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Full text of "Mitteilungen"

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||EX  LIBRIS 


MITTEILUNGEN 

DES 


KRIEGSARCHIVS. 


HEKArSHEöEBEN 

VON  DER 


DIRJ':kT10N  des  K.  und  k.  krieosarchivs. 


DRITTE  FOLGE. 

IV.  BAND. 

MIT  FEKF  BEII.AOEN  END  ZWÖI.F  TEXTSKtZZEN. 


WIEN  1906. 

VERLAG  VON  L.  W.  SEIDEL  & SOHN 

K.  UND  K.  UOrBDCKHlKDLK» 


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Drnck  vod  Joiof  Holler  & Comp.,  Wien. 


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INHALT. 

Seito 

Das  k.  nad  k.  Kriegsarchiy  in  seinem  nenen  Heim V 

Dos  Herzogtum  Warschau  von  seinen  Anflingeii  bis  zum  Kampf 
mit  Österreich  1809.  Von  Hanptmann  Juat.  Mit  zwei  Bei- 
lagen nnd  einer  Teitskizze t 

Die  Schlacht  an  der  Piave.  (8.  Mai  1809.)  Von  Hauptmann  Yeltze. 

Mit  z%vei  Textskizzen 125 

Hepresaalieiigefechte  gegen  die  Moptenegriner  im  Jahre  1838.  Von 

Major  Semek.  Mit  einer  Beilage  ....  • 161 

Die  Besetzung  von  Krakau  1846.  Von  Hauptmann  Jacubenz. 

Mit  einer  Beilaige 215 

Aufmarsch  der  östcrreiohiselien  Armee  gegen  die  Bevolution  im 

Qktober-'T?f*>f'^J^^W°"p^niaDn  Czeike.  Mit  einer  Beilage  . . 2öl  — 
Ein  Seekrieg  in  8chwabeu!SK«cschichte  der  österreichischen  Flottille 
auf  dem  Bodensee  in  den  Jahren  1799  und  18iX).)  Von  Ober- 

Ipiitnant  Bartsc.h  . 3B1 

Von  Leipzig  bis  Erfurt.  (Die  Verfolgung  der  französischen  Armee 
in  den  Tagen  vom  18.  bis  23.  Oktober  1813.  i Von  Hauptmann 
Kerehnawe.  Mit  nenn  Textskizzen 371 


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Das  k.  und  k.  Kriegsarchiv  in  seinem  neuen  Heim. 

ln  den  Sommermonaten  dieses  Jahres  ist  die  Übersied- 
lung des  k.  und  k.  Kriegsarchivs  aus  den  verschiedenen  und 
entlegenen,  ihm  bis  dahin  zugewiesenen  Übikationen  in  den 
Akademietrukt  der  Stil'tskaserne  in  Wien  (VII.,  Stiftgasse  2) 
vor  sich  gegangen.  Diesem  Ereignis,  das  sich  wohl  kaum 
nach  Menschenaltem  wiederholen  dürfte,  sind  die  nachstehenden 
Zeilen  in  der  .\bsicht  gewidmet,  es  vor  dem  Schicksal  zu 
bewahren,  giinzlich  unbeachtet  der  Vergessenheit  anheimzu- 
fallen. 

Das  Kriegsarchiv  war  bisher  weder  einheitlich  noch 
zweckentsprechend  unteigebracht.  Die  Direktion  und  ein 
Teil  der  Schriftenabteiluug  befanden  sich  im  KriegsgebSude 
.Am  Hof,  im  1.  Stock,  ein  anderer  Teil  der  Schriftenabteilimg 
imd  der  Hauptstock  der  Bibliothek  im  Erdgeschoß  dieses 
Hauses;  mangels  anderer,  geeigneter  Räumlichkeiten  diente 
noch  ein  licht-  und  luftloser  Keller  dieses  Gebäudes  zur 
Unterbringung  ansehnlicher  Bestünde  der  Schriftenabteilung. 
Etwas  abseits  im  selben  Hause,  ebenerdig,  hatte  die  Karten- 
abteilung ein  sekr  beschränktes,  aber  wenigstens  für  sich 
geschlossenes  Unterkommen  gefunden.  Im  Seitzerhof  (Seitzer- 
gasso  Nr.  4)  lagen  fast  unzugänglich  viele  Hunderte  von 
Akteubündeln  der  Schriftenabteüung,  in  der  Toreinfahrt  dieses 
Hauses  mußte  die  Bibliothek  die  periodischen  Zeitschriften 
imterbringen.  Die  größte  Sektion  der  Schriftenahteilung 
befand  sich  im  Laiuenzergebäude  il.,  Fleischmarkt  Nr.  19i; 
gut  ein  Dritteil  ihrer  Bestände  lagerten  in  einem,  zum  Glück 


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VI 


Das  k.  and  k.  Kriogsarohiv  in  seinem  neuen  Heim. 


trockenen  Keller,  in  welchen  daftir  der  Staub  der  angren- 
zenden Straße  massenhaft  eindrang.  Die  kriegsgeschiehtliche 
Abteilung  endlich,  deren  Leitung  natiu'gemäß  unmittelbar 
dem  Direktor  des  Kriegsarchivs  obliegt,  war  am  weitesten 
entlegen  und  befand  sich  im  4.  Stock  des  Hauses  Nr.  4 am 
I >eutschmeisteri)latz. 

Diese  Aufzählung  .sagt  genug : wie  sehr  der  Dienst 
durch  die  räumlich  weit  getrennte  Unterbringung  der  ein- 
zelnen Teile  des  Kriegsarehivs  erschwert  wimde,  ist  ohne- 
weiters  daraus  verständlich;  daß  die  Lagerung  von  unersetz- 
lichen Akten  in  Kellerräumen  ilrrer  Benützung  ebenso  hin- 
denid  war  wie  ihrer  Erhaltung  abträglich,  braucht  nicht 
näher  erläutert  zu  werden. 

Plbensü  schlecht  sah  es  mit  den  Räumen  aus,  in  denen 
die  Offiziere  und  Beamten  des  Kriegsarchivs  ihrem  Dienste 
obliegen  mußten.  Die  wenigen  Zimmer  am  Deutschmeister- 
])latz  boten  ihren  Bentitzem  wenigstens  genug  Licht,  sonst  aber 
keine  Bequemlichkeit;  die  Räume  im  Laui’enzergebäude  aber, 
dann  so  ziemlich  alle  im  Kriegsgebäude  .\m  Hof  waren  bis 
zur  äußersten  .\usntitzung  des  Belages  in  horizontaler  und 
vertikaler  Ausdehnung  mit  Kasten  zur  Aufnahme  des  Archiv- 
materials erfüllt,  tmd  nur  zunächst  der  Fenster  konnte  ein 
Plätzchen  erübrigt  wertlen  zur  Aufstellung  eines  Schreib- 
tisches, der  mit  einem  Sessel  und  mit  einem  Waschkasten 
das  Um  und  .\uf  der  Kanzleieinrichtung  bildete.  Vom  No- 
vember bis  A])ril  brannte  in  diesen  Räumen  ewiges  Ijicht  — 
nicht  einmal  durchgehends  Gas-  oder  elektrisches  Licht  — 
ila  die  natürliche  Beleuchtung  durch  die  Fenster  bei  der  Enge 
der  angrenzenden  Straßen  au  trüben  Wintertagen  selbst  dann 
unzureichend  gewesen  wäre,  wenn  es  sich  nicht  noch  um  da.s 
Lesen  alter  vergilbter  Handschriften  gehandelt  hätte. 

Das  alles  hat  sich  nunmelir,  tind  mit  einem  wahren  .Auf- 
atmen der  Erleichterung  sei  es  verkündet,  gründlich  geändert 
und  wesentlich  gebessert. 

Als  durch  die  Verlegung  der  k.  und  k.  Technischea 
.Mihtärakadeniie  nach  Mödling  der  große,  die  ganze  Länge 
der  Stiftgasse  einnehmende  Trakt  der  Stiftskastmie  frei  ge- 
worden war,  verfügte  das  k.  und  k.  Reiohskriegsininisterium. 
daß  auch  das  Krieg.sarchiv  in  diesem  Trakte  unterzubringen 


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Das  k.  und  k.  Kriegsarcliiv  in  seinem  neuen  Heim. 


VII 


sei')  und  daß  die  hiezu  nötigen  Ausmittlungen  ebenso  wie 
die  Adaptierung  der  Kämne  von  der  Bauabteilung  des  2.  Korps 
im  Einvernehmen  mit  der  Kriegsarchivsdirektion  diu-chzu- 
tühren  seien.  Damit  war  den  schon  fast  unhaltbar  gewordenen 
Zuständen  ein  Ende  gesetzt  und  eine  neue  Zeit  brach  fiir  das 
Kriegsarchiv  heran. 

Im  ,, neuen  Hause”  nun,  das  wohl  vielen  .Angehörigen 
der  Annee  bekannt  ist  und,  nebenbei  bemerkt,  das  ehrwürdige 
-Alter  von  160  Jakren  aufweist  ( der  Bau  die.ses  Traktes  wm-de 
1746  begonnen),  sind  ilem  Krieg-sarchiv  zugewiesen  worden: 
Das  Souterrain  zwischen  den  beiden  Stiegenhäusem,  das 
Erdgeschoß,  eigentlich  ein  HochparteiTe,  von  der  Stifts- 
kirche bis  zum  nördlichen  Stiegenhaus  zunächst  der  Sieben- 
stemgasse,  und  das  ganze  1.  Stockwerk,  mit  dem  ansehn- 
lichen Fluchenausmaß  von  zusammen  4690  Quadratmetern 
(Alauerstärken  und  Kebenräume  nicht  mitgerechnet).  Die 
Grundfläche  der  Gänge  beträgt  1463  Quadratmeter;  hievon 
sind  672  Quadratmeter  nicht  zum  Belag  herangezogen ; 
das  denmach  verbleibende  Ausmaß  von  rund  4020  Quadrat- 
metern wurde  ziemlich  weitgehend  ausgenützt,  wobei  aller- 
dings für  eine  in  absehbarer  Zeit  zu  erwartende  A’ermehrung 
der  Bestände  einigermaßen  Sorge  getragen  wurde.  Diese 
Grundfläche  verteilt  sich  auf  nind  70  geschlossene  Zimmer 
und  Säle,  die  in  jedem  Stockwerk  in  einer  Flucht  angeordnet 
sind,  deren  Front  gegen  den  gi-oßen  .Akademiehof  sieht  und 
fast  genau  Jiach  Osten  orientiert  ist ; ein  fast  4'0  Meter  breiter 
Gang  ist  ihnen  vorgelegt,  von  welchem  aus  die  Räume  zu- 
gänglich sind.  .AUes  ist  direkt  beleuchtet,  also  hcht,  luftig 
vin<l  fast  au.snahmslos  trocken. 

Die  Zimmerhöhen  sind  nicht  groß : im  Hochparterre 
3'15  Meter,  im  1.  Stock  3‘70  Meter. 

Die  Zwischendecke  zwischen  Souterrain  und  Hochpar- 
terre ist  gewölbt,  jene  des  1.  Stockwerkes  besteht  jedoch  aus 
Tramböden  ; sämtliche  Gänge  sind  eingewölbt. 

‘)  Daselbst  befinden  sich  noch  (im  2.  und  3.  Stock) : Die  Kom- 
mission zur  Beurteilung  der  Stabsoffiziersaspiranten,  die  Korpsoffiziers- 
schule  und  von  den  administrativen  Militärfachkurson  der  Militärinten- 
danzkurs,  der  Militarverpflegsvorwalterkurs  und  der  Proviantoffl- 
zierskurs. 


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Das  k.  nnd  k.  Kriegsarchiv  in  seinem  neuen  Heim. 


Es  muß  bemerkt  werden,  daß  der  Akudemieliof  bedeu- 
tend tiefer  liegt  als  das  Niveau  der  Stiftgasse ; infolgedessen 
ist  das  SouteiTain  gegen  den  Hof  als  Erdgeschoß  aufzu- 
fassen. 

Die  drei  Umstände:  große  Anzahl  von  Räumen  mit  ge- 
ringer Höhe  imd  die  beschränkte  Tragfähigkeit  des  Fuß- 
bodens im  1.  Stock  mußten  die  Neuaufstellung  der  Bestände 
wesentlich  beeinflussen.  Die  größte  Belastung  konnte  dem 
Souterrain  aufgebürtlet  werden ; eine  nennenswerte  Trag- 
fähigkeit bot  noch  das  Hochparterre;  im  1.  Stockwerk  aber 
war  wegen  der  richtigen  Verteilung  der  Lasten  größere  Vor- 
sicht zu  beobachten.  Schon  beim  ersten  Entwurf  stellte  sich 
heraus,  daß  auch  der  1.  Stock  zur  Eiulagenmg  von  Archi- 
valien heranzuziehen  sei ; um  nun  hinsichtlich  der  Belastungen 
und  der  möglichen  Rückwirkung  auf  den  Bauzustand  des 
Hauses  außer  Sorge  zu  sein,  wurden  drei  große  Säle  mit 
einem  tragfahigen  Fußboden,  schwache  Ziegelgewölbe  zwischen 
Eisenträgern,  versehen.  Im  übrigen  waren  aber  in  den  1.  Stock 
alle  Kanzleiräume  zu  verweisen. 

Bei  Neubauten  von  Archiven  (und  Bibliotheken)  wurde 
in  jüngster  Zeit  wiederholt  die  Anlage  eines  .\ktenspeichers 
bevorzugt,  der  eine  kleine  Grundfläche  bedeckt,  dafür  aber 
sehr  hoch  hinaufstrebt:  die  notwendige  Teilimg  in  Geschosse 
erfolgt  hier  durch  Einbau  von  Eisenkonstruktionen,  die 
gleichzeitig  das  Gerip|)  für  die  Behälter  von  Akten  (oder 
Büchern)  bilden.  Eiu  solcher  Aktenspeicher,  der  gegen  .seine 
Umgebung  feuer-  und  einbmchsicher  abgeschlossen  sein  muß. 
hätte  sich  im  neuen  Heim  des  Kriegsarchivs  nach  Über- 
windung mancher  technischen  Schwierigkeiten  und  mit  bedeu- 
tendem Geldaufwand  wohl  auch  einrichten  lassen ; der  an- 
gestrebte Zweck  wäre  aber  nicht  erreicht  w'orden,  da  kaum 
mehr  als  die  Hälfte  der  Bestände  der  Schriftenabteilung  darin 
Platz  gefunden  hätte. 

Die  vorhin  angefleuteten  Raumverhältnisse  zwangen 
rielmehr  zu  einer,  der  vertikalen  .-Vnorduung  im  Speicher 
ganz  entgegengesetzten  Verteilung,  nämlich  zur  Ausbreitung 
in  horizontaler  Richtung.  W'ie  so  oll  im  Leben,  konnte  amdi 
hier  aus  der  Not  eine  Tugend  gemacht  werden.  Die  geringere 
Tragläliigkeit  und  die  kleine  Zimmerhöhe  ließen  nm  die 


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Das  k.  nnd  k.  KriegBarchlv  in  seinem  netten  Heim. 


IX 


Aufstellung  von  Kasten  oder  Stellagen  mit  2-00  bis  2-50  Bieter 
Höbe  zu;  dies  hat  nun  den  Vorteil,  daß  man  selbst  die 
obersten  Fächer  (höchstens  mit  ZuhUfenahme  eines  trag- 
baren Stufenschemels)  leicht  erreichen  kann,  ein  angenehmer 
Gegensatz  zur  Einrichtung  im  alten  Hause,  wo  die  Kasten  in 
2 und  3 Etagen  übereinander  lagerten,  die  oberen  Fächer 
daher  nur  mit  schwankenden  Leitern  von  4-00,  selbst 
4-ÖO  Meter  Höhe  zugängUeh  waren.  Nur  die  Bibliothek  be- 
sitzt in  den  geschlossenen  Räumen  oß'ene  Bücherregale,  die 
bis  zur  Decke  reichen,  also  3- 15  Meter  hoch  sind;  diese  An- 
ordnung war  nötig,  um  die  ganze  Bibliothek  in  einem  ab- 
geschlossenen Gebäudeteile  unterzubnngen.  Die  Verteilung 
der  Akten  in  mehrere  Räume  bot  auch  die  Möglichkeit,  dem 
Wesen  nach  zusammengehörige  Grupjten  für  sich  imterzu- 
bringen,  selbst  bei  Bedachtnahme  auf  einen  künftigen  Zu- 
wachs. Endlich  war  man  auch  in  der  Lage,  die  Abteilungen 
des  Kriegsarchivs,  beziehungsweise  die  einzelnen  Sektionen  der 
Schril'tenabteilung,  in  Raumkomplexen  unterzubringen,  die 
ans  der  Anlage  des  Gebäudes  natürlich  hervortreten  und  für 
sich  abzuschließen  sind. 

Es  befinden  sich  nun ; 

Die  Direktion,  ziemlich  zentral  gelegen,  im  1.  Stock, 
unweit  des  südlichen  Stiegenhauses ; 

die  kriegsgeschichtliche  Abteilung  im  1.  Stock,  der 
Hauptsache  nach  vereinigt,  im  Gebäudeteil  zwischen  der  süd- 
lichen Stiege  und  dem  Südende  des  Hauses  (Stiftskirche) ; 

die  Kartenabteilung,  ganz  tür  .sich  abgeschlossen,  iin 
1 . Stock,  zwischen  der  nördlichen  .Stiege  und  dem  Nordende 
des  Hauses ; 

die  Bibliothek  im  Hochparterre,  zwischen  den  beiden 
Stiegenhäusern,  flir  sich  geschlossen. 

Die  Schriftenabteilung,  naturgemäß  die  größte  des  Kriegs- 
archivs, konnte  nicht  in  einen  abgerundeten  Raumkomplex 
verlegt  werden.  Die  I.  Sektion  derselben,  deren  Material 
große  Verseil iedenartigkeit  aufweist  (Feld-  und  Anneeakten. 
3Ieiuoires,  Ministerialakten  u.  s.  w.  i,  wurde  am  meisten  zer- 
teilt, befindet  sich  gleichwohl  gänzlich  im  1.  Stock,  zu  beiden 
.Seiten  der  Duektion,  einerseits  an  die  Karten-,  andererseits 


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X 


Dnf  k.  and  k.  Kriegsarohiv  in  seinom  n«af-n  Hoim. 


au  die  krieRsgeschiclitliche  Abteilung  au^^enzeiid  ; die  II.  Sek- 
tion ( Hofkriegsratsakten  I liegt  im  Hoch])arterre  in  dem  an 
die  Stü't.skirclie  anstoßenden  ehemaligen  Zöglingsspital, 
fiir  sich  abgeschlossen;  die  EU.  Sektion  i Standesakten)  be- 
findet sich  im  Souterrain,  der  Hauptsache  nach  im  ehe- 
mahgen  ArtUleriespeisesaal  und  im  vorliegenden  Gang,  auch 
in  sich  geschlossen ; der  hier  noch  verbleibende  ehemalige 
Geniespeisesaal  enthält  einige  weniger  benützte  .\ktengmppen 
der  n.  Sektion,  die  etwa  zwei  Fünftel  des  Saales  einnehmen, 
der  Rest  ist  zur  .\ufnahme  einer  in  absehbarer  Zeit  zu  er- 
wartenden Vermehrung  der  Hofkriogsratsakten  Vorbehalten. 

Hie  nachstehende  Tabelle  läßt  Anzalil  und  Flächenraum 
der  jeder  Abteilung  zugewiesenen  Räume  ersehen: 


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Kajit*‘U  utid 

Gewicht 
in  Küogrnmm 

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Direktion 

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lOö 

31 

67 

13.U0U 

7.(XK) 

Kriojfsgeschichtl,  Abteilung 

12 

.384 

120 

42 

G8| 

— 

20.(KtO 

Schrifteaabteilung  .... 

33 

2048 

4:36 

770 

1572 

200.0()tf 

1 

Kartonabtoilmig 

7 

41S 

123 

2471 

32.000 

55.000 

Bibliotbckeabtciluag  . . . 

13 

SHH 

11 

;382 

975 

55.000 

1 

Gewicht  der  nonboscbaü'ten 

j 

Eiiiricbtung 

4Ö.0Ü0 

MitKHfahrtKS  totes  Gewicht 

! 

1 

2.3.0tX» 

Zuaauuuou  . . . 

70 

4016i  «72 

1348 

2929 

300.000 

löO.OiH) 

4688 

1 

450.000 

•)  Darunter  «in«  l’ortierlogo  mit  rund  33  Qaa>lrAtm«tdr. 


Hinsichtlich  der.Vrt  der  Finlagerung  des  .Archivmaferials. 
ob  in  geschlosseneti  Kasten  oder  in  offenen  Stellagen,  konnto 
nur  ein  Grundsatz  eingehalten  werden:  Schatlüng  möglichster 
Bequemhchkeit  bei  Benützung  und  Handhabung  des  ^fatprials. 
Ansonsten  war  man  ziemlich  gebun<len  durch  die  gegebenen 
Räume  imd  ihre  geringe  Höhe,  hauptsächlich  durch  die  Not- 
wendigkeit. die  im  alten  Hause  bereits  vorhanden  gewesenen 


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Das  k.  und  k.  Kriei^sarchiv  in  seinem  neuen  Heim. 


XI 


Kasten  möglichst  zu  verwerten,  endlich  dm'ch  das  leidige 
Geld,  dessen  Ausmaß  auf  das  knappste  berechnet  war,  somit 
gp-ößere  Anschaftungen  ausschloß. 

Die  Aufbewahrung  des  Materials  ist  daher  nicht  einheit- 
lich, Die  Kartenabteilung  erhielt  hiezu  durchaus  Kasten  : die 
Bibliothek  in  den  geschlos.senen  Bäumen  offene  Bücherregale, 
im  Gang  geschlossene  Kasten  mit  Holztüren,  in  Bäumen,  wo 
größerer  Verkehr  zu  erwarten  — Bücherausgabe,  Lesezimmer 
— oder  wo  eine  bessere  Ausstattung  angezeigt  erschien, 
Ka.sten  mit  Glastüren;  die  Schriftenabteilung  endlich  Kasten 
und  Stellagen  gemischt,  letztere  für  alle  Protokolle  und  für 
die  Akten  der  III,  Sektion, 

Die  Aufstellung  dieser  Behältnisse  mußte  eben  auch  den 
vorhandenen  Räumen  angepaßt  werden : in  Gängen  stehen 
nur  Kasten  an  der  Längswand,  in  einfenstrigen  Räumen  an 
den  Querwänden;  in  mehrfenstrigen  Zimmern,  deren  Fuß- 
boden größere  Belastung  verträgt,  sind  Kasten  oder  Stellagen, 
mit  der  Rückwand  aneinandergelehnt,  vom  Fensterpfeiler  in 
das  Innere  des  Raumes  auf  6-00  bis  8-00  Meter  hineinreichend 
aufgestellt  worden,  wobei  die  Ausnützmig  der  Bodeufläehe 
und  der  Beleuchtimg  am  besten  ausfiel.  Der  leichten  Benütz- 
barkeit halber  wimlen  zwischen  diesen  Stellagereihen,  also  in 
<ler  Fensterachse  liegend,  niedere,  pultartige  Stellagen  ein- 
geschoben, deren  Fächer  ebenfalls  zur  Aufnahme  von  Schriften 
dienen,  während  die  obere  ebene  Tischplatte  gestattet,  ein 
der  Stellage  entnommenes  Aktenbündel  oder  Protokoll  auf- 
zulegen oder  auszubreiteu,  so  daß  an  Ort  und  Stelle  die 
archivalische  Arbeit  besorgt  werden  kann. 

Die  Anordnung  fler  Bibliothek  ist  von  der  eben  ge- 
schilderten etwas  abweichend.  Die  gescldossenen  Räume  der- 
selben, in  einer  Flucht  liegend,  sind  durch  Mitteltüren  ver- 
bunden; es  lag  also  nahe,  die  offenen  Bücherregale,  zwar 
auch  senkrecht  zur  Fensterwand,  aber  zu  beiden  Seiten  eines 
Mittelganges  anzuordnen,  von  wo  sie  beiderseits  bis  zur  Wand 
reichen:  auch  hier  sind  zwischen  den  Doppelreihen  der  Regale 
Pulte  eingestellt,  die  insbesondere  zur  Aufnahme  von  Werken 
größten  Formats  (Foliobände  i dienen,  nebstbei  aber  auch  das 
Hantieren  mit  den  Büchern  sehr  erleichtern.  Dieser  alle 
Bäume  diuchziehende  Mittelgang,  dessen  Länge  75  Meter 


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XII 


Dm  k.  und  k.  KriegsarchiT  in  seinem  neuen  Heim. 


(100  Schritte)  beträgt,  läßt  die  ganze  Größe  der  BibHothek 
mit  einem  übck  erfassen ; der  hiebei  gewonnene  Eindruck 
kann  zwar  nicht  als  ein  überwältigender  bezeichnet  werden, 
verdient  aber  immerhin  als  ein  bedeutender  und,  bei  aller 
Einfachheit  der  Einrichtung,  getälhger  und  befriedigender 
hervorgehoben  zu  werden. 

Jeder  Offizier  oder  Referent  besitzt  nunmehr  ein  eigenes, 
in  der  Regel  einfenstriges  Zimmer,  das  aber  im  Durchschnitt 
28-00  Quadratmeter  an  Bodenfläche  aufweist,  also  nach  hygieni- 
sclien  Begritfen  mehr  als  liinreicheud.  Den  einzelnen  Refe- 
renten wiu-den  in  ihr  Zimmer  nur  jene  arcliivalischen  Behelfe 
eingestellt,  die  sie  zu  ihrer  Arbeit  am  meisten  brauchen, 
d.  s.  die  alphabetisch  angelegten  Indexe  und  die  chrono- 
logisch geortbieten  Register,  bezw.  Kataloge  u.  dgl.  Daß  die 
Eimichtung  der  Kanzleiräume  durchaus  einfach  und  auf  das 
Nötige  beschränkt  ist,  kann  bei  der  bekannten  Auspruclis- 
losigkeit  unserer  Offiziere  nicht  auffallen. 

.\us  dieser  Schilderung  ist  zu  schließen,  daß  das  neue 
Heim  des  Kriegsarchivs,  soweit  Größe  und  Verteilung  der 
Räume  und  die  Einrichtungen  zur  Aufbewahrung  des  Mate- 
rials in  Betracht  kommen,  wenn  auch  nicht  in  idealer,  so 
doch  in  möglichst  erreichbarer  .Art  allen  billigen  Anforde- 
rungen entspricht,  jedenfalls  erheblich  besser  als  die  früheren, 
nun  verlassenen  Unterkünfte.  Nun  kommen  aber  nebst  der 
Zweckmäßigkeit  der  Einrichtung  bei  Unterbringxmg  eines 
Archivs  noch  so  manche  Anforderungen  in  technischer  und 
baulicher  Beziehung  zur  Geltung,  von  denen  eine  hauptsäch- 
liche, die  Feuer-  imd  Einbruchsicherheit,  erwähnt  werden 
muß.  Betrachtet  man  das  jetzige  Heim  des  Kriegsarchivs  von 
diesem  (’iesichtspunkt  aus,  so  muß  man  sich  zweierlei  vor 
Augen  halten;  1.  Daß  das  Gebäude  ein  lu-altes  ist,  in  welchem 
also  durchgreifende  baidiche  Veränderungen  unzulässig  waren  : 
2.  daß  die  Lage  des  Kriegsarchivs  vor  der  Übersiedlung 
schon  unhaltbar  war  und  man  daher  mit  beiden  Händen  zn- 
greifen  mußte,  als  sich  etwas  wesentlich  Besseres  bot,  selbst 
wenn  es  auch  nicht  das  Beste  war,  dessen  Erreichung  übri- 
gens in  kaum  absehbare  Ferne  gerückt  wurde,  d.  i.  ein  für 
das  Kriegsarchiv  ausschließlich  bestimmter  Neubau.  Wenn 
also  zugestandeu  wird,  daß  das  Haus,  in  dem  sich  nunmehr 


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Das  k.  tmd  k.  Kriegsarchiv  in  seinem  neuen  Heim. 


xm 


tias Kriegsarchiv  befindet,  niclit  den  strengsten  Anfordcrungeu 
bezüglich  der  Feuersicherheit  entspricht,  so  muß  daran  sofort, 
«las  Bekenntnis  geknüpft  werden,  daß  die.ses  Bedenken  zu 
jener  Zeit,  als  es  sich  um  die  Entscdieidung  handelte ; Uber- 
siedeln  in  die  Stiftskaseme  oder  nicht,  allseits  die  schwerste 
Sorge  hervorrief.  Daß  man  .sich  dann  doch  zur  (Tbersiedlimg 
entschloß,  war  die  Folge  der  Erwägung,  daß  es  mit  der 
Feuersicherheit  im  alten  Hause  noch  schlechter  bestellt  war, 
im  neuen  zu  erwarten  stand,  daß  die  Adaptierung  des 
Akailemietraktes  zu  vollständig  feuersicheren  Unterkünften 
sehr  hohe  Geldbeträge  erfordert  hätte,  die  nicht  zur  Yer- 
lügung  standen  und  wenn  sie  da  gewesen  wären,  beinahe 
znr  Schaffung  eines  neuen  Gebäudes  hingereicht  hätten,  end- 
lich daß  es  möglich  erschien,  durch  eine  weitgehende  Yer- 
teilung  der  brennbaren  Yorräte  der  Gefahr  einer  raschen 
Au.'ihreitung  eines  Brandes  entgegenzuwirken.  AYas  mit  den 
geläufigen  Mitteln  geschehen  konnte,  um  eine  Feuersgefahr 
ahzuwenden,  ist  ausgeführt  worden. 

Mit  der  Feuensicherheit  im  engsten  Zusammenhang 
steht  die  Art  der  Beheizung  und  Beleuchtung.  Eine  moderne 
ZentraUieizanlage  konnte  in  das  alte  Haus  nicht  eingebaut 
werden;  dafür  wurde  der  größte  Teil  der  Bäume,  darunter 
die  Bibliothek  und  die  Kartenabteilung  ganz,  von  der 
Schriftenabteilung  alle  zu  Aktendepots  bestimmten  Zimmer 
mit  Gasöfen  versehen ; nur  in  den  rein  zu  Kanzleizwecken 
dienenden  Zimmern  sind  Kachelöfen  mit  Kohlenfeuerung  ein- 
gestellt. Die  künstliche  Beleuchtung  erfolgt  durchaus  und 
ausreichend  mit  Gaslicht  { Auerbrenner ),  wird  aber  hortentlich 
wenig  in  Anspruch  genommen  werden,  da  die  Bäume  genug 
Tageslicht  ein[)fangen  und  die  Arbeitsstunden  (t)  Uhr  vor- 
mittags bis  halb  3 Uhr  nachmittags  : in  eine  Tageszeit  fallen. 
Wo  nur  bei  außergewöhnlich  trüben,  nebligen  Tagen  »dne 
kdinstliche  Beleuchtung  zeitweise  notwendig  wird. 

Die  Einbruchsicherheit  ist  tunlichst  gewährleistet  durch 
die  Vergitterimg  aller  Fenster  des  Souterrains  gegen  die 
Stiftgasse  und  den  Akademiehof,  durch  den  Abschluß  der 
einzelnen  Gebäudeteile  mittelst  Eisengitter  gegen  das  in 
Benützung  stehende  südliche,  uml  durch  vollständige  .Ab- 
maueriuig  gegen  das  nördliche  Stiegenhaus : endlich  wurden 


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XIV 


Das  k.  and  k.  Kriegsarnbiv  in  saioem  naueu  Heim. 


in  einem  Raume  der  Kartenabteilung  einige  Fenster,  die  auf 
eine  angrenzende  Dachtiäche  münden,  mit  eisernen  I.aden  ver- 
seilen. Eine  eutsprecbende  Anzahl  von  Fenstergittem  ist 
zum  Offnen  eingerichtet,  um  im  Falle  eines  Urandes  die 
bedrohten  Aktenbündel  auf  dem  kürzesten  'Wege  ins  Freie 
schaffen  zu  können. 

Fügt  man  nun  noch  hinzu,  daß  im  Hause  eine  aus- 
reichende Anzahl  von  Ausflüssen  für  Trink-  und  Nutzwasser 
besteht,  daß  ein  kleiner,  passend  gelegener  Aufzug  die  BetÖr- 
derung  von  Archivmaterial  durch  alle  drei  Geschosse  hindurch 
wesentlich  erleichtert,  daß  die  Direktion  des  Krieg.sarchivs 
durch  ein  internes  Telephon  mit  allen  ihren  Abteilungen, 
durch  den  Anschluß  an  das  Staatstelephon  mit  der  ganzen 
.\uBenwelt  verkehren  kann,  daß  eutUich  ein  eigener  Portier 
den  Personenverkehr  beim  Haupteingang  i Stiftgasse  Nr.  2) 
überwacht,  so  ist  hiemit  die  Aufzählimg  aller  technischen 
und  personellen  Vorkelirungen  erschöjift,  die  dem  Kriegs- 
archiv nunmehr  zu  gute  kommen. 

Die  Übersiedlung  selbst,  also  die  Überführung  des  ila- 
terials  und  der  Einrichtung,  hat  sich  im  großen  ganzen  leicht 
und  glatt  abgewickelt.  Es  soU  nicht  verschwiegen  werden, 
daß  gerade  diesem  Geschäft  mit  einiger  Besorgnis  entgegen- 
gesehen wiude ; Erfahrungen  über  die.  Beförderung  solcher 
Massen  hatte  eigentlich  niemand.  Glücklicherweise  stand 
genügend  Zeit  zur  Verfügung  ; man  konnte  daher  gewisser- 
maßen mit  einem  ^'ersuch  beginnen  und  die  daraus  gewon- 
nene Erfahrung  für  die  Festsetzung  eines  geregelten  Betriebes 
verwerten.  Hauptbedingung  tür  die  anstandslose,  ununter- 
brochene Belorderung  war  die  Bereitstellung  der  Kasten  und 
Stellagi'n  für  die  bleibende  Einstellung  jener  Schriften  oder 
Bücher,  deren  Überführung  jeweils  im  Zuge  war ; denn  ein 
vorläufiges  Ablageru,  etwa  in  den  Gängen,  und  ein  nach- 
träghches  Einstelleu  hätte  sicherlich  zu  Verwirrungen  geführt 
imd  die  ohnehin  beschwerhche  Arbeit  unnötig  vermehrt. 
Große  Erleichtenmg  gewährte  in  dieser  Beziehung  die  befrie- 
digende Einhaltung  der  vorgeschriebenen  Termine  für  die 
Liefenmg  der  neubestellten  Stellagen  und  Kasten;  mehr  Kopf- 
zerbrechen hingegen  verursachte  das  Abbrechen  und  Wieder- 
aufstellen  der  vielen  schon  vorhandenen  Kasten.  Es  ist  durchaus 


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Das  k.  nnd  k.  Kricg»arcbiv  in  seinem  neuen  Heim. 


XV 


nicht'  kleinlich,  dies  zn  erwähnen ; man  muh  nur  bedenken, 
(laß  die  übertuhrten  Kasten  aneinander  gereiht  die  stattliche 
AiLsdehnimg  von  fast  ’/s  Kilometer  eiiuielimen,  daß  diese  in 
den  früheren  Räumen  in  zusammenhängenden,  der  Gestalt 
des  betreffenden  Zimmers  angej)aßten  Gruppen  in-,  durch- 
iind  übereinander  gebaut,  von  ungleicher  Höhe,  Breite  und 
Tiefe  waren,  tind  daß  bei  der  Wiederaufstellung  eben  nur 
gleichartige  und  in  die  neuen  Räume  passende  Teile 
zusammeiigetugt  werden  konnten.  Auch  dies  wurde  in  rich- 
tiger Zeit  bewältigt  und  ist  anscheinend  gelungen  ; wer  heute 
im  Kriegsarchiv  einen  der  größeren  Säle  betritt,  der  sechs 
Kastenreihen  mit  zusammen  50  bis  HO  Meter  Kastenlänge 
enthält,  wird  den  Eindruck  empfangen,  daß  die  Aufstellung 
so  in  den  Saal  j)aßt,  als  ob  sie  dafür  von  Haus  aus  bestimmt 
gewesen  wäre,  und  gar  nicht  glauben,  daß  diese  Kastenreihen 
aus  vielen  einzelnen  Stücken  zusammengesetzt  sind,  die 
insprünglich  gar  nicht  zusammengehörten. 

Der  Transport  des  Materials  geschah  mit  halbgeschlos- 
senen Möbelwagen  ; wegen  der  ansehnlichen  Steigung  der 
Zufahrtsstraßen  ( Mari.ahilferstraße  und  Breitegasse  i wurde  die 
Belastung  eines  Wagens  mit  nur  2500  Kilogramm  voraus- 
gesetzt. tatsächlich  aber  in  der  Folge  etwas  mehr  autgeladen. 
Die  zerlegten  Kasten  wurden  auf  Streifwagen  überführt. 

Die  Protokolle  und  Aktenbündel  der  Schriftenabteilung 
winden  ohne  jede  Verpackung  unmittelbar  auf  den  Boden 
lies  Wagens  eingelagert.  Die  Kartenabteilung,  die  ihr  Material 
größtenteils  in  Enveloppen  aus  starkem  Papj)endeckel  ver- 
wahrt, konnte  diese  Enveloppen  auch  unvermittelt  einlagem, 
nur  lose  Umschläge,  Schuber,  gebundene  AVerko  u.  dgl. 
winden  vorerst  in  Kisten  verpackt.  Die  Bibliotheksabteilung 
liingegen  war  genötigt,  zur  Schonung  der  Bücher  alles  vorerst 
in  Kisten  zu  veqjacken  imd  diese  erst  zu  verladen.  Einrich- 
timgsstücke  wurden  selbstverständlich  ohne  weitere  Umstände 
überführt. 

Aus  den  bei  der  Übersiedhuig  gefülirteu  A'ormerkimgen 
sollen  hier  einige  Daten  angeführt  werden,  die  besser  als 
viele  Worte  über  Gewicht  und  Ausdehnung  des  Archiv- 
niaterials  und  der  Einrichtung  Aufschluß  geben. 


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XVI 


Das  k.  und  k.  Kric^sarcbiv  in  seinem  neuen  Heim. 


Die  Direktion  des  Kriegsarchivs  (Schriften  der  dienst- 
lichen Korrespondenz.  Dienstbücher,  kriegsgescliichtliche  Ela- 
borate und  der  Verlagsvorrat  der  vom  Kriegsarchiv  heraus- 
gegebenen Werke)  benötigte  zum  Transport  insgesamt 
8 Fuhren;  das  Gewicht  derselben  kamt  mit  20.000  Kilogramm 
angenommen  werden,  wovon  7000  Kilogi-amm  auf  tlie  Ein- 
richtimg  entfallen. 

Die  kriegsgeschichtliche  Abteilung  hatte  fa.st  nur  Eiu- 
richtimgsstücke  zu  transportieren,  die  wenigen  Bücher  und 
Schriften,  die  zur  fortlaufenden  Arbeit  nötig  sind,  kommen 
nicht  in  Betracht.  Auch  hier  wurde  mit  8 Fuhren  das  Aus- 
langen gefunden,  das  Gewicht  darf  also  auch  mit  20.000  Kilo- 
gramm bemessen  werden. 

Die  Schriftenabteihmg  ('rund  23.000  Aktenbündel,  8000 
Protokolle  und  einige  hundert  Büchen  benötigte  zui-  Über- 
führung des  Materials  72  Fuliren:  das  Gewicht  wird  mit 

200.000  Kilogramm  angegeben. 

Die  Kartenabteilung  (in  etwa  1 700  Enveloppen  untl 
Mappen  13.600  Werke  in  18.700  Exemplaren  mit  148.400 
Blättern,  dann  2700  Hefte  und  Bände  und  über  3000  Porträts 
imd  Bilder  i benötigte  1 2 Fuhren ; das  Gewicht  des  Materials 
kann  mit  32.000  Kilogramm  angenommen  worden. 

Die  Bibliothek,  eine  der  größten  kriegswissenschaftlichen 
auf  dem  Kontinent,  umfaßt  rimd  80.000  Bände  ; zum  Trans- 
port der  in  ziemlich  massiven  Kisten  verpackten  Bücher 
wTirden  29  Fuhren  gebraucht.  Das  beförderte  tote  Gewicht 
der  Kisten  darf  mit  einem  Drittel  der  Gesamtlast  angesetzt 
werden ; daraus  ergibt  sich  das  Gewicht  der  Bücher  allein 
mit  rund  .55.000  Kilogramm. 

Die  insgesamt  überfuhite  tote  Last,  an  der  mehr  oder 
weniger  alle  .Abteilungen,  vorwiegend  aber  die  BibUothek 
teihiahmen.  wird  auf  etwa  28.000  Kilogramm  geschätzt. 

Die  Überführung  der  im  neuen  Hause  wieder  aufge- 
stellten Einrichtung  kann  nicht  für  jede  Abteilung  gesondert 
berechnet  werden;  im  ganzen  wurden  hiezu  35  Fuhren 
benötigt.  Da  wegen  der  voluminösen  Gegenstände  die 
Belastung  des  Wagens  hiebei  nur  mit  1500 — 1600  Kilogramm 
angenommen  werden  darf,  ist  das  Gesamtgewicht  mit  etwa 

55.000  Kilogramm  einzuschätzen. 


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Das  k.  und  k.  Kri6|;:9Rrofaiv  in  seinem  nenen  Heim.  X\  II 

Stellt  man  endlich  das  Gewicht  der  neu  beschallten 
Kasten,  Stellagen  und  anderer  Einrichtungsstücke  mit  etwa 
40.(X)0  Kilogramm  in  Rechnung,  so  ergeben  sich  folgende 
Summen : 

llewicht  des  Arcbivmaterials  . . . rund  300.000  Kilogramm 

Gewicht  der  Einrichtiuig  ....  ,,  122.000 

l-'berlührtes  totes  Gewicht  . . . , 28.000  ., 

Das  gesamte  in  Bewegung  gesetzte 

Gewicht rund  450.000  Kilogramm 

Um  eine  leichtere  Vorstellung  dieser  Massen  zu  ge- 
winnen, sei  der  Vergleich  mit  Eisenbahnlasten  herangezogen. 
Ein  gewöhnlicher  Lastwaggon  kann  hei  voller  Ausnützung 
seiner  Tragtähigkeit  10.000  Kilogramm  Gewicht  aufnehmen. 
Es  wiiren  daher  zur  Aufnahme  des  Archivmaterials  allein 
30  Waggons,  für  die  Einrichtung  samt  dem  unvermeidlich 
mitzuführenden  Gewichte  <ler  Verpackungen  1 5 Waggons 
nötig.  Da  aber  die  Einricht>ing  nicht  nach  dem  Gewichte, 
Sündern  nach  dem  Rauminhalt  in  Betracht  gezogen  werden 
muß.  kann  die  Anzalil  der  für  den  Transport  derselben  be- 
nötigten Waggons  unbedenklich  um  zwei  Drittel  der  gefun- 
denen Zahl,  also  von  15  auf  25  vermehrt  wenlen. 

Eine  ziemlich  sinnfällige.  Vorstellung  über  die  Menge 
des  Archivmaterials  läßt  sich  auch  aus  den  Abmes.sungen 
der  zu  dessen  Aufnahme  verwendeten  Kasten  und  Stellagen 
gewinnen.  Aneinandergereiht  würden  sämtliche  im  Kriegs- 
archiv  vorhandenen  Kasten  und  Stellagen  eine  Länge  von 
1350  Metern  1 1800  Schritte)  einnehmen,  also  vom  Prater.stent 
'Tegetthotf-Monument)  in  der  Hauptallee  bis  zum  3.  Katfee- 
liaiis  Ofler  vom  Schwarzenbergplatz  längs  des  Kolowrat-, 
Park-  und  Stubemünges  noch  über  die  A.spernbrücke  reichen. 
Die  Höhe  dieser  Kasten  uml  Stellagen  kann  mit  durch- 
schnittlich 2‘25  Jleter  angenommen  werden  ; die  benützbare 
vertikale  Wandfläche  wurde  mit  2930  Quadratmeter  erhoben. 
Die  Tiefe  tler  Kasten  ist  ungleich  : in  der  Bibliothek  durch- 
gehends  0'50  Meter,  in  der  Schriftenabteilung  0'55  bis  0'70  Met-er, 
in  der  Kartenabteilung  0'85  Meter. 

Von  der  angegebenen  Länge  entfällt  fast  genau  die 
Hälfte  je  auf  Stellagen  und  Kasten : von  der  benützbaren 


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XVTII 


Da«  k.  und  k.  Kneg^arohiv  in  seinem  neaen  Heim. 


vertikiilpii  Wandfläclip  hingegen  1647  Quadratmeter  auf  Stel- 
lagen, 1383  Quadratmeter  auf  Kasten. 

Wie  viel  von  diesen  .Ausmaßen  auf  jede  .Abteilung  einzeln 
entfallt,  ist  in  der  ohenstehenden  Tabelle  üliersichtlich 
zusamraengestellt . 

Zum  Schlüsse  sei  erwähnt,  daß  der  Hauptteil  der  Über- 
siedlung in  den  Monaten  Juni  und  .Juli  bewirkt  worden  ist. 
Das  Kriegsarehiv  hat  während  der  ganzen  Zeit  der  l ber- 
siedlung  .seinen  Dienst  nicht  unterl)rochen;  nur  die  Erledigung 
weniger  .Anfragen  von  j)rivater  Seite  wurde  nach  vorhei'iger 
Ankündigung  bis  zum  1.  September  verschoben. 

Ein  anschauliches  Bild  von  der  C4röße  und  Anordnung 
des  Kriegsarchivs  in  seinem  neuen  Heim  zu  bieten,  ist  in 
den  vorliegenden  Zeilen  kaum  möglich  gewesen  : ein  solches 
läßt  sich  wohl  nicht  anders,  als  dMch  eigene  Anschauung 
gewinnen.  Ein  Besucher  des  Kriegsarchivs  wird  dann  noch 
finden,  daß  für  Forscher  in  der  Schriftenabteihing  ein  eigener 
Saal  (91  Quadratmeter  (Irundflächp,  3 große  Fenster  i bestimmt 
wurde,  licht,  geräumig  und  wenn  auch  nicht  prächtig,  so  doch 
zweckmäßig  und  würdig  eingerichtet.  Ebenso  steht  den 
Lesern  in  der  Bibliothek  ein  Zimmer  zur  Verfügung,  in 
welchem  sie  ungestört  ihren  Studien  obliegen  können. 

Die  Schätze  des  Kriegsarchivs  harren  nun  im  neuen 
Heim  der  Benützung  zur  Erforschung  geschichtlicher  Wahrheit. 


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Das  Herzogtum  Warschau 

von  seinen 

Anfilngen  bis  zum  Kampf  mit  Österreich  1809. 


Von 

Hauptmaiiri  Just. 

(Mit  zwei  Beilagen  und  einer  Textskizze.) 


Witteiluuffon  <3es  k.  nnd  k.  Krit'gsnrchivs.  Dritte  Folge  IV.  Bd.  1 


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Benützte  Quellen. 

Andree,  Dr.  Karl,  Polen  in  geographisch-geschichtlicher  und 
kulturhistorischer  Hinsicht.  Nach  Malte-Brun  und  Chodzko.  Leipzig 
1831.  — Beer  Adolf,  Zehn  Jahre  österreichischer  Politik  1801 — 1810. 
Leipzig  1877.  — Bernhard!  Theodor,  Geschichte  Kurlands;  21.  Band, 
Staatengeschichte  der  neuesten  Zeit.  Leipzig  1875.  — Brandes  Georg, 
Polen.  München  1898  bei  Alb.  Langen.  — Brüggen,  Ernst  von  der.  Die 
erste  Teilung  Polens  und  die  Konstitution  vom  .3.  Mai  1791 ; Prcuß. 
Jahrb.,  Bd.  35,  Polens  Auflösung.  Leipzig  1878.  — [Dubrowski,  Joh.  H.] 
Beitrag  zur  Geschichte  der  polnischen  Revolution  im  Jahre  1794.  Frankfurt 
1796.  — Erckert  von,  Feldzug  des  Generals  Johann  Heinrich  Di(browski 
nach  Großpolen.  Aus  der  polnischen  Bearbeitung  des  Grafen  Eduard 
Raczyiiski,  Berlin  1845.  — Flathe,  Dr.  Th.,  Geschichte  des  Kurstaates 
und  Königreiches  Sachsen.  III.  Bd.  Gotha  1873.  — Favrat  Fran9ois 
Andre,  Beiträge  zur  Geschichte  der  polni.schen  Feldzüge  1794 — 1796. 
Berlin  1799.  — Flatt,  Topographie  des  Herzogtums  Warschau.  Leipzig 
1810  bei  A.  Fr.  Böhme.  — Exner  Moriz,  Die  Anteilnahme  der  königl. 
sächsischen  Armee  am  Feldzuge  gegen  Österreich  im  .Tahro  1809. 
Dresden  1894.  — Heyking,  Alfons  Baron,  sen..  Aus  Polens  und  Kurlands 
letzten  Tagen.  Berlin  1897.  — Eduard  Hopfner,  Der  Krieg  von  1806/7. 
4 vol.  Berlin  1851.  — Jahrbücher  für  die  deutsche  Armee  und  Marine. 
Bd.  108,  Ein  polnischer  Kriegsorden  von  C.  von  Z.  — Kaiser  A., 
Geschichte  der  polnischen  Revolution  vom  Jahre  1794.  Leipzig  1833, 
Literarisches  Museum.  — Lelewel  Joachim,  Geschichte  Polens.  Deutsche 
Ausgabe.  Leipzig  1846.  — Lefebvre  Armand,  Geschichte  der  Kabinette 
Europas  während  des  Konsulats  und  des  Kaisertums  1800—1815, 
übersetzt  von  A.  Diezmann.  Leipzig  1845.  Marschall  Oskar  von 
Bieberstein,  Die  Memoiren  der  Gräfin  Potocka,  1794 — 1820.  Leipzig 
1899.  — H.  V.  C.,  Materialien  zur  Geschichte  von  Polen  in  den  neuesten 
Zeiten.  Germanien  1811.  — Mayerbofler,  Österreichs  Krieg  mit  Napoleon  1. 
1809.  Wien  1904.  — Die  französische  Armee  in  Deutschland  bei 
Ausbruch  des  Krieges  1809.  Org.  1902,  65,  Bd.  113.  — Oginski  Michael, 
Denkwürdigkeiten  über  Polen,  das  Land  und  seine  Bewohner.  Deutsche 
Ausgabe.  3 Bände.  1845.  — Ompteda  Ludwig,  Politischer  Nachlaß.  Abt.  I. 
1804—1809.  — Berlin  im  Oktober  und  November  1806.  Tagebuchaufzeich- 
nungen eines  Diplomaten.  Graf  von  Bray,in  Rodenbergs  „Deutscher Rund- 

1* 


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4 


Just. 


schau".  Bd  CV.  [Tagebuch  Brav].  — Oncken,  Dr.  Wilhelm,  Das  Zeitalter 
der  Revolution,  des  Kaiserreichs  und  der  Befreiungskriege.  Berlin  18H4. 

— Las  Cases,  Le  Mdmorial  de  St.  Helene.  Paris,  Garnier  freres.  — Pflugk- 
Hartung,  Dr.  Julius  von,  Napoleon  I.  Das  Erwachen  der  Völker.  Berlin.  — 
Raumer  Friedrich,  Polens  Untergang.  Historisches  Taschenbuch,  III.  Jahr- 
gang. Leipzig  1832.  Rüther  Dr.,  Napoleon  I.  und  Polen  in  den  Jahren 
1806—1812.  Hamburg  1901.  — Ssolowjoff  S.,  Geschichte  des  Falles  von 
Polen.  Gotha  1865.  — Stutterheim,  Der  Krieg  von  1809  zwischen  Österreich 
und  Frankreich.  Wien  1811.  — Treskow,  A.  von.  Der  Feldzug  der 
Preußen  im  Jahre  1794.  Berlin  1837  bei  Schlesinger.  — Weiß,  Dr.  J.  B., 
Lehrbuch  der  Weltgeschichte,  IX.  Bd.,  1.  Hälfte.  — Weiden.  Ludwig 
Freiherr  von.  Der  Krieg  von  1809  zwischen  Österreich  und  Frankreich. 
AVien  1872.  — Wertheimer  Ed.,  Geschichte  Österreichs  und  Ungarns 
im  1.  Jahrzehnt  des  19.  Jahrhunderts.  Leipzig  1890.  — Wurzbach, 
Biographisches  Lexikon.  — Schels  Job.  Bapt.,  Der  Feldzug  1809  in 
Polen,  österr.-mil.  Zeitschrift.  Jahrg.  1844,  Heft  3 und  4.  — Smitt, 
Friedr.  v.,  Suworow  und  Polens  Untergang.  Leipzig  1858.  — Sybel, 
Heinrich  v.,  Geschichte  der  Revolutionszeit  von  1789—1895,  vol.  5. 
Düsseldorf  1857.  — Allgemeine  Zeitung  1809.  — Bibliothöque  historique 
et  militaire.  Ch.  Liskenne  et  Sauvanne.  Paris  1853,  VH.  — Corre- 
spondeuce  de  Napoleon  I.  XIII— XIX.  Paris  1863.  [C.  d.  N.  I].  — 
Correspondence  du  Maröchal  Davout  1801 — 1815,  ed.  Ch.  de  Mazade. 
4 vol.  Paris  1885.  [C.  d.  D.].  — Lettres  inddites  de  Talleyrand  ä 
Napoleon  1800— 1809.  Pai-is  1889.  [L.  i.  d.  T.].  — Recueil  des  traitds, 
conventions  et  actes  diplomatiques  conccmant  la  Pologne  1762 — 1862. 
d’Angeberg,  Paris  1862.  (d’Augoberg).  — Noveau  recueil  de  traitds. 
ed.  G.  Fr.  Martens,  Göttingen  1817.  Tom.  I (1808 — 1814).  — Moniteur 
1809.  — Balagny,  Campagne  de  l’Empereur  Napoleon  en  Espagne. 
Paris  1902.  — Leonard  Chodzko,  Histoire  des  lögions  polonaises 
en  Italic  sous  le  commondemeut  du  g^n^ral  Dombrowski.  2 vol. 
2.  Aufl.  Paris  1829.  — M.  C.  Mullie,  Biographie  des  c^läbrite.s 
militaires  des  armees  de  torre  et  de  mer  de  1789—1850.  Paris. 

— Pelet,  M5moires  sur  la  guerre  de  18f(9.  4 vol.  Paris  1824.  — 

Saski,  Campagne  de  1809  en  Allemagne  et  en  Autriche.  — A.  Thiers, 
Histoire  du  Cousulat  et  de  l’Empire.  Tora.  VH.  Leipzig  1847.  — 
Stanislas  Platon,  Atlas  historique  de  la  Pologne.  Posen  1827.  — 
Alb.  Vandal,  La  France  et  la  Russie  pendant  la  Campagne  de  1809,  in 
Annales  de  l’ecole.  libre  des  Sciences  politiques  1891.  — Comto 
Vigier,  Davout,  Marechal  d’Empire  1770—182,3.  ed.  Fr.  Massen,  Paris 
1898.  Roman  Soltyk,  Relation  des  operations  de  l’armdo  aux 

ordros  du  prinoo  Josef  Poniatowski  pendant  la  Campagne  de  1809  en 
Pologne  contre  les  Autrichiens.  Paris  1841.  — Französische  „Zeitungs- 
ausschnitte”. Sammelband  des  Czartoryski  Museum  in  Krakau.  — Rys 
historiczny  kampanii  odbytej  w roku  1809  w Ksifstwie  Warszawskiem. 
Posen  1869.  — Opis  wypadköw  wojenuich  w Polsce  pod  dowödztwom 
Josefa  X.  Poniatowskiego  w roku  1809.  AVar.-chau  1831.  — Kalendarzyk 
Krakowsky  na  rok  1812.  Krakau  bei  Groblowsky.  — Kalendarzyk  poli- 


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Das  Hersog;tam  Warschau. 


5 


tyczny  na  rok  1810.  Warschau.  — Paini?tniki:  J.  Drzewieckiego 
(1772 — 1852).  Krakau  1891.  — K.  Koimiana  (1780—1850).  Posen  1858.  — 
J.  Urs.  Niemcewicza.  Tarnow  1680.  — Wybiokiego.  Lemberg  1881.  — 
Kl.  Kotaczkowski.  Henryk  D^browski  tworoa  legionöw  polskiech  we 
Wloszech  (1755—1818).  Krakau  1901.  — „Wspomienia”.  I.  Heft. 

1793 — 1813.  Krakau  1898.  — Fr.  Paszkowski,  Ksiqie  Josef  Poniatowski. 
Krakau  1898.  — Rembowski  Al.,  Przyczynek  do  historyi  konstitucyjnej 
Ksi^stwa  Warszawskiego  in  Przewodnik  naukowy  1896.  Tom.  24.  — 
Schnür-Peplow.ski,  Jeszcze  Polska  nie  zginela.  Dzieje  legionöw  polskich. 
Krakau  1897.  — Fr.  H.  Skarbek,  Dzieje  Ksi^stwa  Warszawskiego. 
Posen  1860.  2 vol.  — St.  Tarnowski,  Xasze  dzieje  w ostatnich 
stu  latacb.  Krakau  1895.  — Bruno  Ubaldus,  Wielkie  Ksi^stwo 
Warszawskie.  Lemberg  1890  in  Wydwanictwo  imienia  Stanislawa 
Staszica.  II.  Jahrgang,  Heft  12,  Februar  1890.  — A.  H.  Popov,  Die 
polnische  Frage  in  Russkaja  Starina.  Jahrgang  1893,  März-Maibeft.  russ. 
— Kajetan  Stankiewitscb,  Kritische  Betrachtung  des  Feldzuges  1809, 
mss.,  Petersburg  1861.  — üngedruckte  Quellen : Akten  des  k.  und  k. 
Kriegsarcbivs  (Feldakten  1809,  7.  Korps;  Militärfoldakten  a;  Operations- 
journale; Standeslisten). 


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Vorwort.  . 


Schon  seit  dem  Aussterbeu  des  nationalen  Herrscher- 
geschlechts der  .Jagiellonen  im  .Jahre  1672  hat  die  Entwicklung 
tles  Königreiches  Polen  die  Politik  der  europäischen  Fürsten- 
höte  mächtig  beeinfluüt.  Die  „polnische  Frage”  in  der 
Gesamtheit  ihrer  Einwirkungen  aut'  den  Gang  der  welt- 
geschichtlichen Ereignisse  schildern,  hieße  eine  Geschichte 
<ler  Staatenpohtik  in  den  letzten  drei  Jahrhunderten  gelren. 

In  einem  engeren  Sinne  haben  Einzeldarstellungen 
polnischer,  französischer,  deutscher  und  russischer  Schrift- 
steller die  Absichten  Napoleon  I.  darzidegen  versucht,  als 
er  die  Kraft  der  polnischen  Nation  in  Frankreichs  Dienst 
stellte.  Hatte  er  den  Willen,  das  1795  untergegangene 
Königreich  zu  neuem  Leben  erstehen  zu  lassen,  oder  war 
Polen  iiir  ihn  mm  ein  Blatt  in  dem  hohen  Spiele  mit  den 
Geschicken  der  eimopäischen  Staaten? 

Selbst  die  französische  Forschung  der  Jetztzeit  neigt 
zu  letzterer  Auffassung*).  Während  der  Dauer  des  Krieges 
1«06 — 1807  hatte  Napoleon  die  Hoffnungen  der  Polen 
geweckt,  ohne  sich  zu  bindenden  Erklärungen  über  ihre 
Zukunft  zu  verstehen.  Die  von  ihm  geschaffene  „Commission 
de  gouvemement  nationale”  hatte  in  Wahrheit  nur  die  von 
den  tranzösischeu  Truppen  okkupierten  preußischen  Land- 
striche des  einstigen  Königi’eiches  Polen  zu  verwalten,  fui' 
die  Erhaltung  der  „Großen  Armee”  zu  soi-gen  und  neue 
Tnippen  auszuheben.  Beim  Friedensschluß  fühlte  Napoleon 
die  Verjjflichtiuig,  sich  einer  Nation  dankbar  zu  erweisen, 
welche  so  willig  Gut  un<l  Blut  für  ihn  eingesetzt  hatte.  Das 
alte  Königreich  in  seiner  Gänze  wiederherzustellen,  wie 

')  Eine  Übersicht  gibt  Rembowski  Fußnote  zu  Kapitel  I; 
Thiers,  VII,  217. 

*)  Van  dal,  La  France  et  la  Russie  pendant  la  Campagne  de  1809. 


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b .1  U 9 t. 

so  manche  polnisclie  Patrioten  erträumt  hatten,  war  freilich 
in  diesem  Zeitpunkt  fhr  ihn  unmöglich.  So  schuf  er  denn 
da.s  ,,Ilerzogtiun  Warschau”  unter  dem  Zepter  König 
Friedrich  Augusts  von  Sachsen,  einen  Staat  bedeutsamer 
in  dem,  was  er  in  Zukunft  erhoffen  und  befürchten  ließ,  als 
was  er  zur  Zeit  verwirklichte. 

Rußland  und  (fsterreich  sollten  in  ihm  keinen  Grund  zur 
Besorgnis  für  ihren  polnischen  Besitz  erblicken  können. 
Napoleons  Kombinationen  mit  dem  „Werte”  Polen  er- 
wiesen sich  jedoch  dem  Gange  der  Ereignisse  nach  als 
verfehlt.  Bas  neue  Hei-zogtum  erschien  beiden  Kaiser- 
staaten nicht  bloß  als  eine  ständige  Drohung,  sondern  auch 
als  Gefahr  für  die  innere  Ruhe  der  angi'enzenden  Provinzen. 
Die  Wollen  nationaler  Einheitsbestrebungen  konnten  nur 
zu  leicht  die  Grenzen  überfluten,  wie  die  Ereignisse  des 
Jahres  180U  in  Alt-  und  Neugalizien  dem  Wiener  Kabinett 
bewesen.  Die  polnische  Frage  beschleunigte  aber  auch  den 
Bruch  mit  dem  Zaren  Alexander  I.  Durch  Blut  und  Eisen 
wurde  in  der  Folge  über  das  entschieden,  was  der  Tilsiter 
Friedeusvertrag  so  schön  zn  Papier  gebracht  hatte. 

Selbst  die  Polen  waren  in  ihren  Botfnungen  durch  die 
Schöpfung  fies  Herzogtums  bitter  enttäuscht  worden.  Politisch 
und  wirtschaftlich  unreif,  vermochte  die  Nation  nicht,  den 
inneren  Gehalt  der  neuen  Verfassung  sich  zu  eignen.  Fremd- 
artig wie  der  Name  ihres  Staates  blieben  den  Polen  auch 
alle  Einrichtungen  desselben.  Nur  die  .Armee  war  vom  Geist 
der  Nation  in  vollem  Strom  durchdrungfui,  sie  repräsentierte 
das  alte  Polen  in  der  Begrenzung  des  neuen  Herzogtums. 

Die  Entstehung  find  Entwicklung  derselben  zu  schdderu, 
ist  Zweck  vorliegender  iD'beit.  Universalgeschichtlichen  und 
wirtschaftspolitischen  Ausführungen  sollte  niu-  Raum  gegeben 
sein,  soweit  sie  zur  Beleuchtung  der  militärischen  Einrichtungen 
oder  Würdigung  der  führenden  Personen  dienen  konnten.  Da  die 
Alaßnahmen  der  Warschauer  Regierung  bis  zum  15.  April  1809, 
dem  Tage  des  Einmarsches  der  kaiserlich  östeiTeichischen 
Truppen  indasGebiet  des  Herzogtums,  zur  Darstellung  gelangen, 
so  mögen  die  nachstehenden  Ausführungen  als  kleiner  Beiti'ag 
zur  Vorgeschichte  des  ,,Osterreichist;hon  Befreiungskrieges" 
gelten. 


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Einleitung. 

Untergang  des  polnischen  Staates  1795. 

Die  politische  AV  iedergeburt  Polens  hatte  sich  mit  der 
Proklamation  der  Konstitution  vom  3.  Mai  1791  vollzogen  *). 
Noch  ehe  die  Lehren  von  der  Souveränität  des  Volkes  in 
Frankreich  mit  Blut  und  Schrecken  ihre  Verwirklichung 
gefunden,  hatten  die  Polen  eine  Verfassung  geschaffen,  die 
geeignet  schien,  den  stetigen  Verfall  ilires  Reiches  zu  hemmen 
und  der  Nation  neue  Kräfte  zuzuführen.  Das  „liberum  veto” 
war  abgeschafft,  die  gesetzgebende,  richterliche  und  voll- 
ziehende Gewalt  organisiert  und  die  Erblichkeit  der  Krone 
ausgesprochen  worden.  Nach  dem  Tode  des  Königs  Stanisla  us 
August  sollte  Friedrich -\ugust,  Kurfürst  von  Sachsen,  ein 
Enkel  .\ugust  III.,  den  Tlirou  besteigen. 

Li  der  Periode  der  Verfassungsstürme  Europas  nimmt 
diese  Konstitution  der  Zeit  nach  die  erste  Stelle  ein.  Blieb 
trotz  wohltönender  Phrasen  vieles  noch  beim  alten,  gewann 
durch  sie  eigentlich  nur  der  Adel  *),  dessen  Rechte  bestätigt 
wurden,  so  trug  sie  doch  den  Geist  der  neiien  Zeit  in  sich. 
Kousseaus  ,,Considerations  sm-  le  gouvernement  de  Pologne” 
in  weiser  Mäßigung  polnischem  Wesen  angepaßt,  fanden  in 
ihr  Raum  und  Geltung.  Ein  Rahmen  der  Freiheit  für  alle, 
der  Ordnung  nach  innen,  der  Kraft  nach  außen,  schien  durch 

■)  Wortgetreue  Übersetzung,  Weiß,  IX.  Bd.,  1.  Hälfte,  26. 

•j  Artikel  2 der  Konstitution  sagt : „Den  Adel  erkennen  wir  für 
die  erste  Stütze  der  Freiheit  und  der  gegenwärtigen  Verfassung.”  Dev 
Adel  war  daher  die  Nation ; die  Bauern  gingen  leer  aus  und  waren 
auf  den  guten  Willen  ihrer  Herren  vertröstet. 


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J U B t. 


sie  gescharten.  Polens  weißer  Adler  regte  mächtig  die 
Schwingen,  als  wollte  er  noch  einmal  zu  Höhe  und  Glanz 
emporsteigen.  Sein  Flug  sollte  aber  bahl  erlahmen. 

Eine  so  tief  greifende  Änderung  im  Staatswesen  konnte 
nicht  vor  sieh  gehen,  ohne  viele  in  ihren  Ansichten,  wie  in 
ihren  Interessen  zu  verletzen.  Manche  Große,  die  anfangs 
keinen  Widerstand  gegen  die  neue  Ordnung  gewagt,  traten 
auf  einmal  als  deren  Gegner  auf  und  erklärten  in  einem  Send- 
schreiben, daß  sie  der  Nation  zu  ihren  alten  Hechten  und  Frei- 
heiten wieder  verhelfen  wollten. 

-\m  9.  .Januar  1792  wurde  der  Friede  zwischen  der  Türkei 
und  Rußland  geschlossen;  Zarin  Katharina  hatte  jetzt  „beide 
Ellbogen  frei’’,  wie  sie  schrieb ; nun  konnten  die  alten  Pläne 
7Avr  Vernichtung  Polens  von  ihr  wieder  aufgenommen  werden. 
Die  tief  eingewiu'zelten  polnischen  Erbübel,  Uneinigkeit,  Neid 
und  Eifersucht  der  Parteien  erleichterten  das  M'erk.  „Polen 
von  Rang  und  Verdienst ')  hätten  die  Kaiserin  um  Schutz 
uml  Hilfe  äugenden  und  zu  Targowice  in  der  Ukraine  eine 
gesetzmäßige  KontÖderation  g<'gen  die  uugesetzmäßige 
Warschauer  gebildet.  Die  Kaiserin  könne  diesen  Männern 
ihren  Beistand  nicht  versagen  und  habe  dämm  einem  Teil  ihrer 
Truppen  den  Befehl  erteilt,  in  das  Gebiet  der  Republik  ein- 
zuriieken.” 

-Vm  18.  Mai  ward  diese  Deklaration  Katharinas  dem 
polnischen  Minister  des  Auswärtigen  zugestellt,  drei  Tage  später 
ira  Keichsrat  verlesen.  König  Stanislaus  August  und  der 
Reichsrat  waren  eines  Sinnes,  sich  zu  wehren  gegen  fremde 
Eiumisclumg  in  innere  Angelegenheiten  des  Landes.  .Jetzt 
mußte  das  Schwert  entscheiden. 

Des  Königs  Neffe,  Fürst  .Josef  Poniatowski,  damals 
30  .Jahi'e  alt,  erhielt  den  Oberbei'ehl  Uber  die  Armee,  die  abzüg- 
lich der  Besatziuigen  kaum  46.000  Mann  zählte.  Unter  ihm  stand 
Thadtläus  Kosciuszko,  der  einzige  Führer,  .der  .sich  im  Felde 
V)ereits  rühmlich  hervorgetan  hatte,  der  Freund  und  Waffen- 
gefährte Washingtons  und  Lafay  ettes.  Die  Truppen  waren 
allerdings  brav,  aber  im  Kampf  ungeübt,  an  Kriegszucht 

')  Wie  Felix  Potocki,  General  der  königlichen  Artillerie,  die 
Kronfeldherren  llzewuski  und  Hranicki. 


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Das  HerBogtum  Warschau. 


11 


nicht  gewöhnt.  Gegen  sie  rückten  unter  den  Generalen 
Kachowski  und  Kretschetnikoff  von  der  türkischen 
Grenze  und  von  Litliauen  1 00.000  Russen,  welche  zähe  Tapfer- 
keit, imvergleichlichen  Todesmut  im  Kampf  gegen  die  Türken 
bewiesen  hatten,  in  mehreren  Kolonnen  an.  Statt  sich  zu 
konzentrieren,  zersplitterte  Poniatowski  .sein  Heer  und  die 
Russen  standen  den  Polen  immer  in  Überzahl  gegenüber. 

So  wurde  der  Feldzug  für  die  letzteren  aussichtslos.  Von 
einer  Stellung  ziu  anderen  gedrängt  und  diuch  stete  Verluste 
geschwächt,  trat  bald  Mutlosigkeit  ein.  Am  18.  Juli  kam  es 
bei  Dubieuka  ziu  Schlacht.  Gegen  dreifache  Übermacht 
wehrte  sich  Kosciuszko  mit  0000  Mann.  Mann  gegen 
Mami  war  der  Kampf  ausgefochten  w'orden,  Erbitterung  und 
Kampflust  hatten  auf  beiden  Seiten  die  Waffen  geführt.  Nur 
das  Dunkel  der  Nacht  und  der  Wald,  in  den  sich  die  Polen 
zurückzogen,  retteten  den  Rest  ihres  Heeres. 

Die  Fortdauer  des  Kampfes  hemmte  ein  Schi-eiben  dos 
rassischen  Gesandten  in  Warschau,  König  Stanislaus  sei 
am  23.  .Tuli  der  Targowicer  Konföderation  beigetreten.  Wie 
eine  Weide  vor  dem  Stiume  hatte  sich  der  König  gebeugt. 
Statt  als  Held  au  der  Spitze  seines  Heeres  zu  siegen  oder 
ruhmvoll  zu  fallen,  befahl  er  der  .\rmee,  sich  zurückznziehen 
mul  versetzte  damit  der  Nation  einen  tödlichen  Streich. 

Erbittert  verließ  sein  Neffe  Fürst  Josef  Poniatowski 
das  Land,  nm  sich  nach  Österreich  zu  wenden,  unter  dessen 
Fahnen  er  seine  militärische  Ausbildung  und  Feuertaufe  er- 
halten hatte. 

Seit  sich  König  Stanislaus  August  der  Konföderation 
von  Targowice,  die  über  ru.ssischen  Befehl  ihren  Sitz  nach  Grodno 
verlegt  hatte,  angeschlossen,  repräsentierte  dieselbe  auch  die 
Regierung.  Bald  sollte  ihren  Häuptern  klar  werden,  daß  sie  selbst 
am  Untergang  des  Vaterlandes  gearbeitet.  Im  .Januar  kam  ilie 
Nachricht  nach  Grodno,  preußische  Trnpi)en  rückten  in  Piden 
ein.  Am  25.  März  1793  erging  eine  Erklärung  F'riedrich 
Wilhelm  II.  und  am  29.  April  die  Deklaration  der  Zarin, 
daß  bei<le  Höfe  wiegen  des  überhandnehmenden  .fako- 
binismus  für  das  Wohl  ihrer  eigenen  und  der  Nachbar- 
staaten, wie  für  die  Ruhe  der  Republik  es  für  zuträglich  ge- 
funden hätten,  Polen  in  engere  Grenzen  einznschließen.  Die 


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12 


J U ■ t. 


Nation  wur<le  aufgelbrflert,  so  sclniell  als  möglich  einen 
Keichstag  zu  versammeln,  um  sich  gütlich  über  die  Länder, 
welche  Polen  verlieren  sollte,  zu  venständigen  und  die  heil- 
samen Absichten  der  beiden  Mächte  zu  befördern,  damit  der 
Republik  ein  dauenider  Friede  zu  teil  werde. 

Schon  in  den  nächsten  Wochen  erfolgten  die  Wahlen, 
Bestechung  half  nach,  und  der  am  17.  Juni  1793  erötfnete 
Keichstag  war  mit  Ausnahme  weniger  Mitglieder  zur  Erfüllung 
russischer  Wünsche  gefügig.  Es  kam  zu  der  berühmten 
,, stummen  Siunng"  in  der  Nacht  vom  22.  auf  den  23.  Sep- 
tember 1793,  in  welcher  der  Reichstagsmarschall  Bielinski 
auf  dreimalige  Anfrage,  ohne  daß  das  Schweigen  gebrochen 
worden  wäre,  erklärte,  der  Ajitrag  auf  Abtretung  gewisser 
Landesteile  an  Preußen  sei  einmütig  angenommen.  In  den 
Formen  eines  historischen  Trauerspieles  hatte  sich  der  letzte 
Akt  der  gesetzgebenden  Versammlung  Polens  vollzogen  und 
war  doch  nur  ein  großes  „Komödiantenstück”  gewesen 
Am  2.0.  September  wurde  der  jireußisch-polnische  Abtretungs- 
vertrag unterzeichnet  und  die  zweite  Teilung  Polens  besiegelt. 
Der  Republik  verblieben  nur  4800  Quadratmeilen  Landes  mit 
drei  Millionen  Einwohnern. 

Nachdem  der  Reichstag  auf  Antrag  des  russischen 
Gesandten  Grafen  Sievers  die  Reduktion  der  Armee  auf 
1.5.000  Mann  verfügt  hatte,  opferte  er  am  23.  November  auch 
noch  die  Verfassung  vom  3.  Mai  1791  und  stellte  den  Rechts- 
zustand vor  dieser  Zeit  wieder  her.  Die  Sitzung  dauerte  die 
ganze  Nacht,  dann  ward  ein  Tedeum  gehalten  und  die  Ver- 
sammlung löste  sich  auf. 

Die  Zarin  hatte  ihr  Ziel  erreicht.  Polen  war  nieder- 
getreten. Noch  gab  es  aber  im  Lande  begeisterte  .Anhänger 
der  Alaiverfässung,  die  trotz  des  verübten  Gewaltstreiches  an 
der  Möglichkeit  einer  A’erwirklichung  der  Konstitution  nicht 
verzweifelten,  die  Gut  und  Leben  einzusetzen  bereit  waren, 
um  die  bedrohte  Heimat  vor  gänzlichem  L’ntergang  zu 
bewahren.  Die  Sehrotlheit  des  (ienerals  Igelström,  der 
als  (Gesandter  und  Befehlshaber  der  russischen  Truppen  in 


’)  Siehe  hierüber  die  intcressiinteii  Schilderungen  bei  Bcrnhardi, 
II.  Teil,  2.  Abt.,  333  und  Brüggen,  319—321,  39.5. 


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Da«  Uerao^um  Warschau. 


13 


Warschau  residierte,  erinnerte  aber  auch  jene  Polen,  weiche 
nicht  für  die  Verfassung  scliwännten,  daß  ihr  Vaterland 
unteijocht  sei.  Die  Hoffnung  auf  eine  bessere  Zukunft  glühte 
als  Funke  unter  Asche  und  Schlacke  fort. 

In  der  Wahl  dessen,  der  an  der  Spitze  der  Bewegung 
stehen  sollte,  waren  Volk  und  Heer  einig.  Niemand  besaß 
das  Vertrauen  der  Polen  in  höherem  Grade,  keinen  bebte 
die  Nation  mehr,  keinen  anderen  verehrte  die  Armee  höher 
als  Kosciuszko.  Er,  wie  der  verabschiedete  General 
Zajaczek  trachteten,  die  mibtärische  Erhebung  einzuleiten, 
um  noch  einmal  den  Kampf  aufzunehmen.  Zajf^czek  hatte 
.sich  anfangs  1794  im  Geheimen  von  Leipzig  nach  War.schau 
begeben,  um  die  Mittel  und  Wege  der  Warschauer  Patrioten 
für  eine  aUgemeine  Erhebung  kennen  zu  lernen.  Er  fand,  rlaß 
die  Vorbereitungen  dem  Eifer  keuieswegs  entsprachen,  ja 
daß  es  den  führenden  Persönbchkeiten  an  einem  wohl  übei’- 
dachten  Plan  fehle.  Er  warnte  daher  vor  jedem  unzeitigen 
und  iladurch  nutzlosen  Ausbruch  der  Bewegung  und  riet, 
den  Aufstand  der  Bauern  einzuleiten,  der  Armee  sich  völbg 
zu  versichern,  die  Bevölkerung  von  Warschau  aber  weiter 
anzueifem. 

Kosciuszko,  der  in  der  Nähe  von  Krakau  eine  Zu- 
sammenkunft mit  dem  General  Wodzicki  gehabt  hatte,  fand 
auch  in  Krakau  die  Veranstaltungen  noch  unreif,  versprach, 
sobald  cbe  Mittel  bereit  seien,  an  die  Spitze  des  Unter- 
nehmens zu  treten,  und  reiste  nach  Rom. 

Die  Freunde  der  guten  Sache  taten  inzwischen  alles, 
tun  das  Volk  für  die  Idee  der  Abschüttlung  fremder  WiUkür 
zu  begeistern.  Was  für  diesen  Zweck  wirken  konnte,  ward 
in  Bewegung  gesetzt;  Flugschriften  über  die  Konstitution 
vom  3.  Mai,  über  Polens  Lage  und  Hoftiiungen  bei  einer 
nahen  Veränderung  des  gegenwärtigen  Zustandes  wiutlen 
heimlich  verbreitet. 

General  Igelström  konnte  die  wachsende  Gärung  nicht 
verborgen  bleiben.  Verhaftungen  folgten  auf  Verhaftungen, 
ohne  der  immer  steigenden  Bewegung  Einhalt  tun  zu 
können.  Da  gedachte  Igelström  einen  energischen  Streich 
zu  führen.  Er  erließ  eine  Note  an  den  ,, Immerwährenden 
Rat”,  die  bereits  zu  Grodno  besclilossene  Reduktion  der 


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J n s t. 


Armee  bis  zum  15.  März  durchzutuliren.  Gegen  diese  kate- 
gorische Anordmmg  etwa.s  zu  unteniehmen,  gebrach  es 
au  Mut  wie  an  Kraft.  Der  Chef  des  Kriegsdepartemeiits 
sah  sich  gezwungen,  unverzüglich  Maßnahmen  einzu- 
leiten, erregte  aber  hiedurch  in  der  Armee  allgemeine 
Erbitterung.  Offiziere  wie  Gemeine  wollten  sich  nicht  von 
ihren  Wati'en  trennen  und  die  Ojjpositon  organisierte  sich  wie 
von  selbst. 

Der  erste,  welcher  statt  zu  gehorchen,  dem  Befehl  der 
Kegierung  oftenen  AViderstand  entgegensetzte,  war  General 
Madalinski.  Als  er  in  Ostrolenka  den  Auftrag  zur  Entwaffnung 
seiner  Brigade  erhielt,  war  sein  Entschluß  sogleich  gefaßt. 
Er  ließ  einen  Bericht  an  die  Kriegskommission  nach  AV'arschau 
abgehen  und  erklärte,  den  Befelü  der  Regierung  nicht  früher 
ausführen  zu  können,  als  bis  er  in  stand  gesetzt  sei,  seinen 
Trujipen  den  bereits  seit  zwei  Monaten  rückständigen  Sold 
auszuzahlen.  Er  beabsichtigte,  auf  diese  AVeise  Zeit  zu  ge- 
winnen, die  AA’ eichsei  mit  seiner  Brigade  übersclireiten  und 
gegen  Krakau  vorrücken  zu  können,  ehe  ihm  noch  durch 
die  Russen  der  AVeg  verlegt  würde. 

Am  12.  Alärz  von  Ostrolenka  aufbrechend,  bewerk- 
stelligte er  bei  AVyszogrod  den  Übergang  über  die  AVeichsel 
lind  ging  über  Sochaczew,  Rawa,  Inowlodz,  Konskie  und 
Radoszyce  nach  Krakau.  Durch  die  Schnelligkeit  seines 
Marsches,  welcher  durch  die  Lande.sbewohner  auf  jede  nur 
möghehe  Art  getordert  wm-de,  gelang  es  Aladalinski  auch 
wirklich,  den  ihm  nachgesendeten  russischen  und  preußischen 
Detachements  zu  entkommen. 

Kosciuszko,  aus  Italien  rückgekehrt,  hatte  in  Dresden 
von  Aladalinskis  Unternehmung  Kachricht  erhalten.  Er 
eilte  augenblicklich  nach  Krakau  und  traf  hier  am  23.  März 
ein.  Alit  einer  Begeisterung  ohnegleichen  empfangen,  wurde 
er  zum  Oberbefehlshaber  emaimt  und  ihm  die  Leitung 
der  gesamten  Erhebung,  die  A'erwendung  aller  Kräfte  der 
Nation,  die  Emennimg  zu  allen  Stellen  im  Heere,  sowie 
die  AAhihl  der  Mitglieder  eines  Nationalrates  übertragen. 
Kosciuszko  nahm  die  Würde  an,  welche  ihm  dikta- 
torische Gewalt  einräumte  und  erließ  am  24.  März  eine 
feurige,  von  wildem  Haß  gegen  Katharina  und  Friedrich 


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Das  Uerzogtam  Warschau. 


15 


Wilhelm  getragene  Unabliängigkeitserklännig.  (Krakauer 
Konföderation.) 

Der  Obergeneral  entfaltete  nunmehr  eine  auüerordentliche 
Tätigkeit.  Seine  Aufgabe  war  nicht  leicht.  Die  Soldaten,  die 
ihm  zu.strömten,  kamen  einzeln  und  in  Haufen;  e„s  galt,  sie  in 
Bataillone  und  Regimenter  zu  gliedern;  es  fehlte  an  Watfen. 
er  gab  den  Bauern  Sensen.  Zur  nötigen  inneren  Festigung 
imd  Organisation  der  Armee  reichte  jedoch  die  Zeit  nicht. 
Schon  nach  sechs  Tagen  mußte  Kosciuszko  gegen  die 
Russen  aufljrechen,  die  unter  Tormassow  und  Denissow 
gegen  Krakau  heranrückteu.  Sein  Heer  bestand  einschließlich 
der  mit  Sensen  und  Piken  ausgerüsteten  Bauern  aus  8000 
Mann.  Schon  am  4.  ,\pril  griffen  die  Russen  bei  Raclawice  an. 
anirden  aber  mit  einem  Verlust  von  600  Toten,  Verwundeten 
und  12  Kanonen  zurückgeschlagen. 

Unter  anderen  Verhältnissen  wäre  das  Gefecht  von 
geringer  Bedeutung  gewesen,  jetzt  aher  festigte  es  das  Ver- 
trauen, welches  die  Nation  ihrem  Führer  schenkte  und  erweckte 
frohe  Zuversicht  auf  den  glücklichen  .\usgang  des  Kampfes. 

Rasch  verbreitete  sich  <lie  Nachricht  über  den  erfoch- 
tenen Sieg  in  Warschau  und  rief  eine  mächtige  Wirkung 
hervor.  Kosciuszkos  Aufruf  fand  sich  bald  an  allen  Straßen- 
ecken angeschlagen,  Spottschriften  gegen  Rußland  wurden 
immer  häufiger  und  kühner.  Igelström  hatte  wohl  die  dunkle 
.■Ahnung  von  einem  drohenden  Kamj)fe,  wußte  aber  nicht,  wo 
und  wie  er  den  Gegner  fassen  könne.  Ein  treuer  Vollstrecker 
fremder  Befehle,  erwies  er  sich  unfähig,  selbständig  Ver- 
fügimgen  zu  treffen.  Er  glaubte  nicht  an  eine  allgemeine  Er- 
hebung, sondern  nur  an  das  Treiben  einzelner  Wühler  und 
verlangte  daher  vom  ,, Immerwährenden  Rat”  die  Verhaftung 
mehrerer,  durch  ihren  Ru.ssenhaß  bekannter  Personen.  Diese 
Maßregel  brachte  den  aufgehäuften  Zündstoft’  zur  Explosion. 

Der  .Angriff  gegen  die  Russen  wurde  für  den  17.  April, 
den  Gründonnerstag,  festgesetzt.  Während  der  Nacht  herrschte 
tiefste  Ruhe  auf  den  Straßen.  Je  melir  sich  die  Gefahr  näherte, 
desto  weniger  kündigte  sie  sich  äußerlich  an.  Um  4 Uhr 
früh  regte  es  sich  im  Zeughaus.  Eine  Abteilung  der  Garde 
zu  Pferd  ritt  aus  den  Kasernen  heraus,  griff  ein  russisches 
Pikett,  das  in  der  Nähe  stand,  an  und  zwang  es  zum  Rück- 


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16 


Just. 


zug.  Bald  darauf  riefen  Kanonenschüsse  und  verabredete 
Signale  die  polnischen  Truj)pen  auf  ihre  Posten  und  alar- 
mierten die  Bevölkerung.  Nach  einem  SOstündigen  er- 
bitterten Straßenkampf  schlug  sich  Igelström  mit  einem 
Verlust  von  2265  Toten  und  122  Verwundeten')  dimch 
und  vereinigte  sich  in  Powonski  mit  dem  i)reußischen  Kori)s 
des  (jenerals  von  Wolki*).  Am  19.  April  wurde  bei 
Kazun  die  Weichsel  übersetzt,  Russen  und  Preußen  kanto- 
nierten in  imd  um  Zakroczyn.  Nachdem  Igelström  hier 
die  Tru])pen  aus  Praga  an  sich  gezogen  hatte,  ging  er 
wieder  aufs  linke  Weichselufer  und  nahm  Stellung  bei  Lowicz, 
wo  er  ein  Lager  aufschlug  und  alle  russischen  Abteilungen, 
welche  in  der  Nähe  standen,  vereinigte.  Er  brachte  bei  7000 
Mann  zusammen,  die  aber  so  bunt  dmcheinander  gewürfelt 
waren,  daß  das  Lager  mehr  dem  von  einer  Menge  Ordonnanzen 
verschiedener  Regimenter  wimmelnden  Hauptquartier  eines 
kommandierenden  Generals  als  dem  Lager  eines  Korps 
ähnlich  sah. 

Eine  weit  größere  Gefahr  als  von  den  Russen  schien 
daher  für  den  Augenblick  von  Seite  Preußens  zu  drohen. 
Bei  der  geringen  Zahl  der  russischen  Streitkräfte  hielt  König 
Friedrich  Wilhelm  H.  die  Gelegenheit  für  günstig,  die  Haupt- 
rolle zu  -spielen  und  hiebei  ein  gut  Stück  Land  zu  gewiimen. 
Die  Sorge  um  die  Sicherheit  der  eigenen  polnischen  Besitzimgeu 
konnte  als  Grund  gelten,  die  in  Polen  aufgestellte  Armee  bis  auf 
einen  Stand  von  50.000  Mann  (64  BataUloiie,  8500  Pferde)  zu 
erhöhen,  über  die  der  König  am  3.  Juni  in  Zamowice  das 
Kommando  übernahm. 

Kosciuszko  hatte  nach  der  Sclilacht  bei  Raclawice 
Verstärkungen  an  sich  gezogen  und  war  am  17.  Mai  zim 
Oliensive  übergegangen,  nachdem  GL.  Denissow  sich  gegen 
SzczekoczjTi  gewendet.  Statt  aber  zu  versuchen,  die  russische 
und  preußische  Armee  einzeln  zu  schlagen,  bezog  Kosciuszko 

')  Treskow,  51. 

In  SüdprouÜen  kommandierte  der  GL.  Graf  von  Schwerin 
ein  Korps  von  zirka  8000  Mann,  welches  die  wichtigsten  Garnisonen, 
und  auch  diese  nur  schwach  besetzt  hielt.  An  Stelle  dos  erkrankten 
Grafen  Schwerin  übernahm  Mitte  April  GL.  von  Favrat  das  Kom- 
mando Ober  die  bereits  erheblich  verstärkte  Armee. 


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Das  Heraogtam  Warschan. 


17 


bei  Rawka  ein  Lager  und  erwartete  hier  den  Angriff,  der  mit 
seiner  Niederlage  endete  (6.  Juni  1794).  Bald  sollten  neue 
JliUertolge  die  großen  Hoffnungen  der  Polen  erschüttern. 
Am  8.  Juni  erlag  GL.  Zajqczek  dem  ru.ssischen  General 
Derfelden  bei  Chelm  und  mußte  sich  nach  einem  sechs- 
stündigen Kampfe,  durch  die  überlegene  russische  Artillerie 
erschüttert,  nach  Lubhii  zurückziehen.  Sieben  Tage  später 
öffnete  Krakau  dem  preußischen  General  von  Elsner  die  Tore. 

Die  Kunde  von  diesen  Schlappen  veranlaßte  in  Warschau 
Szenen,  welche  au  die  Septembertage  der  französischen  Re- 
volution erinnern.  Der  Pöbel  erstürmte  am  28.  Juni  die  Ge- 
fängnisse und  übte  selbst  Justiz  au  den  Gefangenen.  Erschüttert 
durch  diese  Vorgänge  bat  der  König  am  1.  Juli  Kosciuszko 
brieihch,  zur  Aufrechterhaltung  der  Ruhe  tmd  Sicherheit  wie 
zu  seinem  eigenen  Schutz  ein  Truppendetachement  zu  ent- 
senden. Kosciuszko  erscliien  aber  selbst,  um  die  Hauptstadt 
zu  decken;  Zajqczek,  welcher  bei  Praga  die  Weichsel  pas- 
siert und  bei  Wilanöw  sich  postiert  hatte,  nahm  hier  die  pol- 
nische Hauptarmee  auf. 

Am  13.  Juli  langten  nun  die  preußische  und  russische 
Armee,  erstere  25.000,  letztere  13.000  Mann  stark,  vor  War- 
.schau  an,  ohne  jedoch  einen  Angriff  zu  unternehmen.  Aus 
Graudenz  und  Breslau  wurde  Belagerungsgeschütz  beordert 
und  alle  Vorarbeiten  zim  Eiideitung  der  förmlichen  Belagenmg 
bis  zmn  26.  beendet. 

Die  Befestigimg  Warschaus  war  anfangs  Alai  begonnen 
worden  imd  erliielt  erst  während  der  Belagerung  ihre  Haupt- 
werke. Die  AVäUe  waren  mit  415  Geschützen  armiert;  die  Zalil 
der  Verteidiger  behef  sich  auf  zirka  18.000  Mann.  Am  27.  Juli 
begannen  die  Preußen  die  ersten  Angriffe,  welche  von  den 
Polen  mit  wahrer  Begeisterung  zurückgeschlagen  wurden.  Der 
letzte  und  blutigste  Kampf  entspann  sich  in  der  Nacht  des 
28.  August,  in  welcher  der  A*erteidig;ungsabschnitt  Dabrow- 
ski.s  mit  Übermacht  angegriffen  wurde,  während  gleichzeitig 
Zaj^czek  die  Preußen  attakierte.  Enttäuscht  über  das  Aus- 
bleiben jeglichen  Erfolges,  hob  König  Friedrich  Wilhelm 
in  der  Nacht  vom  5.  auf  den  6.  Septemlier  die  Belagerung  auf. 
,.\on  allen  Seiten  treffen  Meldungen  ein,  daß  der  Aufstand 
in  Südpreußen  von  Tag  zu  Tag  an  Stärke  zunehme.  Unsere 

Uitt«ila2iaen  des  k.  und  k.  Kriegsnrcbivs.  Dritt«  Folge.  IV'.  Bd.  2 


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18 


J U ■ t. 


Kommunikationen  sind  unterbrochen,  das  Eintreft'en  der  Vor- 
räte ist  unsicher,  ebenso  wie  die  Ruhe  meiner  Provinzen. 
Bei  dem  Schwinden  aller  Hoffnung,  daß  ein  Truppenkorps 
Euerer  Majestät  die  Anstrengungen  unterstützen  werde,  welche 
ich  der  Einnahme  von  Warschau  zuwandte,  bUeb  mir  keine 
andere  Wahl,  als  mit  meinen  Truppen  abzuziehen  *i”.  So  ent- 
schuldigte König  Friedrich  Wilhelm  II.  den  AV)zug  seiner 
Truppen  vor  Zarin  Katharina. 

Warschau  atmete  wieder  auf.  Die  Insurrektion  in  Süd- 
preußen, wohin  D^browski  abgeschickt  worden  war,  machte 
Fortschritte,  Bromberg  fiel,  höher  stieg  die  Zuversicht  der  Polen. 
Bald  sollten  aber  Rußlands  Waffen  die  Entscheidung  bringen. 

Fürst  Rinnjänzow  erhielt  von  Katharina  den  Befelil, 
mit  dem  Heere,  welches  an  der  türkischen  Grenze  .stand, 
Warschau  zu  nehmen.  Am  18.  September  schlug  Suworow, 
der  tatsächlich  das  Kommando  führte,  beim  Kloster  Ki’upczyce 
die  Polen  unter  Sierakowski.  Derselbe  zog  sich  nach  Brze.sc 
Litewski  zurück,  wurde  aber  schon  am  nächsten  Tage  noch 
heftiger  angegriflen.  Acht  Stunden  wurde  mit  blanker  Waffe 
gekämpft;  kaiun  500  Polen  retteten  .sich  durch  die  Flucht, 
die  Zahl  der  Gefangenen  betrug  kaum  einige  Hundert.  ,,Die 
siegreichen  Truppen  Ihrer  Majestät,”  schrieb  Suworow  an 
Rumjänzow*),  „bezahlten  seine  [des  Feindes]  Verzweiflung, 
keinen  Pardon  gebend,  weswegen  unser  Verlust  bemerkenswert, 
wenn  auch  nicht  groß  ist.  Das  Schlachtfeld  ist  15  Werst  weit 
mit  Leichen  bedeckt.  Wir  sind  sehr  müde.”  Der  Weg  nach 
Warschau  stand  jetzt  offen. 

Kosciuszko  hob  nun  sein  Lager  bei  Mokotöw  vor 
Warschau  auf  und  ging  mit  seinem  Korps  über  die  Weichsel, 
um  den  nahenden  Feind  in  Person  zu  bekämpfen.  Bei  Siedlce 
fiind  er  am  6.  Oktober  General  Sierakowski  mit  deuTrümmeni 
seines  Detachements.  Nachdem  er  eine  strenge  Untersuchung 
über  die  Ursachen  der  Niederlage  liei  Brzesc  angestellt 
hatte,  eilte  er  nach  Grodno,  wo  General  Mokranowski  mit 
einem  lithauischen  Kontingent  stand.  Kosciusko  tibeitrng 
demselben  den  Oberbefehl  über  alle  lithauischen  Truppen,  die 

b Friedrich  Wilhelm  an  Katharina,  1.  September  171U. 
(Ssolowjoff,  353.) 

’)  Bericht  Suworows.  (Ssolowjoff,  .358.) 


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Das  Hersofftum  Warschaa. 


19 


M 0 k r a u 0 w s k i zu  einem  Korj)S  vereinigen  und  gegen  S u w o r o w s 
Rücken  und  Flanke  wirken  lassen  sollte.  Er  selb.st  eilte  sodann  in 
Sierakowskis  Lager  zurück,  darauf  bedacht,  die  Vereinigung 
des  uoch  am  linken  Weichseluler  stehenden  russischen  Korps 
unter  Fersen,  Igelströms  Nachfolger,  mit  Suworow  zu  ver- 
hindern. 

General  Poninski  war  mit  3000  Mann  abgeschickt 
worden,  den  Übergang  Fersens  aufs  rechte  Ufer  zu  hemmen 
oder  ganz  unmöglich  zu  machen.  Er  hatte  sich  aber  täuschen 
lassen  und  war  nach  Pulawy  gerückt,  während  Fersen 
nördlich  davon  bei  Kozienice  luigehindert  das  rechte  Ufer 
gewonnen  hatte.  Kosciuszko  beschloÜ  nun,  Fersen  an 
der  Verbindung  mit  Suworow  zu  verhindern  und  rückte 
am  7.  Oktober  ohne  Verstärkungen  aus  Warschau  oder  das 
Eintreflen  Poninskis  abgewartet  zu  haben,  mit  6500  Mann 
Infanterie  und  4000  Mann  Kavallerie  dem  russischen  General 
entgegen.  Den  9.  Oktober  kamen  die  Polen  am  Nachmittag, 
die  Richtung  auf  das  Dorf  Maciejowice  einhaltend,  aus  einem 
großen  Wald  hervor  und  erblickten  nach  einigen  Minuten 
die  russische  Armee.  Nach  kurzem  Gejiläukel  wurde  das 
Feuer  eingestellt ; während  der  Nacht  bereiteten  sich  beide 
tiegner  zur  Schlacht.  Die  Russen  waren  an  Truppeuzahl 
uud  Geschütz  weit  überlegen,  die  Polen  hatten  den  Vorteil 
der  günstigeren  Stellung. 

Die  Russen  begannen  um  5 Uhr  früh  mit  einem  mör- 
derischen Geschützfeuer  den  Kampf  und  erötfueten  auf  Ge- 
wehrsehußweite  herangekommen  ein  heftiges  Infanteriefeuer. 
Rasch  bedeckte  sich  der  Boden  mit  Toten  und  Verwundeten, 
die  polnischen  Kanonen  verstummten.  Zweimal  -wuirden  die 
Russen  mit  dem  Bajonett  zurückgeworfen,  auf  die  Dauer  ver- 
mochte aber  die  Infanterie  dem  Ansturm  nicht  staudzuhalten. 
Kosciuszko  machte  an  der  Spitze  seiner  Generale  und  dem 
Keni  der  Reiterei  einen  letzten  Augrifl’,  allein  auch  diese  An- 
strengung war  vergeblich.  Aus  mehreren  Wunden  Vjlutend,  stürzte 
Kosciuszko  vom  Pferde,  die  Generale  K am  inski,Kniazewicz^ 
Sierakowski  gerieten  wie  ihr  Führer  in  Gefangenschaft.  Niu- 
loOO  Polen  retteten  sich  diu'ch  die  Wälder  nach  Warschau. 

Mit  Blitzesschnelle  verbreitete  sich  die  Kiuide  von 
Kosciuszkos  Unglück  bis  in  die  ärmlichsten  Hütten  War- 


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20 


J n • t. 


schaus.  Auf  allen  Straßen,  in  allen  Familienkreisen  vernahm 
man  die  Worte:  „Koscinszko  ist  nicht  mehr.”  Mit  diesem 
Verlust  lösten  sich  die  lockeren  Bande  der  Einigkeit,  die 
gerade  jetzt  um  so  fester  hätten  geknüpft  werden  müssen,  da 
der  Augenblick  herannahte,  der  Polens  Schicksal  entscheiden 
sollte. 

Der  Natioualrat  wählte  nunmehr  den  bei  der  lithauischen 
Armee  befindlichen  GL.  Thomas  Wawrzecki')  zum  Ober- 
befehlshaber, bis  zu  desseuAukunft  in  Warschau  GL.  Zajijczek 
das  Kommando  tiihren  sollte.  Dieses  zu  sichern  war  augen- 
blicklich die  Hauijtaufgabe.  An  den  Verschanzungen  Pragas 
wurde  daher  mit  dopjteltem  Eifer  gearbeitet.  Za  jaczek  schhig 
vor  demselben  ein  Lager  auf,  während  Fürst  Poniatowski 
Warschau  von  Norden  her  deckte.  Zugleich  wurde  General 
Mokrauowski  mit  der  lithauischen  Armee,  .sowie  Madalinski 
uud  Dqbrowski  aus  Südpretißen  nach  der  Hauptstadt  berufen 
Allein  auch  Siiworow  versäumte  nach  Kosciuszkos  Fall  keine 
Zeit,  um  alle  russischen  Truppen  an  sich  zu  ziehen  und  mit 
vereinter  Heeresmacht  gegen  Praga  vorzurücken,  zumal  er  dem 
König  von  Preußen  zuvorzukommen  trachtete.  .A.m  4.  November 
mit  Tagesanbruch  begannen  die  Russ(»u  die  Befestigungen  von 
Praga  zu  stürmen.  Bald  waren  sie  genommen,  nur  einige 
hundert  Verteidiger  retteten  sich  nach  Warschau.  .An  8000  Polen 
fielen  mit  den  Waffen  in  der  Hand,  Tausende  von  Einwohnern 
beiderlei  Geschlechtes  winden  niedergemetzelt.  Praga  bot 
den  Anblick  einer  ungeheuren  Brandstätte  ’t. 

')  Derselbe  trat  später  in  russische  Dienste  und  wurde  1815  mit 
der  Leitung  des  Justizministeriums  im  „Königreich  Polen"  betraut. 

*)  Die  Besatzung  Pragas  bestand  aus  7800  Manu  von  der  polnisch- 
lithauischen  Armee.  3200  Warschauer  uud  1800  Pragaor  Bürgern  nebst 
104  Kanonen.  In  Warschau  selbst  standen  15.000  Mann,  zur  Hälfte  reguläre 
Truppen.  (Treskow  31(i.) 

’)  Man  hat  Suworow  diese  allerdings  furchtbare  Schlächterei 
zum  Vorwurf  gemacht.  Seine  Antwort  lautete : „Wenn  ich  in  zehn 
Schlachten  jedesmal  2000  Mann  getötet  hätte,  wäre  kaum  die  Itede 
davon  gewesen  und  die  Greuel  des  Krieges  hätten  2 bis  3 Jahre 
gedauert.  Ich  habe  es  mit  einem  Male  beendet.  Die  Zahl  der  Toten  ist 
geringer  als  bei  der  ersten  Annahme  und  die  Mächte  wie  dio  Polen 
selbst,  werden  zur  Kulie  uud  wohl  auch  zum  Frieden  kommen”. 
(Hoyking,  430.) 


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Das  Herso^om  WarjcUau. 


21 


Der  ..Hohe  Rat”  entschloß  .sich,  die  Stadt  zu  übergeben 
und  schickte  Ignaz  Potocki  zu  Suworow.  Dieser  erklärte 
jedoch  mit  keinem  der  Eevolutionahäupter  verhandeln  zu 
wollen,  worauf  der  Magistrat  der  Hauptstadt  eine  Deputation 
absaudte.  Am  6.  November  war  die  Kapitulation  definitiv  ab- 
geschlossen und  der  8.  als  der  Tag  festgesetzt  worden,  an 
welchem  die  Sieger  von  Praga  in  Warschau  einrücken  sollten. 
Unmittelbar  darauf  löste  sich  der  ,,Hohe  Rat”  auf  und  General 
Wawrzecki  legte  die  ihm  übertragene  Gewalt  in  die  Hände 
des  Königs  zurück. 

Generale,  Offiziere  und  Soldaten,  welche  die  Waffen 
nicht  niederlegen  wollten,  sollten  Warschau  noch  vor  dem 
Einmarsch  der  Russen  verlassen.  General  Wawrzecki  gedachte 
daher  alle  jjolnischen  Korps  zu  sammeln,  ins  Gebiet  von 
Sandomierz  und  Krakau  zu  rücken  und  von  hier  aus  den  Krieg 
weiterzuführen.  Am  8.  November  verließ  W awrzecki  mit  zirka 
1 2.000  Mann  und  113  Geschützen  Warschau,  um  sich  Vtei  Tarczyn 
mit  den  detachierten  Korps  zu  vereinigen,  von  hier  zuD  tjbro  wski 
an  der  Pilica  zu  stoßen  und  dann  ins  Krakauische  zu  gehen. 

Mit  Pragas  Fall  waren  aber  alle  Bande  gelöst,  welche 
die  Polen  zum  gemein.samen  Zweck  verbunden  hatten.  Die 
meisten  Offiziere  glaubten,  nachdem  sich  Wawrzecki  der 
ihm  eiugeräuraten  höchsten  Machtbefugnisse  entäußert  hatte, 
auch  des  Gehorsams  gegen  den  Oberbefehlshaber  des  Heeres 
entbunden  zu  sein. 

Wawrzecki  fand  in  Tarczyn  nur  das  Korps  des  Generals 
Gedroyc,  welches  durch  Desertion  bis  auf  .^00  Mann  zu- 
sammengeschmolzen war.  Er  marschierte  über  Grojce  nach 
Nowemiasto  an  der  Pilica  und  vereinigte  sich  daselbst  am 

10.  November  mit  Dabrowski.  Hioher  hatte  sich  auch 
eine  große  Anzahl  der  Soldaten  der  von  ihren  Generalen  und 
dem  größten  Teil  der  Offiziere  verlassenen  Korjis  Ponia- 
towskis,  Koliskos  u.  a.  gewendet,  so  daß  Wawrzecki  am 

11.  November  ungefähr  18.600  Mann  *)  mit  einer  zahlreichen, 
aber  schlecht  bespannten  Artillerie  versammelte. 

Von  der  Konzentrierung  der  Preußen  bei  Skierniewice 
und  dem  Anmarsch  russischer  Tru])pen  unter  Fersen  über 


')  Treslcow,  BeUage  Via. 


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22 


J a ■ t. 


Grojec  und  Warka  unterrichtet,  fürchtete  Wawrzecki  mit 
Recht  seinen  Rückzug  nach  Krakau  verlegt  zu  finden.  Er 
überschritt  deshalb  am  12.  bei  Nowemiasto  die  Pilica  und 
bezog  ein  Lager  bei  Drzewica.  Hier  erhielt  er  ein  Schreiben  des 
Generals  Suworow,  worin  ihm  die  Bedingungen  mitgeteilt 
wiu-den,  unter  welchen  der  Rest  der  polnischen  Armee  sich  den 
Russen  ergeben  könne.  Am  11.  November  hatte  auch  GL.  von 
Kleist  an  Dabrowski  die  Anfrage  gerichtet,  ob  er  geneigt 
wäre,  mit  seinen  Tnippen  m die  preußische  Armee  zu  treten. 

Da  Fersen  bereits  Nowemiasto  besetzt,  Denissowaber 
die  Pilica  bei  Warka  passiert  hatte,  marschierte  nun  Wawr- 
zecki am  14.  nach  Opoczno.  Nur  die  Truppen  des  Korps 
Dabrowski  waren  noch  in  guter  Ordnung,  die  übrigen  glichen 
regellosen  Haufen  und  desertierten  scharenweise.  Im  Lager 
bei  Opoczno  aber  gab  Major  Majaczewski  das  Signal  zur 
Auflösung  der  .Armee.  Er  verabschiedete  sein  Regiment  mit  den 
Worten:  „Geht,  wohin  ihr  wollt;  hier  ist  nichts  mehr  zu 
machen.”  Das  Beispiel  fand  Nachahmung.  Gewehre  und  Kanonen 
wurden  stehen  gelassen;  jeder  ging  seines  Weges;  nur  die 
Brigaden  Madalinski  und  Dfjbrowski  blieben  beisammen,  ent- 
schlossen dem  Obergeneral  zu  folgen,  wohin  er  sie  führen  würde. 
Wawrzecki  marschierte  am  15.  nach  Konskie,  am  16.  nach 
Radoszyce.  Hier  traf  auch  der  von  ihm  am  13.  nach  Warschau 
entsendete  General  Gorcziuski  von  Warschau  ein  und  teilte 
mit,  daß  Suworow  sich  zu  keiner  Änderung  der  einmal  ge- 
stellten Bedingungen  verstehe. 

So  schloß  denn  Wawrzecki  am  16.  mit  dem  rus.sischen 
General  Denissow  einen  Waffenstill.stand,  nachdem  er  den- 
selben von  seinen  Unterhandlungen  mit  Suworow  unterrichtet 
hatte.  Dijbrowski,  der  bereits  gegen  Malagoszcz  aufgebrochen 
war  und  Lobuszna  eireicht  hatte,  um  sich  gegen  die  Preußen 
zu  wenden,  keimte  über  Wawrzeckis  Bitte  am  17.  nach 
Radoszyce  zurück,  da  letzterer  mit  Recht  befürchtete,  die 
Russen  würden,  wenn  noch  ein  Teil  polnischer  Truppen  unter 
Waffen  bliebe,  den  Wafienstillstand  nicht  achten. 

Der  abgesclüosseneu  Kapitulation  gemäß,  ließ  Wawr- 
zecki den  Rest  der  Truppen  auseinandergehen. 

Unter  Eskorte,  die  mau  russischerseits  ,, Ehrenwacht” 
nannte,  wurden  der  Generalissimus  Dijbrowski  und  mehrere 


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Das  Hersogtam  Warschau. 


23 


andere  Generale  nach  Warschau  geleitet.  Hier  eröfihete  ihnen 
Suworow,  sie  könnten  ihren  Aufenthalt  frei  wählen,  wenn  sie 
sich  veri)flichteten,  bis  zitr  endgültigen  Entscheidung  aller  An- 
gelegenheiten nicht  gegen  die  Russen  zu  dienen.  Über  Ver- 
langen Wawrzeckis  unterschrieben  die  Generale  einen  ihnen 
vorgelegten  Revers.  — Es  gab  keine  polnische  Armee  mehr. 

König  Stanislaus  August  war  -während  aller  dieser 
Ereignisse  in  Warschau  geblieben.  Über  Befehl  der  Zarin 
begab  er  sich  am  8.  Januar  1795  nach  Grodno,  wo  er  am 
Jahrestag  seiner  Krönung,  am  26.  November  1795,  der  Herr- 
schaft entsagte.  Sein  Land  war  schon  durch  den  Vertrag  vom 
3.  Januar  1795,  dem  PreuCen  am  15.  Aug^ist  beitrat,  zwischen 
Rußland,  Österreich  und  Preußen  aufgeteilt  worden  *).  Am 
26.  Januar  1797  erhielt  die  polnische  Frage  ihren  Abschluß 
durch  eine  von  den  Vertretern  der  drei  Mächte  in  Peters- 
burg Unterzeichnete  Erklärung  des  Inhalts  : 

„Nachdem  die  Notwendigkeit,  alles  abzuschaffeu,  was 
die  Erinnerung  an  das  nunmehr  vernichtete  Königreich  Polen 
-wecken  könnte,  von  den  beiden  Kaiserhöfen  ebenso  wie  von 
S.  M.  dem  König  von  Preußen  anerkannt  worden  ist,  sind 
die  hohen  Vertragsmächte  übereingekommen  und  verpflichten 
sich,  die  Gesamtbezeichnung  ,, Königreich  Polen”,  die  für  jetzt 
und  immerdar  unterdrückt  sein  und  bleiben  soll,  niemals  in 
ihre  Titulatur  aufnehmen  zu  lassen  ; jedoch  -wird  ihnen 
unbenommen  sein,  die  besonderen  Titel  anzuwenden,  die 
ihnen  als  Herren  der  verschiedenen  unter  ihre  Herrschaft 
gekommenen  Provinzen  zustehen.” 

Polen  hatte,  nicht  ohne  tiefes,  eigenes  Verschulden, 
seinen  politischen  Tod  gefunden  — um  in  den  Heerlagern 
der  Republik  Frankreich  fortzideben  ; es  war  aus  der  Reihe 
der  selbständigen  Staaten  Europas  gelöscht  — um  eine  militä- 
rische Repräsentation  in  seinen  Legionen  zu  finden. 

‘)  Textskizzo  1. 


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I.  ABSCHNITT. 


Teilnahme  der  Polen  an  den  Koalitionskriegen 

1797  — 1807. 

1.  Die  polnischen  Le{?ionen'i. 

Die  dritte  Teilung  hatte  den  polnischen  Staat  vernichtet, 
aber  es  gab  noch  ein  polnisches  ^’olk,  ,.das  genug  heroische, 
ritterliche,  glänzende  Tugenden  hatte,  al)hp  weit  weniger 
nützliche  und  bürgerliche,  ein  leichtgläubiges  und  argloses 
Kriegsvolk,  immer  bereit  sein  Leben  gegen  ein  Ver- 
sprechen einzusetzen,  das  niemand  zu  erfüllen  gedachte  *)”. 
AVar  mit  fremder  Hilfe  die  Wiederherstellung  des  Reiches 
möglich,  so  glaubten  Polens  Patrioten  nur  auf  Frankreich 
rechnen  zu  können,  welches  seit  1792  mit  der  ältesten  Erb- 
monarchie Eiu’opas,  t'isteri’eich,  im  Kampfe  lag.  Ein  starker 
Harst  waffenfähiger  Männer  verließ  denn  rUe  Heimat,  um  in 
Frankreichs  Sold  für  Frankreichs  Interessen  zu  kämpfen, 
sich  dessen  Hank  dmch  Hingabe  und  Treue  zu  verdienen. 
Sie  glaubten  für  das  eigene  Vaterland  zu  fechten,  wenn  sie 
die  Waffen  für  die  Freiheit  führten,  welche  in  ihren  Augen 
von  der  Rej)ublik  gegen  Österreich  verteidigt  wiu’de.  l)er 
Träger  dieses  Gedankens,  der  Schöj)fer  der  polnischen 
Legionen,  war  General  .Johann  Heinrich  Dqbrowski,  an 
Fähigkeiten  wold  hinter  Kosciuszko  stehend,  diesem  aber 
gleich  an  Liebe  zum  gemeinsamen  Vaterland. 

')  Siehe  über  deren  Geschichte:  Leonard  Chodzko  und  Schnür- 
Pepto  wski. 

*}  Brandes,  33.  ' 


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Das  Hersogtnm  VVarscbati. 


25 


Er  entstammte  einer  alten  polnischen  Familie,  deren  Mit- 
glieder schon  im  16.  und  17.  Jahrhundert  vielfach  Kriegsdienste 
geleistet  hatten.  Sein  Großvater  war  mit  König  Johann 
Sobieski  vor  Wien  gezogen;  sein  Vater  hatte  in  der  säch- 
sischen Armee  Dienst  genommen.  In  Pierszowioe  *)  war 
Johann  Heinrich  Dqhrowski  am  29.  Angnst  175.Ö  geboren 
worden.  Im  elterlichen  Hause  zu  Hoyerswerda  erhielt  der 
Knabe  eine  sorgfältige  deutsche  Erziehung  und  trat  bereits 
mit  15  Jahren  beim  Ulanenregiment  Prinz  Albert  von  Sachsen 
ein,  bei  welchem  auch  sein  Vater  stand.  Als  Adjutant  des 
Grafen  Bellegarde,  Generalkommandeurs  der  .sächsischen 
Kavallerie,  vollendete  Dqbrowski  seine  militärische  Aus- 
bildung. Mit  rastlosem  Eifer  widmete  er  sich  kriegsgeschicht- 
hohen  und  geographischen  Studien,  zu  welchen  ihm  die 
Bibliothek  seines  Chefs  reiches  Material  bot.  Als  in  .A.us- 
tuhrung  der  Konstitution  vom  3.  Mai  1791  eine  polnische 
Ge.sandtschaft  nach  Dresden  kam*),  zögerte  Dabrowski 
nicht,  der  Aufforderung  zum  Eintritt  in  die  polnische  Armee 
Folge  zu  leisten,  in  welche  er  als  Major  aufgenommen  wurde. 

Es  brauchte  geraume  Zeit,  ehe  sich  Dqbrowski  in  die 
neuen  Verhältnisse  eingelebt  hatte.  Seine  Sprache  ließ  deutlich 
die  deutsche  Erziehung  erkennen  und  erweckte  bei  seinen 
Vorgesetzten  teils  Spott,  teils  mißgünstigen  Argwohn;  seine 
strenge  Auffassung  von  Diszi|din  aber  war  wenig  geeignet, 
die  Herzen  der  Untergebenen  im  Fluge  zu  erobern. 

Als  der  Kampf  mit  den  Russen  1792  begann,  stand 
Dabrowski  unter  Kommando  der  Generals  Hyszewski  am 
Bug.  Da  König  Stanislaus  August  später  befahl,  die 
Operationen  einzusteUen,  verließen  die  hervorragenden  Führer 
wieFürst  Josef  Poniatowski,  Kosciuszko  und  Zajqczek  die 
-\rmee,  voll  Unmut  über  die  aufgezwungene  Untätigkeit, 
Dijbrowski  jedoch  verblieb  auf  seinem  Posten  und  ward 

’)  Zwischen  Krahau  und  Bochiiia. 

*)  Die  Schöpfer  der  Mai-Verfassung  hatten  einen  auffälligen  Miß- 
griff begangen,  den  Kurfürsten  von  Sachsen  als  König  von  Polen  zu 
bezeichnen,  noch  ehe  sie  wußten,  ob  dieser  auch  die  Krone  annehmen 
«olle.  Die  Bedingungen,  die  Friedrich  August  für  diesen  Fall  .stellte, 
schlossen  eigentlich  die  Ablehnung  in  sich.  (Sniitt,  Suworow,  II,  354 
bis  ;t57.) 


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26 


Just, 


später  nach  Pultiisk  unter  das  Kommando  des  Generals 
Madalinski  versetzt. 

.4.1s  dieser  am  12.  März  1793  ' i,  in  offenem  Ungehorsam 
gegen  die  Befehle  des  Kriegsdepartements  mit  seiner  Brigade 
von  Ostrolenka  authrach,  statt  dieselbe  aufzulösen,  hatte  er 
Diibrowski  aus  Mißtrauen  mit  einem  kleinen  Teil  der  Be- 
satzung in  Pultusk  ztu'Uckgelassen. 

Dfjbrowski  empfand  es  bitter,  daß  Zweifel  an  seiner 
patriotischen  Gesinnung  hatten  auftauchen  können.  Kurz  ent- 
schlossen überfiel  er  eine  russische  Abteilung  in  Tykoczin, 
machte  mehrere  Gefangene  und  kehrte  nach  Pultusk  zurück. 
Das  kühne  Wagnis  mußte  gerechterweise  den  höchsten 
Unwillen  der  Regierung  hervoiTufen  und  mit  Rücksicht  auf 
Rußland  auch  Ahndung  finden.  Di^browski  wurde  von  zwei 
Offizieren  verhaftet  und  nach  Warschau  gebracht,  wo  ein 
Kriegsrat  zusammentrat.  Schon  wm-den  im  Sitzimgssaale  Rufe 
laut,  die  ihn  als  Verräter  bezeichneten.  Da  ergiift’  ein  Bei- 
sitzer, Josef  Wybicki*),  der  später  bei  der  Errichtung  des 
Herzogtums  Warschau  und  im  Feldzug  1809  eine  so  große 
Rolle  zu  spielen  berufen  war,  für  ihn  das  Wort.  Ein  Meister 
der  Rede,  überzeugte  er  das  Kriegsgericht,  daß  Dtibrowski 
als  Soldat  w'ohl  gefehlt,  als  Patriot  aber  gehandelt  hätte. 
Damit  traf  er  den  Ton,  der  in  den  Herzen  der  meisten  Bei- 
sitzer Auklang  fand,  und  erwirkte  Dabrowskis  Freispi-echung. 

Kosciuszko  vertraute  in  der  Folge  Di|browski  das 
Kommando  über  den  rechten  Flügel  des  verschanzten  Lagers 
von  Warschaii  an,  welches  Preußen  und  Russen  vergeblich 
einzunehmen  versuchten.  Als  die  Belagerer  am  6.  September 

')  Siehe  Seite  14. 

’)  Josef  Wybicki  (geboren  1747,  gestorben  1822)  gehört  zu  den 
bedeutendsten  polnisclien  Staatsmännern.  Von  liberalen  Anschauungen 
geleitet,  hatte  er  an  den  Keformbostrebungen  vor  Erteilung  der  Mai- 
konstitution 1791  bereits  hervorragenden  Anteil  genommen.  Während  der 
Erhebung  unter  Kosciuszko  1794  befand  er  sich  beiGeneral  Dubrowski 
in  Großpolen  und  mußte  nach  der  Erstürmung  Pragas  fliehen.  V'on 
Napoleon  1806  mit  der  Organisation  einer  polnischen  Regierung  und 
der  Volkserhebung  betraut,  entwickelte  er  eine  Tätigkeit,  die  lebhaft 
an  die  Gambettas  1870  erinnert.  Wie  dieser  verstand  es  Wybicki. 
durch  Wort  und  Schrift  die  breiten  Massen  des  Volkes  zu  bewegen  und 
zu  lenken. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


27 


abzogen,  erhielt  D^browski  eine  neue  Aul'gabe,  die  er 
geschickt  löste  ').  Am  10.  September  1794  trat  er  mit  einem 
kleinen  Korps  von  1100  Mann  Infanterie,  900  Mann  Kaval- 
lerie und  9 Geschützen  seine  Expedition  an,  deren  Zweck  die 
Unterstützung  der  in  Großpolen  ausgebrochenen  Insiurektion 
war.  Kleinere  preußische  Abteilungen  wurden  gefangen,  Maga- 
zine genommen,  während  Zuzüge  aus  Krakau,  Gnesen,  Posen 
tmd  Kalisz  das  kleine  Korps  stetig  vergrößerten,  das  nunmehr 
auch  Bromberg  in  Besitz  nahm.  Schon  damals  zeigte  D b ro  w s k i 
sein  hervorragendes  organisatorisches  Talent.  Von  größter 
persönlicher  Tapferkeit,  fester  Zähigkeit  in  der  Durchtührung 
seiner  Entschlüsse,  hatte  er  es  verstanden,  Truppen,  welche  des 
inneren  Zusammenhanges  entbehrten  und  zu  ihm  gestoßen 
■waren,  durch  das  Band  der  Disziplin  zu  einem  Ganzen  zusammen- 
zuschweißen. 

Während  D^browski  mit  Erfolg  in  Großpolen  operierte, 
■war  aber  Kosciuszko  bei  Maciejowice  am  10.  Oktober  1794 
der  mssischen  Übermacht  erlegen.  Die  Armee  hatte  den  Führer 
verloren,  der  dimch  seine  Popularität  und  Persönlichkeit  allein 
im  Stande  gewesen  wäre,  die  einzelnen  Glieder  zu  lenken. 
Dabrowski  erhielt  die  Nachricht  von  dem  unglücklichen  Aus- 
gang der  Schlacht  am  19.  Oktober  und  wurde  am  29.  vom 
Oeneralissimus  Wawrzeoki  angewiesen,  gegen  Warschau  zu- 
rückzugehen. Sein  Korps  war  bis  dahin  auf  19.000  Mann  und 
23  Geschütze  angewachsen  und  stand  am  2.  November  bei 
TarczjTi,  südwestlich  Warschau. 

Um  nicht  von  den  Preußen  unter  den  Generalen  Favrat 
und  Kleist  von  der  PUica  abgeschnitten  zu  werden,  mar- 
schierte Dabrowski  am  5.  November  nach  Gostomya  an 
der  PUica,  eine  Meile  nordwestlich  von  Nowemiasto.  Hier 
erhielt  er  Nachricht  von  der  Kapitulation  Warschaus.  Bald 
kamen  auch  Generale,  Offiziere  und  Gemeine  an,  die  von 
^Varschau  und  Praga geflüchtet  waren,  und  setzten  Dijbro  wskis 
horj)s  durch  Schilderungen  der  letzten  Tage  in  Schrecken 
lind  Furcht.  ,, Anfänglich  wurden  dergleichen  T.eute  arretiert 
und  schlecht  behandelt,  aber  zuletzt  kamen  ihrer  so  viele, 


')  Dqbrowski  hat  seine  Expedition  in  dem  ,, Beitrag  zur  G<- 
_ schichte  der  polnischen  Revolution  im  .lahre  1794”  seihst  geschildert. 


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28 


Just. 


daß  mehr  Arretierte  waren,  als  diejenigen,  so  sie  bewachen 
mußten  und  konnten 

Während  in  den  übrigen  Teilen  der  polnischen  Armee 
alle  Bande  der  Disziplin  sich  gelöst  hatten,  hielt  Dabrowski 
dieselbe  mit  fester  Hand  in  seinem  Korps  aufrecht.  Sein 
Projekt,  mit  allen  noch  Watfenfähigen  über  Cz^stochow  an 
die  sclilesische  Gi’enze  zu  rücken  und  sich  dem  nächsten 
französischen  Truppenteil  anzuschließen,  fand  keinen  An- 
klang. Es  gebrach  an  moralischer  und  physischer  Kraft,  ein 
solches  Wagnis  dnrchzuftihren.  Wie  Schnee  unter  den  Strahlen 
der  Sonne  schwanden  die  ])olnischen  Abteilungen,  nur 
Dijbrowskis  Koqis  blieb  schlagfertig. 

Wawrzeckis  Kapitulation  vom  16.  November  bildete 
die  letzte  Phase  im  völligen  Zusammenbruch  der  polnischen 
Armee.  Wohl  hatte  diese  Beweise  heroischer  Tapferkeit 
geliefert,  allein  auch  deutlich  den  Mangel  von  innerer  Zucht 
lind  Ordnung  an  den  Tag  gelegt.  Mehr  als  die  numerische 
Überlegenheit  des  Gegners  hatten  ünbotmäßigkeit,  schwere 
Versäumnisse  und  Fahrlässigkeit  der  höheren  Führer  den 
Untergang  des  Heeres  beschleunigt.  Dabrowski  allein  hatte 
die  ihm  gestellten  Aufgaben  mit  ebensoviel  Geschick  als 
Ausdauer  gelöst  und  war  noch  drei  Tage  vor  der  Schlacht 
bei  Maciejowice  von  Kosciuszko  hiefür  zum  Generalleutnant 
befördert  worden.  Nach  dessen  Fall  galt  Dabrowski  als  der 
wahre  Vertreter  jiolnischen  Soldatentums.  Wohlwollen,  ge- 
paart mit  strenger  Gerechtigkeit,  nnemiüdliche  Fürsorge  für 
die  Bedürfnisse  und  das  Wohl  der  IVuppen  hatten  ihm  die 
Liebe  seiner  Untergebenen,  persönlicher  Mut  und  uner- 
schütterliche Festigkeit  aber  die  Achtung  seiner  Gegner 
erworben. 

Erst  nach  der  Besetzung  Warschaus  durch  preußische 
Truppen  unter  GL.  Favrat  am  9.  Januar  1796  erhielt 
Dabrowski  die  Erlaubnis,  die  Stadt  zu  verlassen.  Er  begab 
sich  nach  Berlin,  um  zunächst  hier  für  seine  Heimat  zu 
wirken.  .Am  17.  März  vom  König  in  feierlicher  Audienz 
empfangen,  erschien  er  zum  größten  Erstaunen  der  an- 
wesenden Minister  in  ])olnischer  Generalsuniform.  Vom  König 

‘i  Beitrag  zur  Geschiclite  der  polni.schoii  Revolution,  91. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


29 


über  die  Stimmung  in  Polen  befragt,  erklärte  er,  das  ganze 
Land  würde  sich,  erheben,  ihn  oder  einen  Hohenzollernsehen 
Prinzen  zum  König  erwählen,  wenn  Friedrich  Wilhelm 
für  Polens  Unabhängigkeit  ziun  Schwerte  greifen  wollte.  In 
einem  dem  preußischen  Kabinett  vorgelegten  Memorial  ent- 
wickelte er  seine  Pläne  ausführlicher.  Galizien  sollte  insurgiert 
werden,  der  Aufstand  gleichzeitig  in  Lemberg,  Jaroslau, 
Sandomierz  und  Krakau  ausbrechen,  während  in  Großpolen 
ein  Korj)s  von  30.000  Manu,  auf  preußisclie  Kosten  errichtet, 
von  polnischen  Offizieren  aber  gefülmt,  den  Kampf  gegen  Rußland 
eröffnen  sollte.  Österreich  würde  freiwilbg  auf  seinen  gali- 
zischen  Besitz  verzichten,  da  sein  gef  ahrUchster  Nachbar  doch 
immer  Rußland  gewesen  sei 

Waren  Dabrowskis  strategische  Pläne  Phantasmagorien, 
so  erscheinen  seine  politischen  Ansichten  gänzlich  unreif,  ja 
fast  naiv,  imd  es  ist  nur  zu  begreiflich,  daß  sie  nicht  den 
Gegenstand  ernsterer  Erwägung  bilden  konnten.  Den  Antrag, 
in  preußische  Heeresdienste  zu  treten,  lehnte  er  ab.  Nach 
Unterhandlungen  mit  dem  französischen  Gesandten  Gaillard, 
beschloß  er  in  Frankreich  für  Polens  Sache  zu  wirken,  verließ 
Berlin  und  traf  am  28.  September  1790  in  Paris  ein. 

Hier  legte  er  dem  Direktorium  einen  Plan  zur  Bildung 
polnischer  Legionen  vor,  der  aber  unausführbar  schien,  weil 
die  Verfassung  der  Republik  ausdrücklich  verbot,  fremde 
Tnippen  in  Sold  zu  nehmen.  Dij,browski  wiu'de  daher  nach 
Italien  geschickt,  um  in  den  neuen,  durch  Bonapartes  Siege 
geschallenen  oberitalischen  Republiken  diesen  Plan  zu  ver- 
wirklichen *). 


*)  Schnür-Peplowski,  Jeszcze  Polska  nie  zginela,  21,  22. 

’)  d’Angeberg  420;  Lettre  da  President  du  Directoiro  exücutif, 
L.  M.  Reveillöre-Lepaux,  an  general  Bonnparte. 

Pari-s,  28.  octobre  1796. 

Les  patrioles  polonais,  jnloux  de  preparer  les  nioyens  de  regü- 
nerer  lenr  patrie,  desireraient,  citoyen  güneral,  preudre  rang  dans  les 
phalanges  glorieuse.s  de  la  rüpublique  t'ran9aise.  La  proposition  vient 
de  nous  4tre  faite  par  le  güneral  Dombrowski  de  preudre  a la  solde 
de  la  republique  ceux  que  la  düsertion  engagerait  ü quitter  les 
troupes  impürinles.  Aux  tormos  de  la  Constitution,  le  gouver- 
nement  franfais  ne  pouvant  prendre  ä sa  solde  aucune  troupo 
dtraagere,  la  proposition  devient  inexecutablc.  Neunmoins,  comme  il 


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30 


J Q B t. 


Von  Bonapiirte  unterstützt'),  schloß  Dijbrowski  schon 
am  9.  Januar  1797  in  Mailand  mit  der  Verwaltungsbehörde 
der  Lombardei  eine  Konvention*)  ab,  nach  welcher  die  PoleJi 
das  lombardische  Bürgerrecht  und  aüe  Rechte  der  National- 
truppen erhielten.  Sie  bewahrten  ihre  Kommandosprache  und 
Nationaltracht,  trugen  die  franzö.sische  Kokarde  und  Konter- 
ej)auletts  mit  den  lombardischen  Nationalfarben  und  der  Um- 
schrift : Gli  uomini  liberi  .sono  fratelli.  ("Freie  Menschen  sind 
Brüder.  I Am  20.  Januar  erließ  Dabrowski  einen  Aufruf  an 
seine  Landsleute  ’) ; in  den  ersten  Märztagen  standen  bereits 
2.500  Polen  unter  den  WafteiU),  <lie  schon  am  8.  März  ins  Feld 
rückten. 

DijV>rowski  glaubte  sich  stark  genug,  um  mit  Unter- 
stützung eines  französischen  Korj«  von  2000  Mann  Infanterie, 
600  Reitern  und  6 Geschützen  durch  die  Moldau  in  Ost- 
galizien eiufaUen  und  die  Polen  Altgaliziens  zu  einer  gemein- 
samen Aktion  gegen  Österreich  mitreißen  zu  können.  Er  begab 
sich  nach  Graz  und  eröffiiete  Bonaparte  seine  Pläne,  ohne 
freilich  willfähriges  Entgegenkommen  zu  finden.  Dem  Sieger 
von  Arcole,  der  mit  klarem  .\uge  die  Chancen  für  den  Erfolg 
eines  Unteniehmens  zu  berechnen  wußte,  koiuiten  Dabrowskis 
Vorschläge  nur  wie  eine  Aufforderung  „zum  Ritt  ins  wild- 
romantische Land’’  erscheinen;  ihn  mitmachen,  wäre  gleich- 


pourrait  u’ßtre  pas  inditßrent  ä l’intdröt  de  la  republique  de  faciliter 
aux  Polonais,  qui  soiit  aiijourd’lmi  au  Service  de  l’Aulriche  les  moyens 
de  ddsdrter,  le  Directoire  vous  engago  ä voir  s’il  ne  serait  pas  possible 
de  determiner  le  gouvernement  provisoire  du  Milanais,  du  Moddnaia  etc., 
de  Ics  preiidre  ä leur  soldu.  L.  M.  Keveill6re-Lepaux,  president. 

')  d’Angeberg,  421.  Lettre  du  general  Bonaparte  au  congres 
d’Ktat  ä Milan. 

Milan,  4 janvier  1797. 

Ijp  gdnirat  Ilombro wski,  lieutenant  geudral  polonais,  oflicier 
distingue  et  interessant  par  les  inalbeurs  de  sa  patrio  qui  a succombe 
sous  l’effort  du  meme  onnemi  qui  a pendant  tant  d’anndes  tyrannisd 
sa  patrie,  s’offre  k lever  une  Idgion  polonaise,  qui  serait  pour  aider  le 
peuple  lombard  ä defendre  sa  liberte.  Cette  brave  nation  merite  d’etre 
accueillie  par  uu  peuide  qui  aspire  k la  liberte.  Je  l’eugage  k s’entendre 
avec  vous,  et  je  prendrai  volontiers  toutes  les  mesures,  quo  vous  croirez 
prendre  ä cet  effet  avec  lui.  Bonaparte. 

’)  d’Angeberg,  421. 

•)  d’Ängeberg,  42;5. 

')  Kolaczkowski,  31. 


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Das  Heraogtum  Warschau. 


31 


liedeutend  mit  dem  Abbruch  der  Verhandlungen  über  den 
Frieden  gewesen,  an  dessen  Zustandekommen  Napoleon  das 
höchste  Interesse  hatte. 

Der  AbschluC  der  Prähminarien  von  Leoben  am  18.  April 
1797  bewies,  daß  den  inzwischen  in  zwei  Legionen  unter  den 
Generalen  Kniazewicz  und  Josef  Wielhorski  geteilten 
polnischen  Scharen,  die  auf  7146  Mann  angewachsen  waren, 
nicht  beschieden  sein  sollte,  die  Wafien  fürs  eigene  Vaterland  zu 
fuhren.  Wold  hatte  sich  Dabrowski  aus  Reggio  am  10.  Juli 
an  Bonaparte  gewandt,  zu  den  Verhandlungen  in  Campo- 
fonnio  wenigstens  einen  polnischen  Vertreter  zuzulassen  *). 
Auch  diese  Bitte  mußte  von  einem  Realpolitiker  wie  Napo- 
leon abgeschlagen  werden,  denn  nur  als  Staat  konnte  Polen 
im  diplomatischen  Verkehr  Verti-etung  finden,  als  solcher 
aber  war  es  von  der  Karte  Europas  gestrichen.  ,,Und  wenn 
auch  alle  Freunde  der  Freiheit  für  die  Sache  Polens  seien, 
so  müsse  seine  Wiederherstellung  doch  Zeit  und  Umständen 
überlassen  bleiben”’),  war  die  Ansicht  Napoleons. 

Die  Polen  mußten  ihre  Hoffnungen  schwinden  sehen 
und  waren  doch  bereit,  von  neuem  auf  dem  Kampfplatz  zu 
erscheinen,  denn  einmal  müßte  die  Zeit  kommen,  da  Fi'ank- 
reich  seine  Dankesschuld  begleichen  und  ihr  untergegangenes 
Königreich  wiedererrichten  werde.  Während  Zajfjczek  und 
Snlkowski  mit  vielen  anderen  sich  der  Expedition  Bona- 
partes nach  Agyi^ten  anschlosseu,  traten  die  zwei  italienischen 
Legionen  in  den  Kampf  gegen  die  zweite  Koalition  ein,  wmden 
jedoch  an  der  Trebbia  und  bei  Novi  fast  gänzlich  aufgerieben. 

Uber  den  unglücklichen  Verlauf  des  Krieges  untemchtet, 
hatte  Napoleon  Ägypten  verlassen  und  sich  durch  den 
Staatsstreich  vom  9.  November  zum  ersten  Konsul  aufge- 
schwungen. Mit  warmen  AVorten  der  Anerkennung  ’)  cpiittierte 


*)  d'Ängeberg,  426. 

’)  d’Ängeberg,  428. 

*)  Brief  des  1.  Konsuls  an  GL.  Dabrowski  (d’Ängeberg,  432): 
,.De  retour  en  Europc,  citoyen  gönöral,  j’ai  appris  avec  intörot  la 
conduite  que  vous  et  vos  braves  Polonais  avez  tenue  en  Italie  pendant 
la  demiere  Campagne.  — Des  revers  ont  obscurei  un  instant  la  gloire 
de  nos  armes,  mais  tont  nous  promet  qu’elle  brillera  bientöt  d’un  nouvel 


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32 


Just. 


er  die  Opfer,  den  Mut  und  die  Ausdauer  der  Legionen,  von 
denen  nur  Trümmer  mehr  vorhanden  waren,  um  freilich  nur 
neue  Ansprüche  zu  stellen. 

Dubrowski  erhielt  den  Auftrag,  7 neue  Infanterie- 
bataillone und  1 Artilleriel)ataUlon  unter  dem  Namen  der  „1.  pol- 
nischen Legion”  zu  emchten.  Marseille  wiu-de  zum  Sammel- 
und  Waffenplatz  bestimmt.  Bereits  im  Juni  18tX)  zählte 
Dijbrowski  bei  5000  Mann  unter  den  Fahnen,  w'elche  sofort 
in  Italien  zur  V'erwendung  gelangten. 

FJien  so  ra.sch  ging  die  Bildung  der  ,, Donau-Legion” 
von  statten.  Mit  3500  Mann  rückte  General  Kniazewicz  ins 
Feld  und  trug  in  der  Folge  viel  zum  Siege  der  Franzosen  in 
der  Schlacht  bei  Hohenhnden  am  3.  Dezember  1800  bei. 

Der  Friede  von  Luueville  machte  am  9.  Februar  1801  dem 
2.  Koahtionskiieg  ein  Ende ; der  Polen  wurde  im  Friedenstraktate 
nicht  mit  einem  Worte  gedacht.  Ihr  grenzeidoser  Optimismus 
hatte  einen  schweren  Schlag  erhalten.  Kniazewicz  und  viele 
andere  nahmen  ihre  Entlassimg,  Dabrowski  aber  beschloß 
auszuhaiTen.  Er  übernahm  das  Kommando  über  die  erste  Legion, 
welche  Napoleon  in  den  Dienst  der  cisalpiniachen  Republik 
stellte,  w'ährend  die  Donaulegion  unter  General  Wladislaw' 
Jablonowski  dem  neugeschaffenen  Königreich  Etrurien*) 
überwiesen  wurde.  Beiden  Legionen  sollte  jedoch  ein  trauriges 
Geschick  beschieden  sein. 

Der  Friedensvertrag  von  .Amiens,  am  27.  März  1802  unter- 
zeichnet, machte  auch  dem  Kampfe  Frankreichs  mit  England 
ein  Ende  ‘j  und  der  erste  Konsul  war  sofort  bedacht,  seine 
kolonialpolitischeu  Pläne  mit  Entschiedenheit  in  Austiüiruug 
zu  bringen.  .'\ls  willkommene  Verstärkung  der  Expeditions- 

eclnt.  Ditos  ä vos  braves  qu'ils  sont  toujours  prösents  i ma  pensee, 
que  je  coinpte  snr  eux,  que  j'apprecie  leur  dövoneraeut  pour  la  cause 
que  nous  döfendons,  et  que  je  serai  toujours  leur  ami  et  lour  camerade. 

')  Dasselbe  hatte  seit  1809  Napoleons  Schwester  Elisa  als 
Großherzogin  von  Toscana  zur  Herrscherin  und  kam  1811  wieder  au 
das  Haus  Habsburg  zurück. 

*)  Freilich  nur  für  kurze  Zeit,  denn  schon  am  20.  April  1803  kün- 
digte der  englische  Gesandte  in  Paris  Lord  Whitworth  den  Frieden 
auf.  Nach  einer  eiiyährigen  Pause  begann  der  Krieg  von  neuem,  der 
bis  zu  Napoleons  Sturz  nicht  mehr  enden  sollte.  Die  nächste  Folge  der 
Feindseligkeit  mit  England  war  der  Verlust  Domingos. 


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Du  Herzog^om  Warschau. 


33 


truppe  für  San  Domingo'')  erschienen  ihm  die  Polen,  welche 
in  Erkenntnis  der  Nutzlosigkeit  aller  ihrer  Anstrengimgen 
allmähhch  Unzufriedenheit  an  den  Tag  legten  und  Napoleon 
unbequem  zn  werden  anfingen.  6000  Legionäre  wurden  für 
diese  mörderische  Expedition  eingeschifft,  um  für  Frankreichs 
Weltpolitik  zu  kämpfen.  Nur  ein  kleiner  Rest  von  Infan- 
terie und  die  Kavallerie  blieben  in  Italien  zmück. 

In  kurzer  Zeit  waren  die  polnischen  Reihen  gelichtet. 
Was  nicht  den  Waffen  der  Neger  erlag,  raffte  das  gelbe 
Fieber  dahin.  Schon  im  November  1803  mufiten  die  Franzosen 
San  Domingo  räumen ; kaum  600  Mann  waren  übriggeblieben, 
die  als  Kriegsgefangene  der  Engländer  erat  nach  dem  Pariser 
Frieden  1814  ihre  Freiheit  wieder  erlangten. 

Dies  war  das  Ende  der  polnischen  Legionen  ’).  Ihr 
Schöpfer  Dabrowski  zog  sich  nach  Mailand  zurück,  um  im 
engsten  Kreise  der  FamUie  und  alter  Waffengetährten  aid' 
eine  Zeit  zu  warten,  die  ihn  wieder  an  die  .Spitze  seiner 
Landsleute  stellen  sollte.  Napoleons  Krieg  gegen  Preußen 
1806  brachte  die  Erfüllung  seines  Wunsches. 

')  Auf  dom  Boden  von  Hayti  hatte  Kolumbus  die  erste  Kieder- 
lassung  der  Spanier  in  Amerika  gegründet.  Die  Hauptstadt  wurde  San 
Domingo,  nach  welcher  bald  die  ganze  Insel  den  Namen  führte.  Die 
einheimische  indianische  Bevölkerung  war  durch  die  grausame  Behänd- 
hing  seitens  der  Spanier  fast  völlig  vertilgt  worden.  Ungeachtet  der 
Einfuhr  von  Negern  zum  Betrieb  des  Plantagenbaues  wollte  die  Kolonie 
nicht  gedeihen.  Erst  als  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  imWesten 
der  Insel  französische  Niederlassungen  entstanden,  gelangt«  dieser  Teil 
bald  zu  hoher  Blüte.  Der  Nationalkonvent  hatte  schon  am  4.  Eebruar 
17W  den  Negern  gleiche  Rechte  mit  den  Weißen  bewilligt.  1797  wurde 
der  Neger  Toussaint  l'Ouverture  vom  französischen  Direktorium 
znm  Obergeneral  aller  Truppen  auf  San  Domingo  omannt.  Als  dieser 
sich  unabhängig  zu  machen  suchte  und  der  Insel  eine  eigene  Verfassung 
gab.  wurde  GL.  Ledere,  der  Gatte  von  Napoleons  Schwester 
Pauli  ne,  zu  seiner  Unterwerfung  abgeschickt. 

’)  Aus  der  Zeit  der  Legionen  stammt  Wybickis  Lied:  „Jeszcze 
Polska  nie  zginela”.  Sein  Gedankengang  ist:  „Es  hat  keine  Not,  Polen 
wird  bestehen.  Marsch,  Marsch,  Dijbrowski!  Es  ist  ein  Vergnügen  zu 
leben,  zu  singen,  sich  zu  schlagen.”  Der  Marsch,  der  gewöhnlich  für 
pathetisch  gehalten  wird,  weil  er  im  polnischen  Nationalleben  eine  ähn- 
liche Holle  wie  die  Marseillaise  in  Frankreich  gespielt  hat,  ist  das  sorg- 
losest«, munterste  Lied  und  spiegelt  die  Hoffnungen  des  alten  Geschlechts 
wieder,  selbst  nachdem  der  Axtschlag  der  dritten  Teilung  gefallen  war. 

UitteUungen  des  k. nndk.  Kriegsarebivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  B 


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34 


Just. 


2.Teilnahme der  Polen  amFeIdzugl806 — 1807.  Grttndnng einer 
proTisoriachen  Regierung  nnd  Errichtung  des  Herzogtums. 

Als  Napoleon  den  Kampf  gegen  Preußen  vorbereitete, 
erschien  ihm  Polen  als  ein  nicht  zu  unterschätzender  Faktor 
bei  fler  Durchführung  seiner  politischen  und  militärischen  Pläne. 

Schon  am  22.  September  1806  ordnete  er  aus  St.  Cloud 
die  Emchtung  zweier  polnischer  Legionen  (legion  du  nord  i 
zu  .Jülich  unter  GL.  Zajijczek  und  zu  Nürnberg  unter 
Oberst  Henry  an').  Jede  Legion  sollte  aus  vier  Bataillonen 
bestehen  und  mit  der  Formierung  der  ersten  Bataillone  sofort 
begonnen  werden.  Die  Kommandanten  erhielten  Weisung,  Pro- 
klamationen zu  erlassen  und  die  Polen,  welche  unter  den  Fahnen 
derTeilungsniächte  dienten,  zur  Desertion  aufzufordem,  ohne  daß 
jedoch  tler  Name  ,, Polen”  erwähnt  werde.  Die  Mannschaft  solle 
der  französischen  gleichgehalten  uiul  nur  am  Kontinent  ver- 
wenilet  werden,  Unteroffiziere  ln  ihrer  fi-iiheren  Charge  ein- 
treten  können.  Da  <lie  Aufstellung  zweier  Korp.s  zu  langsam 
von  statten  ging,  wurden  die  beiden  Legionen  zu  einer 
einzigen  vereinigt  und  gleiclizeitig  einige  polnische  Offiziere 
aus  Italien  in  die  ., Vereinigte  Nordlegion”  übersetzt  *). 

Diese  Maßnahmen  aber  versprachen  doch  einen  zu  ge- 
ringen Erfolg,  als  daß  Napoleon  nicht  noch  stä.rkere  Hebel 
in  Bewegung  gesetzt  hätte.  Die  Erhebung  der  Polen  sollte  in 
großem  Stile  vor  sich  gehen  und  Preußens  polnische  Untertanen 
einmütig  die  Waöen  gegen  ihren  Souverän  ergreifen.  Hiezu 
bedurtte  es  eines  starken  Impulses,  den  aber  Napoleon  selbst 
zu  geben  sich  scheute.  E.s  galt  daher  Männer  zu  finden,  deren 
Ansehen  groß  genug  war,  um  die  Nation  fortzmeißen.  Bereit- 
willig folgten  GL.  Dijbrowski’^  und  Wybicki  Napoleons 
Auftbrderung,  sich  in  seinem  Haviptquartier  zu  Berlin  eiiizu- 
finden.  Beide  glaubten,  trotzdem  Napoleon  mrr  vage 
Äußerungen  üljer  die  Zukunft  ihrer  Heimat  machte,  den 
Augenblick  gekommen,  um  mit  Frankreichs  Hilfe  den  unter- 

•)  C.  d.  N,  I.,  Tom.  XIII,  217,  Nr.  10.858. 

•)  Ebenda,  26t,  Nr.  10.888. 

*i  Dqbrowski  trat  bereits  Ende  Oktober  in  Berlin  ein  und  wurde 
vom  Kaiser  über  die  Mittel  zur  Gewinnung  Polens,  die  besten  und 
kürzesten  Wege  n.  a.  m.  zu  Rate  gezogen.  (Tagebuch  Bray,  53.) 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


35 


gegangenen  Staat  wieder  hersteilen  und  in  dieser  Hofthung 
die  polnische  Nation  zum  Kampfe  aufrufeu  zu  können. 

Mehr  als  D^browski  und  Wybicki  galt  aber  bei  allen 
Polen  Kosciuszko,  der  in  Paris  eine  Zufluchtstätte  ge- 
funden hatte.  Sein  Wort,  sein  Beispiel  konnte  das  Volk 
zu  höchster  Aufopferung  entflammen,  den  Aufstand  in  allen 
Teilen  des  imtergangenen  Königreiches  entfachen.  Aus  diesem 
Gnmde  wünschte  Najioleon  auch  Kosciuszko  gewonnen  zu 
sehen  und  sollte  Fouche  denselben  zur  Reise  ins  kai.serUche 
Hauptipiartier  bewegen  V'-  Allein  der  alte  Freiheitskämpfer  zeigte 
sich  wenig  geneigt,  dieser  Aufforderung  nachzukommen;  ohne 
positive  Garantien  mochte  er  sein  Vaterland  nicht  in  neue 
Gefahren  gestürzt  sehen.  Er  stellte  Bedingungen;  auf  solche 
finzugehen,  war  aber  nicht  Napoleons  Sache.  Wolle  er  nicht 
kommen,  so  werde  man  sich  ohne  ihn  behelfen  •). 

Napoleon  wußte  aber  wohl,  daß  Kosciuszkos  Name  wie 
ein  Schlachtruf  alle  Polen  mitzureißen  vermochte  und  ließ  des- 
halb Proklamationen,  mit  ,, Kosciuszko”  gefertigt,  drucken. 
Diese  waren  eigentlich  überflüssig,  denn  der  Aufruf  Dsjbrow- 
skis  und  Wybickis  vom  3.  November’]  aus  Berlin  hatte 
bereits  allgemeine  Begeisterung  geweckt.  „Napoleon,  der 
ünbesiegliche,  betritt  mit  einer  Aimee  von  300.000  Manu 
den  Boden  Polens,”  hieß  es  in  derselben.  Er  werde 
sehen,  ob  che  Polen  wert  seien,  eine  Nation  zu  sein.  ,,Von 
Euch  hängt  es  also  ab,  ein  Vaterland  zu  haben.  Euer  Rächer, 
Euer  Retter  i.st  da.  Beweist  ihm,  daß  Ihr  bereit  seid,  mit 
Euerem  Blute  das  Vaterland  wieder  zu  errichten.  Er  weiß, 
daß  Ihr  unbewaffnet  seid ; er  wird  Euch  Waffen  geben.” 


*)  C.  d.  N.  1.,  Tom.  XIII,  462,  Nr,  11.153  vom  .3.  November. 
„Faites  venir  Kosciuszko;  dites-lui  de  partir  en  diligenoe  pour 
venir  me  joindre,  mnis  secrötoment  et  soiis  un  autro  uom  que  le  sien. 
II  s’adressera  au  gendral  Dombrowski,  ou  directement  au  grand-ma- 
r4chal  Duroc.  Donnez-lui  tout  I’argent  dont  il  aura  besoin.  Faites  partir 
aussi  tous  les  Polonais  qu’il  aurait  avec  lui.  Je  de.sire  que  tout  cela  so 
fasse  le  plus  secrfetement  possible.” 

*)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIII,  5S1I,  vom  30.  November. 

„Si  Kosciuszko  veut  venir,  bien;  Sans  cela  on  so  pa.ssera  de 
lui.  II  serait  pourtant  bon,  qu’il  vint.” 

’)  Anhang  I. 

3* 


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36 


J O • t. 


So  war  die  allgemeine  Erhebung  der  Polen  eingeleitet, 
die  um  so  größere  Fortschritte  machte,  je  näher  die  franzö- 
sischen Truppen  an  die  Weichsel  rückten.  Am  4.  November 
zog  Oberst  Exelmann  mit  dem  I.  Jägerregiment  unter  dem 
Jubel  der  Bevölkerung  in  Posen  ein.  Die  Straßen  waren  dicht 
gefüllt  und  nur  mühsam  kam  die  Tmppevorwärts').  Dqbro  wski, 
der  noch  am  5.  von  Davout  in  Frankfiul.  an  der  Oder  empfangen 
worden  war,  erließ  bereits  am  7.  aus  Posen  eine  Proklamation*), 
in  welcher  er  die  Bürgerschaft  aufforderte,  die  Anordnungen 
der  sich  konstituierenden  Kriegsverwaltung  imbedingt  zu  er- 
füllen, denn  nur  in  schrankenlosem  Gehorsam  liege  der  Erfolg. 

Auch  Davout  verfugte  sich  über  Napoleons  Weisung 
jetzt  nach  Posen.  Er  hatte  den  Befehl,  strengste  Mannszucht 
in  seinem  Korps  zu  erhalten,  da  es  gefährlich  wäre,  die  Polen 
zu  verstimmen  *).  Er  selbst  traf  am  9.  ein  (sein  Korps  im  Laufe 
des  10.  und  1 1 . i und  gewann  die  besten  Eindrücke,  denen  er  auch 
in  seinen  Berichten  an  den  Kaiser  Ausdruck  verlieh.  ,,Alle  GeseU- 
schaftsschichten  zeigten  nur  den  einen  Wunsch,  die  jireußische 
Herrschaft  abschütteln  zu  können*).”  Der  Marschall  schickte  ein 
Detachement  nach  Küstrin  zur  Abholung  von  3000  Gewehren, 
welche  an  die  Truppen  Dijbrowskis  verteilt  werden  sollten 
und  überwies  eine  von  Oberst  Exelmann  in  den  preußischen 
Kassen  Vorgefundene  Summe  von  40.000  Francs  gleichfalls  an 
den  Erstgenannten  zur  Bestreitung  der  ersten  und  dringendsten 
Auslagen  für  die  militärische  Erhebung  der  Provinz.  Das  Volk 
konnte  kaum  den  Augenblick  erwarten,  da  es  ihm  gestattet 
würde,  zu  den  Waffen  zu  greifen.  Allo  angesehenen  polnischen 
Familien  versammelten  sich  in  Posen,  um  Najioleon  ihre  Auf- 
wartung machen  zu  können*).  Mehr  als  100  Jünglinge  aus  den 
besten  Kreisen  stellten  sich  als  Reiter  mit  voller  Rüstung  fürMann 


')  C.  d.  H.  D.,  Tom.  I,  316,  Nr.  211. 

’)  Kolaczkowski,5.3. 

C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIU,  491,  Nr.  11.196. 

*)  C.  d.  M.  D.,  Tom.  I,  324,  Nr.  216. 

*}  Kbenda,  329,  Nr.  22Ü;  Tagebuch  Brav,  67.  „Der  größte  Teil  des 
polnischen  Adels  strömt  in  Scharen  nach  Posen.  Alles  ist  in  einer  Be- 
wegung, die  Davout  mit  30.0U0  Mann  unterstützen  kann.  Der  Kaiser 
scheint  die  Wirkungen  dieser  ersten  Maßregel  abwarten  zu  wollen,  bevor 
er  einen  definitiven  Entschluß  faßt.” 


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Dal  Herzogtam  W&rachan. 


37 


nnd  Pferd  zur  Verfügung,  um  als  Führer  kleinerer  Detachements 
oder  als  Ordonnanzen  und  Kundschafter  Verwendung  zu  finden. 

Auf  die  günstigen  Berichte  Davouts  hin  traf  Napoleon 
neue  Verfügungen*).  Dfjbrowski  sollte  sechs  Bataillone 
jtmger  Leute,  wenn  möglich  aus  der  Elite  der  Bevölkerung 
aufstellen;  zu  Offizieren  Männer  ernennen,  welche  bereits 
früher  in  den  polnischen  Legionen  gedient  hätten.  Die  von 
Küstrin  abgeschickten  3000  Gewehre  würden  den  Grundstock 
der  Bewaffnung  bilden,  weitere  40.000  nachgeschickt  imd  sukzes- 
sive verteilt  werden.  Mündlich  habe  Davout  den  Polen  von  den 
Bewegungen  der  „Großen  Armee”  Mitteilung  zu  machen  und 
dieselben  zm-  Erhebung  gegen  Preußen  und  Entwaffnung  der 
Warschauer  Garnison  zu  ermimteni.  Sobald  sie  Herren  dieser 
Stadt  geworden  seien,  könnten  sie  der  Unterstützung  durch 
französische  Kavallerie  sicher  sein.  Wenn  Warschau  sich  er- 
hebe, sollte  GL.  D^browski  dahin  entsendet  werden,  um  die 
Nationalgarde  und  12  neue  Bataillone  zu  errichten. 

Sobald  die  Insurrektion  im  Posener  und  KaUszer  Kreis 
weitere  Fortschritte  gemacht  habe,  sei  ein  Handstreich  gegen 
die  Zitadelle  von  Ltjczyca  zu  versuchen.  Die  Städte  kömiten 
Nationalgarden,  die  reichen  Familien  des  Landes  auf  ihre 
Kosten  ein  Ulaneiu-egiment  errichten.  Die  angesehensten  Männer 
Polens  sollten  sich  vereinigen,  um  die  administrative  Leitung 
und  militärische  Erhebung  des  Landes  zu  organisieren. 

Davout  hatte  bei  der  Durchführung  aller  dieser  Ver- 
fugimgen  nur  mit  Hat  und  ermutigenden  Worten  Anteil  zu 
nehmen  und  durchblicken  zu  lassen,  daß  sein  Kaiser  sich 
nicht  früher  erklären  könne,  als  bis  er  die  Polen  organisiert, 
bewaffnet  sähe  und  sie  „reelle  Assistenz”  leisten  könnten  •). 

■)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIII,  Ö29,  Nr.  11.251;  5.S7,  Nr.  11.258.  — 
Marschall  Launes  urteilte  freilich  anders.  Mau  dUrfe  die  lilaünahmeu 
der  Polen  nicht  nach  dem  Enthusiasmus  einiger  Edelleute  beurteilen, 
die  aus  Lust  zu  Geschrei  und  Neuigkeiten  nach  Posen  gekommen 
seien.  Im  Grunde  seien  die  Polen  leichtfertig,  uneinig,  anarchisch.  Wollte 
man  ihre  Nation  wiederherstelleu,  so  würde  man  unnütz  französisches 
Blut  für  ein  Werk  ohne  Sicherheit  und  Dauer  vergießen.  (Thiers,  VII,  213.) 

')  In  ähnlicher  Weise  äußerte  sich  Napoleon  auch  vor  der  am 
19.  November  in  Berlin  eingetrofieneu  polnischen  Deputation.  „Frankieich 
habe  die  Teilung  Polens  nie  anerkannt.  Sobald  er  30.000  bis  40.000  Polen 
unter  Waden  sähe,  wolle  er  ihre  Unabhängigkeit  proklamieren.  Ihr 


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38 


J n ■ t. 


Napoleons  vage  Versprechungen  erfüllten  trotzdem  die 
Gemüter  vieler  Polen  mit  froher  Hofthung  auf  eine  glanz- 
volle Zukunft.  Der  Moment  schien  gekommen,  für  Freiheit 
und  Vaterland  die  'Waffen  führen  zu  können.  Gar  bald  sollte 
aber  der  ruhig  und  nüchtern  denkende  Teil  der  Patrioten 
erkennen,  daß  die  Nation  Kraft  und  Gut  nicht  für  ein  großes 
„Polen”,  sondern  für  ein  „ridicule  duche  de  Varsovie” ' > einsetzte. 

Die  Proklamation  Dabrowski.s  vom  3.  November  war 
von  größter  Wirkung  gewesen.  Aus  allen  Teilen  des  Landes 
strömten  FreiwiUige  herbei.  Die  französischen  Armeebulletins 
erschienen  fortab  in  den  Tageszeitungen  auch  in  polnischer 
Sprache  und  erweckten  freudige  Zuversicht.  Die  Begeisterung 
en'eichto  ihren  Höhepmikt,  als  Naiioleon  am  27.  November 
in  Posen  eintraf.  Die  Stimmung  der  Bevölkerung  befriedigte 
ilm  im  höchsten  Maße*).  General  Zajqczek  erhielt  die 
Weisimg,  die  beiden  Nordlegionen  zu  vereinigen  und  nach 
Posen  zu  führen,  Murat  aber  sollte  mit  den  Korps  Davout, 
Launes,  Augerau  und  der  Reservekavallerie  nach  Warschau 
Vorgehen.  Am  27.  stand  Murat  bereits  vor  dieser  Stadt, 
welche  die  russischen  Truppen  geräumt  hatten,  und  hielt 
am  28.  unter  allgemeiner  Begeisterung  seinen  Einzug.  Zwei 
Tage  später  erschien  auch  Davout. 

Die  polnischen*  Frei wiUigen  hatten  inzwischen  die  fran- 
zösischen Tnippcn  wirksam  imterstützt.  Berittene  versahen 
Patrouülendienste  oder  überfielen  kleinere  preußische  Kom- 
manden und  Kuriere.  Cz^stochöw,  welches  mit  ihrer  Hilfe  den 
Franzosen  in  die  Hände  gefallen  war,  bekam  eine  j>olnische 
Besatzung *1,  selbst  das  starke  Lqczyca  hatte  sich  ergeben.  Der 


Schicksal  sei  in  ihre  Hand  gelegt.  Er  habe  bereits  den  Befehl  gegeben, 
daU  sich  die  Polen,  die  in  Italien  und  anderwärts  stünden,  mit 
ihnen  vereinigten.”  Dieser  Befehl  Napoleons  kam  freilich  erst  sehr  spät 
zur  Ausführung.  Siehe  in  der  Folge  die  ,,L6giou  polacco-italicnne”. 
(C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  5,  Nr,  11.339  und  d'.Vngeberg,  449.) 

')  Niemcewicz,  351. 

’)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIII,  .581,  Nr.  11.318  : „Les  Polonais  sont 
animis  de  la  meUleure  volont4.  Ils  forment  des  compagnies  ä pied  et 
k cheval  avec  une  grande  activite.  Ils  montrent  une  grande  ardeur  de  re- 
couvrerlcur  indipendauce:  la  noblesse,  le  clergd,  lespay.sans  ne  faut  qu'un.” 

•)  C.  d.  M.  D.,  Tom.  I,  356,  Nr.  237.  100  Mann  unter  Kommando 
eines  Hauptmanns.  (C.  d.  W.  D.,  Tom.  I,  360,  Nr.  239.) 


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Dm  Henogtun  Warfobaa. 


39 


französische  Kommandant  des  Platzes  Major  Perriii  stellte  bis 
zum  1.  Dezember  vier  Kompagnien  Polen  zu  je  100  Mann  auf, 
die  mit  Waffen  und  Uniformen  beteilt,  täglich  zweimal  im  Ge- 
brauch der  Waffen  geübt  wurden,  und  formierte  über  Davouts 
Befehl  noch  weitere  drei  Kompagnien  in  Kalisz,  welche  zur 
Verstärkung  der  Garnison  von  Czqstochow  herangezogen  wimden. 

Mit  dem  Einmarsch  der  Franzosen  in  Warschau  trat  nun 
der  Mann  in  den  Vordergrund,  der  sich  bis  dahin  den  poli- 
tischen und  militärischen  Ereignissen  femgehalten  hatte  und 
bald  die  erste  Stelle  in  der  polnischen  Armee  einzunehmen 
berufen  war  — Fürst  Josef  Poniatowski,  der  Keffe 
des  letzten  Königs  von  Polen.  Wenn  Kapoleon  auf 
St.  Helena  von  ihm  sagte,  er  sei  der  wahre  König  von  Polen 
gewesen  so  kann  es  nicht  wundem,  daß  die  gleichzeitige 
und  spätere  polnische  Literatur  sein  Charakterbild  mit  den 
leuchtendsten  Farben  ausgestattet,  ja  mit  einem  Schimmer 
von  Eomantik  umwoben  hat.  Die  Schilderung  eines  Zeit- 
genossen *)  möge  hier  sprechen : „Gott  hat  niemals  eine 

schönere  Seele  geschaffen  und  ihr  eine  edlere  Hülle  ver- 
liehen. Der  Fürst  war  das  wahre  Ideal  eines  Ritters  mit  dem 
Zauber  von  Edelmut,  Makellosigkeit,  Güte  und  Zugänglich- 
keit, die  sich  in  seinem  Antlitz  und  jeder  Bewegung  ausprägten.” 

Wie  sein  Vater’)  war,  auch  Fürst  Josef  Poniatowski 
mit  18  Jahren  igeboren  7.  Mai  1762  zu  Warschau)  als  Unter- 
leutnant beim  damaligen  2.  Karabinierregiment  Erbprinz  Franz, 
dem  heutigen  Kaiser  Franz-Dragonerregiment  Nr.  1,  ein- 
getreten, welches  damals  in  Brandeis  an  der  Elbe  stand. 
Der  Fürst  versah  seinen  Dienst  mit  großer  Pünktlichkeit,  galt 
als  vorzüglicher  Beiter  tuid  gab  wiederholt  Beweise  persön- 

Las  Casos,  Memorial, 223:  Nous  parlions  de  la  Pologne  ibranläe 
ä la  Toix  de  l’Empereur,  des  rois  auxquels  nous  lävions  cruo  destinee: 
chacun  nommait  le  sien.  L'Empereur.  qui  avait  gard6  le  .silence,  l’a  inter- 
rompu  en  disant:  „le  vrai  roi  de  Pologne,  c'etait  Poniatowski;  il  en 
reunissait  tous  les  titres  et  il  en  avait  tous  les  talent.s.” 

’)  KoZmian,  Tom.  II,  95. 

•)  Fürst  Andreas  Poniatowski  war  bereits  als  Hauptmann  im 
Aller  von  23  Jahren  wegen  seines  außerordentUohen  Mutes  in  der 
ersten  Promotion  vom  7.  März  1758  mit  dem  Ritterkreuz  des  MTO. 
»usgezeichnet  worden.  Er  starb  1773  zu  Wien  als  Feldzeugmeister; 
'lessen  Gattin  Therese,  eine  geborene  Gräfin  Kinsky,  1806. 


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40 


Just. 


lieber  Bravour,  so  daß  er  bereits  1784  zum  supemumerären 
Major  im  Regimente  ernannt  wiu-de ').  Im  Türkonkrieg 
unter  Kaiser  Josef  EI.  1788  weilte  er  als  Adjutant  de.s 
Kaisers  im  Hauptquartier  vor  Schabatz. 

Als  am  21.  April  zwei  österreichische  Stiu-mkolouneu 
gegen  Schabatz  vorrückten,  steUte  sich  Poniatowski  selbst 
in  die  Reihen  und  bewies  die  tapferste  Haltung.  Zwei  Tage  später 
nahm  er  wieder  an  dem  Sturm  gegen  die  Zitadelle  teü,  ward 
hiebei  verwundet  imd  nach  Semlin  gebracht.  Über  Befehl  seine.s 
königlichen  Oheims  verließ  er,  von  seiner  Verwundimg  genesen, 
den  österreichischen  Dienst  und  begab  sich  nach  Warschau. 

Die  nächsten  zwei  .Jalire  trugen  ihm  wohl  manchen 
Tadel  des  Königs  Stanislaus  August  ein.  Poniatowski 
stürzte  sich  in  den  Strudel  des  geselligen  Lebens  der  Haupt- 
stadt, sein  Name  war  in  aller  Mund.  Seine  Art,  sein  Wesen 
wurden  nachgeahmt;  er  war  der  Held  des  Tages,  umworben 
und  geliebt  von  aller  Welt  *).  Seine  ritterliche  Soldatennatiu' 
g;ing  aber  in  diesem  Wirbel  von  Vergnügungen  nicht  unter. 
Die  politischen  und  müitärischon  Ereignisse  nach  der  Pro- 
klamiemng  der  Konstitution  vom  3.  Mai  1791  bereitetenden 
Tagen  sorglosen  Genußlebens  ein  Ende.  Mit  voller  Hingabe 
und  seiner  großen  Aulgabe  bewußt,  übernahm  er  das  Kommando 
über  die  polnische  ,\rmee  in  der  Ukraine.  Erbittert  verließ  er 
die  Heimat,  als  der  königliche  Befehl  ihn  ziu-  Einstellung  der 
Feindseligkeiten  gegen  die  Russen  gezwungen  hatte,  imd  nahm 
seinen  Wohnsitz  in  Wien.  Erst  die  Erhebung  unter  Kosciuszko 
führte  den  Fürsten  nach  Warschau  zurück.  Nach  der  Einnahme 
der  Stadt  durch  Suworow  und  der  Auflösiuig  der  Armee  scldug 
Poniatowski  die  glänzenden  Anerbietungen  der  Zarin  Katha- 
rina zum  Übertritt  in  russische  Dienste  aus,  begab  sich  nach 
Wien  und  kehrte  erst  nach  der  .Abdankung  des  Königs  nach  AV ar- 
schau  zmück,  das  bereits  von  ])reußischen  Truppen  besetzt  war. 

Er  wohnte  in  seinem  Palais  „pod  blachq”  ’i,  stand  mit 
den  preußischen  Behörden  im  besten  Einvernehmen  und 

')  Geschichte  des  1.  Uragouerregiments.  Die  Ranglisten  führen  den 
Fürsten  Josef  1781  als  Dnterleuinant,  1782  als  Sekondrittmeister,  178.3 
und  1784  als  Premiorrittmeister  an. 

*)  Ko^mian  weiß  darüber  viel  Amüsantes  zu  erzählen.  Tom.  ll,9j. 

*)  So  genannt  wegen  seines  Blechdaches. 


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Das  Hersogtum  Warsoban. 


41 


ward  voll  der  deutschen  Gesellschaft  \vegen  seiner  persön- 
hchen  Liebenswürdigkeit  hoch  geschätzt.  Sein  Haus  war  der 
Mittelpunkt  der  Ausländer,  wenn  auch  die  Jugend  der  pol- 
nischen Hocharistokratie  immer  beste  Aufnahme  fand.  Die 
Konversation  wurde  nur  französisch  geführt,  was  ihm  freilich  von 
den  polnischen  Patrioten  sehr  verübelt  wiu-de.  Als  Poniatowski 
während  der  Anwesenheit  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  IH. 
und  seiner  Gemahlin  in  Warschau  bei  Hofe  erschien  und 
selbst  glänzende  Festlichkeiten  veranstaltete,  wurden  die 
Angriffe  gegen  ihn  immer  heftiger  *).  Seine  Haltung  ver- 
mochten sie  jedoch  nicht  zu  ändern,  denn  als  Pole  fühlte  sich 
der  Fürst,  mit  seiner  Heimat  verwachsen,  auch  wenn  er  im 
gesellschaftlichen  Leben  sich  nicht  der  Landessprache  bediente. 
Als  des  Krieges  eherner  Schritt  erdröhnte,  da  zeigte  der  viel 
Gelästerte,  daß  sein  patriotischer  Sinn  nicht  erloschen,  daß 
er  zur  Stelle  sei,  wenn  das  Vaterland  seiner  Dienste  bedurfte. 

Die  Vorhut  Murats  hatte  sich  Warschau  genähert,  unter 
Vernichtung  der  Schiffbrücke  waren  die  russischen  Truppen 
nach  Praga  abgezogen.  Da  erwartete  Fürst  Poniatowski  mit 
einer  städtischen  Abordnung  am  28.  November  die  Franzosen 
vor  den  Toren  der  Stadt,  deren  Schlüssel  er  feierlich  übergab. 
Er  kehrte  hierauf  in  sein  Palais  zmück,  zog  polnische  Generals- 
uniform an  und  erschien  nunmehr  vor  Murat  als  Rei)räsentant 
der  wiodererstehendon  polnischen  Armee,  welche  die  franzö- 
sischen Waffenbrüder  begrüße. 

