollte,
zuwartend verhielt. l)is der Erzherzog selbst zu energischer
Offensive vorging.
Williams aber, welcher diese Bedenken nicht teilte,
beunruhigte <lie Stadt und ihre Besatzung von der Seeseite
her bei Tag und Kacht. Indem er seiner jungen Mannschaft
und sich selbst nicht einen Augenblick der Euhe gönnte.
-sjreiTte er jede Zufuhr vom Ehein, vom Bodensee und Unter-
see, fing <len gesamten Verkehr auf und ließ keinen feind-
lichen Posten auf Schußweite an die Küste heran. Als er die
Franzosen vor Konstanz im Schach zu halten vermochte.
K. A. l‘\ A., 1799, Deutschland, IV, Üd, 98.
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Eiu Seekrieg iu Schwaben.
345
rlehnte or seine Fakrten bis Arbon, dann bis Korschach aus.
jagte die, ihm auf Plätten zum Eutern entgegenfahrenden
Franzosen mit Kanonenschüssen an das Land zurück und
hielt die gesamten Besatzungen von Arbon bis Konstanz in
beständigem Alarm. Es war zu gutem Teil sein Verdienst,
(laß Oudinot Konstanz ohne wesentlichen Widerstand räumte ;
leider steckten die Franzosen bei dieser Gelegenheit trotz
Piaeseks Versprechungen, die Kheinbiücke nicht zu benützen,
dieses schöne Denkmal deutscher Zimmermannskunst in
Brand.
Die Seemannschaft Williams’ hatte .sich bei dieser
ersten anstrengenden Probe unter den erschwerendsten Um-
ständen ; unausgesetztem Wachdienst, hochgehendem, stürmi-
schem See, allgemeiner Seekrankheit und beständigem Ge-
l>läukel mit dem Feinde, ausgezeichnet gehalten*).
Bald machte sich die Offensive des Erzherzogs längs
der ganzen Schweizer Seeküste fühlbar. Ifie Vorposten des
Feindes am Vorarlberger lihein gegenüber Dornbirn zeigten
sich in immer geringerer Stärke, endlich fehlten sie ganz, so
daß die Wäscherinnen vom jenseitigen Ufer den österreichi-
schen Piketts zuriefen, die Luft sei rein. Während nun die
Österreicher imter Hotze in die Kantone Graubündten und
St. Gallen vorbraehon. segelte AVilliams am 19. April mit
zwei seiner Di%isionen, deren Zahl er inzwischen von drei
auf vier vermehrt hatte, gegen Arbon, um die ganze Küste
nordwäi'ts dieses Ortes zu rekognoszieren. Kr fand sie besser
bewacht als er angenommen hatte und sogar von mehreren
Batterien verteidigt, aus welchen er Feuer erhielt. Williams
erwiderte nicht, sondern nahm bloß die Stellung und Stärke
der Batterien für eitie künftige Itevanche zur Kenntnis.
Er hatte nämlich bemerkt, daß sein Erscheinen an der
Schweizer Küste die Einwohner viel mehr in Schrecken gi'-
setzt hatte, als bei seinen Fahrten gegen Konstanz. Längs
der ganzen Küste rief eine Sturmglocke die andere wach und
die Bewohner liefen in Waffen an das Ufer, aus welchem
Benehmen Williams auf Schwäche der französischen Be-
satzungen schloß.
') K. A., F. A. 1799, Deutschland, V, 102.
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346
B A r t 8 e b.
Schlechter als den beiden Divisionen Williams’, der
ersten und vierten, erf^ng es an demselben Tage der dritten,
welche unter dem temperamentvollen Grafen Fulconis gegen
Rorschach rekognoszieren sollte. Der heißblütige Franzose
war mit Außerachtlassung jeglicher Vorsicht um die Rhein-
spitze, welche die Grenze nach der Schweiz bezeichnet, herum-
gesegelt und hielt geradezu Kurs auf Rorschach, den Brenn-
punkt der schweizerischen und französischen Tinppenkräfte
am südlichen Teile des Sees. Vor der nächsten Batterie
legte sich Fulconis mit seinen Schilfen, von welchen er
besonders das eigene exjjonierte, breitseits fest imd begann
ein Feuergefecht, in dessen Verlauf es ihm gelang, einen
französischen Achtpfünder gänzlich zu demontieren. Statt des
zerschossenen Geschützes brachten nun die Franzosen deren
zwei, danmter eines zu 16 Pfund, ins Gefecht, und als Fulconis
auch mit diesen den Kampf aufnahm, erhielt seine eigene
Schaluppe vier Kugeln dieses schweren Kalibers in die Gegend
der Wasserlinie; die Geschosse durchschlugen jedesmal das
ganze Schilf und eines derselben riß einem Mann vom Regi-
ment Bender, welcher am Ruder saß, beide Beine weg.
Fulconis ließ das Leck seines Schiffes noch im -An-
gesicht des Feindes notdürftig verstoj)fen und brachte dann
seinen Sterbenden nach Hard, «las arg zerschossene Schiö'
al>er zur völligen Ausbesserung nach Bregenz.
Abermals hatte sich die gesamte Artillerie- und Schifi’s-
mannsehaft vortrell'lich gehalten, die Rekognoszierung hatte
außer drei Geschützen bei Rorschach die Positionen zweier
Seehzehupfünder in der Nähe der Stadt, eines ebensolchen
bei Honi und zweier Aeht])fünder bei Arbon festgestellt * i.
Nach den hitzigen und liir beide Teile verlustreichen
Laudgefechten bei AV erdenberg, Wallenstädt und Murg (19. Mai
zogen sich die Franzosen nördlich des Sees von Schaßliausen
und Konstanz auf Winterthur zurück und räumten im Süden
Rheineck. Als AVilliams hievon erfuhr, zog er seine am
Ostufer des Sees verteilt gewesene Flottille zusammen*) und
segelte mit der 1. und 3. Division gegen Arbon, während
') K. F. A. 1799, Deutschland, V, 110.
•) Kbencla, 110 a.
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Kitt SeekrtoR in Schwaben.
347
Graf Fulcoiiis abermals auf Rorschach losfuhr. Fulconis,
Kommandant des zweiten Ge.schwaders, brannte ohnehin vor
Begierde, dortselbst für die BeschieÜung seines Kommodor-
.schiffes Revanche zu nehmen ; er stach in der Nacht vom
20. auf den 21. Mai von Bregenz aus in See und erreichte
Rorschach um Mitternacht. Seine gänzlich unbemerkt ge-
bliebene Ankunft und eine geschickt vollzogene Landung
steigerten die Verwirrung der Franzosen zu emer Zeit, wo die
Rorschacher Garnison eben den Rückzug hätte antreten sollen.
Die aus den Batterien zurückgezogenen Geschütze waren
weder in der Verfassung, eine augenblickliche Verteidigung
zu beginnen, noch waren sie marschbereit oder transportfertig
gemacht worden. Als die Küstenbatterien scli-wdegen, fuhr
Fulconis keck an die Küste heran, trieb die ihm in Ver-
wirrung entgegenlaufenden Franzosen durch das Feuer seiner
.Schifte landeinwärts zu eiligem Rückzug, schüfte sehie iftann-
schaft aus und überfiel augenblicklich den Hafen, die Magazine
imd die Batterien. 8 Kanonen, zum Teil schweren Kalibers,
3 Mörser von den größten Dimensionen, viele Bomben und
andere Munition, Lafetten, Öchiftsgerät und 6 vom IVinde
nahezu fertiggestellte neue Kanonenboote waren hier der
Lohn seines Handstreiches.
Immer noch vom Dunkel der Nacht geschützt, schiffte
Fulconis seine Beute ein und fuhr am Ufer, Kiu's iiord-
westwärts, weiter. Nahe vor Rorschach traf er mit grauendem
Morgen auf die 1. und 3. Division unter Williams, welcher
in Rorschach landete und Fulconis das Kommando auf dem
See einstweilen übei’gab.
Williams hatte zur gleichen Zeit wie Fulconis in
Romanshom und Arbon Truppen gelandet, die Orte umstellt
und die Batterien so unerwartet überfallen, fiaß die eilig auf
■St. Gallen flüchtenden Franzosen (es lagen zwei Kompagnien
in jedem Ortej kaum noch einige ihrer Geschütze zu vernageln
vermochten. Seine Beute bestand in einem Vierundzwanzig-
pfünder, 2 Sechzehnpfttndeni, 4 Vierpfüirdern und 1 zwanzig-
pltindigen Haubitze, alle auf der Lafette liegend und reichlich
mit Munition versehen.
Über den Erfolg noch im unklaren, welchen F'ulconis
zu derselben Stunde cmingen hatte, segelte Williams gegen
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34B
Bartsch.
Rtirschach und traf dort die siegreiche Division Fulconis
mit der schwer mit Geschütz beladenen eroberten franzö-
sischen Flottille. Er überließ dem Unterkommandanten die
3. Division und landete mit der 1. am Vormittag des 21. .-Vpril in
Korschach.
Fulconis aber fuhr längs der Seeküste bis über Romaiis-
horn hinaus, tim alle feindlichen Küstenbatterien bis Konstanz
zu zerstören und die Geschütze wegzuführen. Nahe bei Bomans-
horn eroberte er eine sechzelui|jfündige Kanone, überfiel
hierauf die Batterien bei Altnau, Münsterlingen und Kreuz-
lingen, eroberte noch 2 Sechzehn-, 4 Vier|)fünder und 1 Mörser
und machte zwei Gefangene,
Nach dieser Fahrt sammelte Fulconis seine beiden
Divisionen, vereinigte sich mit der ersten, welche ihm, durch
den Kanonendonner angelockt, nachgesegelt war tmd fuhr
mit seiner und Williams’ Beute, 27 Geschützen und 6 Kanonen-
booten, unter dem heUen Jubel der gesamten am Ufer ver-
sammelten Einwohnerschaft von Konstanz in den dortigen
Hafen ein (21. Mai).
Williams, welcher in Rorschach gelandet war und ein
auf seine Scdiitfe, kommandiertes Detachement Brechainville-
Infanterie ausgescliifft hatte, stieß vor der Stadt am Nach-
mittag des 21. auf eine österreichische Reiterjmtrouille —
14 Waldeck-Dragoner unter Leutnant Baron Bourscheidt.
Freudig ergriif er die Gelegenheit, an der Spitze eines kleinen
fliegenden Kommaiiflos als Erster in St. Gallen einzurücken
und setzte sich au der Spitze der ihm zujubelnden Dragoner
und seines Zuges Infanterie noch am Abend des 21. in Marsch').
So schnell folgte er den Franzosen, daß er zugleich mit
deren Nachzüglern am ^lorgen des 22. Mai in St. Gallen
eintraf. Es gelang ihm. noch einige Gefangene zu machen
und auch hier den Artilleriej)ark zu übemimpeln. 14 Kanonen
verschiedenen Kahbers, in welchen noch die zur Verteidigung
eilig eingeführten Kartätschladungen steckten, alles ganz neue,
besonders schöne iModelle, drei Pulverwagen und einige von
den Lafetten genommene Geschützrohre fielen ihm hier in
die. Händi(.
') K. A., F. A. 1799, Tteutschlanö, V, 110 a, e. f.
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Kin Seekrieg io Schwaben.
34(1
Der Stadtrat von St. Gallen empfing 'Williams auf die
schmeichelhafteste Weise und hat ihn, ein Willkommschreiben
an FML. Hetze zu übermitteln.
Die Arrieregarde der Franzosen, welche vor dem raschen
.\nmarsch Williams’, dessen Kräfte sie wohl überschätzt
hatte, in der Stärke von etwa zwei Kom]iagnien und einem Zug
Kavallerie bis Gossau zurückgegangen war, trieb eine Reiter-
patrouille gegen St. Gallen vor, welche aber von Williams
an der Spitze der Waldeck-Dragoner zurückgejagt wimle ;
schnell verließen die Franzosen nun auch Gossau und Williams
rlrang gegen 10 Uhr vormittags in den Ort ein^).
Bald näherte sich auch die Vorhut des am 21. Mai bei
Kheineck über den Grenzstrom gegangenen F'^LL. Kempf der
Stadt und Williams zog sich mit Beute und Gefangenen nach
Rorschach und von da längs tles Seeufers nach Konstanz
ziuück*!, wo er mit noch größerem Jubel als Fulconis emp-
fangen wiu'de. Er und seine Flottille wurden in Gedichten
besungen ’i und wenn man diesen trauen dürfte, so hätte
Williams seine Schiffe zu hoher Beweglichkeit gebracht,
denn in einem derselben fährt Österreichs Flotte „pfeilschnell
aus und weg, kommt pfeilschnell wieder her!”
Am 24. Mai lagen alle vier Divisionen Williams’ vor
Konstanz. Die Beute zweier ereignisreicher Tage : 37 Kanonen,
4 Haubitzen, mehrere schwere Mörser, Munitionswagen, Schifts-
material und 6 schöne neue Kanonenboote sandte Williams
nach Bregenz ; er selbst schlug sein Hauptquartier in Kretiz-
lingen, südlich von Konstanz auf.
3. Waffenruhe am Bodensee, Williams in der Schweiz.
Nachdem der Feldzug von Vorarlberg und Schwaben in
die Schweiz getragen worflen war und am Bodensee beendet
scliien, war die Flottille für den Augenblick überflüssig ge-
worden Nach einem geringfügigen Lärm in Konstanz
und Arbon, wo man das Wiederanrücken der Franzosen
') K. A., H. K. R. A. 1799, V, 38.
») K. A., F. A. 1799, Deutschland, V, HO k.
’) Kleiner, Die Kriegsflotte aut dem Bodonse».
*) K. A., F. A., Dentschlaud 1799.
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350
Bartsch.
l)et'ürehtete, segelten daher die Schüfe, nachdem die auf
ihnen verwendete Mannschaft in die Kegimenter rückversetzt
worden war, um 27. Mai nach Bregenz, wo der größte Teil
derselben zu Transportzw'ecken an die Verpflegsverwaltung
übergeben wurde.
Die wenigen bürgerlichen Schitfsmeister, fast ausschlieli-
lich Vorarlberger, konnten mit Ehren zu ihrem Beruf zurück-
kehren. ja einer derselben, F. A. Reiner, welcher da.s Schiff
des Seeoffiziers Fulconis vor Rorschach mutig durch eine
schwere Feiierjirobe gefiihrt hatte, erhielt vom Kaiser die
kleine goldene Zix-ilverdien.stmedaille ’i.
Von der Flottille blieben zur Aufrech terhaltuiig der
Sicherheit auf dem See nur die vier besten und schwersten
Kanonenboote unter Waffen. Die Schaluppe Nr. 1, welche
bisher von Williams selbst kommandiert worden war. blieb
in Konstanz unter der Führung de Houssays zurück. Die
wieder seetüchtig gemachte Schaluppe Nr. 2 lag mit den
Offizieren de Bonne und St. Leger vor dem Seedorf von
Keßwil. Nr. 3 mit Graf Pouilly vor Arbon und Nr. 4 mit
Graf Taulignon vor Rorschach. Der Stellvertreter Williams'.
Fulconis, erhielt das Kommando über ein in Bregenz statio-
niertes, schTiellsegelndes ,Jngd-iPatrouillen-'iSchiff', welches den
dienstlichen Verkehr zwischen dem Vorarlbergisclien und der
Schweizer Küste zu vermitteln hatte.
Die Mannschaft der reduzierten Flottille, welche mit
vier Fahrzeugen die Schweizer Küste bewachen soUte, wmrde
durch einen strengen Befehl Williams" sorgfältig von der
in ihrer Haltung noch schwankenden Bewohnerschaft abge-
schieden, um jede Reibung zu vermeiden und die gute Stim-
mung der ^Majorität im Kanton St. Gallen zu erhalten luid
zu vermehren. Auch die geringste Requisition war untersagt
und selbst die Offiziere durften nur in Gasthäusern gegen
bare Bezahlung speisen. Die Mannschaften aber, welche auf
<icn Schüfen wegen des Munitionsvorrates nicht ständig ah-
kochen konnten, erbauten sich im Angesicht ihres Fahrzeugs
am Ufer des Sees kleine Baracken und wirtschafteten dort,
so gut es gehen wollte.
'' K. A., F. A. 1799. Deutsclilaiid. V, Ilüh, 150.
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Kin Seekrie^r in Schwaben.
35 1
Untereinander standen die Scliifl'e durch ein gut ge-
leitetes Flaggen- und Lichtersignalsystem in Verliindung.
Williams aber, welcher vom Kaiser den Ausdruck von
dessen höchster Zufriedenheit über sein tapferes Verhalten
entgegennehmen durfte, blieb nicht am Bodensee ’j; die Vor-
rückung der Armee des Erzherzogs eröfiiiete ihm auf dem
Züricher See ein neues Feld der Tätigkeit*).
Während der Rest seiner Flottille auf dem Bodensee,
wo sich schnell wieder das alte fröhliche Handelslebeu ent-
wickelte, ein fast idyllisches Dasein führte, mußte Williams
alles verfügbare Schitfsmaterial an den Züricher See über-
tührcn, um dort eine neue Flotte zu schatten. Ja, Williams
hätte in seinem Diensteifer auch die vorarlbergischen und
schwäbischen Schiffleute mit auf den neuen Kriegsschauplatz
genommen, wenn er nicht auf allzu kräftigen Widerstand
dieser Leute gestoßen wäre.
So ging er denn allein mit gewohnter Tatkraft an die Auf-
gabe, sich auch auf dem neuen Gebiet zum Herrn auf dem Wasser
zu machen; die Nähe des Erzherzogs aber sollte diesmal seine
Tatenlust zügeln und zum W^ohle des Ganzen beschränken.
Williams durfte auf dem Züricher See nur einige Patrouillen-
boote ausrüsten und hatte im übrigen seine ganzen Kräfte
zur Sammlung einer Transportdotte zu verwenden, welche
bei Erlibach zur Übersetzung von 6000 Mann bereit .stehen
sollte. Wirklich brachte Williams die stattliche Anzahl von
114 Schiften und Kähnen auf und setzte im übrigen, da er keine
Seemannsstücklein ausführen dinfte, seiner Halsstarrigkeit ein
originelles Denkmal. Er war am 14. September in Rappers-
ttyl, als zwei Franzosen, w'elche seiner Flottille zugelaufen
waren, miter Mitnahme von allerlei Schitfsgerät wieder zum
Feinde zurückdesertierten. Sie wurden jedoch auf ihrer Flucht
von einer östeiTeichischen Patrouille aufgelängen und einge-
bracht. Williams bestand nmi darauf, daß diese Leute seiner
eigenen Gerichtsbarkeit auszidieferii seien, indem sie dem
bei allen Marinen geltenden Seerecht vertäUeii wären. Wirk-
■) K. A., H. K. R. A. 17'.»9, V, 63.
«j K. A., R Ä. 1799, Deutschland. VllI, 20U.
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352
B ft r t s c h.
lieh gab FML. Hotze dein Drängen des Engländers nach,
schickte ihm die beiden Deserteure und Diebe zu und Wil-
liams ließ sie an den T?,aaen derjenigen Schiffe, welche sie
bestohlen und verlassen hatten, nach kurzem Prozeß und zum
warnenden Beispiel aut knüpfen*).
Bald nach diesem Vorgang, am 26. Sejitember, verloren
die russischen Bundesgenossen die (zweite) Sclüaeht am See
und die verbündeten Armeen gingen auf die österreichische
und deutsche Grenze zurück. Hotze war gefallen und FML.
Petrasch hatte die Aufgabe, den Rest seiner Trujipen nach
Bregenz zuriiekzulühren. Williams aber eilte am 27. Sep-
tember abends mit einem Kommando Dragoner nach Kon-
stanz, um in Eile sämtliche Fahrzeuge, welche an der
Schweizer Küste bis Rorschach lagen, an das österreichische
und fleutsche Ufer schaffen zu lassen, damit den nachnicken-
den Franzosen keinerlei ^Mittel zur Ausrüstung einer Gegen-
flotte Illieben*).
Außer dem vorderösterreichischen Regieruugskommis.sär
Wessenberg war jedoch Williams jetzt der einzige höhere
staatliche Funktionär an dem Schweizer Ufer, welches nie
in geordnete Militärverwaltung übergegangen war. Williams
konnte daher seine Absicht nur sehr unvollkommen ausfiiliren
und schiffte sich am 28. September, als die Franzosen schon von
Frauenfeld gegen Konstanz nachdrängten, nach Bregenz ein.
wo er an demselben Tage seinen vom Feinde hartbedrängten
neuen Vorgesetzten, FML. Petra sch, antraf’).
In Konstanz rückten die Franzosen ein. Ihnen gegenüber in
Petershausen lagerten die flüchtigen Russen und die Stadt wurde
im Laufe mehrerer Tage zum Spielball beider Parteien, da der
unruhige Williams über den See gegen die Stadt fuhr, die
Franzosen dort mit Hilfe des die Halbinsel von Radolfszell bis
Petershausen besetzenden Condeschen Freikorjis verjagte und
Konstanz besetzte. Bald aber wurde Williams, infolge der Nach-
lässigkeit. mit welcher dieses schlecht diszij)linierte Korj)s den
Wachdienst versah'*), von den wieder anrückenden Franzosen
‘ K. A., F. A. 1799, Deutschland, IX, 120.
’) Ebenda, 194.
») Ebenda, IX, 206 : X. 3.
*) Ebenda, IX, 83; X. 71, 10.), 116.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
353
und dom Landsturm des Kantons Thurgau überrumpelt. Der
(leiangenschaft auf Haaresbreite Jiahe, schlug sich der mutige
Offizier mitten durch den eingedrimgenen Feind über die
Rheinbrücko nach Petershauson durch und eilte am Gestade
des Überlinger Sees nach Stockach, um längs des Ostufers
wieder nach Vorarlberg zu kommen. Hier, in Stockach, traf
ihn ein Befehl des Erzherzogs Karl vom 8. Oktober, welcher
ihm gebot, die Flottille eiligst von neuem in das Leben zm'ück-
zurufen, womit die zweite Kampagne auf den Gewä-ssern des
Bodensees ihren Anfang nahm.
5. Die Operationen anf dem See im Herbst und Winter
1799/1800, bis zur Abrüstung der Flottille.
Williams hatte schon vor Erhalt dieses Befehles die
Notwendigkeit eingesehen, den Bodensee durch Wiederauf-
stellung einer kleinen Seemacht in Händen zu behalten und
sein Stellvertreter Fulconis war in Bregenz bereits eifrig an
der .Arbeit.
An der Rheinspitze standen den Franzosen inzwischen die
drei größeren Kommodorschiffe entgegen, welche auch in der
Periode des kurzen Sommerfriedens auf dem Bodensee gar
nicht abgerüstet worden waren. Schon hatten sich auf
das .Andrängen Williams’ FML. Petrasch und Gruber')
an die Vorarlberger Stände mit der Bitte um die Mittel zm
Wiederherstellung der Flottille gewendet; das arme Land war
jedoch durch schwere Kriegslasten derart erschöpft, daß die
Stände, welche den Sommer hindiu-ch kaum drei Wacht-
schitfe zu erhalten vermocht hatten, sich außer stände er-
klärten, von neuem Geld und Material zu beschaffen ; ja sie
baten sogar, den Bau der Flottille von dem an Bauholz gänz-
lich erschöi)ften Bregenz weg nach einem anderen Seeort zu
verlegen. Da brachte ein Befehl des Erzherzogs die Ent-
scheidung samt den Mitteln. Von neuem wurde die Rcichs-
operationskassa belastet und Fulconis arbeitete mit den
anderen Marineoffizieren seit 6. Oktober an der Wieder-
aufstellung der Flottille. Drei Schiffe waren, wie gesagt,
armiert. Hiezu sollten noch neun gleiche kommen und von
*) K. A., F. A. 17!)9, Deutscbland, X, 89.
UitteUaxig«n d«i k. und k. Kriegiarcliivs. Dritte Folge. IV'. Ild. 23
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354
Bartsch.
den zwölf Schiffen vier mit je einem Sechspfünder und
zwei mit je einer Haubitze bestückt werden. Als dreizehntes
sollte hiezu da.s leichte Jagd-i Patrouillen- iSchiff des Grafen
Fulconis kommen, welches mit einem der eroberten fran-
zösischen Vierpfünder bewehrt war. 'Wohin die von Williams
im Frühjahr geschaffenen einpfündigen Drehbasseu gekommen
waren, läßt sich nicht ausfindig machen; jedenfalls fühlten
die Marineoffiziere in der beginnenden Kampagne das Fehlen
dieser, für das kleine Gefecht so vorzüglichen leichten Ge-
schütze ziemlich hart.
Die drei fertiggestellten Schiffe sollten mit dem 10. Ok-
tober auf brechen und sieh in einer Fahrt zu Williams be-
geben, welcher sich schon wieder, so nahe er konnte, an den
Feind gedrängt und sich bei Petershausen festgesetzt hatte.
Dorthin, nach Staad, sollten die Schiffe vor ^Vnker gehen, um
zu jeder Gelegenheit bei der Hand zu sein.
Williams, welcher inzwischen für die eigenmächtige
Hesetzung von Konstanz, für den Affront, welchen er dort
am 1 1 . Oktober erlitten und für ebenso eigenmächtige Unter-
handlungen mit dem Feinde (behufs Festsetzung einer De-
markationslinie) wiederholte scharte Verweise von seinem
neuen Koq)skommandanten, dem Prinzen von Lothringen
und sogar von Erzherzog Karl erhalten hatte, schränkte seine
Tätigkeit niuimehr wieder auf die Flottille ein *) und schuf
vom 17. bis zum 20. Oktober im Hafen von Meer.sburg sechs
kriegstüchtige Scliiffe. Er verwendete hiebei auf seinen
Schiffen jene von den eroberten französischen Stücken, in
welche die östeiTeichische Eisenmunition paßte.
Die Anzeichen, daß solche bald gebraucht werden würde,
machten sich immer drohender geltend, denn jetzt rüsteten
auch die Franzosen, um Österreich die bisher unumschränkte
Macht auf dem See zu entreißen. Schiftleute aus Eorschach
brachten die Kunde, daß im dortigen Hafen eine stattliche
Flottille ihrer Vollendung entgegenwüchso.
Es hätte nicht zum Charakter Williams’ gestimmt, wenn
er nicht augenblicklich beschlossen hätte, das Unternehmen
im Keim zu vernichten, die Flotte noch vor dem Auslaufen
') K. A., F. A. 1799, Deutschland, X, 178.
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Ein Seekrieg^ in Schwaben.
355
im Hafen zu überfallen, ihre Schiffe zu kapern, oder sie zu
verbrennen oder in Grund zu bohren, wenn er das erstere
nicht vermochte.
Aber es war die Zeit nach dem Äquinoktium, wo die
Herbststürme von Westen her über den See fegten und
Williams empfand bitterer als je die Schwerfälligkeit seines
Schiffsmaterials, welches ihm jede Offensive nach Rorschach
unmöglich machte, ,,weil,” wie er klagte, „bei widrigem Wind
mit keinem Patroiüllenschiff dahin gekommen werden kann ’
Am 16. Oktober waren inzwischen die neuen Vor-
schriften des Erzherzogs für die Flottille nach Meersburg
herabgelangt.
Der Wunsch des Erzherzogs war, daß die Flottille eigent-
lich nur aus leichteren Patrouillenschiffen bestehen sollte und
auch diese dürften nur zu Beobachtungs- und Defensivz wecken
verwendet werden. Auf Andringen Williams’ erlaubte der
Erzherzog jedoch einige Schiffe von ganz großem Deplace-
ment zu Kanonenbooten mit starker Bemannung umzuwandeln,
— wodurch die Möglichkeit einer Offensive, vielleicht sogar
einer Landmig geschaffen war.
Da Williams mit den zum Einzeldienst vortrefflichen,
in geschlossenem Geschwader aber minder brauchbaren leichten
Patrouillenschiffen den Feind keineswegs am Auslaufen zu hin-
dern veimocht hätte, stützte er .sich auf die Erlaubnis des
Erzhei'zogs zum Bau „einiger” Kanonenboote imd gab der-
selben eine derart freie Auslegung, daß mit Ende Oktober
neben 4 Patrouillenschiffen — 14 Kauonenschaluppen nahezu
segelfertig vor Meersburg lagen.
Freilich liielt mit einem so schnellen Anwachsen der
schwer armierten Schiffe die Gewährung des Geschützmaterials,
welche von Williams’ Vorgesetzten, dem jeweiligen komman-
dierenden General in Vorarlberg abliing, nicht gleichen Schritt.
So kam es, daß wälirend dieser ganzen Kampagne mindestens
vier der stärksten Kanonenboote außer Dienst bleiben
mußten.
Williams aber fühlte sich schon mit zehn schweren
Sclilachtfahrzeugen mächtig genug, die französische Flottille
*) K. A., F. A. 1799, Deutschland, X, 173.
23*
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356
B a r t I o h.
zu veniichten und erbat sich vom Erzherzog die Erlaubnis
in See zu stechen imd die Arbeiten des Feindes zu zer-
stören.
Allerlei kleine Mißhelligkeiten verzögerten jedoch das
Ünteniehmen von neuem. Das Regiment Bender war in dem
Feldzug des letzten Jahres derart dezimiert worden, daß
Williams seine Schiffsmannschaft aus verschiedenen Regi-
menteni zusammenstellen mußte, wodiu-ch er abermals un-
geübte Neulinge zu schiden hatte. Die Abgabe von Mann-
schaft, besonders von der Artillerie, geschah so sparsam,
daß Williams sich zur Komplettierung seiner Schiffsmeister,
Knechte und Ruderer abermals an alle reichsangehörigen und
vorländischen Seekreise von Gaißau an der Rheinspitze über
Bregenz, Lindau, Wasserburg, Langenargen, Buchhorn, Im-
menstaad, Meersburg, ÜberUngen, Bodman und Mainau bis
Staad nahe dem feindlichen Konstanz wenden mußte. Die
drohende Gefahr einer französischen Flotte, der Erfolg des
letzten Seefeldzuges tmd das glückliche Schicksal, welches
dabei Lotsen, Matrosen und Ruderer bewahrt hatte, taten
das Ihre, und die Städtchen, Flecken und Dörfer stellten
jetzt mit dem fröhlichsten Willen die von ihnen nach dem
Maßstab ihrer Seeschiffahrt abverlangten Schiffsmeister und
Ruderknechte; über 120! Nur das Reichsstädtlein L’berlingen
mit seinen Dependenzen Goldbach und Sipplingen, verharrte
in unbeugsamem Trotz, obwolü sich Williams mit bitterer
Klage an den Erzherzog wendete, daß ihm durch solche Ab-
lehnung eines seiner Kanonenboote gänzlich vom Seedienst
ausgeschaltet würde.
Die Zeit drängte jedoch. Schon waren die Franzo.sen
zu Rorschach mit vierzehn Kanonenbooten den neun dienst-
fähigen Schüfen Williams’ von derselben Kategorie über-
legen. So fuhr denn Williams am 3. November mit raschem
Entschluß gegen Steinach, zwischen Arbon und Rorschach
aus, in welcher Gegend die französische Flotte gesehen wor-
den sein sollte. Er fand jedoch nur zwei dieser noch etwas
ungelenken Fahrzeuge, welche er einholte. Nachdem die
frauzösichen Wachen vom Ufer durch das Feuer von Wil-
liams’ Geschützen landeinwärts gejagt worden waren, schoß
Williams die an das Ufer getlüchteten beiden Schiffe in
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Ein Seekrieg in Schwaben.
. 357
Brand imd wich nicht eher vom Platze, bis das Feuer sie
bis an die Wasserlinie verzehrt hatte.
Nach einer demonstrativen Fahrt längs der ganzen feind-
lichen Küste, welche ihm bewies, tlaß er noch Herr des
Büdensees sei, kehrte Williams an das schwäbische Ufer
ziu-ück '
Um diese Zeit, 8. November 1799, lagen nur wenige
kaiserliche Trupjien imd solche vom Gondeschen Emigranten-
korps, dann etwas russische Kavallerie am See; Williams
hielt ihn fast allein in Hämlen. Er lag zu jener Zeit mit
einem Teile seiner Flottille bei Tjangenargen ; ein großer Teil
der Schifte schwamm vor Lindau, ein anderer vor Meersburg.
Von hier bis Inndau war die Küste von Militär gänzlich
entblößt und Williams hatte gi-oße Mühe, einem Schleich-
handel, welcher sich bei solch günstiger Gelegenheit augen-
blicklich zwischen der württembergischen und der Schweizer
Küste entwickelte, zu steilem.
Abermals brachten die treuen Landstände von Vorarl-
berg Opfer. Zu den drei von ihnen beigestellten Kanonen-
schalupjien bestritten sie die Ausrüstung von zwei weiteren
und setzten auf diese fünf Schifte 74 Scharfschützen von der
Bregenzer Kompagnie.
Diese Mannschaft wurde nun freilich in den untätig
verlaufenden Novembertagen auf der Flottille nicht benötigt
und tiald wieder in Bregenz einquartiert, was mit Ende
November geschah.
Dieser Monat war in unerquicklichem Zuwarten ver-
laufen, denn der See wurde häufig durch Herbststürme
aufgewühlt, welche im ersten Drittel des Monates sogar ein
Boot mit zwei französischen Dragonern an die vorderöster-
reichische Küste verschlugen, die sich den trügerischen Wellen
zu einer Lustfahrt aiivertraut hatten. Die von der Mannschaft
eines Patrouillenbootes aufgegriftenen Franzosen klagten über
bitteren Mangel ihrer Land.sleute und Teuerung in der
ressourcenarmen Schweiz.
Um diese Zeit stand das Koqis des FML. Sztäray von
SchaftTiausen durch das Hegau bis Überlingen; das Haupt-
*) K. A., F. A. 1799, Deutschland, XI, 48.
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B a r t ■ c h.
quartier war in Singen. Von Überlingen bis Lindau herrschte
"Williams unumschränkt und als er die beiden erwähnten
Franzosen an einen der beiden Korpskommandanten in
Singen oder Feldkirch abUefeni sollte, bestand er, wie zn
jeder Zeit, hartköpfig auf Ausübung des Seerechtes und ver-
langte, daß man die beiden Männer, welche nach diesem
Eechte als Schift’brüchige anzusehen waren, nicht dem Los
der Kriegsgefangenschaft aus.setzen dürfe. Petrasch (Feld-
kirch) gal) nach und erlaubte dem Oberstleutnant, diese
Leute in einem Patrouillenschilf an die Küste von Rorschaeli
übersetzen zu lassen, obwohl er es ungern sah, daß man auf
solche Weise dem Feinde geradezu zwei Kundschafter in die
Hände gab.
Am 14. November ging denn auch die Übergabe der
beiden Gefangenen unter Austausch einiger Höflichkeiten
vor sich.
Williams benutzte die Zeit unfreiwilliger Walfetmthe,
um den Alarm- und Signaldienst auf dem Ree derart zu ver-
vollkommnen, daß kein Punkt auf der ganzen Ostküste von
den Franzosen hätte angegidtfen werden können, ohne augen-
blicklich die konzeiitn'sche Ausfahrt aller Divisionen, welche
zu Ende November Jiach Fußach, Tnndau, Wasserburg, Langen-
argen, Buchhorn, Hagenau, Meersburg und Staad verteilt
waren, zu veranla.s.sen. Außer den genannten hatte Williams
sogar noch auf dem üntersee an der Reichenau einen ver-
lorenen Posten endchtet, woselbst der Marineoffizier Tau-
lignon zwei Patrouillenschifie kommandierte. Einen genauen
Einblick in Stand, Verteilung und Stärke der Flottille in ilen
Monaten November und der ersten Hälfte Dezember gewährt
nebenstehende Tabelle.
Inzwischen jedoch wuchs die Gefahr von Rorschach immer
mehr. Gegen Ende November erfuhr Williams, welcher sein
Hauptquartier in Inndau aufgeschlagen und das erschöpfte
Bregenz ohne Schift'belag gelassen hatte, daß die Franzosen
nunmehr sogar vom Züricher See Schilfe und Material per
Achse nach Rorschach brächten. Da sie auch eine Anzahl der
im Frühjahr von Fulconis in den Grund gebohrten Schitle
zu heben versuchten, bestand die Gefahr einer bald zu
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Ein Seekrieg in Schwaben.
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Totale der detachierten Kahrsougo : Itf
3G0
B A r t I c b.
erwartenden Übermacht auf Seite der Franzosen. Aber Wil-
liams hatte sich schon seit seiner letzten TJntemehmiuig
körperhch nicht mehr wohl gefühlt und lag nun seit Mitte
November krank darnieder, tinfähig auch nur da.s Zimmer zu
verlassen. — So gewannen die Feinde kostbare Tage ’ i.
Über 80 Pontoniere arbeiteten jetzt zu Rorschach an
der Ausrüstung einer Flottille von 2ä Schiffen, von St. Gallen
kam Geschütz ; schon wurde der Hafen für das Gedränge
der Schiffe zu klein, ein Teil derselben muhte nach Arbon
zur weiteren Mobilmachung gesendet werden. In Rorschacli
stand zudem ein ganz beträchtlicher Munitionspark bereit.
— 20 Geschütze, 60 Munitionskarren. — Alle Anzeichen
deuteten auf einen baldigen Angriff über den See.
Williams, immer noch krank, bezwang seine Schwäche
und zog die Detachements seiner Flottille, welche im nördlichen
Teile des Bodensees standen, gegen die Rheinspitze bei Fußach
zusammen imd bat den Erzherzog um \'erwendung der ihm schon
zugewiesenem Bregenzer Bandesschützenkompagnie zum Dienst
auf der Flottille. Pekuniäre Rücksichten, (die Yeq)flegung
der 74 Schützen hätte monatlich 1700 11. erfordert und die
Reicliskasse war ausgeschöpft) zwangen den Erzherzog, die
Bitte abzuweisen und Williams zu befelden, die Besatzimg
seiner Schiffe mit der Mannschaft der noch immer unarmierten
vier Kanonenschaluppon zu verstärken *).
Der Sicherheitsdienst auf so schwacldoemannten Schiffen
wurde in der rauhen Jalireszeit immer scliwieriger, weil nur
ungenügende Ablösung da war. Das fröhliche Seewesen, das
Leben und die Munterkeit verstummten in jenen langen
Winteniächten, auf welche kalte graue Tage folgten, an denen
mit bedrückender Gleichmäßigkeit ein undurchdringlicher Nebel
über dem See lastete. Die Scliittahrt ■ im Dienste der Sicher-
heit mmde hiedurch fast unmöglich, während der Nebel einen
feindlichen Überfall begünstigte.
Die Zahl der Franzosen aber vermehrte sich am
jenseitigen Seeufer und bei Rheineck, wo ein Übergang
drohte : die Kundschaftsnachrichten sprachen von 10.000-
') K. A.. F. A. 1799, Deutschland, XIT, 41, .">4.
’) Kbenda, 84, 8.Ö.
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Ein Seekrieg in Scliwaben.