Der  Empfang  Murats  wurde  im  36.  ArmeebuUetin  mit 
glänzenden  Farben  geschildert*).  Der  Enthusiasmus  der  Polen 
sei  unbeschreiblich.  Der  Adel  verlasse  seine  Schlösser,  biete 
seinen  Reichtum,  seine  Kinder,  seinen  Einfluß  an  und  bitte 
laut  um  Wiederherstellung  des  Staates.  Die  Vaterlands- 
hebe der  Polen  sei  gestählt  durch  das  Unglück,  ihr  sehn- 
lichster Wimsch  — wieder  eine  Nation  zu  werden.  Die 
gebildeten  Stände  sprächen  französisch,  die  Landbevölkerung 
hebe  Frankreich.  Bald  würden  60.000  Polen  unter  W aflen  stehen. 


b Koimian  fuhrt  einen  Spottvers  aus  jener  Zeit  an:  ,,Jeszcze 
polak  po  polsku  i pisze  i czyta  — Bo  nie  cala  Warszawa  jest  blachf^ 
pokryta.”  (Noch  schreibt  und  liest  der  Polo  polnisch,  denn  noch  ist 
nicht  ganz  Warschau  mit  Blech  gedeckt.) 

•)  C.  d.  N.  L,  Tom.  XIV,  2,  Nr.  11.332 ; 10,  Nr.  11.349 ; 2,  Nr.  11.333. 


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J U 8 t. 


Die  Opferfreudigkeit  der  Nation  anzuerkennen,  anzu- 
nehmen, ja  auszunutzen,  zögerte  Napoleon  nicht.  Er  gab 
aus  politischen  Gründen  sogar  übertriebene  Hcjiilderungen  von 
der  Begeisterung  und  Leistungstähigkeit  des  Landes,  eine 
bindende  Zusage  jedoch  zu  machen,  was  Polen  von  ihm  erwarten 
könne,  wies  er  zurück.  Wer  eine  solche  verlange,  sei  ein  Egoist, 
von  wenig  Vaterlandsliebe  erfüllt.  Arithmetisch  ließe  .sich  die 
Wiederherstellung  Polens  nicht  berechnen.  Er  beabsichtige 
nicht,  mit  demselben  ein  Mitglied  seiner  Familie  auszustatten, 
denn  an  Kronen  für  diese  mangle  es  nicht')-  Ob  die  große 
Nation  wieder  zum  Leben  erstehen  werde?  Gott  allein,  welcher 
die  Geschicke  lenkt,  könne  über  dieses  große  politische  Problem 
entscheiden*). 

Diese  Zurückhaltung  Napoleons  machte  viele  einsichtige 
und  weiterbUckende  Politiker  stutzig,  die  Masse  des  Volkes 
aber  glühte  vor  Verlangen,  unter  die  Fahnen  zu  treten. 
Wie  ein  FrühUngssturm  ging  das  Kriegsgetöse  durch  das 
Land,  die  Hoffnung  auf  Selbständigkeit  weckend,  welche 
die  preußische  und  russische  Herrschaft  wie  unter  einer 
Schneedecke  begraben  hatte.  Die  Feinde  Napoleons  waren 
ja  auch  die  alten  Feinde  Polens.  So  schwanden  alle  Bedenken 
und  sohrankeiüos  vertraute  sieh  die  polnische  Nation  der 
Führung  des  Imperators  an. 

Lbesem  aber  lag  die  Zukunft  des  Landes  wenig  am 
Herzen.  Warschau  war  besetzt,  Thoni  durch  das  Korjis 
liannes  genommen,  die  Weichsel  nunmehr  zur  Operations- 
basis weiterer  Offensivbewegungen  geworden.  Polen  hatte 
jetzt  die  „Große  Armee”  mit  Lebensmitteln  zu  versorgen  und 
an  Streitkräften  so  viel  als  irgend  möglich  aufzubringen. 

Zu  diesem  Zwecke  erließ  Murat  bereits  am  1.  Dezember 
ein  Dekret  zur  EiTichtnng  einer  ,,])olnischen  Verwaltung  in 
Warschau  für  die  wiedergewonnenen  Landesteile  *i”.  Die 
früheren  preußischen  Ämter,  und  zwar  die  kgl.  Kriegs-  und 
Domiüienkammern  sowie  die  Regentschaftskammer  wurden 
beibehalten  und  um  14  Mitglieder  vermehrt. 


h C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  11,  Nr.  11.350. 
’)  Ebenda.  2,  Nr.  11.332. 

*)  d'Angeberg,  453. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


43 


Die  Funktionen  der  ersteren  wurden  durch  Errichtung 
einer  ..Kommission  für  Ajrprovisionierung”  erweitert,  welclie 
als  Zentralstelle  die  zur  Verpflegung  des  Heeres  erforder- 
lichen Weisungen  den  einzelnen  Kammern  erteilen  und  die 
Ausführung  durch  einen  eigenen  Kommissär  übei-«'achen 
sollte.  Die  allgemeinen  Anordnungen  des  Kaisers  wurden  der 
Kommission  durch  den  französischen  üeneralintendanten  erteilt, 
General  Belliard  zum  Stadtkommandanten  von  W^arschau 
ernannt  und  überdies  zwei  Intendanten  dahin  entsendet,  um 
den  Verwaltungsapparat  in  Gang  zu  setzen. 

GL.  Dijbrowski  hatte  schon  früher  in  allen  Städten  des 
Posener  Kreises,  in  denen  polnische  Abteilungen  aufgestellt 
worden  waren,  Polen  zu  Beamten  eingesetzt.  N ajioleon  zögerte 
jetzt  nicht,  die  Vertreibung  der  ])reußischen  Beamten  gutzu- 
lieißen.  Um  «lern  öffentlichen  Geiste  die  von  ihm  gewünschte 
Richtung  zu  geben’),  sclückte  er  Josef  Wybicki,  der  sich 
als  Anhänger  der  Konstitution  von  1791  im  ganzen  Lande  der 
größten  Sjunpathien  erfreute,  auch  nacli  Warschau.  Es  war  eine 
glückliche  "Wahl,  denn  wie  kein  Zweiter  ver.stand  es  Wybicki, 
hoch  und  nieder  zu  Opfern  auf  dem  Altäre  des  Vaterlandes 
zu  begeistern. 

Am  18.  Dezember  nachts  war  Napoleon  selbst  in 
Warschau  eingetrofien  und  hatte  das  königliche  Schloß  be- 
zogen. Dichte  Volksmassen  sammelten  sich  schon  am  Alorgen 
des  19.,  um  den  großen  Schlachtensieger  zu  erldicken,  allein 
der  Kaiser  blieb  unsichtbar.  Erst  gegen  4 Uhr  nachmittags 
begab  er  sich  zu  Pferd  an  das  Weichselufer  zu  einer  Peko- 
giiosziening  und  kehrte  sodann  ins  Schloß  zurück,  wo  er  die 
Deputationen  der  Sta<lt  und  zahlreiche  Mitglieder  des  ehe- 
maligen Reich.stages  empfing. 

Mit  Dekret  vom  14.  Januar*)  wurde  an  Stelle  der  von 
Murat  angeordueten  Verwaltung  eine  ,,])rovisorische  Regie- 
rang'’ für  die  Zeit,  bis  das  Schicksal  Polens  durch  einen  De- 
finiti\'frieden  geregelt  sein  würde,  eingesetzt.  Diese  bestand  aus 
einer  Kommission  von  sieben  Mitgliedern  und  war  mit  den 
größten  Machtbefugnissen  ausgestattet.  Mit  der  Leitung  der 


>)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  1,  Xr.  11.332. 

’)  Ebenda,  192,  Nr.  11.630;  d’Angeberg,  457;  Anhang  II. 


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44 


J a • t. 


öffentlichen  Verwaltnugszweige  (Uericht,  Inneres,  Finanzen, 
Krieg  und  Polizei  i waren  außerdem  liinf  Männer  betraut,  auf 
deren  Berichte  hin  von  der  Regierungskommission  gesetzliche 
Verfdgmigen  erlassen  werden  sollten.  Um  der  Regierung  aber 
die  Möglichkeit  zu  geben,  ihre  Fmiktionen  überhaupt  beginnen 
zu  können,  wurden  derselben  mit  Dekret  vom  29.  Januar ’i  alle 
Steuern  Preußisch-Polens  zur  Erhebung  imd  Einziehung  über- 
wiesen und  von  ilem  französischen  Generalintendanten  eine 
Million  Francs  ausbezahlt,  welche  der  momentanen  mißlichen 
Finanzlage  abhelfeu  imd  die  dringendsten  Auslagen  decken 
sollte. 

Die  Polen  erblickten  in  allen  diesen  Maßnahmen  den  ersten 
Schritt  zur  Wiederherstellung  ihrer  staatlichen  Selbständigkeit 
und  l>rachten  den  besten  WUlen  entgegen,  den  Forderungen 
Napoleons  an  Geld-  und  Blutsteuer  zu  entsprechen.  Napoleon 
hatte  mit  dem  Dekret  vom  29.  in  Wahrheit  nur  die  Sorge  für 
den  Unterhalt  der  polnischen  Truj>pen  auf  die  provisorische 
Regienmg  übertragen.  Diese  hatte  alle  Einkünfte  zur  Erhaltung 
der  Armee,  für  die  Eirichtung  von  Magazinen  und  die  Kosten 
der  zivilen  Verwaltung  zu  verwenden.  Die  Leistung  von  Kriegs- 
kontributionen war  der  Regierung  niu’  unter  der  Bedingung, 
daß  Mehl,  Koni,  Hafer,  Heu  zu  einer  bestimmten  Menge  in 
natura  gehefert  würden*),  erlassen  worden. 

Nach  den  Dekreten  vom  14.  und  29.  Januar  forderte  mm 
Napoleon  alle  Leistungen  als  sein  Recht,  von  dem  er  nicht 
um  Haaresbreite  abzugehen  geneigt  war.  Alle  Anstrengungen 
und  Opfer,  die  gebracht  wurden,  dünkten  ihm  gering.  Er 
tadelte  nicht  bloß  die  Mitglieder  der  Regierung,  welche  ihren 
Pflichten  sclilecht  naclikämen,  sondern  erging  sich  in  heftigen 
Worten  auch  gegen  den  Mann,  dem  er  selbst  die  oberste 
militärische  Verwaltungsstelle  übertragen  hatte,  gegen  den 
Fürsten  Poniatowski *). 

Erst  auf  den  strikten  Befehl  Napoleons,  welchen  Murat 
dem  Fürsten  übermittelte,  hatte  dieser  die  ebenso  schwere,  als 


')  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  257,  Nr.  11.732. 

*)  Ebenda,  Tom.  XIV,  5Ü0,  Nr.  12.206. 

’)  Ebenda,  Tom.  XIV,  331,  Nr.  11.873.  „Ce  bureau  de  la  guerre 
de  Varsovie  ne  läit  rien,  et  laisse  desorganiser  l’armee  polonaise.” 


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Das  Hersogtum  Warschau. 


45 


undankbare  Last  der  Organisation  und  der  administrativen 
Leitung  der  Armee  anfangs  Dezember  übernommen. 

Es  war  ein  dornenvolles  Amt,  zu  dem  Poniatowski 
zwar  den  besten  Willen  *),  aber  wenig  Eignung  mitbrachte.  Au 
der  Spitze  seiner  Truppen  konnte  er  durch  persönhche  Bravour 
begeistern  und  mitreiÜen  — stetige,  genaue  Kanzleiarbeit  war 
ihm  jedoch  fremd  geblieben.  Seinem  Wesen  waren  Güte,  ja  viel- 
leicht Schwäche  eigen,  während  gerade  die  Zeit  einen  Mann 
forderte,  der  im  stände  gewesen  wäre,  mit  starker  Hand  die 
neu  erstehenden  Truppenteile  zu  einem  einheitlichen  Ganzen 
zu  verschmelzen.  Die  eigenartigen  Verhältnisse,  die  ihn  zwangen, 
in  Warschau  zu  bleiben  luid  keinen  direkten  Anteil  an  den 
kriegerischen  Ereignissen  zu  nehmen,  während  die  Generale 
Dabrowski  und  Zajaczek  die  neuaufgesteUten  Regimenter 
als  Divisionsgenerale  in  den  Kampf  führten,  hinderten  ihn, 
gerade  diesen  beiden  gegenüber  mit  Strenge  auf  die  Durch- 
filhnuig  seiner  AVeisungen  zu  dringen.  Die  öffenthche  Meinung 
hatte  Dqbrowski  an  die  erste  Stelle  der  Armee  gesetzt,  auch 
Zajaczek  galt  als  berufene  Autorität.  Poniatowskis  Emen- 
mmg  bedeutete  für  beide  eine  Enttäuschung,  die  zu  verhehlen 
sie  gar  nicht  bemüht  waren.  Während  aber  der  erstere  um 
der  nationalen  Sache  willen  sich  wenigstens  scheinbar  unter- 
ordnete, blieb  Zajaczek  ein  offener  Gegner  des  Fürsten.  Es 
gelang  Poniatowski  nicht,  ständige  Rapporte  von  beiden 
Generalen  zu  erhalten*);  Zaj fjczek  kündigte  ihm  gänzlich  den 
Gehorsam  imd  erklärte  dem  Fürsten  rundweg,  in  administra- 
tiven Angelegenheiten  nur  durch  seinen  Generalstabschef 
Kossecki  verkehren  zu  wollen;  in  anderer  Beziehung  wolle 
er  aber  mit  ihm  ein  für  allemal  nichts  zu  tun  haben*). 


')  Talleyrand,  welcher  damals  in  Warschau  neben  seinen  diplo- 
matischen Geschäften  nahezu  auch  die  Agenden  eines  Generalintendanten 
za  versehen  hatte,  stellt  dem  Fürsten  in  einem  Bericht  an  Napoleon 
das  beste  Zeugnis  aus.  Poniatowski  könne  nicht  mehr  Eifer  und  Er- 
gebenheit an  den  Tag  legen,  als  er  schon  tue.  (L.  i.  d.  Tallevrand, 
313,  Nr.  237.) 

’)  L.  i.  d.  Talleyrand,  312,  Nr.  2.37 : 

,J1  CSt  fort  mal  secondÄ,  et  (juelqu’eflbrt  qu’il  fasse,  il  ne  peut  pas 
obtenir  une  correspondence  suivie  de  In  part  des  corps  qui  sont  ä l’armÄe.” 

*)  Anhang  111.  (Wj’bicki,  Pami^tniki,  245.) 


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46 


Just. 


Es  war  ein  hartes  Amt  also,  das  der  Fürst  gegen  seine 
Neigungen  übernahm  nnd  das  er  doch  in  der  uneigennützigsten 
Weise  auszufüllen  bestrebt  war.  Selbst  seine  Uegner  muüten 
die  makellose  Reinheit,  die  nie  persönlichen  Clewiim  erstrebte, 
zugeben  ’ i. 

Trotzdem  konnte  er  Na])oleou  nie  zufriedenstellen. 
„Meine  Grölie  ist  nicht  auf  die  Hilfe  einiger  tausend  Polen 
gegi-üudet,”  schrieb  derselbe  an  den  Großherzog  von  Berg  am 
2.  Dezember  1806  In  der  Unterstützung  durch  Truj)pen  spielt 
Polen  für  den  Kaiser  der  Franzosen  eine  ganz  untergeordnete 
Rolle  ; die  Ressourcen  des  Landes  sind  es  in  erster  Linie,  die  er 
begehrt,  um  die  „Große  Armee”  zu  unterhalten,  nachdem  er  die 
Weichsel  zur  Operationsbasis  gemacht  hat.  Er  weist  Talley- 
rand  an,  der  provisorischen  Regierung  begreiflich  zu  machen, 
daß  die  Subsistenzfrage  wichtiger  sei  als  die  mihtärische. 
..Die  Geschichte  Etmopas  und  die  größten  politischen  Kalküls 
hingen  von  Lebensmitteln  ab  Aus  diesem  Grunde  habe  die 
Regierung  den  größten  Eifer  und  Patriotismus  zu  erwecken, 
und  müsse  alle  Mittel  gebrauchen,  um  seinen  Forderungen 
zu  genügen.  Diese  waren  aber  ungeheuere  *).  Er  verlangte  am 
12.  Mürz  1807,  daß  von  Warschau  nach  Osterode  innerhalb 
sechs  Tagen  300.000  Brotportionen  und  20.000  Pinten  “)  Brannt- 
weiii  geschaft’t  würden.  ,. Könne  der  Patriotismus  der  Polen  dies 
nicht  zu  Staude  bringen,  so  seien  sie  zu  nichts  Großem 
tauglich®,).” 

Solchen  Ansprüchen  konnte  Poniatowski  nicht  gerecht 
werden.  Behörden  und  Ämter  mit  jungen,  neuen  Beamten 
waren  für  ilire  Aufgaben  weder  geschult,  noch  denselben  ge- 
wachsen, denn  sie  hatten  kaum  Zeit  gehabt,  einen  geordneten 
Geschäftsgang  einzurichten.  Die  ungünstige  .Jahreszeit,  die 
schlechten  Straßen,  der  Mangel  an  Transportmitteln,  an 
Pferden  erhöhten  die  Schwierigkeiten  und  führten  zu  peiidiehen 
Friktionen. 


')  Ko^mian,  Pamivtniki,  Tom.  U. 

C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  11,  Nr.  ll.im 
’)  Ebenda,  42.5,  Nr.  12.005. 

‘)  Ebenda,  55,  Nr.  11.421;  135,  Nr.  11.545. 

•)  Französisches  Hohlmaß,  ungefähr  0113  Liter. 
•)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  432,  Nr.  12.015. 


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Das  Herzogtum  WarscbAu. 


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Wenn  auch  Napoleon  im  52.  Bulletin 'i  erklärte,  Polen 
versorge  die  Armee  und  ihre  Magazine  reichlich,  so  war  er 
der  provisorischen  Regierung  gegenüber  doch  ein  steter  Mahner 
und  harter  Gläubiger*) ; für  die  Nachsicht,  die  er  dem  Lande  durch 
den  Erlaß  der  Kontributionen  erwiesen  hatte,  forderte  er  so  hohe 
Naturalleistungen,  daß  sie  Polen  für  Jahre  hinaus  erschöpften. 

Li  gleicher  Weise  wie  für  die  Ver[>flegung  w'ar  Napoleon 
auch  bedacht,  die  Kantonnements  seiner  Armee  gegen  feind- 
liche Unternehmungen  zu  sichern,  die  gewonnene  Position 
an  der  Weichsel  zu  verstärken  und  gleichzeitig  weitere 
t>perationeu  vorzubereiten.  Napoleons  Hauptaugenmerk  war 
auf  den  Raum  gerichtet,  den  bereits  einmal  Marschall  Moriz 
von  Sachsen*)  als  den  strategischen  Mittelpunkt  Polens  ange- 
sehen und  durch  Befestigungsanlagen  in  großem  Stile  V'er- 
teidigungsfähig  zu  machen  geraten  hatte,  nämlich  auf  das 
Land  zwischen  Weichsel  und  Bug — Narew  mit  den  Haupt- 
plätzen  Warschau-Praga,  Modhn  und  Siero<jk.  Daneben  sollten 
die  kleineren  befestigten  Orte  wie  Ltjczyca,  CzQstochöw  ver- 
stärkt, Thom  aber  zu  einem  haltbaren  Hauptdepot  der  Armee 
ausgestaltet  werden.  Mit  der  Leitung  dieser  Aid)eiteu  betraute 
Napoleon  den  General  Chasseloup,  w'elcher  schon  am 
1.  Dezember  den  Befehl  erhielt  sich  nach  L^czyca,  dann  aber 
nach  Warschau  zu  begeben,  um  flie  Ai'beiten  zur  Befestigung 
von  Praga  einzuleiten,  sodaim  den  Raum  zwischen  Weichsel 
und  Bug — Narew  zu  rekognoszieren  und  Sierock — Modliu  im 
M’inter  auszubauen  ■*).  14  Tage  später  ergehen  neue  Weisungen*), 

>)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  219,  Nr.  11.668. 

*)  Ebenda,  560,  Nr.  12.206. 

*)  Ein  natürlicher  Sohn  König  August  II.,  des  Starken,  und  der 
Gräfin  Aurora  von  Königsmark,  geb.  1696,  gest.  1750. 

*)  C.  d.  "N.  I.  Tom.  XIV,  7,  Nr.  11.H42.  Eran9ois,Mar(iuis  de  Chasse- 
loup. Laubat  (1754  geb.,  1893  gest.)  leitete  bereits  vor  Main?,  alle  Belago- 
ningsarbeiten,  gewann  1796  als  Oenicchef  in  Italien  Bonapartes  vollstes 
Vertrauen  und  ward  für  seine  Verdienste  bei  der  Belagerung  von  Mantua 
Brigade-,  3 Jahre  später  Divisionsgeneral.  1807  führte  er  die  Belagerung 
von  Danzig  und  Stralsund  zu  Ende.  Sein  bedeutendstes  Werk  war  der 
Ausbau  von  Alessandria.  ln  der  Geschichte  der  Befestigungssysteme 
Utsein  Name  bekannt  durch  die  Verbesserung  und  Verstärkung  des  bastio- 
nierten  Umrisses,  die  er  vorschlug  mid  in  einzelnen  festen  Plätzen  teil- 
weise auch  ausfOhrte. 

*)  C.  d.  N.  I.,  Tora.  XIV,  86,  Nr.  11.465;  166,  Nr.  11.586. 


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48 


J n 8 t. 


die  am  8.  Januar  1807  auf  das  Genaueste  präzisiert-  werden'). 
Sierock  und  Modlin  sind  durch  bastionierte  Enceinten  zu 
umschließen;  bei  Sieroqk  ist  am  linken  Narew-,  bei  Modlin  am 
rechten  Weichselufer  ein  Brückenkopf  zu  errichten.  Abgesehen 
von  den  bereits  bestehenden  8 Bedouten,  die  ausgebaut  werden 
sollen,  ist  in  Praga  noch  ein  starker  Brückenkopf  zu  errichten: 
ebenso  sin<l  die  Umfassungsmauern  von  Thoni  wieder  her- 
zustellen und  am  rechten  Weichselufer  hier  gleichfalls  ein 
Brückenkopf  anzulegen. 

Napoleon  behielt  den  Fortgang  dieser  Arbeiten  be- 
ständig im  Auge  *i,  ließ  es  an  energischen  Befehlen  ziu’  Be- 
schleunigung nicht  fehlen,  ohne  freüich  seine  Intentionen 
gänzlich  ausgeführt  zu  sehen  ’i.  Die  Ursache  lag  in  dem 
Gang  der  kriegerischen  Ereignisse  (8.  Februar  Schlacht  bei 
Eylaiii,  in  der  Kürze  der  Zeit,  zum  größten  Teil  aber  in  der 
Unzulänglichkeit  der  Arbeitskräfte.  Die  Belagerung  der  festen 
Plätze  Preußens  Graudenz,  Kolberg,  Stralsund  verlangte  tech- 
nische Mannschaften  und  die  Landesbewohner  Polens  konnten 
in  einer  Zahl,  wie  sie  Napoleon  wünschte,  nicht  aufgebracht 
werden,  denn  die  waffenfähige  Jugend  trat  in  das  Heer  ein, 
welches  nach  des  Kaisers  Fordennig  nicht  groß  genug  .sein 
konnte,  wenn  Polen  Wiedererstehen  solle. 

Unter  schwierigeren,  ungünstigeren  Verhältnissen  ist  wohl 
nie  eine  Annee  entstanden.  Es  gebrach  eigentlich  an  Allem. 
Bereitwillig  hatte  sich  Posen  erboten,  Tuch  für  Uniformen, 
Schuhe,  Wäsche,  Geld  und  Naturalien  beizustellen,  um  die  unter 
die  Fahnen  tretenden  Freiwilligen  zu  bekleiden  und  auszu- 
rüsteii*).  Dem  Beispiel  Posens  w'ar  auch  Kahsz  gefolgt.  Die 
Opferwüligkeit  dieser  Städte  und  des  Adels  aber  konnte  den 


■)  C.  d.  N.  L,  Tom.  XIV,  166,  Xr.  ll..')86. 

’)  Ebenda,  512,  Nr.  12.144.  „Obervations  sur  la  tete  de  pont  de 
Praga”  und  584,  Nr.  12,242. 

b War  auch  nach  dem  Ab.schlnß  des  Tilsiter  Friedens  von  der 
Warschauer  ßegierung  die  Vollendung  dieser  Anlagen  in  Angriff  ge- 
nommen worden,  so  bildeten  die  Napoleonischen  Befestigungen  doch 
die  Bollwerke  des  Widerstandes,  so  daß  im  Feldzug  des  Jahres  1800 
Praga,  Thorn,  CzQstoehöw  mit  Erfolg  gegen  die  österreichischen  Truppen 
verteidigt  werden  konnten. 

*)  d’Angeberg,  147.  Declaration  des  habitants  de  la  ville  Posen, 
adressde  au  general  Diibrowski. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


49 


Geltimaugel  ebensowenig  beheben,  wie  die  von  Napoleon 
geschenkte  MiUion  Francs  und  die  Überlassung  der  Steuern  an 
die  provisorische  Regierung.  Letztere  flössen  bei  der  durch 
den  Krieg  erzeugten  allgemeinen  Notlage  nur  spärlich  ein, 
waren  kärgüche  Tropfen  und  kein  ergiebiger  Brunnen. 

Aber  selbst  wenn  es  an  Geld  nicht  gefehlt  hätte,  wäre 
es  schwer  gewesen,  die  Ausrüstung  ftir  die  neuen  Truppen 
zu  beschaffen.  Die  Waft'ensendungen  gingen  langsam  vor  sich. 
Ziu  Erzeugung  fehlte  es  an  Arbeitskräften  und  industriellen 
üutemehmungen.  Napoleon  ließ  wohl  aus  Küstrin,  Glogau, 
Breslau  und  Posen  Gewehre  herbeisehaffen,  dieselben  waren 
aber  vielfach  unbrauchbar  und  mußten  repariert  werden.  Aus 
Posen  wurden  .Säbel  imd  Pistolen  für  die  Kavallerie  geschickt, 
jedoch  in  so  geringer  Zahl,  daß  Napoleon  dem  Fürsten 
Poniatowski  sonderbarer  Weise  wegen  der  mangelhaften 
-■Vusrüstung  der  Truppen  seine  höchste  Unzufriedenheit  aus- 
drückte Noch  fühlbarer  machte  sich  der  Mangel  an  Pferde- 
material, Sattel-  und  Zaumzeug ; feldbrauchbares  Artillerie- 
material  war  aber  gar  nicht  vorhanden 

Schwierigkeiten  solcher  Art  sollte  Poniatowski  mit 
Hilfe  von  Behörden,  die  erst  seit  Wochen  bestanden,  und 
mit  einem  an  Zahl  geringen,  ungeschulten,  jungen  Beamten- 
pt'rsoual  überwinden.  Darüber  vermochten  alle  Hingabe,  alle 
Begeisterung  nicht  hinwegzuhelfen. 

Nachdem  bereits  Dqbrowski  in  seinen  Proklamationen 
au-s  Posen  vom  4.  vmd  7.  November  die  militärische  Erhebung 
im  einstigen  Königreich  Polen  eingeleitet  hatte,  übernahm 
Fürst  Poniatowski  anfangs  Dezember  die  geregelte  Leitung 
der  ,\niieeorganisation.  In  einer  Proklamation  vom  7. Dezember’/ 
forderte  er  alle  früheren  ])olnischen  Oi'fiziere  auf,  mit  ihren 
von  König  Stanislaus  August  ansgestellten  Diplomen  sich 
vorzustellen,  um  ihren  einstmals  bekleideten  Rang  wieder  zu 
••rhalten.  ,,Im  Schatten  der  Lorbeeren  des  großen  Kaisers 
Napoleon  erstehe  ihr  gemeinsames  Vaterland  wieder.  Im 
Vertrauen  auf  den  unbesiegbaren  Monarchen  mögen  sie  dem 
Rufe  des  Vaterlandes  folgen  und  eine  glorreiche  Pflicht  erfüllen.’’ 

b C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV',  327,  Xr.  11.HÖ4. 

•)  T.  1.  i.  ä N.  I.,  331,  Nr.  245. 

•)  Anhang  IV. 

Mitteilangen  des  k.  und  k.  Kriegserrhivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  4 


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50 


J a • t. 


Den  Mangel  an  Offizieren,  noch  mehr  aber  an  Unter- 
offizieren konnte  diese  Proklamation  nicht  beheben  ‘ i.  Es 
fehlte  aber  auch  an  alter  Mannsehaft.  Von  französischen  und 
polnischen  Schriftstelleni  wird  häutig  behau])tet,  den  Riihmen 
für  die  neue  polnische  Armee  hätten  die  Legionen  ans  Italien 
gebildet.  Diese  Annahme  ist  unrichtig.  Die  polnischen  Legionen 
waren,  wie  in  der  Einleitung  dargestellt  worden,  in  den 
Kriegen  gegen  die  1.  und  2.  Koalition,  wie  auf  San  Domingo  fast 
völlig  aufgerieben  worden.  Die  am  19.  November  I80G  der 
polnischen  De|)utation  in  Berlin  von  Napoleon  gemachte  Ver- 
heillung,  die  Polen  aus  Italien  würclen  in  Kürze  sich  mit  ihren 
Landesbrüdem  vereinigen,  war  ebensowenig  in  Erfüllung  ge- 
gangen, wie  die  Vereinigung  der  Nordlegion*).  Es  waren  fast 

')  Am  27.  Februar  noch  stehen  in  Osterode  zwei  polnische 
Kavallerieregimenter  ohne  jedwede  Organisation  und  doch  verfügt 
Napoleon  am  gleichen  Tage,  dali  Fürst  Pouiatowski  alles,  was  an 
Reiterei  in  den  verschiedenen  Städten  liege,  unverzüglich  dahin  nbschicke. 
(C.  d.  N.  L,  Tom.  XIV,  49,  Nr.  11.897.)  Es  ist  wahrlich  nicht  wunder- 
zunehmen. daß  es  dieser  Truppe  an  Disziplin  und  innerer  Festigkeit 
gebrach.  Poniatowski  hiefür  allein  verantwortlich  zu  machen,  wäre 
ungerecht. 

’)  -Am  5.  April  1807  standen  ungefähr  2000  Mann  Infanterie  und 
400  Reiter  aus  Italien  in  Augsburg,  aus  denen  Napoleon  am  6.  April 
die  „Legion  polacco-italienno”  schuf.  Dieselbe  sollte  t>  Bataillone 
in  der  Stärke  von  60(W  Mann  und  ein  Lanciorsrogiment  mit  1200  Mann 
bilden.  Der  MauuNchaftsstand  war  daher  noch  zu  ergänzen,  Pferde  in 
Schlesien  zu  beschaffen,  ebendort  auch  Sättel  und  Uniformen  anzufertigen. 
Die  alte  polnische  Tracht  wurde  beibehalteu,  die  Kappen  zeigten  die 
polnische  und  italienische  Kokarde.  Die  Reiterei  dieser  Legion  wurde 
im  Observationskorps  Jerome  verwendet  und  zeichnete  sich  am  15.  Mai 
in  Schlesien  besonders  ans.  Nach  dem  Tilsiter  Frieden  trat  die  Legion 
polacco-italienne  in  französischen  Sold,  sollte  aber  „den  Polen  im  Falle 
eines  Angriffes  zu  Hilfe  kommen”.  (C.  d.  N.  L,  Tom.  XV',  33,  Nr.  12.305: 
37,  Nr.  12.315;  246,  Nr.  12.604  ; 470,  Nr.  12.984.) 

Auch  die  Nordlegion,  welche  in  ihren  Reihen  alte  Legionäre  zählte, 
war  bis  zum  Ende  des  Krieges  unfertig  geblieben.  Am  8.  Januar  1807 
stand  dieselbe  in  Magdeburg  und  wurde  später  zur  Zernierung  von  Danzig 
und  Kolberg  verwendet.  Nach  Thiers  Angaben  bewies  sie  viel  Mut, 
aber  keine  Festigkeit,  da  ihr  eine  ausreichende  Organisation  gemangelt 
habe.  Noch  am  23.  Juni  1807  beschäftigte  sich  Napoleon  mit  derselben, 
da  sie  „weder  Offiziere  noch  Unteroffiziere  besitze.”  (C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV 
30,  Nr.  12.301:  Tom.  XIV,  213,  Nr.  11.663  ; 285,  Nr.  11.680.;  Tom.  XV, 
364,  Nr.  12.807.;  Thiers,  Vil,  396.1 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


51 


durch'wegs  Rpkrnten,  die  freiwUig  unter  die  Fahnen  traten  und 
nach  kiuTser  militärischer  Ausbildung,  schlecht  bewalinet  und 
bekleidet,  vor  den  Feind  gingen.  Die  von  Napoleon  am 
2.  Januar  1807  gegebene  Gliedening  des  polnischen  Koq)s  •) 
kam  nur  teilweise  ziu"  Ausführung.  Die  halbfertigen  Regi- 
menter und  Bataillone,  deren  Verbände  wegen  der  geringen 
Zahl  von  Offizieren  und  Unteroffizieren  innerlich  ungefestigt 
waren,  wurden  zu  besonderen  Köq)eni  vereinigt  und  sofort 
gegen  den  Feind  geschickt. 

Den  Grundstock  der  polnischen  Armee  bildeten  die 
bereits  im  November  1806  von  General  Dijbrowski  im  Posener 
Kreise  gesammelten  Truppen  (die  Posener  Legion  i in  der 
Stärke  von  zirka  6000  Mann.  Dieselben  wurden  in  Bromberg 
konzentriert  und  zur  Verstärkung  des  ifanzösischen  Ein- 
schließiingskoqts  unter  Marschall  Lefebvre  bestimmt.  Der 
Kommandant  von  Danzig,  GFM.  Kalkreuth,  hatte  eine 
Abteilung  von  ungefähr  6000  Mann  nach  Dirschau  geschickt, 
um  die.sen  wichtigen  Posten  zu  halten.  Am  23.  Februar  gritf 
D^browski  die  Preußen  an,  bemächtigte  sich  im  Sturme 
des  Ortes  und  erbeutete  sechs  Kanonen  *).  Die  polnischen 
Rekruten  hatten  die  Feuertaufe  erhalten,  mehrere  himdert 
waren  gefallen.  Dijbrowski  selbst  ward  verwundet  und  über- 
gab das  Kommando  an  General  Gedroycz,  welcher  die  Division 
vor  Danzig  führte.  Hier  gaben  die  Polen  wiederholt  Beweise 
ihres  Mutes®),  wde  am  20.  März  imd  besonders  am  15.  Mai.  an 
welchem  Tage  sie  den  Vorstoß  der  Rus.sen  von  Weichselmünde 
gegen  Danzig  erfolgreich  abwehrten.  Nach  der  Kapitulation  von 
Danzig  am  27.  Mai  trat  die  pohiische  Division  mit  einem 

’)  Anhang  V. 

*)  Höpfner,  III,  349. 

*)  Im  Gegensatz  zu  den  Schilderungen  Thiers,  welcher 
den  Polen  Gerechtigkeit  widerfahren  läßt : „Los  Polonais  avaient 
du  zele,  mais  aucune  habitude  de  la  giierre.  Les  soldats  de 
U legion  du  Nord,  trbs  prompte  dans  les  atta<jues,  se  dispersaient 
a la  moindre  resistance”,  weiß  Marschall  Lef5bvro  nur  Schlechtes  zu 
berichten.  Napoleon  tadelte  sein  auffahrendes  Verhalten  den  Polen 
gegenüber,  rügte  seine  Ungeduld  und  empfahl  ihiuNachsicht,  die  billiger- 
welse  geübt  werden  müsse.  (C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  569,  Nr.  12.219  ; 
Tom.  XV,  48,  Nr.  12.a34;  Thiers,  VII,  413,  48:1.) 

4* 


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52 


J a s t. 


Stand  von  annähernd  4300  Mann*)  unter  das  Kommando  des 
Marschalls  Mortier,  Herzog  von  Treviso,  um  am  14.  Juni 
unter  den  Augen  Napoleons  bei  Friedland  im  Verein  mit 
der  Division  Zaj^czek  als  ebenbürtige  Kampfgenossen  der 
französischen  Truppen  mitzukämpfen  für  die  „Gloire”  des 
Im])erators  *,i. 

General  Zajivczek,  ursprünglich  mit  der  Formierung 
der  Nordlegion  betraut,  war  über  Befehl  Napoleons  nach 
Posen  geeilt,  um  die  Volksbewaffnung  im  Kaliszer  Krei-se 
einzuleiten.  Die  Formierung  der  Legion  war  noch  nicht 
beendet,  als  Teile  derselben  bereits  gegen  Graudenz’i  und 
Thom  in  Verwendung  kamen.  Am  6.  Jfärz  gab  aber  Na])oleoii 
dieser  unfertigen  Legion  eine  andere  Bestimmung.  Nur  eine 
kleine  Abteilung,  die  nach  dem  Falle  Danzigs  um  zwei 
polnische  Bataillone  vermehrt  wunte,  blieb  vor  Graudenz 
zurück.  Die  vier  Kaliszer  und  zw'ei  Warschauer  Bataillone, 
sechs  Geschütze,  .sowie  die  ganze  polnische  Reiterei  sollten 
ein, .polnisches  Observationskori)s'’ unter  KommandoZaj  aczek  s 
bilden.  Dasselbe  hatte  einen  Stand  * i von  ungefähr  4000  Mann 
Infanterie  und  2000  Reitern,  mitdem  Hauiitquartier  in  Neidenburg. 

Das  Korps  sollte  die  „Grolle  .^rrnee”  in  ihrer  rechten 
Flanke  von  Allenstein  bis  Neidenburg  und  an  den  Omulew 
sichern  die  Reiterei  desselben,  auch  wenn  sie  noch  so 
schlecht  ausgerü.stet  wäre,  Napoleon  die  Kosaken  vom 
Leibe  halten,  die  erschöpfte  französische  Kavallerie  ablösen 
und  die  Straßen  und  Wege  sichern  *i.  Zaj  aczek  habe  zu 
trachten,  mit  den  Kosaken  in  Fühlung  zu  kommen  und  über 
jede  feindliche  Bewegung  zu  berichten.  Sein  Verhalten 

')  Hopfner  gibt  auf  Beilage  G zu  Bit.  III  als  Stand  ü Bataillone 
mit  4000  Mann  an,  was  einer  Angabe  Liskennes  in  der  Bibliothäque 
historique,  Tom.  Vif,  220,  gleichkommt,  die  im  Verbände  des  X.  Korp.s 
au  Polen  3041  Mann  Infanterie  und  520  .Mann  Kavallerie  ausweist. 

«J  Thiers,  VII,  48.S. 

*)  Hopfner,  IV,  713. 

q Nach  Thiers,  VH,  441  und  anderen  Quellen,  während  Hopfner, 
III,  554,  das  Korps  auf  GOOO  Mann  Infanterie  und  3000  Reiter  einschätzt. 

»)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  393,  Nr.  11.957;  394,  Nr.  11.958;  411, 
Nr.  11.979;  442,  Nr.  12.0.32;  503,  Nr.  12.130:  Thiers,  VII,  441. 

')  C.  d.  N.  1.,  Tom.  XIV,  327,  Nr.  11.804;  342,  Nr.  11.893;  347, 
Nr.  11.897. 


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Daf  Heraogtum  Warschau. 


53 


fand  allerdings  bei  Napoleon  wenig  Anerkennung.  Wieder- 
holt erlieü  der  Kaiser  sogar  taktische  Verhaltungsmaß- 
regeln an  den  General,  da  derselbe  zu  wenig  Offensivgeist 
bekundete. 

Als  die  Russen  um  rlie  Mitte  Mai  sich  entschlossen  hatten, 
die  Besatzung  von  Danzig  zu  verstärken,  begannen  sie  gleich- 
zeitig die  Kantonnements  der  französischen  Armee  längs  der 
ganzen  Front,  zumeist  aber  am  rechten  Flügel,  zu  beunruhigen, 
um  die  Aufmerksamkeit  von  ihrer  Hauptojieration  abzuleuken. 
Es  kam  zu  kleineren  ScharmUtzehi,  wie  bei  Wierzbice,  an 
welchem  die  Polen  so  rühmlichen  Anteil  nahmen,  daß  sogar 
das  74.  Armeebulletin  ')  ihrer  Erwähnung  tat. 

Als  Napoleon  Anfang  Juni  zur  Offensive  überging, 
erhielt  Zajijczek  den  Befehl,  nach  Gilgenbiu-g  abzurücken, 
diesen  Platz  für  das  Korps  Davout  zu  halten  und  dasselbe 
beim  Vormarsch  in  der  rechten  Flanke  zu  kotoyieren.  .A.uf 
dem  Schlachtfeld  von  Friedland,  unter  dem  Donner  der 
Beschütze  feierten  die  polni-schen  Truppen  AViedersehen. 
Nach  der  Schlacht  wuirden  die  Divisionen  Dijbrowskis  und 
Zajaczeks  in  der  Stärke  von  annähernd  10.000  Maim*) 
vereinigt  und  gingen  nach  Schippenbeil,  südhch  Friedland, 
um  den  Feind  noch  weiter  zu  beunruhigen.  Der  Waffen- 
stillstand vom  21.  Juni  machte  dem  Kampfe  ein  Endo;  die 
irolnischen  Tnippen  traten  unter  das  Kommando  Mortiers. 

Während  Djjbrowski  und  Zajqczek  Waffenruhm 
erwarben,  von  alt  und  jung  als  Helden  gepriesen  wurden, 
hatte  Fürst  Poniatow'ski  in  wahrer  Selbstverleugnung 
Pflichten  erfüllt,  die  wenig  Ruhm,  doch  um  so  mehr  Mühen, 
-irger  und  Vorwürfe  einbrachten.  Nach  Napoleons  Weisung 
vom  28. Januar“)  errichtete  er  die  Warschauer  Legion  in  der 
Stärke  von  sechs  Bataillonen.  Nachdem  zwei  derselben  das 
polnische  ,,OVjservationskoT|ts”  verstärkt  hatten,  verblieben  die 
anderen  als  Besatzung  in  Warschau  und  Praga.  Die  Redouten 
Von  Praga  wurden  durch  ein  Bataülon  besetzt,  ein  Bataillon 
bewachte  die  Schiffbrücke  zwischen  beiden  Orten,  die  rest- 
lichen zwei  Bataillone  versahen  tlen  inneren  Dienst. 

>)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV,  232. 

*)  Thiers,  VII,  497. 

’)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  242,  Nr.  11.706. 


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64 


J a a t. 


Die  provisorisclie  Eegiemng  war  ihren  Verpflichtungen 
redlich  nachgekommen.  Sie  hatte  die  Veq)flegung  der  „Grollen 
Armee”  ermöglicht  und  au  Trup])en  im  Verlauf  des  Feldzuges 
wohl  16.000  bis  17.000  Mann  aufgestellt ’i. 

Den  Wert  einer  solchen  Hilfeleistung  kann  nur  eine 
millgiuistige  Beimteilung  heraVisetzen.  Als  Besatzungs-  und 
Zemierungstruppeu  hatten  die  Polen  Erspriellliches  geleistet, 
im  Felde  redlich  ihren  Mann  gestellt;  ihre  Opferwilligkeit 
anzuerkennen,  gebot  nicht  politischer  Takt  allein,  sondern 
natürliches  Gerechtigkeitsgefülil. 

Noch  vor  AbschluÜ  des  F riedens  erhielt  F ürst  Poniatowski 
die  ihm  von  Preullen  seinerzeit  konfiszierten  Besitzungen  am 
rechten  Weichselufer  der  Starostei  Wielona  zurück,  Dijbrowski 
wurde  mit  der  Herrschaft  Winnagöra*)  im  Posener,  Zajaczek 
mit  Opatowek  im  Kaliszer  Kreise  heschenkt’). 

Nachdem  Napoleon  die  Hypothekarforderungen  des 
Königs  von  Preußen  auf  seinen  früheren  ]>ohiischen  Besitz 

')  Die  Schätzung  Hopfners,  III,  550,  der  bereits  im  April 
Ober  27.000  Polen  unter  den  Waffen  wissen  will,  ist  übertrieben. 
Richtiger  sind  Thiers  Angaben,  wonach  die  Stärke  der  Truppen 
bei  16.000  Mann  ausmachte.  Aua  Napoleons  Korrespondenz  ist  ein 
klares  Bild  nicht  zu  gewinnen.  Die  War.schauer  Legion  z.  B.  sollte 
(L.  i.  d.  Talleyrand,  245,  Nr,  331)  eine  Stärke  von  12.865  Mann  .besitzen, 
zählte  aber  gegen  Mitte  März  kaum  7500.  Das  grellste  Beispiel  über- 
treibender Ungenauigkeit  bieten  aber  Napoleons  Angaben  über  die  zu 
errichtende  Nobelgarde,  die  in  der  Korrespondenz  wiederholt  angeführt 
wird,  und  zu  der  Poniatowski  kaum  40  Mann  zusammenbracUte. 
(L.  i.  d.  Talleyrand,  332  und  4.3.3,  Nr.  245  und  293.) 

')  Hier  starb  auch  der  General  im  Alter  von  63  Jahren  am 
6.  Juni  1S18,  nachdem  er  seit  1815  sich  völlig  zurückgezogen  hatte. 
Nach  Kotaezko wskis  Schilderung  war  er  von  starker  Konstitution, 
groß,  heiter,  umgänglich  im  privaten  Verkehr,  im  Dienste  aber  ver- 
schlossen und  viel  fordernd.  Er  galt  als  „Vater  der  Soldaten”,  steigerte 
aber  seine  Ansprüche  in  Zeiten  der  Gefahr  aufs  höchste.  Er  liebte  es 
mit  Turenne  verglichen  zu  werden,  dem  er  n,aoheiferte.  Davout  fällte 
über  ihn  ein  weniger  günstiges  Urteil  (C.  d.  M.  D-,  Tom.  I,  345, 
Nr.  228);  „Le  gendral  Dorabrowski  cst  plein  de  bonne  volonte,  mais 
il  a peu  de  töte  et  de  mämoire,  il  ne  sait  rien.  II  s’en  faut  de  beaucoup, 
qu’il  jouisse  dans  ces  pays  de  la  consideration  de  Kosciuszko.” 

*)  Außer  diesen  Schenkungen  an  die  genannten  polnischen  Komman- 
danten hatte  Napoleon  auch  die  eigenen  Generale  für  ihre  Dienste  im 
,.polni.schen  Feldzuge”  reich  belohnt,  ohne  freilich  die  Finanzen  Frank- 
reichs zu  belasten.  Er  behielt  Krongüter  im  Schätzungswerte  von 


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Dm  Ilerao^um  Warschau. 


55 


für  sich  selbst  reserviert  hatte'),  erötfnete  er  am  7.  .Juli  ohne 
vorhergegangene  Verabredungen  dem  König  Friedrich 
August  von  Sachsen,  der  seit  dem  Posener  Friedensschluß 
vom  11.  Dezember  1806  aus  einem  Verbündeten  Preußens 
ein  ergebener  Rheinbundfürst  geworden  war  ®),  daß  er  Polen 
mit  Sachsen  vereinige  und  demselben  eine  Konstitution  gebe, 
welche  die  Ruhe  und  die  Freiheit  dieses  Volkes  sichere  ’). 

Das  Königreich  Polen  sollte  nicht  wieder  erstehen ; der 
Tilsiter  Friedensvertrag  schuf  ein  ..Herzogtum  Warschau” 
mit  einem  Flächenraiun  von  1851  Quadratmeilen  und  zirka 
2'/s  Millionen  Einwohnern  ■*).  Dies  war  Napoleons  Dank- 
geschenk an  die  i)olnische  Nation. 

26Vi  Millionen  Francs  zu  deren  Beteilung  zurück.  Davout  allein  erhielt 
die  Herrschaft  Lowicz  im  Worte  von  4,831.238  Francs.  (C.  d.  X.  I., 
Tom.X  V,  377,  Nr.  12.838;  378,  Nr.  12.839  ; 470,  Nr.  12.984.)  — „27Marschällcu 
und  Generalen  hat  er  [Napoleon]  die  Domänen  des  Königs  in  Polen 
verschenkt  und  dem  Sachsenkönig  das  ausgesogene,  luizufriedene 
Land,  was  so  betrogen  ist,  wie  noch  keine.s,"  schreibt  Königin 
Luise  von  Preußen  aus  Memel  vom  5.  August  1807  an  ihren 
Bruder.  (Briefe  der  Königin  Luise  an  ihren  Bruder  Erbprinz  Georg  von 
Mecklenburg-Strelitz;  veröifentlicht  von  Paul  Bailleu  im  Bd.  CV, 
191)0  der  „Deutschen  Rundschau’’  von  Julius  Rodenberg,  363  bis  397.) 

')  C.  d.  N.  I..  Tom.  XV,  377,  Nr.  12.838  ; 378,  Nr.  12.839  ; 470, 
Sr.  12.984  ; 481,  Nr.  13.007  und  d’Angeberg,  482:  Artikel  IV  der 
Konvention  zwischen  Frankreich  vmd  .Sachsen  vom  22.  Juli  1807. 

’)  SacKsen  hatte  zu  Beginn  des  Feldzuges  als  Verbündeter  Preußens 
Truppen  in  der  Stärke  von  19.400  Mann  aufgestellt,  die  in  den  Verband 
des  Prinzen  Friedrich  Ludwig  von  Hohenzollern-Ingelfingen 
traten.  In  der  unglücklichen  Schlacht  bei  Jena  hatten  zwei  sächsische 
Brigaden  lange  Zeit  standgehalten,  bis  sie  schließlich  noch  immer  kämpfend 
von  Murat  teils  zersprengt,  teils  zusammengehauen  wurden.  In  der  Ver- 
folgung seines  Sieges  suchte  Napoleon  Sachsen  von  Preußen 
abzuzieben  und  schloß  mit  dem  Kurfürsten  einen  gnädigen  Frieden. 
Friedrich  August  erhielt  den  Königstitel  und  trat  dem  Rheinbund 
bei.  Bereits  am  4.  Februar  1807  rückten  6000  Mann  sächsische  Tnippen 
unter  General  von  Polonz  ins  Feld,  um  als  Bundesgenossen  der- 
jenigen, die  vor  wenigen  Monaten  ihnen  als  Feinde  gegenübergestanden, 
gegen  ihren  früheren  Freund  zu  kämpfen.  Ihre  nächste  Bestimmung 
führte  sie  vor  Danzig,  an  dessen  Belagerung  sie  rühmlichen  .\nteil  nahmen, 
der  weitere  Gang  der  Ereigni.sse  auf  das  Schlachtfeld  von  Friedland. 
8iehe  darüber  auch  Tagebuch  Bray,  60,  56,  56. 

»)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV,  ;i04,  Nr.  12.872. 

•)  Anhang  VI  und  Weiß,  X,  1,  160. 


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II.  ABSCHNITT. 


Das  Herzogtum  Warschau  bis  zum  Eintritt  in  den 
Kampf  mit  Österreich  im  April  1809. 

1 . Politische  Bedeatung,  Verfassung,  Verwaltung  nnd  Armee 
des  Herzogtums. 

Nach  Absdduli  der  Dresdner  Konvention  vom  22.  Juli 
1807  welcho  dem  König  von  Sachsen  formell  <len  Besitz 
des  „Herzogtums  Warschau”  *)  einriiumte,  übernahm  Graf 
Guttakowski  dasselbe  am  17.  September  von  dem  fi’anzö- 
sisehen  Generalintendanten  Daru’).  Im  Kähmen  einer  Ver- 
fassung, welche  Napoleon  unter  Mitwirkung  von  sechs 
polnischen  De2)utierten  von  Dresden  aus  am  22.  Juh  dem 
neuen  Staate  gegeben  hatte  ^i,  sollte  derselbe  einer  gedeihlichen 
Entwicklung  entgegengelien. 

Als  politisches  Werk  war  die  Schöpfung  des  Kaisers, 
wie  selbst  Thiers  einge.steht ’),  ,,imprudent,  exces.siv,  chime- 
rifpie”,  denn  das  Herzogtum  erregte  vom  ersten  Tage  seines 
Bestandes  den  Argw'ohn  und  die  Besorgpiis  seiner  Nachbarn. 

')  d’Aiigeberg,  481. 

’)  Die  Bezeichnung  „Großlierzogtura  Warschau”  wurde  zum  er.sten 
Male  in  einer  ofßziollen  Urkunde  König  Friedrich  Wilhelm  III.  von 
Preußen  gebraucht.  Durch  den  Elbinger  Grenzvertrag  vom  10.  November 
hatte  sich  der  König  auch  zur  Abtretung  Neuschlosiens  an  Sachsen 
verstanden  und  durch  eine  Zuschrift  vom  26.  J.muar  1808  aus  Königs- 
berg die  Beiuuten  dieser  Provinz  der  Pflichten  gegen  ihren  früheren 
Souverän  entbunden.  (Journal  de  l’Erapire,  Korrespondenz  aus  Breslau 
vom  20.  Februar  1808.)  In  der  Folge  erscheint  die  Bezeichnung  „Groß- 
herzogtum” fast  häufiger  als  „Herzogtum”.  Die  erstere  bleibt  aber  immer 
unberechtigt ; auch  der  Wiener  Friede  spricht  nur  von  einem  Herzogtum 
Warschau. 

*)  d'A  n g e b 0 r g,  4.89. 

*)  d’Augeberg,  485.  In  Warschau  proklamiert  am  28.  Juli. 

*)  Thiers,  VII,  537. 


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Dab  Hersogtam  Warscliaa.  57 

Um  Österreichs  und  RuÜlands  Miütrauen  zu  beschudchtigen, 
vertraute  Napoleon  diesen  Keim  eines  polnischen  Reiches 
keinem  Prinzen  seines  Hauses  au.  Einen  Polen  zum  Herrscher 
einzusetzen,  dünkte  ihm  aber  auch  gefährlich,  denn  wie.  leicht 
konnte  ein  solcher  in  entscheidenden  Momenten  sich  RiiUland 
anschlieüen.  Warschau  in  der  Hand  des  Königs  von  Sachsen 
war  daher  die  beste  Ijösung  aller  politischen  Bedenken.  Zwei 
Könige  aus  dem  Kurhause  Sachsen  hatten  bereits  die  jrolnische 
Krone  getragen,  die  Kon.stitution  vom  .3.  Mai  1793  Friedrich 
August  auf  den  Thron  berufen,  falls  Stanislaus  August 
Poniatowski  kinderlos  sterben  würde.  Neben  dem  Vorteil, 
das  arme  Land  einem  reichen  Staate  anzugliedem,  gab  der 
Kaiser  der  Nation  einen  Herrscher,  den  sie  einst  selbst  ge- 
wüascht  hatte,  und  sicherte  sich  selbst  einen  treu  ergebenen 
Lehensmann. 

Für  Sachsen  bedeutete  die  Erwerbung  des  Herzogtums 
nin  eine  scheinbare,  rein  äutierliehe  Machtvergrößerung.  Eine 
im  .Jahre  1792  erschienene  Schrift  „Über  die  Annehmung 
der  ])olnischen  Krone”  hatte  mit  Geschick  die  Gründe  zu 
wi<ierlegen  gesucht,  welche  den  Kurfürsten  zur  Annahme  der 
ihm  angebotenen  Königswürde  hätten  bewegen  können.  Was 
der  Autor  damals  sagte,  paßte  auch  auf  das  Herzogtum 
Warschau.  ,,Der  Glanz  dieser  Krone  — ein  schwaches  Jjicht 
in  dicker  Finsternis.  Den  deutschen  Erbländem  Vorteile  zu 
verschaffen  — man  bietet  dir  herkulische,  undankbare  Arbeit, 
• •efahr  und  Bekümmernis.  Polen  ist  eine  erst  im  Werden 
begriffene  Macht,  seine  Krone  ziert  nicht,  ohne  mit  Korge 
zn  erfüllen.” 

Die  leise  Hoffming,  Sachsen  könne  dazu  berufen  sein, 
m Xorddeutschland  an  Preußens  Stelle  zu  treten  und  eine 
führende  Rolle  zu  spielen  ‘i,  vergiftete  die  Beziehungen  zu 

')  Dieses  Ziel  zu  erreichen,  bildete  den  Angelpunkt  der  säch- 
sischen Politik,  als  1809  der  frühere  Gesandte  in  Paris  Graf  Senf  ft 
die  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten  übernahm.  In  kaum  be- 
greiflicher Verkennung  aller  geschichtlichen  Verhältnisse  trug  sich 
derselbe  mit  dem  Plane,  auf  den  Trümmern  des,  wie  er  meinte,  für 
immer  und  ohne  Kettung  verlorenen  preußischen  Staates  eine  neue 
sächsisch-polnische  Zcntralmacht  in  Europa  aufzurichten.  Siehe  darüber 
Oncken,  II,  234. 


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58 


J U 8 t. 


«iiosem  Staate ; die  Rücksicht  auf  den  neuen  Besitz  trug 
überdies  wesentlich  dazu  bei,  Sachsen  au  dem  Bunde  mit 
Franki-eich  imerschütterlich  t'esthalten  und  dadurch  in 
Deutschland  immer  mein-  an  Einfluß  verlieren  zu  lassen. 

Das  Herzogtum  ^\'arsehau  brachte  also  seinem  Herrscher 
keinen  Gewinn.  Es  war  in  Wirklichkeit  eine  schwere  Last : 
die  Dornenkrone  Polens  drückte  in  veränderter  Gestalt  nicht 
minder  schwer  wie  früher.  Ein  weiser  EntsclJuß  des  Königs  hatte 
Verwaltung  und  Finanzwesen  seiner  beiden  Staaten  völlig  von- 
einander getrennt.  Obgleich  selbst  Talleyrand  den  zu  seiner 
Zeit  fvir  einen  aufmerksamen  Lauscher  wohl  bedenklich 
klingenden  Rat  erteilt  hatte,  keine  Geldopfer  liir  Polen 
zu  bringen,  die  wahi'scheinlich  für  Sachsen  verloren  sein 
würden,  schoß  König  Friedrich  August  doch  dem  War- 
schauer Staatsschatz  nach  und  nach  bei  30  Millionen  polnische 
Gulden*;,  endlich  selbst  aus  sächsischen  Kassen  2 */j  Millionen 
Gulden  vor  *). 

Selbst  den  Polen  bereitete  der  Tilsiter  Friedensvertrag  eine 
bittere  Enttäuschung,  die  auch  in  der  zeitgenössischen  Memoiren- 
literatur, wie  in  älteren  Geschichtswerken  scharfen,  ja  oft 
gehässigen  Ausdruck  gefunden  hat  ’).  Utopistische  Staatsideen 
hatte  Kapoleon  mit  der  Schafhing  des  Herzogtums  allerdings 
nicht  verwu'klicht,  aber  diePolen  dem  Zustand  politischer  Apathie, 
die  sich  allmählich  der  Gemüter  bemächtigt  hatte  ■*),  entrissen. 
Der  neue  Herzog  entstammte  dem  Blute  ihrer  einstigen  Könige 
und  erleichterte  der  Nation  hiedurch  die  Unterwerfung  unter 
einem  ausländischen  Herrscher.  Der  Schein  voller  Selbständig- 
keit wurde  umsomehr  erweckt,  als  schon  die  geographische 
Lage  es  hinderte,  das  Herzogtum  als  sächsische  Provinz  zu 
Ijetrachten.  Da  als  Dienst-  und  Armeesprache  die  polnische 
galt,  so  war  auch  dem  Nationalgefühl  keinerlei  Schranke 
gesetzt  worden. 

')  = 60  Heller. 

b Flathe,  III,  15. 

’)  Dies  gibt  auch  die  neuere  polnische  Literatur  zu.  Vergl. 
Bembowski,  577,  5S5,  welcher  in  objektiver  Weise  derer  Erwähnung 
tut,  die  in  der  Verfassung  des  Herzogtums  eine  gewaltige  Errungen- 
schaft für  Polen  erblickten. 

b Skarbek. 


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Dag  Herzogtam  Warschau. 


59 


Die  dem  Lande  gegebene  Yerfassung  *),  welcheNapoleun 
nach  Bericht  des  Augenzeugen  Wybicki  in  (eegenwart  der 
polnischen  Deputierten  in  kaum  einer  Stunde  dem  Staats- 
sekretär Maret  in  die  Feder  diktiert  hatte,  war,  durchw’eht  vom 
Deist  der  neuen  Zeit,  vollständig  nach  französischem  Muster 
zngeschnitten  imd  rief  deshalb  im  Lande  nur  geteilte  Eindrücke 
hervor.  Der  Adel,  dem  noch  immer  das  Übergewicht  gewahrt 
blieb,  konnte  die  imgebundene  Freiheit  des  ancieu  regime 
nicht  verschmerzen,  das  ^'olk  jedoch,  erst  jetzt  zu  politischem 
Leben  erweckt,  war  fiü‘  ein  solche.s  noch  unreif.  So  traten  die 
Vorzüge  der  Konstitution  viel  weniger  der  Nation  zu  Be- 
wiiütsein,  als  gerade  jene  Bestimmungen,  die  altpolnischem 
Brauch  und  Wesen  zuwiderliefen. 

Die  oberste  Kegiernngs-  und  gesetzgebende  Gewalt  lag 
in  den  Händen  des  Herzogs,  dessen  Würde  erblich.  Seine 
Einkünfte  bestanden  in  einer  Zivilhste  von  7 Millionen  ])ol- 
nischen  Gulden  (zur  Hälfte  aus  den  königlichtni  Domänen 
und  dem  StaaLsschatz),  dem  königlichen  Schloü  und  dem 
sächsischen  Palais  in  Warschau  *). 

Dem  Herzog  zur  Seite  stand  ein  Staatsrat  irada  stanui 
von  fünf  Personen,  rlem  nach  kgl.  Dekret  vom  5.  Oktober 
1807  der  Justizminister  Felix  Graf  Lubieiiski  — der  Minister 
des  Innern  Luszczewski,  ein  sehr  fähiger  und  arbeitski'äftiger 
Mann  — des  Ki'iegsFürst  Poniato  wski.  — der  Polizei  Alexander 
Potocki  und  Finanzminister  D^bowski  angehörten.  Als 
Bindeglied  zwischen  König  und  Staatsrat  wirkte  der  Staats- 
sekretär Stanislaus  Rreza.  In  Abwesenheit  des  Herrschers 
übte  die  oberste  Gewalt  ein  Vliuisterpräsident  aus.  damals 
Graf  V.  Malachowski. 

Der  Reichstag  bestand  aus  zwei  Kammern:  dem  Senat 
Izba  wyszszai  mit  18  vom  König  auf  Lebenszeit  ernannten 
Mitgliedern  und  dem  Abgeordnetenhaus  (Izbaposelskai,  welches 
60  vom  Adel  und  40  von  den  Stadtgenieinden  gewählte  Ver- 
treter begriff.  Alle  zwei  .Jahre  hatte  der  Reichstag  zu  einer 
Utägigcn  Session  zusammenzutreten.  Die  vom  Staatsrat 

')  d’Angeberg,  470. 

•)  Bezogen  bat  König  Friedrich  August  diese  Zivilliste  niemals, 
äa  die  Staatskasse  sie  nicht  anf/.ubringen  vermochte  und  die  Domänen 
keinen  Reinertrag  gaben. 


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60 


J Q ■ t. 


verfaßten  Gesetzentwürfe  wurden  dem  Abgeordnetenhaus  zur 
Beratung  und  Beschlußfassung  vorgelegt,  und  vom  Senat 
sanktioniert.  Stimmenmehrheit  entschied. 

Die  innere  Verwaltung  des  Reiches  war  von  streng 
zentralistischen  Gnmdsätzen  getragen.  Das  Land  zerfiel  in 
sechs  Departements : Warschau,  Kalisz,  Posen,  Bromberg, 

Plock,  LomÄa,  mit  je  einem  Präfekten  an  der  Sj)itze,  welche 
60  Distrikte  mit  Unterpräfekten  in  sich  sclilossen  ' i.  Die  Ad- 
ministration der  Städte  erfolgte  durch  amtlich  bestellte  Bürger- 
meister’!. Der  König,  beziehungsweise  der  Staatsrat,  ernannte 
alle  Beamten  — vom  Ministerpräsidenten  bis  zum  letzten  Amt.s- 
diener.  Diese  Organisation,  welche  dem  polnischen  Herkommen 
so  ganz  zuwider  Uef,  wäre  als  harter  Druck  empfunden  wor- 
den, wenn  nicht  die  Bestimmung,  daß  alle  Beamtenstellen 
nur  mit  Polen  besetzt  werden  sollten  und  bei  allen  amtlichen 
Akten  die  Kationalsjirache  anzuwenden  sei,  die  Fremdartigkeit 
teilweise  verwischt  hätte. 

Der  Titel  1 der  Verfassungsurkunde,  „IJber  die  Volks- 
rechte”, brachte  den  Polen  Emingenschaften,  die  sie  während 
des  ganzen  Bestandes  des  Königreiches  nie  genossen  oder 
erreicht  hatten.  Nachdem  als  Staatsreligion  die  katholische  fest- 
gesetzt wird,  neben  welcher  alle  anderen  Bekenntnisse  gestattet 
sind,  clekretiert  dieser  Titel  weiter:  „L’esclavage  est  aboli”, 
die  Leibeigenschaft  ist  aufgehol>en,  allen  Staatsbürgern  wird 
Schutz  des  Eigentums  und  der  Person,  Gleichheit  vor  dem 
Gesetz  zugesichert. 

Den  Bauern,  deren  trauriges  Los  in  unzähligen 
Berichten  mit  den  dunkelsten  Farben  geschildert  worden, 
war  die  Freiheit  geschenkt.  Schon  das  bloße  Gefühl  derselben 
erhob  sie  aus  Sachen  zum  Menschen ; die  Möglichkeit  Eigen- 
tum zu  erwerben  war  der  ländlichen  Bevölkerung  eröffnet 
und  ihr  dadiu'ch  der  Weg  zur  Ordnung  und  Zivilisation 
freigegeben.  Nur  stetiges,  rastloses  Fortschreiten  durch  eine 
Reihe  von  .Jahren  ließ  aber  dies  hohe  Ziel  eireichen,  in  einer 

')  Kgl.  Dekret  vom  li).  Dezember  1807. 

*)  Die  offenen  Landgemeinden,  über  welche  sich  die  Konstitution 
gar  nicht  aussprach,  konnten  nach  einem  kgl.  Dekret  ihre  Vorsteher 
(Vdjte)  selbst  wählen.  Damit  war  das  zentralistische  Prinzip  eigentlich 
durchbrochen. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


61 


kurzen  Zeitspanne  konnte  der  Freiheit  Segen  allerdings  nicht 
zu  tage  treten. 

Tausende  von  Bauern  traten  aus  dem  Hörigkeitsverhältnis 
und  verließen  ihre  Dörfer,  um  ins  Elend  zu  wandern.  Sie  waren 
vermögenslos,  suchten  Beschäftigung  bei  anderen  Herren,  deren 
Boden  und  Wii-tschaftsbetrieh  sie  nicht  kannten.  Die  frühere  Er- 
fahrungwar, wenn  nicht  ganz  verloren,  so  doch  von  wenigXutzen. 
Aus  früher  seßhaften  Landarbeitern  wurde  ein  demoralisiertes 
Proletariat.  Zu  früh  entmündigt,  wußten  die  Bauern  völlige  Frei- 
heit nicht  zu  schätzen  und  hielten  Nichtstun  für  ein  notwendiges 
Korrelat  derselben,  bis  Hunger  und  Not  sie  Beschäftigung  bei 
den  im  Lande  angeordueten  fortifikatorischen  Arbeiten  suchen 
hieß.  Der  Landwirtschaft,  der  eigentlichen  Einkommensquelle 
Polens,  entging  auf  diese  Weise  eine  Fülle  von  jVrbeit.skraft,  und 
damit  schwand  auch  die  Hoffnung  auf  erhöhten  Ertrag  des 
Grundbesitzes 

Hatte  sich  bei  der  Neuordniuig  des  staatlichen  Lebens 
gezeigt,  daß  manche  Bestimmungen  der  Verfassung  polnischem 
Wesen  stark  widerstrebten,  so  trat  dieser  Mangel  am  schärfsten 
im  Gerichtswesen  zu  tage.  Die  französische  (.Tesetzgebung 
hatte  wohl  die  in  den  übrigen  Staaten  des  Kontinents  herr- 
schenden Rechtssysteme  weit  überholt.  Die  Mündlichkeit  des 
zivilen  und  stratprozesstialen  A^erfahrens  entsprach  heutigen, 
ganz  modernen  Forderungen  und  trotzdem  war  die  voll- 
ständige Aufnahme  französischen  Rechtswesens  mit  dem  Code 
A'apoleon  als  bürgerbchem  Gesetzbuch  für  Polen  ein  Mißgriff 

Die  Rechtskontinuität  war  damit  unterbrochen.  Das 
bürgerliche  Gesetz  hatte  sofort  in  Kraft  zu  treten  und  war 
doch  niemandem  im  Lande  bekannt.  Alte  Rechtsstreitigkeiten 
mußten  teils  nach  preußischem  Landrecht,  teils  nach  früheren 
polnischen  Gesetzen  und  Rechtsgewohnheiten  entschieden 
«erden.  Richter,  welche  das  jetzt  geltende  Recht  gekannt 
hätten,  gab  es  nicht,  denn  vier  Jahre  nach  der  Einfülu'ung  des 
Code  existierte  noch  keine  genaue  jjolnische  Übersetzung <ies- 
selben.die  Hörer  der  neuerrichteten  Rechtsakademie  mußten  aber 
‘‘rsi  ihre  Studien  beenden,  ehe  sie  die  erw'orbenen  Kenntnisse 

')  Vergl.  Skarbek,  V,  189;  Tariiowski,  21;  Rembowski,  771; 
Jagegen  Ubaldus,  39. 

b Rembowski,  778. 


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62 


.Tust. 


verwertfn  konnten.  Es  trat  ein  Rechtswirrwan'  sondergleichen 
ein.  Dazu  kam  noch,  da 6 das  neue  Recht  in  vielen  Punkten 
auf  polnische  Verhältnisse  gar  nicht  anwendbar  war  und 
manche  seiner  Bestimmungen,  wie  vor  allem  im  Eherecht, 
sogar  das  religiöse  Empfinden  des  Volkes  verletzten.  Die  ün- 
zuf'riedenheit  mit  den  bestehenden  Rechtsnormen  steigerte 
sich  immer  mehr,  so  daß  der  Reichstag  vom  .lahre  1810  eine 
Besserung  nur  in  der  Aufhebung  des  ,,Code  civile”  erblickte. 

Über  das  Heerwesen  gab  der  Titel  X der  Verfassnngs- 
urkunde  bloß  ganz  flüchtige  Anweisungen.  Das  Herzogtum 
hatte  eine  Armee  von  30.000  Mann  Infanterie,  Kavallerie  und 
Artillerie  fdie  Xationalgarden  nicht  eingerechnet)  zu  unter- 
halten. Dem  König  von  Sachsen  wurde  das  Recht  eingeräumt, 
einen  Teil  dieser  Truj)pen  nach  Sachsen  verlegen  zu  können, 
doch  war  er  vei'pfiichtet.  den  .Abgang  im  Lande  sofort  durch 
ein  gleichgroßes  .sächsisches  Kontingent  zu  ersetzen. 

Die  .Abtretungskonvention  vom  22.  Juli  1807  *)  ergänzte 
diese  Bestimmungen.  Das  Herzogtum  hatte  für  die  Befestigung 
von  Thom,  die  Herstellung  des  Briiekenkopfes  von  Sieroqk 
und  die  Instandhaltung  wie  .Armierung  des  Brückenkopfes 
von  Praga  zu  sorgen. 

Im  Kriegsfall  waren  die  j)olni.schen  Truppen  wie  die 
aller  übrigen  Rheinbundstaaten  verpflichtet.  Napoleon  Heeres- 
folge zu  leisten.  Für  diese  Eventualität  hatte  bereits  Artikel  16 
des  Tilsiter  Friedensvertrages  eine  große  Alilitärstraße  zur  Ver- 
bindung des  Herzogtums  mit  Sachsen  gesichert,  welche  gleich- 
zeitig zim  Förderung  der  Handelsinteressen  dienen  sollte.  Die- 
selbe ging  ül)er  Guben,  Krossen,  Züllichau,  Köpnitz  au  die 
polnische  Grenze  und  von  hier  bis  AVarschau.  Trupj)entrans- 
porte  durften  von  den  preußischen  Zollbehörden  unter  keinerlei 
A'orwand  aufgehalten  werden  *i;  Bagagen  und  Mundvorräte 
waren  frei  von  allen  Abgaben. 

Eine  schwere  Vei-j)flichtung  hatte  König  Friedrich 
August  übeniommen,  indem  er  auf  das  „Anerbieten”  Napo- 

')  Convention  entre  la  France  et  la  Saxe,  coucernant  la  cession 
du  duclie  de  Varsovie.  (d’Aiigoberg,  4.81.) 

’)  Convention  entre  la  France  et  la  Frusse  relativement  ä la  route 
railitaire,  qui  sera  etablie  entre  la  Saxe  et  le  dnch6  de  Varsovie.  Elbing 
le  13  octobre  1807.  (d’Angeberg,  400.1 


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Du  Herzo);tam  Warschau. 


63 


leons  einging,  30.000  Mann  französische  Truppen  so  lange 
zuin  Schutze  des  Herzogtums  im  Tjande  zn  belassen,  als  die 
.\rmee  desselben  nicht  gänzlich  organisiert  und  die  neue 
Regierung  nicht  völlig  etabliert  sei ' i.  Die  Verpflegung  dieser 
Truppen,  deren  Sold  von  Frankreich  erfolgt  wurde,  trag  wesent- 
lich bei.  die  finanziellen  Schwierigkeiten,  mit  denen  der  junge 
Staat  zu  kämpfen  hatte,  noch  zu  vergrööem  und  Unzufrieden- 
heit im  Lande  zu  erwecken. 

Mit  den  Worten:  „Nierzadem  PoLska  stoi”  iDie  Unord- 
nung hält  Polen  aufrecht)  hatten  selbst  die  Polen  in  den 
letzten  Jahren  des  Königreiches  die  zerrütteten  und  verwor- 
renen Zustände  desselben  gekennzeichnet.  Die  Verfassung, 
welche  Napoleon  dem  Herzogtum  gewährt  hatte,  geeignet, 
Ordnung  und  Ruhe  zu  schaffen,  war  deshalb  ein  Segen  für  die 
Nation.  Nur  Tendenz  oder  Enttäuschung  leiten  zum  Teil  die 
Feder  jener  Schriftsteller,  welche  die  Schöj)fung  des  Kaisers  in 
heftiger  Weise  angreifen  *).  Eine  spätere  Zeit  brachte  den 
Polen  die  volle  Erkenntnis,  was  sie  Napoleon  verdankten. 
Der  revolutionäre  Reich.stag  des  Jahres  1830  gab  dem  toten 
Kaiser,  was  des  Kaisers  war,  Lob  und  Dank  in  den  Worten 
des  Manifestes’)  vom  18.  Dezember:  ,, Obgleich  eng  begrenzt, 
gewann  Polen  von  der  Hand  des  Helden  des  .Jahrhimderts 
seine  Sprache,  Gesetze,  Freiheiten ; große  Geschenke  und 
noch  größere,  Hoffnungen”. 

')  Artikel  VIII  der  Abtretungskonveution  (d’Angeberg, 482).  Die 
Dislokation  der  französischen  und  Warschauer  Truppen  anfangs  Oktober 
IW  siehe  Beilage  1. 

*)  Rüther,  24:  ,, Napoleon  hatte  einen  Staat  im  eigenen 
Interesse  mit  einem  .Scheiuparlamentarismus  wie  in  I’rankreicli,  mit 
französischen  Gesetzen  und  französischer  Verwaltung  geschatt’en,  be- 
stimmt, um  in  den  absoluten  Staaten  Propaganda  zn  machen.”  Flathe, 
16:  ,. Wirklicher  Herrscher  ist  Friedrich  August  in  Warschau  nie 
gewesen ; was  dort  geschaffen  wurde,  war  unter  dem  dünnen  Schleier 
einer  halb  nationalen,  halb  fremdländischen  Verwaltung  die  Napoleonische 
Despotie.”  Leie  vel,  41.Ö;  „Der  Staat  hatte  einen  König  von  Sachsen  zum 
Souverän,  sächsische  Münzen,  französische  Verfassung  und  Verwaltung, 
französische  Gesetze  und  einen  französischen  Residenten,  der  sich  be- 
ständig in  Warschau  aufhielt,  um  die  Durchführung  der  Befehle  seines 
Herrn  zu  überwachen.” 

Vollständig  abgedruckt  bei  Kaiser,  Geschichte  der  polnischen 
Revolution  vom  Jahre  1830,  I,  56. 


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3.  Wirtschaftliche  Notlage  des  Herzogtums  und  Versuche  zur 
Behebuug  derselben. 

Am  14.  November  1807  traf  König  Friedrich  Angust 
von  Sachsen,  der  bereits  am  23.  September  durch  eine  Prokla- 
mation seine  Reise  nach  Warschau  in  Aussicht  gestellt  hatte  ‘ i, 
mit  seiner  Gemahlin  nnd  einem  grollen  Gefolge  in  Posen  ein, 
nrn  sich  seinen  neuen  Untertanen  als  Herrscher  vorzustellen. 
Eine  Parade,  von  General  Dijbrowski  kommandiert,  gab  dem 
König  Gelegenheit,  das  ihm  vorgestellte  Offizierskorps  durch 
T.ob  auszuzeichnen  unrl  von  den  Tru[)pen  den  Eid  der  Treue 
entgegenzunehmen.  Eine  Woche  später  hielt  der  König  unter 
dem  Donner  der  Geschütze,  Glockengeläute  und  den  Klängen 
der  Militärmusiken,  die  sich  mit  den  jubelnden  Zurufen  des 
^’olkes  mischten,  feierlichen  Einzug  in  Warschau.  Hoffest- 
lichkeiten, Bälle,  Paraden,  Theatervorstellungen  *)  füllten  die 
ersten  Tage  seiner  Anwesenheit.  Die  wenigen  königlichen 
Dekrete  aus  dieser  Zeit  zeigen  nur  die  Absicht.  Napoleons 
Wünschen  in  allen  Stücken  gerecht  zu  werden  oder  der 
tiefen  Verehrung  für  den  Kaiser  Ausdnick  zu  geben 

Am  27,  Dezember  verließ  Friedrich  August,  von 
Marschall  Davout  und  allen  Generalen  bis  an  die  Stadtgrenze 
begleitet,  die  Hauptstadt  seines  neuen  Reiches.  Die  prunkenden 
Feste  waren  verrauscht;  nun  galt  es  an  ernste  Arbeit  zu 
schreiten  und  den  jungen  Staat  festzufügen  und  auszubauen. 

')  Auszug.swei.se  Abschrift  (d’Angeberg,  490):  Citoyens  du  duche 
de  Varsovie .'  La  paix  de  Tilsit,  le  rö.suUat  des  eöbrts  genereux  et  de 
vastes  conoeptions  du  heros  pacificateur  de  l’Europe,  vous  a soumis  a 
notre  couroime.  Apr^s  taut  de  troubles  et  de  boulevorseineuts,  qui  out 
dechire  votre  ]>atrie,  vous  trouverez  enßn  daii.s  uii  ordro  de  choses 
Stahle,  le  bonheur  et  la  tranquillite  ....  Braves  soldats  polonais!  Dej* 
l’Europe  vaiite  votre  Courage;  döjä  la  patrie  chante  vos  exploits,  que  la 
di.scipline  luilitaire  augmente  la  force  comme  les  succts  de  la  valeur. 

*)  Besondere  Begeisterung  erweckte  die  Aufführung  eines  Vers- 
stückes  „"Wittekind  und  Karl  der  Große’’.  Es  war  eine  wenig  ver- 
.schleierte  Apotheose  Napoleons.  AVittekind,  der  Ahnherr  des  sächsischen 
Königshauses,  huldigt  dein  großen  Prankenkönig. 

’)  So  das  Dekret  vom  12.  Dezember,  welches  die  Änderung  des 
.Straßennamens  „uUea  nüodowa”  in  „Napoloonsstraße”  verfügt  und  die 
Entsendung  einer  Deputation  nach  Paris  beschließt,  um  den  Ausdruck  der 
Ergebenheit  und  des  Dankes  dem  Kaiser  zu  übermitteln.  (A’ergl. 
.Skarbek,  III.) 


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Da«  Herzogtum  Warschau. 


65 


Hebung  der  Volksbildung,  Unterstützung  und  Pflege  aller 
den  Volkswohlstand  fordernden  Einrichtungen  hätten  das 
nächste  Ziel  der  Eegiening  bilden  müssen.  Km-  so  wäre  es 
möglich  gewesen,  ein  Leiden  zu  beheben,  an  welchem  das 
junge  Staatengebilde  vom  ersten  bis  zum  letzten  Tage  seines 
Bestehens  krankte  — den  chronischen  Geldmangel. 

Wünschte  Napoleon  in  der  polnischen  Armee  eine 
lirauchbare  Unterstützung  bei  seinen  militärischen  Plänen, 
einen  starken  Posten  auf  seiner  Beobachtungsstation  im  Nord- 
osten  Eiu'0])as  zu  besitzen,  so  erschien  der  Warschauer 
Regierung  die  Erhaltung  und  Kräftigung  des  Heeres  für  die 
Sicherheit  des  Staates  inmitten  feindhcher  Nachbarn  nicht 
minder  wichtig,  ja  das  Hauptziel  ihrer  Tätigkeit. 

Mochte  auch  der  Stand  von  30.000  Mann,  wie  ihn 
Napoleon  festgesetzt  hatte,  für  die  Einwohnerzahl  von 
2'/s  Jlillionen  Seelen  numerisch  nicht  zu  hoch  gewesen  sein, 
die  materielle  Leistungsfähigkeit  des  Landes  überstieg  er  doch 
weit.  Die  in  der  Dresdener  Konvention  übeniommene  Ver- 
pflichtung zur  Verpflegung  von  30.000  Manu  französischer 
Truppen,  sowie  der  Ausbau  der  festen  Plätze  verursachten 
derartige  Kosten,  daß  der  Militäretat  fast  die  gesamten  Staats- 
einnahmen verschlang  ‘).  Es  hätte  einer  Reihe  von  .Jahren 
ruhiger  Entwicklung  bedurft,  ehe  die  wirtschaftlichen  Ver- 
hältnisse des  Herzogtums  sich  soweit  gebessert  hätten,  daß 
das  Land  ohne  Schaden  tiir  sein  Gedeihen  Ausgaben  zu 
bestreiten  vermocht  hätte,  wie  sie  gleich  in  den  ersten  Monaten 
seines  Bestandes  zu  leisten  waren. 

Polen  war  ein  Agrikultmstaat.  Industrie  und  Bergbau 
gab  es  nicht,  die  gewerbliche  Tätigkeit  stand  auf  der  untersten 
Stufe  der  Entwicklung,  die  Vielizucht  war  vernachlässigt 
worden.  Die  einzigen  Einnahmsquelleu  lagen  im  Ex])ort  von 
tretreide,  Brennholz  und  Holzkohlen.  Die  Ausfuhr  war  aber 
durch  den  Krieg  1806 — 1807  nahezu  völlig  aufgehoben.  Für 
ilne  liiefeningen  während  des  Krieges  erhielten  die  Grund- 
besitzer nur  ganz  geringe  Summen  oder  gar  nichts,  und  der 
Friede  brachte  keine  Bessenmg.  Was  an  Exportartikeln  bis  Danzig 
gelaugte,  ließ  die  KoutinentalspeiTe  nicht  aufs  Meer  bringen. 

Flathe,  23. 

Mitt«üuDgen  des  k.  und  k.  Khegsarchivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  o 


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G6  J o 8 t. 

Die  Landwirtschaft  lag  völlig  darnieder.  Mit  ehernen 
Schritten  hatte  der  Krieg  von  dem  Wenigen,  was  der  schlecht 
bestellte  Boden  tmg,  mir  allzuviel  niedergestamiift.  Die  kleinen 
Grundbesitzer,  die  schon  seit  dem  Eevolutionskrieg  mit 
Schwierigkeiten  zu  kämjifen  gehabt,  kamen  um  Haus  und 
Hof,  die  größeren  waren  nicht  melir  im  .stände,  ihre  Schuld- 
ziinson  zu  zahlen  und  mußten  zum  Verkauf  schreiten.  Speku- 
lanten erwarben  oft  um  ein  Viertel  des  wirklichen  Werte.s  das 
Land,  die  Hj’potheknrgläubiger  aber  kamen  um  ihr  Geld. 

Der  Bankerott  von  allen,  die  noch  etwas  zu  verlieren 
hatten,  der  gänzliche  '\'orfall  von  Handel  und  Landwirtschaft 
bedrohten  das  neue  Herzogtum  und  machte  seine  finanzielle 
Lage  von  Anbeginn  zu  einer  verzweifelten.  Die  notwendigen 
Ausgaben  zur  Einführung  der  neuen  Verwaltung,  die  Heeres- 
kosten, Verpflichtungen  der  „provisorischen  Regierung”  aus 
der  Zeit  des  letzten  Krieges  wollten  gedeckt  sein.  In  der 
ersten  Begeisterimg  liir  die  nationale  Sache  hatten  freiwillige 
Gaben  der  besitzenden  Klassen  der  Unzulänglichkeit  der 
Staatsmittel  abgeholfen,  jetzt  aber  waren  diese  Quellen  ver- 
siegt und  in  den  Staatsschatz  flössen  ganz  geringe  Einnahmen. 
Die  Hauszinssteuem  der  Stäflte  gaben  einen  kargen  Ertrag, 
die  Akzisen  und  Stempeltaxen  brachten  wenig,  da  Handel  und 
Wandel  damiederlagen,  die  Grundsteuern  endlich  liefen  in 
dieser  Kotstandszeit  der  Landwirte  nur  spärlich  ein.  Trotzdem 
blieben  die  von  Napoleon  seinen  Generalen  geschenkten 
polnischen  Güter  im  Werte  von  26’  '*  Millionen  Francs ')  eximiert. 
Als  die  Regierung  von  diesen  Militärlehen  Steuern  einhebeii 
und  die  Waldungen  als  Nationalgut  behandeln  wollte,  klagten 
die  Generale  beim  Kaiser.  Berthier  stieß  in  des.sen  Namen 
den  bereits  durch  den  König  von  Sachsen  bestätigten  Beschluß 
des  Warschauer  Finanzministers  um  und  erklärte,  es  habe 
niemand  das  Recht,  die  Geschenke  des  Kaisers  in  ihrem  Werte 
zu  vermindern;  der  Kaiser  allein  könne  die  Lasten  festsetze.n, 
die  auf  Eeichslehen  haften,  w’elche  in  Polen  lägen.  Die 
Stem[)eltaxen  für  die  Einregistrierung  derselben  hätten  zu 
entfallen,  die  Waldungen  auch  in  Zukunft  bei  den  Gütern 
zu  verbleiben,  zu  denen  sie  von  jeher  gehört  hätten  *i. 

■)  Siehe  S.  .')4.  Fuünote  3. 

*)  AVeiß,  X,  1.  Heft,  Ud.  I. 


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Das  Harsogtnm  Warschau. 


67 


Sollte  jetzt  im  Frieden  nicht  von  Staats  wegen  dort 
genommen  werden,  wo  noch  etwas  zu  holen  war,  so  mußte 
die  Regierung  Mittel  ergreifen,  um  das  Defizit  von  21  Millionen 
polnischen  (.lulden,  welches  das  Budget  des  Jahres  1808  auf- 
vries '),  zu  decken. 

In  dieser  Absicht  wurden  zunächst  die  Ansprüche  der 
Laudesbewohner  an  die  Staatskasse,  die  noch  aus  der  Kriegs- 
zeit datierten,  überrechnet  und  durch  eine  Kommission 
liquidiert,  die  neuen  Lasten  aber,  welche  diuch  die  Ver- 
pflegung der  französischen  Truppen  entstanden,  ents])rechend 
verteilt. 

Schwieriger  gestaltete  sich  cUe  Aufnahme  einer  Staats- 
anleihe auf  die  Nationalgüter.  War  eine  solche  bei  den  kriege- 
rischen Zeitläuften  und  dem  noch  wenig  entwickelten  Geld- 
wesen damals  selbst  für  größere  Staaten  nur  schwer  erreichbar, 
so  schien  sie  für  Polen,  welches  im  .\uslanfl  gar  keinen 
Kredit  besaß,  kaum  aufzubringen.  Erst  als  Marschall  Da vout 
und  Fürst  Poniatowski  sich  bereit  erklärten,  mit  ihrem 
Grundbesitz  für  eine  Summe  von  je  öOO.OOO  [)ohiischen  Gulden 
livqjothekarisch  zu  haften,  und  diesem  Beispiel  der  Hochadel 
•les  Landes  gefolgt  war,  kam  die  Anleihe  in  der  Höhe  von 
4'  1 Millionen  zu  stände  *). 

Den  meisten  Erfolg  zur  Stärkung  des  Staatsschatzes 
versprach  sich  aber  die  Hegierung  von  der  Erwerbung 
der  sogenannten  preußischen  Schuldforderungen  (creances 
pru.ssiennes ). 

Bereits  vor  Abschluß  dos  Tilsiter  Friedens  hatte  der 
französische  Generalintendant  Daru  ein  Verzeichnis  aller 
Hvqjothekarforderungen  entworfen,  welche  der  preußische  Staat 
aut'  Gnindstücken  des  nachmaligen  Herzogtums  Warschau 
besaß.  Obgleich  nun  der  Artikel  25  dieses  Friedeiisvertrages 
das  Eigentum  von  öffentlichen  Anstalten  ausdrücklich  von 
der  Beschlagnahme  ausschloß,  so  waren  doch  auch  Posten 
der  Berliner  Bank  und  der  Seehandlung,  deren  Fonds  wenigstens 
ziun  größten  Teil  der  preußischen  Regierung  zustanden,  wie 
Forderungen  der  Witwenkasse  und  des  Potsdamer  V'aiseu- 
hauses  von  Daru  in  seine  Lüste  aufgenommen  worden,  die 

’)  Flathe,  17. 

’j  Journal  de  l’Empire,  Mitteilung  aus  Warschau,  20.  April  1808. 

5* 


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68 


.last. 


nun  einen  Gesamtbetrag  von  43,466.220  Francs  samt  4 Millionen 
rüokständigen  Zinsen  aufwes'). 

Am  11.  Februar  war  die  bereits  erwähnte*)  polmache 
Deputation  in  Paris  eingetroffen  und  hatte  mit  Übergehung 
des  sächsi.achen  Gesaiidteu  Grafen  Henfft  um  Audienz  gebeten. 
Berichte  Davouta  über  die  Zustände  des  Herzogtums,  in 
dem  noch  immer  Unordnung  herrsche,  hatten  Napoleons 
Mißstimmung  erhöht,  die  sich  dann  über  die  Mitglieder  der 
Dej)utation  in  höchst  ungnädiger  Weise  entlud.  „Wenn  sie 
ihre  alten  Intrigen  und  den  Geist  der  Unruhe  fortsetzten, 
so  werde  er  sie  Gehorsam  leimen  und  ihnen  so  viele  Trui)pen 
schicken,  daß  sie  vernünftig  werden  sollten  *).” 

Diese  Sprache  schüchterte  die  Polen  umsomehr  ein, 
als  sie  nicht  bloß  gekommen  waren,  lun  Napoleon  ihre 
Ergebenheit  auszudrücken,  sondern  auch  Erleichterungen  für 
das  Herzogtum  zu  erwirken,  namentlich  aber  gegen  die 
Strenge,  mit  der  von  den  Grundbesitzern  Bezahlung  der  in 
den  Besitz  des  Kaisers  übergegangenen  Hjqjothekarschulden  ver- 
langt wurde,  bittliche  Vorstellungen  zu  erheben.  Dies  brachte 
Napoleon  auf  den  Gedairken,  dem  König  von  Sachsen  die 
Überlassung  jener  Forderungen  anzubieten  und  auf  diese  W'eise 
eine  rasche  Kealisierung  in  barem  Gehle  für  sich  selbst  zu  erzielen. 

Der  Vorschlag  scliien  bei  oberflächlicher  Betrachtung 
liöchst  annehmbar.  Er  bot  den  Vorteil,  daß  die  Forderungen 
eines  fremden  Souveräns  zu  Rechtsansprüchen  der  eigenen 
Regierung  wurden,  welche  ja  bei  der  Eintreibung  der  Schuld 
gewisse  Rücksichten  walten  lassen  konnte.  Bei  dem  Uber- 
nahmspreis  von  20  Millionen  Francs  versprach  das  Geschäft 
dem  Warschauer  Staatsschatz  einen  erklecklichen  Gewinn 
einzubringen  und  wurde  denn  auch  durch  die  Konvention 
von  Bayoune  am  10.  Mai  abgeschlossen').  Napoleon  trat  in 
derselben  die  ,,creances  prussiennes”  gegen  die  Summe  von 
20  Millionen  Francs,  zahlbar  in  drei  Jahresraten  mit  fünf- 
prozentiger  Verzinsung,  an  das  Herzogtum  Warschau  ab. 
Preußen  mußte  in  einer  am  8.  September  1808  zu  Paris  unter- 

*)  Flathe,  10. 

’)  Siehe  Seite  (U,  Fußnote  3. 

•l  Ompteda,  II. 

*)  Anhang  TU. 


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Das  Heno^am  Warschau, 


69 


zeichneten  Konvention  gegen  einen  Naclilaü  an  der  Kriegs- 
steuer  in  der  Höhe  von  14  Millionen  Francs  ausdrücklich  auf 
alle  Schuldforderungen  verzichten,  die  ihm  an  Privatpersonen 
im  Herzogtum  zustanden. 

Der  einzige  Vorteil,  welchen  die  Bayonner  Konvention 
den  Polen  brachte,  war  der,  daü  sie  wenigstens  der  Verpflichtung, 
die  Veq)flegung  der  französischen  Armee  zu  besteeiten,  von 
mm  ab  enthoben  wurden.  Dieser  Nutzen  aber  war  gering  an- 
znschlagen  gegenüber  der  Flut  von  Verlegenheiten,  welche 
in  der  Ordnung  der  finanziellen  Angelegenheiten  nunmehr 
entstanden.  Die  Warschauer  Regierung  hatte  unsichere  For- 
demngen  an  sich  gebracht  und  war  selbst  Schuldner  geworden. 
Ihr  Gläubiger  trat  bei  der  Eintreibung  der  Ratenzahlungen 
so  hart  auf,  wie  sie  selbst  aus  Rücksicht  für  das  Gemeinwohl 
gegen  ihre  eigenen  Untertanen  aber  nie  Vorgehen  konnte.  Die 
Steuerrückstände  schwollen  an,  Schuldzinsen  wurden  nicht 
gezahlt,  da  der  Boden  den  heimischen  Grundbesitzen!  kaum 
einen  Reinertrag  abwarf,  die  Staatskassen  blieben  leer,  während 
Frankreich  pünktliche  Einhaltung  der  Termine  verlangte  und 
auch  durchsetzte. 

Durch  die  Haltung  der  preußischen  Regierung  erwuchsen 
überdies  neue,  gar  nicht  geahnte  Schwierigkeiten.  Preußen 
reklamierte  den  größten  Teil  der  auf  Darus  Etat  gebrachten 
Summen  als  nicht  dem  Staate,  sondern  öffentlichen  Anstalten 
gehörig  und  verweigerte  aus  diesem  Grunde  die  Herausgabe  iler 
Schuldiirkundeu ')•  Ohne  Rückgabe  derselben  erklärten  aber 

')  Sachsen  versuchte  betreffs  der  Ausfolgung  der  IlypotUekar- 
schnlddokumente  einen  gütlichen  Ausgleich  mit  Preußen  herbeizuführen. 
Ein  nin  10.  September  1810  getroffenes  Abkommen  wurde  aber  annulliert, 
ila  Napoleon  am  7.  Oktober  an  den  König  von  Sachsen  schrieb;  „Ich 
begreife  nicht,  wozu  Sie  Preußen  brauchen,  um  Schuldner  zur  Zahlung 
zu  nötigen,  welche  Ihre  Untertanen  sind,  zumal  diese  Forderungen  in 
Hypotheken  bestehen.  Nach  meiner  Meinung  bedürfen  Sie  der  Dokumente, 
welche  der  König  von  Preußen  hat,  durchaus  nicht.  Sie  brauchen  die- 
selben nur  durch  ein  Dekret  für  null  und  nichtig  zu  erklären  und  den 
Schuldnern  bei  Strafe  der  E-vekution  zu  befeblen,  daß  sie  an  den  Schatz 
iie.s  Herzogtums  zahlen.  Als  ich  Hessen-Kassel  erwarb,  bemächtigte  ich 
mich  auch  der  Forderungen  des  Kurfürsten  und  die  Schuldner  haben 
bezahlt  und  bezahlen,  ohne  daß  ich  die  Schulddokumente  besitze. 
(C.  d.N.  I.,  Tom.  XXI,  201,  Nr.  17.019.  An  Uhampagny  in  der  gleichen 
Sache,  281,  Nr.  17.066.) 


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70 


.T  a B t. 


auch  die  polnistoheii  (imiidbesitzer  keine  Zahlungen  zu  leisten. 
Zwangsmaßregeln,  wie  Suhhastation  der  Güter,  konnte  die 
Warschauer  Regierung  jedoch  nicht  ergreifen,  da  sich  wegen 
Entwertung  von  Grund  und  Boden  keine  Käufer  gefunden 
hätten.  Machtlos  .stand  sie  einer  Flut  von  Wirrungen  gegen- 
über, die  sie  freilich  selbst  hervorgerufen  hatte.  Die  Einkünfte 
des  Staates  flössen  als  Schuldraton  zum  größten  Teil  in 
Frankreichs  Kas.«en  und  dem  Lande  ging  eine  für  die  damalige 
Zeit  ganz  ungeheuere  Barsumme  verloren. 

3.  Die  polnische  Armee. 

Das  Wort,  die  Polen  wüßten  wohl  für  die  Freiheit  zu 
sterben,  nicht  aber  für  sie  zu  leben,  bewahrheitete  sich  auch 
jetzt,  als  es  galt,  die  neue  Verfassung  zu  voller,  gedeihlicher 
Entwicklung  zu  bringen.  Der  Nation  traten  gerade  jene  Be- 
stimmungen der  Konstitution,  die  altem  polnischen  Brauch 
und  Wesen  zuwider  liefen,  viel  stärker  zu  Bewußtsein  als  die 
Vorzüge,  die  ihr  eigen  waren.  So  zeigte  sich  denn  nur  ein 
höchst  geringer  Eifer  bei  dem  .\ufliau  der  inneren  Einrich- 
tungen, und  es  brauchte  geraume  Zeit,  bis  die  Staatsmaschiue 
halbwegs  in  Gang  kam. 

In  einer  Beziehung  allein  herrschte  im  ganzen  Lande 
schrankenlose  Opferfreudigkeit ; werktätige  Fürsorge  galt  der 
Annee.  Diese  erinnerte  diuch  ihre  Feldzeichen*)  in  den 
nationalen  Farben  mit  dem  weißen  Adler  an  das  alte  König- 
reich, wurde  in  der  Landess])rache  kommandiert  und  führte 
den  Namen  „polnische  Armee”.  Auf  ihre  Ausrüstung  und 
Verstärkung  war  das  ganze  Interesse  der  Regienuig  gerichtet. 

Ehe  eine  feste  Gliederung  derselhen  verwirklicht  werden 
konnte,  war  es  nötig,  zu  bestimmen,  unter  wessen  Befehle 
einzelne  aus  dem  Kriege  stammende  Formationen  zu  treten 
hätten.  Es  waren  dies  die  ..Nordlegion”,  das  „erste  polnische 
Husarenregiment”  und  die  „Legion  polacco-italienne”. 

')  Die  "Weihe  derselben  hatte  am  Gedenktage  des  3.  .Mai  während 
des  Krieges  in  Warschau  stattgefunden.  Talleyrand  berichtet  Napo- 
leon über  diese  ,.cirdmonie  brillante”,  an  welcher  auch  Deputationen 
von  llegimentern  der  ,,<.!roßen  Armee”  teilgonomraen  hatten.  (L.  i.  d.  T. 
'Iü3,  Nr.  312);  ausführlich  hierüber  Ubaldus. 


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Das  Hercogtam  Warsobau. 


71 


Die  Nordlegion*)  unter  Kommando  des  Obersten  Puthod, 
deren  Stamm  preußische  Deserteure  und  Kriegsgefangene 
polnischer  Abkimft  bildeten,  war  während  des  Feldzuges  vor 
Danzig  imd  Kolberg  in  Verwendung  gestanden*).  Nach 
.\bsclüuß  des  Friedens  erklärte  ihr  Kommandant,  die  Legion 
habe  mit  den  polnischen  Truppen  nichts  zu  schaffen,  worauf 
Fürst  Poniatowski  in  seiner  Eigenschaft  als  Warschauer 
Kriegsminister  durch  Wochen  hindimch  Berthier  um  eine 
Entscheidung  bat.  Napoleon  stellte  es  schließlich  der  Legion 
frei*),  ob  sie  in  polnische  oder  französische  Dienste  treten 
wolle.  Obgleich  sich  dieselbe  nuu  für  das  Verbleiben  unter 
polnischen  Fahnen  entschloß,  so  gab  MarschaU  Davout  den- 
noch dem  General  Rapp,  welchem  die  Legion  unterstellt  war, 
den  Befehl,  dieses  Korps  so  lange  als  möglich  unter  seinem 
Kommando  zu  behalten,  da  son.st  nur  die  Verlegenheit  der 
Warschauer  Regierung  erhöht  würde,  welche  ihre  eigenen 
Tnippen  nicht  bezahlen  könne.  Im  September  1807  wiurde 
die  Legion,  zirka  2000  Mann  stark,  nach  Posen  verlegt  und 
den  Truppen  D^browskis  einverleibt.  Die  Mehrzalü  der  fran- 
zösischen Offiziere  trat  nunmehr  aus  ihrem  Verbände,  da  sie 
die  Sprache  nicht  verstanden  und  als  Fremde  behandelt 
wurden  *). 

Das  polnische  Husarenregiment  gab  den  Grund  zu 
einer  umfangreichen  Kon-espondenz  zwischen  Davout  und 
Berthier*!.  Wie  es  zu  diesem  Namen  gekommen,  wußte 
niemand  zu  sagen.  Von  einem  Franzosen  Prenac  in  Warschau 
errichtet,  war  es  eine  kimze  Zeit  vom  Fürsten  Johann  Sul- 
kowski,  später  von  Oberst  Kalinowki,  dessen  Ernennung 
durch  Berthier  erfolgt  war,  kommandiert  worden.  Das 
Regiment  zählte  am  8.  Oktober  1806  ungefähr  520  Mann  unrl 
stand  nach  einem  Dekret  vom  12.  März  1807  in  französischem 
Solde.  Eine  einzige  Kompagnie,  112  Mann  stark,  war  auf 


■)  C.  (1.  D.,  Tom.  II,  13,  Nr.  352  ; 23,  Nr.  357  ; 41,  Nr.  367  ; 54,  Nr.  376  ; 
»5,  Nr.  ,378;  64,  Nr.  383;  113,  Nr.  411  und  Seite  50,  Fulinote  2. 

*)  Hopfner,  IV,  5.55. 

*)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV,  449. 

*)  C.d.N.I.,  Tom.  XVI,  85,  Nr.  13.249;  C.  d.  D.,  Tom.  II.  113,  Nr.  411. 
C.  d.  D.,  Tora.  II,  29,  Nr.  362 ; 42,  Nr.  367  ; 71,  Nr  387  ; 86, 
N’r.  393 : 108,  Nr.  405. 


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Kosten  des  Obersten  bekleidet,  aber  ohne  Waffen,  der  Rest 
aber  in  Landestracht,  nnaiiagerüstet,  ohne  Pferde  „dans  le 
])lus  grand  ötat  de  denüment”.  Davout  bat  dringend  um 
eine  Entscheidung  des  Kaisers,  denn  es  sei  unmöglich,  in 
einem  Regimente  Disziphn  aufrecht  zu  erhalten,  welches 
weder  bekleidet  sei,  noch  Sold  erhalte.  GL.  Rozniecki,  welcher 
in  der  neuen  polnischen  Armee  den  Posten  eines  Kavallerie- 
inspektors bekleidete,  hielt  über  Davouts  Befehl  eine 
Musterung  ab,  welche  ein  so  traiuiges  Resultat  ergab,  daß  sich 
der  Marschall  bewogen  fühlte,  400  Paar  Schuhe  und  ebenso 
viele  Mäntel  ausfolgen  zu  lassen,  da  die  Leute  sozusagen 
,, nackt”  seien.  Am  27.  Oktober  1807  erging  endlich  eine 
Order  Berthiers,  welche  die  Eim'eihung  des  Regiments  in 
das  Lanciersregiment  der  „Legion  polacco-italienne”  verfügte. 

Diese  Legion,  deren  Entstehung  und  \’erwendung  bereits 
geschil<lert  worden  '),  war  nach  dem  Tilsiter  Frieden  unter 
Kommando  des  Generals  Grabinski  mit  zwei  Lifanterie- und 
einem  Lanciersregiment  in  der  Gesamtstärke  von  mehr  als  2000 
Mann  in  Breslau  verblieben.  Nach  den  Weisungen  Napo- 
leons vom  13.  Oktober  1807*)  sollte  ihr  Stand  erhöht  wer- 
den und  sie  in  die  Dienste  des  Königreichs  Westfalen  treten, 
da  die  Mittel  des  Herzogtums  Warschau  kaum  für  die  eigene 
Armee  ausreichten.  Fürst  Poniatowski  erhielt  den  Befehl, 
Mannschaften  auszuheben  und  nach  Magdebiug  abzuschicken, 
wo  die  Ausrüstung  der  Legion  durchgeführt  werden  sollte. 
Die  Ereigpiisse  in  Spanien  bewogen  aber  Napoleon,  diesem 
Tru])penkörper  eine  andere  Bestimmung  zu  geben.  Die 
Legion,  die  zu  Beginn  des  Jalires  1808  nach  Mainz  abgerückt 
war  und  drei  Infanterie-  und  ein  Kavallerieregiment  formierte, 
wiude  als  „Legion  de  la  Vi.stide”  b nach  Paris  und  von  hier 
nach  Spanien  instradiert,  wo  sie  einen  Teil  des  III.  Korps 
unter  Marschall  Jloncey  ausmachte  und  einen  hervorragen- 

’)  Siehe  Seite  44,  Fuünote  2 und  weiters  C.  d.  D.,  Tom.  II,  13, 
Nr.  Sr>2;  23,  Nr.  357 ; .55,  Nr.  378;  64,  Nr.  383 ; 137,  Nr.  427:  178. 
Nr.  452;  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV,  470,  Nr.  12.984. 

*)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVI,  a5,  Nr.  13.249. 

’)  Ebenda,  355,  460,  Nr.  13.706 ; 48H,  Nr.  13.734.  Eine  zweite  Legion 
de  la  Vistule  wurde  1809  aufgestellt,  1810  aber  der  ersten  einverleibt. 
(Balaguy,  I,  40,  41,  Beilage  D;  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIX,  224,  Nr.  15.504.) 


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Das  Hersogtum  Warschau. 


73 


den  Anteil  an  der  Belagerung  von  Saragossa  nahm.  Ihren 
Gesamtstand  vom  15.  November  1808  weist  Anhang  VIII  mit 
7014  Mann  (6178  Mann  Infanterie  und  836  Lauciers)  aus. 

Hiezu  kam  jetzt  noch  das  Regiment  der  (Chevaulegers  ‘), 
welches  Napoleon  für  seine  Garde  auszuheben  befohlen 
hatte.  Während  des  Krieges  waren  trotz  allem  Brängen 
Napoleons  kaum  hundert  Mann  für  dieses  Regiment  aus- 
gerüstet worden,  denn  es  fehlte  nicht  bloß  an  Mannschaft, 
tur  welche  der  Kaiser  Adehge  imd  Personen  von  Stand  und 
Ansehen  wünschte,  sondern  auch  an  Pferdematerial*).  Nach 
dem  Abschluß  des  Friedens  war  Oberst  Graf  Vinzenz  Kr  asinski 
eifrig  bestrebt,  sein  Regiment  zu  komplettieren,  allein  er  stieß 
auf  Schwierigkeiten,  die  er  schheßlich  nur  durch  das  energische 
Eintreten  Davouts  überwand. 

Die  Übernahme  von  Offizieren  untl  Mannschaft  der 
polnischen  Kavallerieregimenter  zur  französischen  Garde,  wie 
sie  Napoleon  wünschte,  fand  im  Herzogtum  wenig  Anklang. 
Davout  erblickte  in  dem  Fürsten  Poniatowski  die  Seele 
dieser  Opposition  und  beklagte  sich  über  denselben  beim 
Kaiser  in  heftiger  Weise.  Poniatowski  habe  sieh  geäußert, 
wie  könne  man  als  guter  Pole  nur  daran  denken,  für  Frank- 
reich Truppen  zu  werben,  wenn  man  sich  an  das  Schicksal 
der  Polen  auf  San  Domingo  erinnere.  Offiziere,  welche  sich  zum 
Übertritt  gemeldet,  habe  der  Fürst  bestraft,  Personen  aber, 
welche  als  Gardisten  einzutreten  Lust  zeigten,  Unterleutnants- 
stelleninder Linie  angeboten.  Auf  die  Einwendungen  des  Grafen 
Krasi  nsk  i habe  Poniatowski  erklärt,  Bitb'u  in  dieser  Richtung 
nicht  willfahren  zu  können,  da  die  polnischen  Regimenter 
EU  sehr  geschw'ächt  würden. 

Davout  ergriff'  energische  Mittel,  um  den  Willen  des 
Kaisers  diu'chzusetzen.  Er  erhob  Vorstellungen  bei  der  Re- 
gierung, die  der  Heeresleitung  den  gemessenen  Aul'trag  erteilte, 
dem  Übertritt  keinerlei  Schwierigkeiten  zu  bereiteji.  Unter 
solchem  Hochdruck  w^ar  es  dem  Marschall  Ende  Dezember  end- 
lich möglich  geworden,  einen  Teil  des  Regiments  abzuschicken, 
dem  freilich  erst  am  15.  Dlärz  1808  das  letzte  Detachement 

b C.  d.  D.,  Tom.  U,  Nr.  :184,  389,  421,  430,  4.%.  Effektivstand  739 
Maua.  Siehe  Anhang  VIII. 

b Siehe  Seite  37  und  54,  Fußnote  1. 


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74 


Just. 


folgen  konnte.  Es  erhielt  den  Befeld  nach  Spanien  abzurücken 
und  ei’W'arb  sich  durch  seine  gänzende  Attacke  bei  Sommosiera 
am  30.  November  1808  unvergänglichen  Ruhm  '). 

Nachdem  die  polnische  Heeresleitung  zunächst  die  in 
Frankreichs  Dienste  tretenden  TruppenabteUuugen  ergänzt 
hatte,  war  es  ihr  möglich,  der  eigenen  Armee  eine  feste 
Gliederung  zu  geben.  Den  Weisungen  Napoleons  gemäß 
hatte  das  Herzogtum  ein  Heer  in  der  Gesamtstärke  von 
30.000  Mann  zu  erhalten,  welches  in  drei  Legionen  formiert 
war.  .\n  der  Spitze  der  ersten  (Warschauer)  Legion  stand  Für.st 
Josef  Poniatowski,  welchem  gleichzeitig  als  Kriegsminister 
die  Armeeleitung  zukam;  die  zweite  (Kaliszer)  Legion  befehligte 
General  Zajaczek,  die  dritte  (Posener)  General  Dijbrowski. 

Jede  Legion  bestand  aus  4 Infanterieregimentem  ä 
2 Bataillonen  *i,  2 KavaUerieregimentem  1 1 .Jäger-,  1 ülanen- 
regiment)  ä 3 Eskadronen,  1 Kompagnie  Fußartillerie  ’i  mit 
6 Geschützen,  1 Sappeiu’kompagnie,  1 Trainkompagnie  in  «ler 
Gesamtstärke  von  zirka  10.000  Mann.  Die  Uniform  der  I.egionon 
war  die  gleiche;  sie  unterschieden  sich  mu'  durch  die  Auf- 
schläge und  Passepoils  ^ i. 

Die  Infanterie  zählte  12  Regimenter,  welche  nach  franzö- 
sischem Muster  aus  dem  Regimentsstab,  2 Feldbataillonen  und 
einem  De|)ot  bestanden  h. 


')  Es  war  eine  der  glänzendsten  Heitertaten  aller  Zeiten.  Eine 
Eskadron  des  Regiments  sprengte  den  steilen  Weg,  der  zur  Höhe  der 
Puerto  de  Sommosiera  (1443  m hoch)  führte,  gegen  die  spani.sche  Stellung 
hinan.  60  Pferde  und  Reiter  stürzen  im  furchtbaren  Geschützfeuer,  über 
die  Gefallenen  hinweg  brausen  die  Übriggebliebenen  in  die  spani.sclien 
Batterien.  Die  Kanoniere  werden  niedergehauen  und  weiter  jagt  der 
Harst.  Die  nachfolgende  zweite  Eskadron  tindet  bereits  freie  Bahn  und 
keinen  ernstlichen  Widerstand;  Napoleon  war  der  Weg  nach  Madrid 
frei.  (C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVIII,  Nr.  14.524,  14.770,  14.81U.  — Balagny, 
Tom.  II,  402  bis  460.) 

’)  Die  Aufstellung  dritter  Bataillone  erfolgte  anfangs  1809,  als 
ein  Kampf  mit  Österreich  immer  wahr.srheinlicher  wurde. 

*)  Die  Fußartillerie  weist  bereits  Ende  1808  eine  ganz  andere 
Gliederung  auf.  Sie  zäldt  nach  Soltyk  1000  Mann  in  3 Bataillonen 
zu  je  3 Kompagnien.  (Anhang  IX.) 

‘)  C.  d.  D.,  Tom.  II,  11,  Nr.  3.52  und  Soltyk,  105. 

“)  Die  polnischen  Quellen  geben  hierüber  ganz  lückenhafte  Angaben 
und  müssen  durch  die  Korrespondenz  Napoleons  ergänzt  werden.  Als 


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Dm  Hersogtam  Warschau. 


75 


Das  Feldbataillou  formierten  1 Grenadier-,  1 Voltigeur- 
und  4 Füsilierkompagnien ; für  die  Einteilung  jedes  Mannes 
war  ausscHießlich  dessen  Qualifikation  entscheidend ; die  besten 
imd  größten  Leute  gehörten  der  Grenadier-,  die  zum  Tiraillieren 
geschicktesten  der  Voltigeurkomi)agnie  an. 

Der  Bataillonskommandant  mit  seinem  Adjutanten  und 
zwei  Unteroffizieren  zählte  auf  den  Stand  des  Eegiments- 
stabes. 

Die  Komi)agnie  hatte  3 Offiziere  (l  Kapitän  und 
2 Leutnants),  14  Unteroffiziere,  121  Manu,  2 Tambours,  daher 
in  Summe  3 Offiziere  und  137  Mann'). 

Bei  der  Aufstellung,  die  in  drei  Gliedern  erfolgte, 
standen  die  Grenadierkomjtagnien  am  rechten,  die  Voltigeur- 
kompagnien  am  linken  Flügel,  die  Füsilierkompagnien  bildeten 
die  „Compaguies  du  centre”. 

Die  Bewaffnung  der  Infanterie  war  ungleichmäßig  mit 
Gewehren  preußischer  oder  französischer  Herkunft ; die 
Dotierung  mit  Kriegstaschenmunition  schwankte  zwischen 
50  bis  60  Patronen  für  das  Feuergewehr. 

Die  sanitäre  Ausrüstung  beschränkte  sich  auf  die  Zuwei.sung 
ärztlichen  Personals,  das  mit  Medikamenten  und  Verband- 
mitteln versehen  war,  zumeist  aber  den  Ansprüchen  der  Trupjte 
nicht  gerecht  werden  konnte. 


Oeneral  F i s z e r,  der  Chef  des  polnischen  Generalslabes,  im  Februar  1809 
in  Paris  weilte,  nm  Napoleon  über  die  geplante  llestringiemng  der 
Infanteriebataillone  auf  570  Mann  (6  Kompagnien  ä 9.5  .Mann)  zu 
berichten,  erklärte  Napoleon,  daß  ein  solches  Bataillon  viel  zu  schwach 
wäre  und  jeder  Festigkeit  entbehren  würde.  Die  Bataillone  müßten  auf 
den  Stand  von  840  Mann  gebracht  werden.  Diese  Ziffer  entspricht 
genau  dem  Stand  des  französischen  Butaülous.  (C.  d.  N.I.,  Tom.  XV'lll,  276, 
Sr.  14.794;  2S0,  Nr.  14  800:  Mayerhoffer,  Die  französische  Armee  in 
Denlschland  hei  Ausbruch  der  Krieges  im  Jahre  1809;  Organ  1902, 
Bd.  LXV',  Heft  .3.)  Die  Stärke  der  Stäbe,  wie  die  Gliederung  der  Depots 
ließen  sich  nicht  mit  Sicherheit  fe.ststellen,  dürften  jedoch  analoger  Weise 
den  französischen  Ständen  entsprechen. 

')  Das  Regiment  zählte  daher  einen  Gesamtstand  von  zirka 
1711  .Mann,  und  zwar  Regimentsstab  8 Offiziere,  23  Mann,  1 Oberst 
als  Kommandant,  2 Bataillonskommandanten,  3 .Adjutanten,  1 Officier 
payeur,  1 .Arzt,  1 Tambourmajor,  1 Tambourkorporal,  8 Musiker,  4 Unter- 
offiziere der  Bataillonsstäbe,  9 ärztliche  Gehilfen  und  2 Feldbatuillone 
mit  einem  Stand  von  je  840  Mann. 


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76 


Just. 


Zur  Trahiausrüstung  gehörte  ein  ärarisches  Fuhrw'erk 
für  je  ein  Regiment. 

Die  Gefechtsausbildung  der  Infanterie  erfolgte  nach 
französischem  Vorbilde,  umsomehr  als  Marschall  Davout 
während  seiner  Anwesenheit  im  Herzogtum  als  Höchst- 
kommandierender im  Lande  den  größten  Einfluß  auf  die  Aus- 
bildung aller  polnischen  Truppenteile  nahm. 

Die  Kavallerie  zählte  3 Regimenter  Jäger  zu  Pferd  und 
3 Ulanenregimeuter. 

Jedes  Regiment  gliederte  sich  in  den  Stab,  3 Eskadronen 
ä 2 Kompagnien  und  in  das  Depot,  welches  eine  Eskadron 
formierte  '1.  Die  Eskadron  hatte  einen  Stand  von  250  Reitern, 
das  Regiment  zirka  800  Mann  *i. 

Die  Jäger  zu  Pferd  trugen  einen  geraden  Pallasch  und 
zwei  Pistolen,  die  Ulanen  Säbel,  Lanze  mit  blau-weiß-roten 
Fähnchen  und  Pistolen. 

Das  Pferdematerial  war  gut  und  ausdauernd. 

Die  GUedenuig  der  Artillerie  in  drei  Kompagnien  erwies 
sich  mit  Rücksicht  auf  den  Dienst  in  den  festen  Plätzen  sehr 
bald  als  unzureichend;  bis  Ende  des  Jahres  1808  wurden  3 Ba- 
taillone zu  je  3 Kompagnien  und  1 Komj)agnie  reitende  Artillerie 
aufgestellt.  Ihre  Stärke  betrug  1050  Mann  iind  935  Pferde*). 

Das  Geschützmaterial  wies  die  verschiedensten  Modelle 
und  Kaliber  auf.  Es  waren  243  Geschütze  (hievon  93  Feld- 
geschütze! vorhanden  ■*  I. 

Im  Verband  jeder  Legion  stand  eine  Sappeur- zu  160  und 
eine  Trainkompagnie®)  zu  165  Mann.  .Außer  diesen  existierte 
eine  llandlangerkompagnie  in  der  Stärke  von  50  ^lann  und 
eine  ganz  geringe  Anzahl  (8i  von  Pontonieren.  Die  Sappeure 
waren  mit  Beil,  Gewehr  und  einem  kurzen  Säbel  bewaffnet. 

Die  .Ausrüstung  der  Truppen  ließ  sehr  viel  zu  wünschen 
übrig.  Die  Gewelue  waren  meist  alt,  reparaturbedürftig,  von 

')  Den  vollen  Stand  eines  Itegiments  gibt  Soltyk  mit  1047  Mann 
an,  was  mit  Balaguy  ungefähr  gleichkommt,  der  1055  Mann  zählt. 

•)  Die  Komplettioraug  auf  den  vollen  Stand  wurde  erst  im 
März  1809  angoordnet,  gelangte  jedoch  nicht  zur  Durchführung. 

*)  .Anhang  IX. 

0 Sol tyk,  111. 

Soltyk,  109. 


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Das  Herzogtum  Warschau  77 

verschiedenem  Kaliber;  nicht  besser  stand  es  mit  dem  Ge- 
schützmaterial * i.  Die  berittenen  Truppen  klagten  über  den 
Mangel  an  Sätteln  und  Zaumzeug,  der  Infanterie  fehlte  es  an 
Reserveschuhen.  Die  Regierung  zahlte  wohl  den  Sold,  aUein  die 
.\dministrationsbeamten  der  Legionen  erhielten  keinerlei  Fonds 
zur  Unterhaltung  von  Armatur  imd  Rüstung.  Eine  Aushilfe 
durch  Frankreich,  wie  sie  Davout  vom  Kaiser  erbat,  wies 
dieser  kinzweg  von  der  Hand  *). 

Die  Heeresergänzung  regelte  eine  vom  König  von 
Sachsen  am  9.  Mai  1808  erlassene  Konskriptionsordimug  ®,i. 
Die  Begeisterung,  welche  die  Polen  während  des  Krieges 
unter  die  Fahnen  geführt  hatte,  war  langsam  erloschen,  die 
-Abgänge  konnten  durch  freiwilligen  Eintritt  der  mannbaren 
Jugend  nicht  mehr  ergänzt  werden.  Über  Betreiben  Xapoleons 
hatte  nun  König  Friedrich  August  auf  der  Basis  des  fran- 
zösischen Konskriptionssystems  das  neue  "Wehrgesetz  ein- 
gefiihrt. 

Die  Konskribierten  zerfielen  in  vier  Altersklassen  vom 
21.  bis  22.,  23.  bis  24.,  25.  bis  26.  und  27.  bis  28.  Lebensjahr. 
Außerdem  wurden  noch  Listen  über  die  Männer  von  29  bis 
50  Jahren,  welche  die  Reserve  bildeten,  geführt- 

Das  jährliche  Rekrutenkontingent  setzte  der  König  fest. 
Sechs  Liniendienstjahre  befreiten  von  jeder  weiteren  Dienst- 
leistung. Die  zum  Dienste  Ausgelosten  konnten  Stellvertreter 
stellen.  Stellungsflucht  wurde  mit  1000  polnischen  Gulden 
betraft;  im  FaUe  der  Betrag  nicht  einzubringen  war,  hatte  die 
zuständige  Gemeinde  hiefür  aufzukommen.  Befreit  vom  Waffen- 
dienste waren  Beamte,  Geistliche,  Lehrer,  Rabbiner  und 
Kantoren. 

Um  dem  Mangel  an  Offizieren  zu  steuern,  winde  Offi- 
zieren, die  in  Polen  oder  im  Ausland  Militärdienste  geleistet 

')  Davout  fand  von  HO  Feldgeschützen  nur  40  in  brauchbarem 
Zustand.  (C.  d.  D.,  Tom.  II,  227,  Nr.  472.) 

•)  C.  d.  D.,  Tom.  n,  146,  Nr.  433  und  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVI,  372,  Nr.  13.599 
«US  Magdeburg.  Davout  hatte  um  Überlassung  von  5<).ÜOO  bis  80.000  Paar 
Schuhen  gebeten. 

*)  Anhang  X.  Dieselbe  erregte  im  Herzogtum  grobe  Mißstimmung 
und  fand  heftige  Gegner,  so  daß  Davout  an  Napoleon  berichtete, 
ihre  Ausführung  bliebe  am  besten  bis  auf  weiteres  verschoben.  (C.  d.  D., 
Tom.  n,  228.  Nr.  475 ; 243,  Nr.  480.) 


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78 


Just. 


liatten,  die  Mögliclikeit  des  Eintritts  in  die  Armee  eröffnet ' i. 
Dieselben  konnten  sich  einer  Prüfung  vor  zwei  Brigade- 
generalen  unterziehen  und  wurden  dann  je  nach  dem  Umfang 
der  bewiesenen  militärischen  Kenntnisse  als  Offiziere  über- 
nommen. 

Zur  Heranbildimg  eines  Offiziersnachwuchses  wuirflen 
eine  Ingenieurschule  zu  Warschau  und  zwei  Kädettenschulcn 
in  Kalisz  und  Kidm  errichtet. 

Als  Gerichtsstand  für  alle  Jlilitärijersonen  sowohl  in 
zivil-,  wie  strafrechtlicher  Beziehung  fungierten  die  allgemeinen 
bürgerlicheil  Gerichtshöfe.  Eine  der  ersten  Verordnungen  des 
Königs  von  Sachsen  hatte  die  bis  dahin  bestehenden  besonderen 
Militärgerichte  aufgehoben*)  und  damit  eine  noch  heute  heftig 
diskutierte  Frage  über  die  E,\emj)tion  der  Mihtärpersonen  in 
ganz  modernem  Sinne  entschieden. 

Zur  freudigen  Genugtuung  der  ganzen  Armee  war  der 
militärische  Verdienstorden,  den  der  letzte  König  von  Polen 
über  Anraten  seines  Nefien,  des  Fürsten  .Josef  Poniatowski, 
im  Jahre  1792  gegründet,  auf  Pußlands  Forderung  aber  bald 
aufgehoben  hatte,  vom  König  von  Sachsen  wieder  erneuert 
worden*).  Offiziere  und  Soldaten,  die  im  letzten  Feldzug 
sich  ausgezeichnet  hatten,  erhielten  dieses  Zeichen  besonderer 

')  Journal  de  l’Empire,  1.  September  1807. 

*)  Ebenda,  Warschau,  vom  2.  Oktober  1807.  Den  Grund  zu  dieser 
Verfügung  gaben  die  zahlreichen  Ausschreitungen  der  Truppen  gegen  die 
ansässigen  Deutschen.  Fürst  Poniatowski  hatte  bereits  vor  Erlaß  der 
königlichen  Verordnung  den  Truppen  unter  Androhung  der  schärfsten 
Strafen  verboten,  die  deutschen  Kolonisten,  deren  Industrie  dem  Staate 
nützlich  sei,  durch  Wort  oder  Tat  zu  beleidigen. 

*)  Der  Orden  war  dem  österreichischen  Militär-Maria  Theresien- 
Orden  nachgebildet ; Anspruch  auf  denselben  gab  nur  ausgezeichnetes 
Verhalten  vor  dem  Feinde.  Der  Orden  hatte  drei  Klassen,  für  Mannschaft 
silberne  und  goldene  Medaillen,  mit  deren  Besitz  aucli  der  Bezug  einer 
Reute  verbunden  war.  Das  Ordenszeiehen  bestand  aus  einem  goldenen, 
mit  schwarzem  Email  überzogenen  Kreuz,  an  dessen  Enden  die  In- 
schrift: „virtuti  militari”  angebracht  war.  In  einem  Mittelscbild  war 
der  von  einem  Lorbeerkranz  umgebene  weiße  polnische  Adler  ange- 
bracht. Die  Keversseite  fülirte  in  einem  dunkelblauen  Mittelschild  die 
Worte:  „regi  et  patriae”.  Eine  ausführliche  Darstellung  der  Geschichte 
dieses  Ordens  enthalten  die  Jahrbücher  für  die  deutsche  Armee,  1898, 
Bd.  108 


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Das  Herzogrtam  Warsohaa. 


79 


Tapferkeit  vor  dem  Feinde  *) ; der  Kriegsminister  beglück- 
wünschte die  Beteilten  in  einem  besonderen  Tagesbefehl 
und  gab  damit  die  Stimmung  der  ganzen  Armee  wieder  •). 

Die  äußeren  Formen  ftir  die  Entwicklung  des  Heeres  waren 
gegeben,  die  losen  Truppenteile  in  festen  Eabmen  gefügt  und 
doch  fehlte  ihm  die  Seele  aller  gedeihlichen  militärischen 
Tätigkeit  — der  Geist  des  Gehorsams  und  des  einheitlichen 
Zusammenwirkens.  Diesen  zu  erwecken  und  stets  wach  zu 
'•rhalten,  mußte  die  erste  und  wichtigste  Sorge  der  Heeres- 
verwaltung sein. 

Während  die  Generale  Dijbrowski  und  Zajijczek  die 
ihnen  von  Napoleon  geschenkten  Güter  bewirtschafteten 
und  mm  zeitweüig  ihre  Truppen  in.spizierten,  blieb  die  Last 
der  höchsten  administrativen  Stellung  auch  nach  dem  Kriege 
dem  Fürsten  Josef  Poniatowski  anvertraut,  der  ,,dies  .Amt 
gerne  abgegeben  hätte,  wäre  jemand  anderer  nur  bereit 
gewesen,  es  zu  übernehmen”*).  Schon  am  5.  August  1807 
hatte  derselbe  iu  einem  Tagesbefehle  ■*  i das  Ziel  bezeichnet, 
dessen  Erreichung  ihm  stets  vor  Augen  bleiben  werde,  die 
Erziehung  zu  Ordnung  und  Gehorsam.  Napoleon  sei  mit  den 
Polen  zulneden  gewesen,  habe  ihren  Mut,  ihre  Unerschrockenheit 
anerkannt,  jedoch  auch  hervorgehoben,  sie  verständen  weder 
genaue  Ausfühnmg  von  Befehlen,  noch  eiidieitliches  Wirken, 
welches  den  wahren  Soldaten  erst  ausmache.  Sie  hätten  miU- 
färische  Ehre  erworben,  aber  noch  nicht  genug  für  sich  und 
den  Euhm  des  A^aterlandes  getan.  Hiezu  seien  Eintracht, 
•^hdnung  und  Gehorsam  nötig,  die  zu  erwerben  ihr  Bestreben 
sein  müsse. 

Während  des  Krieges  war  an  eine  gi'ündliche  Ausbildung 
der  Truppen  nicht  zu  denken  gewesen.  Die  Alannschaft 
bestand  aus  Freiwilligen,  bei  welchen  strenge  Disziplin  und 
Zucht  zu  üben  oft  vermieden  wimde,  um  den  Eifer  und  die 
Begeisterung  für  die  nationale  Sache  nicht  zu  vermindern. 
Uerade  die  moralische  Erziehung  des  Mannes  zu  Ordnung, 

' An  die  Auszahlung  der  mit  diesem  Orden  verbundenen  Iteuten 
konnte  freilich  des  herrschenden  Geldmangels  wegen  nicht  gedacht  werden. 

*)  Anhang  XI. 

*)  Pami^tniki  Drzewieokiego,  21U. 

*)  Anhang  XIL 


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80 


.)  a ■ t. 


Selbstzucht  und  0]>ferfreudigem  Gehorsan)  bildet  aber  die 
Grundlage  lur  alle  weitere  militärische  Friedensausbildung 
und  deshalb  ging  Fürst  Poniatowski  mit  größtem  Eiter 
daran,  dies  Ziel  als  erstes,  wichtigstes  anzustreben. 

Nach  dem  Spruche  Friedrich  II.  liegt  „der  Geist  der 
Armee  in  den  Offiziers”.  Gerade  bei  den  höchsten  Offi- 
zieren aber,  den  Legionskommandanten  Dqbrowski  und 
Zajaczek*)  stieß  Fürst  Poniatowski  auf  L’nbotmäßigkeit. 
die  sich  auch  uach  unten  fort|)flanzte  und  seine  Bemühungen. 

')  Bereits  in  jungen  Jahren  war  derselbe  in  die  polnische  Armee 
eingetreten  und  hatte  sich  als  Generalstabschef  des  Kronfeldherrn  Grafen 
Branioki  verwendbar  gezeigt,  später  auch  im  politischen  Leben  eine 
bedeutende  Rolle  gespielt.  Im  polnischen  Freiheitskampf  wurde  er  am 
8.  Juni  von  den  Russen  unter  Der  fei  den  bei  Chelm  geschlagen  und 
bei  der  Verteidigung  Pragas  gegen  Suworow  verwundet.  Ob  der  Vor- 
wurf des  Verrates,  der  nach  dem  Falle  Pragas  gegen  ihn  erhoben 
ward,  begründet  sei,  ist  unerweislich.  Nach  einer  längeren  Haft  in 
Österreich  trat  er  in  die  italienische  Legion  ein,  schloß  sich  Napoleon 
auf  dem  Zuge  nach  Ägypten  an  und  verblieb  sodann  in  französischen 
Diensten.  Im  Lager  von  Boulogne  kommandierte  er  eine  Division  und 
erschien  über  Befehl  Napoleons  in  Posen,  um  die  Aufstellung  der 
Kaliszer  Legion  in  Angrilf  zu  nehmen.  Seiner  Tätigkeit  als  Komman- 
dant des  „polnischen  Observationskorps”,  die  ihm  manchen  berechtigten 
Tadel  von  Seite  des  Kaisers  einti-us',  wurde  bereits  im  I.  Abschnitt 
gedacht.  — Während  des  I’eldzuges  1809  trat  seine  alte  Gegnerschaft 
und  der  lang  verhaltene  Groll  gegen  den  Fürsten  Poniatowski  so 
oü'en  und  scharf  zu  tage,  daß  ihn  dieser  gleich  in  den  ersten  Tagen  der 
Kampagne  von  der  Feldarmee  entfernte  und  mit  einer  „entlegeneren” 
besonderen  Mission  betraute.  Nach  der  Räumung  Warschaus  durch  die 
k.  k.  österreichischen  Truppen  erlitt  Zajijczek  bei  der  Verfolgung  des 
detachierten  G.M.  Freiberrn  von  Mohr  bei  Jedlinsko  am  11.  Juni  eine 
empfindliche  Schlappe.  — Beim  Rückzug  der  ,, Großen  Armee”  von 
Moskau  1812  verlor  er  ein  Bein,  was  die  allgemeine  Meinung  etwas  zu 
seinen  Gunsten  beeinflußte.  Als  Polen  nach  den  Bestimmungen  des 
Wiener  Kongresses  als  Königreich  an  Rußland  fiel,  nahm  er  1815  als 
Greis  den  Posten  eines  „kaiserlichen  Kommissärs  bei  der  Regierung 
von  Polen”  an,  dem  jedoch  seine  Kräfte  nicht  gewachsen  waren.  — 
Persönlicher  Mut  und  Kaltblütigkeit  werden  ihm  nachgerühmt.  Ehrgeiz 
und  Wankelmut  aber  bilden  Schattenseiten  seines  Wesens,  das  sich 
keiner  allgemeinen  Sympathien  erfreute.  Die  Memoiren  der  Gräfin 
Potocka,  250,  sprechen  von  ihm  als  ,, Emporkömmling  und  Schmeichler 
Napoleons”  und  tadeln  herbe  seine  „knechtische  Unterwürfigkeit  gegen 
den  Zaren  .Alexander,  dem  er  mit  derselben  Ergebenheit  wie  vordem 
Napoleon  zu  dienen”  erklärt  habe. 


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Das  HenogtoiQ  Warschau. 


81 


wahre  Harmonie  zu  erzielen,  paralysierte.  Zajt^czek  erklärte, 
französischer  General  zu  sein,  und  verweigerte  offen  den 
(iehorsam,  so  daß  Fürst  Poniatowski  sich  bei  Davout  in 
den  bittersten  Worten  beklagte.  Zaj^czeks  Betragen  sei 
..skandalös”,  geeignet  des  Fürsten  Ansehen  völlig  zu  untergraben. 
Erst  als  Davout  mit  allem  Nachdruck  betonte,  Zaj^czek 
wie  Dijbrowski  hätten  mit  der  französischen  Armee  nichts 
zu  schaffen,  sondern  stünden  im  Dienste  des  Herzogtums, 
ließen  beide  von  ihrer  offenkundigen  Opposition  gegen  den 
Kriegsminister  ab*).  Volle  Genugtuung  erhielt  Fürst  Ponia- 
towski trotzdem  auch  jetzt  nicht,  denn  beide  Generale 
wurden  nur  angewiesen,  die  Verfügungen  des  Kriegs- 
miiiisters  in  ministeriellen  Angelegenheiten  zu  respektieren, 
wahrend  sie  alle  übrigen  Befehle  von  Davout  als  dem 
Hüchstkommandierenden  aller  Truppen  im  Herzogtum  em- 
pfangen sollten  *). 

Davout  zw'eifelte  .selbst  daran,  zwischen  den  polnischen 
Generalen  ein  gutes  Einvernehmen  herzustellen  •);  ein  gedeih- 
liches Zusammenwirken  derselben  blieb  ansgeschlossen.  Selbst 
kleinliche  Angelegenheiten  gaben  Grujid  zu  laugen  und  ge- 
reizten Auseinandersetzungen.  D q b r o w'  s k i remonstrierte 
gegen  die  hohe  Nummernbezeichuung  der  Infanterieregi- 
menter seiner  Legion,  welche  doch  vor  der  des  Fürsten 
errichtet  worden  sei*);  Zaji^czek  aber  hatte  immer  zu 
klagen,  daß  Fürst  Poniatowski  die  Truppen  der  eigenen 
Legion  bevorzuge  und  den  Bedarf  an  Ausrüstungsgegen- 
ständen und  Monturssorten  für  die  zweite  Legion  nur  schlecht 
und  nachlässig  decke. 

Nationale  Begeisterung  hatte  im  Kriege  die  Tru])j)en 
zusammengehalten,  Zwietracht  und  Unbotmäßigkeit  drohte 
die  Friedensarbeit  zu  stören,  für  w'elche  der  Armee  nur  eine 
kurze  Zeitspanne  beschieden  sein  sollte. 


■)  C.  d.  D.,  Tom.  U,  11,  Nr.  ,S52;  119,  Nr.  416;  125,  Nr.  420;  C.  d. 
X.  I..  Tom.  XV,  545,  Nr.  19.072. 

•)  C.  d.  D.,  Tom.  II,  24,  Nr.  857. 

*)  Ebenda,  25,  Nr.  3.59 : ,,Jo  ferai  tout,  ce  qui  dependra  de 
moi  pour  maintenir  la  bonne  harmonie  entre  les  g^näraux  polonais, 
mais  je  crains  bien  de  n'y  pas  räussir." 

*)  Ebenda. 

Uitteilangen  dos  k.  and  k.  KriegsarchivB.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  6 


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82 


Just. 


4.  Einfluß  der  französischen  Heeresleitung  auf  die  polnische 
Armee,  Vorkehrungen  in  Rücksicht  auf  den  Krieg  in 
Spanien  und  den  drohenden  Kampf  mit  Österreich. 

Wie  in  allen  Rheinbundstiiaten  mußte  auch  im  Herzog- 
tum Warschau  die  militärische  Größe  Napoleons  bestimmend 
auf  den  Geist,  die  Ausbildung  imd  Verwendung  der  Truppen 
in  Friedens-  und  Ki’iegszeiten  wii'ken.  Die  junge  Armee,  die 
unter  französischen  Adlern  ihre  erste  größere  W^alfentat  ver- 
richtet hatte,  erblickte  im  Sieger  von  Friedland  nicht  bloß  ihren 
Schöpfer,  sondern  auch  Schützer  und  Förderer.  Sein  Geburts- 
tag, der  Tag  der  Kaiserkrönung,  die  Erinnerung  an  die 
Schlachten  bei  Jena  und  Auerstädt  winden  durch  militärische 
Paraden  gefeiert,  die  Armeebefelde  *i  verkündeten  immer  wieder 
des  Imperators  Ruhm.  Selbst  die  Errichtung  von  Denkmälern 
und  Triumphbögen  wurde  beschlossen  *j  und  nur  der  Krieg 
mit  Österreich  verhinderte  die  Ausführung  derselben. 

Schon  die  erste  Proklamation  des  Pürsten  .Josef  P o n i a- 
towski  vom  August  1807  hatte  des  eigenen  Souveräns  nicht  mit 
einem  Worte  gedacht  und  dadurch  migewoUt  das  eigenartige 
Verhältnis  des  jungen  Heeres  zu  seinem  Hen'scher  klar- 
gestellt*). Die  miUtärischen  Hoheitsrechte  Friedrich  .Augusts 
in  seinem  neuen  Lande  beschränkten  sich  auf  die  Ernennung 
von  Generaladjutanten,  Ordensverleihungen  und  Beförderungen. 
Doch  auch  hiebei  galten  Napoleons  Vorschläge  als  bindende 
Befelde  *j,  so  daß  in  Wahrheit  der  Beherrscher  Frankreichs 
der  oberste  Kriegsherr  der  jiolnischen  Armee  war. 

Wohl  den  besten  seiner  Generale  hatte  Napoleon  zum 
Vollstrecker  seines  Willens  eingesetzt,  als  er  bereits  am  12.  Juli 
1807  dem  Marschall  Davout  das  Kommando  über  alle  Truppen 

')  Anhang  XIII. 

’)  Journal  de  l’Empire,  Aiigu.st  1808. 

•)  Wenn  Oncken  den  König  von  Sachsen  „Oberfrei.schärler  des 
polnischen  Landsturms”  nennt,  so  hat  er  sachlich  unrecht.  Das  ge- 
hässige Urteil  Ober  diese  Armee  widerlegen  ihre  Waffentaten. 

‘)  Die  Ernennung  des  Fürsten  Poniatowski  zum  General  en 
chef  erfolgte  im  März  1809  auf  einen  Brief  hin,  den  Xapoleon  an 
den  König  von  Sachsen  richtete:  ,, Euere  Majestät  werden  ohne  Zweifel 
da-s  Kommando  über  die  polnischen  Truppen  dem  Fürsten  Poniatowski 
übertragen.”  (C.  d.  N.  1.,  Tom.  XVllI,  318,  Nr.  14.804.) 


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Das  Hersogtom  Warschau. 


83 


im  Herzogtum  Warschau  anvertraute  mid  ihm  alle  Angelegen- 
heiten betreffs  Verteidigung  der  festen  Plätze,  Artillerie, 
Genie,  Administration,  Sanitätspflege  etc.  zur  Entscheidung 
überwies  ' > 

Es  war  ein  schwieriges  und  verantwortungsreiches  Amt, 
welches  der  MarschaU  übernahm  *).  Mag  er  auch  in  politischer 
Beziehung  manches  verfehlt  haben,  die  militärischen  Inten- 
tionen seines  Kaisers  hat  er  voll  erfaßt  und  durchgeführt. 
Seine  Kommandofühiimg  in  Warschau,  nicht  frei  von  Härte, 
ließ  doch  Wohlwollen  und  Billigkeit  erkennen  und  sichert© 
ihm  die  Zuneigung  der  polnischen  Armee. 

.\ls  Vertreter  des  kaiserlichen  Willens  war  Davout  in 
den  ersten  Monaten  bestrebt,  seine  Autorität  ängstlich  zu 
wahren  und  schoß  dabei  oft  über  das  Ziel  hinaus,  indem  er 
selbst  kleinliche  Details  des  Dienstes  seiner  eigenen  Ent- 
scheidiuig  vorbehielt*).  Leider  war  der  Marschall  zu  Beginn 
seiner  Kommaudofühning  von  einem  ganz  ungerechtfertigten 
Mißtrauen  gegen  den  Fürsten  Poniatowski  erfüllt,  trug  das- 
selbe auch  zur  Schau  und  stärkte  damit  die  passive  Opposition 
der  Generale  D^brow'ski  und  Zaji^czek,  wenn  er  auch  die 
Harmonie  zwischen  denselben  äußerlich  hergestellt  hatte  *). 

■)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV,  411,  Nr.  12.897. 

•)  „Le  marüchal  se  trouvait  daiis  des  conditions  singulierement 
deäcates,  ayant  ä contenir  les  Polonais  sans  les  decourager,  ä proteger 
le  nouveau  gouvernement  sans  trop  l’accablor  de  sa  prepotence  et  ä 
surveiller  aussi  l'Autriclie  en  Galicio;”  C.  d.  D.,  Tom.  II,  4,  Vorrede; 
Vigier,  Tom.  I,  .857 : „Au  moment  de  quitter  Tilsit,  l’Empereur  conüa 
a Davout  un  commandement  semi  militaire,  semi  politique  de  la  plus 
haute  importance.  II  avait  appreciä  les  qualites  d’administrateur  du 
Marechal,  sa  rigide  probitü,  l'exacte  discipline  qu’il  savait  faire  regiier 
autour  de  lui.  Toutes  ces  considerations  le  determiii5rent  ä designer 
le  3*  Corps  pour  l’occupation  du  Grand  Duchb  de  Varsovie  et  ä choisir 
son  chef  pour  presider  ä la  resurrection  de  ce  fantöme  de  Pologne.” 

*)  Als  anfangs  Oktober  die  Reise  Königs  von  Sachsen  angeküudigt 
worden  worden  war,  überreichte  FOrstPoniatowski  dem  .Marschall  ein 
Programm  für  den  militärischen  Empfang  des  Herrschers  mit  dem  Be- 
nierken,  er  werde  seinen  Generalstabschef  Fiszer  zur  Begrüßung  des 
Königs  nach  Posen  schicken.  Davout  war  über  diese  Mitteilungen  des 
Fürsten  höchst  erzürnt.  Fiszer  habe  ohne  seine  Erlaubnis  Warschau 
nicht  zu  verlassen,  er  selbst  werde  alle  Anordnungen  treffen. 

*)  Seite  81,  Fußnote  2. 

6* 


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84 


J Q t t. 


Der  taktischen  Ausbildung  der  polnischen  Truppen,  deren 
Disloziening  ebenfalls  seiner  Entscheidung  anheimgestellt  war, 
widmete  Davout  das  regste  Interesse.  Durch  häufige  Besich- 
tigungen hielt  er  den  Eifer  der  Tmppenkommandanten  wach  ; 
sein  scharfer  Blick  nahm  Cbelstände  wahr,  die  er  absteUte ; 
durch  Abhaltung  großer  Manöver  gab  er  den  höheren  Kom- 
mandanten Gelegenheit,  ihre  Fähigkeit  als  Truppenführer  zu 
betätigen. 

Wie  er  den  Fortgang  der  Befestigungsarbeiten  im  Lande 
stets  verfolgte,  so  hatte  er  auch  für  die  Bedürfnisse  der  pol- 
nischen Armee  ein  offenes  Auge  und  war  stets  bereit,  die 
Schwierigkeiten  überwinden  zu  helfen,  welche  der  immer- 
währende Geldmangel  bereitete.  In  dieser  Hinsicht  dachte  der 
Marschall  überdies  billiger  als  sein  Kaiser.  Als  Davout  um 
die  geschenkweise  Überlassung  von  6000  Paar  Schuhen  für 
die  Polen  bat,  erklärte  Nai)oleon  kirnz  und  bündig,  die 
Magazine  Frankreichs  seien  für  französische  Truppen  da  ‘), 
und  wies  den  Marschall  streng  an,  sich  nicht  in  die  , .inneren 
Angelegenheiten"  des  Königs  von  Sachsen  zu  mengen. 

Napoleons  Absicht,  sich  in  der  polnischen  Armee  eine 
brauchbare  Yerstärkimg  der  eigenen  zu  erziehen,  hatte 
Davout  durch  seine  Tätigkeit  verwirklicht.  Der  französische 
Einfluß  war  von  unleugbarem  Werte  gewesen;  in  stiller  Friedeiis- 
arbeit  aber  zu  erstarken,  sollte  der  Armee  versagt  bleiben. 

Der  Krieg  in  Spanien  erforderte  eine  Kräfteanspannung, 
zu  der  auch  das  Herzogtum  herangezogen  wurde.  Die  Weichsel- 
legion erhielt  Verstärkiuigen,  das  Regiment  der  Chevaulegers 
war<l  nach  Spanien  abgeschickt.  Am  18.  Mäi'z  1808  eröffnete 
Napoleon  weiters  dem  König  von  Sachsen,  er  sei  geneigt. 
8000  Mann  der  polnischen  Armee  in  französische  Dienste  zu 
übernehmen,  lun  die  Heercslasten  der  Warschauer  Regierung 
zu  verringern.  Diese  Truppen  sollten  nach  Magdeburg  abge- 
schickt werden  und  würden  mit  der  Weichsellegion  ein  Korjis 
von  13 — 14.000  Mann  bilden,  welches  der  König,  sobald  er 
wolle,  weder  erhalten  könnte*).  .\ls  Davout  von  den  Inten- 

*)  C.  d.  D.,  Tom.  II,  18,  Nr.  356 ; C.  d.  N.  I.,  Tom.  XV%  545; 
Seite  77,  Fußnote  2. 

Napoleon  an  Champagne,  (C.  d.  N.  I.,  XVI,  419,  Nr.  13.655), 
an  Davout  vom  17.  April  ^C.  d.  N.  I.,  XVII,  17,  Nr.  13.755):  „Ecrivez 


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Das  Herzogtnm  Warscbati. 


8b 


tionen  des  Kaisers  dem  Fürsten  Poniatowski  Mitteilung 
machte,  erklärte  dieser,  es  zirkulierten  Gerüchte,  welche  die 
Absichten  Napoleons  herabsetzten,  die  Erinnerung  an  San 
Domingo  neuerdings  wachriefen, 

Poniatowski  wünschte  die  Besetzung  der  Komman- 
dantenstellen mit  supemumerären  Offizieren,  was  Davout 
aber  nicht  zugab.  Die  Bayonner  Konvention  machte  den  Be- 
sprechungen ein  Ende  In  einem  Zusatzartikel  übernahm 
Napoleon  die  8000  Mann  und  Davout  ging  sofort  daran, 
die  Ausrüstung  und  Absendimg  derselben  durchzuführen. 
Welche  Regimenter  abzugehen  hatten,  blieb  nicht  der  Ent- 
scheidung des  Kriegsministers  anheimgestellt.  Davout  be- 
stimmte das  4.  Infanterieregiment  aus  Warschau,  das  7.  Infan- 
terieregiment aus  Kalisz,  das  9.  Infanterieregiment  aus  Lowicz, 
deren  Kommandanten,  die  Obersten  Felix  Graf  Potocki, 
Sobolewski  und  Fürst  Sulkowski,  als  tüchtige  Führer 
galten  und  durch  ihre  Ergebenheit  an  die  französische  Sache 
bekannt  'W'aren.  Die  Regimenter  wurden  auf  drei  Bataillone 
mit  Kriegsstärke  gebracht ; eine  Kompagnie  Fußartillerie  und 
Sappeiue  sollten  mitfolgen. 

Davout  besichtigte  vor  dem  Abgehen  die  einzelnen 
Truppenkörper,  fand  dieselben  in  bestem  Stande,  das  Offiziers- 
korjjs  geeignet,  auch  den  strengsten  Anforderungen  zu  ent- 
sprechen. Die  Bewafihung  jedoch  ließ  fast  alles  zu  wünschen 
übrig;  ein  Drittel  der  Mannschaft  war  ohne  Gewehre,  der 
Rest  mit  Flinten  verschiedener  Systeme  und  Kaliber  ver- 
sehen*). Die  Ausrüstung  wurde  in  Breslau  auf  französische 
Kosten  beendet  imd  die  polnische  Division  über  Mainz  *) 
nach  Frankreich  und  Spanien  geschickt,  wo  sie  um  den 
12.  Dezember  in  den  Verband  des  IV.  Korps  trat*). 


&u  sicor  Bourgoing  pour  qu’il  accil6ro  le  dipart  de  ces  troupes  et  ponr 
qu’on  ne  fasse  partir  des  compagnies  ä moins  qu’elles  ne  soient  ä 140 
bonunes  dffectives.  Ce  n’est  pas  une  niide  d'officiers  que  je  veux,  mais 
des  corps  dont  je  pni.sse  me  servir.” 

1 Seite  68  und  Anhang  VII. 

•)  C.  d.  D.,  Tom.  II,  174,  Nr.  452;  184,  Nr.  456;  211,  Nr.  468  ; 250, 
Xr.  483  ; 277,  Nr.  500  ; 287,  Nr.  509. 

•)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVn,  419,  Nr.  14.233. 

‘)  Anhang  VIII. 


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86 


Just. 


Inzwischen  hatte  sieh  die  Lage  der  französisclien  Trnjipen 
in  Spanien  von  Tag  zu  Tag  verschlechtert.  Nach  der  Kata- 
strophe von  Baylen  am  19.  Juli  war  von  GL.  Dupont  am  20. 
eine  schmähliche  Kapitulation  geschlossen  worden ; bei  17.000 
Mann  reguläre  Truppen  hatten  vor  einem  ungeschulten  Volks- 
heer die  Waffen  strecken  müssen. 

Der  Nimbus  der  Unbesiegbarkeit  der  „Großen  Armee” 
war  damit  zerstört;  wie  ein  greller  Blitz  durchleuchtete  ganz 
Eiuopa  die  Kunde  imd  zeigte,  daß  geeinte,  zielbewußte  Volks- 
kraft nicht  als  „fpiantite  negligeable”  zu  betrachten  sei.  Das 
Beispiel  der  Spanier  konnte  zu  einer  allgemeinen  Erhebung 
der  von  Napoleon  unterjochten  Völker  führen,  die  Rüstungen 
Ö.sterreichs  ließen  einen  Sturm  erwarten,  den  der  Kaiser  nicht 
unvorbereitet  über  sich  ergehen  lassen  wollte.  Die  Heran- 
ziehung des  Korjis  Davout  zwischen  der  Oder  imd  Elbe  erschien 
geboten,  die  [)olnische  Armee  aber  stark  genug,  um  das  Land 
allein  zu  sichern,  dessen  weitere  Schicksale  von  dem  Erfolg  der 
Napoleonischen  Waffen  abhiengen. 

Bereits  am  25.  Augtist  1808  erhielt  Davout  die  Weisungen 
Napoleons  zum  Abmarsch  ’),  erteilte  die  nötigen  Befehle 
für  die  Truppen  fies  Korps  und  traf  Vorkehrungen  für  den 
Ersatz  durch  sächsische  und  jfolnische  Kontingente.  Oberst 
Saunier,  ein  fähiger  Kopf,  der  sich  wegen  seiner  gewinnenden 
Formen  der  größten  Beliebtheit  erfreute,  wurde  zum  Platz- 
kommandanten in  Warschaxi  ernannt. 

Der  Abmarsch  der  Franzosen  erweckte  im  Herzogtum 
große  Bestürzung;  die  Polen  w'ähnten  sich  verraten  und 
prei.sgegeben  *}.  Davout  trachtete  die  erregten  Gemüter  zu 
beruhigtm,  ließ  seine  Frau  in  Warschau  zurück  und  ver- 
zögerte seine  Abreise  nach  Breslau  bis  zum  5.  September. 
Zwei  Tage  vorher  hatte  er  dem  Fürsten  Poniatowski,  der 
ihm  auch  femerlün  unterstellt  sein  sollte,  das  Kommando 
über  alle  Truppen  im  Herzogtum  übertragen  \ 

■)  C.  d.  N.  J.,  Tora.  XVII,  437,  Nr.  14.252;  464,  Xr.  14.269;  C.  d. 
I).,  Tom.  II,  Nr.  496. 

»;  C.  d.  D..  Tom.  II,  268.  Nr.  496. 

•)  Davout  an  Poniatowski,  3.  September  1808.  (C.  d.  D., 
Tom.  II.,  Fußnote  auf  Seite  27.5.  „Le  commandement  important  quo  je 
donno  ä Votre  Altesse  de  mon  propre  mouvement  sera  appris  avec 


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Daf  Hersogtam  Warschaa. 


87 


3.  Zustand  der  Truppen  and  festen  Plätze  zn  Ansgang  des 
Jahres  1808. 

Die  großen  politischen  Ereignisse,  welche  sich  im  Sommer 
1808  vorbereiteten,  die  Nachrichten  über  die  Mißerfolge  der 
französischen  Waffen  in  Spanien,  wohin  nnn  anch  ein  Viertel 
der  polnischen  Infanterie  abgegangen  war,  lasteten  wie  eine 
schwere  Wolke  über  dem  Herzogtum.  Auf  eine  ruhige  Ent- 
wicklung des  Staatslebens  in  der  nächsten  Zukunft  wägete 
niemand  zu  hoffen ; mit  Bangen  erwarteten  die  Polen  die 
Ergebnisse  des  Erfurter  Fürstenkongresses,  auf  -welchem  ihr 
bos  „endgiltig  entschieden  würde”  *). 

Napoleon  lag  dieses  aber  gar  wenig  am  Herzen.  Er 
schloß  das  Bündnis  mit  dem  Zaren  Alexander  I.  fester  als 
zuvor,  beruhigte  Preußen  durch  Nachlaß  von  20  Millionen  seiner 
Kriegsschuld  und  sicherte  sich  in  einer  Geheimkonvention 
vom  12.  Oktober  die  aktive  BimdeshUfe  Rußlands  für  den 
Fall,  als  er  von  Osteireich  angegriffen  würde.  Als  Davout 
am  Iß.  Oktober  beim  Kaiser  die  Anfrage  stellte,  welche 
Verteidigungsmaßregeln  für  das  Herzogtum  zu  treÖen  seien  *), 
erklärte  dieser,  für  Polen  sei  nichts  zu  fürchten*);  die  pol- 
nische Armee  habe  Praga,  Modlin,  Sieroyk  und  Thom  zu 
besetzen. 

Davout  ordnete  daher  von  Breslau  aus  die  Vereinigung 
aller  Truppen  in  dem  Raume  des  polnischen  Festungsdreieckes 
an.  Die  Legion  des  Fürsten  Poniatowski  konzentrierte  sieh  in 
Warschau  und  Konkurrenz,  die  Infanterie  der  Kaliszer  Legion 
winde  bis  auf  die  Besatzung  von  Cz^stochow  nach  Modlin 
und  Sieroqk  verlegt,  während  die  Kavallerie  längs  der  öster- 
reichischen Grenze  an  der  Pilica  und  gegen  Preußen  an  der 
Warthe  und  Prosna  verblieb.  Das  Hauptquartier  Zajijczeks 
wurde  Modlin. 

plaisir  par  l’Empereur ; jo  vous  prie  de  le  regarder  comme  une  preuve 
de  ma  confiance  absolue,  ainai  que  de  l’estime  que  je  vous  ai  vouee 
et  que  neu  n’altdrera,  Votre  Altesse  peut  en  etre  convaincuo  car 
je  n’ai  coufu  ces  sentiments  qu’aprös  avoir  reconnu  les  principes  de 
delicatesse  et  de  loyautd,  qui  sont  la  base  de  votre  caract^re.” 

*)  C.  d.  D.,  Tom.  U.  289,  Nr.  511 ; 291,  Nr  512;  301,  Nr.  521. 

>)  Ebenda,  309,  Nr.  521 ; 313,  Nr.  525. 

>)  C.  d.  N.  I.,  Tora.  XVIII,  18,  Nr.  14.110. 


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88 


J n ■ t. 


General  Dabrowaki  und  sein  Stab  blieben  ohne  Ver- 
wendung *) ; die  Infanterie  der  Legion  stand  als  Besatzung 
in  Danzig  und  Thom  *),  die  Kavallerie  aber  an  der  preußischen 
und  russischen  Grenze  längs  des  Niemen,  der  Weichsel 
und  Netze. 

Alle  diese  Verschiebungen  wurden  sukzessive  und  ohne 
Hast  dnrchgefUhrt,  um  im  Lande  keine  Beunruhigung  zu  wecken. 

Poniatowski  rechtfertigte  in  dieser  Zeit  in  glänzender 
Weise  das  Vertrauen,  welches  Da  vout  in  ihn  gesetzt  hatte*). 
In  stiller,  unermüdlicher  Weise  war  er  bemüht,  die  Armee  zu 
rüsten  und  zu  verstärken.  Artillerie  und  Train  wurden  um  je 
eine  Kompagnie  vermehrt,  tur  die  Ergänzung  der  Vorräte  im 
Warschauer  Arsenal  gesorgt  das  Geschützmaterial  in  brauch- 
baren Zustand  gesetzt.  A^on  besonderem  Vorteil  für  den 
Fortgang  dieser  Arbeiten  war  es,  daß  Fürst  Poniatowski 
überaus  tüchtige,  tähige  französische  Offiziere,  wie  die  Majore 
Pierre  Bontemps  und  Jean  Mailet*)  au  die  Spitze  des 
Artilleriezeugs-  und  Geniewesens  stellte,  die  oberste  Leitung 
dieser  Zweige  aber  in  die  Hand  des  Obersten  Jean  Baj>tiste 
Pelletier  legte. 

Dieser  Mann  stand  auch  in  späterer  Zeit  dem  Fürsten 
als  treuer  Berater  zur  Seite.  Voll  unerschütterlichen  Mutes 
in  den  größtm  Gefahren,  weitblickenden  Sinnes,  tatkräftig 

')  Es  geschah  nicht  ohne  Absicht  Davouts,  der  von  General 
Di^browski  keine  hohe  Meinang  hatte:  „On  ne  peux  pas  le  taxer 
d’Stre  malintentionnä,  mais  il  est  tr6s>leger,  tr^s-inconsequent.”  (C.  d.  D., 
Tom.  II,  311,  Nr.  524  und  Seite  54,  Fußnote  2.) 

•)  Anhang  XIV  und  XVI, 

•)  C.  d.  D.,  Tom.  n,  328,  Nr.  533:  „II  est  impossible  de  se  mieux 
conduire  et  avec  plus  de  devouement  et  de  loyautd,  que  ne  l’a  fait  le 
prince  Poniatowski.” 

*1  In  demselben  befanden  sich  21.000  lufantoriegewehre  und 
5,000.000  Patronen ; für  jedes  der  vorhandenen  243  Geschütze  Munition 
für  750  Schuß. 

*)  Beide  wurden  vor  Ausbruch  des  Krieges  1809  zu  Oberst- 
leutnants ernannt.  Während  K otaezkowski  dem  ersteren  in  seinen  „Er- 
innerungen”, 58,  59,  das  Zeugnis  völliger  Beherrschung  aller  Zweige 
des  Artilleriewesens,  grenzenlosen  Mut  und  edelste  Lauterkeit  des 
Charakters  zuschreibt,  nennt  er  Mailet  einen  Egoisten,  einen  theoretisch 
wenig  gebildeten  Offizier,  der  in  Polen  nur  Karriere  und  sein  Glück 
machen  wollte. 


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Das  Hersos^tom  Warschaa. 


89 


und  arbeitsam  im  Frieden,  war  er  berufen,  eine  grobe 
Rolle  zu  spielen.  Seine  Xationalität  erhöhte  noch  seinen 
Einfluß ; er  wußte  die  Gegensätze  und  Reibungen  zwischen 
den  polnischen  Generalen  auszugleichen,  die  gegeiiseitige 
Rivahtät  aber  in  Schranken  zu  halten  ’).  Dieselbe  war  trotz 
aller  Bemühungen  Davouts  nicht  geschwunden,  denn  weder 
Zajfjczek  noch D^browski  konnten  den  tiefen  Groll  und  die 
Enttäuschung  verbergen,  daß  Poniatowski  die  erste  Stelle 
in  der  Armee  einnahm,  die  jeder  von  beiden  liir  sich  bean- 
spruchte. Eifersucht  herrschte  aber  auch  unter  den  übrigen 
Cfeneralen,  wie  der  anbrechende  Krieg  gar  bald  bew'ies. 
Zaj^czek  und  Dijbrowski  blieben  Antipoden*);  persönlicbe 
Neigungen  und  Absichten  traten  in  den  ^’ordergmnd,  wenn 
das  allgemeine  Interesse  des  Dienstes  harmonisches  Zusammen- 
wirken aller  Kommandanten  erheischte.  Von  diesem  Vorwiui' 
ist  auch  der  vom  Fürsten  hochgeschätzte  und  wohl  fähigste  der 
Brigadegenerale,  Michael  Sokolnicki,  nicht  freizusprechen.  Mit 
großen  Fähigkeiten  verband  derselbe  ^lutund  kühne  Entschluß- 
fassung;  er  war  der  Vertreter  rücksichtslosen  ,,Drauflosgehens’’t 

')  Jean  Baptiste  Pelletier  (geboren  16.  Februar  1777,  gestorben 
1839)  war  mit  17  Jahren  als  Sekondleutnant  beim  2.  Fußartillerie- 
regiment  eingetreten,  hatte  als  Hauptmann  bei  der  Bekämpfung  des 
StraBenanfstandes  in  Paris  1793,  als  Major  1806  bei  der  Belagerung 
von  Kolberg  und  an  der  Schlacht  bei  Friedland  teilgenommeu.  Nach 
Abschluß  des  Tilsiter  Friedens  verblieb  er  im  Dienste  des  Herzogtums 
und  wurde  am  4.  März  1809  zum  Brigadegeneral  ernannt.  1812  komman- 
dierte er  die  ArtUlerie  im  Feldzug  gegen  Rußland  und  focht  bei  Waterloo. 
Unter  den  Bourbons  wieder  in  den  aktiven  Dienst  eintretend,  wurde 
er  18.36  Divisionsgeneral  und  Generalinspektor  der  Artillerie. 

*)  Es  war  eine  alte  Gegnerschaft,  die  zwischen  beiden  bestand 
nnd  durch  die  bereits  erwähnte  Schrift  D^browskis,  „Beiträge  zur 
Geschichte  der  polnischen  Revolution  im  Jahre  1794”,  erhöht  worden 
war.  Der  in  dem  Werke  über  einzelne  Generale,  darunter  auch  Zajqczek. 
ausgesprochene  Tadel  veranlaßte  letzteren,  Dqbrowski  zum  Duell 
berauszufordern.  Die  in  Paris  anwesenden  Landsleute  verhinderten 
jedoch  die  Austragung  des  Zweikampfes  und  beschleunigten  die  Abreise 
Dqbrowskis  nach  Italien,  um  die  Bildung  der  polnischen  Legion 
nicht  zu  verzögern.  Während  des  Feldzuges  1809  zeigte  sich,  daß  der 
alte  Groll  nicht  erloschen  sei.  Im  Kriegsrat  gaben  beide  stets  diametral 
entgegengesetzte  Urteile  ab  und  Zajivczeks  Niederlage  bei  Jedlinsk 
eni  11.  Juni  wird  von  manchen  Schriftstellern  Dqbrowski  zur  Last 
gelegt,  der  erstcrem  nicht  rechtzeitig  zu  Hilfe  gekommen  sei. 


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90 


.last. 


wegen  seines  kühlen  verscldossenen  Wesens  freilich  mehr 
geachtet  als  gehebt*;. 

Der  alte  Fraktionsgeist  der  Polen  war  auch  in  der  Armee 
nicht  erloschen;  es  war  ein  Mangel,  den  Fürst  Poniatowski 
fühlte,  ohne  die  Kraft  zu  besitzen,  ihm  mit  voller  Energie 
zu  steuern.  Die  Wagschale  hielt  als  Gegengewicht  nur  das  Ver- 
trauen und  die  Liebe  der  Truppen  zu  ihren  Führern,  und 
dies  war  der  schönste  Erfolg,  welchen  die  Friedensarbeit 
gezeitigt  hatte  *).  Die  Verteilung  der  Truppen  zu  Ausgang 
des  Jahres  1808  ließ  schließen,  daß  das  Exerzierfeld  bald  zu 
ernster  Walstatt  sich  verwandeln  könne.  Die  Stärke  der 
Armee  betrug  32.063  Mann  und  6035  Pferde,  von  denen 
jedoch,  das  .sächsische  Kontingent  abgerechnet,  nur  20.372  Mann 
im  Herzogtum  standen  ’i. 

Neben  der  Erhaltung  des  stehenden  Heeres  war  der 
Warschauer  Reg^ierung  durch  Napoleon  auch  der  Ausbau 
der  festen  Plätze  des  Landes  ziu"  Aufgabe  gemacht  worden  *). 
Davout  widmete  wolil  dem,  Fortschreiten  der  von  General 
Chasseloup  noch  während  des  Krieges  begonnenen  fortitika- 

')  Michael  Sokolnioki  (geboren  1760,  gestorben  1816)  hatte  als 
Genieoflizier  den  Feldzug  1792  mitgemacht.  Bei  Maciejowice  gefangen 
und  nach  Petersburg  gebracht,  diente  er  nach  seiner  1797  erfolgten 
Freilassung  unter  Di^browski  in  Italien.  1800  als  Brigadegeneral  ver- 
wendet, begab  er  sich  nach  dem  Friedonsschluß  nach  Paris,  wo  er  mit 
Eifer  wissenschaftliche  Studien  betrieb.  Rer  Feldzug  1806—1807  führte 
ihn  ins  Vaterland  zurück.  Mit  starkem  Selb.stbewußtsein  aasgestattet, 
glaubte  er  sich  zur  höchsten  Stolle  in  der  Armee  berufen. 

*)  Dijbrowski  W'urde  von  seinen  Soldaten  als  „Vater”  gepriesen. 
Poniatowski  „erreichte  durch  ein  Zeichen  mehr  als  sonst  nur  durch 
strenge  Disziplin  möglich  w'ar”.  (Memoiren  der  Gräfin  Potocka,  199.) 

’ Nach  Anhang  IX  betrug  der  Gesamtstand  der  Truppen  des 
Herzogtums  am  1.  Januar  1809  32.063  Mann  und  603.')  Pferde. 

Hievon  standen : 

Infanterieregiment  Xr.  1 ....  2555  Mann  1 

„ ..  „ 7 2855  „ > in  Spanien 

T)  )i  ))  fi 2555  ,,  I 

„ ..10  1485  „ I . 

„11 1691  .,  j 

Artillerie,  Genie,  Train 550  ,.  in  Danzig  und  Spanien 

somit  außerhalb  des  Landes  . . 11.691  .Mann 
verblieben  im  Lande 20.372  „ 

•)  .Seite  62. 


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Pas  Herzogtum  Warschau. 


91 


torischen  Anlagen  regste  Fürsorge  * ),  allein  der  strenge  Winter 
des  Jahres  1807 — 1808  hatte  zur  Einstellung  der  Erd- 
arbeiten, die  erst  im  Sommer  fortgesetzt  werden  konnten, 
gezwungen.  Überdies  waren  durch  die  stetige  Geldnot  der 
Regierung,  welche  den  für  fortifikatorische  Zwecke  im  Budget 
eingestellten  Betrag  von  2,300.000  polnischen  Gulden  nicht 
aiü'bringen  konnte,  häufig  unliebsame  Verzögerungen  ent- 
standen. Mit  der  Übergabe  des  Kommandos  an  den  Fürsten 
Poniatowski  fanden  die  Arbeiten  ihr  Ende,  ohne  zum 
völligen  Abschluß  gediehen  zu  sein  *). 

Den  strategischen  Kern  des  Landes  umschlossen  die 
Plätze  Modlin,  Sierocjk,  Warschau-Praga  und  deshalb  war  auch 
für  diese  am  meisten  geschehen. 

Die  Hauptstadt  selbst  war  zu  einer  Verteidigung  un- 
geeignet ; ihre  Befestigungen  stammten  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  18.  .Jahrhunderts,  waren  von  Kosciuszko  erneuert  und 
wälirend  des  Feldzuges  1806—1807  von  den  Franzosen 
erheblich  verstärkt  worden.  Sie  bestanden  jedoch  nur  aus 
Wall  und  Graben,  die  in  einem  Umkreis  von  ungefähr  zwölf 
Kilometern  die  Stadt  umschlossen.  Die  Wallmaueni  waren 
meist  verfallen,  die  Gräben  seicht  und  an  vielen  Stellen  selbst 
fiir  Kavallerie  jiassierbar. 

Über  die  Weichsel  hatte  Davout  eine  761  Meter  lange, 
hölzerne  Jochbrücke  mit  einem  Kostenaufwand  von  700.000 
polnischen  Gulden  schlagen  lassen  und  auf  diese  Weise  die 
Verbindimg  mit  Praga  am  rechten  Ufer  hergestellt’). 

Der  Brückenkopf  von  Praga  bestand  in  einem  an  der 
Kehle  offenen  Kronenwerk,  welches  zwar  von  Erde,  doch  mit 
Holz  verkleidet,  kasemattiert  und  vollkommen  sturmfrei  war. 
Demselben  vorgelagert,  beherrschten  acht  an  der  Kehle  ge- 
schlossene, im  Halbkreis  um  die  Weichsel  gespannte  Fleschen 
das  Vorfeld. 


■)  C.  d.  D.,  Tom.  U,  Nr.  376 ; 120,  Nr.  416 ; 161,  Nr.  444. 

*)  Mit  Recht  macht  Soltyk  den  Fürsten  für  dies  schwerwiegende 
Versäumnis  verantwortlich.  (Relation). 

•j  Fast  die  Hälfte  der  Brücke  wurde  am  7.  Februar  1809  durch 
den  starken  Eisgang  abgerissen,  worauf  in  aller  Eile  durch  Anlage  einer 
Schiffbrücke  die  Kommunikation  wieder  hergestellt  wurde.  (Moniteur 
1809,  1.  März.) 


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92 


J Q fl  t« 


Die  militärische  Hauptstadt  des  Landes,  Modlin  (heute 
Nowo  Georgiewsk)  war  in  ihren  Befestignngen  imfertig  geblieben. 
Die  Verschanzungen  am  rechten  Weichselnfer  bildeten  ein 
sechsseitiges  bastioniertes  Polygon  ; die  Wälle.  5'2  Meter  hoch 
und  mit  Holz  verkleidet,  waren  gegen  Handstreich  gesichert. 
Mit  dem  hnken  Ufer  war  die  Verbindung  durch  eine  Schiti- 
brücke  hergestellt,  die  aber  bei  Eintritt  des  Winters  ab- 
gebrochen werden  mußte.  Davouts  Absicht,  hier  eine  Joch- 
brücke zu  schlagen,  war  nicht  zur  Ausführung  gelangt  imd 
auch  die  Anlage  eines  Brückenkopfes  am  linken  Weichsel- 
ufer uuterbUeben,  wodurch  der  Wert  des  Platzes  für  offensive 
Operationen  am  linken  Ufer  fast  aufgehoben  war.  Auf  die 
schmale  Landzunge,  welche  durch  die  Weichsel  und  den 
Narew-Bug  gebUdot  wird,  führte  eine  Jochbrücke. 

Die  Befestigung  von  Sierotjk  ließen  am  meisten  zu  wün- 
schen übrig.  Sie  stellten  ein  Polygon  mit  fünf  Bastionen  und 
zwei  Fleschen  dar ; eine  Jochbrücke  über  den  Narew  war 
am  linken  Ufer  durch  einen  schwachen  Brückenkopf  ge- 
schützt. 

Thom,  welches  völlig  in  stand  gesetzt,  nicht  bloß  als 
großer  Dejiotplatz  dienen  konnte,  sondern  auch  die  Ver- 
bindung mit  den  Departements  Posen  und  Kalisz  (Großpolen) 
hätte  eröffnen  können,  war  nur  am  rechten  Weichselufer  einem 
feindlichen  Angriff  gewachsen.  Hier  zeigte  es  eine  Verteidigungs- 
front mit  sieben  Bastionen,  in  Holz  verkleidet  und  palisadiert. 
.\uf  das  linke  Ufer  führte  bei  Benützung  der  Bazar-Insel 
eine  Schifl'brücke,  die  aber  am  linken  Ufer  niu'  durch  einen 
ganz  niederen  Erdwall  als  Brückenkopf  gedeckt  war.  Auf 
der  Bazar-Insel  waren  flüchtige  Verschanzimgen  aufgeworfen. 

Die  kleine  Festung  Czqstochöw  an  der  Warthe,  wichtig 
durch  ihre  Lage  am  Knotenpunkt  der  Straßen,  die  von 
Scldesien  und  von  Krakau  aus  gegen  Warschau  fühi'en,  be- 
fand sich  in  völlig  verteidigungslahigem  Zustand.  Die  Befes- 
tigung, lU'sprünglich  zum  Schutze  des  Klosters  errichtet, 
das  ein  wundertätiges  Marienbild  als  höchsten  Schatz  ver- 
wahrte, stellte  ein  bastioniertes  Viereck  dar,  welches  durch 
seine  hohe  Lage  das  flache  Land  weithin  behen’schte  ‘j. 

')  Cz?stocb6w  ist  noch  heute  eine  Wallfahrtsstätte  für  alle  Polen. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


93 


Bis  auf  Praga  und  Cz^stochöw  waren  demnach  die 
testen  Plätze  nicht  völlig  ausgebaut,  die  Armierung  bbeb  wegen 
Mangels  an  Geschützen  gleichfalls  unvollständig  ' i.  Die  Be- 
satzungen. soweit  sie  zu  Ende  des  Jahres  1808  ans  Feld- 
truppen bestanden,  wurden,  als  der  voraussichtliche  Krieg 
mit  Österreich  die  Konzentrierung  der  letzteren  notwendig 
machte,  durch  die  Dejmts  der  in  Spanien  stehenden  Regimenter, 
wie  durch  die  zur  Aufstellung  gelangenden  dritten  Bataillone 
ergänzt  *). 

6.  Militärische  Lage  des  Herzogtums  vor  dem  Einmarsch  der 
österreichischen  Truppen  am  15.  April  1809. 

Empört  über  die  Kriegführung  seiner  Generale,  beschloß 
Xapoleon,  dem  Kriege  in  Spanien  durch  sein  eigenes  Er- 
scheinen eine  entscheidende  Wendung  zum  Besseren  zu 
geben.  Ehe  er  an  die  Ausführung  dieses  Planes  schritt, 
wollte  er  jedoch  Sicherheit  haben,  daß  Österreich,  dessen 
Rüstungen  ihn  schwer  beunruhigten,  nicht  zu  den  Waffen 
greife.  In  einer  an  den  Fürsten  Metternich,  damals  Bot- 
schafter in  Paris,  gerichteten  Note*)  frug  Champagny,  der 
Minister  des  Auswärtigen:  ,, Was  will  Ihre  Regienmg?  Warum 
beunruhigt  sie  den  Frieden  des  Kontinents?  Ihre  Provinzen 
Werden  von  Ihren  Prinzen  durchkreuzt;  sie  rufen  das  Volk 
zur  Verteidigtmg  des  Vaterlandes  auf;  die  ganze  Volksmasse 
vom  18.  bis  45.  Lebensjahr  ist  unter  Waffen  gesetzt,  etc. 
Will  Österreich  ernstlich  den  Krieg?”  Metternich  versuchte 
mit  Geschick  in  einem  ausführlichen  Privatschreiben  an 
Ch  ampagny*)  den  Argwohn  zu  beschwichtigen.  Die  Errich- 
tung der  Landwehr  sei  eine  dem  französischen  System  nach- 
g'*ahmte  Maßregel,  um  die  .Abgänge  des  Heeres  zu  ersetzen 
und  entbehre  jeder  feindlichen  Tendenz. 

Während  Metternich  noch  am  3.  Angpist  dem  franzö- 
sischen Minister  versicherte,  das  österreichische  Volk  venib- 
srheue  jeden  Krieg,  berichtete  der  französische  Gesandte 

’)  Nach  Soltyk  fehlten  zur  völligen  Ausrüstung  der  festen  Plätze 
im  Lande  120  Geschütze 

’)  Ausgenommen  in  Czfstochöw,  Anhang  XIV. 

*)  Abgedruckt  Wiener  Zeitung,  1809,  Stück  37. 

*)  22.  Juli,  sbgedruckt  Wiener  Zeitung.  1809,  Stück  45. 


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94 


J tt  t t. 


Andreossy  aus  Wien  vom  8.:  „Nach  allem,  was  untrer 

unseren  Augen  vorgeht,  bot  tlsterreich  niemals  einen  so 
kriegerischen  Anblick  wie  jetzt  *i.’’  Die  Nachi-icht  erhöhte 
Napoleons  Besorgnisse. 

Beim  Empfang  des  diplomatischen  Korj)s  anläülich 
seines  Namenstages  am  15.  August  setzt«  er  Metternich  in 
einer  fast  einstiiudigeu  Ansprache  die  Gefahren  eines  Krieges 
lür  Österreich  auseinander  und  wies  Andröossy  an.  dem 
Grafen  Stadion  eine  Schildenmg  über  die  Audienz  vom 
15.  August  zu  geben,  die  seinen  Herrn  bereit  zum  Frieden, 
aber  auch  zum  Kriege  zeigen  sollte. 

Noch  waren  OsteiTeichs  Küstungen  nicht  so  weit  gediehen, 
um  kriegerische  Absichten  ollen  kund  zu  geben.  Das  Wiener 
Kabinett  versprach  die  Entlassung  der  Reserven  bis  zum 
1.  Sej)tember,  wogegen  Napoleon  seinerseits  Metternich 
mit  der  Erklärung  beruhigte,  die  französischen  Trujjpen  aus 
PreuÜen  und  dem  Groüherzogtum  Warschau  bis  hinter  die 
Elbe  zurückziehen  zu  wollen.  „Bagen  Sie  Ihrem  Kaiser,”  war 
sein  Schluß,  „daß  ich  alles  zwischen  uns  als  beendigt  be- 
trachte.” 

Um  seinen  Zug  nach  Spanien  aber  mit  voller  Rücken- 
freiheit ausführeu  zu  können,  bedurfte  es  noch  anderer  Bürg- 
schaften. Diese  zu  schallen  und  der  M\’lt  darzutun,  wie  un- 
erschütterlich sein  Bund  mit  dem  Zaren  Alexander  sei, 
war  die  Absicht  Napoleons  bei  der  Entrevue  von  Erfurt. 
Kaiser  Franz,  der  an  derselben  nicht  teilnahm,  sandte  den 
General  Freihemi  von  Vincent  mit  einem  eigeidiändigen 
Schi’eiben  vom  13.  September*;  an  Na])oleon  ab,  in  welchem 
er  seiner  friedücheu  Gesinnung  Ausdruck  gab. 

Für  den  Winter  1808 — 1809  waren  nunmehr  Napoleons 
Befürchtungen  geschwunden.  Nachdem  die  Armee  in  Spanien 
verstärkt  worden,  verließ  er  am  29.  Oktober  Paris,  ti-af  bereits 
am  5.  November  in  Vittoria  ein  und  übernahm  persönlich  das 
Kommando.  Die  glänzende  Attacke  seiner  polnischen  Chevau- 

')  Champagny  au  Andr6ossy,16.  August  1808.  (Wiener  Zeitung, 
Stück  ,5.5.) 

•)  Abgedruckt  Wiener  Zeitung  vom  16.  Juni  1809.  Napoleons 
Antwort  an  Kaiser  Franz  vom  14.  Oktober  bei  Saski,  Campagne  de 
1809  en  Allemague  et  en  Autriclie,  Tom.  J,  15. 


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Das  Herzogtum  Warschau. 


95 


legers  gegt^n  die  si)anische  Stellung  bei  Sommosiera  hatte 
ihm  den  freien  Weg  nach  Madrid  eröffnet':,  wenige  Tage 
nachher  war  die  Hauptstadt  in  seinem  Besitz.  Die  Nach- 
richten über  die  drohenden  Rü-stungen  Österreichs  Ließen  ihn 
jedoch  die  entscheidenden  Operationen  nicht  zu  Ende  führen. 
ilarschaU  So  ult  übernahm  die  Fortsetzung  des  Krieges  in 
Spanien,  Napoleon  selbst  aber  eilte  nach  Valladolid  und 
von  hier  nach  Paris,  wo  er  am  22.  Januar  1809  eintraf. 

Seine  Befürchtungen  waren  tief  begründet  gewesen;  am 
8.  Februar  fiel  in  Wien  die  Entscheidung,  Österreich  war  zu 
einem  Angriffskrieg  in  großem  Stile  entschlossen. 

In  fieberhafter  Eile  ging  Napoleon  nun  daran,  dieTru])pen 
Frankreichs  und  seiner  Verbündeten  für  den  gewaltigen 
Kampf  bereitzustellen.  Der  polnischen  Armee  war  eine  offen- 
sive Rolle  zugedacht,  deren  Durchführung  nur  die  über- 
raschend schnellen  Operationen  des  zum  Kampfe  gegen  das 
Herzogtum  bestimmten  österreichischen  VII.  Armeekor])s  unter 
Kommando  des  Erzherzogs  Ferdinand  d’Este  verhinderten. 

Bereits  am  15.  Januar  hatte  Napoleon  in  Vallodolid 
einen  seiner  Ordonnanzoffiziere,  denPolen  Chlapowski,  über 
Mainz  und  Kassel  nach  Warschau  geschickt,  um  sich  über 
den  Zustand  der  Armee  hier  eingehend  zu  informieren  und 
Bericht  zu  erstatten  •). 

Im  Vertrauen  auf  die  Bundeshilfe  Rußlands  hielt  Na]) o- 
leon  das  Herzog;tum  nicht  fiü‘  bedroht.  „Da.sselbe  könne  ruhig 
sich  selbst  überlassen  bleiben,  es  habe  mehr  Truppen  als  zu 
seiner  Verteidigung  nötig  und  die  Österreicher  hätten  wohl  an 
anderes  als  an  eine  Invasion  nach  Warschau  zu  denken  *). 
Bei  diesem  „Überfluß”  an  Truppen  verfügte  Napoleon  am 
21.  Febraar^),  daß  ein  Kavallerieregiment  (das  vierte)  für 
Küstrin,  Stettin  und  Glogau  aufgeteilt,  zwei  Bataillone  aus 
Lissa  nach  Küstrin  verlegt  werden.  Auf  diese  Weise  „würde 
auch  das  Herzogtum  finanziell  entlastet,  da  die  Erhaltung 
der  Besatzung  den  festen  Plätzen  anheimfiele”. 

')  Seite  74,  Fußnote  1. 

•)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVIII,  184,  Nr.  14.664.  — Derselbe  traf  am. 
9.  Februar  in  Warschau  ein. 

')  C.  d.  N.  1.,  Tom.  XVTI,  411,  Nr.  14.795. 

*J  Ebenda,  Tom.  XVllI,  280,  Nr.  14.800  ; 276,  Nr.  14.794. 


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96 


.last. 


Am  4.  März  erließ  Napoleon  neuerliche  Befehle  an 
Davout'),  dem  die  sächsischen  mid  polnischen  Truppen 
unterstellt  wurden.  Während  die  ganze  sächsische  Armee  um 
Dresden  vereinigt  werden  sollte,  hätten  die  polnischen  Be- 
satzungen in  Thom,  Praga,  Modlin,  Sieroqk  und  den  Oder- 
festungen zu  verbleiben,  alles  übrige  aber  sei  in  Warschau 
zu  versammeln,  so  daß  15.000  Mann  bereit  stünden,  gegen 
Krakau  zu  marschieren  •).  Zwei  Tage  später  wurde  dem 
König  von  Sachsen  erötfnet,  daß  alle  Vorbereitungen  zum 
Kampfe  mit  Österreich  getröden  seien.  Friedrich  August 
werde  ohne  Zweifel  das  Oberkommando  über  die  Armee  des 
Herzogtums  dem  Fürsten  Poniatowski  übertragen*),  welcher, 
den  Gang  der  Ereignisse  abwartend,  Galizien  zu  bedrohen  habe. 
Die  polnische  Kavallerie  sei  so  nahe  als  möglich  gegen  Krakau 
vorzuschieben,  ohne  daß  sie  die  Grenze  überschreite.  Öster- 
reich werde  dadurch  gezwungen,  in  Galizien  bedeutende  Kräfte 
zu  unterhalten.  Auch  Rußland  marschiere  gegen  Österreich  *). 

Scharf  und  präzise  aber  drückte  die  Instruktion  Napo- 
leons vom  30.  März  an  Berthier  die  Aufgabe  aus,  welche 
der  polnischen  Armee  gesetzt  sei.  Im  Falle  der  Feindseligkeiten 
habe  Fürst  Poniatowski  den  Österreichern  zuvorzukommen: 
mit  der  Feldarmee  sei  Galizien  zu  insurgiereu,  das  Festungs- 
dreieck diuch  Nationalgarden  zu  schützen  *).  Am  8.  April 
treten  Sachsen  und  Polen  in  den  Verband  des  IX.  Koq)s 
unter  Marschall  Bernadotte,  Fürsten  von  Ponte  Corvo*). 
Napoleons  Absichten  wurden  aber  durchkreuzt,  das  öster- 
reichische VII.  Armeekorps  kam  der  polnischen  Armee  zuvor. 


•)  C.  d.  X.  L,  Tom.  XVIII,  308,  Nr.  14.H48;  818,  Nr.  14.864. 

*)  ln  Ausführung  der  vom  Kaiser  gegebenen  Weisungen,  erteilte 
Davout  noch  am  gleichen  Tage  aus  Paris,  wo  er  zum  Besuch  seiner 
Frau  weilte,  dom  Fürsten  Poniatowski  die  schriftlichen  Befehle  und 
spricht  die  Überzeugung  ans,  Österreich  werde  sich  bei  einem  Überfall 
täuschen.  Allo  Maßnahmen  seien  bis  zum  20.  März  bereits  getroffen. 
(C.  d,  D.,  Tom.  n,  389,  Xr.  587.) 

•)  Seite  82,  Fußnote  4. 

*)  In  ähnlicher  Weise  unterrichtet  Napoleon  auch  den  Vizekönig 
Eugfeno  Beauharnais  am  16.  März.  (C.  d.  X.  I.,  Tom.  XVIII,  356, 
Nr.  14.908;  3i»9.  Nr.  14.909.) 

•)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XVI II,  441,  Nr.  14.975. 

Ebenda,  447,  Nr.  15.029. 


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Das  Hersoginm  Warschau. 


97 


Die  Warschauer  Regierung  hatte  über  die  Kriegsvor- 
bereitungen Österreichs  in  Galizien  durch  Landesbewohner 
und  Deserteure  genaue  Kenntnis.  Die  Grenze,  durch  Kordons- 
mannscliaften  bewacht,  war  bis  zum  Beginn  der  Feindselig- 
keiten von  Österreich  nicht  gesperrt  worden,  so  daß  Personen 
und  Posten  dieselbe  ungehindert  passieren  konnten.  Auf  diese 
Weise  war  es  auch  dem  Fürsten  Poniatowski  möglich,  an 
Da  vout  detaillierte  Berichte  über  die  österreichischen  Truppen- 
bewegungen zu  senden '). 

Ende  Januar  wurde  General  St.  Fiszer*),  Stabschef 
des  Pürsten,  nach  Paris  entsendet,  um  Napoleon  über  den 
Zustand  der  Armee  Rapport  zu  erstatten,  gleichzeitig  aber 
die  klägliche  Finanzlage  zu  schildern  und  eine  Aushilfe  von 
8 Millionen  polnischen  Gulden  durch  den  Kaiser  zu  erbitten. 
Obgleich  Davout  dieses  Anliegen  beim  französischen  Kriegs- 
minister,  General  Clarke  Graf  von  Hunebourg,  mit  warmen 
Worten  unterstützt  hatte*),  so  war  Napoleon  zur  Erfüllung 
der  polnischen  Wünsche  nicht  zu  bewegen.  Die  geplante 
Restringierung  der  Infanteriekompagnien  auf  90 — 100  Mann 
wies  er  allerdings  mit  Recht  aus  taktischen  Gründen  schroff 
zurück,  da  die  Kompagnien  sehr  bald  auf  einen  Stand 
von  50—60  Mann  herabsinken  und  jeder  Stoßkraft  entbehren 
würden.  Er  forderte  die  Ergänzung  auf  140  Mann,  versprach 
aber  dafür  die  Mehrkosten  zu  tragen,  soweit  der  Stand  der 
Kompagnien  100  überschreite.  Enttäuscht  kehrte  General 
Fiszer  nach  Warschau  zurück. 

')  Soltyk  116;  C.  d.  D.,  Tom.  II,  3.54,  Nr.  563  ; 363,  Nr.  572. 

*)  General  Fiszer  (geb.  1769),  während  des  Feldzuges  1809 
Generalstabscbef  des  Fürsten  Josef  Poniatowski,  war  bereits  mit  jungen 
Jahren  in  die  polnische  Armee  eingetreten  und  von  Kosciuszko 
in  den  Kriegen  1792 — 1794  im  Oeneralstabe  verwendet  worden.  Bei 
Maciejowice  verwundet  und  mit  Kosciuszko  gefangen,  erlangte  er 
erst  1797  die  Freiheit,  ging  nach  Frankreich  und  kämpfte  als  Oberst 
in  der  Donaulegion  unter  Kniazowicz,  wobei  er  in  österreichische 
Gefangenschaft  geriet.  Nach  seiner  im  Jahre  1800  erfolgten  Freilassung 
lebte  er  im  Kreise  der  Familie,  bis  ihn  der  Krieg  Napoleons  1806  bis 
1807  wieder  in  den  Dienst  der  polnischen  Armee  führte.  Von  kühlem 
Wesen  und  theoretischem  Geiste  war  er  ein  Freund  der  Ordnung  und 
des  strikten  Gehorsams,  geschätzt  von  Poniatowski,  der  sich  in  allen 
Details  des  Dienstes  auf  ihn  verließ. 

•)  C.  d.  D.,  Tom.  II,  .369,  Nr.  577 ; 374,  Nr.  581. 

UitWilongon  des  k.  and  k.  KrieKSArcliivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  i 


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98 


Just. 


Auf  eine  ausgiebige  Unterstützung  für  das  Herzogtum 
durch  Napoleon  war  also  nicht  zu  rechnen.  Die  Größe  der 
Gefahr,  die  den  kaum  ersttindenen  Staat  mit  einem  neuen 
Kriege  bedrohte,  gleichzeitig  jedoch  auch  die  Hoffnung,  bei 
einem  glücklichem  Ausgang  desselben  in  dem  Wiederaufbau 
des  „Königreiches  Polen”  ein  gut  Stück  vorwärts  zu  kommen, 
hießen  Herrscher  und  Land  die  eigenen  Kräfte  voll  einsetzen, 
um  Napoleons  Erwartungen  gerecht  zu  worden.  Im  Vertrauen 
auf  den  Schutz  seines  großen  Protektors  war  das  Herzogtum 
bereit,  den  Kampf  mit  Österreich  aufzunehmen. 

Am  14.  März  hielt  der  Reichstag  seine  erste  Sitzung 
und  bewilligte  am  20.  die  Komplettierung  der  Armee  und 
sofortige  Aushebung  von  9000  Mann  aus  der  ersten  Klasse  der 
Militärkonskription.  Die  Nation  sei  bereit,  erklärten  die 
Abgeordneten,  zum  Wohle  und  zur  Sicherheit  des  Vaterlandes 
alles  aufeubioten  und  keine  Opfer  zu  scheuen  ').  Die  Errich- 
tung einer  vierten  Legion  unter  General  Fiszer  wurde  be- 
schlossen und  zur  Erhaltung  der  Truppen  30  Milloncu  polnische 
Gulden  votiert. 

Am  2ö.  März  w'urde  der  Reichstag  geschlossen,  der 
König  verließ  Warschau,  nachdem  er  die  Ausübung  seiner 
Souveränitätsrechte  dem  Staatsrat  anvertraut,  und  traf  am 
IB.  April  in  Leipzig  ein. 

Mit  fieberhafter  Eile  ging  nun  die  Armeeleituug  an  die 
Durchführung  der  vom  Reichstag  beschlossenen  organisa- 
torischen Änderungen.  Der  Stand  der  Infanteriebataillone 
wurde  auf  840  Mann  gebracht,  die  dritten  Bataillone  der 
Regimenter  errichtet  *),  die  Kavallerieregimenter  auf  1047 
Mann  erhöht.  Die  Artillerie  erfuhr  eine  erhebliche  Verstär- 
kung, indem  drei  neue  Fußbatterien  zur  Aufstellmig  gelaugten 
und  auf  Kosten  R<nnan  Soltyks  eine  reitende  Batterie  errichtet 
wurde.  Die  Rekrutenaushebuugen  für  die  neue  vierte  Legion, 
welche  aus  3 leichten  Infanterie-,  2 Kavallerieregimentern 
und  1 Ariilleriebataillou  unter  Kommando  des  Generals  Fiszer 
bestehen  sollte,  wurden  eingeleitet,  doch  bereitete  der  aus- 
brechende  Krieg  denselben  ein  jähes  Ende  und  General  Fiszer 

*)  „Allgemeine  Zeitung”,  1H09  vom  14.  und  l(i.  April. 

Dieselben  wurden  als  Besatzungstruppen  in  den  festen  Plätzen 
verwendet.  Anhang  XIV. 


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Das  Hsrsojftnm  Warschau. 


911 


übernahm  die  Stelle  des  Generalstabschefs  der  „polnisohen 
Division”  der  ..großen  Annee”. 

In  Durchführung  der  von  Napoleon  am  4.  März  ange- 
ordneten Verschiebungen  ')  befanden  sich  die  Truppen  zu  Ende 
des  Monates  in  voller  Aktion.  Obgleich  Fürst  Poniatowski 
in  einem  Bericht  an  Davout  vom  12.  April  die  öster- 
reichischen Bewegungen  als  höchst  ernsthaft  bezeichnete,  so 
glaubte  er  doch  nicht  an  einen  unmittelbaren  Angritf  von 
Seite  (isterreichs  und  hielt  das  Korps  des  Erzherzogs 
Ferdinand  nur  ftir  ausersehen,  die  „Bewegungen"  der  Polen 
zu  beobachten,  nicht  aber  ins  Herzogtum  einzurücken  *).  Die 
vorgefaßte  Meinung,  Österreich  werde  sich  scheuen,  den  Kampf 
mitNapoleon  zu  eröffnen,  hatte  Poniatowski  in  Sicherheit 
gewiegt  und  keine  Vorkehrungen  zu  einem  energischen  Wider- 
stand treffen  lassen. 

Zu  einer  Zeit,  als  das  k.  k.  VII.  Armeekorps  hart  an  der 
Pilica  stand,  sicherten  nur  ganz  schwache  Reiterabteilungen 
am  hiikeii  Flußufer  die  Grenze,  während  das  Gros  der  verfüg- 
baren polnisch-sächsischen  Stroitkräfte  in  der  Gesamtstärke  von 
14.5.58  Mann  mit  41  Geschützen  nach  den  Dispositionen  des 
Fürsten  vom  12.  April  teils  in  Warschau  vereinigt  war’), 
teils  südlich  der  Hauptstadt  kantonierte.  Nur  ein  Infanterie- 
regiment, dem  vier  Geschütze  beigegeben  waren,  hielt  noch 
südlicher  vorgeschoben  Raszyn  besetzt 

In  dieser  Stellung’)  erhielt  Fürst  Poniatowski  am 
15.  früh  morgens  ein  Schreiben  des  Erzherzogs  Ferdinand 


')  Siehe  90  und  Fußnote  1. 

’)  „On  onnonce  g^nöralement  que  le  oorp.s  de  l’archiduc  Fer- 
dinand se  monte  k 90.001)  hommes ; mais  il  n’est  guere  probable  qu'il 
puisse  porter  de  notre  cöt6  au  delä  de  15  ä 18.000  hommes,  et  d5s  lors 
le  corps  qui  doit  agir  sur  la  Pilica  serait  destine  plutöt  5 observer  nos 
mouvements  qu’ä  eft'ectuer  l'invasion  du  duchd  si  longtemps  annonede.” 
(Soltvk.  ;}45,  Pi6ces  justificatives  Nr.  1.) 

’ Anhang  XVI.  Die  in  "Warstchau  versammelten  Feldtruppen  be- 
standen aus  den  ersten  und  zweiten  Bataillonen  der  Intanterieregimenter 
5’r.  1,  2,  6,  8,  dem  2.  Kavallerieregiment,  Artillerie  za  Fuß  3 Kompagnien, 
zwei  reitenden  Batterien  und  dem  säohsisclien  Kontingent.  Das  aus 
Thom  berangezogene  12.  Infanterieregiment  traf  erst  am  20.  April  ein. 

*)  Anhang  XV  und  XVI. 

‘)  Beilage  2. 

7* 


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100 


J a e t. 


d’Este,  Kommandanten  des  VII.  Armeekorps,  mit  der  Ver- 
ständigung, daß  derselbe  am  15.  um  7 Uhr  morgens  mit 
seinen  Truppen  (25  Bataillonen,  11  Kompagnien,  44'/*  Eska- 
dronen und  94  Geschützen) '),  die  Pilica  passieren  und  jeden 
als  Feind  behandeln  werde,  welcher  dem  Vormarsch  Wider- 
stand entgegensetzen  würde.  Diese  Erklärang  war  am  14. 
um  7 Uhr  abends  durch  einen  Offizier  dem  polnischen 
Postenkommandanten  in  Nowemiasto  überbracht  und  von 
letzterem  gleich  Oberstleutnant  Mailet,  welcher  bei  einer 
Rekognoszierung  der  Pilica  sich  eben  hier  befand,  zu- 
gestellt worden. 

So  nahmen  die  kriegerischen  Ereignisse  ihren  An- 
fang und  überraschten  allerdings  den  polnischen  Ober- 
kommandanten, welcher  geglaubt  hatte,  einen  Gegner 
vor  sich  zu  haben,  der  seinen  ,, Bewegungen"  ruhig  Zu- 
sehen würde. 

Die  polnische  Literatur,  wie  auch  die  Proklamation  des 
Königs  von  Sachsen  vom  24.  April  sprechen  von  einem  ,, un- 
gerechten Überfall’’  des  Herzogtums  durch  die  kaiserlich-könig- 
lichen Truppen.  ,.Erst  angesichts  der  österreichischen  Bajonette 
habe  die  Warschauer  Regierung  Maßnahmen  zur  Verteidigmig 
des  Landes  treffen  können.  Der  Überfall  sei  so  plötzlich 
erfolgt,  daß  die  Bevölkerung  von  der  hereingebrochenen 
Gefahr  erst  Kunde  erlangt,  als  der  Feind  nur  mehr  drei 
Tagemärsche  von  der  Hauptstadt  entfernt  gewesen  sei.  Wenn 
Österreich  mit  Frankreich  Krieg  führe,  so  könne  das 
Herzogtum  von  demselben  doch  nicht  berührt  werden.” 
Alle  diese  Anschauungen  sind  tendenziös  und  entsprechen 
nicht  der  W ahrheit  Diese  erhellt  scharf  und  klar  aus 
den  früher  geschilderten  Weisungen  Napoleons  und  gibt 
den  vollgiltigen  Beweis,  daß  Österreich  durch  den  raschen 
Beginn  seiner  Operationen  im  Herzogtum  nur  der  ge- 
planten feindlichen  Unternehmung  gegen  Krakau  zuvor- 
gekommen ist.  Damit  war  eine  schwere  Gefahr  für 
Österreich  abgewehrt  worden,  die  gerade  in  den  ersten 


•)  .\nhang  XVU. 

’)  Soltyk  zeigt  in  die.sem  Punkte  eine  anerkennenswerte  Objek- 
tivität. 


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Das  Uorzogtam  Warschau. 


101  ’ 


Wochen  des  Krieges  von  den  nachteiligsten  Folgen  hätte 
begleitet  sein  müssen  *). 

Anfänglich  an  Zahl  und  innerer  Ausbildung  dem  Gegner 
nicht  gewachsen,  gab  die  polnische  Armee  bald  Beweise  ihrer 
Tüchtigkeit  und  behauptete  sich  mit  Erfolg  gegen  Österreichs 
kampfgeübte  Scharen.  Es  waren  ausgezeichnete,  vom  besten 
Geist  erfüllte,  im  Krieg  erprobte  Regimenter,  welche  der 
Kaiserstaat  in  den  Kampf  geschickt  hatte.  Die  Tapferkeit  des 
Gegners  allein  hätte  nicht  vermocht,  ihre  Kraft  zu  zersplittern. 
Wenn  Österreich  der  Erfolg  versagt  blieb,  so  trug  die  Ver- 
kennung des  ersten  und  einzigen  Zwecks  jedes  Kampfes;  der  Ver- 
nichtung der  feindlichen  Streitkraft  — die  Haui)tschuld  daran. 
Solange  jene  nicht  gebrochen,  sind  alle  errungenen  Vorteile 
nur  Scheinerfolge.  Dem  Schlachtensieger  allein  fällt  als  reife 
Frucht  zu,  was  der  Di]>lomat  als  Zweck  des  Krieges  erstrebt; 
dieser  kommt  erst  zum  Wort,  wenn  der  Feldherr  gehandelt. 
Politische  Rücksichten  und  Ziele  aber  waren  es,  welche  den 
österreichischen  Kommandanten  zur  mildesten  Form  der 
Kriegführung  bewogen,  welche  die  eigenen  Kräfte  schonen 
und  sparen  hießen,  welche  die  Operationen  zu  einer  Zeit 
leiteten,  als  der  Hauptzweck  dos  Krieges,  Vernichtung  der 
feindhchen  Armee,  erreichbar  gewesen  wäre. 

Aus  diesem  Grunde  kann  der  Feldzug  im  Herzogtum 
Warschau  nicht  vom  rein  militärischen  Standpunkt  aus  eine 
gerechte  Würdigung  finden  *).  Die  politischen  Kalküle  Öster- 
reichs im  Jahre  1809,  die  Hoffnung  auf  Preußens  Beitritt,  auf 
die  Erhebung  Norddeutschlands  und  die  neutrale  Haltung 
Rußlands  erwiesen  sich  als  verfehlt  und  gaben  nur  wieder 
einmal  den  Beweis  fiir  die  Richtigkeit  des  Satzes : 

„Die  besten  Bundesgenossen  sind  unsere  braven  Truppen.” 

’)  Im  Verlauf  des  Feldzuges  wurde  Krakau  erst  am  14.  Juli  von 
den  Polen  besetzt,  ein  weiteres  VorrOcken  derselben  jedoch  durch  den 
WaffenstUlstand  verhindert.  Für  den  Fall  der  Wiedereröfl'nung  der  Feind- 
seligkeiten batte  Fürst  Poniatowski  den  Befehl,  den  Vormarsch  nach 
Olmütz  anzutreten.  (C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIX,  4tiü,  Xr.  15.798.) 

*)  Pelet,  Tom.  IV,  62:  „Les  intrigues  politicjues  portent  une  grande 
complication  an  milien  de  cette  guerre”  und  Stankiewicz,  334. 


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Anhang. 


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Anhang. 


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I. 


Aufruf  Dqbrowskis  und  VVybickis  an  die  Polen*). 

P o 1 o n a i s. 

Napoleon  le  Grand,  rinviucible,  entre  dans  la  Pologne  avec  une 
armee  de  trois  Cent  mille  hommes.  Sans  vouloir  approfoudir  les  mysteros 
de  ses  vues,  tAchons  de  mdriter  sa  iiiagnaiiimitd. 

„Je  verrai,  nous  a-t-il  dit,  si  vous  miritez  d'etre  une  nation.  Je 
m’en  vais  a Posen;  c’est  lä  (jue  mes  premieres  idAes  se  formeront  sur 
votre  corapte.” 

Polonais!  il  dipend  donc  de  vous  d’exister  et  d'avoir  une  patrie ; 
votre  vengeur,  votre  createur  est  li. 

Accourez  de  tous  les  cötes  au-devant  de  lui,  coraine  accourent 
les  enfants  iploris  a l’apparition  de  leur  pere.  Apportez-lui  vos  coeurs, 
vos  bras.  Agissez,  et  prouvez  lui,  tpie  vous  etes  prits  k vorser  votre 
sang  pour  recouvrer  votre  patrie.  11  sait  que  vous  etes  desarmes ; il 
vous  fonrnira  des  armes. 

Et  vous,  Polonais,  foroes  par  nos  oppresseurs  de  combattre  pour 
eux  et  contre  votre  propre  interet,  venez!  ralliez-vous  sous  les  drapeaux 
de  votre  patrie. 

Bientöt  Kosciuszko,  appeli  par  Napoleon  le  Grand,  vous 
parlera  par  ses  Ordres  En  attendant,  recevez  ce  gage  de  sa  haute  protection. 
-Souvenez-vons  que  la  proclamation  par  laquelle  on  vous  appela  pour 
tbnner  des  legions  en  Italie,  ne  vou.s  a pas  trahis.  Ce  sont  ces  legions 
qui,  meritant  les  suffrages  de  l'invincible  lieros  de  l'Europe,  lui  ont 
donne  le  premier  indice  de  l'esprit  et  du  caractere  polonais. 

Fait  au  quartier  general  de  Berlin  ce  3 novembre  J8()6. 

Dombrowski  Wybicki. 

q Abgedmckt  franz.  d'Angeberg,  440.  poln.  K olaczko  w ski,  53. 


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106 


Just. 


II. 

D4cret  ‘). 

Varsovie,  14  janvier  1807. 

Art.  1.  Juaqu'i  ce  que  le  sort  de  la  Pologne  ait  ete  hxÄ  par  !a 
paix  definitive,  eile  sera  gouvemdo  par  un  gouvememcnt  provisoire. 

Art.  2.  Ce  gouvernement  sera  compose  de  sept  membres.  II  prendra 
le  titre  de  Commission  de  gouvernement 

Art.  3.  I.a  Commission  de  gouvernement  nommera  aon  President 
dans  son  sein.  Elle  choisira  un  secr4taire  giniral  hors  de  son  sein. 

Art.  4.  Elle  choisira  ögalement  hors  de  son  sein  cinq  personnes 
chargdes  de  la  direction  des  differentes  branches  de  l'administratiou 
publique,  suvoir : un  directeur  de  la  justice,  un  directeur  de  l’interieur, 
un  directeur  des  tinanoes,  un  directeur  de  la  guerre  et  un  directeur  de 
la  police. 

Art.  6.  Ces  directeurs  travailleront  avec  la  Commission  de  gouver- 
nement, dont  les  decisions  seront  portees  ä la  pluralite  des  voix. 

Art.  6.  La  Commission  de  gouvernement  est  investie  de  tonte 
l'autoritd  necessaire  pour  faire,  sur  le  rapport  du  directeur  de  chaque 
partie,  les  lois  et  rdglements  relatifs  & la  justice,  a l’administration 
int4rienre,  aux  finances,  k l'armde  et  a la  police  du  pays. 

Art.  7.  11  ne  sera  rien  chang4  ä la  division  actuelle  du  territoire 
en  six  d4partements,  savoir;  Varsovie,  Posen,  Kalisz,  Bromberg,  Plock 
et  Bialystock. 

Art.  8.  Sont  nommes  membres  de  la  Commission  de  gouvernement: 

M.  M.  le  mar4chal  comte  Maiachowski;  Gutakowsky, 
President  delachambre  supreme;  le  comte  Stanislas  Potocki;  Wybicki; 
le  comte  Lzialynski;  Bielinski,  prösident  de  la  chambre  de  Kalisz; 
S o b o 1 e w s k i. 

Napoldon. 


>)  C.  d.  N.  I.,  Tom.  XIV,  192,  Nr.  11Ö30;  d’Angeberg.  457. 


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Das  Hersogtum  Warschau. 


107 


m. 

Brief  des  Dirisionsgenerals  Zaj^czek  an  Fürst  Josef 
Poniatowski  ‘). 

Monsieur  le  Directeur  de  la  guerre! 

Je  suis  fatiguÄ  de  votre  oorrespondance.  Le  ton  de  Vos  lettres 
ne  me  convient  pas;  le  plus  sage  est  de  iie  pas  nous  ecrire. 

Bappelez  Vous  que  je  suis  un  ol’ficier  gdneral ; l'Empereur  l’a 
voalu.  Je  ne  ddpends  point  de  Vous  pour  ce  qui  est  du  inouvement 
de  mes  troupes.  Quant  k l’interieur  et  l’organisaliou  des  corps,  adressez 
vos  Ordres  i Monsieur  Kossecki,  faisant  les  fonctions  de  chef  d’Etat 
major  de  ma  division.  II  les  reraplira. 

Quant  i moi,  persuadez  Vous  bien  unc  fois  pour  toutes,  que  je 
n'ai  point  d'ordre  ä recevoir  de  Vous,  que  je  n’attends  rien  du  gouver- 
nement  polonais,  que  je  dois  tout  k l’Empereur  des  Franyais  et  que  je 
n'ai  et  ne  veux  avoir  rien  k esperer  que  de  lui. 

Je  Vous  represente  pour  la  derniere  fois,  que  la  troupe  polouaise 
que  je  commande  a mille  besoins  urgents.  Elle  manque  de  cbaussure, 
de  chemises,  de  capottes,  de  gibernes,  de  sacs  ä pain.  La  cavalerie  n’a 
que  de  trfrs  raauvaises  selles  et  brides  et  rien  de  ce  qu’il  faut  pour  faire 
bivouaquer  les  chevaux.  Toute  la  troupe  est  Sans  luarmites  et  saus  aucun 
moyen  de  faire  trainer  les  munitions  de  guerre  apres  eile.  Je  vous 
en  ai  parld  dans  plusieurs  de  mes  lettres ; elles  n’ont  produit  aucuu 
eli’et.  Est-ce  Votre  faute,  est-ce  celle  du  gouverneraent  polonais  je 
n'en  sais  rien. 

Je  Vous  previens,  que  je  communique  la  presente  lettre  ii  sou 
»lte.<se,  le  prince  ministre  de  la  guerre  et  qu’une  fois  pour  toutes,  je  nc 
veux  rien  avoir  a d^miler  avec  Vous. 

Xeidenburg,  iy.  avril  1807. 

Le  general  de  Division 

Zayonczek. 

*,  Wybicki.  PamiQtniki.  S15. 


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108 


Just. 


lY. 

Proclaniation  du  prinee  Joseph  Poniatowski  adressee  anx 
ancieus  militaires  qui  oiit  serri  sous  la  r^publique  polo- 
iiaise,  afln  de  fornier  des  eadres  pour  nne  nonrelle  armee 

polonaise'). 

Varsovie,  7 (Uoembre  1806. 

Appelö  par  S.  A.  J.  lo  grand-duc  do  Berg,  lieutenaut  de  S.  M. 
rempercur  des  Fran^ais,  ä roprendre  le  rang  et  les  fonotions  quo  j’avais 
exercees  ä l’armee  du  roi  et  de  la  republique  de  Pologne,  afin  d’orga- 
niser  les  forces  militaires  de  uotre  pays,  j’invite  en  cons^uence  tous 
les  anciens  officiers,  ä se  presenter  a mon  etat-major,  tous  les  jours  de 
neuf  heures  a midi  et  de  se  muuir  des  diplömes  delivr«5s  par  S.  M.  le 
roi  Stanislas-Auguste,  afin  de  reprendre  leurs  ancieus  rangs.  Ceux 
qui  n’ont  pas  servi,  seront  employes  seien  la  capacite  de  leurs  forces. 

Polonais!  l’espoir  commence  ä renaitre;  notre  patrie  sacrifi^e  pourra 
se  rolover  et  jouir  encore  de  sa  gloire  antiquo,  A I’ombre  des  lauriers  da 
grand  empereiir  des  Franfais.  Mais  nous  devons  lui  prouver  que  I’osprit 
de  nos  ancetresne  s’est  point  Ateint  chez  nous;  que  nous  sommes  dignes  de 
posseder  leur  heritage,  et  porter  encore  un  nom  illustre  jadis  par  tant 
de  vertus  et  tant  de  glorieux  exploits  dans  des  circonstances  si  impor- 
tantes, ilans  des  moments  si  propiiAs,  et  qui  pent-etre  ne  se  represen- 
teront  plus,  je  m’adresse  a vous,  mes  chers  collegues  et  anciens 
compngnons  d’amies,  en  vous  assurant  que  mon  plus  grand  boulieur  est 
celui  de  vou.s  commander.  Les  principes  de  l'honneur  vous  ont  toujours 
AtA  sacrea;  aujourd’hui  vous  repondrez  dignement  i l’appel  de  la  patrie 
et  k la  conliance  d’un  invincible  raonaniue:  fiez-vous  k son  grand 
caractere,  et  tous  vous  serez  fiers  d’avoir  accompli  un  glorieux  dovoir. 

Joseph  Prinee  Poniatowski. 


d' A n gH b erg , 456. 


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Das  Herzogtum  Warscltau 


109 


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*)  Nach  Biblioth**qne  bistoritine»  Tom,  VII. 


110 


Just. 


VI. 

A.ii8ziigsweise  Abschrift  des  Tilsiter  Friedensantrages  vom 
9.  Juli  1807'). 

Art.  13.  — Der  König  von  Preußen  entsagt  für  immer  dem 
Besitze  aller  Provinzen,  die  als  einstige  Bestandteile  des  Königreiches 
Polen  nach  dom  1.  Januar  1772  zu  verschiedenen  Epochen  unter  Preußens 
Herrschaft  gekommen  sind,  mit  Ausnahme  des  Ermelandes  und  des 
Landes  im  Westen  von  Altproußen,  im  Osten  von  Pommern  und  der 
Neumark,  im  Norden  des  Kulmer  Kreises  und  einer  Linie,  die  von  der 
AV'eichsel  über  Waldau  nach  Schneidemühl  geht  und  lilngs  den  Grenzen 
des  Bromberger  Kreises  und  der  Straße  von  Sebneidemühl  nach  Driesen 
binlauft,  welche  Provinzen  nebst  der  Stadt  und  Zitadelle  Graudenz  und 
den  Dörfern  Neudorf,  Parchken  und  Swierkorzy  auch  in  Zukunft  mit 
allem  Eigentumsrecht  und  Souveränität  von  dem  König  von  Preußen 
werden  besessen  werden*). 

Art.  1.1.  — Die  Provinzen,  welchen  der  König  von  Preußen  im 
13.  Artikel  entsagt,  werden  mit  Eigentumsrecht  und  Souveränität  von 
dem  König  von  Sachsen  unter  dem  Titel  eines  Herzogtums  AVarschau 
besessen  und  nach  einer  A'erfassung  regiert  werden,  welche  die  Freiheiten 
und  die  Privilegien  der  Völker  dieses  Herzogtums  sichert  und  sich  mit 
der  Buhe  der  benachbarten  Staaten  verträgt. 

d’Angeberg.  4(30.  Karopaa  Palingenosie,  1.  48. 

Nach  Art.  VII  des  £lbmf;er  (ironavortrages  vom  10.  November  18C/7  trat 
Preullen  auch  Neuschlesien  ab.  (d'Angoberg,  495).  Siebe  noch  Seite  5(3,  FabooteS. 


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Das  Herso^um  Warsobau. 


11t 


vn. 

Auszugsweise  Abschrift  der  Bayoiiner  KouTention  rom 
10.  Mai  1808  M. 

Art.  I.  — SaMajeste  l’Empereur  das  Fran^ais,  Roi  d’ltalie  voulaut 
aider  las  linances  de  S.  M.  Io  Roi  da  Saxe  dans  le  Duohd  de  Varsovie, 
renonce  ä Sa  creance  de  4,352.170  fr.  sur  le  gouveruement  Polonais 
pour  papier  tinibre,  carter  i jener  et  autres  produits  du  timbro.  Elle 
renonce  egalement  ä Sa  creance  de  349.805  fr.  pour  effets  d’habiilement 
ecpiippcment  ou  campement,  livres  au  Duobe  de  Varsovie.  S.  M.  J.  et  R. 
reduit  de  3,148.732  fr.  ti  1,500.000  fr.  Sa  creance  pour  le  sels,  et 
pareillement  de  1,907.270  fr.  b.  1,500.000  fr.  Sa  creance  pour  rartillerie. 
retraiichant  497.270  fr.  pour  l’artillerie  prise  aux  Russos  et  remise  au 
gouvcmement  Polonais,  de  Sorte  que  ces  deux  creances  ne  s’eleveront 
enscmblo  qn'5  3,000.0(K)  de  francs. 

Ces  trois  niillions  jolnts  au  inillion,  prete  par  S.  M.  Imp.  et  R.  au 
gouveruement  provisoire  de  la  Pologne  seront  veraes  avant  le  1 juillot 
de  cette  annee  dans  la  caisse  du  payeur  Fran^ais  i\  Varsovie  eii  trois 
.«eries  de  bons. 

Art.  III.  — II  sera  fait  compen-sation,  valeur  pour  valeur  de  la 
Somme  diie  par  le  gouvcmement  Polonais.  pour  los  denrdes,  qui  lui 
out  etd  livröes  par  le  mareclial  Davout.  laquello  est  portdo  de  quatro 
3 cinq  millious,  aveo  le  montaut  des  fournitures  faites  ä l'armee 
commandee  par  le  mardchal  Davout,  seit  pour  subsistances  soit  pour 
les  höpitaux,  depuis  le  17  soptembre  jusqu'au  31  decembre  1807,  les- 
qnelles  sont  estiniees  de  trois  ä quatre  millions. 

Art.  IV.  — Les  ordances  que  S.  M.  l’Empereur  et  Roi  s’est 
reservdes  par  le  traite  de  Dresde  du  22  juillet,  celles  qui  sont  pre- 
sentcnient  connues,  lesquelles,  suivant  I’ötat  (jui  en  sera  remis  par 
l’Intendant  gendral  de  Tarmee  et  des  pays  contpiis  aux  comtnissaires 
de  S.  M.  le  Roi  de  Saxe  montaut  i 43,463  220  fr.  51  ceiit.  de  Capital, 
plus  k quatre  millions  pour  les  interets  arri^res  ou  echus  depuis  la  con- 

Marten  •:  Nouvean  röcaeil  ile  traitce.  I.  71.  Göttingcn  1^17. 


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112 


Just, 


quete,  et  celles  qu’oii  pourrait  ulterieurement  döcouvrir,  sont  ced6es  par 
S.  M.  l’Empereur  et  Iloi  i S.  M,  le  Koi  de  Saxe  comme  Duc  de  Varsovie, 
pour  l’am^lioration  des  finances  du  Grand  DiicM. 

En  4change  S.  M.  le  Roi  de  Saxe  fera  verser  avant  le  1 juillet 
prochain  dans  les  caisses  de  S.  M.  l'Empereur  et  Roi  trois  sÄries  de 
bons,  chacun  de  10.000  fr.  la  premiere  et  la  seconde  Serie  seront  de 
600  bons  chacnne  et  la  troisiemc  de  800;  de  Sorte  qne  le  versement 
total  sera  de  2000  bons,  faisant  vingt  inillions  de  francs. 

"Art.  V.  — Les  bons  porteront  interöt  de  5 pour  Cent  k compter 
du  1 janvier  demier  1808. 

Art.  VI.  — Le  corps  de  troupes  Fran(,’aises,  qui  est  dang  le  Duche 
de  Varsovie  continucra  d’ßtro  k la  Charge  de  S.  M.  Imp.  et  R.  et  sa 
depcnse  sera  payee  exactement.  On  pourra  employer  k ce  payement 
la  partie  des  bons  mentionnes  dans  l'article  prdcedent,  qui  sera  necessaire 
cependant  a compter  du  1 juillet  prochain,  les  boeufs,  qu'on  fera  venir 
de  l'etrangcr  pour  rapprovisionneinent  des  troupes  Fram,'aises  seulonient, 
seront  achetds  par  Tadministration  Fraiifaise,  ou  bien  le  prix  en  sera 
reinbourse  par  eile  eii  num^raire. 

Bayonne,  le  10  mai  1808. 

J.  B.  Nompere  de  Champagny 
Stanislas  comte  Potocki 
Xavier  comte  Dzialynski 
Pierre  comte  Bielinski. 


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Das  Hürsogtam  Warschau, 


113 


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fiCOI  W91 ' — I — — I — — |w;r,l|9Ior.  HOi;:  • • • • ouiuinsuu«sdo 


114 


J U I t. 


IX. 

stärke  und  Dislokation  der  Trappen  des  Herzogtums 
Warschau  am  1.  Januar  1809'). 


Nr. 

obarst 

Standort 

Effekiivstnnd 

Infanterie. 

1 

Malachowski  . . 

Praga 

1934  Mann 

2 

Stanislav  Potoeki 

Warschau 

1962 

3 

Zoltowski  . . . 

*1 

2339 

t? 

4 

Felix  Potoeki  . . 

Frankreich 

2555 

O 

5 

Mich.  Itadziwill  . 

Kübtrinu.Cz<;stochow 

1933 

»1 

6 

Surawski  .... 

Siero(.k 

1807 

7 

Sobolewski  . . . 

Frankreich 

2855 

*» 

8 

Godebski  . . . 

Modlin 

1888 

i) 

Snlkowski  . . . 

Frankreich 

2555 

10 

Downarowicz  . . 

Danzig 

1485 

11 

Mielczynski  . . . 

n 

1691 

*♦ 

12 

W eyßenhoff  . . . 

Thom 

1336 

V 

12  Infanterieregimenter,  24.339  Mann 

Kavallerie. 

1 

Przebendowski  . 

1 Piiiseczno 

Jäger  zu 

Pferd 

2^ 

Tvszkiewicz  . . 

i Warschau 

Ulanen 

3 

4 

Louczyuski  . . | 

5(enczinski  . . | 

Echelon,  an  der  Pilica, 
Warthe  n.  Prosna 
: d.OBterr.u.preuO.Urense. 

:i  u 

1 Jäger  zu 

Pferd 

5 

6 

Tnrno  . . . . | 
Dziewanowski  . | 

Echelon,  am  Niemen,  an 
der  Weichsel  und  Nets«* 

‘ gSKt^n  die  russiicbe  und 
preuliische  Grenze. 

'1  ” ’• 
1 Ulanen 

1 

Im  ganzen  5500  Mann,  5000  Pferde 


')  Zum  Tttil  Dach  Soltyk,  108  bis  110;  "Exner.  10,  77,  113. 


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Da«  Herzogtum  Warschau. 


115 


Spezialwaffen. 

Artillerie  (Major  Redl):  3 Bataillone  & 3 Kompagnien;  1000  Mann. 
8(K)  Pferde.  1 Kompagnie  reitende  Artillerie  (Kommandant  Haupt- 
mann Wladimir  Potocki]:  50  Mann,  75  Pferde. 

Sappeure  (Major  Gdrski):  3 Kompagnien;  450  Mann. 

Train  (Major  Hurtig):  3 Kompagnien  i 165  Mann  und  1 Kompagnie 
mit  45  Mann;  540  Mann,  100  Pferde. 

Handlanger  und  Pontoniere:  1 Kompagnie;  58  Mann. 

Summa:  2008  Mann,  1035  Pferde, 


mit  nachfolgenden  Standorten: 

Artillerie  Sappeure  Tiainkompagnien 

Warschau  4 Komp,  (hievon  1 d.  reit.  Artill.)  . . 2 

Praga  ...  1 „ V,  — 

Sierovk  .1  „ '/, 

Modlin  . . 1 „ ■/,  >/i 

Czsstochöw  1 „ */»  '/i 

Danzig  . . 1 — — 

Frankreich  1 „ 1 Vj 


Stab. 

3 Divisionsgenerale:  Poniatowski, 
Zajaczek,  H.  D^browski. 

13  Brigadegenerale:  Kaminski,  liie- 
ganski,  Sokolnicki,  Roiniecki, 
Kamieniecki,  Hauke,  Piotrowski, 
Niemoiowski,Hehdowski,  Fiszer, 
Grabowski,  Woyoz3'nski,  Isidor 
Krasinski. 

35  Adjutanten 
1 Adjutant-Kommandant 
3 Inspecteurs  aux  revue.s 
6 Sous-inspecteurs 
3 Kriegskommissäre 
3 Zahlmeister 
67  im  ganzen. 


Sanitätsdienst. 

1 Chefarzt 
1 Oberchirurg 
1 Oberpharmazeut 
3 Chirurgen  I.  Klasse 
3 „ II- 

0 im  ganzen. 


GeschUtzmaterlal. 

243  Geschütze,  wovon  93  Feld- 
geschütze. 


Gesamtstand  der  polnischen  Armee: 


Infanterie 24.3.39  Mann, 

Kavallerie 5.550  „ 5000  Pferde 

Spezialwaffeu  2.098  ,,  1035  „ 

Stab 67  ,, 

Sanitätsdienst 9 „ 


32.063  Mann,  6035  Pferde 

8* 


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1 1 (>  J n B t . 

Hiezu  eio  sächsisches  Koutingent  io  Warschau  von: 

1619  Mann  Infanterie 
278  Kavallerie 

900  „ Artillerie  mit  14  Geschützen 

im  ganzen  2197  Mann 

unter  Kommando  des  GM.  von  Dyherrn,  und  zwar: 

1 Musketierbataillon  des  Infanterieregiments  von  öbscholwitz, 

6 Grenadierkompagnion,  je  zwei  vom  Infanterieregiment  von  Rechten, 
von  Dyherm  und  König, 

2 Kskadronen  vom  Husarenregiraent  unter  Major  von  Gablenz, 

1 Detachement  von  Zastrow-Kürassieren, 

2 Batterien  vom  Feldartilleriekorps  unter  den  Hauptleuteu  Raabe  und 

von  Koch. 


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Das  Herzogtam  Warschau. 


117 


X. 

Konskriptionsordnmig  vom  9.  Mai  1808  ‘). 

En  notre  palais  de  Pilnitz,  le  9 mai  1808. 

Fr^deric-Auguste,  par  la  graco  de  Dien,  roi  de  Saxe,  duc  de 
Varsovie,  etc. 

Atinijue  notre  ann^e  dans  le  dnchd  de  Varsovie  soit  constamment 
au  nombre  d’hommes  prescrit  par  la  Constitution,  et  afin  que  le  pa3'S 
soit  toujours  pret  i combattre  pour  sa  defense  nous  avons  dicretd  et 
decretons  ce  qui  snit: 

La  consctiption  sera  aussitöt  dtablie  dans  tout  le  duch6  de  Var- 
sovie, dan.s  les  villes  et  dans  les  villages,  tant  pour  les  bourgeois  et 
habitants  que  pour  ceux  qui  ne  seraient  pas  domicilids  et  qui  appar- 
tieudraient  d’une  manifere  quelconquo  au  paj's,  saus  avoir  Ägard  a leur 
naissance,  ä leur  dtat,  dignitd,  profession  et  religion.  Sont  exceptds  de 
la  conscription  ceux  qui  ont  uu  emploi  et  qui  sont  aux  service  civil 
de  l'dtat,  tant  qu’ils  seront  en  place,  tous  les  dcclesiastiques  etc. 

Quant  aux  juifs,  qui  demeurent  dans  le  duehe  de  Varsovie 
(quand  mäme  ils  seraient  nds  ailleurs),  il  ne  sera  exceptö  de  la  con- 
scription qu’un  rabin  et  un  chantro  pur  chaque  commune. 

L’ägo  determine  la  conscription;  tous  ceux  qui  sont  ftgds  de  vingt 
ans  et  un  jour  appartiennent,  Sans  distinction,  h la  conscription,  jusqii’4 
ce  qn'ils  aient  atteint  l’äge  de  vingt-huit  rövolus;  tous  ceux  qui  ont 
vingt-huit  ans  et  im  jour  sont  excempts  de  la  conscription. 

Oütre  la  conscription,  il  sera  formd  une  rdserve,  ä laquello  appar- 
tiendront  tous  les  hommes  du  cercle,  qui  ont  plus  de  vingt-huit  ans, 
et  (jui,  par  consdquent,  n’ont  pos  etd  inscrits  sur  les  registres  de  la 
conscription.  Tout  individu  qui  aura  atteint  l’Sgo  cinquanto  ans  et  un 
jour,  sortira  de  la  r^serve,  et  sera  comptd  parmi  les  anciens.  Tous  les 
conscrits  appellds  k l'armee,  dfes  qu’ils  y auront  servi  six  ans  con- 
secntifs,  sans  ddserter,  appartiendront  i.  la  classo  de  ceux,  qui  out 
acquitte  leur  dette  h la  patrie.  De  cette  mani6re,  tous  les  individus 
niiles  des  departements  et  de  chaque  cercle  du  ducbd  de  V’arsovie  seront 
partages  en  cinq  classes.  La  premiiro  coniprendra  ceux  qui  n’ont  pas 
läge  recjuis;  la  seconde  ceux  qui  sont  propres  a la  conscription;  la 
troisiemo  ceux  qui  appartiennent  k la  rdserve;  la  quatrieme  ceux  qui 
ont  servi  leur  temps;  et  la  cinqui&me  les  anciens. 


q Joomal  de  l'Empire,  Varsovie,  29.  juin  idOS. 


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118 


Just. 


XI'). 

Soldats! 

LorS((ue  le  premicr  guorrier  du  monle  et  des  sifecles,  le  graiid 
Napoleon,  apres  avoir  termino  glorieusement  une  guerre  qui  a laisse 
ä rimmauite  I'esperauce  d une  paix  inaltdrable,  a prononcd  ces  mots  si 
flatteurs  pour  la  nation  qu’il  venait  de  relever  de  sa  chute:  Je  .sui.s 
Content  de  l’arm^e  polonaise;  S.  Jl.  le  roi,  notro  maitre,  voulant  lui 
donner  de  son  c6t4,  une  marc|ue  publique  de  son  estime  ot  de  sa  satis- 
faction,  a etendu  pour  cette  fois  la  recompense  de  la  crolx  militairo 
sur  toute  l’armcc,  en  ddcoraut  tous  les  gdndraux,  les  colonels,  los 
majors  et  les  ofllciers,  sous-oflicicrs  et  .soUats  dans  les  etats-majors 
et  dans  les  corjis  qui  l'ont  le  mieux  m^rite.  C’est  une  recompense  des- 
tin^e  aux  vertus  militaires  ot  eu  rafeme  teinps  une  marque  d’honneur  et 
de  noblesse,  qui,  comme  l’honneiir  lueme,  ne  peut  soufl'rir  aucune 
attcinte.  En  la  recevaut  de  votre  roi,  songess  que  vous  contractez  le 
devoir  sacrd  d’en  prouver  le  prix  par  votre  m<5rite  et  de  servir  d’exemple 
partout  oü  la  patrie  vou.s  appellera,  ä ceux  ü qui  le  sort  a refase 
l'occasion  de  so  signaler  ot  qui  sont  dans  l’attente  des  dveuomeuts  oü 
ils  pourront  mörlter  cette  baute  distinction,  et  cette  gloire  dont  vous 
ütes  Couverts,  et  dont  le  ministre  qui  la  partage  avec  vous,  fdlicite 
aujourd’hui. 

•)  Journal  dü  rKmpire.  Varsovie,  81  d^combre  1807. 


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Das  Hersofftum  Warsobau. 


119 


xn. 


Proelumation  dn  prinee  Joseph  Poniatowski,  ndressöe  aux 
l^gions  polonaises '). 

Varsovie,  le  5 aoüt  1807. 

Soldats!  revenu  de  Dresde  oü  je  m’etais  rendn  pour  offrir  i Sa 
Majestd  Imperiale  et  Eoi  le  demier  hommago  de  notre  profonde 
vÄncration,  au  nom  des  troupes  que  j’ai  l’honnenr  de  commander,  je 
regarde  comme  un  devoir  gloricux  pour  moi  de  vous  rappeier  les  der- 
ni^res  paroles  que  ce  monarque  m'a  adressees  ä votro  oocasion. 

„Je  suis  Content,  m’a-t-il  dit,  des  troupes  polonaises;  j'ai  trouvd  dans 
TOS  soldats  du  courage  et  de  l'dnergie;  ils  sont  braves,  intrepides  mais 
ils  n’ont  encore,  ni  la  tenue  ni  l’esprit  militaire,  ils  iio  connaissent  ni 
cette  justesse  d’exdcution,  ni  cet  ensemble  qui  caractörisent  de  vrais 
soldats.  Mais,  j’aime  ä le  croire,  une  administration  ferme  et  les  loisirs 
de  la  paix  leur  donneront  bientöt  ces  qualitds  qui  leur  manquent.” 
Soldats,  vous  avez  deploye  assez  de  courage  aur  le  cbamp  de 
bataille  pour  assurer  votre  röputation  aux  yeux  de  ceux  avec  lesquels 
nous  avons  fait  la  gucrre,  mais  vous  n’avez  point  encore  assez  fait  pour 
Tous-memes  et  pour  la  gloiro  de  la  patrie.  Elle  exige  de  nous,  outie 
les  vertus  militaires,  Tharmonie,  l’ordre,  la  discipline  et  l’obdissance. 
Le  Premier  des  guerriers,  le  höros  de  l'univers  et  des  siecles,  le  graud 
Napoleon,  a louö  ce  qu’il  a trouve  de  bon  en  nous,  sous  le  rapport 
militaire;  mais  d’un  autre  cötö,  il  nous  a fait  connaitre  ce  qui  nous 
manqaait  encore.  Glorieux  de  ces  louanges,  n’oublions  pa.s  les  sages 
avis  qu’il  y a joints,  afm  qu’ötant  comme  inveslis  de  tout  ce  qu'il  exige 
la  plenitude  de  notre  vocation,  nous  puissious  par  la  suite  möriter  de 
plus  grands  eloges  de  la  part  de  ce  souverain  et  nous  placer  au  rang 
de  ces  troupes  qui  röpoudent  dignement  au  voeu  de  leur  gouvcmement, 
comme  au.ssi  a celui  de  rhumauitö  et  du  bien  public. 

Joseph  prinee  Poniatowski. 

Conforme  b,  l'original.  Le  directeur  en  obef  des  bureaux  du  ddpar- 
tement  de  la  guerre.  Colonel  Hebdowski. 


>)  (l’AngeberK,  187. 


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120 


Just. 


XIII. 

Tai^esbefehl  anläßlich  der  Gedenkfeier  an  die  Schlacht 
bei  Jena  ’). 


Varsovie,  14  octobre  1803. 

Holdats  polonais! 

II  y a ileux  ans,  qu’i  pareil  jour  une  victoiro  mdmorable  a pose  les 
fondements  de  notre  existence  actuelle ; mai.s  les  sieclos  les  plus  recules 
doivent  apprendre  de  quelle  reconnaissance  los  coours  polonais  soiit 
penetrds  pour  le  htSros.  <iui  de  sa  puissonte  inaiu,  balam^ant  les  destindes 
des  nations,  nous  a rendu  notre  terre  patemelle.  Les  preraiers  pas  que 
vous  avoz  faits  daus  la  carridre  des  armes  ont  dejä  montrd  que  vous 
etiez  dignos  de  la  haute  bienveillanco  du  grand  monarque.  Ne  cessez 
jamais  de  prouver  un  ddvouement  saus  bornes  d celui  dont  la  sollicitude 
continuelle  vous  prdparc  un  accroissement  de  prosperitd.  Placds  sous 
les  ordres  d’un  chef  qui  s'est  couvert  lui-mdmo  do  lauriers  k pareil  jour 
reudez-vous  dignes  do  combattrc  k cötd  des  plus  vaillants  soldais.  En 
attendant  qu'une  beureuse  destinde  nous  procure  l’avantage  de  payer 
de  notre  sang  ce  quo  nous  devons  k la  brave  armee,  qui  a reconquis 
nos  droits,  joignons-nous  k eile  pour  offrir  aujourd'hui  notre  homraage 
k notre  libdrateur.  Vive  l’Empercur  Napoldon. 

Le  prince  Poniatowski. 

■)  Journal  de  rEmpirc. 


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Das  Herzogtum  Warschau.  121 

XIV. 

Übersicht  über  die  inner-  nnd  außerhalb  des  Herzogtums 
Warschau  als  Besatzungstruppen  stehenden  polnischen 
Heeresteile. 


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' Standort 

Äneabl  der 
GeschUtso 

Am  1.  Januar  1809 

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Warschau 

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’.'j  Sapp.  K.,  '/»  Tr.  K. 

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Sieroijk 

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37 

1B.j6.LR.,  1 F.A.K., 
'/t  Sapp.  K.,  ' ■>  Tr.  K. 

1413 

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Thorn 

52 

1 

15^4^: 

>) AnmerkuDir  2 dod 
Anhangs  X V. 

♦)  Dnrch  Zuwaclis  der 
dritten  iiatuillone 
des  10.  nnd  11  ln- 
faotoriereg.  später 
Mann. 

Cz^tochdw 

28 

1B./5.I.R.‘),  1 F.A.K., 
'U  Sapp.  K.,  ’/j  Tr.  K. 

1 

730  1 

' 

»)  FeldbfttHillon  unttr 
Kommando  des  Ma- 
jor Stuart. 

Im  ganzen  243  Geschütze  (wovon  33  Feldgeschütze  [Sol  tyk,  111,  lUIJ) 
und  ‘.K>40  Mann. 


Danzig 

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2B.  11. 1.U.,; 
lF.A.lv.(73M.) 

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312M..4.K.R 

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91M.,'4K.R. 

1 

Glogau 

1 

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124M./4.K.H.! 

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Stralsund 

- 

.03M..4.K.R.' 

I Im  ganzen  zirka  3350  Mann. 

I Somit  als  Besatzungstruppeu  verwendet  bei  13.130  Mann. 


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122 


J o • t. 


XV. 

Ausweis  Aber  die  am  15.  April  1809  rerfOgbaren  Feldtmppen 
des  Herzogtums  Warschau. 


XVI. 

Vergleichende  Dislokatlonatabelle  der  Truppen  de8  Herzogtums  Warschau  in  der  Zeit  vom  Oktober  1807 

bis  April  1809. 


Das  Hersogtam  Wnrscban. 


123 


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Die  Schlacht  an  der  Piave. 

(8.  Mai  1809.) 


Mit  zwei  Textskizzen. 


Von 


Hauptmann  Veltze. 


Am  10.  April  1809  war  Erzherzog  Johann  mit  der  am 
Isonzo  konzentrierten  innerösterreichisohen  Armee  in  Italien 
eingerückt.  Nach  den  Erfolgen  von  Venzone,  Pordenone  und 
Sacilo‘)  drängte  er  das  geschlagene  französisch-italienische 
Heer  über  die  Piave,  die  Brenta  und  schon  am  28.  April 
standen  seine  siegreichen  Bataillone  unmittelbar  vor  den 
Toren  Veronas. 

FML.  Marquis  Chasteler  hatte  mittlerweile  seine  Truppen 
durch  das  Pustertal  und  weiter  im  Tale  des  Eisack  und  der 
Etsch  vorgeschoben ; bei  Peri  betrat  er  italienisches  Gebiet 
und  deutlich  war  von  ausgesandten  Nachrichtendetachements 
des  Erzherzogs  schon  am  27.  der  Donner  seiner  Kanonen 
vernommen  worden.  Zu  ebendieser  Zeit  jedoch,  da  kaum 
jemand  noch  an  der  baldigen  Vereinigung  der  beiden  Gruppen 
zweifeln  konnte,  trafen  die  Hiobsposten  vom  nördlichen 
Kriegsschauplatz  ein:  ,, Napoleon  habe  die  mächtige  Armee 
des  Erzherzogs  Karl,  Österreichs  Stolz  und  Hoflhung,  in 
mehreren  blutigen  Treffen  geschlagen,  zersprengt,  diese 
befinde  sich  auf  dem  Marsche  nach  Wien.” 

Chasteler  war  auf  diese  Nachrichten  hin  sofort  nach 
Nordtirol  aufgebrochen,  auch  die  Lage  der  innerösterreichisohen 
Armee  wurde  unhaltbar. 

Am  1.  Mai  führte  Erzherzog  Johann  seine  Truppen 
über  die  Gua  und  den  Alpone  und  nach  äußerst  hartnäckigen 
Gefechten  mit  dem  lebhaft  nachdrängenden  Gegner  war  das 
Gros  am  Morgen  des  6.  Mai  an  den  Ufern  der  Piave  angelangt; 
die  Absicht  des  Kommandierenden  ging  ursprünglich  dahin, 

')  Siebe  „Mitteilungen  des  k.  und  k.  Kriegsarchivs”,  Dritte  Folge, 
111.  Bd.,  111  bis  247. 


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128 


Veit  «4. 


den  Rückzug  ohne  Aufenthalt  bis  an  die  Pässe  Kärntens  forfc- 
zuführen  und  erst  dort  dem  Gegner  ernstlichen  Widerstand 
entgegenzusetzen.  Aber  die  unaufhörlichen  Regengüsse  der 
letzten  Tage  hatten  die  Straßen  derart  aufgeweicht,  daß 
die  lange  Kolonne  der  vorausziehenden  Fuhrwerke  nur  unter 
den  größten  Schwierigkeiten  Terrain  gewinnen  konnte  und 
die  letzten  Wagen  kaum  die  stehende  Brücke  bei  la  Priula 
passiert  hatten,  als  schon  die  Tete  des  YIII.  Armeekorps  in 
Sicht  kam.  Eine  gute  Stunde  stromaufwärts,  bei  Vidor,  stand 
für  das  IX.  Armeekorps  eine  Pontonbrücke  in  Bereitschaft, 
während  die  rechte  Seitenkolonne  — das  aus  Linientruppen 
und  Landwehr  kombinierte  Zernierungskor})s  von  Venedig  — 
die  Holzbrücke  von  Lovadina  zum  üferwechsel  benützte. 

Gegen  Abend  stand  die  ganze  österreichische  Armee  am 
linken  Ufer  der  Piave ').  Die  Nachhut,  unter  FML.  Frimon  t, 
hatte  den  Gegner  so  lange  aufgehalten,  bis  alle  Vorbereitungen 
zur  Unbrauchbarmachung  der  Übergänge  getroffen  waren; 
Oberstleutnant  Collenbach  steckte  die  Brücke  bei  Lovadina  in 
Brand  *),  die  Pfeiler  des  Ponte  la  Priula  wurden  gesprengt. 
Nur  bei  Vidor  kam  es  bei  Abtragung  der  Brücke  zu  einem 
leichten  Scharmützel ; kaum  waren  die  Pontons  losgemacht, 
als  feindliche  Kavallerieabteilungen  heransprengten,  im  Nu 
absaßen  und  Miene  machten,  die  Arbeiten  zu  stören;  nachdem 
jedoch  die  Geschütze  einer  am  linken  Flußufer  maskierten 
Batterie  zu  s[)ielen  begannen,  räumten  die  Reiter  eiligst  den 
Platz. 

Bei  Narvese  betritt  die  Piave  die  große  italienische 
Tiefebene.  Im  Gebirge  in  ein  enges,  tiefes  Bett  gezwängt, 
ist  ihr  Lauf  ein  rascher,  mitunter  sogar  reißend,  daher  ein 
Uferwechsel  für  größere  Armeekörper  nur  auf  Brücken  möglich; 
im  flachen  Gelände  dagegen  schlängelt  sich  der  Fluß,  bei 
äußerst  geringem  Gefälle  und  trägem  Lauf,  durch  saftige 
Wiesen  und  fruchtbares  Ackerland,  breitet  sich  nach  Tun- 
lichkeit aus,  ästet  sich  in  viele  Arme  und  bildet  Inseln,  die 

')  K.  A.,  F.  A.  1809,  Ital.,  V,  89,  91,  93;  Op.  Journ,  51,  53.  (Ordre 
de  bataille,  .siehe  Anhang  I.) 

b Vaudoncourt,  Histoire  politique  et  militaire  du  prince  Eugene 
Napoleon,  Paris  1828 ; I,  225. 


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Die  Schlnvbt  an  der  Piave. 


129 


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von  herabgeschweramtem  Schotter  überdeckt,  nur  der  genüg- 
samen Weide  und  sumpfigem  Schilf  Nahrung  bieten.  Selbst 
zu  normalen  Zeiten  haben  nicht  alle  Straßen  stehende  Brücken  ; 
die  vielen  Furten  durch  das  seichte  Gewässer  machen  sie 
zumeist  entbehrlich ; nur  nach  anhaltenden  Regengüssen  oder 
zur  Zeit  der  Schneeschmelze  ist  das  Übersetzen  der  dann 
angpschwollenen  Fluten  gefährlich,  oft  ganz  untunlich.  Die 
flachen  Ufer  begleiten  da  und  dort  mäßig  hohe  Schutzdämme, 
größere  Anwesen  und  Orte  liegen  erst  in  einiger  Entfernung 
vom  Flußbett,  außerhalb  des  Inundationsranmes ; dann  aber 
in  großer  Zahl  und  Ausdehnung.  Straßen  und  Wege  durch- 
ziehen das  Terrain  nach  allen  Seiten,  doch  erschweren  besonders 
die  vielen  Wassergräben  und  das  zur  Abgrenzung  des  Eigentums 
aufgeführte  Mauerwerk  ein  Abweichen  von  den  Kommu- 
nikationen. Ein  kleines  Flüßchen,  die  Piavisella,  begleitet  eine 
kurze  Strecke  lang  die  Piave,  wendet  sich  aber  dann  gegen 
Norden  und  mündet  in  den  Monticano. 

Hinter  jenem  Gewässer  hatte  die  österreichische  Armee 
in  zwei  Treffen  Lager  bezogen'):  Am  rechten  Flügel  das 
Vni.  Armeekorps,  angelehnt  an  die  Orte  Susegana  und  S.  Sal- 
vador und  an  die  steilen,  unwegsamen  Abhänge  der  letzten 
•Ausläufer  der  Alpen;  am  linken  das  IX.  bis  nach  Bocca  di 
strada.  Die  Landwehr  unter  GM.  Sebottendorf  wurde  nach 
Conegliano  zurückgezogen,  woselbst  auch  der  gesamte  Armee- 
train aufgefahren  war ; der  entbehrliche  Teil  desselben  sollte 
den  Rückmarsch  am  nächsten  Tage,  zeitlich  morgens,  fortsetzen. 
Die  Vorpostenreserve  — 1 Bataillon  Oguliner,  ‘/s  Kavallerie- 
batterie. 2 Eskadronen  Ott-Husaren  — stand  bei  Campana, 
in  ihrer  linken  Flanke  die  Dragonerbrigade  Hager,  GM.  Splenyi 
mit  den  Husaren  bei  Barco ; die  Linie  der  Vorposten  lief  von 
Cimadulmo  über  S.  Michele,  le  Grave  bis  nach  Colfosco  *), 
woselbst  zur  Beobachtung  dieses  wichtigen  Überganges 
I Bataillon  Oguliner  mit  '/s  Kavalleriebatterie  und  1 Eskadron 
Josef-Husaren  Aufstellung  fand;  überdies  wurde  1 Eskadron 
desselben  Regiments  bei  la  Priula,  je  eine  Eskadron  Friraont- 
Husaren  in  Cimadolrao,  dann  zwischen  Campana  und  Passo 


')  K.  A.,  F.  A.  1809,  Ital.,  Op.  Journ.  53.  (Siehe  Textskizze  2.) 
•)  Ebenda,  V,  100. 

Uittuilungen  des  k.  und  k.  Kriegsarcbive.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  9 


ei 

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130 


V e 1 1 1 *. 


di  LovaHina  *)  aufgeführt.  Zu  gleichem  Zwecke  wurde  je 
ein  Bataillon  Franz  Karl  mit  ’.'j  Eskadron  Ott- Husaren  und 
2 Geschützen  nach  Vidor,  zur  Furt  von  Lovadina  und  nach 
Ponte  di  Piave  beordert’);  dem  IX.  Armeekorjis  war  aufge- 
tragen worden,  Kavalleriepiketts  Piave-aufwärts  bis  nach 
Feltre  zu  entsenden,  welche  alles  zu  Überfuhren  etwa  brauch- 
bare Material  zu  zerstören  hatten. 

In  dieser  Verfassung  glaubte  Erzherzog  Johann  für 
seine  ermüdeten  Truppen  eine  Ruhepause  eiuschalten  zu 
dürfen,  zugleich  aber  hoffte  er  die  nötige  Zeit  zu  gewinnen, 
um  das  ruhige  Abfließen  des  Trains  zu  ermöglichen  und 
noch  all  jene  reichen  Vorräte  iu  Sicherheit  zu  bringen, 
welche  die  Intendanz,  gelegentlich  der  Offensive  der  sieg- 
reichen Armee  im  Monat  April,  im  Rücken  derselben  auf- 
ge.speichert  hatte.  Sollte  jedoch  der  Gegner  angesichts 
der  kanij)fbereiten  österreichischen  Truppen  den  Übergang 
über  die  Piave  forcieren  wollen,  so  bot  sich  vielleicht 
Gelegenheit,  ihm  eine  empfindliche  Schlappe  beizubringen. 

Der  Wasserstand  der  Piave  war  noch  am  7.  Mai  durchaus 
normal,  auch  hatte  der  Regen  seit  24  Stunden  ganz  anf- 
gehört.  Aber  Nachrichten,  die  vom  Oberlauf  des  Flusses 
eintrafen,  ließen  vermuten,  daß  die  eingetretene  ungewöhnliche 
Schwüle  große  Schneemassen  im  Gebirge  zur  Schmelze  bringen 
und  mithin  ein  rajndes  Steigen  des  Wassers  zur  Folge 
haben  würde. 

Auf  dem  Turme  des  gräflich  Collaltoschen  Schlosses 
zu  S.  Salvador,  woselbst  sich  auch  das  Armeehauptquartier 
befand*),  hatte  Erzherzog  Johann  einen  Beobachtungsposteil 
unter  Leitung  des  Hauptmanns  Sponville  des  General- 
quartiermeisterstabes eingerichtet;  von  hier  aus  war  man  in 
der  Lage,  die  ganze  Gegend  zu  überblicken,  man  konnte  den 

')  K.  Ä.,  F,  A.  1803,  Ital.,  Op.  Journ.  ül;  V,  100. 

•)  Ebenda,  V,  94;  Graf  MeransoUes  Archiv,  Erzherzog  Johann- 
.\ktou,  1299a;  Geschichte  des  k.  und  k.  Infanterieregiments  Nr.  52. 

•)  Eine  Inschrift  am  Haupttor  des  Schlosses  erinnert  noch  honte 
an  die  Aiiwe.seuheit  des  Erzherzogs,  eine  zweite  an  die  seines 
Gegners,  des  Vizekönigs  von  Italien.  iZ wiedinek-Südenhorst,  Erz- 
herzog Johann  etc.,  6,  Anmerkung  2.) 


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Die  Scblaobt  an  der  Piave. 


131 


Anmarsch  der  feindlichen  Truppen  wahrnehmen,  ihre  Ver- 
teilung wie  auf  einem  Schachbrett  evident  halten. 

Prinz  Eugen  Beauharnais,  Vizekönig  von  Italien  und 
Oberkommandant  der  französisch-italienischen  Armee,  hatte 
am  7.  Mai  seine  Armee  wie  folgt  verteilt  *) : 

Am  linken  Flügel  bei  Narvese  die  Division  Sertis;  vor 
Arcade  jene  von  Durutte,  bei  Spreziano  die  Division  Pacthod, 
befehligt  vom  Brigadegeneral  Abbö’). 

Im  Zentrum,  bei  der  Furt  von  Lovadina,  die  Avantgarde 
unter  General  Desaix,  vor  dem  Orte  selbst  die  Division 
ßroussier,  dahinter  jene  von  Lamarque. 

Am  rechten  Flügel,  nördlich  von  Maserada,  die  italie- 
nische Division  Fontanelli,  südlich  hievon  die  königliche 
Garde  unter  General  Lecchi. 

\V eiters  stand  die  leichte  Reiterei  S a h u c s bei  S. 
Nichiol,  die  Dragonerdivision  Grouchy  bei  S.  Biaggio,  jene 
von  Pully  im  Raume  Saletto,  Fagare,  bis  zum  Ponte  di 
Piave. 

Das  Hauptquartier  befand  sich  in  St.  Artien,  halbwegs 
zwischen  Treviso  und  Lovadina  ®). 

Der  Vizekönig  hatte  am  Naclunittag  persönlich  die 
Ubergangspunkte  bei  Narvese,  Ponte  Priula  und  Lovadina 
n-kognosziert,  Generalstabsoffiziere  waren  unentwegt  tätig, 
die  Brauchbarkeit  der  von  den  Landleuten  angegebenen 
Furten  festzustellen. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dati  Prinz  Eugen  noch  am  7.  Mai 
der  festen  Meinung  war,  nur  den  österreichischen  Nachtrab 
unter  FML.  Frimont  — im  ganzen  höchstens  8000  bis 
10.000  Mann  — vor  sich  zu  haben ; seine  Kundschafter 
batten  ihm  mit  Sicherheit  berichtet,  daü  der  Erzherzog  mit 
der  Hauptkraft  schon  den  Rückmarsch  über  Sacile  nach 
Pordenone  augetreten  habe,  wobei  sie  offenbar  den  Armee- 
train. die  Brückenequipageii,  den  Reservepark  der  Artillerie, 
welche  schon  am  7.  über  die  Livenza  setzten,  für  eine 
Truppenkolonne  gehalten  hatten.  In  diesem  Sinne  war  auch 

’)  Siehe  Textskizzo  2;  Ordre  de  bataille  Anhang  II. 

Vaudonoourt,  I,  233,  Anmerknng  1. 

•)  Du  Gasse,  Correspondance  etc.,  V. 

9* 


132 


V e 1 1 s 


der  Bericht  verfaßt,  welchen  der  Vizekönig  am  Abend  an 
Napoleon  abfertigte  und  worin  die  Verlegung  des  Haupt- 
quartiers für  den  nächsten  Tag  nach  Conegliano  angesagt  wurde'). 

Immerhin  ersieht  man  jedoch  aus  den  Dispositionen*;, 
daß  der  französische  Generalstab,  gewillt  den  Übergang  über 
die  Piave  zu  erzwingen,  auch  die  Möglichkeit  eines  ernsten 
Widerstandes  ins  Auge  gefaßt  hatte.  Die  Absicht  des  geg- 
nerischen Feldherrn  ging  im  allgemeinen  dahin,  bei  den 
Übergangspunkten  von  Narvese  und  la  Priula  mit  der  Division 
Seras  zu  demonstrieren,  die  Avantgarde  zur  Gewinnung  eines 
Stützpunktes  bei  Lovadina  rasch  zu  übersetzen,  mit  der  ganzen 
Kavallerie  aber  die  Piave  bei  S.  Nichiol  zu  durchfurten. 
um  der  österreichischen  Aufstellung  die  linke  Flanke  abzu- 
gew'innen  und  die  Truppen  womöglich  gegen  das  Gebirge 
abzudrängen ") ; Durutte  und  Abbe  sollten  der  Reiterei  auf 
dem  Fuße  folgen,  Broussier  und  Lamarque  die  Furt  von 
Lovadina  benützen,  während  alle  Anstalten  getroffen  waren, 
an  dieser  Stelle  <les  Flusses  eine  Floßbrücke  zu  schlagen,  um 
nötigenfalls  auch  die  anderen  Truppen  heranziehen  zu  können. 

Gegen  ö Uhr  nachmittags  wurde  von  der  bei  Cimadolmo 
aufgestellten  Eskadron  Frimont-Hnsaren  der  Übergang  stär- 
kerer feindlicher  Kavallerieabteilungen  gemeldet.  Es  w'ar  das 
8.  französische  Jägerregiment*),  welches  Prinz  Eugen  bei 
S.  Nichiol  hatte  übersetzen  lassen,  um  die  Beschatfenheit  der 
Furt  und  genaue  Nachrichten  über  die  Stärke  der  Österreicher 
zu  ermitteln ; zur  Unterstützung  waren  am  rechten  Ufer  die 
Dragonerregimenter  Pullys  aufmarschiert  *).  Die  feindlichen 
Jägerpatrouillen  streiften  bis  gegen  S.  Michele  und  le  Grave, 
mußten  aber  bald  wieder  umkehren,  nachdem  von  Campana. 
kurz  darauf  auch  von  Tezze  aus,  schwere  Staubwolken  das 
Anrücken  österreichischer  Kavalleriemassen  ankiindigten : FML. 
Frimont  trabte  an  der  Spitze  von  Hohenlohe-Dragonern  und 
Ott-Husaren  heran,  fand  jedoch  keine  Gelegenheit  einzugreifen, 

')  Kiigen  an  Napoleon,  7.  Mai.  (Du  Casse,  V,  172.) 

*>  Vignolle,  Historique  de  la  Campagne  de  1800,  Uevue  militaire, 
lOüO,  11,  700. 

*)  Vaudonoourt.  1,  232. 

*)  Vignolle,  705. 

‘)  Vaudoncourt,  1,  220, 


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Die  Schlecht  an  der  Piave. 


133 


da  die  gegnerischen  Reiter  ebenso  rasch  verschwanden,  als 
sie  gekommen  waren. 

Von  dichtem  Nebel  begünstigt,  setzten  am  8.  Mai  um  halb 
6 Uhr  morgens  das  französische  1.  Voltigeurbataillon  und  das 
9.  Jägerregiment  durch  die  Furt  von  Lovadina  über  die  Piave, 
warfen  die  österreichischen  Patrouillen  und  das  Bataillon 
Franz  Karl  unter  Oberstleutnant  Collenbach  nach  kurzem 
Gefecht  zürück  und  besetzten  den  einige  hundert  Schritte 
vom  Ufer  entfernten  Damm.  Um  7 Uhr  früh  hatte  General 
Desaix  alle  seine  Truppen  auf  der  linken  Flußseite  ver- 
sammelt; er  stellte  die  Voltigeurbataillone  in  einem  flachen 
Bogen  derart  auf,  daß  die  beiden  Flügel  durch  Anlehnung  an 
die  Piave  gedeckt  waren,  indes  die  Jäger  hinter  dieser  Linie 
anfmarschierten  ') ; zwei  Batterien  Zwölfpfünder  der  Artillerie- 
reserve, welche  Prinz  Engen  links  von  der  Straße  von 
Lovadina,  am  rechten  Piaveufer,  Stellung  nehmen  ließ,  sollten 
der  Avantgarde  als  Rückhalt  dienen. 

Unter  diesem  Schutze  begann  die  erste  Staffel  der 
Division  Broussier  — das  9.  Infanterieregiment  — den  Fluß 
zQ  durchwaten.  Das  Wasser  war  im  Laufe  der  Nacht  tatsäch- 
lich bedeutend  gestiegen;  es  reichte  den  Soldaten  fast  bis  zu 
den  Schultern,  so  daß  diese  ilire  Patrontaschen  um  den  Hals 
gebunden  hatten  und  die  Gewehre  durch  Hochhalten  vor 
Nässe  zu  schützen  suchten  *).  Um  die  Gewalt  der  reißenden 
Fluten  zu  brechen,  hatte  man  oberhalb  der  Furt  im  Piave- 
bett quer  über  den  Fluß  eine  Anzahl  Wagen  aufgestellt, 
während  stromabwärts  zur  Vermeidung  von  Unglücksfallen 
eine  Kette  von  150  der  besten  Schwimmer  von  Ufer  zu  Ufer 
gezogen  war.  Unter  diesen  Verhältnissen  stießen  auch  die 
Arbeiten  zur  Schlagung  der  liier  projektierten  Brücke  auf 
ernste  Hindernisse,  der  Übergang  vollzog  sich  äußerst  langsam. 

Erzherzog  Johann  hatte  noch  im  Laufe  der  Nacht,  als 
ihm  Nachrichten  über  angebliche  Maßnahmen  des  Gegners, 
bei  Narvese'und  Ponte  di  Piave  feste  Übergänge  zu  schaffen, 
zugekommen  waren,  zur  Deckung  der  am  meisten  gefährdeten 

’)  Vaudoncourt,  I,  235,  23G. 

*)  Vignolle,  802,  Anmerkung  1. 


134 


V o 1 t » 6. 


linken  Flanke  die  Brigade  Kalnässy  nebst  einer  Batterie  und 
2 Eskadronen  Josef-Husaren  in  die  Orte  Tezze,  S.  Michele 
und  Cimadolmo  verlegt  und  das  Infanterieregiment  Franz 
Jollachich  unter  Kommando  des  GM.  Gajoli  nach  Colfosco 
befehligt. 

Auf  die  ersten  Meldungen  vom  Übergang  feindlicher 
Abteilungen  bei  Lovadina,  erhielt  FML.  Wolfskeel  den 
Auftrag,  mit  der  Dragonerbrigade  Hager  und  den  zwei  Eska- 
dronen Ott-Husaren  der  Vorpostenreserve  nebst  einer  Kaval- 
leriebatterie über  Campana  vorzubrechen  und  zu  trachten, 
den  Gegner  wieder  auf  das  jenseitige  Ufer  zurückzuwerfen. 
FML.  Frimont  ließ  die  Südlisiere  des  letztgenannten  Ortes 
durch  die  Oguliner  besetzen,  die  Brigade  Kleinmayern  wurde 
knapp  an  die  Vorpostenreserve  herangezogen,  die  Truppen 
der  Generale  Gavassini  und  Marziani  als  Verbindungsglied 
mit  der  Gruppe  Kalnässy  nach  le  Grave  vorgeschoben. 

Als  der  Erzherzog  von  Oberstleutnant  Co llenbaoh,  dem 
Kommandanten  des  bei  la  Priula  gestandenen  Bataillons  Franz 
Karl,  soweit  dies  möglich  war,  von  der  Situation  unterrichtet 
worden  war,  erging  sofort  an  die  bei  Barco  stehende  Brigade 
Colloredo  der  Befehl,  längs  der  Piave,  den  rechten  Flügel  an 
diese  angelehnt,  in  Gefechtsbereitschaft  vorzurücken  und  den 
in  der  Front  zu  erwartenden  Angriff  der  eigenen  Kavallerie 
zu  unterstützen;  die  beiden  Bataillone  des  1.  Banalregiments, 
welche  Barco  besetzt  hielten,  sowie  vier  Eskadronen  Ott-Husaren 
der  Reiterbrigade  S|)lenyi  wurden  gleichfalls  dem  Kommando 
des  GM.  Colloredo  unterstellt. 

FML.  Wolfskeel  dagegen  sollte  nun,  im  Hinblick  auf  die 
Stärke  der  schon  übersetzten  französischen  Kräfte,  mit  der 
Attacke  bis  zum  Eintreffen  dieser  Kolonne  zuwarten;  der  Befehl 
hiezu  kam  jedoch,  wie  der  Verlauf  der  folgenden  Ereignisse 
zeigen  wird,  nicht  mehr  rechtzeitig  an  den  Ort  seiner  Be- 
stimmung. 

Gleich  nach  Pas.sierung  der  Piavisella  war  die  öster- 
reichische Kavallerie  westlich  der  Straße  in  zwei  Treffen  auf- 
marschiert : im  ersten  6 Eskadronen  Hohenlohe-Dragoner  und 
2 von  Ott-Husaren,  im  zweiten  das  Dragonerregiment  Savoyen; 
die  Kavalleriebatterie  war  eben  im  Begriff,  links  des  ersten 
Treffens  aufzufahren,  als  plötzlich  in  dem  noch  immer  dichten 


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Die  Schlaobt  an  der  Piave. 


135 


Nebel  die  dunklen  Unarisse  französischer  Reiterabteilungen 
sichtbar  wurden,  welche  ä cheval  der  Straße  nach  vorwärts 
trabten.  Es  war  eine  Eskadron  des  9.  Jägerregiments,  die 
General  Desaix  zur  Rekognoszierung  gegen  Campana  ent- 
sendet batte;  nach  kurzem  Handgemenge  mit  den  Flügel- 
eskadronen  von  Ott-Husaren  wurden  die  Franzosen  geworfen 
und  s[)rengten  in  Unordnung  auf  die  Haupttruppe  zurück. 

Diese  an  und  für  sich  geringfügige  Episode  hätte  leicht 
schwerwiegende  Folgen  nach  sich  ziehen  können;  die  Ver- 
wirrung, welche  die  daherjagenden  Reiter  besonders  in  den 
rückwärtigen  französischen  Reihen  verursachten,  ist  nur  zu 
erklären  durch  den  Mangel  jedweder  Ültersicht  und  die  hiemit 
zusammenhängenden  übertriebenen  Meldungen  von  dem  An- 
riicken  der  ganzen  österreichischen  Armee,  dann  aber  auch 
durch  das  Gefühl,  l)ei  einem  Echec  in  den  reißenden  Fluten 
der  Piave,  im  eigenen  Rücken,  einen  unerbittlichen  Feind  zu 
besitzen.  General  Macdonald,  welcher  hier  den  Oberbefehl 
fühlte  und  eben  das  rechte  Ufer  erreicht  hatte,  mußte  zu  den 
schärfsten  Mitteln  greifen,  der  Deroute  Einhalt  zu  gebieten; 
nur  mit  größter  Mühe  und  durch  Drohungen  aller  Art  konnten 
die  Offiziere  ihre  Soldaten  abhalten,  sich  in  den  Fluß  zu 
stürzen  ‘). 

Aber  die  österreichische  Kavallerie  kam  nicht  zur  rechten 
Zeit;  durch  vorsichtiges  Rekognoszieren  — bei  dem  dichten 
Nebel  allerdings  begreiflich  — hatte  sie  den  richtigen  Augen- 
blick versäumt. 

General  Desaix  hatte  unterdessen  seine  Infanterie  zwei 
Karrees  formieren  lassen:  das  linke  fünf  Bataillone,  das  rechte 
ein  Bataillon  stark ; zwischen  beiden  stand  seine  eigene 
Artillerie  und  jene  der  leichten  Reiterdivision  Sahuc,  w'elche 
eben  im  Galopp  eingetroffen  war,  hinter  dem  linken  Flügel  im 
zweiten  Treffen  das  9.  Jägerregiment. 

Es  war  8 Uhr  morgens  und  diese  Rnlliierung  kaum 
beendet,  als  das  erste  Treflen  der  Kavallerie  Wolfskeels  zum 
Angriff  heranbrauste.  Von  einem  verheerenden  Gewehr-  und 
Kartätschfeuer  empfangen,  gelaugten  die  Reiter  bis  an  die 
französischen  Bajonette;  aber  hier  brach  sich  die  Wucht  ihres 


')  Memoiren  Macdonalds;  Vignolle,  800. 


136 


V o 1 t z 


Angriffs  und  sie  mußten  unter  bedeutenden  Verlusten  weichen. 
Diesen  kritischen  Augenblick  wollten  die  französischen  Jäger 
benützen,  um  auf  die  retirierende  österreichische  Kavallerie 
einzuhauen;  sie  prallten  aber  bei  der  Verfolgung  auf  die  noch 
intakten  Sav'oyen-Dragoner  des  zweiten  Treffens,  welchen  es 
nach  heftigem  Kampfe  gelang,  die  Gegenattacke  blutig  abzu- 
vveisen.  Unter  den  Toten  befand  sich  auf  gegnerischer  Seite  unter 
anderen  auch  der  Kommandant  des  Regiments, OberstMillon*). 

Außerhalb  Gewehrschußweite  sammelte  Wolfskeel  seine 
gelichteten  Schwadronen  und  ließ  sie  südlich  der  Piavisella 
in  einer  Linie  aufmarschieren.  Erzherzog  Johann  sandte  ihm 
sofortden  erneuerten  Befehl  zu,  keinen  weiteren  Angriff’ zu  unter- 
nehmen, bevor  die  Kolonne  CoIIoredo  an  Ort  und  Stelle  ein- 
getroff’en  sei  und  beauftragte  den  Artilleriedirektor  GM.Reisner, 
mit  zwei  Batterien  an  der  Seite  der  schon  aufgefahrenen 
Kavalleriegeschütze  Stellung  zu  nehmen. 

Als  der  Nebel  sich  zu  lichten  begann,  wurden  die  ersten 
Kanonenschüsse  gewechselt;  das  Artillerieduell,  mit  großer 
Präzision  geleitet,  währte  durch  fast  zwei  Stunden  und  ver- 
ursachte hüben  wie  drüben  namhafte  Verluste.  Den  20  öster- 
reichischen Geschützen  standen  nun  auf  französischer  Seite 
24  Kanonen  am  linken  ’)  und  10  am  rechten  ■*)  Piaveufer 
gegenüber. 

Mittlerweile  waren  die  drei  französischen  Reiterdivisionen 
durch  die  Furt  von  S.  Nichiol  fast  unbelästigt  über  den  Fluß 
gekommen;  GM.  Kalnässy  hatte  wohl  versucht,  mit  seinen 
Husaren*)  den  Übergang  zu  verhindern  oder  doch  wenigstens 
zu  stören,  konnte  aber  infolge  der  erdrückenden  Übermacht 
keinerlei  Erfolge  erzielen  und  mußte  sich  schließlich  darauf 
beschränken,  einem  weiteren  Vordrängen  des  Feindes  bei 
Cimadolmo  und  S,  Michele  Widerstand  entgegenzusetzen. 

Prinz  Eugen  hatte  seinen  Standpunkt  bei  der  Furt  von 
Lovadina,  wo  seine  Sappeure  eifrigst  beim  Bau  der  Brücke 

*)  Vaudoncourt,  236. 

’)  Zwei  Kavallerie-,  eine  Brigadebatterie. 

’)  .-Vvantgarde  4,  .Sahuc  4,  Pully  4,  Brou.ssier  12.  (Du  Gasse,  V, 
166,  187.) 

Zwei  zwölfptundige  Batterien  des  Reserveparks. 

“)  Zwei  Eskadronen  Jo.set’-,  eine  von  FrimonHIusaren. 


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Die  Schlacht  an  dor  Piave. 


137 


tätig  waren.  Von  hier  aus  konnte  er  nach  dem  Weiclien  des 
Nebels  die  lange  Linie  der  österreichischen  Kavalleriemassen, 
den  Aufmarsch  der  Fußtruppen  im  Zentrum,  das  Vorfahren 
der  Artillerie  beobachten;  die  ganze  Größe  der  Gefahr,  das 
(jewagte  des  Unternehmens,  die  prekäre  Lage  seines  Vortrabs, 
standen  ihm  deutlich  vor  Augen.  General  Desaix  bedurfte 
einer  bedeutenden  Verstärkung  an  Reiterei,  noch  bevor  das 
österreichische  Gros  sich  in  Bewegung  setzte. 

Im  Galopp  überbrachte  ein  Adjutant  den  Kavallerie- 
divisionen Sahuc  und  Pully  den  Befehl,  sich  unverweilt  gegen 
die  Furt  von  Lovadina  zu  ziehen  und  der  Avantgarde  als 
Sontien  zu  dienen;  die  Dragoner  Grouchys  sollten  vor 
S.  Nichiol  verbleiben  und  hier  den  Übergang  der  Infanterie 
decken. 

Es  währte  fast  eine  Stunde,  ehe  die.se  Bewegungen  voll- 
zogen waren ; die  leichte  Reiterei  stellte  sich  nun  links, 
Pully  mit  den  Dragonerregi inentern  rechts  von  den  Truppen 
Desaix’  auf*);  das  9.  Jägerregiment  kam  ins  zweite  Treffen, 
die  übergegangene  Infanterie  Broussiers,  — das  9.  und  drei 
Bataillone  de.s  84.  Infanterieregiments  — begann  eben  ihre 
Verbände  zu  ordnen  und  stand  in  dichten  Massen  hinter  den 
schützenden  Dämmen  der  Piave. 

Erzherzog  Johann  stand  an  der  steinernen  Brücke  über 
die  Piavisella,  bei  Campana  und  beobachtete  von  dort  die 
Bewegungen  des  Gegners ; der  Aufmarsch  des  IX.  Armee- 
korps war  beendet,  auch  der  Rest  der  Brigade  Splt'nyi  — 
6 Eskadronen  Josef-  und  Frimont-Husaren  — war  schon  in 
derFront,  am  rechten  Flügel  der  Reiterei  Wolfskeels^.  Trotz- 
dem konnte  sich  der  kaiserliche  Prinz  nicht  entschließen,  das 
Zeichen  zum  Angriff  zu  geben,  da  die  Truppen  Colloredos 

')  Pelet,  Feldzug  des  Kaisers  Napoleon  etc.,  Stuttgart  1825, 

111,  1()8. 

*)  Graf  Mer anscho.s  Archiv;  die  Feldzugserzählung  des  Erzherzogs 
besagt  uusdrücklich,  daU  zwei  Dragoner-  und  zwei  Husarenregimenter  in 
einer  Linie  aufmarschiert  waren.  Woher  es  französische  Autoren  wie 
Feiet,  Vaudoucourt,  VignoUe  so  genau  wissen,  daß  die  österreichische 
Ivavallerie  in  zw'ei  oder  gar  in  drei  Treften  attackierte,  ist  nicht  recht 
ersichtlich:  man  wird  daher  den  Angaben  des  Erzherzogs  Johann,  als 
eines  Augenzeugen,  um  so  eher  Glauben  schenken  müssen,  als 
die  österreichischen  Feldakten  darüber  gar  nichts  enthalten. 


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V e 1 t z «. 


noch  immer  nicht  sichtbar  waren ; schon  zweimal  hatte 
Wolfskeel  um  die  Genehmigung  zur  Attacke  gebeten,  beide 
Male  war  die  Bitte  abgewieson  worden. 

Eben  war  auf  schweillbedecktem  Kosse  — es  mochte 
10  Uhr  vormittags  gewesen  sein  — zum  dritten  Male  ein 
Offizier  eingetroffen,  der  im  Namen  seines  Kommandanten  auf 
<lie  steigenden  Verluste  hin  wies,  welche  das  feindliche  Geschütz- 
feuer in  die  Reihen  der  schutzlos  preisgegebenen  Reiter  riß 

— und  dieser  Offizier  wandte  eben  sein  Pferd,  um  die  Ge- 
nehmigung des  Erzherzogs  zu  überbringen:  ,, Falls  sich 

ein  besonders  günstiger  Augenblick  ergeben  sollte” 

— als  plötzlich  zu  aller  Überraschung  das  Signal  Attacke 
geblasen  wurde  und  die  ganze  in  einer  Linie  aufmarschierte 
Kavallerie  sich  in  Bewegung  setzte  •). 

„Wer  hier  der  Anreger  war,  wer  Wolfskeel  die  Erlaubnis 
gab,  ohne  meine  Antwort  abzuwarten,”  — sagt  Erzherzog 
Johann  in  seinen  Memoiren  — „darüber  herrscht  tiefes  Dunkel; 
die  Toten  können  nicht  sprechen  und  die  anderen,  die  sprechen 
könnten,  werden  es  wohl  bleiben  lassen.  Als  die  Verwirrung 
eingerissen  war,  ritt  einer  ganz  xinschuldig  von  jener  Seite 
zurück,  der  dort  nichts  zu  tun  gehabt  hatte.” 

Es  ist  müßig  sich  über  die  hier  gemeinte  Persönlichkeit 
in  Vermutungen  einzulassen*);  die  Franzosen  behaupten  sogar, 
daß  ihre  Kavallerie  als  erste  zum  Angriff  überging,  wodurch 
das  Verhalten  Wolfskeels  allerdings  vollkommen  begreiflich 
und  berechtigt  erscheinen  muß. 

Tatsache  ist  nur,  daß  die  beiderseitigen  gewaltigen  Reiter- 
luassen  — auf  österreichischer  Seite  20,  auf  französischer  32 
Eskadronen  — mit  Ungestüm  und  voller  Wucht  aufeinander- 
prallten  und  daß  man  anfangs  nichts  sehen  konnte  als  einen 
Knäuel  von  Menschen,  Pferden,  der  sich  im  blutigen  Hand- 


*)  Oraf  Meranschos  Archiv,  Erzherzog  Johaiiu-Akten,  180t>,  Ital.; 
Keldzugserzähluiig  des  Erzherzogs,  Bogen  12.  (li.  A.,  E.  A.  ISOtt,  Ital.. 
Op.  Journ.  51.) 

Es  scheint  vielleicht  FML.  Ignaz  Graf  Gyulai,  der  Komman- 
dant des  IX.  Armeekorps,  gemeint  zu  sein,  de.ssen  eigenwilliger,  starrer 
Charakter  dein  jugendlichen  Erzherzog  schon  zu  wiederholten  Malen 
zu  schatfen  gemacht  hatte ; seine  Stellung  als  Banus  von  Kroatien  er- 
heischte jedoch  gerade  im  Jahre  1809  be.sondere  Itäck.sichtnahme. 


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Die  Schlacht  an  der  Piave.  139 

gemenge  über  die  Ebene  hin-  und  herschob  ; ein  nur  minuten- 
langes verzweifeltes  Ringen  Mann  gegen  Mann,  dann  begann 
die  österreichische  Linie  der  Übermacht  zu  weichen,  immer 
rascher,  immer  schneller,  bis  der  Rückzug  in  eine  wilde, 
regellose  Flucht  ausartete '). 

Alles  Bitten,  alles  Drohen  der  Offiziere  vermochte  dem 
Strome  nicht  mehr  Einhalt  zu  gebieten,  ohne  Unterlaß  wälzte 
sich  das  Reitergetümmel  gegen  Barco,  Mandre,  Campana. 

Bei  letzterem  Orte  kam  der  Vorstoß  des  Feindes  zuerst 
zum  Stehen ; ohne  Rücksicht  auf  Freund  und  Feind  begann 
auf  Befehl  des  Erzherzogs  *)  die  daselbst  stehende  Batterie 
Dreipfiinder  gegen  die  heranbransende  Masse  zu  feueni 
und  schon  nach  wenigen  Minuten  löste  sich  das  bunte 
Gewirr,  die  feindlichen  Eskadronen  begannen  zu  wanken, 
und  als  FML.  Frimont  ihnen  die  rasch  herbeigezogene 
2.  Majorsdivision  von  Ott-Husaren  und  einen  Flügel  von 
Frimont  - Husaren  entgegonwarf,  da  wichen  die  franzö- 
sischen Reiter  zuerst  einzeln,  dann  in  ganzen  Abteilungen 
und  fluteten,  einer  Sturzwelle  gleich,  wieder  zurück  auf  ihr 
eigenes  Gros. 

Recht  schlecht  erging  es  der  vorgeschobenen  Artillerie 
Wolfskeels;  überrascht  von  den  Ereignissen,  die  sich  blitz- 
schnell abspielten,  hatten  die  drei  Batterien  nicht  mehr  Zeit 
aufzaprotzen  — sie  wurden  überritten,  die  Kanoniere  zusammen- 
gehauen, die  Bespannung  niedergemacht.  15  Geschütze,  eine 
Anzahl  Munitionskarren  fielen  dem  Feinde  in  die  Hände. 
GM.  Reisner  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  gefangen,  Oberst- 
leutnant Callot  schwer  verwundet^). 

Der  Strom  der  Verfolger,  der  sich  gegen  Barco  gewendet 
hatte,  .stieß  alsbald  auf  die  in  der  Ebene,  längs  der  Piave, 
vorrtickende  Kolonne  Colloredo.  Die  an  der  Tete  reitenden 
4 Eskadronen  Ott-Husaren  wurden  im  ersten  Anlauf,  zum 
Teil  von  der  eigenen  Reiterei,  über  den  Haufen  geworfen  und 
nun  ging’s  vorwärts  auf  die  Infanterie;  diese  hatte  wohl  nicht 
mehr  Zeit  Massen  zu  formieren,  aber  sie  wußte  genau,  daß 

')  Geschichte  des  k.  und  k.  Dragonerreffiments  Nr.  13. 

*)  Graf  Meransohes  Archiv,  Erzherzog  .Johann-Akten,  ISOtl,  Ital. 

*)  Geschichte  des  k.  und  k.  Jlusareurcgiments  Nr.  5 
K.  A.,  H.  K.  R.  1809,  K,  12,  47/55,  57. 


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ihre  Stärke  gegen  Kavallerie  im  Stehenbleiben  liege : — und 
sie  stand  unbeweglich.  Unerschütterlich,  gleich  einer  Mauer, 
empfingen  diese  braven  Regimenter  die  ansprengenden  feind- 
lichen Reiter  mit  einem  abteilig  al>gegebenen  Feuer ; bis  auf 
.30,  25  Schritte  hatte  man  den  Gegner  herankommen  lassen, 
erst  dann  erschollen  die  Kommandorufe  zu  den  todbringenden 
Dechargen  und  kein  Ifeiter  konnte  in  die  nur  zwei  Mann  tiefe 
Front  eindringen  '). 

Auch  hier  war  der  Ansturm  gebrochen  und  die  Eskad- 
ronen von  Sahucs  leichter  Kavallerie  muUten  zurück  hinter 
die  schützenden  Dämme  der  Piave,  wo  sie  von  der  Infanterie 
aufgenommen  wurden.  Leider  mangelte  es  an  intakter  Kavallerie, 
um  diesen  Teilerfolg  entsprechend  auszunützen  ; die  Infanterie 
Colloredos  formierte  Karrees  und  verblieb  an  Ort  und 
Stelle  *). 

Der  überwiegende  Teil  der  fliehenden  österreichischen 
Reitermassen  war  nach  Mandre  gelangt ; hier,  am  Eingang  zum 
Dorfe  war  es,  wo  FML.  Wolfskeel,  der  vergebliche  Versuche 
machte,  in  das  Durcheinander  etwas  Ordnung  zu  bringen  und 
wenigstens  einige  Abteilungen  zu  ralliieren,  vom  Feinde  um- 
ringt und  da  er  sich  zu  ergeben  weigerte,  von  einem  franzö- 
sischen Lancier  durchbohrt  wurde.  An  seiner  Seite  fiel  Oberst 
Graf  Aichel  bürg,  der  Kommandant  von  Savoyen-Dragonern’), 
GM.  Hager  .stürzte  und  geriet  in  Gefangenschaft. 

Ein  im  Laufschritt  herbeigeeiltes  Bataillon  Otocaner 
verhütete  wohl  weiteres  Unheil ; es  warf  die  Franzosen  mit 
dem  Bajonett  aus  dem  Orte  und  fügte  ihnen  nach  Besetzung 
der  Lisiere  empfindliche  Verluste  bei.  Trotzdem  griffen  einige 
feindliche  Abteilungen  nördlich  von  Mandre  aus,  gelangten 
auf  die  llauptstraüe  und  schwärmten  bis  Conegliano,  wo  sie 
den  Troll  des  eigenen  Heeres  überraschten  und  in  nicht 
geringe  Verwirrung  brachten. 

General  Pully,  an  der  Spitze  des  29.  Dragonerregiments, 
welchem  sich  Teile  des  28.  unter  General  Poinsot  an- 
schlossen, hatte  gleich  nach  Übersetzung  der  Piavisella  eine 


*)  Geschiclite  de.s  k.  und  k.  InfaDtericregünents  Nr.  27. 

K.  A.,  F.  A.  ISdO,  Op.  .Toum.  51. 

’)  Ge.schiclite  des  k,  und  k.  Dragonerregiments  Nr.  13. 


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»II 


Uie  Schlacht  aa  der  Piave.  141 

Rechtsschwenkung  vorgenommen  und  Richtung  gegen  Cam- 
pana  eingeschlagen. 

Dieser  Vorstoß  traf  indessen  die  Österreicher  nicht  un- 
vorbereitet; die  eiligst  von  le  Grave  — woselbst  nur  ein 
Bataillon  belassen  wurde  — herangezogenen  Brigaden  Mar- 
ziani  und  Gavassini  hatte  der  Erzherzog  in  der  Front,  hinter 


Attacke  der  französisohen  Kavallerie  um  10  Uhr  vormittags. 
(Original  im  Graf  M e ra n sehen  Archiv,  Graa.) 


einem  alten  steinernen  Damm  rechts  unil  links  der  Brücke 
von  Campana  aufgestellt,  indes  die  Grenadiere  und  Grenzer 
in  einer  scharfen  Hakenstellung  längs  der  Straße,  die  nach 
Bocoa  di  Strada  geleitet,  in  Bereitschaft  standen'). 

Diese  Truppen  waren  nun  dem  letzten  Ansturm  der 
fianzösischen  Reiter  ausgesetzt;  aber  trotz  des  bravourösen, 

')  (Jrat'  Meransches  Archiv,  Erzherzog  Johann-Akten,  IHOU,  Itnl. 


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142 


V e 1 t c 4. 


todesverachtenden  Vorgebens  der  gegnerischen  Eskadronen 
waren  die  Karrees  der  in  erster  Linie  stehenden  Brigade 
Kleinmayem  nicht  zu  erschüttern  und  die  Franzosen  sahen 
sich  genötigt  unter  dem  ihre  Reihen  furchtbar  lichtenden  Feuer 
des  österreichischen  Fußvolkes  zu  weichen.  Ein  Wall  von 
Leichen  — Pferde  und  Menschen  — umgab  jedes  der  eigenen 
Karrees  und  schon  nach  wenigen  Minuten  stob  die  feindliche 
Masse  auseinander  wie  Spreu  vor  dem  Winde');  im  wilden 
Rennen  tobte  der  Reitersturm  zurück,  verfolgt  von  dem  wohl- 
gezielten Feuer  der  Grenadiere,  von  einigen  wieder  gesammelten 
Trupps  der  österreichischen  Reiterei. 

Es  war  kaum  11  Uhr  vormittags,  als  die  teilweise 
schon  durchbrochene  Linie  der  Österreicher  sich  wieder 
schließen  konnte  und  man  Gelegenheit  fand,  die  geschaffene 
Situation  zu  überblicken.  Das  Feuer  war  auf  dem  Schlachtfeld 
allseits  verstummt,  die  Ermattung  nach  der  eben  gelieferten 
Kraftprobe  schien  beide  Teile  zur  Untätigkeit  verdammen  zu 
wollen.  Wohl  hatte  derVersuch  der  Österreicher,  den  Feind  wieder 
über  die  Piave  zu  werfen,  Schifi’bruch  gelitten,  aber  auch  die 
Franzosen  waren  nicht  glücklicher  in  ihrem  Bemühen  gewesen, 
die  .Aufstellung  ihres  Gegners  zu  erschüttern;  seine  bedroh- 
liche Nähe  bildete  eine  stete  Gefahr  für  die  im  Übergang 
befindliche  Armee,  welche  mit  einem  Flußlauf  im  Rücken, 
ohne  festen  Übergang,  kiimpfen  mußte;  ihre  Lage  war  sogar 
kritisch,  solange  nicht  entsprechende  Kräfte  das  linke  Ufer 
erreicht  hatten. 

Um  die  Mittagszeit  hatten  außer  der  Avantgarde  und 
der  gesamten  Kavallerie  bei  Lovadina  General  Lamarque 
und  drei  Regimenter  Broussiers,  beiS.  Niehiol  drei  Bataillone 
Veliten  und  der  gi'ößere  Teil  der  Division  Abbe,  übersetzt  L. 
Der  Übergang  selbst  vollzog  sich  infolge  des  hohen  Wasser- 
standes äußerst  schleppend,  so  daß  von  den  Truppen  Dui  uttes, 
welche  damit  um  1 Uhr  begonnen  hatten,  nach  vollen  zwei 
Stunden  ein  einziges  Infanterieregiment  an  Ort  und  Stelle 
war;  nachdem  sich  hiebei  Unglücksfälle  ereignet  hatten,  denen 
mehrere  Menschenleben  zum  Opfer  gefallen  waren,  die 

>)  Chronik  des  k.  und  k.  Inläuterierogiments  Nr.  62. 

*)  Vaudoncourt,  23S. 


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not 

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Die  Schlacht  an  der  Puive. 


148 


reiüenden  Fluten  auch  keinerlei  Tendenz  zum  Fallen  zeigten, 
ordnete  Prinz  Eugen  die  Einstellung  weitererNacbschübe  an  und 
traf  Maßnahmen  zu  einem  allgemeinen,  entscheidenden  Angriff. 

Die  Verteilung  der  französischen  Streitkräfte  war  die 
folgende’):  Am  äußersten  rechten  Flügel,  gegenüber  von  Cima- 
dolmo,  drei  Bataillone  Veliten,  dann  die  Division  Abbe,  im  An- 
schlüsse daran  die  Dragoner  Grouchj's;  im  Zentrum  die 
Dragonerdivision  Pully,  General  Broussier,  dann  das 
23.  Infanterieregiment  der  Division  Durutte  und  die  Division 
Lamarque ; am  linken  Flügel  General  Desaix  und  die  leichte 
Reiterei  Sahucs. 

Auf  österreichischer  Seite  standen  am  rechten  Flügel 
unter  Kommando  des  FML.  Albert  Gyulai  die  Brigaden 
Colloredo  und  Gajoli  des  VIIl.  Armeekorps  nebst  einigen 
schwachen  Eskadronen  Ott-Husaren;  im  Zentrum  bei  Campana 
das  IX.  Armeekorps  mit  den  Brigaden  Marziani  und  Gavassini 
und  dem  Nachtrab  Frimonts  im  ersten,  der  Brigade  Kleinmayern 
im  zweiten  Treffen;  ein  Bataillon  Grenadiere  hielt  le  Grave 
besetzt,  während  die  Szluiner  unter  Major  Dumontet  mit  einer 
Eskadron  Josef-Husaren  und  eine  halbe  Batterie  nach  Vazzola 
detachiert  wurden;  von  der  Kavallerie,  soweit  sie  wieder  geordnet 
war,  standen  die  Husaren  vorwärts  der  Piavisella,  zwischen  le 
Grave  und  Campana,  die  Dragoner  hinter  der  Mitte,  an  der  Straße 
nach  Bocea  di  strada;  den  linken  Flügel  bildete  die  Brigade 
Kalnässy,  w'elche  Gimadolmo  mit  einem'’),  S.  Michele  mit  zwei 
Bataillonen  Simbschen  besetzt  hielt,  während  das  Regiment 
Reisky,  jenseits  des  hier  vielfach  gestauten  Baches,  in  Tozze 
stand;  die  beiden  Eskadronen  Josef-Husaren  deckten  die  Flanke. 

General  Kalnässy  hatte  den  Befehl,  die  Übergänge 
über  die  Piavisella  und  besonders  Tezze  mit  aller  Kraft  zu 
halten  und  nur  im  Falle  der  äußersten  Bedrängnis  gegen 
Vazzola  zurückzugehen,  wo  die  Truppen  Dumontets  zu  seiner 
Aufnahme  bereit  standen. 

Wie  vorauszusehen,  richtete  der  Feind  den  Hauptangriff 
gegen  diesen  Flügel,  mit  der  Absicht,  auf  die  Rückzugslinie 

b Siehe  Textskizze  3. 

•)  K.  A.,  F.  A.  1801),  Ital.,  V,  112. 


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144 


V e 1 t I 4. 


bei  Bocca  di  strada  zu  drücken  und  hiedurch  auch  das  Zentrum 
luid  den  rechten  Flügel  zum  Weichen  zu  bringen. 

Es  war  nach  3 Uhr  nachmittags,  als  General  Grenier  den 
Auftrag  erhielt  mit  den  Veliten,  den  Divisionen  Abbe  und 
Grouchy  diese  Operation  durchzuführen;  Macdonald  sollte 
mit  den  Divisionen  Pully,  Broussier,  Dunitte,  Lamarque 
der  Bewegung  des  rechten  Flügels  nur  sukzessive  und  nach 
Maßgabe  des  gewonnenen  Terrains  folgen,  Desaix  und 
S a h u c einem  eventuellen  Vorstoß  des  österreichischen 
Vm.  Armeekorps  entgegentreten. 

Um  4 Uhr  gab  der  Vizekönig  das  Signal  zum  Vorgehen 
und  die  Angriffskolonnen  setzten  sich  in  Bewegung.  Die 
Dragoner  Grouchys  voran,  nahmen  die  drei  Bataillone  Veliten 
unter  Oberst  Gifflenga  Direktion  auf  Cimadolmo,  die  Truppen 
Abbös  gegen  S.  Michele. 

Die  wenigen  Eskadronen  österreichischer  Husaren  wurden 
mühelos  zurückgedrückt,  das  feindliche  7.  Dragonerregiment 
sowie  Teile  des  30.  und  des  Kegiments  Königin-Dragoner 
zwängten  sich  in  den  Raum  zwischen  beiden  Ortschaften 
und  drohten  die  darin  kämpfenden  Bataillone  zu  umgehen;  das 
Feuer  der  hinter  der  Piavisella  stehenden  Infanterie  des  Regi- 
ments Reisky  brachte  diese  Bewegung  wohl  bald  zum  Stehen, 
aber  der  erdrückenden  Übermacht  mußten  S.  Michele  und 
Cimadolmo  nach  hartnäckiger  Gegenwehr  überlassen  werden. 

Kaum  hatten  die  drei  Bataillone  Simbschen,  verfolgt  von 
den  Reitern  Grouchys,  den  Rückzug  angetreten,  als  General 
Grenier  alle  verfügbaren  Kräfte  gegen  Tezze  dirigierte  und 
<las  Dorf  durch  die  .Artillerie  unter  Feuer  nehmen  ließ;  nach- 
dem alle  Versuche  der  feindlichen  Kavallerie,  über  die  Piavi- 
sella zu  setzen  und  hiedurch  die  Aufstellung  Kalnassj’s  im 
Rücken  zu  fassen,  an  der  Achtsamkeit  und  Energie  der  Husaren 
scheiterte,  entschloß  sich  Grenier,  die  Infanterie  zum  Angriff 
mit  dem  Bajonett  Vorgehen  zu  lassen. 

Trotz  der  Verluste,  welche  das  Kleingewehrfeuer  der 
tjsterreicher  in  die  Reihen  der  vorrilckenden  Franzosen  trug, 
trotz  der  bedeutenden  Lücken,  die  das  todbringende  Blei  in 
die  anstürmenden  Bataillone  riß,  drangen  diese  bis  an  die 
Lisiere  vor,  warfen  die  erste  Linie  und  setzten  sich  nach  längerem, 
äußerst  blutigem  Straßenkampf  in  den  Besitz  des  Ortes. 


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Die  SchlAcht  nn  der  PiAve. 


145 


Auch  die  beiden  Eskadronen  Josef-Husaren,  die  ver- 
sucht hatten  während  dieses  Angriffs  auf  die  gegnerische 
Infanterie  einzuhaueu '),  hatten  nicht  den  Erfolg  für  sich  und 
mußten  in  Unordnung  wieder  zurück;  ihnen  nach  die  Dra- 
goner Grouohys,  welche  durch  Übersetzung  des  Baches  einen 
Keil  in  die  österreichische  Verteidigungslinie  schoben  und 
der  Brigade  KalnÄssy  den  Anschluß  an  das  eigene  Gros  ver- 
wehrten. 

Dieser  General  mußte  nun  seinen  Rückzug  nach  Vazzola 
nehmen,  wo  er  sich  mit  der  Gruppe  Dumontet  vereinigte. 

Es  war  ein  Glück,  daß  in  diesem  kritischen  Augenblick 
ein  Bataillon  OtoCaner,  welches  Erzherzog  Johann  seinem 
linken  Flügel  als  Verstärkung  zugedacht  hatte,  gerade  auf  dem 
Marsche  zwischen  Campana  und  Tezze  begriffen  war  und  sich 
dem  Anprall  der  französischen  Reiter  entgegenstellte;  nach 
halbstündigem  Gefechte  waren  bereits  der  Kommandant,  fast 
alle  Offiziere  und  ein  großer  Teil  der  Soldaten  gefallen  ’),  aber 
diese  Zeit  hatte  genügt,  die  österreichische  Dragonerbrigade  in 
die  bedrohte  Flanke  zu  ziehen  und  weiteren  Fortschritten  des 
Feindes,  die  zu  einer  Katastrophe  hätten  führen  können,  an 
dieser  Stelle  Einhalt  zu  gebieten. 

Im  Zentrum  und  am  rechten  Flügel  der  Österreicher  hatte 
der  Gegner  sich  begnügt,  durch  eine  lebhafte  Kanonade  und 
durch  Demonstrationen  die  Aufmerksamkeit  des  Erzherzogs 
zu  binden.  Erst  als  die  Erfolge  Greniers  fühlbar  wurden, 
begann  auch  die  Gruppe  Macdonalds  langsam  vorzugehen: 
die  Division  Lamarque  gegen  Campana,  Broussier  direkt 
auf  le  Grave,  zwischen  beiden  als  Bindeglied  das  23.  Infanterie- 
regiment Duruttes. 

Schon  senkten  sich  die  Schatten  des  Abends  über  die 
Gegend,  als  Erzherzog  Johann  die  Befehle  zum  Rückzug 
erteilte  und  die  österreichischen  Kolonnen  des  Zentrums  sich 
auf  der  Straße  über  Conegliano  gegen  Sacile  in  Bewegung 
setzten. 

Der  rechte  Flügel  sollte  durch  einen  Vorstoß  den  Abzug 
des  Gros  maskieren,  GM.  Kalnässy  durch  einen  Angriff  auf 

*)  Vignolle,  80t). 

„Österr.  milit.  Zeitschrift”,  1844,  II,  140,  141. 

UitUilangeQ  des  k.  und  k.  Kriegsiirohivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  ) 0 


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146 


V e 1 t t 


Tezze  die  feindlichen  Kräfte  auf  dieser  Seite  von  einer  Ver- 
folgung abhalten. 

FML.  Frimont  befehligte  die  Nachhut,  bestehend  aus 
der  Brigade  Kleinmayem  (ohne  Szluinerj  und  dem  Eegimeut 
Erzherzog  Josef-Husaren. 

Ein  Bataillon  Grenadiere  unter  Major  Chi mani')  rückte 
nach  le  Grave  vor,  warf  die  französischen  Plänkler,  welche  sich 
daselbst  bereits  eingenistet  hatten,  mit  dem  Bajonett  zurück 
und  setzte  sich  in  den  Häusern  des  Ortes  fest.  Trotz  des 
mörderischen  Feuers  der  feindlichen  Artillerie  — es  standen 
endlich  24  Geschütze  im  Feuer  und  das  Dorf  brannte 
lichterloh  — wichen  die  Grenadiere  nicht  und  die  ganze 
Division  Broussier  mußte  sich  zum  Angrilf  entwickeln, 
ehe  es  den  Franzosen  gelang  in  einen  rauchenden  Trümmer- 
haufen Einzug  zu  halten ; in  vollster  Ordnung  zog  sich  dieses 
Bataillon,  ununterbrochen  fechtend,  zurück  und  wies  auch 
die  Attacken  der  verfolgenden  Reiterei  erfolgreich  ab;  Oberst- 
leutnant Geramb,  mit  einigen  Eskadronen  Husaren,  deckte 
schließlich  den  Übergang  über  die  Piavisella. 

Vor  Cnmpana  stand  die  Division  Lamarque  im  Kampfe 
und  konnte,  ungeachtet  dessen,  daß  schließlich  auch  das 
23.  Infanterieregiment  Duruttes  eingritf,  nicht  recht  Terrain 
gewinnen;  ein  Bataillon  unter  Hauptinann  Bartholemy*),  hatte 
hier  ein  etwas  erhöht  gelegenes  Gehöft  und  eine  anstoßende 
Stühle  besetzt,  von  deren  festen  Mauern  dem  Angreifer  ein 
verheerendes  Feuer  entgegenschlug;  vorn  aber,  in  den  Gräben, 
hinter  Hecken  und  Dämmen,  lag  noch  eine  dichte  Schützen- 
kette, welche  das  offene  Terrain  jenseits  der  Piavisella  voll- 
kommen beherrschte. 

Als  le  Grave  geräumt  war  und  seine  Besatzung  die 
Piavisella  übersetzt  hatte,  ordnete  auch  Hauptmann  Bartho- 
lemy den  Rückzug  an;  die  Grenadiere  formierten  dann  Massen 
und  zogen,  zur  Rechten  flankiert  von  Josef-Husaren,  über 

')  Auton  Freiherr  Chiiuaiii  von  Manuberg  erhielt  das  Ritter- 
kreuz des  MTO.  für  hervorragende  Leistungen  in  der  .4flUre  an  der 
Piave,  als  .Major  von  Simbschen-Infanterie;  gestorben  1831  als  General- 
major. 

’)  Peter  Freiherr  von  Bartholemy  erhielt  für  diese  Verteidigung 
das  Ritterkreuz  des  MTO.;  gestorben  1832  als  Oberst. 


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Die  Schlecht  an  der  Piave. 


147 


die  Ebene  nach  Bocca  di  strada  und  weiter  über  Conegliano 
der  Armee  nach. 

Der  vom  Erzherzog  anbefohlene  Vorstoß  des  eigenen 
rechten  Flügels  war  alsbald  an  der  Überlegenheit  der  feind- 
hchen  Artillerie,  welcher  FML.  Albert  Gyulai  nur  den  vierten 
Teil  an  Geschütz  entgegenstellen  konnte,  zum  Stehen  ge- 
kommen. 

Als  die  Meldung  von  der  bevorstehenden  Räumung 
Campanas  eintraf,  wurde  auch  hier  die  rückgängige  Bewegung 
eingeleitet,  die  in  zwei  Kolonnen,  über  Susegana  und  Santa 
Lucia  angetreten  ward ; bis  zum  Abfließen  der  Truppen 
hielten  je  ein  Bataillon  des  1.  Banal-,  beziehungsweise  des 
Otoöanerregiments  Mandre  und  Barco  besetzt.  In  der 
Dunkelheit  gerieten  3 Kompagnien  St.  Julien  bei  Santa 
Lucia  auf  einen  Abweg,  der  sie  direkt  in  die  langsam  nach- 
rilckenden  feindlichen  Reiterkolonnen  auf  der  Hauptstraße 
bei  Bocca  di  strada  führte,  woselbst  sie  sich  alsbald  ergeben 
mußten. 

Es  war  9 Uhr  abends,  als  der  Vizekönig  den  Befehl 
zum  Abbrechen  des  Gefechtes  gab ; die  Kavallerie  unter 
Leitung  Grouchys  sollte  nicht  über  Conegliano  vorgehen, 
die  Infanterie  auf  dem  Schlachtfeld  nächtigen,  und  zwar  *) : 
Abb6  bei  Tezze,  Broussier  und  das  23.  Regiment  um  Bocca 
di  strada,  Lamarque  in  SantaLucia,  Desaixbei  S.  Salvador 
und  Susegana;  das  Hauptquartier  wurde  wieder  zurück  auf  das 
linke  Ufer  der  Piave,  nach  Lovadina,  verlegt. 

Das  Gros  der  österreichischen  Armee  gelangte  nach  einem 
anstrengenden  Nachtmarsch,  vom  Feinde  unbelästigt  und  in 
vollster  Ordnung,  am  9.  Mai  um  7 Uhr  morgens  an  die 
Livenza,  welche  sie  bei  Sacile  übersetzte;  hier  wurde  halt 
gemacht  und  abgekocht  •).  Der  Marsch  ging  dann  weiter  über 
den  Tagliamento  ins  Tal  der  Fella,  von  wo  aus  die  Armee 
nach  den  Gefechten  bei  S.  Daniele  und  Venzone  am  13.  Mai 
abends  bei  Pontafel  österreichi.sches  Gebiet  betrat. 

')  Vau  don Court,  243. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1809,  Ital.i  Op.  Journ.  51. 

10* 


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148 


V e l t z 


Der  Brigade  Kalnässy  war  es  im  Laufe  des  Abends 
sogar  gelungen,  vorübergehend  Tezze  wieder  zu  besetzen;  es 
waren  die  einzigen  Truppen,  welche  die  Nacht  über  auf  dem 
Schlachtfeld  verblieben  und  erst  am  Morgen  des  9.  ihre 
Stellung  räumten. 

Mit  den  zwei  Bataillonen  Szluinern,  einer  Eskadron  und 
einer  halben  Batterie  unter  Dumontet  als  Nachhut,  wurde  auf 
der  stehenden  Brücke  bei  Brugnera  die  Livenza  passiert  und 
nach  Abbrennung  derselben  der  Kückmarsch  fortgesetzt,  der 
diese  Kolonne,  nach  mittlerweile  eingetroffeneu  Befehlen,  über 
Udine  ins  Isonzotal  führte. 

Das  bei  Ponte  di  Piave  stehende  Detachement,  befehligt 
votiMajorOgrisovich,  erhielt  den  Befehl  zum  Rückzug  um  6ülu’ 
abends.  Auf  dem  Marsche  nach  Oderzo  wurde  das  Anrücken 
einer  überlegenen  feindlichen  Kolonne  von  Ormelle  über 
Confrancin  bemerkt,  weshalb  der  Kommandant  im  Laufschritt 
eine  Kompagnie  Franz  Karl  zur  Be.setzung  der  feindwärts 
gelegenen  Lisiere  des  erstgenannten  Ortes  beorderte ; unter 
ihrem  Schutze  erreichte  die  Kolonne  um  11  Uhr  nachts  la 
Motta '),  marschierte  am  nächsten  Tage  nach  Latisana  und 
vereinigte  sich  am  12.  Mai  mit  den  Truppen  des  FML.  Zach 
bei  Görz.  Die  bei  Oderzo  zurückgelassene  Kompagnie  wurde 
von  zwei  Bataillonen  der  Division  Fontanelli  angegriflen  und 
mußte  sich  nach  hartnäckigem  Widerstand  und  nachdem  ihr  der 
Übergang  über  den  Fluß  verlegt  worden  war,  gefangen  geben*). 

Recht  mühselig,  zum  Teil  sogar  abenteuerlich,  gestaltete 
gich  der  Rückzug  des  bei  Vidor  gestandenen  Detachements, 
unter  Major  Toperczer*;. 

Nachmittags,  gegen  3 Uhr,  war  ihm  der  Befehl  zu- 
gekommen, über  Serravalle  nach  Ceneda  zurückzugehen,  falls 
diese  Orte  jedoch  vom  Feinde  schon  besetzt  seien,  über  den 

’)  K.  A.,  F.  A.  1809,  Ital.,  V,  111;  Geschichte  des  k.  und  k.  Infanterie- 
regiments Nr.  52. 

’)  Schneidawind,  Pas  Lehen  des  Erzherzogs  Johann,  Schafl- 
hausen  1849,  16.ä. 

“)  K,  A.,  F.  A.  1809,  Ital.,  V,  152 ; Geschichte  des  k.  und  k.  In- 
fanterieregiments Nr.  52,  254  bis  258. 


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Die  Scblacht  an  der  Piave. 


149 


Lago  di  Santa  Croco  gegen  Perarolo  auszuweichen  und  im 
äußersten  Falle  Innichen  zu  erreichen  trachten'). 

Nachdem  die  ausgestellten  Vorposten  eingezogen  waren, 
rückte  das  Detachement  — 1 Bataillon  Franz  Karl,  1 Flügel 
Ott-Husaren,  Vs  Batterie  — ab  und  erreichte  über  den  Gol 
S.  Martin  marschierend,  spät  am  Abend  Follina,  am  9.  morgens 
Serravalle.  Da  ausgesandte  Patrouillen  die  Anwesenheit  starker 
feindlicher  Kräfte  in  der  Ebene  festgestellt  hatten,  mußte  der 
Weg  über  das  hohe,  unwegsame  Gebirge  eingeschlagen  werden^ 
um  vielleicht  an  einer  anderen  Stelle  die  Vereinigung  mit 
dem  Gros  vollziehen  zu  können. 

Geschütze  samt  Munition  mußten  auf  dem  weiteren 
Marsche  preisgegeben  werden  und  wurden  im  Lago  di  Santa 
Croce  versenkt,  auch  der  größte  Teil  der  Pferde  blieb  zurück 
und  nur  einige  Packtiere  zogen  mit. 

Major  Toperczer,  ein  schon  älterer  Mann,  war  durch 
die  Strapazen  in  seinen  Kräften  so  herabgekommen,  daß  er 
in  Dardago  niederbrach,  woselbst  auch  Hauptmaun  Freiherr 
von  Gschrei,  .durch  Sturz  von  einem  Felsen  schwer  verletzt, 
seinem  Schicksal  überlassen  werden  mußte. 

Hauptmann  Zsitväs  übernalun  das  Kommando,  Haupt- 
mann Faverges,  bekannt  durch  seine  zu  Anfang  des  April 
unternommene  kühne  Übersetzung  des  Isonzo,  wurde  die  Seele 
der  Expedition. 

Nordostwärts  über  Berg  und  Tal  ging  der  Marsch,  der 
Stand  des  Bataillons  war  schon  auf  kaum  400  Mann  zusammen- 
geschmolzen,  in  dem  felsigen  Terrain  waren  die  Schuhe  der 
Leute  binnen  kürzester  Zeit  abgenützt,  die  Monturen,  kaiun 
mehr  kenntlich,  hingen  in  Fetzen  an  den  erschöpften  Leibeni. 

Durch  dichten  Wald  mußte  man  sich  oft  erst  mühsam 
Bahn  brechen,  stundenlang  mußten  die  Soldaten  in  tiefem  Schnee 
waten,  die  Packtiere  sanken  nacheinander  entkräftet  nieder. 
Immer  mehr  drängte  das  rasche  Vorrücken  der  feindlichen 
Reiterei  das  Detachement  ins  Gebirge;  am  13.  April  durclifurtete 
es  den  Tagliamento  und  am  nächsten  Tage  trafen  die  Reste  halb- 
wegs zwischen  Ovaro  und  Forno,  ganz  unvermutet  auf  fünf 
Kompagnien  des  2.  Banalregiments  unter  Hauptmann  Kunz, 

')  Siehe  Textskizze  3 zu  Seite  117,  Mitteilungen  des  k.  luid  k. 
Kriegsarchivs.  Dritte  Folge.  111.  Bd. 


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150 


V 0 I t c 


wodurch  die  Fühlung  mit  der  Armee  des  Erzherzogs  Johann 
endlich  wiederhergestellt  war. 

Die  Verluste  auf  österreichischer  Seite  betrugen'): 


Tot 5 Offiziere,  393  Mann 

Verwundet  . 2ß  „ 671  ,, 

Gefangen  15  „ 1664  „ 

Vermißt 4 „ 1116  ,, 


Summe  , . 50  Offiziere,  3844  Mann 

Überdies  wurden  15  Kanonen  und  eine  Anzahl  Muni- 
tionskarren’) eingebüßt. 

Französische  Quellen  geben  ihre  V erluste  in  verschiedenster 
Höhe  an;  General  Cafarelli  weiß  nur  von  170  Toten  und 
300  V'erwundeten ’),  Vignolle  will  auch  nur  700  Mann,  du 
Gasse  1000  Mann  zugestehen,  während  General  Vaudoncourt 
— ein  Augenzeuge  — den  Verlust  auf  2000  Mann  schätzt.  Viel- 
leicht wird  eine  offizielle  französische  Darstellung  auf  Grund 
des  Aktenmat.erials  die  letztere  Zahl  noch  einigermaßen  richtig 
zu  stellen  in  der  Lage  sein. 

Auf  österreichischer  Seite  hatten  an  der  Schlacht  aktiv 
teilgenommen '): 

Strassoldo 3 Bataillone 

St.  Julien .3  ,, 

Szluiner l’/s*)  „ 

Grenadiere 4 ,, 

Franz  Jellachich . . 3 „ 

1.  Banal 2 „ 

Franz  Karl 1 ®)  „ 

Fürtrag  . . 17’/s  Bataillone 

Graf  Moransches  Archiv,  Feldzugerzählniig  des  Erzherzogs 
.Tohaim,  Hogen  12.  (Vergl.  dagegen  K.  A.,  F.  A.  1809,  Ital.,  Op.  Journ.  53.) 
•)  K.  A.,  H.  K.  R.  18(i9,  K,  12,  49/15. 

*)  Du  Casse,  V,  181. 

b Iv.  A , F.  A.  1809,  Ital.,  V,  45;  siehe  auch  Anhang  I. 

‘i  Eine  Division  unter  Hauptmanii  Lenardini  war  nach  Sera- 
valle  detachiert.  (Graf  Meransche.s  Archiv,  1809,  Ital.  1299a.) 

")  Ein  Bataillon  in  V'idor,  eines  bei  Ponte  di  Piave,  nahmen  keinen 
Anteil  an  der  .Schlacht. 


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Die  Schlacht  an  der  Piave.  151 

übertrag 

Allvintzy 

Oguliner  . 

Reisky  

Simbschen 

OtoSaner 

Summe 

Ott-Husaren  8 Eskadronen 

Frimont-Husaren  6 „ ’) 

Josef-Husaren 8 „ 

Savoyen-Dragoner 6 „ 

Hohenlohe-Dragoner 6 „ . 

Summe  . . 34  Eskadronen 

Die  österreichischen  Bataillone  waren  nach  den  offiziellen 
Rapporten*)  durchschnittlich  etwas  über  600  Mann,  jene  der 
Grenadiere  kaum  500  Mann  stark ; die  Eskadronen  zählten 
ungefähr  110  Reiter.  Dies  würde  einen  Maximalstand  von 
21.000  Mann  Infanterie  und  3750  Säbel  ergeben. 

Von  französischer  Seite  waren  am  rechten  Piaveufer 


verblieben  •) : 

Division  Broussier  . . . 

. . 3 

Bataillone, 

1500 

Mann 

„ Durutte  . . . . 

...  8 

4700 

„ Fontanelli  . . . 

...  14 

8100 

V 

„ Seras 

...  10 

U 

5700 

Königliche  Garde  .... 

...  3 

Eskadronen, 

450 

Reiter 

Prinzliche  Jäger  . . . . 

. . 2 

•1 

2.50 

Summe  . . 35  Batailloue,  20  000  Manu 
5 Eskadronen,  700  Reiter. 


*)  Zwei  Eskadronen  unter  Major  Brett'eld  standen  vor  Palmanova. 

K.  A.,  P.  A.  1809,  Ital.,  V,  2. 

’)  Vaudoncourt,  I,  240,  Anmerkung  1.  Die  französische  Auf- 
fassung; die  hier  verbliebenen  Truppen  aus  dem  Kalkül  ganz  aus- 
zuschalten, ist  in  diesem  Falle  wohl  vollkommen  verfehlt,  da  deren 
Artillerie  und  auch  die  Infanterie  wiederholt  im  Feuer  standen  und  bei- 
spielsweise der  Aufmarsch  der  Division  Seras  bei  Narvese,  den  Auf- 
enthalt des  ganzen  Regiments  Franz  Jellachich  und  eines  Bataillons 
Oguliner  nebst  einer  Eskadron  und  einer  halben  Batterie  an  jener 
Stelle  bedingte. 


. . 17*/3  Bataillone 


. . 30*/s  Bataillone 


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152 


V e 1 t X 


Es  nahmen  daher  an  der  Schlacht  am  linken  Piaveufer 


aktiv  teil; 

Avantgarde 

6 

Bat., 

4 

Eskadr.,  3600  Mann, 

500  Reiter 

Broussier 

9 

1 

,.  5000  ,, 

100  „ 

Lamarque 

12 

1 

— 

7100 

— 

Abbe  , . 

14 

1 

7700 

100 

Durutte  . 

4 

.. 

— 

2400 

— 

Veliten  . 

,, 

— 

,.  1800 

— 

Sahuc  . . 

— 

,, 

16 

— 

1600  .. 

Grouchy 

— 

12 

— 

1450  ., 

Pully  . . 

— 

12 

1350  .. 

Summe  . 

48 

Bat., 

46 

Eskadr.,  27.600  Mann, 

5100  Reiter') 

Prinz 

Eu 

gen 

Beauharnais  hatte  am  8. 

Mai  1809  den 

von  ihm  so  lang  ersehnten  Erfolg  endlich  an  seine  Fahne 
gefesselt ; in  überschwenglichen  Worten  berichtete  er  seinem 
kaiserlichen  Adoptivvater  über  die  Taten  der  seinem  Befehl 
unterstellten  Truj)peu  — seinen  ersten  Sieg  über  die  öster- 
reichischen Waffen. 

Kühn  in  ihrer  Anlage,  zielbewu3t  in  der  Ausführung, 
verdient  die  Forcierung  einer  immerhin  bedeutenden  Flug- 
linie angesichts  der  kampfbereiten  Armee  des  Erzherzogs 
Johann  gewiü  alle  Anerkennung;  doch  darf,  abgesehen  von 
der  bedeutenden  Übermacht,  welche  der  Vizekönig  in  die 
Wagschale  werfen  konnte,  nicht  übersehen  werden,  dall  die 
Österreicher  in  erster  Linie  nur  um  Zeitgewinn  kämpften  — 
und  daü  sie,  trotz  der  schließlichen  Räumung  des  Schlacht- 
feldes, wenn  auch  nach  bedeutenden  Verlusten,  diesen  Zweck 
auch  tatsächlich  erreicht  haben. 

Eine  zweite  Frage  ist  es  allerdings,  ob  nicht  andere 
Mittel  zu  demselben  Ziele  geführt  hätten,  ob  einige  Stunden 
Vorsprung  für  den  Train  die  empfindlichen  Opfer  wert  waren, 
welche  die  Österreicher  inr  Verlauf  der  Kämpfe  an  der  Piave 
notgedrungen  bringen  mußten. 

Recht  freimütig  und  offen  äußert  sich  darüber  der 
österreichische  Feldherr  selbst,  indem  er  seinen  Erinne- 

')  Siehe  acch  Anhang  II. 


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Die  Sohlftcht  un  der  Piave. 


153 


rungen  über  die  Ereignisse  dieses  Tages  die  folgenden  Worte 
anfügt’): 

„Die  Schlacht  hätte  vermieden  werden  können,  wenn 
die  Aimee  die  Tage  des  6.  und  7.  benützt  hätte,  um 
ihren  Rückzug  wie  bisher  fortzusetzen,  da  man  nie  hoffen 
konnte,  sich  zu  behaupten,  da  man  wußte,  daß  der  Feind  alle 
seine  Kräfte  vereinigen  könne  und  die  Übermacht  auf  seiner 
Seite  haben  werde  — und  auch  im  glücklichsten  Falle  ein 
weiterer  Rückzug,  bedingt  durch  die  Ereignisse  an  der  Donau, 
geschehen  mußte;  so  war  es  geraten,  jede  Gelegenheit  zu  ver- 
meiden, welche  zu  einem  Kampfe  Anlaß  geben  konnte  und 
die  gesamten  Kräfte  für  die  Verteidigung  der  Eingänge 
Kärntens  imd  Krains  ungeschwächt  zu  erhalten.” 

’)  ßraf  Merausches  Archiv;  Erzherzog  Johann-Akten,  1809,  Ital. 


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I. 


Orilre  de  bataille  der  innerösteiTeichischen  Armee 
am  8.  Mai  1809. 


Kommandant:  G.  d.  K.  Erzlierzos'  Johann. 


Vin.  Armeekorps. 

Kommaiidant;  i'ML.  Albert  Gyulai. 
Brigade  GM.  Colloredo: 

Strassoldo-Infanterie  Nr.  27 

St.  Julien-  „ »61 

Brigade  GM.  Gajoli: 

Franz  Jellachich-Infantorie  Nr.  62 

1.  Baiialgrenzregiment  Nr.  10 

Brigade  GM.  Kalnässy: 

Oguliner  Grenzregiment  Nr.  3 

Keisky-Infanterie  Nr.  13 

Simbschen-Infanterie  Nr  43 


3 Bataillone 


3 Bataillone 


2 Bataillone 


3 


IX.  Armeekorps. 

Kommandant:  FML.  Ignaz  Gyulai. 

Brigade  GM.  Kleinmayern: 

Grenadiere 

Szlniner  Gronzregimont  Nr.  4 . . . 

Brigade  GM.  Marziani: 

Franz  Karl-Infanterie  Nr.  52 

-lllvintzy-  ,,  »Ul 

Brigade  GM.  Gavassini  : 

Otocaner  Grenzregiment 

Landwehrbrigade  OM.  Sebottendorf: 

Grazer  Landwehr 


4 Bataillone 


3 Bataillone 


2 Bataillone 

3 Bataillone 


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158 


V s 1 t r «. 


Kavallerie. 

Kommaiilant:  FML.  AVolfskeel. 
Brigade  OM.  Hager: 

Savoj’en-Dragoner  Nr.  5 

Hohenlolie-Dragoner  Nr.  2 

Brigade  GM.  Spl6nyi; 

Ott-Husaren 

Friraont-Husaren 

Erzherzog  .Josef-Husaren . 


6 Eskadronen 


8 Eskadronen 

ß 

8 


Artillerie. 

Koinmaiidant : GM.  Reisner. 

10  Batterien  (dreipfündige  Brigade-  und  Kavallerie-,  sechs-  und  zwölf- 
pfündige  Positionsbatterien,  je  8,  bezw.  ö Geschütze ) 

Summe : ISti  Bataillone,  :J4  Eskadronen,  70  Geschütze.  i24800 
Mann  Infanterie,  87.50  Reiter.) 


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Die  Schlanbt  an  <ler  Piave. 


159 


n. 

Ordre  de  bataille  der  französisch-italienischen  Armee 
am  8.  Mai  1800. 


Kommandant  Prinz  Eugen  Beauharnais,  Vizekönig 
Ton  Italien. 


Avantgarde,  Brigadegeneral  Desaix: 

6 Bataillone  V oltigeure,  9.  Jägerregiment  zu  Pferd  . 

Bat. 

6 

Kskadr. 

4 

Oeseb. 

4 

Division  Broussier: 

9.,84.,92.,fran7.ösbchesLinienregimeat,2J  Dragouer- 
regiment 

12 

1 

12 

Division  Durutte; 

22.,  23.  französische.s  leichtes,  62.  Linionregiment  . 

12 

10 

Diviijion  Lamarque: 

13.,  29.,  42.,  112.  iVaiizösisches  Linienregiment  . . 

12 



10 

Division  Paethod  (befehligt  von  Brigade- 
general Abbe): 

1..  52.,  102.  französisches  Linien-  und  1.  leichtes 
Infanteiieregiinent,  Napoleon  • Dragoner  (ital.) 

14 

1 

12 

Division  Seras: 

35.  53.,  106.  französisches  Linienregiment  .... 

10 

— 

12 

DiWsion  Fontanelli  (ital.): 

1-,  2.  italienisches  leichtes,  3.,  4.  Linienregiment, 
königl.  istrianisches  Bataillon,  prinzlirho  Jäger  . 

14 

2 

6 

Königl.  italienische  Garde,  Brigadegeneral  Lecchi 

Infanterie  (Veliteu) 

Dragoner  und  Ehrenganle 

Artillerio : 

3 Bataillone 
3 Eskadronen 
6 Geschütze 

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160 


V e 1 t I 4 


Kavallerie. 

Leichte  Kavalleriedivision,  General  Suhuc:  Eskadronen  Qeschntze 

6.  französisches  Husaren-,  6.,  8.,  25.  Jägerregiment  . 16  4 

Dragonerdivision  Pully; 

23.,  28.,  29.  franzö.sisches  Dragonerregiment  ....  12  4 

Dragonerdivision  Gronohy: 

7.,  30.  französisches  Dragonerregiment,  Königin- 

Dragoner  (italienisch) 12  4 

Summe:  83  Bataillone,  51  Eskadronen,  84  Geschütze.  (47.600  Mann 
Infanterie,  5800  Reiter'). 


Am  8.  Mai  befehligte  General  Grenier  den  rechten,  Baragney- 
d'Hi Ilers  den  linken  Flügel.  Mncdonald  das  Zentrum;  dio  Beservo  und  die 
Kavallerie  standen  enr  direkten  Disposition  des  Vixekönigs. 


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Repressalieiigefeclite 

gegen  die  Montenegriner  im  Jalire  1838. 


Von 

Major  Somek. 


Mit  einer  Beilage. 


Mittailangen  fies  k.  and  k.  Kriegsnrcbivs.  Dritte  Folse.  IV.  Bd.  ü 


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Montenegros  Lage,  Verfassniig  und  Bewohner. 

Von  dem  Stocke  der  Dinarischen  Alpen  breiten  sich  dort, 
wo  er  die  europäische  Türkei  durchzieht,  zwei  mächtige  Arme 
gegen  Westen.  Der  eine,  nördliche,  erstreckt  sich  bis  an  die 
Gestade  der  Adria,  der  andere  wendet  sich  südwestlich  und 
lallt  gegen  die  Niederungen  des  Skutarisees  ab.  Beide  ver- 
bindend lagern  längs  der  Meeresküste  geschlossene  Gebirgs- 
inassen,  von  deren  Kamme  das  Auge  bis  weit  über  das 
blauende  Meer  schweift. 

Diese  Bergi'iesen  umschließen  das  Land,  dessen  chao- 
tisches Felsengewirr  jener  kühne  Serbenstamm  bewohnt,  den 
die  Venetianer  Monteneriner  nannten,  den  die  Jetztzeit  Mon- 
tenegriner heißt.  Das  Volk  selbst  nennt  seine  wilde  Heimat 
Czernagora,  im  Andenken  an  seinen  ersten  Häuptling,  unter 
welchem  es  sich  hier  nach  dem  Untergang  des  großen  Serben- 
reiches, unil  langer  Verfolgung  durch  die  Türken,  eine 
dauernde  Heimstätte  schuf. 

Einer  von  der  Natur  kühn  geschatfenen  Festung  gleich, 
aus  deren  Felsenbastionen  wie  riesige  Ecktürme,  dem  Meere 
zu  der  Suturmann  und  Trnowo,  in  den  Alpen  wurzelnd  der 
Donnitor  und  Kom  emporragen,  liegt  das  Land. 

Die  Montenegriner  scheiden  ihre  Heimat  in  den  ersten 
Besitz,  die  Czernagora  im  engeren  Sinne,  und  in  den  später 
erworbenen,  Brda. 

Iin  Jahre  1838  noch  von  drei  Seiten  durch  türkisches 
Gebiet  umfaßt,  grenzte  Montenegro  nur  längs  der  Küste 
an  Österreich,  an  jenes  kurz  vorher  erworbene  Gebiet,  das 
damals  den  Namen  Österreichisch-Albanien  führte. 

Die  Höhen,  vom  Berge  Lovcen  am  Busen  von  Cattaro, 
bis  nordwestlich  zum  Trnovo  und  südwestlich  zum  Divlivrch, 

11* 


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164 


S 6 m e k. 


bildeten  die  Scheide  zwischen  dem  Kaiserstaat  und  dem 
Bergvolk  trennten  dieses  von  der  Sehnsucht  seiner  Jugend, 
dem  geträumten  Ideal  seiner  Lieder,  „dem  leuchtenden 
Meer  mit  seinen  Schätzen,  seinem  Handel  und  Verkehr”. 

Wild  und  zerklüftet,  wie  an  den  Grenzen,  türmen  sich 
auch  die  Felsen  im  Innern  des  Landes  und  nur  unwillig 
lassen  sie  den  engen  dunklen  Tälern  ßaum,  die,  sich  zwischen 
ihnen  windend,  spärliche  Flächen  harter  mühevoller  Bebauung 
erschließen. 

Wohl  breitete  sich  schon  1838  ein  verhältnismäßig 
reiches  Netz  von  Wegen  über  Montenegro,  hier  in  das  tür- 
kische, dort  in  österreichisches  Gebiet  mündend.  Aber  der 
Fremde  bangte,  wenn  er  die  Pfade  betreten  sollte,  die  oft 
nur  dem  Auge  des  Einheimischen  erkennbar  waren,  — 
schmale,  den  Felsen  abgerungene,  meist  nur  fußbreite 
Steige,  bald  neben  gähnenden  Klüften,  dann  wieder  im  wirren 
Zickzack  über  schwindelnde  Höhen  führend,  oft  durch  herab- 
gestürzte Felsblöcke  versperrt,  durch  breite  Abgründe  unter- 
brochen. — 

Nur  wenige  waren  allgemein  benützbar,  vor  allem 
jener,  der  von  Cattaro  nach  des  Landes  Hanptort,  Cettinje, 
führte  und  von  dort  nach  dem  albanischen  Zabljak  in  türkisches 
Gebiet  sich  wandte.  Von  beiden  Teilen  dieses  Weges  zweigten 
zahlreiche  Verbindungen  nach  Österreichisch-Albanien  ab ; — 
benützbar  für  die  Montenegriner  zu  ihren  Einfällen  und 
Kaubzügen,  aber  meist  unpassierbar  für  die  Ausrüstung  ge- 
schulter Truppen.  Wege,  wde  das  räuberische  Bergvolk  sie 
brauchte,  ihm  alle  Chancen  bietend,  dem  Gegner  alle  ver- 
wehrend. 

Montenegro  war  unbezwingbar  durch  den  Mangel  an 
Kommunikationen.  Das  Volk  wußte  dies,  darum  wies  es  auch 
das  Danaergeschenk  mit  Entrüstung  zurück,  das  der  französische 
Marschall  Marmont  1807  ihm  antrug  - — Straßen  durch  das 
Land  zu  bauen. 

Außer  dem  Hauptweg  von  Cattaro  führten  auch  aus 
verschiedenen  anderen  Ortschaften  des  Berglandes,  besonders 
in  den  südlichsten  Teil  österreichischen  Besitzes,  mehrere 


')  PaiO  und  Scherb,  Die  Czeruagora. 


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BepressftlieDgofecbte  gegen  die  Montencgricer. 


165 


Pfade,  die,  fiir  den  Verlauf  der  zu  schildernden  Ereignisse 
von  Wichtigkeit,  bei  diesen  ihre  Beschreibung  finden. 

Einem  Einfall  der  Montenegriner  in  die  Monarchie  boten  die 
Stadt  Cattaro,  der  Landstrich  Zuppa  und  das  Pastrovicchio  die 
meiste  Beute  Cattaro  schützte  aber  seine  allzugroße  Wider- 
standskraft, die  nur  Geschütze  brechen  konnten,  die  ituppa  war 
zu  weit  entfernt  und  außerdem  durch  das  Fort  S.  Trinitä  be- 
schirmt. So  blieb  nur  das  Gebiet  Pastrovicchio  bedroht.  Ein 
Lberfall  desselben  sicherte  reichen  Raub,  die  scheidende 
Grenze  lag  nahe  am  Meere,  die  Festsetzung  an  diesem  war 
nach  der  leichten  Erwerbung  Castellastuas  nicht  schwierig; 
die  speziell  für  diese  Gegend  verwickelte  Grenzfrago  gab 
einen  steten  und  den  besten  Anlaß  zu  Feindseligkeiten. 

Für  einen  Angriff  Österreichs  waren  von  den  25  Fußsteigen, 
die  in  das  Uochland  führten,  nur  sechs  und  auch  diese  nur 
teilweise  gangbar. 

Vor  allem  jener  aus  Cattaro,  der  solange  er  österreichischem 
Boden  folgte,  sich  bereits  zur  gangbai’en  Kommunikation 
erweitert  hatte,  auf  montenegrinischem  Gebiet  aber,  bis 
hinab  ins  Cettatal,  ungebahnt  und  höchst  schwierig  blieb. 
Dieser  Weg  führte  überNögus,  den  Hauptort  der  gleichnamigen 
Nahia  und  über  Baici. 

Weiter  ein  Weg  von  Dobrota  nach  Vuöido,  St.  Elia ; 
ein  Weg  von  Dub,  der  den  Loveen  südlich  umlief;  ein  solcher 
vom  Kloster  Stanjevich,  südöstlich  des  Berges  Mastori,  über 
St.  Nicola,  BöloSi  — alle  nach  Cettinje  leitend. 

Ferner  eine  Kommunikation  von  Braic,  nordwestlich 
vom  Berge  Seostik  gegen  Cettinje  und  vom  Kastell  Gomila 
südöstlich  um  den  Monte  Bandiera  gegen  Uterg. 

Schon  vor  18.35  waren  sowohl  Czernagora  als  Brda  je 
in  4 Distrikte,  Nahien  nennt  sie  der  heimatliche  Laut,  geteilt. 

Jene  der  Czernagora  hießen : Katunska,  an  Cattaro 

grenzend,  Czernicka  an  das  österreichische  Pastrovicchio,  ferner 
Hiecka  und  Lfzantka;  jene  Brdas ; Belopavlic,  Piperi,  Mo- 
racka  und  Kucka,  alle  au  türkisches  Gebiet  schließend. 

Der  Väter  alter  Sitte  treu,  teilte  sich  jede  Nahia  in 
Stämme,  diese  schieden  sich  in  Gemeinden  und  Familien.  Freie 

')  Siehe  Beilage  3. 


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1 6f)  S 0 m e b. 

Wühl  kürte  das  Oberhaupt  des  Stammes,  den  Glavar  oder 
Häuptling,  freie  Wahl  auch  jenes  der  Gemeinde,  den  Staresina 
(Ortsältesten).  Das  Haupt  der  Familie  war  der  Gospodar.  Er 
war  der  Verwalter  aller  häuslichen  Angelegenheiten.  Der 
Stareäina  übte  das  Richteramt  über  die  Familien  der  Gemeinde, 
der  Glavar  leitete  die  inneren  Angelegenheiten.  Die  höchste 
Instanz  für  letztere  ruhte  in  der  Hand  des  für  mehrere 
Stämme  gewählten  Knaz  (Fürst). 

Dort,  wo  an  den  Grenzen  Gefahr  drohte,  war  je  ein 
Serdar  bestimmt.  Er  sammelte,  wenn  es  AngriH’ oder  Abwehr 
galt,  rasch  die  waffenfähigen  Männer  der  näheren  und  weiteren 
Umgebung  als  der  Führer  im  Kampfe,  bis  der  Yladika  eintraf. 

Dieser  war  das  eigentliche  Oberhaupt  des  Staates.  Ihm 
fiel  die  höchste,  die  priesterliche  Gewalt  zu.  Der  Vladika  war 
Bischof  — seine  Weihe  erhielt  er  in  Petersburg’).  Die  Re- 
ligion Rußlands  ist  auch  jene  Montenegros.  Die  Würde  war 
erblich  und  das  Erbteil  der  Familie  Petrovic.  Die  priester- 
liche Stellung  versagte  dem  Vladika  die  Ehe,  darum  wurde 
stets  der  Neffe  der  Nachfolger  des  Onkels.  ,.Sveti  Gospodar'" 
(heiliger  Herr)  nannte  in  ehrfurchtsvoller  Scheu  der  Sohn  der 
Schwarzen  Berge  seinen  Vladika. 

Bis  1833  bestand  neben  dessen  Stellung  auch  die 
eines  weltlichen  Oberhauptes,  des  Gouverneurs.  Wohl  war 
dieser  jenem  an  Macht  keineswegs  gleich,  doch  blieb  sein 
Einfluß  nicht  zu  unterschätzen.  Immerhin  war  er  im  stände 
die  Willkür  desselben  zu  hemmen. 

Dies  empfand  vor  allem  der  Vladika  Peter  II.,  der 
nach  dem  Tode  seines  Onkels,  des  großen  Vladika  Peter  I.. 
die  Herrschaft  erlangt  hatte. 

Auf  die  Gunst  des  Volkes  pochend,  entledigte  er  sich 
des  Gouverneurs  Radonie,  indem  er  denselben  1833  des 
Einverständnisses  mit  Österreich  beschuldigte.  Radonib  wurde 
verbannt,  seine  Güter  eingezogen,  sein  Haus  verbrannt.  Er 
flüchtete  nach  Cattaro,  wo  Österreich  ihm  und  seiner  Familie 
Schutz  und  datternde  Unterstützung  lieh.  Der  Vladika  ver- 
einigte nun  in  seiner  Person  die  volle  geistliche  und  weltliche 

')  Peter  II.  wollte  sich  anfangs  in  Wien  weihen  la.ssen,  doch 
ließen  ihn  die  Schwierigkeiten,  die  man  ihm  machte,  hievon  abstehen. 
(Marko  Fedorowitsch,  Die  Slaven  der  Türkei.) 


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Bepreasaliongefccbte  gegon  die  Montenegriner. 


167 


Gewalt.  Ungestört  konnte  er  jene  Reformen  anbahnen,  welche 
ihm  zur  Erstarkung  des  Landes  nötig,  zur  Befestigung  und 
Erweiterung  seiner  Macht  geeignet  erschienen. 

Schon  1831  hatte  er  mit  Rücksicht  auf  dieses  Ziel,  unter- 
stützt durch  den  russischen  Oberstleutnant  Oseretzkowsky, 
einen  Senat  von  zwölf  Mitgliedern  geschalFen,  die  er  je  für 
ein  Jahr  selbst  ernannte.  Seinen  Bruder  Giorgio  gab  er 
demselben  zum  Präsidenten,  seinen  Neffen  zum  Vizepräsi- 
denten. Er  erreichte  damit  einen  Ersatz  der  alten  Regierungs- 
form, der  ihm  alle  Macht  gab. 

Montenegro  ist  arm  au  Ressourcen  jeder  Art.  Für  das 
kämpfende  Volk  mögen  sie  genügen,  für  den  eindringenden 
Feind  sind  sie  weniger  als  zu  gering.  Dieser  ist  vollkommen 
auf  den  Nachschub  angewiesen. 

Außer  in  der  Nahia  Belopavlic  und  im  Kuckatal  sowie 
an  den  sonnigen  Abfällen  der  Nahia  Czerniczka  gegen  den 
Skutarisee,  bieten  nur  wenige  und  unbedeutende  Flächen 
Raum  zum  Anbau  und  kargen  Ertrag. 

In  dem  öden  Felsgewiire,  in  den  zahllosen  Schrunden 
und  Klüften  versickert  das  Wasser.  Nur  einzelne  sorgsam 
gehütete  Quellen  und  Zisternen  sichern  den  Bewohnern  dürf- 
tige Labung. 

Der  Besitz  an  Vieh  ist  des  Montenegriners  Reichtum, 
die  Zucht  desselben  sein  Erwerb.  Dieses,  dann  Kartoffeln  und 
die  spärlichen  Produkte,  welche  die  Natur  freitätig  seiner 
wilden  Heimat  geschenkt,  zu  verkaufen,  steigt  er  von  den 
Höhen  dem  Meere  zu,  nach  österreichischen  Landen  herab 
und  trägt  dafür  im  Austausche  Salz,  Ol,  Waffen  und  Munition 
nach  den  Bergen  heim. 

Arm,  aber  auch  bedürfnislos,  fühlt  er  sich  nur  in  seinen 
Felsen  wmhl.  Mit  der  zähen  Anhänglichkeit  aller  Bergbewohner 
hängt  er  an  diesen.  „Ob  es  dort  wohl  ein  Czernagora  gibt,” 
frug  ein  Montenegriner  bang  seinen  Gastfreund  und  wies 
feuchten  Auges  zum  dunkelblauen  Firmament. 

Die  Scholle,  die  er  von  seinen  Vätern  ererbt,  der  Stein 
selbst,  auf  dem  seine  Ahnen  geschritten,  die  dürftige  Hütte, 
in  der  sie  gewohnt,  sind  ihm  heilig.  Heilig  als  deren  Ver- 
mächtnis, heilig  auch  im  Sinne  seines  Wahlspruches;  „Mein 
Haus  ist  meine  Freiheit.” 


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168 


S e m e k. 


In  }iarter  Schule  aufgewachsen,  stählt  der  Montenegriner 
seine  Kräfte  von  Jugend  an.  Alle  Schrecknisse  der  Bergwelt 
sind  ihm  vertraut,  Sturm  und  Regen  so  oft  die  Gefährten 
seiner  einsamen  Wanderung.  Kein  Fels  ist  ihm  zu  steil,  ihn 
zu  erklimmen,  kein  Abgrund  zu  weit,  ihn  zu  überspringen, 
kein  Pfad  zu  schmal  und  gefährlich,  ihn  zu  wandeln.  In 
die  Opanken  gehüllt,  schmiegt  sich  sein  Fuß  sicher  an  die 
harten  Kanten  der  Felswände,  während  sein  Blick  durch  die 
Steintrüramer  nach  dem  Feinde  späht.  Nicht  Hitze,  nicht 
Kälte  noch  Hunger  und  Durst  können  seine  Eisennatur  zwingen. 
Wenn  die  Nacht  ihn  in  den  Bergen  überrascht,  hüllt  er 
Haupt  und  Wallen  in  die  schützende  Struka  *).  Ob  dann 
auch  Wind  und  Wetter  hemiederrauschen,  der  erwachende 
Tag  sieht  ihn  in  altgewohnter  Elastizität  und  Frische  vor- 
wärts eilen. 