361
Williams hatte eine Küste zu decken, welche zwischen
Lindau und Überlingen von Truppen völlig entblößt war und
in deren Mitte ausgedehnte Waldungen sich bis an das See-
ufer herandrängten. Den wenigen Patrouillen, welcher hier
verkehrten, konnte eine Ijandung leicht entgehen, denn der
hartnäckige Nebel verbarg auf kurze Entfeniung das größte
Schiff. Überdies war es das rechte Wetter für die in jener
Zeit so häufigen Deserteure, mit welchen die stets wach.samen
Patrouillenschifte manchmal schwere Kämpfe zu bestehen
hatten').
Unter solchen Drangsalen brach das .labr 1800 heran,
<lessen ersten günstigen Tag, den 11. Januar, Williams
zu einer Ausfahrt gegen die feindliche Küste benützte.
Wohl hatte er gehört, die Franzosen hätten, jetzt mehr
auf einen Rheinübergang bedacht, die Rüstungen am See
eingestellt, doch wollte er sich durch den Augenschein von
der Wahrheit des Gehörten überzeugen und sandte den
Marineoffizier de Bonne von Meersbiu'g zu einer Rekognos-
zienmg an die Schweizer Küste. De Bonne kam vorKeßwil
an, segelte von dort längs der Küste gegen Roman.shorn und
wuirdo von den am Ufer zusammenlaufenden Franzosen natli
erfolglosem Kleingewehrfeuer unerwartet aus Do])pelhaken
(Wallbüch.sen) beschossen, so daß er bald drei Yenvundete
hatte. Es war Ursache zu einer besonderen Unruhe der
Feinde vorhanden, da durch die Ausfahrt de Bonnes in
der Nähe von Altnau eines ihrer größten Schiffe, welches
.soeben gegen Konstanz gebracht werden sollte, bedroht
schien.
De Bonne machte mit seinem Kanonenboot Nr. 3 und
einem Patrouillenschilf augenblicklich Jagd auf das gegen
8 Uhr morgens gesichtete Schiff und verfolgte es bis Bottig-
hofen, wo es sich an die Küste flüchtete.
Der junge Schiftsoffizier beschloß es selbst dort anzu-
greifen, obwohl starke, feindliche Kräfte am Ufer waren. So
entspann sich ein hartnäckiger Kampf*), welcher es de Bonne
erst nach l'/a Stunden möglich machte, das Schill', eines der
') K. A., F. A. 1800, I, 57, 58.
*) Ebenda, ad 28a und b.
f
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362
Bartsch.
gröÜt<'n auf dem ganzen See. zu entern und als gtite Prise
über das Wasser nach Meerslnu-g zu fuhren.
So tapfer sich die Mannschaft de Bonn es hiebei ge-
halten hatte, die schöne Trophäe war teuer erkauft worden.
De Bonne brachte sechs Verwundete und einen Sterbenden
nach Äleersburg und hätte vielleicht sein kühnes Untemehmen
noch schwerer bezahlt, wenn nicht auf den ersten Kanonen-
schuß von der jenseitigen Küste die Divi.sion von Wasser-
burg ausgelaufen wäre, welche unter Kommando eines braven
Unteroffiziers die Kräfte des PViniles bei Güttingen durch
lebhaftes Feuergefecht band und von de Bonnes Unter-
nehmung zum Teil abzog.
Das Schiff, welches de Bonne nach Meersburg ge-
schleppt hatte, war so groll, daß es sich für die Einfahrt als
zu breit envies und nicht einzulnufen vermochte. Es bot Wil-
liams Gelegetdieit, sich wieder einmal für die strikte Hand-
habung des See-, diesmal des Prisenrechtes, einzusetzen'). Er
scheute selbst eine Umgehung des Dienstweges nicht und
wandte sich direkt an Plrzherzog Karl mit dem .Anliegen,
daß das Schiff lizitando veräußert, und der Erlös unter die
Eroberer verteilt werden sollte. Der Erzherzog gestattete das
ungewöhnliche Verfahren, jedoch erhielten AVilliams und
seine Offiziere strengen Befehl, um solcher militärisch nutz-
loser Freibeuterzüge willen keine Menschenopfer mehr zu
bringen. Die Flotte habe .sich nur bis in die Mitte des Sees
zu wagen und Patrouillenfahrten zur Unterdrückung des
Schleichhandels zu machen. Überdies verbot auch FML.
Petrasch solche Fahrten, um den Feind nicht zur Wiederauf-
nahme seiner Flottenrüstungen zu veranlassen.
Wirklich begann zu Anfang des Februar die regste
Tätigkeit den Hafen von Rorschach zu beleben*». Die Franzosen
hoben die versenkten Schiffe und ])umi)ten sie aus. schafften
vom Züricher See zahlreiches Material herbei, befestigten den
Hafen mit Batterien und stellten an die Spitze der mit Eifer
betriebenen jVrbeiten einen ausgezeichneten Marineoffizier,
welcher bald gegen 200 Ponfoniere kommandierte.
') K. A., K. A. ISOO, Deutscliland, I, 42, 4.S.
•) Ebenda, H, 19, 30; III, 6, 9, H, 12, 3.3, 4.3, 84, 99, llO'/i.
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Ein Soekriftg in Schwaben.
363
Schon zu Ende Februar schwammen im Rorschacher
Hafen sechs, mit je zwei Kanonen oder einer Kauoue und
einer Haubitze armierte Schiffe, sechs weitere lagen auf Werft.
Was aber noch gefährlicher schien, war, daß die Franzosen
mit dem Mannschaftsmaterial durchaus nicht sparten und auf
jedes Schiff die fast minötig große Anzahl von 12 Artille-
risten, dann aber 24 Ruderer, geübte Pontoniere, setzten.
Waren so ihre Schiffe, was Armement und Besatzung an-
Inngte, den österreichischen überlegen, so bestrebten sich die
Franzosen überdies, auch in Bezug auf Fülining und Be-
weglichkeit, die Überlegenheit zu erlangen. In der Hälfte des
Februar führen fast alltäglich Parlamentäre unter den nich-
tigsten Vorwänden in großen Booten nach allen Punkten der
österreichischen und reichsdeutschen Küste ; ihre Boote aber
waren mit zahlreichen Pontonieren bemanTit, welche atif
solche Weise Entfernungen, Kurse, Falirwasser und Küste
studierten.
Die sechs fertiggestellten französischen Schalu])pen fuhren
täglich aus dem Rorschacher Hafen aus und übten sich im
Segelmanöver und im Geschütze.xerzieren einzeln und im
Geschwader ; besonders aber fiel au den französischen Pon-
tonieren die ausgezeichnete Rudertechnik auf, welche, mit
größter Präzision gehandhabt, ihren Schiffen eine hohe Be-
weglichkeit verlieh.
Angesichts solcher Umstände machte Williams alle
Anstrengungen, um seine Flotte wenigstens niunerisch zu ver-
stärken.
FML. Petrasch setzte ihn durch Beistellung zweier
Kanonen in stand, zwei der immer noch unarmierten Kanonen-
boote in Dienst zu stellen, auch kam jetzt die Bregenzer
Scharfschützenkompagnie an Bord. .\n der Rheinspitze be-
wachte eine kleine Division die Grenze, und der Hafen
von Buchhorn, gegen welchen die F’ranzo.sen feindliche Ab-
sichten zu hegen schienen, wurde durch Schiffspatrouillen
gedeckt.
.\m 3. März war die französische Flottille segelfertig
geworden. Mit diesem Tage verbot der französische Kommau-
ilantauch den letzten über Wasser gehenden Handelsverkehr, die
Salzschitfahrt, und der verödete See blieb nur mehr den feind-
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364
D A r t s 0 h.
liehen Flotten und nächtlichem Schmuggel als Tummelplatz
überlassen ').
Seit der iMitte Mürz kreuzte eine feindliche Flottille
vor Uttwil und die hiedurch bedrohten benachbarten Kom-
mandanten von Langenargen und Meersbtmg vereinigten ihre
Schifte gegen die vom jenseitigen Ufer drohende Gefahr.
Die französischen Tjandtrupj)en aber sammelten sich
gegen Knde des Monates immer mehr gegen Graubündten
Tind drohten mit einem Übergang bei Rheineck, wo bi.s Mitte
A]iril an 10.000 Mann versammelt waren.
Kun mußte die französische Flottille, schon um die
Aufmerksamkeit von den Landtruppen auf sich zu ziehen,
aus ihrer bisherigen Reserve hervortreten, und es kam am
28. April zur ersten größeren Demonstration, welche sich
bald zu einem förmlichen, auf hohem Wasser ausgefochtenen
Seegefecht entwickelt hätte *).
Um die Bewegungen des Feindes zu rekognoszieren,
war ^[arineoftizier de Bonne am 28. April von Hard aus
gegen die Rheinspitze abgesegelt, hatte dort seine beiden
etwas sch wert alligen Kanonenboote als Reserve zurückgelasseu
und fuhr mit seinem Patrouillenschift’ in die Bucht von Ror-
sehach ein, in welcher er, nur auf etwa 30 Schritt von der
feindlichen Küste entfernt, längs dieser Kurs auf Rorschach
nahm. Sein kühnes LTnteruehmen lockte ihm jedoch ans
diesem Hauptkriegshafen der Franzosen zwei französische
Schalu])pen auf den Hals und de Bonne zog sich, von
ihnen verfolgt, auf die Rheinspitze zurück, wo er nebst seinen
beiden Kanonenbooten die inzwischen hinzugekommeiie Divi-
sion von M'asserburg, fünf Schifte stark, vorfand. Nun wurde
der Verfolger zum Verfolgten, und die acht vereinigten öster-
reichischen Schifte jagten den beiden französischen bis nahe
vor Rorschach nach, aus dessen Hafen nunmehr der ganze
dort befindliche Teil der französischen Flottille ausfulrr, sechs
Schifte stark, um die Fliehenden zu unterstützen. De Bonne
sah sieh plötzlich einer ihm an Schilfszahl gleichen, an Be-
wafthung überlegenen Flottille gegenüber und all dies in
') K. A., F. A. 1800, Deutschland, IV, 44, 57, 93, ad 173.
Ebenda, 1S2, nd 182.
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Kin Seekrieg ia Schwaben.
36. i
beilrolilicher Nähe der feindlichen Hafeuhatterion. Deshalb
ging er nuUer Schußweite der Küstengeschiitee auf den offenen
See zurück und stellte hier seine Schiffe klar zum Gefecht,
um den Angidtf des Feindes zu erwarten, welcher sich eben-
falls in Schlachtlinie entwickelte.
Williams war am Morgen jenes Tages in Dienst-
geschäften abwesend. Nach Lindau zurückgekehrt, hörte er
von der Ausfahrt der Wasserbiirger Division, warf sich in em
schnellsegelndes Patrouillenboot und fuhr in tler Richtung
gegen Rorschacli in den offenen See liinaus, wo er etwa in
der Mitte des Sees die beiden kleinen feindlichen Flotten in
drohender Haltung einander gegenüber erblickte. Eben fiel,
noch auf große Entfernung, der erste Kanonenschuß, als die
Franzosen des Williamsschen Schiftes ansichtig wurden, ab-
schwenkten und in der Richtung auf ihi'en Hafen zu kehrt
machten. Da die Entfernung und die Schiffszald für ein er-
folgreiches Nachsetzen nahe an die Landbatterien des Feindes
heran zu g^oß war, signalisierte de Bonne den beiden Divi-
sionen den Befehl zur Rückkehr in ihre Häfen *).
An demselben Tage, dem 28. April, wurde ein von Langen-
argen gegen Rnmanshom ausgescliicktes östeiTeichisches
Patrouillenschitf, eines der leichtesten und schwächsten der
Flottille, von zwei schweren, ihm weit überlegenen franzö-
sischen Kaiionenschaluppen angefahren und beschossen. Das
österreichische Boot gab auf beide Gegner drei Kanonen-
schüsse ab, worauf die Franzosen unsohlüssig wunlen und
stoppten ; das Patrouillenschiff entkam so luibeschädigt nach
Langenargen *).
-\m 29. April patrouillierte auch Fulconis von Meers-
burg die feindliche Küste von Bottighofen bis Konstanz ab
und fand sie sehr schwach besetzt ; das französische Heer
hatte sich zu den größeren LTnternehmungen nach Franken
und Vorarlberg geteilt.
Der 30. April ließ zwei feindliche, von Rorschacli gegen
die Rheiuspitze vorsegelnde Kanonenboote im Morgennebel
jenes Tages bis auf 200 Klafter an das dort postierte
') K. A., F. A. 1800, Dentsohlnnd, IV, ad 189.
’) Ebenda, 190, ad 190 a, b, 191,
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36(5
Bartsch.
Patrouillenscliiff’ gelajigen, welches gegen die beiden größeren
und besser annierten Boote klar zum Gefecht machte und sie
mit drei Kanonenschüssen aus seinem kleinen Einpfiinder
gegen Arhon zuriickjagte ‘ I.
Immerhin hatten die Ausiuhrlen gezeigt, daß die Franzosen
jetzt gerüstet waren ; der letzterwähnte Versuch des Feindes,
die Bheinsjdtze zu umsegeln, veranlaßte Williams, an die
Errichtung einer Schanze dort zu schreiten, um Bregenz vor
einem Überfall zu schützen.
Gleichzeitig zog Williams die gesamten Kanonenboote
der Flottille am 2. Mai vor Lindau zusammen; an den bisherigen
Ankerplätzen blieben nur die leichten Pati'ouillenboote zurück.
Im Norden des Sees war jedoch die österreichische
Armee damals in vollem Rückzug begritlen. Moreau hatte
schon am 25. April den Rhein überschritten, war gegen Basel
vorgegangeu, hatte den Rhein bei Stein abermals übersetzt
und schlug nun die Österreicher unter Kray am 3. Mai bei
Stockach und am 8. beiMöskirch; die ebenfalls unglücklichen
Rückzugsgefechte bei Biberach und Memmingen am 9. und
10. Mai gaben den Franzosen das ganze nordöstliche Ufer
des Bodensees in die Hände.
Inf(dge solcher Wandlungen drängten und überstürzten
sich jetzt die Ereignisse bei der Flottille.
Schon vom Beginn des Mai au lernten Offiziere und
Mannschaften die Härte der Zeit an dem Bereitschaftsdienst
erkennen, welcher ihnen gebot. Tag und Nacht auf den
Schiffen zuzubringen *j.
Mitten in den eifrigsten Plänen zu einer Offensive auf
Konstanz traf Williams die Nachricht, daß die Franzosen
am 7. Mai in Meersbiu-g eingerückt waren. Der dort statio-
nierte Leutnant Joanovich mußte den See hinab auf Langen-
argen zurückgehen, wobei seine Patrouillenschiffe imausgesetzt
vom Ufer aus beschossen wimlen ; er brachte einige Ver-
wundete mit.
Taulignon in Langenargem rief nun die Unterstützung
Williams’ an“i und der Flottillenkommandant stach am 8. Mai
‘) K. A., F. A. 16tK). Deutschland, V, 21, ad 21a.
’) Ebenda, 44, 59, 64, 80, 90, 96.
Ebenda, 99.
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Ein Seekrieg in Schwaben.
367
selbst in See, um dem vom Feinde besetzten Meersburg einen
überraschenden Besuch zu machen. .Jedoch schon vor Immen-
staad erhielt er von der Küste aus Feuer und war bald in
ein heftiges Ferngefecht mit französischen Tirailleurs ver-
wickelt, welche ihn aus den Weinbergen am Ufer beschossen.
Als der Abend dem Kampf ein Ende machte, fuhr Wil-
liams nach Lindau zimück, wo er einen Befehl seines der-
maligen Korpskommandanten, des Prinzen Keuß, vorfand,
welcher ihm vorschrieb, die Schiffe abzutakeln und alles Ge-
schütz aus Land zu bringen ').
Nun freilich hatten die Franzosen leichtes Spiel. Ihre
Flottille fuhr am 9. Mai auf Langenargen zu, dessen Hafen,
von dem stolzen Schloß der Montforts bewacht, immernoch
durch drei kleine Patrouillenschiffe des Taulignon gehalten
wurde. Diese leichten, nur mit Einpfündern bewehrten Boote
konnten sich den 14 .schweren Kanouenschaluppen der Fran-
zosen nicht widersetzen ; sie brachen aus dem Hafen her-
vor und flohen mit voll aufgesetzten Segeln vor den Fran-
zosen nach Lindau, wo Williams mit Schmerz und Ingrimm
nach der Ausschiffung des Geschützes, welches ohne Lafetten
am Ufer lag, nichts tun konnte, um dem jetzt übermächtigen
Gegner entgegenzutreteii.
Wohl ließen die Franzosen im Angesicht Lindaus von
der Verfolgung ab, aber See und Küste gehörten jetzt ihnen
und wie im vergangenen Frühling die Schweizer, so zogen
jetzt die Schwaben beim Anblick der feindlichen Schiffe längs
des ganzen Ufers vergeblich an den Strängen ihrer Stimm-
glocken.
Die Franzosen hatten den fliehenden Booten des Tau-
lignon nur einen Teil ihrer Flottille nachgesandt und be-
schossen aus den Geschützen der zimUckbleibenden Schiffe
Stadt, Hafen und Schloß *j.
Es läßt sich denken, welchen Eindruck eine solche
Wendung der Dinge auf den bisherigen Alleinherrscher am
See, Oberstleutnant Williams machte! Zudem war ihm das
wackere Seestädtlein Langenargen, damals ein reichsunmittel-
') K. A., F. A. 1800, Deutschland, V, 129.
’) Ebenda, 133.
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368
B a r t I c b.
barer k. k. Kameralort, ans Herz gewachsen. Seine Schüfe
lagen entwaffnet und hilflos vor Lindau, Williams aber raflte
schnell 50 Mann seiner in Auflösung begriffenen Flottille zu-
sammen, erbat sich vom Koriiskommando ein Dutzend Reiter,
nahm einen der zur Verteidigung von Lindau bestimmten
Zwölfpfünder, setzte seine kleine Fnütruppe auf Wagen und
eilte nach Langenargen um die letzte, aber schöne und von
einem warmherzigen EntschluU diktierte Waffeutat seiner
Flottille auf festem TiUnde zu vollbringen.
Er traf den Feind schon ini Ort, drang mit unwider-
stehlichem Elan auf die Übermacht ein und jagte sie in
weuigeu Minuten auf die Schiffe zurück, welche jetzt, zwöh
an der Zahl und jedes mit 60 Mann besetzt, aus 13 Geschützen
und einer Haubitze einen Hagel von Geschossen auf den
einzigen Zwöffptunder entsandte, den Williams mitgebracht
hatte.
Dieser aber, von einem Artilleriekorporal bedient, ließ
sich durch das Feuer von 14 Geschützen nicht zum Schweigen
bringen und zerschoß im Verlauf einer Stunde drei der
französischen Schiffe nahezu bis zur Unbrauchbarkeit. Die
Franzosen, welche ihre Munition schon früher an den Mauern
von Langenargen vergeudet hatten, verschossen sich nach
und nach und gingen, besiegt und abgewiesen, nach dem
Schweizer Ufer ziuück. Wenn zu dieser Zeit nur noch einige
der österreichischen Schiffe gefechtsfähig gewesen wären,
jetzt hätten sie die gesamte französische Flottille in Brand
scliießen und vernichten können.
M'ährend jenes Gefechtes patrouülierten die Reiter
Williams’ — Waldeck-Dragoner, dieselben, welche ihn auf
seinem schönen Zuge nach St. Gallen begleitet hatten —
gegen Buchhorn um das Unternehmen gegen einen Flanken-
angriff zu sichern.
,.Mich schmerzt,” schrieb Williams in dem Bericht
über seine letzte Tat am See, ,,daß die mit so großen Kosten
errichtete Flottille gerade jetzt desarmiert worden, wo ich
gegen den Feind so wesentliche Dienste hätte leisten
können.”
Gerne hätte Williams den armen Langenargnern, welchen
die Franzosen ein drohendes ,,Au revoir!” zugerufen hatten.
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Ein Seekrief? in Schwaben.
369
(len siegreichen Zwölfpfünder zurückgelassen, um den sie ihn
dringlichst baten. Aber er hatte diu'ch seinen Kachezug ohne-
hin wieder einmal die ihm gegebene Befugnis überschritten.
— Zudem ging der Rückzug der Österreicher unauflialtsam
von statten').
Williams kehrte nach Lindau zurück und sandte alles
Material seiner Marine, welches für Pontons gebraucht werden
konnte, nach Kempten, die Artillerie nach Feldkirch. Offiziere
seiner Flottille begleiteten das abfahrende Out. Am 14. Mai
brachte Williams auch das ganze Vei-pÜegsmagazin von
Lindau nach Bregenz, dessen Älagistrat es gegen (iuittung
überaahm.
In Feldkirch stand die Division .Jellachich; Williams
sandte dem Feldmarschalleutnant den grollten Teü der Flottillen-
inannschaft als Verstärkung, er selbst zog sich mit 80 Mann nach
Reutte und von da über den Arlberg nach Landeck zurück. Hier
trat' er seine Offiziere mit dem auf Wagen gelegten Geschütz
und ging mit ihnen nach Innsbruck, wo er die Freude erlebte,
den Dank des Tiroler Korpskommandanten Reuß für die eigen-
mächtige, aber wackere Unternehmung auf Langenargen ent-
gegenzunehmen "j.
Die sechs Marineoffiziere traten in das Tiroler Land-
regiment Neugebauer ein und erlernten in Kufstein nebst der
Armeesprache den österreichischen Truppenilienst, in welchem
sie verblieben.
Die Schiffe der Flottille aber fielen in die Hände der
Franzosen. Damit endete ein Unternehmen, von welchem
gänzlich mit Um’echt gesagt worden ist, daß sein Erl'olg in
keinem Verhältnis zu dessen Kosten stand. Die Aufstellung
einer französischen Flottille machte es zur Notwendigkeit,
auf österreichischer Seite eine gleiche zu errichten und schwere
Brandschatzungen, Überfälle und Landungen des Feindes
wurden von den vorarlbergischen und deutschen Seekreisen
durch ein Kriegsjahr hindurcdi abgehalten.
Vom Mai bis in den Winter des .lahres 1800 und 1801.
bis zum Frieden von Luneville (D. Februar 1801 1 hausten die
') K. A , F. A. 1800, Deutschland, V, 99, 142, 14«. 18«, 194. 29.Ö.
«) K. A., H. K. R. 1800. Ul, 3108.
*) Angeli, Erzherzog Karl.
Mittoilungen des k. und k. Kriegsarohivs. Dritte Folge. IV. Bd. 24
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370
1) a r t 8 0 h.
Franzosen schwer genug an den Ufern des Bodensees. Nach-
dem sie die österreichischen Schiife nufgetakelt. anniert und
seehereit gemacht und hiedurch ihre Flotte stattlich vermehrt
hatten, bedrückten sie das Land mit schweren Eequisitionen
und ließen jeden Ort am Seeufer vor ilmen miausgesetzten
Fahrten und Landungen zittern.
Nach dem Friedensscliluß aber vergaßen die Franzosen
nicht, das gesamte Flottenmaterial in öffentlicher Feilbietung
zu versteigern, um sich eine reichliche Wegzelirung für den
Rückmarsch in ihre Heimat zu verschallen.
Damit kelirten die Kanonenboote Williams’ in den fried-
licheu Dienst zurück, welchem sie vor ihrer Umgestaltung
zu Kriegszwecken angehört hatten und den sie von da
ab migestört weiter ausübten, bis das Dampfschiff' ihrem
Dasein durch allzu erfolgreiche Konkurrenz ein Ende be-
reitete.
Nim wenige solcher schwerfälligen Boote befahren heute
noch den See luid geben Kundo davon, mit welch unzu-
reichendem Material t Isterreich sich an der M'ende des ver-
gangenen Jahrhunderts auch auf dem Wasser Lorbeeren zu
erringen wußte.
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Image
not
a vailable
Von Leipzig bis Erfurt.
Die Yerfolgiing der französischen Armee in den Tagen
vom 18. bis 23. Oktober 1813.
Von
Hauptmami Kerchnawe.
(Mit neun Textskizzen.)
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Allgemeine Situation am Nachmittag des 18. Oktober.
Obwohl sich die große Sclilacht „in den Ebenen von
Leipzig” *) nicht in der Art abgespielt hatte, wie dies vom
Oberkominandanten der verbündeten Heere, FM. Karl J’ürst
zu Schwarzenberg, beabsichtigt war, obwohl an die Stelle
des Kampfes mit verkehrter Front auf der feindlichen ßück-
zugslinie — bei welchem die Übermacht der Verbündeten
umfassend gegen die feindlichen Flanken zur Geltung gebracht
werden konnte — infolge Eingreifens des Kaisers Alexander
in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober*) ein frontales Aus-
ringen getreten war, in welchem nur die bedeutende Über-
macht der Verbündeten schließlich einen Erfolg bringen
konnte®), war doch in den späten Nachmittagsstunden des
18. Oktober die Schlacht für Napoleon endgiltig verloren.
Der kühne, große Spieler, der noch nach dem Lorbeer griff,
als jeder andere bereits das Spiel verloren gegeben hätte,
mußte die Partie um die Weltherrschaft als verloren ansehen,
an die Rettung seiner Krone denken.
') Wiederholter Ausspruch des Fürsten Schwarzenberg in Ge-
-prächen — auch gegenüber Scharnhorst — in Memoires, Brieten etc.
(Prokesch, Denkwürdigkeiten, K. A., F. A. 1813 und Fürst Schwarzen-
bergs PrivatarcViiv.)
Auf Veranlassung Diehitsch’ wurde der Operationsplan ge-
ändert und statt auf das linke Elsterufer mit der Hauptarmee am
rechten Pleißeufer vorgerückt. (Siehe auch Kerchuawe, Aufklärung
und Armeeführung vor Leipzig etc.)
’) 315.(XX) Mann Infanterie und Reiter mit 1467 Feldgeschützen
der Verbündeten gegen 186.000 Mann Infanterie und Reiter mit 721) Feld-
geschützen Napoleons. (Kerchnawe, Aufklärung und Armeeführung
vor Leipzig etc.)
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37i
K e r c h Q H w 6.
Zwar hielten sieh noch die französischen Truppen in
der starken Stellung Connewitz, Probstheida. Stötteritz gegen-
über den Angriffen der verbündeten Hauptarmee, zwar hatte
Bertrands Vor.stoÜ über Lindenau die Rückzugsstraße nach
Lützen freigemaeht und den Truppen Gyulais schwere Ver-
luste beigebracht, aber von Westen und Nord westen drängten
die Truppen der durch das österreichische lA'. Korps und die
2. leichte Division verstärkten Armee Bennigsens, die
Truppen der Nordarmee und des Korps Sacken immer näher
au Leipzig heran, im Norden war die schlesische Armee schon
bis an die Parthe gelangt und selbst die Wegnahme des so
hartnäckig verteidigten, nunmehr aber brennenden und von
einer übermächtigen Artillerielinie der Verbündeten unter
Feuer gehaltenen, wichtigen Probstheidas, des Schlüsselpunktes
der französischen Stellung südlich Leipzig, schien nur mehr
eine Frage weniger Stunden. Daß die verbündeten Herrscher
weitere Angriffe auf diesen Ort verboten, um noch größere
Verluste zu vermeiden, konnte Napoleon nicht wissen'). Und
so gab der große Feldherr, der trotz des verwegenen Spieles,
welches die ganze Schlacht am 18. Oktober eigentlich gewesen,
doch der große Kriegsmeister geblieben, der er stets war, die
Befehle zur Einleitung des Rückzuges.
Bertrands etwa um 11 L’hr vormittags durchgeführter An-
griff mit dem IV’. Korps, der Division Guillerainot des VII.
Korps, der Division Margavon, der Division Lefol, der Brigade
Quinette des 3. Kavalleriekorps und einer zwölf])fündigen Batterie
des V^ll. Korjis *) hatte um so leichterden W eg freimachen können,
als Gyulai den Befehl erhalten hatte, zur Unterstützung der
') Da.s Abrücken der Franzosen über Lindenau— Markranstädt
wurde um diese Zeit den Monarchen bereits bekannt (siehe Seite 37.’>'.
so daß allerdings die schließiicho Räumung Probstheidas seitens des
Oegners zu erwarten war. Andererseits hätte die Wegnahme dieses
Ortes Napoleons Stellung durchbrochen, seine Schlacbtlinie beiderseits
aufgerollt. Bei der Erschöpfung der Franzosen, welche mit Ausnahme
einiger Bataillone alter Oarde keine Reserven mehr hatten, und nach
der nunmehr ausgiebigen Artillerievorbereitung war die Wegnahme
Probstheidas durch die fast ganz intakten russischen Garden und Grena-
diere mehr als wahrscheinlich.
Befehl Neys an Bertrand vom 17. Oktober 1813, nachts.
Polet, Campagne de 1.S13, Art. X.)
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Von Leipzifc bis Erfurt.
375
Kolonne Colloredo nach Cröbern abzuriieken. Er befand sich um
■i Uhr nachmittags im vollen Marsche auf Lützen'), wohin ihm
später das ö. lieservekavalleriekor])s naehfolgte. Nun befahl
der Kaiser auch noch den Abmarsch des 1., 5., sowie des
Restes des 3.*i und 4.’) Reservekavalleriekorps, der Trains,
der zwei Divisionen junger Garde unter Mortier'i und der
leichten Gardekavallerie unter Lefeb vre-Desnouettes*) in
der Richtung auf Lützen. Diesen Truppen hatte, unter dem
Schutze einer aus dem VIII., II., 'NTI. und XI. Korps unter
Macdon alds Kommando gebildeten Nachhut, welche dieLisiero
von Leipzig festhalten sollte, am Morgen des 19. Oktober der
Rest der Armee zu folgen. Zwei Divisionen junger Garde unter
Uudinot hatten bei Lindenau das Pa.ssieren der Elster zu
decken und sich dann als Nachhut anzuschließen.
Bald wälzten sich nun, auch von den auf Baumkronen
und Kirchtürmen etablierten Observatorien des verbündeten
Oberkommandos erkennbar, starke Kolonnen, untermischt
mit langen Wagenzügen, auf der Markransfädter Chaussee
hinaus, durch ihren Abmarsch verkündend, daß der gewaltige
Gegner die Schlacht verloren gäbe.
Maßnahmen der Verbündeten znr Einleitung der Verfolgung
am Nachmittag nud Abend des 19. Oktober.
So heftig der Kampf um diese Zeit (gegen ö Uhr nach-
mittags) auch noch in der Front südlich und östhch von
') Sein Marschziel Wcißenfels erreichte er, uaehJem er die Division
Ouilleminot und einen TeU des 5. ReserveUavalleriekorps in einer Auf-
uahmestellnng bei Dützen zurückgelassen, gegen 2 tJhr nacht.s.
’) Brigade Quinette bei Bertrand detachiert, wahrscheinlich auch
Brigade Avice der Division De France. Die Divisionen Dorge und
Poumier waren auf je eine Kskadron per Regiment, also auf zusammen
zwölf Eskadronen reduziert.
•) 1 Brigade in Dresden, 1 bei Dombro w.ski, Rest 16 schwache
Eskadronen.
*) Siehe .‘knhang l b. Die Division Barois batte jedoch bis zur
Ablösung durch Abteilungen Oudinots hei Lindenau Stellung zu
nehmen.
‘) Siehe Anhang I b. Mit Teilen der Ehrengarden und den
Brigaden Valliii und Pire des 1. Reservekavalleriekorps, zusammen an-
geblich 5000, wahrscheinlich aber nur 3500 bis 4000 Reiter.
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376
Kercbniiw«.
Leipzig tobte, war doch bereits mit dem Moment des Er-
kennens der Einleitung des feindlichen Rückzuges der Augen-
blick gekommen, in welchem von Seite des Oberkommandos
der Verbündeten die MaLinahmeii zur Ausnützung des Sieges,
zur Verfolgung zu treffen waren.
Freilich lagen jetzt die Bedingungen hiezu lange nicht
so günstig, als sie gewesen wären, hätte FM. Fürst Schwarzen-
berg seine ursprüngliche Absicht, den Gegner mit verkehrter
Front zum Schlagen zu zwingen, verwirklichen können, un-
günstig konnte mau sie deshalb aber noch immer nicht
neuneu.
Am linken Elsterufer gegeuüber Lindenau waren bis
18. Oktober vormittags folgende dem FZM. Grafen Gj'ulai
unterstellte Truppen gestaudeu*):
Das III. Korps exklusive Brigade Salins*): 16 Bataillone,
10 Eskadronen, 6 Batterien, zirka 11.000 Mann, 1400 Reiter
und 42 Geschütze,
Die 1. leichte Division: 4 Bataillone, 14 Eskadronen,
2 Batterien, zirka 2000 Mann, 1600 Reiter und 12 Geschütze.
Das Streif korps GL. von Thielemann’): 'A Bataillon,
8'/s Eskadronen, 2 Kosakenregimenter, Vs Batterie, zirka
250 Mann, 1200 Reiter und 4 Geschütze.
Das Streifkorps Oberst Graf Mensdortf: 3 Eskadronen.
2 Kosakenregimenter, zirka 1100 Reiter.
Zusammen: 20'A Bataillone, 3ö'/j Eskadronen, 4 Ko-
sakenregimenter, 8'/* Batterien, zirka 13.250 Mann, 53C0 Reiter
und 56 Geschütze.
Diese Truppen wären wohl hinreichend stark gewesen,
die ihnen gegenüberstehenden französischen Kräfte unter
General Graf Bertrand*) zu binden, ihnen auch nachhaltigen
’) Uie detachierten Abteilungen sind nicht mitgezählt, die Verluste
am 16. Oktober - .schätzungsweise — in .\hschlag gebracht.
’) Brigade Salins : 6 Bataillone, 1 K.skadron, 1 Batterie, mit
4415 Mann und 14.5 Rcitorn bei WeiUenfels und Naumburg. Siehe Tez>-
Skizze 5.
*) Inklusive Stroit korps Boltenstern: 1 Kompagnie preußischer
Oardejäger und zirka KXJ Landwehrreiter und Ko.soken.
b IV. Korps : 30 Bataillone, 2 Eskadronen. ? Batterien, zirka
!KHH) .Mann, 2(nt Heiter, 33 Geschütze. — Division GuUleminot (und
1 Batterie votn VII. Korps): 11 Bataillone, 3 Batterien, zirka 44ÜU .Mann.
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not
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Von Leipzi;^ bis Erfurt.
377
Widerstand zu leisten, als sie gegen 1 1 Uhr vormittags, ver-
stärkt durch die Division Guilleniinot und eine zwölfpfündige
Batterie des VII. Korps, vorbrachen, sie waren aber keines-
falls au.sreichend, einen energischen Durchbruchsversuch der
nach Leipzig zurückgeworfenen, um ihre Existenz käm])fenden
französischen Hauptkraft zurückzuweisen. So günstig FZiSI.
Gyulais Kräfte auch standen, um die französische Rückzugs-
linie zu sperren, so günstig ihre Stellung war, um eine
energische und wirksame Verfolgung einzuleiten, so ist es
dennoch begreiflich, daß sich das Oberkommando der ver-
bündeten Armeen der Sorge um ihr Schicksal nicht erwehren
konnte, falls sich des Gegners Hanptkraft, durch den Druck
der Massen der verbündeten Armeen mit elementarer Gewalt
auf ihre natürliche Rückzugslinie gedrängt, nun auf diese
relativ schwachen, eben diese Rückzugslinie sperrenden Ab-
teilungen stürzte. Dies muß bei jenen Maßnahmen des Ober-
kommandos, welche FZM. Gyulais Kraftgruppe betrafen, wohl
berücksichtigt werden.
Eine im Laufe des Vormittags in den Kämpfen bei
Dölitz eingetretene Krise hatte aber außerdem FM. Fürst
Schwarzenberg bewogen, dem FZM. Gyulai den Befehl
zu schicken, die Straße über Markranstädt nur durch die
leichten Truppen beobachten zu lassen, mit dem Gros seines
Korps aber sofort nach Cröbem zur Unterstützung der
Kolonne Hieronymus Colloredo abzurücken'). Obwohl diese
Krise durch das Eingreifen anderer, näher stehender Truppen
paralysiert worden war, war doch keine Möglichkeit vorhanden,
diesen gerade zur ungünstigsten Zeit bei FZM. Gyulai ein-
langenden Befehl rechtzeitig zu widerrufen.
Der Überbringer dieses mündlichen Befehles, Hauptmann
des General quartiermeisterstabes Freiherr von Lilie nhof-
Adelstein, welcher bereits auf seinem Wege die Kolonne
-I Geschütze. — Division Margaroii : 4 Bataillone, 2 Batterien, zirka
iKkjn Mann, 10 Geschütze, — Division Lefol ; 4'/« Bataillone, zirka
2000 Mann. — Division Do France (eventuell nur Brigade Quinette
allein): 11 Eskadronen, 1 Batterie, zirka 131K) lieiter, 6 Geschütze. — In
i^nmme: 49'/» Bataillone, 13 Eskadronen, V Batterien, zirka 17.400 Mann.
l.'tOO Beiter. 73 Geschütze.
') K. A., F. A. 1813, Gyulai, XllI, 220, Operatiousjournal.
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378
Kerchnawe.
Crenneville bei Gautzsch im Sinne seines Befehles zum Halten
veranlaßt hatte, erschien beim Kommandierenden des HI. Korps
gerade in dem Moment, als dieser die Hauptkraft seines Koq>s
in einer Stellung östlich Groß-Zschocher versammelt hatte
und sich nun zu nachhaltigem Widerstand anschickte.
FZM. Gyulai befahl nun den Abmarsch des Korps
in Staffeln vom linken Flügel in der Richtung auf Knaut-
hain, welchen die durch eine zweite Brigadebatterie ver-
stärkte Brigade Csollich'), sowie die Kavallerie des Korps,
die leichte Division FML. Moritz Liechtenstein und der beiden
Streifkorps Mensdorffs und Thielemanns in der Stellung
bei Groß-Zschocher zu decken hatten. Diese Brigade hatte zu
folgen, sobald das Gros der Infanterie in Knauthain eingetroflen
war. Auf dem linken Elsterufer verblieben außer der genannten
Kavallerie nur noch die Reste der wenigen leichten Bataillone
der Division Liechtenstein*), alles in allem 3 schwache Bataillone
(etwa 1 500 Mann), 35' /a •) Eskadronen, 4 Kosakenregimenter^) mit
zirka 5300 Reitern und 16'’) Geschützen. — Diese Kräfte waren
wohl zu schwach, dem Abmarsch Bertrands und der ihm .später
folgenden Heereskörper •') ernstliche Hindernisse zu bereiten.
Nachdem das Gros der Infanterie des III. Korjis Gautzsch
erreicht hatte — es mochte zwischen 2 und 3 Uhr nach-
mittags sein — gab FZM. Gyulai, welcher mittlerweile durch
eigenen Augenschein wnlirgenommen hatte, daß der Kampf
zwischen Dölitz und Connewitz wieder eine für die verbün-
deten Waffen günstige Wendung genommen hatte’) und bei
') Infanterieregiment Xr. I, zwei Bataillone, Infanterieregiment
Xr. 41, drei Bataillone, zusammen zirka 3450 Mann mit 16 Geschützen
*1 1. und 7. Jäger- und 1. Brodor-Bataillon. Das 1. Jägerbataillon
hatte bei Klein-Zschocher nahezu die Hälfte seines Standes eingebüßt,
daher waren diese drei Bataillone nur mehr zirka 1500 Mann stark.