Alles  kann  der  Sohn  der  Schwarzen  Berge  entbehren, 
nur  seine  Waffen  mag  er  nicht  missen.  Schon  mit  15  Jahren 
wird  er  zum  Manne  und  von  diesem  Augenblick  an  ziert 
ihn  der  volle  Schmuck  derselben.  Die  Pistolen  und  den 
Handschar  im  Güi'tel,  die  sichere  fünf  Schuh  lange  Flinte  und 
die  Struka  auf  der  Schulter,  weilt  er  am  Feld,  hütet  er  die 
Herde,  zieht  er  hinunter  nach  den  Handelsplätzen  Dalmatiens. 
Selbst  im  Innern  seiner  Hütte  legt  er  Pistole  und  Haiidschar 
nicht  ab  ; — stets  gerüstet  zur  Abwehr,  stets  für  den  Ruf  zum 
Kampfe.  Tapferkeit  und  Kühnheit  stehen  ihm  über  alles,  sie 
bewundert  er  auch  am  Feinde.  Beim  festlichen  Mahle  und 
im  stillen  Frieden  seines  Hauses,  bei  frohen  Versammlungen 
und  Gelagen,  wie  am  flackernden  Lagerfeuer  besingt  er  zum 
Klange  der  Gusla  die  Taten  seiner  Ahnen.  Die  Heldengestalten 
der  Vorzeit  sind  das  Vorbild  der  Gegenwart,  sie  sind  der 
Born  stets  erneuter  Kraft.  In  Liedern  lebt  die  Geschichte 
des  Landes,  nicht  im  Bann  toter  Bücher.  Geschichte  ist  seine 
Poesie,  freilich  auch  oft  Poesie  seine  Geschichte. 

Das  ununterbrochene  Ringen  mit  den  Gewalten  der 
Natur,  die  Schrecken  der  Bergwelt  und  der  geheimnisvolle 
Schauer  weltabgeschiedener  Einsamkeit  begründen  und  ver- 
stärken den  tief  religiösen  Sinn  des  Volkes.  Überall  erblickt 


')  Aus  Ziegeuluiaren  gefertigter  Schal. 


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RepressalieitKef^'chie  gegen  die  Montenegriner. 


169 


es  das  Walten  der  Gottheit.  Die  starren  Höhen,  die  gegen 
Himmel  ragen,  die  rieselnden  Quellen,  die  den  Felsen  ent- 
springen, die  dunklen  Schatten  der  Wälder  und  die  Haine 
der  Täler  werden  ihm  zum  speziellen  Sitze  derselben,  oder 
doch  überirdischer  Wesen. 

In  all  diesen  glänzenden  Eigenschaften  gleicht  der 
Montenegriner  den  Bewohnern  des  schottischen  Hochlandes, 
mit  denen  er  aber  in  gleicher  Weise  den  ungemessenen  Stolz, 
die  malllose  Selbstüberhebung  und  den  Trieb  zu  inneren  Fehden 
teilt.  Auch  dem  Gesetz  der  Blutrache  huldigt  er  gleich  jenem.— 

Helle  Lichter  zeugen  dunkle  Schatten.  — ■ Wie  alle  Berg- 
bewohner ist  der  Montenegriner  voll  Mißtrauen  gegen  Fremde 
und  Fremdes.  Listig  sucht  er  seine  wahren  Absichten  stets 
zu  verbergen,  sein  sonst  so  entschiedenes  Wesen  schreckt 
dann  selbst  vor  Heuchelei  nicht  zurück.  Wo  es  sich  um  seinen 
Vorteil  handelt,  erkennt  er  keines  anderen  Recht,  scheut  er  selbst 
den  Raub  nicht.  Unmenschliche  Grausamkeit  ist  dem  Volke 
zur  Natur  geworden.  Verstümmelte  und  geköpfte  Feindes- 
leichen verdunkeln  den  Glanz  seiner  Siege.  Möglich,  daß  das 
blutige  Beispiel  der  Türken  hier  in  schauerlicher  Nachahmung 
sich  widerspiegelt. 

Die  Kriegskunst  der  Montenegriner  war  in  der  Zeit  um 
die  es  sich  hier  handelt,  jene  aller  Naturvölker.  Ein  absicht- 
liches Zurückweichen  des  Zentrums  sollte  den  Gegner  zwischen 
die  Höhen  locken,  um  ihn  dann  von  den  Flanken  dem  Wetter- 
sturm gleich  zu  überfallen. 

Bestimmte  Signale  leiteten  sie  im  Kampfe,  riefen  sie 
zur  Vereinigung,  um  mit  voller  Wucht  einen  schwachen  Punkt 
des  Gegpiers  anzufallen  und  zu  durchbrechen. 

Unerschöpflich  an  List,  kühn  in  allen  Unternehmungen, 
überraschend  bei  allen  Überfällen,  waren  sie  doppelt  gefähr- 
liche Gegner.  Jeder  einzelne  wußte  instinktiv  die  besten 
Stellen  zur  Verteidigung  zu  wählen ; — dort  hielt  er  uner- 
schütterlich stand. 

Nur  beim  Angriff  über  offenes  Feld  fand  ihr  Mut  seine 
Schranke.  „Unerfahren  und  ungeschickt”  nannten  sie  die 
tapferen  Jäger  des  8.  Bataillons,  die  kühn  und  furchtlos  trotz 
des  heftigsten  Feuers  jene  Steinwälle  stürmten,  die  .sie  ver- 
bargen. 


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170 


S 6 m 0 k. 


Dem  Bajonett  hielt  das  tapfere  BergA'olk  nicht  stand. 
Der  moralische  Mut  war  immer  der  Besieger  des  physischen. 

Veranlassung  des  Konfliktes  mit  Österreich. 

Die  Ursache  zu  demselben  liegt  in  der  Geschichte  der 
Vergangenheit  und  dem  durch  diese  bedingten  Gröüeuwahn 
des  Volkes,  liegt  aber  auch  in  den  stolzen  Plänen  des 
Vladika. 

Die  nächste  Veranlassung  gaben  die  Grenzstreitigkeiten 
und  die  verhetzende  Tätigkeit  russischer  Emissäre. 

Schon  in  jener  Zeit,  als  Dalmatien  noch  zu  den  Ge- 
bieten Venedigs  zählte,  Montenegro  dem  Halbmond  wenig- 
stens nominell  unterworfen  war,  blieb  die  Grenze  zwischen 
beiden  Ländern  stets  eine  schwankende.  Auf  der  Karte 
wiederholt  fostgestellt,  wurde  sie  in  Wirklichkeit  nie  ein- 
gchalten. 

Die  Übernahme  Dalmatiens  durch  Österreich  1797,  nach 
dem  Frieden  von  Campo  Formio,  schien  den  Hochländern 
der  günstigste  Zeitpunkt,  sich  noch  vor  dem  Eintrefl'en 
kaiserlicher  Truppen  den  Besitz  der  Ebene  zu  sichern  und 
neue  Grenzen  zu  schaffen. 

Der  damalige  Vladika  Peter  I.  fiel  unvermutet  in  das 
Xachbarland  ein  und  besetzte  Budua  sowie  einen  Teil  des 
Pastrovicchio.  Die  allgemeine  Stimmung  der  Bewohner  des 
u.surpierten  Gebietes,  die  sich  für  Österreich  erklärten,  zwang 
ihn  jedoch  in  der  Folge,  seine  Erwerbungen  dem  abgesandten 
österreichischen  General  Rnkawina  zu  übergeben. 

Unmutig  kehrte  er  in  seine  Berge  zurück.  Umsonst 
blieben  seine  weiteren  Bemühungen,  von  dem  Kloster 
Stanjevich  aus  die  2uppaner  gegen  den  ,, Kaiser  von  Wien” 
aufzuwiegeln.  Zürnend  rächte  er  sich,  indem  er  Rußland  zum 
Protektor  Montenegros  erklärte.  Damit  hatte  er  für  sich  und 
die  folgenden  Vladikas  die  Absicht  proklamiert,  einst  doch 
noch  mit  Hilfe  Rußlands  in  den  Besitz  des  umstrittenen  Landes 
zu  gelangen  — Montenegro  bis  zum  Meere  auszudehnen. 

Als  nach  dem  Frieden  von  Preßburg  1805  Dalmatien 
wieder  unter  französische  Herrschaft  trat,  rief  Peter  I.  die 
Russen  aus  Corfu  zu  Hilfe,  besetzte  Cattaro  und  beherrschte 
trotz  aller  Angrifte  Marmonts  das  Land,  bis  er  es  auf  Kaiser 


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Ropressaliengefechtc  gegen  die  Montenegriner. 


171 


Alexanders  Befehl  nach  dem  Frieden  von  Tilsit  wieder  au 
Frankreich  abtreten  mußte. 

Trotzdem  ließ  er  die  Hoffnung  nicht  sinken  seine  Pläne 
endlich  zu  verwirklichen.  Sein  Ehrgeiz  kannte  keine  Ruhe, 
seine  Ausdauer  keine  Entmutigung. 

Der  Sturz  Napoleons  im  Norden  Europas  eröffnete  ihm 
bald  eine  günstige  Aus.sicht. 

Rasch  entschlossen  sammelte  er  die  kriegs-  und  beute- 
frohen  Scharen  und  schloß  ein  Bündnis  mit  den  Bocchesen  ’). 
Vereint  sollten  beide  die  Franzosen  aus  dem  Lande  ver- 
treiben, Montenegro  und  Cattaro  für  ewige  Zeit  verbunden 
werden  und  einen  Staat  bilden,  clessen  Schutz  sie  den  drei 
Großmächten  anvertrauen  wollten. 

Törichter  Vladika ! Er  war  persönlich  ein  Held  und  ein 
Marm  von  bedeutenden  Geistesgaben,  aber  jene  eigentümliche 
Naivität  seines  Volkes,  welche  nur  kennt,  was  ihm  frommt  und 
anderer  Rechte  ganz  vergißt,  jene  Naivität,  die  auch  die 
Verwicklungen  1838  herbeiführte,  hatte  er  nicht  abgestreift. 
Wie  konnte  er  denken,  daß  Österreich  ihn  im  Besitz  jenes 
Landes  schützen  werde,  das  demselben  nur  der  Friedensschluß 
entrissen  — ! 

An  der  Spitze  seiner  Czernagorer  eroberte  Peter  in 
rascher  Folge  Budua  und  das  Fort  S.  Trinitä,  sprengte 
letzteres  in  die  Luft  und  zernierte  mit  Englands  Hilfe 
Cattaro,  das  sich  nach  kurzem  Widerstand  ergab. 

Damit  war  das  Ziel  seiner  Wünsche,  der  Lieblingstraum 
seines  Volkes  erreicht. 

Man  muß  das  Gefühl  und  Empfinden  der  Montenegriner 
jener  Zeit  verstehen  und  würdigen,  um  ihre  Haltung  in  der 
Folge  zu  begreifen. 

In  Liedern  glühender  Begeisterung  feierten  sie  den 
ruhmvoll  erstrittenen  Erfolg.  Das  Meer,  nach  welchem  sie 
immer  und  immer  von  den  Bergen  sehnsüchtig  herab- 
geblickt, mit  seinen  grünenden  Gestaden  und  den  leuchtenden 
Segeln,  welche  ihre  Gesänge  priesen,  der  freie  Weg  zu 
Handel  und  Verkehr,  zu  Reichtum  und  Macht,  war  ihnen 
erschlossen. 

')  Siehe  Anhang  III. 


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172 


S e m o k. 


Unter  all  den  bevorzugten  Nationen  hatten  sie  endlich 
ihren  Platz  an  der  Sonne  gefunden. 

Doch  nicht  für  lange ! Schon  rückten  österreichische 
Truppen  zur  Besetzung  Dalmatiens  heran.  — Wohl  sträubte 
sich  der  Vladika  von  der  Beute  abzulasson,  wohl  hiüte  er 
Rußlands  Fahne  auf  den  Mauern  von  Cattaro,  zum  äußersten 
Widerstand  bereit.  Doch  vergebens!  England  stellte  sich 
auf  Seite  Österreichs  und  damit  war  Cattaro,  welches  stets 
dem  BehciTscher  der  See  zu  eigen  wurde,  für  ihn  verloren. 
Die  Bocchosen  verließen  ihn  und  beugten  sich  dem  neuen 
Herrn.  Ohnmächtig  mußte  der  Vladika  das  Land  dem  General 
Milutinovich  übergeben.  Ein  zweites  Mal  hatte  Montenegro 
den  heißersehnten  und  kühn  erstrittenen  Besitz  an  Österreich 
verloren.  — Eine  Wunde,  die  nie  vernarbte. 

Die  Czernagorer  waren  damit  endgiltig  in  ihre  Berg- 
heimat zurückgewiesen,  aber  das  leicht  erregbare  Volk  träumte 
weiter  von  seiner  ephemeren  Macht  und  sah  in  Österreich 
nur  den  Usurpator  der  verlorenen  Gebiete.  Zum  Schmerze 
trat  der  Haß  gegen  dieses,  der  sich  in  heftiger  Weise  auch 
gegen  die  Bocchesen  wandte,  die  im  entscheidenden  Moment 
des  Bundes  vergessen. 

Von  nun  an  blieben  Grenzüberschreitungen,  die  Raub 
und  Plünderung  im  Gefolge  hatten,  an  der  Tagesordnung. 
Wenn  auch  mitunter  auf  rechtliche  Weise,  durch  Kauf  und 
Verkauf,  setzten  sich  die  Montenegriner  doch  meist  durch 
Gewalttaten  allmählich  in  den  Besitz  eines  großen  Teiles  des 
Pastrovicchios  und  Dobrotas. 

Vergeblich  waren  alle  Versuche  Österreichs,  eine  feste 
Grenze  und  damit  dauernde  Ruhe  zu  schaffen.  In  dem  Be- 
streben möglichst  korrekt  und  gesetzmäßig  zu  handeln,  ver- 
gaß es,  daß  das  Recht  stets  und  bei  so  wilden  kriegerischen 
Nationen  um  so  mehr,  in  der  Spitze  des  Schwerte.s  liegt,  daß 
nicht  künstlich  erklügelte  Paragraphen,  sondern  nur  eine  eiserne 
Faust  den  Übermut  und  die  Raubgier  eines  wilden  Volkes 
zu  bändigen  vermögen,  vergaß  es,  daß  es  vitale  Interessen 
waren,  welche  Montenegro  an  das  Meer  drängten  und  daß 
der  Kampf  ums  Dasein  in  jeder  Volksseele  zu  mächtig  lebt, 
um  anders  als  durch  drohende  Vernichtung  in  Schranken 
gehalten  zu  werden. 


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Repressalient^efecht«  cegon  die  Montenegfriner. 


173 


Die  Stimme  aller  militärischen  Betehlshaber  und  Organe 
rief  nach  Gewalt,  als  der  optima  und  ultima  ratio,  aber  die 
weisen  Herren  am  Diplomatentische  traktierten  und  versöhnten 
so  lange,  bis  die  Katastrophe  unvermeidlich  schien  und  nicht 
mehr  durch  den  Todesmut  der  Truppen,  sondern  nur  durch 
die  Zaghaftigkeit  des  Vladika  im  entscheidenden  Augenblick 
abgewendet  werden  konnte. 

Schon  1820  versuchte  Österreich  durch  einen  Kontrakt 
die  Zession  des  von  Montenegro  usurpierten  Gebietes  von 
Lositza  zu  erreichen.  Der  Vladika  erklärte  sich  einverstanden, 
doch  als  die  Kommission  zur  Übergabe  feierlich  anrückte, 
wurde  sie  von  den  Bewohner  verjagt.  Die  Verhandlungen 
zwischen  Pastrovicchio  und  der  Nahia  Czerniezka  1823  hatten 
den  gleichen  Verlauf  und  befriedigten  nur  die  Diplomaten, 
denn  die  territorialen  Eingriffe  der  Montenegriner  ließen 
nicht  nach  und  nahmen  auch  dann  kein  Ende,  als  1835  mit 
dem  neuen  Vladika  Peter  II.  schriftliche  Verträge  über  die 
Grenzen  beider  Landstriche  abgeschlossen  wurden  und  die 
Glavars  diese  bestätigten. 

Trotzdem  währten  die  Unterhandlungen  fort,  fort  mit 
einem  Volke,  das  aller  Verträge  spottete. 

Österreich  suchte  nun  durch  Vorlage  der  Original- 
dokumente früherer  Grenzbestimmungen  Montenegro  von 
seinem  guten  Rechte  zu  überzeugen  — das  wilde  Bergvolk,  das 
nur  der  Zukunft  lebte,  durch  Vorlage  längst  vergilbter  Akten! 
Diesbezüglich  war  Oberst  Caboga  schon  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  bestrebt,  das  nötige  Material  zu  sammeln.  Ein 
mühevolles  Beginnen ! — Der  Sturz  Venedigs,  Frank- 

reichs Invasionen,  die  Einfälle  der  Montenegriner,  hatten 
die  bestandenen  Archive  größtenteils  in  Unordnung  gebracht, 
die  Dokumente  nach  allen  Richtungen  zerstreut.  Vielfach 
waren  dieselben  in  Privatbesitz  übergegangen  oder  unter  einer 
Masse  von  Akten  in  Kellern  vergraben.  Es  gelang  nur  einige 
von  entschiedenem  Werte  zu  finden').  Dies  waren  bezüglich 
des  Besitzes  von  Lositza;  Ein  Pergament  mit  der  goldenen 
Bulle  Stephans,  des  Kaisers  von  Serbien  und  Romanien  aus 
dem  Jahre  1351,  mit  welchem  dieser  den  Edlen  von  Cattaro 


')  H.  H.  u.  St.  A.,  Faszikel  9,  Türkei-Greuzakte. 


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174 


S e XD  e k. 


alle  alten  Privilegien  und  Schenkungen  seiner  Vorfahren  und 
darunter  ausdrücklich  den  Besitz  von  Mikacz  und  Lositza 
zusiehert  — ein  Dokument,  welches  1491  der  venetianische 
Rettore  bestätigte. 

Ferner  eine  Originalsenteiiz  von  l(i5ä,  worin  Lositza  den 
Spigliavinern  und  Scagliarinern  zugesprochen  wurde;  endlich 
ein  Dekret  des  Proveditore  Generale  von  Venedig  aus  dem 
Jahre  1768,  welches  den  gleichen  Inhalt  zeigte. 

Bezüglich  Pastrovicchios:  Ein  Instrument,  betitelt:  Vera 
et  giusta  descrizione  dei  (Jonfini,  che  si  trovano  frä  i Maini 
Braichi,  Montenegrini  et  Pastrovicchi  fino  Sutturmau,  della 
quäle  una  copia  si  ritrova  nel  Monasterio  a Zettigne,  e simili 
nel  Catastico  di  Cattaro.  Dieses  Instrument,  durch  Nicolo 
Popovich,  Canoelliera  des  Georgio  Czernovich,  Fürsten 
von  Montenegro,  1429  aufgestellt  und  gezeichnet,  bestimmte 
genau  die  Grenze  zwischen  Pastrovi6  und  Montenegro.  Seine 
Authentizität  war  um  so  ausgesprochener,  als  noch  1823  die 
Kommissäre  des  Vladika  und  jene  von  Pastrovic  dieselbe 
mit  schiedsrichtlicher  Sentenz  vom  8.  Oktober  anerkannt 
hatten. 

Trotzdem  war  es  eben  die  Regelung  dieser  Grenze, 
welche  besondere  Schwierigkeiten  bereitete,  denn  gerade  in 
Pastrovic  hatten,  wie  erwähnt,  die  Montenegriner  große 
Gebietsteile  usurpiert.  ,, Diese  Usurpation,”  sagt  Caboga  in 
seinem  Bericht  an  den  Militär-  und  Zivilkommandanton  in 
Zara,  den  FML.  Grafen  Vetter  von  Lilienberg,  „ist  fast 
in  allen  Fällen  das  willkürliche  Unternehmen  einer  einzelnen 
Familie,  wenn  auch  oft  auf  tatsächliche  Forderungen 
begründet.” 

Indem  sich  in  der  Folge  der  ungerechtfertigte  Privat- 
besitz eines  solchen  eigenmächtig  genommenen  Grandes 
verjährte,  wurde  er  in  den  .\ugen  des  Montenegriners  ein 
legaler.  Nun  aber  ging  es  über  die  Begriffe  des  letzteren, 
so  weit  zu  abstrahieren,  um  zu  begreifen,  daß  der  Angehörige 
eines  Staates  auch  ira  fremden  Lande  Güter  haben  könne. 
Er  war  daher  rechtlich  überzeugt,  daß  mit  jeder  Erwerbung 
fremdländischen  Bodens  sich  auch  die  Reichsgreuze  ver- 
schieben müsse. 

Hierin  lag  ein  Haupthindernis  der  Grenzregulierung. 


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Repressalionf^efeohto  gegen  dio  Montenegriner. 


175 


Dennoch  hoffte  Österreich  noch  immer,  auf  friedlichem 
Wege  zum  Ziele  zu  gelangen.  Als  1838  der  angeordnete 
stabile  Kataster  in  seinen  Arbeiten  gegen  das  südliche 
Dalmatien  vorrückte,  versuchte  es,  auf  die  angeführten  Doku- 
mente gestützt,  neue  Verhandlungen.  Zu  Beginn  derselben 
wurden,  wie  Hauptmann  Oreskovieh  *)  sagt,  den  Mitgliedern 
der  Kommission  ,, Sanftmut,  Geduld  und  weise  Nachgiebigkeit” 
zur  ersten  Pflicht  gemacht.  Alle  Streitigkeiten  und  Differenzen 
sollten  auf  gütlichem  Wege  geschlichtet,  im  billigen  Ausgleich 
der  davon  berührten  Gemeinden  geordnet  werden.  Vergeblich! 
Schon  das  erste  Zusammentreffen  machte  die  Hoffnung  eines 
endgiltigen  Verständnisses  illusorisch. 

Die  Montenegriner  erschienen  in  Waffen,  venvarfen  ohne 
Prüfung  alle  geometrischen  Aufnahmen,  Dokumente  und 
Grenzmarkierungen  aus  der  venetianischen  Epoche  und  gaben 
klar  zu  verstehen,  daß  es  der  Zweck  ihrer  Ausbreitung  sei, 
das  Meer  zu  erreichen.  Keinen  Fußbreit  Landes  wollten  sie 
abtreten  und  waren  höchstens  geneigt,  den  Besitz  strittiger 
Gründe  der  Entscheidung  eines  Zweikampfes  anzuvertrauen. 

Dennoch  gelang  es,  die  Grenzlinie  teilweise  festzustellen, 
indem  jene  Flächen,  welche  keinen  Anbau  erlaubten,  an  deren 
Wahrung  also  den  Montenegrinern  wenig  gelegen  war,  ab- 
gemarkt, die  Greuzbestimmungen  für  die  übrigen  aber  einer 
späteren  Übereinkunft  Vorbehalten  w'urden.  In  mühevoller  Arbeit 
und  stetem  Streite  wurde  endlich  Castellastua  erreicht.  Von  hier 
aus  sollte  die  Feststellung  der  Grenze  Pastroviochios  erfolgen. 

Die  Bezeichnung  Pastroviccbio  umfaßte  jenen  Landstrich^), 
der  westlich  zwi.schen  S.  Stefano  und  der  Kuppe  Golivrch 
beginnt  und  seiner  Längsrichtung  nach  nördlich  von  Monte- 
negro, südlich  von  der  Adria  begrenzt  wird,  im  Osten  aber  an 
Türkisch-Albanien  stößt. 

Seine  Länge  beträgt  fast  zwei  geographische  Meilen, 
seine  Breite,  an  der  Westgrenze  beiläufig  ’.h  ^Meilen,  sinkt 


')  War  frülier  mUitärischer  Agent  in  Cettiiije.  1838  war  er  proto- 
koUfübreiider  Adjutant  Lilienborgs.  iH.  H.  u.  St.  A.,  Faszikel  9, 
Türkei  Grenzakte : Memoire  des  Ilauptmaun  Oreskovicli.) 

Bericht  des  Majors  Po.schaclier,  Kommandanten  des  8.  Jäger- 
batailloua  (nach  Roßbach),  vom  12.  September  183,8.  (R.  K.  M.,  Registr. 
1838,  Pracs.  Nr.  l.')29C). 


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176 


S e m e k. 


bei  Castellastua  gegen  die  montenegrinische  Grenze  bin,  auf 
4000  Schritte  (Luftlinie)  herab;  wobei  als  solche  die  Planina 
pastroviechiana  in  Betracht  gezogen  ist,  in  deren  Besitze  sich 
Montenegro,  wenn  auch  nicht  de  jure,  so  doch  de  facto 
befand.  Die  Bewohner  Pastrovicchios  sind  Nachkommen  jener 
Kriegsgenosson  Venedigs,  die  als  Seefahrer  einst  mächtig, 
eine  eigene  Regierung  besaßen  und  laut  venetianischen 
Gesetzes  berechtigt  waren,  aus  den  ersten  Familien  der 
Republik  ihre  Frauen  zu  wählen.  Kriege  und  Kämpfe  hatten 
sie  dezimiert,  ihren  Wohlstand  vernichtet.  Ihr  stolzer  kriege- 
rischer Sinn  erstarb  in  der  Armut. 

Der  Besitz  dieses  Landstriches  bot  eine  schwierige 
Frage,  denn  die  Planina  pastroviechiana  war  verhältnismäßig 
reich  an  fruchtbaren  Gründen,  gehörte  mit  Recht  zu  Öster- 
reich und  war  für  dieses  von  militärischer  und  wirtschaftlicher 
Bedeutung. 

Kaum  näherte  sich  die  Kommission  dem  Grenzort  Novo- 
selo,  als  gegen  1000  Montenegriner  über  die  Grenze  stürmten 
und  den  Berg  Kopaez  hart  vor  Novoselo  besetzten.  Ver- 
gebens sandte  die  Kommission  an  die  Häuptlinge,  um  sie 
zu  friedlicher  Auseinandersetzung  einzuladen.  Sie  weigerten 
.sich  zu  erscheinen.  Erst  auf  Intervention  des  Bruders  des 
Vladika  folgten  sie  langsam  und  widerwillig  dem  Rufe. 
Trotzig  und  zum  Kampfe  bereit,  traten  sie  der  Kommission 
entgegen.  Ungestüm  verwarfen  auch  sie  die  ihnen  vorgelegten 
Dokumente  und  leugneten  keck  ihre  eigenhändigen  1835  aus- 
gestellten Unterschriften.  „Montenegriner,  ehe  ich  zugebe, 
daß  ihr  die  Pastrovicebia  planina  verliert,  soll  diese  Pistole 
meinem  Leben  ein  Ende  machen  1”  hatte  ihnen  vor  der  Unter- 
redung Pero,  des  Vladika  Bruder,  zugerufen  und  zur 
Bekräftigung  sich  die  Pistole  an  den  Hals  gesetzt*)- 

Die  Häuptlinge  wußten  sich  also  nicht  nur  im  Einverständ- 
nis mit  dem  Volke,  sondern  auch,  was  mehr  galt,  mit  dem 
Führer  desselben,  dem  Vladika.  Hatte  letzterer  gleich  mit 
größter  Bereitwilligkeit  und  scheinbarem  Entgegenkommen 
der  Entsendung  der  Kommission  zugestimmt,  so  hatte  er  es 


')  R.  K.  JI.,  Bogisti-.  1838,  Praes.  Nr.  1286  und  H.  H.  u.  St.  A., 
Faszikel  9,  Tttrkei-Grenzakte. 


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nepreasaliengefecbte  gegen  die  Montenegriner. 


177 


andererseits  nicht  unterlassen,  die  hier  in  Rede  kommenden 
Grenzbewohner  (der  Czerniczka  Nahia)  aufzuhetzen.  Gerade  diese 
Xaliia  war  ja  sonst  Österreich  freundlich  gesinnt  und  haßte 
den  Vladika.  Hatte  sie  doch  früher  Schritte  getan,  um  unter 
Österreichs  Schutz  zu  treten.  Dem  Vladika  blieb  dies  unver- 
gessen und  nun  bot  sich  von  selbst  die  Gelegenheit,  beide  zu 
entzweien  und  dabei  die  Sympathien  der  Nahia  zu  gewinnen. 
Wie  hätte  er  diese  nicht  benützen  sollen!  Er  wußte,  daß  der 
Montenegriner  die  Verteidigung  auch  des  illegalen  Besitzes 
als  Ehrenpunkt  betrachtet,  daß  er  bereit  ist  Blut  und  Leben 
dafür  zu  opfern  und  er  kannte  die  Gesetze  der  Blutrache. 

Seine  Absichten  fordernd,  machte  sich  der  Einfluß  des 
rassischen  Hauptmanns  Kowallsky  geltend,  der  den  Leuten 
die  fiir  das  Weiderecht  zwischen  den  Dörfern  in  die  Felsen 
gehauenen  Kreuze  auf  österreichischem  Gebiet  als  eigentliche 
Grenze  bezeichnete. 

Solchen  Schwierigkeiten  gegenüber  mußten  alle  weiteren 
Verhandlungen  abgebrochen  und  einem  späteren  Zeitpunkt 
Vorbehalten  werden. 

Der  Vladika  regte  deren  Beginn  selbst  an.  Im  Einver- 
nehmen mit  dem  Kreisvorsteher  von  Cattaro  bestimmte  er 
den  23.  Juli  für  deren  Wiederaufnahme  und  sagte  sein  per- 
sönliches Erscheinen  zu. 

Hierin,  doch  nur  hierin,  hielt  er  Wort,  in  allen  anderen 
Fragen  hatte  er  bald  seinen  Sinn  geändert.  Kaum  war  er  zu 
bewegen,  eine  kleine  Anhöhe  zu  besteigen,  um  das  strittige 
Gebiet  zu  überblicken ; die  Dokumente,  welche  ihm  vorgelegt 
wnrden,  wies  er  zurück.  Ihrer  mündlichen  Wiedergabe  konnte 
er  .sich  allerdings  nicht  entziehen,  doch  obwohl  gezwungen 
ihre  Authentizität  anzuerkennen,  verwarf  er  sie  mit  der  Be- 
gründung, daß  Zeit  und  Verhältnisse  sich  indessen  geändert 
hätten.  Montenegro  sei  derzeit  im  faktischen  Besitz  des  Bodens 
und  werde  sich  denselben  nicht  nehmen  lassen,  — er  müsse 
sich  hierin  dem  stürmischen  Verlangen  seines  Volkes  beugen. 
Umsonst  waren  alle  weiteren  Vorstellungen,  alle  Gründe. 
Selbst  jene  Linie,  welche  die  Sanitätswachhäuser  markierten, 
wollte  er  nun  als  Grenze  nicht  anerkennen. 

Wieder  schied  die  Kommission  ohne  Resultat,  wieder 
nahm  sie  das  Versprechen  künftiger  Fortsetzung  der  Ver- 

Uitteilungen  des  k.  und  k.  Kriegsnrehivs.  Dritte  Fol,fC.  IV.  Ild.  12 


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178 


S e m 0 k. 


handlungen  als  Beruhigung  der  Diplomatie  mit.  Der  Vladika 
versprach  einstweilen  seine  Untertanen  zu  besänftigen  und 
zum  Frieden  anzuhalten. 

Hart  ist  es  hier  Geschichte  und  keine  Satire  diplomati- 
scher Tätigkeit  zu  schreiben. 

Damit  war  aber  eine  Situation  geschallen,  die  beim  ge- 
ringsten Anlaß  zu  Feindseligkeiten  fuhren  mußte. 

Stärkerertaältnisse  und  Terrainverhältnisse  fiir  den  Kampf 
zwischen  Österreich  und  Montenegro. 

Die  Stärkeverhältnisse  Österreichs  in  jener  Gegend  waren 
ungünstig,  die  Zahl  der  Truppen  eine  geringe.  Alle  Garni- 
sonen und  Posten  dependierten  vom  Generalkommando  zu 
Zara,  welches  FML.  Graf  Lilienberg  als  Haupt  der  Militär- 
und  Zivilbehördo  innehatte'). 

Von  den  im  Pastrovicchio  gelegenen  Posten  (Casetten) 
waren  S.  Stefano  mit  77,  dessen  Dependenzen  Marovich 
mit  29,  Spiridiono  mit  12,  Oradienizza  mit  12,  Gomila  mit 
17  Mann  der  2.  Kompagnie;  Castellastua  mit  74,  dessen  De- 
pendenzen, Novoselo  mit  4fi,  Vidrak  mit  17,  Gospodia,  Zmilova- 
Uliza,  Vietemo-Gumno  je  mit  5,  das  Blockhaus  mit  13  Mann 
der  1.  Kompagnie  des  8.  Jägerbataillons  besetzt. 

Fine  Jägerkompagnie  lag  in  Braici,  Pobori  und  Maini, 
eine  weitere  in  Podmaini.  Auf  die  Mithilfe  dieser  beiden  war 
bei  kriegerischen  Verwicklungen  im  Pastrovicchio  nicht  zu 
rechnen,  sie  waren  für  den  Schutz  ihrer  Aufstellungsorte  un- 
entbehrlich. 

Unterstützung  konnten  nur  Budua,  das  von  einer  .läger- 
kompagnie  und  einer  Kompagnie  des  2.  Bataillons  vom  In- 
fanterieregiment Erzherzog  Friedrich  (jetzt  Nr.  16)  besetzt 
war,  und  Cattaro  gewähren,  iu  welchem  gleichfalls  eine  Jäger- 
kompagnie und  dreieinhalb  Kompagnien  desselben  Bataillons 
von  Erzherzog  Friedrich  garnisonierten. 

Der  Kommandant  des  Jägerbataillons  war  Oberstleutnant 
Roßbach,  jener  des  Infanteriebataillons  Major  Guolfinger. 
Als  Brigadier  fungierte  GiM.  Turski. 


*)  Anhang  I und  II. 


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Represaaliengefeohte  gegen  die  Montenegriner. 


179 


Ai'tillerie  stand  im  bedrohten  Raume  nicht  zur  Ver- 
fügung. Kanonen  konnten  daselbst  der  Terrainschwierigkeiten 
wegen  nicht  fortgebracht  und  verwendet  werden  und  dem 
eifrigen  Bemühen  des  Oberstleutnants  Roßbach  um  die 
Absendung  wenigstens  einer  halben  Raketenbatterie")  stellte 
man  sich  ablehnend  gegenüber. 

Die  Lage  der  einzelnen  Casetten  war  nicht  mit  Rück- 
sicht auf  einen  eventuellen  Angrifi',  sondern  nur  auf  die 
Durchführung  des  Sanitätskordons  gewählt.  Sie  lagen  an  den 
Weglinien,  am  Fuße  oder  doch  an  den  Abdachungen  der 
Höhen.  Das  Material  war  Holz,  der  Zustand  verwahrlost.  Sie 
auf  längere  Dauer  zu  halten,  erschien,  abgesehen  von  ihrer 
geringen  Widerstandskraft,  schon  aus  dem  Grunde  unmöglich, 
weil  es  an  Wasser  und  Lebensmitteln  fehlte.  Beide  mußten 
vom  Meere  her  zugeführt  werden. 

Die  Zahl  der  Mannschaft  in  den  Posten  längs  der  Grenze 
war  so  gering  bemessen,  daß,  Novoselo  ausgenommen,  keiner 
den  anderen  unterstützen  konnte.  Itn  Falle  eines  Angriffes 
mußte  die  Hilfe  von  Castellastua  oder  S.  Stefano  abgewartet 
werden. 

Die  räumliche  Gruppierung,  respektive  die  Distanz- 
verhältnisse der  Posten  zu-  und  voneinander  waren  folgende  “) : 

Von  ihrem  Haupt-  und  UnterstUtzungspunkt  S.  Stefano 
lagen:  Marovich  l'A,  Oradienizza  ß'/'j,  Gomila  4"'2  Stunden, 
von  Castellastua;  Novoselo  2,  Vidrak  4 Stunden  entfernt. 

Untereinander  betrug  die  Strecke  Marovich — Oradienizza 
2,  Oradienizza— Gomila  1,  Gomila — Vidrak  1,  Vidrak — Novo- 
selo 2 Stunden. 

Verstärkungen  aus  Ragusa,  Spalato,  Castelnuovo  und  Zara 
heranzuziehen,  war  wohl  möglich,  doch  bis  zu  deren  Ein- 
treffen konnten  die  Montenegriner  sich  leicht  in  den  Besitz 
des  ganzen  Landstriches  setzen.  Traf  doch  die  Meldung  über 
die  am  2.  August  vorgefallenen  Unruhen  mit  abenteuerlicher 
Schnelle  erst  am  7.  August  in  Zara  ein,  zu  einer  Zeit  also,  wo 
die  kühnen  Truppen  Roßbachs  bereits  vernichtet  gewesen 

*)  Meldung  vom  13.  Juli  1838.  (E.  K.  M.,  Eegi.str.  1838,  Praes. 
Xr.  UOO  1401,  1402.) 

’J  Uelation  Poschachers.  (Ebenda,  Praes.  Nr.  1529.) 

12* 


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180 


8 o m e k. 


wären,  hätte  ihre  Existenz  von  weiterer  Unterstützung  abge- 
hangen. 

Allerdings  stand  den  Truppen  die  sogenannte  Territorial- 
miliz ergänzend  zur  Seite. 

Von  dieser  konnte  aber  bei  einem  plötzlichen  Angrilf 
auf  das  Pastrovicchio  nur  jene  aus  den  Landstrichen  von 
Türkisch-Albanien  bis  Cattaro  in  Betracht  kommen,  aber  auch 
hievon  mußten  noch  die  Pastrovicchianer  als  persönlich  be- 
droht, zur  Verteidigung  ihrer  Höfe,  zu  Xachschubsdiensten  für 
Munition  und  Proviant  und  hauptsächlich  mit  Rücksicht  auf 
die  Gesetze  der  Blutrache,  wohlweislich  schon  im  vorhinein 
ausgeschaltet  werden  *). 

Die  Institution  der  Territorialmiliz  verpflichtete  die 
Bewohner  Dalmatiens,  sich  im  Falle  es  die  Verteidigung  des 
Landes  galt.  zum  Kriegsdienst  zu  stellen  und  an  der  Seite 
der  k.  k.  Truppen  zu  kämpfen.  Sie  wurden  dann  nach  Bedarf 
von  der  politischen  Behörde  aufgeboten  und  in  Abteilungen 
unter  nationalen  Befehlshabern  rangiert  — trugen  die  eigenen 
Waflen  und  erhielten  Patronen. 

War  es  irgend  möglich,  so  suchten  sich  die  Leute  dem 
Aufgebot  von  Haus  aus  zu  entziehen  oder  desertierten,  zumal 
bei  einem  Kampfe  gegen  ^Montenegro  mit  dem  viele  von  ihnen 
Bande  des  Blutes  und  des  Glaubens  verknüpften.  Manche  hatten 
aber  auch  der  siegreichen  Kämpfe  nicht  vergessen,  die  sie 
gemeinsam  mit  jenen  gegen  die  Franzosen  geführt. 

Diesen  teils  schwachen,  teils  schwankenden  Kräften 
(jsterrcichs  — zusammen  lO'/s  Kompagnien  mit  zirka  1700 
Mann  und  700  Terrieri  — gegenüber  verfügte  Montenegro  bei 
einer  Volkszahl  von  100.000  Seelen  über  20.000  Kämpfer. 

Waren  diese  auch  nicht  an  der  Grenze  versammelt,  so 
konnten  sie  doch  binnen  drei  bis  vier  Tagen  vollzählig  dort 
eintreffen. 

Wenn  der  kühne  Serdar  au  der  Grenze  Pastrovicchios, 
der  Chef  der  Czerniczka  planina,  der  ungestüme  Marko 
Plomenaz  zum  Streite  rief  und  die  Kriegsfahne  vom  Dach- 
first seines  Fahnenträgers  weithin  sichtbar  im  Winde  flatterte, 

')  ..\uch  auf  die  übrigen  war  wenig  Verlaß,  schon  deshalb,  weil 
sie  vielfach  dUOO  in  diesem  Gebiet)  Glaubensgenossen  der  Monte- 
negriner waren.  (R.  K.  M.,  Registr.  1838,  Praes.  Nr.  1400,  1401,  1402.) 


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Rcpressaliengefuchio  gugon  ilie  Montenegrinor. 


181 


dann  erscholl  der  Kriegsruf  aller,  die  sie  erblickten,  von  den 
Höhen  und  Gipfeln  der  Berge  über  die  Hänge  in  die  stillen 
Täler  und  aus  allen  Marken  des  Landes  eilten  die  Krieger 
herbei. 

In  kurzer  Zeit  war  die  Umgebung,  war  die  ganze  Xahia 
nm  den  Führer  geschart.  Den  kargen  Vorrat,  den  jeder  für 
die  ersten  Tage  brauchte,  trug  er  mit  sich,  den  Nachschub 
besorgten  die'  Frauen,  im  fremden  Lande  winkte  die  Beiite. 
Wo  blieben  da  die  Hemmnisse,  wo  der  schwerfällige  Troß 
moderner  Armeen? 

Aber  nicht  nur  die  Truppenzahl,  auch  die  Konfiguration 
des  Terrains  und  dessen  schwierige  Gangbarkeit  sicherte  den 
Montenegrinern  jeden  Vorteil. 

Das  Pastrovicchio  bildet  eine  stetige  Abdachung  bis 
gegen  die  Küste,  welche  nur  einzelne  bebaute  Terrassen  unter- 
brechen, so  daß  ein  Angriff  österreichischerseits  stets  den  Kampf 
gegen  beherrschende  Höhen  bedingte,  während  einem  Einfall 
der  Montenegriner  die  dominierenden  Punkte  zu  Gebote 
standen. 

Die  Vertrautheit  mit  dem  Gelände  und  die  physische 
Gewandtheit  in  Überwindung  desselben,  die  durch  Beschuhung 
und  Kleidung  und  den  Mangel  jeder  beschwerenden  Aus- 
rüstung unterstüzt  wurde,  stellten  dem  Hohn  der  Berge  jede 
Einbruchsstelle  frei,  während  die  kaiserlichen  Truppen  an  die 
wenigen  Kommunikationen  gewiesen  blieben.  Kommunika- 
tionen, die  stellenweise  für  sie  ungangbar,  ihren  Fortschritt 
hemmen  oder  unmöglich  machen  mußten. 

Aus  Montenegro  führten  vier  Steige  nach  dem  Pastro- 
•dcchio  *). 

Der  erste  von  Uterg  über  den  Paß  Östren  nach  Gomila. 
Hier  teilte  er  sich  nach  drei  Richtungen.  Die  eine  leitete 
nach  der  Comune  Braici  und  weiter  nach  Budua  oder  über 
Pobori  gegen  Cattaro,  die  andere  über  Oradienizza,  S.Spiridione, 
Marovich  nach  S.  Stefano,  die  dritte  über  Vidernak,  Vidrak, 
durch  den  Paß  zwischen  den  Bergen  Spass  und  Kopacz,  nach 
Novoselo  und  Castellastua.  Von  diesen  war  der  Weg  nach 
Braici  und  Vidernak  schlecht,  stellenweise  nur  mit  Lebens- 


Relation  Poschaohers.  (R.  K.  M.,  Registr.  1838,  Praes.  Nr.  15'29.) 


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182 


8 e m o k. 


gefahr  zu  passieren,  jener  über  Marovich  nach  S.  Stefano 
ziemlich  benützbar.  Eine  zweite  Verbindung  führte  von 
Optochichi  nach  Vidrak,  wo  sie  sich  jener  von  Gomila  her 
anschloC. 

Ein  dritter  Weg  leitete  von  Bercselli  (BrCeli)  über  den 
Kopacz  nach  Novoselo. 

Von  diesem  zweigten  kaum  gangbare  Pfade  einerseits 
über  die  südliche  Lehne  des  Kopacz  und  des  Scalizza-Stognina 
gegen  jene  Schlucht,  durch  welche  man  den  Grenzpunkt  von 
Österreich,  Montenegro  und  Türkisch  -Albanien,  „Treconfini” 
(l’rirogga),  en-eichte;  andererseits  über  Grabovizza,  Ressevizza 
(Resevich)  nach  S.  Stefano.  Ein  vierter  führte  von  Gluida 
über  die  Bergkuppe  Scalizza  gegen  Sv.  Gospodia  und  weiter 
gegen  Uliza  und  das  Blockhaus  oder  gegen  Vietcrno  Gumno. 

Von  allen  diesen  Annäherungsliuien  bot  jene  über 
Gomila  dem  montenegrinischen  Vormarsch  die  beste  Gewähr 
des  Erfolges,  da  sie  den  Besitz  der  anderen  sicherte.  Zunächst 
dann  war  jene  über  Bercselli  von  Wichtigkeit,  da  sie  die 
Vorrückung  über  Novoselo  nach  Lastua  und  damit  den  Besitz 
des  ganzen  Küstenstriches  erschloli. 

Der  ungünstigen  Situation,  in  der  sich  Österreich  Monte- 
negro gegenüber  nach  jeder  Richtung  befand,  war  man  sich 
in  den  militärischen  Kreisen  allgemein  bewußt,  aber  es  ging 
ganz  über  die  Fassungsgabe  der  diplomatischen  Machthaber  jener 
Zeit,  sich  irgendwie  vorzustellen,  daß  das  kleine  Montenegro 
es  wagen  werde,  gegen  das  große  Österreich  aggressiv  zu 
werden.  Man  war  noch  verblendet  von  den  längst  ver- 
rauschten Erfolgen  gegen  Napoleon  und  gefiel  sich  in  der 
Rolle  des  Löwen  an  Furchtlosigkeit  und  Großmut. 

Die  Entnüchterung  kam  rasch ! 

EröfTiiung  der  Feiiid.seligkeiten.  Gefechte  vom  2.  bis  7.  August 

Die  erste  Veranlassung  ziun  Ausbruch  der  Feindselig- 
keiten gab  die  Aufstellung  eines  vom  Winde  umgestürzteu 
Triangnlierungszeichens  am  Berge  Troica*).  Bisher  hatte  diese 
schon  wiederholt  nötig  gewordene  Arbeit  die  Montenegriner 
kalt  gelassen.  Nun  aber  wollten  sie  darin  eine  eigenmächtige 

')  I’aiä  und  Scherb,  Die  Czemagora. 


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Represflalienirefeohte  gegun  die  Montenegriner. 


183 


Grenzbestimmung  erblicken  — das  schürte  die  mühsam 
zmückgehaltene  Leidenschaft  zn  hellen  Flammen.  Erst  ver- 
suchten einzelne,  die  Arbeiter  abzuschaften  ; als  dies  vergeblich 
war,  riefen  sie  ihre  Stammgenossen  herbei,  welche  iiun  die- 
selben durch  herabgerollte  Steine  verscheuchten,  die  beiden 
zum  Schutze  mitgegebenen  Jäger  überfielen  und  gefangen- 
nahmen.  Eine  rasch  aus  Gomila  herbeigeeilte  Patrouille  mußte 
vor  dem  seitens  der  Montenegriner  eröfiheten  Gewehrfeuer 
zurückweichen.  Damit  hatten  die  Feindseligkeiten  begonnen, 
die  sich  bald  darauf  gegen  die  von  den  Truppen  besetzten 
Objekte  richteten;  vorerst  gegen  Vidrak.  Eigentümlicherweise 
war  es  ein  Weib,  welches  dieselben  erötfnete.  Von  einem 
Manne,  den  sie  mit  ihrem  Leibe  deckte,  gefolgt,  suchte  eie 
die  Casette  in  Brand  zu  stecken.  Zwei  Schüsse  streckten  beide 
zu  Boden  '). 

Da  wurde  es  rings  in  den  Bergen  lebendig  — aus  den 
schützenden  Felsblöcken  tauchten  Hunderte  von  Monte- 
negrinern auf  und  sprangen  im  wilden  Ansturm  über  die 
Felsen  herab,  gegen  die  Posten  Gomila  und  Vidrak.  Der 
Angriff  war  eben  schon  vorher  geplant,  er  hatte  nur  des  Zeichens 
zum  Beginn  geharrt! 

Gefechte  am  2.  August*). 

Es  war  um  12  Uhr  mittags  des  2.  August.  Von  allen 
Seiten  umfaßt,  alarmierten  beide  Posten  die  ganze  Linie, 
doch  nur  von  Lastua  oder  S.  Stefano  konnten  sie  auf  Hilfe 
hoffen,  bis  zum  Eintreffen  dieser  blieben  sie  der  eigenen 
Kraft,  dem  eigenen  Mute  überlassen. 

Vor  allem  erschien  Vidrak  gefährdet.  Am  Fuße  des 
Berges  gelegen,  war  die  Wachhütte  von  diesem  und  den 
benachbarten  Höhen  dominiert. 

Der  ünterjäger  Karl  Maukner,  W'elcher  dort  befehligte, 
ließ  sofort,  als  er  den  .Angrifl’  erkannte,  das  Tor  schließen 
und  forderte  seine  Leute  zum  äußersten  Widerstand  auf.  Die 
mutige  Besatzung  war  bereit  eher  zu  sterben,  als  den  Posten 

*)  Nach  Paic  wäre  es  erst  am  :5.  geschehen,  nach  der  militä- 
rischen Relation,  K.  A.,  F.  A.  Ropressaliengefochto  1838,  VIII,  ad  7, 
werden  beide  schon  mit  2.  August  unter  den  Toten  angeführt. 

’)  Hiezu  BeUage  3. 


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184 


S e m e k. 


zu  übergeben.  Umsonst  rollten  die  Montenegriner  ganze 
Steinlawinen  herab,  umsonst  erschöpften  Hunderte  der  wilden 
Bergsöhne  List  und  Gewalt.  Nichts  vermochte  die  ent- 
schlossene Tapferkeit  der  Jäger  zu  brechen.  Mehr  als  zwei 
Stunden  hielten  diese  unentwegt  den  wütenden  Anfällen  stand, 
bis  endlich  die  flatternden  Federbüsche  der  Kameraden  von 
Novoselo  aus  dem  Dickicht  tauchten  — Hilfe  in  höchster  Not. 
Oberleutnant  Landtmann  führte  sie  (zirka  30  Mann)  in 
eiligem  Marsche  heran.  Eine  geringe  Kraft  gegen  den  über- 
mächtigen Feind.  Schritt  für  Schritt  erkämpfte  sich  die 
Abteilung  den  Weg  gegen  die  Hütte,  aber  für  einen  kräftigen 
Ansturm  war  sie  zu  schwach.  — Da  riß  in  richtiger  Erkenntnis 
der  Lage  der  kühne  Maukner  das  Tor  auf,  stürzte  an  der 
Spitze  seiner  Schar  gegen  die  Montenegriner  und  schuf  so 
der  Unterstützung  Luft.  Mit  schallendem  Hurra  warf  sich 
diese  nun  auf  den  verwirrten  Feind.  Überwältigt  flohen  die 
Czernagoren  in  den  Schutz  der  Berge.  Vidrak  war  erhalten 
und  damit  der  Durchbruch  des  Zentrums  der  Postenkette  ver- 
eitelt und  mehr  noch,  der  Weg,  welchen  die  Verstärkungen 
aus  Budua  gegen  Novoselo  und  den  Kopacz  oinschlagen 
mußten,  gesichert.  Ein  Ergebnis  von  entscheidender  Bedeutung 
für  die  Folge.  Oberleutnant  Landtmann  drängte  den  Gegner 
bis  über  die  Höhe  und  ließ  dann  den  Oberjäger  Jöchlinger 
mit  27  Mann  zur  Besetzung  derselben  sowie  des  Postens 
zurück.  Ein  rasch  improvisierter  Steinwall  schützte  erstere 
vor  plötzlichem  Überfall.  Er  selbst  eilte  nach  Novoselo,  um 
das  wichtige  Defile  zw'ischen  den  Bergen  Spass  und  Kopacz 
zu  besetzen. 

Unterdessen  w'ogte  auch  um  Gomila  ein  heißer  Kampf, 
dem  dann  gleichfalls  die  Unterstützung  der  1.  Kompagnie  aus 
Lastua  ein  vorläufiges  Ende  machte,  indem  sie  die  Monte- 
negriner zurücktrieb  und  sich  des  vorliegenden  Berggipfels 
bemächtigte.  Später  erschien,  durch  den  Hauptmann  Spanner 
geführt,  Hilfe  aus  S.  Stefano  und  Budua,  welche  die  Abteilung 
der  1.  Kompagnie  ablöste  und  den  Besitz  Gomilas  sicherte, 
doch  währte  das  Geplänkel  bis  gegen  9 Uhr  abends. 

Die  Verluste  iu  beiden  Gefechten  waren  üsterreichiscber- 
seits  unbedeutend.  Leutnant  Stravolino  und  zwei  Jäger  der 
1.  Kompagnie  wurden  verwundet,  ein  Jäger  blieb  tot. 


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Uepressaliengefochte  gegeu  die  Montonogrinf^r. 


185 


Oberstleutnant  BoHbach,  von  dem  Angriflf  auf  Vidrak 
und  Gomila  in  Kenntnis  gesetzt,  hatte  sofort  aus  Budua  die 
5.  Kompagnie  (Hauptmann  von  Speck)  und  die  halbe 
4.  Kompagnie  (Hauptmann  von  Langenau)  seines  Bataillons 
zur  Unterstützung  der  Posten  Gomila,  Spiridione  und  Oradie- 
nizza  unter  Hauptmann  Spanner  vordirigiert.  Die  zweite 
Hälfte  der  4.  Kompagnie  beorderte  er  nach  Marovich,  einen 
Zug  der  8.  Kompagnie  (Hauptmann  Frank)  des  2.  Bataillons 
von  Erzherzog  Friedrich-Infanterie  nach  Novoselo. 

Er  selbst  eilte  von  Cattaro  über  S.  Stefano  nach  Gomila, 
nachdem  er  dem  zurückbleibenden  Kommandanten  des  2.  Infan- 
teriebataillons, Major  Guolfinger,  den  Befehl  erteilt  hatte, 
mit  seinen  1 Vs  Kompagnien  und  der  6.  Jägerkompagnie  nach 
Budua  abzurücken,  die  dortige  eigene  8.  Kompagnie  über 
Zukovizza  nach  Novoselo  zu  senden  und  das  Defile  Spass  — 
Kopacz  zu  besetzen. 

Nähere  Dispositionen  stellte  er  nach  seinem  Eintreffen 
am  Kampfplatz  in  .Aussicht.  Die  Sachlage  werde  entscheiden, 
ob  er  die  vom  Generalkommando  ein  für  allemal  gegen 
montenegrinische  Übergriffe  angeordneten  Repressalien  über- 
haupt und  wenn,  in  welchem  Umfang  er  sie  durchführen 
könne. 

Die  Meldungen  Roßbachs  über  die  Ereignisse  vom 
2.  August  und  seine  infolge  derselben  erteilten  Dispo-sitionen 
langten  erst  am  7.  August  beim  Generalkommando  zu  Zara  ein. 
Die  Anordnungen,  welche  dieses  verfügte,  waren  für  die 
weitere  Entwicklung  ohne  Wert,  da  der  Kampf  an  diesem 
Tage  bereits  beendet  war  ’). 

’)  Die  Verfügungen  waren  futgcnde : 7.  August:  Eine  Kompagnie 
-Mayer-Infanterie  wurde  aus  ßagusa  nach  Castclnuovo  beordert,  um  die 
dortige  Kompagnie  Friedricli  abzulösen.  Letztere  sollte  nach  Cattaro 
abgehen ; eine  halbe  Raketenbatterio  und  eine  eventuelle  Verstärkung 
aus  dem  nächsten  kroatischen  Gronzregiment  wurden  vom  Hofkriegs- 
rat erbeten.  — Unterdes.sen  hatte  der  G.VI.  Tursky  schon  vorher 
(4.'  die  Kompagnie  Mayer  aus  Ragusa  nach  Cattaro  instradiert,  die 
tiendung  von  .'lO.tKX)  Patronen  für  die  Truppe,  von  80.000  für  die  Terrieri 
angeordnet,  den  Nachschub  an  Lebensmitteln  eingeleitet.  9.  August: 
Auf  die  Meldung  ßodbachs  vom  4.  August,  daß  der  Kampf  größere 
Dimensionen  angenommen,  disponierte  das  Generalkommando  fünf 
Kompagnien  des  20.  Jägerbataillons  nach  Cattaro  und  ließ  die  von  diesem 


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186 


K e m o k. 


3.  August. 

Oberstleutnant  Roßbach  traf  am  Vormittag  des  3.  August 
bei  Gomila  ein  und  besichtigte  die  Stellung,  in  welche  indes, 
wie  aus  dem  weiteren  Verlauf  hervorgeht,  die  2.  Jägerkom- 
pagnie — nach  Übernahme  der  Posten  Spiridion,  Oradienizza 
und  Marovich  durch  die  4.  Kompagnie  — eingerückt  war.  Von 
der  Zweckmäßigkeit  der  Besetzung  überzeugt,  verstärkte  er 
dieselbe  durch  einen  Teil  der  4.  Kompagnie  und  stellte  die 
ganze  Linie  bis  S.  Stefano  unter  Kommando  des  Hauptmanns 
Spanner.  Die  5.  Kompagnie  führte  er,  für  seinen  rechten 
Flügel  besorgt,  persönlich  nach  den  Bergen  Spass  und  Kopacz, 
um  deren  Besitz  die  Abteilungen  der  1,  Jägerkompagnie  und 
der  dahin  gesendete  Zug  von  Erzherzog  Friedrich  in  ungleichem 
Kampfe  mit  den  Montenegrinern  rangen. 

Kaum  bemerkte  der  Gegner  den  Abmarsch  Roßbachs, 
als  er  sich  in  wütendem  Ansturm  gegen  Gomila  warf,  fest 
entschlossen,  um  jeden  Preis  die  Aufstellung  daselbst  an 
der  rechten  Flanke  zu  durchbrechen  und  der  abmarschierenden 
5,  Kompagnie  in  den  Rücken  zu  fallen.  Hauptmann  Spanner 
entsendete  rasch  alle  verfügbaren  Kräfte  an  den  bedrohten 
Punkt  und  wieder  scheiterte  an  dem  Mute  und  der  Kraft 
der  Verteidiger  die  tolle  Kühnheit,  an  deren  Kaltblütigkeit 
der  rasende  Angritf  der  wilden  Leidenschaft  des  Gegners. 

Unvermögend  hier  durchzudringen,  wandten  sich  die 
Montenegriner  nun  gegen  die  linke  Flanke  Spanners. 

Von  dem  Berge  Troica  herab  wälzten  sie  mächtige 
Steinmassen  und  überschütteten  die  .Jäger  mit  mörderischem 
Feuer.  Aber  weder  die  niederschmetteniden  Felsblöcke,  noch 
das  tödliche  Blei  vermochten  den  Mut  dieser  und  der  geringen 
Zahl  mitfeehtender  Pastrovicchianer  zu  erschüttern. 

an  der  türkischen  Grenze  innegehnbten  Posten  durch  zwei  Kompagnien 
Mayer  aus  Zara  besetzen.  11.  .August  betuhl  das  Generalkommando 
weitere  zwei  Kompagnien  Slayer  nach  dem  Kampfplatz  einzuschiffeu 
und  ließ  Cattaro  notdürftig  mit  Geschützen  armieren  (8  Dopi)el- 
haken,  2 zehnpfündige  Haubitzen).  12.  August:  Auf  die  Nachricht 

vom  Priodeusschluß  wurden  die  in  Marsch  gesetzten  Kompagnien 
des  10.  JägerbataiUons  zurückberufen  und  die  Einbarkierung  der 
Division  Mayer  eingestellt.  Die  Kompagnie  Mayer,  welche  General 
Tnrsky  aus  Ragusa  berufen,  hatte  er  bereits  am  8.  wieder  dahin  gesendet. 


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RepresiHÜengefuchte  die  Montenegriner. 


187 


Nochmals  machte  die  Naclit  dem  Kampfe  ein  Ende.  Die 
Montenegriner  zogen  sich  ins  Gebirge  zurück.  Gomila  blieb 
im  Besitz  der  Kaiserlichen. 

Aber  auch  Vidrak  blieb  es ! 

Dort  hatte  unterdessen  ünterjäger  .Töchlinger  mit  seiner 
kleinen  Schar  die  Wachhütte  und  den  Steinwall  auf  der  Höhe 
gegen  alle  Angriffe  gehalten.  Von  allen  Seiten  umschlossen, 
spornte  er  durch  Zuruf  seine  Leute  an.  Ruhig  und  besonnen 
erteilte  er  im  heftigsten  Feuer  seine  Befehle. 

Vierundzwanzig  Stunden  blieb  die  Mannschaft  ohne 
Nahrung,  ohne  Wasser,  bis  es  einer  Schleichpatrouille  gelang, 
sich  nach  S.  Stefano  durehzuschlagen  und  Lebensmittel  herbei- 
ziischaffen. 

Oberstleutnant  Roßbach  war  mit  der  5.  Kompagnie 
um  12  Uhr  mittags  in  der  Nähe  des  Berges  Spass  angelangt. 
Heftiges  Gewehrfeuer  zeigte  ihm  die  Abteilungen  der  1.  Kom- 
pagnie und  den  Infanteriezug  in  furchtlosem  Kampfe  mit 
dem  weit  überlegenen  Gegner,  der  bereits  die  Höhen  des 
Kopacz  besetzt  hielt  und  dem  Eingang  des  Ortes  Novoselo  sich 
näherte.  Kaum  200  Mann  kämpften  gegen  mehr  als  2000.  Rasch 
entschlossen  entwickelte  er  die  Kompagnie  zum  Gefecht  und 
griff,  gegen  den  gegnerischen  rechten  Flügel  vorgehend,  diesen  an. 

In  die  Kette  aufgelöst  eilten  die  .Jäger  vor,  bis  zur 
normalen  Distanz  für  den  Sturm.  In  diesem  Augenblick  ließ 
Roßbach  das  Signal  hiezu  geben.  Die  steile  Böschung 
hinderte  den  Anlauf.  Schritt  fiü'  Schritt,  unbeirrt  durch  das 
Feuer,  drang  Mann  neben  Mann  vor,  bis  in  die  Stellung  der 
Montenegriner.  Im  Nu  war  dieselbe  mit  dem  Bajonett  ge- 
säubert. Doch  nochmals  sammelte  sich  der  Gegner  auf  einer 
rückwärts  gelegenen  Kuppe.  Roßbach  ließ  eine  halbe  Kom- 
pagnie gegen  ihn  vorrücken,  ralliierte  die  andere  halbe  als 
Reserve  und  befahl  ihr,  der  ersten  zu  folgen.  Wieder  wurde 
die  Stellung  mit  dem  Bajonett  genommen. 

Die  Höhe  des  Kopacz  war  endgiltig  erstürmt.  Verwirrt 
flohen  die  Montenegriner  auch  hier  in  die  Berge.  An  allen 
Punkten  waren  sie  entscheidend  znrückgewiesen,  die  Ehre 
des  Tages  blieb  den  kai.serlichen  Truppen. 

Unterdessen  war  auch  die  8.  Kompagnie  von  Erzherzog 
Friedrich  aus  Budua  bei  Novoselo  eingetroffen. 


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188 


S e m e k. 


Den  Ereignissen  des  Tages  entsprechend,  sendete 
Roßbach  an  Major  (xuolfinger  den  Befehl,  mit  der  6.  Jäger- 
kompagnie gleichfalls  nach  Novoselo  zu  marschieren,  eine 
Infanteriekomijagnie  jedoch  als  Ersatz  der  5.  Jägerkompagnie 
nach  Gomila  zu  dirigieren. 

Major  Guolfinger  disponierte  die  10.  Infauteriekom- 
pagnie  nach  Gomila;  mit  der  7.  und  der  6.  Jägerkompagnie 
eilte  er  nach  Novoselo. 


4.  und  5.  August. 

Die  Kräfte,  welche  am  4.  für  die  Fortsetzung  des 
Kampfes  zur  Verfügung  standen,  waren  am  linken  Flügel 
unter  Hauptmann  Spanner  die  2.  und  4.  Jäger-,  dann  die 
10.  Infanteriekompagnie  (letztere  aber  nicht  komplett),  am 
rechten  Flügel  unter  Major  Guolfinger  die  1.,  5.,  6.  Jäger-, 
dann  die  7.  und  8.  Infanteriekompagnie.  Ferner  die  vom 
Kreisvorsteher  zu  Cattaro  zu  Hilfe  gesendeten  Terrieri  des 
Cattarenser,  Mokriner  und  Zuppaner  Kreises  (zirka  700). 
Auf  die  1.  Kompagnie  war  bei  einem  Vorgehen  gegen  die 
Montenegriner  nicht  zu  rechnen,  da  diese  größtenteils  in  den 
ihr  zugewiesenen  Posten  verteilt  war  und  bleiben  mußte. 
Der  4.  und  5.  August  verliefen  ohne  feindlichen  Angriff. 

Das  günstige  Ergebnis  der  Gefechte  am  3.  bestärkte 
Roßbach  in  dem  Entschluß,  mit  den  verfügbaren  Kräften 
eine  allgemeine  Repressalie  gegen  montenegrinischen  Besitz 
durchzuführen. 

Die  Nachricht,  daß  die  Spizzanotten  für  den  6.  August 
einen  Einfall  in  Montenegro  j)lanten,  bewog  ihn,  die  Unter- 
nehmung für  diesen  Tag  anzuordnen.  Der  Zweck  war,  in 
möglichster  Ausdehnung  Hab  und  Gut  des  Gegners  zu  ver- 
nichten und  hiebei  denselben  mit  Waffengewalt  zu  verhindern, 
sich  der  Durchführung  zu  widersetzen. 

Für  ersteres  standen  die  Terrieri,  für  letzteres  die  Truppen 
zur  Verfügung. 

Seiner  Absicht  zu  entsprechen,  mußte  Roßbach  einzelne 
Kolonnen  in  montenegrinisches  Gebiet  senden,  um  einen 
genügend  ausgiebigen  Raum  zu  okkupieren.  Gleichzeitig  war 
es  von  Vorteil,  eine  stärkere  Abteilung  gegen  Süden  zu 
dirigieren,  die  den  Einfall  der  Spizzanotten  unterstützen  konnte. 


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Reprossaliengefecbte  gegen  die  Montenegriner. 


189 


Eoßbach  erließ  schon  am  5.  folgende  Disposition,  deren 
Vollzug  mit  Anbruch  des  6.  auszufiihren  war: 

„Da  verschiedene  Terrieri  aus  der  2uppa,  Cattaro  und 
Mokrine  diese  Expedition  mitmachen  und  besonders  zur  Ver- 
heerung der  Felder  und  Häuser  verwendet  werden,  so  sind 
überall  unsere  Truppen  eingeteilt,  um  denselben  den  Weg  und 
die  Lokalitäten  zu  zeigen,  daher  selbe  beizeiten  von  den  Ab- 
teilungskommandanten an  sich  gezogen  und  belehrt  worden 
müssen”. 

„Überhaupt  muß  sich  alsogleich  jeder  Kommandant  einer 
gemischten  Augriffskolonne  seine  hier  ausgesprochene  Auf- 
gabe herausschreiben  und  sich  pünktlichst  darnach  benehmen, 
damit  womöglichst  der  ganze  Plan  in  Übereinstimmung  aus- 
geführt werde.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  beim  Ein- 
treten außerordentlicher  Ereignisse  ein  jeder  sich  nach  Um- 
ständen benehmen  wird,  ohne  jedoch  das  Ganze  aus  den 
Augen  zu  verlieren.” 

„1.  Eine  Jägerkompagnie  und  50  Pastrovicchianer  be- 
halten Gomila  besetzt  und  verteidigen  es  bis  auf  den  letzten 
Mann ; bedrohen  den  Weg  gegen  Östren  und  zerstören,  wenn 
es  leicht  sein  könnte,  die  vorliegenden  Besitzungen  der  Mon- 
tenegriner; patrouillieren  links  gegen  die  Einsattlung  von 
Dolovi  und  halten  rechts  das  Tal  gegen  Vidernak  im  Auge ; 
der  Herr  Flügelkommandant  darf  nur  im  höchsten  Notfall 
ein  Drittel  seiner  Reserve  vorziehen.” 

„2.  Oradienizza— Spiridion  bleibt  mit  einer  halben  Jäger- 
nnd  einer  halben  Infanteriekompagnie  und  dem  Reste  der 
Pastrovicchianer  samt  40  Cattaresem,  den  ältesten  Hauptmann 
zum  Kommandanten  habend,  besetzt,  beobachtet  und  pratrouil- 
liert  besonders  seine  Flanke  und  unterstützt  im  Notfall 
Gomila ; verteidigt  aber  seine  Position  (wozu  der  spitze  Berg 
rechts  vom  Wege  gehört)  auf  alle  Fälle  bis  auf  den  letzten 
Mann,  damit  ja  kein  Feind  gegen  Marovich  herabkomme.” 
„3.  Die  100  Cattareser  Terrieri  (Serdar  Nikolich),  1 Zug 
Jäger,  1 Zug  Infanterie  von  12  Pastrovicchianern  geführt, 
brechen  bei  Tagesanbruch  von  Oradienizza  auf  und  marschieren 
den  nächsten  Weg  auf  Vidernak — Pod  Übel  los.  Dort  ange- 
kommen verteilen  sich  die  Terrieri  nach  Angabe  der  Pastro- 
vicchianer in  die  Hütten  und  Felder  und  ruinieren  und  ziin- 


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190 


S 0 m c k. 


den  alles  an,  was  ihnen  unterkommt  i nur  nicht  Religious- 
gegenstünde,  unbewaffnete  Weiber  und  Kinder).  Die  Jäger 
lösen  sich  an  gut  gewählten  Orten  in  eine  schützende  Kette 
auf,  die  Infanterie  bildet  nah  ihre  Unterstützung.” 

,,4.  Die  Terrieri  von  Mokrine,  1 Zug  Jäger,  1 Zug  Infan- 
terie von  zwölf  Pastrovicchianem  geführt,  brechen  ebenfalls 
so  von  Oradienizza  auf  und  marschieren  den  nächsten  Weg 
von  rückwärts,  auf  die  rechte  Lehne  des  Berges  Yelja-Glava. 

gegenüber  dem  Posten  Yidrak.  Dort  angekommen 

(wie  sub  3).” 

„Es  wäre  zu  wünschen,  die  Montenegriner  von  dort  bis 
auf  ihre  höheren  Berge  zu  vertreiben,  um  die  nächsten  Höhen 
von  \’idrak  zu  reinigen.” 

„5.  Yon  dem  PaÜ  Kopacz — Spass  werden  ebenso  100  Zup- 
paner  mit  1 Zug  Jäger,  1 Zug  Infanterie,  12  Pastrovicchianer 
zur  Yerheerung  alles  Montenegriner  Gutes,  links  vorwärts 
zwischen  dem  Wege  von  Bercselli  und  dem  von  Yidrak,  ab- 
gesendet, benehmen  sich  so  wie  die  anderen  oben  beschrie- 
benen Kolonnen  und  bleiben  links  in  gleichsamer  Ver- 
bindung mit  Yidrak  und  rechts  mit  der  Expedition  gegen 
Bercselli.” 

„6.  Desgleichen  sendet  der  Herr  Flügelkommaudant, 
Major  von  Guolfinger,  100  Zuppaner  mit  einer  halben  Kom- 
pagnie Infanterie,  12  oder  mehr  Pastrovicchianem  gegen  den 
eigentlichen  Grenzpunkt  zwischen  den  Bergen  Stahl  und 
Krst,  von  einem  llauptmauu  geführt.” 

„7.  Der  liest  der  Zuppaner,  Mainotten  und  Pastrovic- 
chianer imelu'ere  hundert  an  der  Zahl),  machen,  unterstützt 
von  einer  halben  Kompagnie  Jäger,  einer  halben  Kompagnie 
Infanterie  (unter  Anführung  entweder  des  Herrn  Flügel- 
kommandanten oder  eines  Haupimanns)  rechts  hinüber  eine 
Diversion  gegen  Gluhido  zu  Gunsten  der  Spizzanotten,  die, 
wie  ich  zufällig  in  Erfahrmig  gebracht  habe,  ebenfalls  morgen 
früh  eine  Repressalie  auszuführen  gedenken.” 

„Dieser  Expedition  läßt  sieh  nichts  vorzeichnen,  sie  be- 
nimmt sich  ganz  nach  Umständen,  läßt  die  Felder  von  den 
Terrieri  verheeren  und  zieht  sich  wieder  gegen  Kopacz  zurück, 
wenn  die  Sjjizzanotten  und  die  Uusrigen  Rache  genommen 
haben.” 


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Reprcssaliengefeclite  gegen  die  Montenegriner. 


191 


„8.  Dreiviertel  Kompagnien  Jäger  und  dreiviertel  Kom- 
pagnien Infanterie  behalten  den  Paß  von  Kopacz — Spass  unter 
einem  Hauptmaun  besetzt  und  verteidigen  ihn,  was  immer 
geschehen  könnte,  gegen  jeden  Feind  bis  aufs  äußerste,  ent- 
senden eine  halbe  Zugspatrouille  rechts  gegen  Gliihido  i Gluida  i 
und  links  gegen  Vidrak-Dobrun,  um  auf  diese  Art  in  mög- 
lichst permanenter  Verbindung  mit  der  ganzen  Expedition 
zu  verbleiben.” 

„Sobald  die  Repressalie  bei  jeder  Kolonne  vollbracht  ist, 
wird  mit  Erhaltung  der  Verbindung  auf  den  Höhen  in  oder 
vor  unsere  jetzt  besetzte  Grenzlinie  zurückgegangen  und 
alldort  eine  gedrängte  provisorische  Position  genommen,  bis 
etwas  anderes  befohlen  würde.” 

„Was  immer  sich  inzwischen  ereignen  könnte,  der  end- 
liche Rückzug  bleibt  immer  der,  woher  man  gekommen  ist, 
um  die  Schlüssel  der  gesamten  Position  aufrecht  zu  erhalten, 
von  denen  alle  folgenden  anderweitigen  Operationen  ausgehen 
müssen.” 

„Die  Losung  ist  Vienna — Parole  Valentine,  ich  werde  bis 
morgen  abends  wenigstens,  vor  und  am  Paß  Kopacz  zu 
finden  sein.” 

Gastellastua,  am  5.  August  1838,  10  Uhr  früh. 

Roßbach,  Oberstleutnant. 

Diese  Disposition  gliederte  den  Angriff  in  zwei 
Hauptgruppen,  deren  eine  von  Gomila,  die  andere  von 
Kopacz  dependierte.  Als  Kommandant  der  ersteren  — des 
linken  Flügels  — fungierte  Hauptmann  Spanner.  Bestimmt 
wurden  von  dieser:  zur  Besetzung  Gomilas  die  2.  Jäger- 
kompagnie  ( Oberleutnant  S c h o e b 1 wegen  Erkrankung  des  Haupt- 
maniis  Karl  von  Delmotte);  zur  Besetzung  von  Oradienizza 
und  Spiridione  die  halbe  4.  Jäger-  und  die  halbe  10.  Infanterie- 
kompagnie (Hauptleute  Langenau  und  Pindtner).  Je  ein 
Zug  dieser  beiden  Kompagnien  rückte  unter  Oberleutnant 
Sanner  gegen  Pod-Ubel,  jo  ein  anderer  unter  Leutnant 
Dietrich  gegen  Velja-glava. 

Kommandant  des  rechten  Flügels  blieb  eigentlich  Roß- 
bach selbst.  Von  diesem  wurde  ein  Zug  der  6.  Jäger-  und 
ein  Zug  der  7.  Infanteriekompagnie  in  den  Raum  zwischen 


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192 


S e in  e k. 


den  Wegen  nacli  Vidrak  und  Bercselli,  die  halbe  5.  Jäger- 
und  die  halbe  8.  Infanteriekompagnie  unter  Oberleutnant  Baron 
Reichlin  (der  Hauptmann  war  erkrankt)  gegen  die  Berge 
Stahl  und  Krst,  die  zweite  Hälfte  beider  Kompagnien  unter 
Major  Guolfinger  gegen  den  Berg  Kappa  entsendet. 

Die  Testierenden  drei  Züge  der  6.  Jäger-  und  der  7.  In- 
fanteriekompagnie besetzten  den  Kopacz. 

Dem  Zwecke  und  der  Disposition  entsprechend,  waren 
die  bei  einem  Vordringen  unvermeidlichen  Zusammenstöße 
mit  dem  Gegner  nicht  als  einheitliches  Gefecht  gedacht  und 
können  auch  nicht  zu  einem  solchen  zusammengefaßt  werden, 
müssen  daher  als  völlig  voneinander  isolierte  Einzelgefechte 
geschildert  werden. 

Dem  erteilten  Befehle  gemäß,  rückten  alle  Kolonnen 
mit  Tagesanbruch  nach  den  ihnen  bestimmten  Punkten  ab. 

Die  Montenegriner  waren,  von  der  numerischen  Schwäche 
der  kaiserlichen  Truppen  unterrichtet,  auf  eine  so  kühne 
Offensive  nicht  gefaßt.  Sie  hatten  sich,  da  sie  ihren  Zweck, 
im  raschen  Ansturm  die  Besatzungen  der  Casetten  nieder- 
zuringen, durch  das  rechtzeitige  Eintreffen  der  Verstärkungen 
vereitelt  sahen,  größtenteils  in  den  Bergen  verborgen,  um 
einen  weiteren  Sukkurs  ihrer  Brüder  aus  den  benachbarten 
Nahien  abzuwarten. 

Nur  wenige  vorgeschobene  Posten  hielten  das  Feld. 

Die  Kolonne  des  Oberleutnants  Sanner  drang  fast  un- 
behindert bis  zu  den  Höhen  südlich  Gomilas  vor. 

In  aufgelöster  Kette  warfen  die  Jäger  den  Feind  gegen 
die.se  zurück.  Doch  auf  der  Höhe  angelangt,  machte  derselbe 
plötzlich  halt  und  von  allen  Seiten  stürmten  mit  wildem 
Geschrei  Hunderte  von  Montenegrinern  auf  die  Kolonne  ein, 
um  sie  in  die  Ebene  hinabzuwerfen  '). 

Kasch  ließ  Oberleutnant  Sanner  die  Kette  durch  einen 
Teil  des  von  Unterleutnant  Ghetto  geführten  Unterstützungs- 
zuges der  Infanterie  verstärken  und  hielt  so,  wenn  auch 
mühsam,  stand.  Alle  weiteren  Anstrengungen  des  Gegners 
scheiterten  an  dem  kühnen  Jlute  der  Truppen.  Unter- 
dessen stürzten  sich  die  Terrieri  über  alles  raonte- 

')  K.  A.,  F.  A.  Repressaliengefechte  IHijS,  VIII,  ad  12b/f  und  a/2. 


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Bi^pressaliengefecbte  gegen  die  ^iontenogriner. 


193 


negrinische  Eigentum.  In  kurzer  Zeit  loderten  die  Flammen 
auf,  das  Zerstörungswerk  war  vollbracht,  der  Gefechtszweck 
erreicht 

Oberleutnant  Sanner  befahl  den  Rückzug. 

In  diesem  Augenblick  riß  eine  Kugel  dem  Trom- 
peter das  Mundstück  von  der  Trompete.  Im  allgemeinen 
Lärm  verhallte  die  Stimme  der  Of&ziere.  Nur  die 
nächsten  Leute  verstanden  den  Befehl  und  folgten 
seinem  Rufe.  Dadurch  wurde  die  Kette  gerissen,  die 
.Abteilung  stand  in  höchster  Gefahr,  von  den  Monte- 
negrinern, welche  die  Verwirrung  bemerkten,  durchbrochen 
zu  werden.  Sofort  rief  Oberleutnant  Sanner  die  Terrieri 
herbei  und  eilte  selbst  an  die  bedrohte  Stelle.  Aber  ihn  warf 
eine  Kugel  verwundet  zu  Boden,  die  Teirieri  flohen,  ohne 
einen  Schuß  zu  tun,  bereits  in  hellen  Scharen  gegen  Gomila. 
In  diesem  kritischen  Augenblick  bewährte  sich  glänzend  die 
Disziplin  und  Kraft  einer  geschulten  Truppe.  Die  Gefahr 
drehender  Vernichtung  machte  sie  nicht  wanken,  sondern 
entflammte  sie  zu  neuem  Mute,  erweckte  doppelt  ihre 
Tatkraft. 

Allen  voran  stürzten  sich  Korporal  Poli  und  der 
Gemeine  Porzoni  an  die  bedrohte  Stelle,  rasch  schloß  sich 
die  Kette  und  warf  den  Gegner  zurück.  Dann  erst  führte 
Leutnant  Ghetto  die  Abteilung  in  voller  Ordnung  und  Ruhe 
in  die  Ebene  hinab.  Die  Montenegriner  verfolgten  sie  trotz 
ihrer  bedeutenden  Überzahl  nicht.  Voll  glühender  Rachsucht 
stürmten  sie  vielmehr  den  fliehenden  Terrieri  nach. 

Hauptmann  Spanner,  der  von  Gomila  aus  Augenzeuge 
dieser  Vorgänge  war,  entsendete  unter  dem  Oberjäger 
Schmadlak  eine  Patrouille,  bestehend  aus  diesem, 
2 Patrouilleführern  und  12  Gemeinen  der  bereits  teilweise 
herangezogenen  4.  Kompagnie  mit  dem  Auftrag,  die  Flüch- 
tigen aufzunehmen  und  sie  zum  Widerstand  zu  ermutigen. 
Vergebens  — in  sinnloser  Verwirrung  eilten  diese  weiter  an 
der  zur  Kette  aufgelösten  Patrouille  vorbei.  Schmadlak  ließ 
nun  in  wirksamer  Weise  das  Feuer  gegen  den  Gegner  eröffnen, 
er  selbst  aber  suchte,  gefolgt  vom  Patrouilleführer  Schmid- 
bauer, eine  vorliegende  Höhe  zu  erreichen,  um  die  Verhältnisse 
zu  überblicken. 

Hitteiiungon  des  k.  und  k.  Kriegsarohivs.  Dritte  Folgo.  IV.  Dd.  13 


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194 


S e m *)  k. 


In  diesem  Augenblick  sahen  sich  beide  von  mehr  als 
40  Montenegrinern  umringt.  Schnell  entschlossen  stellten  sie 
sich  hinter  eine  Steinwand  und  hielten  die  Anstürmenden, 
welche  des  lebhaften  Feuers  wegen  die  Höhe  von  einer 
größeren  Abteilung  besetzt  glaubten,  länger  als  eine  halbe 
Stunde  zurück.  Dann  erst  gelang  es  zwei  von  Gomila 
abgesendeten  Patrouillen  der  4.  und  der  2.  Kompagnie,  welchen 
sich  einige  Pastrovicchianer  Panduren  angeschlossen  hatten, 
sie  zu  befreien. 

Bei  diesen  Gefechten  fielen  der  Kadett  Conte  Caprioli*), 
1 Jäger  und  2 Infanteristen. 

Auch  die  Kolonne  des  Leutnants  Dietrich  vollzog  ihre 
Aufgabe  die  Repressalien  durchzufuhren,  aber  auch  sie  mußte 
sich  dann,  von  überlegenen  Kräften  hart  bedrängt  und  im 
entscheidenden  Augenblick  von  den  Terrieri  verlassen,  nach 
der  Ebene  zurückziehen. 

Vidrak  blieb  wieder  sieh  selbst  und  der  mutigen  Ent- 
schlossenheit des  Oberjägers  Jöchlinger  überlassen*). 

War  die  Lage  der  obigen  Kolonnen,  als  der  rechten 
Flanke  des  linken  Flügels  der  .Aufstellung,  eine  bedrohte,  so 
wurde  jene  der  Besatzung  von  Gomila  bald  eine  äußerst 
gefährdete. 

Wohl  gelang  es  anfangs  auch  dieser,  bis  auf  die  Höhe 
vorzudringen  und  das  montenegrinische  Eigentum  zu  zerstören, 
doch  jede  Stunde  brachte  neue  Scharen  in  die  Reihen  der 
Gegner. 

Schon  setzten  sich  diese  zu  beiden  Seiten  und  sogar  im 
Rücken  des  Blockhauses  fest. 

Ilauptmann  Spanner  mußte  daher  die  halbe  4.  Kom- 
pagnie unter  Hauptmanu  Langenau  vorziehen.  Diese 
bahnte  sich  durch  entschiedene  Angriffe  den  Weg  und 
machte  so  den  Rücken  der  Stellung  wieder  frei.  — Doch 
nur  für  kurze  Zeit.  — Der  feindliche  Ansturm  wiederholte 
sich  in  rascher  Folge  und  wenn  er  auch  immer  wieder 
an  der  .Ausdauer  der  kaiserlichen  Truppen  scheiterte,  so 

')  Die  .Montenegriner  stachen  ihm  beide  Augen  aus  und  tuUteu 
Kommißbrot  in  die  leeren  Höhlen.  (H.  H.  u.  St.  A.,  Faszikel  9,  Türkei- 
Grenzakten,  Bericht  Lilienbergs.) 

K.  .A.,  i’.  A.,  Kepressaliengofochte  1S38,  VIII,  ad  11  b/2. 


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Kepre88AUengt»fechte  gegen  die  Montenegriner. 


195 


stand  doch  um  6 Uhr  abends  die  eiugeschlossene  Besatzung 
in  höchster  Gefahr.  Die  schwache  halbe  Infanteriekompagnie 
unter  Hauptmann  Pindtner,  welche  mit  nur  18  Hotten 
und  20  Cattarensem  in  Oradienizza  stand,  konnte  ihrer 
Aufgabe,  dieses  und  damit  Spiridione  und  Marovich  im  Falle 
eines  Angriffes  zu  schützen,  selbst  kaum  genügen  und  hatte 
alle  Verbindung  mit  Goinila  verloren.  Der  dringenden  Bitte 
des  Hauptmanns  Spanner  um  Unterstützung  vermochte 
Oberstleutnant  Roßbach,  selbst  in  schwere  Kämpfe  ver- 
wackelt, nicht  zu  willfahren.  Die  Abteilung  blieb  der  eigenen 
Kraft,  dem  eigenen  Mute  überlassen  — und  sie  verlor  beides  nicht. 

Oberstleutnant  Roßbach  erhielt  die  Meldung  Spanners 
erst  um  12  Uhr  nachts  — sie  war  ausschlaggebend  für  sein 
ferneres  Verhalten  *). 

Vorteilhafter  als  am  linken  gestaltete  sich  der  Verlauf 
der  Gefechte  am  rechten  Flügel. 

Die  Kolonne  Guolfinger  rückte  in  stetem  Kampfe  bis 
zum  Berge  Kappa  vor  und  drängte  den  Gegner  bis  zur 
Höhe  desselben  zurück  *).  Hier  empfing  sie  eine  starke 
Abteilung  Montenegriner,  die  aus  Gluhido  (Gluidai  zur  Hilfe 
herbeigeeilt  war.  Von  drei  Seiten  durch  Steinwälle  geschützt, 
schien  diese  unangreifbar  — den  Kaiserlichen  war  sie  es  nicht. 
Rasch  sammelte  Major  Guolfinger  die  in  der  Verfolgung 
etwas  auseinandergekommene  Kom[)agnie  und  schmetternd 
blies  das  Hom  zum  Sturme.  Todesmutig  gingen  die  Jäger, 
ging  die  Infanterie  vor,  von  Stein  zu  Stein  in  hart  errungenen 
Schritten,  trotz  des  lebhaften  Feuers  und  der  stürzenden  Fels- 
blöcke. Endlich  war  der  Wall  erreicht  und  mit  lautem  Hurra 
warfen  sie  sich  auf  den  Feind.  Jeder  einzelne  wurde  zum  Helden, 
allen  voran  der  Korporal  Munari,  dessen  Kühnheit  und  Tapfer- 
keit der  Kommandant  besonders  hervorhebt.  Ihm  zur  Seite 
zeichneten  sich  Feldwebel  Fernier,  die  Gemeinen  Andre- 
ghetti,  Motta  und  die  beiden  Moino  besonders  aus.  Im  Nu 
hatten  die  kaiserlichen  Bajonette  die  Höhe  vom  Gegner 
gesäubert.  Unter  dem  Schutze  derselben  konnten  nun  die 
Terrieri  ungehindert  ihr  Zerstörungswerk  durchführen. 

■)  K.  K.  M.,  Eegistr.  IH.'tS,  Pracs.  Nr.  1400,  1401,  1402  (1320  C), 
Bericht  Roßbachs  und  Spanners. 

*)  K.  A.,  F.  A.,  Eepressaliengefeohte  1838,  VIII,  12  a.1. 

13* 


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8 e m « k. 


Bis  12  Uhr  nachts,  wo  sie  zurückberufen  wurde, 
hielt  die  Abteilung  den  Kappa  besetzt ; doch  vergeblich 
erwartete  sie  das  Eintreffen  der  Spizzanotten.  Diese,  von  den 
Montenegrinern  bestochen,  hatten  den  Einfall  aufgegeben. 

Schon  während  des  Vordringens  dieser  Kolonne  hatten 
die  Montenegriner  versucht,  im  Rücken  derselben,  zwischen 
ihr  und  dem  Berge  Kopacz,  festen  Full  zu  fassen  und  hiezu 
den  Monte  Scala  besetzt.  Damit  war  die  Kolonne  abgeschnitten 
und  mußte  im  Falle  eines  erzwungenen  Rückzuges  zwischen 
zwei  Feuer  kommen. 

Oberstleutnant  Roßbach,  welcher  sich  am  Paß  Kopacz 
befand,  entsendete  den  Unterleutnant  vonFellinger  mit  der 
halben  (!.  Jägerkompagnie,  um  den  Gegner  zu  vertreiben  und 
die  Kuppe  zu  halten  ').  Von  Stellung  zu  Stellung  in  drei 
Stürmen  warf  die  llalbkoinpagnie  den  Feind  zurück  und 
sicherte  den  Besitz  der  Höhe.  Umsonst  waren  auch  hier  alle 
Versuche  der  Montenegriner,  dieselbe  wieder  zu  gewinnen. 

Gleich  der  Kolonne  Guolfinger  drang  auch  die  Kolonne 
Reichlin  erfolgreich  vor  *).  Nachdem  die  Zuppaner  die  Repres- 
salien durchgefülirt,  bemächtigte  sie  sich  der  Einsattlung 
zw'ischen  den  Bergen  Stahl  und  Kr.st  und  hielt  hier  allen 
Vorstößen  stand. 

Aber  auch  ihre  Lage  wurde  von  Stunde  zu  Stunde  eine 
gefährdetere,  denn  von  allen  Seiten  strömten  neue  Scharen 
der  wilden  Bergsöhne  hei  bei.  Bald  konnte  sie  sich  nur 
mehr  mit  äußerster  Anstrengung  behaupten.  Oberleutnant 
Baron  Reichlin  wurde  verwundet,  Leutnant  Frosconi  über- 
nahm das  Kommando.  Bis  gegen  Abend  währte  das  Gefecht, 
da  erklärten  die  zur  Verstärkung  herangezogenen  Zuppaner. 
nicht  weiter  kämpfen  zu  wollen  und  die  Truppe  zu  ver- 
lassen. 

Nur  mit  Mühe  wurden  sie  endlich  vermocht,  bis  zum  Ein- 
treffen jener  Verstärkungen  auszuharren,  um  welche  Frosconi 
den  Oberstleutnant  Roßbach  nun  dringend  bat.  Dieselben 
konnten  ihm  allerdings  nicht  gesendet  werden,  doch  schützte 
ihn  das  Hereinbrechen  der  Nacht  und  das  damit  verbundene 

')  K.  A.,  F.  A.,  Repressalien^elechto  1888,  VIII,  ad  12  b/3. 

’)  Kljenda.  ad  12  b/1  und  Meldung  Robb  achs  vom  6.  August,  8 Uhr 
abends,  beim  Cteneralkomniaudo  Zara,  Praes.  Nr.  288. 


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Kepresgaliengefechte  gegen  die  Uontonegriner. 


197 


allmähliche  Erlahmen  des  gegnerischen  Feuers  vor  der 
Fahnenflucht  der  Terrieri. 

Die  Abteilung  unter  Leutnant  Kier,  welche  die  Ver- 
bindung mit  Vidrak  herzustellen  und  den  Raum  zwischen 
diesem  und  dem  Wege  nach  Bercselli  zu  durchstreifen  und 
zu  sichern  hatte,  wurde  vom  Feinde  weniger  bedroht. 

Sie  führte  die  ihr  befohlenen  Repressalien  durch,  doch 
gelang  es  ihr  ebenfalls  nicht,  Vidrak  vom  Ansturm  des  Gegners 
zu  befreien. 

Immerhin  behauptete  sie  die  Stellung  auf  den  Höhen 
und  schützte  so  die  linke  Flanke  der  Kolonne  Reichlin  von 
Vidrak  her. 

Die  Reserve  unter  Roflbach  blieb  am  Berge  Kopacz, 
dessen  Besitz  sie  festhielt,  stehen  und  entsendete  nur  die 
bereits  erwähnte  Halbkompagnie  gegen  den  Monte  Scala, 

Bis  gegen  Abend  währte,  wenn  auch  zeitweise  unter- 
brochen, das  Feuer  von  beiden  Seiten. 

Für  die  kaiserlichen  Trupj)en  machte  sich  schon  am 
Nachmittag  der  Mangel  an  Wasser  und  Munition  hart  fühl- 
bar. Ihn  zu  beheben,  fehlten  die  nötigen  Transportmittel. 

Endlich,  es  war  gegen  Vid  Uhr,  begann  der  Kaihpf  all- 
mählich nachzulassen,  um  bald  darauf  ganz  zu  verstummen. 

Der  Zw'eck,  die  Durchführung  der  Repressalien,  war 
allseits  erreicht  — die  Montenegriner  hatten  die  unwidersteh- 
liche Gewalt  altösterreichischen  Mutes,  altösterreichischer 
Tapferkeit  kennen  gelernt,  ihre  Verwegenheit  und  Raubgier 
war  gezüchtigt,  der  Glanz  des  Erfolges  umwob  die  kaiser- 
lichen Waffen.  — Helleuchtend  erschien  in  der  Siegesfreude 
das  Heute,  — aber  bange  und  düster  war  der  Blick  nach 
dem  Jlorgen. 

Die  Meldungen  vom  linken  Flügel  bei  Gomila  klangen 
ernst,  die  Kolonne  Reichlin  war  durch  den  Wankelmut  der 
Zuppaner  in  höchster  Gefahr,  Vidrak  hielt  der  mutige  Ober- 
jäger Jöchlinger  mit  letzter  Kraft. 

Auf  zeitgerechte  Unterstützung  war  von  keiner  Seite 
zu  hoflfen.  Erst  am  4.  hatte  der  Brigadier  General  Tursky 
eine  Kompagnie  Mayer-Infanterie  von  Ragusa  nach  dem 
Pastrovicchio  in  Marsch  gesetzt,  der  Abmarsch  von  weiteren 
fünf  Kompagnien  des  10.  Jägerbataillons  w’urde  infolge  der 


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S 0 m e k. 


Entfernung  überhaupt  erst  am  9.  anbefohlen.  Die  Terrieri 
konnten  nicht  mehr  zählen.  Ans  Montenegro  kamen  düstere 
Nachrichten.  Von  allen  Seiten  eilten  neue  Kämpfer  den 
Brüdern  der  Czerniczka  Nahia  zu  Hilfe  und  in  Cettiuje  harrten 
über  3000  Mann,  um  am  7.  unterstützend  einzugreifen.  Kaum 
900  Mann  standen  gegen  ebenso  viele  tausend. 

Diese  Lage  forderte  neue  Entschlüsse. 

Ein  weiteres  Festhalten  der  gewonnenen  Höhen  war 
undenkbar  und  unnötig. 

Vor  allem  galt  es  einem  Einbruch  der  Montenegriner 
über  den  Kopacz  zu  begegnen  — dem  Sclilüsselpunkt  zum 
südlichen  Pastrovicchio.  Die  ursprüngliche  Linie  mußte  ge- 
halten werden,  gehalten  um  jeden  Preis.  Und  hiezu  ent- 
schloß sich  Roßbach,  das  wollte  er  bis  zum  letzten  Mann. 

In  lautloser  Stille  ließ  er  um  Mitternacht  die  vorge- 
schobenen Abteilungen  am  Kopacz  sammeln  und  in  kurzer 
Zeit  tvaren  die  5.  und  6.  Jägerkompagnie,  die  7.  und  8.  In- 
fanteriekompagnie zu  seiner  Disposition  vereint. 

Ungebrochen  an  moralischer  Kraft  und  kühnen  Mutes, 
aber  physisch  von  dem  fünftägigen  Kampfe  erschöpft,  erwar- 
teten die  kaiserlichen  Tru])pen  den  dämmernden  Morgen,  den 
übermächtigen  Feind  ’). 

Jeder  einzelne  war  sich  der  Verhältnisse  bewußt.  Hier 
galt  es  nicht  mehr  zu  siegen  oder  zu  sterben,  es  galt  nur  zu 
sterben  — und  im  Tode  das  Ehrenschild  der  kaiserlichen 
Waffen  unbefleckt  zu  wahren  : Ave  Caesar  morituri  te  salutant  1 

Kein  Laut  unterbrach  die  tiefe  Ruhe  des  dämmernden 
Tages.  Still  lagen  die  wilden  Schluchten  uud  Felsen,  kein 
rollender  Stein  kündete  die  Feindesnähe. 

Schweigend  standen  die  Truppen  zum  Letzten  bereit, 
— doch  vergeblich  sahen  die  Späher  nach  einem  anschlei- 
chenden Gegner. 

Was  war  geschehen?  — 

Der  Mittag  brachte  endlich  Klärung.  Von  den  Bergen 
stiegen  Abgesandte  des  Vladika  herab.  Sie  brachte  den  Frieden 
und  baten  um  Waffenstillstand.  Das  Unglaublichste  wurde 
zur  Tat. 

*)  K.  K.  M.,  Registr.  1838,  Praes.  Nr.  14(K),  1401,  1408. 


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Bepressaliongefoohte  gegen  die  Uontenegriner. 


199 


Wohl  war  die  Lehre,  welche  das  wilde  Bergvolk  er- 
halten. eine  harte  und  in  der  ihm  allein  verständlichen  Sprache 
erteilt.  Umsonst  hatte  es  sich  den  Österreichern  widersetzt, 
umsonst  versucht,  deren  mutigen  Widerstand  zu  brechen ; 
aus  mancher  Hütte  scholl  die  Totenklage  und  manchen  der 
Brüder  fesselte  die  Wunde  an  das  Lager.  Aber  dennoch  war 
es  sich  seiner  Übermacht  bewußt  — die  Spuren  des  Kampfes 
machten  den  einzelnen  zum  Helden,  im  Kampfe  zu  fallen, 
gab  dem  Leben  die  Krone.  Über  8000  Mann  standen  bereit, 
die  Niederlage  von  gestern  heute  mit  der  Vernichtung  des 
Gegners  zu  rächen.  Gewiß  hatte  wieder  andererseits  die 
beispiellose  Kühnheit,  die  nie  versagende  Kraft  des  Vorgehens 
der  Truppe  einem  Volke  imponiert,  das  sich  nur  der  Tapferkeit 
und  der  Gewalt  beugt.  Noch  lange  klang  ja  unter  den  Liedern 
Montenegros  der  Sang  von  diesem  Kampfe*),  von  dem  großen 
einäugigen  Wojwoden*)  und  seinen  unerschrockenen  Wölfen, 
die  würdig  seien  mit  den  tapferen  Czemagoren  zu  kämpfen 
— aber  gerade  diese  Lieder  tönten  in  den  Worten  aus: 
„Dennoch  Tod  ihren  Häuptlingen,  Tod  jenen  Gottlosen,  die 
gegen  alles  menschliche  Recht  den  Nachbarn  seines  Erbes 
berauben  wollen,  des  Hauses  worin  seine  Kinder  geboren,  und 
welches  Gott  ihm  gegeben  zu  verteidigen,  als  die  künftige 
Wiege  seiner  Kindeskinder.” 

Das  Volk  fühlte  sich  nicht  besiegt ; denn : ,, Glücklich 
hat  das  Gewehrfeuer,  welches  nachts  gleich  Schwärmen  von 
Sternschnuppen  von  unserem  Lager  sprühte,  hat  der  rasche 
Schwung  unserer  Säbel  diese  Weiberschändor  zurückgetrieben, 
diese  Herren  der  Schlösser  an  der  grünen  Küste,  die  Herren 
des  Meeres,  welches  sie  den  Söhnen  des  Czernojevic  Ivo 
entrissen.” 

Nein ! Es  war  nicht  die  Tapferkeit  der  Truppen,  nicht 
die  Furcht  vor  diesen,  welche  im  entscheidenden  Augenblick 
den  Stillstand  erzwang,  — diese  Tapferkeit  war  auch  zu  hell 
leuchtend,  um  eines  solchen  Reliefs  zu  bedürfen  — es  war 
allein  das  mächtige  Wort  des  Vladika. 


')  Paid  und  Scherb  und  Marko  Fedoro witsch.  Die  Slaven  der 
Türkei. 


’)  Koßbach  hatte  bei  Aspeni  ein  Auge  verloren. 


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8 A m « k. 


Im  Besitz  aller  Herrscher-  und  mehr  noch  aller  priester- 
lichen  Gewalt  schleuderte  er  den  Bannfluch  gegen  jeden,  der 
es  wagen  würde  den  Kampf  fortzusetzen.  Da  beugten  sich 
die  gläubigen  Hochländer  vor  dem  Machtspmch  ihres  obersten 
Priesters,  da  verstummte  ihr  Kampfgeschrei,  ihre  Rachsucht 
knirschte  in  übersinnlichen  Fesseln.  Und  der  Vladika?  \Va.s 
hatte  ihn  bewogen,  den  sicheren  Sieg  aufzugeben,  dem  un- 
gestümen Drängen  des  ganzen  Volkes  halt  zu  gebieten  — 
er,  der  früher  nicht  im  stände  sein  wollte,  die  Regelung  der 
Grenze  zu  ermöglichen  ? — Die  Furcht  vor  den  Folgen ! — 
Der  Vladika  war  gewiß  sonst  ein  ganzer  Mann,  mutig  und 
kühn  im  Kampfe,  energisch  und  entschlossen  in  der  Aus- 
führung seiner  Pläne  — sein  Haß  gegen  Österreich  blieb  ein 
steter  Stachel.  Aber  er  war  auch  Diplomat.  Ein  Geschöpf 
jener  Sorte,  deren  Tatkraft  durch  Erwägungen  erlahmt,  die 
überklug,  so  oft  von  den  Ereignissen  überrascht  werden. 

Durch  den  russischen  Hauptniann  Kowalewsky  aufge- 
stachelt, hatte  er  den  Kampf  erregt  — nun  bei  der  Ent- 
scheidung bangte  ihm,  zumal  auch  er.sterer  ihn  im  Stiche 
ließ,  vor  der  Zukunft. 

Hauptmann  Oreskovich  sagt  darüber  in  seinem  Me- 
moire an  die  Staatskanzlei*): 

Schon  bei  Beginn  des  Kampfes  überzeugt,  daß  die  nu- 
merische Schwäche  der  kaiserlichen  Truppen,  der  Überzahl 
erliegen  müsse,  habe  er  sich  nach  Cattaro  zu  dem  eben  dort 
weilenden  russischen  Hauptmann  Kowalewsky  verfügt. 
Diesem,  der  ihn  nun.  etwas  heuchlerisch  um  Rat  fragte,  was 
er  bei  dieser  Situation  tun  .solle,  warf  er  in  energischen 
Worten  vor,  daß  er  alle  Schuld  an  den  Ereignissen  trage. 
Er  habe  es  selbst  gehört,  wie  er  bei  der  Grenzregulierung 
im  Pastrovicchio  die  Montenegriner  aufgereizt.  Nun  sei  es 
seine  Sache,  den  Vladika  zur  Einstellung  der  Feindseligkeiten 
zu  betvegen.  Kowalewsky  war  bestürzt,  sein  Spiel  entlarvt 
zu  sehen,  ,,Ich  verspreche  Ihnen,  daß  der  mir  gegebene  Rat 
unfehlbar  und  augenblicklich  realisiert  werden  wird.  Der 
Vladika  muß  es  tun,  wenn  ich  es  ihm  sage,  denn  ich  besitze 

')  H.  H.  u.  St.  A.,  Faszikel  9,  TUrkei-Orenzakten,  Memoire  des 
Hauptmanns  Oreskovich. 


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R^preasalieoKefechte  gegen  die  Montenegriner. 


201 


hinlänglich  Einfluß  auf  ihn,  um  Ihnen  dies  mit  Gewißheit  ver- 
bürgen zu  können”  — erwiderte  er  wörtlich.  Das  gleiche 
Versprechen  gab  Kowalewsky  auch  dem  als  Zeugen  herbei- 
gerufenen Kreisvorsteher  von  Cattaro,  Ivacich,  dann  eilte 
er  nach  Cettinje  und  24  Stunden  später  baten  die  Abge- 
sandten des  V^ladika  um  Frieden. 

Friedensschluß.  — Regulierung  der  Grenze. 

Am  8.  erschienen  von  montenegrinischer  Seite  der  Bruder 
des  Vladika  Giorgio  Petrovich  und  Hauptmann  Kowa- 
lewsky, von  österreichischer,  der  Kreisvorsteher  Ivacich  zur 
Unterhandlung.  Oberstleutnant  Roßbach  erhielt  den  Befehl 
die  Truppen  in  die  Stellungen  vor  dem  2.  zu  etablieren,  die 
Terrieri  zu  entlassen  *). 

Der  Waffenstillstand  wurde  mit  dreitägiger  Kündigung  auf 
einen  Monat  geschlossen,  doch  kam  es  nicht  mehr  zum  Kampfe*). 

Unglaublich  klingt  es,  daß  die  Verluste  auf  österreichischer 
Seite  nur  15  Tote,  an  Verwundeten  neben  3 Offizieren,  den 
Oberleutnants  Sanner,  Baron  Reichlin  und  Unterleutnant 
Stravolino  des  8.  Jägerbataillons,  nur  11  Mann  betrugen’). 
Die  Zahl  der  gefallenen  Montenegriner  wurde  mit  21  Mann 
angegeben,  die  ihrer  Verwundeten  entzog  sich  jeder  Schätzung. 

Den  Versicherungen  des  Vladika,  daß  die  geschilderten 
Vorgänge  durchaus  nicht  geplant  gewesen,  sondern  nur  als 
Gewaltakt  einzelner  aufzufassen  seien,  schenkte  die  österrei- 
chische Regierung  und  leider  auch  der  Hofkriegsratspräsident 
Graf  Hardegg  trotz  aller  Gegenbeweise  willig  Gehör.  Man 
beruhigte  sich  mit  der  erkünstelten  Überzeugung,  „daß  man 
es  keineswegs  mit  dem  kombinierten  Angriff  des  ganzen 
Volkes,  dem  irgendwelche  Vergrößerungsz wecke  zu  Grunde 
lägen,  zu  tun  hatte  und  hielt  dafür,  daß  ein  Großstaat  aus  den 
Exzessen  wilder  Nachbarn  keinen  Ehrenpunkt  machen  könnet”- 

')  li.  K.  M.,  Registr.  1838,  Praes.  Nr.  1320,  Moldving  des  FML. 
Lilienberg. 

*)  R.  K.  M.,  Registr.  1838,  Praos.  Nr.  1518  und  149(!;  -Anhang  IV. 

Militärisclio  Auszeichnungen  der  Offiziere  und  Mannschaft 
Anhang  V. 

*)  Zum  größten  Glücke,  denn  General  Tursky  sendete  voreilig 
die  aus  Ragusa  gekommene  Kompagnie  Mayor  bereits  am  8.  zurück! 


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202 


S » m e k. 


Diese  Auffassung  wurde  durch  die  Erkenntnis  gefordert, 
oder  war  vielleicht  ganz  auf  dieser  basiert,  daß  im  Gegenfalle 
nur  zwei  Wege  offen  stünden.  Entweder  Montenegro  exem- 
plarisch zu  züchtigen,  oder  es  dauernd  zu  besetzen.  Gegen 
ersteres  sprach  der  große  .Aufwand  an  Geld  und  Truppen, 
der  Mangel  an  Transport-  und  .Subsistenzmitteln,  gegen  letz- 
teres nebstdem  der  illusorische  Wert,  den  nur  die  Vernichtung 
der  Bewohner  zu  einem  realen  hätte  umgestalten  können. 

Den  militärischen  Ratschlägen  •),  die  auf  einen  dritten, 
wohl  den  einzig  richtigen  Weg  wie.sen,  verschloß  man  sich 
ganz.  Diese  verlangten  einen  festen  Schutz  der  Grenze.  Die 
Posten  Gomila,  Vidrak,  der  Kopacz  und  Gospodia  sollten 
befestigt,  mit  Geschützen  und  einer  entsprechenden  Besatztmg 
versehen,  starke  Unterstützungen  in  Marovich  und  Novo.selo 
bereitgestellt  und  Aufnahmsposten  in  Spiridione  und  Ora- 
dienizza  etabliert  worden.  In  Gattaro,  Budua,  San  Stefano  und 
La.stua  seien  Reserven  unterzubringen.  Hiefür  wurden  bei 
absoluter  Defensive,  drei  Bataillone,  sonst  aber  sechs  Bataillone 
gefordert*).  Das  Bewußtsein  starker  österreichischer  Kräfte 
an  der  Grenze  würde  die  Montenegriner  für  immer  zur  Ruhe 
zwingen,  die  blutige  Lehre  die  Roßbach  mit  den  wenigen 
Truppen  ihnen  erteilt,  werde  dann  ihre  Früchte  tragen.  — 
Vergebens!  — War  es  engherzige,  übel  angebrachte  Spar- 
samkeit, tvar  es  auch  das  charakteristische,  stets  wieder- 
kehrende Streben,  das  eigene  Licht  dann  leuchten  zu  lassen, 
wenn  die  Gefahr  vorüber,  wenn  der  Soldat  mit  seinem  Blute 

widerrief  am  12.,  als  er  die  Nachricht  vom  Friodeu  erhielt,  alle  getrof- 
fenen luatradierungen.  Man  hatte  sich  eben  zu  sehr  in  der  Überzeugung 
gefestigt,  Montenegro  könne  nichts  Ernstliches  unternehmen  und  die 
unerwartete  Bitte  um  Frieden  war,  da  man  ihre  eigentlichen  Beweg- 
gründe noch  nicht  erkannte,  nur  geeignet,  dieselbe  zu  bestärken. 

')  Des  FML.  Lilienberg,  Majors  Poschacher  und  Hauptm.mns 
0 r es  k o vich. 

’)  Memoire  Oreskovich  und  Lilienberg.  11.  H.  u.  St.  A.  Fas- 
zikel y,  Türkei  - Grenzakte,  II.  llegiatr.  ISilS,  Nr.  1.Ö29.  Poschachers 
Memoire.  — Die  h Bataillone  wurden  vom  FML.  Lilieuberg  sofort, 
die  ()  Bataillone  erst  mit  dem  Frühjahre  gefordert,  da  es  an  Unterkunft 
etc.  mangelte.  Man  wollte  aber  auch  die  3 Bataillone  nicht  senden,  um 
die  Montenegriner  nicht  zu  reizen.  — E.  K.  M.  Eegistr.  1838,  Praes. 
Nr.  liy(>.) 


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Reprc8saliengefe<‘hte  gegen  die  Montenegriner. 


203 


Ordnung  geschaffen  — die  militärischen  Vorschläge  blieben 
unbeachtet.  Die  bequemeren  Ansichten  der  Diplomatie  siegten 
über  die  unbequeme  militärische  Erkenntnis. 

Die  Folgen  blieben  nicht  aus.  Trotz  des  Waffenstillstandes 
begannen  die  Grenzräubereien  bald  von  neuem  und  die 
kaiserlichen  Untertanen  im  Pastrovicchio  waren  ungestraft 
den  empörendsten  Gewalttätigkeiten  der  Montenegriner  aus- 
gesetzt. Umsonst  baten  sie  dringend  um  Hilfe,  umsonst 
berichtete  FML.  Lilienberg  über  ihr  Elend.  ,, Heute  bei  den 
vorhandenen  Verhältnissen  ist  schon  die  Frage  nicht  mehr 
am  Unrechten  Orte,  ob  es  weniger  klug  und  mehr  schimpflich 
wäre,  die  Oberherrschaft  Montenegros  anzuerkennen  und  einen 
jährlichen  Tribut  zu  zahlen,  als  sich  unaufhörlich  öflfentlieh 
mißhandelt  und  seine  Untertanen  in  das  größte  Unglück 
gestürzt  zu  sehen’’  — so  schreibt  dieser  1839  nach  Wien.  — 
Die  Großmacht  Österreich  einen  Tribut  an  Montenegro!  Ein 
kaiserlicher  General,  dem  edle  Menschenliebe  dieses  Wort 
erpreßt! 

Endlich  waren  1840  die  diplomatischen  Unterhandlungen 
beendet,  der  Friede  kam  zu  stände,  die  Grenzstreitigkeiten 
wurden  unter  Beihilfe  Rußlands  im  Sinne  Österreichs  erledigt. 
Hauptmann  Kowalewsky  mußte  sich  in  Wien  w'egen  seines 
\ orgehens  entschuldigen  und  der  Madika  ließ  bei  Budua 
einen  Galgen  errichten,  auf  welchem  jeder  gehenkt  werden 
sollte,  der  sich  erkühnte  auf  österreichischem  Boden  zu 
rauben.  Gleichzeitig  kamen  die  Klöster  des  ^Madika,  Stanjevic 
und  Podmaini,  durch  Kauf  unter  österreichische  Herrschaft, 
Montenegro  hatte  keinen  Besitz  mehr  in  kaiserlichen  Landen. 
Um  Gomila  und  im  Bereiche  des  Kopacz  war  der  Edlen  Blut 
nicht  ganz  umsonst  geflossen. 


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Übersicht 


über  die  Garuisonspliltze  und  die  Stärke  der  daselbst  dis- 
lozierten Kompagnien  an  gemeiner  Mannschaft,  mit  Ilück- 
sicht  auf  die  zur  Besetzung  der  verschiedenen  Posten 
abkommandierten  Leute,  im  Generalkommando  Zaral833'). 


Garnisonsort 

Truppen 

Normal 
fiiatgOBetx- 
tor  Loko- 
stfiiui  an 
0<?meinan 

Hievon 

(lurch- 

sohnittUoli 

komman- 

diert, 

absent  und 
krank 

Zur  Dienet- 
leiitung  im 
Garnisons- 
orte 

verfügbar 

7 Kompagnien  Mayer- 
infanterie   

1260 

300 

960 

Zara 

14.  Kompagnie  des 
5.  Feldartillerieregi- 
ments   

140 

19 

121 

Knin 

1 Kompagnie  des  10. 
Jägerbataillons  . . 

160 

90 

70 

Spalato 

1 Kompagnie  des  10. 
Jägerbataillons  . . 

160 

28 

132 

1 Kompagnie  des  4. 
Garnisonsbataillon.s 

160 

32 

128 

Fort  Clissa 

Vom  10.Jilgerbataillon 

40 

4 

36 

1 Kompagnie  von 
Muyer-Lifanterie 

180 

23 

157 

Lcsina 

i 

1 

17.  Kompagnie  des  5. 
Ärtillerieregiments 

1 140 

76 

64 

j 

I LiäsSa 

3 Kompagnien  des  4. 
G arnisoiisbutailioi)  s 

480 

201 

279 

I ')  Die  Änderungen,  welolie  bis  2.  August  für  diese  Übersicht  ein-  | 

treten,  lietreffen  nur  das  8.  Jägorbataillon,  welches  das  oben  angeführte 
I 11.  Bataillon  abliista.  Die  Dialokationsverhältniase  desselben  bei  Aus-  I 
brach  der  Feindseligkeiten  giiit  Anhang  il. 


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208 


S 0 m e k. 


t 

Garnisonsort 

Truppen 

Normal 
foat{;e8etz- 
tor  Ix>ko- 
staud  an 
Oemoinen 

Zar  Dienst- 

leistnnK  izD 

Oamisons-I 
orte  1 

verfügbar 

Curzola 

1 Kompagnie  vom  4. 
(faruisonsbataillon 

lüO 

94 

66 

4 Kompagnion  Mayer- 
Infanterie  .... 

720 

177 

543 

Bagusa 

10.  Kompagnie  de.s  5. 
ÄrtillerieregimentR 

140 

47 

93 

Castelnuovo 

1 Kompagnie  des  11. 
Jägerbalaillon-s  . . 

160 

108 

52 

1 Kompagnie  Erz- 
herzog Friedrich  . 

160 

63 

97 

Cattaro 

2 Kompagnien  des  11. 
Jägorbataillous  . . 

. 

' 320 

58 

267 

3‘/*  Komp^jien  Erz- 
herzog Friedrich 

r)6o 

183 

377 

Budua 

2 Kompagnion  des  1 1 . 
Jügerbataillous  . . 

820 

250 

70 

1 Kompagnie  Erz- 
herzog Friedrich 

160 

39 

121 

Xara,  nm  7.  Juli  1S38. 


Jellacliich,  Major. 


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RopressaUecgefeobte  gegen. dio  Hontenegrinor. 


209 


Dislokationstabelle  des  8.  Jägerbataillons  1838. 

IEnt- 

Stabaoffiziere,  Kompag 
sube  und  andere  Abteilungs- 


Ent- 

fornong 

Ort 

a 

es 

vom 

Slnbe 

(douUrbv 

Meilen) 

I Kreis  Cattaro 

BHtaillonssub  Caltaro jj  ßjl  — j Der  (iefertigte. 

I Lastua 7-t  5 I Grenz-Pestkordons- 


• Kommandant  Haupt-  j 

j mann  Jos.  v.Delmotte 

Hlockhams  ...  13  j 6 i Grenz-Pe.stkordons- 

Vieterno- Gumno  5 6'/t  | Distriktskommandant 

Smilov  a-Uliza  . . i 5 j 5“/«  j Unterleutnant  Sigmund 
Sveta-Gospodia  . | ,ö  5*/4  |1  Gergich  d’Iwainska 
Novoselo  ....  j|  — I ö'/i  1^  Oberleutnant  Frau/. 
\idrak L — B ||  Landtmann 


S.  Stefano  . . . ! 77  3^/i  Grenz-Sicherbeitsposten- 

I Kommandant  Hauptm. 

' Karl  V.  Delmotte 

Marovich  . . . . , 2‘j'  4’G  Grenz-Sicherbeits- 

I I Distriktskommandant 

j Oberleutnant  Franz 

Schöbl 

S.  Spiridione  . . 12  i’/t  1 Unterjäger 

Oradienizza  ....  12  n'.j  1 Unterjäger 

Gomila 17  (i  1 Unterjäger 


a.  S.  Spiridione  . . I 12  i’/t 

3 Oradienizza  ....  12  .ö'  j 

o Gomila 17  (i 

^ Braich  Casa  Mar-  in,.,.  , . . „ i 

. , ! I Oberleutnant  Franz 

tmoyioh  , lo  4V.  , 

g „ Casa  KJach  I 06  — ] 

Pobori  ...  . 77  4 Unterleutnant  Andreas  j 

' M.ayer  I 

Maini 3B  3 | 1 Obeijager 

4 Podmaini  . . . . j 174  4 [l  Uauptm.  Sigmund  Laug  I 

I V.  Laugenau  j 

5 Budua 170  2'.j  Hauptmaun  Ferdinand 

li  Speck  V.  Szepfalu  I 

6 Cattaro 175  — - Uauptmanu  Anton 

I I Paccaneri 

Cattaro,  am  11.  Juli  1838. 

Koßbach,  Oberstleutnant 

Mitteilungon  des  k.  und  k Krieg.arohivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  14 


Cattaro,  am  11.  Juli  1838. 


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210 


S e m e k. 


III. 

Manifest 

des  im  Jahre  1813  während  der  französischen  Herr.schaft 
zu  Dobrota  in  der  Provinz  Cattaro  zusammengetretenen 
Nationalvereins  in  Oenieinschaft  mit  Montenegro  und 
Unterwerfung  unter  die  drei  alliierten  Mächte. 

(Authentlsohs  Kopie.) 

Col  uome  di  Uio,  Amen. 

Dobrota  li  29.  Ottobre  1813. 

Le  due  Provincie  limitrofe  di  Montenero  e delle  Bocche  di  Cattaro, 
animale  del  Patriotismo,  e da  eguali  Sentimenii,  di  Religione  e di  onore, 
si  sono  coll’ajuto  dell  altissimo  credeuti  e rese  libere,  scuotando  il  giogo 
francese,  mediante  il  proprio  sangue  e sacrifici,  e si  giärano  reciproca- 
mente,  sopra  Iddio  Signore  la  fedoltä  e la  costante  unione  in  ogni  caso 
ed  evento. 

Sicome  le  medesime  si  sono  ora  dedicate  sotto  l’alte  e potente 
protezione  dolle  tre  potenze  alleate : Russin,  Austria  e Gran  Bretagna 
cosi  dichiarono,  ed  a nome  loro  i rispettivi  Capi,  che  si  mai  le  Combi- 
nazioni  politiche  obligassero  o l’una  o l’altra  a dedicarsi  e qualcuno  in 
particolare  dei  detti  Goverui  di  seguire  la  stessa  sorte  ambedue,  cio6 
sottostare  tutte  due  allo  stesso  governo  con  quelle  condizioni  e priveleggi 
che  banno  goduto  e che  sperano  di  otteuere  anche  in  appreso. 

Che  se  mai  la  Potenza,  che  li  govemerebbe  fossa  costretta  ad 
allontanarsi  per  le  circonstanze  della  guerra,  le  medesime  due  Provincie 
ed  a nome  loro  i rispettivi  capi  dichiarano  ed  intendono  di  restar  liberi 
ed  indipcndcnti,  como  liberi  e di  proprio  Consentimento  si  sarebbero 
dedicate.  ratiticando  la  propria  unione,  ed  indipendcuza  anche  nell'avc- 
uire  se  occoresse  col  proprio  sangue,  intendendosi  sempre  escluso  il 
Governo  Francese,  contenti  piu  tosto  di  luorire  uniti  in  qualcunque 
disgrazia,  che  di  rimauere  sotto  la  Tirannia  Gallien.  In  fedc 

Metropolita  Pietro  Petrovich; 

Govematore  Vukolai  a nome  di  tutto  Montenero  e Brda; 

Aloise  Conte  Viscovich  Capitano;  Andrea  Tripcovich  Capitano; 
Theodore  Conte  Ivellich  Capitano;  Vasilio  Giurasscovich  (in  serviano) ; 

Pietro  Lazznri  giudice  per  il  Capitano  Giuseppe  Lukovich; 

Thoodoro  Ivellich  per  lu  coutrada  di  Pastrovicohio; 

Marco  Antonio  Ant.  Gregorina  per  le  Comuni  del  Conlado; 

Prete  Giuro  Lazzaro vielt  a nome  dei  tre  Comuni  e di  Zuppa; 
Prete  Filippo  Cortich  a nome  della  Comuiie  di  Cartole  (in  serviano); 
Prete  Rade  Rodonich  a nome  della  Comune  di  Lositza; 

Andreo  Tripcovich  (?)  per  la  Comune  di  Stolievo; 

Miri.slav  Con.  Zanovich  per  la  Cittä  di  Budua; 

Prete  Giuro  Lazzarorich  a nome  della  Comune  di  .Scagliari  che  fa  lacroce 
cosi  pregato  dal  loro  Capitano  Tripo  Petrovich; 

Steft'ano  Lazzarovich  a nome  della  Comune  di  Mulla. 

Io  Francesco  Liejtopoli  ho  esteso  e sottoscritto  la  retoscrita 
scritura,  cosi  pregato  da  a.  E.  Monsiguor  Metropolita  e dei  capi  rispettivi 
delle  comunita  qui  sopra  sottoscritti. 

Francesco  Liepopoli. 


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Hepressalieogefecbte  gegen  die  Montenegriner. 


211 


IV. 

Dokument 

für  den  Äbschlnfi  des  Waffenstillstandes  zwischen  Öster- 
reich und  Montenegro  am  8.  August  1838. 

La  convenzione  conchinsa  a voce  nel  giorno  di  jeri,  viene  oggi 
confennata,  e perci6  dal  giorno  d’  oggi  8.  (otto)  Agosto  corrente  sarano 
sospese  le  ostiliti  sul  monte  di  Pastrovicchio  fri  le  Imper.  Keg.  Truppe 
ed  i sndditi  Austriaci  da  una  parte,  e gli  ahitanti  della  Zernizza  di 
Montenero  dall’  altra. 

La  sospesione  dureri  per  un  Mese,  ed  anche  dopo  tale  termine 
non  potrano  ripremlersi  le  ostilitü,  senza  il  proaviso  di  tre  giomi. 

I Zemizzoni  si  retirerano  dal  monte  di  Pastrovicchio  e rientrerano 
alle  loro  case,  e fatto  ciö  da  loro  parte,  anehe  la  C.  R.  Truppa  repren- 
derä  le  posizione  occupate  prima  dello  sviluppo  dello  presenti  ostiUtä. 

Quelli,  che  doppo  conchiusa  la  presente  convenzione,  si  permetessero 
di  molcstare  in  qualunque  maniera  gli  altri ; ovvero  cometessero  azioni 
dirette  ad  alterare  1’  ordine  e la  qtiietü  puhlica,  saranno  severamente 
pnniti  dalle  Autorita  da  cui  dipendono. 

Le  private  proprietä  sul  Monte  di  Pastrovicchio,  come  pure  i 
prodotte  loro,  sia  che  spettino  ai  Zemizzoni,  ovvero  ai  Peistrovicchi, 
rimaiigono  a Beneficio  di  quelli,  a cui  appertengono,  come  per  1'  innanzi, 
e col  presente  non  viene  fatta  in  ci6  alcuna  alterazione  ai  loro  rispe- 
tivi  diritti. 

II  presente  per  parti  dei  Sudditi  Austriaci  viene  tirmato  e garantito 
dal  I.  R.  Amministratore  Circolare  Gahriole  Ivachich.  ed  a parte  de 
Zemizzani  dal  Signor  Giorgio  Petrovich,  Vice  Presidente  del  Senato 
Montenegrino,  appositamente  autorizzato  dal  Vescovo  di  Montenero. 

Bndua  li  8 (otto)  Agosto  1838. 

Ivachich.  Giorgio  Petrovich. 

Jellachicb,  Major. 


U* 


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212 


8 6 m e k. 


Dem  Original  gleichlautend: 

Die  gestern  geschlossene  Übereinkunft  wird  heute  bestätigt,  somit 
werden  mit  heutigem  Tage,  dem  8.  (achten)  August,  die  Feindseligkeiten 
zwischen  den  kai.s.  königl.  Truppen  und  den  österreichischen  Unter- 
tanen einerseits  und  den  Bewohnern  von  Czernicza  in  Montenegro 
andererseits  am  Berge  Pastrovicchio  eingestellt. 

Der  Waffenstillstand  hat  für  einen  Monat  zu  dauern  und.  auch 
über  diesen  Termin  hinaus  können  die  Feindseligkeiten  nur  über  drei- 
tägige Kündigung  wieder  ergriffen  werden. 

Die  Czerniczaner  werden  sich  vom  Berge  Pastrovicchio  in  ihre 
Häu.ser  zurückziehen,  haben  sie  dies  getan,  so  wird  auch  die  kais.  königl. 
Truppe  jene  Stellungen  wieder  beziehen,  welche  sie  vor  Beginn  der 
gegenwärtigen  Feindseligkeiten  innohatte. 

Jone,  welche  nach  AbscbluÜ  die.ser  Übereinkunft  sich  erlauben 
würden.  <len  Gegenpart  in  irgend  einer  Weise  zu  bidästigen  oder 
Handlungen  zu  unternehmen,  geeignet,  die  Ordnung  und  öffentliche 
Kühe  zu  stören,  werden  von  ihren  zuständigen  Behörden  strengstens 
zu  bestrafen  sein. 

Der  Privatbesitz  am  Monte  Pastrovicchio  sowie  die  Krzeugnisse 
bleiben  wie  vor,  sowohl  hinsichtlich  der  Czerniczaner  als  der  Pastro- 
vicchier,  als  Eigentum  de.ssen  gewahrt,  dem  sie  gehören:  mit  der  gegen- 
wärtigen Übereinkunft  erfolgt  in  keiner  AVeise  irgend  eine  Störung  der 
bezüglichen  Kochte  der  Betreffenden. 

Die  vorliegende  Übereinkunft  wird  bestätigt  und  garantiert,  für 
die  österreichischen  Untertanen  durch  den  kais.  königl.  Kreisvorsteher 
Gabriel  Ivachich,  für  die  Czerniczaner  durch  Herrn  Georg  Petrovich, 
Vizepräsidenten  de.s  Senates  von  Montenegro,  in  ausdrücklicher  Ver- 
tretung des  Erzbischofs  von  Montenegro. 

Budua,  am  8.  (ächten)  August  1838. 

Ivachich.  Giorgio  Petrovich. 

Jcllachich,  Major. 


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Ropressaliengofechte  gogen  üio  Ifontonogriner. 


213 


V. 

Orden,  Medaillen  und  Belohnungen, 

»eiche  (len  an  den  Repressaliengefechten  vom  2.  bis  7.  August 
1838  beteiligten  Truppen  verliehen  wurden. 

•Allerhöchste  Entschließung  vom  23.  September,  1.  und  29.  Oktober  1838.) 

Oberstleutnant  Roßbach  erhielt  das  Ritterkreuz  des  Eeopold- 
ordens. 

Major  Guolfiuger  von  Erzherzog  Friedrich,  die  Hauptleuto 
bpanner,  Speck,  Paccanari,  die  Oberleutnants  Sanner,  Baron 
Reichlin,  Schoebel,  Baltin,  die  Unterleutnants  Frosconi,  Kier 
8.  Jägerbataillon,  die  belobende  Anerkennung,  welche  in  die  Kon- 
duitliste  einzutragen  war,  wobei  dem  Major  Guolfiuger,  Hauptmann 
Sp,’innerund  Oberleutnant  Sanner  die  tunlichste  Berücksichtigung  für 
Beturderung  zuge.sichort  wurde  '). 

Oberjäger  Schnee  fuß  erhielt  die  Vormerkung  für  eine  Platz- 
cffizierssielle,  Oberjäger  Jöchlinger  jene  für  spätere  Versorgung  und  die 
sUberno  Tapferkeitsmedaille,  Oberjäger  Schmadlak  und  Schrott 
ebenfalls  die  silberne  Tapferkeitsmedaille,  Unterjäger  Maukner  die 
goldene,  Unterjäger  Gelli,  die  Korporale  Munari  und  Poli  von  Erz- 
lierzog  Friedrich  die  silberne  Tapferkeitsmedaille. 

00  Dukaten  wurden  dem  Generalkommando  zur  Verteilung 
tugewiesen. 


')  Hann  er  wurde  mit  Allorhdcbßter  Entschließung  vom  29.  Oktober  1S38 
nun  Kspi  tiinleutnant  ernannt. 


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Die  Besetzung  von  Krakau  1846. 

Mit 

Benützung  eines  Manuskriptes  des  Oberleutnants  Baron  Gablenz 

von 

Hauptmann  Jacubenz. 

(Mit  einer  Beilage.) 


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Die  politischen  Verhältnisse  des  im  Jahre  1795  zum 
dritten  Male  aufgeteilt-en  polnischen  Reiches  wurden  infolge  der 
Xapoleonischen  Kriegsepoche  eigentlich  erst  auf  dem  Wiener 
Kongreß  1815  endgiltig  geregelt. 

In  Österreich  und  Preußen  bildeten  die  abgetrennten 
polnischen  Gebietsteile  in  den  Staat  einverleibte  Provinzen, 
während  sie  in  Rußland,  unter  Gewähning  einer  eigenen 
Verfassung,  als  , .Königreich  Polen”  dem  Reiche  angegliedert 
wurden.  Kur  ein  kleines  Gebiet,  über  dessen  Aufteilung  sich 
die  Mächte  nicht  einigen  konnten,  blieb  selbständig ; es  war 
dies  der  nachmalige  Freistaat  Krakau*),  mit  einem  Areal  von 
etwa  1100  Quadratkilometern  und  einer  Bevölkerungszifier  von 
rund  140.000  Einwohnern. 

Unter  dem  Eindruck  der  noch  immer  lebendigen  Erin- 
nerung an  die  einstige  Unabhängigkeit  des  polnischen  Reiches 
und  der  Erhebung  von  1794,  sowie  all  der  durch  die  Napo- 
leonischen  Kriege  hervorgerufenen  Veränderungen  im  Besitz- 
stand des  vaterländischen  Bodens,  brach  im  Königreich  Polen, 
begünstigt  durch  die  Freiheit,  welche  die  Herrscher  Rußlands 
dem  Lande  gelassen  hatten,  der  Aufstand  des  .Tahres  18.91 
aus.  Nach  der  Niederwerfung  desselben  siedelten  sich  zahl- 
reiche Emigranten  im  Gebiet  von  Krakau,  in  Galizien  und 
sonst  im  Ausland  an. 

■)  Die  Republik  Krakau  erhielt  ihre  Verfassung  am  9.  Mai  1815. 
Oieselbe  wurde  jedoch  1839  und  1896  über  Verlangen  der  Schutzuiächte 
revidiert.  Ein  Präsident,  der  nur  mit  Zustimmung  der  Sohutzmäclite 
bestellt  werden  konnte,  und  aclit  Senatoren  leiteten  die  Staatsgeschäfte. 
IV egen  beständiger  Unruhen  und  Ansammlung  von  Flüchtlingen  war 
die  Stadt  Kr.akau  im  Jahre  1891,  dann  von  1896  bis  1841  fast  ununter- 
brochen von  Truppen  der  Schutzmächte  besetzt. 


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218 


Jnonbenc. 


Infolge  fortgesetzter  Wühlereien  forderten  die  Schutz- 
mächte  des  Freigebietes  Krakau,  Österreich,  Rußland  und 
PreuUen,  den  Senat  von  Krakau  wiederholt  auf,  die  Emigranten 
auszuweisen  und  als  diesem  Begehren  nicht  Folge  geleistet 
wurde,  besetzten  im  Febniar  1836  Truppen  der  Schutzmächte 
die  Stadt.  Diese  Maßregel  verursachte  zwar,  daß  sich  nunmehr 
der  größte  Teil  der  Emigranten  in  Frankreich  und  Belgien 
niederließ,  doch  erstickte  sie  keinesfalls  den  Revolutions- 
gedanken ; denn  die  Emigranten  schmiedeten  fortan  von  Paris 
und  Brüssel  aus  ihre  auf  die  Wiederherstellung  des  polnischen 
Reiches  abzielenden  Pläne.  An  Verbindungen  mit  den  auf 
heimatlichem  Boden  Verbliebenen  fehlte  es  nicht. 

Die  drei  benachbarten  Regierungen  waren  bestrebt,  einen 
festeren  Anschluß  ihrer  polnischen  Provinzen  zu  erreichen 
und  sorgten  zunächst  für  die  Hebung  der  materiellen  Prosperität 
ihrer  neuen  Untertanen.  Da  dem  Adel  bei  seiner  ausgesprochen 
feindseligen  Gesinnung  nicht  jener  Grad  von  Vertrauen 
geschenkt  werden  konnte,  auf  den  er  sonst  vermöge  seiner 
Stellung  Anspruch  gehabt  hätte,  ein  Mittelstand  aber  in  den 
von  ihren  Gutshorrschaften  abhängigen  Mediatstädten  überhaupt 
fehlte,  fiel  alle  Fürsorge  der  Regierungen  naturgemäß  auf 
den  Bauernstand,  dem  die  Schäden  jahrhundertelanger 
Knechtschaft  noch  immer  anhafteten.  Das  Landvolk  kannte 
die  frühere,  unglückselige  Herrschaft  teils  aus  eigener  Wahr- 
nehmung, teils  durch  ererbte  Tradition,  mußte  sieh  daher  bei 
der  Rechtssicherheit,  die  ihm  nunmehr  die  neuen  Verhältnisse 
brachten,  unbedingt  zufriedener  fühlen  als  zuvor.  Die  ländliche 
Bevölkerung  war  deshalb  auch  das  einzig  verläßliche  Element 
der  Regierungen. 

Auch  in  Galizien  war  durch  allmähliche  Entmündigung 
der  Bauern  und  der  kleinen  Städte  von  der  gutsherrlicheu 
Gewalt  diesfalls  ein  gewisser  Fortschritt  zu  verzeichnen;  nicht 
wenig  trugen  dazu  die  zahlreichen  in  die  kaiserliche  Armee 
eingereihten  Landleute  bei. 

Sie  brachten  aus  den  fremden  Garnisonen  einen  weiteren 
Gesichtskreis,  ein  gesteigertes  Selbstgefühl,  dazu  Anhänglichkeit 
au  Kaiser  und  Reich  in  die  Heimat  zurück  — ülomente,  die 
speziell  während  des  Aufstandes  in  Galizien  1840  deutlich 
zur  Geltung  kamen. 


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Die  Besetzung'  von  Krakau  1S46.  21«) 

Die  in  ihren  Umsturzplänen  unermüdlichen  Emigranten 
in  Paris  hielten  die  Zeit  für  gekommen,  um  mit  Beginn  des 
Jahres  1846  einen  neuen  Aufstand  hervorzurufen.  In  Warschau, 
beziehungsweise  im  Königreich  Polen,  verhinderte  die  strenge 
Militärherrsohaft  des  FM.  Fürsten  Paskiewitsch  vorweg  jede 
ernstere  Bewegung,  darum  waren  diesmal  vom  Revolutions- 
komitee die  Provinzen  Posen  und  Galizien  zum  Schauplatz 
der  Erhebung  erkoren.  In  Posen  kam  jedoch  die  preußische 
Regierung  den  Wühlern  zuvor,  indem  sie  zahlreiche  Rädels- 
führer rechtzeitig  verhaften  ließ ; so  war  die  Bewegung  vor- 
läufig auf  Galizien  allein  beschränkt. 

Die  über  das  ganze  Kronland  zerstreuten  Emigranten 
und  Emissäre  waren  seit  geraumer  Zeit  in  diesem  Sinne  tätig. 
Die  Regierungsorgane  hatten  wohl  Kenntnis  davon  und  die 
Kreisärnter  berichteten  wiederholt  über  verdächtige  Umtriebe 
an  das  Landesgubernium;  allein  in  Lemberg  wurden  diese 
Berichte  im  Laufe  der  Jahre  mit  einer  gewissen  Gleichgiltig- 
keit hingenommen  und  nicht  entsprechend  gewürdigt.  Man 
fand  an  leitender  Stelle  überhau])t,  daß  den  Polen  im  hetero- 
genen Völkerstaat  Österreich  eine  andere  Stellung  eingeräumt 
werden  müsse  als  in  dem  national  geeinten  Rußland  oder 
Preußen;  darum  wurde  über  Weisung  des  Monarchen  den 
Eigentümlichkeiten  des  polnischen  Volksstammes  jede  nur 
mögliche  Rücksicht  zu  teil.  Selbst  der  wiederholte  Miß- 
brauch derselben  erschöpfte  nicht  die  Nachsicht  des  Kaisers  ’). 

In  Lemberg  residierte  seit  1832  als  Zivil-  und  Militär- 
gouverneur der  FM.  Erzherzog  Ferdinand  d’ Este.  Sein 
milder  Sinn,  seine  Frömmigkeit  und  Wohltätigkeit  hatten  ihm 
die  Sympathien  des  Adels  erworben,  welcher  wieder  durch 
vorgebliche  Loyalität  seine  Gunst  genoß.  Der  Adel  stellte 
dem  Erzherzog  den  galizischen  Bauer  als  faul,  roh  und 
tierisch,  den  Ruthenen  gar  als  Ketzer  dar;  auf  diese  Weise 
war  es  möglich,  daß  mau  im  Landesgubernium  die  Um-sturz- 
pläne  der  Polen  verkannte  und  den  Berichten  der  Kreis- 
vorstände nicht  jene  Bedeutung  beimaß,  die  sie  tatsächlich 
verdient  hätten. 

')  So  wurde  unter  anderem  den  iin  Hochverratsprozeß  des  Jahres 
1S4.Ö  zum  Tode  Verurteilten  die  Strafe  gänzlich  nachgesehen. 


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220 


Jaeabens. 


Schon  gogfii  Eiule  des  Jahres  1815  machte  sich  in  den 
Städten  AVestgaliziens  eine  gewisse  Gärung  bemerkbar;  sie 
wurde  durch  <iie  gefährliche  Xähe  des  Freistaates  Krakau 
venrnsacht.  welcher  schon  im  Jahre  1831  den  Kevolutionären 
als  Ausgangs-  und  Stützpunkt  ihrer  gewaltsamen  Unter- 
nehmungen gedient  hatte.  Dtirch  zahlreiche  Emissäre,  im- 
gezählte  öffentliche  und  geheime  Vereine,  massenhatte  Ver- 
breitung aui'reizender  Schriften  suchten  sie  auch  diesmal  in 
der  Bevölkerung  den  Boden  für  eine  neuerliche  Erhebung 
vorzubereiten.  Ihre  Tätigkeit  erzeugte  indes  nur  ein  Chaos 
von  Meiiningen : denn  bei  dem  Mangel  an  Klarheit  und 
Einigkeit,  bei  der  ablehnenden  Haltung  der  Baueni,  konnte 
sich  angesichts  der  wachsamen  Behörden  eine  starke  und 
tatkräftige  Kevolutionsparlei  im  Volke  nicht  herausbilden. 

Zu  Beginn  des  Jahres  1846  zeigte  sich  unter  den 
])olnischen  Revolutionären,  namentlich  im  Gebiet  von  Krakau 
und  im  Westen  Galiziens  eine  noch  größere  Rührigkeit:  Von 
allen  Seiten  wurden  aufrührerische  Umtriebe  gemeldet,  zahl- 
reiche Verhaftungen  entschleierten  tlen  Umfang  der  Bewegung. 
Die  Kreishauptleute  des  westlichen  Galizien  baten  um  mili- 
täris<dien  Sukkurs.  da  es  nicht  mehr  möglich  schien,  mit  den 
gewöhnlichen  Mitteln  die  Ordnung  aufrecht  zu  erhalten. 

Demgemäß  wurden  einzelne  Bataillone  auf  den  erhöhten 
Friedensstand  gesetzt. 

.\nfangs  Februar  1846  äußerten  sich  die  Merkmale 
eines  unmittelbar  bevorstehenden  Ausbruchs  der  Revolution. 
Deshalb  wurden  weitere  Bataillone  durch  Einbenifung  ans- 
gebildeter Urlauber  und  Einziehung  von  Rekruten  verstärkt. 
Trujtpen  aus  Ostgabzien  in  das  bedrohte  we.stliche  Gebiet 
dieses  Landes  in  IMarsch  gesetzt,  überdies  ein  strenger  M’acli- 
und  Bereitschaftsdien.st  angeordnet.  Kälte  und  tiefer  Schnee 
erschwerten  in  hohem  Clrade  den  Dienst  der  Truppen'). 

')  Der  Schauplatz  des  Aufstandsveranches  in  Galizien  war  der 
rein  polnische  Teil  des  Landes,  westlich  von  Przemysl.  Dort  brach  der 
Aufstand  am  18.  Februar  1846  an  zahlreichen  Punkten  gleichzeitig  aus. 
Ostgalizicn  blieb  ruhig,  mit  Ausnahme  der  Stadt  Lemberg,  wo  jedoch 
die  Bewegung  durch  die  am  13.  Februar  erfolgte  V'erhaftung  von 
35  In.«urgentenfulirem  im  Keime  unterdrQckt  wurde.  In  Russisch-  und 


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Oie  Besetzung  von  Krakau 


221 


Sonutay.  den  15.  Febi'uar  1845,  war  in  der  Stadt  Krakau 
eine  tmgewölndiclie  Bewegung.  'N'ulksnia.ssen  durchzogen 
•singend  und  lärmend  die  Stadt  ; sie  verkündeten  laut  ilie 
endliche  Befreiung  Polens  von  der  langjährigen  ZwingheiTschaft 
and  verhießen  eine  goldene  Zukiuift.  Die  frivolen  Äußerungen 
erträumter  Freiheit  fanden  allerorts  stürmischen  Beifall.  Die 
Volksma.ssen  schwollen  immer  mehr  au  und  Bewarthete  in 
Krakauer  Nationaltracht  sammelten  sich  auf  den  Plätzen. 
Vergeblich  suchten  die  Behörden  tbesem  Treiben  Einhalt 
zu  tun ; das  Lärmen  dauerte  bis  in  die  Nacht  hinein  — die 
bestehende  Ordnung  ward  gekündigt. 

Der  drohende  Ausbruch  ernster  Unruhen  bestimmte  ilte 
Residenten  der  drei  Schutzmächte,  den  in  Podgorze  weilenden 


m PreuÜisch-Poleii  fanden  nur  g.^nz  unbedeutende  Aufstandsversuche 
statt.  — In  IVestgalizien  stand  zu  dieser  Zeit  die  Trappendivision 
F.ML.  Csollich  in  Taniöw,  mit  den  Brigaden  Collin  in  Podgörie  und 
Legedics  in  Taniöw,  zusammen  d Bataillone  zu  C,  7 Bataillone  zu 
4 Kompagnien  (46  Kompagnien),  14  Eskadronen  und  ■/»  Batterie 
2 Sechspfünder  und  eine  Haubitze).  Die  erste  Standeserhöbuug  fand 
.mfangs  Januar  1846  statt,  weitere  folgten  in  demselben  Monat  und 
im  Februar,  jedoch  nur  bei  den  aus  Galizien  sich  ergänzenden  Infan- 
terieregimentern. Die  Kompagnien  wurden  auf  den  Stand  von  100  und 
12U  Gemeinen  gebracht:  am  ‘26.  Februar  aber  ward  befohlen,  den  Stand 
der  Kompagnien  auf  140  Gemeine  zu  erhöhen.  Infolge  der  schlechten 
Wege  und  der  entlegenen  Ausrüstungsdepots  ging  inde.s  die  Einrückung 
der  Einberufenen  nur  langsam  vor  sich.  V^on  den  aus  dem  Osten  gegen 
Westgalizien  entsendeten  Truppen  kamen  nur  ganz  geringe  Teile  zur 
Verwendung,  weil  die  Unruhen  im  wesentlichen  schon  unterdrückt  waren, 
liis  diese  Truppen  ihr  Marschziel  erreicht  hatten.  — Der  .Stand  an  dienst- 
baren Truppen  des  Generalkommandos  für  Galizien  und  die  Bukowina 
war  nach  der  offiziellen  „Haupt-,  Stand-  und  Diensttabelle”  folgender : 


Waffengattung 


Dozeiiiber  Januar 
IS4Ö 


Februar 

1840 


Infanterie  | 

1 Mann  19.73.8 


44  46 

20.539  23.609 


1S16 


48 

30.274 


Kavallerie  | |l  46  46  54  | 54 

I Heiter  ;|  5476  5407  | 6549  i 6768 


Arüllerie  | Compagnien 
I Mann 


2 

256 


2 

0.)"> 


3 

337 


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222 


J a e u b e n s. 


GM.  Collin  im  Wege  einer  an  ihn  von  dem  österreichischen 
Residenten  Hol’mt  Liehmann  von  Palmrode  gerichteten 
Zuschrift  vom  10.  Februar  zu  ersuchen,  er  solle  alle  Malinalimen 
treffen,  um  atif  die  erste  Nachricht  von  dem  Ausbruch  des  .Auf- 
stands in  Krakau  mit  seinen  Trupj)en  die  gesetzliche  Ordnung 
wiederhersteUen  zu  können.  .Auf  (Ti'imd  dieser  Note  imd  einer 
nachgefolgten  mündlichen  Besprechung  Palmrodes  mit  Collin 
berichtete  letzterer  noch  am  selben  Tage  direkt  an  den  Hof- 
kriegsrat nach  A\'ien  und  an  das  Generalkommando  in  Lemberg, 
(lall  sein  Einrücken  in  Krakau  nach  der  ihm  erteilten  Instruk- 
tion *1  nimmehr  bevorstehend  sei,  doch  bitte  er,  im  Hinblick 
auf  die  wachsende  Gärung  in  Galizien  um  schleunigen  Ersatz 
für  seine  dadurch  zu  ('ntblößeuden  Garnisonen.  Zugleich  ent- 
sandte er  ohne  Verzug  Estafetten *'i.  um  aus  den  ihm  unter- 
stehenden Ganiisijuen  sechs  Kompagnien  Infanterie  und  eine 
Eskadron  Kavallerie  nach  PodgörÄe  zu  beordern. 

Am  gleichen  Tage  bat  auch  der  Triipitendivisionär  in 
Tamöw,  FMIj.  Csollich,  infolge  der  Unruhen  in  der  Um- 
gebung dieser  Stadt  um  weitere  Unterstützung,  ,, indem  seit 
gestern  die  Umstände  wieder  dringender  geworden,  die  Auf- 
regung sich  noch  vermehrt  hat  und  der  Ausbruch  eines  Auf- 
standes nach  uUer  Überzeugung  nicht  mehr  fern  zu  sein 
scheint”. 

Am  .-Abend  des  folgenden  Tages  erliielt  GM.  Collin 
infolge  der  wachsenden  Unruhe  vom  Uofrat  Liehmann  von 
Palrarode  die  definitive  .Aufforderung  zur  Besetzung  von 
Krakau.  Gleiclizeitig  erging  über  .Anregung  des  Staatskanzlers 
Fürsten  Metternich  vom  Präsidenten  des  Hofkriegsrates 
G.  d.  K.  Grafen  Hardegg  an  das  Generalkomniando  in 
Mähren  der  Befehl,  ein  Bataillon  Infanterie  und  eine  Batterie 
nach  PodgörÄe  abzusenden.  Der  Generalgouvemeur  von 
Galizien,  Erzherzog  Ferdinand  hingt^gen,  dm’ch  die  immer 
ungünstigeren  Meldungen  der  Behörden  veranlaßt,  sandte  am  18. 
in  der  Person  des  Generalkommando-.Adjutanten  Oberstleutuaiit 
Ludwig  von  Beuedek’i  einen  A’ertrauensmann  sogleich 

*)  H.  K.  R.  Praes.  Eeskr.  vom  12.  Februar  1841. 

’)  Telegraphenleitungeii  bestanden  damals  noch  nicht;  die  erste 
wurde  im  Sommer  1840  in  Böhmen  errichtet. 

”)  186(5  Feldzougmeistor,  Kommandant  der  Nordarmee. 


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Die  BeBctiuDK  von  Krakau  1S46. 


223 


mittels  Post  j.mit  besonderen  dienstlichen  Anlträgen”  nach 
Rzeszöw  ab. 

Um  8 Uhr  früh  des  18.  Februar  rückte  nun  GM.  Collin 
mit  6 Kompagnien  des  Infanterieregiments  Nugent  Nr.  30, 
1*/.  Eskadronen  des  Clievaulegersregiments  Kaiser  Ferdinand 
Nr.  1 und  Vs  Batterie  während  eines  heftigen  Schneegestöbers 
über  die  Weichselbrücke  in  Krakau  ein'). 

Die  Straßen  der  Stadt  waren  leer;  erst  nach  und  nach 
sammelte  sich  eine  große  Volksmenge,  darunter  \-ielo  ver- 
dächtige Fremde,  atif  dem  Ringplatz,  woselbst  die  Truppen 
aiifmarschiert  waren,  an.  Letztere  wurden  sodann,  und  zwar 
die  Mannschaft  in  größere  Abteilungen  vereint  untergebracht, 
die  Offiziere  in  Privathäusem  einquartiert,  starke  Wachen 
aiLsgesetzt,  ein  reger  Patrouillengang  angeordnet  und  schließlich 
eine  Alarmdisposition  ausgegeben.  Die  republikanische  Re- 
gierung aber  beeilte  sich,  dem  östen-eichischen  Befehlshaber 
ihren  Dank  auszudrücken  ,,tür  den  abermaligen  beruhigenden 
Schutz,  den  Österreich  dem  Freistaate  gewähre”. 

Um  6 Uhr  aliends  wunlen  drei  Kommanden  von  je 
1 Offizier  und  15  bis  25  Mann,  denen  Polizeikommissäre  und 
Gendarmen  der  Krakauer  Regierung  beigegeben  waren,  in 
das  Landgebiet  der  Republik  entsendet,  um  Watfendejtots 
anfzuheben  und  Verhaftungen  vorzunehmen 


')  Das  heranbefohlene  Laiidwehrbataillon  des  Infanterieregiments 
Hohenegg  Nr.  20  traf  erst  nachmittags  in  Podgörie  ein.  Dasselbe 
»mrde,  wie  schon  früher  beabsicliligt,  ebenfalls  nach  Krakau  gezogen, 
dafür  von  den  am  Morgen  ein  marschierten  Truppen  2 Kompagnien 
wieder  nach  Podgörie  zurückgeschickt.  In  Krakau  verblieben  demnach 
4 Kompagnien  von  Nr.  30,  4 Dandwehrkompagnien  von  Nr.  20,  l'/t  Es- 
kadronen Chevaulegers  und  'It  Batterie,  zusammen  beiläufig  800  Mann 
Infanterie,  I.ÖO  Reiter  und  3 Geschütze.  In  Podgdrko  hingegen  blieben 
2 Kompagnien  Nr.  30  und  ’/i  Eskadron  Chevaulegers. 

’)  Am  Abend  desselben  Tages  brach  der  Aufstand  in  West- 
galizien  ollen  aus.  An  verschiedenen  Punkten  der  Umgebung  von 
Tarnöw  hatten  sich  Insurgenten  angesammelt,  darunter  viele  „höheren 
Ranges”.  Die  Bauern  wurden  aufgefordert,  sich  ihnen  aiizuschlielien, 
nach  Tarnöw  zu  ziehen  und  die  kaiserlichen  Behörden  daselbst  zu 
'■eijagen.  Als  die  Bauern  sich  weigerten,  kam  es  zu  blutigen  Zu- 
sammenstößen, in  welchen  die  Landbevölkerung  die  Oberhand  behielt, 
viele  Insurgenten  festuahm  und  sie  dem  Kreisvorsteher  von  Tarnöw 
übergab. 


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224 


J a o u b e n 


Der  19.  Februar  verlief  ruhig;  dennoch  meldete  GM.Colliii. 
daß  die  Stimmung  im  Stadt-  und  Lanilgebiet  von  Krakau  iu 
hohem  Grade  erregt  und  der  Ausbnich  einer,  wie  e.s  scheint, 
weitverbreiteten  und  gut  organisierten  Bewegung  stündlich  zu 
erwarten  sei. 

Von  den  drei  in  das  Landgebiet  entsendeten  Kommaudeu 
erreichte  Leutnant  Bernd  mit  25  Chevaulegers  um  5 Uhr 
morgens  seinen  Bestimmungsort  Krzeszowice  (25  Kilometer 
nordwestlich  Krakau  i,  Leutnant  Bitter  von  Begg  gleichfalls 
mit  25  Chevaulegers,  wtdcher  bisher  denselben  Weg  mit 
Bernd  hinterlegt  hatte,  gelangte  erst  gegen  Mittag  au  sein 
Ziel  Chrzauow  (45  Kilometer  we.stlich  Krakau»  und  Leutnant 
Potakowski  mit  15  Infanteristen  befand  sich  noch  auf  dem 
Marsche  nach  dem  55  Kilometer  von  Krakau  entfeniten  Orte 
Jaworzno. 

Im  Laiil'e  des  Vormittags  des  20.  Felmiar  erhielt 
GM.  Collin  in  Krakau  von  verschiedenen  Seiten  die  bestimmt 
lautende  Nachricht  von  dem  unmittelbar  bevorstehenden 
Ausbruch  eines  Aufstandes  in  der  Stadt.  Von  Mittag  an 
standen  daher  die  Trupjten  vorerst  in  iliren  Quartieren  und 
mit  Einbruch  der  Dunkelheit  am  Kingjtlatz  in  strenger 
Bereitschaft.  Die  Wachen  wm’den  verstärkt,  Patrouillen  in 
jene  Stadtteile  entsendet,  die  als  Sammelpunkte  der  .Auf- 
ständischen bezeichnet  worden  waren  und  alle  in  die  Stadt 
führenden  Landstraßen  scliarf  überwacht.  Der  Tag  verlief 
jedoch  ruhig.  Erst  gegen  11  Uhr  nachts  stieß  eine  Patrouille 
der  Krakauer  Miliz*)  auf  eine  Anzahl  Bewaffneter,  die  sich 
der  Stadt  näherten.  Es  kam  zu  einem  Geplänkel,  wobei  ein 
Insurgent  erschossen,  andere  5 bis  6 Mann  aber  gefaiigen- 
genommen  und  auf  die  llauptwache  gebracht  wurden.  Aus  den 
weiter  eingelangten  Nachrichten  erfuhr  GM.  Collin,  daß  die 
Insurgenten  beabsichtigten,  Schlag  4 Uhr  morgens  des  nächsten 
Tages  von  allen  Seiten  aus  den  lläuseni  auf  die  Truppen  los- 
zustürmen. Darum  wurden  die  Schlagwerke  der  Tunuuhreii 
gesjjerrt  und  die  Wachsamkeit  verdoppelt. 

')  Die  bewafi'neto  .Macht  der  Kepublik  bestand  aus  etwa  509  Manu 
zumeist  ausgedienten  österreichischen  Soldaten ; sie  gliederte  sich  in 
die  Miliz  (2  Kompagnien),  die  Polizei  (1  Kompagnie)  und  in  die  Gen- 
«larmerie  (50  .Mann  zu  Pferd,  20  Mann  zu  Fuß). 


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Die  Besetzung  von  Kraknu  lb46. 


225 


Nach  halb  5 Uhr  früh  zeigte  sicli  ein  starker  Insurgenteii- 
haufen  in  der  Szlakowska-iNikt)lai-  iGasse  ; die  Tnippen  wurden 
angeschossen,  erwiderten  das  Feuer  und  schon  nach  der  ersten 
Salve  zogen  sich  die  Aufständischen  zurück.  Ähnliche  Augi'iffe 
wiederholten  sich  an  mehreren  Pimkten  der  Stadt,  wurden 
indes  überall  ohne  Anstrengung  zurückgewieseii.  Mit  Tages- 
anbruch trat  Ruhe  ein  und  nur  in  den  Vorstädten  und  vor 
der  Stadt  blieben  größere  InsurgentenabteiJungen;  der  ge]>lante 
nächtliche  Überfall  war  gescheitert. 

Von  den  in  das  Landgebiet  entsendeten  Konimanden 
erreichte  Leutnant  Potakowski  erst  am  20.  Februar  sein 
Ziel  Jaworzno.  Gerüchte  über  feindselige  Absichten  der 
Insurgenten  mahnten  den  Offizier  zur  Vorsicht.  Kachdem  der 
ihm  beigeordnete  Polizeikomniissär  sich  auf  seinem  Posten 
nicht  eingefiinden  hatte,  setzte  sich  Leutnant  Potakow'ski 
in  einem  Gasthof  in  Jaworzno  fest,  traf  dort  Anstalten  zur 
Verteitiigung,  stellte  Po.sten  aus  und  entsendete  Patrouillen, 
die  auch  tatsächlich  die  Anwesenheit  von  Insurgenten  fest- 
■stellten.  Um  11  Uhr  nachts  griffen  diese,  über  300  Mann  stark, 
die  schwache  Trujipenabteilung  an.  Durch  einen  energi- 
schen Ainsf  all  erzwang  sich  Leutnant  Potakowski  mit  seinen 
Leuten  den  Diu-chbruch  und  zog  sich,  fortwährend  käm[>fend, 
auf  der  Straße  nach  Krakau  bis  Trzebinia  zurück.  Hier  jedoch 
erlag  das  schwache  Detachement  dem  Anjtrall  der  weit  über- 
legenen Gegner  mul  wurde  ganz  zers[)rengt.  Die  Mannschaft 
war  teils  gefallen,  teils  gefangen  und  den  braven  Offizier 
rettete  der  Ortspfarrer  dadurch,  daß  er  ihn  vor  der  zügel- 
losen Menge  bei  sich  verbarg.  Am  gleichen  Tage  erhielt 
auch  Leutnant  von  Hegg  in  Chrzanöw  die  Nachricht,  daß  eine 
In.surgentenabteilung  einen  Überfall  auf  sein  Detachement 
plane.  Er  ließ  sogleich  satteln  und  bezog  nachmittags  außer- 
halb des  Ortes  in  iler  Nähe  eines  größeren  Wirtshauses  eine 
gesicherte  Aufstellung.  Eine  von  ihm  gegen  Chrzanöw  ent- 
sendete Patrouille  wurde  mit  Schüssen  emjtfäugen,  eine 
zweite  von  dem  aufgenommeuen  Wegweiser  in  einen  Hinter- 
halt geführt:  letztere  konnte  sich  nur  durch  die  Schnelligkeit 
ihrer  Pferde  in  der  Richtimg  gegen  Krakau  retten.  A'or 
Chrzanöw  blieb  das  Detachement,  die  Maimschaft  abgesessen, 
neben  den  gesattelten  Pferden  imd  vom  Abend  an  im  Stalle 

Mitteilungen  dea  k.  und  k.  Kriegaarchivs.  Dritte  Folge.  IVMld.  15 


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des  erwähnten  Wirtshauses,  eines  Au^-iöes  gewärtig,  als 
g€'gen  11  Uhr  nachts  die  aiügestellten  Posten  das  Anrücken 
der  Insiu-genten  meldeten.  Leutnant  von  Begg  lieü  aufsitzen 
und  beschloß,  zum  Hoftor  hinaus  sich  durchzuschlagen.  Bei 
dem  nun  folgenden  Angriff  erhielt  der  wackere  Offizier 
mehrere  Schüsse  und  sank,  tödlich  getroffen,  vom  Pfenle. 
Von  seiner  Mannschaft  drang  nur  die  Hälfte  durch ; diese 
stieß  unweit  vor  Krakau  abermals  mit  einer  Insurgentenschar 
zusammen  und  nur  drei  Mann  des  ganzen  Kommandos  nickten 
zu  ihren  Eskatlronen  ein. 

Nicht  viel  besser  erging  es  dem  Leutnant  Bernd  in 
Krzeszowice.  Derselbe  hatte  sich  im  dortigen  Schlosse  ein- 
quaniert  und  wiewohl  ihn  der  beigegebene  Kommissär  sorglos 
zu  machen  versuchte,  dennoch  die  Anordnung  getroffen,  daß 
die  eine  Hälfte  der  Mannschaft  im  Stalle  Bereitschaft  halte, 
wälrrend  die  andere  in  einem  Zimmer  des  Erdgeschosses 
schlief.  Gegen  11  Uhr  nachts  nun  schlichen  sich  etwa 
15  Insurgenten  in  das  Zimmer  der  schlafenden  Mannschaft 
und  überfielen  dieselbe ; die  dabei  gewechselten  Schüsse  waren 
für  die  übrigen  .-Vufrührer  (las  Signal,  um  in  den  Stall  ein- 
zudringen, wo  Tjeutnant  Bernd  mit  der  wachenden  Mannschaff 
sich  befand.  Die  Unmöglichkeit  einer  wirksamen  Verteidigung 
eiusehend,  beorderte  Leutnant  Bernd  die  im  Stalle  ver- 
bliebene Mannschaft  zum  Aufsitzen  und  sprengte,  nachdem 
die  Stalltür  geöffnet  worden  war,  an  der  Spitze  einiger  Reiter 
mitten  auf  den  vor  dem  Schlosse  versammelten  Volkshaufen 
los.  Ein  Kugelregen  emj)fuig  die  mutigen  Chevaulegers, 
doch  gelang  es  ihrem  Führer,  sich  durch  den  ganzen  Ort 
durchznschlagen.  Allein  nur  drei  Reiter  vermochten  ihm  zu 
folgen,  die  übrigen  wurden  gefangen,  da  die  erschreckten 
Pferde  nicht  ans  dem  Stalle  zu  bringen  waren.  Noch  in  der- 
selben Nacht  kam  Leutnant  Bernd,  selbst  schwer  verwundet, 
in  Krakau  an.  um  zu  berichten,  welche  Behandlung  kaiser- 
lichen Soldaten  widerfahren,  die  gekommen  waren,  die  Ruhe 
herzustellen,  in  einem  Lande,  <lessen  Regierung  erst  zwei 
Tage  vorher  den  Dank  für  den  gewährten  Schutz  aus- 
gesjn-ochen  hatte,  deren  Organe  aber  dennoch,  im  offen- 
baren Einverständnis  mit  den  Umstürzlern,  mithalfen,  brave 
Soldaten  meticlüings  zu  überfallen. 


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Die  Desetzang  von  Krakau  1&46. 


227 


Nach  dieser  in  der  Stadt  und  am  Tiande  stürmisch  ver- 
laufenen Nacht  lieli  GM.  Colli n in  Krakau  das  Standrecht 
publizieren.  Scheinbar  trat  Ruhe  ein.  Die  Tnippen  bezogen 
(heselben  Stellungen  wie  am  .\bend  vorher  und  für  den  un- 
günstigsten Fall  wurde  das  von  einer  Infanterie-  und  einer 
Milizkoinpagnie  besetzte  Schloli  „"Wawel”  als  Sammelplatz 
und  Reduit  bestimmt,  sowie  auch  notdürftig  veri)roviantiert. 

Die  Nacht  verging,  ohne  daß  der  erwartete  Angriff'  der 
Insurgenten  eri’olgt  wäre.  Keine  der  ausgesendeten  Patrouillen 
meldete  Neues,  um  so  deutlicher  aber  sjirachen  ilie  Berichte 
der  im  Laufe  des  Tages  i-ückgekehrten  Chcvaidegers  über  die 
Vürtälle  im  Laiiflgebiet. 

Am  22.  Februar  bald  nach  ^Mittag  erhielt  GM.  Collin 
die  Meldung  von  dem  VoiTücken  starker  Insurgentenhaufen 
aus  dem  Landgebiet ; ihre  Existenz  hatten  schon  lüe  tags 
zuvor  eiugetroff'euen  Chevaulegers  [festgesteUt.  Ton  Westen 
längs  der  Weichsel,  von  Norden  auf  iler  Warschauer  Chaussee 
und  von  Osten  auf  der  Ijubliner  Straße  rückten  starke  Haufen 
Bewaffneter  langsam  gegen  Krakau  vor.  Aus  der  Stadt 
stiegen  Raketensignale  empor,  um  den  Anrückenden  ein 
Zeichen  zu  geben,  daß  sie  bemerkt  wurden. 

Die  Residenten  der  Schutzmächte  zogen  sich  nach 
Podgör;te  zurück  und  Hofrat  von  Palmrode  sandte  an 
GM.  Collin  ein  Schreiben,  in  welchem  er  ihm  mitteilte,  daß 
er  das  w'eitero  Verhalten  'ganz  seinem  Ermessen  überlasse. 
Der  russische  Re.sident  schrieb  dem  General,  Tnippen  seines 
Staates  könnten  nicht  vor  einer  AVoche  eintreff'en.  Endlich 
kamen  auch  aus  Galizien  Nachrichten,  die  den  Ausbruch  des 
Aufstandes  meldeten. 

Die  Lage  schien  so  eine  höchst  kritische,  wozu  noch 
der  Umstand  hinzukam,  daß  ehe  Truppen,  worunter  rielo 
Rekruten,  durch  die  wiederholten  Nachtwa<dien  erschöpft 
waren  und  nur  noch  wenig  Munition  besaßen. 

Gewiß  war  es  dem  GM.  Collin  nicht  leicht,  bei  dieser 
Sachlage  einen  endgiltigen  Entschluß  zu  fassen;  natürlich 
dachte  er  zunächst  an  einen  Kampf,  doch  die  tingünstige 
Lage  des  Ringi>latzes,  welcher  von  allen  Seiten  von  hohen 
Häusern  eingeschlossen  war,  die  meist  auch  von  rückwärts 
Eingänge  hatten,  Heß  es  nicht  rätlich  erscheinen,  dort  einen 

l.ö* 


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228 


Jacoben  z. 


feindlichen  Angriff  zn  erwarten.  Auch  von  einem  Vorstoß, 
nach  irgend  welcher  Riclitung  hin.  versprach  sich  der  General 
keinen  grollen  Erfolg  und  hielt  schlielJlieh  die  Eestaetzung 
im  Schlosse  sowie  dessen  liehauptung,  abgesehen  von  der 
tinztireichenden  Infanteriemunition  und  dem  raangehiden 
Proviant,  darum  nicht  für  ratsam,  weil  er  sich  dadurch  von 
Podgdrze  isoliert,  demnach  auch  die  Ausbreitung  des  Aufstandes 
nicht  zu  hindern  vermocht  hätte. 

In  dieser  Hituation  griff  GM.  Collin  zu  dem  bei  solchen 
Anlässen  schon  aus  moralischen  Gründen  wohl  selten  zu 
empfehlenden,  in  dem  vorhegenden  Falle  aber  schwer  zu  recht- 
fertigenden Mittel;  er  beschloß  die  Stadt  zu  räumen.  Da  sämt- 
liche Tru])pen  ohnehin  unter  "Waffen  standen,  wurde  auch 
gleich  abmarschiert.  Die  kleinen  Ilabseligkeiten  der  Offiziere 
und  Mannschaft  blieben  zurück,  weil  es  nicht  angezeigt  schien, 
einzehie  Leute  zu  deren  Abholung  aiistreten  zu  lassen. 

ln  ridiigem  Kolonnenmarsch  rückten  die  Tru])pen  ein- 
schließhch  der  Krakauer  Miliz  um  6 Uhr  abends  durch  die 
Haujit  Straße  über  die  Weichselbi-ücke  nach  Podgor2e.  Hierauf 
wurde  die  aus  Flößen  bestehende  Brücke  durch  Abhauen  der 
Seile  unbenützbar  g(*macht. 

Kaum  hatten  die  Insurgenten  in  der  Stadt  den  Abmarsch 
der  Trup])en  wahrgenommen,  als  sie  aus  ihren  Verstecken 
hervorbrachen  und  unter  Schießen  und  Hunrngeschrei  sich 
der  abgebrochenen  Brücke  näherten.  Bald  war  von  ihnen  das 
linke  Weichselufer  besetzt  und  sogleich  ein  lebhaftes  Klein- 
gewehrteuer gegen  das  jenseitige  Ufer  begoimen,  welches 
von  den  Truppen  nur  schwach  erwidert  wurde,  um  bei  dem 
herrschenden  Dunkel  nicht  zwecklos  die  ohnehin  kargen 
Miuütion.sbestände  zu  verschwenden. 

^lit  ilen  Truppen  zugleich  hatten  auch  sämtliche  Re- 
gieruiigsbeamten  die  Stadt  verlassen.  Die  ruhigen  Bürger, 
welche  jetzt  nicht  ohne  Grund  Plünderungen  und  Exzesse 
befürchteten,  forderten  nunmehr  den  Grafen  .losef  Wod- 
zicki  auf,  die  llegierung  zu  übernehmen.  Dieser  konsti- 
tuierte jedoch  nur  ein  unpolitisches  ,, Sicherheitskomitee'', 
welches  aber  schon  nach  wenigen  Stunden  ein  jähes  Ende 
fand ; in  der  Nacht  waren  nämlich  im  Rathaus  drei 
Insurgenten  in  zahlreicher  Begleitung  erschienen,  welche 


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Dia  Be8etsnn(f  von  Krakaa 


229 


erklärten,  daß  sie  einer  am  24.  Januar  in  Paris  nliRehaltenen 
Sitzunfr  der  „Emigrantenregiernng”  zufolge  mit  den  Regienmgs- 
gpscliäften  in  Krakau  betraut  worden  seien.  Die  neuen  Afac-bt- 
haber  traten  auch  sogleich  in  Funktion  und  ließen  die  Be- 
schlüsse der  ..neuen  Regierung”  in  Form  von  Proklamationen 
lind  Manifesten  bombastischen  Stils  erscheinen. 

Am  23.  Februar  dauerte  das  Geplänkel  an  beiden 
Weichselufeni  ohne  besondere  Wirkung  fort.  GM.  Co  Hin 
ließ  den  Grenzfluß  scharf  bewachen  und  sandte  au  die  in  Mähren 
sich  sammelnden  Verstärkungen  den  Befehl  zur  schleunigen 
Vorrückung.  Wiewohl  aber  die  neue  Regierung  in  Krakau, 
mit  ihrer  Einrichtung  vollauf  beschäftigt,  keinen  Vorstoß  auf 
österreichisches  Gebiet  unternahm,  erschien  dem  österreichi- 
scheu  Befelilshaber  nach  Verlauf  des  Tages  die  allgemeine  Lage 
dennoch  so  ungünstig,  daß  er  die  Räumung  auch  der  wichtigen 
SteUung  von  PodgdrÄe  beschloß.  Zum  Teil  mag  wohl  die 
momentane  Ermüdung  der  Tni[)pen,  raelir  noch  aber  wahr- 
scheitdich  ilie  eigene  körperliche  Abspannung,  welche  den 
alten  Mann  nach  den  Mühen  der  letzten  Tage  und  infolge 
der  fortgesetzten  Nachtwachen  befallen  hatte,  den  General, 
der  zu  selir  besorgte,  daß  der  Aufstand  auch  im  Wadowicer 
Kreise  ausbrechen  und  ihm  dadurch  der  Rückzug  verlegt 
werden  könnte,  bestimmt  haben,  jetzt  zum  zweiten  Male  ohne 
Kampf,  somit  ohne  zwingenden  Grund,  das  Feld  zu  räumen; 
denn  die  Knappheit  der  Munition  und  der  Lebensmittel,  <laun 
die  angebliche  „Ausbreitung  des  Aufstandes  in  der  ganzen 
Gegenii”  rechtfertigen  nicht  genügtuid  einen  Entschluß,  der  den 
lusurgeuteu  den  Einbruch  in  tlas  westliche  Galizien  ge.stattete. 

Trotz  ihrer  Erschöjjfung  traten  die  Truppen  noch  um 
11  Uhr  nachts  den  Rückzug  über  Mogilany  nach  Kalwarya 
an  und  erreichten  die.sen  <)it,  30  Kilometer  von  PodgörÄe, 
nach  einem  anstrengenden  NaLditmarsch  am  24.  Februar. 

Unterwegs  wurden  die  zur  Verstärkung  augerückten 
vier  Kompagnien  des  Infanterieregiments  Schmeliug  Nr.  29 
aufgenommen.  Die  Tnippen  wurden  während  ihres  Marsches 
wiederholt  beschossen  und  bei  Kalwarya  selbst  erhielten  die 
Voqmsten  von  den  sich  zahlreicher  sammelnden  Insurgenten 
mehrere  Gewehrsalven.  Ein  eigentlicher  ,\ngritf  der  Auf- 
ständi.schen  erfolgte  indes  nicht,  vermutlich  deshalb,  weil 


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230 


J a o u b e n K. 


ihnen  das  Eintreffen  von  Verstärkungen  wohl  auch  nicht 
entgangen  war  '). 

Aber  auch  in  Kalwarvn  tiihlte  sich  GM.  Colliu  nicht 
sicher  genug  und  noch  am  Ahen<l  des  24.  Februar  brach  er 
mit  den  marsclifähigsten  Truppen  — 2 Kompagnien.  1 Eskadron 
mid  der  Halbbatterie  — nach  AVadowice  (15  Kilometer  von 
Kalwaryai  auf,  welchen  Ort  er  im  Hinblick  auf  seine  Magazine, 
Kasenien  und  sonstigen  Akzessorien  für  die  Ausrüstung  imd 
Organisation  der  Tnj])pen  als  besonders  geeignet  hielt. 

In  Krakati  hatte  sich  inzwischen  auch  das  neue  Regienmgs- 
triumvirat  nur  einer  kurzen  Herrschaft  zu  erfreuen : dort  war 
in  der  Person  Tyssowskis  ein  Diktator  eingesetzt  worden, 
welcher  in  die  Bewegung  einen  energischeren  Zug  bringen 
sollte.  Derselbe  gab  sogleich  Befeld,  ein  Korps  zu  bilden, 
das  zu  einem  Einfall  in  Galizien  bestimmt  war.  Das  von 
den  Truppen  geräumte  Podgörie  hatten  die  Krakauer  Insur- 
genten, welche  die  Weichsel  auf  Kähnen  übersetzten,  am  24. 
um  die  Mittagszeit  betreten,  während  andere  sich  auf  den 
Weg  nach  Müeliczka  machten. 

Die  Gefechte  von  Gdow  und  Podgörze. 

In  Galizien  war  der  .Aufstand  schon  am  24.  Febniar 
au  dem  blutigen  Widerstand  der  Bauern  und  den  ebenso 
umfassemlen  als  strengen  Alallregeln  der  Behörden  gescheitert. 
Die  Unklarheit  der  Verhältnisse  aber  und  die  Berichte  über 
die  furchtbaren  Ausschreitungen  der  Baueni  gegen  die 
Dominien,  veranlaüten  die  Regierung,  über  .sämtliche ' Kreise 
westlich  von  Ijemberg,  einschließlich  dieser  Stadt,  das  Stand- 
recht  zu  verhängen. 

Der  Gubernialvize])räsident  Leopold  Graf  Lazansky 
war  am  22.  Februar  zur  Wiederherstellung  der  Ordnung  von 
Lemberg  in  die  Provinz  entsendet  worden  tnid  der  General- 

*)  Bei  Knhvarya  wartin  jetzt  versammelt;  14  Kompagnien, 
2 Eskadronen,  */j  Batterie  und  die  Krakauer  Miliz ; zusammen  gegen 
1400  Manu  Infanterie,  ISO  Keiter,  3 Geschütze  und  400  Mann  Milit- 
truppen.  — Die  Verluste  der  Tru])pen  seit  dem  Einmarsch  in  Krakau 
betrugen:  tot:  1 Oflizier  (Leutnant  Ritter  von  Begg)  und  10  Mann;  ver- 
wundet: 1 Offizier  (Leutnant  Bernd)  und  12  Mann;  vermißt:  1 Offizier 
(Leutnant  Potakowski)  und  39  Mhnn. 


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Die  Besetzan^  vod  Krakau  1846. 


231 


kommaiido- Adjutant  Oberstleutnant  von  Benedek  erhielt  die 
Weisung,  sich  weiter  westwärts,  in  das  an  den  Freistaat 
Krakau  grenzende  Gebiet,  zu  begeben.  Benedek  befand  sich 
am  24.  Febniar  eben  in  Tamöw,  als  ihm  die  Nachricht  von 
der  Räiunung  Podgorstes  imd  dem  Vordringen  der  Krakauer 
Insurgenten  gegen  Wieliczka  zukam.  Mit  gröbter  Besclüeu- 
uigtmg  eilte  er  nach  Bochnia,  wo  ihm  unterwegs  schon 
Flüchtlinge  begegneten,  mid  traf  daselbst  im  Kreisamt  um 
10  Uhr  abends  ein,  gerade  als  die  Spitzen  der  Zivil-  und 
Militärbehörden  versammelt  waren  und  auch  schon  die 
Räumimg  dieses  Ortes  definitiv  beschließen  wollten.  Benedek 
erfuhr  hier,  daß  größere  Insurgentenhaufen  aus  Krakau  im 
Anzug  seien,  daß  die  aus  zwei  Kompagnien  bestehende  Gar- 
nison von  Wieliczka  sich  vor  ihnen  znrückgezogen  habe,  die 
1200  Grubenarbeiter  von  Wieliczka  bereits  zu  den  Aufständi- 
schen übergetreten  und  jene  von  den  Salinen  in  Bochnia, 
etwa  an  400  an  Zahl,  ebenfalls  durchaus  unverläßlich  wären. 
Eine  weitere  Gefahr  erbhckten  die  geängstigten  Behörden 
in  den  zahlreichen,  im  Orte  nur  notdürftig  tintergebrachten 
pobtischen  Häftlingen;  sie  besorgten,  daß  unter  diesen  Um- 
ständen schon  beim  ersten  Auftauchen  der  Insurgenten  gewiß 
der  allgemeine  .Aufstand  ausbrechen  und  ein  geordneter 
Rückzug  sodann  nicht  mehr  möglich  sein  würde. 

Oberstleutnant  Benedek  teilte  diese  Befürchtungen 
«iurchaus  nicht;  er  hatte,  aus  Mittelgalizien  kommend,  überall 
wahrgenommen,  daß  der  Aufstand  an  dem  bäuerlichen  Wider- 
stand gescheitert  war  und  hoö’to,  auch  hier  durch  energisches 
Eingreifen  die  Ordnung  ehestens  herzustellen.  Er  statuierte 
in  Bochnia  sogleich  ein  ,, absolutes  Mditän-egime”  ‘)  und  traf 
umfassende  Anstalten  zur  Ünterdriickung  der  Bewegung.  Noch 
vor  Mitternacht  wurde,  ein  Feldwebel  an  den  (iM.  Co  Hin  mit 
der  Aufforderung  abgefertigt,  aucli  seinerseits  bei  dem  für 
den  26.  Februar  beabsichtigten  Angrift'  auf  Wieliczka  mit- 
zuwirken. 

Am  25.  Februar  wurden  die  Vorbereitimgen  zum  Marsche 
gegen  Wieliczka  getroffen,  Kundschafter  dahin  abgeschickt, 
Munition  an  die  Truppen  verteilt,  die  eingerückten  Urlauber 


')  Nachträglicher  Bericht  Benedeks,  d.  d.  Lemberg,  15.  März  1S4B. 


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232 


Jaenbens. 


<>ingereiht  und  die  TUirgenniliz  von  Boehnia  — etwa  130  Mann 
— von  Oberstleutnant  Benedck  gemustert.  Durch  den 
Kreisvorsteher  von  Bochnia  erging  ferner  an  die  in  der 
TJichtnng  gegen  \Vieliczka  gelegenen  Oeraeinden  der  Aufruf, 
dati  jeder  Mann,  der  sich  der  VoiTückung  gegen  M’ieliezka 
anschlieUe,  einen  Zentner  Salz  bekommen  werde  und  daÜ  tur 
jeden  lebeiul  und  gesund  eingebrach ten  Insurgenten  eine 
Belohnung  von  fünf  Onlden  ausge.setzt  sei  *). 

Am  Nachmittag  langte  von  OM.  Collin  die  .\ntwort 
ein,  wonach  der  Mangel  an  Munition  und  die  Erschöjdung 
seiner  Truppen  ihm  es  noch  nicht  gestatten,  an  dem  für  den 
2(i.  geplanten  Uiiteniehmen  mitzuwirken.  Die  ausgeseudeten 
Kundschafter  aber  meldeten.  daU  sich  in  M^ieliezka  gegen 
ßOO  Insurgenten  befänden.  ..meist  unansehnliches  Oesindel 
zwar,  welches  jedoch  durch  den  ausgeübten  Terri.irismus  sich 
allmählich  verstärke”. 

Ungeachtet  dessen  blieb  Bejiedek  bei  seinem  EntschluÜ 
und  lieh  noch  in  der  Nacht  vier  C’hevaulegerapatrouilleu 
abgehen,  welche  den  .Aufruf  des  Kreisvorsteher.s  verteilen 
und  den  betreffenden  Landleuten  als  Führer  dienen  soUti-n. 

OM.  Collin  hatte  indessen  zur  Festhaltung  der  Straße 
AVadowice — PodgArüe  nur  das  aus  Mähren  zur  Verstärkung 
eingetroffene  Bataillon  des  Infanterieregiments  Nr.  2S)  (zwei 
Kompagnien  desselben  standen  bereits  in  Kalwaryai  und 
eine  halbe  Eskadron  Chevaulegers  von  AVadowice  auf  der 
genannten  Straße  vorgeschoben,  alle  übrigen  Truppen  aber 
zu  ihrer  Ergänzung  und  Ausrüstung  nach  AV^adowice  gezogen. 
Das  Ansuchen  Benedeks  blieb  einstweilen  unerfüllt,  woran 
übrigens  auch  das  am  selben  Abend  in  AA'adowice  ertblgte 
Eintreiien  des  neueniannten,  auf  der  Durchreise  nach  Lemberg 
befindlichen  Divisionärs,  FAIL.  Oraf  Castiglioue,  nichts 
änderte  *j. 

’)  Die  in  der  Folge  sowohl  im  Lande  Galizien  als  auch  im  Parla- 
ment erhobene  Beschuldigung,  daß  die  kaiserliche  Eegicrnng  auf  die 
Tötung  jede«  Insurgenten  eine  Prämie  ausgesetzt  habe,  gehört,  sofern 
es  sich  um  die  oben  erwähnte  A’erfiigung  handelt,  in  das  Eeich  der 
Fabel;  der  Bericht  Benedeks  vom  15.  März  18-16  spricht  sich  darüber 
klar  und  deutlich  aus. 

•)  Welchen  F.influß  FML.  Graf  Castiglioue  diesfalls  genommen, 
ist  nicht  sicher  festzustellen,  nur  soviel  ist  ersichtlich,  daß  er  in  den 


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Die  liesetxung  von  Kraknu  l&tö. 


233 


Von  Wien  aus  wurde  unterdessen  auf  die  Naeliricht  <ler 
Besetzung  von  Krakau  die  Absendung  weiterer  Verstärkungen 
aus  Mähren  i3  Bataillone  Infanterie,  3 Eskadronen  Chevau- 
legers und  2 Batterien)  und  auf  die  tmheilvolle  Botschaft 
vom  Uückzug  Collins,  noch  am  25.  Februar  die  AufsteUiiug 
eines  Korjts  von  12.000  bis  15.000  Mann  zur  Oiteration  gegen 
Krakau  anbefohlen. 

Oberstleutnant  Benedek  war,  nach  dem  Vorange- 
schickten. vorläufig  bloß  auf  die  geringen  ihm  zu  Gebot 
stehenden  Kräfte  angewiesen.  Am  26.  FeViinar,  halb  7 Uhr 
früh,  marschierte  er  mit  der  1.,  2.  und  5.  Feld-  und  der 
4.  Laudwehrkompagnie  des  Infanterieregiments  Nugent  Nr.  30. 
dann  iVi  Eskadronen  des  Chevaulegersregimeuts  Kaiser  Fer- 
dinand Xr.  1 — insgesamt,  einschließlich  der  schon  in  der 
Nacht  abgefertigten  Patrouillen  327  Mann  Infanterie  und 
155  Heiter  — von  Bochnia  nach  Wieliczka  ab.  ln  Bochnia 
verblieben  gegen  200  Mann,  denen  im  \'erein  mit  der  Bürger- 
miliz die  Sicherung  der  Stadt  und  die  Bewachung  der  zahl- 
reichen {)olitischen  Häftlinge  übertragen  wurde. 

.\ls  die  Kolonne  Benedeks  in  KsiaÄnice  am  Rabafluß 
eingetrolfeu  war,  von  wo  aus  über  einen  langgestrecktem 
Rücken  der  kürzeste  Weg  nach  Wieliczka  eingeschlagen 
werden  sollte,  brachte  einer  der  in  iler  Xacht  abgeschickten 
Chevaulegers,  ein  Beutepferd  an  der  Hand,  die  Meldung,  daß 
die  Krakauer  Insurgenten  von  Wiidiczka  auf  fler  Straße  gegen 
tnldw  in  der  Vorrückung  liegi-iffen  seien,  daß  die  Chevau- 
legers mit  ilen  aufgebotenen  Bauern  den  Insurgenten  bereits 
im  Kampfe  gegenübergestanden  wären,  deren  Vurrücken  jedoch 
nicht  zu  hindern  vermocht  hätten,  weil  die  Bauern  vor  den 
mit  Feiiergewehren  bewaffneten  Gegneni  Furcht  zeigten. 


folgenden  Tagen  die  Brigade  Collin  bei  ihrer  AViedervorrückuiig  gegen 
Podgörie  begleitet,  dann  aber  seine  Reise  ' nach  Lemberg  l'ortgoseizt 
hat.  In  einem  Bericht  des  zum  Kommandanten  des  Expeditionskorps 
gegen  Krakau  mit  2.5.  Februar  1846  ernannten  FML.  Grafen  Wrbna  an 
den  Hofkriegsrat  (der  Bericht  trägt  kein  Datum,  dürfte  aber  von  Krakau 
am  8.  März  1846  abgegangoii  sein),  in  welchem  sich  W rbna  über  Collin 
sehr  ungünstig  ausspricht,  ist  unter  anderem  auch  der  Passus  ent- 
halten: ,,Denu  er  [Castiglione],  nicht  General  Collin,  leitete  den 
Angriff  auf  PodgörZe.” 


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234 


Jaoubens. 


Olierstleutnant  Benedek  beschloß  nunmehr,  sich  gegen 
Gdöw  zu  wenden.  Auf  dem  Weitemiarsch  dahhi  wurde  bekaimt. 
daß  die  Insurgenten,  gegen  600  Mann  stai'k.  in  üdöw  stehen 
gebüeben  seien.  Die  aufgebotenen  Baueni,  etw'a  400.  wurden 
eine  halbe  Meile  vor  Gd6w  angetroflen  und  der  Truppen- 
kolonne  angeschlos.sf*n,  welche  sich  diesem  Orte  ungehindert 
näherte.  Di»»  dahin  führende  breite  Straße  war  etwas  aufgetaut, 
aber  gut  benützbar,  die  angrenzenden  Felder  hingegen  stark 
aufgeweicht  und  nur  für  Infanterie,  dann  durch  einzelne  Reiter 
unter  Vorsicht  zu  betreten.  Der  Ort  Gdöw  war  zu  einer  hart- 
näckigen Verteifligung,  tvofür  übrigens  die  Insurgenten  keine 
A'orbereitnngen  getroffen  hatten,  wenig  geeignet.  Die  Orts- 
li.siere  sprang  gegen  Osten  in  einem  spitzen  Winkel  vor  und 
bestand  durchwegs  aus  kleinen,  schlecht  gebaut*»n,  daher  nicht 
verteidigungsfähig»»!!  Häusern.  Auch  war  für  den  Verteidiger 
noch  der  weitere  I^mstan»!  nicht  g^iuistig,  daß  seine  Rückzugs- 
linie — che  Straße  über  Wieliczka  nach  Krakau  — in  der  Ver- 
längerung seines  linken  Flügels  lag.  Von  den  Insurgenten  war 
nur  ungefähr  »lie  Hälfte  mit  Gewehren  bewaffnet  und  ihre 
Reiterei  konnte  infolge  des  stark  aufgeweichten,  von  kleinen 
Rinnsalen  durchzogenen  Bodens  zu  keiner  Wirkung  kommen. 
Sie  stand,  gegen  100  Reiter  stark,  nördlich  des  Ortes,  auf 
der  Straße  nach  Wieliczka.  Das  Gros  der  unberittenen  Insur- 
genten hatt»»  sich  in  den  Häuseni  des  Ostrandes  und  in  den 
Gass<‘ii  von  Gdöw  verdecjkt  aufgestellt. 

Kurz  nach  10  Uhr  vormittags,  etwa  1200  Schritt  von 
Gdöw  entfernt,  »»fließ  Oberstleutnant  Benedek  den  Befehl 
zum  Angriff  auf  diesen  Ort.  Ein  Zug  der  5.  Kompagnie 
mit  einigen  Chevaulegers  und  sämtlichen  Bauern  unter 
Kommando  des  Leutnants  Hoffmann  hatte  auf  die  nördlich 
der  Anmarschstraß»»  stehenden  berittenen  Insurgenten,  s»)mit 
gegen  die  Rückzugslinie  der  Verteidiger,  v»>rzugehen.  Auf 
und  neben  »ier  Straße  nach  (Idöw  rückte  ein  Zug  Chevauleg»»rs 
als  Vorj^)atr»juille  bis  auf  zirka  400  Schritt  gegen  den  Ort  vor 
und  zog  sich  »lann  in  nördlicher  Ricditung  näher  an  die 
Gruj)j)e  des  Leutnants  Hoffmann:  hinter  den  Chevaul»»gers 
marschiert»»!!  auf  der  Straße  die  1.,  2.,  dann  der  R»»st  der 
ö.  Feld-  und  die  4.  Lanilwehrkomjuignie  von  Xr.  30,  hierauf  die 
übrigen  Reitc»r.  Mit  Rücksicht  auf  den  beschwerlichen  Weg 


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Die  Besetzung  von  Krakau  181Ö. 


235 


wurde  der  Abteilung  des  Leutnants  Hoff  mann  ein  ent- 
sprechender Torsprung  gegeben. 

Als  nun  vor  Gd6w  die  Chevaulegers  der  Vorpatrouille 
die  Front  räumten,  entwickelte  sich  die  1.  Kompagnie  zum 
Gefecht  und  ging,  in  Kette  formiert,  feuernd  gegen  den  Ort 
vor,  aus  welchem  die  Insurgenten  das  Feuer  nur  schwach  und 
gänzlich  iinwirksam  erwiderten.  Als  dann  auch  die  Abteilung 
lies  Leutnants  Hoffmann  dem  Orte  ziemlich  nahe  gekommen 
war,  stürmte  die  1.  Kompagnie  den  östlichen  Ortsrand,  der 
beim  ersten  Ajüauf  erreicht  und  vom  Gegner  geräumt  wurde. 
Xunmehr  ergriffen  auch  die  berittenen  Insurgenten  die  Flucht, 
wobei  sie  von  der  Abteilung  des  Leutnants  Hoffmann 
beschossen  wurden.  Die  Bauern,  dies  bemerkend,  di’ängteu 
jetzt  „wie  Geier  vor,  stritten  sich  um  die  ßeutepferde,  fielen 
über  die  herabgeschossenen  Heiter  her  und  umstellten 
[maskierten]  so  die  in  einem  Hohlweg  gut  ])ostierte  Infanteiie 
des  Leutnants  Hoffmann,  wodurch  die  Flucht  der  sich  gegen 
Wiehczka  wendenden  Reiter  begünstigt  wurde  *}”. 

Beim  weiteren  Vordringen  in  den  Ort  wurde  die 
1.  Kompagnie  aus  einigen  Häusern  beschossen.  Darum  ward 
die  2.  Kompagnie  herangezogen,  welche  während  ihres  Vor- 
marsches alle  Häuser  von  Gdöw  durchsuchte.  Die  übrigen 
Tmppen  folgten  auf  der  Hauptstraße  durch  den  Ort  nach. 
Schließlich  drangen  auch  die  Bauern  in  Gdöw  ein  und  ,, er- 
schlugen alles,  was  verwundet  oder  feig  die  Waflen  streckte;  nur 
mitMühe,  Geld  und  guten  Worten,  konnte  ich  einigen 
jungen  Burschen  das  Leben  retten,  aber  es  war  keine 
Zeit,  sich  viel  damit  zu  befassen”.  Während  des  Kampfes  im  Orte. 
..der  eigentlich  ein  Gemetzel  war”,  hatte  Leutnant  Hoffmann 
die  Straße  nach  Wieliczka  gewonnen  und  gegen  50  flüchtende 
Iu.surgenten  gefangengenommen.  Die  Tru])pen  hatten  keijierlei 
Verluste  erlitten,  nur  zwei  Mann  wurden  anfangs  vermißt, 
die  sich  aber  später  wieder  einfanden.  Ein  schon  des  Morgcms 
verwundeter  und  von  den  Lisurgmifen  gefangengenommener 
Chevauleger  wurde  bei  der  Einnahme  des  Ortes  befreit.  Von  den 
Bauern  sind  mehrere'im  Handgemenge  verwundet  worden  : sie 
hatten  Uber  150  Insiu-genten  erschlagen,  die  Toten  sodann  aus- 

*)  Bericht  des  Oberstleutnants  Benedek. 


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236 


.1  a o a b e n X. 


geplündert,  ja  selbst  vei-stümmelt.  (legen  60  Gefangene,  zumeist 
verwundet,  wurden  eingehracht,  endlich  zwei  Insurgenten- 
falineii,  mehrere  Hagagewagen,  viele  Watten  und  einige 
Pferde  erbeutet,  doch  diese  größtenteils  den  Hauern  überla.ssen. 

Nach  einer  halbstündigen  Käst  wurde  der  Marsch  auf 
der  Straße  nach  \\'ieliczka  fortgesetzt.  Eine  Schar  von  luigetäbr 
50  berittenen,  gegen  .Myslenice  versprengten  Insurgenten, 
zeigte  sich  kurze  Zeit  im  Kücken  iler  Truppen,  wagte  aber 
keinen  Angritt’.  Die  Bauern,  die  doch  nichts  anderes  teten, 
,.als  daß  sie  unsere  Gefangenen  erschlugen  und  jilünderten’’. 
verliefen  sich  bald  mit  ihrer  Heute;  nur  etwa  .50  derselben 
durchsuchten  die  Häuser  an  der  Straße  und  begleiteten  füe 
Trupjien,  welche  — mit  den  Insurgenten  in  der  Mitte  — nach 
3 Uhr  nachmittags  in  Wieliczkn  einrückten.  Am  Ortseingang 
wurde  die  Kolonne  von  der  Musik  der  Bergleute  emjtfangen. 
die  aber  Bene  de  k ,.alsogleich  in  den  erstbesten  Stall  ein- 
speiTen  ließ,  weil  sie  zwei  Tage  zuvor  den  Insurgenten  jubehid 
entgegengezogen  war’’.  Auf  dem  Stadt[>latz  wurde  aiifmarschiert 
und  der  Bürgermeister  vorgerufen.  Mehrere  hundert  aus  ilem 
Sensendepot  der  Insurgenten  in  Wieliezka  bewatthete  Bauern 
hatten  sich  ebenfalls  eingefunden,  ebenso  rückten,  gleichzeitig 
mit  der  llaupttru])pe,  die  übrigen  zwei  noch  in  der  Nacht 
ausgesendeten  Chevaulegers])atrouillen,  aus  der  Kichtung  von 
Podgnrze  kommend,  in  Wieliezka  ein. 

Diese  Keiter,  26  an  der  Zahl,  waren  von  Bochnia  über 
Niepoloniice  und  Targowisko,  nördlich  an  Wieliezka  vorüber, 
gegen  die  Straße  Wieliezka — PodgörÄe  vorgegangen  uml 
auf  etwa  60  bis  80  berittene  Insurgenten  gestoßen : beide 

Patrouillen  vereint  unter  Kadett  von  Brzoski,  griflen  die 
Insurgenten  sofort  an,  warfen  und  vert'olgten  dieselben  bis 
halbeuwegs  na(  h Podgörze,  worauf  sie  einrückten. 

In  Wieliezka  traf  nunmehr  Oberstleutnant  Benedck 
Anordnungen  hijisichtlich  der  Verptteg-ung  und  Unterbringung 
der  Truppen.  Auf  dem  Hauptplatz  blieb  nur  ein  kleines 
Kavalleriej)ikett  und  auf  der  Hauiüwache  eine  hallie  Kompagnie 
in  Bereitschaft.  Benedek  begab  sich  sodann  in  das  Schloß, 
wo  er  den  dort  versammcdteii  Salinen-  und  Magistratsbeamten 
kategorisch  und  schonungslos  ihr  illoyales  Verhalten  vorhielt. 
Während  dieser  Versammlung  fielen  aus  einem  Hause  am 


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Die  Besetsung  von  Krakau  164Ö. 


237 


Hauptplatz,  wo  sich  wahrscheinlich  betrunkene  Insurgenten 
versteckt  hatten,  einige  Schüsse.  Leutnant  Hol'fmann  und 
mehrere  Chevaulegers  drangen  sofort  in  das  betreffende  Haus 
ein,  wobei  vier  Insurgenten  erschossen  wurden.  Dieser  Voiffall 
steigerte  ungemein  die  Aufregung  der  anwesenden  Baueni, 
welche  gleich  die  Stadt  jilündern  wollten.  Nur  das  abermalige 
besonnene  Eingi'eifen  Benedeks  verhütete  größeres  Unheil.  Er 
heß  sogleich  alle  Ortsrichter,  Beisitzer  undWortiuhrer  derLand- 
leiite  zu  sich  berufen,  ermahnte  sie  zur  Buhe  und  forderte  die- 
selben auf,  nunmehr  nach  Haus  zu  gehen,  datür  anderen  Tages 
gemeindeweise  und  mittels  Namensverzeichnisses  beim  Kreis- 
hauptmaiui  in  Bochnia  ]>er  Mann  einen  Zwanziger  in  barem 
beide  und  die  Anweisungen  auf  das  versprochene  Salz  zu  holen. 
AVirksam  unterstützt  von  dem  anwesenden  Finanzoberkommissär 
.Jani.szewski  und  anderen  Notabein  gelang  es  Benedek  auf 
diese  Weise,  „hie  und  da  mit  etwas  Geld  nachhclfend,  die 
ganz  wild  aufgeregte  Horde  zur  Buhe  zu  bringen  und  sie 
nach  und  nach,  in  beiläufig  l’/s  Stunden,  aus  der  Stadt  zu 
weisen,  ohne  daß  Plünderung  oder  E.xzesse  geschehen  wären, 
obgleich  die  meineidige  Stadt  Wieliczka  es  verdient  hätte,  einige 
Stunden  geplündert  zu  werilen”.  Die  folgende  Nacht  verlief 
ndiig  und  die  Truppen  konnten  sich  ungestört  von  den 
überstandeuen  Anstrengungen  erholen;  sie  hatten  trotz  Gefecht 
und  großer,  beschwerlicher  Marschleistung  nicht  einen  Maroden. 

GM.  Co  Hin  in  Wailowice  hatte  inzwischen  durch 
Entsendung  von  Streifkommanden,  Aufhebung  von  Watfen- 
depots,  Arretiening  verdächtiger  Personen  und  sonst  an- 
gemessene Maßregeln  das  Gebiet  süllwestlich  Krakau  gegen 
den  Ausbruch  eines  Aufstandes  gesichert.  Nachdem  sich  die 
Tnippen  rasch  wieder  erholt  hatten,  mir  Munition  ver- 
sehen wurden.  Verstärkungen  eintrafen  und  weitere  binnen 
kurzem  zu  erwarten  w'aren.  wurde  der  schleunige  Wieder- 
vormarsch gegen  Podgorze,  von  den  Trupjxm  schon  mit 
l.ngeduld  erw'artet.  um  so  rascher  beschlossen,  als  Colliii 
ja  auch  den  Obei’stleutnaut  Benedek  im  Vormarsch  von 
Bochnia  wußte.  ,,Eine  gi'oße  Anzahl  von  Verwandten  der 
Soldaten  von  Fürstenwärther-Infanterie  iNr.  56,  Ergänzungs- 
bezirk Wadowice^  hatte  sich  um  die  Kaserne  cingefundeu: 
kein  Zagen,  keine  Klage  wurde  laut,  der  freudigste  Iffut 


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238 


Jacnbens. 


belebte  aUe  und  von  allen  Trujipenteilen  wurde  ich  gebeten, 
sie  nicht  zurüokzulassen 

Fast  zur  selben  Zeit,  als  Benedek  von  Gdöw  gegen 
Wieliczka  aufbrach,  um  2 Uhr  nachmittags  des  26,  Februar, 
marschierte  GM.  Collin  von  M’adowice  ab.  Die  erste 
Truppenstati'el  bestand  aus  dem  3.  Bataillon  des  Infanterie- 
regiments Für.stenwärther  Nr.  56,  1 Eskadron  des  Chevau- 

legersregiments Kaiser  Ferdinand  Nr.  1,  ’/s  Batterie  und  der 
Krakauer  Miliz.  Derselben  sollten  anderen  Tages  das  Laml- 
wehrbataillon  des  Infanterieregiments  Hochenegg  Nr.  20  und 
eine  weitere  Eskadron  des  genannten  Chevaulegersregiment« 
tljlgen.  Unterwegs  begegnete  man  zahlreichen  gefangenen 
Insurgenten,  die  von  Bauern  zum  Kreisamt  nach  Wadowiee 
eskortiert  wurden.  Wiederholt  kam  es  vor,  dall  die  Bauern 
schon  von  der  Feme  die  'J’rnijpen  mit  dem  Kufe  begiiißten: 
,,Es  lebe  der  Kaiser,  wir  sind  Galizianer,  keine  Polaken!” 
In  Kalwarya,  Izdebnik  und  ^logilany  wtirde  genächtigt. 

In  Krakau  war  mittlerweile  infolge  der  Untätigkeit  des 
Diktators  von  einigen  der  Hitzigsten  unter  den  Revolutionären 
die  Absetzung  Tyssowskis  beschlossen  worden.  Frühmorgens 
des  26.  Februar  ward  er  in  seinem  Zimmer  überfallen  und 
zur’Abdankung  genötigt,  die  auch  gleich  öfFenthch  kundgetan 
wurde.  ,\lsbald  widerrief  jedoch  Tyssowski  diesen  Ver/iclit 
auf  die  Macht  und  ließ  nun  seinerseits  Plakate  mit  der 
Kundmachung  anschlagen,  daß  er  den  Führer  der  Unzu- 
friedenen dem  Kevolutionstribunal  übergehe. 

Diese  AVirren,  sowie  die  Berichte  einiger  dem  Gemetzel 
von  Gdöw  Entkommenen,  trugen  nun  nicht  wenig  zur  Herab- 
stimmung der  ersten  Begeisterung  bei  und  hatten  zur  nächsten 
Folge,  daß  Oberstleutnant  Benedek  in  Wiehczka  unbelästigt 
seine  weiteren  JInßnahmen  zur  Wiederherstellung  der  •Ord- 
nung treffen  und  auch  durchführen  konnte. 

Am  27.  Februar,  7 Uhr  früh,  erhielt  Benedek  von 
GAl.  Collin  die  Nachricht,  daß  letzterer  noch  am  selbeti 
Tagt'  gegen  Podgörie  vttrrüeken  werde  und  machte  sich  zur 
Unterstützmig  dieses  Angriffes  mit  einer  Komjtagnie  und  einer 

')  Nachträglicher  Bericht  des  GM.  von  Collin,  d.  d.  Bochuia, 
31.  März  1846. 


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Die  Besetxung  von  Krakftu  1816. 


239 


halben  Eskadron  sogleich  auf  den  Weg  gegen  den  genannten 
Ort.  Etwa  1000  Schritte  vor  demselben  hielt  er  an ; hier  er- 
fuhr er,  daß  die  Insurgenten  auf  den  Höhen  von  Podgörze 
Posten  aufgestellt  hatten,  Kundschafter  meldeten  ferner,  der 
Ort  sei  wohlbesetzt  und  zur  Verteidigung  hergerichtet.  Als 
aber  bis  halb  5 Uhr  nachmittags  von  der  Vorrückung 
Collins  noch  immer  nichts  wahrzunehmen  war,  trat  Benedek 
wieder  den  Rückmarsch  nach  Wioliczka  an,  wo  er  abends 
eintraf  und  nun  auch  mehrere  rasch  aufeinander  folgende 
Kanonenschüsse  aus  der  Richtung  von  Podgörze  vernahm, 
sodann  in  der  Nacht  Kunde  von  der  Einnahme  dieses  Ortes 
durch  die  kaiserlichen  Truppen  erhielt. 

Der  Diktator  in  Krakau  hatte  unterdessen,  um  die  Scharte 
des  vorhergegangenen  Tages  auszuwetzen  und  Wieliczka 
wieder  zu  gewinnen,  eine  neue  Expedition  dahin  beschlossen, 
für  dieselbe  jedoch  infolge  der  mangelhaften  Organisation 
und  der  geringen  Begeisterung  keine  genügende  Anzahl  von 
Teilnehmern  gefunden.  Da  aber  doch  etwas  geschehen  mußte, 
um  auf  die  erregte  Landbevölkerung,  der  man  allein  die 
Niederlage  bei  Gdöw  zuschrieb,  einzuwirken,  beschloß  man, 
auf  den  frommen  Sinn  der  Landleute  bauend,  eine  kirchliche 
Prozession  mit  Fahnen,  Kreuzen  und  Reliquien,  unter  mög- 
lichst zahlreicher  Beteiligung  der  Geistlichkeit,  nach  Wieliczka 
zu  entsenden.  Der  Diktator  berief  die  Geistlichkeit  zu  sich 
und  forderte  sie  auf,  bei  der  Bekehrung  der  blutdürstigen 
Bauern  mitzuwirken.  Die  Sache  schien  zwar  bedenklich,  den- 
noch sagten  die  Geistlichen  schließlich  ihre  Teilnahme  zu, 
unter  der  Bedingung,  daß  Bewaffnete  die  Prozession  begleiteten. 
Von  einer  großen  Menge  umgeben,  zog  nun  die  Prozession, 
fromme  Lieder  singend,  um  die  Mittagsstunde  über  die  Brücke 
nach  Podgörze,  wo  ein  mehrstündiger  Halt  gemacht  wurde, 
um  die  dortige  Bevölkerung  für  die  Sache  der  Insurgenten 
zu  begeistern.  Hierauf  wurde  der  Marsch  nach  Wieliczka 
fortgesetzt.  Ein  Insurgentenführer,  in  Bauerntracht  verkleidet'), 
das  Kreuz  in  der  Hand,  schritt  an  der  Spitze  des  Zuges. 
Ungehindert  ward  an  der  Straße  nach  Wieliczka  die  Stelle 
erreicht,  wo  noch  kurz  vorher  Benedek,  mit  seiner  schwachen 


‘)  Der  Emissär  Eduard  Dijbowski. 


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240 


J aoubess. 


Abteilung  vergeblich  wartend,  gestanden  war,  als  die  über- 
raschende Nachricht  einlief,  daß  kaiserliche  Trappen  im 
Rücken  Podgor^e  angriffen.  Die  Prozession  trat  jetzt  zwar 
schleunigst  den  Rückweg  nach  Krakau  au,  doch  war  es  zu 
spät,  um  über  die  Weichselbrücke  zu  entkommen. 

In  der  Vorrückung  gegen  PodgorZe  hatte  GM, 
Collin  um  die  Mittagszeit  Mogilany  passiert.  Abermals  be- 
gegnete man  gefangenen  Insurgenten  und  an  der  Straße 
standen  zahlreiche  bewaffnete  Bauern,  welche  sich  den  Truppen 
anschlieUen  wollten,  was  jedoch  General  Collin  nicht  ge- 
stattete. Bei  Borok,  vier  Kilometer  vor  PodgörZe,  stieß 
die  Kolonne  auf  eine  feindliche  Reiterpatrouille,  welche 
jedoch  eilig  davonritt.  Gegen  5 Uhr  nachmittags  langte 
die  Kolonne  vor  PodgörZe  an,  das,  eingelaufenen  Nach- 
richten zufolge,  von  den  Insurgenten  zur  Verteidigung  her- 
gerichtet war. 

Einschließlich  der  während  des  Marsches  anfgenommenen 
fünf  Kompagnien  des  Infanterieregiments  Schmeling  Nr.  29 
(eine  Kompagpiie  davon  war  zur  Sicherung  der  Marschlinie 
bei  Myslenice  zurückgelassen  worden)  standen  dem  GM. 
Collin  ungefähr  1500  Mann  Infanterie,  100  Reiter  imd 
3 Geschütze  zur  Verfügung  *).  Der  Westeingang  von  PodgorZe 
lag  in  einem  Defile,  gebildet  einerseits  durch  die  zur  Zeit 
stark  angeschwollene  Weichsel,  andererseits  durch  einen  un- 
gefähr 1000  Schritt  langen,  steil  abfallenden  Bergrücken  von 
50  bis  70  Meter  relativer  Höhe.  Gleich  an  dem  etwa  200  Meter 
breiten  Ortseingang  befand  sich  die  feste,  zur  Verteidigung 
geeignete  und  auch  hergerichtete  Hauptkaseme ; dahinter  die 
Ortschaft  selbst,  deren  massiv  gebaute  Häuser  auf  dem  Haupt- 
])latz  und  an  der  zur  Weichsel  brücke  führenden  Straße  als 
zweite  Verteidigungsstellung  von  den  Insurgenten  ebenfalls 
hergerichtet  worden  waren. 

Die  Rückzugslinie  der  Insurgenten  über  die  Brücke  lag 
in  der  Verlängerung  ihres  rechten  Flügels,  war  somit  für  die- 
selben nicht  besonders  günstig. 

*)  5 Kompagnien  des  lufanteneregimcnts  Nr.  29,  4 Kompagnien 
des  Infanterieregiments  Nr.  f)(j,  1 Eskadron  des  Chcvaulegersregiments 
Nr.  1,  eine  halbe  Batterie  und  die  Krakauer  Miliz. 


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Die  Besetznnf^  von  Krakan  1819.  241 

GM.  Collin,  mit  der  Örtlichkeit  wohlvertraut  und  wissend, 
wie  sich  die  Insurgenten  eingerichtet  hatten,  erteilte  unver- 
züglich den  Befehl  zum  Angriff. 

Hiernach  hatte  die  13.  Kompagnie  des  Infanterieregiments 
Fürstenwärther  Nr.  56  die  südliche  Einschließungshöhe  zu 
ersteigen  und  längs  deren  Bandes  vorzurücken,  die  16.  Kom- 
pagnie desselben  Begiments  auf  einem  Nebenweg  längs  des 
Fußes  dieser  Anhöhe  zwischen  dieser  und  der  Kaserne,  die 
14.  Kompagnie  auf  der  Hauptstraße  gegen  Podgörlte  vorzu- 
gehen, die  15.  Kompagnie  aber  mit  einer  halben  Eskadron 
Chevaulegers  als  Unterstützung  zu  folgen. 

Eine  Kompagnie  des  Infanterieregiments  Schmeling 
Nr.  29  und  eine  Abteilung  der  Krakauer  Miliz  wurden  als 
linke  Flankendeckung  entlang  der  Weichsel  dirigiert.  Als  all- 
gemeine Direktion  war  der  Hauptplatz  — die  Hauptstellung 
der  Insurgenten  — bestimmt  und  angeordnet,  daß  die  übrigen 
4 Kompagnien  von  Schmeling-Infanterie,  Vj  Eskadron  und 
2 Geschütze  als  Unterstützung  den  angreifenden  Abteilungen 
unmittelbar  nachrücken,  die  Miliz  samt  der  Gendarmerie  zu 
Pferd  und  einem  Geschütz  aber  an  einem  geeigneten  Punkte 
vor  der  Stadt  die  ßeserve  bilden  und  sobald  der  Ort  ge- 
nommen, sich  auf  dem  Platze  neben  der  Kaserne  aufstellen 
sollen. 

Nach  Annahme  der  befohlenen  Formation  setzten  sich 
die  vier  Angriffskolonnen  in  Bewegung. 

Die  ersten  Schüsse  aus  der  Kaserne  fielen  gegen  die 
auf  und  neben  der  Hauptstraße  vorrückenden  Tirailleure, 
worauf  GM.  Collin,  welcher  sich  in  der  Nähe  befand, 
alsbald  den  Sturm  befahl.  Im  Laufschritt  wurde  die  Kaserne 
erreicht  und  deren  Tor  erbrochen.  Die  Insurgenten  hielten 
dem  Ansturm  nicht  stand,  sondern  entwichen  beim  Ein- 
dringen der  Truppen  auf  der  entgegengesetzten  Seite  nach 
dem  Hauptplatz  des  Ortes,  wo  nunmehr  die  ihnen  nach- 
setzenden Truppen  von  einer  starken,  aber  w'enig  wirkungs- 
vollen Decharge  aus  den  Häuseni  empfangen  wurden. 

Das  Gefecht  löste  sich  jetzt  in  zahllose  Einzelkämpfe 
auf,  wobei  die  Soldaten  truppweise  in  die  Häuser  eindrangen, 
aus  denen  die  Insurgenten  überall  zu  entfliehen  und  die 
Weichselbrücke  zu  gewinnen  suchten. 

Mitteilungen  des  k.  nnd  k.  Kriegsarchivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  lÖ 


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242 


Jaotibens. 


Doch  nur  einem  Teile  gelang  es,  die  Brücke  zu  erreichen, 
welche  sehr  bald  von  den  nachdrängenden  Truppen  besetzt  wimde. 

Die  am  Uöhenfuße  vorgerückte  lli.  Kompagnie  fand  mu: 
geringen  Widerstand  ; erst  beim  Debouchieren  auf  den  Haupt- 
platz wurde  durch  das  Feuer  der  Insurgenten  ein  Mann  ver- 
wundet. Die  gegen  die  Höhe  dirigierte  13.  Kompagnie  hatte 
diese  ohne  Hindernis  erstiegen  und  war,  vor  dem  Feuer  aus 
dem  Orte  so  ziemlich  geschützt,  längs  des  Rückens  bis  in  die 
Höhe  des  Ringplatzes  vorgerückt,  als  sie  auf  eine  größere 
Insurgentenabteilung  stieß,  welche  auch  Fahnen  führte.  Diese 
Abteilung  wurde  nun  sogleich  mit  dem  Bajonett  angegriffen 
und  von  der  Höhe  hinab  auf  den  Ringplatz  geworfen,  wo  sie 
von  den  in  den  Ort  bereits  vorgedrungenen  Trappen  empfangen 
und  vollständig  zersprengt  ward. 

Die  längs  der  Weichsel  vorgegangene  Kolonne  war  als 
Defensivfianke  etwas  zurückgeblieben  und  auf  keinen  Gegner 
gestoßen. 

Die  Brücke  sowie  das  rechte  Weichselufer  wurden  nun 
stark  besetzt,  zwei  Geschütze  ans  der  bis  auf  den  Hauptplatz 
nachgerückten  Reserve  vorgezogen  und  die  Insurgenten  auf 
dem  anderen  Ufer  (Krakauer  Seite)  beschossen. 

Inzwischen  wurde  dem  GM.  Collin  das  Heraunahen 
der  bereits  erwähnten  bewaffneten  Prozession,  von  der  er 
schon  früher  gehört  hatte,  gemeldet.  Der  Zug,  mit  einer 
Anzahl  Bewaffneter  an  der  Spitze,  war  in  der  offenbaren 
Absicht,  den  kürzesten  Rückweg  zur  Weichselbrücke  zu  ge- 
winnen, von  der  nach  Wieliczka  abzweigenden  Straße  auf 
der  Anhöhe  südlich  PodgorÄe  erschienen. 

Sogleich  wurden  jetzt  aus  der  Reserve  drei  Kompagnien 
des  lufanterieregiments  Nr.  29  entgegengeschickt,  welche  auch 
unverzüglich,  an  der  Kirche  vorbei,  zur  Unterstützung  der 
noch  auf  der  Höhe  befindlichen  13.  Kompagnie  von  Fürsten- 
w'ärther-Infanterie  abrückten.  Diesen  vier  Kompagnien  gelang 
es  nun,  fast  sämtliche  Teilnehmer  der  Prozession  nach  zwei 
Salven  und  einem  kurzen  Bajonettkampf  gefangenzunehmen; 
nur  wenige  erreichten  unter  dem  Schutze  der  Dämmerung 
Podgorze,  vermochten  aber  nicht  mehr  nach  Krakau  zu  ent- 
kommen; sie  wurden  schließlich  überwältigt  und  auch  gefangeu- 
genommen. 


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Die  BesctKong  von  Krakau  1816 


243 


Die  Insurgenten  am  Krakauer  Ufer,  welche  den  Kampf 
auf  der  Höhe  südlich  Podgörze  bemerkt  hatten,  wagten  zur 
Unterstützung  ihrer  bednängten  Gefährten  einen  vergeblichen 
Sturm  auf  die  Brücke;  sie  wurden  jedoch  von  Kartätsch- ') 
und  Gewehrfeuer  empfangen  und  mnÜten  umkehren.  Damit  war 
der  Kampf  in  der  Hauptsache  beendet,  wenn  auch  das  Feuern 
von  beiden  Ufern  aus  noch  bis  gegen  10  Uhr  nachts  währte. 

Die  Verluste  der  Truppen  betrugen  etwa  20  Tote  und 
Verwundete;  die  Insurgenten  hingegen  hatten  an  100  Toto 
und  Verwundete  und  über  100  Gefangene,  darunter  32  zum 
Teil  bewaffnete  Priester  zurückgelassen.  Weiters  erbeuteten 
die  Truppen  mehrere  In.surgentenfahnen  und  viele  Waffen.  Die 
der  Prozession  abgenoramenen  Kirchenfahnen  und  sonstigen 
Paramente  ließ  GM.  Collin  tags  darauf  dem  Pfarrer  von  Pod- 
gorze  übergeben,  die  F ahnen  der  Insurgenten  aber  vernichten. 

Nach  Beendigung  des  Kampfes  ließ  der  österreichische 
Befehlshaber  rings  um  Podgörze  Vedetten  aufstellen,  zur  Aus- 
forschung etwa  geschlossener  Insurgentenabteifungen  Patrouillen 
abgehen,  gegen  Wieliczka,  von  wo  noch  keine  Nachrichten 
eingelangt  waren,  starke  Vorposten  aussetzen  und  dann  das 
Gros  seiner  Truppen  in  den  wiedergewonnenen  Unterkünften 
ruhen.  Arg  genug  hatten  die  Insurgenten  darin  gehaust;  die 
ärarischen  Magazine  sowie  die  Wohnungen  der  Offiziere  waren 
gänzlich  ausgeräumt  und  nur  das  Spital  mit  einigen  unter 
der  Obhut  eines  Militärarztes  zurückgelassenen  Kranken 
blieben  von  ihrer  Beutesucht  verschont. 

In  Krakau  war  indessen  eifrigst  an  der  Schaflnng  einer 
Insurrektionsarmee  gearbeitet  worden;  zahlreiche  Bauernauf- 
gebote aus  dem  Freigebiet  strömten  herbei  und  harrten  ihrer 
Bewaffnung,  während  andere  besser  ausgerüstete  Abteilungen 
zu  Fuß  und  zu  Pferd  schon  bereitstanden. 

Trotz  der  angeblichen  Kampflust  aber  konnte  sich  der 
Diktator  für  keines  der  vielen  Aktionsprojekte  entscheiden 
und  verlegte  sich  schließlich  auf  Unterhandlungen.  Als  diese 
aber  zu  keinem  Resultat  führten,  räumte  er  am  Morgen  des 
3.  März  mit  den  Resten  der  Aufständischen  die  Stadt  und 


')  Dies  waren  die  in  Wieliczka  vernommenen,  rasch  aufeinander- 
folgenden Kanonenschüsse. 

Hi* 


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244 


J a o n b 6 D z. 


trat  sodann  bei  Chelmek  auf  preußisches  Gebiet  über,  wo 
die  Insurgenten  zur  Waffenstreckung  genötigt  wurden. 

GM.  Collin  setzte  am  28.  Februar  die  österreichischen 
Behörden  in  Podgörie  wieder  ein  und  beabsichtigte  nach  Ein- 
treffen weiterer  Verstärkungen  und  nach  Herstellung  der  von 
den  Insurgenten  am  27.  teilweise  zerstörten  Weichselbrüoke. 
Krakau  abermals  zu  besetzen.  Schon  an  diesem  Tage  langten 
aus  Wadowice  das  1.  Landwehrbataillon  des  Infanterieregi- 
ments Hochenegg  Nr.  20,  eine  Division  des  Infanterieregiments 
Schmeling  Nr.  29  und  eine  Eskadron  von  Kaiser-Chevau- 
legers au,  welchen  am  1.  und  2.  März  der  Regimentsstab  und 
zwei  Divisionen  von  Hohenzollem  - Chevaulegers  folgten. 
Diese  Verstärkungen  erlaubten  es  dem  General,  dem  Ansuchen 
des  in  PodgörZe  eingetroffenen  Oberstleutnants  Benedek 
Folge  zu  geben  und  die  aus  Bochnia  nach  Wieliczka  gelaugten 
Truppen  ablösen  und  sie  wieder  nach  dem  ersteren  Orte 
rückkehren  zu  lassen.  Ebenso  blieben  Wadowice,  Kalwarya, 
Izdebnik  und  Myslenice  — an  der  Straße  nach  Lemberg  — 
von  den  Truppen  Co  Hins  und  anderen  nachrückenden  Ab- 
teilungen besetzt,  denn  nebst  dieser  um  Podgörze  schon  ver- 
sammelten Trujjpenmacht  rückten  jetzt  von  allen  Seiten  größere 
Streitkräfte  gegen  das  Aufstandsgebiet  heran.  So  zunächst  Teile 
des  Korps  FML.  Graf  Wrbna,  dessen  Aufstellung  am  2.5.  Fe- 
bruar befohlen  worden  war,  welches  jedoch  in  der  gedachten 
Zusammensetzung  nicht  mehr  zur  Aktion  kam  ‘). 


*)  Dieses  Korjis  sollt«  bestehen  aus : 

der  Truppendivision  GM.  Graf  üyulni  mit  der 


Brigade  G.M.  von  Collin: 

1 Bataillon  des  Xnfanterieregimonts 
Nr.  30; 

1 Bataillon  (Landwehr)  des  Infan- 

terieregiments Nr.  20; 

2 Bataillone  des  Infant«rieregiinent.s 

Nr.  29; 

1 Bataillon  des  Infanterieregiments 

Nr.  51) ; 

2 Eskadronen  des  Chevaulegeis- 
regiment-s  Nr.  1; 

'/j  Batterie  und 

.3  Kompagnien  Krakauer  Miliz. 


Brigade  GM.  von  Malter: 

2 Bataillone  des  Infanterieregiments 
Nr.  fj4; 

8 Eskadronen  des  Chevanlegers- 
regiments  Nr.  2; 

1 Batterie  (für  die  Brigade  Collin 
bestimmt,  von  welcher  di«  zweite 
Iliilfte  m die  Reserve  eingeteilt 
werden  sollte) ; 

1 seehspfündige  Kavalleriebatlerie. 


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Die  Bosetzang  von  Krakau  18<6. 


245 


Auch  Erzherzog  Ferdinand  in  Lemberg  hatte  zur 
Unterstützung  der  Brigade  Collin  anfänglich  die  Aufstellung 
einer  mobilen  Truppendivision  angeordnet;  die  Ausführung 
dieser  Maßregel  unterblieb  jedoch  infolge  der  von  Wien  aus 
getroffenen  Verfügungen. 

Dagegen  hatte  der  Gouverneur  von  Polen,  FM.  Fürst 
Paskiewitsch,  gleich  zu  Beginn  der  Unruhen  im  Krakauer 
Gebiet,  dem  dortigen  russischen  Residenten  ein  Bataillon 
Infanterie  zur  Verfügung  gestellt.  Dasselbe  war  schon  am 
2t.  Februar  in  Michalowice  an  der  Grenze,  13  Kilometer  nördlich 
Krakau  eingetroffen,  hatte  sich  aber  wegen  der  im  König- 
reich Polen  selbst  drohenden  Unruhen  sogleich  wieder  nach 
Miechow  zurückgezogen.  Auf  die  Nachricht  von  der  zuneh- 
monden  Ausbreitung  des  Aufstandes  wurden  nun  russiseher- 
seits  16  Bataillone  Infanterie,  8 Eskadronen  Kavallerie,  9 Sot- 
nien  Kosaken  und  20  Geschütze,  unter  GL.  Panjutin,  gegen 
die  Grenzen  der  Republik  und  Galiziens  in  Bewegung  gesetzt 
und  vom  Fürsten  Paskiewitsch  dem  Erzherzog  Ferdinand, 
Gouverneur  von  Galizien,  zur  Verfügung  gestellt*). 

Die  preußische  Regierung  hatte  ebenfalls  auf  Grund  des 
Berichtes  ihres  Residenten  in  Krakau,  zuerst  1 Bataillon  In- 


dann  der  Truppendivision  (IM.  Graf  Schaffgotsclie,  mit  der 


Brigade  GM.  Graf  Nobili: 

2 Bataillone  des  Infanterieregiments 
Nr.  4; 

2 Bataillone  des  Infanterieregiments 
Nr.  8; 

1 Batterie 


Brigade  GM.  Für.st  Eduard 
Schwarzenberg: 

2 Bataillone  des  Infanterieregiments 
Nr.  11; 

2 Bataillone  des Infautorieregimonts 
Nr.  36; 


I 1 Batterie 

und  zwei  KriegsbrUckenequipagen. 

Von  diesen  Truppen  stand  die  Division  Gyulai  schon  am  28.  Fe- 
bruar zwischen  Podgurie  und  Bielitz,  die  Division  Schaffgotsclie  befand 
sich  noch  im  Anmarsch  aus  Mähren,  Böhmen  und  Niederösterreich ; 
der  Korpskomraandant  und  die  beiden  Divisionäre  aber  waren  noch 
in  Wien. 

*)  Paskiewitsch  schrieb  an  den  Erzherzog  Ferdinand  nach 

Lemberg  von  Warschau  aus  am  25.  Febniar  1846: „si  vous 

jugez  convenable  de  faire  entrer  nos  troupes  sur  le  territoiro  de  la 
Oalicie,  veuillez  oharger  cet  ofticier  [Adjutanten  des  i'ürsten  und  tlber- 
bringer  des  Briefes]  de  leur  porter  vos  ordres  ils  y obeiront  sur  le 
cbanip,’’  . . . 


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24()  Jacabene 

fanterie,  2 Küinpagnien  Jäger  und  4 Eskadronen  Kavallerie 
an  die  Grenze  beordert. 

Nach  dem  Rückzug  Collins  aus  Krakau  wurden  diese 
Truppen  auf  6 Bataillone,  (i  Eskadronen  und  15  Geschütze 
verstärkt,  dem  kommandierenden  General  des  6.  Armeekorps, 
GL.  Graf  Brandenburg,  aber  der  Befehl  erteilt,  sich  per- 
sönlich an  die  Grenze  zu  begeben,  wie  überhaupt  auch 
preußischerseits  das  größte  Entgegenkommen  bei  der  Unter- 
drückung des  Aufstande.s  hen’schte  '). 

St>  standen  anfangs  März  an  den  Grenzen  der  Republik 
Krakau  zirka  30.0ÜO  Alann  österreichischer,  russischer  und 
preußischer  Truppen,  bereit,  den  durch  die  Gefechte  bei  Gdöw 
und  Podgörie  eingeleitetcn  Pazifikationsakt  zu  vollenden. 

Die  zweite  Besetzung  von  Krakau. 

Angesichts  solcher  Vorkehrungen  mußten  die  einsichts- 
volleren Elemente  in  Jvrakau,  darunter  auch  der  Diktator, 
wohl  zur  Erkenntnis  gelangen,  daß  jeder  fernere  Widerstand 
vergeblich  sei. 

Zur  Anknüpfung  von  Unterhandlungen  sandte  daher 
Tyssowski  am  2.  März  mehrere  Parlamentäre  an  GM. 
Collin  ab,  die  aber  von  letzerem  mit  der  Weisung  zurück- 
geschickt  wurden,  daß  er  mit  Rebellen  nicht  unterhandle, 
sondern  nach  Herstellung  der  Weichselbrücke  mit  bewaffneter 
Hand  in  Krakau  einrücken  werde,  um  die  völlige  Unterwer- 
fung zu  erzwingen. 

Diese  Antwort  bestimmte  nun  den  Diktator  in  der  Nacht 
vom  2.  zum  3.  März  zur  Räumung  der  Stadt  Krakau  und 
zum  Abzug  der  Bewaff'neten  auf  preußisches  Gebiet,  worauf 
am  folgenden  Morgen  eine  aus  angesehenen  Bürgern  von 

’)  Der  prouliische  Minister  Graf  Kanitz  schrieb  diesfalls  dem 
am  Wiener  Hofe  akkreditierten  iireußi.schen  Gesandten  unterm  23.  Fe- 
bruar 184t) : sollten  die  kaiserlichen  Truppen  Schwierigkeiten 

finden,  die  Weichsel  bei  Podgörie  zu  überschreiten,  so  unterliegt  es 
nicht  dem  geringsten  Bedenken,  daß  dieselben  sowohl  bei  Benin  den 
FTuß  passieren,  wie  überhaupt  durch  diesseitiges  Gebiet  marschieren 

können,  um  nach  Krakau  zu  gelangen ” (Diese  Note  wurde  vom 

Fürsten  Metternich  dem  Präsidenten  des  Hofkriegsrates  Grafen 
Hardegg  raitgeteilt.) 


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Die  Besetsang  von  Krakau  1H16. 


247 


Krakau  bestehende  Deputation  dem  GM.  Collin  die  un- 
bedingte Unterwerfung  der  Stadt  unter  den  Willen  der 
drei  Schutzmächte  ankündigte.  Mit  Zustimmung  Gollins  hatte 
sich  diese  Deputation,  wie  schon  am  22.  Februar,  wieder  als 
„Sicherheitskomitee”  konstituiert  und  dem  General  alle  Bürg- 
schaften geboten,  daß  der  Besetzung  dei-  Stadt  durch  die 
Österreicher  von  der  einheimischen  Bevölkerung  keinerlei 
Widerstand  entgegengesetzt  würde.  - 

Ohne  erst  die  Mitwirkung  der  preußischen  Truppen  ab- 
zuwarten, mit  deren  Kommando  in  Benin  sich  GM. 
Collin  am  2.  März  in  Verbindung  gesetzt  und  erfahren  hatte, 
daß  dieselben  erst  in  6 bis  7 Tagen  vorrücken  könnten,  beschloß 
der  österreichische  BefehUhaber  seinem  schon  früher  gefaßten 
Entschluß  gemäß,  sofort  Krakau  zu  besetzen.  Doch  ging 
die  Herstellung  der  Weichselbrücke  trotz  aller  aufgewandten 
Mittel  sehr  langsam  von  statten.  An  Stelle  der  abgehauenen 
Seile  mußten  neue  herbeigeschalFt  werden,  indes  der  Wasser- 
stand des  Flusses  fortgesetzt  stieg,  wodurch  wieder  eine  Ver- 
längerung der  Brücke  an  beiden  Enden  notwendig  ward. 

So  geschah  es,  daß  die  Küssen  den  Österreichern  in  der 
Besetzung  von  Krakau  zuvorkamen ; sie  hatten  eben  kein 
solches  Marschhindernis,  wie  es  die  unüberbrückte  Weichsel 
darstellt,  vor  sich. 

Gegen  4 Uhr  nachmittags  wurden  am  jenseitigen  Ufer 
des  Flusses  russische  Stabsoffiziere  in  Begleitung  von  Tscher- 
kessen  sichtbar:  die  Offiziere  übersetzten  auf  einem  Kahne 
die  Weichsel  und  zeigten  dem  österreichischen  General  das 
Herannahen  der  russischen  Truppen  an. 

Nach  kurzer  Besprechung  entfernten  sich  die  russischen 
Offiziere,  worauf  GM.  Collin  die  Krakauer  Miliz,  vier 
Kompagnien  von  Schmeling-Infanterie  und  die  Mnjorsdivision 
von  Kaiser-Chevaulegers  zum  Einmarsch  in  Krakau  be- 
stimmte. Für  Geschütz  war  die  Brücke  an  diesem  Tage 
überhaupt  nicht  und  auch  für  Kavallerie  nur  höchst  schwierig 
zu  passieren. 

Endlich  gegen  5 Uhr  nachmittags  W'ar  dieselbe  not- 
dürftig soweit  hergestellt,  daß  der  Übergang  beginnen  konnte. 
Die  vier  Kompagnien  von  Schmeling-Infanterie  besetzten 


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248 


Jftonbens- 


gemeinschaftlich  mit  den  Russen  das  Schloß  und  die  Haupt- 
wache, indessen  die  Miliz  die  übrigen  Wachen,  die  Kavallerie 
ein  Biwak  auf  dem  Ringplatz  bezog. 

Fortwährend  rückten  russische  Infanterie-  und  Kosaken- 
abteilungen, mit  12  Geschützen,  nach  und  nahmen  in  den 
verschiedenen  Stadtteilen  Aufstellung.  Sjiät  abends  kamen 
auch  die  russischen  Generale  Panjutin  und  Rüdiger  an. 

Zur  Verfolgung  der  abgezogenen  Insurgenten  war  rus- 
sischerseits  eine  mehrere  hundert  Mann  starke  Truppen- 
abteilung ausgesendet  worden,  die  aber  nur  mehr  auf  einzelne 
Nachzügler  stieß,  das  Gros  der  Insurgenten  jedoch  nicht 
einholte.  Letzteres  hatte  am  3.  März  die  preußische  Grenze 
noch  nicht  erreicht,  doch  hatten  dessen  vorausgeschickte 
Parlamentäre  mit  den  preußischen  Militärbehörden  bei  Chelmek 
wegen  des  Übertrittes  Verhandlungen  angeknüjift. 

Der  Kommandant  des  neuaufgestellten  österreichischen 
Korps,  FML.  Graf  Wrbna  und  der  zweite  Divisionär  GM.  Graf 
Gyulai  trafen  an  diesem  Tage,  von  Wien  kommend,  erst  in 
Bielitz  ein.  Die  von  hier  abgesendete  schriftliche  Weisung 
des  erstoren  an  GM.  Collin,  ohne  seinen  ausdrücklichen 
Befehl  durchaus  nichts  zu  unternehmen  *),  erhielt  letzterer  erst 
um  halb  3 Uhr  morgens  des  4.  Mörz  in  Krakau,  als  die  drin- 
genden Umstände  ihn  bereits  zur  Besetzung  der  Stadt  ver- 
anlaßt hatten*). 

')  In  iilinlichem  Sinne  berichtete  FML.  (traf  M'rbna,  d.  d.  Bielitz, 
3.  März  184t>,  auch  an  den  Präsidenten  des  Hofkriegsrates;  „ . . . . Hin- 
sichtlich der  .-Vnträge  zur  Cbergabe  Krakaus  habe  ich  General  Collin 
befohlen,  ganz  allein  auf  die  unbedingte  Ergebung  der  Stadt  cinzugehen, 
und  dali  er  für  den  Fall  der  Annahme  dennoch  au  mich  hierüber  zu 
berichten  habe  und  daü  nie  die  Bede  vou  irgend  einer  Kapitulation  sein 
könne.” 

*)  Trotz  dieses,  die  Tatkraft  Coli  ins  eher  lähmenden  Befehles 
aber,  scheint  FML.  (traf  Wrbna.  wohl  in  seinem  Unmut  darüber,  daß 
die  Bussen  mit  der  Besetzung  von  Krakau  unseren  Truppen  zuvor- 
gekoinmon  waren,  wie  auch  Ober  das  seiner  Ansicht  nach  nicht 
genOgeud  energische  Benehmen  Collins,  sehr  ungehalten  gewesen 
zu  sein;  denn  bald  nachher,  auf  dem  Bericht  fehlt  das  Datum,  schrieb 

er  an  deu  Präsidenten  des  Hofkriegsrates:  „ erst  als  FML. 

Graf  Castiglione,  durch  seine  Instruktion  gezwungen  sich  zu 
Sr  kaiserl.  Hoheit  dem  Erzherzog  Ferdinand  zu  begeben,  wieder 
von  Podgöräe  entferin-n  mußte,  fing  die  Taktlosigkeit  in  letzterem 


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Die  BeBOtsang  von  Krakau  ISMi. 


249 


Am  4.  März  kam  FML.  Graf  Wrbna  nach  Krakau  und 
nun  wurde  der  gemeinschafrliche  Wachdienst,  und  zwar  vor- 
erst nur  zwischen  den  Österreichern  und  Russen  vereinbart 
sowie  auch  österreichischerseits  Streifkommanden  in  das  Land- 
gebiot  entsendet,  welche  noch  zahlreiche,  versteckt  gehaltene 
Insurgenten  aufgriffen  und  einbrachten. 

Am  selben  Tage  streckten  die  mit  dem  Diktator 
aus  Krakau  abgezogenen  Insurgenten,  etwa  800  Mann,  an 
der  preußischen  Grenze  die  Waffen')  und  wurden  nach  der 
Festung  Kosel  abgeführt. 

Die  den  Insurgenten  nachsetzenden  Kosaken  hatten  sich 
um  zwei  Stunden  verspätet. 

Nunmehr  rückten  am  5.  März  auch  preußische  Truppen 
in  der  Stärke  von  etwa  4000  Mann  in  das  Krakauer  Gebiet  ein. 
GL.  Graf  Brandenburg  war  denselben  nach  Krakau  voraus- 
geeilt, daher  konnten  die  höchstanwesenden  Generale  der  drei 
Schuf, zmächte  unter  Beiziehung  der  Residenten  Österreichs 
und  Rußlands  — der  preußische  W’ar  noch  nicht  rückgekehrt  — 
ohne  V'erzug  über  die  nächst  zu  verfügenden  Maßnahmen 
beraten.  Hiebei  vertrat  FML.  Graf  Wrbna  mit  Geschick 
die  Interessen  Österreichs-)  und  die  verwickelten  Ver- 
handlungen hatten  zum  Ergebnis,  daß  die  provisorische 
Verwaltung  der  Republik  an  Österreich  übertragen  wurde. 
3 Bataillone,  2 Eskadronen  und  1 Batterie  österreichische 
Truppen  wurden  als  Stadtbesatzung  bestimmt,  während  das 

Orte  wieder  an,  welche  das  traurige  Resultat  lierbeiführto,  daß  es  sich 
ereignen  konnte,  daß  ein  dsterreichischer  Oeneral  vor  einer  unbesetzten 
Stadt  stehen  blieb,  französische  Sprnchmeistcr  und  Schuljungen  als 
Parlamentilre  empfing,  dieses  Gesindel  sich  unanständig  impertinent 
gebärden  ließ,  während  die  Russen  mit  zwei  Bataillonen  die  verlassene 
.Stadt  besetzten  . . . .” 

')  FML.  Graf  Wrbna  berichtet  hierüber  aus  Krakau,  5.  März  lS4(j. 
an  den  Präsidenten  des  Hofkriegsrates:  ,,....  Major  Graf  Festetics, 
den  ich  zu  den  preußischen  Truppen  sandte,  war  bei  ihrem  [der  Insur- 
genten] Übergang  zugegen  und  meldete,  wie  selbe  von  den  Preußen 
äußerst  schonend  behandelt  w’urdou,  welche  den  sogenannten  Offizieren 
ihre  Pferde  ließen  und  nur  die  Ablegung  der  Watten  forderten. ” 

’)  Note  des  Staatskanzlers  Fürsten  Metternich  an  den  Präsi- 
denten des  Hofkriegsrates,  d.  d.  Wien,  14.  März  lS4ü:  „ . . . . daß 
P.ML  Graf  Wrbna  sich  mit  vieler  Klugheit  benommen  zu  haben 
scheint . . . 


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250 


J a c u b e n X. 


östliche  Landgebiet  2 Eskadronen  russische,  das  westliche 
aber  2 Bataillone  und  2 Eskadronen  preußische  Truppen 
besetzt  halten  sollten. 

Am  8.  März  übernahm  FML.  Graf  Castiglione  die 
Leitung  der  provisorischen  Regierung  und  am  12.  März  be- 
zogen die  hiezu  bestimmten  Truppen  ihre  Garnisonen.  Die 
Brigade  Collin  kam  nach  Bochnia  in  ihr  früheres  Verhältnis 
zur  Division  Csollich,  wogegen  Krakau,  PodgörÄe  und  Wado- 
wice  von  Truppen  des  wieder  aufgelösten  Korps  Wrbna 
besetzt  und  dem  Kommando  des  FML.  Castiglione  unter- 
stellt wurden. 

Im  Gebiet  der  Republik  herrschte  fortan  Ruhe;  wohl 
fanden  noch  fortgesetzt  Verhaftungen  statt,  ein  bewafiheter 
Widerstand  zeigte  sich  jedoch  nirgends  mehr. 

Zur  endgiltigen  Regelung  der  Verhältnisse  des  Krakauer 
Gebietes  traten  hierauf  Bevollmächtigte  der  drei  angrenzenden 
Schutzmächte  in  Wien  zusammen;  ihre  Beratungen  hatten 
zur  nächsten  Folge,  daß  die  Besetzung  des  ganzen  Gebietes 
ausschließlich  Österreich  übertragen  wurde.  Diesem  nach  lösten 
am  13.  Juli  184(1  zwei  österreichische  Bataillone  die  im  Land- 
gebiet verteilten  russischen  und  i)reußischen  Trujjpen  ab. 

Die  weiteren  Konferenzen  der  verhandelnden  Grenz- 
mächte führten  endlich  zum  übereinstimmenden  Beschluß, 
den  kleinen  Staat,  welcher  immer  nur  eine  Quelle  der  Ver- 
legenheiten für  seine  Nachbarn  gewesen  war,  gänzlich  zu  unter- 
drücken. So  wurde  am  6.  November  1846  die  Einverleibung 
desselben  in  die  österreichische  Monarchie’)  beschlossen  und 
zehn  Tage  später  fand  in  feierlicher  Weise  die  Eitisetzung 
der  österreichischen  Ämter  statt. 

FML.  Castiglione  übergab  die  Leitung  der  Re- 
gierungsgeschäfte dem  neuernannten  Hofkommissär  Grafen 
Deym,  welcher  nunmehr  die  Verwaltung  nach  österreichischem 
Muster  einzurichten  hatte. 

Der  letzte  Rest  von  Selbständigkeit  des  alten  Polenreiches 
war  damit  verschwunden. 

')  Im  .Jahre  18^19  wanle  das  Gebiet  von  Krakau  mit  Galizien 
vereinigt. 


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Aufmarsch  der  österreicliisclien  Armee 

gegen  die 

Revolution  im  Oktober  1848. 

Von 

Hnuptinauu  Czeike. 

(Mit  einer  Beilage) 


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Die  revolutionären  Bewegungen  des  Jahres  1848,  von 
Paris  ihren  Ausgang  nehmend,  hatten  auch  Österreich  nicht 
verschont. 

Nach  den  verhängnisvollen  Ereignissen  der  Wiener 
Märzrevolution,  deren  Errungenschaften  — Preßfreiheit,  Er- 
richtung der  Nationalgarde,  Zusicherung  einer  konstitutio- 
nellen Verfassung  — mit  Jubel  begrüßt  wurden,  war  in  der 
Residenz  momentan  Ruhe  eingetreten,  die  Bewegung  jedoch 
keineswegs  zum  Stillstand  gebracht  worden. 

Schon  anfangs  April  gewann  die  Partei  des  Umsturzes 
wieder  die  Oberhand  und  Volksversammlungen,  in  welchen 
fanatische  Reden  gehalten  wurden,  Katzenmusiken.  Straßen- 
skandale und  Exzesse  des  Pöbels  standen  auf  der  Tages- 
ordnung. 

Die  gesetzliche  Gewalt  lag  in  vollständiger  Apathie,  das 
Ministerium  schritt  nirgends  energisch  ein. 

Am  25.  April  erschien  die  neue  Verfassung.  Anfänglich 
mit  Begeisterung  aufgenommen,  genügte  sie  schon  nach 
kurzer  Zeit  — als  oktroyiert  — den  Führern  der  Volks- 
bewegung nicht  mehr ; die  Aufregung  wuchs  neuerdings  und 
machte  sich  schließlich  in  der  ,, Sturmpetition”  des  15.  Mai 
in  der  Hofburg  Luft,  welche  die  Aufhebung  der  Verfassung 
und  die  Einberufung  eines  konstitutionellen  Reichstages 
verlangte. 

Kaiser  Ferdinand  bewilligte  zwar  auch  diese  Forde- 
rungen, verließ  aber  nach  diesen  Vorgängen  am  17.  Mai  Wien 
und  begab  sich  mit  der  kaiserlichen  Familie  in  den  Schutz 
seiner  getreuen  Tiroler  nach  Innsbruck. 

Die  nun  vom  Ministerium  verfugte  Auflösung  der  aka- 
demischen Legion  — der  Quelle  steter  Beunruhigung  — 
führte  am  26.  Mai  zum  oifenen  Aufruhr  und  Barrikadenbau. 


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264 


G z e i k e. 


Das  Ministerium  mußte  seine  Anordnungen  zurück- 
nehmen,  die  ausgerückten  Truppen  wurden  wie  immer  nach 
passiver  Verwendung  zurückgezogen,  der  Terrorismus  der 
Massen  hatte  neuerdings  gesiegt. 

Weder  der  später  tagende  Reichstag,  noch  die  Rückkehr 
des  Kaisers  nach  Wien  konnten  der  in  der  Folge  in 
Permanenz  tretenden  Revolution  mehr  Einhalt  tun  und  von 
Forderung  zu  Forderung,  von  Aufruhr  zu  Aufruhr,  von 
Konzession  zu  Konzession,  gelangte  so  Österreich  schließlich 
zu  jenen  schaudererregenden,  die  gänzliche  Anarchie  betäti- 
genden Ereignissen  des  6.  Oktober. 

Das  Signal  zum  Ausbruch  der  oÖenen  Empörung  in 
Wien  gab  der  vom  Kriegsministerium  anbefohlene  Abmarsch 
des  Grenadierbataillons  Richter  *)  aus  Wien  nach  Ungani, 
welchen  die  Partei  des  Umsturzes  um  jeden  Preis  zu  ver- 
hindern trachtete. 

Am  6.  Oktober  wurde  dieses  Bataillon  auf  der  Tabor- 
insel von  den  dort  angesammelten  Volksmassen  aufgehalten 
und  zersprengt. 

Das  zur  Unterstützung  herbeieilende  Bataillon  des  In- 
fanterieregiments Nassau  Nr.  15  geriet  bei  dieser  Gelegenheit 
in  einen  blutigen  Kampf  mit  dem  Volke  und  trat  auf  Befehl 
den  Rückzug  in  die  Stadt  an. 

Auf  die  Nachricht  von  diesen  Vorgängen  hatte  der 
Kriegsminister  FZM.  Graf  Baillet  von  Latour  die  Truppen 
der  Garnison  um  2 Uhr  nachmittags  alarmieren  lassen,  worauf 
sich  diese  am  Josefstädter  Glacis  sammelten. 

Die  aus  den  Gronadierbataillonen  Strastil,  Gans  und 
Schwarzl  bestehende  Grenadierbrigade  erhielt  den  Befehl,  zur 
Unterstützung  der  bedrohten  Truppen  zur  Taborlinie  abzu- 
marschieren ; sie  fand  aber  dort  den  Kampf  bereits  beendet 
und  rückte  gegen  5 Uhr  nachmittags  auf  das  Glacis  vordem 


')  Dieses  Bataillon  bestand  aus  den  Grenadierdivisionen  der  In- 
tantcriercf;imonter  Leopold  Großherzog  von  Baden  Nr.  59  (seit  1852 
FZM.  Erzherzog  Rainer),  FML.  Heinrich  Ritter  von  Heß  (auf  immer- 
währende Zeiten  F’.M.  Heinrich  Freiherr  von  Heß)  und  FML.  Johatm 
Freiherr  Ilrabovsky  von  Hrabova  Nr.  14  (seit  1898  Emst  Ludwig  Groß- 
herzog von  Hessen  und  bei  Rhein).  Bataillonskommandant  war  Major 
Richter  von  Binnerithal  des  Infanterieregiments  Nr.  14. 


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Aufmarsch  der  üsterreicbiscbon  Armee  gegen  die  Revolution  255 


Frauzenstor  ein,  wo  sie  sich  mit  den  übrigen  Truppen  der 
Garnison  wieder  vereinigte. 

Mittlerweile  war  es  auch  in  der  Inneren  Stadt  zum 
Kampfe  zwischen  dem  Militär  und  den  aufgewiegelten  Volks- 
massen gekommen. 

Die  V'eranlassung  hiezu  gab  ein  blutiger  Zusammenstoß 
der  beim  Stephansturm  aufgestellten  Nationalgarden  des 
Kärntner\dertels  mit  jenen  der  Vorstadt  Wieden,  welcher  zum 
Kinschreiten  militärischer  Kräfte  nötigte. 

Zur  Herstellung  der  Ordnung  w'urden  über  Befehl  des 
Kriegsministers  um  2 Uhr  nachmittags  zwei  Kompagnien 
Pioniere  mit  zwei  Geschützen  auf  den  Stephansplatz  entsendet. 

Am  Graben  kam  es  hiebei  zu  einem  erbitterten  Kampf, 
in  dessen  Verlauf  die  Pioniere  durch  die  Bogner-  und  Nagler- 
gasse und  mit  dem  zu  ihrer  Verstärkung  eingetroffenen  Land- 
wehrbataillon von  Nassau  Nr.  15,  über  den  Hof  und  die  Freimig 
znrückgedrängt  wurden  und  den  Rückzug  aus  der  Stadt  auf 
das  Glacis  antreten  mußten  * 

Der  Kriegsminister  Graf  Latour  hatte  noch  während 
dieses  Kampfes,  über  Drängen  des  im  Kriegsministerium  ver- 
sammelten Ministerrates,  den  Befehl  zum  Einstellen  des 
Feuers  ergehen  lassen  ; doch  weder  diese  Maßregel  noch  dessen 
etwas  später  eigenhändig  niedergeschriebene  Rücktritts- 
erklärung konnten  ihn  mehr  vor  der  sinnlosen  Wut  des  in 
das  Kriegsministerium  eingedrungenen  Pöbels  retten. 

Nach  den  scheußlichsten  Mißhandlungen  fiel  dieser  edle 
Greis  unter  den  Händen  einer  entmenschten  Mörderbande 
seiner  Pflichttreue  zum  Opfer. 

Dem  kommandierenden  General,  FML.  Grafen  Auers- 
perg, war  zwar  vom  Kriegsminister  der  Befehl  übersendet  worden, 
vom  Glacis  aus  in  drei  Kolonnen  durch  die  Stadttore  gegen 
das  Kriegsministerium  am  Hof  vorzudringen,  allein  dieser  Befehl 
wurde  schon  bei  Beginn  der  Vorrückung  durch  Latour  selbst 
wieder  rückgängig  gemacht  und  so  der  letzte  günstige  Moment 
versäumt,  dessen  Leben  und  die  Innere  Stadt  zu  retten  ®). 

‘)  Details  über  diesen  Kampf  siehe:  Brinner,  Geschichte  des 
k.  und  k.  Pionierregiments,  li,  5,5  und  Duuder,  Denkschrift  über  die. 
Wiener  Oktoberrevolution,  125. 

*)  Hübner,  Ein  Jahr  meines  Lebens  1848— 1H4!),  223.  • 


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256 


C z e i k e. 


Gegen  5 Uhr  nachmittags  war  die  ganze  Stadt  von  den 
Truppen  geräumt;  nur  das  kaiserliche  Zeughaus  wurde  noch 
von  einer  kleinen  Schar  bis  zum  Morgen  des  7.  Oktober 
heldenmütig  verteidigt  und  dann  erst  auf  Befehl  Auerspergs 
einer  Deputation  des  Reichstages,  gegen  freien  Abzug  der 
Besatzung,  übergeben. 

Wien  befand  sich  vollkommen  in  den  Händen  der  Auf- 
ständischen ; die  Revolution  hatte  ihren  Höhepunkt  erreicht 
und  die  Monarchie  ging  ihrer  Auflösung  entgegen,  weim  es 
nicht  gelang  der  einreißenden  Anarchie  rechtzeitig  Herr  zn 
werden. 

Grollend,  aber  in  altgewohnter  Disziplin  schweigend, 
den  Säbel  in  der  Scheide,  hatte  Österreichs  pflichttreue 
Armee  dem  tollen  Treiben  um  sich  her  machtlos  zusehen 
müssen,  jetzt  war  endlich  der  Moment  gekommen,  den  sie  so 
sehnlichst  erwartet  hatte,  mit  der  Schärfe  ihres  Schwertes 
Ordnung  zu  machen  in  Österreich. 

Nur  diese  vielgeschmähte  Armee  konnte  in  dem  allge- 
meinen Chaos  noch  Rettung  bringen  und  sie  hat  sie  gebracht. 

Allein  der  größte  Teil  derselben  kämpfte  unter  dem 
greisen  Marschall  Radetzky  gegen  den  äußeren  Feind,  auf 
den  Schlachtfeldern  Italiens  seine  siegreichen  Fahnen  mit  neuen 
Lorbeeren  schmückend ; im  Innern  der  Monarchie  war  nur 
ein  geringer  unentbehrlicher  Teil  zurückgeblieben,  um  die 
sich  allerorts  geltend  machenden  revolutionären  Tendenzen 
niederhalten  zu  können. 

Auf  die  Heranziehung  der  in  Ungarn  stehenden  Regi- 
menter war  nicht  zu  rechnen,  denn  diese  unterstanden  dem 
dortigen  selbständigen  Ministerium,  der  weitaus  größte  Teil 
derselben  w'ar  überdies  in  die  ungarische  Revolution  mit  hin- 
eingezogen worden  und  ebensowenig  konnte  die  kroatisch- 
slavonische  Armee  unter  Jellacic  in  Betracht  kommen,  die 
im  Kampfe  mit  der  ungarischen  Armee  noch  um  die  Palme 
des  Sieges  stritt. 

Zur  Niedertverfung  Wiens  standen  somit  vorläufig  außer 
den  schwachen  Kräften  der  Wiener  Garnison  nur  die  im 
Norden  der  Monarchie  aufzubringondon  Streitkräfte,  deren 
Kenr  die  in  Böhmen  befindlichen  Truppen  bilden  mußten, 
zur  Verfügung. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolation  1S18.  257 


Wer  aber  sollte  bei  dem  ratlosen  Zustand  der  Monarchie 
und  in  dieser  Zeit,  in  welcher  jede  Autorität  der  legitimen 
Staatsgewalt  zusammengebrochen  und  die  Armee  nach  der 
Ermordung  ihres  Kriegsministers  gleichsam  verwaist  war,  diese 
durch  große  Räume  getrennten  Truppen  ohne  Zeitverlust  in 
Bewegung  setzen,  sie  vereinigen  und  zum  entscheidenden 
Schlage  führen  ? 

Nur  einer  war  im  stände,  diese  so  überaus  schwierige 
und  verantwortungsvolle  Aufgabe  zu  lösen,  ein  Mann,  zu 
welchem  die  ganze  außeritalienische  Armee,  seit  den  März- 
tagen unaufhörhehen  AngriflEen  schutzlos  preisgegeben,  ge- 
demütigt  und  erniedrigt,  mit  unbedingtem  Vertrauen  empor- 
sah, in  dessen  rettende  Kraft  sie  allein  alle  ihre  Hoffnungen 
setzte  und  dieser  Mann  war  der  Kommandierende  in  Böhmen, 
FML.  Alfred  Fürst  zu  Windisch-Grätz. 

Seine  Energie  und  Konsequenz  der  Revolution  gegen- 
über, hatte  der  Fürst  schon  zweimal  betätigt. 

Im  März  1848  als  Zivil-  und  Militärgouverneur  mit  un- 
umschränkter Vollmacht  zur  Leitung  der  Staatsgoschäfte  be- 
rufen, war  es  ihm  durch  kraftvolles  Auftreten  gelungen,  dem 
weiteren  Umsichgreifen  der  revolutionären  Bewegung  einen 
mehrwöchentlichen  Stillstand  zu  gebieten  und  die  einstürzende 
.''taatsmaschine  auf  die  Dauer  seiner  Vollmachten  zu  erhalten. 

Auf  seiner  Besitzung  in  Lesko'),  wohin  sich  der  Fürst 
nach  seinem  Rücktritt,  Erholung  suchend,  zurückgezogen 
hatte,  traf  ihn  die  Nachricht  von  den  revolutionären  Ereig- 
nissen des  15.  Mai  in  Wien  und  er  eilte  nun  sofort  auf  seinen 
Posten  nach  Böhmen  mit  dem  festen  Entschluß,  dieses  ihm 
anvertraute  Königreich  dem  Zepter  Seiner  Majestät  zu  erhalten. 

Mit  eiserner  Strenge  warf  er  in  Prag  den  Juniaufstand 
nieder,  übte  aber,  trotzdem  ihm  seine  Gemahlin  ermordet 
worden  war  und  sein  ältester  Sohn  schwer  verwundet  dar- 
niederlag, mit  seltener  Großmut  und  geradezu  heroischer 
Selbstüberwindung  Milde  und  beruhigte  das  Land. 

Der  herrliche  Geist  seiner  Truppen,  ihre  Treue  und  An- 
häiighchkeit  an  die  Person  des  Fürsten,  hatten  sich  bei  dieser 
Gelegenheit  glänzend  bewährt. 

'}  Bei  Tymau  in  Ungarn. 

&litt«ilangen  des  k.  and  k.  Kriegsarebivs.  Dritte  Feige.  IV.  Üü,  1 1 


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258 


C X e i k e. 


Von  den  Parteien  des  Umsturzes  ebensosehr  gehaßt  und 
angefeindet  als  gefürchtet,  von  seinen  Soldaten  aber  geliebt 
und  verehrt,  sah  Windisch-Grätz  im  Vertrauen  auf  diese 
braven  Truppen,  gegen  deren  Verminderung  er  sich  wieder- 
holt energisch  wehrte  *),  fest  und  unerschrocken  den  kommen- 
den Ereignissen  entgegen,  die  sein  klarer  Blick  längst  voraus- 
gesehen hatte. 

Die  stetig  sich  erneuernden  revolutionären  Vorgänge  in 
Wien  ließen  den  baldigen  Ausbruch  einer  offenen  Empörung 
der  Residenz  nicht  mehr  bezweifeln. 

Fürst  Windisch-Grätz  war  für  diesen  Fall  fest  ent- 
schlossen, mit  den  in  Böhmen,  Mähren,  Schlesien  und  Galizien 
entbehrlichen  Truppen*),  rasch  gegen  Wien  zu  operieren,  die 
Residenz,  wenn  nötig,  mit  Waffengewalt  zu  unterwerfen  und 
so  nach  Besiegung  der  Revolution  den  Boden  des  Rechtes 
und  der  Gesetzlichkeit  zu  schaffen,  auf  welchem  die  Monarchie 
in  ihrer  alten  Kraft  wiederhergestellt  werden  konnte. 

Staatsmann  und  Feldherr  zugleich,  hatte  er  für  diesen 
Zweck  seit  Monaten  in  aller  Stille  seine  Vorbereitungen 
getroffen. 

Im  Besitz  des  unbedingten  Vertrauens  des  Kaisers 
Ferdinand  und  dessen  hochherziger  Gemahlin,  der  Kaiserin 
Maria  Anna,  fand  der  Fürst  einerseits  die  so  notwendige 
Unterstützung  zum  energischen  Handeln,  andererseits  wurde 
er  hiedurch  auch  in  die  Lage  versetzt,  auf  die  Entschlüsse 
des  kaiserlichen  Hofes  Einfluß  zu  nehmen. 

Zwischen  Latour  und  Windisch-Grätz  kam  es  wegen  der 
Inmarschsetzung  von  Truppen  aus  Böhmen  auf  den  italienischen  Kriegs- 
schauplatz zu  wiederholten  .Auseinandersetzungen.  „Wenn  man  so  fort 
macht,”  schrieb  er  an  Latour,  „geht  man  dem  Untergang  entgegen; 
die  Dinge  sind  soweit  gediehen,  dajl  sich  Wien  nur  durch  die  Gewalt 
der  Waffen  zur  Ordnung  zurückführen  läßt.  Jlan  möge  sich  darülier 
keinen  Täuschungen  hingeben;  ich  für  meinen  Teil  kann  um  Italien 
willen  die  böhinischo  Armee  durch  Entziehung  ihrer  besten  Truppen  nicht 
schwächen  la.ssen.”  (Helfert,  Geschichte  Österreichs  vom  Ausgang  des 
Wiener  Oktoberaufstandes  1848,  I,  77.)  Don  mehrfachen  energischen  Vor- 
stellungen des  Fürsten  gelang  ea  schließlich,  weiteren  Truppenver- 
minderungen in  Böhmen,  dessen  Armeekorps  schon  auf  den  Stand  von 
23  Feldbataillonen,  34  Eskadronen  und  48  bespannte  Geschütze  herah- 
gesunken  war,  Einhalt  zu  tun.  (K.  A.,  Kriegsgeschichtliche  Elaborate.  6.) 

*)  Diese  Truppen  werden  in  der  Folge  als  „Nordarmee”  bezeichnet. 


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Aafmarscb  d«r  österreicbisohen  Armee  gegen  ilie  BoTolutiou  1848. 


259 


Oberstleutnant  Baron  Langenau  ging  in  geheimer 
Mission  an  den  kaiserlichen  Hof  nach  Innsbruck  ab  und 
brachte  von  dort  in  einem  kaiserlichen  Handschreiben  dem 
Fürsten  die  erbetene  Vollmacht,  im  Falle  eintretender  Not- 
wendigkeit über  die  Streitkräfte  der  Monarchie,  mit  Ausnahme 
jener  der  italienischen  Armee,  unumschränkt  zu  verfügen. 

Durch  den  Generaladjutanten  des  Kaisers,  den  Fürsten 
Lobkowitz  und  durch  Oberstleutnant  Baron  Langenau 
stand  der  Fürst  in  stetem  Verkehr  mit  dem  Hofe. 

Er  unterbreitete  auch  Seiner  Majestät  den  Rat,  sich  bei 
einer  eintretenden  Katastrophe  mit  der  kaiserlichen  Familie 
unter  dem  Schutze  verläßlicher  Truppen,  welche  zu  diesem 
Zwecke  in  der  Nähe  bereit  gehalten  werden  sollten,  von 
Schönbrunn  nach  Olmütz  zu  begeben. 

An  die  kommandierenden  Generale  in  Mähren  und 
Galizien  — FML.  Fürst  Reuß-Köstritz  und  Freiherr  von 
Hammerstein  — hatte  sich  Windisch-Grätz  mit  dem 
Ansuchen  gewendet,  ihn  eintretenden  Falles  schleunigst  durch 
Truppensendungen  zu  verstärken. 

Endlich  waren  für  die  Truj^peu  in  Böhmen  und  für 
jene,  welche  in  Mähren  entbehrt  werden  konnten,  die  Marsch- 
pläne gegen  Wien  bereits  vorbereitet. 

So  war  in  eben  dem  Maße,  als  die  Revolution  die 
Monarchie  an  den  Rand  des  Verderbens  brachte,  auch  die 
Kraft  gewachsen,  die  sie  vernichten  sollte. 

Österreich  fand  in  einer  seiner  schwersten  Krisen  das,  was 
es  brauchte : Eine  pflichttreue  opferwillige  Armee  und  den 
Mann,  der  sie  zum  Siege  führte. 

Bildung  der  Südarmee  vor  Wien. 

Nach  der  Ermordung  Latours  war  der  Oberbefehl  über 
die  am  Glacis  konzentrierten  Truppen  der  Garnison  Wien  in 
die  Hände  des  kommandierenden  Generals  FML.  Grafen 
Auersperg  übergegangen. 

Sie  blieben  bis  zum  Einbruch  der  Dunkelheit  am  Glacis 
stehen  und  marschierten  sodann  in  die  Position  des  fürstlich 
Schwarzenbergschen  Gartens  und  des  b.  k.  Belvederes. 

In  einem  Bericht  an  den  Kaiser  motivierte  Graf 
.Auersperg  diesen  Entschluß  damit,  daß  er  die  schwache 

17* 


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260 


O z o i k e. 


Garnison  in  ihren  Kasernen  vor  den  Angriffen  des  fanati- 
sierten,  durch  die  Plünderung  des  Zeughauses  mit  Waffen 
aller  Art  versehenen  Pöbels  nicht  sicher  glaubte,  hauptsäch- 
lich aber  dieselbe  den  immer  erneuten  Verlührungsversuchen 
entrücken  wollte*). 

Die  Truppen  biwakierten  in  der  Nacht  vom  6.  zum 
7.  Oktober,  nachdem  die  nötigen  Sicherheitsmaßregeln  ge- 
troffen waren,  teils  im  oberen  Belvedere-  und  Schwarzenberg- 
garten, teils  in  der  Heu-  und  Rennweggasse. 

Der  Stand  derselben  am  7.  Oktober,  nach  Abzug  der 
Brigade  GM.  Parrot,  welche  den  Kaiser  mit  dem  gesamten  Hof- 
staat an  diesem  Tage  nach  Olmütz  begleitete,  war  folgender*); 


Infanterieregiment  Herzog  von  Nassau 
Landwehrbataillon  Erzherzog  Stephan 

„ Bianchi 

„ Khevenhüller  . . . 

Grenadierbataillon  Gaus 

„ Strastil  .... 

„ Schwarzl 

Pionierbataillon 

Wrbna-Chevaulegers 

,S  b('spannte  sechspfündige  Batterien  . . 


3 Bataillone, 


1 

1 


7) 

77 


Vo 


77 


Vc 

6 Eskadronen, 
18  Geschütze, 


Zusammen:  8*'c  Bataillone,  0 Eskadronen,  18  Geschütze. 


Die  Position  im  Schwarzenberggarten  und  k.  k.  Belvedere, 
in  welcher  diese  Truppen  bis  zum  Morgen  des  12.  Oktober 
lagerten,  mußte  vor  allem  gegen  einen  eventuellen  Angriff  der 
Aufständischen  für  die  Verteidigung  in  stand  gesetzt  werden. 

Um  eine  direkte  Verbindung  zwischen  diesen  Objekten 
herzustellen,  wurden  die  beide  Gärten  trennenden  Mauern  von 
den  Pionieren  durchbrochen  und  Kommunikationen  hergestellt. 

Die  Position  des  oberen  Belvedere  verstärkte  man  durch 
fünf  Geschütze  einer  sechspfündigen  Fußbatterie,  von  welchen 
drei  auf  dem  Linienwall  nächst  der  Belvederelinie  und  zwei 
zur  Sicherung  des  Haupteinganges  in  das  obere  Belvedere 
und  zur  Bestreichung  der  Heugasse  aufgestellt  waren. 


*)  K.  A.,  F.  A.  184S,  Cernierung  Wiens,  X,  60'IS. 
’)  K.  A.,  Haudschriftliche  Elaborate. 


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AafiuArsch  der  üsterreicbischen  Armee  gegen  die  Revolution  1848.  261 


Das  in  die  Heugasse  führende  Tor  wurde  durch  einen 
Erdaufwurf  für  Geschützplacierung  hergerichtet,  die  Mauer- 
einfassung des  Hoffaunies  durch  vorgerichtete  Bankette, 
Schießscharten  etc.  in  Verteidigungsstand  gesetzt  und  das 
den  inneren  Hofraum  beherrschende  dreistöckige  Gebäude 
zur  Nachtzeit  von  einem  Detachement  besetzt. 

Nachdem  so  das  obere  Belvedere  gegen  jeden  Überfall 
gesichert  war,  schritt  man  zum  Bau  von  hölzernen  Baracken 
längs  der  den  botanischen  Garten  abschneidenden  Mauer,  um 
die  Pferde  und  das  Material  der  Infanterie-  und  Pionier- 
truppe unterzubringen. 

Zur  Verhütung  einer  Feuersgefahr  durch  Brandraketen 
wurde  durch  die  Herbeischaffung  von  Feuerspritzen,  Feuer- 
leitern, Wassereimcrn  etc.  Vorsorge  getroffen  und  diese  im 
oberen  Belvederehof  beim  Wasserbassin  in  Bereitschaft  ge- 
halten. 

Für  den  Fall  einer  Vereinigung  oder  wechselseitigen 
Unterstützung  der  Kräfte  des  Banus  Jellaöic  mit  jenen 
.■Vuerspergs  ließ  letzterer  über  den  Wr.-Neustädter  Kanal 
zwischen  Simmering  und  dem  Laaorberg  drei  Brücken  schlagen, 
welche  in  der  Entfernung  von  300  Schritten  nebeneinander 
am  11.  Oktober  durch  eine  Pionierkompagnie  fertiggestellt 
wurden. 

Das  Hau])tquartier,  sowie  die  gesamte  Generalität,  be- 
fanden sich  im  Schwarzenbergschen  Palais ; das  Kommando 
im  oberen  Belvedere  führte  Oberst  Fürst  Jablonowski. 

Die  Aufstellung  der  Truppen  war  am  7.  Oktober  dahin 
abgeändert  worden,  daß  Wrbna-Chevaulegers  außerhalb  der 
Belvederelinie  mit  der  Front  gegen  den  Südbahnhof  auf- 
gestellt und  die  beiden  Feldbataillone  von  Nassau  zur  Be.setzuiig 
dieses  Bahnhofes  sowie  der  nächstgelegenen  Belvedere-  und 
Pavoritenlinie  verwendet  wurden ; das  Landwehrbataillon 
Nassau  mit  dem  Pionierbataillon  bildeten  die  Besatzung  des 
oberen  Belvedere  und  dienten  zugleich  als  Reserve  für  das 
.^ußenfeld. 

Während  so  im  Lager  alle  Vorbereitungen  getroffen 
worden  waren,  einem  eventuellen  Angriff  der  Aufständischen 
entgegenzutreten,  hatte  man  auch  auf  die  Sicherung  des  Neu- 
gebäudes und  der  Artilleriedepositorien  auf  der  Simmeringer 


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262 


C s e i k e. 


Heide  Bedacht  genommen,  wo  sich  ungeheuere  Vorräte  an 
Munition  und  Artilleriematerial  aller  Art  befanden. 

Um  diese  Objekte  gegen  einen  Überfall  zu  schützen, 
wurden  die  Truppen  im  Neugebäude  durch  Heranziehung  des 
2.  Bataillons  Erzherzog  Wilhelm  Nr.  12  aus  Wiener-Neustadt 
verstärkt  und  das  Kommando  über  diesen  so  überaus  wichtigen 
Punkt  am  11.  Oktober  dem  Obersten  Heller  des  General- 
quartiermeisterstabes übertragen  *). 

Am  9.  Oktober  rückte  als  willkommene  Verstärkung  das 
Landwehrbataillon  Paumgartten,  über  Klosterneuburg  kom- 
mend, im  oberen  Belvedere  ein  und  mit  ihm  kam  auch  der 
größere  Teil  des  durch  den  Kampf  am  Tabor  versprengten 
Grenadierbataillons  Richter  zurück.  Beide  Bataillone  wurden 
mit  Vivats  empfangen. 

Die  allgemeine  Stimmung  des  Offizierskorps  mag  nach- 
stehende, bisher  in  der  Kriegsgeschichte  Österreichs  noch  nie 
dagewesene  und  nur  durch  die  ganz  abnormen  Verhältnisse 
herbeigeführte  Episode,  näher  beleuchten®). 

Über  Veranlassung  einiger  Stabsoffiziere  ver.sammelten 
sich  am  8.  Oktober  fast  sämtliche  Stabs-  und  Oberoffiziere 
der  im  Lager  befindlichen  Truppen,  um  sich  über  ihre 
drückende  und  überaus  unbehagliche  Lage  dem  siegreichen 
Aufstand  gegenüber  auszusprechen  und  ihren  bitteren  Ge- 
fühlen über  die  vorausgegangenen  Ereignisse  Luft  zu 
machen. 

Ein  Hauptmotiv  dieser  Versammhmg  bildete  das  geringe 
Vertrauen  des  Ofiizierskoqis  nach  oben  und  die  Besorgnis 
vor  weiteren  nachgiebigen  Maßregeln  und  noch  stärkerer  Kom- 
promittierung  der  militärischen  Ehre. 

Man  fand  die  Befürchtungen  über  den  Geist  der  nicht- 
deutschen Truppen  für  ungerechtfertigt  und  war  der  Ansicht, 
daß  rasches  Handeln  und  eine  kühne  Offensive  gegen  die 
Stadt  noch  immer  die  Bewältigung  der  Anarchie  herbeiführeu 
könnte,  dagegen  eine  längere  Passivität  der  Ehre  der  Truppen 
nachteilig  sei. 


')  Siehe  hierüber  auch  Österreichische  militärische  Zoitschritt, 
1849,  7.  Heft 

*)  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cemieruiig  Wiens,  XIII,  33. 


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Anfmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  1843.  263 


Das  Resultat  dieser  Beratung  war,  daß  aus  der  Mitte 
der  Versammlung  zwei  Stabsoffiziere  an  das  Generalkommando 
abgeordnet  wurden,  nm  dasselbe  zur  Ergreifung  der  geeig- 
neten Offensivmaßregeln  zu  bewegen. 

Diese  Stabsoffiziere  gelangten  jedoch  nicht  bis  zur  Person 
des  Kommandierenden. 

Der  im  Lager  anwesende  Generalmajor  Fürst  Felix 
Schwarzenberg  hielt  jedoch  im  Gegensatz  zu  den  ge- 
nannten Anschauungen  die  allgemeine  Lage  für  äußerst  kritisch. 

In  einem  Gespräch  mit  dem  Grafen  Hübner  äußerte 
er  sich  wie  folgt ') : 

,,Das  Beispiel  der  Grenadiere  kann  ansteckend  wirken, 
der  Kommandant  ist  unfähig,  endlich  sind  wir  numerisch  zu 
schwach,  um  einen  Angriff  der  Insurgenten  zurückzuschlagen, 
wenn  wir  ihnen  die  Zeit  lassen  sich  zu  verstärken  oder 
wenn  die  nahende  ungarische  Armee  ihnen  die  Hand  reicht.” 

„Der  Bestand  der  Monarchie  hängt  an  einem  Faden. 
Wenn  Jellacic  nicht  zur  rechten  Zeit  kommt,  wenn  es  ihm 
nicht  gelingt  die  Ungarn  zu  verhindern,  den  Wiener  Insur- 
genten die  Hand  zu  reichen,  wenn  Windisch-Grätz  nicht 
im  Stande  ist,  seinen  Marsch  gegen  die  Hauptstadt  zu  be- 
schleunigen, wenn  ein  rascher  Friedensschluß  mit  Sardinien, 
den  ich  für  höchst  unwahrscheinlich  halte,  unsere  italienische 
Armee  nicht  verfügbar  macht,  so  weiß  ich  wahrhaftig  nicht, 
wo  wir  die  Mittel  nehmen  sollen,  um  mit  der  Revolution 
fertig  zu  werden.” 

Was  das  Verhältnis  der  im  Lager  befindlichen  Truppen 
zu  den  Aufständischen  und  umgekehrt  anlangt,  so  war  das- 
selbe, den  abnormen  Zeiten  entsprechend,  in  mehr  als  einer 
Beziehung  ganz  merkwürdig. 

In  Wien  waren  die  Leiter  der  Bewegung  nach  dem 
6.  Oktober  eifrigst  bestrebt,  die  entfesselte  Volksleidenschaft 
fortgesetzt  zu  steigern,  um  so  einen  direkten  Angriff  auf  die 
Position  Auerspergs  vorzubereiten. 

Der  noch  gut  gesinnte  Teil  der  Bevölkerung  aber,  zu 
schwach,  gegen  diese  Agitationen  offen  aufzutreten,  lebte  iii 


')  Hübner,  Ein  Jahr  meines  Lebens  1848  — ISiO,  228  , 229 
und  2.82. 


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264 


C z e i k e. 


beständiger  Sorge  vor  einem  Angriflf  der  Truppen  Auers- 
])6rgs  auf  die  Stadt,  während  man  im  Lager  hingegen  die 
Eröffnung  der  Feindseligkeiten  von  Wien  aus  täglich  er- 
wartete. 

Die  Verpflegung  der  Truppen  im  Lager  geschah  nach 
wie  vor,  wenn  auch  öfters  nicht  anstandslos,  durch  das 
Militärverpflegsmagazin  in  Wien  und  im  k.  k.  Militärinva- 
lidenhaus befand  sich  noch  immer  der  Platzkommandant 
GM.  Matauschek,  welcher  mit  dem  Gemeinderat  und  der 
Reichstagspermanenz  dienstlich  amtierte. 

Letztere  war  auch  in  Verkehr  mit  dem  Kommandierenden 
getreten  und  stellte  wiederholt  und  insbesondere  durch  eine 
an  denselben  abgesendote  Kommission  die  Forderung,  seine 
das  Volk  beunruhigende  und  Wien  bedrohende  Stellung 
durch  Rückverlegung  der  Truppen  in  die  Kasernen  aufzugeben. 

Graf  Auersperg  konnte  selbstredend  auf  diese  Forde- 
rungen nicht  eingehen ; er  versicherte  jedoch  mehrmals,  dall 
er  gegen  die  Stadt  keinerlei  feindselige  Absichten  hege, 
welche  Erklärung  zur  Beruhigung  der  Bevölkerung  in  einer 
Proklamation  des  Wiener  Gemeiaderutes  bekannt  gemacht 
wurde. 

Am  10.  Oktober  gegen  Mittag  erschien  Hauptniann 
Baron  Jellacic,  der  Bruder  des  Banus  und  Chef  der  Sere- 
zaner,  im  oberen  Lager  und  wurde,  als  Vorbote  der  Armee 
des  Banus,  mit  einem  so  ungestümen  Jubel  empfangen,  daü 
er  Mühe  hatte,  sich  durch  das  freudige  Gedränge  durchzu- 
arbeiten, um  ins  Hauptquartier  Auerspergs  zu  gelangen 

Der  Banus  von  Kroatien,  FML.  Baron  Jellacic,  hatte 
am  11.  September  mit  ungefähr  40.000  Kroaten  und  Slavoniern 
bei  Warasdin  die  Drau  überschritten  und  war,  auf  eigene 
Gefahr  den  Kampf  gegen  Ungarn  aufnehmend,  ohne  Wider- 
stand bis  Stuhlweißenburg  vorgerückt. 

Auf  dem  Marsche  dahin  stellten  sich  das  Regiment 
Heinrich  Hardegg-Kürassiere  (seit  1.  Oktober  1867  Dragoner- 
regiment Nr.  7)  imd  je  eine  Division  von  Wrbna-  und  KreJl- 
Chevaulegers  (jetzt  Husarenregiment  Nr.  16  und  ülanenregi- 
meut  Nr.  1 1)  unter  seine  Befehle. 

')  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cemierung  AVions,  XllI,  33. 


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Anfmarscli  der  öüterreichisohen  Armee  gegen  die  Kevolation  1S18.  265 

Bjitu  Dorfe  Päkozd  stieß  Jellacic  am  29.  September 
vormittags  auf  die  unter  Kommando  des  FML.  Mo ga  stehen- 
den ungarischen  Streitkräfte  und  behauptete  nach  einem  fast 
dreistündigen  Kampfe  das  Schlachtfeld,  während  sich  Moga 
über  Velencze  und  Märtonväsär  gegen  Ofen  zurückzog. 

Abends  erschienen  Graf  Szapäry  und  Oberst  Kiss  im 
Lager  des  Banns,  um  über  einen  Waffenstillstand  zu  verhandeln, 
welcher  auf  die  Dauer  von  drei  Tagen  abgeschlossen  wurde '). 

I'ML.  Jellacic  sah  sich  jedoch  genötigt,  über  Raab 
gegen  die  österreichische  Grenze  zu  marschieren  und  traf 
am  5.  Oktober  in  Wieselburg  und  üng.- Altenburg  ein,  wo  er 
mit  seinen  ermüdeten  Truppen  eine  zweitägige  Rast  hielt. 

Als  willkommene  Verstärkung  vereinigten  sich  hier  noch 
zwei  Divisionen  des  Regiments  Kreß-Chevaulegers  und  am 
t).  Oktober  abends  GM.  Lederer,  von  Bruck  a.  d.  Leitha 
kommend,  mit  einer  Division  Sachsen-Kürassiere  (seit  1.  Ok- 
tober 1867  Dragonerregiment  Nr.  3),  drei  Kompagnien  Erz- 
herzog Stephan,  einer  Raketen-  und  einer  sechspfündigen 
Fußbatterie,  mit  der  Armee  des  Banus  *). 

Von  Altenburg  aus  entließ  Jellacic  ungefähr  10.000 
ilann  ungeregeltes  Aufgebot  mit  sechs  Geschützen,  unter  Befehl 
des  GM.  Theodorovich,  zum  Schutze  des  von  Truppen 
entblößten  Kroatien  in  die  Heimat  ’). 

Am  7.  Oktober  abends  erhielt  der  Banus  die  Nachricht 
von  den  Vorgängen  in  Wien  und  säumte  nun  keinen  Augen- 
blick, um  in  Gewaltmärschen  vor  die  Hauptstadt  zu  rücken  und 
seine  Truppen  für  den  Dienst  des  Kaisers  und  des  gesamten 
Vaterlandes  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Schon  am  10.  Oktober  hatte  er  seine  Armee  südlich  bei 
Wien  versammelt  und  trat  am  selben  Tage  durch  die  Kaval- 
leriebrigade Lederer,  welche  beim  Neugebäude  ein  Lager 
bezog,  mit  dem  Korps  Auersperg  in  Verbindung^). 


*)  Das  Protokoll  wird,  nachdem  es  in  der  Literatur  über 
das  Jahr  1848  bisher  noch  nicht  veröfientlicbt  erscheint,  ira  Anhang  1 
angeführt.  Siehe  auch  Helfert,  Geschichte  Österieichs  etc.,  1,  4(l.h. 
Anmerkung  31. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1.848,  Korps  Jellacic,  X,  12. 

*)  Ebenda,  31. 

*)  Ebenda,  41. 


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C z e i k e. 

Ziir  Beobachtung  der  ungarischen  Grenze  waren  zwei 
Kompagnien  Wiener  Freiwillige  Jäger  und  ein  Zug  Kreß- 
Chevaulegers  in  Bruck  a.  d.  Leitha  zurückgeblieben,  welche 
am  11.  nach  Schwechat  eingezogen  wiirden. 

Am  11.  Oktober  mittags  fand  im  Wirtshaus  „zum  Land- 
gut” auüerhalb  der  Favoritenlinie  eine  Besprechung  zwischen 
Auers])erg  und  Jellacid  statt,  bei  welcher  die  mihtärische 
Lage  beider  Armeekorps  zur  Erörterung  gelangte. 

Die  Situation  derselben  war  zu  dieser  Zeit  eine  keines- 
wegs günstige  zu  nennen,  sie  konnte  sich  bei  einem  gleich- 
zeitigen Angriff  der  ungarischen  Armee  und  der  Wiener  Auf- 
ständischen sogar  äußerst  kritisch  gestalten. 

Dieser  Fall  war  aber  nach  der  Lage  der  Dinge  zum 
mindesten  nicht  ausgeschlossen. 

In  Wien  hatte  man  seit  6.  Oktober  alle  Mittel  aufgeboten, 
die  Stadt  in  Verteidigungsstand  zu  setzen,  gleichzeitig  aber 
mit  Auersperg  und  Jellacic  Verhandlungen  angeknüpft,  um 
deren  Angriff  hintanzuhalten  oder  wenigstens  so  lange  hinaus- 
zuschieben, bis  die  von  den  Ungarn  sehnlichst  erwartete  Hilfe 
sich  geltend  machte. 

Die  leitenden  Organe  des  Wiener  Aufstandes  waren  der 
konstitutionelle  Reichstag  und  der  Wiener  Gemeinderat. 

Ersterer  hatte  dem  Nationalgarde-Oberkommando  den 
Auftrag  erteilt,  Wien  in  Verteidigungsstand  zu  setzen  und 
den  Wiener  Gemeinderat  aufgefordert,  in  stetem  Zusammen- 
wirken mit  diesem  alle  zur  Verteidigung  der  Stadt  erforder- 
lichen Maßregeln  zu  treffen;  allein  weder  der  Reichstag  noch 
der  Gemeinderat  wollten  die  Last  der  hieraus  erwachsenden 
Verantwortung  auf  sich  nehmen,  sie  trachteten,  sie  gegenseitig 
abzuwälzen. 

Mit  Auersperg  und  Jellaöic  setzte  sich  der  Reichs- 
tag durch  Deputationen  und  Zuschriften  wiederholt  in  Ver- 
bindung. 

Auersperg  wurde  aufgefordert,  den  Schwarzenberg- 
garten zu  räumen  und  den  Banus  Jellaöic  zu  bestimmen, 
mit  seinen  Trupjten  den  österreichischen  Boden  zu  verlassen, 
die  Zufuhr  von  Lebensmitteln  m die  Stadt  nicht  zu  hemmen 
und  dergleichen  mehr. 


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Aufmarsch  der  österreiobischen  Armee  gegeD  die  Revolution  267 


Die  Abgeordneten  Prato  und  Bilinski  überbrachten 
Jellaöic  ein  ministerielles  Schreiben,  in  welchem  gegen 
dessen  eigenmächtiges  Eindringen  auf  österreichisches  Gebiet 
— wodurch  dasselbe  zum  Schauplatz  eines  ungarisch- 
kroatischen  Krieges  gemacht  werde  — energisch  Verwahrung 
eingelegt  und  der  Banus  aufgefordert  wurde,  sich  dem  Befehl 
des  österreichischen  Ministeriums  zu  unterordnen. 

Hierauf  antwortete  Jellaöic  in  einem  Schreiben  aus 
seinem  Hauptquartier  Rothneusiedl  unter  anderem  kurz  und 
bündig:  ,,Ich  bin  Staatsdiener  und  Soldat.  Als  Staatsdiener 
bin  ich  verpflichtet,  nach  meinen  Kräften  der  Anarchie  nach 
Möghchkeit  zu  steuern,  als  Militär  an  der  Spitze  meiner 
Tmppen  gibt  mir  der  Donner  der  Geschütze  die  Marsch- 
direktion. Von  ungarischen  Truppen  werde  ich  nicht  verfolgt ; 
wenn  sie  aber  k.  k.  Trappen  auf  österreichischem  Gebiet  an- 
greil'en  sollten,  werde  ich  Gewalt  mit  Gewalt  zu  vertreiben 
wissen.” 

„Auf  österreichischem  Grund  und  Boden  kenne  ich  keine 
kroatischen  und  ungarischen,  sondern  bloß  k.  k.  Truppen, 
denen  anzugehören  die  Meinigen  die  Ehre  haben*).” 

Auch  der  2irovisorische  Oberkommandant  der  National- 
garde, Wenzel  Messenhauser,  welchem  die  Leitung  der  Ver- 
teidigung Wiens  anvertraut  worden  war,  hatte  sich  in  einem 
langatmigen,  schwülstigen  Schreiben  an  Jellacic  gewendet, 
worin  er  Aufklärung  über  dessen  Absichten  verlangte. 

Die  Antwort  des  Banus  darauf,  welche  dem  Überbringer 
dieses  Schreibens  mündlich  erteilt  wurde,  war  militärisch  kurz 
und  abweisend. 

Messenhauser  hatte  am  14.  Oktober  seinen  General- 
stab aus  folgenden  Personen  zusammengesetzt;  Als  dessen 
Stellvertreter  fungierten  der  Kommandant  des  Bürgerregiments, 
Schaumburg,  der  Chef  des  III.  Bezirkes  (Kärntnerviertels), 
Nationalgardehauptmann  Thurn  und  der  Kommandant  der 
akademischen  Legion,  Aigner.  Chef  des  Generalstabes  war 
Major  Haug,  Vorstand  der  Hauptadjutantur  Hauptmann 
Schneider,  der  Feldadjutantur  Hauptmann  Fenner  von 
Fenneberg,  Direktor  des  Artillerie-  und  Befestigungswesens 


')  Dunder,  259. 


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•268 


C 2 e i k e. 


Oberst  Jelowicki,  Vorsland  des  Platzkommandos  Baron 
du  Beine. 

Zur  Leitung  der  strategischen  Angelegenheiten  siaud 
ihm  der  „rühmlichst  bekannte  GL.  Bern”  — wie  es  in  einer 
von  Messenhauser  Unterzeichneten  Kundmachung  hieß  — 
zur  Seite'). 

Die  aktiven  Streitkräl’te  Wiens  bestanden  aus  der  im 
März  1848  geschafFenen,  gut  organisierten  Nationalgarde,  den 
bewaffneten  Bürgerkorps,  der  akademischen  Legion  und  der 
irregulären,  aus  einem  bimten  Gemisch  von  Handwerkern. 
Arbeitern,  Taglöhnern  etc.  bestehenden  Mobilgarde. 

Außerdem  hatten  sich  noch  mehrere  nationale  Freikorps 
von  verschiedener  Stärke  und  Zusammensetzung,  vorwiegend 
Fremde,  gebildet. 

An  Kavallerie  herrschte  fast  gänzlicher  Mangel,  denn 
die  früher  aus  mehreren  Eskadronen  zusammengesetzte  National- 
gardekavallerie löste  sich  im  Oktober  fast  vollständig  auf  und 
die  von  Bern  organisierte  polnische  Lancierseskadron  war  nur 
ungefähr  30  Reiter  stark. 

Trotz  mancher  Ubelstünde  in  der  militärischen  Organi- 
sation Wiens  waren  die  Kräfte  der  Aufständischen  keineswegs 
zu  unterschätzen. 

.Auersperg  befürchtete  daher  stets  einen  nächtlichen 
Angriff  auf  seine  Stellung  im  Schwarzenberggarten-;  und 
.lellacic  hegte  — bei  der  vorläufig  noch  gänzlich  unauf- 
geklärten Lage  g<“gen  Ungarn  hin  — die  Besorgnis,  daß  er 
von  der  ungarischen  .\rmee  mit  bedeutender  Macht  imd  be- 
s(uiders  mit  überlegener  Kavallerie  angegi'ifien  werden  könnte : 
er  fühlte  .sich  daher  außer  stände,  in  der  offenen  Gegend  süd- 
östlich von  Wien  eine  Schlacht  anziuiehmen. 

■'  Biographien  über  Messenhauser,  Bern  und  Feuueberg  bei 
Ilelfert,  I,  S7. 

•)  Die  Division  Hartlieb  des  Banus  erhielt  noch  am  10.  Oktober 
abends  den  Befehl,  für  diesen  Fall  mit  einer  Brigade  die  Favoritenlinie 
zu  nehmen,  mit  der  zweiten  in  Bereitschaft  stehenden  aber  nötigenfalls 
unterstützend  einzngreifeu  und  am  11.  Oktober  wurde  seitens  des  Bnims 
die  Brigade  Neustädter  zur  St.  Marxer  Linie  beordert  und  dort  zur 
direkten  Verfügung  .■Vuerspergs  bereitgestellt.  (K.  F.  A.  1818. 
Korp.s  Jellaöic,  X,  ad  37  und  ad  12'. 


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Aafmursch  der  Gsterretohisclien  Armee  gegen  die  Revolution  1&48.  269 


Aus  diesen  Gründen  wurde  Viei  der  Besprechung  im 
Wirtshaus  „zum  Landgut”  der  EntschliiU  gefaLit,  daß  die 
Wiener  (iarnison  den  Schwarzenberggai'tpn  verlassen  und 
sich  mit  dem  Korps  des  Banus  am  Laaerberg  vereinigen  solle. 

In  dieser  Stellung  wollte  man  vorerst  \veitere  Kach- 
richten  über  die  Vorrückung  der  Ungarn  abwarten  und  erst 
im  ungünstigsten  Falle,  wenn  man  zu  schwach  sein  sollte, 
lun  einem  gleichzeitigen  Angriff  in  der  Front  und  im  Rücken 
zu  widerstehen,  den  Rückzug  in  der  Richtung  auf  Krems 
Äiitreten. 

Am  12.  Oktober,  gegen  5 Uhr  früh,  räumte  das  Korps 
Auersperg  den  Schwarzenberggarten  und  marschierte  durch 
liie  Favoritenlinie  auf  den  Chausseen  gegen  Rothneusiedl  mid 
Inzersdorf  auf  den  Wiener-  imd  Laaerberg*). 

Dieser  Abmarsch  mag  von  den  Insurgenten  gegen  halb 
6 Uhr  früh  bemerkt  worden  sein,  denn  um  diese  Zeit  hörte 
man  in  der  Stadt  ein  allgemeines  Glockengeläute  und  Alarm- 
trommeln. 

Mit  welcher  ganz  unbegreiflichen  Hast  und  Eile  derselbe 
stattgefunden  haben  muß,  läßt  sich  aus  nachstehendem  ersehen. 

Das  Grenadierbataillon  Gaus  war  als  Bedeckrmg  eines 
Hafertransportes  aus  der  Heumarktkaseme  zurückgeblieben ; 
von  diesem  Hafer  scheint  aber  nicht  viel  gerettet  worden  zu 
sein.  A*on  sechs  Fuhrwesenstransj)ortwagen,  welche  die  im 
Schwarzenberggarten  neu  konstruierten  sechs  Feldbacköfen 
hiuauszufuhren  hatten,  wnirden  fünf  von  den  Xationalgarden 
'■ingeholt  und  zurückgehalten,  weil  die  Bedeckung  bereits 
voraus  war.  Nur  die  Besjmnnung  dieser  Wagen  gelangte  noch 
m die  neue  Position.  Bepackte  und  leere  Bagagewagen,  eine 
Menge  von  Kisten,  Koffern  und  Bagagen  aller  Art  hatte 
man.  vielleicht  aus  Mangel  an  Bespannungen  oder  von  Transport- 
mitteln überhau{)t,  zurückgelassen,  die  nun  der  Plümlemng 
durch  das  Proletariat  auheimrielen.  Nur  ein  Teil  derselben 
'vurde  von  den  Nationalgarden  gerettet  und  einige  Tage 
später  dem  Platzkommandanten  GM.  Matauschek  übergeben. 

-Am  Laaerberg  angelangt,  biwakierte  das  Korps  Auersperg 
Vorläufig,  Front  gegen  Wien,  und  zwar:  Die  Division 


')  Marschordnung  Anhang  LL 


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270 


0 z e i k e. 


FJIL.  Csorich  bei  den  Ziegelöfen  am  Laaerberg,  jene  des 
FML.  Zephyris  auf  gleicher  Höhe  ä cheval  der  Inzersdorfer 
Chaussee. 

Im  Laufe  des  Nachmittags  wurden,  ansclüießend  an  den 
linken  Flügel  der  .\rmee  des  lianus,  Kantonierungen  bezogen 
imd  eine  neue  Ordre  de  bataille  verlautbart 

Es  wimde  befohlen  jeden  Bewatfneten  anzuhalten,  während 
der  Nacht  aber  alles  auf  die  Haui)tpikette  bringen  zu  lassen, 
wo  es  der  Einsicht  des  Kommandanten  überlas.sen  blieb,  die 
Betreffenden  eventuell  dem  Hauj)tquartier  eiuzuliefem. 

ln  jedem  Kantonieningsort  soUten  die  Einwohner  zur 
Ablieferung  «ler  Waffen  aufgefordert,  sämtliche  Zugänge 
besetzt  und  eine  Bereitschaft  ausgescliieden  werden,  welcher 
auch  die  Bewachung  der  eingeteilten  Batterien  oblag.  Wegen 
gedrängter  Beijuartiening  in  Scheunen  und  Ställen  waren  alle 
Vfirkehrungen  gegen  Feuersgetähr  zu  treffen  und  im  übrigen 
die  strengste  Mannszucht  zu  handhaben. 

Die  Lieferungen  an  Fleisch,  Holz  etc.  wurden  in  den 
einzelnen  Orten  kontraktlich  sichergestellt. 

Das  Marodeuhaus  befand  sich  in  Vösendorf,  der  Alarm- 
platz für  sämtliche  Truj)pen  auf  der  Höhe  bei  der  ..Spinnerin 
am  Kreuz”  zu  beiden  Seiten  der  Chaussee,  und  zwar : Division 
ZephjTis  rechts,  Csorich  links  der  Chausse,  die  Kavallerie  am 
hnken  Flügel. 

Auf  die  Nachricht,  daß  sich  steirische  Insurgenten  und 
Arbeiter  bei  Mürzzuschlag  und  Gloggnitz  als  Zuzug  nach 
Wien  sammeln,  erhielt  die  Brigade  Jablonowski  den  Befehl, 
die  telegraphische  Verbindung  auf  der  Gloggnitzer  Eisenbahn 
bei  Altmannsdorf  abbrechen  zu  lassen  und  die  Eisenbahn 
zwischen  Atzgersdorf  und  Altmannsdorf  durch  .Aushebung 
von  Schienen  zu  zerstören,  was  noch  um  11  Ulu'  nachts 
bewerkstelligt  wurde. 

Gleichzeitig  ließ  der  Brigadier  durch  StreifpatrouiUen  in 
den  nächst  gelegenen  Ortschaften  die  Glockenstränge  auf  den 
Kirchtürmen  abschneiden,  um  jedes  Signalläuten  zu  verhindern. 

Ein  Detachement  unter  Kommando  des  Obersten  Hor- 
vath erhielt  den  Befehl,  nach  Baden  und  Wiener-Neustadt  zin 


Anhang  III. 


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Aofmarsch  der  österreichischen  Armee  Regen  die  Revohition  1&4B.  271 


Besetzung  der  dortigen  Bahnhöfe  abzugehen.  Gleich  nach  dem 
Eintreffen  des  Grenadierbataülons  Strastil  dieses  Detachements 
am  13.  nachmittags  in  Baden  bemächtigte  sich  dasselbe  dort 
eines  eben  aus  Gloggnitz  ankommenden  Zuges  mit  Arbeitern, 
welche  nach  Wien  fahren  wollten.  Da  sie  unbewaffnet  und 
sonst  nicht  verdächtig  waren,  wimden  dieselben  mittels  Es- 
korte per  Bahn  nach  Gloggnitz  zurUckgesendet  und  nur  der 
mit  demselben  Zuge  angekommene  Techniker  Kohn  in  das 
Hauptquartier  eingeliefert  ‘). 

Die  mihtärische  Lage  beider  Armeekori).s  bei  Wien  hatte 
sich  inzwischen  wesenthch  gebessert. 

Die  erwartete  Verfolgung  diu'ch  die  ungarische  Armee 
l’and  nicht  statt  imd  von  Wien  aus  erfolgte  kein  Angriff ’i. 

Mit  der  Armee  des  Banns  vereinigten  sich  als  erhebhche 
Verstärkung  die  Kavallerieregimenter  Wallmoden-Kürassiere 
seit  1.  Oktober  1867  Dragonerregiment  Nr.  6)  und  Erzherzog 
Franz  Josef-Dragoner  (seit  1.  Oktober  1867  Dragonerregiment 
Xr.  11),  zwei  BataUlone  Ceccopieri-Infanterie  Nr.  23,  dann  das 
brenadierbataillon  Ferrari®)  und  eine  Division  des  17.  Grenz- 
inlänterieregiments,  welche  Truppen  unter  Kommando  des 
tiil.  Karger  von  Preßburg  kommend,  am  11.  bei  Hainbm’g 
die  Donau  auf  Plätten  übersetzt  hatten  *). 

Auch  zum  Korps  Auersperg  waren  einige  Verstärkungen 
au-s  dem  Innern  der  Monarchie  eingerückt. 

Nach  dem  Eintreffen  Auerspergs  am  Laaerberg  hatten 
beide  Armeekorj)s  am  12.  Oktober  eine  Aufstellung  von  der 
Douau  bei  Simmering  über  den  Laaer-  und  Wieiierberg  und 
hizer.sdorf  bis  Atzgersdorf  genommen  und  Vorposten  gegen 
Wien  aufgestellt. 

h K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernierung  Wiens,  X,  40. 

”)  Die  Wiener  Aufständischen  verhielten  sich,  abgesehen  von 
einigen  kleineren  Ausfällen  in  der  Zeit  vom  10.  bis  15.  Oktober  aus  der 
St.  -Manter  Linie  gegen  Simmering,  überhaupt  passiv  und  wagten  keinen 
gröberen  Angriff  gegen  die  Cemierungstruppon.  (Details  dieser  Kämpfe 
bei  Erzherzog  Johann,  Geschichte  des  Infanterieregiments  Nr.  12, 
Wien  1880,  11,  81). 

b Dieses  Grenadierbataillon  bestand  aus  den  Grenadierdivisioneii 
der  Infanterieregimonter  Nr.  23,  44  und  13. 

*)  K.  A.,  F.  A.  1848,  Korps  Jelladic,  X,  52,  ad  52  und  Xllb  2. 


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272 


C z e i k e. 


Vom  Korps  Auersperg  kantonierte  die  Division  Csoricli 
in  Altmannsdorf,  Steinhof  und  Erlaa,  die  Di%dsiou  Zephms 
in  Neustift,  Vösendorf  und  Siebenhirten.  Als  Reserve  standen 
drei  Kompagnien  Pioniere  in  Inzersdorf.  Korpshauptquartier  in 
Inzersdorf  *). 

Die  kroatiscii-slavonische  .Armee  lagerte  seit  10.  Oktober, 
und  zwar:  Division  Hartlieb  in  Inzersdorf.  Kempen  in  Ober- 
unil  Unter-Laa.  Scbmiedl  in  Rothneusiedl.  Korpshanptquartier 
in  letzterem  Orte. 

Die  Linie  der  Vorposten  erstreckte  sich  vom  Donau- 
kanul  über  Simmering,  den  Höhen  des  Laaer-  imd  Wiener- 
berges entlang,  zur  Eisenbahnbrücke  südlich  von  Aleidling. 
dann  längs  der  Chaussee  nach  .Atzgersdorf  und  Idesing  Uber 
die  Ijindemer  Mühle  bis  zu  der  von  Brunn  am  Gebirge  nach 
Neustift  führenden  Straße  *). 

In  der  Aufstellung  des  Koqis  Jellaciö  fand  am  13.  Ok- 
tober, nebst  anderweitigen  Dislokationsveriinderungen,  insofeni 
eine  wichtige  Verschiebung  statt,  als  an  diesem  Tage  die 
Di\'ision  Hartlieb  einen  Elankenmarsch  hinter  dem  AViener- 
berg  machte  und  Kantoniemngen  am  linken  Flügel  des  Korps 
Auersperg  in  Hietzing,  Ober-St.  Veit.  Lainz,  Speising  und 
Hetzendorf  bezog’). 

Die  A'orposten  dieser  Division  standen  längs  des  AVien- 
flusses  durch  den  Schönbrnnnergarten  mit  den  A'orposten  der 
AViener  Garnison  in  A’erbindung. 

Die  Dampfschiffahrt  auf  der  Donau  wimde  durch  Auf- 
stellung einiger  Geschütze  in  der  Freudenau  gesperrt. 

Am  14.  Oktober  war  somit  AA^ien  von  den  vereinigten 
Koiqis  .Auersperg  und  .lellaCic  bereits  im  Halbkreis  östlich 
und  südlich,  von  der  Donau  in  der  Freudenau  bis  Ober- 
St.  A'eit  eingeschlossen. 

Die  lünie  der  gegen  AA^ien  aufgestellten  A'orj)Osten  er- 
streckte sich  von  der  Donau  über  Simmering,  den  Höhen  des 

')  Details  der  Dislokation  Aiiliang  III. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1.S48,  Gernieruug  AViens,  XIII,  56  und  ebenda,  Korps 
Jellaöiö,  X,  76. 

•)  Diese  Division  verließ  am  15.  Oktober  die  angeführten  Kan- 
tonnements wieder  und  rückte  nach  Biedermannsdorf  ab.  (K.  A.,  F.  A. 
1848,  Cemierung  Atüens,  XIII,  3:i  und  ebenda,  Korps  Jellaci<5,-X,  73.) 


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Aafmarsoh  der  üiterreichisohen  Armee  gegen  die  Revolntion  1^.  273 


I>aaer-  und  Wienerberges  entlang  über  Meidling  und  längs  der 
Wien  bis  Ober-St.  Veit. 

Unter  dem  Befehl  Auerspergs  standen  zu  die.ser  Zeit 
niu-  13  Bataillone  Infanterie,  das  Chevaulegersregiment  Graf 
Wrbna  und  4 Batterien. 

Von  diesen  Truppen  mußten  jedoch  zwei  Bataillone  zur 
Besetzung  des  Xeugebäudes  vei-wendet  und  zwei  Bataillone  nach 
Wiener-Neustadt  und  Baden  entsendet  werden,  um  die  Zuzüge 
von  Insurgenten  aus  Steiermark  zu  entwaffnen  sowie  die  nicht 
überall  verläßliche  Bevölkerung  in  Respekt  zu  erhalten, 
während  ein  Bataillon  die  Türkensohanze  zur  Bewachung  der 
dortigen  Artilleriedepots  besetzt  hielt. 

Es  blieben  somit  Auersperg  nm  acht  Bataillone  übrig, 
von  denen  er  bei  einem  etwaigen  Angidfl’  der  Ungarn  nichts 
mehr  entbehren  konnte,  um  den  Banus  zu  unterstützen  '). 

Die  Armee  des  Banns  bestand  aus  nngefiihr  28.000  Mann 
lufanterie,  4000  Reitern  imd  80  Geschützen  *i. 

Von  der  kroatischen  Infanterie  waren  jedoch  niu-  sechs  Ba- 
taillone gut  und  kampffähig;  der  übrige  Teil  derselben  war 
schlecht  gekleidet,  wenig  in  den  Waffen  geübt,  nur  zur  Not 
mit  Offizieren  und  Unteroffizieren  versehen  und  ermangelte 
somit  zu  sein  der  inneren  Haltung,  um  auch  nur  einigermaßen 
f ertrauen  einflößen  zu  können. 

-Alles,  was  dem  Armeekorps  des  Banus  Kraft  gab,  waren 
die  Unterstützungen,  namentlich  an  Kavallerie  und  Artillerie, 
welche  er  vom  Kriegsministerium  und  von  den  Truppen 
-^.uerspergs  erhalten  hatte’). 

Mit  Rücksicht  auf  diese  \"erhältniase  hatten  sich  daher 
sowohl  Auersperg  als  Jellacio  wiederholt  an  den  Fürsten 
fWndisch  - Grätz  mit  der  dringenden  Bitte  gewendet,  den 
Marsch  seiner  Truppen  gegen  Wien  zu  beschleunigen  und 
dort  das  Kommando  über  die  gesamten  Streitkräfte  möglichst 
bald  zu  übernehmen. 

*)  K.  A.,  F.  A.  1818,  Cemierung  Wiens,  X,  60/29. 

*)  Anhang  IV. 

•)  Nach  einem  Bericht  Auerspergs  an  den  Fürsten  Windisch- 
Or&tz.  (K.  A.,  F.  A.  1848,  Cemierung  Wiens,  X,  60/29.)  Eine  inter- 
essante Schilderung  des  kroatischen  Lagers  vor  Wien,  sowie  der  Persön- 
lichkeit des  Banus  Jella5ic  bei  Helfert,  I,  54. 

Uittailongon  des  k.  und  k.  Kriegsarchivs.  Dritte  l'olge,  IV'.  Bd.  18 


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274 


C z e i k e. 


Infolge  eingelangter  Nachrichten,  daC  eine  15.000  Mann 
starke  feindliche  Kolonne  von  Üdenburg  über  "Wiener-Neustadt 
vorzmlringen  beabsichtige  und  es  nicht  unwahrscheinlich  war, 
daß  es  in  den  Absichten  des  Feindes  lag,  auch  von  Bruck 
gegen  die  bei  Wien  stehenden  Klüfte  vorzugehen,  während 
die  Wiener  Aufständischen  gleichzeitig  von  der  Stadt  aus 
angreifen  konnten  ‘j,  wurden  die  am  14.  Oktober  genommenen 
SteUungen  beider  Korps  am  15.  und  17.  Oktober  wesentlich 
verändert. 

Die  Kräfte  derselben  wurden  nun  derart  gruppiert,  daß 
das  Korps  Auersperg  mit  einem  Teile  der  kroatisch-slavonischen 
Armee,  Front  gegen  Wien,  einen  eventuellen  Angriö'  der 
Wiener  Aufständischen  zurückzuweisen  und  die  teilweise 
Ceniierung  der  Stadt  aufrecht  zu  erhalten  hatte,  der  größere 
Teil  der  Armee  des  Banns  aber,  Front  gegen  die  ungarische 
Grenze,  eine  zu  gewärtigende  Vorrückung  der  Ungarn  und 
deren  Vereinigung  mit  den  Wiener  Insurgenten,  selbst  durch 
Annahme  einer  Schlacht,  verhindern  soUte. 

Um  diesen  doppelten  Zweck  zu  erreichen  umschloß  das 
Korjjs  Auersperg  mit  einem  Teile  der  Armee  des  Banus  Wien 
südöstUch  imd  .südlich  von  der  Donau  bis  Atzgersdorf*i;  die 
kroatisch-slavonische  Armee  stand  hingegen  an  der  Linie  der 
Schwechat  von  Himberg  über  Schwechat  bis  Kaiser-Ebersdorf, 
mit  einer  vorge.schobenen  Brigade  in  Bauchenwarth  und  vor- 
geschobener Kavallerie  bei  Schwadorf,  Stixneusiedl  und  Tniut- 
mannsdorf‘^1. 

Diese  Kräftegi'ujipierung  der  Gros  beider  Armeekoqis 
wurde  bis  zum  Eintreffen  der  Nordarmee  und  bis  zur  engeren 
Ceniierung  Wiens  im  großen  ganzen  aufrechterhalten. 

Nur  in  den  Dispositionen  des  Banus  Jellaßiö  ergaben 
sich  in  der  Zeit  vom  17.  bis  23.  Oktober  einige  Änderungen, 
zu  welchen  die  Von'ückung  der  ungarischen  Armee  nötigte. 

*)  K.  A.,  F.  A.  1348,  Ceniionuig  Wiens,  X,  49. 

’)  Zur  Verstärkung  dieser  Stellung  wurden  Befestigungen  her- 
gestellt, und  zwar;  Auf  den  Höhen  des  Wienerberges  zwischen  der 
^Spinnerin  am  Kreuz”  und  ,, Tivoli”  westlich  des  Wirtshauses  „Phila- 
delphia” eine  Lünette  und  östlich  desselben  eine  Plesche  für  jo  zwei 
bis  drei  Geschütze. 

’t  Details  Anhang  V. 


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Aofmarscb  der  öiterreichiscben  Armee  gegen  die  Revolution  275 

FilL.  Moga,  der  Kommandant  der  ungarischen  Armee, 
war  dem  Banus  bis  gegen  die  österreichische  Grenze  gefolgt, 
konnte  sich  aber  nicht  entschließen,  Jellacic  auf  öster- 
reichischem Boden  anzugreifen  und  trat  vorerst  aus  seinem 
Feldlager  bei  Brack  a.  d.  L.  mit  dem  Grafen  Auersperg  in 
Unterhandlungen. 

In  seinem  ersten  Schreiben  au  letzteren  aus  Bruck  a.  d.  L. 
vom  12.  Oktober  erklärte  Moga,  daß  er  infolge  Reichtags- 
beschlusses  verpflichtet  sei,  den  als  oftenen  und  ohne  gesetz- 
lichen Befehl  in  üngani  eingebrochenen  Feind  in  jeder  Be- 
ziehung zu  verfolgen,  daß  die  ungarische  Armee  die  Grenzen 
Österreichs  nicht  als  Feind,  sondern  brüderlich  und  freundlich 
gesinnt,  überschreite,  daß  sie  die  dem  König  von  Ungarn 
Reschworene  Treue  halten  werde  und  bereit  sei,  zum  Schutze 
der  DjTiastie,  der  Monarchie  und  der  ungarischen  Yertassung 
den  letzten  Blutstropfen  aufzuopfern. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  ausgehend,  verlangte  Moga 
schließlich  von  Auersperg,  als  kommandierenden  General 
der  österreichischen  Truppen,  au  diesem  Kriege  der  Ungarn 
gegen  die  kroatische  Armee  keinerlei  Anteil  zu  nelimen  und 
sich  mit  der  österreichischen  Armee  ganz  neutral  zu  ver- 
halten ' 

Am  19.  Oktober  forderte  Moga  im  direkten  Auftrag- 
des  Landesverteidigungsausschusses  Auersperg  nochmals 
auf,  ofteu  und  rückhaltlos  zu  erklären,  ob  er,  ,,von  dem 
scheinbaren  Plane,  Ungarns  wohlbegründete  Rechte  zu  unter- 
drücken und  die  Zufuhr  vor  M'ien  sowie  den  friedlichen 
Handelsverkehi-  Ungarns  mit  Österreich  abspeiTen  zu  wollen”, 
nicht  abstehe. 

„Ungarns  ganze  Bevölkerung,”  versicherte  Moga,  ,, harre 
nur  des  Aufrufes,  um  in  Massen  von  Huuderttausenden  auf- 
zustehen, um  selbst  dmxh  Ströme  Blutes  Ungarns  gutes  Recht 
zu  verfechten*).” 

FML.  Auersperg  beantwortete  diese  beiden  Schreiben 
am  20.  Oktober  mit  der  Mitteilung,  daß  ihm  die  Erledigung 
derselben  nicht  mehr  zustehe,  nachdem  Seine  Majestät  der 


')  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernierung  Wiens,  X,  .809. 

’)  Sbenda,  312. 

18* 


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276 


C 2 e i k e. 


Kaiser  den  Fürsten  Windisch-ürätz  zum  Feldmarscliall 
und  Oberbefehlshaber  aller  k.  k.  Truppen,  mit  Ausnahme 
jener  unter  dem  Befehl  Radetzkys  ernannt  und  mit  außer- 
ordentlichen Vollmachten  zur  Beilegung  der  obschwebenden 
Differenzen  ausgerüstet  habe*). 

Mittlerweile  hatte  aber  der  Feldmarschall  am  17.  Oktober 
von  Olmütz  aus  Moga  die  gemessene  Weisung  erteilt,  sich 
für  seine  Person  sogleich  in  das  Hauptquartier  vor  Wien  zu 
verfugen  imd  mit  allen  im  Augenblick  dessen  Oberbefclil 
unterstehenden  Offizieren  und  Truppenabteilungen  ohne  Zeit- 
verlust zu  dem  unter  Kommando  des  Fürsten  stehenden 
Heere  zu  stoßen,  widrigenfalls  dieselben  als  der  Strenge  der 
Kriegsgesetze  verfallen  zu  betrachten  wären*). 

Der  Präsident  des  ungarischen  Landesverteidigtings- 
ausschusses,  Kossuth,  gab  hingegen  in  einem  Schreiben  aus 
Komom  vom  U).  Oktober  dem  FML.  Moga  bekannt,  daß  er 
mit  dessen  Plan,  „um  keinen  Preis  gegen  Wien  vorzurücken'^ 
nicht  einverstanden  sei. 

Kossuth  war  der  Ansicht,  daß  der  Feind  hiedurch  nur 
noch  mehr  Zeit  gewinne,  sich  zu  konzentrieren  und  die  ihm 
tauglichsten  Positionen  zu  nehmen,  die  eigenen  Truppen  aber 
«lurch  ein  so  weit  getriebenes  Verzögerungssystem  verstimmt, 
mutlos,  ja  selbst  krank  und  zu  energischen  Operationen  un- 
fähig gemacht  werden. 

Nach  der  Auffassung  Ko ssuths  sollte  Moga  alle  irgend- 
wie disponiblen  Kräfte  bei  Wien  konzentrieren,  um  einen 
entscheidenden  Schlag  zu  führen,  da  hiedurch  auch  die  Kräfte 
aller  übrigen  das  Vaterland  angreifenden  Feinde,  wenigstens 
moralisch,  gebrochen  würden,  was  jedenfalls  voti  gp"oßer  Be- 
deutung sei*). 

Während  man  so  im  ungarischen  Lager  aus  militärischen 
Gründen,  sowie  j)olitischen  Bedenken,  zu  keinem  einheitlichen 
Entscliluß  gelangen  konnte  und  Moga  durch  melirere  Tage 
an  der  österreichischen  Grenze  untätig  blieb,  hatte  aber  der 
Banus  Jellaöic,  wie  aus  der  früher  erwähnten  Aufstellung 

'j  K.  A.,  F,  A.  1849,  Cernierung  Wiens,  X,  314. 

’)  Ebenda,  311. 

’)  Ebenda,  313. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revulution  1S48.  277 


seines  Armeekorps  am  17.  Oktober  ersichtlich,  bereits  seine 
Dispositionen  gegeben,  um  einer  Vorrückung  der  Ungarn 
wirksam  entgegenzutreten  und  deren  Vereinigung  mit  den 
Wiener  Aufständischen  zu  verhindern. 

Was  speziell  die  Sicherung  beider  Armeekorjjs  vor  Wien 
gegen  einen  eventuellen  Vormarsch  der  ungarischen  Streit- 
kräfte anlangt,  so  waren  seit  11.  Oktober  folgende  Anordnungen 
getroffen  worden. 

An  diesem  Tage  wurde  die  Kavalleriebrigade  Baltheser 
tad  interim  Oberst  Sedlmayer)  aus  dem  Lager  bei  Unter-Laa 
nach  Schwechat  beordert,  um  daselbst  Stellung  zu  nehmen 
und  diwch  vorgeschobene  Abteilungen  die  ungarische  Grenze 
zu  beobachten. 

Sie  hatte  sich  mit  der  beim  Neugebäude  befindlichen 
Brigade  GM.  Lederer  in  Verbindung  zu  setzen,  von  welcher 
sie  im  Falle  eines  Angriffes  unterstützt  werden  sollte. 

Den  Befehl  über  beide  Kavalleriebrigaden  übernahm  als 
Divisionär  ad  interim  GM.  Baltheser,  welcher  am  12.  Oktober 
die  ganze  Kavallerietnippendivision  an  der  Linie  der  Schwechat 
vereinigte,  alle  Übergänge  über  dieselbe  besetzte  und  mit 
einer  vorgeschobenen  Abteilimg  in  Schwadorf  die  ungarische 
Grenze  beobachten  Hell. 

Am  15.  Oktober  wiwde  das  Divisionskommando  dem 
GM.  Ottinger  übertragen,  der  über  Befehl  des  Banus  die 
Brigade  GM.  Balthe.ser  an  der  Linie  der  Schwechat,  jene  des 
GM.  Lederer  an  der  Fischa  konzentrierte*)- 

Schwächere  Abteilungen  wurden  nach  !Maria  Eilend, 
■Irbesthal,  Sti.vneusieiU  und  Trautmannsdorf  vorgeschoben,  um 
besonders  gegen  Bruck,  Sommerein  imd  Höflein  zu  beob- 
achten. 

Bei  einem  starken  feindlichen  Angriff  sollte  die  gesamte 
Kavallerie  auf  die  Höhen  von  Bauchenwarth  rücken  und 
einen  eventuellen  Rückzug  hinter  die  Linie  «ler  Schwechat 
antreten. 

.\m  17.  Oktober  erhielt  die  Kavalleriebrigade  GM.  Lederer 
den  Befehl,  mit  dem  Gros  am  18.  nach  Sti.xneusiedl  zu 
marschieren,  mit  einer  Infauterieabteilung  und  einer  Division 

')  Anhang  VI  und  VII. 


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278 


C X e i k e. 


Kavallerie  aber  Bruck  a.  d.  L.  zu  besetzen  und  im  Falle  dies 
nicht  ausführbar  wäre,  einstweilen  weiter  rückwärts  eine 
geeignete  Aufstellung  zu  nehmen,  um  die  Linie  der  Leitha  zu 
beobachten  *). 

Die  hiezu  bestimmte  Division  Franz  Josef-Dragoner  mit 
der  Division  Wiener  Freiwillige  Jäger  trafen  am  18.  vor  Bnick 
ein,  wurden  jedoch  dort  durch  Kleingewehrfeuer  und  das 
Feuer  zweier  hinter  dem  Eisenbahndamm  aufgestellten  Ge- 
schütze empfangen  und  traten  nach  einem  kleinen  Gefecht 
den  Rückzug  an,  um  diesseits  von  Bruck  eine  beobachtende 
Aufstellung  einzunehinen. 

Das  Gros  der  Brigade  Lederer  kam  am  19.  nach  Gall- 
bnmn,  deren  Yorj)osten  waren  bis  an  die  Leitha  vorgeschoben. 

Jellaßio  hatte  nunmehr  den  Entschluß  gefaßt,  ein 
entscheidendes  Gefecht  erst  hinter  dem  deckenden  Wr.-Keu- 
städter  Kanal  anzunehmen  und  traf  in  diesem  Sinne  seine 
Dispositionen. 

Im  Falle  eines  nachdrücklichen  Angriffes  der  Ungarn 
auf  Stixneusiedl  und  Schwadorf,  sollte  sich  die  bei  Rauchen- 
warth aufgestellte  Infanteriebrigade,  jedes  Gefecht  vermeidend, 
ohne  Zeitverlust  nach  Himberg  zurückziehen,  die  Kavallerie- 
division Ottinger  aber  fechtend  nach  Schwadorf  zurückgehen, 
dort  sowie  in  Fischamend  die  Brucken  abtragen  oder  ver- 
rammeln lassen  und  dann  den  Rückzug  von  Stellung  zu 
Stellung  über  die  Brücken  bei  Unter-  und  Ober-Lanzendorf 
bis  hinter  den  Wr.-Neustädter  Kanal  fortsetzen. 

Alle  in  Fischamend  befindlichen  Abteilunge)i  hatten  durch 
die  Auen  und  längs  derselben  nach  Kaiser-Ebersdorf  zurück- 
zugehen ; die  Kavalleriebrigade  Baltheser  sollte  sich  bei 
Laa  konzentrieren  und  dort  die  weiteren  Befehle  erwarten*!. 

Am  21.  Oktober  überschritt  endlich  Moga  die  Leitha 
und  rückte  mit  ungefähr  5 Batailk)uen  Infanterie,  National- 
garden,  3 Divisionen  Husaren  und  1 Batterie  in  3 Kolonnen 
von  Bruck  gegen  Stixneusiedl,  dann  längs  der  Eisenbahn 
gegen  Trautmannsdorf  und  auf  tler  Straße  gegen  Göttles- 
brunn  vor. 

■i  K.  A.,  F.  A.  1818,  Korps  Jellaäic,  X,  ll.ö. 

’)  Ebenda.  129. 


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Aufmarsch  der  österreiobigohan  Armee  gegen  die  Revolution  1&18.  279 


Die  Bingade  Lederer  zog  sich  iniblgedessen  fechtend 
nach  Schwadorf  hinter  die  Fischa  zurück ; ihre  Yorjiosten 
standen  jenseits  dieses  Flusses  auf  den  Höhen  zwischen 
Schwadorf  und  Gailbrunn.  Der  Feind  besetzte  die  Ortschaften 
Trautmannsdoif,  Stixneusiedl,  Arbesthal  und  Regelsbrunn. 

Ln  Falle  einer  weiteren  Vorrückung  der  Ungarn  beab- 
sichtigte Jellaöic  seine  Truppen  hinter  die  Linie  der 
Schwechat  und  des  Wr.-Neustädter  Kanals  zurückzuziehen,  das 
Gros  seines  Korjis  zwi.schen  Laa  und  Hennersdorf  zu  konzen- 
trieren und  mit  Behauptung  von  Kaiser-EVjersdoif,  Schwechat 
nnd  des  Wr. -Neustädter  Kanals  nachdrücklichst  Widerstand  zu 
leisten,  zu  welchem  Behuf  am  22.  Oktober  die  nötigen  Befehle 
erlassen  wurden  *). 

Allein  der  erwartete  Angiiff  der  Ungarn  blieb  aus:  sie 
hatten  sich  am  2ä.  und  24.  Oktober  wieder  hinter  die  Leitha 
zurückgezogen. 

Der  günstige  Angenblick,  den  Wiener  Aufständischen 
die  Hand  zu  reichen  und  vereint  mit  ihnen,  vor  dem  Ein- 
treffen der  Nordannee,  einen  entscheidenden  Schlag  zu  führen, 
war  längst  versäumt,  denn  schon  stand  Windisch-Grätz  mit 
dieser  vor  den  Toren  Wiens. 

Die  Nordannee. 

Am  7.  Oktober  abends  langten  die  ersten  Nachrichten 
von  den  Wiener  Ereignissen  in  Prag  ein ; dieselben  waren 
jedoch  zu  verworren  und  unbestimmt,  um  mit  Sicherheit 
etwas  unternehmen  zu  kÖTineu. 

Verläßliche  Nachrichten  hierüber  erhielt  Fürst  Windisch- 
Grätz  erst  am  8.  abends,  worauf  er  noch  am  selben  Abend 
den  Hauptmann  Drechsler  des  Generalquartiermeisterstabes 
mit  dem  Auftrag  nach  Wien  entsendete,  in  möglichster  Eile 
Kunde  über  die  Sicherheit  und  den  Aufenthaltsort  der  kaiser- 
lichen Familie  einzuziehen. 

Gleichzeitig  erging  an  alle  in  Böhmen  entbehrlichen 
Trappen  der  Befehl,  sich  in  Marschbereitschaft  zu  setzen. 

Durch  den  Grafen  Moritz  Pälffy,  welcher  sich  ilem 
Monarchen  im  Augenblick,  wo  er  Wien  verließ,  in  echt 

•)  K.  A.,  F.  Ä.  1848,  Cernieruug  Wiens,  X,  ad  103. 


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280 


C s e i k e. 


ritterlichem  Sinne  ziu-  Verlupiing  gesteht  hatte,  empfing  der 
Fürst  am  9.  vormittags  die  Iteruhigende  Versicherung  von 
der  Abreise  des  Kaisers  und  der  kaiserlichen  Familie  nach 
Olmütz. 

Auch  Hauptmaim  Drechsler,  mit  großer  Geschickhchkeit 
seine  Aufgabe  voUtuhrend,  kehrte  am  10.  mit  der  Nachricht 
nach  Prag  zurück,  daß  Se.  Majestät  die  Donau  bei  Krems 
glücklich  passiert  habe,  am  9.  in  Pulkau  übernachtete  und 
über  Znaim  und  Selowitz  am  14.  in  Olmütz  eintreffen  könne. 

Die  ersten  Dispositionen  für  den  Abmarsch  des  böhmischen 
Anneekorps  enthielt  ein  am  9.  Oktober  verlautbarter  üenerals- 
befehl,  welcher  mit  nachstehenden  Worten  eingeleitet  warO: 

„Das  gefährdete  Wohl  Sr.  Majestät  unseres  vielgeliebten 
kon.stitutionellen  Kaisers  und  dessen  erhabener  Dynastie,  wie 
nicht  minder  die  bange  Sorge  für  das  Heil  der  Gesamt- 
monarchie legt  mir  die  heilige  Pflicht  auf,  mit  einem  Teile 
der  treu  bewährten  und  .stets  braven  böhmischen  Armee  gegen 
die  Residenz  Wien  anfzubrechen  und  mit  den  Waffen  dort 
einzuschreiten,  wo  es  das  Gefühl  für  Pflicht,  Ehre  und  Recht 
gebieten  wird,  um  dadurch  zur  Bekämpfuug  der  scheußlichen 
Anarchie  und  der  verruchtesten  Umtriebe  mitzuwirken,  welche 
Thron  und  Vaterland  an  den  Rand  des  unvermeidlichen 
Abgrundes  zu  bringen  drohen.” 

Dieser  GeneralsbefelJ  wurde  von  den  Truppen  mit  Jubel 
begrüßt,  denn  nun  war  endlich  die  Stunde  gekommen,  wo 
der  Soldat  die  seit  Monaten  erlittenen  Unbilden  mit  der 
Schärfe  seiner  Waffen  beantworten  konnte. 

Fürst  Windisch-Grätz,  von  der  Treue  und  Hingebung 
seiner  Tru})peu  überzeugt,  \-ielleicht  aber  doch  besorgt,  daß 
deren  Eifer  in  den  zu  erwartenden  Kämpfen  über  die  Grenzen 
der  Humanität  hinausgehen  könnte,  machte  noch  sämtliche 
Truppenkommaiidanten  darauf  aufmerksam,  daß  bei  dem  Um- 
stand, als  die  traurigen  Ereignisse  in  Wien  nur  dem  rastlosen 
Treiben  einer  wühlerischen  Partei  zuzusclu-eiben  seien,  welche 
den  überwiegenden  TeU  der  Gutgesinnten  durch  Terrorismus 
eingeschüchtert,  die  Proletarier  aber  durch  alle  Künste  der 
Verführung  irregeleitet  hatte,  bei  der  Unterwerfung  der 


’)  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernierung  Wiens,  X,  22. 


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Aafmarsoh  der  ÖBterreicbiscbon  Armee  gegen  die  Rovolntion  l&lb.  28t 


Hauptstadt  Mensehliehkeit  und  Pflicht  gebiete,  diese  mit 
möglichster  Schonung  und  tunlichster  Vermeidung  alles  Blut- 
vergießens zu  volLführen  '). 

Ein  neuer  Beweis  seines  edlen  Herzens,  das  trotz  der 
in  letzter  Zeit  erlittenen  Schicksalsschläge  keine  Bache 
kannte. 

Der  Fürst  beabsichtigte  zu  dieser  Zeit,  vor  allem  die 
Hauptstadt  imd  wenn  es  nötig  sein  sollte,  die  ganze  Provinz 
in  Belagerungszustand  zu  erklären  und  Wien  dinch  eine  voU- 
ständige  Absperrung  und  Abschueidung  jedes  Verkehi’s  zur 
Beshmimg  zu  bringen,  zu  welchem  Zwecke  die  nötigen 
Maßnahmen  im  geeigneten  Zeitpunkt  verfügt  werden  sollten. 

Hiebei  fiel  bis  zum  Eintreffen  der  auswärtigen  Verstär- 
kungen der  Wiener  Garnison  die  Aufgabe  zu,  sich  möglichst 
passiv  zu  verhalten,  in  einer  geeigneten,  wenn  nötig  fest 
verschanzten  Stellung  auf  dem  Laaerberg  alle  Kräfte  zu 
konzentrieren  und  das  Neugebäude  mit  dem  dort  befindlichen 
Artilleriematerial  unter  aUen  Umständen  gegen  einen  Hand- 
streich zu  schützen. 

Die  Stärke  der  zum  Ausmarsch  aus  Böhmen  gegen 
Wien  bestimmten  Truppen  betrug  laut  Ordre  de  bataille 
13*  6 Bataillone,  18  Eskadronen,  54  Geschütze  imd  4 Brücken- 
equipagen *). 

Diese  Truppen  hatten  in  der  größtmögUchen  Stärke, 
mit  den  Feldrequisiten  versehen  und  der  Kriegsmunition  aus- 
gerüstet. bei  Eücklassung  aller  unnützen  Bagagen,  jedoch 
unter  Alitnahme  der  Feldkessel  und  Kasserole  abzmnar- 
schieren. 

Es  lag  in  der  Absicht  des  Fürsten,  den  größten  Teil 
seiner  Truppen  so  schnell  als  möglich  und  so  weit  als  tunlich 
mit  der  Eisenbahn  gegen  Wien,  unter  allen  Verhältnissen 
jedoch  wenigstens  bis  Olmütz  zu  befördern. 

Hei  dem  Umstand  aber,  daß  sich  bald  ein  fühlbarer 
Mangel  an  roUendem  Alaterial  geltend  machte  und  man  infolge 
offenkundigen,  mitunter  bis  ziu-  Widersetzlichkeit  gesteigerten 
Widerwillens  des  Bahnpersonals,  welches  vom  Beiclistag  den 


*)  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cemierung  AViens,  X,  liO/14. 
»)  Anliang  VIII. 


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2Ö2 


G z 0 i k e 


Befehl  erhalten  hatte,  unter  keinen  Umständen  Trappen  zu 
befördern,  auf  immense  Schwierigkeiten  stieü,  konnte  es 
einem  grollen  Teile  der  Truppen  nicht  erspart  werden,  ihr 
Ziel  in  forcierten  Märschen  zu  erreichen  *). 

Vor  allem  mußte  für  die  Sicherung  der  Eisenbahnlinie 
Prag — Olmiitz  Vorsorge  getroffen  w'erden.  Es  erhielten  daher 
das  .5.  und  eine  Division  des  6.  .Tägerbataillons  *i  den 
Befeld,  noch  am  9.  abends  mit  der  Eisenbahn  von  Prag  ab- 
zugehen, um  alle  23  Stationen  von  B^cho'witz  bis  Stefanaii 
vor  Olmütz  zu  besetzen  und  mit  allem  Ernst  und  der  nach- 
drücklichsten Kraft  die  Eisenbahnlinie  und  den  Telegraphen 
auf  der  erwähnten  Strecke  zu  sichern. 

Die  Brigade  GM.  Prinz  Hohenlohe,  bestehend  aus 
dem  3.  Feld-  und  1.  Landwehrbataillon  Wocher  Nr.  25,  dem 
2.  Feldjägerbataillon  und  einer  ordinären  Batterie,  hatte  mit 
zwei  Di%dsionen  Ficquelmont-Dragoner  (seit  1.  Oktober  1867 
Dragonerregiment  Nr.  1 2 1 aus  Klattau,  welche  dieser  Brigade 

ü Die  Sympathien  der  Eisenbahnbenmten  für  die  Eevolntion  und 
die  sich  hieraus  ergebenden  Schwierigkeiten  beim  Tran.sport  der 
Trappen  per  Bahn,  welche  die  Truppenkommandanten  oft  zur  Anwen- 
dung der  energischesteu  Maßregeln  gegen  das  Babupersonal  zwang, 
beleuchtet  nachstehende  Episode,  die  FML.  Graf  Kolowrat-Kra- 
kowsky  in  seinen  Erinnerimgen  aus  den  Jahren  1848  und  1849,  II,  31, 
erzählt : 

„Als  die  Truppen  von  Olmütz  aus  nach  Gänserndorf  befördert 
werden  sollten,  weigerte  sich  der  dortige  Inspektor,  dieselben  zu  expe- 
dieren. Da  ließ  ihn  General  Schütte,  der  sich  mit  seiner  Brigade  am 
Bahnhof  befand,  kommen  und  fragte  ihn,  wieviel  Zeit  er  benötige,  um 
die  Lokomotiven  zu  heizen.  Auf  die  Antwort  des  Inspektors : in  lich 
glaube  einer  Stunde)  einer  Stunde  — sagte  ihm  der  General : ,Hören 
Sie!  Um  die  Befehle  des  Eeichstagos  kümmere  ich  mich  nicht,  aber 
ich  gebe  Ihnen  mein  Ehrenwort,  daß,  wenn  der  Train  nicht  in  einer 
Stunde  (er  gab  die  gegebene  Zeit  an)  abfahren  kann,  ich  Sie  erschießen 
lasse.’  Der  Inspektor,  ganz  erschreckt,  entfernte  sich,  aber  unter  .Auf- 
sicht, und  in  der  festgesetzten  Zeit  stand  der  Train  bereit.  Als  die  Truppen 
alle  cingestiegen  waren,  befahl  der  General  dem  Inspektor,  bei  dem  er 
so  schlechten  'Willen  fand,  den  Train  selbst  zu  führen  und  sagte  ihm: 
,Auf  dem  ersten  Wagen  sind  Jäger,  die  den  Befehl  haben,  bei  dom  ge- 
ringsten Unfall,  der  dem  Train  zustoßen  würde.  Sie  zusammenzu- 
schießen.  Sorgen  Sie  also,  daß  wir  ohne  Hindernis  ankommen’.” 

•)  Dieses  Bataillon  war  zum  Ersatz  der  von  Prag  abrückeuden 
Truppen  von  Eger  nach  Prag  beordert  worden. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  go^en  die  Rerolntion  lSi9.  28B 


zugeteilt  wurden,  24  Stunden  nach  Erhalt  des  Befehles  ' t aus 
den  Stationen  Budweis,  Tabor  und  Pisek  aufzul.)rechen,  in 
forcierten  Märschen  über  Krems  nach  Stein  zu  marschieren 
und  durch  Besetzung  von  Stein  und  Mautern  die  dortige 
Donaubrücke  zu  sichern. 

An  Stelle  des  erkrankten  GM.  Prinzen  Hohenlohe 
übernahm  FML.  Bamberg  freiwillig  das  Kommando  über 
diese  Brigade. 

Für  den  Fall,  als  der  Kaiser  die  Donau  bereits  über- 
schritten hätte,  soüto  dieser  General  nnverweilt  gegen  Wien 
vorrücken  und  eine  Stellung  am  Kahlenberg  nehmen,  um 
hiedurch  die  Einschließung  Wiens  von  dieser  Seite  zu  be- 
wirken, das  Nußdorfer  Defile  zu  sperren  und  den  vom  Fürsten 
AVindisch-Grätz  in  Aussicht  genommenen  Donauübergaug 
l)ei  Klostenieuburg  zu  unterstützen. 

Die  gesamte  Kavallerie,  mit  Ausnahme  des  Dragoner- 
regiments Graf  Ficquelmont,  wurde  vorläufig  angewiesen, 
in  der  Ebene  unweit  von  Komeuburg  zu  lagern  und  den 
Nachrichten-  und  Sicherheitsdienst  zu  versehen. 

Mittlerweile  waren  auch  die  kommandierenden  Generale 
von  Mähren  und  Galizien  im  Sinne  der  mit  dem  Fürsten 
tfüher  getroffenen  Vereinbarungen  tätig  gewesen. 

Der  Kommandierende  in  Mähren,  FML.  Fürst  Renß, 
hatte  durch  Major  Graf  Coudenhove  am  8.  den  mündlichen 
Befehl  des  Erzherzogs  Franz  Karl  erhalten,  seine  sämtlichen 
Tnippen  gegen  Wien  zu  dirigieren  und  wurden  infolge  dieses 
Befehles  sogleich  das  1.  Bataillon  Erzhei'zog  Stephan  Nr.  58 
von  Znaim  nach  Stockerau  und  das  Infanterieregiment  Graf 
MazzucheUi  Nr.  10  in  Marsch  gesetzt. 

Auch  dem  Fürsten  Keuß  war  in  letzterer  Zeit  ein 
großer  Teil  seiner  Truppen  entzogen  worden,  so  daß  sieh  der 
Stand  denselben  in  Mähren  und  Schlesien  auf  10 Ve  Bataillone 
Infanterie,  3 Divisionen  Kavallerie  und  eine  Batterie  redu- 
ziert hatte. 

Die  Mitteilung  über  die  Situation  in  Sßihren  überbrachte 
ilajor  Graf  Coudenhove  in  einem  Schreiben  <les  Fürsten 
Reuß  an  Windisch-Grätz  am  9.  Oktober  in  der  Nacht 

*)  Dieser  Befehl  wurde  am  9.  Oktober  gegeben. 


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nach  Prag,  in  welchem  sich  ersterer  auch  bereit  erklärte, 
nütigenfalls  unter  den  Befehl  des  Fürsten  Windisch-Grätz 
zu  treten. 

Major  Coudenhove  rvurde  mit  der  Weisung  nach 
Olmütz  zuriickgesendet,  daß  vor  allem  die  Sicherheit  Seiner 
^Majestät  und  in  zweiter  Linie  jene  der  Eisenbahn  Olmütz— 
Lundenburg  anzustreben  sei. 

Gleichzeitig  hatte  der  Militärkommandant  von  Krakau. 
FML.  Graf  Schlick,  durch  Ilauptmann  Graf  Theobald  an 
den  Fürsten  die  Meldung  gelangen  lassen,  daß  je  ein  Ba- 
taillon Schönhals  Nr.  29,  Herzog  von  Parma  Nr.  24  imd  Fürsten- 
wärther  Nr.  5(J,  dann  zwei  Eskadronen  Erzherzog  Karl  Ludwig- 
Chevaulegers  (seit  1.  Juni  1851  ülauenregiment  Nr.  7)  und 
die  sechs])fUndige  Kavalleriebatterie  Nr.  15  im  Anmarsch 
gegen  Wien  zwischen  dem  13.  und  15.  Oktober  in  Lunden- 
burg eintretfen  dürften,  um  sich  dort  an  die  böhmische  Armee 
anzuschließen  ' i. 

Wichtige  und  umfassende  Aufgaben  fielen  in  dieser  ersten 
kritischen  Zeit  dem  fähigen  und  energischen  GM.  von  WyE 
zu,  welcher  vom  Fürsten  Windisch-G rätz  mit  dem  Haupt- 
mann  I>obner  des  General(|uartiermeisterstabes  gleich  nach 
der  in  der  Nacht  vom  9.  auf  den  10.  eingetroffenen  telegra- 
phischen Depesche,  daß  die  Eisenbahn  bis  Olmütz  besetzt 
sei,  in  das  Marchfeld  vorausgesendet  wurde. 

Die  tiir  diesen  General  verfaßte  Instruktion  enthielt  im 
wesentlichen  folgende  Punkte*); 

1 . Sich<>rung  der  Eisenbahn  von  Olmütz  bis  Lundenburg 
und  womöglich  bis  Angern  und  Gänsemdoiff  zum  Zwecke 
des  Tru](pen-  und  Kriegsmaterialientrans[)ortes  mittels  der 
Eisenbahn  bis  in  die  Nähe  AViens  ; Beobachtung  der  Kom- 
munikationen nach  Ungarn  hin,  sowie  der  Alarchbrücken  bei 
Hohenau,  Dürnkrut  und  Angern. 

2.  Herbeischaffung  aller  Waggons  für  den  Truppen-  imd 
Kriegsmaterialientransport  zur  beliebigen  Disposition  in  Olmütz. 

3.  Konzentrierung  der  Truppen,  die  aus  Mähren  und 
Galizien  gegen  Krems  und  Wien  im  Marsch  begriffen  waren 


‘)  K.  A.f  F.  A.  1848,  Cernierung  AViens,  X,  22. 
Ebenda,  25  a. 


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Aafmarscli  der  österreichiachen  Armee  gegen  die  Revolution  ISIS.  285 


CungefälirneunBataillone)  und  deren  Aufstellung  und  Lagerung 
bei  Floridsdorf,  um  Wien  am  linken  Donauufer  abzusperren. 
Überwachung  der  Taborbrücke  und  des  Nordbahnhofes. 