Das 2. Jägerbataillon der Division Liechtenstein war nach Xordeu ab-
gfdriingt worden und hatte sich dem Korps Yorck angeschlo.ssen.
’) 14 der Division Liechtenstein (2 detachiert bei Platow), 10 der
Division CrennevUle, 8' > von Thielemann, 3 von MensdorlT.
*1 2 von Thielemann. 2 von Menadorlf.
‘i 12 der Division Liechtenstein, 4 von Thielemann.
Siehe Seite 375 und Anmerkung 4 auf Seite 376.
’) K. A., F. A. 1813, Gyulai. XIII, 220, Operationsjournal. Nähere
Zeitangabe fehlt.
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Von Leipzig bis Erfurt.
379
welchem fortwährend dringende Meldungen der zur Beob-
achtung des Gegners zurückgebliebenen Abteilungen — be-
sonders von GM. von Scheither*) — und von dem bei
ischleußig stehenden Detachement Simbschen*) des II. Korps
über den Rückzug des Gegners einliefen’), seinem Korps den
Befehl zum Halten und Aufschließen. Der Übergang bei
Knauthain war stark besetzt geblieben, um sich die Möglich-
keit eines Uferwechsels jederzeit zu wahren^). Dem Ober-
kommando war von den getroffenen Verfügungen sowie davon
Meldung gemacht worden, daß der Feind anscheinend allge-
mein den Rückzug angetreten habe. Gleich nachdem Gy ul ai
sein Korps zum Halten befehligt hatte, langte ein Ähnliches
anordnender mündlicher Befehl des Oberkommandos an’).
Bald darauf kam ein neuer, nunmehr aber schriftlicher
Befehl ®), welcher deni Feldzeugmeister eröffnete, daß die
Stellung des Hl. Korps am linken Elsterufer für die allgemeine
Lage von höchster Wichtigkeit sei, daß es sich für das Korps
aber nicht darum handle den Feind selbständig zu schlagen, son-
dern festzustellen, welche Rückzugslinie der Gegner nähme,
ihm auf seinem Rückzug möglichst Abbruch zu tun, auf alle
Fälle aber die über Pegau und Zeitz führenden Straßen fest-
zuhalten. Auch wurde das Korpskommando angewiesen, die
Detachements Murray und Salins in Weißenfels, beziehungs-
weise Naumburg vor überlegenen feindlichen Kräften auf
Zeitz znrückzuziehen und bei Naumburg nur die jenem Deta-
chement zugeteilte Eskadron von Rosenberg-Chevaulegers
unter Rittmeister Zadubsky am linken Saaleufer zur Beob-
achtung des Gegners zurückzulassen. Dieser Befehl wurde
sofort in entsprechender Fassung an FML. von Murray in
') Expediert ’üS Uhr nachmittags. (K. A., F. A. 1813, Haupt-
armee, X, 464.
’) 1 Bataillon Kaunitz Nr. 90, 1 Bataillon Grndiskaner, BrigadO-
batterie, Eskadron von Kieumayer-Husaren Nr. 8.
’) Expediert um 'AB Uhr nachmittags. iK. A., F. A. 1813, Haupt-
armee, X, 463.)
*) Die Stärke der Besatzung nicht angegeben. (K. A., F. A. 181.3,
Gyulai, XIII, 290, Operation.sjournal.)
•) Ebenda.
•) K. A., F. A. 1813, Gyulai, XIII, 220. Operation.sjournal : ferner
K. A., F. A. 1813, Hauptannee, X, 46.7.
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380
Korchnawe.
Weißenfels und GM. Freiberrn von Salins in Naumburg
weitergegeben, außerdem General Thielemann und Oberst
Mensdorff sowie die Kavallerie der Divisionen Liechtenstein
und Crenneville angewiesen, gegen die feindliche Eück-
zugslinie vorzugehen und dem Gegner kräftigst Abbruch zu tun.
Um ’Aö Uhr abends ') wurden beim Armeeoberkommando
noch weitere Maßnahmen zur Verfolgung betreffende Befehle
ausgefertigt; der wichtigste dieser Befehle, der an FZM. Graf
Gyulai gerichtete, orientiert vollkommen über die Absichten
Schwarzenbergs. Er lautete:
,,Der Feind ist von allen Seiten gedrängt und zieht sich
wahrscheinlich gegen Naumburg. Wenden Eure Exzellenz alle
Kräfte an, um ihm dort zuvorzukommen und die Stellung bei
Kosen zu besetzen. Die Brücke daselbst muß aufs äußerste
verteidigt werden.”
„Die ganze österreichische Kavallerie und das II. Armee-
kor])S konzentrieren sich morgen früh um 7 Uhr bei Pegau,
um von dort aus die Direktion auf Naumburg zu nehmen,
welche Eure Exzellenz allein ihnen richtig anweisen können. Ich
kann von hier aus nicht beurteilen, ob und wann Eure Exzellenz
diese Aufgabe vollziehen werden. Sind Sie zu sehr gedrängt,
so bleibt Ihnen nichts übrig als sich auf Zeitz zu ziehen. Sie
müssen dann die Bagagen der Armee von Zeitz auf Alten-
burg schicken.”
,,Wenn Sie in der Position von Kosen mit zu über-
legener Macht angegriffen würden, so müssen Sie die Brücke
verbrennen und sich auf Saalfeld retirieren.”
,,Es versteht sich von selbst, daß Sie alle Mittel
anwenden, um dem Feind, der einen verzweifelten
Rückzug macht, so viel Schaden zu tun als möglich.’
„Auf den Fall müssen Sie sich in acht nehmen, daß Sie
nicht selbst aufgerieben werden, und wenn der Weg zum Rück-
zug offen ist, den Feind bloß stark mitKavallerie zu verfolgeiVi. '
An den Interimskommandanten des U. Korps, FML.
Lederer und den Kommandanten der österreichischen Reseive-
') Diese Zeit ist nut üon Konzepten der Befehle für FMJj. Freiherm
von Lederer (K. A,, F. A. 1813, Hauptarinee, X, 4ö7), FML. Graf
Kostitz tKbenda, 46ti) und FZM. Graf Gyulai (Ebenda, 465) vorgemerkt.
’) K. A., F. A. 1813, Hauptarniee, X, 465.
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Von Leipzig bis Erfurt.
381
kavallerie, FML. Nostitz ergingen Befehle, ihre Truppen um
7 Uhr früh bei Pegau zu sammeln und sich dort an das Korps
Gyulai anzuschließen. G. d. K. Graf Klenau wurde ange-
wiesen, die Reservekavalleriebrigade Desfours an FML. Nos titz
abzugeben, FML. Graf Bubna erhielt den Befehl, im Laufe
des 19. Oktober nach dem linken Flügel abzurücken, um im
weiteren Verlauf die Avantgarde der Hauptarmee zu bilden;
ein ähnlich lautender Auftrag erging an den bei Holzhausen
stehenden Ataman Grafen Platow. Dem General von Blücher
wurde die Aufforderung übersendet, das Korps A'orck auf
Merseburg abrücken zu lassen.
Nach dem „Tagebuch eines Veteranen*)” und nach der
Schilderung Prokesch’*) hatte Kaiser Alexander bei der
am Schlachtfeld über die zur Einleitung der Verfolgung ab-
gehaltenen Beratung versprochen, daß auch die gesamte rus-
sische Kavallerie zur Verfolgung des Gegners zur Verfügung
gestellt werden würde*), aber FM. Fürst Sohw'arzenberg
setzte in dieses Versprechen so wenig Vertrauen, daß er beim
Wegreiten zu seiner Umgebung sagte :
„Wir werden morgen wohl nicht viel von den ver-
sprochenen 120 Eskadronen zu sehen bekommen*).”
Ferner wurde vereinbart, daß nach Vertreibung des
Gegners aus Leipzig die Hauptarmee im allgemeinen in dessen
südlicher, die schlesische Armee in dessen nördlicher Flanke
folgen sollten, während die Nordarmee in der Front nach-
zudrängen hatte. Die polnische Armee wurde zur Einschließung
Saint Cyrs in Dresden bestimmt*).
') Tagebuch eines Veteranen, Arineeblatt, 18.S3, nach K, A., F. A.
IS13, Hanptarinee, X, 760.
’) Prokesch, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des FM. Fürsten
zu Schwarzenberg.
*) Kaiser .\lexander soll zu seinen (leneralen folgendes gesagt
haben : ,. Messieurs les generaux russe.s ! Vous allez recevoir les ordres
de Mr. raarechal prince de Schwarzenberg, iju’on se prepare du
combat pour la journee demain, comme si de rien u’etait. Monsieur le
marechal, il y a cent vingt escadrons russes et prussiennes h votre
disposition, j’aime u croire, qu’ils vous rendront de bons Services.”
(Tagebuch eines Veteranen, Armecblatt, 1H33, nach K. A., F. A. 1.S13,
Hauptarmee, X. 760.)
*) Ebenda.
*) Die polnische Armee debouchierte aber am 20. Oktober aus
Leipzig in westlicher Richtung, vor der Nordarmoe, weshalb ihr dann
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382
Korchnawe.
Die Idee, mit den Hauptkräften eine Parallelverfolgaug
einzuleiten., wozu besonders die Hauptarmee in einem zur
feindlichen Rückzugslinie äußerst günstigen Verhältnis
stand, während in der Front nur schwächere Kräfte nach-
drängen sollten, ist gewiß die zweckmäßigste, welche das
Oberkommando der verbündeten Armeen am Nachmittag
des 18. Oktober fassen konnte. Daß diese Idee schon jetzt
gefaßt wurde, wo man in der Front noch heftig kämpfte,
beweist, daß es dem Oberfeldherrn der Verbündeten an Vor-
aussicht, Wagemut und Entschlossenheit nicht fehlte, beweist,
daß ihm trotz seines edlen menschlichen Herzens doch auch
jener „mitleidlose Wille” zu eigen war, welcher nach Moltke
dazu gehört, um von siegreichen Truppen, welche soeben das
Äußerste getan, noch weitere Anstrengungen und Opfer zn
fordern. Man muß dabei berücksichtigen, daß die mehrtägigen
Kämpfe bei Leipzig an die Truppen Anforderungen gestellt,
wie sie sonst die Kriegsgeschichte nur selten aufweist.
Die zur Einleitung der Verfolgung in Aussicht genom-
menen Truppen*) waren auch ohne die sagenhaften 120 rus-
sischen Eskadronen, von welchen man außer den Kosaken
wirklich nichts zu sehen bekam, mit ihren zirka 43.000 Mann,
Ki.800 Reitern und 246 Geschützen stark genug, um die Ab-
sichten der höheren Führung vollauf zu verwirklichen.
Gewiß hätte sich noch ein mehreres tun lassen. Die
russischen Garden und Grenadiere, welche man bei Probst-
heida ohnedies nicht mehr mittuu ließ, die russische Reserve-
kavallerie hätten nach Einbruch der Dunkelheit ebenfalls
gegen Zwenkau verschoben und am nächsten Tage zur Ver-
folgung eingesetzt w'erden können, wobei für die Herstellung
einer Anzahl feldmäßiger Übergänge über Elster und Pleiße
die Verfolgung in der Front übertragen wurde, wahrend an ihrer Stelle das
Korps Klenau — exklusive der Kiivallericbrigade Desfours — nach
Dresden bestimmt wurde. (K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 49.j'/i.)
') Österreichisches II. Korps T8 Bataillone, 12 Eskadronen, .ÖO Ge-
schütze); 111. Korps (22 Bataillone, 11 E.skadronen, 50 Geschütze); 1.
leichte Division (4 Bataillone, 16 Eskadronen, 12 Geschütze); 2. leichte
Division .äV« Bataillone, 16 Eskadronen. 12 Geschütze), österreichische
Reservokavallerio mit Brigade Desfours (38 Eskadronen, 12 Geschütze);
Korps Yorck (;{5’.'* Bataillone, 43 Eskadronen, lÜO Geschütze) ; die Ötreif-
korps Platow, Thielemaim und Meiisdorff.
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Von Leipzig bii Erfurt.
383
rechtzeitig vorzusorgen war, um ein Anstauen von Truppen
an der Brücke bei Pegau zu verhindern. Ja, es hätte noch
weitergegangeu, der Angriff auf Leipzig am 19. überhaupt
der Eeserv'earmee und der Nordarraee und dem an erstere
angeschlossenen Korps Klenau übertragen, die ganze Haupt-
armee aber nach Ablösung der Truppen Klenaus und Ben-
nigsens im ^'erlauf des Abends und der Nacht im Raume
zwischen Pleihe und Elster, Front nach West bereitgestellt
Werden können, — mar.schierto der geschlagene Feind in der
Nacht ab, hätten es wahrscheinlich die Sieger auch vermocht,
aber ....
Einer derartigen Verwendung der Garden und Grena-
diere hätte Kaiser Alexander schwerlich seine Zustimmung
gegeben. Sie waren Elite- und Reservetruppen, welche nur
im äußersten Notfall Verwendung finden durften, so bei
Kulm oder während der Krise am 16. Oktober, sonst aber
wurden sie tunlichst geschont und gepflegt, ja sogar durch
andere Truppen „gedeckt und gesichert” — auf ein volles
Eintreten der Nordarmee an Stelle der abmarschierten Haupt-
armee war aber bei dem Charakter ihres Führers noch
weniger zu rechnen; bedurfte es doch wiederholten Antriebes
und der ganzen Selbstverleugnung Blüchers, um den Kron-
prinzen von Schweden am 18. zum Angriff zu bewegen —
und da kam er beinahe zu spät und „piaffierte nur", wie es
Napoleon von ihm richtig vorausgesagt hatte.
Zur Ausnützung des errungenen Erfolges — dessen
ganze Größe man am Abend des 18. Oktobers freilich noch
nicht erfassen konnte — genügten aber die von FM. Fürst
Schwarzenberg bestimmten rund 60.000 Mann intakter
Truppen vollkommen, wenn sie nur in der vom Feldmarschall
geplanten Richtung zweckmäßig und energisch verwendet
wurden.
Es sollte aber noch manches anders kommen.
Ereignisse bei den zur Verfolgung bestimmten Truppen bis
zum Treffen bei Küseii ; GegcnmaUnuhmeu Napoleons.
.\ls im Laufe des Nachmittags des 18. Oktober immer
neue Abteilungen der Franzosen und starke Trains auf der
Straße gegen Markranstädt abzogen, ging die nördlich
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384
Kerchnawe.
Knauthain zurüekgelassene Kavallerie sofort gegen diese vor
und blieb mit dem Gegner in steter Fühlung.
Wiederholt gelang es, in die Kolonnen einzubrechen:
10 Munitionswagen, zahlreiche andere mit Bagage aller Art
beladene Fuhrwerke, mehrere hundert Gefangene und eine
Anzahl Pferde *) fielen in die Hände der verbündeten Eeiter.
bei welchen sich besonders die Kosaken des Korps Thiele-
niann unter Oberst Graf Orlo w-Denissow und Oberstleutnant
von Bock durch Unternehmungslust auszeichneten.
Fortwährende Meldungen an FZM. Gyulai hielten
diesen stets Uber die Situation am laufenden ’i. Als daher
gegen 8 Uhr abends der Befehl des Oberkommandos ein-
traf, dem Gegner bei Naumburg zuvorzukomraen *), konnte
gleichzeitig mit dem Empfang dieses Befehles noch gemeldet
werden *), daß die über Lindenau vorgegangene Kolonne
um ’/jt) Uhr abends mit der Tete Lützen erreicht, mit
der <iueue Markranstädt passiert habe, daß sich bei letzterem
Orte drei feindliche Lager befänden*), daß diese Kolonne aus
dem IV. Korps und einer italienischen Division bestände und
unter Kommando des Marschalls Bertrand stünde und von
dem größten Teile der kaiserlichen Garde °) gefolgt werde,
welche anscheinend den Weg auf Merseburg einschlage ').
In Ausführung des erhaltenen Befehles wurden General
Thielemann und Oberst Mensdorff angewiesen, den
Marsch des Feindes nach Weißenfels nnmittelbar zu
') K. A., F. A. 1813, Ilauptarmee, X, 4ü7 g und Ke yserliiigk,
.■Vus der Kriegszeit.
’) Meldungen Thielemanns, Mensdorffs, Scheitliers etc.
(K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 4.Vr bi.s 4(i8.)
Siehe Seite H80.
*1 K. A., F. A. 1813. Hauptarmee, X, 4G7.
') Tatsächlich hatte Bertrand dort die Division Guilleminot und
das Keservekavallerieliorps als Aufnahme für .\lortior zurOck-
gelassen.
•) Es folgten zunächst allerdings nur zwei Divisionen junger
Garde unter .Mortier, zwei unter Oudinot verblieben bei Lindenan,
die alte Garde bis zum li). früh in Leipzig. (Pelet, Campagne de
1813, Art. X, und Corrcspondance de Napoleon I., XXVI.)
') War tatsächlich der Fall, doch wurde nach Südwesten abgc-
bogen. als die Meldung eintraf, daß Merseburg bereits von den Preußen
besetzt sei.
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Von Leipzif^ bis Erfurt.
385
kotoyieren, die Division Hessen-Horabm-g brach sofort über
Zwenkau nach Pegau auf. Die bei Knauthain stehende
Keserveartillerie des Korps wurde der Division über Zwenkau
nachgesandt. Zwenkau blieb von einem Bataillon besetzt, die
Elsterbrücke an der Straße Zwenkau — Knauthain wurde hinter
der Reserveartillerie abgebrochen. Um 2 Uhr nachts folgte
der Division Hessen-Horaburg der Rest der FZM. Gyulai
unterstellten Truppen in zwei Kolonnen, und zwar die ganze
Kavallerie — exklusive Detachement GM. Scheither*) — als
rechte Kolonne am westlichen, die Brigade Weigel sowie die
fünf Bataillone*) der Divisionen Crenneville und Liechtenstein
als linke Kolonne am östlichen Pleißeufer.
Bei Pegau, wo die letzten Truppen gegen 7 Uhr früh
einlangten, wurde gerastet und abgekocht. Dort war mittler-
weile auch das U. Korps unter FML. Lederer und die
österreichische Kavalleriereserve eingetroflen.
Ein Detachement unter GM. Scheither*), welches
beauftragt war, mit dem Gegner in Fühlung zu bleiben und
dessen Marsch auf Naumburg in der Flanke zu begleiten, war
vorläufig nördlich Gautzsch stehen geblieben und hatte die
ganze Nacht hindurch durch regefs Patrouillieren alle Be-
wegungen des Gegners konstatiert.
Über den Gegner vvareu von GM. Scheither sowie
von Thielemann und Mensdorff im Laufe der Nacht zahl-
reiche Meldungen eingetroÖen, aus welchen hervorging, daß
Bertrand Weißenfels um 7 Uhr abends erreicht habe, daß
um diese Zeit auch die bei Lützen gestandenen Truppen
gegen Weißenfels aufgebrocheii waren und auch die in großen
Lagern bei Schönau gestandenen Truppen die Bewegung auf
Lützen aufgenommen hatten.
Außerdem erhielt FZM. Gyulai in Pegau von FML.
Murray Meldung, daß er um 5 Uhr nachmittags vor den
*) Die Bogimenter Vincent-Chovaulegors clor Division Liecliten-
stein, Rosenberg-Chevanlegers der Division Crenneville, 'h Kavallerie-
Batterie, zusammen 10 Kskadroiien mit zirka 1000 Beitem und 4 (ie-
schützen.
’) Die beiden Warasdiner-Bataillone der Division Crenneville, das
2. und 7. Jägerbataillon und das Broder-Bataillon der Division Liechten-
stein. Das 2. Jägerbataillon dieser Division war beim Korps Yorok.
•) Siehe Anmerkung 1.
HitteiLungen des k. und k. Kriegearnhivs. Dritte Kolge. IV. Bd. 2o
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3ö6
Kerohnawe.
Spitzen Bertrands, entsprechend den Befehlen des Armee-
kommandos, Weihenfels geräumt habe und um 3 Uhr früh
in Zeitz eingerückt sei, wo er sich um 7 Uhr früh auch mit
GM. Salins*) vereinigt hatte, welcher mit acht Kompagnien
Erzherzog Ludwig um 1 1 Uhr nachts von Naumburg nach Zeitz
abmarschiert war. Eine Kompagnie Warasdiner war in Naum-
burg verblieben, um die von Kosen, Camburg, Preyburg und
Dornburg einrückeuden Kompagnien von Erzherzog Ludwig
aufzunehmeu und eine von Major des Generalquartiermeister-
stabes Graf Gatterburg geleitete Requisition zu decken. Die
Brücken bei Weihenfels und Naumburg waren zerstört
worden, jene bei Preyburg aber auf Ansuchen des preußi-
schen Parteiführers Major von Hellwig unbeschädigt ge-
blieben. Bei Weihenfels hatte man bis zum Eintreffen des
Befehles, diesen Ort vor überlegenen feindlichen Kräften zu
räumen, d. h. bis um ö Uhr nachmittags des 18. Oktober
an den anbefohlenen Versohanzungen gearbeitet*).
FZM. Gyulai beabsichtigte, nach dem Abkochen so-
bald die Truppen einigermaßen ausgeruht waren, den Marsch
in der anbefohlenen Richtung auf Naumburg anzutreten. Die
eingegangenen Meldungen machten ihn in diesem Entschluß
ebensow'enig irre wie die später eingetroffene Meldung GM.
Scheithers, daß der Gegner die von den kaiserlichen Truppen
bei Weihenfels aufgeworfenen Verschanzungen besetzt und
armiert habe®).
Als aber beiPML. Nostitz der von Rötha, V*9 Uhr abends
des Vortages, datierte Befehl des Armeeoberkommandos einlief,
daß infolge nicht genügender Klärung der Lage und Unkenntnis
der Absichten des Gegners „es für den 19. von der beabsich-
tigten Konzentrierung des II. Armeekorps und der Reserve bei
Pegau abzukommen habe, wovon auch PML. Freiherr von
Lederer zu verständigen sei*)”, auf welchen Befehl hin
PML. Nostitz und Lederer ihre Korps wieder umkehren
liehen, verschob auch FZM. Gyulai, welcher über die Situa-
*) Verteilung der Brigade Salins, siehe Texiskizze 5.
*) K. A„ F. A. 1813, Hauptarmee, X, 172, 473, 474, 475 und
Gyulai. XIII. 220, Operationsjournal.
Kbenda, Gyulai, XIII, 220, Operationsjournal.
*) Ebenda, Hauptarmeo, X, 473.
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Von Leipzig bis Erfurt.
387
tion bei Leipzig gar nicht orientiert war, den Abmarsch. Die
Hauptursache dieser Maßregel war der Umstand, daß der eben
zitierte Befehl nahezu vier Stunden später ausgefertigt worden
war als jener, welcher dem Korps Gyulai ebenso wie den
beiden anderen Armeekörpem die Versammlung bei Pegau
aubefohlen hatte. FZM. Gyulai nahm hiebei an, daß der
Offizier, welcher ihm einen neuen, ähnlichen Befehl zu über-
bringen gehabt, in der Dunkelheit irregeritten oder ge-
stürzt sei. Gleichzeitig ließ er beim Oberkommando neue
Befehle erbitten ').
Als bis 3 Uhr nachmittags keine neuen Weisungen
des Armeeoberkommandos eingelangt waren, befahl FZM.
Gyulai um 4 Uhr nachmittags, den Marsch auf Tauchern
(9 Kilometer südlich von Weißenfels) in zwei Kolonnen an-
zutreten ®).
Die Übergänge von Zwenkau und Knauthain blieben
bis zur Ablösung durch Truppen der Hauptarmee durch je ein
Bataillon besetzt. GM. Scheither wurde angewiesen, die
Aufklärung fortzusetzen, das Korps am 19. in der rechten
Flanke, am t’O. aber im Rücken in der Richtung auf Weißen-
fels zu sichern und sich sodann wieder an das Gros auzu-
schließen.
Bei Naumburg war es im Laufe des 19. bereits zu Zu-
sammenstößen mit Abteilungen Bertrands gekommen. General
Bertrand, welcher mit seinen Spitzen gegen 7 Uhr abends
des 18. Oktober, mit dem Gros um 2 Uhr nachts auf den
19. Oktober Weißenfels erreicht hatte, traf sofort Anstalten
auch den wichtigen Knotenpunkt Naumburg und die dortigen
Saaleübergänge in Besitz zu nehmen und detachierte im
Laufe des Vormittags eine starke Abteilung, vornehmlich
Kavallerie, nach Naumburg.
■) K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 471 ; ausgefertigt V>8 Uhr
vormittags.
•) Rechte Kolonne unter FZM. Gyulais persönlicher Führung:
Division Liechtenstein, Division Crennoville, Division Hessen-Homburg,
Brigade Csollich in der direkten Richtung auf Teucheni ; linke Kolonne
unter FML. M urray, Brigade Salius (exklusive der fünf Kompagnien in
Xaumburg) und Reserveartillerie von Zeitz auf Meineweh vier Kilometer
südwestlich Teucliern. (K. A., F. A. 1813, Gyulai, X, 56 und XIII, 220.)
2.‘>*
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388
Kerohnawe.
Hier hatten sich mittlerweile die 4 an den ! Irücken bei
Kosen, Camburg, Dornburg und Frey bürg detachier gewesenen
Kompagnien und die Eskadron von Eosenberg-C bevaulegers
unter Rittmeister Zadubsky konzentriert, so daß Major
Gatterburg über 6 Kompagnien'), 1 Eskadron md 2 drei-
pfündige Geschütze verfügte. Im Laufe des Vormi tags langte
auch noch Major von Boltenstern mit seinem 3treifskorps
an*). Auf die Nachricht, daß der Gegner von M'eißenfels
nnrücke, ging ihm Major Gatterburg, die Wiel tigkeit des
Besitzes von Naumburg für die Verbündeten erkeni end, sofort
mit allen seinen Streitkräften entgegen. Die schwat hen Reiter-
abteilungen attackierten auf der Straße ein vorgescho oenes feind-
liches Kavallerie-Detachement, warfen es auf das Gros zurück
und nahmen ihm 20 Gefangene ab. Der Gegner, welcher Kräfte
aller drei Waffen vor sich sah, ferner russische, preußische
und auch österreichische Truppen konstatieren kennte*) und
sich außerdem in der linken Flanke durch Kosaken bedroht
sah, vermutete Naumburg sehr stark besetzt und ging auf
Weißenfels zurück, jede fernere Unternehmung gegen ersteren
Ort unterlassend.
Im Laufe des Nachmittags langten immer weitere Ab-
teilungen bei Naumburg ein. Vorerst die anscheinend die
Vorhut Plato ws bildenden Kosakenregimenter Illowaiski XII,
Grekow 1 und Grekow Vlll unter GM. Illowaiski*), welche,
im Vormarsch auf Naumburg begriffen, gegen die linke
Flanke der auf Naumburg vorgegangenen französischen Ab-
teilungen demonstrierten, um halb ö Uhr abends endlich
Thielemanns Streifkorps, so daß nun in Naumburg hin-
reichend Truppen standen, um diesen durch Major Gatter-
burgs ebenso kühnes als geschicktes Benehmen den Ver-
*) 4 von Erzherzog Ludwig, 1 Kompagnie Warasdiner.
’) 1 Kompagnie und freiwilliges Jagcrdetachement der preußischen
Gardejäger (zirka 2.Ö0 Mann), 50 Mann preußische Landwehrkavallerie.
30 ukrainische Kosaken.
’] Unter dem etwa 1000 .\fann Infanterie, 20U Beiter und zwei
Geschütze starken Detachement Gatterhurg waren inkl. der .\rtillerie
nicht weniger als 7 'rruppengattungeu vertreten : Erzherzog Ludwig-
Infanterie, Warasdiner-Crouzer, preußische Gardejüger, österreichische
Chevaulegers, preußische Landwehrkavatlcrie und ukrainische Kosaken.
‘i Vom Korps Wittgenstein.
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Von Leiptig bis Krfurt.
389
bündeten erhaltenen wichtigen Ort gegen französische An-
grifie bis zum Eintreffen der Teten Gyulais zu halten. Oberst
Xlensdorff, der mit seinem Streifkorps von GL. Thiele-
mann zur Beobachtung des bei Weißenfels stehenden Gegners
bei Prittitz (zirka 4 Kilometer südwestlich Weißenfels) zurück-
gelassen worden war, trug hiemit ebenfalls zur Sicherung
Naumburgs bei. Zwischen Mölsen und Göthewitz stand.
Weißenfels von der Südseite beobachtend, das Detachement
GM. Scheither, welches tagsüber feindliche Aufklärungs-
abteilungen aus Starsiedel, Groß- und Klein-Görschen vertrieben
und zahlreiche Gefangene gemacht hatte*).
Das Gros des Korps Gyulai war, auch über Betreiben
des gegen 3 Uhr nachmittags bei Pegau eingetroffenen
Generalquartiermeisters GM. Langenau®), nach 4 Uhr nach-
mittags von Pegau beziehungsweise Zeitz in der Richtung
auf Teuchem in der angegebenen Marschordnung aufgo-
brochen. Als die Tete der rechten Kolonne bei Dobergast
(zirka 4 Kilometer westlich Pegau) eintraf, fand sie den Weg
durch die von Zwenkau kommenden ebenfalls in der Richtung
auf Naumburg rückenden Kosaken Platows*) und ihren Troß
versperrt, deren Geschütze und Karren außerdem in einem
westlich Dobergast befindlichen Hohlweg *) infolge des vom
Regen aufgeweichten Bodens festgefahren waren. Als die
Passage endlich frei wurde, war die Nacht hereingebrochen,
dichte Wolken verfinsterten den Himmel derart, daß der Weg
nicht mehr zu erkennen war, ein feiner, durchdringender
Herbstregen machte alle Versuche, Licht zu machen, zu
Schanden, so daß FZM. Gyulai beschloß, beiderseits Dober-
gast, unter möglichster Ausnützung des Ortes selbst, Lager
zu beziehen. Die Kolonne Murray hatte ihr Marschziel erreicht.
Ira Lager bei Dobergast langte von GM. Scheither
die Meldung über seine Aufstellung bei Göthewitz und seine
') K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 473.
’) Ebenda, 479.
’) Siehe Seite 387, Anmerkung 2.
*) Die Vorhut Platows unter GM. Illowaiski war bereits bis
Xaumburg gelangt. (Siebe Seite 388.)
*) Dieser Hohlweg existiert heute nicht mehr; der Weg führt jetzt
südlich der von Dobergast nach Westen hinabziehenden tiefen Ver
schneidung nach Stein— Grimma.
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390
Kerchuawe.
Uuternelimuiigen gegen den Feind ein ’i, wähn nd der General
gleichzeitig die Absicht aussprach, den Feind, welcher immer
neue Truppen nach Weißenfels ziehe, im Lauf der Nacht zu
überfallen. GL. Thielemann meldete aus Naui iburg, daß der
Feind an Stelle der zerstörten Brücken bei W sißenfels Floß-
und Pontonbrücken eingebaut habe, daß die Bi iicke bei Frey-
burg zerstört sei, der größte Teil der Infanterie des Bertrand-
schen Korps im Laufe des Nachmittags bei W^eißenfels die )
Saale überschritten liabe und stellte gleichzeitig len Antrag, im
Laufe der Nacht gemeinsam auf Weißenfels vorzugehen und dem
Gegner diesen für ihn so wichtigen Übergang spunkt zu ent-
reißen. Dieser Antrag, dessen Überbringer wahrscheinlich
in der stockfinsteren Nacht irregeritten war, traf bei
FZM. Gyulai leider erst kurz vor Tagesanbruch ein, als die
Truppen bereits sich zum Abmarsch nach J^numburg ran-
gierten und die günstigste Zeit für einen Überfall schon
vorüber war*). FZM. Gyulai beschloß daher, lieber im Sinne
der erhaltenen Disposition die wichtigen Punkte Naumburg
und Kösen in die Hand zu nehmen, als jetzt, wo der günstigste
Zeitpunkt zu einer Unternehmung auf Weißenfels durch die
Gewalt des Zufalles versäumt war, hier Zeit zu verlieren und
schließlich sowohl bei \\'eißenfels als auch bei Naumburg und
Kösen zu spät zu kommen. — Aber auch GM. Scheither
hatte seine Absicht, eines der französischen Biwaks zu über-
fallen, infolge Wachsamkeit der französischen Vorposten nicht
ausführen können.
So war durch eine Reihe für die Franzosen glücklicher
Zufälle ihre Armee vor einem schweren Schlag bewahrt
worden. Da der Übergang von Merseburg bereits in den
Händen der Division Hünerbein vom Korps Yorck war, wäre
ihnen solcherart der letzte Saaleübergaug versperrt gewesen.
Ob das Korps Gyulai und die ihm beigegebenen leichten Truppen
selbst bei rechtzeitiger Unterstützung durch das Korps Yorck’)
') Siehe Seite 389.
’) Zur Verständigung Thielonianns wären neuerdings zwei bis
zweieinhalb Stunden verüos.sen, so daß von einem Überfall nicht mehr
die Rede sein konnte.
Die Reservekavallerie dieses Korps erreichte um 10 Uhr vor-
mittags Reichertswerheu, drei Kilometer nördlich Weißenfel.s, die Tete-
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Von Leipsipr bia Erfurt.
391
und unterstützt von den bei WeiUenfels aufgeworfenen Ver-
schanzungen ausgereicht hätten, Napoleon solange Widerstand
zu leisten, bis von Seite der Hauptkraft der Verbündeten aus-
giebige Hilfe kam, kann allerdings bezweifelt werden.
Auf Seite der Franzosen war im Laufe des 19. Oktober,
wie dies Thielemann richtig konstatiert hatte, Bertrand
tatsächlich, mit Ausnahme der Division Fontanelli, bei Weißen-
fel.s über die Saale gegangen und hatte Freyburg besetzt,
welchem Punkte er zunächst eine größere Wichtigkeit beimaß,
als Kosen. Marschall Mortier hatte ihn mit zwei Divisionen
junger Garde in der Festhaltung von Weißenfels abgelöst.
Hinter Marschall Mortier folgten die übrigen Teile des
französischen Heeres im allgemeinen in der von Napoleon
anbefohlenen Reihenfolge *).
Zwar konnten sich die bei Leipzig im heftigen Kampfe ge-
standenen Truppen Macdonalds nicht leicht aus dem Kampfe
losmachen, sie erlitten beträchtliche Verluste und ein großer
Teil wurde infolge vorzeitiger Sprengung der Brücke über die
Pleiße abgeschnitten und fiel in Gefangenschaft, aber im
großen ganzen gelang es doch, die Truppen aus Leipzig
heraus, auf die Markranstädter Chaussee, hinter die .schützende
Front der Gardedivisionen Oudinots zu bringen.
An diesen beiden intakten Divisionen scheiterten alle
vereinzelten Versuche der in Leipzig sich durcheinander-
drängenden Truppen von vier Armeen, die Elster zu über-
•setzen und bis in dieses Chaos Ordnung kam, um in geordneter
Weise gegen Oudinot vorzugehen, hatte dieser seine Auf-
gabe erfüllt und folgte den abziehenden Trümmern der
(livision Horn erst am iMittag das noch fünf Kilometer nördlicher
liegende Frankleben. (Friederich, Herbstfeldzug 1813, III.)
') 1., Best des .3. und 1. Beservekavalleriekorps, Kescrveartillerie,
Bagagen und Trains, alte Garde mit dem kaiserlichen Hauptriuartier. Dann,
sobald sie sich aus dem Kampfe bei Leipzig losgeraacht und gesammelt
tiatten, das III., V., VI. Korps und die Division Seindle dos IX. Korps.
Sodann die eigentlichen Verteidiger von Leipzig, die Trümmer des II.,
VII., VIII. und XI. Korps und das 2. ßeservekavalleriekorps unter
Macdonald. Zwei Divisionen junger Garde unter Oudinot hatten in
einer Aufstellung bei Lindenau den Abmarsch zu decken.
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392
Rerobnaw«.
Macdonald unterstellt gewesenen Korps in guter Haltung
in der Richtung auf Markranstädt.
So hatte Napoleon am Abend des 19. Oktober den
ihm verbliebenen, etwa 90.000 bis 100.000 Mann starken
Rest *) seines schö[)ferischen Titanenwerkes der „Grollen
Armee von 1813” im großen ganzen dort, wo er sie beim
Erteilen dos Rückzugsbefehles haben wollte. Bertrand hielt
mit seinem Korps und den zugeteilten Divisionen Guilleminot*),
Margaron“) und Lefol‘) so-nne mit der Kavalleriedivison
De France des 3. und mit dem 6. Reservekavalleriekorps den
Unstrutübergang bei Freyburg; den Saaleübergang bei Weißen-
fels sicherten die Division Fontauelli und zwei Divisionen
junger Garde. Auch das Gros der Reservekavallerie *) war im
Laufe des Tages in der Gegend von Weißenfels angekommen.
Zwischen Lindenau und Markranstädt stand der erprobte
Marschall Oudinot mit seinen beiden Gardedivisionen und
mit dem 2. Reservekavalleriekorps Sebastiani, in Markranstädt
selbst nächtigte Napoleon mit der alten Garde und einem
Teile der Gardekavallerie. Im Raume zwischen Markranstädt
und Weißeufels lagerte, soweit dies möglich war, korpsweise
gesammelt, was sonst noch übrig war von dem noch vor
wenigen Tagen so mächtigen Heere. Alle Übergänge über
Pleiße, Elster, Luppe und über den Lindenauer Mühlwehr-
graben waren gesprengt worden und da infolge des Regen-
wetters, welches mit wenig Unterbrechung seit Anfang Oktober
angehalten, alle Flüsse bedeutend gestiegen waren — zum
Beispiel die Saale bei Weißenfels um zwölf Fuß, die Elster um
sechs Fuß — so war ein Nachdrängeu in der Front mit großen
Abteilungen vor Herstellung neuer Übergänge nicht möglich.
•i Exklusive Bertrand.
Vom VII. Armeekorps; die Division DuruUe desselben Korps
schloß sich bei Freyburg an Oudinot an.
’) Die frohere Besatzung von Leipzig, 4 schwache Bataillone.
10 Geschütze.
*) Kest der Ersntzdivision Lefol, welche am 14., beziehungsweise
l.ö. Oktohev in die betreffenden Korps eingereiht worden war; noch
4'/« schwache Bataillone,
‘) 1. lleservekavalleriekorps, 3, Beservekavalleriekorps, soweit es
nicht (Divi.sion Do France) bei Bortrand war, halbes 4. Beserve-
kavalleriekorps (eine Brigade bei Dombrowski. eine in Dresden),
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Von Leipcig bis Erfurt.
393
Es mußte also getrachtet werden, von Norden und
Süden her in die Marschsäulen des schwer erschütterten
Gegners einzubrechen, versucht werden, ihm die einzige noch
offene Eückzugsstraße, jene über Weißenfels und von hier über
Freybnrg — Buttelstedt, beziehungsweise über Naumburg —
Kosen — Buttelstedt nach Erfurt zu verlegen.