4.  Ausmittlung  eines  Lagerplatzes  für  ungefähr  10  Ba- 
taillone, 16  Eskadronen  und  7 Batterien  auf  dem  Marchfeld 
inmitten  der  Stockeraner  Bahn  und  der  Kaiser  Ferdinands- 
Xordbahn. 

6.  Vorsorgen  zur  Sicherstellung  der  Verjtflegung  für  die 
-\rmee. 

6.  Besetzung  Klosterneuburgs,  namentlich  des  festen 
Klosters  dortselbst  und  Sicherung  der  in  dieser  Stadt  befind- 
lichen Brückeneciuipagen,  Verständigung  des  Obersten  Schön 
des  Pionierkorps  über  das  Eintreffen  von  vier  Brüekenequi- 
pagen  aus  Prag,  weiters,  daß  die  anrückende  Armee  minde- 
stens zwei  Brücken  über  die  Donau,  auf-  und  abwärts  von 
Wien  benötigen  und  das  zur  Herstellung  einer  Schiffltrücke 
notwendige  Material  requiriert  und  in  Klosterneuburg  depo- 
niert werde. 

Vorsorgen  wegen  des  liberganges  bei  Tulln. 

7.  Bei  hinlänglich  konzentrierten  Truppen,  Besetzung 
der  Eisenbahn  von  Stockerau  nach  Wien,  zur  Deckung  gegen 
alle  Eventualitäten  und  zm  beliebigen  eigenen  Benützung. 

8.  Besetzung  des  Kahlenberges  zur  Sperrung  des  Defiles 
bei  Nußdorf,  durch  die  zwischen  dem  18.  und  20.  in  Krems, 
Stern  und  Mautem  eintreffeude  Brigade  Hohenlohe,  für  den 
Fall,  als  der  Kaiser  in  Sicherheit  gebracht  w'äre  und  mit  der 
Herstellung  der  Donaubrücke  begonnen  werden  könne.  Endlich 
hatte  GM.  Wyß  von  Olmütz  aus  mit  den  disponiblen  Truppen, 
namentlich  aber  mit  dem  Regiment  Khevenhüller  Nr.  35  und 
einer  Batterie  per  Bahn  oder  in  forcierten  Itlärschen  als  Avant- 
garde bis  Limdenbiirg  oder  selbst  bis  an  die  Donau  vorzimücken. 

Zwischen  dem  9.  und  12.  Oktober  waren  sämtliche  Truppen 
aus  den  Garnisonen  Budweis,  Tabor,  Prag,  Theresienstadt, 
Josefstadt,  Königgrätz  etc.  derart  in  Marsch  gesetzt  worden, 
daß  dieselben  teils  per  Bahn  über  Olmütz  und  Lundenburg, 
teils  wegen  Mangel  an  rollendem  Material  oder  aus  sonstigen 
Gründen,  in  forcierten  Märschen  auf  den  kürzesten  Routen 
von  Budweis  über  Krems,  von  Prag  über  Tabor  und  Honi, 
von  Podiebrad  über  Kolin,  Iglau  und  Znaiin,  endlich  von 


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286 


C s e i k e. 


Josefstadt  und  Ivöuiggrätz  über  Pardubitz,  Kamenitz  und 
Deutsch-Brod  am  21.  und  22.  Oktober  auf  dem  Marohfeld 
bei  Lang-Enzersdorf  eintreffen  konnten. 

Nachdem  diese  Tru[»peu  ohne  lange  Kriegsvorbereitnngen, 
nur  mit  dem  Notwendigsten  ausgerüstet,  binnen  48  Stunden 
ihre  Friedensgamisonen  verlassen  muüten,  trotzdem  aber  in 
außergewöhnlichen,  forcierten,  mit  seltener  Ausdauer  und 
Cb'dniuig  flurchgeführten  Marschleistimgen,  in  der  kurzen  Zeit 
von  8 bis  10  Tagen  vollkommen  schlagfertig  in  das  Marchfeld 
gelangten,  so  kann  dem  vorzüglichen  Geiste  derselben,  ihrer 
Disziplin  und  Ausbildung  nur  die  größte  Anerkennung  gezellt 
werden. 

Fürst  Windisch-ürätz  hatte  dem  FML.  Grafen 
Auersperg  von  Prag  aus  den  Befehl  erteilt,  sich  vor  Wien 
möglichst  passiv  zu  verhalten  und  in  einer  Stellung  am  Laaer- 
berg  den  Anmarsch  seiner  Truj)peu  abzuwarten. 

Während  nun  Auersperg  mit  einem  Teile  der  .4rmee 
des  Banus  Jellacic  Wien  im  Süden  und  Osten  ceniiert  hielt, 
letzterer  aber  mit  seinem  Korps  eine  ^'ereinigung  der  unga- 
rischen Streitkräfte  mit  den  Wiener  Insurgenten  verhindern 
sollte,  lag  es  in  der  Absicht  des  Fürsten,  alle  seine  Kräfte  so 
rasch  als  möglich  durch  eine  konzentrische  Vorrückung  gegen 
Wien  zu  dirigieren,  um  dann  vereint  mit  den  beiden  dort 
befindlichen  Armeekorps  seine  Operationen  gegen  die  Haupt- 
stadt und  die  ungarische  Armee  aufzimehmen. 

Aus  einem  Bericht  Auerspergs  vom  11.  Oktober,  in 
welchem  dieser  nach  seiner  Unterredung  mit  Jellaöic  mel- 
dete, daß  das  Gros  der  vor  Wien  befindlichen  Truppen  .sich 
möglicherweise  auf  Krems  zurückziehen  müßte,  glaubte 
Windisch  - Grätz  zu  entnehmen,  daß  es  sich  hiebei  lun 
einen  direkten  Rückzug  auf  Krems  mit  gänzlicher  Preisgebung 
Wiens  handle. 

Der  Fürst  erklärte  sich  aber  mit  diesen  Plänen  keines- 
falls einverstanden  und  beantwortete  dieselben  am  13.  Oktober 
mit  nachstehendem  Befehl  an  .Auersperg*): 

,.lch  rechne  mit  Zuversicht,  daß  der  Banus  die  geeig- 
neten Maßregeln  in  der  Wahl  seiner  Dispositionen  und  be- 


')  K.  A.,  F.  A.  1818,  Cernierung  Wiens,  X,  60  21  und  60,29. 


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Aafmarsch  der  ostcrreicbiscben  Armee  gegen  die  Revolution  l&iS.  2S7 


sonders  in  Rücksicht  des  Terrains  zu  nehmen  gewußt  haben 
wird,  um  die  Übermacht  der  feindlichen  KavaUerio  zu 
paralysieren  und  dem  Feinde  in  seinem  Vordringen  Schranken 
zu  setzen.” 

„Die  Behauptung  der  Stellung  auf  dem  Wiener-  und 
Laaerberg  mit  den  vereinten  Kräften  der  Wiener  Gami.sou 
imd  den  Truppen  des  Bauns  ist  von  der  höchsten  Wichtigkeit 
wegen  des  Neugebäudes  und  der  großen  Artillerieetablissements 
alldort.” 

„Auf  keine  Weise  kann  ich  für  den  angenommenen  un- 
günstigen Fall  den  Rückzug  der  vereinten  Kräfte  nach  Krems 
gntheiüen,  weil  dadurch  Wien  völlig  preisgegeben  und  die 
Vereinigping  der  imgarischen  mit  der  Wiener  Insm-rektion  nur 
erleichtert  wird." 

„Für  den  Fall,  daß  es  den  vereinten  Kräften  unmöglich 
sein  sollte,  einen  Angriff  abzuweisen,  muß  ich  dringend  er- 
suchen, daliin  zu  wirken,  daß,  nebst  Rettung  des  Artillerieparks 
vom  Neugebäude,  eine  Stellung  mit  dem  linken  Flügel  auf 
dem  Kahlenberg  an  die  Donau  gelehnt,  längs  dem  Rücken 
des  Hennannskogel,  Dreimarkstehl,  Grän-‘)  und  Roßkopfberges 
bis  über  den  Wienfluß  genommen  und  durch  alle  möglichen 
Mittel  der  Verschanzung  oder  Verhaue  behauptet  werde.” 

„Das  Koqis  des  Banus  bildet  den  rechten,  die  Wiener 
Garnison  den  linken  Flügel.” 

,,Bei  Nußdorf  i rekte  Kahlenbergerdörfel)  ist  die  Donau 
zu  sperren.” 

,, Vermag  aber  der  Banus  sich  in  der  Stellung  südlich 
von  Wien  zu  halten,  wäre  dieses  bei  Kaiser-Ebersdorf  oder 
auf'  einem  geeigneten  Punkte  zu  tun,  von  welchem  mau  die 
Kommunikation  auf  der  Donau  beherrschen  luid  verhindern 
kann.  Der  obige  Rückzug  ist  umsomehr  für  den  Fall,  als  dem 
Drängen  der  ungarischen  Insurrektion  kein  AVdderstand  ge- 
leistet werden  könnte,  als  angemessen  anzusehen,  als  die 
ungarische  Armee  an  geregelter  Infanterie  nur  sehr  wenig 
besitzt  und  ihre  größte  Kraft  in  der  Kavallerie  besteht, 
die  dann  in  dem  betretenen  'l'eiTaiu  ihre  Wirksamkeit 
verhert." 


')  Südöstlich  vom  Hameau. 


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288 


C z e i k 0. 


Fürst  Windisch-Grätz  verließ,  nachdem  nun  alle  vor- 
läufig möglichen  Dispositionen  getroffen  worden  waren,  Prag 
und  traf  am  15.  Oktober  nachmittags  in  Ohnütz  ein. 

Die  Leitung  des  Generalkommandos  und  das  Kommando 
über  die  in  Böhmen  zurückbleibenden  Truppen,  10*  e Bataillone 
und  16  Eskadronen,  -wurde  dem  FML.  Grafen  Kheven- 
hüller  übertragen. 

Vor  seiner  Abreise  nach  Olmütz  hatte  der  Fürst  noch 
in  einer  Proklamation  ,,An  die  Bewohner  Böhmens”  seiner 
tU)erzeugung  Ausdruck  gegeben,  daß  Ruhe  imd  Ordnung  im 
Ijande  nicht  mehr  gestört  werden  würden. 

An  die  in  Böhmen  zurückbleibenden  Militärköiiier  richtete 
er  in  einem  Armeebefehl  nachstehende  Worte  *) : 

,,Der  treft’liche  Geist,  welcher  .sämtliche  Truppen  des 
Generalates  beseelt,  ist  mir  vollkommen  bekannt  imd  genießt 
meine  ganze  Anerkennung.  Erfreulich  wäre  es  mir,  alle  in 
die  Lage  versetzen  zu  können  mitzuzieheu,  damit  es  auch 
ihnen  gegönnt  -wäre,  ihren  Eifer,  ihre  Treue,  ihren  Mut  und 
ihre  Ausdauer  in  Gefahr  für  unsem  Allerhöchsten  Monarchen, 
für  das  M^ohl  des  Gesamtvaterlandes,  auch  anderwärts  zu 
betätigen.  Indes  alle  an  diesem  Unternehmen  teilnehmen  zu 
lassen,  ist  untunlich,  doch  bleibt  den  Ziu-ückbleibenden  nicht 
minder  die  erhebende  Pflicht,  einer  Provinz  als  Schutz  zu 
dienen,  die  in  unserer  konstitutionellen  ^Monarchie  von  hoher 
Bedeutung  ist.” 

„Mit  Beruhigung  verlasse  ich  da.s  Land,  gebe  mich  aber 
der  vollsten  Überzeugung  hin,  es  wird  ein  jeder  nach  Kräften 
bemüht  sein,  diesem  schönen  Ziel  zu  entsprechen  und  durch 
Aufrechthaltung  einer  musterhaften  Disziplin  und  Ordnung 
sich  die  verdiente  allgemeine  Anerkennung  und  Achtung  auch 
für  die  Zukunft  zu  bewahnm.” 

Mit  Allerhöchstem  Handschreiben  vom  17.  Oktober  wurde 
Fürst  Windisch-Grätz  in  Berück.sichtigung  seiner  ausge- 
zeichneten "N'erdienste  und  seiner  gegenwärtigen  Stellung  zum 
FeldmarschaU  *)  und  Oberkommandanten  über  sämtliche 
Truppen  der  Monarchie,  mit  Ausnahme  der  italienischen 


*)  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernieruiig  Wien.s,  XIII,  30. 

’)  Mit  Übergehung  des  Ranges  eines  Generals  der  Kavallerie. 


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Aufmarsch  der  österreiohisohen  Armee  gegen  die  Revolution  I64S.  289 


Armee,  eniaunt  und  mit  allen  Vollmacliten  ausgerüstet,  damit 
er  „das  Werk  des  Friedens  im  Reiche  nach  eigenem  Er- 
messen in  möghehst  kurzer  Zeit  vollbringen  könne”. 

Während  der  Fürst  von  Prag  ans  seine  ersten  Disposi- 
tionen traf,  war  mittlerweile  GM.  Wyß  in  Olmütz  tätig  gewesen. 

Er  hatte  bei  seinem  Eititreffeu  dortselbst  keinerlei 
roUeudes  Material  vorgefunden,  um  die  Truppen  weiter  zu 
belordem  und  setzte  daher  sofort  zwei  Bataillone  Kheven- 
hüller  mit  einer  Batterie  nach  Lnndenburg  in  Marsch,  worauf 
er  sich  selbst  m diese  Station  begab. 

Die  Eisenbahnstrecke  von  Olmütz  bis  Lundenburg  wurde 
liinch  die  4.  Feldbataillone  Kaiser  Ferdinand  Kr.  1,  Prinz 
Emil  von  Hessen  und  bei  Rhein  Nr.  54  und  Erzherzog  Karl 
Xr.  3 und  die  7.  Füsilierdivision  von  Prinz  Emil,  sämtliche 
unter  Kommando  des  Majors  von  Schneider  vom  Regiment 
Kaiser  Ferdinand,  besetzt,  so  daß  GM.  Wyß  am  15.  in  der 
Lage  war  über  diese  Strecke  zn  verfügen '). 

Alle  in  Olmütz  eintretfenden  Truj)pen  sollten  dmeh  das 
Festung.skommando  auf  die  schnellste  Art,  eventuell  in  Doppel- 
märschen,  nach  Lundenburg  in  Marsch  gesetzt  werden. 

Am  15.  abends  waren  bereits  je  ein  Bataillon  Kheven- 
hüller,  Erzherzog  Karl,  Herzog  von  Parma  und  Schönhals  in 
Lundenburg  und  Umgebung  und  am  16.  das  2.  Bataillon 
Klievenhüller  in  Rampersdorf  und  Birnbaum  versammelt. 

Fürst  Windisch-Grätz  erteilte  nun  Wyß  den  Befehl, 
mit  zwei  bis  drei  Bataillonen  als  Avantgarde  gegen  Wien 
vorziurücken,  die  Stadt  von  der  Taborseite  abzusperren,  die 
Taborbrücke  und  den  Ferdinands-Nordbahnhof  streng  zw 
überwachen,  den  Telegraphen  zu  zerstören,  Schitie  für  den 
Brückenschlag  zu  requirieren  und  die  Scliiffahrt  auf  der  Donau 
von  Ungarn  nach  Wien  zu  verhindern. 

GM.  Wyß  setzte  sich  bezüglich  der  über  die  Donau 
zu  schlagenden  Brücke  am  15.  Oktober  mit  dem  Obersten 
Schön  des  Pionierkoq>s  ins  Einvernehmen,  wobei  letzterer 
erklärte,  mit  Beihilfe  der  aus  Böhmen  disponierten  Brückeu- 
equipagen  und  seinem  eigenen  Material  nur  eine  Brücke,  und 

')  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernieruog  Wiens,  X,  219. 

Uitteilaogen  des  k.  und  k.  KricgsarcMvs,  Dritte  Folge.  XV.  Bd.  19 


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290 


C z e i k 0. 


zwar  oberhalb  AMens,  für  keinen  Fall  aber  zwei  Brücken 
schlaj'cn  zu  können. 

Oberst  Schön  beantraffte,  die  Donau  entweder  bei  Lang- 
Enzersdorf  oder  bei  Nußdorf  zu  überbrücken,  gab  aber  letzterem 
Punkte  den  A’orzug,  weil  die  Flußbreite  bei  Nußdorf  ge- 
ringer sei  und  wenn  man  die  Brücke  bei  Lang-Enzersdorf 
schlagen  wollte,  die  dortigen  in  der  Folge  für  die  Armee 
unentbehrlichen  Schitfmühlen  außer  Tätigkeit  gesetzt  werden 
müßten,  was  eine  große  Aufregung  unter  der  Bevölkening 
hervorrufen  würde. 

Er  glaubte  jedoch  soviel  Material  autbringen  zu  können, 
um  die  Überfulir  bei  Enzersdorf,  welche  binnen  einer  Stunde 
mit  Bestimmtheit  4000  Mann  übersetzen  konnte,  fortbestehen 
zu  lassen. 

Die  Einleitung  des  Brückenschlages  knüpfte  er  an  die 
Bedingung,  daß  der  Kahlenberg  und  das  Defile  bei  Nußdort' 
sowie  Klosterneuburg  entsprechend  besetzt  werde. 

Fürst  AVindisch-Grätz  entschied  .sich  später  tür  Nuß- 
dorf als  Übergangspunkt  über  die  Donau,  er  rechnete  aber 
auch  auf  die  freie  Benützung  der  Überfuhr  bei  Enzersdorf 
für  militärische  Zwecke. 

A"on  höchster  Bedeutung  schien  dem  Fürsten  die  Sicherung 
eitles  Überganges,  namentlich  fiir  Kavallerie  und  Artillerie, 
stromabwärts  von  AA'ien,  um  vom  Marchfeld  aus,  allenfalls 
über  die  Insel  Lobau  bei  Kaiser-Ebersdorf,  zur  Unterstützung 
dos  Korps  Jellacic  auf  das  rechte  Donauufer  übersetzen  zu 
können. 

Zu  diesem  Zwecke  wurde  FMTj.  Auersperg  angewiesen, 
diese  Insel  zu  besetzen  und  durch  .Anlage  einer  Strand- 
batterie auf  derselben  die  Donauschiffahit  zu  sperren,  was 
durch  Etablierung  von  vier  zweipfündigen  Geschützen  geschalt  b. 

Über  Ansuchen  Auerspergs  erteilte  der  Bonus  .dem 
Divisionär  FMTj.  Kempen  am  16.  Oktober  den  Auftrag,  für 
die  Einrichtung  einer  Überfuhr  nächst  Kaiser-Ebersdorf  A'or- 
sorgen  zu  treffen  und  die  Kommunikationen  in  der  Lohau 
herrichten  zu  lassen,  für  welche  Zwecke  demselben  eine 
Pionierkompagnie  aus  Simmering  zugewiesen  wurde. 


')  K.  A.,  F.  A.  1848,  Cernierung  Wiens,  X,  60'32. 


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Aufmarflch  der  üsterreicbischen  Armee  gegen  die  Revolution  1^18.  291 


Eine  Division  fies  2.  Walachenregiments  war  zur  Deckung 
der  Arbeiten  in  die  Lobau  überschiflFt  worden  und  hielt  diese 
besetzt. 

Am  18.  Oktober  waren  bereits  acht  Überfuhrplätten  für 
je  80  Mann  bei  Kaiser-Ebersdorf  bereitgesteUt  und  wiu’de  an 
deren  Vermehrung  noch  weiter  gearbeitet*). 

Auf  die  Benützung  der  Eisenbahn  von  Gänserndorf  nach 
Floridsdorf  rechnete  Fürst  Wind  isch-Grätz  auf  keinen  Fall ; 
er  gab  vielmehr  den  Befehl,  diese  Strecke  durch  Entfernung 
der  Schienen  und  Abgrabung  bei  Gänsenidorf  so  nulirauchbar 
zu  machen,  daß  sie  auch  von  einer  ohne  Führer  abgelassenen 
Lokomotive  nicht  befahren  werden  könne. 

Zur  Deckung  der  hnken  Flanke  aller  am  hnken  Donau- 
ufer operierenden  Truppen  ließ  Fürst  Windisch-Grätz  eine 
aus  allen  AVaffengattungen  zusammengesetzte  Kolonne  unter 
dem  Befehl  des  GM.  Grafen  Bellegarde  iin  Marchtal  vor- 
rücken. 

2 Divisionen  des  Regiments  Max  Auersperg-Kürassiere 
i'seit  18fi7  Dragonerregiment  Nr.  5),  welches  am  17.  Oktober 
in  Kostei  eingetroäen  war,  1 Sappeimdivision,  1 Kavallerie- 
batterie  und  1 bis  2 Bataillone  Infanterie  sollten  zu  diesem 
Zwecke  am  18.  von  Kostel  über  Lundenburg,  Hohenau, 
Dürnkrut  und  Schönkircdien  in  drei  forcierten  Märschen  nach 
Deutsch-Wagram  und  Markgrafneusiedl  dirigiert  werden  *). 

In  Lundenburg  mußte  GM.  Bellegarde  jedoch  die 
ilajorsdivision  von  Auersperg-Kürassieren  zur  Deckung  des 
Hauptquartiers  zurücklasseu,  konnte  aber  das  ihm  von  den 
Tnippen  des  GM.  AVyß  zugewiesene  Infanteriebataillon  nicht 
an  sich  ziehen,  weil  dieser  General  abwesend  war  und  sich 
zu  dieser  Zeit  überhaupt  nur  ein  Infanteriebataillon  in 
Lundenburg  befand,  welches  den  ausdrücklichen  Befehl  hatte, 
flort  zu  verbleiben. 

GM.  Bellegarde  setzte  daher  seinen  Marsch  nur  mit 
3 Eskadronen  Kürassiere’),  1 Division  Sappeure  und  1 Kaval- 
Ipriebatterie,  zu  welcher  noch  2 dem  Regiment  Auersperg 
zugewiesene  Geschütze  kamen,  nach  Hohenau  fort. 

*)  K.  A-,  F.  A.  1848,  Korps  JcUaüiü,  X,  106  und  106  a,  b. 

’)  Ebenda,  Cernierung  Wiens,  X,  ad  51. 

’)  Eine  Eskadron  befand  sich  seit  17.  am  Marsche  nach  Gänserndorf. 

19* 


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292 


C X e i k e. 


Da  bei  der  Wichtigkeit  der  Aufgabe,  die  linke  Flanke 
der  Armee  zu  decken,  diese  Kolonne  in  ihrer  dermaligen 
Zusammensetzung  und  geringen  Stärke  dem  beabsichtigten 
Zwecke  nicht  entsprach,  so  wandte  sich  GM.  Bellegarde  um 
Erhalt  der  nötigen  Verstärkungen  direkt  an  den  GM.  Wvß. 

Aus  einer  Meldung  des  letzteren  an  den  Fürsten 
Windisch-Grätz  ist  zit  schließen,  daß  die  Kolonne  G^I.  Belle- 
garde erst  nach  Erreichung  ihres  Marschzieles  noch  durch 
das  nach  Gänserndorf  dirigierte  Bataillon  Schönhals  mit  einer 
Eskadron  !Max  .\uersperg-Kürassiere  verstärkt  wurde 

Tatsächlich  war  GJI.  Bellegarde  am  20.  Oktober,  um 
4 Uhr  nachmittags,  nur  mit  3 Eskadronen  Auersperg-Kürassiere. 
1 Division  Sajtpeure  und  8 Geschützen  in  Deutsch-Wagram 
eingetroffen  und  hatte  folgende  Dislokationen  bezogen:  In 
Deutsch- Wagram  der  Stab,  Oberst  2.  Eskadron,  die  Sappeur- 
division und  Kavalleriebatterie ; in  Parbasdorf  Oberstleutnant 
1.  Eskadron  und  in  Aderklaa  Oberstleutnant  2.  Eskadron  von 
Max  Auersperg-Kürassieren*!. 

Auch  an  die  aus  Galizien  nach  Ungarn  dirigierte  Kolomie 
des  FML.  Siinunich  erließ  Fürst  Windisch-Grätz  seine 
Befehle. 

Diese  Kolonne,  welche,  aus  den  beiden  Landwehrbatail- 
lonen Erzherzog  Wilhelm  und  Nugent  (Infanterieregiment 
Nr.  30»,  dann  dem  1.  Bataillon  Ilartmann  Nr.  9,  der  Majors- 
division von  Erzherzog  Karl  Ludwig-Chevaulegers  und  der 
sechs])fündigen  Fußbatterie  Nr.  14  bestand  und  später  durch 
die  beiden  Bataillone  Hochenegg  Nr.  20  und  Haynau  Nr.  ä" 
und  eine  zweite  Hatterie  verstärkt  wurde,  sollte  sich  ursprüng- 
lich in  Dukla  konzentrieren,  in  zwei  Kolonnen  über  Kaschau 
voiTÜcken,  mit  dem  Banus  Jellaciö  die  Verbindung  hersteilen 
und  de.ssen  Operationen  unterstützen*). 

Nachdem  .sich  aber  der  Banus  nach  Österreich  gewendet 
hatte,  wurde  FML.  Simunich  mit  Rücksicht  auf  die  geänderten 
V'erhältnisse  über  Saybusch  lunl  den  Jablunkaj)nß  auf  Csacza 
dirigiert  und  erhielt  von  Windisch-Grätz  den  Befehl  im 
Waagtill  vorzurücken,  um  einerseits  die  terrorisierten  slova- 

')  K.  A.,  F.  A.  184S,  Cerniening  Wiens,  X,  62. 

’)  Ebenda,  228. 

*)  Ebenda,  26. 


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Aufmarsch  der  üsterreichlechen  Armee  gegen  die  Re%’olntion  ]8i8.  293 


kischen  Distrikte  zu  Gunsten  der  guten  Sache  aufzurichten, 
andererseits  aber  dxirch  ein  energisches  Vorgehen  in  der 
Richtung  auf  Neutra  und  Preßbui'g  die  ungarischen  Streit- 
krafte  in  der  Flanke  zu  bedrohen  und  hiedurch  deren  Vor- 
marsch nach  Österreich  am  linken  Donauufer  zu  erschweren. 

An  den  Kommandierenden  in  Galizien,  F^ITj.  Freihemi 
von  Hammerstein,  wandte  sich  Fürst  Windisch-Grätz 
am  16.  Oktober  von  Olmütz  aus  mit  dem  Ansuchen,  zu  den 
bereits  entsendeten  Streitkräften  noch  wenigstens  5 bis  6 der 
zimächst  der  mährischen  Grenze  stehenden  Bataillone,  wo- 
möglich unter  Kommando  eines  Generals  und  Beigabe  einer 
Batterie,  gegen  Lundenburg  zu  disponieren  und  eine  weitere 
Xachrückung  von  Truppen  seines  Generalates  nach  eigenem 
Ermes.sen  einzuleiten  *). 

Am  17.  Oktober  wiude  der  Vormarsch  nach  Stammers- 
dorf angetreten  *). 

Ziu  Besetzung  der  Eisenbahnlinie  Lundenburg — Gänsern- 
dorf ging  am  selben  Tage  das  Reservebataillon  Erzherzog 
Karl  und  das  1.  Bataillon  Schönhals  unter  Kommando  des 
■Majors  Schneider  mit  dem  Befehl  nach  Gänserndorf  ab, 
dort  die  Eisenbahn  zu  zerstören  und  den  Telegraphen  nach 
Wien  zu  unterbrechen. 

Für  den  Patrouillendien.st  im  Marchfeld  war  den  zwei 
Bataillonen  eine  Eskadron  Max  Auersperg-Kürassiere  bei- 
gegeben worden. 

Das  1.  Bataillon  Khevenhüller,  ein  Bataillen  Herzog  von 
Parma  sowie  die  sechsijfündige  Fußbatterie  Nr.  6 wiuden  am 
17.  von  Lundenburg  gegen  Stammersdorf  in  Marsch  gesetzt 
und  sollten  am  19.  dort  eintreffen,  während  das  2.  Bataillon 
Khevenhüller  und  die  Majorsdivision  von  Auersperg-Küras- 
.■deren  zur  Deckung  des  Haupbpxartiers  bis  auf  weiteres  in 
Lundeubiu’g  zuriickblieben. 

Von  Stammersdorf  aus  beabsichtigte  GM.  Wyß  ehestens 
gegen  die  Donau  vorzuriieken,  um,  wenn  nicht  unvor- 
hergesehene Hindernisse  eintraten,  am  20.  Floridsdorf  und 

')  K.  A..  F.  A.  1848,  Cernierang  Wiens,  X,  60/33. 

*)  Ebenda,  62. 


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294 


C z e i k e. 


den  „Spitz”  zu  besetzen,  sich  mit  seiner  Reserve  in  Groß- 
Jedlersdorf  aufzustellen  und  den  weiteren  Umständen  gemäß 
zu  handeln. 

Die  nach  und  nach  über  Stockornu  anrückenden  Truppen 
sollten  in  Stammersdorf  vereinigt  werden. 

GM.  Wyß  selbst  traf  am  18.  in  Wölkersdorf  und  am 
19.  in  Stammersdorf  ein. 

Zur  Deckung  des  in  Klosterneuburg  befindlichen  Biückeu- 
materials  sowie  der  notwendigen  Vorarbeiten  für  den  Brücken- 
schlag war  die  Besetzung  dieses  Ortes  um  so  wichtiger,  als 
es  den  aufwieglerischen  Umtrieben  von  Wien  aus  gekmgeu 
war,  auf  die  Stimmung  der  Landbevölkerung  in  der  Umgebung 
von  Klosterneuburg  einen  verderblichen  Einfluß  zu  nehmen. 

Die  Vorbereitungen  zum  Brückenschlag  bei  Nußdorf 
durch  den  Obersten  Schön  mußten  sich  bisher  nur  auf 
technische  Vorarbeiten  beschränken,  da  bei  der  geringen 
Stärke  der  in  Klostenieuburg  befindlichen  zwei  Piouierkom- 
paguien  und  dem  Umstand,  daß  Nußdorf  von  schlecht  ge- 
sinnten Nationalgai'den  besetzt  war,  eine  Requisition  von 
Schitien,  die  Herrichtung  der  Örtlichkeit  für  den  Brücken- 
schlag u.  s.  w.  nicht  vorgenommen  werden  konnte. 

GM.  Wyß  sah  sich  daher  veranlaßt  das  3.  Bataillon 
Erzherzog  Ludwig  Nr.  8 von  Wölkersdorf  am  19.  mit  dem 
Auftrag  in  ^Marsch  zu  setzen,  durch  Uberschittüng  auf  der 
bei  Lang-Enzersdorf  bestehenden  Uberiühr  das  recht«  Donau- 
ufer zu  gewinnen  und  Klosterneuburg  durch  eine  zweck- 
mäßige Besetzung  zu  sichern'!. 

Das  3.  Bataillon  Erzherzog  Karl  wurde  aus  Wilfersdorf 
zur  Besetzung  von  Wölkersdorf  in  diesen  Ort  verlegt,  da 
dem  GM.  Wyß  nim  die  Bataillone  KhevenhüUer  und 
Parma  zur  Verfügung  standen  und  er  sonst  bei  seinem 
Vormarsch  gegen  che  Donau  ohne  Reserve  geblieben  wäre. 

Uber  erneuertes  Ansuchen  des  Obersten  Schön  um 
Verstärkungen  stellte  Wyß  demselben  noch  das  am  20.  in 
Lang-Euzersdoif  eintrciffende  Bataillon  Paumgartten  und  eine 
Halbbatterie,  welche  am  21.  mit  den  von  Prag  aukonuneuden 
Biückenefiuipagen  erwartet  wurde,  zur  Verfügung. 

K.  A.,  F.  A.  1S18,  Cernicruug  Wiens,  X,  73,  82,  83,  84. 


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Aufmarsch  der  östorreiebisobon  Armee  gegen  die  fievolntien  1848. 


295 


Es  waren  somit  alle  Vorbedingungen  für  den  Brücken- 
schlag gegeben,  nachdem  auch  die  Besetzung  des  Kahleii- 
bergos  und  des  Defües  bei  Xußdorf  durch  die  Truppen  der 
Division  Ramberg  in  Aussicht  stand. 

Am  19.  Oktober  nachmittags  verließ  Fürst  Wiudisch- 
Grätz  Olmütz  und  traf  abends  in  Lundenbimg  ein. 

Im  HaupGiuartier  des  Feldmaivichalls  befanden  sich 
Oberst  Ritter  von  Schobelu  als  Generaladjutant,  Oberst- 
leutnant Lang,  welcher  in  Vertretung  des  zum  General- 
quartienneister  ernannten,  aber  noch  in  Fraukfiu't  weilenden 
Generals  Grafen  Nobili  die  Operationskanzlei  leitete  und 
GM.  Dittrich  als  Artilleriedirektor. 

Von  Lundenburg  aus  erließ  Fürst  Wind isch-Grätz 
am  20.  Oktober  einen  Armeebefehl  an  sämtliche  vor  Wien 
vereinigten  Truppen  und  eine  Proklamation  ,,Au  die  Be- 
wohner Wiens”,  in  welcher  er  die  Hauptstadt  und  ihre 
Umgebimg  in  Belagerungszustand  erklärte'). 

-\m  21.  Oktober  stellten  sich  dem  Feldniarschall  in 
Stammersdorf  zwei  Deputationen  vor,  welche  durch  An- 
kiiüpfiuig  diplomatischer  Verhandlungen  eine  iriedliche 
Lösung  der  bestehenden  WÜTen  anstrebten. 

Die  vom  Frankfiu'ter  Parlament  abgesendeten  Reichs- 
kommissäre  Welcker  und  Mosle,  im  Namen  <ler  deutschen 
Zentralgewalt  ihre  Vermittlung  anbit'tend,  wurden  von 
Windisch-Grätz  zwar  höfhch  empfangen,  deren  weitere 
Einmischung  jedoch  am  Schlüsse  der  Unterredung  mit  den 
Worten  kurz  abgelehnt : „Ihre  Vollmachten  brauche  ich  nicht 
einzusehen.  Östen'eieh  bedarf  der  Paulskirche  nicht ; es  wird 
den  Kampf  um  sein  Bestehen  allein  ausfechtpn.” 

Einer  Dejmtition  von  Wiener  Abgeordneten  hielt  der 
Fürst  den  Emst  der  Lage  mit  nachstehenden  Worten  vor 
■Wgen  : ., Meine  Heiren.  was  Sie  mir  sagen  wollen,  weiß  ich 
alles.  Sie  sind,  ich  hoffe,  Männer  aus  den  Reihen  der  Gut- 
gesinnten. Trachten  Sie,  die  verirrten  Gemüter  auf  den 
rechten  M'eg  zu  führen.  Helfen  Sie  mir  meine  schwierige 
■■Vufgabe  so  schnell  als  möglich  zu  lösen.  Dazu  gehört  die 
imhedingte  Übergabe  der  Stadt  und  die  Ablieferung  der 

‘)  .iiihang  IX  und  X. 


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296 


C z e i k e. 


Watten.  Gescliieht  dies  gleich,  wohl  und  gut ; wenn  nicht, 
so  werde  ich  zu  den  energi.schesten  Mitteln  gi’eifen,  so  schwer 
es  mir  auch  ankommt  *).” 

Die  Situation  tiir  die  Wiener  Aufständischen  gestaltete 
sich  denn  auch  von  Tag  zu  Tag  kritischer. 

Den  Befehlen  des  Feldmarschalls  entsprechend  hatte 
Wyli  Wien  am  20.  Oktober  von  aller  Verbindung  mit  dem 
linken  Donauufer  abgeschuitten  und  durch  Besetzung  der 
Insel  Lobau  den  Cemierungstruppen  der  Südarmee  die  Hand 
gereicht  ’). 

Fürst  Windisch-Grätz  war  mit  dem  Hauptquartier 
am  21.  in  Stammersdorf  eingetrotten,  die  Truppen  der  Nord- 
armee hatten  sich  am  selben  Tage  in  einem  Lager  bei  diesem 
Orte  konzentriert  *)  und  standen  bereit,  auf  das  rechte  Donaii- 
ufer  zu  übersetzen. 

Der  Ring  um  Wien  schloü  sich  immer  enger,  denn 
schon  war  auch  die  Ditdsion  FML.  Ramberg  von  Krems  aus 
im  Anmarsch,  um  die  noch  vorhandene  Lücke  im  Westen 
Wiens  zu  schließen ‘). 

In  Erkrankung  des  GM.  Prinzen  Hohenlohe  hatte. 
FML.  Freiherr  von  Ramberg  dessen  Brigaile  in  Budweis 
übernommen  und  war  mit  derselben  nach  Krems  dirigiert 
worden,  wo  er  die  tveiteren  Befehle  erwarten  sollte. 

b Helfert,  I,  159,  160. 

b GM.  Wyß  besetzte  am  20.  folgende  Orte:  Floridsdorf  mit 
dem  1.  Bataillon  Khevenhüller,  2 Geschützen  und  '.»Eskadron  Civalart- 
Ulanen  Nr.  1,  die  Insel  Lobau  mit  dem  12.  Jägerbataillon  und  1 Es- 
kadron Civalart-Ulanon  und  Jedlersee  mit  1 Division  vom  Infanterio- 
regiment  Parma.  In  Groß-Jedlersdorf  standen  als  Reserve  4 Kompagnien 
von  Parma  mit  4 Geschützen,  in  Streborsdorf  l'/i  Eskadronen  von 
Civalart-Ulanen.  Vedetten  und  PatrouUIeu  erhielten  zwischen  sämtlicben 
Abteilungen  die  Verbindung. 

b Der  Lagerplatz  befand  sich  zwischen  Stammer.sdorf,  Strebers- 
dorf und  Groß-Jedlersdorf.  Die  Truppen  waren  hier  auf  dem  engsten 
Raume  vereinigt,  in  den  genannten  Orten  war  das  für  die  Mannschaft 
und  Pferde  notwendige  Wasser,  an  welchem  es  sonst  in  der  Gegend 
überall  mangelte,  vorhanden  und  alle  Verpflegsartikol  konnten  dort 
bei|uem  disponiert  und  gefaßt  werden. 

b K.  A.,  F.  A.  1818,  Ceruierung  Wiens,  X,  60/37, 38,  64,  81, 
218,  227  und  230. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  18iS.  297 

Am  16.  Oktober  abends  traf  Hamberg  in  Krems  ein 
mul  fand  dort  den  Obersten  Pott  des  Generalquartiermeister- 
stabes imd  den  GM.  Parrot  mit  ihren  Tnippen  vor. 

Oberst  Pott  war  am  11.  Oktober  vom  FML.  Auersperg 
aus  dem  Schwarzenberggarten  mit  dem  4.  Bataillon  Heß  Nr.  49 
und  dem  2.  Bataillon  Erzherzog  Stephan  zur  Sicherung  der 
Donaubrticke  nach  Krems  entsendet  worden,  hatte  mit  diesen 
Truppen  die  Städte  Stein  und  Mantern  besetzt  und  bei 
Loiben  eine  Abteilung  Pioniere  bereit  gestellt,  um  die 
Donaubrücke  vor  herabschwümmenden  Zerstöningsmitteln  zu 
schützen. 

Durch  vertraute  Boten  stand  Oberst  Pott  mit  Auers- 
perg in  A'erbindung ; er  hatte  von  letzterem  auch  den  Befehl 
erhalten,  alle  in  Krems  eintreffenden  Trupj>en  sogleich  nach 
Inzersdorf  zu  dirigieren,  was  jedoch  gegen  flie  Absichten  des 
Fürsten  Windisch-Grätz  war  und  daher  durch  FML.  Ham- 
berg nach  dessen  Eintreffen  in  Krems  verhindert  wurde.  Nur 
das  2.  Bataillon  Erzherzog  Stephan  marschierte  mit  zwei 
Geschützen  am  17.  über  Herzugenburg,  Sieghartskirchen  und 
Purkersdorf  in  das  Hau])tquartier  Auerspergs  nach  Inzers- 
dorf; das  4.  Bataillon  Heß  hielt  mit  einer  Pionierabteilung 
von  49  Manu  Stein  und  Mautem  weiter  besetzt. 

GM.  Parrot,  welcher  mit  einer  Brigade  den  Kaiser 
nach  Olmütz  l>egleitet  hatte,  war  über  höheren  Befehl  mit 
8 Kompagnien  Heß  (3.  Bataillon  und  eine  Landwehrdivision), 
5 Kom[)aguien  von  Kai.ser- Infanterie  und  8 Geschützen  am 
16.  Oktober  in  drei  forcierten  Märschen  über  Znaim  in 
Krems  eingetroffen. 

Seine  Trupjien  waren  infolge  der  anstrengenden  Märsche 
sehr  heruntergekommen,  die  Artillerie  — fast  felddienst- 
untauglich — konnte  nur  mühsam  mit  Vorspann  fortgebracht 
werden,  die  Geschütze  der  Kavalleriebatterie  waren  zwei- 
spännig  und  ohne  jede  berittene  Charge,  für  alle  Arten 
von  Geschützen  nur  ein  Kairen  mit  160  Schuß  vorhanden. 

Außer  den  genannten  Truppen  befanden  sich  noch  das 
2.  Feldjägerbataillon  und  eine  sechspfündige  Fußbatterie  seit 
14.  Oktober  in  Krems : am  17.  rückten  das  3.  und  das  Land- 
wehi'bataillon  Wocher  und  am  18.  zwei  Divisionen  Ficquelmont- 
Dragoner  dorthin  ein. 


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298 


C s e i k e. 


Auch  diese  Trupjieu  hatten  durch  die  ohne  Unter- 
hrechung  hinterlegten  forcierten  Märsche  viel  gelitten'). 

Nach  seinem  Eintreflen  in  Krems  erhielt  FML.  Ram- 
berg  ein  Schreiben  des  GM.  Wyß  aus  Lundenburg  vom 
15. Oktober,  worin  letzterer  im  Auftrag  des  Fürsten  Windisch- 
Grätz  die  Mitteilung  machte,  dal!  Ramberg  mit  den  Trui»pen 
der  Brigaden  Hohenlohe  und  Parrot  am  rechten  Donauufer 
über  Tulln  zu  marschieren  und  Klosterneuburg  und  den 
Kahlenberg  derart  zu  besetzen  habe,  daß  damit  der  Brücken- 
schlag über  die  Donau  bei  Nußdorf  gesichert  sei. 

Ramberg  teilte  infolge  dieses  Befehles  seine  Truppen 
in  zwei  Brigaden  ein,  von  welchen  die  eine  vom  GM.  Parrot. 
die  andere  vom  Obersten  Simbschen  befehligt  wimde  und 
marschierte  am  19.  von  Krems  ab. 

Die  Division  kantonierte  am  19.  in  Traismauer  und  Rust 
am  Perschlingbach,  am  20.  mit  der  Brigade  PaiTot  in  Zeisel- 
mauer und  St.  Andrä,  mit  der  Brigade  Oberst  Simbschen  in 
Küuigstetten  und  Tulbing. 

Die  zwei  Divisionen  Ficcpielmont-Dragoner  hielten  am 
19.  in  Krems  einen  schon  dringend  nötigen  Rasttag  und 
kamen  am  20.  nach  Staa.sdorf. 

FML.  Ramberg  bUeb  am  19.  noch  in  Krems  zurück 
und  begab  sich  am  20.  nach  Königstetten. 

Am  21.  brach  Ramberg  mit  Tagesanbruch  in  drei 
Kolonnen  auf,  um  vorerst  den  Kiddenberg  zu  erreichen  und 
Klostenieuburg  zu  besetzen. 

Die  rechte  Kolonne,  zwei  Bataillone  mit  einer  halben 
Eskadron,  marschierte  unter  Kommando  des  Obersten  Sinib- 
schen  längs  dem  Gebirgsrücken,  der  vom  Tiübingerkogel  über 
den  RoBkoi)f  zum  Kahlenberg  zieht  und  besetzte  letzteren 
nachmittags. 

*)  .Sie  waren  nach  Krems  wie  folgt  iustradiert  worden  : 2.  Feld- 
jiigerbataillon  von  Budweis  über  Schweinitz,  Weitra  und  Zwettl.  1.  LanJ- 
wehrbataillon  Wochor  von  Pisek  über  Wodfian,  Budweis  und  weiter 
wie  das  2.  Feldjilgerbataillon.  3.  Bataillon  Wocher  von  Tabor  über 
Wessely,  Wittingau,  Oratzen,  Jagenbach  und  Groß-Motten.  Die  beiden 
Divisionen  von  Ficqueliuout-Dragoncrn  hatten  sich  aus  den  Stationen 
Bisclioftoinitz,  Taus  und  Dobrzan  in  IClattau  zu  konzentrieren  und  von 
dort  über  Silberberg,  Strakonitz,  Wodünn,  Budweis  etc.  nach  Krems  zu 
marschieren.  (K.  A.,  F.  A.  1819,  Cernierung  Wiens,  X,  30.) 


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Aufmanch  der  östeireiohischen  Armee  gegeQ  die  Revolution  181B.  299 


Die  mittlere  Kolonne,  aus  einem  Bataillon  hesteheml, 
rückte  von  St.  Andrä  durch  das  Tal  des  Kierlingbaches  direkt 
nach  Klostenieuburg. 

Die  linke  Kolonne,  der  Rest  der  Truppendivision,  mar- 
schierte auf  der  Straße  längs  der  Donau  über  Greifenstein 
nach  Klosterneuburg. 

Dort  angelangt,  erhielt  FML.  Ramberg  durch  den 
Obersten  Schön  des  Pionierkorps  die  Meldung,  daß  ein 
Bataillon  Erzherzog  Ludwig  mit  einer  halben  Batterie  gegen 
Naßdorf  vormarschiere,  Jedlersee  von  einer  Division  Reisinger 
Nr.  18  besetzt  sei,  die  beiden  anderen  Divisionen  dieses 
Bataillons  beim  Kalilenbergerdorf  stehen  und  die  Wiener 
Rebellen  nur  die  Ijinien  der  Vorstädte  besetzt  halten,  daher 
die  Dörfer  bis  zu  denselben  frei  seien '). 

Ramberg  ordnete  daher  sogleich  die  weitere  Vorrückung 
seiner  Truppen  nach  Döbling,  Gersthof  und  Dombach  an  und 
bezog  eine  Stellung  zwischen  Dombach,  der  Türkenschanze 
and  Ober-Döbling. 

In  der  Türkenschanze  Itefand  sich  zu  dieser  Zeit  ein 
Bataillon  von  den  Truppen  Auerspergs. 

Das  2.  Feldjägerbataillon  besetzte  die  Orte  Dombach, 
Gersthof  und  Pötzleinsdoif,  das  3.  Bataillon  Wocher  mit 
einer  halben  Fußbatterie  stand  zwischen  der  Türkenschanze 
und  Döbling,  das  Bataillon  Erzherzog  Ludwig  in  Ober- 
Döbhiig. 

Hinter  dem  rechten  Flügel  befand  sich,  Xeustift  und 
Sievering  besetzt  haltend,  das  Ijandwehrbatnillon  V’ocher, 
liiiiter  dem  linken  Flügel  das  3.  Bataillon  Reisinger  unrl 
liinf  Kompagnien  vom  3.  Bataillon  Kaiser  samt  einer  Fuß- 
batterie, welche  die  Orte  Grinzing,  Heiligenstadt  und  Xuß- 
(lorf  besetzt  hielteri. 

FJIL.  Ramberg  hatte  sein  Hauptquartier  in  Xiißdoif 
genommen. 

Li  Anbetracht  des  kupierten  Terrains  wurden  nur  drei 
Züge  Kavallerie  vorgezogen ; der  Rest  der  zwei  Divisionen 


’)  Die  Bataillone  Erzherzog  Ludwig  und  Reisinger  und  eine 
Batterie  waren  am  19.  auf  das  rechte  Donauufer  üherschiii't  worden. 
A.,  F.  A.  1848,  Ceniierung  Wiens,  XI,  67.) 


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300 


C B e i k e. 


Ficquelmont-Dragoner  sowie  die  Kavalleriebatterie  und  die 
Laridwehrdirision  Heli  waren  in  Klosterneuburg  und  Kon- 
kurrenz geblieben. 

Die  Linie  der  V^orj)osten  erstreckte  sieh  vom  Schlosse  am 
Galitziuberg  unterhalb  Dombach  in  gerader  Richtung  zur 
Türkenschanze  und  von  da  bei  den  letzten  Häusern  von  Ober- 
Döbhng  bis  zum  Donaukanal. 

Zur  Verbindung  mit  dem  Korps  Auersperg  detachierte 
die  Brigade  Simbschen  am  22.  Oktober  eine  halbe  Kompagnie 
und  einen  halben  Zug  Dragoner  nach  Hütteldorf,  welche  die 
Kommunikation  mit  Wien  auf  der  St.  Pöltener  Straße  sperrten. 

FML.Ramberg  hatte  mithin  am  22.  Oktober  vormittags 
mit  der  ihm  unterstehenden  Division,  bestehend  aus  5 Batail- 
lonen Infanterie,  2 Divisionen  Kavallerie  und  2 Batterien,  an 
welche  sich  noch  die  überschifften  Bataillone  Erzherzog 
Ludwig  und  Reisinger  (2  Divisionen),  dann  ‘/j  Fußbatterie 
angeschlossen  hatten,  eine  starke  Stellung  von  Ober-Döbling 
über  die  Türkenschanze  bei  Dornbach  bezogen,  alle  Ortschaften 
zwischen  dieser  Stellung  und  Klosterneuburg  besetzt  und 
hiediu'ch  nebst  der  Einschließung  Wiens  von  dieser  Seite 
auch  den  Brückenschlag  bei  Nußdorf  gesichert*). 

LTm  die  zwischen  dem  rechten  Flügel  der  Division  Ram- 
berg  und  dem  linken  des  Korjts  Auersperg  noch  vorhandene 
Lücke  auszufüllen,  erhielt  tLM.  von  Chizzola  am  Nachmittag 
des  22.  Oktober  den  Befehl*),  mit  einem  Teile  seiner  Brigade, 
und  zwar  dem  3.  Bataillon  Erzherzog  Karl,  dem  1.  Bataillon 
Erzherzog  Stephan  und  einer  Batterie  aus  dem  Lager  von 
Stammersdorf  nach  Lang-Enzersdorf  aufzubrechen,  hier  die 
Üb(>rfuhr  zu  benützen  tind  über  Nußdorf,  Heiligenstadt,  Gerst- 
hof, W'einlnms  und  Ottakring  nach  Breitensee  zu  marschieren, 
um  dort,  nach  gepflogenem  Einveniehmeu  mit  FML.  Bam- 
berg nnd  .\nsichziehung  von  zwei  Divisionen  Ficquelmont- 
Dragoner  samt  der  Kavalleriebatterie  die  Absperrung  Viens 
zu  bewirken  und  zugleich  die  Verbindung  mit  dem  Korps 
Auersperg  herzustellen. 

')  K.  A.,  F.  A.  1S48,  Cernierung  Wiens,  X,  233. 

*)  Ebenda,  118,  231,  232. 


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Aufmarsch  der  österreicliischon  Armee  gegen  die  Bovolution  1818.  301 

G3I.  von  Chizzola  besetzte  am  23.  mit  dem  Bataillon 
Erzherzog  Karl  imd  einer  Halbbatterie  Breitensee  und  stellte 
in  der  Linie  Schöubrunn— Ottakring  Vorposten  aus*). 

Am  23.  Oktober  mittags  war  somit  Wien  auch  von  der 
Westseite  durch  die  kaiserlichen  Truppen  cemiert. 

Inzwischen  hatte  Jellaöic  dem  Feldmarschidl  das  An- 
rücken der  Ungarn  gemeldet  und  um  Unterstützung  gebeten. 

Fürst  Windisch-Grätz  sah  .sich  daher  veranlaßt  am 
22.  Oktober  die  Brigade  GM.  CoUoredo  zur  Unterstützung 
des  Banus  abzusenden. 

Diese  Brigade,  bestehend  aus  dem  5.  Feldjägerbataillon, 
3.  Bataillon  Paumgartten  Nr.  21,  2.  Bataillon  Latour  Nr.  28 
und  1.  Bataillon  Herzog  von  Parma,  nebst  einer  Kavallerie- 
batterie und  der  Oberstleutnantsdivision  des  Kürassierregi- 
ments Kaiser  Ferdinand  (seit  18G7  Dragonerregiment  Nr.  li 
erhielt  den  Befehl,  unverweilt  abzukochen  und  sodann  unter 
Kommando  des  GM.  Grafen  Colloredo  — nachdem  sich  die 
Brigade  in  Groß-JedlersdoiT  gesammelt  — über  Kagran  und 
-\spem  in  die  Lobau  zu  marschieren,  hier  die  Donau  mittels 
Plätten  zu  übersetzen,  von  Kaiser-Ebersdorf  nach  Laa  zu 
rücken  und  sich  dem  Banus  zur  Verfiigung  zu  stellen  *). 

Nach  einer  später  eingelangten  Meldimg,  daß  der  Banus 
das  zur  Besetzimg  der  Lobau  bestimmte  12.  Jägerbataillou 
an  sich  gezogen  habe  und  diese  nun  unbesetzt  sei,  wimle 
dem  GM.  Colloredo  nachmittags  noch  anbefohlen,  2 Kom- 
pagnien und  wenn  nötig  auch  2 Geschütze  zur  Sperrung  der 
Pampfschifiahrt  und  zum  Schutze  der  Uberfuhrj)lätten  in  der 
Lobau  zurückzulassen. 

Die  Brigade  Colloredo  wurde  im  Laufe  des  22.  und  in 
der  Nacht  zum  23.  bei  Kaiser-Ebersdorf  überschifft  und  ver- 
einigte sich  mit  der  .Irmee  des  Banus. 

Wien  war  nun  nach  den  bisher  getroffenen  Verfügimgen 
zwar  schon  von  allen  Seiten  eingeschlosseu,  allein  der  Cer- 

')  Die  Überschüfiiiig  dieser  Truppen  bei  Lang-Enzersdorf  konnte 
wegen  eines  heftigen  Sturmes  am  22.  nur  zum  TeUe  vorgenommeii 
werden  und  wurde  erst  am  23.  gänzlich  hewerkstolligt. 

’)  K.  A.,  E.  A.  1848,  Cernierung  “Wiens,  X,  234. 


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302 


C a e i k e. 


nieruiigskreis  hatte  noch  einen  so  großen  Umfang,  daß  hie- 
durch nicht  nnr  der  Dienst  der  Trappen  ein  sehr  beschwer- 
licher wurde,  sondern  auch  eine  vollständige  Abspeirung  der 
Stadt  von  allem  Verkehr  nach  außen  kaum  möghch  war. 

Es  lag  aber  in  der  Absicht  des  Fürsten,  die  Residenz 
durch  Verhinderung  jeder  Einfuhr  an  Lebensmitteln  ziu"  Be- 
sinnung zu  bringen  und  deren  Ünteiwrerfung  vielleicht  schon 
bei  Auwendixng  dieses  schonenden  Büttels  zu  erreichen. 

Zur  Ceniierung  Wiens  am  linken  Donauufer  genügten 
die  schwachen  Streitkräfte  des  GM.  Wyß  vollkommen, 
denn  die  Wuener  hatten  sich  dimch  Abbrecheu  der  Tabor- 
briicke  selbst  der  Möglichkeit  beraubt,  den  Verkehr  mit  dem 
linken  Donauufer  aufrecht  zu  erhalten. 

Dem  Feldmarschall  handelte  es  sich  jetzt  vor  allem 
darum,  mit  dem  (4ros  der  Xordamiee  auf  das  rechte  Donau- 
ufer zu  übersetzen,  um  durch  Vereinigung  seiner  Streitkiäfte 
mit  jenen  der  Südarmee  Wien  nicht  nur  enger  einzu- 
schließen, sondern  auch  das  der  ungarischen  Annee  gegenüber- 
stehende  Korps  Jellacic  im  Bedarfsfälle  rasch  untcr.stützen  zu 
können. 

Am  22.  Oktober  wurde  demnach  folgende  Disposition 
zur  engeren  Cernierung  Wiens  gegeben  ' i : 

Das  I.  Armeekor])s,  die  kroatisch-slavoidsche  Armee 
unter  FML.  Baron  Jellaöic.  de.ssen  Hauptaufgabe  die  Siche- 
ning  gegen  einen  Angriff  der  ungarischen  Armee  bildet,  ver- 
bleibt in  seiner  dei’maligen  Stellung,  kantoniert  von  Kaiser- 
Ebersdorf  bis  Himberg,  bewirkt  nur  mit  einigen  Bataillonen 
die  Abschließung  der  St,  Marxer  Linie  durch  eine  geeignete 
Aufstellung  nächst  Simmering  und  hält  das  Neugebäude  mit 
den  übrigen  wdchtigen  Punkten,  nach  den  vom  Koqxskom- 
mando  bereits  getroffenen  Verfügungen,  besetzt. 

Das  II.  Anneekoii)s,  die  Trujxpen  der  Garnison  Wien 
unter  FML.  Graf  Auersperg,  verbleibt  in  seiner  Stellung 
am  Wienerberg,  hat  Wien  von  der  Südseite  im  Rayon  der 
Favoriten-  und  Matzleinsdorferlinie  bis  Meidling  abzusperren 
und  schließt  mit  dem  rechten  Flügel  seiner  Vorjxosten  an 


’)  K.  A.,  F.  A.  1.S48,  Cornierung  Wiens,  X,  100  und  Kriegs- 
geschichtlichc  Elaborate, 


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Aafmargch  der  Östürreichieohon  Armee  gegen  die  Revolution  JBtS.  30B 


jene  des  I.,  mit  dem  linken  nächst  Schünbninn  an  jene  des 
III.  -Vrmeekoqis  an. 

Das  III.  Armeekorps,  die  böhmische  Armee,  unter 
dem  Befehl  des  FML.  Duca  Serbelloni '),  cemiert  die 
Residenz  vom  Wienfluß  mit  Einschluß  von  Schönbrunn  auf 
der  Linie  über  ßreitensee,  Ottakring,  der  Türkenschanze  und 
Xiißdorf  bis  ziu-  Donau  und  bildet  sonach  den  linken  Flügel 
der  Aufstellung. 

Die  selbständige  Brigade  GM.  von  Wyß*;  bewirkt 

die  Absperrung  AViens  am  linken  Donauufer  durch  eine  Auf- 
stellung bei  Floridsdorf,  Besetzung  der  Taborbrücke  und 
..Schwarzen  Lackenau”,  beobachtet  die  Übergänge  üljer  die 
Donau  und  sichert  sieh  durch  die  Kavallerie  gegen  die 

March  hin. 

Die  Re.servedivision,  nnd  zwar : 4 Bataillone  Infan- 

terie und  6 sechspfündige  Geschütze  der  Brigade  GAL  Schütte, 
dann  die  Kavalleriebrigade  GM.  Bellegarde’),  sowie  der  ganze 
beschütz-  und  Alunitionsreservepark,  haben  nach  bewirktem 
Übergang  über  die  Donau  bei  Kußdorf  und  Klosterneuburg 
in  ein  Lager  zwischen  Schönbrunn  und  Kilaa  zn  rücken  und 
das  vorliegende  Terrain  sowie  die  Gegend  südlich  des 

Krottenbaches  zu  beobachten  und  abzusperren. 


*)  Das  Kommando  dieses  Armeekorps  war  dein  FML.  Reuß- 
Köstritz,  welcher  bisher  die  Ruhe  in  Mähren  so  erfolgreich  zu  er- 
halten wußte,  zugedacht.  Bei  dem  sich  aber  noch  immer  uiiverläßlich 
zeigenden  Geiste  dieser  Provinz  und  bei  der  Wichtigkeit,  welche  die- 
selbe durch  den  Aufenthalt  des  Kaisers  in  Olmütz  erhalten  hatte,  konnte 
Fürst  Reuß  sein  Generalkommando  vorläufig  nicht  verlassen,  daher 
das  Korpskommando  dem  FML.  Duca  Serbelloni  ad  interim  über- 
tragen wurde. 

’)  Unter  dem  unmittelbaren  Befehl  dieses  Generals  standen: 
1.  Bataillon  Sohönhals,  3.  Bataillon  Fürstenwärther.  1.  LandwehrbataUlon 
Reisinger,  1 zwölfpfündige  Fuß-  und  1 sechspfündige  Kavalleriebatterie, 
1 Division  Max  Auersperg-Kürassiere,  eine  Division  Erzherzog  Karl 
Lndwig-Chevaulegers  und  1 Kompagnie  Sappeure,  welißi  letztere  zur 
Herstellung  von  Verschanzungen  bei  Jedlersdorf  oder  in  der  „Schwarzen 
Lacke’’  verwendet  werden  sollte. 

*)  Dieser  General  war  nach  Durchführung  seiner  Aufgabe,  die 
linke  Flanke  der  böhmischen  Armee  im  Marchtal  zu  decken,  seit  dem 
‘10.  zurückgekehrt  und  hatte  im  Lager  von  Staramersdorf  das  Kommando 
der  dort  befindlichen  Kavallerie  übernommen. 


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304 


C £ e i k e. 


iUs  Hauptquartier  des  Feldmarschalls  wiu'de  Hetzendorf 
oder  luzersdorf  in  Aussicht  genommen,  als  jenes  des  Hl. 
Armeekorps  Breiteusee  hi-stimmt  * j. 

Im  allgemeinen  war  durch  möglichst  nahe  Vorschiebung 
der  Vortrupj)en  gegen  die  Wälle  Wiens  der  Ceniie- 
rungski'eis  zu  verengern,  doch  galt  als  Regel,  diese  außer 
dem  Bereich  des  feindlichen  Geschützfeuers  aufzustellen,  um 
sie  nicht  unnötigen  Verlusten  auszusetzen  *), 

Xachdem  die  am  Tabor  über  die  Donau  führende  Straßen- 
und  Eisenbahnbrücke  von  den  Wiener  Aufständischen  teil- 
weise abgetragen  und  stark  verteidigt  war,  deren  Forcierung 
mithin  bedeutende  Opfer  gekostet  hätte,  wurde  die  Herstel- 
lung eines  Überganges  aus  Kriegsbrückenmaterial  anbefohlen 
und  hiezu  jene  Stelle  der  Donau  zwischen  Nußdorf  und 
Jedlerseo  in  Aussicht  genommen,  wo  sich  die  permanente 
Überfuhr  befand  ■*), 

Der  Strom  hatte  hier  eine  Breite  von  313  Metern  bei 
2'2  Meter  Geschwindigkeit;  beiderseits  führte  eine  gute  Straße 
zum  Ufer. 

Nach  den  Dispositionen  des  Obersten  Schön  war  der 
Briickenschlag  vom  linken  Ufer  dimch  die  14,  und  16. 
Kompagnie,  vom  rt'chten  durch  die  Aljteilungen  aus  Kloster- 

‘)  Die  Divisionsstäbe  sollten  in  folgende  Orte  kommen  ; Division 
Eamberg  nach  Nußdorf,  Landgraf  Fürstenberg  nach  Ottakring,  Fürst 
Liechtenstein  nach  Schönbrutin,  Reservedivision  nach  Hetzendorf. 

’)  Die  passiven  Verteidigungsmittel  Wiens  bestanden  aus  einer 
doppelten  Umfassung,  nämlich  den  4 bis  5 Meter  hohen  Linienwällen  mit 
vorgelegten  trockenen  Gräben,  welche  die  Vorstädte  umgaben  und  den 
hohen  Festungsmauem  mit  vorliegendem  Glacis,  von  welchen  die  Innere 
Stadt  eingeschlos.sen  war.  Hohe  und  solide  Barrikaden  sperrten  die 
durch  die  länieuwällo  führenden  Tore  und  ebensolche  in  den  Haupt- 
straßen und  bei  den  Einmündungen  der  Seitengassen  sollten  den  .Inl- 
ständischen  einen  eventuellen  Straßenkampf  erleichtern.  Die  am  linken 
Ufer  des  Donaukanals  gelegene  Leopoldstadt  war  durch  die  sogenannte 
Tabor-Donau,  welche  ein  natürliches  Annäherungshindemis  bildete, 
geschützt. 

•)  Diese  Gefalir  dürfte  keine  besonders  große  gewesen  sein,  denn 
den  Geschützen  fehlte  zumeist  ansgebildete  Bedienungsmannschaft,  Be- 
spannung und  später  auch  Munition. 

*)  Briuner,  Geschichte  des  k.  und  k.  Pionierregiments,  II,  63. 


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Anftnarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  iSiB. 


305 


iieuburg  unter  Kommando  des  Oberstleutnants  von  Hohen- 
siuiier  auszuführen. 

Am  21.  Oktober  wm'deu  in  Klostcmeubiu'g  sechs  Kriegs- 
briickenequipagen  auf  Gliedern  au.s  gekoppelten  Pontons  ver- 
laden, ferner  zwei  landesübliche  Fahrzeuge  (Trauner  Plätten) 
mit  eiirfachen  Hebgerüsten  ausgerüstet,  welch  letztei'o  zum 
An,schluß  an  das  hohe  verkleidete  Ufer  bestimmt  waren,  das 
gesamte  Material  sodann  nach  dem  Brückenschlag])latz  geführt 
und  am  linken  Ufer  gelandet. 

Am  Morgen  des  22.  Oktober,  welcher  Tag  ursprünglich 
für  den  Brückenschlag  festgesetzt  war,  heiTschte  jedoch  bis 
in  die  Nacht  hinein  ein  äußerst  heftiger,  sturmartiger  unterer 
Wind,  weshalb  der  Befehl  erfolgte,  die  Arbeiten  noch  einen 
Tag  aufzuschieben,  weil  die  Gefahr  bestand,  eventuell  das 
unersetzbare  Brückeumaterial  einzubüßeu. 

Den  23.  Oktober  9 Uhr  vormittags  wurde  mit  dem 
Brückenschlag  von  beiden  Ufeni  aus  gegen  die  Mitte  begonnen. 

Zum  Einbau  gelangten  vom  linken  Ufer  drei  Böcke, 
42  dreiteilige  Pontons,  sodann  die  beiden  Traimer  Plätten  an 
ilas  rechte  Ufer  schUeßend. 

In  jedem  Brückenfeld  waren  sechs  Balken  eingelegt.  Die 
Verwendung  von  durchgeheuds  dreiteiligen  Pontons  und  die 
Verstärkung  der  Decke  dtuch  Einlage  eines  sechsten  Balkens 
war  aus  dem  Grunde  notwendig,  iveil  nebst  einer  großen 
Anzahl  schwer  beladener  Proviant-  und  Bagagewagen  auch 
Positionsgeschütze  mit  iliren  schweren  i\lunitionskan-en  die 
Brücke  zu  passieren  hatten. 

In  der  Brücke  war  anfänglich  kein  Durchlaß  eingebaut 
worden;  ein  solcher  von  sechs  Feldern  Breite  wurde  erst  am 
24.  Oktober  für  die  Durchfahrt  von  Dampfern  hergestellt. 

Nach  3 V»  stündiger  Arbeit  war  die  Brücke  geschlossen, 
worauf  der  Übergang  sofort  begami  imd  bis  in  die  Nacht 
ununterbrochen  fortgesetzt  wiude. 

Der  Feldmarschall  hatte  an  die  noch  im  Lager  bei 
Stammersdorf  befindlichen  Truppen,  und  zwar  das  Grenadier- 
bataillon Chmielnicki  *),  das  1.  und  2.  Bataillon  Khevenhüller, 


')  Dieses  Grenadierbataillon  bestand  aus  den  Greiiadierdivisionen 
der  Infanterieregimenter  Nr.  11,  25  und  51. 

Uittailongen  des  k.  und  k.  Kriegssrobirs.  Dritte  Folge.  IV. Bd.  2U 


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306 


G B e i k e. 


eine  Kompagnie  Sappeure,  dann  5 Batterien,  endlich  die 
Kürassierregimonter  Max  Auersperg  i2  Di\nsionen)  und  Karl 
Auers])erg  (seit  1 . Oktober  1867  DragoneiTegiment  Xr.  8 1 und 
Civalart  - Ulanen , seine  Disposition  für  den  Übergang  vor 
Beginn  des  Brückenschlages  in  allgemeinen  Zügen  schriftlich 
erteilt;  derselbe  sollte  unter  Kommando  des  GM.  Grafen 
Bellegarde  in  folgender  Ordnung  bewerkstelligt  werden ’i: 

Als  Avantgarde  ein  Tnfanteriebataillon,  die  Sappem- 
kompagnie  und  eine  Fiitlbattene  mit  der  Aufgabe,  am  rechten 
Donauufer  Stellung  zu  nehmen  und  dort  so  lange  zu  verbleiben, 
bis  der  Übergang  vollständig  durchgeflihrt  war.  Dieser  .\vant- 
gnrde  sollten  der  Best  der  Infanterie,  die  Batterien,  die 
Mimitionskarren  und  der  Bagagetrain,  daun  die  gesamte 
Kavallerie  und  endlich  die  Arrieregarde,  aus  einer  Abteilung 
Kavallerie  und  InfaTiterie  bestehend,  folgen. 

Die  Sicherung  der  Pontonbrücke  hatte  während  des 
Überganges  und  nach  demselben  am  linken  Ufer  GM.  Wyß. 
am  rechten  FML.  Bamberg  zu  übernehmen. 

Zur  Fortsetzung  des  Marsches  nach  vollzogenem  üfer- 
wechsel  wurde  angeordnet,  daß  nur  die  Infanterie  allein  über 
Xnüdorf,  Grinzing,  Unter-  und  Ober  - Döbling.  Weiuhaus. 
Ottakring.  Breitensee,  Penzing,  Grünberg,  Altmaunsdorf  nach 
Inzersdorf,  sämtliche  Kavallerie,  die  Artillerie  und  die  Bagagen 
aber  in  einer  Kolonne  auf  der  Straße  über  Klosteraeuburg. 
Gnüfeustein,  St.  Andrä,  König^stetten,  Eied,  Purkersdorf  und 
bei  Mariabrunn  die  Wien  übersetzend,  über  St.  Veit  und 
Schöidu'unn  nach  \’ö.sendori'  marschieren  sollten. 

Xachdem  der  Marsch  dieser  letzteren  Kolonne  bei  sieben 
Meilen  lang  war  und  der  Übergang  über  die  Donau  sich 
voraussichtlich  bis  spät  abends  verzögern  konnte,  so  sollte 
dieselbe  nach  Umständen  entweder  hinter  Klostenieubiu'g 
oder  auf  dem  Tullnerfeld  lagern  und  erst  am  24.  Oktober  in 
die  angewiesenen  Stationen  einrücken  *(. 

Der  Feldmarschall  übersetzte  mit  seinem  Hauptquartier 
am  23.  Oktober  voimiittags  auf  zwei  aus  Linz  von  dem 

’)  K.  A.,  I’.  A.  1.H48,  Cernierung  Wiens,  X,  237. 

’)  Alle  übrigen,  im  Lnger  bei  Stainmersdorf  befindlichen  und  in 
dieser  Disposition  nicht  angeführten  'fruppen  wurden  auf  Plätten  und 
Dainpfbooten  über.schißt. 


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Aufmarsch  der  österreicbisohen  Armee  gegen  die  Bevolution  1848.  807 


ilortigen  Militärkomraandautpn  Grafen  Wrbna  herabgesendeten 
Dampfschiffen  die  Donau  und  triif  am  selben  Tage  nach- 
mittags unter  Bedookting  des  Grenadierbataillons  Kocy  in 
Hehiendorf  ein,  wo  er  von  den  beiden  Korjtskommandanten 
Fifl,.  Auersperg  und  .Jellaßic  empfangen  wurde. 

Ungefähr  70.000  Mann,  69  Bataillone,  67  Eskadronen 
und  über  200  Geschütze  ‘j  hatte  der  Feldmarschall  tinter  den 
llauem  Wiens  versammelt,  um  die  aufrührerische  Residenz, 
wenn  notwendig,  selbst  durch  Erstürmung  niederzuwerfen. 

In  der  Hand  des  Feldherm  und  seiner  kampfbegierigen 
Truppen  lag  das  Schicksal  Wiens,  die  Zukunft  Österreichs. 

Die  Ausfälle  der  Wiener  Aufständisc'hen  am  23.  Oktober 
hatten  gezeigt,  daß  auf  eine  unblutige  Lösung  der  Wirren 
nicht  mehr  zu  hoften  war  ; das  oöenkimdige  Einveniehmen  der- 
selben mit  den  Ungani,  deren  Angriff  bei  ihrer  Stärke  von 
über  30.000  Mann,  mit  zalilreicher  Kavallerie  und  60  Ge- 
schützen, von  emstlichster  Bedeutung  werden  konnte  und 
jeden  Tag  zu  erwarten  stand,  ferner  die  Erwäg^ing,  daß  ein 
längeres  Zögeni  die  eigene  Armee  in  eine  gefährliche  Lage 
bringen  mußte , forderte  zum  raschen  und  entschlossenen 
Handeln  auf. 

Nachdem  noch  eine  zweimal  verlängerte  Frist  zur  Unter- 
werfung resultatlos  abgelaufen  war,  wtirtle  am  ‘27.  die  Dispo- 
sition zum  allgemeinen  Angriff  auf  Wien  gegeben,  liieser 
am  28.  über  Befehl  dos  Fehlmarschalls  durchgeführt  und  die 
Residenz  nach  hartnäckigem  Kampf  am  31.  Oktober  von 
den  kaiserlichen  Trui)pen  erstürmt. 

Ein  Ruhmesblatt  mehr,  eines  der  schönsten  in  der  Ge- 
schichte der  österreichischen  Armee,  an  deren  traditionell 
altösterreichischem  Geiste  felsenfester  Treue  die  Stürme  der 
Revolution  sich  brachen,  unter  der  Führung  ihres  mit  den 
besten  Tugenden  des  Menschen  und  Soldaten  ausgestatteten 
Feldherm,  des  FM.  Alfred  Fürsten  zu  Windisch-G rätz. 

*)  Nachdem  die  Ordre  de  bataille  der  kaiserlichen  Armee,  je  nach 
den  zu  verschiedenen  Zeiten  ans  den  Provinzen  eintrefFenden  Truppen, 
fortwährenden  Veränderungen  unterworfen  war,  so  wird  statt  derselben 
im  Anhang  XI  ein  entsprechendes  Tableau  der  organischen  Gliederung 
der  Armee  am  Tage  des  allgemeinen  Angriffes  auf  Wien  gegeben. 


‘20* 


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Anliang. 


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I. 


Die  Unterzeichneten,  ermächtigt  vom  Banns  Kroatiens,  FML. 
Baron  Jelladid  und  dem  Herrn  FML.  von  Moga,  haben  unter  nach- 
stehenden Bedingungen  einen  WafTenstillstand  abgeschlossen: 

A.  Der  'Waffenstillstand  kann  von  der  Stunde  der  ßatiflkation 
nur  durch  dreimal  vierundzwanzig  Stunden  dauern. 

B.  Die  Demarkationslinie  der  königlich  ungarischen  Truppen  ist 
Czakvar,  Sukuro,  Dynies,  Sengj'cles  und  Solgo  Egy  Haza,  jene  der  k.  k. 
kroatischen  Truppen  Czäkboreny,  Zamoly,  Puszta-Skala,  Päkozd  und 
Sarkerestur. 

C.  Über  die.se  Demarkationslinie  hinaus  darf  während  der  Waffen- 
ruhe keine  Operation  vorgenommen  und  müssen  die  bereits  zu  nahe 
vorgeschobenen  Truppen  außer  Kanoncnschußberoich  zurückgezogen 
werden. 

li.  Sollte  während  dieser  Waffenruhe  eine  Pazitikation  von 
höheren  Orten  eingeleitet  sein,  so  kann  dieselbe  nach  Umständeu  ver- 
längert werden. 

£.  Boi  Verpflegung  der  Truppen  ist  möglichst  jede  Gewalttätig- 
keit hintanzuhalten. 

Im  Hauptquartier  Sr.  Exzellenz  des  Banus.  Pakozd,  den 
30.  September  1848,  nachmittags  (5  Uhr. 


Der  Chef  dos  Oeneralstabes  der 
k.  k.  kroatisoli'slavonischon  Armee; 

Kiss  Oberst.  Zeisberg  Generalmajor. 


Anton  Graf  Szapäry. 


Milpökh  Oberst. 


*)  K.  A.,  F.  A.  1SU8.  Korps  Jclladie,  IX,  151.  (Original.) 


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312 


C z e i k e 


II. 


Marschordnniig  am  12.  Oktober  1848  '). 


I.  Kolonne. 

FML.  Jiepliyris;  Haiiptmaun  Unschuld. 


1 Flügel  Chevaulegers  Avant- 
garde 

1 Pionierkompagnie 

2 Bataillone  Nassau  (zwischen  bei- 
den das  Bcgimentsstockhaus) 

1 Fulibatterie 
1 Raketeiibatterie 
1 Bataillon  Paumg.artten 
Hauptquartier 
Bagagewngen  der  Pioniere 


Bagagewagen  von  Nassau 

Paumgartten 
„ „ Bianchi 

Mobile  Backöfen 
Fuhrrvesenswagen 
Handpferde 

Pionierkompaguie  mit  dem  Stock- 
haus 

1 Bataillon  Bianchi 
1 Kompagnie  Jäger  Arrierogarde. 


II.  Kolonne. 

FML.  Csorich;  Hauptmann  Kalik. 


1 Flügel  Chevaulegers  Avant- 
garde 

1 Pionierkompagnie 
(irenadierhataillon  Schwarzl 

2 Batterien  (2  Geschütze  im  Bel- 
vedere^ 


Bataillon  Strastil 
Bataillon  Gaus 

2 Kompagnien  Stephan  Arriere- 
garde. 


III.  Kolonne. 

Oberleutnant  Ourmann. 

10  bespannte  Geschütze  | Die  Artilleriemannschaft. 


*)  K.  A..  F.  A.  IStS.  Crrnierimg  Wiens,  X, 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  geilen  die  Revolution  IB48.  313 


III. 

Ordre  de  bataille  und  Dislokation '). 


FML.  Csorlch  in  Erlaa. 


üeneralstabshauptmann  Kalik. 


Oberst  Klebe  in 
Erlaa ; 

Ingenieurhptm. 
Hof  mann. 

Oberst 

J abloiiowski; 
Generalstabshptm. 
Laokenbacher. 


6 Eskadronen  AVrbna-Chovaulegers 
Detachement  1'?.  Jägerbataillon  . 
Raketenbatterie 

Nassau  1.  Bataillon 


„ Landwehrbataillon  . 
Bianchi  Landwehrbatailloii 
sechspfündige  Fußbatterie  . 


in  Erlaa  und 
Neu-Erlaa 


in  Altmanns- 
dorf  und 
Steinhof 


FML.  Zaphyris  In  Neustift 

Generalstabshauptmann  Unschuld. 

f Wilhelm  Landwohrbataillon  . . 

Stephan  „ „ . . 

Paumgartten  „ „ . . 

Khevenhüller  ,,  . 

sechspfündige  Fußbatterie  . , . 

Grenadierbataillon  Strastil  . . , 

„ „ Schwaiül  . . 

„ „ Richter  , . . 

„ Gaus  .... 
zwälfptündige  Batterie 

Reserve. 

3 Pionierkorapagnien  in  Inzersdorf. 

Jungbauer,  Major, 
Oeaernluaartiermeisterstab. 
Von  diesen  Truppen  wurden  detachiert  •) : 

Das  Bataillon  Khevenhüller  und  das  Grenadierbataillon  Schwarzl 
in  das  Neugebäude. 

Das  Bataillon  Erzherzog  Wilhelm  nach  Eber.sdorf  und  Laboratorien. 
Das  Landwehrbataillon  Nassau  in  die  Türkenschanze. 

Da.s  Grenadierbataillon  Strastil  und  das  Landwehrbataillon  Paum- 
gartten nach  Wiener-Neustadt. 


in  Vösendorf 


in  Neustift 
und  Sieben- 
h irten. 


GM.  Sanchez 
in  Vösendorf; 
Ingenieurhptm. 
Pidoll. 

GM.  Frank  in 
Siebenhirten ; 
Ingenieurhptm. 
Wolter. 


K.  A.t  A.  1&18,  Korps  Jollaciö,  X,  rö  <15.  (Original). 
*)  Ebendn.  Cernierung  Wiens,  XIII.  X,  6. 


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314 


C s 6 i k ft. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Uevolution  315 


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')  Diese  aus  mohrorcu  Standcsaiisweisen  (K.  A.,  F.  A.  IBIM.  Korps  Jellaciä,  X.  bT>b— m.)  r.usammengestellte  Ordre  de  bataillo 
kann  auf  Vollkommenheit  keinen  Anspruch  erheben  und  soll  uur  eine  Übersicht  bieten. 


316 


C z e i k e. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  1848  3 1 7 


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318 


C z e i k «. 


V. 

Aufstelinngen  der  Korps  am  15.  nnd  17.  Oktober. 

Korps  Jallaöiö  am  15.  Oktober'): 

Division  Hartlieb  im  Lager  bei  Biederraannsdorf. 

Division  Kempen  ließ  2 Bataillone,  1 Division  Kreß-Chevau- 
legers und  eine  seebspfUndige  Batterie  unter  GM.  Neustädter  bei 
Simmering  in  der  alten  Stellung  zur  Sicherung  des  Hackens  gegen 
Wien  und  Behauptung  des  Neugebäude.s  gegen  eventuelle  .Ausfälle  der 
Wiener  Insurgenten.  Zu  demselben  Zwecke  besetzte  1 Bataillon  den 
Laaerberg,  1 Bataillon  mit  einer  sechspfündigeii  Fußbatterie  hatte 
Schwechat  zu  halten  und  zur  Verteidigung  einzurichten,  2 Bataillone 
besetzten  Eannersdorf,  der  Rest  mit  dem  Divisionsstab  kam  nach 
Schwechat. 

Division  Sclimiedl  lagerte  mit  einer  Brigade  bei  Laa,  mit 
der  anderen  bei  Hennersdorf.  Divisionsstab  in  Laa. 

Artilleriereserve  kam  nach  Schwechat. 

Kavall  eriedi  Vision  Ottinger;  Brigade  Baltheser  rückte  in 
die  Linie  der  Schwechat,  Brigade  Lederer  in  jene  der  Fisoha. 

Korpshauptquartier  blieb  in  Rothneusiedel. 

Korps  Jellacic  am  17.  Oktober: 

Division  Hartlieb  bezog  mit  einer  Brigade  ein  Lager  bei 
Rauchenw.artb,  mit  der  zweiten  und  dem  Divisionsstab  Himberg.  Durch 
ein  Detachement  in  Achau  wurde  die  Verbindung  mit  dom  Korps 
Auersperg  hergestellt. 

Division  Kempen  bliob  in  der  alten  Aufstellung. 

Division  iSchmiedl  bezog  mit  beiden  Brigaden  ein  Lager  bei 
Zwölfaxing. 

Das  Division.skommando  übernahm  in  Erkrankung  Schmicdls 
GM.  Kriegern. 

Artillerieresorve  und  die  Kavalleriedivision  Ottinger 
blieben  in  ihrer  alten  Aufstellung. 

Korpshauptquartier  kam  nach  Zwölfaxing. 

■)  K.  A..  i’.  A.  Korp»  .JtllaüiC.  XIII.  2;  X,  6B. 


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AufmRrsi'h  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  1&18.  319 


Korps  Auersperg  am  16.  Oktober'): 

Brigade  Jabloiiowski  in  Altmannsdorf  und  Hetzendort. 

Brigade  Klehe  in  Inzersdorf. 

Brigade  Sanoliez  in  Erlna. 

Brigade  Frank  in  Inzersdorf. 

Korpshauptquartier  in  luzer-sdorf. 

Korps  Auersperg  am  17.  Oktober: 

Brigade  Jablonowski  in  Altmannsdorf,  Steinhof  und 
Hetzendorf. 

Brigade  Klehe  in  Rothneusiedl. 

Brigade  Sanchez  in  den  Ziegelöfeu  südlich  des  Wienerberges. 

Brigade  Frank  in  Inzersdorf. 

Die  Vorpostenlinie  der  Brigade  Jablonowski  erstreckte  sich 
nach  dem  Abmarsch  der  Division  Hartlieb  von  den  Häusern  am 
Eichtplatz  nächst  der  Matzleinsdorferlinie,  längs  den  Höhen  des  Wiener- 
berges und  der  Umfassung  des  Schönbrunner  Parkes  über  die  Höhen 
bei  Hetzendorf  bis  gegen  Frlaa. 

Die  Vorposten  von  Erlaa  bis  auf  die  Höhen  bei  Hotzeudorf 
trurdeu  von  zwei  Kompagnien,  jene  von  dort  bis  zum  rechten  Flügel 
nächst  der  Matzleinsdorferlinie  von  einem  Bataillon  bestritten,  wovon 
eine  Division  mit  zwei  Geschützen  und  einer  Kavallerieabteilung  die 
Hauptreserve  bildete. 

Anschließend  an  den  rechten  Flügel  der  Vorpostenlinie  der 
Brigade  Jablonowski  übernahm  die  Brigade  Sanchcz  die  Vor- 
postenaufsteMung  vom  Richtplatz  bis  zur  Chaussee  nach  Rothneusiedl, 
wo  sie  mit  den  am  Uaaerberg  stehenden  Truppen  der  Division 
Kempen  des  Banus  in  Verbindung  stand. 

Zur  Bestreitung  dieser  Vorposten  wurden  für  das  Wirtshaus 
„Stoß  im  Himmel”  eine  Division  und  für  jenes  „Zum  Landgut”  zwei 
Divisionen  bestimmt. 

Die  Brigade  Frank  gab  als  Reserve  eine  Division  in  die 
Ziegelöfen  an  der  Chaussee  nördlich  Rothneusiedl  und  hatte  zur 
•Sicherung  gegen  Süden  einige  Posten  in  der  Linie  Keu-Er  aa— Roth- 
neusiedl aufzustellen’). 

Das  Korpshauptquartier  blieb  in  Inzersdorf 


•)  K.  A.,  F.  A.  18*8,  Ceraienanpf  Wiens.  XIII,  JJ3,  o6  und  X.  7,  9. 
Ebenda,  X.  «56.  70. 


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320 


C E e i k e. 


VI. 

Dhlokatioussnsweis '). 

Brigade  Lederer. 

1 Division  Wiener  Freiwillige  im  Lager  von  Schwechat 
1 Bataillon  Otoöaner  Grenzer  im  Orte  Schwechat 
Regiment  Kreß-Chevaulegers  in  Kaiser-Ebersdorf 
Regiment  Erzherzog  Franz  Josef-Dragoner  > 

Banderialhusaren  j im  Orte  Schwechat 

Vj  sechspfiindige  Fußbatterie  I 

'/»  sechspfOndige  Fußbatterie  in  Kaiser-Ebersdorf  (Albern) 
Kavalleriebatterie  im  Lager  von  Schwechat. 

Brigade  Sedlmayer. 

Regiment  Hardegg-Kürassiere  in  Unter-,  Mittel-  und  Maria-Lanzendorf 
Regiment  Sachsen-Kürassiere  in  Klederling  und  Ranuersdorf 
Regiment  Watlmoden-K0ra.s8iere  in  Leopoldsdorf  und  Hennersdorf 
Raketenbattcrie  Nr.  1 bei  Unter-Lanzendorf. 

Schwechat,  am  11,  Oktober  1848, 


Bai t he s er,  Generalmajor. 


*)  K.  A.,  F.  A.  18AS,  Kori>s  Jella^ic.  X,  ad  St.  (Original.) 


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Aafmanob  der  öiterreiohiscben  Armee  gegen  die  Revolntion  1848.  321 


VII. 

Dislokation  der  KaTallerietrappendivision  GH.  Ottinger 
am  15.  Oktober '). 


‘2  Kompagnien  Frei- 
willige Jäger 
1 Kompagnie  Otoüaner 
4 Bataillone 

1 Division  Franz  Josef- Dragoner 
in  Ebergassing 

2 Divisionen  Franz  Josef- 
Dragoner 

1 Division  Kreß-Chevau- 
legers 

1 Kavalleriebatterie 
1 Kompagnie  Otoäaner  im  Lager 
bei  Arbesthal 

1 Division  Kreß-Chevaulegers  in 
Fischamend 

GM.  Lederer  in  Schwadorf. 


im  Lager 
bei  Eber- 
gassing 


2 DivisionenWallmoden-Kürassiere 
in  Rannersdorf  und  Klederling 
1 Raketenbatterie  in  Rannersdorf 
4 Kompagnien  Otodaner 
1 Division  Sachsen- 
Kflrassiere 

1 Division  Banderial- 
husaren 

2 sechspftlndige  Fuß- 
batterien 

1 Division  Hardegg  - Kürassiere  in 
Mannswörth  und  Albern 
1 Division  Hardegg -Kürassiere  in 
Kaiser-Ebersdorf 

OM.  Baltheser  in  Schwechat. 


Schwadorf,  am  15.  Oktober  1848. 

Ottinger,  Generalmajor. 


K.  A.,  F.  A.  1848.  Korps  Jella£iä.  X.  ad  97.  (Original.) 


UittsUnngen  de»  ä.  und  k.  Kriegsarchiva.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  ‘dl 


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322 


C s e i k e. 


VIII. 


Ordre  de  bataille  des  aus  Böhmen  abrückenden  Armeekorps'). 


Division 

Brigade 

Truppenkörper 

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1 
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1 

1 

GM.  von  Schütte 
Hauptm.  Dobner 
des  Geueral- 
quartierraeister- 
stabes  ■ 1 

Grenadierbat.  Rattay  , 
Chnüeluicki 
„ Kocy  . . . 

1.  u.  2.Bat.KliovenhüUer 
Kavalleriebatterie  Kr.  .S 

1 

1 

1 

2 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

1 

l 

2 

6 

4 

(1 

GM.  Fürst 
Colloredo 
Oberleutnant 
S c li  in  i d t des  , 
G.-Qu.-St. 

ö.  Jägeriiataillon  . . . 

H.  Bataillon  Pau  mgartten 

2.  „ Latour  . . . 

I.  Landwbat.  Beisinger 
Sechspfünd.  Fußbatterie 

Kr.  4 

GM.  Fürst 
Hohenlohe 

(in  dessen  Erkran- 
kung übernahm 
FML.  von  R amberg 
aus  eigenem  Antrieb 
dus  Kommando 
dieser  Brigade) 

2.  JägerbntaiUon  . . . 

3.  Bataillon  Wochcr.  . 

1 . Landwehrbat.  W ocher 
1.  „ Pauingartten 

Sechspftnd.  Faßbatterie 

Kr.  1 

GM.  von  WylJ 

(erhielt  eine  andere 
Bestimmung) 

Oberleutn.  Adam 
des  G.-Qu.-St. 

Kaiser-Kürassiere  . . 
Karl  Auersperg-Küras.s. 
Ficquelmont-Dragoner . 
Civalart-Vlanon  .... 
Kavalleriebatterie  Kr.  2 

Korpsgeschütz- 

reser  ve. 

GM. 

von  Dietrich 

Sechspfündige  Fußbat- 

terien  Nr.  2,  5,  ß . . 

— 

— 

18 

1 

ZwölfpfOudige  Fußbat- 

i 

terien  Nr.  1.  2 ... 

— 

— 

12  1 

( 

1 Kxtrakorps. 

1 Pioniere  mit  4 volUtänd. 

j 

1 BrUckenequipagen  . . 

1 '/» 

— 

— ■ 

1 

j Summe  . . 

13V. 

18 

54 

*)  Entiiommon  einem  Elaborat  »les  GeneraltnippemnsnektorB  Ludwig  Pnn* 
r.u  Windisch-Grätz.  Xaoh  don  Akten  beträgt  der  Stand  dieses  Armeekorrs 
12*/«  Batailloue.  1»  Kskadronun  und  42  Gesebütze  und  sind  m denselben  das  Lana- 
Wehrbataillon  Paumgartten  sowie  zwei  sechsptundigo  iulJbattenen  der  Ao^«- 
gesohützresorve  nicht  autgenommon.  iK.  A.,  F.  A.  lölö.  Cermorung  W iens,  a,  — 
und  XIII,  b,bO.)  Nachdem  ersteres  schon  am  0.  Oktober  in  ^ 

im  Belvcdert'garten  eiurUckte  und  mit  der  Brigade  Hohenlohe  tatsächlich 
abmarsohiert  ist.  so  ist  dasselbe  zwoilellos  bereits  Irülier  nach  Wien  instra- 
wordoD,  um,  wie  Heilert.  I,  Hl,  angibt,  die  dortige  Garnison  zu  Torstarken. 


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Aafmarscb  der  »storreiobiseben  Armee  gegen  die  Rovolntion  IHtö.  323 


IX. 


Armeebefehl  *). 

Die  Allerhöchste  Bestimmung  Seiner  Majestät  des  Kaisers  hat  mich 
in  einem  entscheidenden  Aioraent  an  die  Spitze  eines  Teiles  der  k.  k. 
Armee  gestellt. 

Um  so  wichtiger  und  ehrenvoller  ist  die  Aufgabe  der  bei  Wien 
in  drei  Korps  vereinigten  Truppen,  Ober  welche  ich  das  Oberkommando 
mit  dem  festen  Vertrauen  übernommen  habe,  dal!  ich  in  dem  sich  stets 
bewährten  vortrefflichen  Geist,  in  der  unerschütterlichen  Treue  und 
Hingebung  der  letzteren  österreichischen  Armee  und  ihrer  Führer  für 
die  mir  von  Seiner  Majestät  anvertraute  Unternehmung  die  erwartete 
Unterstützung  finden  werde. 

Dali  einige  wenige  irregeleitet,  in  den  verhängnisvollen  Wiener 
Ereignissen  ihre  Haltung  verlieren  konnten,  erfüllt  mich  mit  ebenso 
tiefem  Schmerz,  als  daß  ich  Seine  Exzellenz  den  Kommandierenden  in 
Siederösterroich  hiemit  beauftragen  muß,  diesen  entsetzlichen  Vorfall 
mit  Hinblick  auf  obige  Andeutung  untersuchen  zu  lassen  und  mir  das 
Resultat  zur  Entscheidung  vorzulegen. 

Nachdem  nicht  nur  tapferes  und  entschlossenes  Benehmen, 
sondern  auch  Disziplin,  Mannszucht  und  Ehrenhaftigkeit  in  der  aus- 
gedehntesten Bedeutung  des  Wortes  den  Maßstab  zur  Beurteilung  einer 
Trappe  liefern,  so  fordere  ich  sämtliche  Herren  Truppenkommandanten 
auf,  mit  allen  ihnen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  Eingrift'en  in  fremdes 
Eigentum  und  Erpressungen  jeder  Art  kräftigst  vorzubeugen,  deren 
Ahndnug  an  den  Betreffenden  und  Verantwortung  derSchnldtrngenden, 
eine  um  so  strengere  sein  müßte,  als  einesteils  keine  Epoche  mehr  als 
'Re  gegenwärtige  eine  achtunggebietende  Haltung  des  Militär.«  gegen- 
über dem  Zivile  erheischt  und  anderenteils  ich  die  Vorsorge  für  die 
Bedürfnisse  des  Soldaten  für  eine  meiner  ersten  Pfiichteii  halte. 

Lundenburg,  den  20.  Oktober  1848. 

AV indisch-Graetz,  Feldmarschall. 


')  K.  A.,  F.  A.  18AS,  Ceruiemng  Wiens,  XIII,  öö. 


21* 


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324 


C I e i k 6. 


X. 


An  die  Bewohner  Wiens’). 

Von  Seiner  Majestät  dom  Kaiser  beauftragt  und  mit  allen  Voll- 
machten ausgerüstet,  um  dem  in  Wien  dermalen  herrschenden  gesetz- 
losen Zustand  ohne  Zeitverlust  ein  Ziel  zu  setzen,  rechne  ich  auf  deu 
aufrichtigen  und  kräftigen  Beistand  aller  wohlgesinnten  Einwohner. 
Bewohner  Wiens!  Euere  Stadt  ist  befleckt  worden  durch  Greueltaten, 
welche  die  Brust  eines  jeden  Ehrenmannes  mit  Entsetzen  erfüllen.  Sie 
ist  noch  in  diesem  Augenblick  in  der  Gewalt  einer  kleinen,  aber  ver- 
wegenen, vor  keiner  Schandtat  zurückscbaudernden  Faktion.  Euer 
Leben,  euer  Eigentum  ist  preisgegeben  der  Willkür  einer  Handvoll 
Verbrecher.  Ermannt  euch,  folgt  dem  Rufe  der  Pflicht  und  der  Ver- 
nunft! Ihr  werdet  in  mir  den  Willen  und  die  Kraft  finden,  euch  aus 
ihrer  Gewalt  zu  befreien  und  Ruhe  und  Ordnung  wiederherzustellen. 

Um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  werden  hiemit  die  Stadt,  die  Vor- 
städte und  ihre  Umgebung  in  Belagerungszustand  erklärt,  sämtliche 
Zivilbehörden  unter  die  Militärautorität  gestellt  und  gegen  die  Über- 
treter meiner  V^erfügnngen  das  Standrecht  verkündigt. 

Alle  Wohlgesinnten  mögen  sich  beruhigen.  Die  Sicherheit  der 
Person  und  des  Eigentums  zu  schirmen  wird  meine  vorzüglichste  Sorge 
sein.  Dagegen  aber  werden  die  Widerspen.stigen  der  ganzen  Strenge 
der  Militärgesetze  verfallen. 

Lundenbnrg,  den  20.  Oktober  18+8. 

Fürst  zu  Windisch-Graetz,  Feldutarschall. 


')  K.  A.,  HantlschriflHohe  Elal’Orate. 


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Aufmarsch  der  österreichischen  Armee  gegen  die  Revolution  1S4Ö.  825 


XI. 

Ordre  de  bataille'). 

Hauptquartier  su  Hetaendorf  am  28.  Oktober  1846  des  Morgena. 

.\rmeeoberkommandant:  Se.  Durchlaucht  FM.  Fürst  zu  'Windisoh- 

Grätz.  — Oeneralquartiermeister:  GM.  Graf  Nobili.  — Souschef: 
Oberstleutnant  von  Lang.  — 1.  Generaladjntant:  GM.  Ritter  von 
Mertens.  — 2.  Generaladjutant:  Oberst  Ritter  von  Schobeln.  — 
Feldartilleriedirektor:  GM.  von  Dietrich.  — Feldgeniedirektor:  Oberst 
von  Trattnern.  — Flügeladjutanten:  Oberstleutnant  Baron  Langenau; 
Major  von  Mertens;  Major  Alfred  Fürst  'Windisch-Grätz.  — Für 
die  politische  Korrespondenz:  Legationsrat  Baron  Kübeck. 


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Divi- 

sion 

Brigado 

j Truppen 

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3 

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8.  Bat.  Otocaner  Grenzer  . 

1 

GM. 

4.  „ Oguliner  „ 

1 

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Karger 

Grenadierbataillon  Ferrari 

(Bittermann) 

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Sechspf.  Fußbatterie  Nr.  7 

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1.  Bat.  Otoöaner  Grenzer  . 
3.  „ Warasd.  St.  Georger 

1 

1 

— 

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GM.  Neu- 

4.  „ Liccaner  Grenzer  . 

1 

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— 

Städter 

Komponiertes  Bataillon 

Oguliner  Szluiner  . . . 

1 

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Sechsptünd.  Fußbatterien  i 

1«  1 
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, 

Nr.  1 u.  3 ! 

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12 

7 

— 

18 

Fürtrag  . . j 

q K.  A.,  Kriegageaohichtliche  Elaborate. 


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326 


C z e i k e 


1 

Armee- 

korps 

1 

Divi- 
' sion 

1 Brigade 

i 

Truppen 

Übertrag  . . | 

I 3.  Bat.  ■\VaraB<l.  Creuzer  ' 
GAl.  I 4.  »j  it 

Dietrich  I 4.  „ „ St-Georger: 

Sec'hspf.  FuUbatterie  Nr.  2 


3.  Bat.  Liccaner  Grenzer 


2. 

. von  Kempon 

Oberst 
Hasztich  | 

4.  „ desl.Banalregimonts  1 

4.  „ „ 2.  „ 1 

•2.  ,,  Cecoopieri 

Kreli-Chevaulegers  .... 
Sechspf.  Fußbatterie  Kr.  ü 
9 

»1  V *' 

! 

O 

Deta- 

2.  Bat.  Broder  Grenzer . . 

chemeiit 

2.  ,,  'Walachei) 

c 

1 

3.  Bat.  des  1.  Banalregiraents 

c 

0) 

4.  „ Szluiner 

Oberst 

1.  „ Ceccopieri 

Baron 

2.  „ Gradiskaner  .... 

aoA 

G r a m ni  0 n t 

Sere^aner  

Hardegg-Kürassiere  . . . 

o 

I Sechspf.  Fndbatterie  Nr 

\Vallmoden-Kürassiere  . . 

GM.  Baron 

i Hardegg-  „ . . 

O 

Baltheser 

i Kaketenbatterie  Nr.  1 . . 

4.  Bat,  Otocaner  .... 

Wiener  Freiwillige  .... 

o 

GM.  Karl 

7.  Jägerbataillon 

Baron 

Erzli.  Franz  Josef-Drag.  . 

C 

Lederer 

1 Kreß-Clievanlegers  .... 

1 

1 Sechspf.  FuUbatterie  Nr.  4 

1 

1 

' Kavalleriebatterie  .... 

Fiirtrag 


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Aufmarsch  der  österreichiscbon  Armee  ?egea  die  Revolution  ld46.  327 


ArinfHe- 

korps 

DiTi-  „ . , 

. Bngade 

•iou 

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Truppen  j 

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Übertrag  . . 

22 

22 

SS 

j 

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a 

Seebspf.  FußbatUirie  Nr.  8 

— 

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9 

11  1»  »» 

Vt  sechspf.  FiiJibatterie  , . 

<C  fa> 
-•  9 

Korpsgeschütz- 

reserve 

: 

— 

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Zwolfpfünd.  „ . . 

— 

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llaketenbatterie  Nr.  2 . . 

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Kreß'Chevaulegers  zurBn» 

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deckuDg  der  Geschütz- 

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reserx'o 

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Pioiiiero 

5.  tTägerhntaillon 

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Für  den  28.  dem  I.  Korps 

s.=  ® 

zugeteilt; 

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Kxtrakorps 

Zur  Bedeckung  des  Haupt- 

quartierst  König  von 

Sachsen-Kürassiere . . . 

— 

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Zur  Verfügung  des  Banus: 

1 Biuiderialhusaren .... 

— 

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1 

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' und  einige  Abteilungen 

Vi 

1 1 

1 Wroatischo  Freiwillige, 

I ^ 

Starke  dos  I.  Armeekorps 

1 

1 

22’-'e 

38 

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Geaohüt26 


KorpsqOArtior:  laMrsdorf  am  Wienerberg. 

Kommandant;  FML.  Graf  Anereperg. 

Chef  des  Oeneralstabes:  Major  J nn g bau e r.  — Artilleriedirektort  GM.  Hanslah. 


328 


C X e i k e. 


Armee* 

korps 


Divi- 

sion 


Brigade 


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0 

1 
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GM.  von 
Sanchez 


Truppen 


2.  Bat.  Erzh.  Wilhelm  . . 
1.  Londwbat.  Paumgartten 
(in  Wr. -Neustadt)  . . . 

1.  Landwbat.  Khevenhüller 

2.  Bat.  Erzb.  Stephan  (im 

Neugebände) 

1.  Landwbat.  Erzh.  Stephan 
Sechspf.  Fuübatterio  Nr.  2 


5 “ 

1 «3 


GM. 

Frank 


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Oberst  Fürst 

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Jablo- 

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es 

CQ 

Oberst 

Pn 

Klebe 

Grenadierhat.  Schwarzl . . 

„ Gaud  . . . 

„ Strastil . . . 

„ Richter  . . 

Sechspf.  Fußbatterie  Nr.  3 

1.,  2.  u.  1.  Landwehrbat. 
jj  Herzog  von  Nassau  . . 
1.  Landwehrbat.  Kaiser  . . 
1.  „ Bianchi  . 

Sechspf.  Fußbatterie  Nr.  1 
Raketenbatterie  Nr.  1 . . 


Kaiser-Kürassiere  . . . . 
Graf  Wrbna-Chevaulegers 
Kavalleriebatterie  . . . . 


Zwölfpf.  Fußbatterie  Nr.  1 
Korpsgeschütz-  ,,  „ „ 2 

reserve  ! Raketenbatterien  Nr.  16, 16, 

17,  18 

Extrakorps  : Pioniere 


3 
1 


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- ! 24 


Stärke  des  II.  Armeekorps 


14  Vo 


10 


63 


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ilronon 


Aufmanoh  der  östorreicbisehon  Armee  gegen  die  Revolution  1848.  329 


Brigade  i 


Truppen 


. o I cd  e . 

' 5 p j<  a 

■ 'S  o « o 


1.  n.  2.  Bat.  Khevenhüller  2 
GM.  3.  Bat.  Erzh.  Karl  ....  l 
Chizzola  3.  „ „ Ludwig  ...  1 

1.  „ „ Stephan  . . 1 

2 sechspf.  FuÜbatterien  . . 

3.  Bat.  Faumgartten  „ 1 

1.  „ Herzog  von  g 
GM.  Fürst  Parma  ■ . . ■S'f  S 1 

Colloredo  2.  „ Latour  ...  ä§^  1 
Sechspf.  Fußbatterie  “ j 
Nr.  4 / a — 


Oberst  Karl  I Jägorbalaillon | 1 _ j _ 


tf  Baron  Landwehrbat.  Wocher  . 

^ Simbschon  Fioquelmont-Dragoner  . . 

g Sechspf.  Fußbatterie  . . . 

ej  — 

^ 12.  Jägerbataillon  .... 

o 3.  Bat.  Kaiser 

GM.  von  1 3.  „ Roisinger 

^ Parrot  3 . „ Woeber 

tu  Heß-Infanterie 

l'/i  sechspf.  Fnßbatterien  . 


Extrakorps  j Pioniere 


Stärke  des  HI.  Armeekorps  |ll5'/«  4 :13 


Selbständige  Brigade 
des  GM.  von  Wyß 


1.  Landwehrbat,  Reisinger 
1.  Bat.  Schönhals  .... 
3.  „ Fürstenwärther  . . 

Sappeure  

Majorsdivision  von  Max  I 
Auersperg-Kürassieren  . 
Oberstleutnantsdivision  ! 
von  Erzh.  Karl  Ludwig-  j 

Chevaulegers 

KavaUeriebatterio  .... 
Zwölfpf.  Batterie  .... 


Summe  . 


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||  Gesohütxe 


330 


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Truppen 

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3 1 

Brigade  des  GM.  von 

Schütte. 

5.  Jägerbataillon 

V, 

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Grenadierbat.  Kocy 

l 

— : 

„ Jlattay  .... 

1 

— 

„ Chmielnicki  . . 

1 

— 

— 1 

Seohspfünd.  FuÜbatterie  Nr.  3 

— 

6 

Kavallerie  re serve. 

GM.  Fürst  Franz  Liechten- 

stein 

1 Armee- 

Brigade  des  GM.  Graf  Belle- 

Hauptreserve 

garde 

Max  Auersperg.  Kürassiere  . 

— 

4 

— 

Karl  , 

— 

e 

— 

Civalart-Llanen  (hievon  1 Esk. 

auf  Hauptquartiersbedeckg.) 

— 

6 

— 

Kavalleriebatterie 

! — 

— 

6 

GeschOtzhauptrcserve. 

! 

6 ^ 

Sechspfünd.  Fullbatterie  . . . 

j — 

— 

2 zwölfpfünd.  Fuübattericn  . 

— 

— 

12 

Extrakorps. 

1 

Pioniere  

*/« 





Sappeure  

V. 

— 

- 

Stärke  der  Armeebauptreserve 

16 

30 

Rekapitulation. 

I.  Armeekorps 

22*/« 

33 

1 

81 

11. 

14’/. 

10 

63 

III, 

15'/. 

4 

.33 

Selbständige  Brigade  Wrß  ...  

3’/. 

4 

12' 

, Armeehaaptreservo 



4*/e 

16 

30, 

fcumjno  . . 

5!»*... 

67 

219 

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Ein  Seekrieg  in  Schwaben'). 

Oe$ehichtc  der  österreichischen  Flottille  auf  dem  Bodensee 
in  den  Jahren  1799  und  1800. 


Von 

Oberleutnant  Bartscli. 


')  Der  Titel  ist  einem  zeitgenössischen  Werk  entnommen:  Pahl, 
Denkwürdigkeiten  zur  Geschichte  von  Schwaben.  XördUngen  ISO’i. 


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Benützte  Quellen. 


Akten.  Kriegsarohiv,  Feldakten,  Deutschland  und  Schweiz,  1799 
und  1800.  — Feldakten,  Tirol  1799  und  1800.  — Hofkriegsratsakten, 
1799  tind  1800.  — Protokolle  der  hofkriegsrätlichen  Registratur  1799 
und  1800. 

Bücher.  Pahl,  Denkwürdigkeiten  zur  Geschichte  von  Schwaben, 
1799  und  1800.  Nördlingeu  1802.  — Wurzbach,  Biographisches  Lexikon, 
Bd.  56,  Wien  1888.  — Angeli,  Erzherzog  Karl,  Bd.  II.  — Kleiner, 
Die  Kriegsflotte  auf  dem  Bodensee  1799  und  1800  aus  „Katholischer 
Volkskalender  für  das  Land  Vorarlberg”,  X.  Jahrg.  Feldkirch  1900. 


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1.  Vorgeschichte. 

Das  Jahr  1799  hatte  OsteiTeich  einen  Krieg  gebracht, 
welcher  in  zwei  ungelieinren  Fronten  von  Holland  rhein- 
ahwärts  durch  die  Schweiz  und  Oberitalien  bis  in  die  Eomagna 
uusgel'ochten  wurde. 

Die  beiderseitigen  Streitkräfte  ( verbündete  Österreicher 
und  Russen  und  die  Franzosen)  l>egegneten  sich  zu  den 
Hauptaktionen  des  Feldzuges  am  Mittelrhein,  in  Schwaben, 
VorarlVierg  und  in  den  Nordkautonen  der  Schweiz. 

Zwischen  diesen  Schauplätzen  aber  lag  als  gewaltige, 
über  sechzig  Kilometer  lange  Barriere  der  Bf)densee. 

Zu  Beginn  des  Jahres  1799  war  das  westliche  Ufer  jenes 
Sees  von  der  Rheinmünduug  an  dcu  Grenze  Vorarlbergs  bis 
zum  Rheinausfluü  bei  Stein  in  den  Händen  der  Franzosen, 
uml  es  war  der  Initiative  eines  kühnen  Feindes  anheim- 
gestellt, den  See  nicht  als  Bollwerk,  sondern  als  breite  Lücke 
in  der  Front  des  jenseits  stehenden  Gegners  zu  betrachten 
imd  danach  zu  handeln.  Denn  die  Ufer  des  Sees  blieben 
während  des  ganzen  Feldzuges  von  regulären  Tru])pen  nur 
sehr  schwach  besetzt. 

Das  Deutsche  Reich  und  OsteiTeich  mußten  sich  des 
Sees  und  der  Schiffalirt  darauf  bemächtigen,  bevor  Frankreich 
es  tat.  Auch  der  lebhafte  Handel  über  Wasser,  besonders  die 
(Jetreide-  und  Salzausfuhr,  soUte  geschützt  werden ; diese 
Gesichtspunkte  ergaben  die  Notwendigkeit  einer  Flotte  auf 
dem  Bodensee,  welche  mindestens  zum  Dienste  der  Sicher- 
heit, zur  Küstenverteidigung  und  zum  Schutz  fiu‘  den  deutschen 
Handel  geeignet  war. 

Erzherzog  Karl  war  es,  welcher  die  Schöpfung  einer 
solchen  Flotte  auregte  ; das  Deutsche  Reich  und  die  vorarl- 


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336 


B a r t a c h. 


bergischen  Laiidstände  gaben  die  Geldmittel  dazu,  und  scheu 
im  April  des  Jahres  1799  konnte  eine  österreichische  Flottille 
in  See  stechen,  welche  von  der  obersten  Heeresleitimg  die 
Weisung  erhalten  hatte,  sich  streng  defensiv  zu  verhalten, 
nur  Patrouillenfahrten  zu  machen,  die  eigene  Schiffahrt  zu 
schützen  und  dem  Schleichhandel  mit  Kriegskonterbande  das 
Handwerk  zu  legen. 

2.  Offiziere^  Mannschaft  nnd  Material. 

Jedoch : Das  junge  Geschöpf  wollte  nicht  ganz  und  gar 
gehorchen. 

Gar  oft  mußten  Ermahnungen  und  Rügen  die  Unter- 
nehmungslust des  Führers  der  Flottille  und  seiner  Unter- 
gebenen zügeln  — wiewohl  ihr  Temperament  sich  schwer 
genug  dem  Gebot  einer  höheren  Einsicht  fügen  wollte.  Eben 
darum  jedoch,  weil  es  nicht  immer  gelang,  rasche,  oft  un- 
bedachte Taten  des  jungen  Seewesens  zu  verhindern,  bildete 
sich  eine  kleine  Geschichte  dieser  Flottille  und  diese  Geschichte 
ist  nicht  so  uninteressant,  wie  sie  es  hStte  werden  müssen,  wenn 
ein  fügsamerer  Untergebener  Kommandant  auf  dem  Bodensee 
gewesen  wäre,  als  Oberstleutnant  Williams  es  war. 

Dieser  Mann  bildete  so  sehr  die  Seele  des  Unter- 
nehmens und  drückte  demselben  ein  so  eigenartiges  Gepräge 
auf,  daß  sein  Charakter  vor  der  AufzShlimg  von  Mitteln  und  . 
Material  besprochen  werden  muß,  um  den  Geist  kennen  zu 
lernen,  welcher  in  jene  Schöpfung  einkehren  sollte*). 

James  Emst  Freiherr  von  Williams*)  war  Engländer 
von  Geburt  und  hatte  sich  in  Ostende  Josef  II.  zu  einer 
Zeit  vorgestellt,  als  der  Kaiser  für  seine  Kolonialpolitik  Marine- 
offiziere zu  benötigen  glaubte.  Als  aber  jene  Pläne  des  rastlos 
schaffenden  Monarchen  drrrch  andere  verdrängt  worden  waren, 
als  der  Türkenkrieg  alle  Kräfte  des  Staates  beanspruchte  und 
aufzehrto,  da  schrumpften  die  Anfänge  einer  österreichischen 
Seemacht  schnell  zusammen,  und  das  Jahr  1788  fand  Williams 
statt  auf  hoher  See  als  Kapitän  einer  Kriegsbarke  auf  der 
Donau  vor  Semlin.  Im  folgenden  Jahre  wiu-de  der  tapfere  j 

*)  Wurzbach,  Biographisches  Lexikon,  Band  56,  Seite  188. 

•)  K.  A.,  H.  K.  R.  1799,  59,  137. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


337 


Engländer  Major  und  erhielt  das  Kommando  einer  Donau- 
t’regatte  ; nach  beendigtem  Kriege  sollte  er  nach  Triest  zurück- 
kehren, nni  dort  die  Führung  eines  Schoners  zu  übeniehmen, 
jedoch  ging  mit  dem  Tode  des  Kaisers  dessen  Schöpfung,  die 
junge  österreichische  Marine,  zu  Grunde.  Williams  lebte  bis 
zum  Ausbruch  der  Hevolutionskriege  mit  einer  geringfügigen 
Abfertigung  in  gänzlicher  Verschollenheit  dahin,  gewann  dann 
aber  die  Gunst  des  FZM.  Prinzen  von  Koburg,  welcher  ihn 
dem  Generalquartiermeisterstab  zuteüte. 

In  dieser  Eigenschaft  siedelte  der  vierunddreißigjährige 
.‘Seemann  1795  auf  den  Rhein  über  und  unterstützte  hier  die 
Verteidigung  der  Festung  Mainz  mit  Nachdruck  aus  einigen 
Kanonenboten.  Der  kühne  Parteigänger  gelangte  noch  im 
seihen  .Jahre  auf  dem  Rheinstrom  zu  einer  Alaclit,  mit  welcher 
die  Franzosen  rechnen  mußten.  Keine  größere  Kriegsunter- 
nehmung, die  er  nicht  zu  Wasser  unterstützt  hätte,  keine 
Gelegenheit,  keine  Blöße,  welche  der  Feind  bot.  die  er 
nicht  nützte,  wenn  sie  in  seinen  Bereich  fiel.  Er  hielt  die 
Offensive  der  Franzosen  bei  Kostheim  auf,  verjagte  sie  aus 
Weißenau,  verfolgte  sie  auf  ihrem  Rückzug  ans  Kassel,  alar- 
mierte sie  vor  Mainz,  wirkte  mit  him-eißender  Bravour  bei 
der  Erstürmung  dieser  bedeutenden  Festung  mit  und  zerstörte 
persönlich  mit  wenigen  AVagehälsen  die  Schiffbrücke  der 
Franzosen  bei  Mannheim.  Für  solche  Taten  mit  dem  Ritterkreuz 
des  Maria  Theresien-Ordens  belohnt  und  von  Clerfayt  und 
Wurmser  mit  Ijob  überschüttet,  kam  AV’il Harns  als  Zugeteilter 
des  Generalstabes  in  das  Hauptquartier  des  Erzherzogs  Karl. 

Hier  hatte  er  nicht  viel  Glück.  Der  Engländer,  dessen 
hervorstechendster  Charakterzug  neben  Kühnheit  ein  starker 
Eigensinn  gewesen  zu  sein  scheint,  dessen  Spuren  bis  in  die  Akten 
reichen,  hatte  es  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  verschmäht,  nicht 
nur  die  im  Hauptquartier  notwendige  Kenntnis  der  Dienst- 
geschäfte zu  erlernen,  er  beherrschte  auch  die  deutsche  Sprache 
trotz  einer  zehnjährigen  Dienstzeit  noch  so  unvollkommen, 
daß  der  FeldheiT  selbst  beim  Hofkriegsrat  Beschwerde  führte, 
wie  man  ihm  einen  so  widerhaarigen  Mann  in  den  General- 
stab stellen  könne;  der  Hofkriegsrat  möge  Williams  eine 
andere  Widmung  geben.  Um  aber  auf  jeden  Fall  aus  dem 
Generalstab  entfernen. 

Uitt«iluDgen  des  k.  und  k.  Kriegsarcbivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  32 


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338 


B a r t 6 o b. 


Um  dieselbe  Zeit  aber,  es  war  im  Frühjahr  1799,  hatte 
der  Erzherzog  die  Notwendigkeit  erkannt,  den  Bodensee  durch 
eine  kleine  Flotte  festzuhalten  und  zu  sicheni.  Da  xnag  ihm 
nun  der  A'orschlag  des  Hofkriegsrates,  den  unbequemen,  aber 
tapferen  Seemann  aus  dem  Hauptquartier  auf  die  neu  anszu- 
rüstenden  Schiffe  zu  versetzen,  ebenso  angenehm  als  nützlich 
erschienen  sein.  Williams  wiu-de  Kommandant  auf  dem 
Bodensee. 

Er  war  der  richtige  Mann  zu  einem  Unternehmen,  welches 
noch  nach  der  Mitte  des  März  1799  nm-  in  der  Idee  bestand: 
denn  drei  Wochen  später  schwamm  als  Zeichen  seiner  Tat- 
kraft ein  stattliches  Geschwader  auf'  dem  schwäbischen  Meer. 

Wie  der  Kommandant  der  Flottille  waren  auch  deren 
Offiziere  Ausländer*):  Anton  Graf  Fulconis,  Karl  Graf 
Pouilly,  Karl  Graf  Taulignon,  August  Marquis  de  Bonne- 
Lesdignieres,  Phiübert  de  Saint-Leger,  Karl  Nikolaus 
Baron  d’Haussay. 

Zum  grollten  Teil  aus  der  Prttvence,  alle  aber  französi.sche 
Edelleute  des  ancien  regime,  hatten  sie  in  der  Marine  des 
Königs  von  Frankreich  gedient  und  ihr  Vaterland  nach  dem 
tragischen  Ende  ihres  Königs  grollend  verlassen,  um  ihre 
Dienste  Österreich  anzubieten,  welches  mit  der  Erwerbung 
Venedigs  eine  ansehnliche  Seemacht  überkommen  hatte.  Diese 
Emigranten  waren  alle  noch  junge  Männer ; der  jüngste  zählte 
25,  der  älteste  3H  .Jahre,  jedoch  hatten  sie  12  bis  21  .lahre 
Scedienst  hinter  sich.  Sie  waren  als  Knaben  von  zai'tem  Alter 
in  die  französische  Marine  getreten  und  die  meisten  hatten  schon 
in  beiden  Indien  und  in  Cayenne,  alle  auf  dem  Atlantischen 
Ozean  gedient*!. 

Diese  tlfhziere  nun,  welche  unter  dem  Lilieubanuer  der 
damals  noch  ersten  Marine  der  Welt  auf  deren  stolzen  Linien- 
schiffen die  halbe  Erde  umfahren  hatten,  sie  sollten  jetzt  in 
der  Enge  des  schwäbischen  Meeres  auf  schwertälligen  Fraclit- 
kähnen  gegen  die  Vernichter  ihrer  stolzen  A’ergangenheit  aus- 
ziehen.  Sie  mochten  zu  Beginn  ihrer  Dienstzeit  auf  dem  See 
ein  vielleicht  mißvergnügtes  Koqxs  gebildet  haben.  Keiner 


>)  K.  A.,  H.  K.  R.  A.  1800,  3,  3108. 
*j  Ebenda  1799,  25,  1138. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


339 


aus  dem  halben  Dutzend  altfranzösischer  Kavaliere  hatte  es 
bis  dahin  der  Mühe  wert  gefunden,  die  Dienstsprache  der 
Anuee  zn  erlernen,  welcher  sie  angehörten.  Neben  ihrer 
-Muttersprache  brachten  sie  aus  ihrer  Schulzeit  ein  wohl- 
erlerntes  Latein  mit,  und  von  Venedig  etwas  Italienisch. 
Dabei  ließ  sich  freilich  mit  den  wenigen  seekundigen  Schwaben, 
welche  sich  als  Schiffsmeister  für  die  ihnen  sehr  bedenklich 
scheinende  Unternehmung  anwerben  ließen,  keine  Ver.ständi- 
gung  anknüpfen. 

Leichtes  Temperament  und  guter  Wille  riß  jedoch  auch 
diese  Offiziere  bald  zu  lebhaftem  Interesse  für  ihren  neuen 
Dienst  hin,  und  keiner  war  unter  ihnen,  der  sich  im  Verlauf 
zweier  kleiner  Seekampagnen  nicht  wenigstens  einmal  im 
besonderen  ausgezeichnet  hätte. 

Im  Frühjahr  1799  war  FML.  Hotze  Korpskommandant 
am  Bodensee  und  erwies  sich  als  eifriger  Protektor  der  Flot- 
tille. Der  Bitte  Williams’  gemäß  trug  er  den  Stand  auf 
20  Schiffe  an,  von  welcher  Zahl  ungefähr  zwei  Drittel  als 
schw'ere  Kanonenboote,  ein  Drittel  als  Jagd-  und  Patrouillen- 
scbiffe  gedacht  waren.  Für  die  letzteren  namentlich,  da  es  bei 
ihnen  um  größte  Beweglichkeit  zu  tun  war,  forderte  Williams 
330  Kuderer  und  für  jedes  der  Flottillenschiffe  einen  Schifis- 
meister. Erstere  sollten  täglich  45  Kreuzer,  letztere  einen  Gulden 
Keichswährung  als  Löhnung  erhalten.  Es  ergaben  die  Bezüge 
allein  die  Summe  von  8000  Gulden  monatlich,  und  an  dieser 
Klippe  scheiterten  die  .Ansju'üche  Williams’*,!,  welche  sich 
eine  wesentliche  Reduzierung  gefallen  lassen  mußtt>n. 

Die  Stände  des  Landes  Vorarlberg  gaben  die  Gelder  zur 
Ausrüstung  und  Lbiterhaltung  der  Flottille  mit  wahrhaft  gi-oß- 
herzigem  Opfennut  hin  und  erst  als  das  Land  gänzlich  er- 
schöpft war,  baten  sie,  durch  eine  warme  Fürsprache  Hotz  es 
aufgemuntert,  das  Arar  möge  die  Unkosten  der  Flottenrüstung 
übernehmen.  AVeil  nun  die  kleine  Seemacht  nur  zum  geringsten 
Teil  österreichisches,  zum  weitaus  größten  Teil  rcichsdeutsches 
Gebiet  und  reichsländische  Interessen  zu  unterstützen  bestimmt 
war*!,  so  wälzte  Erzherzog  Karl,  als  Oberkommandant  in 


■)  K,  A.,  H.  K.  R.  A.  1799,  54,  104. 
’)  Ebenda,  25,  1178  ; 51,  235. 


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340 


B * r t a c h. 


Deutschland,  die  Lasten  zur  Bedeckimg  der  Kosten  aul'  die 
Reichsoperationskasse  ab.  Von  ökonomisch-administrativem 
Standpunkt  betrachtet,  war  es  also  eine  Flottille,  welche  das 
Deutsche  Reich  zur  Wahrung  seiner  Grenze  unterhielt. 

Alle  deutschen  Gemeinden  von  Hard  au  der  Rhein- 
mündung  längs  des  ganzen  Süd-  tind  Ostufers  und  am  Über- 
linger  See  bis  Petershausen  igegenüber  von  Konstanz)  sollten 
überflies  flas  notwendige  Schitfsmaterial,  wie  Bau-  und  Masten- 
holz. Segeltuch,  Taue,  Anker  u.  s.  w.,  aber  atich  ein  Kontingent 
an  Bootsleuten  imd  Ruderknechten  stellen,  welches  dem 
Stande  der  seefahrenden  oder  seehaudeltreibenden  Bevölkeniug 
entnommen  wurde. 

Hier  aber  versagte  der  Rüstungsapparat  fast  gänzlich. 
Die  vorsichtigen  Schwaben  verhielten  sich  dem  gefaluwollen 
Dienste  gegenüber  höchst  zurückhaltend  und  die  Vorarlberger 
TiOtsen,  welche  beherzt  nach  dem  neuen  Handwerk  gritfen. 
reichten  an  Zahl  nicht  aus.  So  mußten  denn  Scliiffleute  aus 
den  Regimentern  der  österreichischen  Armee  herangezogen 
werden.  Im  Jahre  1799  lieferte  das  Regiment  Bender  Nr.  41, 
welches  sich  aus  den  damaligen  österreichischen  Vorlanden 
ergänzte,  fast  ausschließlich  die  Ruder-  und  SchitHeute.  die 
hier  wegen  ihrer  Seekunde  vortretllich  zu  vonvenden  waren. 
Im  weiteren  Verlauf  des  Feldzuges  erlitt  jedoch  das  wackere 
Regiment  flerartige  Verluste,  daß  es  keine  oder  nur  wenig 
Kommandierte  mehr  abgeben  konnte  und  die  Schiffsmami- 
schaft  der  Winterkamjiagne  mit  zahlreichen  Peteiuvardeinem 
(Tschaikisten)  und  anderer  Grenzmannschaft  von  der  Save 
und  unteren  Donau  durchsetzt  war*). 

Von  den  wenigen  Schwaben,  mit  welchen  Williams 
wegen  eines  Eintrittes  in  die  Flottille  unterhandeln  konnte, 
wuißte  er  bald  an  Hotze  zu  berichten:  ,.Die  liiesigen  Schilf- 
leute  können  bei  diesen  bewaffneten  Schiffen  nicht  mit  Nutzen 
verw’endet  werden,  weil  sie  sich  nicht  kommissariatisch  revi- 
dieren lassen  w'ollen  *j,  dann  weil  sie  nur  von  flem  ganz  all- 
gemeinen lind  gew'öhnlichen  Fahren  einige  Kunde  haben  und 
mehrenteils  verheiratete,  mit  zahlreichen  Kindern  behaftete 

’)  K.  Ä.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  IV,  19. 

*)  Sie  fürchteten  mutmaßlich  die  Anwerbung  als  Soldaten. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


341 


Leute  sind,  die  sich  der  Gefahr  nicht  aussetzen  wollen.  Ich 
dächte  daher,  daß  diese  Leute  bloß  zu  Transportz  wecken  zu 
verwenden  seien” '). 

So  also  stand  es  mit  der  Mannschaft.  Das  Schifismaterial 
jedoch  war  noch  widerspenstiger. 

Die  schönen,  tiefgehenden  Kielboote  der  italienischen 
Seen  mit  ihrer  Stabilität  fehlten  den  deutschen  Seen  gänzlich. 
Flachbodige,  „ranke”,  das  heißt  labile  Plätten  waren  es, 
welche  diese  Gewässer  mit  sehwerfäUiger  Fahrt  durchquerten. 
.\m  Bodensee  hießen  die  größeren  dieser  Frachtschitfe  Lädi 
oder  Lädinnen,  die  mittelgroßen  Halblädi.  Es  fehlte  ihnen 
das  Rückgrat  des  Segelmanövers,  der  Kiel,  und  sie  gehorchten 
dem  Drucke  des  Segels  nur  bei  günstiger  Fahrtrichtung.  Ein 
.\nfkreuzen  gegen  den  Wind  war  mit  ihnen  schlechti-rdings 
immöglich,  und  selbst  bei  Seitenwind  ,, trifteten”  sie  von 
ihrem  Kurse  ab ; ansehnlich  war  jedoch  die  Größe  dieser 
Ungetüme,  welche  bis  zu  110  Fuß  Länge  und  14  Fuß  Breite 
orreichten,  so  daß  sie  zu  Mannschaft.s-,  Pferde-  und  Güter- 
transporten die  beste  Eignung  hatten. 

Den  Grundstock  der  Flottille  sollten  allerdings  die  etwas 
beweglicheren,  auf  dem  Bodensee  bisher  in  Dienst  gestandenen 
Wachtschiffe  bilden,  welche  dortselbst  die  Seepolizei  ausgeübt 
hatten ; es  waren  ihrer  aber  nur  drei  und  auch  sie  waren  der 
.Ausbesserung  bedürftig. 

Oberstleutnant  Williams  kam  am  24.  März  1799  in 
Bregenz  an  und  ging  augenblicklich  daran,  die  dort  für  ihn 
vorbereiteten  Schiffe  zu  prüfen  und  die  tauglichsten  auszu- 
wählen. Sechs  der  besten  Boote  sandte  er  sogleich  nach 
Hard.  welches  damals  im  Rufe  stand,  die  beste  Schifl'swerfte 
am  Gestade  des  ganzen  Sees  zu  besitzen*).  Sodann  wurden  die 
bis  31.  März  fertiggesteUten  und  mit  Takelage  versehenen 
■'schiffe  nach  Bregenz  und  Lindau  beordert,  wo  Williams 
das  für  sie  bestimmte  Geschütz  von  den  Lafetten  heben  und 
auf  Schiffssclileifen  hatte  montieren  lassen.  1 G solcher  Boote 
waren  es,  welche  hier  mit  Geschütz  armiert  wurden,  und 
zwar  zehn  mit  Kanonen  mittleren  Kalibers  (Sechs-  und  Vier- 

')  K.  A.,  F.  Ä.  1799,  Deutschland,  II.  45. 

•)  F.benda,  III,  220,  233. 


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342 


B A r t 8 o h. 


plünder  i und  sechs  mit  Einjitiiudern,  deren  Eohre ')  der 
])ruktische  Seemann  auf  den  leichten  Patrouillenschiffen  in 
eine  nach  allen  Seiten  drehbare  ( Jabel  am  Bug  des  Bootes 
legte,  als  sogenannte  Drehbasseu.  Einige  der  schneller 
segelnden  Boote  erhielten  überdies  noch  eine  Haubitze.  Die 
Radlafetten  verblieben  in  Bregenz. 

Ein  schweres  Stück  Arbeit  mochten  die  zu  Kriegsfahr- 
zeugen gewidmeten  landesüblichen  Boote  gegeben  haben.  Neue 
Schiffe  konnten  im  Drange  der  Kriegszeit  und  bei  den  be- 
sclu-änkteu  Mitteln  nicht  gebaut  werden,  obwohl  der  Hof- 
kriegsrat aus  Venedig  einen  Scliitl'baumeister  verschrieben 
hatte. 

Der  seekundige  Engländer  muUte  mit  dem  Gebotenen  vor- 
lieb nehmen  und  aus  den  flachbodigen,  langen  und  schwer- 
fälligen Plätten  Kriegsschiffe  bilden,  von  welchen  man  kaum 
sagen  konnte,  zu  welcher  Funktion  sie  sich  schlechter  eig- 
neten : zum  Segeln  oder  zum  Rudern  ? 

Doch  wohl  noch  zu  ersterem,  denn  aus  der  grolieu  Zahl 
der  Ruderer,  um  welche  Williams  gebeten  hatte,  scheint 
hervorzugehen,  datl  Williams  aus  seinen  Kriegsfahrzeugen, 
wenigstens  aus  den  kleineren,  eine  Art  Galeeren  bilden  wollte. 
Er  und  seine  Offiziere  waren  von  Venedig  berufen  worden, 
wo  mau  selbst  damals,  in  der  Blütezeit  des  Linienschiffs,  mit 
Nutzen  die.  alte  geschmeidige,  in  keinem  Manöver  und  bei 
keinerlei  Windlaunen  versagende  Galeere  beibehalten  hatte. 
Jedoch  saßen  auf  den  Bänken  solcher  Ruderboote  ange- 
schmiedete Strätlinge. 

Zu  solchem  Dienste  jedoch  war  das  freie,  trotzige  miJ 
sehr  behäbige  Bauemvolk  an  den  Ufern  des  schwäbischen  See.s 
nicht  zu  haben  und  die  für  sechs  Patrouillenschiffe  in  An- 
rechnung gebratdite  Zahl  von  zirka  200  Ruderern  sank  aut 
die  bescheidene  Ziffer  von  zehn  Mann  per  Boot. 

Williams  bat  nach  diesem  Mißerfolg,  <lie  Heeresleitmig 
möge  ihm  doch  mindestens  auf  jedes  Schiff  zwei  erfahrene 
Schiffleute  geben,  welche  des  Fahrwassers  kundig  wären. 
Zim  Besorgung  der  Segelmanöver  und  des  Steuers  aber  wären 
für  das  Schiff  zum  wenigstens  fünf  geübte  venetianisclie 


')  K.  A.,  F.  17Ü9,  Deutschland,  V,  48. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


343 


Matrosen  notwendig.  Audi  diese  Bitte  wurde  nur  zum  kleinsten 
Teile  eiTiillt;  es  kam  auf  jedes  Boot  ein  Schiffsmeister. 

Nach  soldien  vergeblichen  Bemühungen  erbat  Williams 
die  Zusage  eines  Detachements  vorarlbergischer  Landes- 
schützen,  tvelcho  als  Marinesoldaten  „sowohl  zur  Verteidigung 
als  zur  vorkommenden  Ausbarlrierung  verwendet  werden” 
konnten  . . . . , ein  kleines  Streiflicht  auf  eine  Änderung  der 
Plane  des  Kommandanten,  tvelcher  bei  solchen  Umständen 
auf  dem  Wasser  nicht  \-iel  Lorbeeren  erwarten  mochte.  Im 
selben  Sinne  schlug  Williams  vor,  die  Räderlafetten,  welche 
in  Bregenz  standen,  der  Flottille  auf  einem  eigenen  Scliiffe 
samt  der  notwendigen  Artilleriomannschaft  uachzuführen,  um 
sie  bei  einer  vorkornmenden  Ausschiffung  zu  verwenden. 

Schließlich  bat  Williams,  Hotze  möge  ihm  für  min- 
destens zwei  solcher  Boote,  welche,  mit  Geschützen  armiert 
einem  gewöhnlichen  Schiffsmeister  nicht  anzuvertrauen  waren, 
einen  Offizier  gewähren.  Wirklich  kommandierte  Hotze  den 
Benderschen  Leutnant  Seekircher  zm-  Flottille,  welche 
nun,  Williams  einbegriffen,  auf  16  Scliiffen  acht  Offiziere 
hatte.  Zudem  bestimmte  Erzherzog  Karl  noch,  daß  dem  im 
Okonomiedienst  unerfahrenen  Engländer  ein  Rechnungsoffizier 
beigegeben  werde,  welcher  seinen  Sitz  in  Bregenz  oder  in 
Lindau  aufzuschlagen  hätte. 

Es  zeugt  für  eine  erstaunliche  Tätigkeit  Williams’,  daß 
14  Tage  nach  seinem  Eintreffen  in  Bregenz,  am  8.  April  also, 
schon  16  armierte  Kanonen-  und  Patrouillenboote,  dann  ein 
Reserve-  und  ein  Spitalschiff'  auf  dem  Wasser  schwammen  ‘). 

Die  bewaffneten  Boote  erliielten  von  dem  nüchtera 
denkenden  Engländer  keine  Namen ; sie  wiuxlen  in  drei  Divi- 
sionen fonniert  und  mit  Nummern  bezeichnet:  Die  Kom- 
modorschift’e  mit  1,  2 und  3,  die  Schift'e  der  ersten  Division 
mit  4 bis  6,  der  zweiten  mit  7 bis  10  und  der  dritten  mit 
11  bis  16.  Die  an  Schiffszahl  schwächste  erste  Division  hatte 
gleichwohl  das  größte  Deplacement  und  trug  die  schwersten 
beschütze  an  Bord,  während  namentlich  die  dritte  und  zahl- 
reichste Dirision  nebst  zwei  Haubitzen  fast  nur  Zwei-  und 
Einpfüiider  führte. 


K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  IV,  64. 


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344 


U a r t s e h. 


Außer  diesen  Schiffen  zog  Williams  zu  Beginn  des 
Ajiril  noch  eine  Transportflotte  von  14  schweren  Lädinneii 
zusammen,  mit  welchen  er  4000  Mann  und  80  Pferde  samt 
dem  Bataillonsgeschütz  über  den  See  zu  führen  vermocht 
hätte. 

Der  Feldzng  im  April  und  Mai  1799. 

Ein  solcher  Trupj)entransj)ort  war  vom  Erzherzog  gleich- 
zeitig mit  dessen  für  den  10.  April  festgesetzten  Eheinüber- 
gang beabsichtigt*  I.  4000  Mann  soüten  über  den  Bodensee 
gesetzt  und  bei  Arbon  gelandet  werden  und  Oberstleutnant 
AVilliams  sollte  die  Ausschiffung  durch  das  Feuer  sämt- 
licher Geschütze  seiner  Flottille  begünstigen. 

Williams  traf  in  fieberhafter  Eile  seine  Vorbereitungen 
und  seine  Befehle  aus  jener  Zeit  geben  ein  schönes  Beis]iiel 
von  Umsicht. 

Da  verschob,  noch  am  9.  April,  Erzherzog  Karl  seine 
Otl'ensive,  bis  FML.  Bellegarde  in  Graubündten  eiugeriioki 
sein  würde.  Der  große  Truppenzug  über  den  See  unterblieb 
jedoch  gänzlich. 

Williams  teilte  nun  seine  Flotte.  Während  die  eine 
Hälfte  sich  im  südlichen  Teile  des  Sees  beobachtend  verhielt, 
segelte  Williams  mit  acht  Booten  vor  Konstanz,  welche 
Stadt  noch  von  den  Franzosen  unter  Oudinot  besetzt  war. 
Jenseits  der  heiTÜchen  langen  Eheinbrücke,  W'elche  von  der 
Stadt  Jiach  Petershausen  führte,  standen  die  Vorposten  des 
FML.  Piaesek,  welcher  sich,  da  er  die  Eheiubrücke,  die  als  ein 
Meisterwerk  in  ihrer  Art  galt,  schonen  und  erhalten  wollte, 
zuwartend  verhielt.  l)is  der  Erzherzog  selbst  zu  energischer 
Offensive  vorging. 

Williams  aber,  welcher  diese  Bedenken  nicht  teilte, 
beunruhigte  <lie  Stadt  und  ihre  Besatzung  von  der  Seeseite 
her  bei  Tag  und  Kacht.  Indem  er  seiner  jungen  Mannschaft 
und  sich  selbst  nicht  einen  Augenblick  der  Euhe  gönnte. 
-sjreiTte  er  jede  Zufuhr  vom  Ehein,  vom  Bodensee  und  Unter- 
see, fing  <len  gesamten  Verkehr  auf  und  ließ  keinen  feind- 
lichen Posten  auf  Schußweite  an  die  Küste  heran.  Als  er  die 
Franzosen  vor  Konstanz  im  Schach  zu  halten  vermochte. 

K.  A.  l‘\  A.,  1799,  Deutschland,  IV,  Üd,  98. 


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Eiu  Seekrieg  iu  Schwaben. 


345 


rlehnte  or  seine  Fakrten  bis  Arbon,  dann  bis  Korschach  aus. 
jagte  die,  ihm  auf  Plätten  zum  Eutern  entgegenfahrenden 
Franzosen  mit  Kanonenschüssen  an  das  Land  zurück  und 
hielt  die  gesamten  Besatzungen  von  Arbon  bis  Konstanz  in 
beständigem  Alarm.  Es  war  zu  gutem  Teil  sein  Verdienst, 
(laß  Oudinot  Konstanz  ohne  wesentlichen  Widerstand  räumte  ; 
leider  steckten  die  Franzosen  bei  dieser  Gelegenheit  trotz 
Piaeseks  Versprechungen,  die  Kheinbiücke  nicht  zu  benützen, 
dieses  schöne  Denkmal  deutscher  Zimmermannskunst  in 
Brand. 

Die  Seemannschaft  Williams’  hatte  .sich  bei  dieser 
ersten  anstrengenden  Probe  unter  den  erschwerendsten  Um- 
ständen ; unausgesetztem  Wachdienst,  hochgehendem,  stürmi- 
schem See,  allgemeiner  Seekrankheit  und  beständigem  Ge- 
l>läukel  mit  dem  Feinde,  ausgezeichnet  gehalten*). 

Bald  machte  sich  die  Offensive  des  Erzherzogs  längs 
der  ganzen  Schweizer  Seeküste  fühlbar.  Ifie  Vorposten  des 
Feindes  am  Vorarlberger  lihein  gegenüber  Dornbirn  zeigten 
sich  in  immer  geringerer  Stärke,  endlich  fehlten  sie  ganz,  so 
daß  die  Wäscherinnen  vom  jenseitigen  Ufer  den  österreichi- 
schen Piketts  zuriefen,  die  Luft  sei  rein.  Während  nun  die 
Österreicher  imter  Hotze  in  die  Kantone  Graubündten  und 
St.  Gallen  vorbraehon.  segelte  AVilliams  am  19.  April  mit 
zwei  seiner  Di%isionen,  deren  Zahl  er  inzwischen  von  drei 
auf  vier  vermehrt  hatte,  gegen  Arbon,  um  die  ganze  Küste 
nordwäi'ts  dieses  Ortes  zu  rekognoszieren.  Kr  fand  sie  besser 
bewacht  als  er  angenommen  hatte  und  sogar  von  mehreren 
Batterien  verteidigt,  aus  welchen  er  Feuer  erhielt.  Williams 
erwiderte  nicht,  sondern  nahm  bloß  die  Stellung  und  Stärke 
der  Batterien  für  eitie  künftige  Itevanche  zur  Kenntnis. 
Er  hatte  nämlich  bemerkt,  daß  sein  Erscheinen  an  der 
Schweizer  Küste  die  Einwohner  viel  mehr  in  Schrecken  gi'- 
setzt  hatte,  als  bei  seinen  Fahrten  gegen  Konstanz.  Längs 
der  ganzen  Küste  rief  eine  Sturmglocke  die  andere  wach  und 
die  Bewohner  liefen  in  Waffen  an  das  Ufer,  aus  welchem 
Benehmen  Williams  auf  Schwäche  der  französischen  Be- 
satzungen schloß. 


')  K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  V,  102. 


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346 


B A r t 8 e b. 


Schlechter  als  den  beiden  Divisionen  Williams’,  der 
ersten  und  vierten,  erf^ng  es  an  demselben  Tage  der  dritten, 
welche  unter  dem  temperamentvollen  Grafen  Fulconis  gegen 
Rorschach  rekognoszieren  sollte.  Der  heißblütige  Franzose 
war  mit  Außerachtlassung  jeglicher  Vorsicht  um  die  Rhein- 
spitze, welche  die  Grenze  nach  der  Schweiz  bezeichnet,  herum- 
gesegelt und  hielt  geradezu  Kurs  auf  Rorschach,  den  Brenn- 
punkt der  schweizerischen  und  französischen  Tinppenkräfte 
am  südlichen  Teile  des  Sees.  Vor  der  nächsten  Batterie 
legte  sich  Fulconis  mit  seinen  Schilfen,  von  welchen  er 
besonders  das  eigene  exjjonierte,  breitseits  fest  imd  begann 
ein  Feuergefecht,  in  dessen  Verlauf  es  ihm  gelang,  einen 
französischen  Achtpfünder  gänzlich  zu  demontieren.  Statt  des 
zerschossenen  Geschützes  brachten  nun  die  Franzosen  deren 
zwei,  danmter  eines  zu  16  Pfund,  ins  Gefecht,  und  als  Fulconis 
auch  mit  diesen  den  Kampf  aufnahm,  erhielt  seine  eigene 
Schaluppe  vier  Kugeln  dieses  schweren  Kalibers  in  die  Gegend 
der  Wasserlinie;  die  Geschosse  durchschlugen  jedesmal  das 
ganze  Schilf  und  eines  derselben  riß  einem  Mann  vom  Regi- 
ment Bender,  welcher  am  Ruder  saß,  beide  Beine  weg. 

Fulconis  ließ  das  Leck  seines  Schiffes  noch  im  -An- 
gesicht des  Feindes  notdürftig  verstoj)fen  und  brachte  dann 
seinen  Sterbenden  nach  Hard,  «las  arg  zerschossene  Schiö' 
al>er  zur  völligen  Ausbesserung  nach  Bregenz. 

Abermals  hatte  sich  die  gesamte  Artillerie-  und  Schifi’s- 
mannsehaft  vortrell'lich  gehalten,  die  Rekognoszierung  hatte 
außer  drei  Geschützen  bei  Rorschach  die  Positionen  zweier 
Seehzehupfünder  in  der  Nähe  der  Stadt,  eines  ebensolchen 
bei  Honi  und  zweier  Aeht])fünder  bei  Arbon  festgestellt  * i. 

Nach  den  hitzigen  und  liir  beide  Teile  verlustreichen 
Laudgefechten  bei  AV erdenberg,  Wallenstädt  und  Murg  (19.  Mai 
zogen  sich  die  Franzosen  nördlich  des  Sees  von  Schaßliausen 
und  Konstanz  auf  Winterthur  zurück  und  räumten  im  Süden 
Rheineck.  Als  AVilliams  hievon  erfuhr,  zog  er  seine  am 
Ostufer  des  Sees  verteilt  gewesene  Flottille  zusammen*)  und 
segelte  mit  der  1.  und  3.  Division  gegen  Arbon,  während 

')  K.  F.  A.  1799,  Deutschland,  V,  110. 

•)  Kbencla,  110  a. 


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Kitt  SeekrtoR  in  Schwaben. 


347 


Graf  Fulcoiiis  abermals  auf  Rorschach  losfuhr.  Fulconis, 
Kommandant  des  zweiten  Ge.schwaders,  brannte  ohnehin  vor 
Begierde,  dortselbst  für  die  BeschieÜung  seines  Kommodor- 
.schiffes  Revanche  zu  nehmen ; er  stach  in  der  Nacht  vom 
20.  auf  den  21.  Mai  von  Bregenz  aus  in  See  und  erreichte 
Rorschach  um  Mitternacht.  Seine  gänzlich  unbemerkt  ge- 
bliebene Ankunft  und  eine  geschickt  vollzogene  Landung 
steigerten  die  Verwirrung  der  Franzosen  zu  emer  Zeit,  wo  die 
Rorschacher  Garnison  eben  den  Rückzug  hätte  antreten  sollen. 
Die  aus  den  Batterien  zurückgezogenen  Geschütze  waren 
weder  in  der  Verfassung,  eine  augenblickliche  Verteidigung 
zu  beginnen,  noch  waren  sie  marschbereit  oder  transportfertig 
gemacht  worden.  Als  die  Küstenbatterien  scli-wdegen,  fuhr 
Fulconis  keck  an  die  Küste  heran,  trieb  die  ihm  in  Ver- 
wirrung entgegenlaufenden  Franzosen  durch  das  Feuer  seiner 
.Schifte  landeinwärts  zu  eiligem  Rückzug,  schüfte  sehie  iftann- 
schaft  aus  und  überfiel  augenblicklich  den  Hafen,  die  Magazine 
imd  die  Batterien.  8 Kanonen,  zum  Teil  schweren  Kalibers, 
3 Mörser  von  den  größten  Dimensionen,  viele  Bomben  und 
andere  Munition,  Lafetten,  Öchiftsgerät  und  6 vom  IVinde 
nahezu  fertiggestellte  neue  Kanonenboote  waren  hier  der 
Lohn  seines  Handstreiches. 

Immer  noch  vom  Dunkel  der  Nacht  geschützt,  schiffte 
Fulconis  seine  Beute  ein  und  fuhr  am  Ufer,  Kiu's  iiord- 
westwärts,  weiter.  Nahe  vor  Rorschach  traf  er  mit  grauendem 
Morgen  auf  die  1.  und  3.  Division  unter  Williams,  welcher 
in  Rorschach  landete  und  Fulconis  das  Kommando  auf  dem 
See  einstweilen  übei’gab. 

Williams  hatte  zur  gleichen  Zeit  wie  Fulconis  in 
Romanshom  und  Arbon  Truppen  gelandet,  die  Orte  umstellt 
und  die  Batterien  so  unerwartet  überfallen,  fiaß  die  eilig  auf 
■St.  Gallen  flüchtenden  Franzosen  (es  lagen  zwei  Kompagnien 
in  jedem  Ortej  kaum  noch  einige  ihrer  Geschütze  zu  vernageln 
vermochten.  Seine  Beute  bestand  in  einem  Vierundzwanzig- 
pfünder,  2 Sechzehnpfttndeni,  4 Vierpfüirdern  und  1 zwanzig- 
pltindigen  Haubitze,  alle  auf  der  Lafette  liegend  und  reichlich 
mit  Munition  versehen. 

Über  den  Erfolg  noch  im  unklaren,  welchen  F'ulconis 
zu  derselben  Stunde  cmingen  hatte,  segelte  Williams  gegen 


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34B 


Bartsch. 


Rtirschach  und  traf  dort  die  siegreiche  Division  Fulconis 
mit  der  schwer  mit  Geschütz  beladenen  eroberten  franzö- 
sischen Flottille.  Er  überließ  dem  Unterkommandanten  die 
3.  Division  und  landete  mit  der  1.  am  Vormittag  des  21.  .-Vpril  in 
Korschach. 

Fulconis  aber  fuhr  längs  der  Seeküste  bis  über  Romaiis- 
horn  hinaus,  tim  alle  feindlichen  Küstenbatterien  bis  Konstanz 
zu  zerstören  und  die  Geschütze  wegzuführen.  Nahe  bei  Bomans- 
horn  eroberte  er  eine  sechzelui|jfündige  Kanone,  überfiel 
hierauf  die  Batterien  bei  Altnau,  Münsterlingen  und  Kreuz- 
lingen,  eroberte  noch  2 Sechzehn-,  4 Vier|)fünder  und  1 Mörser 
und  machte  zwei  Gefangene, 

Nach  dieser  Fahrt  sammelte  Fulconis  seine  beiden 
Divisionen,  vereinigte  sich  mit  der  ersten,  welche  ihm,  durch 
den  Kanonendonner  angelockt,  nachgesegelt  war  tmd  fuhr 
mit  seiner  und  Williams’  Beute,  27  Geschützen  und  6 Kanonen- 
booten, unter  dem  heUen  Jubel  der  gesamten  am  Ufer  ver- 
sammelten Einwohnerschaft  von  Konstanz  in  den  dortigen 
Hafen  ein  (21.  Mai). 

Williams,  welcher  in  Rorschach  gelandet  war  und  ein 
auf  seine  Scdiitfe,  kommandiertes  Detachement  Brechainville- 
Infanterie  ausgescliifft  hatte,  stieß  vor  der  Stadt  am  Nach- 
mittag des  21.  auf  eine  österreichische  Reiterjmtrouille  — 
14  Waldeck-Dragoner  unter  Leutnant  Baron  Bourscheidt. 
Freudig  ergriif  er  die  Gelegenheit,  an  der  Spitze  eines  kleinen 
fliegenden  Kommaiiflos  als  Erster  in  St.  Gallen  einzurücken 
und  setzte  sich  au  der  Spitze  der  ihm  zujubelnden  Dragoner 
und  seines  Zuges  Infanterie  noch  am  Abend  des  21.  in  Marsch'). 

So  schnell  folgte  er  den  Franzosen,  daß  er  zugleich  mit 
deren  Nachzüglern  am  ^lorgen  des  22.  Mai  in  St.  Gallen 
eintraf.  Es  gelang  ihm.  noch  einige  Gefangene  zu  machen 
und  auch  hier  den  Artilleriej)ark  zu  übemimpeln.  14  Kanonen 
verschiedenen  Kahbers,  in  welchen  noch  die  zur  Verteidigung 
eilig  eingeführten  Kartätschladungen  steckten,  alles  ganz  neue, 
besonders  schöne  iModelle,  drei  Pulverwagen  und  einige  von 
den  Lafetten  genommene  Geschützrohre  fielen  ihm  hier  in 
die.  Händi(. 

')  K.  A.,  F.  A.  1799,  Tteutschlanö,  V,  110  a,  e.  f. 


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Kin  Seekrieg  io  Schwaben. 


34(1 


Der  Stadtrat  von  St.  Gallen  empfing  'Williams  auf  die 
schmeichelhafteste  Weise  und  hat  ihn,  ein  Willkommschreiben 
an  FML.  Hetze  zu  übermitteln. 

Die  Arrieregarde  der  Franzosen,  welche  vor  dem  raschen 
.\nmarsch  Williams’,  dessen  Kräfte  sie  wohl  überschätzt 
hatte,  in  der  Stärke  von  etwa  zwei  Kom]iagnien  und  einem  Zug 
Kavallerie  bis  Gossau  zurückgegangen  war,  trieb  eine  Reiter- 
patrouille gegen  St.  Gallen  vor,  welche  aber  von  Williams 
an  der  Spitze  der  Waldeck-Dragoner  zurückgejagt  wimle ; 
schnell  verließen  die  Franzosen  nun  auch  Gossau  und  Williams 
rlrang  gegen  10  Uhr  vormittags  in  den  Ort  ein^). 

Bald  näherte  sich  auch  die  Vorhut  des  am  21.  Mai  bei 
Kheineck  über  den  Grenzstrom  gegangenen  F'^LL.  Kempf  der 
Stadt  und  Williams  zog  sich  mit  Beute  und  Gefangenen  nach 
Rorschach  und  von  da  längs  tles  Seeufers  nach  Konstanz 
ziuück*!,  wo  er  mit  noch  größerem  Jubel  als  Fulconis  emp- 
fangen wiu'de.  Er  und  seine  Flottille  wurden  in  Gedichten 
besungen  ’i  und  wenn  man  diesen  trauen  dürfte,  so  hätte 
Williams  seine  Schiffe  zu  hoher  Beweglichkeit  gebracht, 
denn  in  einem  derselben  fährt  Österreichs  Flotte  „pfeilschnell 
aus  und  weg,  kommt  pfeilschnell  wieder  her!” 

Am  24.  Mai  lagen  alle  vier  Divisionen  Williams’  vor 
Konstanz.  Die  Beute  zweier  ereignisreicher  Tage  : 37  Kanonen, 
4 Haubitzen,  mehrere  schwere  Mörser,  Munitionswagen,  Schifts- 
material  und  6 schöne  neue  Kanonenboote  sandte  Williams 
nach  Bregenz ; er  selbst  schlug  sein  Hauptquartier  in  Kretiz- 
lingen,  südlich  von  Konstanz  auf. 

3.  Waffenruhe  am  Bodensee,  Williams  in  der  Schweiz. 

Nachdem  der  Feldzug  von  Vorarlberg  und  Schwaben  in 
die  Schweiz  getragen  worflen  war  und  am  Bodensee  beendet 
scliien,  war  die  Flottille  für  den  Augenblick  überflüssig  ge- 
worden Nach  einem  geringfügigen  Lärm  in  Konstanz 
und  Arbon,  wo  man  das  Wiederanrücken  der  Franzosen 


')  K.  A.,  H.  K.  R.  A.  1799,  V,  38. 

»)  K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  V,  HO  k. 

’)  Kleiner,  Die  Kriegsflotte  aut  dem  Bodonse». 
*)  K.  A.,  F.  A.,  Dentschlaud  1799. 


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350 


Bartsch. 


l)et'ürehtete,  segelten  daher  die  Schüfe,  nachdem  die  auf 
ihnen  verwendete  Mannschaft  in  die  Kegimenter  rückversetzt 
worden  war,  um  27.  Mai  nach  Bregenz,  wo  der  größte  Teil 
derselben  zu  Transportzw'ecken  an  die  Verpflegsverwaltung 
übergeben  wurde. 

Die  wenigen  bürgerlichen  Schitfsmeister,  fast  ausschlieli- 
lich  Vorarlberger,  konnten  mit  Ehren  zu  ihrem  Beruf  zurück- 
kehren. ja  einer  derselben,  F.  A.  Reiner,  welcher  da.s  Schiff 
des  Seeoffiziers  Fulconis  vor  Rorschach  mutig  durch  eine 
schwere  Feiierjirobe  gefiihrt  hatte,  erhielt  vom  Kaiser  die 
kleine  goldene  Zix-ilverdien.stmedaille  ’i. 

Von  der  Flottille  blieben  zur  Aufrech terhaltuiig  der 
Sicherheit  auf  dem  See  nur  die  vier  besten  und  schwersten 
Kanonenboote  unter  Waffen.  Die  Schaluppe  Nr.  1,  welche 
bisher  von  Williams  selbst  kommandiert  worden  war.  blieb 
in  Konstanz  unter  der  Führung  de  Houssays  zurück.  Die 
wieder  seetüchtig  gemachte  Schaluppe  Nr.  2 lag  mit  den 
Offizieren  de  Bonne  und  St.  Leger  vor  dem  Seedorf  von 
Keßwil.  Nr.  3 mit  Graf  Pouilly  vor  Arbon  und  Nr.  4 mit 
Graf  Taulignon  vor  Rorschach.  Der  Stellvertreter  Williams'. 
Fulconis,  erhielt  das  Kommando  über  ein  in  Bregenz  statio- 
niertes, schTiellsegelndes  ,Jngd-iPatrouillen-'iSchiff',  welches  den 
dienstlichen  Verkehr  zwischen  dem  Vorarlbergisclien  und  der 
Schweizer  Küste  zu  vermitteln  hatte. 

Die  Mannschaft  der  reduzierten  Flottille,  welche  mit 
vier  Fahrzeugen  die  Schweizer  Küste  bewachen  soUte,  wmrde 
durch  einen  strengen  Befehl  Williams"  sorgfältig  von  der 
in  ihrer  Haltung  noch  schwankenden  Bewohnerschaft  abge- 
schieden, um  jede  Reibung  zu  vermeiden  und  die  gute  Stim- 
mung der  ^Majorität  im  Kanton  St.  Gallen  zu  erhalten  luid 
zu  vermehren.  Auch  die  geringste  Requisition  war  untersagt 
und  selbst  die  Offiziere  durften  nur  in  Gasthäusern  gegen 
bare  Bezahlung  speisen.  Die  Mannschaften  aber,  welche  auf 
<icn  Schüfen  wegen  des  Munitionsvorrates  nicht  ständig  ah- 
kochen  konnten,  erbauten  sich  im  Angesicht  ihres  Fahrzeugs 
am  Ufer  des  Sees  kleine  Baracken  und  wirtschafteten  dort, 
so  gut  es  gehen  wollte. 

''  K.  A.,  F.  A.  1799.  Deutsclilaiid.  V,  Ilüh,  150. 


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Kin  Seekrie^r  in  Schwaben. 


35 1 

Untereinander  standen  die  Scliifl'e  durch  ein  gut  ge- 
leitetes Flaggen-  und  Lichtersignalsystem  in  Verliindung. 

Williams  aber,  welcher  vom  Kaiser  den  Ausdruck  von 
dessen  höchster  Zufriedenheit  über  sein  tapferes  Verhalten 
entgegennehmen  durfte,  blieb  nicht  am  Bodensee ’j;  die  Vor- 
rückung der  Armee  des  Erzherzogs  eröfiiiete  ihm  auf  dem 
Züricher  See  ein  neues  Feld  der  Tätigkeit*). 

Während  der  Rest  seiner  Flottille  auf  dem  Bodensee, 
wo  sich  schnell  wieder  das  alte  fröhliche  Handelslebeu  ent- 
wickelte, ein  fast  idyllisches  Dasein  führte,  mußte  Williams 
alles  verfügbare  Schitfsmaterial  an  den  Züricher  See  über- 
tührcn,  um  dort  eine  neue  Flotte  zu  schatten.  Ja,  Williams 
hätte  in  seinem  Diensteifer  auch  die  vorarlbergischen  und 
schwäbischen  Schiffleute  mit  auf  den  neuen  Kriegsschauplatz 
genommen,  wenn  er  nicht  auf  allzu  kräftigen  Widerstand 
dieser  Leute  gestoßen  wäre. 

So  ging  er  denn  allein  mit  gewohnter  Tatkraft  an  die  Auf- 
gabe, sich  auch  auf  dem  neuen  Gebiet  zum  Herrn  auf  dem  Wasser 
zu  machen;  die  Nähe  des  Erzherzogs  aber  sollte  diesmal  seine 
Tatenlust  zügeln  und  zum  W^ohle  des  Ganzen  beschränken. 
Williams  durfte  auf  dem  Züricher  See  nur  einige  Patrouillen- 
boote ausrüsten  und  hatte  im  übrigen  seine  ganzen  Kräfte 
zur  Sammlung  einer  Transportdotte  zu  verwenden,  welche 
bei  Erlibach  zur  Übersetzung  von  6000  Mann  bereit  .stehen 
sollte.  Wirklich  brachte  Williams  die  stattliche  Anzahl  von 
114  Schiften  und  Kähnen  auf  und  setzte  im  übrigen,  da  er  keine 
Seemannsstücklein  ausführen  dinfte,  seiner  Halsstarrigkeit  ein 
originelles  Denkmal.  Er  war  am  14.  September  in  Rappers- 
ttyl,  als  zwei  Franzosen,  w'elche  seiner  Flottille  zugelaufen 
waren,  miter  Mitnahme  von  allerlei  Schitfsgerät  wieder  zum 
Feinde  zurückdesertierten.  Sie  wurden  jedoch  auf  ihrer  Flucht 
von  einer  östeiTeichischen  Patrouille  aufgelängen  und  einge- 
bracht. Williams  bestand  nmi  darauf,  daß  diese  Leute  seiner 
eigenen  Gerichtsbarkeit  auszidieferii  seien,  indem  sie  dem 
bei  allen  Marinen  geltenden  Seerecht  vertäUeii  wären.  Wirk- 


■)  K.  A.,  H.  K.  R.  A.  17'.»9,  V,  63. 

«j  K.  A.,  R Ä.  1799,  Deutschland.  VllI,  20U. 


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352 


B ft  r t s c h. 


lieh  gab  FML.  Hotze  dein  Drängen  des  Engländers  nach, 
schickte  ihm  die  beiden  Deserteure  und  Diebe  zu  und  Wil- 
liams ließ  sie  an  den  T?,aaen  derjenigen  Schiffe,  welche  sie 
bestohlen  und  verlassen  hatten,  nach  kurzem  Prozeß  und  zum 
warnenden  Beispiel  aut  knüpfen*). 

Bald  nach  diesem  Vorgang,  am  26.  Sejitember,  verloren 
die  russischen  Bundesgenossen  die  (zweite)  Sclüaeht  am  See 
und  die  verbündeten  Armeen  gingen  auf  die  österreichische 
und  deutsche  Grenze  zurück.  Hotze  war  gefallen  und  FML. 
Petrasch  hatte  die  Aufgabe,  den  Rest  seiner  Trujipen  nach 
Bregenz  zuriiekzulühren.  Williams  aber  eilte  am  27.  Sep- 
tember abends  mit  einem  Kommando  Dragoner  nach  Kon- 
stanz, um  in  Eile  sämtliche  Fahrzeuge,  welche  an  der 
Schweizer  Küste  bis  Rorschach  lagen,  an  das  österreichische 
und  fleutsche  Ufer  schaffen  zu  lassen,  damit  den  nachnicken- 
den Franzosen  keinerlei  ^Mittel  zur  Ausrüstung  einer  Gegen- 
flotte Illieben*). 

Außer  dem  vorderösterreichischen  Regieruugskommis.sär 
Wessenberg  war  jedoch  Williams  jetzt  der  einzige  höhere 
staatliche  Funktionär  an  dem  Schweizer  Ufer,  welches  nie 
in  geordnete  Militärverwaltung  übergegangen  war.  Williams 
konnte  daher  seine  Absicht  nur  sehr  unvollkommen  ausfiiliren 
und  schiffte  sich  am  28.  September,  als  die  Franzosen  schon  von 
Frauenfeld  gegen  Konstanz  nachdrängten,  nach  Bregenz  ein. 
wo  er  an  demselben  Tage  seinen  vom  Feinde  hartbedrängten 
neuen  Vorgesetzten,  FML.  Petra  sch,  antraf’). 

In  Konstanz  rückten  die  Franzosen  ein.  Ihnen  gegenüber  in 
Petershausen  lagerten  die  flüchtigen  Russen  und  die  Stadt  wurde 
im  Laufe  mehrerer  Tage  zum  Spielball  beider  Parteien,  da  der 
unruhige  Williams  über  den  See  gegen  die  Stadt  fuhr,  die 
Franzosen  dort  mit  Hilfe  des  die  Halbinsel  von  Radolfszell  bis 
Petershausen  besetzenden  Condeschen  Freikorjis  verjagte  und 
Konstanz  besetzte.  Bald  aber  wurde  Williams,  infolge  der  Nach- 
lässigkeit. mit  welcher  dieses  schlecht  diszij)linierte  Korj)s  den 
Wachdienst  versah'*),  von  den  wieder  anrückenden  Franzosen 

‘ K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  IX,  120. 

’)  Ebenda,  194. 

»)  Ebenda,  IX,  206 : X.  3. 

*)  Ebenda,  IX,  83;  X.  71,  10.),  116. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


353 


und  dom  Landsturm  des  Kantons  Thurgau  überrumpelt.  Der 
(leiangenschaft  auf  Haaresbreite  Jiahe,  schlug  sich  der  mutige 
Offizier  mitten  durch  den  eingedrimgenen  Feind  über  die 
Rheinbrücko  nach  Petershauson  durch  und  eilte  am  Gestade 
des  Überlinger  Sees  nach  Stockach,  um  längs  des  Ostufers 
wieder  nach  Vorarlberg  zu  kommen.  Hier,  in  Stockach,  traf 
ihn  ein  Befehl  des  Erzherzogs  Karl  vom  8.  Oktober,  welcher 
ihm  gebot,  die  Flottille  eiligst  von  neuem  in  das  Leben  zm'ück- 
zurufen,  womit  die  zweite  Kampagne  auf  den  Gewä-ssern  des 
Bodensees  ihren  Anfang  nahm. 

5.  Die  Operationen  anf  dem  See  im  Herbst  und  Winter 
1799/1800,  bis  zur  Abrüstung  der  Flottille. 

Williams  hatte  schon  vor  Erhalt  dieses  Befehles  die 
Notwendigkeit  eingesehen,  den  Bodensee  durch  Wiederauf- 
stellung einer  kleinen  Seemacht  in  Händen  zu  behalten  und 
sein  Stellvertreter  Fulconis  war  in  Bregenz  bereits  eifrig  an 
der  .Arbeit. 

An  der  Rheinspitze  standen  den  Franzosen  inzwischen  die 
drei  größeren  Kommodorschiffe  entgegen,  welche  auch  in  der 
Periode  des  kurzen  Sommerfriedens  auf  dem  Bodensee  gar 
nicht  abgerüstet  worden  waren.  Schon  hatten  sich  auf 
das  .Andrängen  Williams’  FML.  Petrasch  und  Gruber') 
an  die  Vorarlberger  Stände  mit  der  Bitte  um  die  Mittel  zm 
Wiederherstellung  der  Flottille  gewendet;  das  arme  Land  war 
jedoch  durch  schwere  Kriegslasten  derart  erschöpft,  daß  die 
Stände,  welche  den  Sommer  hindiu-ch  kaum  drei  Wacht- 
schitfe  zu  erhalten  vermocht  hatten,  sich  außer  stände  er- 
klärten, von  neuem  Geld  und  Material  zu  beschaffen ; ja  sie 
baten  sogar,  den  Bau  der  Flottille  von  dem  an  Bauholz  gänz- 
lich erschöi)ften  Bregenz  weg  nach  einem  anderen  Seeort  zu 
verlegen.  Da  brachte  ein  Befehl  des  Erzherzogs  die  Ent- 
scheidung samt  den  Mitteln.  Von  neuem  wurde  die  Rcichs- 
operationskassa  belastet  und  Fulconis  arbeitete  mit  den 
anderen  Marineoffizieren  seit  6.  Oktober  an  der  Wieder- 
aufstellung der  Flottille.  Drei  Schiffe  waren,  wie  gesagt, 
armiert.  Hiezu  sollten  noch  neun  gleiche  kommen  und  von 

*)  K.  A.,  F.  A.  17!)9,  Deutscbland,  X,  89. 

UitteUaxig«n  d«i  k.  und  k.  Kriegiarcliivs.  Dritte  Folge.  IV'.  Ild.  23 


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354 


Bartsch. 


den  zwölf  Schiffen  vier  mit  je  einem  Sechspfünder  und 
zwei  mit  je  einer  Haubitze  bestückt  werden.  Als  dreizehntes 
sollte  hiezu  da.s  leichte  Jagd-i Patrouillen- iSchiff  des  Grafen 
Fulconis  kommen,  welches  mit  einem  der  eroberten  fran- 
zösischen Vierpfünder  bewehrt  war.  'Wohin  die  von  Williams 
im  Frühjahr  geschaffenen  einpfündigen  Drehbasseu  gekommen 
waren,  läßt  sich  nicht  ausfindig  machen;  jedenfalls  fühlten 
die  Marineoffiziere  in  der  beginnenden  Kampagne  das  Fehlen 
dieser,  für  das  kleine  Gefecht  so  vorzüglichen  leichten  Ge- 
schütze ziemlich  hart. 

Die  drei  fertiggestellten  Schiffe  sollten  mit  dem  10.  Ok- 
tober auf  brechen  und  sieh  in  einer  Fahrt  zu  Williams  be- 
geben, welcher  sich  schon  wieder,  so  nahe  er  konnte,  an  den 
Feind  gedrängt  und  sich  bei  Petershausen  festgesetzt  hatte. 
Dorthin,  nach  Staad,  sollten  die  Schiffe  vor  ^Vnker  gehen,  um 
zu  jeder  Gelegenheit  bei  der  Hand  zu  sein. 

Williams,  welcher  inzwischen  für  die  eigenmächtige 
Hesetzung  von  Konstanz,  für  den  Affront,  welchen  er  dort 
am  1 1 . Oktober  erlitten  und  für  ebenso  eigenmächtige  Unter- 
handlungen mit  dem  Feinde  (behufs  Festsetzung  einer  De- 
markationslinie) wiederholte  scharte  Verweise  von  seinem 
neuen  Koq)skommandanten,  dem  Prinzen  von  Lothringen 
und  sogar  von  Erzherzog  Karl  erhalten  hatte,  schränkte  seine 
Tätigkeit  niuimehr  wieder  auf  die  Flottille  ein  *)  und  schuf 
vom  17.  bis  zum  20.  Oktober  im  Hafen  von  Meer.sburg  sechs 
kriegstüchtige  Scliiffe.  Er  verwendete  hiebei  auf  seinen 
Schiffen  jene  von  den  eroberten  französischen  Stücken,  in 
welche  die  östeiTeichische  Eisenmunition  paßte. 

Die  Anzeichen,  daß  solche  bald  gebraucht  werden  würde, 
machten  sich  immer  drohender  geltend,  denn  jetzt  rüsteten 
auch  die  Franzosen,  um  Österreich  die  bisher  unumschränkte 
Macht  auf  dem  See  zu  entreißen.  Schiftleute  aus  Eorschach 
brachten  die  Kunde,  daß  im  dortigen  Hafen  eine  stattliche 
Flottille  ihrer  Vollendung  entgegenwüchso. 

Es  hätte  nicht  zum  Charakter  Williams’  gestimmt,  wenn 
er  nicht  augenblicklich  beschlossen  hätte,  das  Unternehmen 
im  Keim  zu  vernichten,  die  Flotte  noch  vor  dem  Auslaufen 

')  K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  X,  178. 


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Ein  Seekrieg^  in  Schwaben. 


355 


im  Hafen  zu  überfallen,  ihre  Schiffe  zu  kapern,  oder  sie  zu 
verbrennen  oder  in  Grund  zu  bohren,  wenn  er  das  erstere 
nicht  vermochte. 

Aber  es  war  die  Zeit  nach  dem  Äquinoktium,  wo  die 
Herbststürme  von  Westen  her  über  den  See  fegten  und 
Williams  empfand  bitterer  als  je  die  Schwerfälligkeit  seines 
Schiffsmaterials,  welches  ihm  jede  Offensive  nach  Rorschach 
unmöglich  machte,  ,,weil,”  wie  er  klagte,  „bei  widrigem  Wind 
mit  keinem  Patroiüllenschiff  dahin  gekommen  werden  kann  ’ 

Am  16.  Oktober  waren  inzwischen  die  neuen  Vor- 
schriften des  Erzherzogs  für  die  Flottille  nach  Meersburg 
herabgelangt. 

Der  Wunsch  des  Erzherzogs  war,  daß  die  Flottille  eigent- 
lich nur  aus  leichteren  Patrouillenschiffen  bestehen  sollte  und 
auch  diese  dürften  nur  zu  Beobachtungs-  und  Defensivz wecken 
verwendet  werden.  Auf  Andringen  Williams’  erlaubte  der 
Erzherzog  jedoch  einige  Schiffe  von  ganz  großem  Deplace- 
ment zu  Kanonenbooten  mit  starker  Bemannung  umzuwandeln, 
— wodurch  die  Möglichkeit  einer  Offensive,  vielleicht  sogar 
einer  Landmig  geschaffen  war. 

Da  Williams  mit  den  zum  Einzeldienst  vortrefflichen, 
in  geschlossenem  Geschwader  aber  minder  brauchbaren  leichten 
Patrouillenschiffen  den  Feind  keineswegs  am  Auslaufen  zu  hin- 
dern veimocht  hätte,  stützte  er  .sich  auf  die  Erlaubnis  des 
Erzhei'zogs  zum  Bau  „einiger”  Kanonenboote  imd  gab  der- 
selben eine  derart  freie  Auslegung,  daß  mit  Ende  Oktober 
neben  4 Patrouillenschiffen  — 14  Kauonenschaluppen  nahezu 
segelfertig  vor  Meersburg  lagen. 

Freilich  liielt  mit  einem  so  schnellen  Anwachsen  der 
schwer  armierten  Schiffe  die  Gewährung  des  Geschützmaterials, 
welche  von  Williams’  Vorgesetzten,  dem  jeweiligen  komman- 
dierenden General  in  Vorarlberg  abliing,  nicht  gleichen  Schritt. 
So  kam  es,  daß  wälirend  dieser  ganzen  Kampagne  mindestens 
vier  der  stärksten  Kanonenboote  außer  Dienst  bleiben 
mußten. 

Williams  aber  fühlte  sich  schon  mit  zehn  schweren 
Sclilachtfahrzeugen  mächtig  genug,  die  französische  Flottille 


*)  K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  X,  173. 

23* 


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356 


B a r t I o h. 


zu  veniichten  und  erbat  sich  vom  Erzherzog  die  Erlaubnis 
in  See  zu  stechen  imd  die  Arbeiten  des  Feindes  zu  zer- 
stören. 

Allerlei  kleine  Mißhelligkeiten  verzögerten  jedoch  das 
Ünteniehmen  von  neuem.  Das  Regiment  Bender  war  in  dem 
Feldzug  des  letzten  Jahres  derart  dezimiert  worden,  daß 
Williams  seine  Schiffsmannschaft  aus  verschiedenen  Regi- 
menteni  zusammenstellen  mußte,  wodiu-ch  er  abermals  un- 
geübte Neulinge  zu  schiden  hatte.  Die  Abgabe  von  Mann- 
schaft, besonders  von  der  Artillerie,  geschah  so  sparsam, 
daß  Williams  sich  zur  Komplettierung  seiner  Schiffsmeister, 
Knechte  und  Ruderer  abermals  an  alle  reichsangehörigen  und 
vorländischen  Seekreise  von  Gaißau  an  der  Rheinspitze  über 
Bregenz,  Lindau,  Wasserburg,  Langenargen,  Buchhorn,  Im- 
menstaad, Meersburg,  ÜberUngen,  Bodman  und  Mainau  bis 
Staad  nahe  dem  feindlichen  Konstanz  wenden  mußte.  Die 
drohende  Gefahr  einer  französischen  Flotte,  der  Erfolg  des 
letzten  Seefeldzuges  tmd  das  glückliche  Schicksal,  welches 
dabei  Lotsen,  Matrosen  und  Ruderer  bewahrt  hatte,  taten 
das  Ihre,  und  die  Städtchen,  Flecken  und  Dörfer  stellten 
jetzt  mit  dem  fröhlichsten  Willen  die  von  ihnen  nach  dem 
Maßstab  ihrer  Seeschiffahrt  abverlangten  Schiffsmeister  und 
Ruderknechte;  über  120!  Nur  das  Reichsstädtlein  L’berlingen 
mit  seinen  Dependenzen  Goldbach  und  Sipplingen,  verharrte 
in  unbeugsamem  Trotz,  obwolü  sich  Williams  mit  bitterer 
Klage  an  den  Erzherzog  wendete,  daß  ihm  durch  solche  Ab- 
lehnung eines  seiner  Kanonenboote  gänzlich  vom  Seedienst 
ausgeschaltet  würde. 

Die  Zeit  drängte  jedoch.  Schon  waren  die  Franzo.sen 
zu  Rorschach  mit  vierzehn  Kanonenbooten  den  neun  dienst- 
fähigen Schüfen  Williams’  von  derselben  Kategorie  über- 
legen. So  fuhr  denn  Williams  am  3.  November  mit  raschem 
Entschluß  gegen  Steinach,  zwischen  Arbon  und  Rorschach 
aus,  in  welcher  Gegend  die  französische  Flotte  gesehen  wor- 
den sein  sollte.  Er  fand  jedoch  nur  zwei  dieser  noch  etwas 
ungelenken  Fahrzeuge,  welche  er  einholte.  Nachdem  die 
frauzösichen  Wachen  vom  Ufer  durch  das  Feuer  von  Wil- 
liams’ Geschützen  landeinwärts  gejagt  worden  waren,  schoß 
Williams  die  an  das  Ufer  getlüchteten  beiden  Schiffe  in 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


. 357 


Brand  imd  wich  nicht  eher  vom  Platze,  bis  das  Feuer  sie 
bis  an  die  Wasserlinie  verzehrt  hatte. 

Nach  einer  demonstrativen  Fahrt  längs  der  ganzen  feind- 
lichen Küste,  welche  ihm  bewies,  tlaß  er  noch  Herr  des 
Büdensees  sei,  kehrte  Williams  an  das  schwäbische  Ufer 
ziu-ück  ' 

Um  diese  Zeit,  8.  November  1799,  lagen  nur  wenige 
kaiserliche  Trupjien  imd  solche  vom  Gondeschen  Emigranten- 
korps,  dann  etwas  russische  Kavallerie  am  See;  Williams 
hielt  ihn  fast  allein  in  Hämlen.  Er  lag  zu  jener  Zeit  mit 
einem  Teile  seiner  Flottille  bei  Tjangenargen ; ein  großer  Teil 
der  Schifte  schwamm  vor  Lindau,  ein  anderer  vor  Meersburg. 
Von  hier  bis  Inndau  war  die  Küste  von  Militär  gänzlich 
entblößt  und  Williams  hatte  gi-oße  Mühe,  einem  Schleich- 
handel, welcher  sich  bei  solch  günstiger  Gelegenheit  augen- 
blicklich zwischen  der  württembergischen  und  der  Schweizer 
Küste  entwickelte,  zu  steilem. 

Abermals  brachten  die  treuen  Landstände  von  Vorarl- 
berg Opfer.  Zu  den  drei  von  ihnen  beigestellten  Kanonen- 
schalupjien  bestritten  sie  die  Ausrüstung  von  zwei  weiteren 
und  setzten  auf  diese  fünf  Schifte  74  Scharfschützen  von  der 
Bregenzer  Kompagnie. 

Diese  Mannschaft  wurde  nun  freilich  in  den  untätig 
verlaufenden  Novembertagen  auf  der  Flottille  nicht  benötigt 
und  tiald  wieder  in  Bregenz  einquartiert,  was  mit  Ende 
November  geschah. 

Dieser  Monat  war  in  unerquicklichem  Zuwarten  ver- 
laufen, denn  der  See  wurde  häufig  durch  Herbststürme 
aufgewühlt,  welche  im  ersten  Drittel  des  Monates  sogar  ein 
Boot  mit  zwei  französischen  Dragonern  an  die  vorderöster- 
reichische  Küste  verschlugen,  die  sich  den  trügerischen  Wellen 
zu  einer  Lustfahrt  aiivertraut  hatten.  Die  von  der  Mannschaft 
eines  Patrouillenbootes  aufgegriftenen  Franzosen  klagten  über 
bitteren  Mangel  ihrer  Land.sleute  und  Teuerung  in  der 
ressourcenarmen  Schweiz. 

Um  diese  Zeit  stand  das  Koqis  des  FML.  Sztäray  von 
SchaftTiausen  durch  das  Hegau  bis  Überlingen;  das  Haupt- 


*)  K.  A.,  F.  A.  1799,  Deutschland,  XI,  48. 


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358 


B a r t ■ c h. 


quartier  war  in  Singen.  Von  Überlingen  bis  Lindau  herrschte 
"Williams  unumschränkt  und  als  er  die  beiden  erwähnten 
Franzosen  an  einen  der  beiden  Korpskommandanten  in 
Singen  oder  Feldkirch  abUefeni  sollte,  bestand  er,  wie  zn 
jeder  Zeit,  hartköpfig  auf  Ausübung  des  Seerechtes  und  ver- 
langte, daß  man  die  beiden  Männer,  welche  nach  diesem 
Eechte  als  Schift’brüchige  anzusehen  waren,  nicht  dem  Los 
der  Kriegsgefangenschaft  aus.setzen  dürfe.  Petrasch  (Feld- 
kirch) gal)  nach  und  erlaubte  dem  Oberstleutnant,  diese 
Leute  in  einem  Patrouillenschilf  an  die  Küste  von  Rorschaeli 
übersetzen  zu  lassen,  obwohl  er  es  ungern  sah,  daß  man  auf 
solche  Weise  dem  Feinde  geradezu  zwei  Kundschafter  in  die 
Hände  gab. 

Am  14.  November  ging  denn  auch  die  Übergabe  der 
beiden  Gefangenen  unter  Austausch  einiger  Höflichkeiten 
vor  sich. 

Williams  benutzte  die  Zeit  unfreiwilliger  Walfetmthe, 
um  den  Alarm-  und  Signaldienst  auf  dem  Ree  derart  zu  ver- 
vollkommnen, daß  kein  Punkt  auf  der  ganzen  Ostküste  von 
den  Franzosen  hätte  angegidtfen  werden  können,  ohne  augen- 
blicklich die  konzeiitn'sche  Ausfahrt  aller  Divisionen,  welche 
zu  Ende  November  Jiach  Fußach,  Tnndau,  Wasserburg,  Langen- 
argen, Buchhorn,  Hagenau,  Meersburg  und  Staad  verteilt 
waren,  zu  veranla.s.sen.  Außer  den  genannten  hatte  Williams 
sogar  noch  auf  dem  üntersee  an  der  Reichenau  einen  ver- 
lorenen Posten  endchtet,  woselbst  der  Marineoffizier  Tau- 
lignon  zwei  Patrouillenschifie  kommandierte.  Einen  genauen 
Einblick  in  Stand,  Verteilung  und  Stärke  der  Flottille  in  ilen 
Monaten  November  und  der  ersten  Hälfte  Dezember  gewährt 
nebenstehende  Tabelle. 

Inzwischen  jedoch  wuchs  die  Gefahr  von  Rorschach  immer 
mehr.  Gegen  Ende  November  erfuhr  Williams,  welcher  sein 
Hauptquartier  in  Inndau  aufgeschlagen  und  das  erschöpfte 
Bregenz  ohne  Schift'belag  gelassen  hatte,  daß  die  Franzosen 
nunmehr  sogar  vom  Züricher  See  Schilfe  und  Material  per 
Achse  nach  Rorschach  brächten.  Da  sie  auch  eine  Anzahl  der 
im  Frühjahr  von  Fulconis  in  den  Grund  gebohrten  Schitle 
zu  heben  versuchten,  bestand  die  Gefahr  einer  bald  zu 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


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Totale  der  detachierten  Kahrsougo  : Itf 


3G0 


B A r t I c b. 


erwartenden  Übermacht  auf  Seite  der  Franzosen.  Aber  Wil- 
liams hatte  sich  schon  seit  seiner  letzten  TJntemehmiuig 
körperhch  nicht  mehr  wohl  gefühlt  und  lag  nun  seit  Mitte 
November  krank  darnieder,  tinfähig  auch  nur  da.s  Zimmer  zu 
verlassen.  — So  gewannen  die  Feinde  kostbare  Tage  ’ i. 

Über  80  Pontoniere  arbeiteten  jetzt  zu  Rorschach  an 
der  Ausrüstung  einer  Flottille  von  2ä  Schiffen,  von  St.  Gallen 
kam  Geschütz ; schon  wurde  der  Hafen  für  das  Gedränge 
der  Schiffe  zu  klein,  ein  Teil  derselben  muhte  nach  Arbon 
zur  weiteren  Mobilmachung  gesendet  werden.  In  Rorschacli 
stand  zudem  ein  ganz  beträchtlicher  Munitionspark  bereit. 
— 20  Geschütze,  60  Munitionskarren.  — Alle  Anzeichen 
deuteten  auf  einen  baldigen  Angriff  über  den  See. 

Williams,  immer  noch  krank,  bezwang  seine  Schwäche 
und  zog  die  Detachements  seiner  Flottille,  welche  im  nördlichen 
Teile  des  Bodensees  standen,  gegen  die  Rheinspitze  bei  Fußach 
zusammen  imd  bat  den  Erzherzog  um  \'erwendung  der  ihm  schon 
zugewiesenem  Bregenzer  Bandesschützenkompagnie  zum  Dienst 
auf  der  Flottille.  Pekuniäre  Rücksichten,  (die  Yeq)flegung 
der  74  Schützen  hätte  monatlich  1700  11.  erfordert  und  die 
Reicliskasse  war  ausgeschöpft)  zwangen  den  Erzherzog,  die 
Bitte  abzuweisen  und  Williams  zu  befelden,  die  Besatzimg 
seiner  Schiffe  mit  der  Mannschaft  der  noch  immer  unarmierten 
vier  Kanonenschaluppon  zu  verstärken  *). 

Der  Sicherheitsdienst  auf  so  schwacldoemannten  Schiffen 
wurde  in  der  rauhen  Jalireszeit  immer  scliwieriger,  weil  nur 
ungenügende  Ablösung  da  war.  Das  fröhliche  Seewesen,  das 
Leben  und  die  Munterkeit  verstummten  in  jenen  langen 
Winteniächten,  auf  welche  kalte  graue  Tage  folgten,  an  denen 
mit  bedrückender  Gleichmäßigkeit  ein  undurchdringlicher  Nebel 
über  dem  See  lastete.  Die  Scliittahrt  ■ im  Dienste  der  Sicher- 
heit mmde  hiedurch  fast  unmöglich,  während  der  Nebel  einen 
feindlichen  Überfall  begünstigte. 

Die  Zahl  der  Franzosen  aber  vermehrte  sich  am 
jenseitigen  Seeufer  und  bei  Rheineck,  wo  ein  Übergang 
drohte : die  Kundschaftsnachrichten  sprachen  von  10.000- 


')  K.  A..  F.  A.  1799,  Deutschland,  XIT,  41,  .">4. 
’)  Kbenda,  84,  8.Ö. 


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Ein  Seekrieg  in  Scliwaben. 


361 


Williams  hatte  eine  Küste  zu  decken,  welche  zwischen 
Lindau  und  Überlingen  von  Truppen  völlig  entblößt  war  und 
in  deren  Mitte  ausgedehnte  Waldungen  sich  bis  an  das  See- 
ufer herandrängten.  Den  wenigen  Patrouillen,  welcher  hier 
verkehrten,  konnte  eine  Ijandung  leicht  entgehen,  denn  der 
hartnäckige  Nebel  verbarg  auf  kurze  Entfeniung  das  größte 
Schiff.  Überdies  war  es  das  rechte  Wetter  für  die  in  jener 
Zeit  so  häufigen  Deserteure,  mit  welchen  die  stets  wach.samen 
Patrouillenschifte  manchmal  schwere  Kämpfe  zu  bestehen 
hatten'). 

Unter  solchen  Drangsalen  brach  das  .labr  1800  heran, 
<lessen  ersten  günstigen  Tag,  den  11.  Januar,  Williams 
zu  einer  Ausfahrt  gegen  die  feindliche  Küste  benützte. 
Wohl  hatte  er  gehört,  die  Franzosen  hätten,  jetzt  mehr 
auf  einen  Rheinübergang  bedacht,  die  Rüstungen  am  See 
eingestellt,  doch  wollte  er  sich  durch  den  Augenschein  von 
der  Wahrheit  des  Gehörten  überzeugen  und  sandte  den 
Marineoffizier  de  Bonne  von  Meersbiu'g  zu  einer  Rekognos- 
zienmg  an  die  Schweizer  Küste.  De  Bonne  kam  vorKeßwil 
an,  segelte  von  dort  längs  der  Küste  gegen  Roman.shorn  und 
wuirdo  von  den  am  Ufer  zusammenlaufenden  Franzosen  natli 
erfolglosem  Kleingewehrfeuer  unerwartet  aus  Do])pelhaken 
(Wallbüch.sen)  beschossen,  so  daß  er  bald  drei  Yenvundete 
hatte.  Es  war  Ursache  zu  einer  besonderen  Unruhe  der 
Feinde  vorhanden,  da  durch  die  Ausfahrt  de  Bonnes  in 
der  Nähe  von  Altnau  eines  ihrer  größten  Schiffe,  welches 
.soeben  gegen  Konstanz  gebracht  werden  sollte,  bedroht 
schien. 

De  Bonne  machte  mit  seinem  Kanonenboot  Nr.  3 und 
einem  Patrouillenschilf  augenblicklich  Jagd  auf  das  gegen 
8 Uhr  morgens  gesichtete  Schiff  und  verfolgte  es  bis  Bottig- 
hofen,  wo  es  sich  an  die  Küste  flüchtete. 

Der  junge  Schiftsoffizier  beschloß  es  selbst  dort  anzu- 
greifen, obwohl  starke,  feindliche  Kräfte  am  Ufer  waren.  So 
entspann  sich  ein  hartnäckiger  Kampf*),  welcher  es  de  Bonne 
erst  nach  l'/a  Stunden  möglich  machte,  das  Schill',  eines  der 


')  K.  A.,  F.  A.  1800,  I,  57,  58. 
*)  Ebenda,  ad  28a  und  b. 

f 


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362 


Bartsch. 


gröÜt<'n  auf  dem  ganzen  See.  zu  entern  und  als  gtite  Prise 
über  das  Wasser  nach  Meerslnu-g  zu  fuhren. 

So  tapfer  sich  die  Mannschaft  de  Bonn  es  hiebei  ge- 
halten hatte,  die  schöne  Trophäe  war  teuer  erkauft  worden. 
De  Bonne  brachte  sechs  Verwundete  und  einen  Sterbenden 
nach  Äleersburg  und  hätte  vielleicht  sein  kühnes  Untemehmen 
noch  schwerer  bezahlt,  wenn  nicht  auf  den  ersten  Kanonen- 
schuß von  der  jenseitigen  Küste  die  Divi.sion  von  Wasser- 
burg ausgelaufen  wäre,  welche  unter  Kommando  eines  braven 
Unteroffiziers  die  Kräfte  des  PViniles  bei  Güttingen  durch 
lebhaftes  Feuergefecht  band  und  von  de  Bonnes  Unter- 
nehmung zum  Teil  abzog. 

Das  Schiff,  welches  de  Bonne  nach  Meersburg  ge- 
schleppt hatte,  war  so  groll,  daß  es  sich  für  die  Einfahrt  als 
zu  breit  envies  und  nicht  einzulnufen  vermochte.  Es  bot  Wil- 
liams Gelegetdieit,  sich  wieder  einmal  für  die  strikte  Hand- 
habung des  See-,  diesmal  des  Prisenrechtes,  einzusetzen').  Er 
scheute  selbst  eine  Umgehung  des  Dienstweges  nicht  und 
wandte  sich  direkt  an  Plrzherzog  Karl  mit  dem  .Anliegen, 
daß  das  Schiff  lizitando  veräußert,  und  der  Erlös  unter  die 
Eroberer  verteilt  werden  sollte.  Der  Erzherzog  gestattete  das 
ungewöhnliche  Verfahren,  jedoch  erhielten  AVilliams  und 
seine  Offiziere  strengen  Befehl,  um  solcher  militärisch  nutz- 
loser Freibeuterzüge  willen  keine  Menschenopfer  mehr  zu 
bringen.  Die  Flotte  habe  .sich  nur  bis  in  die  Mitte  des  Sees 
zu  wagen  und  Patrouillenfahrten  zur  Unterdrückung  des 
Schleichhandels  zu  machen.  Überdies  verbot  auch  FML. 
Petrasch  solche  Fahrten,  um  den  Feind  nicht  zur  Wiederauf- 
nahme seiner  Flottenrüstungen  zu  veranlassen. 

Wirklich  begann  zu  Anfang  des  Februar  die  regste 
Tätigkeit  den  Hafen  von  Rorschach  zu  beleben*».  Die  Franzosen 
hoben  die  versenkten  Schiffe  und  ])umi)ten  sie  aus.  schafften 
vom  Züricher  See  zahlreiches  Material  herbei,  befestigten  den 
Hafen  mit  Batterien  und  stellten  an  die  Spitze  der  mit  Eifer 
betriebenen  jVrbeiten  einen  ausgezeichneten  Marineoffizier, 
welcher  bald  gegen  200  Ponfoniere  kommandierte. 

')  K.  A.,  K.  A.  ISOO,  Deutscliland,  I,  42,  4.S. 

•)  Ebenda,  H,  19,  30;  III,  6,  9,  H,  12,  3.3,  4.3,  84,  99,  llO'/i. 


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Ein  Soekriftg  in  Schwaben. 


363 


Schon  zu  Ende  Februar  schwammen  im  Rorschacher 
Hafen  sechs,  mit  je  zwei  Kanonen  oder  einer  Kauoue  und 
einer  Haubitze  armierte  Schiffe,  sechs  weitere  lagen  auf  Werft. 
Was  aber  noch  gefährlicher  schien,  war,  daß  die  Franzosen 
mit  dem  Mannschaftsmaterial  durchaus  nicht  sparten  und  auf 
jedes  Schiff  die  fast  minötig  große  Anzahl  von  12  Artille- 
risten, dann  aber  24  Ruderer,  geübte  Pontoniere,  setzten. 
Waren  so  ihre  Schiffe,  was  Armement  und  Besatzung  an- 
Inngte,  den  österreichischen  überlegen,  so  bestrebten  sich  die 
Franzosen  überdies,  auch  in  Bezug  auf  Fülining  und  Be- 
weglichkeit, die  Überlegenheit  zu  erlangen.  In  der  Hälfte  des 
Februar  führen  fast  alltäglich  Parlamentäre  unter  den  nich- 
tigsten Vorwänden  in  großen  Booten  nach  allen  Punkten  der 
österreichischen  und  reichsdeutschen  Küste ; ihre  Boote  aber 
waren  mit  zahlreichen  Pontonieren  bemanTit,  welche  atif 
solche  Weise  Entfernungen,  Kurse,  Falirwasser  und  Küste 
studierten. 

Die  sechs  fertiggestellten  französischen  Schalu])pen  fuhren 
täglich  aus  dem  Rorschacher  Hafen  aus  und  übten  sich  im 
Segelmanöver  und  im  Geschütze.xerzieren  einzeln  und  im 
Geschwader ; besonders  aber  fiel  au  den  französischen  Pon- 
tonieren die  ausgezeichnete  Rudertechnik  auf,  welche,  mit 
größter  Präzision  gehandhabt,  ihren  Schiffen  eine  hohe  Be- 
weglichkeit verlieh. 

Angesichts  solcher  Umstände  machte  Williams  alle 
Anstrengungen,  um  seine  Flotte  wenigstens  niunerisch  zu  ver- 
stärken. 

FML.  Petrasch  setzte  ihn  durch  Beistellung  zweier 
Kanonen  in  stand,  zwei  der  immer  noch  unarmierten  Kanonen- 
boote in  Dienst  zu  stellen,  auch  kam  jetzt  die  Bregenzer 
Scharfschützenkompagnie  an  Bord.  .\n  der  Rheinspitze  be- 
wachte eine  kleine  Division  die  Grenze,  und  der  Hafen 
von  Buchhorn,  gegen  welchen  die  F’ranzo.sen  feindliche  Ab- 
sichten zu  hegen  schienen,  wurde  durch  Schiffspatrouillen 
gedeckt. 

.\m  3.  März  war  die  französische  Flottille  segelfertig 
geworden.  Mit  diesem  Tage  verbot  der  französische  Kommau- 
ilantauch  den  letzten  über  Wasser  gehenden  Handelsverkehr,  die 
Salzschitfahrt,  und  der  verödete  See  blieb  nur  mehr  den  feind- 


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364 


D A r t s 0 h. 


liehen  Flotten  und  nächtlichem  Schmuggel  als  Tummelplatz 
überlassen  '). 

Seit  der  iMitte  Mürz  kreuzte  eine  feindliche  Flottille 
vor  Uttwil  und  die  hiedurch  bedrohten  benachbarten  Kom- 
mandanten von  Langenargen  und  Meersbtmg  vereinigten  ihre 
Schifte  gegen  die  vom  jenseitigen  Ufer  drohende  Gefahr. 

Die  französischen  Tjandtrupj)en  aber  sammelten  sich 
gegen  Knde  des  Monates  immer  mehr  gegen  Graubündten 
Tind  drohten  mit  einem  Übergang  bei  Rheineck,  wo  bi.s  Mitte 
A]iril  an  10.000  Mann  versammelt  waren. 

Kun  mußte  die  französische  Flottille,  schon  um  die 
Aufmerksamkeit  von  den  Landtruppen  auf  sich  zu  ziehen, 
aus  ihrer  bisherigen  Reserve  hervortreten,  und  es  kam  am 
28.  April  zur  ersten  größeren  Demonstration,  welche  sich 
bald  zu  einem  förmlichen,  auf  hohem  Wasser  ausgefochtenen 
Seegefecht  entwickelt  hätte  *). 

Um  die  Bewegungen  des  Feindes  zu  rekognoszieren, 
war  ^[arineoftizier  de  Bonne  am  28.  April  von  Hard  aus 
gegen  die  Rheinspitze  abgesegelt,  hatte  dort  seine  beiden 
etwas  sch  wert  alligen  Kanonenboote  als  Reserve  zurückgelasseu 
und  fuhr  mit  seinem  Patrouillenschift’  in  die  Bucht  von  Ror- 
sehach  ein,  in  welcher  er,  nur  auf  etwa  30  Schritt  von  der 
feindlichen  Küste  entfernt,  längs  dieser  Kurs  auf  Rorschach 
nahm.  Sein  kühnes  LTnteruehmen  lockte  ihm  jedoch  ans 
diesem  Hauptkriegshafen  der  Franzosen  zwei  französische 
Schalu])pen  auf  den  Hals  und  de  Bonne  zog  sich,  von 
ihnen  verfolgt,  auf  die  Rheinspitze  zurück,  wo  er  nebst  seinen 
beiden  Kanonenbooten  die  inzwischen  hinzugekommeiie  Divi- 
sion von  M'asserburg,  fünf  Schifte  stark,  vorfand.  Nun  wurde 
der  Verfolger  zum  Verfolgten,  und  die  acht  vereinigten  öster- 
reichischen Schifte  jagten  den  beiden  französischen  bis  nahe 
vor  Rorschach  nach,  aus  dessen  Hafen  nunmehr  der  ganze 
dort  befindliche  Teil  der  französischen  Flottille  ausfulrr,  sechs 
Schifte  stark,  um  die  Fliehenden  zu  unterstützen.  De  Bonne 
sah  sieh  plötzlich  einer  ihm  an  Schilfszahl  gleichen,  an  Be- 
wafthung  überlegenen  Flottille  gegenüber  und  all  dies  in 


')  K.  A.,  F.  A.  1800,  Deutschland,  IV,  44,  57,  93,  ad  173. 
Ebenda,  1S2,  nd  182. 


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Kin  Seekrieg  ia  Schwaben. 


36. i 


beilrolilicher  Nähe  der  feindlichen  Hafeuhatterion.  Deshalb 
ging  er  nuUer  Schußweite  der  Küstengeschiitee  auf  den  offenen 
See  zurück  und  stellte  hier  seine  Schiffe  klar  zum  Gefecht, 
um  den  Angidtf  des  Feindes  zu  erwarten,  welcher  sich  eben- 
falls in  Schlachtlinie  entwickelte. 

Williams  war  am  Morgen  jenes  Tages  in  Dienst- 
geschäften abwesend.  Nach  Lindau  zurückgekehrt,  hörte  er 
von  der  Ausfahrt  der  Wasserbiirger  Division,  warf  sich  in  em 
schnellsegelndes  Patrouillenboot  und  fuhr  in  tler  Richtung 
gegen  Rorschacli  in  den  offenen  See  liinaus,  wo  er  etwa  in 
der  Mitte  des  Sees  die  beiden  kleinen  feindlichen  Flotten  in 
drohender  Haltung  einander  gegenüber  erblickte.  Eben  fiel, 
noch  auf  große  Entfernung,  der  erste  Kanonenschuß,  als  die 
Franzosen  des  Williamsschen  Schiftes  ansichtig  wurden,  ab- 
schwenkten und  in  der  Richtung  auf  ihi'en  Hafen  zu  kehrt 
machten.  Da  die  Entfernung  und  die  Schiffszald  für  ein  er- 
folgreiches Nachsetzen  nahe  an  die  Landbatterien  des  Feindes 
heran  zu  g^oß  war,  signalisierte  de  Bonne  den  beiden  Divi- 
sionen den  Befehl  zur  Rückkehr  in  ihre  Häfen  *). 

An  demselben  Tage,  dem  28.  April,  wurde  ein  von  Langen- 
argen  gegen  Rnmanshom  ausgescliicktes  östeiTeichisches 
Patrouillenschitf,  eines  der  leichtesten  und  schwächsten  der 
Flottille,  von  zwei  schweren,  ihm  weit  überlegenen  franzö- 
sischen Kaiionenschaluppen  angefahren  und  beschossen.  Das 
österreichische  Boot  gab  auf  beide  Gegner  drei  Kanonen- 
schüsse ab,  worauf  die  Franzosen  unsohlüssig  wunlen  und 
stoppten ; das  Patrouillenschiff  entkam  so  luibeschädigt  nach 
Langenargen  *). 

-\m  29.  April  patrouillierte  auch  Fulconis  von  Meers- 
burg die  feindliche  Küste  von  Bottighofen  bis  Konstanz  ab 
und  fand  sie  sehr  schwach  besetzt ; das  französische  Heer 
hatte  sich  zu  den  größeren  LTnternehmungen  nach  Franken 
und  Vorarlberg  geteilt. 

Der  30.  April  ließ  zwei  feindliche,  von  Rorschacli  gegen 
die  Rheiuspitze  vorsegelnde  Kanonenboote  im  Morgennebel 
jenes  Tages  bis  auf  200  Klafter  an  das  dort  postierte 


')  K.  A.,  F.  A.  1800,  Dentsohlnnd,  IV,  ad  189. 
’)  Ebenda,  190,  ad  190  a,  b,  191, 


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36(5 


Bartsch. 


Patrouillenscliiff’  gelajigen,  welches  gegen  die  beiden  größeren 
und  besser  annierten  Boote  klar  zum  Gefecht  machte  und  sie 
mit  drei  Kanonenschüssen  aus  seinem  kleinen  Einpfiinder 
gegen  Arhon  zuriickjagte  ‘ I. 

Immerhin  hatten  die  Ausiuhrlen  gezeigt,  daß  die  Franzosen 
jetzt  gerüstet  waren ; der  letzterwähnte  Versuch  des  Feindes, 
die  Bheinsjdtze  zu  umsegeln,  veranlaßte  Williams,  an  die 
Errichtung  einer  Schanze  dort  zu  schreiten,  um  Bregenz  vor 
einem  Überfall  zu  schützen. 

Gleichzeitig  zog  Williams  die  gesamten  Kanonenboote 
der  Flottille  am  2.  Mai  vor  Lindau  zusammen;  an  den  bisherigen 
Ankerplätzen  blieben  nur  die  leichten  Pati'ouillenboote  zurück. 

Im  Norden  des  Sees  war  jedoch  die  österreichische 
Armee  damals  in  vollem  Rückzug  begritlen.  Moreau  hatte 
schon  am  25.  April  den  Rhein  überschritten,  war  gegen  Basel 
vorgegangeu,  hatte  den  Rhein  bei  Stein  abermals  übersetzt 
und  schlug  nun  die  Österreicher  unter  Kray  am  3.  Mai  bei 
Stockach  und  am  8.  beiMöskirch;  die  ebenfalls  unglücklichen 
Rückzugsgefechte  bei  Biberach  und  Memmingen  am  9.  und 
10.  Mai  gaben  den  Franzosen  das  ganze  nordöstliche  Ufer 
des  Bodensees  in  die  Hände. 

Inf(dge  solcher  Wandlungen  drängten  und  überstürzten 
sich  jetzt  die  Ereignisse  bei  der  Flottille. 

Schon  vom  Beginn  des  Mai  au  lernten  Offiziere  und 
Mannschaften  die  Härte  der  Zeit  an  dem  Bereitschaftsdienst 
erkennen,  welcher  ihnen  gebot.  Tag  und  Nacht  auf  den 
Schiffen  zuzubringen  *j. 

Mitten  in  den  eifrigsten  Plänen  zu  einer  Offensive  auf 
Konstanz  traf  Williams  die  Nachricht,  daß  die  Franzosen 
am  7.  Mai  in  Meersbiu-g  eingerückt  waren.  Der  dort  statio- 
nierte Leutnant  Joanovich  mußte  den  See  hinab  auf  Langen- 
argen zurückgehen,  wobei  seine  Patrouillenschiffe  imausgesetzt 
vom  Ufer  aus  beschossen  wimlen ; er  brachte  einige  Ver- 
wundete mit. 

Taulignon  in  Langenargem  rief  nun  die  Unterstützung 
Williams’  an“i  und  der  Flottillenkommandant  stach  am  8.  Mai 

‘)  K.  A.,  F.  A.  16tK).  Deutschland,  V,  21,  ad  21a. 

’)  Ebenda,  44,  59,  64,  80,  90,  96. 

Ebenda,  99. 


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Ein  Seekrieg  in  Schwaben. 


367 


selbst  in  See,  um  dem  vom  Feinde  besetzten  Meersburg  einen 
überraschenden  Besuch  zu  machen.  .Jedoch  schon  vor  Immen- 
staad erhielt  er  von  der  Küste  aus  Feuer  und  war  bald  in 
ein  heftiges  Ferngefecht  mit  französischen  Tirailleurs  ver- 
wickelt, welche  ihn  aus  den  Weinbergen  am  Ufer  beschossen. 
Als  der  Abend  dem  Kampf  ein  Ende  machte,  fuhr  Wil- 
liams nach  Lindau  zimück,  wo  er  einen  Befehl  seines  der- 
maligen  Korpskommandanten,  des  Prinzen  Keuß,  vorfand, 
welcher  ihm  vorschrieb,  die  Schiffe  abzutakeln  und  alles  Ge- 
schütz aus  Land  zu  bringen  '). 

Nun  freilich  hatten  die  Franzosen  leichtes  Spiel.  Ihre 
Flottille  fuhr  am  9.  Mai  auf  Langenargen  zu,  dessen  Hafen, 
von  dem  stolzen  Schloß  der  Montforts  bewacht,  immernoch 
durch  drei  kleine  Patrouillenschiffe  des  Taulignon  gehalten 
wurde.  Diese  leichten,  nur  mit  Einpfündern  bewehrten  Boote 
konnten  sich  den  14  .schweren  Kanouenschaluppen  der  Fran- 
zosen nicht  widersetzen ; sie  brachen  aus  dem  Hafen  her- 
vor und  flohen  mit  voll  aufgesetzten  Segeln  vor  den  Fran- 
zosen nach  Lindau,  wo  Williams  mit  Schmerz  und  Ingrimm 
nach  der  Ausschiffung  des  Geschützes,  welches  ohne  Lafetten 
am  Ufer  lag,  nichts  tun  konnte,  um  dem  jetzt  übermächtigen 
Gegner  entgegenzutreteii. 

Wohl  ließen  die  Franzosen  im  Angesicht  Lindaus  von 
der  Verfolgung  ab,  aber  See  und  Küste  gehörten  jetzt  ihnen 
und  wie  im  vergangenen  Frühling  die  Schweizer,  so  zogen 
jetzt  die  Schwaben  beim  Anblick  der  feindlichen  Schiffe  längs 
des  ganzen  Ufers  vergeblich  an  den  Strängen  ihrer  Stimm- 
glocken. 

Die  Franzosen  hatten  den  fliehenden  Booten  des  Tau- 
lignon nur  einen  Teil  ihrer  Flottille  nachgesandt  und  be- 
schossen aus  den  Geschützen  der  zimUckbleibenden  Schiffe 
Stadt,  Hafen  und  Schloß  *j. 

Es  läßt  sich  denken,  welchen  Eindruck  eine  solche 
Wendung  der  Dinge  auf  den  bisherigen  Alleinherrscher  am 
See,  Oberstleutnant  Williams  machte!  Zudem  war  ihm  das 
wackere  Seestädtlein  Langenargen,  damals  ein  reichsunmittel- 


')  K.  A.,  F.  A.  1800,  Deutschland,  V,  129. 
’)  Ebenda,  133. 


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368 


B a r t I c b. 


barer  k.  k.  Kameralort,  ans  Herz  gewachsen.  Seine  Schüfe 
lagen  entwaffnet  und  hilflos  vor  Lindau,  Williams  aber  raflte 
schnell  50  Mann  seiner  in  Auflösung  begriffenen  Flottille  zu- 
sammen, erbat  sich  vom  Koriiskommando  ein  Dutzend  Reiter, 
nahm  einen  der  zur  Verteidigung  von  Lindau  bestimmten 
Zwölfpfünder,  setzte  seine  kleine  Fnütruppe  auf  Wagen  und 
eilte  nach  Langenargen  um  die  letzte,  aber  schöne  und  von 
einem  warmherzigen  EntschluU  diktierte  Waffeutat  seiner 
Flottille  auf  festem  TiUnde  zu  vollbringen. 

Er  traf  den  Feind  schon  ini  Ort,  drang  mit  unwider- 
stehlichem Elan  auf  die  Übermacht  ein  und  jagte  sie  in 
weuigeu  Minuten  auf  die  Schiffe  zurück,  welche  jetzt,  zwöh 
an  der  Zahl  und  jedes  mit  60  Mann  besetzt,  aus  13  Geschützen 
und  einer  Haubitze  einen  Hagel  von  Geschossen  auf  den 
einzigen  Zwöffptunder  entsandte,  den  Williams  mitgebracht 
hatte. 

Dieser  aber,  von  einem  Artilleriekorporal  bedient,  ließ 
sich  durch  das  Feuer  von  14  Geschützen  nicht  zum  Schweigen 
bringen  und  zerschoß  im  Verlauf  einer  Stunde  drei  der 
französischen  Schiffe  nahezu  bis  zur  Unbrauchbarkeit.  Die 
Franzosen,  welche  ihre  Munition  schon  früher  an  den  Mauern 
von  Langenargen  vergeudet  hatten,  verschossen  sich  nach 
und  nach  und  gingen,  besiegt  und  abgewiesen,  nach  dem 
Schweizer  Ufer  ziuück.  Wenn  zu  dieser  Zeit  nur  noch  einige 
der  österreichischen  Schiffe  gefechtsfähig  gewesen  wären, 
jetzt  hätten  sie  die  gesamte  französische  Flottille  in  Brand 
scliießen  und  vernichten  können. 

M'ährend  jenes  Gefechtes  patrouülierten  die  Reiter 
Williams’  — Waldeck-Dragoner,  dieselben,  welche  ihn  auf 
seinem  schönen  Zuge  nach  St.  Gallen  begleitet  hatten  — 
gegen  Buchhorn  um  das  Unternehmen  gegen  einen  Flanken- 
angriff zu  sichern. 

,.Mich  schmerzt,”  schrieb  Williams  in  dem  Bericht 
über  seine  letzte  Tat  am  See,  ,,daß  die  mit  so  großen  Kosten 
errichtete  Flottille  gerade  jetzt  desarmiert  worden,  wo  ich 
gegen  den  Feind  so  wesentliche  Dienste  hätte  leisten 
können.” 

Gerne  hätte  Williams  den  armen Langenargnern,  welchen 
die  Franzosen  ein  drohendes  ,,Au  revoir!”  zugerufen  hatten. 


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Ein  Seekrief?  in  Schwaben. 


369 


(len  siegreichen  Zwölfpfünder  zurückgelassen,  um  den  sie  ihn 
dringlichst  baten.  Aber  er  hatte  diu'ch  seinen  Kachezug  ohne- 
hin wieder  einmal  die  ihm  gegebene  Befugnis  überschritten. 
— Zudem  ging  der  Rückzug  der  Österreicher  unauflialtsam 
von  statten'). 

Williams  kehrte  nach  Lindau  zurück  und  sandte  alles 
Material  seiner  Marine,  welches  für  Pontons  gebraucht  werden 
konnte,  nach  Kempten,  die  Artillerie  nach  Feldkirch.  Offiziere 
seiner  Flottille  begleiteten  das  abfahrende  Out.  Am  14.  Mai 
brachte  Williams  auch  das  ganze  Vei-pÜegsmagazin  von 
Lindau  nach  Bregenz,  dessen  Älagistrat  es  gegen  (iuittung 
überaahm. 

In  Feldkirch  stand  die  Division  .Jellachich;  Williams 
sandte  dem  Feldmarschalleutnant  den  grollten  Teü  der  Flottillen- 
inannschaft  als  Verstärkung,  er  selbst  zog  sich  mit  80  Mann  nach 
Reutte  und  von  da  über  den  Arlberg  nach  Landeck  zurück.  Hier 
trat'  er  seine  Offiziere  mit  dem  auf  Wagen  gelegten  Geschütz 
und  ging  mit  ihnen  nach  Innsbruck,  wo  er  die  Freude  erlebte, 
den  Dank  des  Tiroler  Korpskommandanten  Reuß  für  die  eigen- 
mächtige, aber  wackere  Unternehmung  auf  Langenargen  ent- 
gegenzunehmen "j. 

Die  sechs  Marineoffiziere  traten  in  das  Tiroler  Land- 
regiment Neugebauer  ein  und  erlernten  in  Kufstein  nebst  der 
Armeesprache  den  österreichischen  Truppenilienst,  in  welchem 
sie  verblieben. 

Die  Schiffe  der  Flottille  aber  fielen  in  die  Hände  der 
Franzosen.  Damit  endete  ein  Unternehmen,  von  welchem 
gänzlich  mit  Um’echt  gesagt  worden  ist,  daß  sein  Erl'olg  in 
keinem  Verhältnis  zu  dessen  Kosten  stand.  Die  Aufstellung 
einer  französischen  Flottille  machte  es  zur  Notwendigkeit, 
auf  österreichischer  Seite  eine  gleiche  zu  errichten  und  schwere 
Brandschatzungen,  Überfälle  und  Landungen  des  Feindes 
wurden  von  den  vorarlbergischen  und  deutschen  Seekreisen 
durch  ein  Kriegsjahr  hindurcdi  abgehalten. 

Vom  Mai  bis  in  den  Winter  des  .lahres  1800  und  1801. 
bis  zum  Frieden  von  Luneville  (D.  Februar  1801 1 hausten  die 

')  K.  A , F.  A.  1800,  Deutschland,  V,  99,  142,  14«.  18«,  194.  29.Ö. 

«)  K.  A.,  H.  K.  R.  1800.  Ul,  3108. 

*)  Angeli,  Erzherzog  Karl. 

Mittoilungen  des  k.  und  k.  Kriegsarohivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  24 


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370 


1)  a r t 8 0 h. 


Franzosen  schwer  genug  an  den  Ufern  des  Bodensees.  Nach- 
dem sie  die  österreichischen  Schiife  nufgetakelt.  anniert  und 
seehereit  gemacht  und  hiedurch  ihre  Flotte  stattlich  vermehrt 
hatten,  bedrückten  sie  das  Land  mit  schweren  Eequisitionen 
und  ließen  jeden  Ort  am  Seeufer  vor  ilmen  miausgesetzten 
Fahrten  und  Landungen  zittern. 

Nach  dem  Friedensscliluß  aber  vergaßen  die  Franzosen 
nicht,  das  gesamte  Flottenmaterial  in  öffentlicher  Feilbietung 
zu  versteigern,  um  sich  eine  reichliche  Wegzelirung  für  den 
Rückmarsch  in  ihre  Heimat  zu  verschallen. 

Damit  kelirten  die  Kanonenboote  Williams’  in  den  fried- 
licheu  Dienst  zurück,  welchem  sie  vor  ihrer  Umgestaltung 
zu  Kriegszwecken  angehört  hatten  und  den  sie  von  da 
ab  migestört  weiter  ausübten,  bis  das  Dampfschiff'  ihrem 
Dasein  durch  allzu  erfolgreiche  Konkurrenz  ein  Ende  be- 
reitete. 

Nim  wenige  solcher  schwerfälligen  Boote  befahren  heute 
noch  den  See  luid  geben  Kundo  davon,  mit  welch  unzu- 
reichendem Material  t Isterreich  sich  an  der  M'ende  des  ver- 
gangenen Jahrhunderts  auch  auf  dem  Wasser  Lorbeeren  zu 
erringen  wußte. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 

Die  Yerfolgiing  der  französischen  Armee  in  den  Tagen 
vom  18.  bis  23.  Oktober  1813. 


Von 

Hauptmami  Kerchnawe. 


(Mit  neun  Textskizzen.) 


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Allgemeine  Situation  am  Nachmittag  des  18.  Oktober. 

Obwohl  sich  die  große  Sclilacht  „in  den  Ebenen  von 
Leipzig”  *)  nicht  in  der  Art  abgespielt  hatte,  wie  dies  vom 
Oberkominandanten  der  verbündeten  Heere,  FM.  Karl  J’ürst 
zu  Schwarzenberg,  beabsichtigt  war,  obwohl  an  die  Stelle 
des  Kampfes  mit  verkehrter  Front  auf  der  feindlichen  ßück- 
zugslinie  — bei  welchem  die  Übermacht  der  Verbündeten 
umfassend  gegen  die  feindlichen  Flanken  zur  Geltung  gebracht 
werden  konnte  — infolge  Eingreifens  des  Kaisers  Alexander 
in  der  Nacht  vom  13.  auf  den  14.  Oktober*)  ein  frontales  Aus- 
ringen getreten  war,  in  welchem  nur  die  bedeutende  Über- 
macht der  Verbündeten  schließlich  einen  Erfolg  bringen 
konnte®),  war  doch  in  den  späten  Nachmittagsstunden  des 
18.  Oktober  die  Schlacht  für  Napoleon  endgiltig  verloren. 
Der  kühne,  große  Spieler,  der  noch  nach  dem  Lorbeer  griff, 
als  jeder  andere  bereits  das  Spiel  verloren  gegeben  hätte, 
mußte  die  Partie  um  die  Weltherrschaft  als  verloren  ansehen, 
an  die  Rettung  seiner  Krone  denken. 

')  Wiederholter  Ausspruch  des  Fürsten  Schwarzenberg  in  Ge- 
-prächen  — auch  gegenüber  Scharnhorst  — in  Memoires,  Brieten  etc. 
(Prokesch,  Denkwürdigkeiten,  K.  A.,  F.  A.  1813  und  Fürst  Schwarzen- 
bergs PrivatarcViiv.) 

Auf  Veranlassung  Diehitsch’  wurde  der  Operationsplan  ge- 
ändert und  statt  auf  das  linke  Elsterufer  mit  der  Hauptarmee  am 
rechten  Pleißeufer  vorgerückt.  (Siehe  auch  Kerchuawe,  Aufklärung 
und  Armeeführung  vor  Leipzig  etc.) 

’)  315.(XX)  Mann  Infanterie  und  Reiter  mit  1467  Feldgeschützen 
der  Verbündeten  gegen  186.000  Mann  Infanterie  und  Reiter  mit  721)  Feld- 
geschützen Napoleons.  (Kerchnawe,  Aufklärung  und  Armeeführung 
vor  Leipzig  etc.) 


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37i 


K e r c h Q H w 6. 


Zwar  hielten  sieh  noch  die  französischen  Truppen  in 
der  starken  Stellung  Connewitz,  Probstheida.  Stötteritz  gegen- 
über den  Angriffen  der  verbündeten  Hauptarmee,  zwar  hatte 
Bertrands  Vor.stoÜ  über  Lindenau  die  Rückzugsstraße  nach 
Lützen  freigemaeht  und  den  Truppen  Gyulais  schwere  Ver- 
luste beigebracht,  aber  von  Westen  und  Nord  westen  drängten 
die  Truppen  der  durch  das  österreichische  lA'.  Korps  und  die 
2.  leichte  Division  verstärkten  Armee  Bennigsens,  die 
Truppen  der  Nordarmee  und  des  Korps  Sacken  immer  näher 
au  Leipzig  heran,  im  Norden  war  die  schlesische  Armee  schon 
bis  an  die  Parthe  gelangt  und  selbst  die  Wegnahme  des  so 
hartnäckig  verteidigten,  nunmehr  aber  brennenden  und  von 
einer  übermächtigen  Artillerielinie  der  Verbündeten  unter 
Feuer  gehaltenen,  wichtigen  Probstheidas,  des  Schlüsselpunktes 
der  französischen  Stellung  südlich  Leipzig,  schien  nur  mehr 
eine  Frage  weniger  Stunden.  Daß  die  verbündeten  Herrscher 
weitere  Angriffe  auf  diesen  Ort  verboten,  um  noch  größere 
Verluste  zu  vermeiden,  konnte  Napoleon  nicht  wissen').  Und 
so  gab  der  große  Feldherr,  der  trotz  des  verwegenen  Spieles, 
welches  die  ganze  Schlacht  am  18.  Oktober  eigentlich  gewesen, 
doch  der  große  Kriegsmeister  geblieben,  der  er  stets  war,  die 
Befehle  zur  Einleitung  des  Rückzuges. 

Bertrands  etwa  um  11  L’hr  vormittags  durchgeführter  An- 
griff mit  dem  IV’.  Korps,  der  Division  Guillerainot  des  VII. 
Korps,  der  Division  Margavon,  der  Division  Lefol,  der  Brigade 
Quinette  des  3.  Kavalleriekorps  und  einer  zwölf])fündigen Batterie 
des  V^ll.  Korjis  *) hatte  um  so  leichterden  W eg  freimachen  können, 
als  Gyulai  den  Befehl  erhalten  hatte,  zur  Unterstützung  der 

')  Da.s  Abrücken  der  Franzosen  über  Lindenau— Markranstädt 
wurde  um  diese  Zeit  den  Monarchen  bereits  bekannt  (siehe  Seite  37.’>'. 
so  daß  allerdings  die  schließiicho  Räumung  Probstheidas  seitens  des 
Oegners  zu  erwarten  war.  Andererseits  hätte  die  Wegnahme  dieses 
Ortes  Napoleons  Stellung  durchbrochen,  seine  Schlacbtlinie  beiderseits 
aufgerollt.  Bei  der  Erschöpfung  der  Franzosen,  welche  mit  Ausnahme 
einiger  Bataillone  alter  Oarde  keine  Reserven  mehr  hatten,  und  nach 
der  nunmehr  ausgiebigen  Artillerievorbereitung  war  die  Wegnahme 
Probstheidas  durch  die  fast  ganz  intakten  russischen  Garden  und  Grena- 
diere mehr  als  wahrscheinlich. 

Befehl  Neys  an  Bertrand  vom  17.  Oktober  1813,  nachts. 
Polet,  Campagne  de  1.S13,  Art.  X.) 


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Von  Leipzifc  bis  Erfurt. 


375 


Kolonne  Colloredo  nach  Cröbern  abzuriieken.  Er  befand  sich  um 
■i  Uhr  nachmittags  im  vollen  Marsche  auf  Lützen'),  wohin  ihm 
später  das  ö.  lieservekavalleriekor])s  naehfolgte.  Nun  befahl 
der  Kaiser  auch  noch  den  Abmarsch  des  1.,  5.,  sowie  des 
Restes  des  3.*i  und  4.’)  Reservekavalleriekorps,  der  Trains, 
der  zwei  Divisionen  junger  Garde  unter  Mortier'i  und  der 
leichten  Gardekavallerie  unter  Lefeb vre-Desnouettes*)  in 
der  Richtung  auf  Lützen.  Diesen  Truppen  hatte,  unter  dem 
Schutze  einer  aus  dem  VIII.,  II.,  'NTI.  und  XI.  Korps  unter 
Macdon  alds  Kommando  gebildeten  Nachhut,  welche  dieLisiero 
von  Leipzig  festhalten  sollte,  am  Morgen  des  19.  Oktober  der 
Rest  der  Armee  zu  folgen.  Zwei  Divisionen  junger  Garde  unter 
Uudinot  hatten  bei  Lindenau  das  Pa.ssieren  der  Elster  zu 
decken  und  sich  dann  als  Nachhut  anzuschließen. 

Bald  wälzten  sich  nun,  auch  von  den  auf  Baumkronen 
und  Kirchtürmen  etablierten  Observatorien  des  verbündeten 
Oberkommandos  erkennbar,  starke  Kolonnen,  untermischt 
mit  langen  Wagenzügen,  auf  der  Markransfädter  Chaussee 
hinaus,  durch  ihren  Abmarsch  verkündend,  daß  der  gewaltige 
Gegner  die  Schlacht  verloren  gäbe. 

Maßnahmen  der  Verbündeten  znr  Einleitung  der  Verfolgung 
am  Nachmittag  nud  Abend  des  19.  Oktober. 

So  heftig  der  Kampf  um  diese  Zeit  (gegen  ö Uhr  nach- 
mittags) auch  noch  in  der  Front  südlich  und  östhch  von 

')  Sein  Marschziel  Wcißenfels  erreichte  er,  uaehJem  er  die  Division 
Ouilleminot  und  einen  TeU  des  5.  ReserveUavalleriekorps  in  einer  Auf- 
uahmestellnng  bei  Dützen  zurückgelassen,  gegen  2 tJhr  nacht.s. 

’)  Brigade  Quinette  bei  Bertrand  detachiert,  wahrscheinlich  auch 
Brigade  Avice  der  Division  De  France.  Die  Divisionen  Dorge  und 
Poumier  waren  auf  je  eine  Kskadron  per  Regiment,  also  auf  zusammen 
zwölf  Eskadronen  reduziert. 

•)  1 Brigade  in  Dresden,  1 bei  Dombro w.ski,  Rest  16  schwache 
Eskadronen. 

*)  Siehe  .‘knhang  l b.  Die  Division  Barois  batte  jedoch  bis  zur 
Ablösung  durch  Abteilungen  Oudinots  hei  Lindenau  Stellung  zu 
nehmen. 

‘)  Siehe  Anhang  I b.  Mit  Teilen  der  Ehrengarden  und  den 
Brigaden  Valliii  und  Pire  des  1.  Reservekavalleriekorps,  zusammen  an- 
geblich 5000,  wahrscheinlich  aber  nur  3500  bis  4000  Reiter. 


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376 


Kercbniiw«. 


Leipzig  tobte,  war  doch  bereits  mit  dem  Moment  des  Er- 
kennens  der  Einleitung  des  feindlichen  Rückzuges  der  Augen- 
blick gekommen,  in  welchem  von  Seite  des  Oberkommandos 
der  Verbündeten  die  MaLinahmeii  zur  Ausnützung  des  Sieges, 
zur  Verfolgung  zu  treffen  waren. 

Freilich  lagen  jetzt  die  Bedingungen  hiezu  lange  nicht 
so  günstig,  als  sie  gewesen  wären,  hätte  FM.  Fürst  Schwarzen- 
berg seine  ursprüngliche  Absicht,  den  Gegner  mit  verkehrter 
Front  zum  Schlagen  zu  zwingen,  verwirklichen  können,  un- 
günstig konnte  mau  sie  deshalb  aber  noch  immer  nicht 
neuneu. 

Am  linken  Elsterufer  gegeuüber  Lindenau  waren  bis 
18.  Oktober  vormittags  folgende  dem  FZM.  Grafen  Gj'ulai 
unterstellte  Truppen  gestaudeu*): 

Das  III.  Korps  exklusive  Brigade  Salins*):  16  Bataillone, 
10  Eskadronen,  6 Batterien,  zirka  11.000  Mann,  1400  Reiter 
und  42  Geschütze, 

Die  1.  leichte  Division:  4 Bataillone,  14  Eskadronen, 
2 Batterien,  zirka  2000  Mann,  1600  Reiter  und  12  Geschütze. 

Das  Streif korps  GL.  von  Thielemann’):  'A  Bataillon, 
8'/s  Eskadronen,  2 Kosakenregimenter,  Vs  Batterie,  zirka 
250  Mann,  1200  Reiter  und  4 Geschütze. 

Das  Streifkorps  Oberst  Graf  Mensdortf:  3 Eskadronen. 
2 Kosakenregimenter,  zirka  1100  Reiter. 

Zusammen:  20'A  Bataillone,  3ö'/j  Eskadronen,  4 Ko- 
sakenregimenter, 8'/*  Batterien,  zirka  13.250  Mann,  53C0  Reiter 
und  56  Geschütze. 

Diese  Truppen  wären  wohl  hinreichend  stark  gewesen, 
die  ihnen  gegenüberstehenden  französischen  Kräfte  unter 
General  Graf  Bertrand*)  zu  binden,  ihnen  auch  nachhaltigen 

’)  Uie  detachierten  Abteilungen  sind  nicht  mitgezählt,  die  Verluste 
am  16.  Oktober  - .schätzungsweise  — in  .\hschlag  gebracht. 

’)  Brigade  Salins : 6 Bataillone,  1 K.skadron,  1 Batterie,  mit 
4415  Mann  und  14.5  Rcitorn  bei  WeiUenfels  und  Naumburg.  Siehe  Tez>- 
Skizze  5. 

*)  Inklusive  Stroit  korps  Boltenstern:  1 Kompagnie  preußischer 
Oardejäger  und  zirka  KXJ  Landwehrreiter  und  Ko.soken. 

b IV.  Korps : 30  Bataillone,  2 Eskadronen.  ? Batterien,  zirka 
!KHH)  .Mann,  2(nt  Heiter,  33  Geschütze.  — Division  GuUleminot  (und 
1 Batterie  votn  VII.  Korps):  11  Bataillone,  3 Batterien,  zirka  44ÜU  .Mann. 


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Von  Leipzi;^  bis  Erfurt. 


377 


Widerstand  zu  leisten,  als  sie  gegen  1 1 Uhr  vormittags,  ver- 
stärkt durch  die  Division  Guilleniinot  und  eine  zwölfpfündige 
Batterie  des  VII.  Korps,  vorbrachen,  sie  waren  aber  keines- 
falls au.sreichend,  einen  energischen  Durchbruchsversuch  der 
nach  Leipzig  zurückgeworfenen,  um  ihre  Existenz  käm])fenden 
französischen  Hauptkraft  zurückzuweisen.  So  günstig  FZiSI. 
Gyulais  Kräfte  auch  standen,  um  die  französische  Rückzugs- 
linie zu  sperren,  so  günstig  ihre  Stellung  war,  um  eine 
energische  und  wirksame  Verfolgung  einzuleiten,  so  ist  es 
dennoch  begreiflich,  daß  sich  das  Oberkommando  der  ver- 
bündeten Armeen  der  Sorge  um  ihr  Schicksal  nicht  erwehren 
konnte,  falls  sich  des  Gegners  Hanptkraft,  durch  den  Druck 
der  Massen  der  verbündeten  Armeen  mit  elementarer  Gewalt 
auf  ihre  natürliche  Rückzugslinie  gedrängt,  nun  auf  diese 
relativ  schwachen,  eben  diese  Rückzugslinie  sperrenden  Ab- 
teilungen stürzte.  Dies  muß  bei  jenen  Maßnahmen  des  Ober- 
kommandos, welche  FZM.  Gyulais  Kraftgruppe  betrafen,  wohl 
berücksichtigt  werden. 

Eine  im  Laufe  des  Vormittags  in  den  Kämpfen  bei 
Dölitz  eingetretene  Krise  hatte  aber  außerdem  FM.  Fürst 
Schwarzenberg  bewogen,  dem  FZM.  Gyulai  den  Befehl 
zu  schicken,  die  Straße  über  Markranstädt  nur  durch  die 
leichten  Truppen  beobachten  zu  lassen,  mit  dem  Gros  seines 
Korps  aber  sofort  nach  Cröbem  zur  Unterstützung  der 
Kolonne  Hieronymus  Colloredo  abzurücken').  Obwohl  diese 
Krise  durch  das  Eingreifen  anderer,  näher  stehender  Truppen 
paralysiert  worden  war,  war  doch  keine  Möglichkeit  vorhanden, 
diesen  gerade  zur  ungünstigsten  Zeit  bei  FZM.  Gyulai  ein- 
langenden Befehl  rechtzeitig  zu  widerrufen. 

Der  Überbringer  dieses  mündlichen  Befehles,  Hauptmann 
des  General quartiermeisterstabes  Freiherr  von  Lilie nhof- 
Adelstein,  welcher  bereits  auf  seinem  Wege  die  Kolonne 


-I  Geschütze.  — Division  Margaroii : 4 Bataillone,  2 Batterien,  zirka 
iKkjn  Mann,  10  Geschütze,  — Division  Lefol ; 4'/«  Bataillone,  zirka 
2000  Mann.  — Division  Do  France  (eventuell  nur  Brigade  Quinette 
allein):  11  Eskadronen,  1 Batterie,  zirka  131K)  lieiter,  6 Geschütze.  — In 
i^nmme:  49'/»  Bataillone,  13  Eskadronen,  V Batterien,  zirka  17.400  Mann. 
l.'tOO  Beiter.  73  Geschütze. 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XllI,  220,  Operatiousjournal. 


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378 


Kerchnawe. 


Crenneville  bei  Gautzsch  im  Sinne  seines  Befehles  zum  Halten 
veranlaßt  hatte,  erschien  beim  Kommandierenden  des  HI.  Korps 
gerade  in  dem  Moment,  als  dieser  die  Hauptkraft  seines  Koq>s 
in  einer  Stellung  östlich  Groß-Zschocher  versammelt  hatte 
und  sich  nun  zu  nachhaltigem  Widerstand  anschickte. 

FZM.  Gyulai  befahl  nun  den  Abmarsch  des  Korps 
in  Staffeln  vom  linken  Flügel  in  der  Richtung  auf  Knaut- 
hain, welchen  die  durch  eine  zweite  Brigadebatterie  ver- 
stärkte Brigade  Csollich'),  sowie  die  Kavallerie  des  Korps, 
die  leichte  Division  FML.  Moritz  Liechtenstein  und  der  beiden 
Streifkorps  Mensdorffs  und  Thielemanns  in  der  Stellung 
bei  Groß-Zschocher  zu  decken  hatten.  Diese  Brigade  hatte  zu 
folgen,  sobald  das  Gros  der  Infanterie  in  Knauthain  eingetroflen 
war.  Auf  dem  linken  Elsterufer  verblieben  außer  der  genannten 
Kavallerie  nur  noch  die  Reste  der  wenigen  leichten  Bataillone 
der  Division  Liechtenstein*),  alles  in  allem  3 schwache  Bataillone 
(etwa  1 500  Mann),  35' /a  •)  Eskadronen,  4 Kosakenregimenter^)  mit 
zirka  5300  Reitern  und  16'’)  Geschützen.  — Diese  Kräfte  waren 
wohl  zu  schwach,  dem  Abmarsch  Bertrands  und  der  ihm  .später 
folgenden  Heereskörper  •')  ernstliche  Hindernisse  zu  bereiten. 

Nachdem  das  Gros  der  Infanterie  des  III.  Korjis  Gautzsch 
erreicht  hatte  — es  mochte  zwischen  2 und  3 Uhr  nach- 
mittags sein  — gab  FZM.  Gyulai,  welcher  mittlerweile  durch 
eigenen  Augenschein  wnlirgenommen  hatte,  daß  der  Kampf 
zwischen  Dölitz  und  Connewitz  wieder  eine  für  die  verbün- 
deten Waffen  günstige  Wendung  genommen  hatte’)  und  bei 


')  Infanterieregiment  Xr.  I,  zwei  Bataillone,  Infanterieregiment 
Xr.  41,  drei  Bataillone,  zusammen  zirka  3450  Mann  mit  16  Geschützen 
*1  1.  und  7.  Jäger-  und  1.  Brodor-Bataillon.  Das  1.  Jägerbataillon 
hatte  bei  Klein-Zschocher  nahezu  die  Hälfte  seines  Standes  eingebüßt, 
daher  waren  diese  drei  Bataillone  nur  mehr  zirka  1500  Mann  stark. 
Das  2.  Jägerbataillon  der  Division  Liechtenstein  war  nach  Xordeu  ab- 
gfdriingt  worden  und  hatte  sich  dem  Korps  Yorck  angeschlo.ssen. 

’)  14  der  Division  Liechtenstein  (2  detachiert  bei  Platow),  10  der 
Division  CrennevUle,  8' > von  Thielemann,  3 von  MensdorlT. 

*1  2 von  Thielemann.  2 von  Menadorlf. 

‘i  12  der  Division  Liechtenstein,  4 von  Thielemann. 

Siehe  Seite  375  und  Anmerkung  4 auf  Seite  376. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai.  XIII,  220,  Operationsjournal.  Nähere 
Zeitangabe  fehlt. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


379 


welchem  fortwährend  dringende  Meldungen  der  zur  Beob- 
achtung des  Gegners  zurückgebliebenen  Abteilungen  — be- 
sonders von  GM.  von  Scheither*)  — und  von  dem  bei 
ischleußig  stehenden  Detachement  Simbschen*)  des  II.  Korps 
über  den  Rückzug  des  Gegners  einliefen’),  seinem  Korps  den 
Befehl  zum  Halten  und  Aufschließen.  Der  Übergang  bei 
Knauthain  war  stark  besetzt  geblieben,  um  sich  die  Möglich- 
keit eines  Uferwechsels  jederzeit  zu  wahren^).  Dem  Ober- 
kommando war  von  den  getroffenen  Verfügungen  sowie  davon 
Meldung  gemacht  worden,  daß  der  Feind  anscheinend  allge- 
mein den  Rückzug  angetreten  habe.  Gleich  nachdem  Gy ul ai 
sein  Korps  zum  Halten  befehligt  hatte,  langte  ein  Ähnliches 
anordnender  mündlicher  Befehl  des  Oberkommandos  an’). 

Bald  darauf  kam  ein  neuer,  nunmehr  aber  schriftlicher 
Befehl  ®),  welcher  deni  Feldzeugmeister  eröffnete,  daß  die 
Stellung  des  Hl.  Korps  am  linken  Elsterufer  für  die  allgemeine 
Lage  von  höchster  Wichtigkeit  sei,  daß  es  sich  für  das  Korps 
aber  nicht  darum  handle  den  Feind  selbständig  zu  schlagen,  son- 
dern festzustellen,  welche  Rückzugslinie  der  Gegner  nähme, 
ihm  auf  seinem  Rückzug  möglichst  Abbruch  zu  tun,  auf  alle 
Fälle  aber  die  über  Pegau  und  Zeitz  führenden  Straßen  fest- 
zuhalten. Auch  wurde  das  Korpskommando  angewiesen,  die 
Detachements  Murray  und  Salins  in  Weißenfels,  beziehungs- 
weise Naumburg  vor  überlegenen  feindlichen  Kräften  auf 
Zeitz  znrückzuziehen  und  bei  Naumburg  nur  die  jenem  Deta- 
chement zugeteilte  Eskadron  von  Rosenberg-Chevaulegers 
unter  Rittmeister  Zadubsky  am  linken  Saaleufer  zur  Beob- 
achtung des  Gegners  zurückzulassen.  Dieser  Befehl  wurde 
sofort  in  entsprechender  Fassung  an  FML.  von  Murray  in 

')  Expediert  ’üS  Uhr  nachmittags.  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Haupt- 
armee, X,  464. 

’)  1 Bataillon  Kaunitz  Nr.  90,  1 Bataillon  Grndiskaner,  BrigadO- 
batterie,  Eskadron  von  Kieumayer-Husaren  Nr.  8. 

’)  Expediert  um  'AB  Uhr  nachmittags.  iK.  A.,  F.  A.  1813,  Haupt- 
armee, X,  463.) 

*)  Die  Stärke  der  Besatzung  nicht  angegeben.  (K.  A.,  F.  A.  181.3, 
Gyulai,  XIII,  290,  Operation.sjournal.) 

•)  Ebenda. 

•)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIII,  220.  Operation.sjournal : ferner 
K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptannee,  X,  46.7. 


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380 


Korchnawe. 


Weißenfels  und  GM.  Freiberrn  von  Salins  in  Naumburg 
weitergegeben,  außerdem  General  Thielemann  und  Oberst 
Mensdorff  sowie  die  Kavallerie  der  Divisionen  Liechtenstein 
und  Crenneville  angewiesen,  gegen  die  feindliche  Eück- 
zugslinie  vorzugehen  und  dem  Gegner  kräftigst  Abbruch  zu  tun. 

Um  ’Aö  Uhr  abends  ')  wurden  beim  Armeeoberkommando 
noch  weitere  Maßnahmen  zur  Verfolgung  betreffende  Befehle 
ausgefertigt;  der  wichtigste  dieser  Befehle,  der  an  FZM.  Graf 
Gyulai  gerichtete,  orientiert  vollkommen  über  die  Absichten 
Schwarzenbergs.  Er  lautete: 

,,Der  Feind  ist  von  allen  Seiten  gedrängt  und  zieht  sich 
wahrscheinlich  gegen  Naumburg.  Wenden  Eure  Exzellenz  alle 
Kräfte  an,  um  ihm  dort  zuvorzukommen  und  die  Stellung  bei 
Kosen  zu  besetzen.  Die  Brücke  daselbst  muß  aufs  äußerste 
verteidigt  werden.” 

„Die  ganze  österreichische  Kavallerie  und  das  II.  Armee- 
kor])S  konzentrieren  sich  morgen  früh  um  7 Uhr  bei  Pegau, 
um  von  dort  aus  die  Direktion  auf  Naumburg  zu  nehmen, 
welche  Eure  Exzellenz  allein  ihnen  richtig  anweisen  können.  Ich 
kann  von  hier  aus  nicht  beurteilen,  ob  und  wann  Eure  Exzellenz 
diese  Aufgabe  vollziehen  werden.  Sind  Sie  zu  sehr  gedrängt, 
so  bleibt  Ihnen  nichts  übrig  als  sich  auf  Zeitz  zu  ziehen.  Sie 
müssen  dann  die  Bagagen  der  Armee  von  Zeitz  auf  Alten- 
burg schicken.” 

,,Wenn  Sie  in  der  Position  von  Kosen  mit  zu  über- 
legener Macht  angegriffen  würden,  so  müssen  Sie  die  Brücke 
verbrennen  und  sich  auf  Saalfeld  retirieren.” 

,,Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  Sie  alle  Mittel 
anwenden,  um  dem  Feind,  der  einen  verzweifelten 
Rückzug  macht,  so  viel  Schaden  zu  tun  als  möglich.’ 

„Auf  den  Fall  müssen  Sie  sich  in  acht  nehmen,  daß  Sie 
nicht  selbst  aufgerieben  werden,  und  wenn  der  Weg  zum  Rück- 
zug offen  ist,  den  Feind  bloß  stark  mitKavallerie  zu  verfolgeiVi. ' 

An  den  Interimskommandanten  des  U.  Korps,  FML. 
Lederer  und  den  Kommandanten  der  österreichischen  Reseive- 

')  Diese  Zeit  ist  nut  üon  Konzepten  der  Befehle  für  FMJj.  Freiherm 
von  Lederer  (K.  A,,  F.  A.  1813,  Hauptarinee,  X,  4ö7),  FML.  Graf 
Kostitz  tKbenda,  46ti)  und  FZM.  Graf  Gyulai  (Ebenda,  465)  vorgemerkt. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarniee,  X,  465. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


381 


kavallerie,  FML.  Nostitz  ergingen  Befehle,  ihre  Truppen  um 
7 Uhr  früh  bei  Pegau  zu  sammeln  und  sich  dort  an  das  Korps 
Gyulai  anzuschließen.  G.  d.  K.  Graf  Klenau  wurde  ange- 
wiesen, die  Reservekavalleriebrigade  Desfours  an  FML.  Nos  titz 
abzugeben,  FML.  Graf  Bubna  erhielt  den  Befehl,  im  Laufe 
des  19.  Oktober  nach  dem  linken  Flügel  abzurücken,  um  im 
weiteren  Verlauf  die  Avantgarde  der  Hauptarmee  zu  bilden; 
ein  ähnlich  lautender  Auftrag  erging  an  den  bei  Holzhausen 
stehenden  Ataman  Grafen  Platow.  Dem  General  von  Blücher 
wurde  die  Aufforderung  übersendet,  das  Korps  A'orck  auf 
Merseburg  abrücken  zu  lassen. 

Nach  dem  „Tagebuch  eines  Veteranen*)”  und  nach  der 
Schilderung  Prokesch’*)  hatte  Kaiser  Alexander  bei  der 
am  Schlachtfeld  über  die  zur  Einleitung  der  Verfolgung  ab- 
gehaltenen Beratung  versprochen,  daß  auch  die  gesamte  rus- 
sische Kavallerie  zur  Verfolgung  des  Gegners  zur  Verfügung 
gestellt  werden  würde*),  aber  FM.  Fürst  Sohw'arzenberg 
setzte  in  dieses  Versprechen  so  wenig  Vertrauen,  daß  er  beim 
Wegreiten  zu  seiner  Umgebung  sagte : 

„Wir  werden  morgen  wohl  nicht  viel  von  den  ver- 
sprochenen 120  Eskadronen  zu  sehen  bekommen*).” 

Ferner  wurde  vereinbart,  daß  nach  Vertreibung  des 
Gegners  aus  Leipzig  die  Hauptarmee  im  allgemeinen  in  dessen 
südlicher,  die  schlesische  Armee  in  dessen  nördlicher  Flanke 
folgen  sollten,  während  die  Nordarmee  in  der  Front  nach- 
zudrängen hatte.  Die  polnische  Armee  wurde  zur  Einschließung 
Saint  Cyrs  in  Dresden  bestimmt*). 

')  Tagebuch  eines  Veteranen,  Arineeblatt,  18.S3,  nach  K,  A.,  F.  A. 
IS13,  Hanptarinee,  X,  760. 

’)  Prokesch,  Denkwürdigkeiten  aus  dem  Leben  des  FM.  Fürsten 
zu  Schwarzenberg. 

*)  Kaiser  .\lexander  soll  zu  seinen  (leneralen  folgendes  gesagt 
haben : ,. Messieurs  les  generaux  russe.s ! Vous  allez  recevoir  les  ordres 
de  Mr.  raarechal  prince  de  Schwarzenberg,  iju’on  se  prepare  du 
combat  pour  la  journee  demain,  comme  si  de  rien  u’etait.  Monsieur  le 
marechal,  il  y a cent  vingt  escadrons  russes  et  prussiennes  h votre 
disposition,  j’aime  u croire,  qu’ils  vous  rendront  de  bons  Services.” 
(Tagebuch  eines  Veteranen,  Armecblatt,  1H33,  nach  K.  A.,  F.  A.  1.S13, 
Hauptarmee,  X.  760.) 

*)  Ebenda. 

*)  Die  polnische  Armee  debouchierte  aber  am  20.  Oktober  aus 
Leipzig  in  westlicher  Richtung,  vor  der  Nordarmoe,  weshalb  ihr  dann 


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382 


Korchnawe. 


Die  Idee,  mit  den  Hauptkräften  eine  Parallelverfolgaug 
einzuleiten.,  wozu  besonders  die  Hauptarmee  in  einem  zur 
feindlichen  Rückzugslinie  äußerst  günstigen  Verhältnis 
stand,  während  in  der  Front  nur  schwächere  Kräfte  nach- 
drängen sollten,  ist  gewiß  die  zweckmäßigste,  welche  das 
Oberkommando  der  verbündeten  Armeen  am  Nachmittag 
des  18.  Oktober  fassen  konnte.  Daß  diese  Idee  schon  jetzt 
gefaßt  wurde,  wo  man  in  der  Front  noch  heftig  kämpfte, 
beweist,  daß  es  dem  Oberfeldherrn  der  Verbündeten  an  Vor- 
aussicht, Wagemut  und  Entschlossenheit  nicht  fehlte,  beweist, 
daß  ihm  trotz  seines  edlen  menschlichen  Herzens  doch  auch 
jener  „mitleidlose  Wille”  zu  eigen  war,  welcher  nach  Moltke 
dazu  gehört,  um  von  siegreichen  Truppen,  welche  soeben  das 
Äußerste  getan,  noch  weitere  Anstrengungen  und  Opfer  zn 
fordern.  Man  muß  dabei  berücksichtigen,  daß  die  mehrtägigen 
Kämpfe  bei  Leipzig  an  die  Truppen  Anforderungen  gestellt, 
wie  sie  sonst  die  Kriegsgeschichte  nur  selten  aufweist. 

Die  zur  Einleitung  der  Verfolgung  in  Aussicht  genom- 
menen Truppen*)  waren  auch  ohne  die  sagenhaften  120  rus- 
sischen Eskadronen,  von  welchen  man  außer  den  Kosaken 
wirklich  nichts  zu  sehen  bekam,  mit  ihren  zirka  43.000  Mann, 
Ki.800  Reitern  und  246  Geschützen  stark  genug,  um  die  Ab- 
sichten der  höheren  Führung  vollauf  zu  verwirklichen. 

Gewiß  hätte  sich  noch  ein  mehreres  tun  lassen.  Die 
russischen  Garden  und  Grenadiere,  welche  man  bei  Probst- 
heida ohnedies  nicht  mehr  mittuu  ließ,  die  russische  Reserve- 
kavallerie hätten  nach  Einbruch  der  Dunkelheit  ebenfalls 
gegen  Zwenkau  verschoben  und  am  nächsten  Tage  zur  Ver- 
folgung eingesetzt  w'erden  können,  wobei  für  die  Herstellung 
einer  Anzahl  feldmäßiger  Übergänge  über  Elster  und  Pleiße 

die  Verfolgung  in  der  Front  übertragen  wurde,  wahrend  an  ihrer  Stelle  das 
Korps  Klenau  — exklusive  der  Kiivallericbrigade  Desfours  — nach 
Dresden  bestimmt  wurde.  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  49.j'/i.) 

')  Österreichisches  II.  Korps  T8  Bataillone,  12  Eskadronen,  .ÖO  Ge- 
schütze); 111.  Korps  (22  Bataillone,  11  E.skadronen,  50  Geschütze);  1. 
leichte  Division  (4  Bataillone,  16  Eskadronen,  12  Geschütze);  2.  leichte 
Division  .äV«  Bataillone,  16  Eskadronen.  12  Geschütze),  österreichische 
Reservokavallerio  mit  Brigade  Desfours  (38  Eskadronen,  12  Geschütze); 
Korps  Yorck  (;{5’.'*  Bataillone,  43  Eskadronen,  lÜO  Geschütze) ; die  Ötreif- 
korps  Platow,  Thielemaim  und  Meiisdorff. 


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Von  Leipzig  bii  Erfurt. 


383 


rechtzeitig  vorzusorgen  war,  um  ein  Anstauen  von  Truppen 
an  der  Brücke  bei  Pegau  zu  verhindern.  Ja,  es  hätte  noch 
weitergegangeu,  der  Angriff  auf  Leipzig  am  19.  überhaupt 
der  Eeserv'earmee  und  der  Nordarraee  und  dem  an  erstere 
angeschlossenen  Korps  Klenau  übertragen,  die  ganze  Haupt- 
armee aber  nach  Ablösung  der  Truppen  Klenaus  und  Ben- 
nigsens im  ^'erlauf  des  Abends  und  der  Nacht  im  Raume 
zwischen  Pleihe  und  Elster,  Front  nach  West  bereitgestellt 
Werden  können,  — mar.schierto  der  geschlagene  Feind  in  der 
Nacht  ab,  hätten  es  wahrscheinlich  die  Sieger  auch  vermocht, 
aber  .... 

Einer  derartigen  Verwendung  der  Garden  und  Grena- 
diere hätte  Kaiser  Alexander  schwerlich  seine  Zustimmung 
gegeben.  Sie  waren  Elite-  und  Reservetruppen,  welche  nur 
im  äußersten  Notfall  Verwendung  finden  durften,  so  bei 
Kulm  oder  während  der  Krise  am  16.  Oktober,  sonst  aber 
wurden  sie  tunlichst  geschont  und  gepflegt,  ja  sogar  durch 
andere  Truppen  „gedeckt  und  gesichert”  — auf  ein  volles 
Eintreten  der  Nordarmee  an  Stelle  der  abmarschierten  Haupt- 
armee  war  aber  bei  dem  Charakter  ihres  Führers  noch 
weniger  zu  rechnen;  bedurfte  es  doch  wiederholten  Antriebes 
und  der  ganzen  Selbstverleugnung  Blüchers,  um  den  Kron- 
prinzen von  Schweden  am  18.  zum  Angriff  zu  bewegen  — 
und  da  kam  er  beinahe  zu  spät  und  „piaffierte  nur",  wie  es 
Napoleon  von  ihm  richtig  vorausgesagt  hatte. 

Zur  Ausnützung  des  errungenen  Erfolges  — dessen 
ganze  Größe  man  am  Abend  des  18.  Oktobers  freilich  noch 
nicht  erfassen  konnte  — genügten  aber  die  von  FM.  Fürst 
Schwarzenberg  bestimmten  rund  60.000  Mann  intakter 
Truppen  vollkommen,  wenn  sie  nur  in  der  vom  Feldmarschall 
geplanten  Richtung  zweckmäßig  und  energisch  verwendet 
wurden. 

Es  sollte  aber  noch  manches  anders  kommen. 

Ereignisse  bei  den  zur  Verfolgung  bestimmten  Truppen  bis 
zum  Treffen  bei  Küseii ; GegcnmaUnuhmeu  Napoleons. 

.\ls  im  Laufe  des  Nachmittags  des  18.  Oktober  immer 
neue  Abteilungen  der  Franzosen  und  starke  Trains  auf  der 
Straße  gegen  Markranstädt  abzogen,  ging  die  nördlich 


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384 


Kerchnawe. 


Knauthain  zurüekgelassene  Kavallerie  sofort  gegen  diese  vor 
und  blieb  mit  dem  Gegner  in  steter  Fühlung. 

Wiederholt  gelang  es,  in  die  Kolonnen  einzubrechen: 
10  Munitionswagen,  zahlreiche  andere  mit  Bagage  aller  Art 
beladene  Fuhrwerke,  mehrere  hundert  Gefangene  und  eine 
Anzahl  Pferde  *)  fielen  in  die  Hände  der  verbündeten  Eeiter. 
bei  welchen  sich  besonders  die  Kosaken  des  Korps  Thiele- 
niann  unter  Oberst  Graf  Orlo w-Denissow  und  Oberstleutnant 
von  Bock  durch  Unternehmungslust  auszeichneten. 

Fortwährende  Meldungen  an  FZM.  Gyulai  hielten 
diesen  stets  Uber  die  Situation  am  laufenden  ’i.  Als  daher 
gegen  8 Uhr  abends  der  Befehl  des  Oberkommandos  ein- 
traf, dem  Gegner  bei  Naumburg  zuvorzukomraen  *),  konnte 
gleichzeitig  mit  dem  Empfang  dieses  Befehles  noch  gemeldet 
werden  *),  daß  die  über  Lindenau  vorgegangene  Kolonne 
um  ’/jt)  Uhr  abends  mit  der  Tete  Lützen  erreicht,  mit 
der  <iueue  Markranstädt  passiert  habe,  daß  sich  bei  letzterem 
Orte  drei  feindliche  Lager  befänden*),  daß  diese  Kolonne  aus 
dem  IV.  Korps  und  einer  italienischen  Division  bestände  und 
unter  Kommando  des  Marschalls  Bertrand  stünde  und  von 
dem  größten  Teile  der  kaiserlichen  Garde  °)  gefolgt  werde, 
welche  anscheinend  den  Weg  auf  Merseburg  einschlage '). 

In  Ausführung  des  erhaltenen  Befehles  wurden  General 
Thielemann  und  Oberst  Mensdorff  angewiesen,  den 
Marsch  des  Feindes  nach  Weißenfels  nnmittelbar  zu 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Ilauptarmee,  X,  4ü7 g und  Ke yserliiigk, 
.■Vus  der  Kriegszeit. 

’)  Meldungen  Thielemanns,  Mensdorffs,  Scheitliers  etc. 
(K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  4.Vr  bi.s  4(i8.) 

Siehe  Seite  H80. 

*1  K.  A.,  F.  A.  1813.  Hauptarmee,  X,  4G7. 

')  Tatsächlich  hatte  Bertrand  dort  die  Division  Guilleminot  und 
das  Keservekavallerieliorps  als  Aufnahme  für  .\lortior  zurOck- 
gelassen. 

•)  Es  folgten  zunächst  allerdings  nur  zwei  Divisionen  junger 
Garde  unter  .Mortier,  zwei  unter  Oudinot  verblieben  bei  Lindenan, 
die  alte  Garde  bis  zum  li).  früh  in  Leipzig.  (Pelet,  Campagne  de 
1813,  Art.  X,  und  Corrcspondance  de  Napoleon  I.,  XXVI.) 

')  War  tatsächlich  der  Fall,  doch  wurde  nach  Südwesten  abgc- 
bogen.  als  die  Meldung  eintraf,  daß  Merseburg  bereits  von  den  Preußen 
besetzt  sei. 


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Von  Leipzif^  bis  Erfurt. 


385 


kotoyieren,  die  Division  Hessen-Horabm-g  brach  sofort  über 
Zwenkau  nach  Pegau  auf.  Die  bei  Knauthain  stehende 
Keserveartillerie  des  Korps  wurde  der  Division  über  Zwenkau 
nachgesandt.  Zwenkau  blieb  von  einem  Bataillon  besetzt,  die 
Elsterbrücke  an  der  Straße  Zwenkau — Knauthain  wurde  hinter 
der  Reserveartillerie  abgebrochen.  Um  2 Uhr  nachts  folgte 
der  Division  Hessen-Horaburg  der  Rest  der  FZM.  Gyulai 
unterstellten  Truppen  in  zwei  Kolonnen,  und  zwar  die  ganze 
Kavallerie  — exklusive  Detachement  GM.  Scheither*)  — als 
rechte  Kolonne  am  westlichen,  die  Brigade  Weigel  sowie  die 
fünf  Bataillone*)  der  Divisionen  Crenneville  und  Liechtenstein 
als  linke  Kolonne  am  östlichen  Pleißeufer. 

Bei  Pegau,  wo  die  letzten  Truppen  gegen  7 Uhr  früh 
einlangten,  wurde  gerastet  und  abgekocht.  Dort  war  mittler- 
weile auch  das  U.  Korps  unter  FML.  Lederer  und  die 
österreichische  Kavalleriereserve  eingetroflen. 

Ein  Detachement  unter  GM.  Scheither*),  welches 
beauftragt  war,  mit  dem  Gegner  in  Fühlung  zu  bleiben  und 
dessen  Marsch  auf  Naumburg  in  der  Flanke  zu  begleiten,  war 
vorläufig  nördlich  Gautzsch  stehen  geblieben  und  hatte  die 
ganze  Nacht  hindurch  durch  regefs  Patrouillieren  alle  Be- 
wegungen des  Gegners  konstatiert. 

Über  den  Gegner  vvareu  von  GM.  Scheither  sowie 
von  Thielemann  und  Mensdorff  im  Laufe  der  Nacht  zahl- 
reiche Meldungen  eingetroÖen,  aus  welchen  hervorging,  daß 
Bertrand  Weißenfels  um  7 Uhr  abends  erreicht  habe,  daß 
um  diese  Zeit  auch  die  bei  Lützen  gestandenen  Truppen 
gegen  Weißenfels  aufgebrocheii  waren  und  auch  die  in  großen 
Lagern  bei  Schönau  gestandenen  Truppen  die  Bewegung  auf 
Lützen  aufgenommen  hatten. 

Außerdem  erhielt  FZM.  Gyulai  in  Pegau  von  FML. 
Murray  Meldung,  daß  er  um  5 Uhr  nachmittags  vor  den 

*)  Die  Bogimenter  Vincent-Chovaulegors  clor  Division  Liecliten- 
stein,  Rosenberg-Chevanlegers  der  Division  Crenneville,  'h  Kavallerie- 
Batterie,  zusammen  10  Kskadroiien  mit  zirka  1000  Beitem  und  4 (ie- 
schützen. 

’)  Die  beiden  Warasdiner-Bataillone  der  Division  Crenneville,  das 
2.  und  7.  Jägerbataillon  und  das  Broder-Bataillon  der  Division  Liechten- 
stein. Das  2.  Jägerbataillon  dieser  Division  war  beim  Korps  Yorok. 

•)  Siehe  Anmerkung  1. 

HitteiLungen  des  k.  und  k.  Kriegearnhivs.  Dritte  Kolge.  IV.  Bd.  2o 


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3ö6 


Kerohnawe. 


Spitzen  Bertrands,  entsprechend  den  Befehlen  des  Armee- 
kommandos, Weihenfels  geräumt  habe  und  um  3 Uhr  früh 
in  Zeitz  eingerückt  sei,  wo  er  sich  um  7 Uhr  früh  auch  mit 
GM.  Salins*)  vereinigt  hatte,  welcher  mit  acht  Kompagnien 
Erzherzog  Ludwig  um  1 1 Uhr  nachts  von  Naumburg  nach  Zeitz 
abmarschiert  war.  Eine  Kompagnie  Warasdiner  war  in  Naum- 
burg verblieben,  um  die  von  Kosen,  Camburg,  Preyburg  und 
Dornburg  einrückeuden  Kompagnien  von  Erzherzog  Ludwig 
aufzunehmeu  und  eine  von  Major  des  Generalquartiermeister- 
stabes  Graf  Gatterburg  geleitete  Requisition  zu  decken.  Die 
Brücken  bei  Weihenfels  und  Naumburg  waren  zerstört 
worden,  jene  bei  Preyburg  aber  auf  Ansuchen  des  preußi- 
schen Parteiführers  Major  von  Hellwig  unbeschädigt  ge- 
blieben. Bei  Weihenfels  hatte  man  bis  zum  Eintreffen  des 
Befehles,  diesen  Ort  vor  überlegenen  feindlichen  Kräften  zu 
räumen,  d.  h.  bis  um  ö Uhr  nachmittags  des  18.  Oktober 
an  den  anbefohlenen  Versohanzungen  gearbeitet*). 

FZM.  Gyulai  beabsichtigte,  nach  dem  Abkochen  so- 
bald die  Truppen  einigermaßen  ausgeruht  waren,  den  Marsch 
in  der  anbefohlenen  Richtung  auf  Naumburg  anzutreten.  Die 
eingegangenen  Meldungen  machten  ihn  in  diesem  Entschluß 
ebensow'enig  irre  wie  die  später  eingetroffene  Meldung  GM. 
Scheithers,  daß  der  Gegner  die  von  den  kaiserlichen  Truppen 
bei  Weihenfels  aufgeworfenen  Verschanzungen  besetzt  und 
armiert  habe®). 

Als  aber  beiPML.  Nostitz  der  von  Rötha,  V*9  Uhr  abends 
des  Vortages,  datierte  Befehl  des  Armeeoberkommandos  einlief, 
daß  infolge  nicht  genügender  Klärung  der  Lage  und  Unkenntnis 
der  Absichten  des  Gegners  „es  für  den  19.  von  der  beabsich- 
tigten Konzentrierung  des  II.  Armeekorps  und  der  Reserve  bei 
Pegau  abzukommen  habe,  wovon  auch  PML.  Freiherr  von 
Lederer  zu  verständigen  sei*)”,  auf  welchen  Befehl  hin 
PML.  Nostitz  und  Lederer  ihre  Korps  wieder  umkehren 
liehen,  verschob  auch  FZM.  Gyulai,  welcher  über  die  Situa- 

*)  Verteilung  der  Brigade  Salins,  siehe  Texiskizze  5. 

*)  K.  A„  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  172,  473,  474,  475  und 
Gyulai.  XIII.  220,  Operationsjournal. 

Kbenda,  Gyulai,  XIII,  220,  Operationsjournal. 

*)  Ebenda,  Hauptarmeo,  X,  473. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


387 


tion  bei  Leipzig  gar  nicht  orientiert  war,  den  Abmarsch.  Die 
Hauptursache  dieser  Maßregel  war  der  Umstand,  daß  der  eben 
zitierte  Befehl  nahezu  vier  Stunden  später  ausgefertigt  worden 
war  als  jener,  welcher  dem  Korps  Gyulai  ebenso  wie  den 
beiden  anderen  Armeekörpem  die  Versammlung  bei  Pegau 
aubefohlen  hatte.  FZM.  Gyulai  nahm  hiebei  an,  daß  der 
Offizier,  welcher  ihm  einen  neuen,  ähnlichen  Befehl  zu  über- 
bringen  gehabt,  in  der  Dunkelheit  irregeritten  oder  ge- 
stürzt sei.  Gleichzeitig  ließ  er  beim  Oberkommando  neue 
Befehle  erbitten '). 

Als  bis  3 Uhr  nachmittags  keine  neuen  Weisungen 
des  Armeeoberkommandos  eingelangt  waren,  befahl  FZM. 
Gyulai  um  4 Uhr  nachmittags,  den  Marsch  auf  Tauchern 
(9  Kilometer  südlich  von  Weißenfels)  in  zwei  Kolonnen  an- 
zutreten ®). 

Die  Übergänge  von  Zwenkau  und  Knauthain  blieben 
bis  zur  Ablösung  durch  Truppen  der  Hauptarmee  durch  je  ein 
Bataillon  besetzt.  GM.  Scheither  wurde  angewiesen,  die 
Aufklärung  fortzusetzen,  das  Korps  am  19.  in  der  rechten 
Flanke,  am  t’O.  aber  im  Rücken  in  der  Richtung  auf  Weißen- 
fels zu  sichern  und  sich  sodann  wieder  an  das  Gros  auzu- 
schließen. 

Bei  Naumburg  war  es  im  Laufe  des  19.  bereits  zu  Zu- 
sammenstößen mit  Abteilungen  Bertrands  gekommen.  General 
Bertrand,  welcher  mit  seinen  Spitzen  gegen  7 Uhr  abends 
des  18.  Oktober,  mit  dem  Gros  um  2 Uhr  nachts  auf  den 
19.  Oktober  Weißenfels  erreicht  hatte,  traf  sofort  Anstalten 
auch  den  wichtigen  Knotenpunkt  Naumburg  und  die  dortigen 
Saaleübergänge  in  Besitz  zu  nehmen  und  detachierte  im 
Laufe  des  Vormittags  eine  starke  Abteilung,  vornehmlich 
Kavallerie,  nach  Naumburg. 

■)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  471 ; ausgefertigt  V>8  Uhr 
vormittags. 

•)  Rechte  Kolonne  unter  FZM.  Gyulais  persönlicher  Führung: 
Division  Liechtenstein,  Division  Crennoville,  Division  Hessen-Homburg, 
Brigade  Csollich  in  der  direkten  Richtung  auf  Teucheni ; linke  Kolonne 
unter  FML.  M urray,  Brigade  Salius  (exklusive  der  fünf  Kompagnien  in 
Xaumburg)  und  Reserveartillerie  von  Zeitz  auf  Meineweh  vier  Kilometer 
südwestlich  Teucliern.  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  X,  56  und  XIII,  220.) 

2.‘>* 


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388 


Kerohnawe. 


Hier  hatten  sich  mittlerweile  die  4 an  den  ! Irücken  bei 
Kosen,  Camburg,  Dornburg  und  Frey  bürg  detachier  gewesenen 
Kompagnien  und  die  Eskadron  von  Eosenberg-C  bevaulegers 
unter  Rittmeister  Zadubsky  konzentriert,  so  daß  Major 
Gatterburg  über  6 Kompagnien'),  1 Eskadron  md  2 drei- 
pfündige Geschütze  verfügte.  Im  Laufe  des  Vormi  tags  langte 
auch  noch  Major  von  Boltenstern  mit  seinem  3treifskorps 
an*).  Auf  die  Nachricht,  daß  der  Gegner  von  M'eißenfels 
nnrücke,  ging  ihm  Major  Gatterburg,  die  Wiel  tigkeit  des 
Besitzes  von  Naumburg  für  die  Verbündeten  erkeni  end,  sofort 
mit  allen  seinen  Streitkräften  entgegen.  Die  schwat  hen  Reiter- 
abteilungen  attackierten  auf  der  Straße  ein  vorgescho  oenes  feind- 
liches Kavallerie-Detachement,  warfen  es  auf  das  Gros  zurück 
und  nahmen  ihm  20  Gefangene  ab.  Der  Gegner,  welcher  Kräfte 
aller  drei  Waffen  vor  sich  sah,  ferner  russische,  preußische 
und  auch  österreichische  Truppen  konstatieren  kennte*)  und 
sich  außerdem  in  der  linken  Flanke  durch  Kosaken  bedroht 
sah,  vermutete  Naumburg  sehr  stark  besetzt  und  ging  auf 
Weißenfels  zurück,  jede  fernere  Unternehmung  gegen  ersteren 
Ort  unterlassend. 

Im  Laufe  des  Nachmittags  langten  immer  weitere  Ab- 
teilungen bei  Naumburg  ein.  Vorerst  die  anscheinend  die 
Vorhut  Plato  ws  bildenden  Kosakenregimenter  Illowaiski  XII, 
Grekow  1 und  Grekow  Vlll  unter  GM.  Illowaiski*),  welche, 
im  Vormarsch  auf  Naumburg  begriffen,  gegen  die  linke 
Flanke  der  auf  Naumburg  vorgegangenen  französischen  Ab- 
teilungen demonstrierten,  um  halb  ö Uhr  abends  endlich 
Thielemanns  Streifkorps,  so  daß  nun  in  Naumburg  hin- 
reichend Truppen  standen,  um  diesen  durch  Major  Gatter- 
burgs  ebenso  kühnes  als  geschicktes  Benehmen  den  Ver- 

*)  4 von  Erzherzog  Ludwig,  1 Kompagnie  Warasdiner. 

’)  1 Kompagnie  und  freiwilliges  Jagcrdetachement  der  preußischen 
Gardejäger  (zirka  2.Ö0  Mann),  50  Mann  preußische  Landwehrkavallerie. 
30  ukrainische  Kosaken. 

’]  Unter  dem  etwa  1000  .\fann  Infanterie,  20U  Beiter  und  zwei 
Geschütze  starken  Detachement  Gatterhurg  waren  inkl.  der  .\rtillerie 
nicht  weniger  als  7 'rruppengattungeu  vertreten : Erzherzog  Ludwig- 
Infanterie,  Warasdiner-Crouzer,  preußische  Gardejüger,  österreichische 
Chevaulegers,  preußische  Landwehrkavatlcrie  und  ukrainische  Kosaken. 

‘i  Vom  Korps  Wittgenstein. 


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Von  Leiptig  bis  Krfurt. 


389 


bündeten  erhaltenen  wichtigen  Ort  gegen  französische  An- 
grifie  bis  zum  Eintreffen  der  Teten  Gyulais  zu  halten.  Oberst 
Xlensdorff,  der  mit  seinem  Streifkorps  von  GL.  Thiele- 
mann zur  Beobachtung  des  bei  Weißenfels  stehenden  Gegners 
bei  Prittitz  (zirka  4 Kilometer  südwestlich  Weißenfels)  zurück- 
gelassen worden  war,  trug  hiemit  ebenfalls  zur  Sicherung 
Naumburgs  bei.  Zwischen  Mölsen  und  Göthewitz  stand. 
Weißenfels  von  der  Südseite  beobachtend,  das  Detachement 
GM.  Scheither,  welches  tagsüber  feindliche  Aufklärungs- 
abteilungen aus  Starsiedel,  Groß-  und  Klein-Görschen  vertrieben 
und  zahlreiche  Gefangene  gemacht  hatte*). 

Das  Gros  des  Korps  Gyulai  war,  auch  über  Betreiben 
des  gegen  3 Uhr  nachmittags  bei  Pegau  eingetroffenen 
Generalquartiermeisters  GM.  Langenau®),  nach  4 Uhr  nach- 
mittags von  Pegau  beziehungsweise  Zeitz  in  der  Richtung 
auf  Teuchem  in  der  angegebenen  Marschordnung  aufgo- 
brochen.  Als  die  Tete  der  rechten  Kolonne  bei  Dobergast 
(zirka  4 Kilometer  westlich  Pegau)  eintraf,  fand  sie  den  Weg 
durch  die  von  Zwenkau  kommenden  ebenfalls  in  der  Richtung 
auf  Naumburg  rückenden  Kosaken  Platows*)  und  ihren  Troß 
versperrt,  deren  Geschütze  und  Karren  außerdem  in  einem 
westlich  Dobergast  befindlichen  Hohlweg  *)  infolge  des  vom 
Regen  aufgeweichten  Bodens  festgefahren  waren.  Als  die 
Passage  endlich  frei  wurde,  war  die  Nacht  hereingebrochen, 
dichte  Wolken  verfinsterten  den  Himmel  derart,  daß  der  Weg 
nicht  mehr  zu  erkennen  war,  ein  feiner,  durchdringender 
Herbstregen  machte  alle  Versuche,  Licht  zu  machen,  zu 
Schanden,  so  daß  FZM.  Gyulai  beschloß,  beiderseits  Dober- 
gast, unter  möglichster  Ausnützung  des  Ortes  selbst,  Lager 
zu  beziehen.  Die  Kolonne  Murray  hatte  ihr  Marschziel  erreicht. 

Ira  Lager  bei  Dobergast  langte  von  GM.  Scheither 
die  Meldung  über  seine  Aufstellung  bei  Göthewitz  und  seine 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  473. 

’)  Ebenda,  479. 

’)  Siehe  Seite  387,  Anmerkung  2. 

*)  Die  Vorhut  Platows  unter  GM.  Illowaiski  war  bereits  bis 
Xaumburg  gelangt.  (Siebe  Seite  388.) 

*)  Dieser  Hohlweg  existiert  heute  nicht  mehr;  der  Weg  führt  jetzt 
südlich  der  von  Dobergast  nach  Westen  hinabziehenden  tiefen  Ver 
schneidung  nach  Stein— Grimma. 


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390 


Kerchuawe. 


Uuternelimuiigen  gegen  den  Feind  ein  ’i,  wähn  nd  der  General 
gleichzeitig  die  Absicht  aussprach,  den  Feind,  welcher  immer 
neue  Truppen  nach  Weißenfels  ziehe,  im  Lauf  der  Nacht  zu 
überfallen.  GL.  Thielemann  meldete  aus  Naui  iburg,  daß  der 
Feind  an  Stelle  der  zerstörten  Brücken  bei  W sißenfels  Floß- 
und  Pontonbrücken  eingebaut  habe,  daß  die  Bi  iicke  bei  Frey- 
burg zerstört  sei,  der  größte  Teil  der  Infanterie  des  Bertrand- 
schen  Korps  im  Laufe  des  Nachmittags  bei  W^eißenfels  die  ) 
Saale  überschritten  liabe  und  stellte  gleichzeitig  len  Antrag,  im 
Laufe  der  Nacht  gemeinsam  auf  Weißenfels  vorzugehen  und  dem 
Gegner  diesen  für  ihn  so  wichtigen  Übergang  spunkt  zu  ent- 
reißen. Dieser  Antrag,  dessen  Überbringer  wahrscheinlich 
in  der  stockfinsteren  Nacht  irregeritten  war,  traf  bei 
FZM.  Gyulai  leider  erst  kurz  vor  Tagesanbruch  ein,  als  die 
Truppen  bereits  sich  zum  Abmarsch  nach  J^numburg  ran- 
gierten und  die  günstigste  Zeit  für  einen  Überfall  schon 
vorüber  war*).  FZM.  Gyulai  beschloß  daher,  lieber  im  Sinne 
der  erhaltenen  Disposition  die  wichtigen  Punkte  Naumburg 
und  Kösen  in  die  Hand  zu  nehmen,  als  jetzt,  wo  der  günstigste 
Zeitpunkt  zu  einer  Unternehmung  auf  Weißenfels  durch  die 
Gewalt  des  Zufalles  versäumt  war,  hier  Zeit  zu  verlieren  und 
schließlich  sowohl  bei  \\'eißenfels  als  auch  bei  Naumburg  und 
Kösen  zu  spät  zu  kommen.  — Aber  auch  GM.  Scheither 
hatte  seine  Absicht,  eines  der  französischen  Biwaks  zu  über- 
fallen, infolge  Wachsamkeit  der  französischen  Vorposten  nicht 
ausführen  können. 

So  war  durch  eine  Reihe  für  die  Franzosen  glücklicher 
Zufälle  ihre  Armee  vor  einem  schweren  Schlag  bewahrt 
worden.  Da  der  Übergang  von  Merseburg  bereits  in  den 
Händen  der  Division  Hünerbein  vom  Korps  Yorck  war,  wäre 
ihnen  solcherart  der  letzte  Saaleübergaug  versperrt  gewesen. 

Ob  das  Korps  Gyulai  und  die  ihm  beigegebenen  leichten  Truppen 
selbst  bei  rechtzeitiger  Unterstützung  durch  das  Korps  Yorck’) 


')  Siehe  Seite  389. 

’)  Zur  Verständigung  Thielonianns  wären  neuerdings  zwei  bis 
zweieinhalb  Stunden  verüos.sen,  so  daß  von  einem  Überfall  nicht  mehr 
die  Rede  sein  konnte. 

Die  Reservekavallerie  dieses  Korps  erreichte  um  10  Uhr  vor- 
mittags Reichertswerheu,  drei  Kilometer  nördlich  Weißenfel.s,  die  Tete- 


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Von  Leipsipr  bia  Erfurt. 


391 


und  unterstützt  von  den  bei  WeiUenfels  aufgeworfenen  Ver- 
schanzungen ausgereicht  hätten,  Napoleon  solange  Widerstand 
zu  leisten,  bis  von  Seite  der  Hauptkraft  der  Verbündeten  aus- 
giebige Hilfe  kam,  kann  allerdings  bezweifelt  werden. 

Auf  Seite  der  Franzosen  war  im  Laufe  des  19.  Oktober, 
wie  dies  Thielemann  richtig  konstatiert  hatte,  Bertrand 
tatsächlich,  mit  Ausnahme  der  Division  Fontanelli,  bei  Weißen- 
fel.s  über  die  Saale  gegangen  und  hatte  Freyburg  besetzt, 
welchem  Punkte  er  zunächst  eine  größere  Wichtigkeit  beimaß, 
als  Kosen.  Marschall  Mortier  hatte  ihn  mit  zwei  Divisionen 
junger  Garde  in  der  Festhaltung  von  Weißenfels  abgelöst. 
Hinter  Marschall  Mortier  folgten  die  übrigen  Teile  des 
französischen  Heeres  im  allgemeinen  in  der  von  Napoleon 
anbefohlenen  Reihenfolge  *). 

Zwar  konnten  sich  die  bei  Leipzig  im  heftigen  Kampfe  ge- 
standenen Truppen  Macdonalds  nicht  leicht  aus  dem  Kampfe 
losmachen,  sie  erlitten  beträchtliche  Verluste  und  ein  großer 
Teil  wurde  infolge  vorzeitiger  Sprengung  der  Brücke  über  die 
Pleiße  abgeschnitten  und  fiel  in  Gefangenschaft,  aber  im 
großen  ganzen  gelang  es  doch,  die  Truppen  aus  Leipzig 
heraus,  auf  die  Markranstädter  Chaussee,  hinter  die  .schützende 
Front  der  Gardedivisionen  Oudinots  zu  bringen. 

An  diesen  beiden  intakten  Divisionen  scheiterten  alle 
vereinzelten  Versuche  der  in  Leipzig  sich  durcheinander- 
drängenden Truppen  von  vier  Armeen,  die  Elster  zu  über- 
•setzen  und  bis  in  dieses  Chaos  Ordnung  kam,  um  in  geordneter 
Weise  gegen  Oudinot  vorzugehen,  hatte  dieser  seine  Auf- 
gabe erfüllt  und  folgte  den  abziehenden  Trümmern  der 


(livision  Horn  erst  am  iMittag  das  noch  fünf  Kilometer  nördlicher 
liegende  Frankleben.  (Friederich,  Herbstfeldzug  1813,  III.) 

')  1.,  Best  des  .3.  und  1.  Beservekavalleriekorps,  Kescrveartillerie, 
Bagagen  und  Trains,  alte  Garde  mit  dem  kaiserlichen  Hauptriuartier.  Dann, 
sobald  sie  sich  aus  dem  Kampfe  bei  Leipzig  losgeraacht  und  gesammelt 
tiatten,  das  III.,  V.,  VI.  Korps  und  die  Division  Seindle  dos  IX.  Korps. 
Sodann  die  eigentlichen  Verteidiger  von  Leipzig,  die  Trümmer  des  II., 
VII.,  VIII.  und  XI.  Korps  und  das  2.  ßeservekavalleriekorps  unter 
Macdonald.  Zwei  Divisionen  junger  Garde  unter  Oudinot  hatten  in 
einer  Aufstellung  bei  Lindenau  den  Abmarsch  zu  decken. 


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392 


Rerobnaw«. 


Macdonald  unterstellt  gewesenen  Korps  in  guter  Haltung 
in  der  Richtung  auf  Markranstädt. 

So  hatte  Napoleon  am  Abend  des  19.  Oktober  den 
ihm  verbliebenen,  etwa  90.000  bis  100.000  Mann  starken 
Rest  *)  seines  schö[)ferischen  Titanenwerkes  der  „Grollen 
Armee  von  1813”  im  großen  ganzen  dort,  wo  er  sie  beim 
Erteilen  dos  Rückzugsbefehles  haben  wollte.  Bertrand  hielt 
mit  seinem  Korps  und  den  zugeteilten  Divisionen  Guilleminot*), 
Margaron“)  und  Lefol‘)  so-nne  mit  der  Kavalleriedivison 
De  France  des  3.  und  mit  dem  6.  Reservekavalleriekorps  den 
Unstrutübergang  bei  Freyburg;  den  Saaleübergang  bei  Weißen- 
fels sicherten  die  Division  Fontauelli  und  zwei  Divisionen 
junger  Garde.  Auch  das  Gros  der  Reservekavallerie  *)  war  im 
Laufe  des  Tages  in  der  Gegend  von  Weißenfels  angekommen. 
Zwischen  Lindenau  und  Markranstädt  stand  der  erprobte 
Marschall  Oudinot  mit  seinen  beiden  Gardedivisionen  und 
mit  dem  2.  Reservekavalleriekorps  Sebastiani,  in  Markranstädt 
selbst  nächtigte  Napoleon  mit  der  alten  Garde  und  einem 
Teile  der  Gardekavallerie.  Im  Raume  zwischen  Markranstädt 
und  Weißeufels  lagerte,  soweit  dies  möglich  war,  korpsweise 
gesammelt,  was  sonst  noch  übrig  war  von  dem  noch  vor 
wenigen  Tagen  so  mächtigen  Heere.  Alle  Übergänge  über 
Pleiße,  Elster,  Luppe  und  über  den  Lindenauer  Mühlwehr- 
graben waren  gesprengt  worden  und  da  infolge  des  Regen- 
wetters, welches  mit  wenig  Unterbrechung  seit  Anfang  Oktober 
angehalten,  alle  Flüsse  bedeutend  gestiegen  waren  — zum 
Beispiel  die  Saale  bei  Weißenfels  um  zwölf  Fuß,  die  Elster  um 
sechs  Fuß  — so  war  ein  Nachdrängeu  in  der  Front  mit  großen 
Abteilungen  vor  Herstellung  neuer  Übergänge  nicht  möglich. 

•i  Exklusive  Bertrand. 

Vom  VII.  Armeekorps;  die  Division  DuruUe  desselben  Korps 
schloß  sich  bei  Freyburg  an  Oudinot  an. 

’)  Die  frohere  Besatzung  von  Leipzig,  4 schwache  Bataillone. 
10  Geschütze. 

*)  Kest  der  Ersntzdivision  Lefol,  welche  am  14.,  beziehungsweise 
l.ö.  Oktohev  in  die  betreffenden  Korps  eingereiht  worden  war;  noch 
4'/«  schwache  Bataillone, 

‘)  1.  lleservekavalleriekorps,  3,  Beservekavalleriekorps,  soweit  es 
nicht  (Divi.sion  Do  France)  bei  Bortrand  war,  halbes  4.  Beserve- 
kavalleriekorps  (eine  Brigade  bei  Dombrowski.  eine  in  Dresden), 


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Von  Leipcig  bis  Erfurt. 


393 


Es  mußte  also  getrachtet  werden,  von  Norden  und 
Süden  her  in  die  Marschsäulen  des  schwer  erschütterten 
Gegners  einzubrechen,  versucht  werden,  ihm  die  einzige  noch 
offene  Eückzugsstraße,  jene  über  Weißenfels  und  von  hier  über 
Freybnrg — Buttelstedt,  beziehungsweise  über  Naumburg — 
Kosen — Buttelstedt  nach  Erfurt  zu  verlegen. 

Dies  wäre  nur  jenen  Truppen  möglich  gewesen,  welche 
Schwarzenbergs  Befehl  vom  18.  Oktober  abends  zur  Ein- 
leitung einer  Parallelverfolgung  bestimmte.  Da  aber  die  öster- 
reichische Eeservekavallerie  und  das  österreichische  II.  Korps 
wieder  zui'ückgerufen  worden  waren  *),  blieben  im  Süden  und 
Südwesten  des  abziehenden  Gegners  außer  den  wenigen  arg 
gelichteten  Bataillonen  der  Division  Moritz  Liechtenstein  au 
größeren  Infanteriekörpern  nur  das  einzige  österreichische 
in.  Koi’ps  — zirka  15.500  Mann  Infanterie  — und  die  be- 
reits mehrfach  genannten  leichten  Truppen*).  Wenn  auch 
letztere  bereits  auf  der  Eückzugslinie  des  Gegners  standen, 
das  Korps  Gyulai  befand  sich  infolge  des  Irrtumes  seines 
Kommandanten  bezüglich  Abwartens  eines  neuen  Befehles 
noch  in  keinem  sehr  günstigen  Yerhältnis  für  die  Erfüllung 
seiner  Aufgabe. 

Bliebe  noch  der  Eaum  im  Norden.  Hier  hatte  das  Korps 
Yorck  mit  Ausnahme  einiger,  bei  Gohlis  im  Gefecht  stehender 
Bataillone  noch  um  7 Uhr  abends  des  18.  den  Marsch  in  der 
Richtung  zur  Saale  angetreten  und  hatte  ihn,  nur  unter- 
brochen durch  eine  mehrstündige  East  bei  Groß-Kugel  — halb- 
wegs zwischen  Möckern  und  Halle  — bis  10  Uhr  vormittags 
des  19.  fortgesetzt.  Das  Hauptquartier  des  Koq>s  war  mit  der 
Division  Horn  nach  Halle  gelangt,  die  Division  Hünerbein 
biwakierte  zwischen  Bruckdorf  und  Burg-Liebenau,  diesen 
Ort  sowie  den  Eislerübergang  bei  demselben  und  jenen  bei 
Beesen  besetzt  haltend. 

Die  Eeservekavallerie  war  bei  Halle  über  die  Saale  gegangen 
und  hatte  ein  Eegiment  *)  bis  Dölitz  am  Berge  vorgeschoben, 

b Siehe  Seite  386. 

’)  1.  leichte  Division  Moritz  Liechtenstein,  die  Streifkorps  Thiele- 
mann, Mensdortl',  Platow,  lllowaiski,  Boltenstem. 

’)  Dos  brandenbnrgische  Ulanenregiment  (Friederich,  Herbst- 
feldzug 1813,  III). 


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394 


Kerohnawe. 


Patrouillen  streiften  gegen  Querfurt,  Mücheln  und  I erseburg, 
zwei  vom  Korps  Sachsen  zugeteilte  Kosakenregimei  ter  gegen 
AVeillenfels. 

Das  Korps  Yorck  stand  also  für  eine  Vorrücki  ng  in  der 
Richtung  auf  Freyburg  oder  Weißenfels  nicht  i ngünstig. 
Trotzdem  konnte  auf  eine  Einwirkung  seitens  des;  eiben  auf 
den  w’eichenden  Gegner  am  19.  gar  nicht,  am  20.  aber  nur 
schwer  gerechnet  werden.  Die  Distanz  Halle,  besw.  Burg- 
Lieben  au— Frey  bürg  beträgt  36  bezw.  30,  jene  nach  Weißen- 
fels 38  bezw'.  24  Kilometer,  war  also  am  19.  von  den  Truppen, 
w'elche  am  18.  den  ganzen  Tag  in  Gefechtsbereit*  chaft  ge- 
standen und  eben  einen  27  bis  30  Kilometer  la  igen,  an- 
strengenden Nachtmar.sch  gemacht  hatten  nicht  oder  nur  sehr 
schwer  und  mit  großen  Marschverlusten  zu  leisten. 

Aber  auch  für  den  20.  war  auf  ein  Erscheinen  des 
Korps  Yorck  bei  Freyburg  oder  Weißenfels  nur  achwer  zu 
rechnen.  Y'orck,  ein  Hammer  in  der  Schlacht,  neigta  in  selb- 
ständigem Verhältnis  zu  Bedenken,  liebte  es  nicht,  die 
Truppen  zu  überanstrengen,  deren  schwere  Marschverluste  im 
ersten  Teile  des  Herbstfeldzuges  er  stets  der  Gelehrsamkeit  der 
„Genies”  im  Hauptquartier  der  schlesischen  Armee  zuschrieb. 
Sein  Korjrs  hatte  am  16.  Oktober  schwer  gelitten  und  war  auf 
etwa  11.500  Mann  Infanterie')  mit  3000  Reitern  reduziert 
worden.  Den  Gegner  hatte  er  am  16.  wie  am  18.  in  vorzüglicher 
Haltung  gesehen,  er  wußte  zwar,  daß  der  Gegner  im  Laufe 
der  Nacht  seinen  Rückzug  angetreten,  vermutete  ihn  aber 
begi'eiflicherweise  in  guter  Ordnung  und  neue  Meldungen 
über  den  Zustand  des  Gegners  — die  sämtlich  über  Merseburg 
einlangen  mußten,  weil  alle  Elsterübergänge  zerstört  waren, 

— konnten  erst  abends  eintreffen. 

Bei  Leipzig  hörte  Yorck  den  ganzen  Vormittag  bis  in 
die  ersten  Nachmittagsstunden  des  19.  einen  heftigen  Kampf 
toben,  dessen  Resultat  er  jedoch  erst  um  6 Uhr  abends  erfuhr. 
Frühestens  jetzt  also  konnte  er  mit  einiger  Sicherheit  den 
Weitermarsch  antreten,  aber  um  6 Uhr  dunkelte  es  bereits 
und  ein  neuerlicher  Nachtmar.sch  mochte  Yorck,  der  sich  auch 

')  Inklusive  des  2.  österreichischen  .Tiigorbatnillons  — 510  Mann 

— welches  am  18.  nach  Norden  ahgedriingt  sich  dem  Korps  Yorck  an- 
geschlossen hatte. 


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Von  Leipsig  bis  Erfurt. 


393 


jetzt  noch  gewiß  nicht  aller  anderen  Bedenken  erwehren 
konnte,  als  von  seinen  Truppen  zu  viel  verlangt  erscheinen. 

So  blieben  der  französischen  Armee  am  19.  Oktober  auch 
von  dieser  Seite  her  entscheidende  Störungen  erspart,  anderer- 
seits ist  leicht  einzusehen,  daß  Gyulai  kaum  auf  eine  Unter- 
stützung des  Korps  Yorck  hätte  rechnen  können,  wenn  er, 
entsprechend  dem  Vorschlag  Thielemanns,  Weißenfels  an- 
gegriffen hätte.  Wahrscheinlich  hätte  er  hier  ein  ähnliches 
Schicksal  gefunden,  wie  11  Tage  später  die  Armee  Wredes 
bei  Hanau. 

In  der  Nacht  vom  19.  auf  den  20.  Oktober,  1 Uhr'), 
erhielt  GM.  Langenau,  welcher  sich  noch  beim  Korps 
G3'ulai  aufhielt,  ein  Schreiben  Radetzkys,  welches  mitteilte, 
daß  der  Besitz  von  Naumburg  und  Kösen  von  höchster 
Wichtigkeit  sei,  daß  FZM.  Gyulai  Naumburg,  falls  es  vom 
Feinde  bereits  besetzt  .sei,  anzugreifen  und  die  Kösener 
Brücke,  falls  sie  zerstört  sei,  sofort  wiederherzustellen  habe, 
weshalb  alle  verfügbaren  österreichischen  Pionier-  und  Pon- 
tonierabteilungen dem  Korps  Gyulai  nachdirigiert  worden 
wären.  Auch  wurde  mitgeteilt,  daß  die  österreichische  Reserve- 
kavallerie und  eine  starke  russische  Kolonne  ebenfalls  dem 
III.  Korps  folgen  würden.  GM.  Langenau  teilte  den  er- 
haltenen Befehl  FZM.  Gj’ulai  sofort  mit*)  und  richtete  aus 
eigener  Initiative  ein  Schreiben  an  FZM.  Colloredo,  worin 
er  ihn  aufforderte  mit  seinem  Korps  und  der  österreichischen 
Infanteriereserve  über  Pegau  auf  Naumburg  zu  folgen  ^). 

Am  20.  Oktober,  noch  vor  Tagesanbnich,  setzte  daher 
die  Hauptkolonne  des  Korps  Gyulai  den  Marsch  nach  Naum- 
burg fort.  Die  an  der  Tete  befindliche  Division  Liecliten- 
stein  wurde  angewiesen,  ihren  Marsch  nach  Tunlichkeit  zu 
beschleunigen,  um  Naumburg  baldigst  gegen  feindliche  Unter- 
nehmungen zu  sichern. 

Bald  nach  dem  Abmarsch  trafen  Meldungen  GM. 
Scheithers  und  Oberst  Mensdorffs  ein'*).  Erstere  besagte, 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptamiee,  X,  ISli. 

’)  Ebenda.  Gyulai,  X,  49. 

•)  Ebenda.  Hauptarmee,  X,  487. 

‘)  Ebenda,  Gyulai,  XIII.  22U,  Operationsjournal. 


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396 


Korohnawe. 


daß  GM.  Scheither  wohl  die  feindlichen  Lager  im  Laufe 
der  Nacht  wiederholt  alarmiert  und  dabei  etliche  Gefangene 
gemacht  und  zahlreiche  stehengelassene  Trainfuhrwerke  er- 
beutet habe,  daß  es  ihm  aber  nicht  gelungen  sei,  den  Gegner 
zu  überfallen').  Oberst  Mensdorff  meldete,  daß  seine  Vor- 
posten in  der  Nacht  von  feindlicher  Infanterie  angegriffen 
worden  seien,  und  daß  er  im  Falle  er  gedrängt  werden  würde, 
auf  Naumburg  zurückzugehen  beabsichtige.  Weißenfels,  meldete 
Oberst  Mensdorff  weiter,  scheine  der  Gegner  behaupten  zu 
wollen,  da  er  sich  dort  fortwährend  verstärke. 

Bei  Teuchern  angekommen,  erhielt  Gyulai  die  Meldung, 
daß  der  Gegner  von  Weißenfels  aus  die  Richtung  nach  Frey- 
burg zu  nehmen  scheine  •). 

Er  befahl,  daß  die  Division  Grenneviüe  als  stehende 
Seitenhut  und  zur  Sicherung  der  Straße  Zeitz — Weißenfels, 
nördlich  Teuchern  stehen  zu  bleiben  habe,  sowie  daß  der 
Marsch  nach  Naumburg  unverzüglich  fortzusetzen  sei  und 
begab  sich  für  seine  Person  mit  FML.  Moritz  Liechtenstein 
zur  Rekognoszierung  nach  Naumburg  voraus.  In  Stößen  ließ  er 
die  von  Meineweh  kommende  Kolonne  Murray  sofort,  ohne  die 
Tete  derHauptkolonne  des  III. Korps  abzuwarten’), gleich  hinter 
der  Division  Liechtenstein  den  Marscli  auf  Naumburg  antreten. 

In  Naumbing  angekommen,  fand  er  die  bereits  am 
Vortage  von  Thielemann  erhaltene  Meldung*)  vom  wahr- 
scheinlichen Abzug  der  Franzosen  in  der  Richtung  auf  Frey- 
burg bestätigt.  Daß  seit  dem  Versuch  der  Franzosen,  Naum- 
burg zu  besetzen,  welcher  von  Major  Gatterburg  ab- 
gewiesen worden  war,  kem  weiterer  Versuch  stattgefunden, 
bestärkte  ihn  in  dieser  Auffassung. 

In  der  richtigen  Beurteilung,  daß  ein  Vorstoß  in  direkt 
nördlicher  Richtung  viel  rascher  und  ausgiebiger  wirksam 
werden  würde  als  ein  solcher  über  Kösen,  beschloß  FZif. 
Gyulai,  mit  Rücksicht  auf  die  ihm  in  Aussicht  gestellten 

')  Siehe  auch  Seite  390. 

’}  K.  A..  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIII,  220,  Operationsjournal. 

’)  Durch  die  Abzweigung  der  Division  Crenneville  als  Seitcnhnt 
und  die  Beschleunigung  des  Marsches  der  Division  luechtenstein  war 
zwischen  dieser  und  der  Tete  des  Korps  eine  Lücke  entstanden. 

‘)  Siehe  Seite  390. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


397 


Verstärkungen,  am  21.  einen  solchen  Versuch  zu  wagen*). 
Die  Brücken  bei  Naumburg  waren  zwar  zerstört,  aber  mit 
Hilfe  der  ihm  versprochenen  Pioniere  uud  Pontoniere  konnte 
FZM.  Gyulai  hoffen,  daß  ihm  deren  Wiederherstellung  ebenso 
gelingen  werde,  wie  den  Franzosen  jene  bei  Weißenfels. 

Er  berichtete  in  diesem  Sinne  auch  um  2 Uhr  nach- 
mittags an  Schwarzenberg,  von  welchem  im  Laufe  der 
Nacht  die  Genehmigung  eintraf,  mit  dem  Beifügen,  daß 
AVittgenstein  angewiesen  werde,  die  Franzosen  bei  Weißen- 
fels festzuhalten,  während  eine  rassische  Grenadierdivision  als 
Unterstützung  nach  Naumburg  dirigiert  werden  würde*).  Zur 
Einleitung  der  für  diesen  Vorstoß  nötigen  Aufklärung  for- 
derte Gyulai  den  General  Illowaiski  auf,  mit  seinen  drei 
Kosakenregimentern  die  Saale  zu  übersetzen  und  gegen  Frey- 
burg zu  streifen.  GM.  Illowaiski  kam  dieser  Aufforderung 
nach,  ging  bis  Klein-Jena  (halbw-egs  zwischen  Naumburg  und 
Freyburg)  vor  und  entsandte  Streifparteien  auf  Freyburg 
und  Laucha. 

Um  gleichzeitig  der  vom  .Armeeoberkommando  so 
dringend  geforderten  Sicherung  der  Brücke  bei  Kosen  nach- 
zukommen, entsandte  FZM.  Gyulai,  welcher  Naumburg 
durch  die  bald  eintreffenden  Truppen  seines  Korps  und  die 
zur  Stelle  befindliche  Kavallerie  für  hinreichend  gesichert 
hielt,  das  Detachement  Major  Gatterburg’)  dorthin  und 
erteilte  FML.  Moritz  Liechtenstein  den  Befehl,  diesem 
Detachement  das  zuer-st  eintreffende  Bataillon  — es  war  das 
7.  Jägerbataillon  unter  Oberst  Freiherrn  von  V^eyder  — mit 
2 Geschützen  und  100  Reitern  nachzusenden. 

In  den  ersten  Nachmittagsstunden  langten  sämtliche 
Truppen  der  1.  leichten  Division  und  des  III.  Korps  — in- 
klusive des  Detachements  GM.  Scheither  — bei  Naumburg 
an  und  bezogen  südlich  der  Stadt  Lager.  Das  Bataillon 
AA’arasdiner-Creuzer  besetzte  die  Übergangsstellen  über  die 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  X,  52. 

Ebenda.  — Hierin  liegt  gleichzeitig  die  Beantwortung  auf 
Plothos  A’^orwnrf,  II,  '130,  weshalb  Gyulai  am  20.  nicht  mit  dem 
ganzen  Korps  nach  Kosen  rückte,  beziehungsweise  warum  er  nicht  von 
Naumburg  auf  Freyburg  voi-stieß. 

•)  Siehe  Seite  388. 


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398 


Kerchnawe. 


Saale,  das  Gros  der  Division  Crenneville ')  übenialim  die 
Sicherung  in  der  Richtung  auf  Weißenfels. 

Am  Abend  traf,  von  Prittitz  kommend,  auch  Oberst 
Mensdorff  ein,  später  noch  die  österreichische  Kavallerie- 
reserve. Beide  bezogen  zwischen  den  Gyulaischen  Tnippen 
außerhalb  der  Stadt  Lager. 

Das  Detachement  Gatterburg,  beziehungsweise  Veyder, 
besetzte  anstandslos  Kosen  und  schob  seine  Vorposten  auf 
die  jenseitigen  Höhen  vor.  Ausgesandte  Streifpatrouillen  fanden 
hier  die  Gegend  vom  Gegner  frei. 

Wie  aus  den  Maßnahmen  Napoleons  hervorgeht,  wäre 
für  ihn  ein  Vorstoß  Gyulais  auf  Freyburg  vollkommen  über- 
raschend gewesen.  Napoleon  selbst  kam  am  20.  nachmittags 
in  Weißenfels  an,  rekognoszierte  die  Umgebung  und  begab 
sich  sofort  zu  den  Brücken*). 

Hier  defilierte  nach  und  nach  der  größte  Teil  der  Armee 
über  die  Saale  und  bezog  teilweise  am  nördlichen  Ufer  Lager, 
teilweise  setzte  er  den  Marsch  nach  Fre3’burg  fort.  Napoleon 
schlug  sein  Nachtquartier  in  einem  Weinberghäuschen  bei 
Markröhlitz  auf  und  traf  hier  folgende  Maßnahmen*); 

Bertrand  hatte  mit  seinem  Korps,  an  welches  sieh  die 
Division  Fontanelli  wieder  anzuschließen  hatte,  und  mit  dem 
5.  Reservekavalleriekorps  auf  Eckartsberga  zu  marschieren 
und  sich  des  Überganges  bei  Kosen  zu  versichern.  Dieser 
Übergang  war  unbedingt  fcstzuhalten  und  GL.  Bertrand 
eventuell  von  dem  nach  Freyburg  dirigierten  Korps  Mortier, 
beziehungsweise  durch  GL.  Lefeb  vre-Desnouöttes  zu  unter- 
stützen. 

Mortier  sollte  mit  seinen  beiden  Divisionen  junger 
Garde  und  der  Gardekavalleriedivision  Ornano  Freyburg  fest- 
halten.  Ebendorthin  dirigierte  der  Kaiser  auch  noch  den  Rest 

’)  1 Bataillon  Warasdiner-St.  Georger,  Rosenbeig-Chevaulegers, 
1 dreipfündige  Brigadebatterie  nach  Kavallerieart. 

’)  Außer  der  wiederhergestellten  permanenten  Brücke  war  unter- 
halb derselben  eine  Pontonbrücke  und  unter  Mithilfe  requirierter  Zivil- 
arbeiter eine  Floßbrüoke  geschlagen  worden.  Letztere  befand  sich  fast 
genau  an  derselben  Stelle,  an  welcher  Friedrich  II.  Heer  vor  der 
Schlacht  bei  Koßbach  Ober  die  Saale  gegangen. 

Correspondauce  de  .N'apoleon  I.,  XXVI,  20.818  bis  20.821. 


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Von  Leipzig  bi§  Er<urt. 


399 


der  Division  Tureau  vom  IX.  Korps  Augereau*).  Auch  General 
Lefebvre-Desnouettes  mit  dem  Gros  der  Gardekavallerie 
und  den  ziigeteilten  Kavallerieabteilungen*)  hatte  nach  Frey- 
burg zu  marschieren  und  gegen  Laucha,  Büttstedt  und  Buttel- 
stedt aufzuklären 

Das  2.  Kavalleriekorps,  welches  die  Strecke  nach  Frey- 
burg und  Merseburg  zu  beobachten  hatte,  war  durch  das  an 
die  Befehle  Oudinots  gewiesene  1.  Reservekavalleriekorps 
abzulösen  und  hatte  dann,  gefolgt  von  dem  wieder  vereinigten 
3.  Reservekavalleriekor}is  und  allen  sonstigen  verfügbai'en, 
nicht  bei  den  Korps  nötigen  Kavallerieabteilungen,  ebenfalls 
nach  Froyburg  zu  marschieren. 

Oudinot  hatte  mit  seinen  beiden  Divisionen  Weißenfels 
festzuhalten;  eine  seiner  Divdsionen  sollte  er  auf  das  linke 
Ufer  ziehen,  zur  Sicherung  des  dortigen  Brückenkopfes  und 
als  Rückhalt  für  die  gegen  Merseburg  vorgeschobene  Kavallerie. 

Alle  anderen  Heereskörper  hatten  von  2 Uhr  morgens 
an  nach  Freyburg  aufzubrechen,  und  zwar  in  folgender  Reihen- 
folge : VI.,  III.  und  Vn.^i  Korps  unter  Marraont,  II.  Korps, 
Division  Semdle  (vom  IX.  Korps  Augereau)  unter  Victor, 
Infanterie  und  Kavallerie  der  alten  Garde,  Reserveartillerio 
und  Reserveparks,  V.,  VUI.'’)  und  XI.  Korps  unter  Macdonald. 
Die  Reste  des  4.  Kavalleriekorps,  welche  in  den  Befehlen 
Napoleons  nicht  erwähnt  werden,  scheinen  sich  Sebastiani 
angesehlossen  zu  haben. 

Diese  Bewegungen  gelangten  teilweise  noch  itn  Laufe 
des  Abends,  beziehungsweise  der  Nacht  zur  Ausführung,  so 
daß  die  französische  Armee  in  der  Nacht  vom  20.  auf  den 
21.  die  in  Textskizze  6 dargestellte  Situation  erreichte. 

Von  den  Truppen  Bertrands,  an  welche  der  Kaiser 
noch  von  Markranstädt  um  7 Uhr  früh  den  Befehl  ausge- 

')  Pelet,  Campagne  de  1813,  Art.  X,  3.')5. 

*)  Siehe  Seite  375,  Anmerkung  5. 

•)  Infolgedessen  gelangte  ein  Teil  dieses  Kavallenckörpcrs,  vor- 
nehmlich polnische  Lanciere,  am  21.  in  die  Gegend  nördlich  von  Kosen. 

‘)  Division  Durutte  und  1 Reservebatterie ; Division  Zesohau  bei 
Leipzig  zu  den  Verbündeten  übergogangen ; Division  Guilleminot  und 
1 Beservebatterie  bei  Bertrand. 

*)  V'on  Napoleon  in  einem  Nachtragsbefohl  vom  21.  Oktober  zu 
Correspondunce,  Xr.  XXVI,  20.821  befohlen.  (Pelet,  Art.  X,  355). 


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400  KerobDAwe. 

fertigt  hatte '),  eine  starke  Kolonne  Infanterie  und  Kavallerie 
mit  Geschütz  nach  Kosen  zu  dirigieren,  war  ein  Teil  — ver- 
mutlich die  Divisionen  Morand*)  und  Franquemont  — schon 
nachmittags  dorthin  aufgebrochen  und  erreichte  nach  Einbruch 
der  Dunkelheit  die  Waldungen  in  der  Gegend  von  Pommitz. 

Ein  Vorstoß  Gyulais  am  Morgen  des  21.  in  der  Richtung 
auf  Freyburg  hätte  also,  nach  den  Jlaßnahmen  Napoleons  zu 
schließen,  vorerst  wahrscheinlich  nur  Teile  Mortiers  getroffen, 
in  der  Folge  aber  auch  die  dann  wohl  nach  Freyburg  um- 
kehrende Kolonne  Bertrands  und  das  Gros  des  anmar- 
schierenden französischen  Heeres.  Unterstützung  konnte  Gyulai 
nur  von  einem  Vorstoß  des  Korps  Yorck,  und  zwar  vorerst  nur 
von  der  Division  Horn*)  und  der  Reservekavallerie  erwarten. 
Ob  Yorck  zu  einem  Vorstoß  zu  haben  war?  Ob  Yorck  und 
Gyulai  zusammen  ausgereicht  hätten,  dem  um  seinen  Rückzug 
kämpfenden  Heer  Napoleons  trotz  der  Überraschung  des- 
selben den  Weg  zu  verlegen?  — Dies  heute  verneinen  oder 
bejahen  zu  wollen,  ist  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  jedenfalls 
wäre  aber  dieser  Vor.stoß  Gyulais  eine  der  kühnsten  ^’er- 
folgungsoperationen  gewesen,  welche  die  Geschichte  kennt. 
Aber  zu  dem  Vorstoß  sollte  es  nicht  kommen. 

Die  von  Langenau  versprochenen  technischen  Truppen 
trafen  nicht  ein.  Bei  entsprechender  Berücksichtigung  von 
Raum  und  Zeit  hätte  auch  Lange nau  eine  rechtzeitige  Unter- 
stützung durch  dieselben  überhaupt  gar  nicht  versprechen 
können,  denn  sie  befanden  sich  (soweit  die  Pioniere  nicht 
bei  den  Korps,  namentlich  beim  II.  uud  IV.,  Verwendung 
gefunden  hatten)  in  der  Gegend  von  Rötha  und  wurden  erst 
in  der  Nacht  zum  20.  Oktober  in  Marsch  gesetzt*);  sie  konnten 

*)  Corresponilance  de  Napoleon  I.,  XXVI,  20.817. 

’)  Die  Division  Margaron  blieb  bei  Freyburg.  Die  Division  Fonta- 
nelli,  welche  erst  im  Laufe  des  21.  wieder  an  Bertrand  auscbloü,  konnte 
am  20.  noch  nicht  nach  Kosen  abrOckcn;  bleiben  nur  Morand  und 
Franquemont,  welche  auch  am  21.  bei  Kösen  von  .\nfaug  an  fochten 
und  die  größten  Verluste  erlitten. 

*)  Siehe  Anhang  la  und  VI. 

*1  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  486.  Der  Befehl  traf  bei 
Langenau  in  Pegau  um  1 Uhr  nachts  ein.  In  Kötha  konnte  er  etwas 
trüher,  etwa  zwischen  11  und  12  Uhr  nachts,  eingetroffen  sein. 


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Von  Leif  zig  bis  Erfurt. 


401 


also  unmöglich,  selbst  bei  anstrengenden  Märschen  und  ohne 
Berücksichtigung  aller  Kolonnenkreuzungeu  nicht  vor  den 
letzten  Nachmittagsstunden  des  21.  bei  Naumburg  eintreffen'). 

Wohl  in  Anbetracht  dieses  Umstandes  ließ  Schwarzen- 
berg diese  Bewegung  fallen  und  sandte  Gyulai  noch  ini 
Laufe  der  Nacht  einen  zweiten  Befehl,  nach  welchem  er  im 
Sinne  der  „Disposition  für  die  Hauptarmee  für  den  20.  und 
21.  Oktober’'*)  am  21.  früh  über  Kosen  gegen  Eckartsberga 
.,als  Avantgarde  der  Armee”  abzumarschieren  habe. 

Aber  auch  das  Korps  Yorck  allein  konnte  dem  Rückzug 
des  Gegners  von  Weißenfels  über  Freyburg  ernstliche  Unge- 
legenheiten bereiten.  Dieses  Korps  war  am  19.  in  seiner 
Stellung  zwischen  Halle,  Dölitz,  Merseburg  “)  verblieben.  Von 
hier  aus  war  Yorck  am  20.  um  3 Uhr  früh  mit  der  Reserve- 
kavallerie über  Lauchstädt  in  der  Richtung  gegen  Weißenfels 
aufgebrochen,  die  Division  Horn  folgte  um  5 Uhr,  hinter 
dieser  sollte  die  Division  Hünerbein  nach  Merseburg  rücken^). 
Auch  beim  Kor])s  Y’orck  waren  im  Laufe  des  19.  Nachrichten 
eingetroffen,  daß  der  Gegner  über  Weißenfels  zurückgehe, 
ebenso,  daß  er  gegen  Freyburg  detachiert  habe.  Immerhin  war 
es  ungewiß,  ob  er  von  Weißenfels  aus  über  Freyburg  oder 
über  Naumburg  den  Rückzug  fortsetzen  werde.  In  Merseburg 
wurden  zahlreiche  Versprengte  und  Überläufer,  hauptsächlich 
Polen  und  Rheinbündler,  aufgegriften,  aus  deren  Aussagen  auf 
denZustand  der  französischen  Truppen  einigermaßen  geschlossen 
werden  konnte,  besonders  darauf,  daß  bei  denselben  derartiger 
Munitionsmangel  herrsche,  daß  einzelne  w'estfälische  Batterien 
bereits  am  19.  Oktober  keine  einzige  Patrone  mehr  besaßen. 

Um  9 Uhr  vormittags  zwischen  Kayna  und  Roßbach,  in 
nächster  Nähe  jener  Stelle,  an  welcher  sich  .ö6  Jahre  vorher 
die  preußische  Kavallerie  unter  Seydlitz  unvergängliche 


*)  Itötha,  Naumburg  Ober  Pegau,  4S  Kilometer,  zwei  Drittel  nicht 
chaussierte  Wege.  Tatsächlich  langten  sie  am  21.  spät  nachmittags  ein. 

’)  K.  A..  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X. 

’)  Siehe  Seite  3i)3. 

*)  Da  die  Infanterie  des  Korps  schon  sehr  gelitten  hatte,  wurden 
in  Merseburg  vier  Batterien  znrückgelassen,  da  Yorck  fand,  daß  er  zu- 
viel Geschütz  für  seine  schwache  Infanterie  hatte.  iFriederich,  Herbst- 
fcldzug  1813,  III,  212.) 

Hitteilnngen  deg  k.  und  k.  Krieggarohivg.  Dritte  Folge.  Itt.  Bii.  26 


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402 


Kerohnawe. 


Lorbeeren  gepflückt  hatte,  eingetroffen,  erhielt  Yorck  die 
Kleidung,  daü  der  Gegner  in  starken  Kolonnen  Freyburg  zu 
erreichen  trachte.  Seine  persönliche  Erkundung  ergab,  dalJ 
eine  Kolonne  aller  Waffen  in  geordnetem  Zustand  Uber 
Markröhlitz,  eine  zweite  längs  der  Saale  auf  Freyburg  mar- 
schiere — wahrscheinlich  das  Korps  Bertrand  — starke 
Kavallerie,  vermutlich  L’Heritiör  oder  Sebastiani,  hielt  bei 
Reichartswerben. 

Y’orck  hell  die  Reservekavallerie  gegen  Reichartswerben 
antraben  und  zog  die  reitenden  Batterien  vor.  Der  Gegner 
entwickelte  nicht  nur  die  bei  Reichartswerben  stehende  Ka- 
vallerie, sondern  auch  die  auf  Freyburg  marschierende  Kolonne 
entwickelte  starke  Infanterie  und  Kavallerie  in  der  Richtung 
des  drohenden  Angriffes,  so  daß  Yorck  angesichts  der  feind- 
lichen Überlegenheit  vom  Angritr  abstand  und  nach  längerem 
Artilleriekampf  auf  Kayna  abzog.  Die  Division  Horn  seines 
Korps  war  bis  Frankleben  gelangt,  die  Division  Hünerbein 
— statt  der  Division  Horn  zu  folgen  — irrtümlicherweise  nach 
Lauchstädt  marschiert. 

Da  es  Yorck  nach  den  im  Laufe  des  20.  einlangenden 
Meldungen  ungewiß  schien,  ob  der  Gegner  im  Laufe  des 
nächsten  Tages  bei  Freyburg  oder  Laucha  die  Unstrut  über- 
schreiten würde  oder  an  beiden  Orten  zugleich,  wollte  er, 
um  allen  Eventualitäten  Rechnung  zu  tragen,  am  21.  gegen 
beide  Punkte  vergehen. 

Gegen  Laucha  sollte  ein  Detachement*)  unter  Oberst 
Graf  He  11  ekel  von  Donners  mark  vergehen,  das  Gros  des 
Korps  unter  Yorcks  jiersönlichem  Kommando  aber  Freyburg 
angreifen  und  hiezu  mit  den  beiden  Infanteriedivisionen  um 
7 Uhr  früh  bei  Petzkendorf,  mit  der  Reservekavallerie  bei 
Bedra  bereitstehen. 

Diese  Anordnungen  der  beiden  Gegner  mußten  am 
21.  Oktober  notwendigerweise  zu  größeren  Zusammenstößen 
in  der  Gegend  von  Köseii  und  Freyburg  führen,  Zusammen- 
stöße, deren  Au.sgang  eventuell  für  Napoleons  Heer  ver- 
hängnisvoll werden  konnte.  Vor  der  Schilderung  dieser 

*)  4^/4  preußische  Linien-,  2 Landwehrbataillone,  das  öster- 
reichische 2.  Jägerbataillon,  14  (inklusive  Jägerdelachements)  Eskadronen, 
2 Batterien. 


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Von  Leipzig  bis  Krfurt. 


403 


Gefechte  ist  es  aber  notwendig,  jene  Vorfälle  zu  betrachten, 
welche  sich  hinter  der  Front  der  zur  V’erfolgung  bestimmten 
Armeekörper,  bei  den  Gros  der  verbündeten  Armeen  abge- 
spielt hatten,  sowie  jene  Anordnungen  des  Armeeober- 
kommandos der  Verbündeten  zu  rekapitulieren,  welche  auf 
den  Gang  der  Ereignisse  von  Einfluß  waren. 

tiberblickt  man  die  Begebenheiten,  welche  sich  im  Laufe 
des  18.,  19.  und  20.  bei  den  zur  Verfolgung  bestimmten 
Anneeteilen  der  Verbündeten  und  bei  dem  der  Saale  zu- 
strebenden französischen  Heer  abspielten,  so  wird  man  nicht 
umhin  können,  zuzugeben,  daß  der  Zufall  hier  der  beste  Ver- 
bündete des  geschlagenen  Heeres  war  und  ihm  manche 
schwere  Krise  er.sparte. 

Zufälligerweise  übergab  PML.  Nostitz  den  ihn  und 
das  II.  Korps  zurückrufenden  Befehl  Schwarzenbergs  zur 
Weiterbeförderung  an  FZM.  Gyulai,  woraus  dieser  schloß, 
daß  wahrscheinlich  auch  das  III.  Korps  zurückgerufen  werde 
und  der  an  ihn  entsandte  Offizier  sich  wahrscheinlich  verritten 
habe,  weshalb  er,  gleichzeitig  beim  Oberkommando  anfragend, 
mit  seinem  Korps  und  der  Division  Liechtenstein  einstweilen 
bei  Pegau  verblieb. 

Offenbar  hatte  sich  nun  der  diese  Anfrage  überbringonde 
Offizier  wirklich  verritten'},  so  daß  der  gegen  3 Uhr  nach- 
mittags in  Pegau  eintreffende  Generalquartiermeister  GM. 
Langenau  sehr  verwundert  war,  das  Korps,  ,, welches  man 
im  Hauptquartier  schon  im  Marsche  nach  Naumburg  glaubte-;”, 
noch  bei  Pegau  anzutreffen.  Als  das  Korps  dann  um  4 Uhr 
nachmittags  wirklich  abmarschierte,  hinderte  es  ein  neuer 
Zufall,  die  Kolonneukreuzung  mit  Plato  ws  Kosaken  beiDober- 
gast,  bis  Zinn  Einbruch  der  Dunkelheit  am  AVeitermarsch. 
Diese  Umstände  im  Verein  mit  dem  Iirereiten  des  Offiziers, 
welcher  Thielemanns  Aufforderung  zu  einer  gemeinsamen 
Unternehmung  auf  AVeißeufels  überbrachte,  bewahrten  die 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptannee,  X,  471  und  Gyulai,  XIII,  220, 
Die  Anfrage  Gyulais  wurde  um  8 Uhr  expediert.  Die  Eutfernung 
Pegau— Probstheida  und  zurück  beträgt  über  Rötha  etwa  44  bis  45  Kilo- 
meter. Also  hätte  bereits  um  1 Uhr,  spätestens  2 Uhr  eine  Antwort 
zurück  sein  können. 

•)  Ebenda,  Hauptarmee,  X,  479. 

26* 


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404 


K e r o h n H w e. 


französische  Armee  vor  dem  Schlage,  daß  dieser  wichtige 
Punkt,  der  letzte  freie  Übergang  über  die  Saale,  am  Morgen 
des  20.  in  die  Hände  der  Verbündeten  fiel.  Zwar  kann  mar. 
mit  größter  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  daß  Napoleon 
sich  hier  ebenso  den  Durchgang  erzwungen  hatte,  wie  zehn 
Tage  später  durch  die  viel  stärkere  Armee  Wredes  bei 
Hanau,  daß  er  dem  Korps  Gyulai,  falls  es  ihm  standhielt, 
schwere  Verluste  beigebracht,  daß  sein  Genie  Mittel  und 
Wege  gefunden  hätte,  schließlich  doch  über  die  Saale  zu 
kommen  — aber  ein  kostbarer  Tag  wäre  verloren  gegangen 
und  mit  dem  verlorenen  Tage  w'äre  vielleicht  das  Schicksal 
der  Armee  besiegelt  gewesen,  denn  in  den  Tagen  von  Leipzig 
bis  Erfurt  handelte  es  sich  oft  um  viel  weniger  als  einen 
Tag,  oft  nur  um  einige  Stunden. 

Weniger  in  das  Gebiet  des  Zufalls  gehört  es,  daß  es 
Gyulai  nicht  möglich  wurde,  seine  Idee,  am  21.  über  Naum- 
burg gegen  Freyburg  vorzustoßen,  zu  verwirklichen.  Hier 
hätte  es  einer  sehr  vordenkenden  Disponierung  der  österreichi- 
schen Pontoniere  und  Pioniere  bedimfl,  um  dieser  Absicht 
gerecht  werden  zu  können.  Andererseits  tvird  man  Gyulai 
die  Anerkennung  nicht  versagen  dürfen,  daß  er  — das  Stehen- 
bleiben und  Warten  auf  einen  neuen  Befehl  ausgenommen  — 
mit  großer  Umsicht  und  Energie  an  die  Ausführung  seiner 
Aufgabe  schritt,  als  er  sie  einmal  erfaßt  hatte  imd  über  die 
Absichten  des  Oberkommandos  im  klaren  war. 

Ein  trotz  des  Verweises  des  Kaisers  an  Bertrand  für  die 
Franzosen  günstiger  Zufall  war  es  terner,  daß  Bertrand  am  20. 
morgens  statt  über  Naumburg,  über  Freyburg  nach  Kosen 
marschierte  und  Freyburg  1)esetzte.  Wäre  Yorck  bei  seinem 
Vorgehen  mit  der  Reservekavallerie  nicht  auf  die  intakten 
Kräfte  Bertrands  und  L’Heritiers  gestoßen,  so  hätte  er  nicht 
nur  die  Verbindung  nach  Freyburg  unterbrechen,  den  dortigen 
Übergang  zerstören  können,  das  Erscheinen  der  preußischen 
Reiter  am  linken  Saalenfer  bei  Weißenfels  wäre  auch  gewiß 
geeignet  gewesen,  hier  große  Verwirrung  hervorzurufen. 

Auch  daß  Yorck  so  spät  den  Ausgang  des  Angriffes  auf 
Leipzig  erfuhr,  daß  die  Division  Hünerbein  am  20.  irrtüm- 
licheitveise,  statt  der  Division  Horn  zu  folgen,  auf  Lauchstädt 
marschierte,  sind  Zufälle,  die  dem  Gegner  zum  Vorteil  gereichten. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


405 


Mußnalmien  des  Oberkommandos  der  Terbiindeteu  Armeen 
am  11).  und  20.  Oktober.  Ereignisse  bei  den  (Jros. 

Leipzig  war  in  den  ersten  Nachmittagsstunden  des 
19.  Oktober  nach  hartem  Kampfe  in  die  Hände  der  verbün- 
deten Truppen  gefallen.  Ein  Teil  der  unter  Macdonalds 
Befehlen  die  Nachhut  bildenden  Truppen  war  hiebei  infolge 
vorzeitiger  Sprengung  der  steinernen  Pleißebrücke  und  mangels 
sonstiger  Übergänge  über  diesen  Fluß  gefungengenommen 
worden.  In  den  Straßen  Leipzigs  schoben  sich  Truppen  aller 
vier  verbündeten  Armeen,  übergegangene  sächsische,  gefangene 
französische  Truppen,  Bagagen,  Trains,  wirr  durcheinander 
und  mitten  in  diesem  Trubel  hielten  die  verbündeten  Mon- 
archen und  ihre  Feldherren  unter  Glockengeläute  und  Jubel- 
nifeu  ihren  Einzug  in  die  mit  so  schweren  Opfern  genom- 
mene Stadt.  Es  wäre  nicht  unbegreiflich  gewesen,  wenn  in 
diesem  Jubel,  den  der  endliche  Sieg,  die  Überwindung  des 
seit  Jahren  auf  den  Völkern  Europas  lastenden  Druckes  her- 
vorgerufen hatte,  vergessen  worden  wäre,  den  ebenso  schwer 
errungenen  Sieg  auszunützen,  die  Früchte  des  Erfolges  ein- 
zuheimsen. Aber  mitten  durch  all  die  Wirren  hatten  sich 
Jäger-  und  Infanterieabteilungen  der  schlesischen,  der  Nord- 
und  der  Hauptarmee  zur  Pleiße  Bahn  gebrochen  und  während 
in  der  befreiten  Stadt  die  Glocken  klangen,  knallten  in  den 
Weidenbüschen  an  der  Pleiße  die  Büchsen  und  Stutzen  der 
russischen,  österreichischen  und  preußischen  Jäger  und  Füsi- 
liere, versuchten  es  kühne  Soldaten  aus  Bäumen,  Brettern 
und  Strauchwerk  Stege  herzustellen  und  so  dem  Feinde 
nachzusetzen.  Aber  die  in  fester  Haltung  hinter  der  Elster 
bei  Lindenau  stehenden  zwei  Divisionen  junger  Garde  unter 
dem  schlachtenerprobten  Marsohall  Oudinot  geboten  allen 
derartigen  A’ersuchen  bald  halt.  Hier  war  nur  durchzudringen, 
bis  aus  dem  Chaos  in  Leipzig  sich  geordnete  Kolonnen 
lösten  und  an  der  Stelle  des  Tatendurstes  einzelner  sieges- 
trunkener Abteilungen  die  Verfolgung  übernahmen.  Dies  war 
aber  nicht  so  leicht.  Es  bedurfte  des  ganzen  Nachmittags 
des  19.  Oktober  um  die  Verbände  einigermaßen  zu  ordnen. 

Daß  FM.  Fürst  Schwarzenberg  für  den  Kampf  am 
19.  sich  noch  zahlreiche  und  starke  lleserven  sichern  wollte, 


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406 


Kerchnawe. 


mag  imnierhm  vorsichtig  gewesen  sein  — jedenfalls  ist  es 
menschlich  begreiflich.  Galt  es  doch,  vorerst  noch  sich  den 
Sieg  zu  sichern  und  dann  erst  ihn  auszunützen.  Bei  einem 
Napoleon  als  Gegner  konnte  man  auch  Unerwartetes  für 
möglich  halten,  Rückschläge  irgendwelcher  Art  waren  nicht 
ganz  ausgeschlossen  — auch  gingen  die  französischen  Vor- 
truppen südlich  Leipzig  erst  vor  den  Angritfskolonnen  der 
Verbündeten  zurück,  was  hinter  diesen  Vortruppen  noch  alles 
in  oder  unmittelbar  hinter  Leipzig  sei,  konnte  mit  Sicherheit 
nicht  festgestellt  werden. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  ist  der  Befehl  an  die 
F.ML.  Nostitz  und  Lederer  begreiflich.  Aber  noch  ein  anderes 
Motiv  mag  mitgesprochen  haben. 

Es  war  nicht  ausgeschlossen,  dal3  Napoleon,  bei 
Leipzig  gedrängt,  auch  einen  Durchbruch  in  südlicher  Rich- 
tung über  Knauthain,  vielleicht  auch  über  Zwenkau  auf 
Pegau  oder  Zeitz  versuchte  und  von  dort  aus  entweder  die 
Richtung  auf  Naumburg  nahm  oder  aber,  was  allerdings  un- 
wahrscheinlicher war,  in  der  Richtung  auf  Jena  zu  entkommen 
trachtete.  Am  linken  Elsterufer  standen  aber  nach  Gyulais 
Abmarsch  nach  Naumburg  — und  Schwarzenberg  vermutete 
ihn  ja  am  19.  vormittags  am  Wege  dorthin  — gar  keine 
Truppen,  bei  Connewitz  nur  ein  schwaches,  vom  II.  Korps 
dort  zurückgelassenes  Detachement '). 

Das  II.  Korjis  und  die  Kavalleriereserve,  in  der  Gegend 
von  Pegau,  Groitzsch,  Zwenkau  zur  Verfügung  des  Annee- 
oberkonnnandos  bereitstehend,  bildeten  nun  eine  sehr  zweck- 
mäßig postierte  Gruppe,  um  derartigen  Versuchen  Napoleons 
entgegenzutreten  und  dabei  waren  diese  beiden  Heereskörper 
doch  in  der  Lage,  falls  eine  derartige  Verwendung  sich  als  nicht 
notwendig  erweisen  würde,  dem  Korps  Gyulai  nachzufolgen. 
Allerdings  war  die  Hauptarmee  stark  genug  um  andere 
Gruppen  zu  diesem  Zwecke  bei  Pegau —Groitzsch  bereitzu- 
stellen,  besonders  war  ihre  zahlreiche  Kavallerie  beim  Sturme 
auf  Leipzig  nahezu  ganz  überflüssig  und  hätte  an  Stelle  der 
österreichischen  Kavalleriereservc  treten  können  — aber 


')  2 Biitttülone,  Eskadron,  Vi  Batterie.  (K.  F.  A.  1813, 
Meerveldt,  X, 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


407 


darüber,  ob  FM.  Fürst  Schwarzenberg  keine  Truppen  mehr 
bei  Leipzig  entbehren  zu  können  glaubte,  laßt  sich  heute 
nur  schwer  rechten  und  was  die  Verwendung  der  russisch- 
preußischen  Kavalleriereserve  an  Stelle  der  österreichischen 
betrifft,  so  hatte  Kaiser  Alexander  sie  ja  sogar  zur  Ver- 
folgung designiert '),  wie  aber  der  Feldmarschall  richtig 
geahnt*),  war  dann  am  19.  Oktober  keine  einzige  Schwadron 
dieser  Reitermasse  wirklich  erschienen. 

So  waren  denn  im  Laufe  des  19.  Oktober  keine  weiteren 
Truppen  mehr  für  die  Verfolgung,  beziehungsweise  für  die 
Verstärkung  Gyulais  und  Yorcks  verfügbar  geworden.  Die 
Truppen  aller  drei  Armeen  lagerten  nach  Ordnung  ihrer 
Verbände  in  und  um  Leipzig. 

Nur  das  Gros  der  Kavallerie  der  schlesischen  Armee 
unter  Wassilitschkoff  sowie  jene  des  Detachements  Kreutz*) 
der  Reserveaimee  hatten  die  Elster  in  den  späteren  Nach- 
mittagsstunden schwimmend  übersetzt  und  waren  Oudinot 
auf  Miltitz  gefolgt.  Am  Abend  hatte  auch  die  26.  Infanterie- 
division der  Reservearmee  die  Elster  auf  einer  leichten  Kriegs- 
brücke überschritten  und  bei  Lindeuau  Lager  bezogen. 

Das  große  Hauptquartier  begab  sich  nach  Bötha  zurück, 
wo  die  Disposition  für  die  nächstfolgenden  drei  Tage  ausgegeben 
wurde*).  Bevor  FM.  Fürst  Schwarzenberg  den  Kampfplatz 
verließ,  hatte  er  in  einer  kurzen  Besprechung  mit  den  Führern 
der  anderen  Armeen  diese  über  die  Grundzüge  der  von  ihm 
beabsichtigten  und  von  Kaiser  Alexander  bereits  gutge- 
heißenen Verfolgungsoperation*)  orientiert  und  auch  bei  ihnen 
Zustimmung  gefunden. 

Es  läßt  sich  leider  nicht  mehr  feststellen,  ob  Blücher 
gleichzeitig  mit  der  Aufgabe,  die  französische  Armee  im 
allgemeinen  im  Norden  zu  kotoyieren,  den  Befehl  erhielt, 
hiezu  am  20.  die  Elster  und  Luppe  zu  übersetzen  und  dann 

')  Siehe  Seite  361,  Anmerkung  3. 

’)  Ebenda. 

*>  1 Ulanen-,  1 Kosakenregiment,  zu.sammen  etwa  lOOO  bis 
I2IX)  Heiter,  2 oder  4 reitende  Geschütze.  (Siehe  auch  Anhang  la.) 

*)  Siehe  Anhang  II. 

Siehe  Seite  3S1. 


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40H 


Kerobnawe. 


die  Richtung  auf  WeiÜenfels  zu  nehmen,  oder  ob  ihm  die  Art 
der  Durchführung  seiner  Aufgabe  überlassen  blieb.  Das  Konzept 
eines  diesbezüglichen  Befehles  ist  weder  in  den  Akten  des 
Wiener  Kriegsarchivs  vorhanden,  noch  die  Absendung  eines 
solchen  in  den  Journalen  vermerkt,  noch  der  Befehl  selbst 
in  den  Akten  des  Berliner  Kriegsarchivs  aulündbar'). 

Wenn  ein  solcher  Befehl  gegeben  wurde,  konnte  er 
daher  nur  mündlich  gegeben  worden  sein.  Sehr  wahrschein- 
lich ist  die  Erteilung  eines  solchen  strikten  Befehles  aber 
überhaupt  nicht,  wenn  man  die  ganze  bisherige  und  folgende 
Art  der  Befehlsgebung  Schwarzenbergs  an  die  Führerder 
anderen  Armeen  in  Betracht  zieht,  welche  immer  sich  in 
allgemeinen  Linien  betvegte,  diese  Führer  immer  mehr  als 
Gleichgestellte  denn  als  Untergebene  behandelte.  Sollte  hier 
ausjiahmsweise  von  der  bisherigen  Gepflogenheit  abgegangen 
worden  sein,  so  war  das  entschieden  sehr  bedauerlich,  denn 
die  Anwesenheit  des  schneidigen  greisen  Führers  der  schlesi- 
schen Armee,  die  Anwesenheit  des  Gros  dieser  Armee  während 
der  folgenden  Tage  am  linken  Saaleufer  statt  am  rechten, 
hätten  der  ganzen  Verfolgungsoperation,  besonders  aber  dem 
Treflen  bei  Frey  bürg,  ein  ganz  anderes,  entscheidendere.s  Ge- 
präge gegeben. 

Die  für  die  Hauptarmee  selb.st  bestimmte  Disposition 
„auf  den  20.  bis  22.  Oktober*)”  plante  deren  Vorrückung  in 
zwei  großen  Kolonnen  in  der  allgemeinen  Direktion  auf 
Erfurt. 

Die  1.  Kolonne,  als  deren  Avantgarde  das  Korps  Gyiilai 
mit  der  Division  Moritz  Liechtenstein  luid  mit  der  österreichi- 
schen Kavalleriereserve  zu  gelten  hatte,  bestand  außer  aus 
diesen  Heoreskörpern  noch  aus  den  russisch -preußischen 
Garden,  dem  rassischen  Grenadierkorps,  der  ru.ssisch-preußi- 
schen  Kavalleriereserve  und  aus  den  Korps  AVittgensteins’' 
und  Kleists.  Das  Kommando  dieser  Kolonne  führte  General 
Barclay  de  Tollj’.  Sie  hatte  über  Pegau,  Teuchern,  Nauin- 

')  Mitteilung  Major  Friederichs. 

’■  K.  A.,  F.  A.  FSld,  Hauptanuee,  X,  öl.Sa,  siebe  auch  Anhang  H- 
2.  und  4.  lussisches  Iniauteriekorps,  kombiniertes  Kavallerie- 
korj>s  l’ahlen,  alles  zusammen  höcbstens  noeb  12.(K)0  Monn,  80  Geschütze. 


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Von  Lcipsiß  bia  Erfurt,  400 

bürg;  Eckartsberga,  Büttstedt,  Buttelstedt  zu  rücken.  Die 
Marschziele  waren  den  einzelnen  Korps  für  jeden  Tag  zu- 
gewiesen ‘). 

Die  2.,  aus  allen  übrigen  österreichischen  Korps  bestehend*), 
hatte  über  Zeitz,  Eisenberg  auf  Jena  zu  rücken.  Das  Armee- 
hauptquartier marschierte  mit  dieser  Kolonne,  die  Armee- 
artilleriereserve hatte  ihr  über  Altenburg,  Gera.  Roda  auf 
Jena  zu  folgen. 

Noch  am  19.  abends  war  beim  Armeehauptquartier  eine 
von  Thielemann  um  2 Uhr  nachmittags  aus  Naumburg  ab- 
gesandte  Meldung  eingelangt,  welche  jener  von  ihm  an  Gyulai 
expedierten  konform  war  und  den  Feldniarschall  über  die 
Situation  beim  Feinde,  ja  sogar  über  dessen  Absichten  voll- 
kommen zutreffend  orientierte  ^).  Außerdem  beantragte  dieser 
rastlose  Parteigänger  ihn  ansehnlich  zu  verstärken  um  dem 
Gegner  alle  Verbindungen  unterbrechen  zu  können,  alle  Über- 
gänge auf  dessen  Rückzugslinie  zu  zerstören,  im  Anmarsch 
befindliche  Transporte  aufzuheben  etc. 

Auch  von  GM.  Scheither  trafen  Meldungen  ein,  w'elche 
dieNächtigungssituation  der  französischen  Armee  bis  auf  Details 
vollkommen  zutreffend  feststellten. 

Diese  Meldungen  veranlaßten  beim  Fürsten  Sch warzen- 
berg  keine  weiteren  Maßnahmen  als  die  bisher  getroffenen. 
Die  Absichten  Thielemanns  w’urden  zwar  gutgeheißen,  Ver- 
stärkungen ihm  jedoch  nicht  in  Aussicht  gestellt  *).  Gleichzeitig 
wurde  ihm  ein  Exemplar  der  Armeedisposition  übersandt  und 
auf  die  Nähe  Gyulais  und  Nostitz’  hingewiesen. 

')  Siehe  Anhang  II. 

*)  I.,  II.,  IV'.  Korps  und  Infanteriereservedivisionen  Bianchi  und 
VVeißenwolf. 

*)  Der  Gegner  rücke  in  der  allgemeinen  Direktion  auf  AVeitien- 
fela.  Die  dortigen  Brücken  worden  horgostellt,  die  hiezu  nötige  .Anzahl 
Eijuipagcn  — von  denen  einige  Pontons  von  Thieleraanns  Reitern  er- 
beutet worden  waren  — waren  bereits  dort  eingetroffon,  beziehungsweise 
im  Eintreffen  befindlich.  Auch  an  einer  Notbrücke  werde  gearbeitet.  Der 
Gegner  beabsichtige  daher  anscheinend  Rückzug  über  Freyburg.  Iii 
VVeißenfels  20.00U  bis  2Ö.000  Mann,  zur  Festhiiltung  dieses  Überganges 
und  jenes  von  Freyburg  bestimmt;  an  den  Befestigungen  in  Weißonfels 
wird  weiter  gearbeitet.  (K.  A..  F.  A.  181H,  Hauptarinee  X,  ffU  ad.) 

*)  K.  A.,  F.  A.  181H,  Hauptarinee,  X,  491. 


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410 


Kerchnawe» 


Es  ist  gewiß  bedauerlich,  daß  General  Thieleinaun 
die  erbetenen  Verstärkungen  — er  zählte  nur  mehr  1200  bis 
1300  Reiter  — nicht  zugesandt  wurden.  Thielemann  stand 
bei  Naumburg  nicht  nur  in  einem  Verhältnis,  welches  die 
Ausführung  seiner  Absicht  in  höchstem  Maße  begünstigte,  er 
war  auch  der  hiezu  befähigtste  von  allen  Reiterführem  der 
Hauptarmee,  entschieden  der  richtige  Mann  am  richtigen  Orte, 
dem  nur  die  Mittel  fehlten  hier  geradezu  Entscheidendes  zn 
leisten. 

So  gelangten  mit  Ausnahme  des  österreichischen  IV. 
Korps  alle  Teile  der  Hauptarmee  am  20.  im  großen  ganzen 
an  ihre  für  diesen  Tag  ihnen  befohlenen  Marschziele.  Die 
bei  der  Armee  Bennigsens  eingeteilt  gewesene, nunmehr  als 
Avantgarde  der  2.  Kolonne  bestimmte  Division  Bubna  war 
infolge  zahlreicher  Kolonnenkrouzungen  nur  bis  Predel — 
Reuden,  vom  Korps  Kleist  nur  die  Reservekavallerie  bis  an 
die  Elster  gelangt,  das  Gros  biwakierte  nördlich  Lucka. 

Das  österreichische  IV.  Korps  mußte  an  Stelle  der  Armee 
Bennigsens,  welche  vor  der  Nordarmee  aus  Leipzig  dem 
Feinde  in  der  Richtung  auf  Lützen  nachgerückt  war,  gegen 
Dresden  abmarschieren  und  gelangte  bis  Draschwitz. 