Dies wäre nur jenen Truppen möglich gewesen, welche
Schwarzenbergs Befehl vom 18. Oktober abends zur Ein-
leitung einer Parallelverfolgung bestimmte. Da aber die öster-
reichische Eeservekavallerie und das österreichische II. Korps
wieder zui'ückgerufen worden waren *), blieben im Süden und
Südwesten des abziehenden Gegners außer den wenigen arg
gelichteten Bataillonen der Division Moritz Liechtenstein au
größeren Infanteriekörpern nur das einzige österreichische
in. Koi’ps — zirka 15.500 Mann Infanterie — und die be-
reits mehrfach genannten leichten Truppen*). Wenn auch
letztere bereits auf der Eückzugslinie des Gegners standen,
das Korps Gyulai befand sich infolge des Irrtumes seines
Kommandanten bezüglich Abwartens eines neuen Befehles
noch in keinem sehr günstigen Yerhältnis für die Erfüllung
seiner Aufgabe.
Bliebe noch der Eaum im Norden. Hier hatte das Korps
Yorck mit Ausnahme einiger, bei Gohlis im Gefecht stehender
Bataillone noch um 7 Uhr abends des 18. den Marsch in der
Richtung zur Saale angetreten und hatte ihn, nur unter-
brochen durch eine mehrstündige East bei Groß-Kugel — halb-
wegs zwischen Möckern und Halle — bis 10 Uhr vormittags
des 19. fortgesetzt. Das Hauptquartier des Koq>s war mit der
Division Horn nach Halle gelangt, die Division Hünerbein
biwakierte zwischen Bruckdorf und Burg-Liebenau, diesen
Ort sowie den Eislerübergang bei demselben und jenen bei
Beesen besetzt haltend.
Die Eeservekavallerie war bei Halle über die Saale gegangen
und hatte ein Eegiment *) bis Dölitz am Berge vorgeschoben,
b Siehe Seite 386.
’) 1. leichte Division Moritz Liechtenstein, die Streifkorps Thiele-
mann, Mensdortl', Platow, lllowaiski, Boltenstem.
’) Dos brandenbnrgische Ulanenregiment (Friederich, Herbst-
feldzug 1813, III).
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394
Kerohnawe.
Patrouillen streiften gegen Querfurt, Mücheln und I erseburg,
zwei vom Korps Sachsen zugeteilte Kosakenregimei ter gegen
AVeillenfels.
Das Korps Yorck stand also für eine Vorrücki ng in der
Richtung auf Freyburg oder Weißenfels nicht i ngünstig.
Trotzdem konnte auf eine Einwirkung seitens des; eiben auf
den w’eichenden Gegner am 19. gar nicht, am 20. aber nur
schwer gerechnet werden. Die Distanz Halle, besw. Burg-
Lieben au— Frey bürg beträgt 36 bezw. 30, jene nach Weißen-
fels 38 bezw'. 24 Kilometer, war also am 19. von den Truppen,
w'elche am 18. den ganzen Tag in Gefechtsbereit* chaft ge-
standen und eben einen 27 bis 30 Kilometer la igen, an-
strengenden Nachtmar.sch gemacht hatten nicht oder nur sehr
schwer und mit großen Marschverlusten zu leisten.
Aber auch für den 20. war auf ein Erscheinen des
Korps Yorck bei Freyburg oder Weißenfels nur achwer zu
rechnen. Y'orck, ein Hammer in der Schlacht, neigta in selb-
ständigem Verhältnis zu Bedenken, liebte es nicht, die
Truppen zu überanstrengen, deren schwere Marschverluste im
ersten Teile des Herbstfeldzuges er stets der Gelehrsamkeit der
„Genies” im Hauptquartier der schlesischen Armee zuschrieb.
Sein Korjrs hatte am 16. Oktober schwer gelitten und war auf
etwa 11.500 Mann Infanterie') mit 3000 Reitern reduziert
worden. Den Gegner hatte er am 16. wie am 18. in vorzüglicher
Haltung gesehen, er wußte zwar, daß der Gegner im Laufe
der Nacht seinen Rückzug angetreten, vermutete ihn aber
begi'eiflicherweise in guter Ordnung und neue Meldungen
über den Zustand des Gegners — die sämtlich über Merseburg
einlangen mußten, weil alle Elsterübergänge zerstört waren,
— konnten erst abends eintreffen.
Bei Leipzig hörte Yorck den ganzen Vormittag bis in
die ersten Nachmittagsstunden des 19. einen heftigen Kampf
toben, dessen Resultat er jedoch erst um 6 Uhr abends erfuhr.
Frühestens jetzt also konnte er mit einiger Sicherheit den
Weitermarsch antreten, aber um 6 Uhr dunkelte es bereits
und ein neuerlicher Nachtmar.sch mochte Yorck, der sich auch
') Inklusive des 2. österreichischen .Tiigorbatnillons — 510 Mann
— welches am 18. nach Norden ahgedriingt sich dem Korps Yorck an-
geschlossen hatte.
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Von Leipsig bis Erfurt.
393
jetzt noch gewiß nicht aller anderen Bedenken erwehren
konnte, als von seinen Truppen zu viel verlangt erscheinen.
So blieben der französischen Armee am 19. Oktober auch
von dieser Seite her entscheidende Störungen erspart, anderer-
seits ist leicht einzusehen, daß Gyulai kaum auf eine Unter-
stützung des Korps Yorck hätte rechnen können, wenn er,
entsprechend dem Vorschlag Thielemanns, Weißenfels an-
gegriffen hätte. Wahrscheinlich hätte er hier ein ähnliches
Schicksal gefunden, wie 11 Tage später die Armee Wredes
bei Hanau.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober, 1 Uhr'),
erhielt GM. Langenau, welcher sich noch beim Korps
G3'ulai aufhielt, ein Schreiben Radetzkys, welches mitteilte,
daß der Besitz von Naumburg und Kösen von höchster
Wichtigkeit sei, daß FZM. Gyulai Naumburg, falls es vom
Feinde bereits besetzt .sei, anzugreifen und die Kösener
Brücke, falls sie zerstört sei, sofort wiederherzustellen habe,
weshalb alle verfügbaren österreichischen Pionier- und Pon-
tonierabteilungen dem Korps Gyulai nachdirigiert worden
wären. Auch wurde mitgeteilt, daß die österreichische Reserve-
kavallerie und eine starke russische Kolonne ebenfalls dem
III. Korps folgen würden. GM. Langenau teilte den er-
haltenen Befehl FZM. Gj’ulai sofort mit*) und richtete aus
eigener Initiative ein Schreiben an FZM. Colloredo, worin
er ihn aufforderte mit seinem Korps und der österreichischen
Infanteriereserve über Pegau auf Naumburg zu folgen ^).
Am 20. Oktober, noch vor Tagesanbnich, setzte daher
die Hauptkolonne des Korps Gyulai den Marsch nach Naum-
burg fort. Die an der Tete befindliche Division Liecliten-
stein wurde angewiesen, ihren Marsch nach Tunlichkeit zu
beschleunigen, um Naumburg baldigst gegen feindliche Unter-
nehmungen zu sichern.
Bald nach dem Abmarsch trafen Meldungen GM.
Scheithers und Oberst Mensdorffs ein'*). Erstere besagte,
') K. A., F. A. 1813, Hauptamiee, X, ISli.
’) Ebenda. Gyulai, X, 49.
•) Ebenda. Hauptarmee, X, 487.
‘) Ebenda, Gyulai, XIII. 22U, Operationsjournal.
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396
Korohnawe.
daß GM. Scheither wohl die feindlichen Lager im Laufe
der Nacht wiederholt alarmiert und dabei etliche Gefangene
gemacht und zahlreiche stehengelassene Trainfuhrwerke er-
beutet habe, daß es ihm aber nicht gelungen sei, den Gegner
zu überfallen'). Oberst Mensdorff meldete, daß seine Vor-
posten in der Nacht von feindlicher Infanterie angegriffen
worden seien, und daß er im Falle er gedrängt werden würde,
auf Naumburg zurückzugehen beabsichtige. Weißenfels, meldete
Oberst Mensdorff weiter, scheine der Gegner behaupten zu
wollen, da er sich dort fortwährend verstärke.
Bei Teuchern angekommen, erhielt Gyulai die Meldung,
daß der Gegner von Weißenfels aus die Richtung nach Frey-
burg zu nehmen scheine •).
Er befahl, daß die Division Grenneviüe als stehende
Seitenhut und zur Sicherung der Straße Zeitz — Weißenfels,
nördlich Teuchern stehen zu bleiben habe, sowie daß der
Marsch nach Naumburg unverzüglich fortzusetzen sei und
begab sich für seine Person mit FML. Moritz Liechtenstein
zur Rekognoszierung nach Naumburg voraus. In Stößen ließ er
die von Meineweh kommende Kolonne Murray sofort, ohne die
Tete derHauptkolonne des III. Korps abzuwarten’), gleich hinter
der Division Liechtenstein den Marscli auf Naumburg antreten.
In Naumbing angekommen, fand er die bereits am
Vortage von Thielemann erhaltene Meldung*) vom wahr-
scheinlichen Abzug der Franzosen in der Richtung auf Frey-
burg bestätigt. Daß seit dem Versuch der Franzosen, Naum-
burg zu besetzen, welcher von Major Gatterburg ab-
gewiesen worden war, kem weiterer Versuch stattgefunden,
bestärkte ihn in dieser Auffassung.
In der richtigen Beurteilung, daß ein Vorstoß in direkt
nördlicher Richtung viel rascher und ausgiebiger wirksam
werden würde als ein solcher über Kösen, beschloß FZif.
Gyulai, mit Rücksicht auf die ihm in Aussicht gestellten
') Siehe auch Seite 390.
’} K. A.. F. A. 1813, Gyulai, XIII, 220, Operationsjournal.
’) Durch die Abzweigung der Division Crenneville als Seitcnhnt
und die Beschleunigung des Marsches der Division luechtenstein war
zwischen dieser und der Tete des Korps eine Lücke entstanden.
‘) Siehe Seite 390.
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Von Leipzig bis Erfurt.
397
Verstärkungen, am 21. einen solchen Versuch zu wagen*).
Die Brücken bei Naumburg waren zwar zerstört, aber mit
Hilfe der ihm versprochenen Pioniere uud Pontoniere konnte
FZM. Gyulai hoffen, daß ihm deren Wiederherstellung ebenso
gelingen werde, wie den Franzosen jene bei Weißenfels.
Er berichtete in diesem Sinne auch um 2 Uhr nach-
mittags an Schwarzenberg, von welchem im Laufe der
Nacht die Genehmigung eintraf, mit dem Beifügen, daß
AVittgenstein angewiesen werde, die Franzosen bei Weißen-
fels festzuhalten, während eine rassische Grenadierdivision als
Unterstützung nach Naumburg dirigiert werden würde*). Zur
Einleitung der für diesen Vorstoß nötigen Aufklärung for-
derte Gyulai den General Illowaiski auf, mit seinen drei
Kosakenregimentern die Saale zu übersetzen und gegen Frey-
burg zu streifen. GM. Illowaiski kam dieser Aufforderung
nach, ging bis Klein-Jena (halbw-egs zwischen Naumburg und
Freyburg) vor und entsandte Streifparteien auf Freyburg
und Laucha.
Um gleichzeitig der vom .Armeeoberkommando so
dringend geforderten Sicherung der Brücke bei Kosen nach-
zukommen, entsandte FZM. Gyulai, welcher Naumburg
durch die bald eintreffenden Truppen seines Korps und die
zur Stelle befindliche Kavallerie für hinreichend gesichert
hielt, das Detachement Major Gatterburg’) dorthin und
erteilte FML. Moritz Liechtenstein den Befehl, diesem
Detachement das zuer-st eintreffende Bataillon — es war das
7. Jägerbataillon unter Oberst Freiherrn von V^eyder — mit
2 Geschützen und 100 Reitern nachzusenden.
In den ersten Nachmittagsstunden langten sämtliche
Truppen der 1. leichten Division und des III. Korps — in-
klusive des Detachements GM. Scheither — bei Naumburg
an und bezogen südlich der Stadt Lager. Das Bataillon
AA’arasdiner-Creuzer besetzte die Übergangsstellen über die
') K. A., F. A. 1813, Gyulai, X, 52.
Ebenda. — Hierin liegt gleichzeitig die Beantwortung auf
Plothos A’^orwnrf, II, '130, weshalb Gyulai am 20. nicht mit dem
ganzen Korps nach Kosen rückte, beziehungsweise warum er nicht von
Naumburg auf Freyburg voi-stieß.
•) Siehe Seite 388.
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398
Kerchnawe.
Saale, das Gros der Division Crenneville ') übenialim die
Sicherung in der Richtung auf Weißenfels.
Am Abend traf, von Prittitz kommend, auch Oberst
Mensdorff ein, später noch die österreichische Kavallerie-
reserve. Beide bezogen zwischen den Gyulaischen Tnippen
außerhalb der Stadt Lager.
Das Detachement Gatterburg, beziehungsweise Veyder,
besetzte anstandslos Kosen und schob seine Vorposten auf
die jenseitigen Höhen vor. Ausgesandte Streifpatrouillen fanden
hier die Gegend vom Gegner frei.
Wie aus den Maßnahmen Napoleons hervorgeht, wäre
für ihn ein Vorstoß Gyulais auf Freyburg vollkommen über-
raschend gewesen. Napoleon selbst kam am 20. nachmittags
in Weißenfels an, rekognoszierte die Umgebung und begab
sich sofort zu den Brücken*).
Hier defilierte nach und nach der größte Teil der Armee
über die Saale und bezog teilweise am nördlichen Ufer Lager,
teilweise setzte er den Marsch nach Fre3’burg fort. Napoleon
schlug sein Nachtquartier in einem Weinberghäuschen bei
Markröhlitz auf und traf hier folgende Maßnahmen*);
Bertrand hatte mit seinem Korps, an welches sieh die
Division Fontanelli wieder anzuschließen hatte, und mit dem
5. Reservekavalleriekorps auf Eckartsberga zu marschieren
und sich des Überganges bei Kosen zu versichern. Dieser
Übergang war unbedingt fcstzuhalten und GL. Bertrand
eventuell von dem nach Freyburg dirigierten Korps Mortier,
beziehungsweise durch GL. Lefeb vre-Desnouöttes zu unter-
stützen.
Mortier sollte mit seinen beiden Divisionen junger
Garde und der Gardekavalleriedivision Ornano Freyburg fest-
halten. Ebendorthin dirigierte der Kaiser auch noch den Rest
’) 1 Bataillon Warasdiner-St. Georger, Rosenbeig-Chevaulegers,
1 dreipfündige Brigadebatterie nach Kavallerieart.
’) Außer der wiederhergestellten permanenten Brücke war unter-
halb derselben eine Pontonbrücke und unter Mithilfe requirierter Zivil-
arbeiter eine Floßbrüoke geschlagen worden. Letztere befand sich fast
genau an derselben Stelle, an welcher Friedrich II. Heer vor der
Schlacht bei Koßbach Ober die Saale gegangen.
Correspondauce de .N'apoleon I., XXVI, 20.818 bis 20.821.
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not
a vailable
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Von Leipzig bi§ Er<urt.
399
der Division Tureau vom IX. Korps Augereau*). Auch General
Lefebvre-Desnouettes mit dem Gros der Gardekavallerie
und den ziigeteilten Kavallerieabteilungen*) hatte nach Frey-
burg zu marschieren und gegen Laucha, Büttstedt und Buttel-
stedt aufzuklären
Das 2. Kavalleriekorps, welches die Strecke nach Frey-
burg und Merseburg zu beobachten hatte, war durch das an
die Befehle Oudinots gewiesene 1. Reservekavalleriekorps
abzulösen und hatte dann, gefolgt von dem wieder vereinigten
3. Reservekavalleriekor}is und allen sonstigen verfügbai'en,
nicht bei den Korps nötigen Kavallerieabteilungen, ebenfalls
nach Froyburg zu marschieren.
Oudinot hatte mit seinen beiden Divisionen Weißenfels
festzuhalten; eine seiner Divdsionen sollte er auf das linke
Ufer ziehen, zur Sicherung des dortigen Brückenkopfes und
als Rückhalt für die gegen Merseburg vorgeschobene Kavallerie.
Alle anderen Heereskörper hatten von 2 Uhr morgens
an nach Freyburg aufzubrechen, und zwar in folgender Reihen-
folge : VI., III. und Vn.^i Korps unter Marraont, II. Korps,
Division Semdle (vom IX. Korps Augereau) unter Victor,
Infanterie und Kavallerie der alten Garde, Reserveartillerio
und Reserveparks, V., VUI.'’) und XI. Korps unter Macdonald.
Die Reste des 4. Kavalleriekorps, welche in den Befehlen
Napoleons nicht erwähnt werden, scheinen sich Sebastiani
angesehlossen zu haben.
Diese Bewegungen gelangten teilweise noch itn Laufe
des Abends, beziehungsweise der Nacht zur Ausführung, so
daß die französische Armee in der Nacht vom 20. auf den
21. die in Textskizze 6 dargestellte Situation erreichte.
Von den Truppen Bertrands, an welche der Kaiser
noch von Markranstädt um 7 Uhr früh den Befehl ausge-
') Pelet, Campagne de 1813, Art. X, 3.')5.
*) Siehe Seite 375, Anmerkung 5.
•) Infolgedessen gelangte ein Teil dieses Kavallenckörpcrs, vor-
nehmlich polnische Lanciere, am 21. in die Gegend nördlich von Kosen.
‘) Division Durutte und 1 Reservebatterie ; Division Zesohau bei
Leipzig zu den Verbündeten übergogangen ; Division Guilleminot und
1 Beservebatterie bei Bertrand.
*) V'on Napoleon in einem Nachtragsbefohl vom 21. Oktober zu
Correspondunce, Xr. XXVI, 20.821 befohlen. (Pelet, Art. X, 355).
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400 KerobDAwe.
fertigt hatte '), eine starke Kolonne Infanterie und Kavallerie
mit Geschütz nach Kosen zu dirigieren, war ein Teil — ver-
mutlich die Divisionen Morand*) und Franquemont — schon
nachmittags dorthin aufgebrochen und erreichte nach Einbruch
der Dunkelheit die Waldungen in der Gegend von Pommitz.
Ein Vorstoß Gyulais am Morgen des 21. in der Richtung
auf Freyburg hätte also, nach den Jlaßnahmen Napoleons zu
schließen, vorerst wahrscheinlich nur Teile Mortiers getroffen,
in der Folge aber auch die dann wohl nach Freyburg um-
kehrende Kolonne Bertrands und das Gros des anmar-
schierenden französischen Heeres. Unterstützung konnte Gyulai
nur von einem Vorstoß des Korps Yorck, und zwar vorerst nur
von der Division Horn*) und der Reservekavallerie erwarten.
Ob Yorck zu einem Vorstoß zu haben war? Ob Yorck und
Gyulai zusammen ausgereicht hätten, dem um seinen Rückzug
kämpfenden Heer Napoleons trotz der Überraschung des-
selben den Weg zu verlegen? — Dies heute verneinen oder
bejahen zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, jedenfalls
wäre aber dieser Vor.stoß Gyulais eine der kühnsten ^’er-
folgungsoperationen gewesen, welche die Geschichte kennt.
Aber zu dem Vorstoß sollte es nicht kommen.
Die von Langenau versprochenen technischen Truppen
trafen nicht ein. Bei entsprechender Berücksichtigung von
Raum und Zeit hätte auch Lange nau eine rechtzeitige Unter-
stützung durch dieselben überhaupt gar nicht versprechen
können, denn sie befanden sich (soweit die Pioniere nicht
bei den Korps, namentlich beim II. uud IV., Verwendung
gefunden hatten) in der Gegend von Rötha und wurden erst
in der Nacht zum 20. Oktober in Marsch gesetzt*); sie konnten
*) Corresponilance de Napoleon I., XXVI, 20.817.
’) Die Division Margaron blieb bei Freyburg. Die Division Fonta-
nelli, welche erst im Laufe des 21. wieder an Bertrand auscbloü, konnte
am 20. noch nicht nach Kosen abrOckcn; bleiben nur Morand und
Franquemont, welche auch am 21. bei Kösen von .\nfaug an fochten
und die größten Verluste erlitten.
*) Siehe Anhang la und VI.
*1 K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 486. Der Befehl traf bei
Langenau in Pegau um 1 Uhr nachts ein. In Kötha konnte er etwas
trüher, etwa zwischen 11 und 12 Uhr nachts, eingetroffen sein.
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Von Leif zig bis Erfurt.
401
also unmöglich, selbst bei anstrengenden Märschen und ohne
Berücksichtigung aller Kolonnenkreuzungeu nicht vor den
letzten Nachmittagsstunden des 21. bei Naumburg eintreffen').
Wohl in Anbetracht dieses Umstandes ließ Schwarzen-
berg diese Bewegung fallen und sandte Gyulai noch ini
Laufe der Nacht einen zweiten Befehl, nach welchem er im
Sinne der „Disposition für die Hauptarmee für den 20. und
21. Oktober’'*) am 21. früh über Kosen gegen Eckartsberga
.,als Avantgarde der Armee” abzumarschieren habe.
Aber auch das Korps Yorck allein konnte dem Rückzug
des Gegners von Weißenfels über Freyburg ernstliche Unge-
legenheiten bereiten. Dieses Korps war am 19. in seiner
Stellung zwischen Halle, Dölitz, Merseburg “) verblieben. Von
hier aus war Yorck am 20. um 3 Uhr früh mit der Reserve-
kavallerie über Lauchstädt in der Richtung gegen Weißenfels
aufgebrochen, die Division Horn folgte um 5 Uhr, hinter
dieser sollte die Division Hünerbein nach Merseburg rücken^).
Auch beim Kor])s Y’orck waren im Laufe des 19. Nachrichten
eingetroffen, daß der Gegner über Weißenfels zurückgehe,
ebenso, daß er gegen Freyburg detachiert habe. Immerhin war
es ungewiß, ob er von Weißenfels aus über Freyburg oder
über Naumburg den Rückzug fortsetzen werde. In Merseburg
wurden zahlreiche Versprengte und Überläufer, hauptsächlich
Polen und Rheinbündler, aufgegriften, aus deren Aussagen auf
denZustand der französischen Truppen einigermaßen geschlossen
werden konnte, besonders darauf, daß bei denselben derartiger
Munitionsmangel herrsche, daß einzelne w'estfälische Batterien
bereits am 19. Oktober keine einzige Patrone mehr besaßen.
Um 9 Uhr vormittags zwischen Kayna und Roßbach, in
nächster Nähe jener Stelle, an welcher sich .ö6 Jahre vorher
die preußische Kavallerie unter Seydlitz unvergängliche
*) Itötha, Naumburg Ober Pegau, 4S Kilometer, zwei Drittel nicht
chaussierte Wege. Tatsächlich langten sie am 21. spät nachmittags ein.
’) K. A.. F. A. 1813, Hauptarmee, X.
’) Siehe Seite 3i)3.
*) Da die Infanterie des Korps schon sehr gelitten hatte, wurden
in Merseburg vier Batterien znrückgelassen, da Yorck fand, daß er zu-
viel Geschütz für seine schwache Infanterie hatte. iFriederich, Herbst-
fcldzug 1813, III, 212.)
Hitteilnngen deg k. und k. Krieggarohivg. Dritte Folge. Itt. Bii. 26
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402
Kerohnawe.
Lorbeeren gepflückt hatte, eingetroffen, erhielt Yorck die
Kleidung, daü der Gegner in starken Kolonnen Freyburg zu
erreichen trachte. Seine persönliche Erkundung ergab, dalJ
eine Kolonne aller Waffen in geordnetem Zustand Uber
Markröhlitz, eine zweite längs der Saale auf Freyburg mar-
schiere — wahrscheinlich das Korps Bertrand — starke
Kavallerie, vermutlich L’Heritiör oder Sebastiani, hielt bei
Reichartswerben.
Y’orck hell die Reservekavallerie gegen Reichartswerben
antraben und zog die reitenden Batterien vor. Der Gegner
entwickelte nicht nur die bei Reichartswerben stehende Ka-
vallerie, sondern auch die auf Freyburg marschierende Kolonne
entwickelte starke Infanterie und Kavallerie in der Richtung
des drohenden Angriffes, so daß Yorck angesichts der feind-
lichen Überlegenheit vom Angritr abstand und nach längerem
Artilleriekampf auf Kayna abzog. Die Division Horn seines
Korps war bis Frankleben gelangt, die Division Hünerbein
— statt der Division Horn zu folgen — irrtümlicherweise nach
Lauchstädt marschiert.
Da es Yorck nach den im Laufe des 20. einlangenden
Meldungen ungewiß schien, ob der Gegner im Laufe des
nächsten Tages bei Freyburg oder Laucha die Unstrut über-
schreiten würde oder an beiden Orten zugleich, wollte er,
um allen Eventualitäten Rechnung zu tragen, am 21. gegen
beide Punkte vergehen.
Gegen Laucha sollte ein Detachement*) unter Oberst
Graf He 11 ekel von Donners mark vergehen, das Gros des
Korps unter Yorcks jiersönlichem Kommando aber Freyburg
angreifen und hiezu mit den beiden Infanteriedivisionen um
7 Uhr früh bei Petzkendorf, mit der Reservekavallerie bei
Bedra bereitstehen.
Diese Anordnungen der beiden Gegner mußten am
21. Oktober notwendigerweise zu größeren Zusammenstößen
in der Gegend von Köseii und Freyburg führen, Zusammen-
stöße, deren Au.sgang eventuell für Napoleons Heer ver-
hängnisvoll werden konnte. Vor der Schilderung dieser
*) 4^/4 preußische Linien-, 2 Landwehrbataillone, das öster-
reichische 2. Jägerbataillon, 14 (inklusive Jägerdelachements) Eskadronen,
2 Batterien.
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Von Leipzig bis Krfurt.
403
Gefechte ist es aber notwendig, jene Vorfälle zu betrachten,
welche sich hinter der Front der zur V’erfolgung bestimmten
Armeekörper, bei den Gros der verbündeten Armeen abge-
spielt hatten, sowie jene Anordnungen des Armeeober-
kommandos der Verbündeten zu rekapitulieren, welche auf
den Gang der Ereignisse von Einfluß waren.
tiberblickt man die Begebenheiten, welche sich im Laufe
des 18., 19. und 20. bei den zur Verfolgung bestimmten
Anneeteilen der Verbündeten und bei dem der Saale zu-
strebenden französischen Heer abspielten, so wird man nicht
umhin können, zuzugeben, daß der Zufall hier der beste Ver-
bündete des geschlagenen Heeres war und ihm manche
schwere Krise er.sparte.
Zufälligerweise übergab PML. Nostitz den ihn und
das II. Korps zurückrufenden Befehl Schwarzenbergs zur
Weiterbeförderung an FZM. Gyulai, woraus dieser schloß,
daß wahrscheinlich auch das III. Korps zurückgerufen werde
und der an ihn entsandte Offizier sich wahrscheinlich verritten
habe, weshalb er, gleichzeitig beim Oberkommando anfragend,
mit seinem Korps und der Division Liechtenstein einstweilen
bei Pegau verblieb.
Offenbar hatte sich nun der diese Anfrage überbringonde
Offizier wirklich verritten'}, so daß der gegen 3 Uhr nach-
mittags in Pegau eintreffende Generalquartiermeister GM.
Langenau sehr verwundert war, das Korps, ,, welches man
im Hauptquartier schon im Marsche nach Naumburg glaubte-;”,
noch bei Pegau anzutreffen. Als das Korps dann um 4 Uhr
nachmittags wirklich abmarschierte, hinderte es ein neuer
Zufall, die Kolonneukreuzung mit Plato ws Kosaken beiDober-
gast, bis Zinn Einbruch der Dunkelheit am AVeitermarsch.
Diese Umstände im Verein mit dem Iirereiten des Offiziers,
welcher Thielemanns Aufforderung zu einer gemeinsamen
Unternehmung auf AVeißeufels überbrachte, bewahrten die
') K. A., F. A. 1813, Hauptannee, X, 471 und Gyulai, XIII, 220,
Die Anfrage Gyulais wurde um 8 Uhr expediert. Die Eutfernung
Pegau— Probstheida und zurück beträgt über Rötha etwa 44 bis 45 Kilo-
meter. Also hätte bereits um 1 Uhr, spätestens 2 Uhr eine Antwort
zurück sein können.
•) Ebenda, Hauptarmee, X, 479.
26*
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404
K e r o h n H w e.
französische Armee vor dem Schlage, daß dieser wichtige
Punkt, der letzte freie Übergang über die Saale, am Morgen
des 20. in die Hände der Verbündeten fiel. Zwar kann mar.
mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Napoleon
sich hier ebenso den Durchgang erzwungen hatte, wie zehn
Tage später durch die viel stärkere Armee Wredes bei
Hanau, daß er dem Korps Gyulai, falls es ihm standhielt,
schwere Verluste beigebracht, daß sein Genie Mittel und
Wege gefunden hätte, schließlich doch über die Saale zu
kommen — aber ein kostbarer Tag wäre verloren gegangen
und mit dem verlorenen Tage w'äre vielleicht das Schicksal
der Armee besiegelt gewesen, denn in den Tagen von Leipzig
bis Erfurt handelte es sich oft um viel weniger als einen
Tag, oft nur um einige Stunden.
Weniger in das Gebiet des Zufalls gehört es, daß es
Gyulai nicht möglich wurde, seine Idee, am 21. über Naum-
burg gegen Freyburg vorzustoßen, zu verwirklichen. Hier
hätte es einer sehr vordenkenden Disponierung der österreichi-
schen Pontoniere und Pioniere bedimfl, um dieser Absicht
gerecht werden zu können. Andererseits tvird man Gyulai
die Anerkennung nicht versagen dürfen, daß er — das Stehen-
bleiben und Warten auf einen neuen Befehl ausgenommen —
mit großer Umsicht und Energie an die Ausführung seiner
Aufgabe schritt, als er sie einmal erfaßt hatte imd über die
Absichten des Oberkommandos im klaren war.
Ein trotz des Verweises des Kaisers an Bertrand für die
Franzosen günstiger Zufall war es terner, daß Bertrand am 20.
morgens statt über Naumburg, über Freyburg nach Kosen
marschierte und Freyburg 1)esetzte. Wäre Yorck bei seinem
Vorgehen mit der Reservekavallerie nicht auf die intakten
Kräfte Bertrands und L’Heritiers gestoßen, so hätte er nicht
nur die Verbindung nach Freyburg unterbrechen, den dortigen
Übergang zerstören können, das Erscheinen der preußischen
Reiter am linken Saalenfer bei Weißenfels wäre auch gewiß
geeignet gewesen, hier große Verwirrung hervorzurufen.
Auch daß Yorck so spät den Ausgang des Angriffes auf
Leipzig erfuhr, daß die Division Hünerbein am 20. irrtüm-
licheitveise, statt der Division Horn zu folgen, auf Lauchstädt
marschierte, sind Zufälle, die dem Gegner zum Vorteil gereichten.
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Von Leipzig bis Erfurt.
405
Mußnalmien des Oberkommandos der Terbiindeteu Armeen
am 11). und 20. Oktober. Ereignisse bei den (Jros.
Leipzig war in den ersten Nachmittagsstunden des
19. Oktober nach hartem Kampfe in die Hände der verbün-
deten Truppen gefallen. Ein Teil der unter Macdonalds
Befehlen die Nachhut bildenden Truppen war hiebei infolge
vorzeitiger Sprengung der steinernen Pleißebrücke und mangels
sonstiger Übergänge über diesen Fluß gefungengenommen
worden. In den Straßen Leipzigs schoben sich Truppen aller
vier verbündeten Armeen, übergegangene sächsische, gefangene
französische Truppen, Bagagen, Trains, wirr durcheinander
und mitten in diesem Trubel hielten die verbündeten Mon-
archen und ihre Feldherren unter Glockengeläute und Jubel-
nifeu ihren Einzug in die mit so schweren Opfern genom-
mene Stadt. Es wäre nicht unbegreiflich gewesen, wenn in
diesem Jubel, den der endliche Sieg, die Überwindung des
seit Jahren auf den Völkern Europas lastenden Druckes her-
vorgerufen hatte, vergessen worden wäre, den ebenso schwer
errungenen Sieg auszunützen, die Früchte des Erfolges ein-
zuheimsen. Aber mitten durch all die Wirren hatten sich
Jäger- und Infanterieabteilungen der schlesischen, der Nord-
und der Hauptarmee zur Pleiße Bahn gebrochen und während
in der befreiten Stadt die Glocken klangen, knallten in den
Weidenbüschen an der Pleiße die Büchsen und Stutzen der
russischen, österreichischen und preußischen Jäger und Füsi-
liere, versuchten es kühne Soldaten aus Bäumen, Brettern
und Strauchwerk Stege herzustellen und so dem Feinde
nachzusetzen. Aber die in fester Haltung hinter der Elster
bei Lindenau stehenden zwei Divisionen junger Garde unter
dem schlachtenerprobten Marsohall Oudinot geboten allen
derartigen A’ersuchen bald halt. Hier war nur durchzudringen,
bis aus dem Chaos in Leipzig sich geordnete Kolonnen
lösten und an der Stelle des Tatendurstes einzelner sieges-
trunkener Abteilungen die Verfolgung übernahmen. Dies war
aber nicht so leicht. Es bedurfte des ganzen Nachmittags
des 19. Oktober um die Verbände einigermaßen zu ordnen.
Daß FM. Fürst Schwarzenberg für den Kampf am
19. sich noch zahlreiche und starke lleserven sichern wollte,
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406
Kerchnawe.
mag imnierhm vorsichtig gewesen sein — jedenfalls ist es
menschlich begreiflich. Galt es doch, vorerst noch sich den
Sieg zu sichern und dann erst ihn auszunützen. Bei einem
Napoleon als Gegner konnte man auch Unerwartetes für
möglich halten, Rückschläge irgendwelcher Art waren nicht
ganz ausgeschlossen — auch gingen die französischen Vor-
truppen südlich Leipzig erst vor den Angritfskolonnen der
Verbündeten zurück, was hinter diesen Vortruppen noch alles
in oder unmittelbar hinter Leipzig sei, konnte mit Sicherheit
nicht festgestellt werden.
Von diesen Gesichtspunkten aus ist der Befehl an die
F.ML. Nostitz und Lederer begreiflich. Aber noch ein anderes
Motiv mag mitgesprochen haben.
Es war nicht ausgeschlossen, dal3 Napoleon, bei
Leipzig gedrängt, auch einen Durchbruch in südlicher Rich-
tung über Knauthain, vielleicht auch über Zwenkau auf
Pegau oder Zeitz versuchte und von dort aus entweder die
Richtung auf Naumburg nahm oder aber, was allerdings un-
wahrscheinlicher war, in der Richtung auf Jena zu entkommen
trachtete. Am linken Elsterufer standen aber nach Gyulais
Abmarsch nach Naumburg — und Schwarzenberg vermutete
ihn ja am 19. vormittags am Wege dorthin — gar keine
Truppen, bei Connewitz nur ein schwaches, vom II. Korps
dort zurückgelassenes Detachement ').
Das II. Korjis und die Kavalleriereserve, in der Gegend
von Pegau, Groitzsch, Zwenkau zur Verfügung des Annee-
oberkonnnandos bereitstehend, bildeten nun eine sehr zweck-
mäßig postierte Gruppe, um derartigen Versuchen Napoleons
entgegenzutreten und dabei waren diese beiden Heereskörper
doch in der Lage, falls eine derartige Verwendung sich als nicht
notwendig erweisen würde, dem Korps Gyulai nachzufolgen.
Allerdings war die Hauptarmee stark genug um andere
Gruppen zu diesem Zwecke bei Pegau —Groitzsch bereitzu-
stellen, besonders war ihre zahlreiche Kavallerie beim Sturme
auf Leipzig nahezu ganz überflüssig und hätte an Stelle der
österreichischen Kavalleriereservc treten können — aber
') 2 Biitttülone, Eskadron, Vi Batterie. (K. F. A. 1813,
Meerveldt, X,
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Von Leipzig bis Erfurt.
407
darüber, ob FM. Fürst Schwarzenberg keine Truppen mehr
bei Leipzig entbehren zu können glaubte, laßt sich heute
nur schwer rechten und was die Verwendung der russisch-
preußischen Kavalleriereserve an Stelle der österreichischen
betrifft, so hatte Kaiser Alexander sie ja sogar zur Ver-
folgung designiert '), wie aber der Feldmarschall richtig
geahnt*), war dann am 19. Oktober keine einzige Schwadron
dieser Reitermasse wirklich erschienen.
So waren denn im Laufe des 19. Oktober keine weiteren
Truppen mehr für die Verfolgung, beziehungsweise für die
Verstärkung Gyulais und Yorcks verfügbar geworden. Die
Truppen aller drei Armeen lagerten nach Ordnung ihrer
Verbände in und um Leipzig.
Nur das Gros der Kavallerie der schlesischen Armee
unter Wassilitschkoff sowie jene des Detachements Kreutz*)
der Reserveaimee hatten die Elster in den späteren Nach-
mittagsstunden schwimmend übersetzt und waren Oudinot
auf Miltitz gefolgt. Am Abend hatte auch die 26. Infanterie-
division der Reservearmee die Elster auf einer leichten Kriegs-
brücke überschritten und bei Lindeuau Lager bezogen.
Das große Hauptquartier begab sich nach Bötha zurück,
wo die Disposition für die nächstfolgenden drei Tage ausgegeben
wurde*). Bevor FM. Fürst Schwarzenberg den Kampfplatz
verließ, hatte er in einer kurzen Besprechung mit den Führern
der anderen Armeen diese über die Grundzüge der von ihm
beabsichtigten und von Kaiser Alexander bereits gutge-
heißenen Verfolgungsoperation*) orientiert und auch bei ihnen
Zustimmung gefunden.
Es läßt sich leider nicht mehr feststellen, ob Blücher
gleichzeitig mit der Aufgabe, die französische Armee im
allgemeinen im Norden zu kotoyieren, den Befehl erhielt,
hiezu am 20. die Elster und Luppe zu übersetzen und dann
') Siehe Seite 361, Anmerkung 3.
’) Ebenda.
*> 1 Ulanen-, 1 Kosakenregiment, zu.sammen etwa lOOO bis
I2IX) Heiter, 2 oder 4 reitende Geschütze. (Siehe auch Anhang la.)
*) Siehe Anhang II.
Siehe Seite 3S1.
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40H
Kerobnawe.
die Richtung auf WeiÜenfels zu nehmen, oder ob ihm die Art
der Durchführung seiner Aufgabe überlassen blieb. Das Konzept
eines diesbezüglichen Befehles ist weder in den Akten des
Wiener Kriegsarchivs vorhanden, noch die Absendung eines
solchen in den Journalen vermerkt, noch der Befehl selbst
in den Akten des Berliner Kriegsarchivs aulündbar').
Wenn ein solcher Befehl gegeben wurde, konnte er
daher nur mündlich gegeben worden sein. Sehr wahrschein-
lich ist die Erteilung eines solchen strikten Befehles aber
überhaupt nicht, wenn man die ganze bisherige und folgende
Art der Befehlsgebung Schwarzenbergs an die Führerder
anderen Armeen in Betracht zieht, welche immer sich in
allgemeinen Linien betvegte, diese Führer immer mehr als
Gleichgestellte denn als Untergebene behandelte. Sollte hier
ausjiahmsweise von der bisherigen Gepflogenheit abgegangen
worden sein, so war das entschieden sehr bedauerlich, denn
die Anwesenheit des schneidigen greisen Führers der schlesi-
schen Armee, die Anwesenheit des Gros dieser Armee während
der folgenden Tage am linken Saaleufer statt am rechten,
hätten der ganzen Verfolgungsoperation, besonders aber dem
Treflen bei Frey bürg, ein ganz anderes, entscheidendere.s Ge-
präge gegeben.
Die für die Hauptarmee selb.st bestimmte Disposition
„auf den 20. bis 22. Oktober*)” plante deren Vorrückung in
zwei großen Kolonnen in der allgemeinen Direktion auf
Erfurt.
Die 1. Kolonne, als deren Avantgarde das Korps Gyiilai
mit der Division Moritz Liechtenstein luid mit der österreichi-
schen Kavalleriereserve zu gelten hatte, bestand außer aus
diesen Heoreskörpern noch aus den russisch -preußischen
Garden, dem rassischen Grenadierkorps, der ru.ssisch-preußi-
schen Kavalleriereserve und aus den Korps AVittgensteins’'
und Kleists. Das Kommando dieser Kolonne führte General
Barclay de Tollj’. Sie hatte über Pegau, Teuchern, Nauin-
') Mitteilung Major Friederichs.
’■ K. A., F. A. FSld, Hauptanuee, X, öl.Sa, siebe auch Anhang H-
2. und 4. lussisches Iniauteriekorps, kombiniertes Kavallerie-
korj>s l’ahlen, alles zusammen höcbstens noeb 12.(K)0 Monn, 80 Geschütze.
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Von Lcipsiß bia Erfurt, 400
bürg; Eckartsberga, Büttstedt, Buttelstedt zu rücken. Die
Marschziele waren den einzelnen Korps für jeden Tag zu-
gewiesen ‘).
Die 2., aus allen übrigen österreichischen Korps bestehend*),
hatte über Zeitz, Eisenberg auf Jena zu rücken. Das Armee-
hauptquartier marschierte mit dieser Kolonne, die Armee-
artilleriereserve hatte ihr über Altenburg, Gera. Roda auf
Jena zu folgen.
Noch am 19. abends war beim Armeehauptquartier eine
von Thielemann um 2 Uhr nachmittags aus Naumburg ab-
gesandte Meldung eingelangt, welche jener von ihm an Gyulai
expedierten konform war und den Feldniarschall über die
Situation beim Feinde, ja sogar über dessen Absichten voll-
kommen zutreffend orientierte ^). Außerdem beantragte dieser
rastlose Parteigänger ihn ansehnlich zu verstärken um dem
Gegner alle Verbindungen unterbrechen zu können, alle Über-
gänge auf dessen Rückzugslinie zu zerstören, im Anmarsch
befindliche Transporte aufzuheben etc.
Auch von GM. Scheither trafen Meldungen ein, w'elche
dieNächtigungssituation der französischen Armee bis auf Details
vollkommen zutreffend feststellten.
Diese Meldungen veranlaßten beim Fürsten Sch warzen-
berg keine weiteren Maßnahmen als die bisher getroffenen.
Die Absichten Thielemanns w’urden zwar gutgeheißen, Ver-
stärkungen ihm jedoch nicht in Aussicht gestellt *). Gleichzeitig
wurde ihm ein Exemplar der Armeedisposition übersandt und
auf die Nähe Gyulais und Nostitz’ hingewiesen.
') Siehe Anhang II.
*) I., II., IV'. Korps und Infanteriereservedivisionen Bianchi und
VVeißenwolf.
*) Der Gegner rücke in der allgemeinen Direktion auf AVeitien-
fela. Die dortigen Brücken worden horgostellt, die hiezu nötige .Anzahl
Eijuipagcn — von denen einige Pontons von Thieleraanns Reitern er-
beutet worden waren — waren bereits dort eingetroffon, beziehungsweise
im Eintreffen befindlich. Auch an einer Notbrücke werde gearbeitet. Der
Gegner beabsichtige daher anscheinend Rückzug über Freyburg. Iii
VVeißenfels 20.00U bis 2Ö.000 Mann, zur Festhiiltung dieses Überganges
und jenes von Freyburg bestimmt; an den Befestigungen in Weißonfels
wird weiter gearbeitet. (K. A.. F. A. 181H, Hauptarinee X, ffU ad.)
*) K. A., F. A. 181H, Hauptarinee, X, 491.
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410
Kerchnawe»
Es ist gewiß bedauerlich, daß General Thieleinaun
die erbetenen Verstärkungen — er zählte nur mehr 1200 bis
1300 Reiter — nicht zugesandt wurden. Thielemann stand
bei Naumburg nicht nur in einem Verhältnis, welches die
Ausführung seiner Absicht in höchstem Maße begünstigte, er
war auch der hiezu befähigtste von allen Reiterführem der
Hauptarmee, entschieden der richtige Mann am richtigen Orte,
dem nur die Mittel fehlten hier geradezu Entscheidendes zn
leisten.
So gelangten mit Ausnahme des österreichischen IV.
Korps alle Teile der Hauptarmee am 20. im großen ganzen
an ihre für diesen Tag ihnen befohlenen Marschziele. Die
bei der Armee Bennigsens eingeteilt gewesene, nunmehr als
Avantgarde der 2. Kolonne bestimmte Division Bubna war
infolge zahlreicher Kolonnenkrouzungen nur bis Predel —
Reuden, vom Korps Kleist nur die Reservekavallerie bis an
die Elster gelangt, das Gros biwakierte nördlich Lucka.
Das österreichische IV. Korps mußte an Stelle der Armee
Bennigsens, welche vor der Nordarmee aus Leipzig dem
Feinde in der Richtung auf Lützen nachgerückt war, gegen
Dresden abmarschieren und gelangte bis Draschwitz.
Platows Kosaken, welche zahlreiche Gefangene aufge-
griffen hatten, streiften zwischen Mölsen, Lützen und Weißenfels,
nördlich davon stand die Avantgarde der Reservearmee unter
.Stroganoff ') in der Gegend von Lützen, welche der fran-
zösischen Nachliut auf der Markranstädter Chaussee nach-
gerückt war und ebenfalls zahlreiche Versprengte, Nachzügler
aufgegriffen, ferner viele Bagagen erbeutet hatte. Hinter
Stroganoff war die Kavalleriedivision Tschaplitz*) der
') Bestand der Avantgarde: 12. Infanteriedivision: die Eagi-
monter Smolen.sk, Narwa, Alexopol, Neuingermanuland, 6. und 41. Jäger.
12 Bataillone; 1 Brigade der 13. Division; Regimenter Saratow, Pens*.
.5 Bataillone, Husarenregiment 1, 5 Eskadronen, Baschkirenpulks !) und 14.
2 fahrende und 1 reitende Batterien, zusammen 16 Bataillone, 5 Eska-
dronen, 3 Batterien, mit zirka ll.UOO Mann, 1400 Reitern, 36 Geschützen.
’l Kombiniertes Dragonorregiment, ö Eskadronen, 1., 2. reitendes
Jägerregiment, 3 Eskadronen, Claneuregimenter Sibirien, 2 Eskadronen.
Schitomir, 2 Eskadronen, Taganrog, 4 Eskadronen, zusammen 21 reguläre
Eskadronen, 2 Kosaken- und Baschkirenregimenter, zirka 3000 Reiter,
1'/« reitende Batterie mit 16 Geschützen.
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V'on Leipzig bis Erfurt.
411
Reservearmee bis Markranstädt gelangt; das Gros ') der Re-
sers-earmee lagerte zwischen Miltitz und Lindenau, woselbst
sich auch Bennigsens Hauptquartier befand.
Das Detachement Kreutz *) der Reservearmee hatte sich
Saaleabwärts gewendet, war bei Dürrenberg auf das linke
Saaleufer gegangen und bis Eplitz gelaugt. Es hatte dem
Feinde 800 Gefangene abgenommen.
Die Nordarmee war in Leipzig geblieben.
Das Gros der schlesischen Armee liatte die Ellster iind
Lüppe bei Schkenditz überschritten und war in der Richtung
auf Lützen vorgegangen.
Die Kavallerie unter Wassilitschkoff ’), w'elche von
Miltitz über Markranstädt, Lützen, dem Gegner gefolgt war,
hatte mit der feindlichen Nachhut mehrmals unbedeutende
Zusammenstöße gehabt, schließlich auch an der Rippach
westlich Lützen) einen unbedeutenden Geschützkarapf geführt.
Sie hatte dem Gegner über 2000 Gefangene abgenommen
und lagerte westlich Lützen. Das Hauptquartier der schlesi-
schen Armee befand sich ebenfalls in Lützen. ^löglicherweise
hat das Bestreben Blüchers, dom Gegner tunlichst auf den
Fersen zu bleiben, ihm direkt möglichst Abbruch zu tun,
ihn verleitet, auf Lützen zu rücken statt auf Merseburg, falls
ihm diesbezüglich, was w'ohl anzunehmen ist, Schwarzen-
berg vollkommene Freiheit gelassen hatte. Hier wäre allerdings
dem Feinde weit größerer Schaden zugefügt worden, wenn
Blücher seinem Drange weniger gefolgt und dafür eines
jener „Manöver" gemacht hätte, von welchen er nicht viel
hielt. Selbst wenn es ihm nicht gelungen wäre, am 21. bei
Freyburg auch die Korps Längeren und Sacken ins Gefecht zu
bringen, was durchaus nicht unmöglich gewesen wäre, seine
Persönlichkeit allein war schon eine Bürgschaft dafür, daß hier
■) 26. Infanteriedivision : Die Regimenter Nischny - Nowgorod.
Ladogn, I’oltawa, Orel, 5., 42. Jäger; 1 Brigade der l.J. Division: Regiment
Welikiluck, Halicz, zusammen 17 Bataillone, 1 Kosakenrogiment,
7‘/i Batterien, zirka 10.000 bis 11.000 Manu. 600 Reiter, 90 Geschütze.
’j 2. ülanenregiinent, 4 Eskadronen, 1 Kosakenregiment, 1 Ba-
tsdllon und 4 Geschütze, zirka 800 Reiter, ,ö00 Mann, 4 Geschütze.
’) 28 Eskadronen, 30 Sotnien (7 bei Yorck detaoliiert , zirka 4500 Reiter
mit 8 Geschützen. (K. A. Berlin, initgeteilt durch Major Eriederich.j
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412
Kcrobnawe.
Größeres geleistet und erreicht wurde, als dies tatsächlich
der Fall war.
So stand am Abend des 20. mir die Hauptarmee in jenem
Verhältnis, welches dem Bestreben, ,,den weichenden Gegner
in der Flanke zu kotoyieren”, d. h. einer Parallelverfolgung,
einigermaßen entsprach •).
Das 1'reffeii von Kosen.
FZM. Gyulai hatte seine Absicht, über die Saale auf
Frej’burg vorzustoßen, mangels technischer Truppen aufgeben
müssen. Er ordnete im Sinne des vom Armeeoberkommando
erhaltenen neuen Befehles, „über Kosen auf Eckartsberga zu
rücken*)'’, den Abmarsch nach Kosen für den 21. Oktober, 7 Uhr
früh, in zwei Kolonnen an, deren eine unter FML. Crenne-
ville auf der Straße über Schulpforta, die andere unter
FML. Moritz Liechtenstein auf dem über die südlichen Tal-
begleitungshöhen fülirenden AVege dorthin abzurücken hatte*).
U .Siehe Textskizze P.
’) Siehe Seite 401.
’) I. Au.szug aus der Di.sposition des III. Korps für den
21. Oktober IHlcI: „Ks werden zwei Kolonnen formiert, die erste
unter den Befehlen des FML. Fürst .Moritz Liechtenstein, bestehet
nu.s folgenden Truppen:”
.Als Avantgarde die Kavallerieabteilang des Obersten Graf
Mensdorff, 1 Division Vincent-Chevaulegers, das 1 . Jagerbatoillon und
das Broder Bataillon.”
„Das Gros, bestehend aus 2 Divisionen Vincent-, 3 Divisionen
Kaisor-Cbevaulegers. 3 Kskadronen Lovenehr-Dragoner; die Infanterie-
division des FML. Fürsten von Hessen-Homburg.”
.Die zweite Kolonne unter den Befehlen des FML. Grafen Crenne-
V i 1 1 e.”
.Als .\vantgarde die Abteilung des GL. Baron Thielemann,
die königl. preußischen Jäger (Boltenstern).”
„Das Gros, bestehend aus Rosenberg-Chevaulegers, 5 Eskadronen,
die Infanteriedivision des FML. Murray, 1 Warasdiner Bataillon und
■') Eskadronen Klenau-Chevaulegcr.s.”
„Das zweite 4Vara.sdincr Bataillon der Division des FML. Crenne-
ville besetzt mit vier Kompagnien die Stadt Xaumburg und mit zwei
Kompagiiien die Köscuer Brücke.”
.Die Brigadebatterien der ersten Kolonne folgen der Division des
FML. Murray der zweiten Kolonne und teilen sich in die erste Kolonne
am 4'erein der AVege ein, welche vorder Köseuer Brücke nach Freyburg
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Von Leiptig bis Erfurt
413
Aber während FZM. Gyulai noch bei Naumburg die
Einreihung der Truppen in die Kolonne persönlich überwachte,
ertönte aus der Gegend von Kosen heftiges Geschützfeuor ').
Von der rechten Kolonne war erst die Vorhut-) im
Harsche, von der linken Kolonne noch nichts. FZM. Gyulai
gab der als Tetebrigade der Haupttruppe bestimmten Brigade
Salius den Befehl, unverzüglich, regimenterweise, wie die
Truppen am Aufbruchsort anlangten, mit größter Beschleunigung
nach Kosen abzurücken, ein gleicher Befehl erging an die
Vorhut der linken Kolonne*). Da es bereits zirka 8 Uhr vor-
mittags war, konnte die Infanterie dieser Truppen abteilungeu
erst gegen halb 10 Uhr vormittags bei Kosen eintreffen.
Hier begann indessen die Situation bereits sehr kritisch
zu werden.
Oberst Veyder hatte den Ort Neukösen*) mit vier
Kompagnien vom 1. Bataillon Erzherzog Ludwig besetzt,
das um 6 Uhr abends des Vortages eingetroflene 7. Jäger-
hataillon hatte Vorposten auf die Höhen am linken Saaleufer
führen, nämlich bei Frankenau. Die Brigadebatterieu der zweiten
Kolonne folgen ihren respektiven Brigaden mit Au.snahme der ersten
Brigadobatterie, die eine halbe Batterie nach dem ersten linksstehenden
Bataillon der Division Murray folgen läßt. Der Abmar.sch ist links. Die
Stunde des Aufbruchs für die .\vuntgarden ist so einzuleiten, daß sie
um 8 Uhr an der Kösener Brücke eintreffen. Das (»ros der ersten Ko-
loöne bricht um 7 Uhr, das der zweiten Kolonne um eine Stunde später
auf. Diesem folgt die Kavallcriedivisiou des FML. Oralen Nostitz. Die
(Munition.s-)Handreservo folgt dem AVarasdiner Bat.iillon, die Kessel
und Packpferde, sowie auch alle Bagagen bleiben bis weiteren Befehl
diesseits der Kösener Brücke zurück." (K. A., F. A. 1813. Oyulai,
X, 53'/..)
-An der Kösener Brücke befanden sich bereits seit 2Ü. Oktober :
4 Kompagnien Erzherzog Ludwig der Brigade Salins, 1 Kompagnie
AVarasdiner-Creuzer der Division Crenneville, das 7. Jägerbatailloii,
100 kommandierte Reiter und 4 dreipfündige KavallcriegeschOtze der
Division Moritz Liechtenstein unter Kommando des Obersten Freiherrn
von A'eyder des 7. Jägerbataillous.
Bei der Fähre von .Altenburg eine Kompagnie AVarasdiner-Creuzer
von der Division Crenneville (Anmerkung des A'erfassers).
') K. A., F. A. 1813, Gyulai, XIII, 220.
*) Streifkorps Thielemann und Boltenstern.
•) Streifkorps Mensdorlf und Gros der Division Liochtonstein.
*) So hieß damals der am linken Saaleufer gelegene Ortsteil.
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414
Kerohnaw«.
vorgeschoben, die Brücke selbst war von einer Kompagnie
Warasdiner-Creuzer und zwei dreipfündigen Geschützen be-
setzt, zwei weitere Dreipfünder standen am Brückenende
am rechten Saaleufer. Eine Kompagnie Warasdiner-Creuzer
stand an der Fähre bei Altenburg ').
Bei Beginn der Morgendämmerung griffen drei bis vier
feindliche Bataillone, welche sich in den Waldjmrzellen nörd-
lich des Vorwerkes Frankenau gesammelt hatten, den rechten
Flügel von Oberst Veyders Vorposten an und warfen diese
auf den Ort zurück. Aber die Kompagnien von Erzherzog
Ludwig waren bereits auf ihren Posten. Die Häuser an der
Ortslisiere waren zur Verteidigung eingerichtet, die Dächer
mit Schützen besetzt, welche die steil abfallenden Uferhöhen
unter Feuer zu nehmen hatten. So kam der französische An-
griff bald zum Stehen.
Aber die Franzosen brachten neue Kräfte ins Gefecht.
Auf den Höhen am linken Saaleufer fuhren zahlreiche Geschütze
auf, und zwar vornehmlich zwölfpfüudige und Haubitzen. Das
Feuer der letzteren erreichte die Brücke und setzte den Ort
teilweise in Brand, trotzdem gelang es Oberst Veyder, der
unermüdlich stets an die bedrohten Stellen eilte, an der Spitze
seiner wieder gesammelten braven .Jäger und von Abteilungen
vou Erzherzog Ludwig-Infanterie, die an mehreren Stellen in
den Ort eingedrungenen Franzosen immer wieder hinaus-
zuwerfen.
Bei der großen Übermacht des Gegners — ■ Bertrand
konnte nach und nach im ganzen 40, allerdings sehr schwache
Bataillone ins Gefecht bringen — war aber trotzdem ohne
Unterstützung die Wegnahme von Kösen nur mehr eine Frage
weniger Stunden.
Die erste Unterstützung brachten die Reiter Thiele-
manus und Mensdorffs und die preußischen Gardejäger
Major Boltensterns, Die Reiterei stellte sich hinter Kösen
auf, bereit, den etwa aus dem Orte vorbrechenden Gegner
sofort zu attackieren, Thielemanns Haubitzen*) fuhren
Siehe Textskizze 7. (Heute befindet sich an der Stelle dieser
Filhre eine Brücke.)
’) 2 russische Kosaken einhörner, 2 österreichische Kavallerie-
hauhitzen.
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Von Leipzig bis Erfurt.
415
auf der Höhe südwestlich Kosen auf, von hier das Feuer der
Franzosen erwidernd, und die Jägorkompagnie Boltensterns
besetzte das hohe Steilufer südlich Kosen, von hier aus alle
Versuche der Franzosen, von Süden aus') in den Ort ein-
zndringen, flankierend. Auf Oberst Graf Mensdorffs Bat
beteiligten sich auch hier jene Husaren und freiwilligen Jäger
der beiden Streifkorps, welche über gezogene Karabiner ver-
fugten *}.
Aber diese Unterstützung sowie jene von Teilen der bei
Altenburg stehenden Grenzerkompagnie konnten auf die Dauer
nicht ausreichend sein. Endlich, gegen ein viertel 10 Uhr vor-
mittags, während den Abteilungen von Erzherzog Ludwig
bereits die Munition auszugehen begann, nahte ausgiebige
Hilfe. Von Alt-Flemmingen aus erschien das Gros der Division
Liechtenstein und von Schulpforta unter GM. Salins’ persön-
licher Führung im Sturmschritt das Regiment Erzherzog
Ludwig"), welches der tapfere General sofort über die Brücke
führte und mit demselben sofort in das Gefecht eingrifi’,
einen neuen Versuch des Gegners, in Kosen einzudringen,
hiebei zurück weisend.
Von den beiden Bataillonen der Division Liechtenstein *)
entwickelte sich das Grenzorbataillon am Steilufer südlich
Kosen — wo bereits die Gardejägerkompagnie stand — Teile
desselben gingen auch über die Brücke nach Neukösen vor
und griifen dort in das Gefecht ein, das 1. Jägerbataillon be-
setzte die Büsche am rechten Saaleufer nördlich Kösen, von
dort aus ein lebhaftes Tirailleurfeuer auf die französischen
Plänkler am gegenüberliegenden Ufer unterhaltend. Eine sechs-
pfündige Kavalleriebatterie der Division Liechtenstein, später
auch die Brigadebatterie der Brigade Salins, fuhr auf der Höhe
östlich, beziehungsweise südöstlich von Kösen auf, ohne jedoch
das Feuer der an Zahl und Kaliber überlegenen, auf dominierender
') Aus der Gegend, wo jetzt der Bahnhof steht.
•) Per österreichische Eskadron IG, per preußische 12 Reiter.
’) 2. und 3. Bataillon, 2 Kompagnien vom 1. Bataillon waren bei
der Korpsartilleriereserve, 4 standen bereits in Kösen.
*; 1. Bataillon des Broder Grenzerregiments, Rest des 1. Jägor-
bataillons (ein Teil desselben war am 18. Oktober gefangen genommen
worden).
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416
Kerohnawe.
Höhe ziemlich gedeckt stehenden feindlichen Artillerie dämpfen
zu können. Immerhin waren durch diese Maßnahmen die Ver-
teidiger Neukösens gegen Umfassungen ziemlich gesichert.
In Neukösen selbst beschränkte sich GM. Salins nicht
auf die reine Abwehr ; er hatte das 3. Bataillon Erzherzog
Ludwig, statt des 1., welchem bereits die Munition auszu-
gehen begann, in die vordere Linie gezogen, eine Kompagnie
wurde an eine am Fuße des Berges gelegene Mauer vor-
geschoben, das 2. Bataillon verlängerte mit 3 Kompagnien
links die Feuerlinie des 3. Bataillons. Der Best des 2. Batail-
lons stand hinter dem linken, das gesammelte 1. Bataillon
hinter dem rechten Flügel als Reserve, die Jäger waren in
der ersten Linie verblieben, untermischt mit Abteilungen des
Regiments Erzherzog Ludwig. Das mittlerweile eingetrotlene
Regiment Großherzog von Würzburg nahm am rechten
Saaleufer, in der Nähe der Brücke Stellung.
Verschiedenen Vorstößen dos 3. Bataillons Erzherzog
Ludwig gelang es, die feindlichen Tirailleurs gänzlich auf die
Höhen zurückzudrängen, auch das am linken Flügel vor-
geliende halbe 2. Bataillon säuberte die vorliegenden Gräben
und Ravins vom Gegner. GM. Salins ließ nun, einerseits
um den Umfassungsversnchen der Franzosen ein Ziel zu
setzen, andererseits deren rechten Flügel selbst zu bedrohen,
den Rest des 2. Bataillons unter Hauptmann Peter in den
gegen das Südende von Kösen sich herabziehenden, tief ein-
ge.schnittenen Talgraben auf die Höhe Vorgehen. Da der
Gegner diesem Talgraben keine Beachtung geschenkt hatte,
gelang es Hauptmann Peter, ohne von den Franzosen be-
merkt zu werden, die Höhe zu erreichen und von dort den
rechten Flügel der feindlichen Feuerlinie überraschend in die
Flanke zu nehmen *).
Aber General Bertrand trat dieser Umfassung sofort
entgegen. Drei oder vier*) hinter dem rechten Flügel in
Reserve gestandene Bataillone gingen sofort unter großem
') K. A., t'. A. lyl3, Hauptarmec, X. 752; K. A., F. A. 181.3.
(jvnliii, X, 53 und XIII, 220.
’) „.3 Bataillone,” sagt GM. Salins (K. A., F. A. 1813, Gyulai,
X, 53i, „ein starker Haufe.” Das Operationsjournal (K. A., F. A. 1813,
Gyulai, XllI, 220\
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Legende:
Franzosen
1 i»ivimonpn Morand Hat.i, Kn»n- ,
qin*nmnt ( \Vürtlt*ml»tTj;t*r Hat
(fuilleminot ^11 lUt.* und 1 h«\-
Kompa;riiie.
xU'Cimmen 27 ‘ r, Bataillone mit etwa i
ö -tiOOO Mann.
2 zirka 20 Kanonen.
3 zirka 12 - lö Ilatibitzen nnd schwere
Oesrhatze. i
4 Marsrhall Uertrand
6 2 K.^kadn-nen.
6 lh\ i.siiin l'iMitanelli Italiener) 18 Bat ,
zirka 27n0 8000 Mann.
7 Icile V'«n I.et'el)\ rc-I)esn<melte>. vor-
itelinilich t. Oarde-( li«*v. -lancier*
und Khreii|!arden, zirka I2u0 M
8 zirka 8000 Heiter
Verbündete
a 'von recht.s nach linkst III. FM. Lnd-
w'i«;. 7. JäiTor. ’ ^ I. Want^diner-
(’reuzer. 1., II. FH, Hudwiii.
b F'/jM (iynlai führt das Hejimeiit
Wurzburg (8 Bat.) zum tiegen-
an^riff.
C l. .Ikgerbataillon.
d (von rechts nach links) I. Hrodor.
I Kompairnie j)reuÖischo (iarde-
jftger iHoltenstern».
e 1 Kavalloriohatteric* der Division
Liechtenstein, 1 Hritradebatterie
der Hriirade S^ilins. 1-12-tl -Batterie
der Korpsgcschlilzresei VC (^20 tie-
si’hütze).
f Brigade Orinimer (5 Bat.),
g , C.sollic'h (8 Hat.V
h . Weigel (4 Bat.i, eines im
Marsche nach Kl.-IlerinL'cn.
i I-l2-1t-und l-b-tfe -Batterie der
Korpsueschützreserve
k (iros der Division CnMjneville M Bat
1 '
I \Vara-<diner - St. Ucorger. h Esk
j 12 detai liiert] Rosenherg-.
I [2 detachiert) Klenau-Oiev.,».
\ KML. Murniy
m FML. ( renneville.
n Detachernenl (zirka 100 Heiter) der
Division I,icrhteii'?tein.
0 von der Divi^ion Oeniieville
t P. 8' osterr. detachiert'. 4* j pretiö.
, Eskadronen, 2 Kosakenrcgiujeijter
4 Haubitzen.
q 8 iKterr E.'k.. 2 Kosakenn*g
r t) L.*k. Viiicent'Cliev.. t> t>k. Kaiser
Om-v.. 4 Ksk. Levenebi -Dragoner
I 1 Kaudleriebatterie, . 7 Jager-
hataillon. Brosier Granzer oud
I Kavaileriebatterie bei Ko»erj im
• »etccl.l: 2 Jägerbaf. Ikmid Korp-
Vorcki.
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Von Leipsig bU Erfart.
417
Geschrei gegen den linken Flügel von Hauptmann Peters
Abteilungen vor, die Artillerie richtete ihr Feuer auf dieselben
und auf Kosen und alsbald war das 2. Bataillon Erzherzog
Ludwig auf Kosen zurückgeworfen.
Unglücklicherweise wurde auf dem zunächst stehenden
linken Flügel des 3. Bataillons gerade die Munition ersetzt,
und so gelang es den Franzosen gleichzeitig mit den zurück-
weichenden Abteilungen des 2. Bataillons in Kosen einzu-
dringen und einzelne Abteilungen bis an die Brücke zurück-
zutreiben.
Hier aber ließ der Kommandant von Erzherzog Ludwig,
Oberst von Sagburg, das in Reserve stehende, gesammelte
1. Bataillon das Bajonett fällen und führte es im Sturm-
schritt den Weichenden und den Verfolgern entgegen, auch
der unermüdliche, bereits durch zwei Prellschüsse verletzte
Oberst Veyder warf sich mit seinen braven Jägern auf die
Eingedrungenen, während sich FZM. Gyulai persönlich
an die Spitze des Tetebataillons von dem in Reserve am
rechten Ufer stehenden Regiment Würzburg setzte und im
Verein mit dem Regimentskommandanten, Oberst von Demon-
tant, das Regiment in dichtaufgeschlossener Kolonne, trotz des
heftigen Haubitzfeuers der Franzosen, über die Brücke führte.
Das Eingreifen des Regiments Würzburg stellte nicht
nur das Gefecht wieder her, die Franzosen wurden sogar
wieder ganz auf die Höhen zurückgetrieben. Am rechten
Flügel hatten sich Abteilungen beider Regimenter im toten
Winkel am Fuße der Höhen gesammelt *) und begannen nun,
trotzdem ihre Offiziere sie von dem aussichtslosen Unter-
nehmen abzumahnen versuchten, im Verfolgungseifer diese
Höhen an den wenigen gangbaren Stellen zu ersteigen *).
Trotz heftigen Feuers und Herabrollen von Steinen und
Felsstücken gelangten einzelne kleine Häuflein bis nahezu an
die Grete, wurden aber hier mit dem Bajonett zurückgetrieben,
getötet oder gefangen ®).
') Die Talbegleitungsliöhen setzen hier mit 100 bis 130 Meter
hohen, 60- bis 70 gradigen Felswänden zur Talsohle ab ; nur in einzelnen
40gradigen Rinnen ist hier eine Ersteigung möglich.
•) K. A., F. A. 1813, Hauptarmoe, X, 752 und Gyulai, XIII, 220.
*) Ebenda.
Mitteilungen des k. und k. Kriegsarchivs. Dritte Folge. IV. Bd. 27
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.418
Kerobnawe»
Zwisclien etwa 1 und 2 Uhr nachmittags war das Ge-
fecht wieder allenthalben zum Stehen gekommen. Die Franzosen
stellten ihre Angriflsversuehe ein, aber auch FZM. Gyulai
untersagte, die Unmöglichkeit einsehend, die Höhen frontal
zu ersteigen solange sie der Gegner besetzt hielt, jeden
weiteren Angriff. Das 2. und .S. Bataillon Erzherzog Ludwig,
2 Bataillone Grollherzog von Würzburg und das 7. Jiiger-
bataillon verblieben in erster Linie, ein Bataillon Würzburg
stand im Orte, das 1. Bataillon Erzherzog Ludwig unmittelbar
an der Brücke am rechten Saaleufer als Reserve.
Bei den Batterien östlich Kosen war auch noch eine von
der Korpsartilleriereserve vorgezogene zwölfpfündige Batterie
in Stellung gegangen.
Im Laufe des Vormittags waren bei Kösen und Alt-
Flemmingen auch alle übrigen Teile des III. Korps ange-
kommen.
Während der hier geschilderten Vorgänge war das
Gros des Korps im Raume zwischen Kösen und Schulpforta
eingetroffen, nur 1 Eskadron und 1 Bataillon der Division
Crenneville waren zur Besetzung Naumburgs und der dortigen
Übergangsstellen zurückgeblieben.
Die Brigade Grimmer (5 Bataillone) stellte sich als
Soutien für die Brigade Salins hinter der Höhe östlich Kösen
gedeckt in Bataillonsmassen in zwei Treffen auf, in der etwa
1800 Schritte weiter östlich befindliche Mulde die Brigade
Csollich (.0 Bataillone) rechts, die Brigade Weigel (4 Batail-
lone) links, ebenfalls in Bataillonsmassen in zwei Treffen ‘).
Ein Bataillon der Brigade Weigel wurde über Kreipitsch
nach Klein- Heringen zur Besetzung der dortigen, intakt ge-
bliebenen Brücke entsendet Die Division Crenneville stellte
sich hinter der westlich Schulpforta gelegenen steilen Höhe
gedeckt auf, das Bataillon Warasdiner-St. Georgor beobaclitete
das Saaleufer, das Bataillon Warasdiner-Creuzer — soweit
es nicht bei Kösen beziehungsweise Altenburg stand — hielt
mit einer Eskadron Klenau-Chevaulegers Naumburg und die
') K. A., F. A. 1813, Gyulai, XIll, 220.
Dies hatte eine dorthin entsendete halbe Eskadron von Thiele-
luann — welche auch einstweilen die Brücke besetzt hielt — entdeckt
und gemeldet.
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Von Leipzig bi» Erfurt.
419
dortigen Brüokenstellen besetzt. Hinter der Division Crenne-
ville hatte sich das Korps Tliielemann gesammelt, links von
ihr, auf der Straße bei Schulpforta hielten die beiden übrigen
Batterien der Korpsartilleriereserve.
Die Kavallerie der Division Liechtenstein und des Streif-
korps Mensdorfl' standen bei Alt-Flemmingen — die Reserve-
kavallerie unter FML. Nostitz verblieb zwischen Altenburg
und Naumburg.
Da FZM. Gyulai einsah, daß ein frontales Vorbrechen
aus Kosen keine Aussicht auf Erfolg biete, solange der Gegner
die Höhen beherrsche, die Mittel, den Gegner von den Höhen
zu vertreiben, ihm infolge der Inferiorität seiner haupt-
sächlich aus Sechspfündern und leichten Haubitzen bestehenden
Artillerie aber mangelten, zur Festhaltung Kösens die bereits
dort befindlichen Truppen völlig ausreichend erschienen, stand
er von der Entsendung weiterer Truppen auf das jenseitige
Saaleufer ab.
Bei Einbruch der Dunkelheit begann das Gefecht zu
erlahmen und FZM. Gyulai verfügte nun die Ablösung der
Brigade Salins durch die Brigade Grimmer. Das Regiment
Frelich besetzte Kosen mit 3 Bataillonen. Die beiden Bataillone
des Regiments Kolo wrat verblieben hinter dem Orte als Reserve.
Die Brigade Salins biwakierte am Waldrand südöstlich Kösen,
das Bataillon Warasdiner-St. Georger der Division Crenneville
übernahm die Beobachtung der Saale von Kösen bis Alten-
burg, das Bataillon Broder der Division Liechtenstein die
Beobachtung der Saale von Kösen bis Klein-Heringen. Die
beiden anderen Bataillone der Division Liechtenstein (1. und
7. Jägerbataillon) stießen bei Alt-Flemmingen zum Gros der
Dmsion. Die übrigen Teile des III. Korps und die Kavallerie-
reserve lagerten an jenen Stellen, wo sie tagsüber gestanden’).
Das Streifkorps Thielemaun hatte sich am späten Nach-
mittag nach Camburg gewendet — wohin Platow direkt von
Naumburg aus marschiert war — und dort die Saale über-
schritten. Thielemann verblieb nachtsüber in Camburg,
Platow gelangte bis Stadt Sulza und befand sich nun fast in
gleicher Höhe mit der Tete der französischen Armee.
’) Siehe Textskizze 8.
27*
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420
Rerchnawe.
Das Gefecht bei Kosen, in welchem österreichischer-
seits nur die 6 Bataillone der Brigade Salins*i und die
3 Bataillone der Division Liechtenstein, ferner 3*/s Batterien
ernstlich ins Gefecht gekommen, hatte diesen etwa 6000 Mann*i
und 22 Geschütze starken Truppen inklusive des gering-
fügigen Verlustes der Kavallerie*) 151 Mann an Toten,
17 Offiziere und 662 Mann an Verwundeten, 45 Gefangene.
1 Offizier und 49 Mann an Vermißten gekostet*), d. i. zu-
sammen 18 Offiziere, 810 Mann = 13*3®/o.
Von den Franzosen hatten nach Aussagen der Ge-
fangenen „Teile von 3 Korps” am Gefecht teilgenommen,
was insoferne entsprechen würde, als nach der Disposition
Napoleons tatsächlich Truppen dreier Korps, nämlich die
Korps Bertrand und L’HeritiÄr sowie die Division Guilleminot
des VII. Korps zur Stelle sein konnten. Diese Truppen hatten
am 21. Oktober noch einen Gefechtsstand von etwa 9000 bis
10.000 Mann Infanterie®), 3200 bis 3500 Reiter’), 63 Ge-
schütze *). Wieviel von diesen Truppen tatsächlich am Kampfe
Anteil genommen hatte, läßt sich aus den vorhandenen
Quellen mm annähernd feststellen. Nach der Gefangenenliste *)
scheint die Infanterie der beiden national - französischen
Divisionen Morand und Guilleminot — 25 schwache Bataillone
mit etwa 6000 Mann Gefechtsstand — die Hauptlast des
*) Außerdem 1 bis 2 Kompagnien Warasdiner-Creuzer der Division
Crenueville.
•) Siehe Anhang I b.
•) 13 Mann, siehe Anhang IV.
*) Naeh K. A., F. A. 1813-1814, Hauptarmee, XIII, 22.
K. A.. F. A. 181.3, Gyulai, XIII. 220.
') Vom Korps Bertrand; Division Morand 14, Division Fontanelli
13, Division Franquemout 3 Bataillone; VII. Korps; Division Guilleminot
11 Bataillone, zusammen 41 Bataillone ä 250 bis 300 Mann, wobei
die Bataillone von Franquemont und Fontanelli stärker, die anderen
schwächer gewesen sein dürften.
’) Das Kavalleriokorps L’Heritier zählte in 46 Eskadronen noch
mindestens 30(X) Beiter, außerdem befanden sich 2 württembergisohe
Eskadronen beim Korps Bertrand.
33 vom Korps Bertrand, 16 von der Division Guilleminot.
8 von der Reserve des VH. Korps, 6 von L’Hcritier. (Nach Pelet,
Campagne de 1813 und die fraiiz6si.sche Armee im J-ahre 181.3.)
K. A., F. A. 1813, Hauptarmeo, X, 543, siehe auch Anhang V
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Von Leipiig bis Erfurt.
421
Kampfes getragen zu haben, die Württemberger (Division
Franquemont) und die später angekommeDe italienische
Division Fontanelli scheinen in Reserve zurückgehalten
worden zu sein. Eine bayrische Marschkompagnie, die Ber-
trand am Marsche angehalten und in erster Linie verwendet
hatte, drang mit in Kosen ein, wurde dann aber beim Vor-
stoß des Regiments Würzburg gefangengenommen'). Die
Holländer i l4 Gefangene) und Polen (14 Gefangene), außer-
dem 78 polnische Überläufer der Garde scheinen der Kaval-
lerie Lefebvre-Desnouettes angehört zu haben, von welcher
ein Teil die Saale zwischen Kosen und Naumburg bewachte,
und bei welcher sich polnische und holländische Lanciers
befanden.
Die Verluste der Franzosen werden von den Österreichern
mit 800 bis 1000 Mann an Toten und Verwundeten ange-
geben *), außerdem wurden 6 Offiziere und 643 Mann gefangen-
genommen ’). Französischerseits fehlen hierüber alle Angaben;
dem Offiziersverlust würden, auf einen getöteten oder ver-
wundeten Offizier etwa 30 Mann gerechnet'), ein Verlust
von etwa 270 bis 300 Toten und Verwundeten entsprechen,
bezw. nach dem österreichischen Verhältnis (1 OfQzier
anf 42 Mann) etwa 370 bis 380 Mann. Nach dem Verlauf
des Gefechtes dürften die beiderseitigen Verluste an Toten
und Verwundeten annähernd gleich sein.
Wie bei allen ähnlich verlaufenden Gefechten schrieben
sich bei Kosen beide Teile den Sieg zu. Den beiden Teilen
von ihren Oberkommanden vorgeschriebenen Gefechtszweck,
„die Brücke von Kosen in Besitz zu nehmen” — wobei bei
Bertrand noch der Befehl hinzukam sie zu zerstören —
hatte General Bertrand wohl nicht, FZM. Gyulai aber
ja erreicht. Demnach war also der taktische Erfolg den kaiser-
lichen Waffen geblieben — nicht aber der operative. Hinter
den fechteuden Truppen Bertrauds bewerkstelligte das
*) K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 543, 2 Offiziere und 71 Mann,
’j Nach Martinien, Tableaux des officiers tu4s et blessds, hatten
die Franzosen bei Kosen 9 verwundete Offiziere.
') K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 543, siehe auch .\nhang V.
’) Die Franzosen hatten relativ mehr Offiziere als die Oster-
Reicher.
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422
Kerohnawe.
Gros der Franzosen seinen Rückzug ganz unbehelligt und bei
Kosen sahen etwa 1 1 .000 Mann Infanterie und über 5200 Reiter mit
42 Geschützen der Verbündeten tatenlos dem blutigenRingen zu,
welches sich vor ihnen abspielte, ohne eingreifen zu können.
Dies legt den Gedanken nahe, ob es FZM. Gyulai
nicht möglich gewesen wäre, mit der Erreichung des takti-
schen Gefechtszweckes auch die Ermöglichung der Fort-
setzung der Verfolgung zu verbinden.
Ein Vorbrechen aus Kosen war allerdings so lange nicht
möglich, als es nicht gelang, die französische Artillerie nieder-
zukämpfen und dann die Verteidiger der Höhen durch
Arlilleriefeuer zu vertreiben oder doch niederzuhalten. Die 24
östlich Kosen in Position gestandenen Geschütze ’) reichten
hiezu um so weniger ans, als der wirksame Ertrag der hierunter
befindlichen lOSeehspfündergar nicht bis zu den französischen
Geschützen reichte.
Aber bei den zurückgehaltenen ß’'j Batterien *) befanden
sich 10 Stück siebenpfündige Haubitzen und eine zwölfpfundige
Batterie, die immerhin eine ansehnliche Feuerkraft repräsen-
tierten. Ob die dann ins Feuer kommenden 8 Zwölfpfünder
und 20 Haubitzen ausgereiuht hätten, die französische Artillerie
niederzukämpfen, kann schwer beurteilt werden *), immerhin
wäre es wert gewesen, den Versuch zu machen und wenn
auch das Verhalten Gyulais und seines Artilleriedirektors
nach den damaligen Begritlen über Artillerieverwendung nicht
unbegreiflich erscheint, ein General napoleonischer Schule
') 8 der Brigade Salins (C Sechspfünder, 2 siebenpfündige Hau-
bitzen); 6 der scchspfQndigen Kavalleriebatterie der Division Liechten-
stein (4 Sechspfünder, 2 siebenpfündige Haubitzen); (i der zwölfpfündigen
Posilionsbatterie (4 Zwölfpfünder, 2 siebenpfündige schwere Haubitzen':
2 siebenpfündige Kavalleriehaubitzen Thioleinanns; 2 zehnpfiüidige
Kosakenhaubitzen Thicleinanns. Außerdem 4 dreipfündige Geschütze
nach Kavallerieart der Division Liechtenstein an der Brücke.
*) 4 Brigadebatterien i 8, 1 .sech.spfündige und 1 zwölfpfündige
Positionsbatterie der Korpsartilleriereserve ä 6 Geschütze und '/, drei-
pfündige Kavalleriebatterie der Division Liechtenstein.
Unter den l>3 Geschützen der Franzosen sollten sich nach der
normalen Verhältniszahl 21 Haubitzen befinden. Das tatsächliche Ver-
hältnis läüt sich nicht feststellen. An Zwölfpfündern befanden sich bei
der Division Guilleininot allein sechs. — (P eiet, Campagne de 1813, Art. X)
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not
a vailable
Von Leipsig big Erfurt.
423
hätte diesen Versuch gewiß unternominen, das beweist schon
die Artillerieverwendung Bertrands.
Aber es lag noch eine Möglichkeit vor, Bertrand zum
Rückzug zti veranlassen. Wenn es Gyului schon nicht über
sich zu bringen vermochte, seine ganze Kavallerie bereits
am Vormittag über Camburg auf dem Wege zu entsenden, den
Platow genommen und so Bertran ds Rückzug zu bedrolien,
so wußte man ja seit etwa 12 Uhr mittags durch Thielemanus
Patrouillen, daß die Brücke bei Klein-Heringen intakt und von
einer halben Eskadron dieses Streifkoi'ps besetzt sei.
Wenn nun statt eines Bataillons der Brigade Weigel
die beiden Brigaden Weigel und Csollich, ja eventuell sogar
noch ein Regiment der Brigade Grimmer entsendet worden
wären — ein Regiment war ja als Rückhalt für die Brigade
Salins vollkommen ausreichend — mit dem Auftrag, von
Klein-Heringen aus gegen Flanke und Rücken Bertrands
vorzugehen, während die Kavallerie über Camburg, Sulza,
Heringen, Hassenhausen vorging, wäre nicht nur Bertrands
Widerstand nicht mehr von langer Dauer gewesen, auch dem
Rückzug der französischen Hauptkraft wäre ein ernstliches
Hindernis in den Weg gelegt worden.
So aber fesselte der erbitterte Kampf bei Kösen des
Korpskommandanten ganze Aufmerksamkeit und während er
hier unter heldenmütiger Einsetzung seiner Person einen
taktischen Erfolg ohne besondere Tragweite errang, ent-
schlüpfte ihm außerhalb des engen Gesichtsfeldes der Brücke
bei Kösen ein viel größerer, ausschlaggebenderer, welcher
ihm für alle Zeiten einen ersten Platz in der Kriegsgeschichte
gesichert hätte.
Bas Treffen bei Frejbnrg').
Während bei Kösen um den Saaleübergang erbittert
gekämpft wurde, spielte sich bei Freyburg ein ähnlich ver-
laufendes Gefecht ab.
General von Yorck hatte die Hauptkraft seines Korps
um 7 Uhr bei Petzkendorf *) versammelt, die Reservekavallerie
*) Hiezu Textskizzo 9.
*) Ein kleiner Ort bei Neumark, 2 Kilometer westlich l’rankelcben.
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424
Kerohnitwe,
bei Bedra (2 Kilometer nördlich Roßbach). Die neue Avant-
garde unter Oberst Graf Heu ekel *) war um dieselbe Zeit über
Baumersroda gegen Laucha aufgebrochen.
Das Leibhusarenregiment und das sächsische ülanen-
rogiment der Avantgarde Ilenckel, welche einem feindlichen Ge-
fangenentransport von Baumersdorf aus in der Richtung auf
Laucha gefolgt waren, holten ihn bei Gleina ein, befreiten
etwa 100 Offiziere und 4000 Mann — größtenteils bei Dresden,
Schellenberg und Lindenau gefangengenomraene österrei-
chische Truppen — aus der Gefangenschaft und nahmen
von den beiden polnischen Bataillonen, welche die Eskorte
bildeten, gegen 400 Mann gefangen.
Der Rest der Eskorte entkam nach Laucha und zerstörte
die dortige Brücke. Die dieser Abteilung nachgefolgien
Patrouillen konstatierten, daß dort keine größeren Abteilungen
der abziehenden Franzosen standen^), so daß General Yorck
der Avantgarde den Befehl gab, gegen Zscheiplitz und Frey-
burg vorzugehen, wohin er bereits mit dem Gros des Korps
über Zeuchfeld aufgebrochen war.
Marschall Mortier war mit den beiden Divisionen
Barrois und Roguet sowie mit der Kavalleriedivision Ornsno
der jungen Garde — etwa 9000 Mann und 1800 Reiter —
jedenfalls schon vor Tagesanbruch bei Freyburg angekommen*;
und hatte, nach Vertreibung von Illowaiskis Kosaken*),
welche auf Eckartsberga auswichen, zur Sicherung der per-
manenten Brücken bei Freyburg und bei der Zeddenbacher
Mühle, sow’ie einer nächst Freyburg geschlagenen Floßbrücke
den Ort und das Schloß Zscheiplitz, das Wäldchen und die
Steinbrüche nördlich des zur Zeddenbacher Mühle führenden
Grundes, sowie die Höhen nördlich und östlich Freyburg
besetzt. Auf der Höhe westlich Freybarg war Artillerie aiif-
*) Siehe Seite 402 uml Anhang VI.
Nach Correspoudance, XXV’I, 20.822, stand aber dort die
KOrassierdivision St. Gormain von Sebastiani.
*) Der Kaiser hatte in Weilienfels, 6 Uhr abends, anbefoblen —
Correspoudance, XXVI, 20.819 — daß Mortier während der Nacht die
Brücken überschreiten solle und vor Tagesanbruch — Correspondance,
XXVI, 20.820 — in Froyburg einzutreflen habe.
•) Siehe Seite 397.
“) Pelet, Campagne de 1813, Art. X, 358.
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Von Leipsig bis Erfurt.
425
gefahren, anscheinend auch beim Orte Zscheiplitz '). Das
später noch zu Mortier gestoßene Gros der französischen
Eeiterei unter Sebnstiani^) scheint östlich Freiburg Ver-
wendung gefunden zu haben.
In einem Nachtragsbefehl®) hatte ferner Kaiser Napo-
leon noch einen Teil des Restes von Augereaus Korps'*)
zur unmittelbaren Sicherung der Übergänge bei Freyburg
bestimmt.
Außerdem scheint Bertrand die Division Margaron —
4 Bataillone, 2 Batterien, zirka 2000 Mann und 10 Geschütze
— hi' r zurückgelassen zu haben®), da das 132. Regiment
dieser Division bei Freyburg 4 Offiziere verloren hat.
Abgesehen von den hinter der Front seiner Aufstellung
abziehenden französischen Korps verfügte Mortier also bei
und nächst Freyburg über etwa 13.000 bis 15.000 Mann In-
fanterie, 8000 bis 9000 Reiter und etwa 60 bis 70 Ge-
schütze.
Die von Bedra gegen Markröhlitz vorgegangene Reserve-
kavallerie traf hier aus unbekannten Gründen erst gegen
Mittag ein und stieß hier auf überlegene Kavallerie, vermut-
lich die Reiterei Sebastianis, später, nach dem Abzug
Oudinots von Weißenfels, mag wohl auch das i. Reservekaval-
leriskorps erschienen sein, während andererseits auch General
Eraanuel“) vom Korps Langeron mit zwei regulären Dra-
gonerregimentern und zwei schwachen Kosakenpulks erschien
und sich an Yorcks Reservekavallerie anschloß.
') Wenigstens geriet hier das 1. Bataillon vom Leibregiment in
Kartätsch fener. (Friederich. Herb.stl'eldzug 1813, III, 250.)
*) 2. Kavalleriekorps zirka 3500 Reiter, 3. Kavalleriekorps zirka
?500 Reiter, 4. Kavalleriekorps zirka 1.500 Reiter. (Corre.spondance,
XXVI, 20.82t.)
•) Pelet, Campagne de 1813, Art. X. 355.
*) Die Division Tureau, 12 Bataillone, 3000 bis 3600 Mann; die
Division Sdmeld marschierte mit dem II. Korps. tPelet, Campagne de
1813, Art. X, 355, bezw. Correspondance, XXVI, 20.821.)
•) Unter den Truppen, mit welchen der Kaiser Bertrand n.aeh
Kosen zu rücken befahl, war Margaron nicht. — (Correspondance,
XXVI, 20.819.)
•) Plotho, II, Anhang und Friederich, Herbstfeldzug 1813,
III, 252.
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Kerohnawe.
Die reitende Batterie Oberst Jürgaß’ setzte sich in
einer günstig gelegenen Position ins Feuer, worauf die fran-
zösische Kavallerie gegen sie anritt. Die preußische Reiterei
scheint dem Kampfe mit der weit überlegenen feindlichen aus-
gewichen zu sein'), während es dieser wieder an Kraft zur
Attacke gefehlt haben dürfte, denn es gelang ihr nicht, die
21 preußischen und sächsischen Schwadronen zurückzutreiben,
die immer wieder von neuem vorgingen.
So zog sich das Gefecht bis gegen 6 Uhr abends hin,
um welche Zeit Oudinots Division Decouz am Gefechts-
feld erschien. Die preußische und sächsische Kavallerie, wahr-
scheinlich auch Emanuels Kosaken ritten unter großem
Geschrei*) gegen selbe an, gaben aber angesichts der
festen Haltung der französischen Karrees die Attacke anf
und entzogen sich neuerdings mit Erfolg der rechts von
Decouz’ Bataillonen gegen sie vorbrechenden französischen
Reiterei.
Nach Einbruch der Dunkelheit zog die preußisch-sächsische
Reservekavallerie gegen Zeuchfeld ab, nur General Emanuel
blieb in der Gegend von Markröhlitz stehen.
Es läßt sich heute wohl nicht mehr entscheiden, ob die
Durchführung der Attacke, sei es gegen Sebastiani, sei es
gegen Decouz, einen Erfolg gebracht oder ob sie nur zu
einem schweren Echec geführt hätte gegenüber dem weit
überlegenen Feinde. Dazu müßte man den damaligen Zustand
von Se bastianis Schwadronen, den Kräftezustand der Pferde
kennen. Ziemlich sicher aber dürften Decouz’ Bataillone,
unterstützt von zahlreicher Kavallerie, den Angriff abgewiesen
haben, denn, hatten sie bis dahin ihre gute Haltung bewahrt,
so lag kein Grund vor, warum sie diese nun plötzlich ver-
lieren sollten. Im allgemeinen dürfte man nicht fehlgehen,
wenn man annimmt, daß Oberst Jürgaß — der kein Mann
war, welcher sich scheute, sich und seine Reiter einzusetzen —
wohl wußte, was er tun konnte und jedenfalls gebührt ihm
auch das Verdienst, weit überlegene Kräfte durch 6 Standen
festgehalten zu haben.
') Btistimmte Angaben hierüber existieren nicht.
’) Pelet. Campagne de 1813, Art. X, .351».
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Von Leipzig bis Rrfurt.
427
Noch weniger Glück hatte der Angriff von Yorcks Infan-
terie, das heißt, soweit man hier von einem Angriff sprechen darf.
Y^orck hatte sich, bei Zeuchfeld eingetroffen, nicht stark
genug gefühlt, mit den zur Stelle befindlichen 16 schwachen
Bataillonen der Divisionen Horn und Hünerbein den Angriff
durchzuführen und daher beschlossen, den Anschluß an die
von Laucha heranzuziehende Avantgarde durchzuführen '), um
dann im Verein mit dieser die französische Stellung von
Norden her anzugreifen. Nach Zurücklassung des Strelitzschen
Husarenregiments der Division Horn bei Zeuchfeld zur Ver-
bindung mit der bei Markröhlitz im Gefecht stehenden
Reservekavallerie, rückte er durch die Waldungen westlich
Schleheroda auf die Höhe nördlich Müncheroda, wo er gegen
2 Uhr nachmittags den Anschluß an die Avantgarde bewirkte.
Hier gab GL. Yorck folgende Angriffsdisposition aus:
,,Die Infanterie der Avantgarde bildet den rechten Flügel
lind greift den Feind, der das Dorf Zscheiplitz zur Deckung
seines Überganges besetzt hat, längs der Unstrut an.”
„General Horn macht den linken Flügel und vertreibt
den Feind aus den Gebüschen und Weinbergen, welche vor
Zscheiplitz und Freyburg liegen. General Hünerbein bildet
die Reserve.”
Entsprechend dieser Disposition formierte sich die Avant-
garde in zwei Gruppen zum Angriff auf Zscheiplitz, beziehungs-
weise auf das Gehölz zwischen Zscheiplitz und den Stein-
brüchen*). Bei der auf Zscheiplitz vorgehenden Gruppe ging
das in eine Plänklerkette aufgelöste österreichische 2. Jäger-
bataillon in erster Linie vor, hinter dem rechten Flügel, mit
der Direktion auf das Schloß von Zscheiplitz, folgte das
1. Bataillon des Leibregiments und die Gardejägerkompagnie,
hinter dem linken Flügel das Thüringer Bataillon. Bei der
das Gehölz angreifenden Gruppe bildeten die beiden ost-
preußischen Jägerkompagnien die Plänklerkette, die beiden
übrigen liinienbataillone *) folgten dahinter als Unterstützung.
') Siehe Seite 424.
•) Nördlich des gegen die Zeddenbacher Mühle hinzieheuden
tValdes. (Siehe Textskiz/.e 9.)
Schlesisches (»renadierbataillon, kombiniertes Füsilierbataillon
vom hrandenhurgischeii und vom 12. Iteserveregiment.
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Korehnawo.
Die reitende Batterie der Avantgarde sollte aus einer Stellung
südlich Müneheroda den Angriff auf Zscheiplitz unterstützen,
hinter ihr stellte sich die Kavallerie der Avantgarde bereit.
Die Fußbatterie und die Landwehrbataillone *) standen als
Reserve hinter der Kavallerie.
Zur Unterstützung der linken Gruppe der Avantgarde
gingen von der Division Horn drei Bataillone von Nordosteu
her gegen das Gehölz bei den Steinbrüchen vor, während
eine östlich dieser Steinbrüche unter dem Schutze zweier
Bataillone aufgefahrene halbe Batterie das Gehölz imter Feuer
nahm. Der Rest der Division Horn — 4 Bataillone, 5 Eska-
dronen, Vs Batterie — verblieb am Waldrand nordöstlich
Müneheroda als Reserve, noch weiter rückwärts stand die
Division Hünerbein als Korpsreserv'e.
Von der zum Angriff auf Zscheiplitz vorgehonden Gruppe
wurde der linke Flügel, welcher in der von Nordwest gegen
Zscheiplitz streichenden Senke vorging, von Kavallerie attak-
kiert, zum Stehen gebracht und mußte aus dem wirksamen
Feuerbereich des Verteidigers gezogen werden; das zum
Sturme auf das Schloß ansetzende Bataillon des Leibregiments
geriet in heftiges Kartätschfeuer und mußte den Angriff
aufgeben. Yorck, welcher große Verluste vermeiden wollte,
erteilte den Befehl, hier den Angriff einzustellen und ein hin-
haltendes Gefecht zu führen.
Den gegen das Gehölz vorgogangenen Abteilungen war
es gelungen, die Franzosen daraus zu vertreiben. Einer nun
neben der reitenden Batterie der Avantgarde auffahrenden
halben Batterie*) gelang es, die Brücke bei der Zeddenbacher
Mühle derart wirksam unter Feuer zu nehmen, daß hier der
Übergang ganz eingestellt werden mußte. Dies veranlaßte die
Franzosen zu einem Gegenaugriff. Sie verstärkten die Artillerie
auf der Höhe westlich Freyburg auf 16 Geschütze schwereren
Kalibers und einem sodann erfolgenden energischen Gegen-
') Ein kombiniertes Bataillon vom G., eines vom 4. sclilesisoheu
Lamlwelir-lntänlerieregiment. (Siehe Anhang VI.)
’) Nach Major Eriederich, Herbstteldzug 1813, III, 2')3, soll das
eine zwülfpfündige Batterie gewesen sein; nach der Ordre de bataille
befanden sieb aber keine zwölfpfündigeu mehr beim Korps. Vielleicht
waren es also vier Haubitzen.
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Von Leipzig bis Erfurt.
429
angriff mehrerer Bataillone gelang es, das Gehölz um zirka
4 Uhr nachmittags') wieder zu nehmen und die preußische
Artillerie zu bedrohen. Erst nach dem Einsetzen zweier
frischer Bataillone (nun im ganzen fünf) der Division Horn
gelang es, das Gehölz neuerdings zu nehmen und zu behaupten,
bis General Yorck gegenOUbr abends den Rückzug auf Gleina
anbefahl.
Hinter der Front Mortiers waren den ganzen Tag über
die Abteilungen der französischen Armee in der von der
Disposition festgesetzten Reihenfolge*) über die Unstrut ge-
gangen. Aber die Ordnung begann sich bereits bedenklich
zu lösen; es bedurfte des persönlichen Eingreifens des Kaisers,
welcher sein Nacht((uartier bei Weißenfels um 3 Uhr früh
verlassen hatte und auf den Höhen des rechten Unstrutufers
den Übergang überwachte, um einigermaßen wieder Ordnung in
die sich drängenden, abgehetzten Scharen zu bringen. Der steile
Weg, welcher hier das Ufer hinanführte, war für die Kräfte
der abgematteten Artillerie- und Trainpferde zuviel ; zahlreiche
Wagen, elf Geschütze mußten hier stehen gela-^sen werden
und fielen am nächsten Tage in die Hände der Preußen, und als
die Granaten der reitenden Batterie und der Haubitzen, welche
zwischen Müncheroda und Zscheiplitz aufgefabren waren, in
die drängenden Massen und sogar in das Gefolge des Kaisers
einschlugen, begann sich die Unordnung bedenklich zu steigern
und teilweise an die Szenen an der Beresina zu erinnern ^).
Aber der Gegenangriff der jungen Garde auf das Gehölz,
die feste Haltung der Verteidiger von Zscheiplitz, ließen
Yorck von diesen Szenen nichts ahnen; er sah vom Gegner
eben „nur die Paradeseite, die Front*)” und stellte alle
weiteren energischen Angriffsversuche ein.
Nach dem Eintreffen Oudinots — etwa gegen 9 Uhr
abends — zogen die Divisionen Mortiers mit Ausnahme der
Brigade Pelet der Division Roguet auf Eckartsberga ab.
*) Vermutung, weil um diese Zeit Kaiser Napoleon unter dem
Eiudmck, dal! den Übergängen seitens des Oegners keine Oefahr mehr
drohe, das Gefechtsfeld verlieh. (Pelet, Campagne de 1813, Art. X, 358.)
*) Siehe Seite 398, 399.
*) Odeleben.
h Moltke, 1848—1849 in Schleswig-IIolsteiu.
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Kerohuaw«.
ihnen folgte im Laufe der Nacht auch Oudinot, welcher
nunmehr die Nachhut übernahm. Die Brigade Pelet verblieb
bis 4 Uhr früh in Freyburg und folgte dann, nachdem sie die
Brücken verbrannt hatte, unbehelligt der Nachhut Oudinots.
Vom Korps Yorck nächtigte das Gros bei Gleina, die
Avantgarde bei Müncheroda, die Keservekavallerie und das
Strelitzsche llusiirenregimeut bei Zeuchfeld.
Die Gefechte bei Freyburg und Markröhlitz hatten den
preußischen Truppen 2 Offiziere, 33 Mann an Toten, 14 Offiziere,
647 Mann an Verwundeten, 98 Mann an Vermißten und 26 tote,
23 verwundete Pferde gekostet'), dem österreichischen 2. Jäger-
bataillon*) 2 verwundete Offiziere und 38 Mann vom Ober-
jäger abwärts an Toten und Verwundeten. Über den Verlust
der Franzosen fehlen alle Angaben. Oberst Jürgaß hatte
dem Gegner 400 Gefangene und 3 Geschütze abgenommen,
11 Geschütze, zahlreiche Wagen und Nachzügler fielen am
nächsten Morgen den Truppen Yorcks in die Hände. Der
Verlust der Franzosen an toten und verwundeten Offizieren
betrug nach Martinien sechs.
Gewiß hätten sich hier ebenso wie bei Kosen bei
energischerem Wagen weit größere Resultate erzielen lassen.
Ja, hier sogar noch eher, stand doch hier kein absolutes
Hindernis gegenüber, wäre doch hier die Einwirkung auf die
zurückflutenden feindlichen Massen eine direkte gewesen.
Gewiß wird man weder dem General Yorck, noch
FZM. Gyulai die Anerkennung versagen dürfen, daß sie
tüchtige, energische Korpsführer waren. Hatte Gyulai am
Vormittag des 19. Oktober durch sein Warten infolge eines
mißverstandenen Befehles manches versäumt, so war doch
sein Entschließen und Handeln in den folgenden Tagen ein
umsichtiges und energisches. Die Taten des Generals Yorck,
des Helden von Möckern, Wartenburg und von der Katzbach
sind zu bekannt, als daß diesbezüglich noch W'citer etwas an-
zuführen wäre.
') Plotbo, II, Beilage XXIV. Nach der großen Zahl an Ver-
wundeten und geringen Zahl au Toten dürfte der größte Teil des Ver-
lustes auf das Kavallericgefecht bei Markröhlitz entfallen. !
*) K. A., K. Ä. 1813, Hauptarmee, X, 561.
1
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Von Leipzig bis Erfurt.
431
Aber weder Yorck noch Gyulai waren wagende, nnter-
nebmende Spieleniaturen, beiden lag ruhiges Abwägen näher
als keck zugreifendes Wagen. Bei der Verfolgung aber gehören
an die Spitze der verfolgenden Truppen Männer vom Schlage
Thielemanns oder Blüchers, Männer, denen weniger ruhiges
Wägen, als vielmehr kühnes Wagen im Blute liegt — und solche
Männer nicht an die Spitze der in erster Linie zur Verfolgung
bestimmten Truppen gesetzt zu haben, ist die einzige Unter-
lassung, die dem Oberkommando FM. Fürst Schwarzenbergs
zur Last fällt.
Daß sich mit den von ihm geplanten und ausgeführten
Maßnahmen eine zur Vernichtung des Gegners führende Ver-
folgung erreichen ließ, das eben beweist gerade der Tag
von Kosen und Freyburg. Hier wie dort hing das Schicksal
des geschlagenen Heeres trotz der Bravour und Standhaftig-
keit der zur Deckung des Rückzuges bestimmten Truppen
sozusagen an einem Haare, welches zu erkennen und durcb-
zureißen es eben eines kecken Wagemutes bedurft hätte, eines
Wagemutes, wie er weder zu den hauptsächlichsten Eigen-
schaften Gyulais, über welchen sich die reichsdeutsche
Geschichtsschreibung „bereits ihr Urteil gebildet”, noch aber
zu jenen des „eisernen” Yorck gehörte.
Das Gros der Yerbündeteu am 21. Oktober; die beider-
seitigen Mnßnalinieii für den 22. Oktober').
Von der schlesischen Armee waren die Korps Längeren
und Sacken gegen Mittag von Lützen aus in Weißenfels ein-
getroffen.
Hier hatten die beiden Gardedivisionen Oudinots auf
den Höhen am linken Saaleufer Aufstellung genommen. Das
1. Reservekavalleriekorps deckte die linke Flanke in der
Richtung auf Merseburg, zwei Bataillone standen noch vor der
zum Abbrennen hergerichteten Brücke. Dichter Nebel, der sich
erst gegen Mittag lichtete, lag in der Saaleniederung*) und
begünstigte die Annäherung des Gegners. Als sich der
Nebel hob, sah man von Oudinots Stellung aus auf den
') Hiezn Textskizze 10.
*) Polot, Campagne de 181.3, Art. X, .3.38.
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Kerohnawe.
gegenüberliegenden Höhen den rekognoszierenden Stab der
schlesischen Armee, gleichzeitig aber eröttneten auch schon
24 russische Geschütze das Feuer auf die beiden vor der Brücke
haltenden Bataillone, während zwei russische Jägerregimenter
in die Stadt eindmngen und auch das Schloß besetzten. Trotzdem
gelang es den Franzosen doch noch die Brücke abzubrennen.
Vor der sich immer mehr verstärkenden Artillerie der
Verbündeten zog Oudinot seine Truppen außer Schußweite
zurück und trat dann, mit der Division Decouz voran, den
Rückzug auf Freyburg an. Da man Markröhlitz vom Gegner
besetzt fand formierte sich die Division Decouz mit dem
linken Flügel am Walde südlich Mai'kröhlitz und ging gegen
den Gegner vor, welcher Markröhlitz nach einigen Kanonen-
schüssen räumte, während seine Attacke gegen Decouz’
Bataillone erfolglos verlief*).
Gleich nach dem Abzug Oudinots ging man bei der
schlesischen Armee sofort daran, unter Mithilfe der Bevölkerung
eine Floßbrücke herzustellen und General Emanuel’J stellte
noch am Nachmittag die Verbindung mit der Reservekavallerie
Yorcks her. Die beiden Korps Längeren und Sacken gingen
teilweise noch am Abend auf die Höhen am nördlichen Saale-
ufer vor, wo mittlerweile auch General von Kreutz von der
Armee Bennigsens über Dürrenberg eingetroffen war.
In Weißenfels nächtigte außerdem die 4. Dmson Wittgen-
steins, welche dieser zum Schutze seines Marsches nach Naum-
burg auf Weißeufels vorgeschoben hatte.
Hinter der schlesischen .Armee war Bennigsens Gros
unter Doctorow nach Lützen gelaugt, die Kavalleriedivision
Tschaplitz nach Göhren (an der Luppe). Bennigsens .Avant-
garde unter Stroganoff hatte Merseburg besetzt.
Die beiden Kolonnen der Hauptarmeo hatten ihre der
Disposition vom 20. entsprechenden Marschziele erreicht.
Wittgensteins Korps (e.xklusive der 4. Division) und die
’j Pelet, Campagne de 1S13, Art. X, 354.
*) Siehe Seite 424.
*) Ebenda.
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russisch-preußischen Reserven unter Großfürst Konstantin*)
waren nach Naumburg gelangt. Die 2. Division des Grenadier-
korps unter GM. Tschoglikow und die 3. Division Dnka des
Kürassierkorps waren zur Sichening des dortigen Überganges
und als Rückhalt für Platow nach Camburg vorgeschoben
worden, das Korps Kleist hatte Stößen erreicht.
Platow stand mit dem Gros seines Kosakenkorps bei
Sulza und hatte ein kombiniertes Regiment auf Weimar vor-
geschoben, welches sich dort mit Illowaiski vereinigt und
einen Versuch eines Detachements L’Heriti6rs, auf Weimar
vorzudringen, abgewiesen hatte.
Bei der aus dem Gros der österreichischen Truppen
bestehenden linken Kolonne war die als Avantgarde bestimmte
2. leichte Division Bubna nach, einem Gewaltmarsch von
38 Kilometern, zum großen Teile querfeldein, um den Marsch-
kolonnen der Korps vorzukommen, an die Spitze der Armee
gelangt und lagerte nun bei Serba (zirka 7 Kilometer west-
lich Eisenberg). Das L, II. und das Infanteriereservekorps
waren in Eisenberg angekommen, ebenso das Armeehaupt-
quartier, während FM. Fürst Schwarzenberg mit dem
engeren Stabe in Naumburg nächtigte, wo er sich tagsüber
aufgehalten.
Die Armeereserveartillerie war in Roda eingetroffen.
Vom Gange des Gefechtes bei Freyburg hatte FM. Fürst
Schwarzenberg von einem bei Naumburg errichteten Obser-
vatorium ausreichend Kenntnis erhalten *). Da FM. Fürst
') Russisches Greiiadierkorps, russisches Gardekorps, preußische
Garde, russisches Kürassierkorps.
Der Bericht Schwarzenbergs vom 22. Oktober früh an
den Kaiser sagt hierüber: ,,Man hat gestern während des Gefechtes
sehr deutlich das Kanoneiifeuer der Avantgarde des Generals Blücher
in der Richtung von Freyburg gesehen, hat aber Ober das Nähere
der Bewegung dieser Armee noch keine Nachrichten. Nur ist vom
Observatorium folgendes umständlich beobachtet worden: Um 4 Uhr
nachmittags sah man die Freyburger Mühle in Brand. Um 6 Uhr war
die Kanonade bei Freyburg auf dem Galgenborg sehr heftig; eine halbe
Stunde später zog sich das Feuer gegen Querfurth. Um 8 Uhr Üogeu
mehrere Pulverkarren in der Richtung gegen Mügeln und Laucha in
die Luft; um 10 Uhr brannte das Dorf Groß-Jena. Die Wachtfeuer des
Feindes nahmen von 6 Uhr abends bis Mitternacht bedeutend ab."
(K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X, 513.)
Uitt«ilang6D des k. und k. Kriegsarobivs. Dritte Folge. IV. Bd. 2<S
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434
Korobnawo.
Schwarzenberg gegen 11 Uhr abends \t>n Gyulai die
Meldung erhielt, daß der bei Kosen gegenüborstehende Feind
in der Richtung auf Eckartsberga abzuziehen beginne, woLin
ihm einstweilen Patrouillen folgen'), blieb es für den 22. Ok-
tober bei der anbefohlenen Disposition*), wobei er noch
Gyulai speziell beauftragte, stets die Fühlung mit dem
Gegner aufrecht zu erhalten, ihm möglichst Abbruch zu tun,
besonders aber auf die eigene rechte Flanke achtsam zu sein
und sich keinem Echec auszusetzen.
Gleichzeitig wurde aber beigefügt, daß bei einer der-
artigen Verfolgungsoperation immer die eigenen Flanken
einigermaßen gefährdet seien, und daß diese Gefährdung von
kühnem Handeln nicht abhalten dürfe *).
Später wurde noch angeordnet, daß die Division Moritz
Liechtenstein und das Kürassierkorps Nostitz nach Passiemng
der Kösener Brücke über Sulza, Appolda nach Umpferstedt
zu rücken habe, wo erstore sich mit der die Avantgarde der
linken Kolonne bildenden Division Bubna vereinigen sollte;
an ihrer Stelle sollte Gyulai eine russische Kürassierditdsion
erhalten*).
Napoleon hatte um 4 Uhr nachmittags, nachdem er
noch die Verstärkung Oudinots durch die Division Dunitte
des ehemaligen VII. Korps anbefohlon hatte, Freyburg ver-
lassen und war über ßurkersroda, Kloster-Häseler nach
Eckartsberga geritten. Bei Kloster-Häseler (2' j Kilometer
westlich Burkersroda) hatte er den Boden Sachsens verla.ssen,
welches ihm so verhängnisvoll geworden, dort hatte er das
letzte Mal auf sächsischem Boden das ,,vive l’empereur!” seiner
Garde gehört'), des letzten Teiles seiner berühmten In-
fanterie, welche außer dem Korps Bertrand noch Ordnung
bewahrte.
') K. A., F. A. 1813, Hiiuptarmee, X, 513 und Gyulai, XIII, 22U.
*) Siehe Seite 407 und Anhang II.
’j K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, X. 507.
*) Dieser Befehl langte beim Korps Gyulai erst am Morgen des
22. Oktober bei Hassenhauseu (4 Kilometer westlich Kosen) an. (K. A ,
F. A. 1813, Gyulai, XIII, 220.)
*) Odeleben.
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Von Leipzig bis Erfurt.
435
Nach Freyburg begann sich die Ordnung immer mehr
zu lösen. Der Nachtmarsch von WeiÜenfels auf Freyburg auf
schmalen, oft tief eingeschnittenen, vom liegen aufgeweichten
Wegen, die oftmals verlassen werden mußten, weil fest-
gefahrene Geschütze und Fuhrwerke sie verstopften, hatte
auflösend gewirkt. Wohl hatte Napoleons Gegenwart au
den Brücken bei Freyburg einigermaßen die Ordnung her-
gestellt, aber der Aufstieg auf die steil abfallenden Höhen
des rechten Unstrutufers, während im Rücken der Gefechts-
lärm von Yorcks Angrifi' ertönte und von Süden der Kanonen-
donner von Kösen herüberdröLnte, hatte die Ordnung bald
wieder gelöst. Jeder trachtete, an den anderen vorbei, vorwärts
zu kommen, das eigene Leben in Sicherheit zu bringen. Das
den Marsch beschwerende Gepäck wurde von vielen der jungen
ermatteten, ausgehungerten Soldaten weggeworfen, bald auch
das Gewehr, zu dem ohnehin oft keine Munition mehr vor-
handen war. Bei Eckartsberga hatte die ganze Armee nur
mehr 37 gefüllte Munitionswagen. Immerhin war es Napoleon
gelungen 220 geleerte Munitionswagen sammeln und behufs
Füllung nach Erfurt dirigieren zu lassen*).
Schon von Freyburg aus hatte Napoleon dem General
Bertrand befohlen*), bei Kösen so lange zu halten, bis
Oudinot bei seinem Rückzug von Frey bürg mit ihm auf
gleiche Höhe gelangt sei; gleichzeitig wurde ihm aufgetragen
die Saaleübergänge bei Camburg und Dornburg zu sichern
und jenen von Jena zu beobachten. Dies auszuführen war dem
bei Kösen im heftigen Kampfe stehenden General Bertrand
nicht mehr möglich gewesen.
Am 22. .sollten Oudinot und Bertrand in einer Stel-
lung bei Eokartsberga den weiteren Rückzug decken, den
die heute um Eckartsberga lagernden Trümmer der Armee
über Büttstedt beziehungsweise über Buttelstedt, Olleudorf
auf Erfurt zu bewirken hatten. Napoleon selbst beabsichtigte
solange in Eokartsberga zu bleiben, bis er Nachricht erhalten
habe, daß Oudinots Nachhut bei Freyburg glücklich die Unstrut
überschritten und hinter sich die Brücken abgebrannt habe.
') Polot, Campagne de 1813, Art. X, 359.
Correspondance de Napoleon I., XXVI, 2U.822.
28*
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436
KerohnAwe.
Die Ereignisse am 22. Oktober. Das Gerecht bei Eckarts-
berga.
Schon am Abend des 21. Oktober, von 10 Uhr an,
meldeten die Vorposten Gyulais, daß der Feind abznziehen
scheine. In den ersten Stunden naeli Mitternacht waren die
Höhen westlich Kö.sen vom Feinde frei.
Zur Verfolgung des Gegners ordnete FZM. Gyulai an,
daß G^I. Scheither mit dem Regiment Vincent-Chevaulegers
und der Kavalleriebatterie seiner Brigade, ferner mit dem
Regiment Rosenberg-Chevaulegers und einer halben Kavallerie-
batterie der Division Crenneville sowie mit einem Bataillon
von Frelich-Infanterie dem Gegner auf der Straße nach
Eckartsberga folgen solle, während links davon das Regiment
Klenau-Chevaulegers mit einer Kavalleriebatterie auf Auer-
städt vorzugehen und ein Detachement bis Buttelstedt vor-
zusenden hatte *).
Oberst Graf Mensdorff beabsichtigte mit seinem Streif-
korps über Sulza auf Weimar vorziigehen.
Gleich nach Tagesanbruch hatte das Korps in folgender
Reihenfolge den Übergang zu bewirken und GM. Scheither
auf Eckartsberga zu folgen : Division Moritz Liechtenstein,
Infanterie der Division Crenneville, Division Murray, Division
Hessen-Homburg. Korpsartilleriereserve *).
GM. Scheither war bald mit dem Gegner in Fühlung
getreten und hatte noch in den ersten Morgenstunden gegen
1000 Nachzügler und Gefangene anfgegriffen.
Als die Avantgarde Gyulais den Übergang bewirkt
halte, traf von GM. Scheither die Meldung ein, daß vor
ihm eine starke Kolonne mit zahlreicher Artillerie in guter
Ordnung marschiere, daß er aber des dichten Nebels wegen
niohts Näheres feststellen könne. Gyulai ordnete auf das hin
an, daß die Avantgarde bei Hassenhau.sen haltmachen und die
Infanterie dort in eine Bereitschaftsstellimg übergehen solle,
während das Bataillon Warasdiner-St. Georger GM. Scheither
als Unterstützung nachfolgen sollte. Während des Haltes bei
Hassenhausen langte der Befehl des Armeeoberkommandos
■) K. A., F. A. 1813, Gyulai, XIll, 220.
Kbeii'ln.
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Von Leipsig' bis Erfort.
437
bezüglich der neuen Bestimmung der Division Liechtenstein
nnd des Kürassierkorps ein.
Da GM. Scheither bereits mit dem Feinde in Fühlung
getreten, von der versprochenen russischen Kürassierdivision
aber noch nichts zu sehen war, beschloß FZM. Gyulai dessen
Abteilung einstweilen hier zu behalten, der Rest der Division
Liechtenstein und nach seinem Anlangen auch das Kürassier-
korps, traten den Abmarsch in der anbefohlenen Richtung an.
Die vor GM. Scheither zurückgehende Kolonne hatte
mittlerweile zwischen Lissdorf und Eckartsberga Stellung ge-
nommen. Bei General Bertrand war ein Befehl des Kaisers
eingetroffen, welcher über die Räumung bei Kosen, ,,die durch
nichts gerechtfertigt sei sehr ungehalten war und welcher
anordnete, in einer Stellung bei Eckartsberga das Eintreffen
Ondinots abzuwarten, das 5. Reservekavalleriekorps aber so-
gleich zur Beobachtung des Saaleüberganges von Kosen um-
kehren zu lassen. Demgemäß ließ General Bertran d das Gros
seines Korps auf den Höhen östlich Eckartsberga Stellung
nehmen, die Nachhut besetzte Lissdorf, ein Detachement wurde
nach Auerstädt vorgeschoben. In dieser Stellung trafen im
Laufe des Vormittags auch Oudinots Truppen ein. Oudinot,
welcher im Laufe der Nacht Freyburg geräumt und sich
sodann mit der ihn aufnehmenden Division Durutte vereinigt
hatte, war abschnittsw'eise über Kloster-Häseler zurUckgegangen.
Seine Nachhut hatte, obwohl der Gegner gar nicht drängte,
wiederholt Stellung genommen*), verschiedene Fuhrwerke hatten
entleert und stehen gelassen werden müssen. Seitens des Korps
Yorck waren nur Patrouillen nachgefolgt.
So standen nun bei Eckartsberga dem Korps Gyulai
sehr ansehnliche Kräfte gegenüber, deren Gefechtskraft außer-
dem noch nahezu ungebrochen war*). Es ist begreiflich, daß
') Correspondance de Napoleon I., XXVI, 20.823.
*) Pelet, Campagne de 1813, Art. X, 361.
•) Oudinot und Durutte zirka 40 Bataillone mit zirka l.ö.OOO
Maim ; Bertrand mit Guilleminot zirka 40 Bataillone mit zirka
9000 bis 10.000 Mann ; vom 1. Kavalleriekorps zirka 60 Eskadronen mit
zirka öOOO Reitern ; vom ö. Kavalleriekorps zirka 4.") Eskadronen mit zirka
3000 Reitern : zusammen 24.000 bis 25.(X)0 Mann, 801X1 Reiter mit zirka
120 Geschützen. Diesen hatte Gyulai nur .sein Korps und das Rogiineiit
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438
Kerohnawe.
Gyulai, welcher überdies gerade in diesem Moment einen an-
sehnlichen Teil der ihm unterstehenden Truppen abgeben mußte,
mit dem Angriff zauderte — hatte doch der berühmte Yorck bei
Freyburg unter günstigeren Verhältnissen nicht anders gehandelt.
Als um Mittag der dein General Grafen Barclay de Tolly
zugeteilte Ober-stleutnant Neumann des k. k. Generalqnartier-
meisterstabes bei Gyulai eintraf und meldete, daß die russi-
schen Truppen bereits die Brücke bei Kosen überschritteu
und 4 russische Kürassierregimenter zur Unterstützung des
III. Korps im Anmarsch seien'), gab FZM. Gyulai, als sich
tatsächlich die Tete einer russischen Kürassierkolonne hinter
Hassenhausen zeigte, den Befehl zum Angriff.
FML. Graf Crenneville mit dem Regiment Klenau-
Chevaulegers, dem Bataillon Warasdiner-Creuzer und einer
halben Kavalloriebatterie erhielt die Direktion über Lissdorf
auf Eckartsberga, GM. Scheither mit den Regimentern
Vincent- und Rosenberg-Chevaulegers, dem Bataillon von
Frelich und l'/s Kavalleriebatterien sollte den Gegner aus
Auerstädt vertreiben, das Gros, in Gefechtsformation in zwei
Treffen*!, über Gernstedt FML. Crenneville naohfolgen.
Hinter dem Gros des Korps folgten die beiden ’) bisher ein-
getroffenen russischen Kürassierregimenter.
Als das erste Treffen bei Gernstedt angelaugt war, er-
schien Oberstleutnant Neu mann neuerdings und meldete,
daß außer den beiden bisher eingetrofienen schwachen russi-
schen Kürassierrogimentern keine weiteren Verstärkungen zu
erwarten seien und daß sich danach zu richten sei.
Mittlerweile waren sowohl FML. Crenneville als General
Scheither bereite ins Gefecht getreten. FZM. Gyulai
schickte daher ein schriftliches Ansuchen um Unterstützung an
Vincent-Chevaulegers sowie 1 Kavalleriebatterie der Division Liechten-
stein, zirka l.ö.OüO Mann, 2tXK) Heiter, t>4 Geschütze gegenflberzustolleii.
') K. A., F. A, 1813, Gyulai, XIII, 220.
*) Division Hessen-Homburg mit der Brigade Weigel rechts,
Brigade Grimmer links im ersten, Division Murray mit der Brigade
Csollich rechts, Brigade Salins links im zweiten Treffen. (K. A., F. A.
1813, Gyulai, XII 1. 220.)
’) Diese beiden Regimenter waren nur wenig über .ÖOO Reiter
stark. Siche auch Anhang ia, russische 2. Kürassierdivision. (K. A..
F. A. 1813, Hauptarmee, X, Ü78 und Gyulai, XIII, 220.)
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Von Leipsiff bis Erfurt.
439
General Barclay'), worin er die dringende Notwendig-
keit einer solchen zur tiberwindung des überlegenen
Gegners betonte. Das Gros wurde einstweilen zum Halten
befehligt.
Eine Unterstützung kam zwar nicht, hingegen General
Barclay und Großfürst Konstantin, welch letzterer er-
klärte, daß die russischen Truppen schon Opfer genug ge-
bracht hätten und im Bedarfsfälle auch wieder solche zu
bringen bereit wären, daß es aber jetzt Sache der Öster-
reicher sei anzugreifen, was speziell Großfürst Konstantin
„mit einiger Heftigkeit*)” hervorhob. Sodann sprengte. Groß-
fürst Konstantin zum Regiment Klenau, kommandiertedort
selbst zum Abmarsch, haranguierte die Truppe und begab
sich dann nach einem neuerlichen Wortwechsel mit Gyulai,
zusammen mit General Barclay in der Richtung nach
Hassenhausen zurück; FZM. Gyulai aber zog die Brigade-
batterien des ersten Treffens vor und ließ den Angriff durch-
fuhren.
Mit Hilfe von Abteilungen der Regimenter Ignaz
G3mlai und Kolowrat’) nahm FML. Crenneville Lissdorf,
während die beiden Bataillone GM. Scheithers‘) den
Gegner nach ziemlich hartnäckigem Kampfe aus Auer-
städt vertrieben, wobei es auch zwischen den Reitern GM.
Scheithers und solchen des 5. und 1. Kavalleriekorps’’)
zum Gefecht kam.
Nach der Wegnahme von Lissdorf wurde zwar dem
Gegner sofort nacbgedrängt, einzelne Abteilungen drangen
auch in die feindliche Hauptstellung bei Eckartsberga ein,
wurden jedoch nach lebhaftem Bajonettkampf ") wieder
zurückgeworfen, da die rückwärtigen Abteilungen infolge
') K. A., F. A. 1813, Ilauptarrnee, X, 578 und Gyulai, XIII, 220.
’) F.benda. •
’) Erstes Treffen der Division Hossen-nomburg.
*) Ein Bataillon von Frelich und Warasdincr-St. Gcorger.
') Offiziersverluste batten das 7. Ilu.sarenrogitnent vom 1. Reservc-
kavalleriekorps, das 6., 15.. 18. Dragonerrcgiment vom 5. Reservekavallerie-
korps. (Martinien, Tableaux des ofliciers tu4s et blessfe etc.)
*j „Die Mannsobalt kehrte mit blutigen Bajonetten zurück, einige
Offiziers waren durch Hiebe im Gesicht verwundet,” sagt die Relation
Gyulais. (K. A., F. A. 181.3, Hauptarmee, X, .578.)
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440
Kerchfiftwe.
des dichten Nebels, der jede Aussicht benahm ’j, zu weit ab-
geblieben waren.
Da nun auch bereits Dunkelheit eintrat, gabFZM. Gyulai
weitere Angriffsversuche auf.
Die beiden Grenzerbataillone mit einem Bataillon Ignaz
Gyulai als Unterstützung bezogen in der Linie von den Wal-
dungen nördlich Lissdorf, Anerstädt Gefechtsvorposten, dahinter
lagerten gefechtsbereit mit zurückgebogenem linken Flügel
die beiden Infanterietreffen.
Gegen diese Aufstellung unternahm der Gegner zwischen
10 und 12 Uhr nachts zwei kurze Vorstöße mit Kavallerie,
welcher Infanterie nachfolgte, welche aber beide abgewiesen
w’urden*). Gegen 2 Uhr nach Mitternacht räumte Oudinot
seine Stellung und ging auf Buttelstedt zurück.
Das Gefecht bei Eckartsberga hatte dem Korps Gyulai
und dem Detachement Scheither 35 Tote, 5 Offiziere, 1C4 Mann
an Verwendeten’) gekostet, die Franzosen verloren 8 Offi-
ziere'); ihr sonstiger Verlust läßt sich nicht feststellen.
Auch bei Weimar war es am 22. Oktober zu einem Zu-
sammenst(iß gekommen. Napoleon, welcher Eckartsherga
um 8 Uhr früh verlassen hatte und nach Ollendorf (an der
Straße Buttelstedt — Erfurt) geritten war, hatte, beunruhigt
dirrch die Anwesenheit von Kosakenabteiluugen in Weimar’),
dem mit der Aufklärung des linken Saaleufers beauftragten
GL. Lefebvre Desnouettes") den Befehl gegeben, die
Kosaken aus Weimar zu vertreiben.
Begünstigt durch den dichten Nebel gelang es auch
Lefebvre wirklich, gegen Mittag überraschend in Weimar
') Sowohl Oyulais Relation, als auch das Operationsjonrnal be-
tonen, daß der Nebel sich den g.mzen Tag nicht hob, und daß man oft
nicht 10 Schritte weit sehen konnte. (K. A., F. A. 1813, Hauptannee.
X, .578 und Gyulai, Xlll. 220.
•) K. A., F. A. 1813, Gyulai, XGI, 220.
*) Ebenda, Hauptarmee, XIII, 22.
*) Nach Martinien. Mannschatlsvcrlust unbekannt.
GM. Illowaiski XII und Oberstleutnant Krapowitzky. (Siehe
Seite 433.)
*) Mit einem Teile der Gardokavallerie, Brigaden Pir6 und Valin
des 1. und — nach den Offiziersverlusten — Teile von der Division
Roussel-d’Hurbal des 2. Reserv-ekavalleriekorps.
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Von Leipzig bii Erfurt.
441
einzudringen, aber die Kosaken ralliierten sich bald und da
außerdem Platows Gros, die Streifkorps Thielemanus und
Mensdorffs eintrafen, wurden die Franzosen bald wieder
vertrieben.
Das Gros Platows ging gegen Lefebvres rechte Flanke
vor, einige Eskadronen Bubnas') gegen dessen linke Flanke,
während in der Front der Rest der Kosaken und die beiden
Streifkorps anritten. Die Franzosen wiu'den geworfen und
von Platow bis südlich Buttelstedt verfolgt, wobei ihnen
zahlreiche Gefangene abgenommen wurden.
Die Division Bubua besetzte Weimar, Thielemann und
Mensdorff gingen bis Nohra — zirka 8 Kilometer westlich
Weimar — vor.
Auch das Streifkorps GL. Tschernitschew von der Nord-
armee*) war am 22. Oktober bis Schloß Yippach (südlich
Sömmerda) gelangt, griff zahlreiche Gefangene auf und mel-
dete an die schlesische Armee, daß es am nächsten Tage den
Marsch der französischen Armee in der Richtung auf Erfurt
kotoyieren werde*).
So war am 22. Oktober zwar ebenfalls kein entschei-
dendes Resultat erreicht worden, trotz der trefflichen Maß-
nahmen des Gegners und der guten Haltung seiner Sicherungs-
truppen, aber doch überall die Fühlung mit dem
Gegner, und zwar auch mit dessen Gros aufrecht-
erhalten, ihm wesentlicher Abbruch getan, seine
Auflösung gefördert worden, ein Resultat, welches
immerhin sehr ansehnlich die Ergebnisse fast aller
Verfolgungsoperationen von 1815 herwärts übertrif'ft.
Das Gros der zurückflutenden französischen Armee hatte
am 22. Oktober die Gegend zwischen Buttelstedt und Ollen-
dorf, Teile sogar schon Erfurt erreicht.
') Eine Division Blankenstein-Hnsaren.
*) 6 reguläre russische Eskadronen (2 vom Isumyschen Husaren-
rcgimer.t, je 2 der Dragoneiregimenter Finnland und Iliga), 5 Kosaken-
regimentor(Sisojew IV, Schirow, Grekow XV’IlI,WlassowIlI, Balabinell),
'/« reitende Batterie, zirka 1200 bis llOO Reiter, 4 bis 0 Geschütze.
(Hcgdanowitsch, 111, 35.)
’) Fricderich, Herb.stfeldzug 1813, III, 250.
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442
Kerclinaw®.
Napoleon selbst war bis 8 Uhr früh in Eckartsberga
verblieben, und war dann über Büttstedt, Buttelstedt bis
Ollendorf geritten; hier mußte erhaltmachen, um der Division
Friant der alten Garde und der Gardekavalleriedivision Walther,
welche ihn begleiteten, eine längere East zu gönnen und
einige Befehle auszufertigen. Um Mitternacht brach er dann
nach Erfurt auf, welches er um 3 Uhr morgens des 23.
erreichte.
Die Division Curial der alten Garde halte der Kaiser
als Rückhalt für Oudinot bei Büttstedt zurückgelassen, so
daß dieser eventuell über etwa 30.000 Mann Infanterie,
größtenteils Eliteti uppen, verfügte*). Wenn auchGyulai
von der Anwesenheit der Division Curial bei Büttstedt kaum
Kenntnis hatte, so ist doch als sicher anzunehmen, daß er
ohne Unterstützung, mit seinem Korps allein, nicht durch-
zudringen vermocht hätte, daß also die Einstellung des .^n-
griffes bei Einbruch der Dunkelheit kaum verurteilt werden kann.
Von den Truppen der Verbündeten hatte das Korps
Yorck am Morgen des 22. Freyburg widerstandslos besetzt
und der französischen Nachhut nur Patrouillen folgen lassen.
An die Wiederherstellung der zerstörten Unstrutbriiekon
wurde nicht geschritten, sondern der Tag sollte dazu benützt
werden, um Bekleidung, Bewaffnung und Beschlag in stand
zu setzen, Munition und Proviant zu ergänzen und dergleichen
mehr, wobei ein eben eingetroffener Schuhtransport trefflich
zu statten kam.
Blücher war am 22. Oktober, .5 Uhr früh, mit den
beiden russischen Korps seiner Armee von Weißenfels nach
Freyburg, beziehungstveise (Korjis Sacken) nach Laucha anf-
gebrochen und war sehr wenig darüber erbaut, Yorck s Truppen
in Freyburg, noch dazu derart friedlich beschäftigt, atizu-
tretfen.
Er ordnete sofort die Wiederherstellung der Brücken an
und befahl, daß das Korps Yorck nach Herstellung der Brücke
bei der Zeddenbacher iMühle dort überzugehen und bis Stein-
bach und Pleismar, am 23. aber bis Sömmerda zu marschieren
habe. Die Reservekavallerie des Korps sollte über Laucha,
Stelle auch Anmerkung .3 .auf Seite 437.
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Von Leipzig; bia Erfart.
443
Xebra, Wiehfi gegen Weißensee bis zum Einbruch der
Dunkelheit marschieren und den linken Flügel des Gegners
umgehen, am 23. aber bei Tagesanbruch den Maisch fort-
setzen. Das Korps Sacken sollte über Laucha nach Bibra,
am 23. bis Leubingen marschieren, das Korps Langeron die
Unstrut bei Freyburg übersetzen und am 22. Kloster-, be-
ziehungsweise Burghäseler, am 23. Schloß Vippach erreichen.
Die V'^ersäumnisse Yorcks vom Vormittag des 22. Oktober
ließen sich aber auch bei äußerster Anstrengung seitens der
Truppen nicht wieder gut machen, da erst jetzt, in den
letzten Vormittagsstunden mit der Wiederherstellung der zer-
störten Brücken begonnen werden konnte. Nur die Kavallerie
und Teile der Infanterie der Avantgarde Yorcks erreichten in
der Nacht vom 23. auf den 24. die für den 23. Oktober an-
befohlenen, weitgesteckten Marschziele — am 22. gelangten die
Truppen der schlesischen Armee kaum über die Unstrut hinaus.
Das Korps Yorck, welches die Wiederherstellung der
Brücke bei der Zeddeubacher Mühle nicht abwartete, gelangte
in den Raum Burgscheidungen, Domdorf, seine Eeserve-
kavallerie, welche das Defile bei Doradorf verstopft gefunden
halte, bis Karsdorf, das Korps Sacken in den Raum Gleina,
Laucha, das Korps Langeron verblieb in Freyburg. Nur
Wassilitschkoffs Reiter hatten bei Burgscheidungen die
Unstrut übersetzt.
Dergestalt hätten die Gros der schlesischen Armee am
23. Oktober etwa 40 bis 45 Kilometer auf schlechten, vom
Regen aufgeweichten Wegen zurücklegen müssen, um die von
Blücher für den 23. Oktober anbefohlenen Marschziele zu
erreichen.
Infolge dieses Aufenthaltes an der Unstrut schloß die
Reservearmee im Laufe des 22. an die schlesische Armee an.
Das Detachement Kreutz erreichte Freyburg, die Avant-
garde unter Stroganoff und die Kavalleriedivision Tschaplitz
Mücheln, das Armeehauptiiuartier und das Korps Doctorow
Weißenfels.
Vom Gros der Hauptarmee hatten W'ittgenstein und
die russischen Reservekorps bei Kosen die Saale überschritten
und biwakierten zw’ischen Kosen und Ilassenbauseii. Eine
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444
Kerchnawe.
Brigade der russischen 2. Kürassierdivision war zu Gyulai
nach Lissdorf vorgeschoben, die russische 3. Kürassierdivision
und die russische 2. Grenadierdivision waren bei Camburg
verblieben, das Korps Kleist hatte Kosen erreicht.
Von der linken (österreichischen) Kolonne der Haupt-
armee hatte die 2. leichte Division Bubna Weimar besetzt,
die 1. leichte Division Moritz Liechtenstein') (exklusive Deta
chement GM. Scheither) und das Kürassierkoii^s biwakierten
bei Umpfersdorf, das 1., 2. und Infanteriereservekorps sowie
die Armeeartilleriereserve nächtigten im Raume Jena, Liechten-
hayn, Kötschau, Isserstedt, Cospeda*). Das Armeeoberkommando
war in Jena.
So hatte sich das Gros des geschlagenen französischen
Heeres dank des tapferen Widerstandes seiner Nachhuten
und des wenig umsichtigen Benehmens Gyulais und Yorcks
am 21. und teilweise auch am 22. Oktober einer flankierenden
Einwirkung seitens der feindlichen Hauptkrait — wie solche
FM. Fürst Schw'arzenberg in seinen Anordnungen für den
20. bis 22. Oktober geplant hatte — glücklich entzogen’).
Nur seitens der Streifkorps und bei sehr raschem Marsche
auch seitens der äußersten Avantgarde der linken Kolonne
der Hauptarmee (Division Bubna) wäre eine solche flan-
kierende Einwirkung noch möglich gewesen, nur die beiden
leichten Divisionen der linken Kolonne, das Kürassierkorps
und vielleicht die Spitzen des österreichischen I. Korps konnten
bei großer Anstrengung noch den Rückzug der in der Zeit
von Mitternacht bis 3 Uhr morgens die Stellung bei Eckarts-
berga räumenden französischen Nachhut gefährden.
') Die Division Liechtenstein wurde vom 23. abends an mit
der Division Bubna zu einer Avanfgardedivision unter FML. Bubna
verschmolzen. Die Regimenter Vincent-Chevaulegers und Levenehr-
Dragoner, da.s Broder Gronzorbataillon und die Artillerie traten zu
die.ser neuen Avantgarde über, das Regiment Kaiser-Chevaulegers zur
Kavnllcriere.servc, bei welcher FML. Moritz Liechtenstein das Kom-
mando einer aus den Brigaden Desfours und Kutalek gebildeten Division
übernalim, die drei .Tiigerbataillone, welche auf je 420 bis 470 Mann
reduziert waren, wurden behufs Ergänzung einstweilen ausgeschieden und
nach Eger zurückge.schickt. (K. A., F. A. 1813, Hauptarinee, 111, ad 48J.)
•) Details siehe Textskizze 11.
Ebenda.
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Image
not
a vailable
Von Leipzig bis Erfurt.
445
Die schlesische Armee stand infolge ihres Marsches auf
Weißenfels und des Aufenthaltes an der Unstrut derart weit
vom Gros des zurückgehenden Gegners ab, daß in den nächsten
Tagen an eine Parallelverfolgung ihrerseits auch bei äußerster
Anstrengung seitens der Truppen nicht mehr zu denken war.
Maßnahmen der Yerbiindeten für den 23. Oktober.
Rückzug der französischen Armee nach Erfurt.
Da FM. Fürst Schwarzenbergs Armeedisposition nur
bis zum 22. Oktober reichte, die Lage überdies neue Ent-
schließungen verlangte, gab der Führer der Verbündeten für
den 23. eine neue Disposition heraus.
Von der richtigen Annahme ausgehend, daß an ein Über-
holen des französischen Gros seitens der linken Kolonne über-
haupt nicht zu denken, ein Abdrängen der französischen
Nachhut ebenfalls schwer möglich, jedenfalls aber nur in der
Richtung auf Erfurt zu suchen war, befahl FM. Fürst
Schwarzenberg*) den Vormarsch der linken Kolonne bis
über Weimar hinaus’), während die Avantgarde unter FML.
Bubna bis über Nohra hinausrücken und Detachements in
der Richtung auf Erfurt bis über Mönchenholzhausen und
Nieder-Zimmem ’) vorschieben sollte; also bis auf . 5 bis 6 Kilo-
meter an Erfurt heran.
Die Streifkorps wurden angewiesen, Erfurt südlich um-
gehend, sich auf die Rückzugslinie des Gegners zu begeben.
General Illowaiski und Oberst Krapowitzky waren ihnen
bereits vorausgegangen und hatten schon am 23. Oktober die
Gegend von Gotha erreicht.
Der unter G. d. I. Barclay stehenden rechten Kolonne
wurde anbefohlen, der feindlichen Nachhut auf dom Fuße zu
folgen und mit der Tete Buttelstedt zu erreichen.
') Disposition t'Or den 2.3. Oktober 1813. (K A., F. Ä. 1813,
Uaaptarmec, X. 539.)
•) Im Lager südlich der Chaussee Weimar— Ulla, östlich und west-
lich von Neu-Grunstedt. Marschleistung 22 bis 25 Kilometer. (Ebenda,
X, .539 und XIII, 48 d.)
*) Die Disposition sagt Unter-Zimmern, was jedenfalls mit Nieder-
Zimmern identisch sein dürfte.
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446
Kerohnawe.
Der schlesischen Armee und der Reservearmee -wurde
für den 23. völlig freie Hand gelassen, nur an FM. Blücher
die Aufforderung gerichtet, ,,mit der schlesischen Annee über
Tennstedt nach Langensalza zu marschieren, um so die feind-
liche Stellung bei Erfurt zu umgehen und falls Napoleon
eine Schlacht annehmen würde, durch gleichzeitige Angriffe
in Rücken und Flanke dem feindlichen Heere den gänzlichen
Untergang zu bereiten”.
Der Gedanke, daß Napoleon, gestützt auf die Befesti-
gungen und sonstigen Hilfsmittel von Erfurt, dort noch ein-
mal an das Glück der Waflfen appellieren werde, war bei
dem Naturell dieses Gegners wohl nicht ganz unbegründet.
Die französischen Nachhuten hatten überall eine vor-
zügliche Haltung gezeigt, und wenn auch täglich zahlreiche
Gefangene und Erschöpfte aufgegriffen wurden, wenn auch
bekannt war, daß der Gegner an empfindlichem Munitions-
mangel leide, so konnte doch, nach der Gefechtskraft der
Nachhuten zu schließen, der Zustand des Gegners, dessen
Gefechtskraft leicht höher taxiert werden, als dies tatsächlich
zutreffend war. Diesen Schätzungsfehler haben bisher noch
fast alle Armeeführer begangen. Es war aber außerdem
bekannt, daß Teile des französischen Heeres bereits am
22. Oktober Erfurt erreicht hatten, so daß — nachdem die
Hauptaruiee nicht vor dem 24. vor Erfurt schlachtbereit sein
konnte — immerhin Zeit und Gelegenheit als vorhanden an-
genommen werden konnten, um, besonders unter Napoleons
mächtigem persönlichem Einfluß, die Armee wieder schlag-
fällig zu machen'). Zudem war in Erfahrung gebracht worden,
daß etwa 14.000 bis 15.000 Mann Ersatztruppen nach Mitte
Oktober teils in Erfurt angelangt*), teils dorthin im Marsche
') Im Jahre 1866 genügten die 36 Stunden vom Nachmittag des
1. bis zum Morgen des 3. Juli vollständig, um die österreichische Armee
wieder derart schlagfertig zu machen, daU im Verlauf der Schlacht fOr
den Gegner eine sehr ernstliche Krise eintrat.
•) Marschall Kellermann hatte von Mainz aus ein Detachement
von f)tXK) Manu nach K.as.sel dirigiert, ebenso eine Marschkolonne (die 54.)
Krsatztrnppcn von 3000 Mann. Die fjö. Marschkolonne, 4000 Mann mit
14 Geschützen und zahlreichen Vorräten, war nach Krfurt dirigiert
worden und dort angekommeu; die 56. Kolonne, 3000 Mann mit 16 Ge-
schützen, hatte ebenfalls Erfurt erreicht. Die Summe — 15.000 Mann —
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Von r^eipzig bis Erfurt.
447
begriffen waren, so daß mindestens die Verluste der letzten
Tage ausgeglichen werden konnten.
Aber FM. Fürst Schwarzenberg hielt trotz aller dieser
Gründe die Hauptarmee für den eigentlichen Angriff stark
genug nnd gedachte, während er mit dieser den Gegner fest-
hielt, ihm durch die schlesische Armee den Rückweg ab-
schneiden und den gänzlichen Untergang bereiten zu lassen.
Es ist bezeichnend, daß der Feldmarschall hier neuerdings
die gänzliche Vernichtung des Gegners durch Angriff aus
zwei Fronten und Verlegung des Rückzuges beabsichtigt, ein
Gedanke, den er auch vor den Operationen auf Leipzig aus-
sprach') und dessen Durchführung er auch anstrebte, so hart-
näckig man auch dieses Streben von anderer Seite stets bestritt®).
Aber Napoleon dachte — vorderhand wenigstens —
nicht mehr an Schlacht und Sieg. Die bisherige Verfolgung
hatte vollauf genügt, die Truppen, ausgenommen das IV. Korps,
die Garden, einige polnische Bataillone und das Gros der
Kavallerie und Artillerie, derart aufzulösen, daß selbst ein
Napoleon nicht mehr daran denken konnte, aus diesen un-
geordneten Haufen innerhalb 3(! bis 48 Stunden schlagfertige
Truppenkörper zu bilden. So benützte er denn den gewonnenen
Vorsprung und die Hilfsmittel Erfurts nur dazu, sich den
weiteren Rückzug zu sichern.
Etwa 8000 Mann Neuformationen — darunter ein aus
Nationalfranzosen für den König von Westfalen formiertes
Husarenregiment — und Ersatztruppen mit zirka .SO Geschützen,
welche bis Eisenach gelangt waren, hatten nach der Werra uin-
zukehren und den Übergang bei Vacha®) festzuhalten. Das Gros
der Kavallerie unter Sebastiani hatte zur eventuellen Frei-
machung der Marschlinie bereits am 23. Oktober nach Gotha auf-
zubrechen. Der Artilleriepark sollte unter Bedeckung des Restes
des polnischen Kavalleriekorps den Reitern Sebastian is folgen.
stimmte also mit den Nachrichten, welche Schwarzenberg erhalten,
überein, wenn auch nicht die Art der Verwendung. (Pelet, Campagne
de 1813, Art. X, 340.)
') Siehe Anmerkung 1 und 2 auf Seite 373.
’J Vor allem Bernliardi, Lehen und Denkwürdigkeiten de.s
FM. Grafen Toll u. a. m.
•) Siehe Übersichtskarte, Toxtskizze 4.
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448
Kerohnawe.
Die Truppen in und um Erfurt hatten nach Tunlichkeit ihre Ver-
bände zu ordnen, ihre Bekleidung und Munition zu ergänzen'),
die 8000 Mann und 600 Pferde eingetroffener Ersatztruppen
und 2000 in Erfurt befindlichen Rekonvaleszenten und Ersatz-
mannschaften wurden unter die Truppen verteilt'''). Am 24. Ok-
tober hatte die Avantgarde — Rest des V. und XI. Korps —
unter Macdonald, am 25. von 3 Uhr früh an das Gros den
Rückzug fortzusetzen, ■welchen Bertrand in der linken, die
Kavallerie Lefebvre-Desnouettes’ in der rechten Flanke
decken sollte, während Mortier mit zwei Divisionen junger
Garde Oudinot ablösen und die Nachhut bilden sollte.
In Ausführung der im vorstehenden erwähnten Befehle
erreichten die Truppen der linken Kolonne der Hauptarmee
am 23. Oktober kampflos ihre Marschziele. Die Divisionen
Bubna und Hardegg hatten zirka 400 im Gefecht bei Buttelstedt^
Versprengte aufgegriffen. Bubnas Patrouillen und die Streif-
korps meldeten ferner, daß sich bei Erfurt zahlreiche französische
Lager befänden, daß sich Kaiser Napoleon seit 22. vormittags
in der Stadt aufhalte und daß der Verteidigungszustaud der
Festung ein guter sei*).
Nicht so kampflos verlief der Vormarsch der rechten
Kolonne. Hier hatte Kaiser Alexander, ungehalten über das
Benehmen Gyulais am 22. Oktober (jenes Großfürst Kon-
stantins dürfte ihm w'ohl unbekannt geblieben sein) die
Bildung einer Avantgarte aus russischen und preußischen
Truppen befohlen. GL. Graf Pah len III hatte das Kommando
dieser aus dem Gros seiner Division*), aus der Reserve-
') Die nach Erfurt vorausgesandten Munitionsfuhrwerke (siehe
Seite 435) hatten ihre Neufüllung bereits bewirkt.
*) Den stärksten Zuwachs — 2400 Mann — erhielt die nur mehr
1600 Mann starke Division SdmÄle des IX. Korps. ((,**, Französische
Armee im Jahre 1813.)
“) Siehe Seite 450.
*) K. A., F. A. 1813, Hauptarmee, XIII, 48 d.
“j Diese Division bestand aus dem Gros der 1. Hnsarendivision :
Hmsarenregimonter Grodtio i 5 Eskadronen), Sumy (5 Eskadronen), Lubuy
(4 Eskadronen), Olwiopol (2 Eskadronen) ; aus Teilen der kombinierten
Ulanendivision: Illanenregiment Tachugujew (6 Eskadronen), Tataren-
Ulanenregiment (4 Eskadronen), Kriratataren (1 Eskadron) und vier
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V'on Leipzig bis Erfurt.
449
kavallerie des Korps Kleist ') und der russischen 3. Kürassier-
division*), sowie aus drei reitenden Batterien bestehenden,
zusammen zirka 6000 bis 6300 Reiter, 24 Geschütze starken
Avantgarde zu übernehmen. Links von dieser Avantgarde
hatte ein Detachement von 12 Eskadronen*), 4 Bataillonen*)
und 2 reitenden Geschützen unter GM. Ossarowsky über
Auerstädt, Rannstedt auf Buttelstedt vorzugehen. Das Gros
hätte in der Reihenfolge Korps Wittgenstein, Gyülai, Kleist,
Reserven*) der Avantgarde auf Buttelstedt nachfolgen sollen.
Dieser Befehl langte beim III. Korps um 3 Uhr früh
an. Als jedoch die Vorposten meldeten, daß der Gegner ab-
zuziehen scheine, während von der neuen Avantgarde um
5 Uhr früh noch nichts zu sehen war®), ordnete FZM.
Gyulai sogleich das Vorrücken an und ließ Eckartsberga in
Besitz nehmen, während GM. Scheither beauftragt wurde,
mit dem Regiment Vincent- Chevaulegers, seiner Kavallerie-
batterie, dem Bataillon Warasdiner-St. Georger und einem
Bataillon Frelich dem Gegner in der linken Flanke zu
folgen.
Als das Korps Gyulai um zirka 7 Uhr morgens aus
Eckartsberga debouchierte, mußte es haltmachen, um die nun
vortrabende Reiterei Pahlens durchzulassen*). Gleichzeitig
kam von GM. Scheither die Meldung, daß im Raume
Kosakenregimentern unter GM. lllowaiski XII, von welchen aber
3 mit GM. lllowaiski bereits voraus waren, alles in allem noch
27 Eskadronen, 1 Kosakenregiment und 2 reitende Batterien, zirka
2300 bis .3000 Heiter mit 16 Geschützen. Wie viel Heiterei hievon bei
der Infanterie Wittgensteins zurückgeblieben, ist nicht eruierbar.
‘) Ostpreußisches, brandenburgisches und .schlesisches Küras.sier-
regiment, neumärkisches Dragonerregiment (ohne Jägereskadron), 3 Land-
wehrregimenter i 2 Eskadronen, zusammen 22’. • Eskadronen = zirka
22<X) bis 2300 Reiter mit 16 reitenden Geschützen.
’) Kürassierregimenter Militärorden, Kleinrußland, Starodub, Xow-
gorod, zusammen 16 Eskadronen mit zirka 1400 bis 1,300 Reitern.
*) Je 5 Eskadronen vom Gardedragoner- und Oardehnsarenregiment,
2 vom Gardeulanenregiment.
*) Leibgardejägerregiment und Gardeiegiment Finnland. tBog-
danowitsch III.)
*) K. A., F. A. 1813, Gyulai. XIII, 720.
•) Ebenda.
’) Ebenda.
Uitteilungen des k. und k. KriegsarchivR. Dritte Folge. XV. Bd 29
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450
Korchnawe.
zwischen Eckartsberga und Buttelstedt zirka 6000 Mann feind-
liche Kavallerie stünden, hinter diesen seien zwei starke
Infanteriekolonnen im Abzug auf Buttelstedt, beziehungs-
weise auf den Ettersberg'' (die langgestreckte Höhe südlich
Ettersburg — Saehsenhausen).
Marschall Oudinot und General Bertrand waren auf
ihrem Marsche durch zahlreiche Nachzüglerhaufen, stehen-
gelassene Trainfuhrwerke u.dgl. aufgohalten worden und dadurch
gezwungen, um wenigstens einen Teil der ersteren, die meist
ganz gesund und marschfähig waren, vor Gefangennahme zu
retten, wiederholt Stellung zu nehmen.
Als sie im Uaurae zwischen Buttelstedt und dem Etters-
berg Aufstellung genommen hatten, stiell Fahlen auf die die
äußerste Nachhut bildenden Reiter vom 1. und 5. Kavallerie-
korps. In dem sich nun entspinnenden Kavalleriegefecht,
welches durch das Regiment Tschugujew eröfihet wurde und
in welches auch das von Freyburg vorgegangene Detachement
Kreutz der Reservearmee eingriff®), wurde die französische
Kavallerie unter anscheinend ansehnlichen V erlusten ’) geworfen,
doch konnte sie sich hinter der Front Oudinots, beziehungsweise
Bertrands bald sammeln, gegen deren Infanterie Pahlens
und Ossarowskys Reiter nichts auszurichten vermochten.
Oudinot räumte gegen Mittag seine Stellung bei Buttel-
stedt und ging, von Fahlen und Kreutz gefolgt, über Ollen-
dorf auf Erfurt zurück, Bertrand, gefolgt von Ossarowsky,
längs des Nordabfalles des Ettersberges, wobei er auch von
Detachements Bubnas und Hardeggs belästigt wurde.
Fahlen machte bei Schwerstedt, Ossarowsky bei
Ramsla und Kreutz bei Neumark halt. Ossarowskys Tor-
posten nahmen Verbindung mit jenen der Division Hardegg
des österreichischen I. Koq>s.
’) K. A., F. A. 1813, Gyulai, XIll, 230.
’) lliugegen war die Kescrvckavallerie Kleists noch nicht ein-
getroflen.
‘j Nach Martinien, Tableaux des officiors tues et Wesses, verlor
die französische Kavallerie am 22. und 23. Oktober bei Eckartsberga,
Buttelstedt und Weimar 19 Offiziere. Da Datum und Ortsangabe viel-
fach verwechselt sind, lälJt sich eine genaue Trennung für jedes ein-
zelne Gefecht nicht durchführen.
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Von Leipzig bis Erfurt.
451
Das Korps Gyulai, welches ohne Wittgenstein abzu-
warten*), Fahlen gefolgt war, lagerte bei Nermsdorf®). Die
übrigen Teile der Kolonne Barclay lagerten oder kantonierten®)
im Raume Nieder- und Ober-Reißen, Büttstedt, Eckartsberga.
Die schlesische Armee hatte die Marschziele — Leubingen,
Sömmerda, Schloß Vippach — welche Blücher für den 23.
anbefohlen hatte, nicht erreicht, auch nicht einmal mit den
Vorhuten. Nur die Kavallerie und reitende Artillerie der
Avantgarde Yorcks erreichte um 7 Uhr abends Sömmerda,
vermutlich auch Wassilitschkoffs Kavallerie ('vom Korps
Langeron) Schloß Vippach. Die Infanterie der Avantgarde
Y*orcks kam nach einem überaus ermüdenden Marsche von
43 Kilometern auf aufgeweichten Wegen zum geringem Teile
um '/*5 Uhr morgens des 24. in Sömmerda an, die meisten
Leute aber erst später. Die Reservekavallerio Yorcks war bis
Ostramondra gekommen, das Arnieekommando nach Groß-
Neühausen. Die Gros der Korps Sacken, Y’^orck und Langeron
waren in die Räume Ostramondra — Bachra, Klein-Neuhausen —
Roldisleben, Olbersleben — Hardisleben gelangt.
Trotz aller Energie Blüchers, trotz äußerster Erschöpfung
der Truppen, war es der schlesischen Armee bei der Ungunst
der Witterung und der Kommunikation doch nicht möglich
gewesen, wesentlich größere Wegstrecken zurückzulegen, als
die linke (österreichische) Kolonne der Hauptarmee, nämlich
etwa 27 bis 33 Kilometer gegenüber 22 bis 25 Kilometer.
Dafür waren aber die Truppen der Hauptarmee intakt an
ihren Marschzielen angelangt, jene der schlesischen Armee
aber in nahezu vollkommen erschöjjftem Zustand.
Von der Armee Bennigsens hatte sich das über Burkers-
roda vorgegangene Detachement Kreutz der Avantgarde der
rechten Kolonne der Hauptarmee unter Fahlen ungeschlossen
und war bis Neumark gelangt.
■) K. A., r. A. 1813, Gyulai, XIII, 220.
’) Ebenda.
’) Hauptsächlich die Kavallerie. (K. A., E. A. 1813,
Xiri, 48 d.)
Hauptarmee,
2!)*
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452
Kerchnftwe.
Die Avantgarde unter Stroganoff und die Kavallerie- '
division Tschaplitz waren nach Nebra, das Armeehauptquartier j
und das Korps Doctorow nach Freyburg gelangt.
Infolge des Vordrängens Blüchers nach Weißenfels und
seines Aufenthaltes durch den Fluüübcrgang hier, beziehungs-
weise später bei Freyburg, hatte sich die schlesische Armee
zwischen den Gegner und die polnische Armee geschoben, so
daß die Aufgabe der letzteren ,,Xachdrängen in der Front”
von der rechten Kolonne der Hauptarmee übernommen werden '
mußte. Die Truppen der schlesischen Armee aber waren genötigt
ihre Kräfte auf das äußerste anzuspannen um wieder einiger-
maßen in jenes Verhältnis zu kommen, in welchem sie ihrem
Auftrag nachkonunen konnten, „den Rückzug des Gegners in
der nördlichen Flanke zu kotoyieren”. Dieses Verhältnis wieder
ganz zu erreichen, wurde ihnen nicht mehr möglich.
Die polnische Armee, welche derart in ein Reserve-
verhältnis hinter die schlesische Armee gedrängt worden war,
schied überdies am 24. Oktober von den Napoleon nach-
drängenden Heeren aus und wurde dem noch immer mit
seiner Armee in der Gegend von Leipzig haltenden Kronprinzen
von Schweden zur Vertreibung der französisch-dänischen
Truppen aus Norddeutschland, beziehungsweise zur Bezwingung
der dortigen festen Plätze zur Verfügung gestellt.
Beurteilung der Lage aui 23. Oktober. Das Resultat der
Verfolgung bis Erfurt. i
So war es denn Napoleon gelungen, im Laufe des
23. Oktober sein ganzes Heer unter dem Schutze der Be- ^
festigungen von Erfurt zu .sammeln, ihm eine kurze Spanne '
der Ifuhe und Erholung zu gönnen, deren es nach dem i
großen Schlage von Leipzig, nach den Strapazen der letzten
Tage so dringend bedurfte.
War es auch nur wenig, was Napoleon erreichte, ww
die Zeit der Ruhe zum Ersatz der materiellen und moralischen
Kamj)ffaktoren zu gering bemessen, so konnte der Kaiser
doch immerhin mit dem Resultat des Erreichten zufrieden
sein. Es waren zwar schwache, aber doch einigermaßen ge-
schlossene Bataillone, welche am 24. und 25. Oktober Erfurt
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i.
Von Leipzig bis Erfurt.
453
verließen, seine Artillerie, vor allem aber seine Garden waren
noch immer schlagfertig, boten in ihrer Gesamtheit noch
immer eine ganz achtunggebietende Macht.
Freilich hielt das in Erfurt Erreichte nicht an, obwohl
im Laufe der nächsten Tage nur die Parteigänger die Marsch-
kolonnen der französischen Armee belästigten.
Die Divisionen der jungen Garde waren durch den auf-
reibenden Nachhutdienst auf je 3000 bis 4000 Mann per Divison
zusammengeschmolzen, bei Hanau, am 30. und 31. Oktober,
zählten sie deren nur mehr 2000 bis 2500. Bei den anderen
Truppenteilen löste sich schon in den ersten Tagen nach
Erfurt unter den Strapazen des Marsches und den Belästi-
gungen der die französischen Heersäulen fort umschwärmen-
den Parteigänger bald wieder alle Ordnung.
Die frierenden und hungernden Soldaten verließen
haufenweise die Reihen, um seitwärts der Marschlinie nach
Lebensmitteln zu suchen, sie warfen Watien und Gepäck
weg, um leichter marschieren zu können und wnrden dann
oft zu Hunderten von den Reitern Orlow-Denissows '),
Tschernitschews, Mensdorffs oder Co lombs widerstands-
los aufgegriffen. Um die geretteten Adler der Korps bildeten
Offiziere, Unteroffiziere und die tüchtigsten Soldaten ge-
schlossene Abteilungen von wenigen tausend oder auch nur
etlichen hundert Männern, so daß Abteilungen in der Stärke
von wenigen Bataillonen oft 10 bis 12 Adler führten. Nur die
Garden, die Kavallerie — ausgenommen die mißglückte
Institution der ,, Ehrengarden” — die Artillerie, soweit sie
nicht infolge völliger Erschöpfung der ohnedies minder-
wertigen Bespannungen Fuhrwerke stehen lassen mußte,
bildeten rühmliche Ausnahmen. Diese Truppen waren es auch,
welche ihrem Kaiser und dem geschlagenen Heere bei Hanau
den Weg durch den Feind bahnten.
Es nützte wenig, daß die Nachhut immer wieder Stel-
lung nahm um die „Isoles” zu sammeln, zu bewaffnen und
aus ihnen geordnete Truppenkörper zu bilden — in der
■) GM. Graf Orlo w-Uenissow Obemahm am 24. Oktober das
Kommando über das Thiolomannsche Streifkorps, da GL. Thiele-
mann mit der Neuorganisation der sächsisehen Streitkräfte beauftragt
worden war.
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454
K 0 r c h n tt w e.
nächsten Nacht schon liefen sie alle -wieder auseinander
Die große Jugend, die oberflächliche Ausbildung der oft
noch halbwüchsigen ,,Conscrits” der Jahre 1813 und 1814
machten jetzt ihre üblen Folgen geltend. Das erkannte
auch Napoleon an, als er am 25. Oktober an den Kriegs-
minister schrieb :
„Ich brauche Männer, keine Kinder. Es gibt nichts
Braveres als unsere .Tugend ; aber ohne Kraft, bevölkei-t sie
nur die Spitäler und zeigt selbst bei der geringsten Ungewiß-
heit den Charakter ihres Alters. Es sind Männer notwendig,
um Frankreich zu verteidigen*).”
Und täglich, stündlich nahm die Auflösung zu, jene
Auflösung *), welche in den Fatigen der Tage von Leipzig
') Schon am 23. Oktober schreibt Marschall Mortieraii General
Uertrand: „Ich habe wogen der Unmassen von Nachzüglern eine
Stellung nehmen müssen, um die.sclbcn zu retten ; ich habe selbst SiJtKi
bis 4000 gesammelt, ihnen Offiziere und Unteroffiziere gegeben und
daraus 2 llegimenter gebildet, da es meist gesunde und gut bewaffnete
Leute gewesen sind, aber in der letzten Nacht haben sie sich alsbald
wieder aufgelöst; es ist unmöglich gewe.sen, sie zu halten; allerdings sindja
auch Verwundete und Kranke unter ihnen, die sehr zu beklagen und
von denen manche tot liegen geblieben sind.” (^, * Die französische
Armee im .Jahre 1S13, 174.)
’) Correspondance de Napoleon I., XXVI, 20.835.
Über den Zustand der französischen Armee im weiteren Ver-
lauf des Rückzuges schreibt ein Augenzeuge : „Oie Straße bot durchweg
einen schrecklichen Anblick dar, der Zeugnis von dem kläglichen Zu-
stand der französischen Armee ablegte. Tote und erstarrte Menschen
und Pferde, zerbrochenes Geschütz und Wagen lagen überall umher.
Halbverhungerte Traineurs schleppten sich mühsam fort und lichten
die Mildtätigkeit ihrer Feinde um ein Stück Brot an. Deserteure trafen
fortwährend in Menge ein und die Kosaken machten auf jeden Schritt
Gefangene. Umstände dieser Art erklären es, wie Napoleon auf dem
Rückzug bis zum Rhein 30.000 Manu verlieren konnte.” Und Müff-
ling schreibt: „Es konnte nichts Unangenehmeres und Widrigeres
geben, als der französischen Armee auf dem Fuße zu folgen. Längs der
ganzen .Straße lagen Leichen und im Sterben begriffene Menschen ; die
man einbrachte, trugen den Tod auf den Gesichtem, kurz, man konnte
nicht ohne Ekel daran denken, daß nvin auf derselben Stelle, vielleicht
auf demselben Stroh schlafen sollte, wde diese Nervenüeber-Armee,
welche überdies auf der Straße, die sie zog, die Eiuw’ohner angestockt
und alles, was an Lebensmitteln vorhanden war, aufgezehrt hatte !” —
Mit Recht setzt Major Ftiederich diesen Schilderungen hinzu: „Es
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Von Leipzig bis Erfurt.
455
bis Erfurt mit ihren täglichen Kämpfen und Gefechten ihren
Urgrund hatte
Die Eesultate der von FM. Fürst Schwarzenberg
eingeleiteten Verfolgung waren also ganz bedeutende, wenn
sie sich auch nicht ganz mit den von der Theorie geforderten
decken, mit jenen Resultaten, welche sich unzweifelhaft auch
hätte erreichen lassen, wenn nicht FZM. Gyulai und General
Yorck es am 21. Oktober an jener umsichtigen Auffassung
hätten fehlen lassen, weiche in ihrer damaligen Lage eben
gerade notwendig war. Aber in welchem Kriege kam dergleichen
nicht vor, welche Armee würde nicht trotzdem Yorck und
Gyulai mit Stolz zu den Ihrigen zählen, in mancher schweren,
gefahrvollen Stunde sich solche Führer wünschen 1
Die französische Aiinee hatte am 19. Oktober inklusive
der Truppen Bertrands noch etwa 1 10.000 bis 120.000 Kom-
battanten gezählt, am 24. Oktober, also nur 5 Tage später,
zählte sie, trotz 10.000 Mann eingereihter Ersatztruppen, nur
mehr 70.000 bis 80.000 Mann mit 200 Geschützen, der Rest
war gefangen oder deckte tot oder sterbend die Felder von
der Elster bis zur Gera, füllte krank und elend die Lazarette
und Notspitäler längs der Marschstraüe der „Großen Armee
von 1813')”.
Die Truppen der Verbündeten waren — ein seltener
Fall — dem geschlagenen Heere vom Schlachtfeld aus ohne
Ruhetag gefolgt, sie hatten bei Regenwetter, großenteils auf
elenden, aufgeweichten Feldwegen täglich drei bis vier Meilen
gemacht, ihre leichte Reiterei war dem Gegner stets auf
fehlte nur der Schrecken des Winter.«, um der französischen Armee ira
.Jahre 1813 das nämliche Schicksal zu bereiten, das die Große Armee
des Jahres 1812 in Rußland erlitten hatte.” (l'riederich, Herbstfeldzng
1813, III.)
*) Nach Frankreich brachte Napoleon von den aus Erfurt aus-
luarschierten Truppen kaum mehr als ,50.000 Mann zurück. — Von den
.590.000 Mann, welche im Laufe des Jahres 1813 nach Deutschland
gerückt, beziehungsweise dort gefochteu h.Uten, kehrten bis Ende 1813
alles in allem 85.000 Manu zurück. Etwa 100.000 Mann waren in den
deutschen Festungen eingeschlossen, der Rost tot, verwundet oder
gefangei» und auch von den 85.000 Zurückgekehrteu trugen viele dey
heim tödlicher Krankheit in sich. Die französische Armee des
■Jahres 1813, 177.)
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456
Kerclinawe.
den Fersen geblieben, nicht einen Moment war die Fühlung
verloren gegangen, der Gegner war von Leipzig bis Erfurt
nie zur Ruhe gekommen, täglich hatte er kämpfen müssen ').
oft — wie bei Freyburg und Kosen — hing das Schicksal
des geschlagenen Heeres nur an einem Haare und wenn diese
Gefechte auch nicht jenes Resultat brachten, das sie bringen
konnten, so verursachte diese Ruhelosigkeit, die stete Qual der
Ungewißheit, was die nächsten Stunden bringen würden,
jene Auflösung, welche den Aufenthalt bei Erfurt notwendig
machte.
Wenn auch durch den Aufenthalt des französischen
Heeres bei Erfurt für die Hauptarmee der Verbündeten
Zeit verloren ging, weil FM. Fürst Schwarzenberg die
gewiß nicht unberechtigte Auffassung hatte, daß Napoleon
sich hier eventuell zum Kampfe stellen wolle, wenn auch
der Feldmarschall deshalb den 24. Oktober dazu benützte,
um seine Armee zürn Kampfe zu versammeln ’) und am
25. Oktober rekognoszierend gegen die Festung vorrückte,
so war es andererseits nur durch diesen .S6- bis 48stündigen
Aufenthalt des Gegners bei Erfurt möglich, daß die Donauarinee
unter Wrede ihm bei Hanau den Weg verlegen und ihn
direkt mit Gefangennahme bedrohen konnte. Und jeder andere
als Napoleon wäre bei Hanau verloren gewesen.
War es immerhin noch eine achtbare Streitmacht, die
der besiegte Imjierator aus Erfurts schützenden Mauern der
Heimat zutührte, war es ihm auch noch möglich, mit
Trümmern dieser Streitmacht G Tage später bei Hanau sich
in heißem, verlustreichem Kampfe den Weg durch den Feind
■) E.S sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dali inge-
und wochenlanger Gefecbtskoutakt, trotz des hier geführten Bewegungs-
krieges, durchaus keine Errungenschaft der letzten Zeit ist. Die beider-
seitigen Heere standen vom Id. bis 2H. Oktober, also durch 11 Tage, in
ununterbrochenem Gefechtskontakt. Täglich war es während dieser Zeit
zu ZusammenstölJon gekommen, darunter an 5 Tagen, nämlich am 14.,
IG-, 18., 18. und 21. zu schweren, verlustreichen Kämpfen, deren Ver-
luste, blutige wie unblutige, jene der Neuzeit perzentuell um das
1' ifacho bis Doppelte übertreften.
•) Am 24. wurde die 12 (Tete) bis 27 Kilometer (Queue) zurück-
gebliebene rechte Kolonne unter Barclay deTolly auf gleiche Höhe
mit der linken Kolonne vorgezogen.
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Von Leipzig bis Krfurt.
457
zu bahnen, so war das erreichte Resultat doch ein bedeuten-
des. Ganz gewiß hätte sich — wie dies ja eben aus diesen
Blättern hervorgehen dürfte — mit den Dispositionen
Schwarzenbergs mehr erreichen lassen. Wenn das erreichte
Resultat hinter dem erreichbaren zurückblieb, so lag dies
einerseits an dem großen Gegner und seinen mustergiltigon
Maßnahmen, andererseits an der nicht entsprechenden Auf-
fassung der Lage seitens der Unterführer am entscheidenden
21. Oktober').
Jedenfalls ist das, was erreicht wurde, weit mehr als
alles, — die Verfolgung nach Belle-Alliance ausgenommen —
was seit den Tagen Napoleons bis zu den Ereignissen der
allerjüngsten Zeit durch Verfolgungen erreicht wurde; jeden-
falls steht die Art und Weise, wie die verbündeten Heere
unter FM. Fürst Schwarzenbergs Führung dem ge-
schlagenen Gegner nachdrängten, hoch über allem, seither
darin Geleisteten. An Energie, den errungenen Erfolg auszu-
nützen, an „mitleidlosem Willen, von den eben siegreichen
Truppen noch weitere schwere Opfer zu fordern *)”, hat es
dem Führer der Verbündeten also sicher nicht in höherem
Maße gefehlt, als vielen, welche die Epigonen seither über ihn
stellten.
Wenn man auch gewiß aus den Unterlassungen bei
dieser Verfolgungsoperation nahezu eben.soviel lernen kann
wie an dem Geschehenen, wenn die Theorie auch an diesen
Unterlassungen Kritik üben und theoretische Folgerungen
von ihnen ableiten kann, so wird sich die Praxis doch in den
allermeisten Fällen zufrieden geben können, w'enn sie —
auch weniger großen Gegnern gegenüber — bei der Ver-
folgung solche Resultate erzielt wie FM. Fürst Schwarzen-
berg in den Tagen von Leipzig bis Erfurt.
') Den beiden hier in Betraclit kommenden Führern — Gyulai
und Torck — deshalb Mangel an Energie vorzuwerfen, ist wohl nicht
angebracht. Gyulais sonstiges Benehmen am 20. und 21. Oktober be-
weist, daß es ihm an Tatkraft absolut nicht gefehlt hat; was Yorck an-
belangt, so wurden über dessen Leistungen, seine „eiserne” Entschlossen-
heit etc., Bücher genug geschrieben; es hieße, Eulen nach Athen tragen,
hier noch Weiteres anzuführen.
’) Moltke, Gesamte militärische Werke, 18(56.
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Von Leipzig bis Erfurt.
461
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') Von 18. bis 25. Oktober beim Korps Yorck der schlesischen Armeo.
Formi»*ren j Streitbar
462
Korobnawe.
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Von Leipzig big Krfiirt,
403
op^ioiioo .}«JO ]\zd
gdjox ’x
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Streitbar
Kerobnawe.
4()l
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U K
Von Leipzig bis Erfurt,
') Inklusiv» einer eventuell dem Korps Platnw zngoteilten Eskadron.
406
Kerchnawe.
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Von Leipzig: bis Erfurt.
467
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•> Per Komman<lAtit der infanteriereserve 0. d. K. l*rinz zn Hesaen • Houiburj; am 18. X. sohwer verwundet, seither
beide Pivieionen dem Armeekoxumando direkt unteritellt.
Formiuren || Streitbar
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Von Leipzig bis Erfurt.
467
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’> l>«ir KnmcuBnilaut dar Infanterieresetv« O. d. K. Prinz zu ITui se u - Hu mbu r«r &ni lÖ/X. eobwor verwundet, selüier
beide Divisioueu d^m Armeekommaudo direkt uutersteUt.
b) Russisch-preußische Truppen.
Oberkommandant: G. d. I. Graf Barclay de Tolly. — Chef des Generalstabes: GM. Sabanjew. — Generabjuartier-
468
Kerchnawe.
Digilized by Coogle
Von Leipzig bis Erfurt 469
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Von Leipzig bis Erfurt.
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472
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473
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Kerchnawe
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Von Leipzig bis Erfurt,
475
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476
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Von Leipzig bis Erfurt,
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c) Streifkorps
478
Korehnnwe.
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Von Leipeig bis Erfurt
479
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4«0
Kerchnawe.
Detachierte Abteilungen und Korps aufierhalb des direkten Verbandes
der Hauptarmee.
a) Stabs- und Bedockungs- I
truppen.
1. 7j\ir Bedeckung des .\llerhöch-
stenHotlngcrs desKai.'ser Kranz !
) lUvision von Somniariva- |
Küra,s.sieren
1 (Trenadiorbalaillon niiit .Ab-
lösung)
I - 202
!<m.600: -
( 2. Zur J5edeckungdes Allerhöchsten [i
HotlagersKaiser Alexanders 1.
u. König Friedrich Willielms j|
Koaakonkonvoi . . . j'
Ferner Abteilungen von wechseln- 1!
der Starke der russisch-preuÜi- .
sehen Heserven :
d. Im Iluuptijuartier des Armee- |i
Oberkommandos ij
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1 Division von Lothringer-Kdms- •
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Vom Kosakenreg. Uebrikowlll . i;
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1 LHiidtvchrbalaillon Kroon- I
Infanterie :
Kürtrag . . • i|
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Von Loipiig bis Erfurt.
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1 Laiidwehrbataillon von ReuJl-
(Ireitz-InfnuteriB
Je 1 Eskudron von Iloseiiberg-
Chevnulegers n. Uieseb-Dra-
gouern |
Vom preuüiscben 2. scble.si- .|
achen Landwehrkaviillerie- !'
regiraent
Russisches Ulanenregiment
Serpuchow . — |
4 1 —
222«!
1151
280'
200
— I 480
Zusammen . .
c> Zur Disposition der kais.
rnss. O e n eral in ten d an I iir. 1
2. Poltawa- . . . .
Kleinrussisches .
Tschemigowsches .
Lundwehr-
I ko.sakenreg.
d) Avtf Gefangenentransport.
2. Baschkirenrogimeut . . .
II.
H Kosakeiirftg.
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960
Zusammen
I e) Zur Ein Schließung v. Dres-
I den detachiert.:
■ österreichisches IV, Korps O. d. K.
Oraf Klenau
2 Haschkirenreg.
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14 I 8
16.250
1763
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MitteiluD^en des k. und k. Krieganrohivs. Dritt.,> Folge. IV'. Bt.
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Von Leipxif^ bis Erfart.
497
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*) Die Gt;scliütszahl der Armee aRcb jener vor der Schlacht bei Leipzi)?. abxüglich der an den Feind vorloroneu ^0 nud
der mit den Sncbsen und Würltembeigern dbert^egnnfConen iSs GeaohÜtson errechnet.
198 Kercbort've.
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Von Leipzig bis Erfurt.
499
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Summe des IV. Korps 30 j 8 ^ 2 8 8300 | 200
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502
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503
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Koriaioren I Stroitbar
504
Kerchnawe.
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Von Leipzig bis Erfurt.
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1. in Dresden unter Mar-
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I. Korps, Gruf von Lobau
XIV. Korps, Marschall
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Davon t. Herzog von
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XIII. Korps, Mar-chall
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68
Das XII. Korps (Marseha)l
Oudinot) seit 17. September
aufgiilöst
1
1
II.
Disposition vom 20. bis 22. Oktober 1813.
Die Armee marschiert in zwei Kolonnen gegen Erfurt.
Die 1. Kolonne, niiinlicli: III. Armeekorps Gyulai, FML. No.stitz
mit vier Brigaden, FM. Moritz Liechtenstein, russische Garden und
lieserven, Wittgenstein und Kleistische Korps marschiert;
Den 20. Oktober 1813; Gyulai mit Liechtenstein nach Naum-
hiirg. Xostitz nach Saumburg, russische Garden und Reserven nach
Teuchem, Wittgenstein und Kleist nach Pegau.
Den 21. Oktober: Gyulai mit Liechten.stein nach Eckartsberga.
Nostitz nach Eckartsherga, ru.ssische Garden und Reserven nach Hassen-
hausen, Wittgenstein tind Kleist nach Stößen.
Den 22. Oktober: Gyulai mit Liechtenstein nach Buttelstedt.
Nostitz nach Buttelstedt, russische Garden und Reserven nach Auer-
stiidr, Wittgenstein und Kleist nach Eckartsberga.
Die 2. Kolonne, nämlich: I. .Vrmeokorps Colloredo, II. Armee-
korps Colloredo, Armeeinfanteriereserven, IV. Armeekorps Klenau, an
welches sich die zweite leichte Division Buhna auschließt. marschieren:
Den 20. Oktober nach Zeitz, nur das IV. Armeekorps bleibt
111 Üraschwitz stellen.
Den 21. Oktober nach Eisonherg, das IV. Armeekorps aut
Großen.
Den 22. Oktober nach .Jena
Die Artilleriereservo marschiert nach .AHenhurg, den 21. Oktober
nach Gern, den 22. Oktober nach Roda, den 23. Oktober nach Jena.
Das Haupt<|uartier kommt den 20. Oktober nach Zeitz, den
21. Oktober nach Eisenlierg, den 22. Oktober nach Jena.
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Vom Feind herüber desertiert sind:
78 polnische Gardisten*).
An Kriegsgefangenen eingebracht:
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4 Offiziere
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1 Württembergcr
14 Polen
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Zusammen . . tU9 Mann.
*) K. A., F. A. 1818, HanpUirmee. X. 543.
*) 1. Chevaiilegerslanciers der Garile (LefÄbvre-Desnouotte).
■) Die Relation sagt: .F.s wurde eine ganze bayrische Kompagnie gefangen,
genommen.'* Da die Stünde schon sehr schwach, auch hier Verluste eingetreten
waren, dürfte dies etiinmen.
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512
Kerclinawe.
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VI.
Formation des köniel. preußischen I. Korps G. d. I. Ton
Yorck vom 21. bis 25. Oktober*).
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Das kombiiiierto Fü.siIierbataiUon des branden-
burgiseben und H. Bataillon des 12. Reserve-
intanterieregimenta
1
Das Thüringerbataillon
1
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—
Das 1. Bataillon Leibregiinent
1
—
—
Das Landwcbrbataillon von Fiseber vom
ti. scblesiscben Landwelirinfanterieregiment
1
_
Das kombinierte Bataillon von Kottulinski und
von Knorr vom 4. scblesiscben Landwehr-
iulauteriuregimeiit
1
Das 2. üsterreicliisclie Jägerbataillon ....
1
—
—
2 Kompagnien ostproußische Jäger
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—
—
1 Kompagnie Gardejägor
—
—
2. Leibbusarenregiment (iukl. lägerdetacboment)
—
5
—
Braiidenburgisehos Uvisareiiregiment (inkl.
Jägerdctacbcment
_
5
_
Sächsisches L'bineuregiment
—
4
—
Reitende Batterie Nr. 2
—
—
8
Sechspi’üudige FuÜbutierie
—
—
8
Summe ...
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14
16
*) K. A. Merlin, mitgeteilt von ü^or Priedericb.
Eine Kompagnie beim Streifkorps Boltenstorn.
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Von Leipsi(f bis Erfurt.
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Infanterieregiments
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' Kombiniertes Bataillon des 2. ostpreußischen
1 Infantcriere>;iments
1
Kombiniertes Füsilierbataillon des 1. und 2- ost-
1 preuÜischeii Infanterieregiments
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1 2. Bataillon de« Leibreginients
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i Füsilierbatailloii des Leibregiments ....
1
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1 Kombiniertes Bataillon Grat' Reichcnbacli vom
1 4. und von Wedel vom 15. schlesischen Land-
I wehrinfantericregiment
1
1 Kombiniertes Bataillon von Pettenkofer imd
von Sommerfeld vom 15. schlesischen Land-
j wchrinfanterieregiment
1
I Mecklenburgisches Husaronregiment
—
4
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' OstpreuÜisches Nationalkavallerieregiment
' (iukl. Elitodetachemeixt)
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Scchspfündige Fußbatteri“ Nr. 1
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I Summe . . .
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1 Kombiniertes 1. ostpreußisches und west-
] Iireußisches («renadierbataillon
1
^ Lwbgrenadierbataillon
1
-
—
1 Kombiniertes Bataillon des 5. schlesischen
Landwehrinfanterieregiraonts
1
_
] Kombiniertes Bataillon des 13. schlesischen
Landwehrinfanterieregiments
1
-
Kombiniertes Musketierbataillon des hranden-
burglschen Infanteriereg;iments
1
Kombiniertes Bataillon des 12. Reserveinfan-
terieregiments
1
1 Kombiniertes Bataillon des 14. schlesischen
Landwehrinfanterieregiments
i 1
_
j 5. schlesisches Landwehrkavallerieregiment
1
f Major von Biberstein
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4
—
1 1. neumärkisches Landwehrkavallerieregiment
Major von Biberstein
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Sechspfündige Fußhatterio Nr. 15
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Mitteilungen des k. und k. Kriegsurchivs. Dritte Folge, IV. Bd.
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614
Kerchnawe.
Reservekavallerie.
Das litauische Dragoncrregiment . . . .
Das 1. nestpreußischc Dragonerregiment
Das brandenburgische Ulanenregiment . .
Das sächsische Husarenregiment . . . .
Reitende Batterie Nr. 1
Summe .
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Zugeteilt Kosakenregiment Grekow XX r und 1 Ba-sch- |
kirenregiment, ‘2 Eskadronen Kosakenregimenter i Kejj.
Reserveartillerie.
Sechspfünd. FuiJbatteric Nr.H
Ereiptiind. Fußbatterie Xr. 1
Reitende Batterie Nr. 8
Reitende Batterie Nr. 12
Parkkolonne Nr. 13
Handwcrkskolonno Nr. 1
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Summe .
8
8
8
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Detachiert waren;
Das schlesische Landwehrkavallorieregiment
Nr. 10>)
Die .8. und 4. Eskadron des schlesischen Land-
wehrkavallerioregimeiits Nr. 8’)
Gesamtsumme; ‘dl’/. Bataillone, 63 Eskadronen, 1) Batterien und ‘
2 Kosakenregimenter mit einem Staude von ; 10.5.87 Mann Infanterie ;
inklusive des 471 Mann starken k. k. 2. Jägerbataillons, 4814 Reiter
inklusive der ;tugetoiIten sächsischen Kavallerie, der Kosaken und
des Basebkirenregimeuts (483 Mann). 72 Geschütze.
Es ist nirgends angegeben, wohin, warum und wann. Am 3S. war
das Regiment schon wieder beim Korps eingotrotten und wurde der Division
Hünerbein augeteilt.
') Heim Streifkorps des Majors Graf Kalkenhausen. Trafen am 28.
wieder ein und wurden der Beservekaveiterie zugeteüt. t
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GetchUtse
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KoinliattantenHste des preußischen I. Armeekorps vom 20. Oktober 1818')
Von Leipzig bis Erfurt.
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Berlin ; mitgeteilt von Major Kr ieder i ch. — Ohne die etige-teilten üjterroichiacben, sächsischen tnid rosjischen Truppen.
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Verlag von L. W. Seidel & Sohn in Wien.
MITTEILUNGEN
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Neue Folge. I.-Xll. Band. (1887-1900.)
. Erinnerungen aus dem Leben des FM. Grafen Kadetzky. — K
rba, Zur Geschichte der Ereignis.se in Bosnien und Montenegro
3. Mit 1 Tafel. — Duncker, Militärische und politische Akten-
;ke zur Geschichte des ersten schlesischen Krieges 1741. Mit
afel. — Wetzor, Der Feldzug am Ober-Rhein 16JÄ und die Be-
nung von Breisach. Mit 2 Tatein. — Kriegs-Chronik Ö.sterreich-
»arns. 3. Ted. 1SH7 8.--
. Machalicky» Der Feldzug gegen die neapolitanische Revolu-
1 1821. Mit 1 Tafel, — fiorba, Die KniHerlichen in Albanien 1()83.
, I Tafel. — Duncker, Aktenstücke (Forts.). — Wetzer, Feld-
; am Ober-Rhein (Forts.}. Mit 1 Tafel. 1W88 8 —
i. AVetzer. Feldzug am Ober-Rhein (Schluß). Mit 1 Tafel. —
nger, Serbien unter der kaiserlichen Regierung I7l7bis 1739. Mit
Karte. — Duncker Aktenstücke (Forts.) — Kriegs-Chronik.
Teil (Forts.i. Mit 1 Karte. 1889 *1. —
1. Angel i, Die Heere des Kaisers und der französischen Revolu-
n im Beginn des Jahres 1792. Mit 8 Bildern und 1 Skizze. —
rxich, Die freiwilligen Aufgebote aus den Ländern der ungarischen
one im ersten scblesischon Krieg 1. Ihis Aufgebot der ungarischen
mrrekiion und kroati.se her Freikorps 1741. Mit 1 Kartenskizze. —
iiicker, Der Überfall bei Baumgurton am 27. Februar 1741. Mit
Tafel. — Kulnigg, Die Römer im Gebiete der heutigen öster-
chisch-uiigarisclieu Monarclde. Mit i\ 3'afeln. — Kriegs-Chronik.
Teil (Forts.). Iss9 H.—
i. Hausenblas. Osterreicli im Kriege gegen die französische
volution 1792. Mit 4 Rlilnen. — Alexich, Die freiwilligen Auf-
iote aus den Ländern der ungarischen Krone 1741 und 1742.
Die Preßburger Landlagsbeschlüs».o und die allgemeine Insnr-
ition in Ungurn 1741 his 1742 iSchlnß). — Duncker, Aktenstücke
)rts,). — Kriegs-Chronik. 3. Teil (Forts. >. 1891 H.—
d. Hausenblas, 1792 (Forts.). Mit") Tafeln. — Zerboni, Die Be-
.npfnng des Aufstandes in Piemont 1821 und die Okkupation des
Ildes durch österreicbische Tnippen bis zum Jahre 1823. Mit
rafeln. — Keniatmüller. Das Dragoner-Regiment Herzog Jiiliu.s
dwig von Savoyen. — Duncker, .-Vktenstücke (Schluß). 1892. . 8.—
it-Baiid. Kriegs-Chronik 3. Teil. 2. Hüllte 4. Teil Mit 1 Tafel. 1S92. .A.~
d. Hausenblas, 1792 (Forts.V Mit 4 Tafeln. — Kematmüller,
e \ erteidignngs-Anstalt in Nieder- und Inner-OsteiToicb beim
nbriich der Bayern 1741. Mit 2 Tafeln. -- Tagebuch eines Offiziers
. (ieneralstahe der bayrischen Armee (Major Für.><t Th um nn<l
ixi.s) wiUirenil des Feldzuges in Rußland 1S12. — Duncker,
rei Berichte aus ilem bebigerien Wien 11)S2. — Auf der Feste
uidskroM 1()3S. Eine Kpi.sode aus dem 30jährigen Kriege. — Ans
•n Schriften des Feidmarscliatls Ludwig .Andreas Grafen Klieven-
iller, Idee vom Kriege. 1. Ted. 1893 8.—
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\'Hr. Kaiid. Sacken, Das öaterreicliiwche Korps Scliwarzenberjj-Legeü
Kin beitrag zur (ieschichte der politischen Wirren in Deulsc
Ende 1849 bis 18,01. Mit 1 Pinnskizze. — Beitrag zur Geschicln
Krieges in Ungarn 1848 bis 1849. — Criste, Der Beitritt Oster
zur Koalition im Jahre 1813. — Klie ve.nli ül 1er, Idee vom b
(Ports. . 2. Teil. 1894
IX Band. Hansenblns. 1792 (Ports.!. .Mit 1 Tafel. — Kienast. 1
Friedrich II. von Preiilien und die Ungarn bis zum Hubertusl
Frieden 17ti.l. — Kematmüller, Die östcrreicliisclie Adininist
in Bayern 1743 bis 174Ö. Mit 1 Kärtchen. — K h e ven iiUller
vom kriege, 2. Teil (Forts.). 189.')
X. Band. Christen, 1792 (Forts, der Arbeit von H an seii blas*
3 Tafeln — Veltze, Der schriftliche Nacblall des Peldniars
und Generalleutnants Baimiind Fürsten Montec.iiccoli.
3 Tafeln. — Die Prager .Tiini-Ereignisse 1848. Mit Plan von
— Seidl, Das Mailänder Attentat am 6. Februar 1853. Mit l’la
Mailand. — Khevenhüller, Idee vom Kriege. 2. TciltSchluti).
XI. Band. Criste, Beiträge zur Geschichte des Tlastatter Gesar
mordes 1799. Mit 3 Tafeln. 189<t
XII. Band. Hel fert. Die Stadt des Palladio im .Inhre 1848. Mit 1 Oyers
karte und 1 Uragebiingsplane von Vicenza. — V'oltze, Die H
relation des kaiserlichen Kesblenten in Konstantinopel, i
Reuiger von Retiingen lt>49— l(Ui6. Mit 2 Beilagen und 2 Faks
— .lacubeiiz. Die cisalutanische Walachei unter kaisorlicliei
waltiing 1717 bis 1739. Mit 1 Beilage und 1 Karte. — Chri
1792 (SchhiÜi. Mit 1 Beilage und 1 Karte. 19tKl
Dritte Folge.
1. Baud. Criste, Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Karl. — H
Der StralSenknnipf in Paris am 28. und 29. Juli 1830. Mit 1 '
— Langer, Die Keokkupation Freiburgs und Breisachs 1698 bin
Mit 2 Tafeln. — Soiiimeregger, Ereignisse in den Legat
lind Marken in Italien in den .lahren 1848 und 1849. Mit 3 T
— Peters. Die österreichischen Kefestiguiigen au der oberen
-Mit 4 Tafeln. 1902.
II. Bund. Criste, Die ÖNterreicliische Truppenaufstelluug gegen Pri
und Polen, 171KI. Mit 1 Tafel. — Eine Denkschrift Zachs aus
Jahre 1798. — Criste, Beiträge zur Geschichte des Rastatte
saiidteiimordes 1799. — J'allun-Gall, Pater Joachim Haspi
Tagebuch Ein Beitrag zur Geschichte der Kämpfe der Tirol
.lahre 1809. Zitterhofer, Die Okkupation Siziliens durch i
reichische Truppen vom Mai 1821 bis 1826. Mit 1 Cbersichtsl
— Bartsch, Hayiiaii und der Aufstand in Brescia 1849. Mit 1
- Die Division Jleiscliach hei Magenta, 4. Juni 1859 Mit l Kt
Skizze. 1903
III. Band. P'eldzeugmeister L. von Wetzer. — KemutniUller, Wi
bauten des Hofkriegsrates 1721 bis 1740. — Peters, Die Dis
tion des Obersten und Geiieralstabscliefs Mack zum Angrifl
das fraiizö'ische Lager von Famars »m 23. Mai 179.3. Mit 1 '
Skizze. — Eine Denkschrift des FM. Ma.x Freiherrii von Wiinp
aus dem Jahre 1809. — Soinek, Die Artillerie im Jahre 180
Veltze, Aii.s den Tagen von Pordenone und Sacile. Die ö
reichische Oftensive in Italien 1809. Mit 7 Textskizzen. — Tage
des Streifkoips unter Führung des k. k. Obersten E. Grafen
Mensdorff- Poiiilly \2i. August bis 10. Dezember 1813J.
1 Textskizze. 1904
Bestellungen können auch an die Direktion des k. und k. Kriegsarchivs gerii
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