Platows  Kosaken,  welche  zahlreiche  Gefangene  aufge- 
griffen hatten,  streiften  zwischen  Mölsen,  Lützen  und  Weißenfels, 
nördlich  davon  stand  die  Avantgarde  der  Reservearmee  unter 
.Stroganoff ')  in  der  Gegend  von  Lützen,  welche  der  fran- 
zösischen Nachliut  auf  der  Markranstädter  Chaussee  nach- 
gerückt war  und  ebenfalls  zahlreiche  Versprengte,  Nachzügler 
aufgegriffen,  ferner  viele  Bagagen  erbeutet  hatte.  Hinter 
Stroganoff  war  die  Kavalleriedivision  Tschaplitz*)  der 

')  Bestand  der  Avantgarde:  12.  Infanteriedivision:  die  Eagi- 
monter  Smolen.sk,  Narwa,  Alexopol,  Neuingermanuland,  6.  und  41.  Jäger. 
12  Bataillone;  1 Brigade  der  13.  Division;  Regimenter  Saratow,  Pens*. 
.5  Bataillone,  Husarenregiment  1,  5 Eskadronen,  Baschkirenpulks  !)  und  14. 
2 fahrende  und  1 reitende  Batterien,  zusammen  16  Bataillone,  5 Eska- 
dronen, 3 Batterien,  mit  zirka  ll.UOO  Mann,  1400  Reitern,  36  Geschützen. 

’l  Kombiniertes  Dragonorregiment,  ö Eskadronen,  1.,  2.  reitendes 
Jägerregiment,  3 Eskadronen,  Claneuregimenter  Sibirien,  2 Eskadronen. 
Schitomir,  2 Eskadronen,  Taganrog,  4 Eskadronen,  zusammen  21  reguläre 
Eskadronen,  2 Kosaken-  und  Baschkirenregimenter,  zirka  3000  Reiter, 
1'/«  reitende  Batterie  mit  16  Geschützen. 


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V'on  Leipzig  bis  Erfurt. 


411 


Reservearmee  bis  Markranstädt  gelangt;  das  Gros  ')  der  Re- 
sers-earmee  lagerte  zwischen  Miltitz  und  Lindenau,  woselbst 
sich  auch  Bennigsens  Hauptquartier  befand. 

Das  Detachement  Kreutz  *)  der  Reservearmee  hatte  sich 
Saaleabwärts  gewendet,  war  bei  Dürrenberg  auf  das  linke 
Saaleufer  gegangen  und  bis  Eplitz  gelaugt.  Es  hatte  dem 
Feinde  800  Gefangene  abgenommen. 

Die  Nordarmee  war  in  Leipzig  geblieben. 

Das  Gros  der  schlesischen  Armee  liatte  die  Ellster  iind 
Lüppe  bei  Schkenditz  überschritten  und  war  in  der  Richtung 
auf  Lützen  vorgegangen. 

Die  Kavallerie  unter  Wassilitschkoff ’),  w'elche  von 
Miltitz  über  Markranstädt,  Lützen,  dem  Gegner  gefolgt  war, 
hatte  mit  der  feindlichen  Nachhut  mehrmals  unbedeutende 
Zusammenstöße  gehabt,  schließlich  auch  an  der  Rippach 
westlich  Lützen)  einen  unbedeutenden  Geschützkarapf  geführt. 
Sie  hatte  dem  Gegner  über  2000  Gefangene  abgenommen 
und  lagerte  westlich  Lützen.  Das  Hauptquartier  der  schlesi- 
schen Armee  befand  sich  ebenfalls  in  Lützen.  ^löglicherweise 
hat  das  Bestreben  Blüchers,  dom  Gegner  tunlichst  auf  den 
Fersen  zu  bleiben,  ihm  direkt  möglichst  Abbruch  zu  tun, 
ihn  verleitet,  auf  Lützen  zu  rücken  statt  auf  Merseburg,  falls 
ihm  diesbezüglich,  was  w'ohl  anzunehmen  ist,  Schwarzen- 
berg vollkommene  Freiheit  gelassen  hatte.  Hier  wäre  allerdings 
dem  Feinde  weit  größerer  Schaden  zugefügt  worden,  wenn 
Blücher  seinem  Drange  weniger  gefolgt  und  dafür  eines 
jener  „Manöver"  gemacht  hätte,  von  welchen  er  nicht  viel 
hielt.  Selbst  wenn  es  ihm  nicht  gelungen  wäre,  am  21.  bei 
Freyburg  auch  die  Korps  Längeren  und  Sacken  ins  Gefecht  zu 
bringen,  was  durchaus  nicht  unmöglich  gewesen  wäre,  seine 
Persönlichkeit  allein  war  schon  eine  Bürgschaft  dafür,  daß  hier 


■)  26.  Infanteriedivision : Die  Regimenter  Nischny  - Nowgorod. 
Ladogn,  I’oltawa,  Orel,  5.,  42.  Jäger;  1 Brigade  der  l.J.  Division:  Regiment 
Welikiluck,  Halicz,  zusammen  17  Bataillone,  1 Kosakenrogiment, 
7‘/i  Batterien,  zirka  10.000  bis  11.000  Manu.  600  Reiter,  90  Geschütze. 

’j  2.  ülanenregiinent,  4 Eskadronen,  1 Kosakenregiment,  1 Ba- 
tsdllon  und  4 Geschütze,  zirka  800  Reiter,  ,ö00  Mann,  4 Geschütze. 

’)  28 Eskadronen, 30 Sotnien (7  bei  Yorck  detaoliiert  , zirka 4500 Reiter 
mit  8 Geschützen.  (K.  A.  Berlin,  initgeteilt  durch  Major  Eriederich.j 


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412 


Kcrobnawe. 


Größeres  geleistet  und  erreicht  wurde,  als  dies  tatsächlich 
der  Fall  war. 

So  stand  am  Abend  des  20.  mir  die  Hauptarmee  in  jenem 
Verhältnis,  welches  dem  Bestreben,  ,,den  weichenden  Gegner 
in  der  Flanke  zu  kotoyieren”,  d.  h.  einer  Parallelverfolgung, 
einigermaßen  entsprach  •). 

Das  1'reffeii  von  Kosen. 

FZM.  Gyulai  hatte  seine  Absicht,  über  die  Saale  auf 
Frej’burg  vorzustoßen,  mangels  technischer  Truppen  aufgeben 
müssen.  Er  ordnete  im  Sinne  des  vom  Armeeoberkommando 
erhaltenen  neuen  Befehles,  „über  Kosen  auf  Eckartsberga  zu 
rücken*)'’,  den  Abmarsch  nach  Kosen  für  den  21.  Oktober,  7 Uhr 
früh,  in  zwei  Kolonnen  an,  deren  eine  unter  FML.  Crenne- 
ville  auf  der  Straße  über  Schulpforta,  die  andere  unter 
FML.  Moritz  Liechtenstein  auf  dem  über  die  südlichen  Tal- 
begleitungshöhen fülirenden  AVege  dorthin  abzurücken  hatte*). 

U .Siehe  Textskizze  P. 

’)  Siehe  Seite  401. 

’)  I.  Au.szug  aus  der  Di.sposition  des  III.  Korps  für  den 
21.  Oktober  IHlcI:  „Ks  werden  zwei  Kolonnen  formiert,  die  erste 
unter  den  Befehlen  des  FML.  Fürst  .Moritz  Liechtenstein,  bestehet 
nu.s  folgenden  Truppen:” 

.Als  Avantgarde  die  Kavallerieabteilang  des  Obersten  Graf 
Mensdorff,  1 Division  Vincent-Chevaulegers,  das  1 . Jagerbatoillon  und 
das  Broder  Bataillon.” 

„Das  Gros,  bestehend  aus  2 Divisionen  Vincent-,  3 Divisionen 
Kaisor-Cbevaulegers.  3 Kskadronen  Lovenehr-Dragoner;  die  Infanterie- 
division des  FML.  Fürsten  von  Hessen-Homburg.” 

.Die  zweite  Kolonne  unter  den  Befehlen  des  FML.  Grafen  Crenne- 
V i 1 1 e.” 

.Als  .\vantgarde  die  Abteilung  des  GL.  Baron  Thielemann, 
die  königl.  preußischen  Jäger  (Boltenstern).” 

„Das  Gros,  bestehend  aus  Rosenberg-Chevaulegers,  5 Eskadronen, 
die  Infanteriedivision  des  FML.  Murray,  1 Warasdiner  Bataillon  und 
■')  Eskadronen  Klenau-Chevaulegcr.s.” 

„Das  zweite  4Vara.sdincr  Bataillon  der  Division  des  FML.  Crenne- 
ville  besetzt  mit  vier  Kompagnien  die  Stadt  Xaumburg  und  mit  zwei 
Kompagiiien  die  Köscuer  Brücke.” 

.Die  Brigadebatterien  der  ersten  Kolonne  folgen  der  Division  des 
FML.  Murray  der  zweiten  Kolonne  und  teilen  sich  in  die  erste  Kolonne 
am  4'erein  der  AVege  ein,  welche  vorder  Köseuer  Brücke  nach  Freyburg 


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Von  Leiptig  bis  Erfurt 


413 


Aber  während  FZM.  Gyulai  noch  bei  Naumburg  die 
Einreihung  der  Truppen  in  die  Kolonne  persönlich  überwachte, 
ertönte  aus  der  Gegend  von  Kosen  heftiges  Geschützfeuor '). 

Von  der  rechten  Kolonne  war  erst  die  Vorhut-)  im 
Harsche,  von  der  linken  Kolonne  noch  nichts.  FZM.  Gyulai 
gab  der  als  Tetebrigade  der  Haupttruppe  bestimmten  Brigade 
Salius  den  Befehl,  unverzüglich,  regimenterweise,  wie  die 
Truppen  am  Aufbruchsort  anlangten,  mit  größter  Beschleunigung 
nach  Kosen  abzurücken,  ein  gleicher  Befehl  erging  an  die 
Vorhut  der  linken  Kolonne*).  Da  es  bereits  zirka  8 Uhr  vor- 
mittags war,  konnte  die  Infanterie  dieser  Truppen abteilungeu 
erst  gegen  halb  10  Uhr  vormittags  bei  Kosen  eintreffen. 

Hier  begann  indessen  die  Situation  bereits  sehr  kritisch 
zu  werden. 

Oberst  Veyder  hatte  den  Ort  Neukösen*)  mit  vier 
Kompagnien  vom  1.  Bataillon  Erzherzog  Ludwig  besetzt, 
das  um  6 Uhr  abends  des  Vortages  eingetroflene  7.  Jäger- 
hataillon  hatte  Vorposten  auf  die  Höhen  am  linken  Saaleufer 

führen,  nämlich  bei  Frankenau.  Die  Brigadebatterieu  der  zweiten 
Kolonne  folgen  ihren  respektiven  Brigaden  mit  Au.snahme  der  ersten 
Brigadobatterie,  die  eine  halbe  Batterie  nach  dem  ersten  linksstehenden 
Bataillon  der  Division  Murray  folgen  läßt.  Der  Abmar.sch  ist  links.  Die 
Stunde  des  Aufbruchs  für  die  .\vuntgarden  ist  so  einzuleiten,  daß  sie 
um  8 Uhr  an  der  Kösener  Brücke  eintreffen.  Das  (»ros  der  ersten  Ko- 
loöne  bricht  um  7 Uhr,  das  der  zweiten  Kolonne  um  eine  Stunde  später 
auf.  Diesem  folgt  die  Kavallcriedivisiou  des  FML.  Oralen  Nostitz.  Die 
(Munition.s-)Handreservo  folgt  dem  AVarasdiner  Bat.iillon,  die  Kessel 
und  Packpferde,  sowie  auch  alle  Bagagen  bleiben  bis  weiteren  Befehl 
diesseits  der  Kösener  Brücke  zurück."  (K.  A.,  F.  A.  1813.  Oyulai, 
X,  53'/..) 

-An  der  Kösener  Brücke  befanden  sich  bereits  seit  2Ü.  Oktober : 
4 Kompagnien  Erzherzog  Ludwig  der  Brigade  Salins,  1 Kompagnie 
AVarasdiner-Creuzer  der  Division  Crenneville,  das  7.  Jägerbatailloii, 
100  kommandierte  Reiter  und  4 dreipfündige  KavallcriegeschOtze  der 
Division  Moritz  Liechtenstein  unter  Kommando  des  Obersten  Freiherrn 
von  A'eyder  des  7.  Jägerbataillous. 

Bei  der  Fähre  von  .Altenburg  eine  Kompagnie  AVarasdiner-Creuzer 
von  der  Division  Crenneville  (Anmerkung  des  A'erfassers). 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIII,  220. 

*)  Streifkorps  Thielemann  und  Boltenstern. 

•)  Streifkorps  Mensdorlf  und  Gros  der  Division  Liochtonstein. 

*)  So  hieß  damals  der  am  linken  Saaleufer  gelegene  Ortsteil. 


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414 


Kerohnaw«. 


vorgeschoben,  die  Brücke  selbst  war  von  einer  Kompagnie 
Warasdiner-Creuzer  und  zwei  dreipfündigen  Geschützen  be- 
setzt, zwei  weitere  Dreipfünder  standen  am  Brückenende 
am  rechten  Saaleufer.  Eine  Kompagnie  Warasdiner-Creuzer 
stand  an  der  Fähre  bei  Altenburg  '). 

Bei  Beginn  der  Morgendämmerung  griffen  drei  bis  vier 
feindliche  Bataillone,  welche  sich  in  den  Waldjmrzellen  nörd- 
lich des  Vorwerkes  Frankenau  gesammelt  hatten,  den  rechten 
Flügel  von  Oberst  Veyders  Vorposten  an  und  warfen  diese 
auf  den  Ort  zurück.  Aber  die  Kompagnien  von  Erzherzog 
Ludwig  waren  bereits  auf  ihren  Posten.  Die  Häuser  an  der 
Ortslisiere  waren  zur  Verteidigung  eingerichtet,  die  Dächer 
mit  Schützen  besetzt,  welche  die  steil  abfallenden  Uferhöhen 
unter  Feuer  zu  nehmen  hatten.  So  kam  der  französische  An- 
griff bald  zum  Stehen. 

Aber  die  Franzosen  brachten  neue  Kräfte  ins  Gefecht. 
Auf  den  Höhen  am  linken  Saaleufer  fuhren  zahlreiche  Geschütze 
auf,  und  zwar  vornehmlich  zwölfpfüudige  und  Haubitzen.  Das 
Feuer  der  letzteren  erreichte  die  Brücke  und  setzte  den  Ort 
teilweise  in  Brand,  trotzdem  gelang  es  Oberst  Veyder,  der 
unermüdlich  stets  an  die  bedrohten  Stellen  eilte,  an  der  Spitze 
seiner  wieder  gesammelten  braven  .Jäger  und  von  Abteilungen 
vou  Erzherzog  Ludwig-Infanterie,  die  an  mehreren  Stellen  in 
den  Ort  eingedrungenen  Franzosen  immer  wieder  hinaus- 
zuwerfen. 

Bei  der  großen  Übermacht  des  Gegners  — ■ Bertrand 
konnte  nach  und  nach  im  ganzen  40,  allerdings  sehr  schwache 
Bataillone  ins  Gefecht  bringen  — war  aber  trotzdem  ohne 
Unterstützung  die  Wegnahme  von  Kösen  nur  mehr  eine  Frage 
weniger  Stunden. 

Die  erste  Unterstützung  brachten  die  Reiter  Thiele- 
manus  und  Mensdorffs  und  die  preußischen  Gardejäger 
Major  Boltensterns,  Die  Reiterei  stellte  sich  hinter  Kösen 
auf,  bereit,  den  etwa  aus  dem  Orte  vorbrechenden  Gegner 
sofort  zu  attackieren,  Thielemanns  Haubitzen*)  fuhren 

Siehe  Textskizze  7.  (Heute  befindet  sich  an  der  Stelle  dieser 
Filhre  eine  Brücke.) 

’)  2 russische  Kosaken einhörner,  2 österreichische  Kavallerie- 
hauhitzen. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


415 


auf  der  Höhe  südwestlich  Kosen  auf,  von  hier  das  Feuer  der 
Franzosen  erwidernd,  und  die  Jägorkompagnie  Boltensterns 
besetzte  das  hohe  Steilufer  südlich  Kosen,  von  hier  aus  alle 
Versuche  der  Franzosen,  von  Süden  aus')  in  den  Ort  ein- 
zndringen,  flankierend.  Auf  Oberst  Graf  Mensdorffs  Bat 
beteiligten  sich  auch  hier  jene  Husaren  und  freiwilligen  Jäger 
der  beiden  Streifkorps,  welche  über  gezogene  Karabiner  ver- 
fugten *}. 

Aber  diese  Unterstützung  sowie  jene  von  Teilen  der  bei 
Altenburg  stehenden  Grenzerkompagnie  konnten  auf  die  Dauer 
nicht  ausreichend  sein.  Endlich,  gegen  ein  viertel  10  Uhr  vor- 
mittags, während  den  Abteilungen  von  Erzherzog  Ludwig 
bereits  die  Munition  auszugehen  begann,  nahte  ausgiebige 
Hilfe.  Von  Alt-Flemmingen  aus  erschien  das  Gros  der  Division 
Liechtenstein  und  von  Schulpforta  unter  GM.  Salins’  persön- 
licher Führung  im  Sturmschritt  das  Regiment  Erzherzog 
Ludwig"),  welches  der  tapfere  General  sofort  über  die  Brücke 
führte  und  mit  demselben  sofort  in  das  Gefecht  eingrifi’, 
einen  neuen  Versuch  des  Gegners,  in  Kosen  einzudringen, 
hiebei  zurück  weisend. 

Von  den  beiden  Bataillonen  der  Division  Liechtenstein  *) 
entwickelte  sich  das  Grenzorbataillon  am  Steilufer  südlich 
Kosen  — wo  bereits  die  Gardejägerkompagnie  stand  — Teile 
desselben  gingen  auch  über  die  Brücke  nach  Neukösen  vor 
und  griifen  dort  in  das  Gefecht  ein,  das  1.  Jägerbataillon  be- 
setzte die  Büsche  am  rechten  Saaleufer  nördlich  Kösen,  von 
dort  aus  ein  lebhaftes  Tirailleurfeuer  auf  die  französischen 
Plänkler  am  gegenüberliegenden  Ufer  unterhaltend.  Eine  sechs- 
pfündige  Kavalleriebatterie  der  Division  Liechtenstein,  später 
auch  die  Brigadebatterie  der  Brigade  Salins,  fuhr  auf  der  Höhe 
östlich,  beziehungsweise  südöstlich  von  Kösen  auf,  ohne  jedoch 
das  Feuer  der  an  Zahl  und  Kaliber  überlegenen,  auf  dominierender 


')  Aus  der  Gegend,  wo  jetzt  der  Bahnhof  steht. 

•)  Per  österreichische  Eskadron  IG,  per  preußische  12  Reiter. 

’)  2.  und  3.  Bataillon,  2 Kompagnien  vom  1.  Bataillon  waren  bei 
der  Korpsartilleriereserve,  4 standen  bereits  in  Kösen. 

*;  1.  Bataillon  des  Broder  Grenzerregiments,  Rest  des  1.  Jägor- 
bataillons  (ein  Teil  desselben  war  am  18.  Oktober  gefangen  genommen 
worden). 


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416 


Kerohnawe. 


Höhe  ziemlich  gedeckt  stehenden  feindlichen  Artillerie  dämpfen 
zu  können.  Immerhin  waren  durch  diese  Maßnahmen  die  Ver- 
teidiger Neukösens  gegen  Umfassungen  ziemlich  gesichert. 

In  Neukösen  selbst  beschränkte  sich  GM.  Salins  nicht 
auf  die  reine  Abwehr ; er  hatte  das  3.  Bataillon  Erzherzog 
Ludwig,  statt  des  1.,  welchem  bereits  die  Munition  auszu- 
gehen begann,  in  die  vordere  Linie  gezogen,  eine  Kompagnie 
wurde  an  eine  am  Fuße  des  Berges  gelegene  Mauer  vor- 
geschoben, das  2.  Bataillon  verlängerte  mit  3 Kompagnien 
links  die  Feuerlinie  des  3.  Bataillons.  Der  Best  des  2.  Batail- 
lons stand  hinter  dem  linken,  das  gesammelte  1.  Bataillon 
hinter  dem  rechten  Flügel  als  Reserve,  die  Jäger  waren  in 
der  ersten  Linie  verblieben,  untermischt  mit  Abteilungen  des 
Regiments  Erzherzog  Ludwig.  Das  mittlerweile  eingetrotlene 
Regiment  Großherzog  von  Würzburg  nahm  am  rechten 
Saaleufer,  in  der  Nähe  der  Brücke  Stellung. 

Verschiedenen  Vorstößen  dos  3.  Bataillons  Erzherzog 
Ludwig  gelang  es,  die  feindlichen  Tirailleurs  gänzlich  auf  die 
Höhen  zurückzudrängen,  auch  das  am  linken  Flügel  vor- 
geliende  halbe  2.  Bataillon  säuberte  die  vorliegenden  Gräben 
und  Ravins  vom  Gegner.  GM.  Salins  ließ  nun,  einerseits 
um  den  Umfassungsversnchen  der  Franzosen  ein  Ziel  zu 
setzen,  andererseits  deren  rechten  Flügel  selbst  zu  bedrohen, 
den  Rest  des  2.  Bataillons  unter  Hauptmann  Peter  in  den 
gegen  das  Südende  von  Kösen  sich  herabziehenden,  tief  ein- 
ge.schnittenen  Talgraben  auf  die  Höhe  Vorgehen.  Da  der 
Gegner  diesem  Talgraben  keine  Beachtung  geschenkt  hatte, 
gelang  es  Hauptmann  Peter,  ohne  von  den  Franzosen  be- 
merkt zu  werden,  die  Höhe  zu  erreichen  und  von  dort  den 
rechten  Flügel  der  feindlichen  Feuerlinie  überraschend  in  die 
Flanke  zu  nehmen  *). 

Aber  General  Bertrand  trat  dieser  Umfassung  sofort 
entgegen.  Drei  oder  vier*)  hinter  dem  rechten  Flügel  in 
Reserve  gestandene  Bataillone  gingen  sofort  unter  großem 

')  K.  A.,  t'.  A.  lyl3,  Hauptarmec,  X.  752;  K.  A.,  F.  A.  181.3. 
(jvnliii,  X,  53  und  XIII,  220. 

’)  „.3  Bataillone,”  sagt  GM.  Salins  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai, 
X,  53i,  „ein  starker  Haufe.”  Das  Operationsjournal  (K.  A.,  F.  A.  1813, 
Gyulai,  XllI,  220\ 


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Legende: 


Franzosen 


1 i»ivimonpn  Morand  Hat.i,  Kn»n-  , 

qin*nmnt  ( \Vürtlt*ml»tTj;t*r  Hat 
(fuilleminot  ^11  lUt.*  und  1 h«\- 
Kompa;riiie. 

xU'Cimmen  27  ‘ r,  Bataillone  mit  etwa  i 
ö -tiOOO  Mann. 

2 zirka  20  Kanonen. 

3 zirka  12  - lö  Ilatibitzen  nnd  schwere 

Oesrhatze.  i 


4  Marsrhall  Uertrand 
6 2 K.^kadn-nen. 

6 lh\  i.siiin  l'iMitanelli  Italiener)  18  Bat , 

zirka  27n0  8000  Mann. 

7 Icile  V'«n  I.et'el)\  rc-I)esn<melte>.  vor- 

itelinilich  t.  Oarde-(  li«*v. -lancier* 
und  Khreii|!arden,  zirka  I2u0  M 

8 zirka  8000  Heiter 


Verbündete 


a 'von  recht.s  nach  linkst  III.  FM.  Lnd- 
w'i«;.  7.  JäiTor.  ’ ^ I.  Want^diner- 
(’reuzer.  1.,  II.  FH,  Hudwiii. 
b F'/jM  (iynlai  führt  das  Hejimeiit 
Wurzburg  (8  Bat.)  zum  tiegen- 
an^riff. 

C l.  .Ikgerbataillon. 

d (von  rechts  nach  links)  I.  Hrodor. 
I Kompairnie  j)reuÖischo  (iarde- 
jftger  iHoltenstern». 
e 1 Kavalloriohatteric*  der  Division 
Liechtenstein,  1 Hritradebatterie 
der  Hriirade  S^ilins.  1-12-tl  -Batterie 
der  Korpsgcschlilzresei VC  (^20  tie- 
si’hütze). 

f Brigade  Orinimer  (5  Bat.), 
g , C.sollic'h  (8  Hat.V 

h . Weigel  (4  Bat.i,  eines  im 

Marsche  nach  Kl.-IlerinL'cn. 
i I-l2-1t-und  l-b-tfe -Batterie  der 
Korpsueschützreserve 


k (iros  der  Division  CnMjneville  M Bat 
1 ' 

I \Vara-<diner  - St.  Ucorger.  h Esk 

j 12  detai  liiert]  Rosenherg-. 

I [2  detachiert)  Klenau-Oiev.,». 

\ KML.  Murniy 
m FML.  ( renneville. 
n Detachernenl  (zirka  100  Heiter)  der 
Division  I,icrhteii'?tein. 

0 von  der  Divi^ion  Oeniieville 
t P.  8'  osterr.  detachiert'.  4*  j pretiö. 
, Eskadronen,  2 Kosakenrcgiujeijter 

4 Haubitzen. 

q 8 iKterr  E.'k..  2 Kosakenn*g 
r t)  L.*k.  Viiicent'Cliev..  t>  t>k.  Kaiser 
Om-v..  4 Ksk.  Levenebi -Dragoner 
I 1 Kaudleriebatterie,  . 7 Jager- 

hataillon.  Brosier  Granzer  oud 
I Kavaileriebatterie  bei  Ko»erj  im 
• »etccl.l:  2 Jägerbaf.  Ikmid  Korp- 
Vorcki. 


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Von  Leipsig  bU  Erfart. 


417 


Geschrei  gegen  den  linken  Flügel  von  Hauptmann  Peters 
Abteilungen  vor,  die  Artillerie  richtete  ihr  Feuer  auf  dieselben 
und  auf  Kosen  und  alsbald  war  das  2.  Bataillon  Erzherzog 
Ludwig  auf  Kosen  zurückgeworfen. 

Unglücklicherweise  wurde  auf  dem  zunächst  stehenden 
linken  Flügel  des  3.  Bataillons  gerade  die  Munition  ersetzt, 
und  so  gelang  es  den  Franzosen  gleichzeitig  mit  den  zurück- 
weichenden Abteilungen  des  2.  Bataillons  in  Kosen  einzu- 
dringen und  einzelne  Abteilungen  bis  an  die  Brücke  zurück- 
zutreiben. 

Hier  aber  ließ  der  Kommandant  von  Erzherzog  Ludwig, 
Oberst  von  Sagburg,  das  in  Reserve  stehende,  gesammelte 
1.  Bataillon  das  Bajonett  fällen  und  führte  es  im  Sturm- 
schritt den  Weichenden  und  den  Verfolgern  entgegen,  auch 
der  unermüdliche,  bereits  durch  zwei  Prellschüsse  verletzte 
Oberst  Veyder  warf  sich  mit  seinen  braven  Jägern  auf  die 
Eingedrungenen,  während  sich  FZM.  Gyulai  persönlich 
an  die  Spitze  des  Tetebataillons  von  dem  in  Reserve  am 
rechten  Ufer  stehenden  Regiment  Würzburg  setzte  und  im 
Verein  mit  dem  Regimentskommandanten,  Oberst  von  Demon- 
tant,  das  Regiment  in  dichtaufgeschlossener  Kolonne,  trotz  des 
heftigen  Haubitzfeuers  der  Franzosen,  über  die  Brücke  führte. 

Das  Eingreifen  des  Regiments  Würzburg  stellte  nicht 
nur  das  Gefecht  wieder  her,  die  Franzosen  wurden  sogar 
wieder  ganz  auf  die  Höhen  zurückgetrieben.  Am  rechten 
Flügel  hatten  sich  Abteilungen  beider  Regimenter  im  toten 
Winkel  am  Fuße  der  Höhen  gesammelt  *)  und  begannen  nun, 
trotzdem  ihre  Offiziere  sie  von  dem  aussichtslosen  Unter- 
nehmen abzumahnen  versuchten,  im  Verfolgungseifer  diese 
Höhen  an  den  wenigen  gangbaren  Stellen  zu  ersteigen  *). 
Trotz  heftigen  Feuers  und  Herabrollen  von  Steinen  und 
Felsstücken  gelangten  einzelne  kleine  Häuflein  bis  nahezu  an 
die  Grete,  wurden  aber  hier  mit  dem  Bajonett  zurückgetrieben, 
getötet  oder  gefangen  ®). 

')  Die  Talbegleitungsliöhen  setzen  hier  mit  100  bis  130  Meter 
hohen,  60-  bis  70  gradigen  Felswänden  zur  Talsohle  ab  ; nur  in  einzelnen 
40gradigen  Rinnen  ist  hier  eine  Ersteigung  möglich. 

•)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmoe,  X,  752  und  Gyulai,  XIII,  220. 

*)  Ebenda. 

Mitteilungen  des  k.  und  k.  Kriegsarchivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  27 


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.418 


Kerobnawe» 


Zwisclien  etwa  1 und  2 Uhr  nachmittags  war  das  Ge- 
fecht wieder  allenthalben  zum  Stehen  gekommen.  Die  Franzosen 
stellten  ihre  Angriflsversuehe  ein,  aber  auch  FZM.  Gyulai 
untersagte,  die  Unmöglichkeit  einsehend,  die  Höhen  frontal 
zu  ersteigen  solange  sie  der  Gegner  besetzt  hielt,  jeden 
weiteren  Angriff.  Das  2.  und  .S.  Bataillon  Erzherzog  Ludwig, 
2 Bataillone  Grollherzog  von  Würzburg  und  das  7.  Jiiger- 
bataillon  verblieben  in  erster  Linie,  ein  Bataillon  Würzburg 
stand  im  Orte,  das  1.  Bataillon  Erzherzog  Ludwig  unmittelbar 
an  der  Brücke  am  rechten  Saaleufer  als  Reserve. 

Bei  den  Batterien  östlich  Kosen  war  auch  noch  eine  von 
der  Korpsartilleriereserve  vorgezogene  zwölfpfündige  Batterie 
in  Stellung  gegangen. 

Im  Laufe  des  Vormittags  waren  bei  Kösen  und  Alt- 
Flemmingen  auch  alle  übrigen  Teile  des  III.  Korps  ange- 
kommen. 

Während  der  hier  geschilderten  Vorgänge  war  das 
Gros  des  Korps  im  Raume  zwischen  Kösen  und  Schulpforta 
eingetroffen,  nur  1 Eskadron  und  1 Bataillon  der  Division 
Crenneville  waren  zur  Besetzung  Naumburgs  und  der  dortigen 
Übergangsstellen  zurückgeblieben. 

Die  Brigade  Grimmer  (5  Bataillone)  stellte  sich  als 
Soutien  für  die  Brigade  Salins  hinter  der  Höhe  östlich  Kösen 
gedeckt  in  Bataillonsmassen  in  zwei  Treffen  auf,  in  der  etwa 
1800  Schritte  weiter  östlich  befindliche  Mulde  die  Brigade 
Csollich  (.0  Bataillone)  rechts,  die  Brigade  Weigel  (4  Batail- 
lone) links,  ebenfalls  in  Bataillonsmassen  in  zwei  Treffen  ‘). 

Ein  Bataillon  der  Brigade  Weigel  wurde  über  Kreipitsch 
nach  Klein- Heringen  zur  Besetzung  der  dortigen,  intakt  ge- 
bliebenen Brücke  entsendet  Die  Division  Crenneville  stellte 
sich  hinter  der  westlich  Schulpforta  gelegenen  steilen  Höhe 
gedeckt  auf,  das  Bataillon  Warasdiner-St.  Georgor  beobaclitete 
das  Saaleufer,  das  Bataillon  Warasdiner-Creuzer  — soweit 
es  nicht  bei  Kösen  beziehungsweise  Altenburg  stand  — hielt 
mit  einer  Eskadron  Klenau-Chevaulegers  Naumburg  und  die 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIll,  220. 

Dies  hatte  eine  dorthin  entsendete  halbe  Eskadron  von  Thiele- 
luann  — welche  auch  einstweilen  die  Brücke  besetzt  hielt  — entdeckt 
und  gemeldet. 


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Von  Leipzig  bi»  Erfurt. 


419 


dortigen  Brüokenstellen  besetzt.  Hinter  der  Division  Crenne- 
ville  hatte  sich  das  Korps  Tliielemann  gesammelt,  links  von 
ihr,  auf  der  Straße  bei  Schulpforta  hielten  die  beiden  übrigen 
Batterien  der  Korpsartilleriereserve. 

Die  Kavallerie  der  Division  Liechtenstein  und  des  Streif- 
korps Mensdorfl'  standen  bei  Alt-Flemmingen  — die  Reserve- 
kavallerie unter  FML.  Nostitz  verblieb  zwischen  Altenburg 
und  Naumburg. 

Da  FZM.  Gyulai  einsah,  daß  ein  frontales  Vorbrechen 
aus  Kosen  keine  Aussicht  auf  Erfolg  biete,  solange  der  Gegner 
die  Höhen  beherrsche,  die  Mittel,  den  Gegner  von  den  Höhen 
zu  vertreiben,  ihm  infolge  der  Inferiorität  seiner  haupt- 
sächlich aus  Sechspfündern  und  leichten  Haubitzen  bestehenden 
Artillerie  aber  mangelten,  zur  Festhaltung  Kösens  die  bereits 
dort  befindlichen  Truppen  völlig  ausreichend  erschienen,  stand 
er  von  der  Entsendung  weiterer  Truppen  auf  das  jenseitige 
Saaleufer  ab. 

Bei  Einbruch  der  Dunkelheit  begann  das  Gefecht  zu 
erlahmen  und  FZM.  Gyulai  verfügte  nun  die  Ablösung  der 
Brigade  Salins  durch  die  Brigade  Grimmer.  Das  Regiment 
Frelich  besetzte  Kosen  mit  3 Bataillonen.  Die  beiden  Bataillone 
des  Regiments  Kolo wrat  verblieben  hinter  dem  Orte  als  Reserve. 
Die  Brigade  Salins  biwakierte  am  Waldrand  südöstlich  Kösen, 
das  Bataillon  Warasdiner-St.  Georger  der  Division  Crenneville 
übernahm  die  Beobachtung  der  Saale  von  Kösen  bis  Alten- 
burg, das  Bataillon  Broder  der  Division  Liechtenstein  die 
Beobachtung  der  Saale  von  Kösen  bis  Klein-Heringen.  Die 
beiden  anderen  Bataillone  der  Division  Liechtenstein  (1.  und 
7.  Jägerbataillon)  stießen  bei  Alt-Flemmingen  zum  Gros  der 
Dmsion.  Die  übrigen  Teile  des  III.  Korps  und  die  Kavallerie- 
reserve lagerten  an  jenen  Stellen,  wo  sie  tagsüber  gestanden’). 

Das  Streifkorps  Thielemaun  hatte  sich  am  späten  Nach- 
mittag nach  Camburg  gewendet  — wohin  Platow  direkt  von 
Naumburg  aus  marschiert  war  — und  dort  die  Saale  über- 
schritten. Thielemann  verblieb  nachtsüber  in  Camburg, 
Platow  gelangte  bis  Stadt  Sulza  und  befand  sich  nun  fast  in 
gleicher  Höhe  mit  der  Tete  der  französischen  Armee. 


’)  Siehe  Textskizze  8. 

27* 


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420 


Rerchnawe. 


Das  Gefecht  bei  Kosen,  in  welchem  österreichischer- 
seits  nur  die  6 Bataillone  der  Brigade  Salins*i  und  die 
3 Bataillone  der  Division  Liechtenstein,  ferner  3*/s  Batterien 
ernstlich  ins  Gefecht  gekommen,  hatte  diesen  etwa  6000  Mann*i 
und  22  Geschütze  starken  Truppen  inklusive  des  gering- 
fügigen Verlustes  der  Kavallerie*)  151  Mann  an  Toten, 
17  Offiziere  und  662  Mann  an  Verwundeten,  45  Gefangene. 
1 Offizier  und  49  Mann  an  Vermißten  gekostet*),  d.  i.  zu- 
sammen 18  Offiziere,  810  Mann  = 13*3®/o. 

Von  den  Franzosen  hatten  nach  Aussagen  der  Ge- 
fangenen „Teile  von  3 Korps”  am  Gefecht  teilgenommen, 
was  insoferne  entsprechen  würde,  als  nach  der  Disposition 
Napoleons  tatsächlich  Truppen  dreier  Korps,  nämlich  die 
Korps  Bertrand  und  L’HeritiÄr  sowie  die  Division  Guilleminot 
des  VII.  Korps  zur  Stelle  sein  konnten.  Diese  Truppen  hatten 
am  21.  Oktober  noch  einen  Gefechtsstand  von  etwa  9000  bis 
10.000  Mann  Infanterie®),  3200  bis  3500  Reiter’),  63  Ge- 
schütze *).  Wieviel  von  diesen  Truppen  tatsächlich  am  Kampfe 
Anteil  genommen  hatte,  läßt  sich  aus  den  vorhandenen 
Quellen  mm  annähernd  feststellen.  Nach  der  Gefangenenliste  *) 
scheint  die  Infanterie  der  beiden  national  - französischen 
Divisionen  Morand  und  Guilleminot  — 25  schwache  Bataillone 
mit  etwa  6000  Mann  Gefechtsstand  — die  Hauptlast  des 


*)  Außerdem  1 bis  2 Kompagnien  Warasdiner-Creuzer  der  Division 
Crenueville. 

•)  Siehe  Anhang  I b. 

•)  13  Mann,  siehe  Anhang  IV. 

*)  Naeh  K.  A.,  F.  A.  1813-1814,  Hauptarmee,  XIII,  22. 

K.  A..  F.  A.  181.3,  Gyulai,  XIII.  220. 

')  Vom  Korps  Bertrand;  Division  Morand  14,  Division  Fontanelli 
13,  Division  Franquemout  3 Bataillone;  VII.  Korps;  Division  Guilleminot 
11  Bataillone,  zusammen  41  Bataillone  ä 250  bis  300  Mann,  wobei 
die  Bataillone  von  Franquemont  und  Fontanelli  stärker,  die  anderen 
schwächer  gewesen  sein  dürften. 

’)  Das  Kavalleriokorps  L’Heritier  zählte  in  46  Eskadronen  noch 
mindestens  30(X)  Beiter,  außerdem  befanden  sich  2 württembergisohe 
Eskadronen  beim  Korps  Bertrand. 

33  vom  Korps  Bertrand,  16  von  der  Division  Guilleminot. 
8 von  der  Reserve  des  VH.  Korps,  6 von  L’Hcritier.  (Nach  Pelet, 
Campagne  de  1813  und  die  fraiiz6si.sche  Armee  im  J-ahre  181.3.) 

K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmeo,  X,  543,  siehe  auch  Anhang  V 


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Von  Leipiig  bis  Erfurt. 


421 


Kampfes  getragen  zu  haben,  die  Württemberger  (Division 
Franquemont)  und  die  später  angekommeDe  italienische 
Division  Fontanelli  scheinen  in  Reserve  zurückgehalten 
worden  zu  sein.  Eine  bayrische  Marschkompagnie,  die  Ber- 
trand  am  Marsche  angehalten  und  in  erster  Linie  verwendet 
hatte,  drang  mit  in  Kosen  ein,  wurde  dann  aber  beim  Vor- 
stoß des  Regiments  Würzburg  gefangengenommen').  Die 
Holländer  i l4  Gefangene)  und  Polen  (14  Gefangene),  außer- 
dem 78  polnische  Überläufer  der  Garde  scheinen  der  Kaval- 
lerie Lefebvre-Desnouettes  angehört  zu  haben,  von  welcher 
ein  Teil  die  Saale  zwischen  Kosen  und  Naumburg  bewachte, 
und  bei  welcher  sich  polnische  und  holländische  Lanciers 
befanden. 

Die  Verluste  der  Franzosen  werden  von  den  Österreichern 
mit  800  bis  1000  Mann  an  Toten  und  Verwundeten  ange- 
geben *),  außerdem  wurden  6 Offiziere  und  643  Mann  gefangen- 
genommen ’).  Französischerseits  fehlen  hierüber  alle  Angaben; 
dem  Offiziersverlust  würden,  auf  einen  getöteten  oder  ver- 
wundeten Offizier  etwa  30  Mann  gerechnet'),  ein  Verlust 
von  etwa  270  bis  300  Toten  und  Verwundeten  entsprechen, 
bezw.  nach  dem  österreichischen  Verhältnis  (1  OfQzier 
anf  42  Mann)  etwa  370  bis  380  Mann.  Nach  dem  Verlauf 
des  Gefechtes  dürften  die  beiderseitigen  Verluste  an  Toten 
und  Verwundeten  annähernd  gleich  sein. 

Wie  bei  allen  ähnlich  verlaufenden  Gefechten  schrieben 
sich  bei  Kosen  beide  Teile  den  Sieg  zu.  Den  beiden  Teilen 
von  ihren  Oberkommanden  vorgeschriebenen  Gefechtszweck, 
„die  Brücke  von  Kosen  in  Besitz  zu  nehmen”  — wobei  bei 
Bertrand  noch  der  Befehl  hinzukam  sie  zu  zerstören  — 
hatte  General  Bertrand  wohl  nicht,  FZM.  Gyulai  aber 
ja  erreicht.  Demnach  war  also  der  taktische  Erfolg  den  kaiser- 
lichen Waffen  geblieben  — nicht  aber  der  operative.  Hinter 
den  fechteuden  Truppen  Bertrauds  bewerkstelligte  das 


*)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  543,  2 Offiziere  und  71  Mann, 
’j  Nach  Martinien,  Tableaux  des  officiers  tu4s  et  blessds,  hatten 
die  Franzosen  bei  Kosen  9 verwundete  Offiziere. 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  543,  siehe  auch  .\nhang  V. 
’)  Die  Franzosen  hatten  relativ  mehr  Offiziere  als  die  Oster- 
Reicher. 


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422 


Kerohnawe. 


Gros  der  Franzosen  seinen  Rückzug  ganz  unbehelligt  und  bei 
Kosen  sahen  etwa  1 1 .000  Mann  Infanterie  und  über  5200  Reiter  mit 
42  Geschützen  der  Verbündeten  tatenlos  dem  blutigenRingen  zu, 
welches  sich  vor  ihnen  abspielte,  ohne  eingreifen  zu  können. 

Dies  legt  den  Gedanken  nahe,  ob  es  FZM.  Gyulai 
nicht  möglich  gewesen  wäre,  mit  der  Erreichung  des  takti- 
schen Gefechtszweckes  auch  die  Ermöglichung  der  Fort- 
setzung der  Verfolgung  zu  verbinden. 

Ein  Vorbrechen  aus  Kosen  war  allerdings  so  lange  nicht 
möglich,  als  es  nicht  gelang,  die  französische  Artillerie  nieder- 
zukämpfen und  dann  die  Verteidiger  der  Höhen  durch 
Arlilleriefeuer  zu  vertreiben  oder  doch  niederzuhalten.  Die  24 
östlich  Kosen  in  Position  gestandenen  Geschütze  ’)  reichten 
hiezu  um  so  weniger  ans,  als  der  wirksame  Ertrag  der  hierunter 
befindlichen  lOSeehspfündergar  nicht  bis  zu  den  französischen 
Geschützen  reichte. 

Aber  bei  den  zurückgehaltenen  ß’'j  Batterien  *)  befanden 
sich  10  Stück  siebenpfündige  Haubitzen  und  eine  zwölfpfundige 
Batterie,  die  immerhin  eine  ansehnliche  Feuerkraft  repräsen- 
tierten. Ob  die  dann  ins  Feuer  kommenden  8 Zwölfpfünder 
und  20  Haubitzen  ausgereiuht  hätten,  die  französische  Artillerie 
niederzukämpfen,  kann  schwer  beurteilt  werden  *),  immerhin 
wäre  es  wert  gewesen,  den  Versuch  zu  machen  und  wenn 
auch  das  Verhalten  Gyulais  und  seines  Artilleriedirektors 
nach  den  damaligen  Begritlen  über  Artillerieverwendung  nicht 
unbegreiflich  erscheint,  ein  General  napoleonischer  Schule 


')  8 der  Brigade  Salins  (C  Sechspfünder,  2 siebenpfündige  Hau- 
bitzen); 6 der  scchspfQndigen  Kavalleriebatterie  der  Division  Liechten- 
stein (4  Sechspfünder,  2 siebenpfündige  Haubitzen);  (i  der  zwölfpfündigen 
Posilionsbatterie  (4  Zwölfpfünder,  2 siebenpfündige  schwere  Haubitzen': 
2 siebenpfündige  Kavalleriehaubitzen  Thioleinanns;  2 zehnpfiüidige 
Kosakenhaubitzen  Thicleinanns.  Außerdem  4 dreipfündige  Geschütze 
nach  Kavallerieart  der  Division  Liechtenstein  an  der  Brücke. 

*)  4 Brigadebatterien  i 8,  1 .sech.spfündige  und  1 zwölfpfündige 
Positionsbatterie  der  Korpsartilleriereserve  ä 6 Geschütze  und  '/,  drei- 
pfündige Kavalleriebatterie  der  Division  Liechtenstein. 

Unter  den  l>3  Geschützen  der  Franzosen  sollten  sich  nach  der 
normalen  Verhältniszahl  21  Haubitzen  befinden.  Das  tatsächliche  Ver- 
hältnis läüt  sich  nicht  feststellen.  An  Zwölfpfündern  befanden  sich  bei 
der  Division  Guilleininot  allein  sechs.  — (P eiet,  Campagne  de  1813,  Art.  X) 


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Image 

not 

a vailable 


Von  Leipsig  big  Erfurt. 


423 


hätte  diesen  Versuch  gewiß  unternominen,  das  beweist  schon 
die  Artillerieverwendung  Bertrands. 

Aber  es  lag  noch  eine  Möglichkeit  vor,  Bertrand  zum 
Rückzug  zti  veranlassen.  Wenn  es  Gyului  schon  nicht  über 
sich  zu  bringen  vermochte,  seine  ganze  Kavallerie  bereits 
am  Vormittag  über  Camburg  auf  dem  Wege  zu  entsenden,  den 
Platow  genommen  und  so  Bertran ds  Rückzug  zu  bedrolien, 
so  wußte  man  ja  seit  etwa  12  Uhr  mittags  durch  Thielemanus 
Patrouillen,  daß  die  Brücke  bei  Klein-Heringen  intakt  und  von 
einer  halben  Eskadron  dieses  Streifkoi'ps  besetzt  sei. 

Wenn  nun  statt  eines  Bataillons  der  Brigade  Weigel 
die  beiden  Brigaden  Weigel  und  Csollich,  ja  eventuell  sogar 
noch  ein  Regiment  der  Brigade  Grimmer  entsendet  worden 
wären  — ein  Regiment  war  ja  als  Rückhalt  für  die  Brigade 
Salins  vollkommen  ausreichend  — mit  dem  Auftrag,  von 
Klein-Heringen  aus  gegen  Flanke  und  Rücken  Bertrands 
vorzugehen,  während  die  Kavallerie  über  Camburg,  Sulza, 
Heringen,  Hassenhausen  vorging,  wäre  nicht  nur  Bertrands 
Widerstand  nicht  mehr  von  langer  Dauer  gewesen,  auch  dem 
Rückzug  der  französischen  Hauptkraft  wäre  ein  ernstliches 
Hindernis  in  den  Weg  gelegt  worden. 

So  aber  fesselte  der  erbitterte  Kampf  bei  Kösen  des 
Korpskommandanten  ganze  Aufmerksamkeit  und  während  er 
hier  unter  heldenmütiger  Einsetzung  seiner  Person  einen 
taktischen  Erfolg  ohne  besondere  Tragweite  errang,  ent- 
schlüpfte ihm  außerhalb  des  engen  Gesichtsfeldes  der  Brücke 
bei  Kösen  ein  viel  größerer,  ausschlaggebenderer,  welcher 
ihm  für  alle  Zeiten  einen  ersten  Platz  in  der  Kriegsgeschichte 
gesichert  hätte. 


Bas  Treffen  bei  Frejbnrg'). 

Während  bei  Kösen  um  den  Saaleübergang  erbittert 
gekämpft  wurde,  spielte  sich  bei  Freyburg  ein  ähnlich  ver- 
laufendes Gefecht  ab. 

General  von  Yorck  hatte  die  Hauptkraft  seines  Korps 
um  7 Uhr  bei  Petzkendorf  *)  versammelt,  die  Reservekavallerie 

*)  Hiezu  Textskizzo  9. 

*)  Ein  kleiner  Ort  bei  Neumark,  2 Kilometer  westlich  l’rankelcben. 


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424 


Kerohnitwe, 


bei  Bedra  (2  Kilometer  nördlich  Roßbach).  Die  neue  Avant- 
garde unter  Oberst  Graf  Heu  ekel  *)  war  um  dieselbe  Zeit  über 
Baumersroda  gegen  Laucha  aufgebrochen. 

Das  Leibhusarenregiment  und  das  sächsische  ülanen- 
rogiment  der  Avantgarde  Ilenckel,  welche  einem  feindlichen  Ge- 
fangenentransport von  Baumersdorf  aus  in  der  Richtung  auf 
Laucha  gefolgt  waren,  holten  ihn  bei  Gleina  ein,  befreiten 
etwa  100  Offiziere  und  4000  Mann  — größtenteils  bei  Dresden, 
Schellenberg  und  Lindenau  gefangengenomraene  österrei- 
chische Truppen  — aus  der  Gefangenschaft  und  nahmen 
von  den  beiden  polnischen  Bataillonen,  welche  die  Eskorte 
bildeten,  gegen  400  Mann  gefangen. 

Der  Rest  der  Eskorte  entkam  nach  Laucha  und  zerstörte 
die  dortige  Brücke.  Die  dieser  Abteilung  nachgefolgien 
Patrouillen  konstatierten,  daß  dort  keine  größeren  Abteilungen 
der  abziehenden  Franzosen  standen^),  so  daß  General  Yorck 
der  Avantgarde  den  Befehl  gab,  gegen  Zscheiplitz  und  Frey- 
burg vorzugehen,  wohin  er  bereits  mit  dem  Gros  des  Korps 
über  Zeuchfeld  aufgebrochen  war. 

Marschall  Mortier  war  mit  den  beiden  Divisionen 
Barrois  und  Roguet  sowie  mit  der  Kavalleriedivision  Ornsno 
der  jungen  Garde  — etwa  9000  Mann  und  1800  Reiter  — 
jedenfalls  schon  vor  Tagesanbruch  bei  Freyburg  angekommen*; 
und  hatte,  nach  Vertreibung  von  Illowaiskis  Kosaken*), 
welche  auf  Eckartsberga  auswichen,  zur  Sicherung  der  per- 
manenten Brücken  bei  Freyburg  und  bei  der  Zeddenbacher 
Mühle,  sow’ie  einer  nächst  Freyburg  geschlagenen  Floßbrücke 
den  Ort  und  das  Schloß  Zscheiplitz,  das  Wäldchen  und  die 
Steinbrüche  nördlich  des  zur  Zeddenbacher  Mühle  führenden 
Grundes,  sowie  die  Höhen  nördlich  und  östlich  Freyburg 
besetzt.  Auf  der  Höhe  westlich  Freybarg  war  Artillerie  aiif- 

*)  Siehe  Seite  402  uml  Anhang  VI. 

Nach  Correspoudance,  XXV’I,  20.822,  stand  aber  dort  die 
KOrassierdivision  St.  Gormain  von  Sebastiani. 

*)  Der  Kaiser  hatte  in  Weilienfels,  6 Uhr  abends,  anbefoblen  — 
Correspoudance,  XXVI,  20.819  — daß  Mortier  während  der  Nacht  die 
Brücken  überschreiten  solle  und  vor  Tagesanbruch  — Correspondance, 
XXVI,  20.820  — in  Froyburg  einzutreflen  habe. 

•)  Siehe  Seite  397. 

“)  Pelet,  Campagne  de  1813,  Art.  X,  358. 


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Von  Leipsig  bis  Erfurt. 


425 


gefahren,  anscheinend  auch  beim  Orte  Zscheiplitz ').  Das 
später  noch  zu  Mortier  gestoßene  Gros  der  französischen 
Eeiterei  unter  Sebnstiani^)  scheint  östlich  Freiburg  Ver- 
wendung gefunden  zu  haben. 

In  einem  Nachtragsbefehl®)  hatte  ferner  Kaiser  Napo- 
leon noch  einen  Teil  des  Restes  von  Augereaus  Korps'*) 
zur  unmittelbaren  Sicherung  der  Übergänge  bei  Freyburg 
bestimmt. 

Außerdem  scheint  Bertrand  die  Division  Margaron  — 
4 Bataillone,  2 Batterien,  zirka  2000  Mann  und  10  Geschütze 
— hi' r zurückgelassen  zu  haben®),  da  das  132.  Regiment 
dieser  Division  bei  Freyburg  4 Offiziere  verloren  hat. 

Abgesehen  von  den  hinter  der  Front  seiner  Aufstellung 
abziehenden  französischen  Korps  verfügte  Mortier  also  bei 
und  nächst  Freyburg  über  etwa  13.000  bis  15.000  Mann  In- 
fanterie, 8000  bis  9000  Reiter  und  etwa  60  bis  70  Ge- 
schütze. 

Die  von  Bedra  gegen  Markröhlitz  vorgegangene  Reserve- 
kavallerie traf  hier  aus  unbekannten  Gründen  erst  gegen 
Mittag  ein  und  stieß  hier  auf  überlegene  Kavallerie,  vermut- 
lich die  Reiterei  Sebastianis,  später,  nach  dem  Abzug 
Oudinots  von  Weißenfels,  mag  wohl  auch  das  i.  Reservekaval- 
leriskorps  erschienen  sein,  während  andererseits  auch  General 
Eraanuel“)  vom  Korps  Langeron  mit  zwei  regulären  Dra- 
gonerregimentern und  zwei  schwachen  Kosakenpulks  erschien 
und  sich  an  Yorcks  Reservekavallerie  anschloß. 


')  Wenigstens  geriet  hier  das  1.  Bataillon  vom  Leibregiment  in 
Kartätsch fener.  (Friederich.  Herb.stl'eldzug  1813,  III,  250.) 

*)  2.  Kavalleriekorps  zirka  3500  Reiter,  3.  Kavalleriekorps  zirka 
?500  Reiter,  4.  Kavalleriekorps  zirka  1.500  Reiter.  (Corre.spondance, 
XXVI,  20.82t.) 

•)  Pelet,  Campagne  de  1813,  Art.  X.  355. 

*)  Die  Division  Tureau,  12  Bataillone,  3000  bis  3600  Mann;  die 
Division  Sdmeld  marschierte  mit  dem  II.  Korps.  tPelet,  Campagne  de 
1813,  Art.  X,  355,  bezw.  Correspondance,  XXVI,  20.821.) 

•)  Unter  den  Truppen,  mit  welchen  der  Kaiser  Bertrand  n.aeh 
Kosen  zu  rücken  befahl,  war  Margaron  nicht.  — (Correspondance, 
XXVI,  20.819.) 

•)  Plotho,  II,  Anhang  und  Friederich,  Herbstfeldzug  1813, 
III,  252. 


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426 


Kerohnawe. 


Die  reitende  Batterie  Oberst  Jürgaß’  setzte  sich  in 
einer  günstig  gelegenen  Position  ins  Feuer,  worauf  die  fran- 
zösische Kavallerie  gegen  sie  anritt.  Die  preußische  Reiterei 
scheint  dem  Kampfe  mit  der  weit  überlegenen  feindlichen  aus- 
gewichen zu  sein'),  während  es  dieser  wieder  an  Kraft  zur 
Attacke  gefehlt  haben  dürfte,  denn  es  gelang  ihr  nicht,  die 
21  preußischen  und  sächsischen  Schwadronen  zurückzutreiben, 
die  immer  wieder  von  neuem  vorgingen. 

So  zog  sich  das  Gefecht  bis  gegen  6 Uhr  abends  hin, 
um  welche  Zeit  Oudinots  Division  Decouz  am  Gefechts- 
feld erschien.  Die  preußische  und  sächsische  Kavallerie,  wahr- 
scheinlich auch  Emanuels  Kosaken  ritten  unter  großem 
Geschrei*)  gegen  selbe  an,  gaben  aber  angesichts  der 
festen  Haltung  der  französischen  Karrees  die  Attacke  anf 
und  entzogen  sich  neuerdings  mit  Erfolg  der  rechts  von 
Decouz’  Bataillonen  gegen  sie  vorbrechenden  französischen 
Reiterei. 

Nach  Einbruch  der  Dunkelheit  zog  die  preußisch-sächsische 
Reservekavallerie  gegen  Zeuchfeld  ab,  nur  General  Emanuel 
blieb  in  der  Gegend  von  Markröhlitz  stehen. 

Es  läßt  sich  heute  wohl  nicht  mehr  entscheiden,  ob  die 
Durchführung  der  Attacke,  sei  es  gegen  Sebastiani,  sei  es 
gegen  Decouz,  einen  Erfolg  gebracht  oder  ob  sie  nur  zu 
einem  schweren  Echec  geführt  hätte  gegenüber  dem  weit 
überlegenen  Feinde.  Dazu  müßte  man  den  damaligen  Zustand 
von  Se  bastianis  Schwadronen,  den  Kräftezustand  der  Pferde 
kennen.  Ziemlich  sicher  aber  dürften  Decouz’  Bataillone, 
unterstützt  von  zahlreicher  Kavallerie,  den  Angriff  abgewiesen 
haben,  denn,  hatten  sie  bis  dahin  ihre  gute  Haltung  bewahrt, 
so  lag  kein  Grund  vor,  warum  sie  diese  nun  plötzlich  ver- 
lieren sollten.  Im  allgemeinen  dürfte  man  nicht  fehlgehen, 
wenn  man  annimmt,  daß  Oberst  Jürgaß  — der  kein  Mann 
war,  welcher  sich  scheute,  sich  und  seine  Reiter  einzusetzen  — 
wohl  wußte,  was  er  tun  konnte  und  jedenfalls  gebührt  ihm 
auch  das  Verdienst,  weit  überlegene  Kräfte  durch  6 Standen 
festgehalten  zu  haben. 

')  Btistimmte  Angaben  hierüber  existieren  nicht. 

’)  Pelet.  Campagne  de  1813,  Art.  X,  .351». 


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Von  Leipzig  bis  Rrfurt. 


427 


Noch  weniger  Glück  hatte  der  Angriff  von  Yorcks  Infan- 
terie, das  heißt,  soweit  man  hier  von  einem  Angriff  sprechen  darf. 

Y^orck  hatte  sich,  bei  Zeuchfeld  eingetroffen,  nicht  stark 
genug  gefühlt,  mit  den  zur  Stelle  befindlichen  16  schwachen 
Bataillonen  der  Divisionen  Horn  und  Hünerbein  den  Angriff 
durchzuführen  und  daher  beschlossen,  den  Anschluß  an  die 
von  Laucha  heranzuziehende  Avantgarde  durchzuführen '),  um 
dann  im  Verein  mit  dieser  die  französische  Stellung  von 
Norden  her  anzugreifen.  Nach  Zurücklassung  des  Strelitzschen 
Husarenregiments  der  Division  Horn  bei  Zeuchfeld  zur  Ver- 
bindung mit  der  bei  Markröhlitz  im  Gefecht  stehenden 
Reservekavallerie,  rückte  er  durch  die  Waldungen  westlich 
Schleheroda  auf  die  Höhe  nördlich  Müncheroda,  wo  er  gegen 
2 Uhr  nachmittags  den  Anschluß  an  die  Avantgarde  bewirkte. 

Hier  gab  GL.  Yorck  folgende  Angriffsdisposition  aus: 

,,Die  Infanterie  der  Avantgarde  bildet  den  rechten  Flügel 
lind  greift  den  Feind,  der  das  Dorf  Zscheiplitz  zur  Deckung 
seines  Überganges  besetzt  hat,  längs  der  Unstrut  an.” 

„General  Horn  macht  den  linken  Flügel  und  vertreibt 
den  Feind  aus  den  Gebüschen  und  Weinbergen,  welche  vor 
Zscheiplitz  und  Freyburg  liegen.  General  Hünerbein  bildet 
die  Reserve.” 

Entsprechend  dieser  Disposition  formierte  sich  die  Avant- 
garde in  zwei  Gruppen  zum  Angriff  auf  Zscheiplitz,  beziehungs- 
weise auf  das  Gehölz  zwischen  Zscheiplitz  und  den  Stein- 
brüchen*). Bei  der  auf  Zscheiplitz  vorgehenden  Gruppe  ging 
das  in  eine  Plänklerkette  aufgelöste  österreichische  2.  Jäger- 
bataillon in  erster  Linie  vor,  hinter  dem  rechten  Flügel,  mit 
der  Direktion  auf  das  Schloß  von  Zscheiplitz,  folgte  das 
1.  Bataillon  des  Leibregiments  und  die  Gardejägerkompagnie, 
hinter  dem  linken  Flügel  das  Thüringer  Bataillon.  Bei  der 
das  Gehölz  angreifenden  Gruppe  bildeten  die  beiden  ost- 
preußischen Jägerkompagnien  die  Plänklerkette,  die  beiden 
übrigen  liinienbataillone  *)  folgten  dahinter  als  Unterstützung. 

')  Siehe  Seite  424. 

•)  Nördlich  des  gegen  die  Zeddenbacher  Mühle  hinzieheuden 
tValdes.  (Siehe  Textskiz/.e  9.) 

Schlesisches  (»renadierbataillon,  kombiniertes  Füsilierbataillon 
vom  hrandenhurgischeii  und  vom  12.  Iteserveregiment. 


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428 


Korehnawo. 


Die  reitende  Batterie  der  Avantgarde  sollte  aus  einer  Stellung 
südlich  Müneheroda  den  Angriff  auf  Zscheiplitz  unterstützen, 
hinter  ihr  stellte  sich  die  Kavallerie  der  Avantgarde  bereit. 
Die  Fußbatterie  und  die  Landwehrbataillone  *)  standen  als 
Reserve  hinter  der  Kavallerie. 

Zur  Unterstützung  der  linken  Gruppe  der  Avantgarde 
gingen  von  der  Division  Horn  drei  Bataillone  von  Nordosteu 
her  gegen  das  Gehölz  bei  den  Steinbrüchen  vor,  während 
eine  östlich  dieser  Steinbrüche  unter  dem  Schutze  zweier 
Bataillone  aufgefahrene  halbe  Batterie  das  Gehölz  imter  Feuer 
nahm.  Der  Rest  der  Division  Horn  — 4 Bataillone,  5 Eska- 
dronen, Vs  Batterie  — verblieb  am  Waldrand  nordöstlich 
Müneheroda  als  Reserve,  noch  weiter  rückwärts  stand  die 
Division  Hünerbein  als  Korpsreserv'e. 

Von  der  zum  Angriff  auf  Zscheiplitz  vorgehonden  Gruppe 
wurde  der  linke  Flügel,  welcher  in  der  von  Nordwest  gegen 
Zscheiplitz  streichenden  Senke  vorging,  von  Kavallerie  attak- 
kiert,  zum  Stehen  gebracht  und  mußte  aus  dem  wirksamen 
Feuerbereich  des  Verteidigers  gezogen  werden;  das  zum 
Sturme  auf  das  Schloß  ansetzende  Bataillon  des  Leibregiments 
geriet  in  heftiges  Kartätschfeuer  und  mußte  den  Angriff 
aufgeben.  Yorck,  welcher  große  Verluste  vermeiden  wollte, 
erteilte  den  Befehl,  hier  den  Angriff  einzustellen  und  ein  hin- 
haltendes Gefecht  zu  führen. 

Den  gegen  das  Gehölz  vorgogangenen  Abteilungen  war 
es  gelungen,  die  Franzosen  daraus  zu  vertreiben.  Einer  nun 
neben  der  reitenden  Batterie  der  Avantgarde  auffahrenden 
halben  Batterie*)  gelang  es,  die  Brücke  bei  der  Zeddenbacher 
Mühle  derart  wirksam  unter  Feuer  zu  nehmen,  daß  hier  der 
Übergang  ganz  eingestellt  werden  mußte.  Dies  veranlaßte  die 
Franzosen  zu  einem  Gegenaugriff.  Sie  verstärkten  die  Artillerie 
auf  der  Höhe  westlich  Freyburg  auf  16  Geschütze  schwereren 
Kalibers  und  einem  sodann  erfolgenden  energischen  Gegen- 

')  Ein  kombiniertes  Bataillon  vom  G.,  eines  vom  4.  sclilesisoheu 
Lamlwelir-lntänlerieregiment.  (Siehe  Anhang  VI.) 

’)  Nach  Major  Eriederich,  Herbstteldzug  1813,  III,  2')3,  soll  das 
eine  zwülfpfündige  Batterie  gewesen  sein;  nach  der  Ordre  de  bataille 
befanden  sieb  aber  keine  zwölfpfündigeu  mehr  beim  Korps.  Vielleicht 
waren  es  also  vier  Haubitzen. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


429 


angriff  mehrerer  Bataillone  gelang  es,  das  Gehölz  um  zirka 
4 Uhr  nachmittags')  wieder  zu  nehmen  und  die  preußische 
Artillerie  zu  bedrohen.  Erst  nach  dem  Einsetzen  zweier 
frischer  Bataillone  (nun  im  ganzen  fünf)  der  Division  Horn 
gelang  es,  das  Gehölz  neuerdings  zu  nehmen  und  zu  behaupten, 
bis  General  Yorck  gegenOUbr  abends  den  Rückzug  auf  Gleina 
anbefahl. 

Hinter  der  Front  Mortiers  waren  den  ganzen  Tag  über 
die  Abteilungen  der  französischen  Armee  in  der  von  der 
Disposition  festgesetzten  Reihenfolge*)  über  die  Unstrut  ge- 
gangen. Aber  die  Ordnung  begann  sich  bereits  bedenklich 
zu  lösen;  es  bedurfte  des  persönlichen  Eingreifens  des  Kaisers, 
welcher  sein  Nacht((uartier  bei  Weißenfels  um  3 Uhr  früh 
verlassen  hatte  und  auf  den  Höhen  des  rechten  Unstrutufers 
den  Übergang  überwachte,  um  einigermaßen  wieder  Ordnung  in 
die  sich  drängenden,  abgehetzten  Scharen  zu  bringen.  Der  steile 
Weg,  welcher  hier  das  Ufer  hinanführte,  war  für  die  Kräfte 
der  abgematteten  Artillerie-  und  Trainpferde  zuviel ; zahlreiche 
Wagen,  elf  Geschütze  mußten  hier  stehen  gela-^sen  werden 
und  fielen  am  nächsten  Tage  in  die  Hände  der  Preußen,  und  als 
die  Granaten  der  reitenden  Batterie  und  der  Haubitzen,  welche 
zwischen  Müncheroda  und  Zscheiplitz  aufgefabren  waren,  in 
die  drängenden  Massen  und  sogar  in  das  Gefolge  des  Kaisers 
einschlugen,  begann  sich  die  Unordnung  bedenklich  zu  steigern 
und  teilweise  an  die  Szenen  an  der  Beresina  zu  erinnern  ^). 

Aber  der  Gegenangriff  der  jungen  Garde  auf  das  Gehölz, 
die  feste  Haltung  der  Verteidiger  von  Zscheiplitz,  ließen 
Yorck  von  diesen  Szenen  nichts  ahnen;  er  sah  vom  Gegner 
eben  „nur  die  Paradeseite,  die  Front*)”  und  stellte  alle 
weiteren  energischen  Angriffsversuche  ein. 

Nach  dem  Eintreffen  Oudinots  — etwa  gegen  9 Uhr 
abends  — zogen  die  Divisionen  Mortiers  mit  Ausnahme  der 
Brigade  Pelet  der  Division  Roguet  auf  Eckartsberga  ab. 


*)  Vermutung,  weil  um  diese  Zeit  Kaiser  Napoleon  unter  dem 
Eiudmck,  dal!  den  Übergängen  seitens  des  Oegners  keine  Oefahr  mehr 
drohe,  das  Gefechtsfeld  verlieh.  (Pelet,  Campagne  de  1813,  Art.  X,  358.) 
*)  Siehe  Seite  398,  399. 

*)  Odeleben. 

h Moltke,  1848—1849  in  Schleswig-IIolsteiu. 


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430 


Kerohuaw«. 


ihnen  folgte  im  Laufe  der  Nacht  auch  Oudinot,  welcher 
nunmehr  die  Nachhut  übernahm.  Die  Brigade  Pelet  verblieb 
bis  4 Uhr  früh  in  Freyburg  und  folgte  dann,  nachdem  sie  die 
Brücken  verbrannt  hatte,  unbehelligt  der  Nachhut  Oudinots. 

Vom  Korps  Yorck  nächtigte  das  Gros  bei  Gleina,  die 
Avantgarde  bei  Müncheroda,  die  Keservekavallerie  und  das 
Strelitzsche  llusiirenregimeut  bei  Zeuchfeld. 

Die  Gefechte  bei  Freyburg  und  Markröhlitz  hatten  den 
preußischen  Truppen  2 Offiziere,  33  Mann  an  Toten,  14  Offiziere, 
647  Mann  an  Verwundeten,  98  Mann  an  Vermißten  und  26  tote, 
23  verwundete  Pferde  gekostet'),  dem  österreichischen  2.  Jäger- 
bataillon*) 2 verwundete  Offiziere  und  38  Mann  vom  Ober- 
jäger abwärts  an  Toten  und  Verwundeten.  Über  den  Verlust 
der  Franzosen  fehlen  alle  Angaben.  Oberst  Jürgaß  hatte 
dem  Gegner  400  Gefangene  und  3 Geschütze  abgenommen, 
11  Geschütze,  zahlreiche  Wagen  und  Nachzügler  fielen  am 
nächsten  Morgen  den  Truppen  Yorcks  in  die  Hände.  Der 
Verlust  der  Franzosen  an  toten  und  verwundeten  Offizieren 
betrug  nach  Martinien  sechs. 

Gewiß  hätten  sich  hier  ebenso  wie  bei  Kosen  bei 
energischerem  Wagen  weit  größere  Resultate  erzielen  lassen. 
Ja,  hier  sogar  noch  eher,  stand  doch  hier  kein  absolutes 
Hindernis  gegenüber,  wäre  doch  hier  die  Einwirkung  auf  die 
zurückflutenden  feindlichen  Massen  eine  direkte  gewesen. 

Gewiß  wird  man  weder  dem  General  Yorck,  noch 
FZM.  Gyulai  die  Anerkennung  versagen  dürfen,  daß  sie 
tüchtige,  energische  Korpsführer  waren.  Hatte  Gyulai  am 
Vormittag  des  19.  Oktober  durch  sein  Warten  infolge  eines 
mißverstandenen  Befehles  manches  versäumt,  so  war  doch 
sein  Entschließen  und  Handeln  in  den  folgenden  Tagen  ein 
umsichtiges  und  energisches.  Die  Taten  des  Generals  Yorck, 
des  Helden  von  Möckern,  Wartenburg  und  von  der  Katzbach 
sind  zu  bekannt,  als  daß  diesbezüglich  noch  W'citer  etwas  an- 
zuführen wäre. 

')  Plotbo,  II,  Beilage  XXIV.  Nach  der  großen  Zahl  an  Ver- 
wundeten und  geringen  Zahl  au  Toten  dürfte  der  größte  Teil  des  Ver- 
lustes auf  das  Kavallericgefecht  bei  Markröhlitz  entfallen.  ! 

*)  K.  A.,  K.  Ä.  1813,  Hauptarmee,  X,  561. 


1 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


431 


Aber  weder  Yorck  noch  Gyulai  waren  wagende,  nnter- 
nebmende  Spieleniaturen,  beiden  lag  ruhiges  Abwägen  näher 
als  keck  zugreifendes  Wagen.  Bei  der  Verfolgung  aber  gehören 
an  die  Spitze  der  verfolgenden  Truppen  Männer  vom  Schlage 
Thielemanns  oder  Blüchers,  Männer,  denen  weniger  ruhiges 
Wägen,  als  vielmehr  kühnes  Wagen  im  Blute  liegt  — und  solche 
Männer  nicht  an  die  Spitze  der  in  erster  Linie  zur  Verfolgung 
bestimmten  Truppen  gesetzt  zu  haben,  ist  die  einzige  Unter- 
lassung, die  dem  Oberkommando  FM.  Fürst  Schwarzenbergs 
zur  Last  fällt. 

Daß  sich  mit  den  von  ihm  geplanten  und  ausgeführten 
Maßnahmen  eine  zur  Vernichtung  des  Gegners  führende  Ver- 
folgung erreichen  ließ,  das  eben  beweist  gerade  der  Tag 
von  Kosen  und  Freyburg.  Hier  wie  dort  hing  das  Schicksal 
des  geschlagenen  Heeres  trotz  der  Bravour  und  Standhaftig- 
keit der  zur  Deckung  des  Rückzuges  bestimmten  Truppen 
sozusagen  an  einem  Haare,  welches  zu  erkennen  und  durcb- 
zureißen  es  eben  eines  kecken  Wagemutes  bedurft  hätte,  eines 
Wagemutes,  wie  er  weder  zu  den  hauptsächlichsten  Eigen- 
schaften Gyulais,  über  welchen  sich  die  reichsdeutsche 
Geschichtsschreibung  „bereits  ihr  Urteil  gebildet”,  noch  aber 
zu  jenen  des  „eisernen”  Yorck  gehörte. 

Das  Gros  der  Yerbündeteu  am  21.  Oktober;  die  beider- 
seitigen Mnßnalinieii  für  den  22.  Oktober'). 

Von  der  schlesischen  Armee  waren  die  Korps  Längeren 
und  Sacken  gegen  Mittag  von  Lützen  aus  in  Weißenfels  ein- 
getroffen. 

Hier  hatten  die  beiden  Gardedivisionen  Oudinots  auf 
den  Höhen  am  linken  Saaleufer  Aufstellung  genommen.  Das 
1.  Reservekavalleriekorps  deckte  die  linke  Flanke  in  der 
Richtung  auf  Merseburg,  zwei  Bataillone  standen  noch  vor  der 
zum  Abbrennen  hergerichteten  Brücke.  Dichter  Nebel,  der  sich 
erst  gegen  Mittag  lichtete,  lag  in  der  Saaleniederung*)  und 
begünstigte  die  Annäherung  des  Gegners.  Als  sich  der 
Nebel  hob,  sah  man  von  Oudinots  Stellung  aus  auf  den 


')  Hiezn  Textskizze  10. 

*)  Polot,  Campagne  de  181.3,  Art.  X,  .3.38. 


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432 


Kerohnawe. 


gegenüberliegenden  Höhen  den  rekognoszierenden  Stab  der 
schlesischen  Armee,  gleichzeitig  aber  eröttneten  auch  schon 
24  russische  Geschütze  das  Feuer  auf  die  beiden  vor  der  Brücke 
haltenden  Bataillone,  während  zwei  russische  Jägerregimenter 
in  die  Stadt  eindmngen  und  auch  das  Schloß  besetzten.  Trotzdem 
gelang  es  den  Franzosen  doch  noch  die  Brücke  abzubrennen. 

Vor  der  sich  immer  mehr  verstärkenden  Artillerie  der 
Verbündeten  zog  Oudinot  seine  Truppen  außer  Schußweite 
zurück  und  trat  dann,  mit  der  Division  Decouz  voran,  den 
Rückzug  auf  Freyburg  an.  Da  man  Markröhlitz  vom  Gegner 
besetzt  fand formierte  sich  die  Division  Decouz  mit  dem 
linken  Flügel  am  Walde  südlich  Mai'kröhlitz  und  ging  gegen 
den  Gegner  vor,  welcher  Markröhlitz  nach  einigen  Kanonen- 
schüssen räumte,  während  seine  Attacke  gegen  Decouz’ 
Bataillone  erfolglos  verlief*). 

Gleich  nach  dem  Abzug  Oudinots  ging  man  bei  der 
schlesischen  Armee  sofort  daran,  unter  Mithilfe  der  Bevölkerung 
eine  Floßbrücke  herzustellen  und  General  Emanuel’J  stellte 
noch  am  Nachmittag  die  Verbindung  mit  der  Reservekavallerie 
Yorcks  her.  Die  beiden  Korps  Längeren  und  Sacken  gingen 
teilweise  noch  am  Abend  auf  die  Höhen  am  nördlichen  Saale- 
ufer vor,  wo  mittlerweile  auch  General  von  Kreutz  von  der 
Armee  Bennigsens  über  Dürrenberg  eingetroffen  war. 

In  Weißenfels  nächtigte  außerdem  die  4.  Dmson  Wittgen- 
steins, welche  dieser  zum  Schutze  seines  Marsches  nach  Naum- 
burg auf  Weißeufels  vorgeschoben  hatte. 

Hinter  der  schlesischen  .Armee  war  Bennigsens  Gros 
unter  Doctorow  nach  Lützen  gelaugt,  die  Kavalleriedivision 
Tschaplitz  nach  Göhren  (an  der  Luppe).  Bennigsens  .Avant- 
garde unter  Stroganoff  hatte  Merseburg  besetzt. 

Die  beiden  Kolonnen  der  Hauptarmeo  hatten  ihre  der 
Disposition  vom  20.  entsprechenden  Marschziele  erreicht. 
Wittgensteins  Korps  (e.xklusive  der  4.  Division)  und  die 

’j  Pelet,  Campagne  de  1S13,  Art.  X,  354. 

*)  Siehe  Seite  424. 

*)  Ebenda. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


433 


russisch-preußischen  Reserven  unter  Großfürst  Konstantin*) 
waren  nach  Naumburg  gelangt.  Die  2.  Division  des  Grenadier- 
korps unter  GM.  Tschoglikow  und  die  3.  Division  Dnka  des 
Kürassierkorps  waren  zur  Sichening  des  dortigen  Überganges 
und  als  Rückhalt  für  Platow  nach  Camburg  vorgeschoben 
worden,  das  Korps  Kleist  hatte  Stößen  erreicht. 

Platow  stand  mit  dem  Gros  seines  Kosakenkorps  bei 
Sulza  und  hatte  ein  kombiniertes  Regiment  auf  Weimar  vor- 
geschoben, welches  sich  dort  mit  Illowaiski  vereinigt  und 
einen  Versuch  eines  Detachements  L’Heriti6rs,  auf  Weimar 
vorzudringen,  abgewiesen  hatte. 

Bei  der  aus  dem  Gros  der  österreichischen  Truppen 
bestehenden  linken  Kolonne  war  die  als  Avantgarde  bestimmte 
2.  leichte  Division  Bubna  nach,  einem  Gewaltmarsch  von 
38  Kilometern,  zum  großen  Teile  querfeldein,  um  den  Marsch- 
kolonnen der  Korps  vorzukommen,  an  die  Spitze  der  Armee 
gelangt  und  lagerte  nun  bei  Serba  (zirka  7 Kilometer  west- 
lich Eisenberg).  Das  L,  II.  und  das  Infanteriereservekorps 
waren  in  Eisenberg  angekommen,  ebenso  das  Armeehaupt- 
quartier, während  FM.  Fürst  Schwarzenberg  mit  dem 
engeren  Stabe  in  Naumburg  nächtigte,  wo  er  sich  tagsüber 
aufgehalten. 

Die  Armeereserveartillerie  war  in  Roda  eingetroffen. 

Vom  Gange  des  Gefechtes  bei  Freyburg  hatte  FM.  Fürst 
Schwarzenberg  von  einem  bei  Naumburg  errichteten  Obser- 
vatorium ausreichend  Kenntnis  erhalten  *).  Da  FM.  Fürst 

')  Russisches  Greiiadierkorps,  russisches  Gardekorps,  preußische 
Garde,  russisches  Kürassierkorps. 

Der  Bericht  Schwarzenbergs  vom  22.  Oktober  früh  an 
den  Kaiser  sagt  hierüber:  ,,Man  hat  gestern  während  des  Gefechtes 
sehr  deutlich  das  Kanoneiifeuer  der  Avantgarde  des  Generals  Blücher 
in  der  Richtung  von  Freyburg  gesehen,  hat  aber  Ober  das  Nähere 
der  Bewegung  dieser  Armee  noch  keine  Nachrichten.  Nur  ist  vom 
Observatorium  folgendes  umständlich  beobachtet  worden:  Um  4 Uhr 
nachmittags  sah  man  die  Freyburger  Mühle  in  Brand.  Um  6 Uhr  war 
die  Kanonade  bei  Freyburg  auf  dem  Galgenborg  sehr  heftig;  eine  halbe 
Stunde  später  zog  sich  das  Feuer  gegen  Querfurth.  Um  8 Uhr  Üogeu 
mehrere  Pulverkarren  in  der  Richtung  gegen  Mügeln  und  Laucha  in 
die  Luft;  um  10  Uhr  brannte  das  Dorf  Groß-Jena.  Die  Wachtfeuer  des 
Feindes  nahmen  von  6 Uhr  abends  bis  Mitternacht  bedeutend  ab." 
(K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  513.) 

Uitt«ilang6D  des  k.  und  k.  Kriegsarobivs.  Dritte  Folge.  IV.  Bd.  2<S 


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434 


Korobnawo. 


Schwarzenberg  gegen  11  Uhr  abends  \t>n  Gyulai  die 
Meldung  erhielt,  daß  der  bei  Kosen  gegenüborstehende  Feind 
in  der  Richtung  auf  Eckartsberga  abzuziehen  beginne,  woLin 
ihm  einstweilen  Patrouillen  folgen'),  blieb  es  für  den  22.  Ok- 
tober bei  der  anbefohlenen  Disposition*),  wobei  er  noch 
Gyulai  speziell  beauftragte,  stets  die  Fühlung  mit  dem 
Gegner  aufrecht  zu  erhalten,  ihm  möglichst  Abbruch  zu  tun, 
besonders  aber  auf  die  eigene  rechte  Flanke  achtsam  zu  sein 
und  sich  keinem  Echec  auszusetzen. 

Gleichzeitig  wurde  aber  beigefügt,  daß  bei  einer  der- 
artigen Verfolgungsoperation  immer  die  eigenen  Flanken 
einigermaßen  gefährdet  seien,  und  daß  diese  Gefährdung  von 
kühnem  Handeln  nicht  abhalten  dürfe  *). 

Später  wurde  noch  angeordnet,  daß  die  Division  Moritz 
Liechtenstein  und  das  Kürassierkorps  Nostitz  nach  Passiemng 
der  Kösener  Brücke  über  Sulza,  Appolda  nach  Umpferstedt 
zu  rücken  habe,  wo  erstore  sich  mit  der  die  Avantgarde  der 
linken  Kolonne  bildenden  Division  Bubna  vereinigen  sollte; 
an  ihrer  Stelle  sollte  Gyulai  eine  russische  Kürassierditdsion 
erhalten*). 

Napoleon  hatte  um  4 Uhr  nachmittags,  nachdem  er 
noch  die  Verstärkung  Oudinots  durch  die  Division  Dunitte 
des  ehemaligen  VII.  Korps  anbefohlon  hatte,  Freyburg  ver- 
lassen und  war  über  ßurkersroda,  Kloster-Häseler  nach 
Eckartsberga  geritten.  Bei  Kloster-Häseler  (2'  j Kilometer 
westlich  Burkersroda)  hatte  er  den  Boden  Sachsens  verla.ssen, 
welches  ihm  so  verhängnisvoll  geworden,  dort  hatte  er  das 
letzte  Mal  auf  sächsischem  Boden  das  ,,vive  l’empereur!”  seiner 
Garde  gehört'),  des  letzten  Teiles  seiner  berühmten  In- 
fanterie, welche  außer  dem  Korps  Bertrand  noch  Ordnung 
bewahrte. 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hiiuptarmee,  X,  513  und  Gyulai,  XIII,  22U. 

*)  Siehe  Seite  407  und  Anhang  II. 

’j  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X.  507. 

*)  Dieser  Befehl  langte  beim  Korps  Gyulai  erst  am  Morgen  des 
22.  Oktober  bei  Hassenhauseu  (4  Kilometer  westlich  Kosen)  an.  (K.  A , 
F.  A.  1813,  Gyulai,  XIII,  220.) 

*)  Odeleben. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


435 


Nach  Freyburg  begann  sich  die  Ordnung  immer  mehr 
zu  lösen.  Der  Nachtmarsch  von  WeiÜenfels  auf  Freyburg  auf 
schmalen,  oft  tief  eingeschnittenen,  vom  liegen  aufgeweichten 
Wegen,  die  oftmals  verlassen  werden  mußten,  weil  fest- 
gefahrene Geschütze  und  Fuhrwerke  sie  verstopften,  hatte 
auflösend  gewirkt.  Wohl  hatte  Napoleons  Gegenwart  au 
den  Brücken  bei  Freyburg  einigermaßen  die  Ordnung  her- 
gestellt, aber  der  Aufstieg  auf  die  steil  abfallenden  Höhen 
des  rechten  Unstrutufers,  während  im  Rücken  der  Gefechts- 
lärm von  Yorcks  Angrifi'  ertönte  und  von  Süden  der  Kanonen- 
donner von  Kösen  herüberdröLnte,  hatte  die  Ordnung  bald 
wieder  gelöst.  Jeder  trachtete,  an  den  anderen  vorbei,  vorwärts 
zu  kommen,  das  eigene  Leben  in  Sicherheit  zu  bringen.  Das 
den  Marsch  beschwerende  Gepäck  wurde  von  vielen  der  jungen 
ermatteten,  ausgehungerten  Soldaten  weggeworfen,  bald  auch 
das  Gewehr,  zu  dem  ohnehin  oft  keine  Munition  mehr  vor- 
handen war.  Bei  Eckartsberga  hatte  die  ganze  Armee  nur 
mehr  37  gefüllte  Munitionswagen.  Immerhin  war  es  Napoleon 
gelungen  220  geleerte  Munitionswagen  sammeln  und  behufs 
Füllung  nach  Erfurt  dirigieren  zu  lassen*). 

Schon  von  Freyburg  aus  hatte  Napoleon  dem  General 
Bertrand  befohlen*),  bei  Kösen  so  lange  zu  halten,  bis 
Oudinot  bei  seinem  Rückzug  von  Frey  bürg  mit  ihm  auf 
gleiche  Höhe  gelangt  sei;  gleichzeitig  wurde  ihm  aufgetragen 
die  Saaleübergänge  bei  Camburg  und  Dornburg  zu  sichern 
und  jenen  von  Jena  zu  beobachten.  Dies  auszuführen  war  dem 
bei  Kösen  im  heftigen  Kampfe  stehenden  General  Bertrand 
nicht  mehr  möglich  gewesen. 

Am  22.  .sollten  Oudinot  und  Bertrand  in  einer  Stel- 
lung bei  Eokartsberga  den  weiteren  Rückzug  decken,  den 
die  heute  um  Eckartsberga  lagernden  Trümmer  der  Armee 
über  Büttstedt  beziehungsweise  über  Buttelstedt,  Olleudorf 
auf  Erfurt  zu  bewirken  hatten.  Napoleon  selbst  beabsichtigte 
solange  in  Eokartsberga  zu  bleiben,  bis  er  Nachricht  erhalten 
habe,  daß  Oudinots  Nachhut  bei  Freyburg  glücklich  die  Unstrut 
überschritten  und  hinter  sich  die  Brücken  abgebrannt  habe. 


')  Polot,  Campagne  de  1813,  Art.  X,  359. 

Correspondance  de  Napoleon  I.,  XXVI,  2U.822. 

28* 


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436 


KerohnAwe. 


Die  Ereignisse  am  22.  Oktober.  Das  Gerecht  bei  Eckarts- 
berga. 

Schon  am  Abend  des  21.  Oktober,  von  10  Uhr  an, 
meldeten  die  Vorposten  Gyulais,  daß  der  Feind  abznziehen 
scheine.  In  den  ersten  Stunden  naeli  Mitternacht  waren  die 
Höhen  westlich  Kö.sen  vom  Feinde  frei. 

Zur  Verfolgung  des  Gegners  ordnete  FZM.  Gyulai  an, 
daß  G^I.  Scheither  mit  dem  Regiment  Vincent-Chevaulegers 
und  der  Kavalleriebatterie  seiner  Brigade,  ferner  mit  dem 
Regiment  Rosenberg-Chevaulegers  und  einer  halben  Kavallerie- 
batterie der  Division  Crenneville  sowie  mit  einem  Bataillon 
von  Frelich-Infanterie  dem  Gegner  auf  der  Straße  nach 
Eckartsberga  folgen  solle,  während  links  davon  das  Regiment 
Klenau-Chevaulegers  mit  einer  Kavalleriebatterie  auf  Auer- 
städt  vorzugehen  und  ein  Detachement  bis  Buttelstedt  vor- 
zusenden hatte  *). 

Oberst  Graf  Mensdorff  beabsichtigte  mit  seinem  Streif- 
korps über  Sulza  auf  Weimar  vorziigehen. 

Gleich  nach  Tagesanbruch  hatte  das  Korps  in  folgender 
Reihenfolge  den  Übergang  zu  bewirken  und  GM.  Scheither 
auf  Eckartsberga  zu  folgen : Division  Moritz  Liechtenstein, 
Infanterie  der  Division  Crenneville,  Division  Murray,  Division 
Hessen-Homburg.  Korpsartilleriereserve  *). 

GM.  Scheither  war  bald  mit  dem  Gegner  in  Fühlung 
getreten  und  hatte  noch  in  den  ersten  Morgenstunden  gegen 
1000  Nachzügler  und  Gefangene  anfgegriffen. 

Als  die  Avantgarde  Gyulais  den  Übergang  bewirkt 
halte,  traf  von  GM.  Scheither  die  Meldung  ein,  daß  vor 
ihm  eine  starke  Kolonne  mit  zahlreicher  Artillerie  in  guter 
Ordnung  marschiere,  daß  er  aber  des  dichten  Nebels  wegen 
niohts  Näheres  feststellen  könne.  Gyulai  ordnete  auf  das  hin 
an,  daß  die  Avantgarde  bei  Hassenhau.sen  haltmachen  und  die 
Infanterie  dort  in  eine  Bereitschaftsstellimg  übergehen  solle, 
während  das  Bataillon  Warasdiner-St.  Georger  GM.  Scheither 
als  Unterstützung  nachfolgen  sollte.  Während  des  Haltes  bei 
Hassenhausen  langte  der  Befehl  des  Armeeoberkommandos 

■)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIll,  220. 

Kbeii'ln. 


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Von  Leipsig'  bis  Erfort. 


437 


bezüglich  der  neuen  Bestimmung  der  Division  Liechtenstein 
nnd  des  Kürassierkorps  ein. 

Da  GM.  Scheither  bereits  mit  dem  Feinde  in  Fühlung 
getreten,  von  der  versprochenen  russischen  Kürassierdivision 
aber  noch  nichts  zu  sehen  war,  beschloß  FZM.  Gyulai  dessen 
Abteilung  einstweilen  hier  zu  behalten,  der  Rest  der  Division 
Liechtenstein  und  nach  seinem  Anlangen  auch  das  Kürassier- 
korps, traten  den  Abmarsch  in  der  anbefohlenen  Richtung  an. 

Die  vor  GM.  Scheither  zurückgehende  Kolonne  hatte 
mittlerweile  zwischen  Lissdorf  und  Eckartsberga  Stellung  ge- 
nommen. Bei  General  Bertrand  war  ein  Befehl  des  Kaisers 
eingetroffen,  welcher  über  die  Räumung  bei  Kosen,  ,,die  durch 
nichts  gerechtfertigt  sei sehr  ungehalten  war  und  welcher 
anordnete,  in  einer  Stellung  bei  Eckartsberga  das  Eintreffen 
Ondinots  abzuwarten,  das  5.  Reservekavalleriekorps  aber  so- 
gleich zur  Beobachtung  des  Saaleüberganges  von  Kosen  um- 
kehren zu  lassen.  Demgemäß  ließ  General  Bertran  d das  Gros 
seines  Korps  auf  den  Höhen  östlich  Eckartsberga  Stellung 
nehmen,  die  Nachhut  besetzte  Lissdorf,  ein  Detachement  wurde 
nach  Auerstädt  vorgeschoben.  In  dieser  Stellung  trafen  im 
Laufe  des  Vormittags  auch  Oudinots  Truppen  ein.  Oudinot, 
welcher  im  Laufe  der  Nacht  Freyburg  geräumt  und  sich 
sodann  mit  der  ihn  aufnehmenden  Division  Durutte  vereinigt 
hatte,  war  abschnittsw'eise  über  Kloster-Häseler  zurUckgegangen. 
Seine  Nachhut  hatte,  obwohl  der  Gegner  gar  nicht  drängte, 
wiederholt  Stellung  genommen*),  verschiedene  Fuhrwerke  hatten 
entleert  und  stehen  gelassen  werden  müssen.  Seitens  des  Korps 
Yorck  waren  nur  Patrouillen  nachgefolgt. 

So  standen  nun  bei  Eckartsberga  dem  Korps  Gyulai 
sehr  ansehnliche  Kräfte  gegenüber,  deren  Gefechtskraft  außer- 
dem noch  nahezu  ungebrochen  war*).  Es  ist  begreiflich,  daß 


')  Correspondance  de  Napoleon  I.,  XXVI,  20.823. 

*)  Pelet,  Campagne  de  1813,  Art.  X,  361. 

•)  Oudinot  und  Durutte  zirka  40  Bataillone  mit  zirka  l.ö.OOO 
Maim ; Bertrand  mit  Guilleminot  zirka  40  Bataillone  mit  zirka 
9000  bis  10.000  Mann ; vom  1.  Kavalleriekorps  zirka  60  Eskadronen  mit 
zirka  öOOO  Reitern  ; vom  ö.  Kavalleriekorps  zirka  4.")  Eskadronen  mit  zirka 
3000  Reitern : zusammen  24.000  bis  25.(X)0  Mann,  801X1  Reiter  mit  zirka 
120  Geschützen.  Diesen  hatte  Gyulai  nur  .sein  Korps  und  das  Rogiineiit 


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438 


Kerohnawe. 


Gyulai,  welcher  überdies  gerade  in  diesem  Moment  einen  an- 
sehnlichen Teil  der  ihm  unterstehenden  Truppen  abgeben  mußte, 
mit  dem  Angriff  zauderte  — hatte  doch  der  berühmte  Yorck  bei 
Freyburg  unter  günstigeren  Verhältnissen  nicht  anders  gehandelt. 

Als  um  Mittag  der  dein  General  Grafen  Barclay  de  Tolly 
zugeteilte  Ober-stleutnant  Neumann  des  k.  k.  Generalqnartier- 
meisterstabes  bei  Gyulai  eintraf  und  meldete,  daß  die  russi- 
schen Truppen  bereits  die  Brücke  bei  Kosen  überschritteu 
und  4 russische  Kürassierregimenter  zur  Unterstützung  des 
III.  Korps  im  Anmarsch  seien'),  gab  FZM.  Gyulai,  als  sich 
tatsächlich  die  Tete  einer  russischen  Kürassierkolonne  hinter 
Hassenhausen  zeigte,  den  Befehl  zum  Angriff. 

FML.  Graf  Crenneville  mit  dem  Regiment  Klenau- 
Chevaulegers,  dem  Bataillon  Warasdiner-Creuzer  und  einer 
halben  Kavalloriebatterie  erhielt  die  Direktion  über  Lissdorf 
auf  Eckartsberga,  GM.  Scheither  mit  den  Regimentern 
Vincent-  und  Rosenberg-Chevaulegers,  dem  Bataillon  von 
Frelich  und  l'/s  Kavalleriebatterien  sollte  den  Gegner  aus 
Auerstädt  vertreiben,  das  Gros,  in  Gefechtsformation  in  zwei 
Treffen*!,  über  Gernstedt  FML.  Crenneville  naohfolgen. 
Hinter  dem  Gros  des  Korps  folgten  die  beiden  ’)  bisher  ein- 
getroffenen russischen  Kürassierregimenter. 

Als  das  erste  Treffen  bei  Gernstedt  angelaugt  war,  er- 
schien Oberstleutnant  Neu  mann  neuerdings  und  meldete, 
daß  außer  den  beiden  bisher  eingetrofienen  schwachen  russi- 
schen Kürassierrogimentern  keine  weiteren  Verstärkungen  zu 
erwarten  seien  und  daß  sich  danach  zu  richten  sei. 
Mittlerweile  waren  sowohl  FML.  Crenneville  als  General 
Scheither  bereite  ins  Gefecht  getreten.  FZM.  Gyulai 
schickte  daher  ein  schriftliches  Ansuchen  um  Unterstützung  an 

Vincent-Chevaulegers  sowie  1 Kavalleriebatterie  der  Division  Liechten- 
stein, zirka  l.ö.OüO  Mann,  2tXK)  Heiter,  t>4  Geschütze  gegenflberzustolleii. 

')  K.  A.,  F.  A,  1813,  Gyulai,  XIII,  220. 

*)  Division  Hessen-Homburg  mit  der  Brigade  Weigel  rechts, 
Brigade  Grimmer  links  im  ersten,  Division  Murray  mit  der  Brigade 
Csollich  rechts,  Brigade  Salins  links  im  zweiten  Treffen.  (K.  A.,  F.  A. 
1813,  Gyulai,  XII 1.  220.) 

’)  Diese  beiden  Regimenter  waren  nur  wenig  über  .ÖOO  Reiter 
stark.  Siche  auch  Anhang  ia,  russische  2.  Kürassierdivision.  (K.  A.. 
F.  A.  1813,  Hauptarmee,  X,  Ü78  und  Gyulai,  XIII,  220.) 


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Von  Leipsiff  bis  Erfurt. 


439 


General  Barclay'),  worin  er  die  dringende  Notwendig- 
keit einer  solchen  zur  tiberwindung  des  überlegenen 
Gegners  betonte.  Das  Gros  wurde  einstweilen  zum  Halten 
befehligt. 

Eine  Unterstützung  kam  zwar  nicht,  hingegen  General 
Barclay  und  Großfürst  Konstantin,  welch  letzterer  er- 
klärte, daß  die  russischen  Truppen  schon  Opfer  genug  ge- 
bracht hätten  und  im  Bedarfsfälle  auch  wieder  solche  zu 
bringen  bereit  wären,  daß  es  aber  jetzt  Sache  der  Öster- 
reicher sei  anzugreifen,  was  speziell  Großfürst  Konstantin 
„mit  einiger  Heftigkeit*)”  hervorhob.  Sodann  sprengte.  Groß- 
fürst Konstantin  zum  Regiment  Klenau,  kommandiertedort 
selbst  zum  Abmarsch,  haranguierte  die  Truppe  und  begab 
sich  dann  nach  einem  neuerlichen  Wortwechsel  mit  Gyulai, 
zusammen  mit  General  Barclay  in  der  Richtung  nach 
Hassenhausen  zurück;  FZM.  Gyulai  aber  zog  die  Brigade- 
batterien des  ersten  Treffens  vor  und  ließ  den  Angriff  durch- 
fuhren. 

Mit  Hilfe  von  Abteilungen  der  Regimenter  Ignaz 
G3mlai  und  Kolowrat’)  nahm  FML.  Crenneville  Lissdorf, 
während  die  beiden  Bataillone  GM.  Scheithers‘)  den 
Gegner  nach  ziemlich  hartnäckigem  Kampfe  aus  Auer- 
städt  vertrieben,  wobei  es  auch  zwischen  den  Reitern  GM. 
Scheithers  und  solchen  des  5.  und  1.  Kavalleriekorps’’) 
zum  Gefecht  kam. 

Nach  der  Wegnahme  von  Lissdorf  wurde  zwar  dem 
Gegner  sofort  nacbgedrängt,  einzelne  Abteilungen  drangen 
auch  in  die  feindliche  Hauptstellung  bei  Eckartsberga  ein, 
wurden  jedoch  nach  lebhaftem  Bajonettkampf ")  wieder 
zurückgeworfen,  da  die  rückwärtigen  Abteilungen  infolge 

')  K.  A.,  F.  A.  1813,  Ilauptarrnee,  X,  578  und  Gyulai,  XIII,  220. 

’)  F.benda.  • 

’)  Erstes  Treffen  der  Division  Hossen-nomburg. 

*)  Ein  Bataillon  von  Frelich  und  Warasdincr-St.  Gcorger. 

')  Offiziersverluste  batten  das  7.  Ilu.sarenrogitnent  vom  1.  Reservc- 
kavalleriekorps,  das  6.,  15..  18.  Dragonerrcgiment  vom  5.  Reservekavallerie- 
korps.  (Martinien,  Tableaux  des  ofliciers  tu4s  et  blessfe  etc.) 

*j  „Die  Mannsobalt  kehrte  mit  blutigen  Bajonetten  zurück,  einige 
Offiziers  waren  durch  Hiebe  im  Gesicht  verwundet,”  sagt  die  Relation 
Gyulais.  (K.  A.,  F.  A.  181.3,  Hauptarmee,  X,  .578.) 


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440 


Kerchfiftwe. 


des  dichten  Nebels,  der  jede  Aussicht  benahm  ’j,  zu  weit  ab- 
geblieben waren. 

Da  nun  auch  bereits  Dunkelheit  eintrat,  gabFZM.  Gyulai 
weitere  Angriffsversuche  auf. 

Die  beiden  Grenzerbataillone  mit  einem  Bataillon  Ignaz 
Gyulai  als  Unterstützung  bezogen  in  der  Linie  von  den  Wal- 
dungen nördlich  Lissdorf,  Anerstädt  Gefechtsvorposten,  dahinter 
lagerten  gefechtsbereit  mit  zurückgebogenem  linken  Flügel 
die  beiden  Infanterietreffen. 

Gegen  diese  Aufstellung  unternahm  der  Gegner  zwischen 
10  und  12  Uhr  nachts  zwei  kurze  Vorstöße  mit  Kavallerie, 
welcher  Infanterie  nachfolgte,  welche  aber  beide  abgewiesen 
w’urden*).  Gegen  2 Uhr  nach  Mitternacht  räumte  Oudinot 
seine  Stellung  und  ging  auf  Buttelstedt  zurück. 

Das  Gefecht  bei  Eckartsberga  hatte  dem  Korps  Gyulai 
und  dem  Detachement  Scheither  35  Tote,  5 Offiziere,  1C4  Mann 
an  Verwendeten’)  gekostet,  die  Franzosen  verloren  8 Offi- 
ziere'); ihr  sonstiger  Verlust  läßt  sich  nicht  feststellen. 

Auch  bei  Weimar  war  es  am  22.  Oktober  zu  einem  Zu- 
sammenst(iß  gekommen.  Napoleon,  welcher  Eckartsherga 
um  8 Uhr  früh  verlassen  hatte  und  nach  Ollendorf  (an  der 
Straße  Buttelstedt — Erfurt)  geritten  war,  hatte,  beunruhigt 
dirrch  die  Anwesenheit  von  Kosakenabteiluugen  in  Weimar’), 
dem  mit  der  Aufklärung  des  linken  Saaleufers  beauftragten 
GL.  Lefebvre  Desnouettes")  den  Befehl  gegeben,  die 
Kosaken  aus  Weimar  zu  vertreiben. 

Begünstigt  durch  den  dichten  Nebel  gelang  es  auch 
Lefebvre  wirklich,  gegen  Mittag  überraschend  in  Weimar 


')  Sowohl  Oyulais  Relation,  als  auch  das  Operationsjonrnal  be- 
tonen, daß  der  Nebel  sich  den  g.mzen  Tag  nicht  hob,  und  daß  man  oft 
nicht  10  Schritte  weit  sehen  konnte.  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptannee. 
X,  .578  und  Gyulai,  Xlll.  220. 

•)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XGI,  220. 

*)  Ebenda,  Hauptarmee,  XIII,  22. 

*)  Nach  Martinien.  Mannschatlsvcrlust  unbekannt. 

GM.  Illowaiski  XII  und  Oberstleutnant  Krapowitzky.  (Siehe 
Seite  433.) 

*)  Mit  einem  Teile  der  Gardokavallerie,  Brigaden  Pir6  und  Valin 
des  1.  und  — nach  den  Offiziersverlusten  — Teile  von  der  Division 
Roussel-d’Hurbal  des  2.  Reserv-ekavalleriekorps. 


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Von  Leipzig  bii  Erfurt. 


441 


einzudringen,  aber  die  Kosaken  ralliierten  sich  bald  und  da 
außerdem  Platows  Gros,  die  Streifkorps  Thielemanus  und 
Mensdorffs  eintrafen,  wurden  die  Franzosen  bald  wieder 
vertrieben. 

Das  Gros  Platows  ging  gegen  Lefebvres  rechte  Flanke 
vor,  einige  Eskadronen  Bubnas')  gegen  dessen  linke  Flanke, 
während  in  der  Front  der  Rest  der  Kosaken  und  die  beiden 
Streifkorps  anritten.  Die  Franzosen  wiu'den  geworfen  und 
von  Platow  bis  südlich  Buttelstedt  verfolgt,  wobei  ihnen 
zahlreiche  Gefangene  abgenommen  wurden. 

Die  Division  Bubua  besetzte  Weimar,  Thielemann  und 
Mensdorff  gingen  bis  Nohra  — zirka  8 Kilometer  westlich 
Weimar  — vor. 

Auch  das  Streifkorps  GL.  Tschernitschew  von  der  Nord- 
armee*) war  am  22.  Oktober  bis  Schloß  Yippach  (südlich 
Sömmerda)  gelangt,  griff  zahlreiche  Gefangene  auf  und  mel- 
dete an  die  schlesische  Armee,  daß  es  am  nächsten  Tage  den 
Marsch  der  französischen  Armee  in  der  Richtung  auf  Erfurt 
kotoyieren  werde*). 

So  war  am  22.  Oktober  zwar  ebenfalls  kein  entschei- 
dendes Resultat  erreicht  worden,  trotz  der  trefflichen  Maß- 
nahmen des  Gegners  und  der  guten  Haltung  seiner  Sicherungs- 
truppen, aber  doch  überall  die  Fühlung  mit  dem 
Gegner,  und  zwar  auch  mit  dessen  Gros  aufrecht- 
erhalten, ihm  wesentlicher  Abbruch  getan,  seine 
Auflösung  gefördert  worden,  ein  Resultat,  welches 
immerhin  sehr  ansehnlich  die  Ergebnisse  fast  aller 
Verfolgungsoperationen  von  1815  herwärts  übertrif'ft. 

Das  Gros  der  zurückflutenden  französischen  Armee  hatte 
am  22.  Oktober  die  Gegend  zwischen  Buttelstedt  und  Ollen- 
dorf,  Teile  sogar  schon  Erfurt  erreicht. 


')  Eine  Division  Blankenstein-Hnsaren. 

*)  6 reguläre  russische  Eskadronen  (2  vom  Isumyschen  Husaren- 
rcgimer.t,  je  2 der  Dragoneiregimenter  Finnland  und  Iliga),  5 Kosaken- 
regimentor(Sisojew  IV,  Schirow,  Grekow  XV’IlI,WlassowIlI,  Balabinell), 
'/«  reitende  Batterie,  zirka  1200  bis  llOO  Reiter,  4 bis  0 Geschütze. 
(Hcgdanowitsch,  111,  35.) 

’)  Fricderich,  Herb.stfeldzug  1813,  III,  250. 


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442 


Kerclinaw®. 


Napoleon  selbst  war  bis  8 Uhr  früh  in  Eckartsberga 
verblieben,  und  war  dann  über  Büttstedt,  Buttelstedt  bis 
Ollendorf  geritten;  hier  mußte  erhaltmachen,  um  der  Division 
Friant  der  alten  Garde  und  der  Gardekavalleriedivision  Walther, 
welche  ihn  begleiteten,  eine  längere  East  zu  gönnen  und 
einige  Befehle  auszufertigen.  Um  Mitternacht  brach  er  dann 
nach  Erfurt  auf,  welches  er  um  3 Uhr  morgens  des  23. 
erreichte. 

Die  Division  Curial  der  alten  Garde  halte  der  Kaiser 
als  Rückhalt  für  Oudinot  bei  Büttstedt  zurückgelassen,  so 
daß  dieser  eventuell  über  etwa  30.000  Mann  Infanterie, 
größtenteils  Eliteti  uppen,  verfügte*).  Wenn  auchGyulai 
von  der  Anwesenheit  der  Division  Curial  bei  Büttstedt  kaum 
Kenntnis  hatte,  so  ist  doch  als  sicher  anzunehmen,  daß  er 
ohne  Unterstützung,  mit  seinem  Korps  allein,  nicht  durch- 
zudringen vermocht  hätte,  daß  also  die  Einstellung  des  .^n- 
griffes  bei  Einbruch  der  Dunkelheit  kaum  verurteilt  werden  kann. 

Von  den  Truppen  der  Verbündeten  hatte  das  Korps 
Yorck  am  Morgen  des  22.  Freyburg  widerstandslos  besetzt 
und  der  französischen  Nachhut  nur  Patrouillen  folgen  lassen. 
An  die  Wiederherstellung  der  zerstörten  Unstrutbriiekon 
wurde  nicht  geschritten,  sondern  der  Tag  sollte  dazu  benützt 
werden,  um  Bekleidung,  Bewaffnung  und  Beschlag  in  stand 
zu  setzen,  Munition  und  Proviant  zu  ergänzen  und  dergleichen 
mehr,  wobei  ein  eben  eingetroffener  Schuhtransport  trefflich 
zu  statten  kam. 

Blücher  war  am  22.  Oktober,  .5  Uhr  früh,  mit  den 
beiden  russischen  Korps  seiner  Armee  von  Weißenfels  nach 
Freyburg,  beziehungstveise  (Korjis  Sacken)  nach  Laucha  anf- 
gebrochen  und  war  sehr  wenig  darüber  erbaut,  Yorck s Truppen 
in  Freyburg,  noch  dazu  derart  friedlich  beschäftigt,  atizu- 
tretfen. 

Er  ordnete  sofort  die  Wiederherstellung  der  Brücken  an 
und  befahl,  daß  das  Korps  Yorck  nach  Herstellung  der  Brücke 
bei  der  Zeddenbacher  iMühle  dort  überzugehen  und  bis  Stein- 
bach und  Pleismar,  am  23.  aber  bis  Sömmerda  zu  marschieren 
habe.  Die  Reservekavallerie  des  Korps  sollte  über  Laucha, 

Stelle  auch  Anmerkung  .3  .auf  Seite  437. 


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Von  Leipzig;  bia  Erfart. 


443 


Xebra,  Wiehfi  gegen  Weißensee  bis  zum  Einbruch  der 
Dunkelheit  marschieren  und  den  linken  Flügel  des  Gegners 
umgehen,  am  23.  aber  bei  Tagesanbruch  den  Maisch  fort- 
setzen. Das  Korps  Sacken  sollte  über  Laucha  nach  Bibra, 
am  23.  bis  Leubingen  marschieren,  das  Korps  Langeron  die 
Unstrut  bei  Freyburg  übersetzen  und  am  22.  Kloster-,  be- 
ziehungsweise Burghäseler,  am  23.  Schloß  Vippach  erreichen. 

Die  V'^ersäumnisse  Yorcks  vom  Vormittag  des  22.  Oktober 
ließen  sich  aber  auch  bei  äußerster  Anstrengung  seitens  der 
Truppen  nicht  wieder  gut  machen,  da  erst  jetzt,  in  den 
letzten  Vormittagsstunden  mit  der  Wiederherstellung  der  zer- 
störten Brücken  begonnen  werden  konnte.  Nur  die  Kavallerie 
und  Teile  der  Infanterie  der  Avantgarde  Yorcks  erreichten  in 
der  Nacht  vom  23.  auf  den  24.  die  für  den  23.  Oktober  an- 
befohlenen, weitgesteckten  Marschziele  — am  22.  gelangten  die 
Truppen  der  schlesischen  Armee  kaum  über  die  Unstrut  hinaus. 

Das  Korps  Yorck,  welches  die  Wiederherstellung  der 
Brücke  bei  der  Zeddeubacher  Mühle  nicht  abwartete,  gelangte 
in  den  Raum  Burgscheidungen,  Domdorf,  seine  Eeserve- 
kavallerie,  welche  das  Defile  bei  Doradorf  verstopft  gefunden 
halte,  bis  Karsdorf,  das  Korps  Sacken  in  den  Raum  Gleina, 
Laucha,  das  Korps  Langeron  verblieb  in  Freyburg.  Nur 
Wassilitschkoffs  Reiter  hatten  bei  Burgscheidungen  die 
Unstrut  übersetzt. 

Dergestalt  hätten  die  Gros  der  schlesischen  Armee  am 
23.  Oktober  etwa  40  bis  45  Kilometer  auf  schlechten,  vom 
Regen  aufgeweichten  Wegen  zurücklegen  müssen,  um  die  von 
Blücher  für  den  23.  Oktober  anbefohlenen  Marschziele  zu 
erreichen. 

Infolge  dieses  Aufenthaltes  an  der  Unstrut  schloß  die 
Reservearmee  im  Laufe  des  22.  an  die  schlesische  Armee  an. 

Das  Detachement  Kreutz  erreichte  Freyburg,  die  Avant- 
garde unter  Stroganoff  und  die  Kavalleriedivision  Tschaplitz 
Mücheln,  das  Armeehauptiiuartier  und  das  Korps  Doctorow 
Weißenfels. 

Vom  Gros  der  Hauptarmee  hatten  W'ittgenstein  und 
die  russischen  Reservekorps  bei  Kosen  die  Saale  überschritten 
und  biwakierten  zw’ischen  Kosen  und  Ilassenbauseii.  Eine 


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444 


Kerchnawe. 


Brigade  der  russischen  2.  Kürassierdivision  war  zu  Gyulai 
nach  Lissdorf  vorgeschoben,  die  russische  3.  Kürassierdivision 
und  die  russische  2.  Grenadierdivision  waren  bei  Camburg 
verblieben,  das  Korps  Kleist  hatte  Kosen  erreicht. 

Von  der  linken  (österreichischen)  Kolonne  der  Haupt- 
armee hatte  die  2.  leichte  Division  Bubna  Weimar  besetzt, 
die  1.  leichte  Division  Moritz  Liechtenstein')  (exklusive  Deta 
chement  GM.  Scheither)  und  das  Kürassierkoii^s  biwakierten 
bei  Umpfersdorf,  das  1.,  2.  und  Infanteriereservekorps  sowie 
die  Armeeartilleriereserve  nächtigten  im  Raume  Jena,  Liechten- 
hayn,  Kötschau,  Isserstedt,  Cospeda*).  Das  Armeeoberkommando 
war  in  Jena. 

So  hatte  sich  das  Gros  des  geschlagenen  französischen 
Heeres  dank  des  tapferen  Widerstandes  seiner  Nachhuten 
und  des  wenig  umsichtigen  Benehmens  Gyulais  und  Yorcks 
am  21.  und  teilweise  auch  am  22.  Oktober  einer  flankierenden 
Einwirkung  seitens  der  feindlichen  Hauptkrait  — wie  solche 
FM.  Fürst  Schw'arzenberg  in  seinen  Anordnungen  für  den 
20.  bis  22.  Oktober  geplant  hatte  — glücklich  entzogen’). 
Nur  seitens  der  Streifkorps  und  bei  sehr  raschem  Marsche 
auch  seitens  der  äußersten  Avantgarde  der  linken  Kolonne 
der  Hauptarmee  (Division  Bubna)  wäre  eine  solche  flan- 
kierende Einwirkung  noch  möglich  gewesen,  nur  die  beiden 
leichten  Divisionen  der  linken  Kolonne,  das  Kürassierkorps 
und  vielleicht  die  Spitzen  des  österreichischen  I.  Korps  konnten 
bei  großer  Anstrengung  noch  den  Rückzug  der  in  der  Zeit 
von  Mitternacht  bis  3 Uhr  morgens  die  Stellung  bei  Eckarts- 
berga  räumenden  französischen  Nachhut  gefährden. 


')  Die  Division  Liechtenstein  wurde  vom  23.  abends  an  mit 
der  Division  Bubna  zu  einer  Avanfgardedivision  unter  FML.  Bubna 
verschmolzen.  Die  Regimenter  Vincent-Chevaulegers  und  Levenehr- 
Dragoner,  da.s  Broder  Gronzorbataillon  und  die  Artillerie  traten  zu 
die.ser  neuen  Avantgarde  über,  das  Regiment  Kaiser-Chevaulegers  zur 
Kavnllcriere.servc,  bei  welcher  FML.  Moritz  Liechtenstein  das  Kom- 
mando einer  aus  den  Brigaden  Desfours  und  Kutalek  gebildeten  Division 
übernalim,  die  drei  .Tiigerbataillone,  welche  auf  je  420  bis  470  Mann 
reduziert  waren,  wurden  behufs  Ergänzung  einstweilen  ausgeschieden  und 
nach  Eger  zurückge.schickt.  (K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarinee,  111,  ad  48J.) 

•)  Details  siehe  Textskizze  11. 

Ebenda. 


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Image 

not 

a vailable 


Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


445 


Die  schlesische  Armee  stand  infolge  ihres  Marsches  auf 
Weißenfels  und  des  Aufenthaltes  an  der  Unstrut  derart  weit 
vom  Gros  des  zurückgehenden  Gegners  ab,  daß  in  den  nächsten 
Tagen  an  eine  Parallelverfolgung  ihrerseits  auch  bei  äußerster 
Anstrengung  seitens  der  Truppen  nicht  mehr  zu  denken  war. 

Maßnahmen  der  Yerbiindeten  für  den  23.  Oktober. 

Rückzug  der  französischen  Armee  nach  Erfurt. 

Da  FM.  Fürst  Schwarzenbergs  Armeedisposition  nur 
bis  zum  22.  Oktober  reichte,  die  Lage  überdies  neue  Ent- 
schließungen verlangte,  gab  der  Führer  der  Verbündeten  für 
den  23.  eine  neue  Disposition  heraus. 

Von  der  richtigen  Annahme  ausgehend,  daß  an  ein  Über- 
holen des  französischen  Gros  seitens  der  linken  Kolonne  über- 
haupt nicht  zu  denken,  ein  Abdrängen  der  französischen 
Nachhut  ebenfalls  schwer  möglich,  jedenfalls  aber  nur  in  der 
Richtung  auf  Erfurt  zu  suchen  war,  befahl  FM.  Fürst 
Schwarzenberg*)  den  Vormarsch  der  linken  Kolonne  bis 
über  Weimar  hinaus’),  während  die  Avantgarde  unter  FML. 
Bubna  bis  über  Nohra  hinausrücken  und  Detachements  in 
der  Richtung  auf  Erfurt  bis  über  Mönchenholzhausen  und 
Nieder-Zimmem ’)  vorschieben  sollte;  also  bis  auf . 5 bis  6 Kilo- 
meter an  Erfurt  heran. 

Die  Streifkorps  wurden  angewiesen,  Erfurt  südlich  um- 
gehend, sich  auf  die  Rückzugslinie  des  Gegners  zu  begeben. 
General  Illowaiski  und  Oberst  Krapowitzky  waren  ihnen 
bereits  vorausgegangen  und  hatten  schon  am  23.  Oktober  die 
Gegend  von  Gotha  erreicht. 

Der  unter  G.  d.  I.  Barclay  stehenden  rechten  Kolonne 
wurde  anbefohlen,  der  feindlichen  Nachhut  auf  dom  Fuße  zu 
folgen  und  mit  der  Tete  Buttelstedt  zu  erreichen. 

')  Disposition  t'Or  den  2.3.  Oktober  1813.  (K  A.,  F.  Ä.  1813, 
Uaaptarmec,  X.  539.) 

•)  Im  Lager  südlich  der  Chaussee  Weimar— Ulla,  östlich  und  west- 
lich von  Neu-Grunstedt.  Marschleistung  22  bis  25  Kilometer.  (Ebenda, 
X,  .539  und  XIII,  48  d.) 

*)  Die  Disposition  sagt  Unter-Zimmern,  was  jedenfalls  mit  Nieder- 
Zimmern  identisch  sein  dürfte. 


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446 


Kerohnawe. 


Der  schlesischen  Armee  und  der  Reservearmee  -wurde 
für  den  23.  völlig  freie  Hand  gelassen,  nur  an  FM.  Blücher 
die  Aufforderung  gerichtet,  ,,mit  der  schlesischen  Annee  über 
Tennstedt  nach  Langensalza  zu  marschieren,  um  so  die  feind- 
liche Stellung  bei  Erfurt  zu  umgehen  und  falls  Napoleon 
eine  Schlacht  annehmen  würde,  durch  gleichzeitige  Angriffe 
in  Rücken  und  Flanke  dem  feindlichen  Heere  den  gänzlichen 
Untergang  zu  bereiten”. 

Der  Gedanke,  daß  Napoleon,  gestützt  auf  die  Befesti- 
gungen und  sonstigen  Hilfsmittel  von  Erfurt,  dort  noch  ein- 
mal an  das  Glück  der  Waflfen  appellieren  werde,  war  bei 
dem  Naturell  dieses  Gegners  wohl  nicht  ganz  unbegründet. 

Die  französischen  Nachhuten  hatten  überall  eine  vor- 
zügliche Haltung  gezeigt,  und  wenn  auch  täglich  zahlreiche 
Gefangene  und  Erschöpfte  aufgegriffen  wurden,  wenn  auch 
bekannt  war,  daß  der  Gegner  an  empfindlichem  Munitions- 
mangel leide,  so  konnte  doch,  nach  der  Gefechtskraft  der 
Nachhuten  zu  schließen,  der  Zustand  des  Gegners,  dessen 
Gefechtskraft  leicht  höher  taxiert  werden,  als  dies  tatsächlich 
zutreffend  war.  Diesen  Schätzungsfehler  haben  bisher  noch 
fast  alle  Armeeführer  begangen.  Es  war  aber  außerdem 
bekannt,  daß  Teile  des  französischen  Heeres  bereits  am 
22.  Oktober  Erfurt  erreicht  hatten,  so  daß  — nachdem  die 
Hauptaruiee  nicht  vor  dem  24.  vor  Erfurt  schlachtbereit  sein 
konnte  — immerhin  Zeit  und  Gelegenheit  als  vorhanden  an- 
genommen werden  konnten,  um,  besonders  unter  Napoleons 
mächtigem  persönlichem  Einfluß,  die  Armee  wieder  schlag- 
fällig  zu  machen').  Zudem  war  in  Erfahrung  gebracht  worden, 
daß  etwa  14.000  bis  15.000  Mann  Ersatztruppen  nach  Mitte 
Oktober  teils  in  Erfurt  angelangt*),  teils  dorthin  im  Marsche 

')  Im  Jahre  1866  genügten  die  36  Stunden  vom  Nachmittag  des 
1.  bis  zum  Morgen  des  3.  Juli  vollständig,  um  die  österreichische  Armee 
wieder  derart  schlagfertig  zu  machen,  daU  im  Verlauf  der  Schlacht  fOr 
den  Gegner  eine  sehr  ernstliche  Krise  eintrat. 

•)  Marschall  Kellermann  hatte  von  Mainz  aus  ein  Detachement 
von  f)tXK)  Manu  nach  K.as.sel  dirigiert,  ebenso  eine  Marschkolonne  (die  54.) 
Krsatztrnppcn  von  3000  Mann.  Die  fjö.  Marschkolonne,  4000  Mann  mit 
14  Geschützen  und  zahlreichen  Vorräten,  war  nach  Krfurt  dirigiert 
worden  und  dort  angekommeu;  die  56.  Kolonne,  3000  Mann  mit  16  Ge- 
schützen, hatte  ebenfalls  Erfurt  erreicht.  Die  Summe  — 15.000  Mann  — 


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Von  r^eipzig  bis  Erfurt. 


447 


begriffen  waren,  so  daß  mindestens  die  Verluste  der  letzten 
Tage  ausgeglichen  werden  konnten. 

Aber  FM.  Fürst  Schwarzenberg  hielt  trotz  aller  dieser 
Gründe  die  Hauptarmee  für  den  eigentlichen  Angriff  stark 
genug  nnd  gedachte,  während  er  mit  dieser  den  Gegner  fest- 
hielt, ihm  durch  die  schlesische  Armee  den  Rückweg  ab- 
schneiden und  den  gänzlichen  Untergang  bereiten  zu  lassen. 
Es  ist  bezeichnend,  daß  der  Feldmarschall  hier  neuerdings 
die  gänzliche  Vernichtung  des  Gegners  durch  Angriff  aus 
zwei  Fronten  und  Verlegung  des  Rückzuges  beabsichtigt,  ein 
Gedanke,  den  er  auch  vor  den  Operationen  auf  Leipzig  aus- 
sprach') und  dessen  Durchführung  er  auch  anstrebte,  so  hart- 
näckig man  auch  dieses  Streben  von  anderer  Seite  stets  bestritt®). 

Aber  Napoleon  dachte  — vorderhand  wenigstens  — 
nicht  mehr  an  Schlacht  und  Sieg.  Die  bisherige  Verfolgung 
hatte  vollauf  genügt,  die  Truppen,  ausgenommen  das  IV.  Korps, 
die  Garden,  einige  polnische  Bataillone  und  das  Gros  der 
Kavallerie  und  Artillerie,  derart  aufzulösen,  daß  selbst  ein 
Napoleon  nicht  mehr  daran  denken  konnte,  aus  diesen  un- 
geordneten Haufen  innerhalb  3(!  bis  48  Stunden  schlagfertige 
Truppenkörper  zu  bilden.  So  benützte  er  denn  den  gewonnenen 
Vorsprung  und  die  Hilfsmittel  Erfurts  nur  dazu,  sich  den 
weiteren  Rückzug  zu  sichern. 

Etwa  8000  Mann  Neuformationen  — darunter  ein  aus 
Nationalfranzosen  für  den  König  von  Westfalen  formiertes 
Husarenregiment  — und  Ersatztruppen  mit  zirka  .SO  Geschützen, 
welche  bis  Eisenach  gelangt  waren,  hatten  nach  der  Werra  uin- 
zukehren  und  den  Übergang  bei  Vacha®)  festzuhalten.  Das  Gros 
der  Kavallerie  unter  Sebastiani  hatte  zur  eventuellen  Frei- 
machung der  Marschlinie  bereits  am  23.  Oktober  nach  Gotha  auf- 
zubrechen. Der  Artilleriepark  sollte  unter  Bedeckung  des  Restes 
des  polnischen  Kavalleriekorps  den  Reitern  Sebastian  is  folgen. 


stimmte  also  mit  den  Nachrichten,  welche  Schwarzenberg  erhalten, 
überein,  wenn  auch  nicht  die  Art  der  Verwendung.  (Pelet,  Campagne 
de  1813,  Art.  X,  340.) 

')  Siehe  Anmerkung  1 und  2 auf  Seite  373. 

’J  Vor  allem  Bernliardi,  Lehen  und  Denkwürdigkeiten  de.s 
FM.  Grafen  Toll  u.  a.  m. 

•)  Siehe  Übersichtskarte,  Toxtskizze  4. 


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448 


Kerohnawe. 


Die  Truppen  in  und  um  Erfurt  hatten  nach  Tunlichkeit  ihre  Ver- 
bände zu  ordnen,  ihre  Bekleidung  und  Munition  zu  ergänzen'), 
die  8000  Mann  und  600  Pferde  eingetroffener  Ersatztruppen 
und  2000  in  Erfurt  befindlichen  Rekonvaleszenten  und  Ersatz- 
mannschaften wurden  unter  die  Truppen  verteilt''').  Am  24.  Ok- 
tober hatte  die  Avantgarde  — Rest  des  V.  und  XI.  Korps  — 
unter  Macdonald,  am  25.  von  3 Uhr  früh  an  das  Gros  den 
Rückzug  fortzusetzen,  ■welchen  Bertrand  in  der  linken,  die 
Kavallerie  Lefebvre-Desnouettes’  in  der  rechten  Flanke 
decken  sollte,  während  Mortier  mit  zwei  Divisionen  junger 
Garde  Oudinot  ablösen  und  die  Nachhut  bilden  sollte. 

In  Ausführung  der  im  vorstehenden  erwähnten  Befehle 
erreichten  die  Truppen  der  linken  Kolonne  der  Hauptarmee 
am  23.  Oktober  kampflos  ihre  Marschziele.  Die  Divisionen 
Bubna  und  Hardegg  hatten  zirka  400  im  Gefecht  bei  Buttelstedt^ 
Versprengte  aufgegriffen.  Bubnas  Patrouillen  und  die  Streif- 
korps meldeten  ferner,  daß  sich  bei  Erfurt  zahlreiche  französische 
Lager  befänden,  daß  sich  Kaiser  Napoleon  seit  22.  vormittags 
in  der  Stadt  aufhalte  und  daß  der  Verteidigungszustaud  der 
Festung  ein  guter  sei*). 

Nicht  so  kampflos  verlief  der  Vormarsch  der  rechten 
Kolonne.  Hier  hatte  Kaiser  Alexander,  ungehalten  über  das 
Benehmen  Gyulais  am  22.  Oktober  (jenes  Großfürst  Kon- 
stantins dürfte  ihm  w'ohl  unbekannt  geblieben  sein)  die 
Bildung  einer  Avantgarte  aus  russischen  und  preußischen 
Truppen  befohlen.  GL.  Graf  Pah  len  III  hatte  das  Kommando 
dieser  aus  dem  Gros  seiner  Division*),  aus  der  Reserve- 

')  Die  nach  Erfurt  vorausgesandten  Munitionsfuhrwerke  (siehe 
Seite  435)  hatten  ihre  Neufüllung  bereits  bewirkt. 

*)  Den  stärksten  Zuwachs  — 2400  Mann  — erhielt  die  nur  mehr 
1600  Mann  starke  Division  SdmÄle  des  IX.  Korps.  ((,**,  Französische 
Armee  im  Jahre  1813.) 

“)  Siehe  Seite  450. 

*)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Hauptarmee,  XIII,  48  d. 

“j  Diese  Division  bestand  aus  dem  Gros  der  1.  Hnsarendivision : 
Hmsarenregimonter  Grodtio  i 5 Eskadronen),  Sumy  (5  Eskadronen),  Lubuy 
(4  Eskadronen),  Olwiopol  (2  Eskadronen) ; aus  Teilen  der  kombinierten 
Ulanendivision:  Illanenregiment  Tachugujew  (6  Eskadronen),  Tataren- 
Ulanenregiment  (4  Eskadronen),  Kriratataren  (1  Eskadron)  und  vier 


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V'on  Leipzig  bis  Erfurt. 


449 


kavallerie  des  Korps  Kleist ')  und  der  russischen  3.  Kürassier- 
division*), sowie  aus  drei  reitenden  Batterien  bestehenden, 
zusammen  zirka  6000  bis  6300  Reiter,  24  Geschütze  starken 
Avantgarde  zu  übernehmen.  Links  von  dieser  Avantgarde 
hatte  ein  Detachement  von  12  Eskadronen*),  4 Bataillonen*) 
und  2 reitenden  Geschützen  unter  GM.  Ossarowsky  über 
Auerstädt,  Rannstedt  auf  Buttelstedt  vorzugehen.  Das  Gros 
hätte  in  der  Reihenfolge  Korps  Wittgenstein,  Gyülai,  Kleist, 
Reserven*)  der  Avantgarde  auf  Buttelstedt  nachfolgen  sollen. 

Dieser  Befehl  langte  beim  III.  Korps  um  3 Uhr  früh 
an.  Als  jedoch  die  Vorposten  meldeten,  daß  der  Gegner  ab- 
zuziehen scheine,  während  von  der  neuen  Avantgarde  um 
5 Uhr  früh  noch  nichts  zu  sehen  war®),  ordnete  FZM. 
Gyulai  sogleich  das  Vorrücken  an  und  ließ  Eckartsberga  in 
Besitz  nehmen,  während  GM.  Scheither  beauftragt  wurde, 
mit  dem  Regiment  Vincent- Chevaulegers,  seiner  Kavallerie- 
batterie, dem  Bataillon  Warasdiner-St.  Georger  und  einem 
Bataillon  Frelich  dem  Gegner  in  der  linken  Flanke  zu 
folgen. 

Als  das  Korps  Gyulai  um  zirka  7 Uhr  morgens  aus 
Eckartsberga  debouchierte,  mußte  es  haltmachen,  um  die  nun 
vortrabende  Reiterei  Pahlens  durchzulassen*).  Gleichzeitig 
kam  von  GM.  Scheither  die  Meldung,  daß  im  Raume 


Kosakenregimentern  unter  GM.  lllowaiski  XII,  von  welchen  aber 
3 mit  GM.  lllowaiski  bereits  voraus  waren,  alles  in  allem  noch 
27  Eskadronen,  1 Kosakenregiment  und  2 reitende  Batterien,  zirka 
2300  bis  .3000  Heiter  mit  16  Geschützen.  Wie  viel  Heiterei  hievon  bei 
der  Infanterie  Wittgensteins  zurückgeblieben,  ist  nicht  eruierbar. 

‘)  Ostpreußisches,  brandenburgisches  und  .schlesisches  Küras.sier- 
regiment,  neumärkisches  Dragonerregiment  (ohne  Jägereskadron),  3 Land- 
wehrregimenter i 2 Eskadronen,  zusammen  22’. • Eskadronen  = zirka 
22<X)  bis  2300  Reiter  mit  16  reitenden  Geschützen. 

’)  Kürassierregimenter  Militärorden,  Kleinrußland,  Starodub,  Xow- 
gorod,  zusammen  16  Eskadronen  mit  zirka  1400  bis  1,300  Reitern. 

*)  Je  5 Eskadronen  vom  Gardedragoner-  und  Oardehnsarenregiment, 
2 vom  Gardeulanenregiment. 

*)  Leibgardejägerregiment  und  Gardeiegiment  Finnland.  tBog- 
danowitsch  III.) 

*)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai.  XIII,  720. 

•)  Ebenda. 

’)  Ebenda. 

Uitteilungen  des  k.  und  k.  KriegsarchivR.  Dritte  Folge.  XV.  Bd  29 


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450 


Korchnawe. 


zwischen  Eckartsberga  und  Buttelstedt  zirka  6000  Mann  feind- 
liche Kavallerie  stünden,  hinter  diesen  seien  zwei  starke 
Infanteriekolonnen  im  Abzug  auf  Buttelstedt,  beziehungs- 
weise auf  den  Ettersberg''  (die  langgestreckte  Höhe  südlich 
Ettersburg — Saehsenhausen). 

Marschall  Oudinot  und  General  Bertrand  waren  auf 
ihrem  Marsche  durch  zahlreiche  Nachzüglerhaufen,  stehen- 
gelassene Trainfuhrwerke  u.dgl.  aufgohalten  worden  und  dadurch 
gezwungen,  um  wenigstens  einen  Teil  der  ersteren,  die  meist 
ganz  gesund  und  marschfähig  waren,  vor  Gefangennahme  zu 
retten,  wiederholt  Stellung  zu  nehmen. 

Als  sie  im  Uaurae  zwischen  Buttelstedt  und  dem  Etters- 
berg Aufstellung  genommen  hatten,  stiell  Fahlen  auf  die  die 
äußerste  Nachhut  bildenden  Reiter  vom  1.  und  5.  Kavallerie- 
korps. In  dem  sich  nun  entspinnenden  Kavalleriegefecht, 
welches  durch  das  Regiment  Tschugujew  eröfihet  wurde  und 
in  welches  auch  das  von  Freyburg  vorgegangene  Detachement 
Kreutz  der  Reservearmee  eingriff®),  wurde  die  französische 
Kavallerie  unter  anscheinend  ansehnlichen  V erlusten  ’)  geworfen, 
doch  konnte  sie  sich  hinter  der  Front  Oudinots,  beziehungsweise 
Bertrands  bald  sammeln,  gegen  deren  Infanterie  Pahlens 
und  Ossarowskys  Reiter  nichts  auszurichten  vermochten. 

Oudinot  räumte  gegen  Mittag  seine  Stellung  bei  Buttel- 
stedt und  ging,  von  Fahlen  und  Kreutz  gefolgt,  über  Ollen- 
dorf  auf  Erfurt  zurück,  Bertrand,  gefolgt  von  Ossarowsky, 
längs  des  Nordabfalles  des  Ettersberges,  wobei  er  auch  von 
Detachements  Bubnas  und  Hardeggs  belästigt  wurde. 

Fahlen  machte  bei  Schwerstedt,  Ossarowsky  bei 
Ramsla  und  Kreutz  bei  Neumark  halt.  Ossarowskys  Tor- 
posten nahmen  Verbindung  mit  jenen  der  Division  Hardegg 
des  österreichischen  I.  Koq>s. 

’)  K.  A.,  F.  A.  1813,  Gyulai,  XIll,  230. 

’)  lliugegen  war  die  Kescrvckavallerie  Kleists  noch  nicht  ein- 
getroflen. 

‘j  Nach  Martinien,  Tableaux  des  officiors  tues  et  Wesses,  verlor 
die  französische  Kavallerie  am  22.  und  23.  Oktober  bei  Eckartsberga, 
Buttelstedt  und  Weimar  19  Offiziere.  Da  Datum  und  Ortsangabe  viel- 
fach verwechselt  sind,  lälJt  sich  eine  genaue  Trennung  für  jedes  ein- 
zelne Gefecht  nicht  durchführen. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


451 


Das  Korps  Gyulai,  welches  ohne  Wittgenstein  abzu- 
warten*), Fahlen  gefolgt  war,  lagerte  bei  Nermsdorf®).  Die 
übrigen  Teile  der  Kolonne  Barclay  lagerten  oder  kantonierten®) 
im  Raume  Nieder-  und  Ober-Reißen,  Büttstedt,  Eckartsberga. 

Die  schlesische  Armee  hatte  die  Marschziele  — Leubingen, 
Sömmerda,  Schloß  Vippach  — welche  Blücher  für  den  23. 
anbefohlen  hatte,  nicht  erreicht,  auch  nicht  einmal  mit  den 
Vorhuten.  Nur  die  Kavallerie  und  reitende  Artillerie  der 
Avantgarde  Yorcks  erreichte  um  7 Uhr  abends  Sömmerda, 
vermutlich  auch  Wassilitschkoffs  Kavallerie  ('vom  Korps 
Langeron)  Schloß  Vippach.  Die  Infanterie  der  Avantgarde 
Y*orcks  kam  nach  einem  überaus  ermüdenden  Marsche  von 
43  Kilometern  auf  aufgeweichten  Wegen  zum  geringem  Teile 
um  '/*5  Uhr  morgens  des  24.  in  Sömmerda  an,  die  meisten 
Leute  aber  erst  später.  Die  Reservekavallerio  Yorcks  war  bis 
Ostramondra  gekommen,  das  Arnieekommando  nach  Groß- 
Neühausen.  Die  Gros  der  Korps  Sacken,  Y’^orck  und  Langeron 
waren  in  die  Räume  Ostramondra — Bachra,  Klein-Neuhausen — 
Roldisleben,  Olbersleben — Hardisleben  gelangt. 

Trotz  aller  Energie  Blüchers,  trotz  äußerster  Erschöpfung 
der  Truppen,  war  es  der  schlesischen  Armee  bei  der  Ungunst 
der  Witterung  und  der  Kommunikation  doch  nicht  möglich 
gewesen,  wesentlich  größere  Wegstrecken  zurückzulegen,  als 
die  linke  (österreichische)  Kolonne  der  Hauptarmee,  nämlich 
etwa  27  bis  33  Kilometer  gegenüber  22  bis  25  Kilometer. 
Dafür  waren  aber  die  Truppen  der  Hauptarmee  intakt  an 
ihren  Marschzielen  angelangt,  jene  der  schlesischen  Armee 
aber  in  nahezu  vollkommen  erschöjjftem  Zustand. 

Von  der  Armee  Bennigsens  hatte  sich  das  über  Burkers- 
roda  vorgegangene  Detachement  Kreutz  der  Avantgarde  der 
rechten  Kolonne  der  Hauptarmee  unter  Fahlen  ungeschlossen 
und  war  bis  Neumark  gelangt. 


■)  K.  A.,  r.  A.  1813,  Gyulai,  XIII,  220. 

’)  Ebenda. 

’)  Hauptsächlich  die  Kavallerie.  (K.  A.,  E.  A.  1813, 
Xiri,  48  d.) 


Hauptarmee, 

2!)* 


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452 


Kerchnftwe. 


Die  Avantgarde  unter  Stroganoff  und  die  Kavallerie-  ' 
division  Tschaplitz  waren  nach  Nebra,  das  Armeehauptquartier  j 
und  das  Korps  Doctorow  nach  Freyburg  gelangt. 

Infolge  des  Vordrängens  Blüchers  nach  Weißenfels  und 
seines  Aufenthaltes  durch  den  Fluüübcrgang  hier,  beziehungs- 
weise später  bei  Freyburg,  hatte  sich  die  schlesische  Armee 
zwischen  den  Gegner  und  die  polnische  Armee  geschoben,  so 
daß  die  Aufgabe  der  letzteren  ,,Xachdrängen  in  der  Front” 
von  der  rechten  Kolonne  der  Hauptarmee  übernommen  werden  ' 
mußte.  Die  Truppen  der  schlesischen  Armee  aber  waren  genötigt 
ihre  Kräfte  auf  das  äußerste  anzuspannen  um  wieder  einiger- 
maßen in  jenes  Verhältnis  zu  kommen,  in  welchem  sie  ihrem 
Auftrag  nachkonunen  konnten,  „den  Rückzug  des  Gegners  in 
der  nördlichen  Flanke  zu  kotoyieren”.  Dieses  Verhältnis  wieder 
ganz  zu  erreichen,  wurde  ihnen  nicht  mehr  möglich. 

Die  polnische  Armee,  welche  derart  in  ein  Reserve- 
verhältnis hinter  die  schlesische  Armee  gedrängt  worden  war, 
schied  überdies  am  24.  Oktober  von  den  Napoleon  nach- 
drängenden Heeren  aus  und  wurde  dem  noch  immer  mit 
seiner  Armee  in  der  Gegend  von  Leipzig  haltenden  Kronprinzen 
von  Schweden  zur  Vertreibung  der  französisch-dänischen 
Truppen  aus  Norddeutschland,  beziehungsweise  zur  Bezwingung 
der  dortigen  festen  Plätze  zur  Verfügung  gestellt. 

Beurteilung  der  Lage  aui  23.  Oktober.  Das  Resultat  der 
Verfolgung  bis  Erfurt.  i 

So  war  es  denn  Napoleon  gelungen,  im  Laufe  des 
23.  Oktober  sein  ganzes  Heer  unter  dem  Schutze  der  Be-  ^ 
festigungen  von  Erfurt  zu  .sammeln,  ihm  eine  kurze  Spanne  ' 
der  Ifuhe  und  Erholung  zu  gönnen,  deren  es  nach  dem  i 
großen  Schlage  von  Leipzig,  nach  den  Strapazen  der  letzten 
Tage  so  dringend  bedurfte. 

War  es  auch  nur  wenig,  was  Napoleon  erreichte,  ww 
die  Zeit  der  Ruhe  zum  Ersatz  der  materiellen  und  moralischen 
Kamj)ffaktoren  zu  gering  bemessen,  so  konnte  der  Kaiser 
doch  immerhin  mit  dem  Resultat  des  Erreichten  zufrieden 
sein.  Es  waren  zwar  schwache,  aber  doch  einigermaßen  ge- 
schlossene Bataillone,  welche  am  24.  und  25.  Oktober  Erfurt 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


453 


verließen,  seine  Artillerie,  vor  allem  aber  seine  Garden  waren 
noch  immer  schlagfertig,  boten  in  ihrer  Gesamtheit  noch 
immer  eine  ganz  achtunggebietende  Macht. 

Freilich  hielt  das  in  Erfurt  Erreichte  nicht  an,  obwohl 
im  Laufe  der  nächsten  Tage  nur  die  Parteigänger  die  Marsch- 
kolonnen der  französischen  Armee  belästigten. 

Die  Divisionen  der  jungen  Garde  waren  durch  den  auf- 
reibenden Nachhutdienst  auf  je  3000  bis  4000  Mann  per  Divison 
zusammengeschmolzen,  bei  Hanau,  am  30.  und  31.  Oktober, 
zählten  sie  deren  nur  mehr  2000  bis  2500.  Bei  den  anderen 
Truppenteilen  löste  sich  schon  in  den  ersten  Tagen  nach 
Erfurt  unter  den  Strapazen  des  Marsches  und  den  Belästi- 
gungen der  die  französischen  Heersäulen  fort  umschwärmen- 
den Parteigänger  bald  wieder  alle  Ordnung. 

Die  frierenden  und  hungernden  Soldaten  verließen 
haufenweise  die  Reihen,  um  seitwärts  der  Marschlinie  nach 
Lebensmitteln  zu  suchen,  sie  warfen  Watien  und  Gepäck 
weg,  um  leichter  marschieren  zu  können  und  wnrden  dann 
oft  zu  Hunderten  von  den  Reitern  Orlow-Denissows '), 
Tschernitschews,  Mensdorffs  oder  Co lombs  widerstands- 
los aufgegriffen.  Um  die  geretteten  Adler  der  Korps  bildeten 
Offiziere,  Unteroffiziere  und  die  tüchtigsten  Soldaten  ge- 
schlossene Abteilungen  von  wenigen  tausend  oder  auch  nur 
etlichen  hundert  Männern,  so  daß  Abteilungen  in  der  Stärke 
von  wenigen  Bataillonen  oft  10  bis  12  Adler  führten.  Nur  die 
Garden,  die  Kavallerie  — ausgenommen  die  mißglückte 
Institution  der  ,, Ehrengarden”  — die  Artillerie,  soweit  sie 
nicht  infolge  völliger  Erschöpfung  der  ohnedies  minder- 
wertigen Bespannungen  Fuhrwerke  stehen  lassen  mußte, 
bildeten  rühmliche  Ausnahmen.  Diese  Truppen  waren  es  auch, 
welche  ihrem  Kaiser  und  dem  geschlagenen  Heere  bei  Hanau 
den  Weg  durch  den  Feind  bahnten. 

Es  nützte  wenig,  daß  die  Nachhut  immer  wieder  Stel- 
lung nahm  um  die  „Isoles”  zu  sammeln,  zu  bewaffnen  und 
aus  ihnen  geordnete  Truppenkörper  zu  bilden  — in  der 

■)  GM.  Graf  Orlo w-Uenissow  Obemahm  am  24.  Oktober  das 
Kommando  über  das  Thiolomannsche  Streifkorps,  da  GL.  Thiele- 
mann  mit  der  Neuorganisation  der  sächsisehen  Streitkräfte  beauftragt 
worden  war. 


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454 


K 0 r c h n tt  w e. 


nächsten  Nacht  schon  liefen  sie  alle  -wieder  auseinander 
Die  große  Jugend,  die  oberflächliche  Ausbildung  der  oft 
noch  halbwüchsigen  ,,Conscrits”  der  Jahre  1813  und  1814 
machten  jetzt  ihre  üblen  Folgen  geltend.  Das  erkannte 
auch  Napoleon  an,  als  er  am  25.  Oktober  an  den  Kriegs- 
minister schrieb : 

„Ich  brauche  Männer,  keine  Kinder.  Es  gibt  nichts 
Braveres  als  unsere  .Tugend  ; aber  ohne  Kraft,  bevölkei-t  sie 
nur  die  Spitäler  und  zeigt  selbst  bei  der  geringsten  Ungewiß- 
heit den  Charakter  ihres  Alters.  Es  sind  Männer  notwendig, 
um  Frankreich  zu  verteidigen*).” 

Und  täglich,  stündlich  nahm  die  Auflösung  zu,  jene 
Auflösung  *),  welche  in  den  Fatigen  der  Tage  von  Leipzig 

')  Schon  am  23.  Oktober  schreibt  Marschall  Mortieraii  General 
Uertrand:  „Ich  habe  wogen  der  Unmassen  von  Nachzüglern  eine 
Stellung  nehmen  müssen,  um  die.sclbcn  zu  retten  ; ich  habe  selbst  SiJtKi 
bis  4000  gesammelt,  ihnen  Offiziere  und  Unteroffiziere  gegeben  und 
daraus  2 llegimenter  gebildet,  da  es  meist  gesunde  und  gut  bewaffnete 
Leute  gewesen  sind,  aber  in  der  letzten  Nacht  haben  sie  sich  alsbald 
wieder  aufgelöst;  es  ist  unmöglich  gewe.sen,  sie  zu  halten;  allerdings  sindja 
auch  Verwundete  und  Kranke  unter  ihnen,  die  sehr  zu  beklagen  und 
von  denen  manche  tot  liegen  geblieben  sind.”  (^,  * Die  französische 
Armee  im  .Jahre  1S13,  174.) 

’)  Correspondance  de  Napoleon  I.,  XXVI,  20.835. 

Über  den  Zustand  der  französischen  Armee  im  weiteren  Ver- 
lauf des  Rückzuges  schreibt  ein  Augenzeuge : „Oie  Straße  bot  durchweg 
einen  schrecklichen  Anblick  dar,  der  Zeugnis  von  dem  kläglichen  Zu- 
stand der  französischen  Armee  ablegte.  Tote  und  erstarrte  Menschen 
und  Pferde,  zerbrochenes  Geschütz  und  Wagen  lagen  überall  umher. 
Halbverhungerte  Traineurs  schleppten  sich  mühsam  fort  und  lichten 
die  Mildtätigkeit  ihrer  Feinde  um  ein  Stück  Brot  an.  Deserteure  trafen 
fortwährend  in  Menge  ein  und  die  Kosaken  machten  auf  jeden  Schritt 
Gefangene.  Umstände  dieser  Art  erklären  es,  wie  Napoleon  auf  dem 
Rückzug  bis  zum  Rhein  30.000  Manu  verlieren  konnte.”  Und  Müff- 
ling  schreibt:  „Es  konnte  nichts  Unangenehmeres  und  Widrigeres 
geben,  als  der  französischen  Armee  auf  dem  Fuße  zu  folgen.  Längs  der 
ganzen  .Straße  lagen  Leichen  und  im  Sterben  begriffene  Menschen ; die 
man  einbrachte,  trugen  den  Tod  auf  den  Gesichtem,  kurz,  man  konnte 
nicht  ohne  Ekel  daran  denken,  daß  nvin  auf  derselben  Stelle,  vielleicht 
auf  demselben  Stroh  schlafen  sollte,  wde  diese  Nervenüeber-Armee, 
welche  überdies  auf  der  Straße,  die  sie  zog,  die  Eiuw’ohner  angestockt 
und  alles,  was  an  Lebensmitteln  vorhanden  war,  aufgezehrt  hatte !”  — 
Mit  Recht  setzt  Major  Ftiederich  diesen  Schilderungen  hinzu:  „Es 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


455 


bis  Erfurt  mit  ihren  täglichen  Kämpfen  und  Gefechten  ihren 
Urgrund  hatte 

Die  Eesultate  der  von  FM.  Fürst  Schwarzenberg 
eingeleiteten  Verfolgung  waren  also  ganz  bedeutende,  wenn 
sie  sich  auch  nicht  ganz  mit  den  von  der  Theorie  geforderten 
decken,  mit  jenen  Resultaten,  welche  sich  unzweifelhaft  auch 
hätte  erreichen  lassen,  wenn  nicht  FZM.  Gyulai  und  General 
Yorck  es  am  21.  Oktober  an  jener  umsichtigen  Auffassung 
hätten  fehlen  lassen,  weiche  in  ihrer  damaligen  Lage  eben 
gerade  notwendig  war.  Aber  in  welchem  Kriege  kam  dergleichen 
nicht  vor,  welche  Armee  würde  nicht  trotzdem  Yorck  und 
Gyulai  mit  Stolz  zu  den  Ihrigen  zählen,  in  mancher  schweren, 
gefahrvollen  Stunde  sich  solche  Führer  wünschen  1 

Die  französische  Aiinee  hatte  am  19.  Oktober  inklusive 
der  Truppen  Bertrands  noch  etwa  1 10.000  bis  120.000  Kom- 
battanten gezählt,  am  24.  Oktober,  also  nur  5 Tage  später, 
zählte  sie,  trotz  10.000  Mann  eingereihter  Ersatztruppen,  nur 
mehr  70.000  bis  80.000  Mann  mit  200  Geschützen,  der  Rest 
war  gefangen  oder  deckte  tot  oder  sterbend  die  Felder  von 
der  Elster  bis  zur  Gera,  füllte  krank  und  elend  die  Lazarette 
und  Notspitäler  längs  der  Marschstraüe  der  „Großen  Armee 
von  1813')”. 

Die  Truppen  der  Verbündeten  waren  — ein  seltener 
Fall  — dem  geschlagenen  Heere  vom  Schlachtfeld  aus  ohne 
Ruhetag  gefolgt,  sie  hatten  bei  Regenwetter,  großenteils  auf 
elenden,  aufgeweichten  Feldwegen  täglich  drei  bis  vier  Meilen 
gemacht,  ihre  leichte  Reiterei  war  dem  Gegner  stets  auf 

fehlte  nur  der  Schrecken  des  Winter.«,  um  der  französischen  Armee  ira 
.Jahre  1813  das  nämliche  Schicksal  zu  bereiten,  das  die  Große  Armee 
des  Jahres  1812  in  Rußland  erlitten  hatte.”  (l'riederich,  Herbstfeldzng 
1813,  III.) 

*)  Nach  Frankreich  brachte  Napoleon  von  den  aus  Erfurt  aus- 
luarschierten  Truppen  kaum  mehr  als  ,50.000  Mann  zurück.  — Von  den 
.590.000  Mann,  welche  im  Laufe  des  Jahres  1813  nach  Deutschland 
gerückt,  beziehungsweise  dort  gefochteu  h.Uten,  kehrten  bis  Ende  1813 
alles  in  allem  85.000  Manu  zurück.  Etwa  100.000  Mann  waren  in  den 
deutschen  Festungen  eingeschlossen,  der  Rost  tot,  verwundet  oder 
gefangei»  und  auch  von  den  85.000  Zurückgekehrteu  trugen  viele  dey 
heim  tödlicher  Krankheit  in  sich.  Die  französische  Armee  des 

■Jahres  1813,  177.) 


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456 


Kerclinawe. 


den  Fersen  geblieben,  nicht  einen  Moment  war  die  Fühlung 
verloren  gegangen,  der  Gegner  war  von  Leipzig  bis  Erfurt 
nie  zur  Ruhe  gekommen,  täglich  hatte  er  kämpfen  müssen  '). 
oft  — wie  bei  Freyburg  und  Kosen  — hing  das  Schicksal 
des  geschlagenen  Heeres  nur  an  einem  Haare  und  wenn  diese 
Gefechte  auch  nicht  jenes  Resultat  brachten,  das  sie  bringen 
konnten,  so  verursachte  diese  Ruhelosigkeit,  die  stete  Qual  der 
Ungewißheit,  was  die  nächsten  Stunden  bringen  würden, 
jene  Auflösung,  welche  den  Aufenthalt  bei  Erfurt  notwendig 
machte. 

Wenn  auch  durch  den  Aufenthalt  des  französischen 
Heeres  bei  Erfurt  für  die  Hauptarmee  der  Verbündeten 
Zeit  verloren  ging,  weil  FM.  Fürst  Schwarzenberg  die 
gewiß  nicht  unberechtigte  Auffassung  hatte,  daß  Napoleon 
sich  hier  eventuell  zum  Kampfe  stellen  wolle,  wenn  auch 
der  Feldmarschall  deshalb  den  24.  Oktober  dazu  benützte, 
um  seine  Armee  zürn  Kampfe  zu  versammeln  ’)  und  am 
25.  Oktober  rekognoszierend  gegen  die  Festung  vorrückte, 
so  war  es  andererseits  nur  durch  diesen  .S6-  bis  48stündigen 
Aufenthalt  des  Gegners  bei  Erfurt  möglich,  daß  die  Donauarinee 
unter  Wrede  ihm  bei  Hanau  den  Weg  verlegen  und  ihn 
direkt  mit  Gefangennahme  bedrohen  konnte.  Und  jeder  andere 
als  Napoleon  wäre  bei  Hanau  verloren  gewesen. 

War  es  immerhin  noch  eine  achtbare  Streitmacht,  die 
der  besiegte  Imjierator  aus  Erfurts  schützenden  Mauern  der 
Heimat  zutührte,  war  es  ihm  auch  noch  möglich,  mit 
Trümmern  dieser  Streitmacht  G Tage  später  bei  Hanau  sich 
in  heißem,  verlustreichem  Kampfe  den  Weg  durch  den  Feind 

■)  E.S  sei  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hingewiesen,  dali  inge- 
und  wochenlanger  Gefecbtskoutakt,  trotz  des  hier  geführten  Bewegungs- 
krieges, durchaus  keine  Errungenschaft  der  letzten  Zeit  ist.  Die  beider- 
seitigen Heere  standen  vom  Id.  bis  2H.  Oktober,  also  durch  11  Tage,  in 
ununterbrochenem  Gefechtskontakt.  Täglich  war  es  während  dieser  Zeit 
zu  ZusammenstölJon  gekommen,  darunter  an  5 Tagen,  nämlich  am  14., 
IG-,  18.,  18.  und  21.  zu  schweren,  verlustreichen  Kämpfen,  deren  Ver- 
luste, blutige  wie  unblutige,  jene  der  Neuzeit  perzentuell  um  das 
1'  ifacho  bis  Doppelte  übertreften. 

•)  Am  24.  wurde  die  12  (Tete)  bis  27  Kilometer  (Queue)  zurück- 
gebliebene rechte  Kolonne  unter  Barclay  deTolly  auf  gleiche  Höhe 
mit  der  linken  Kolonne  vorgezogen. 


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Von  Leipzig  bis  Krfurt. 


457 


zu  bahnen,  so  war  das  erreichte  Resultat  doch  ein  bedeuten- 
des. Ganz  gewiß  hätte  sich  — wie  dies  ja  eben  aus  diesen 
Blättern  hervorgehen  dürfte  — mit  den  Dispositionen 
Schwarzenbergs  mehr  erreichen  lassen.  Wenn  das  erreichte 
Resultat  hinter  dem  erreichbaren  zurückblieb,  so  lag  dies 
einerseits  an  dem  großen  Gegner  und  seinen  mustergiltigon 
Maßnahmen,  andererseits  an  der  nicht  entsprechenden  Auf- 
fassung der  Lage  seitens  der  Unterführer  am  entscheidenden 
21.  Oktober'). 

Jedenfalls  ist  das,  was  erreicht  wurde,  weit  mehr  als 
alles,  — die  Verfolgung  nach  Belle-Alliance  ausgenommen  — 
was  seit  den  Tagen  Napoleons  bis  zu  den  Ereignissen  der 
allerjüngsten  Zeit  durch  Verfolgungen  erreicht  wurde;  jeden- 
falls steht  die  Art  und  Weise,  wie  die  verbündeten  Heere 
unter  FM.  Fürst  Schwarzenbergs  Führung  dem  ge- 
schlagenen Gegner  nachdrängten,  hoch  über  allem,  seither 
darin  Geleisteten.  An  Energie,  den  errungenen  Erfolg  auszu- 
nützen, an  „mitleidlosem  Willen,  von  den  eben  siegreichen 
Truppen  noch  weitere  schwere  Opfer  zu  fordern  *)”,  hat  es 
dem  Führer  der  Verbündeten  also  sicher  nicht  in  höherem 
Maße  gefehlt,  als  vielen,  welche  die  Epigonen  seither  über  ihn 
stellten. 

Wenn  man  auch  gewiß  aus  den  Unterlassungen  bei 
dieser  Verfolgungsoperation  nahezu  eben.soviel  lernen  kann 
wie  an  dem  Geschehenen,  wenn  die  Theorie  auch  an  diesen 
Unterlassungen  Kritik  üben  und  theoretische  Folgerungen 
von  ihnen  ableiten  kann,  so  wird  sich  die  Praxis  doch  in  den 
allermeisten  Fällen  zufrieden  geben  können,  w'enn  sie  — 
auch  weniger  großen  Gegnern  gegenüber  — bei  der  Ver- 
folgung solche  Resultate  erzielt  wie  FM.  Fürst  Schwarzen- 
berg in  den  Tagen  von  Leipzig  bis  Erfurt. 

')  Den  beiden  hier  in  Betraclit  kommenden  Führern  — Gyulai 
und  Torck  — deshalb  Mangel  an  Energie  vorzuwerfen,  ist  wohl  nicht 
angebracht.  Gyulais  sonstiges  Benehmen  am  20.  und  21.  Oktober  be- 
weist, daß  es  ihm  an  Tatkraft  absolut  nicht  gefehlt  hat;  was  Yorck  an- 
belangt,  so  wurden  über  dessen  Leistungen,  seine  „eiserne”  Entschlossen- 
heit etc.,  Bücher  genug  geschrieben;  es  hieße,  Eulen  nach  Athen  tragen, 
hier  noch  Weiteres  anzuführen. 

’)  Moltke,  Gesamte  militärische  Werke,  18(56. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


461 


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')  Von  18.  bis  25.  Oktober  beim  Korps  Yorck  der  schlesischen  Armeo. 


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462 


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Von  Leipzig  big  Krfiirt, 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt, 


')  Inklusiv»  einer  eventuell  dem  Korps  Platnw  zngoteilten  Eskadron. 


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Kerchnawe. 


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Von  Leipzig:  bis  Erfurt. 


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•>  Per  Komman<lAtit  der  infanteriereserve  0.  d.  K.  l*rinz  zn  Hesaen  • Houiburj;  am  18.  X.  sohwer  verwundet,  seither 
beide  Pivieionen  dem  Armeekoxumando  direkt  unteritellt. 


Formiuren  ||  Streitbar 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


467 


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’>  l>«ir  KnmcuBnilaut  dar  Infanterieresetv«  O.  d.  K.  Prinz  zu  ITui se  u - Hu mbu  r«r  &ni  lÖ/X.  eobwor  verwundet,  selüier 
beide  Divisioueu  d^m  Armeekommaudo  direkt  uutersteUt. 


b)  Russisch-preußische  Truppen. 

Oberkommandant:  G.  d.  I.  Graf  Barclay  de  Tolly.  — Chef  des  Generalstabes:  GM.  Sabanjew.  — Generabjuartier- 


468 


Kerchnawe. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt  469 


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Formieren  Streitbar 


K e r c li  n a w e. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


471 


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I I I I I I I : I i I 1 I I I I I I II 


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Foriulertiu  i Streitbar 


472 


Kerohnawe. 


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Von  I^ipsig  bis  Erfurt. 


473 


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Von  Leipzig  bis  Krfurt, 


473 


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474 


Kerchnawe 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt, 


475 


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iechspf.  Fußbutteriö  Nr.  14  !l 


StrMtbar 


476 


Korchnawe. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt, 


477 


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c)  Streifkorps 


478 


Korehnnwe. 


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Von  Leipeig  bis  Erfurt 


479 


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4«0 


Kerchnawe. 


Detachierte  Abteilungen  und  Korps  aufierhalb  des  direkten  Verbandes 
der  Hauptarmee. 


a)  Stabs-  und  Bedockungs-  I 
truppen. 

1.  7j\ir  Bedeckung  des  .\llerhöch- 
stenHotlngcrs  desKai.'ser  Kranz ! 

) lUvision  von  Somniariva-  | 

Küra,s.sieren 

1 (Trenadiorbalaillon  niiit  .Ab- 
lösung)   


I - 202 

!<m.600:  - 


( 2.  Zur  J5edeckungdes  Allerhöchsten  [i 
HotlagersKaiser  Alexanders  1. 
u.  König  Friedrich  Willielms  j| 

Koaakonkonvoi . . . j' 

Ferner  Abteilungen  von  wechseln-  1! 
der  Starke  der  russisch-preuÜi-  . 
sehen  Heserven : 


d.  Im  Iluuptijuartier  des  Armee-  |i 
Oberkommandos  ij 

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1 Division  von  Lothringer-Kdms- • 

sieren j 

Vom  Kosakenreg.  Uebrikowlll  . i; 


2 ' — — 300  - , 


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niaiido  KM  F..  Baron  Proeba.s  kai  ' 
unterstellt.  i 

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? I 1 LaiidwebrFjatiiilloii  von  ■ 
ej;o  Kbrbacli-Infuntoric  . . .| 
1 LHiidtvchrbalaillon  Kroon- I 
Infanterie : 

Kürtrag  . . • i| 


Digitized  by  Googl 


Mobilo  Kolonno  GM. 
Freih.  v.  Horjeugftnbprg 


Von  Loipiig  bis  Erfurt. 


481 


Formitüren 

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1 Laiidwehrbataillon  von  ReuJl- 

(Ireitz-InfnuteriB 

Je  1 Eskudron  von  Iloseiiberg- 
Chevnulegers  n.  Uieseb-Dra- 

gouern  | 

Vom  preuüiscben  2.  scble.si-  .| 
achen  Landwehrkaviillerie-  !' 

regiraent 

Russisches  Ulanenregiment 

Serpuchow . — | 


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222«! 

1151 

280' 

200 

— I 480 


Zusammen  . . 

c>  Zur  Disposition  der  kais. 
rnss.  O e n eral in ten d an I iir.  1 


2.  Poltawa-  . . . . 
Kleinrussisches  . 
Tschemigowsches  . 


Lundwehr- 
I ko.sakenreg. 


d)  Avtf  Gefangenentransport. 
2.  Baschkirenrogimeut  . . . 


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Zusammen 


I e)  Zur  Ein  Schließung  v.  Dres- 
I den  detachiert.: 

■ österreichisches  IV,  Korps  O.  d.  K. 
Oraf  Klenau 


2 Haschkirenreg. 


24 


14  I 8 


16.250 


1763 


58 


MitteiluD^en  des  k.  und  k.  Krieganrohivs.  Dritt.,>  Folge.  IV'.  Bt. 


31 


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482 


K erchnawe. 


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Von  Leipcig  bi»  Erfurt. 


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481 


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Von  Leipsig  bis  Krfurt. 


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^türkoangabeo  nach  Kombattantenliste  des  preußischen  I.  Armeekorps  vom  20.  bis  25.  Oktober  181B.  (K.A.  Berlin  ) 


Kormierpn  li  Streitbar 


KeroUuuwe. 


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V'on  Leipsig  bis  Erfurt. 


487 


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•)  Nacli  Aster,  Loip/i^,  II. 

■i)  Der  Kommandaot  der  10,  Infnuteriedivision  General  (iraf  Lieveu  bei  LeipKig  verwundet,  nonb  nicht  horgestellt. 


Formieren  ! Stroitbar 


48« 


Korohnawe. 


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Von  Leipzig  bU  Krfort. 


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Von  Leipsig  bis  Erfurt. 


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492 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


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Von  Leipxif^  bis  Erfart. 


497 


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*)  Die  Gt;scliütszahl  der  Armee  aRcb  jener  vor  der  Schlacht  bei  Leipzi)?.  abxüglich  der  an  den  Feind  vorloroneu  ^0  nud 
der  mit  den  Sncbsen  und  Würltembeigern  dbert^egnnfConen  iSs  GeaohÜtson  errechnet. 


198  Kercbort've. 


Digiiized  by  Google 


Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


499 


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Summe  des  IV.  Korps 30  j 8 ^ 2 8 8300  | 200 

Sii'bo  Anmerkung  1 auf  Soito  490. 


Formieren  I Streitbar 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


601 


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Formieren  ||  Streitbar 


502 


Kerchnawe. 


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Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


503 


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Koriaioren  I Stroitbar 


504 


Kerchnawe. 


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Kurmieren  jj  Streitbar 


O' 


Kerohnnwe. 


Summe  des  5.  Reservekavalleriekorps  .1  — — 47  | 1 ; — SiKK) 


Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


507 


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I Streitbar 

Detachiert. 

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1.  in  Dresden  unter  Mar- 

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I.  Korps,  Gruf  von  Lobau 
XIV.  Korps,  Marschall 

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47 

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Davon  t.  Herzog  von 
Auerstädt,  in  Hamburg 

XIII.  Korps,  Mar-chall 

J- 

Davoiit 

47 

1 

15 

10  1 ca.21.0(H) 

_ 

68 

Das  XII.  Korps  (Marseha)l 

Oudinot)  seit  17.  September 
aufgiilöst 

1 

1 

II. 

Disposition  vom  20.  bis  22.  Oktober  1813. 

Die  Armee  marschiert  in  zwei  Kolonnen  gegen  Erfurt. 

Die  1.  Kolonne,  niiinlicli:  III.  Armeekorps  Gyulai,  FML.  No.stitz 
mit  vier  Brigaden,  FM.  Moritz  Liechtenstein,  russische  Garden  und 
lieserven,  Wittgenstein  und  Kleistische  Korps  marschiert; 

Den  20.  Oktober  1813;  Gyulai  mit  Liechtenstein  nach  Naum- 
hiirg.  Xostitz  nach  Saumburg,  russische  Garden  und  Reserven  nach 
Teuchem,  Wittgenstein  und  Kleist  nach  Pegau. 

Den  21.  Oktober:  Gyulai  mit  Liechten.stein  nach  Eckartsberga. 
Nostitz  nach  Eckartsherga,  ru.ssische  Garden  und  Reserven  nach  Hassen- 
hausen, Wittgenstein  tind  Kleist  nach  Stößen. 

Den  22.  Oktober:  Gyulai  mit  Liechtenstein  nach  Buttelstedt. 
Nostitz  nach  Buttelstedt,  russische  Garden  und  Reserven  nach  Auer- 
stiidr,  Wittgenstein  und  Kleist  nach  Eckartsberga. 

Die  2.  Kolonne,  nämlich:  I.  .Vrmeokorps  Colloredo,  II.  Armee- 
korps Colloredo,  Armeeinfanteriereserven,  IV.  Armeekorps  Klenau,  an 
welches  sich  die  zweite  leichte  Division  Buhna  auschließt.  marschieren: 

Den  20.  Oktober  nach  Zeitz,  nur  das  IV.  Armeekorps  bleibt 
111  Üraschwitz  stellen. 

Den  21.  Oktober  nach  Eisonherg,  das  IV.  Armeekorps  aut 
Großen. 

Den  22.  Oktober  nach  .Jena 

Die  Artilleriereservo  marschiert  nach  .AHenhurg,  den  21.  Oktober 
nach  Gern,  den  22.  Oktober  nach  Roda,  den  23.  Oktober  nach  Jena. 

Das  Haupt<|uartier  kommt  den  20.  Oktober  nach  Zeitz,  den 
21.  Oktober  nach  Eisenlierg,  den  22.  Oktober  nach  Jena. 


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508 


Kerehuttwo. 


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Rerohnawe. 


510 


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V'on  Leipzig  bis  Erfurt. 


511 


V. 

Verzeichnis  der  im  Treffen  toii  Kosen  gemachten 
Gefangenen '). 


Vom  Feind  herüber  desertiert  sind: 

78  polnische  Gardisten*). 

An  Kriegsgefangenen  eingebracht: 

2 Ofifiziere  von  den  Baveml 
......  - 


iere  | 
eine  / 


71  Gemeine 
4 Offiziere 
4.Ö6  Gemeine 
14  Holländer 
1 Sachse 
8 Italiener 
1 Württembergcr 
14  Polen 


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ranzosen 


Zusammen  . . tU9  Mann. 


*)  K.  A.,  F.  A.  1818,  HanpUirmee.  X.  543. 

*)  1.  Chevaiilegerslanciers  der  Garile  (LefÄbvre-Desnouotte). 

■)  Die  Relation  sagt:  .F.s  wurde  eine  ganze  bayrische  Kompagnie  gefangen, 
genommen.'*  Da  die  Stünde  schon  sehr  schwach,  auch  hier  Verluste  eingetreten 
waren,  dürfte  dies  etiinmen. 


Digilized  by  Google 


512 


Kerclinawe. 


I 


VI. 

Formation  des  köniel.  preußischen  I.  Korps  G.  d.  I.  Ton 
Yorck  vom  21.  bis  25.  Oktober*). 


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Avantgarde  Oberst  Graf  Honckel. 

Das  schlesi.Hche  (TrcnaiUerbataillou 

1 

Das  kombiiiierto  Fü.siIierbataiUon  des  branden- 
burgiseben  und  H.  Bataillon  des  12.  Reserve- 
intanterieregimenta 

1 

Das  Thüringerbataillon 

1 

— 

— 

Das  1.  Bataillon  Leibregiinent 

1 

— 

— 

Das  Landwcbrbataillon  von  Fiseber  vom 
ti.  scblesiscben  Landwelirinfanterieregiment 

1 

_ 

Das  kombinierte  Bataillon  von  Kottulinski  und 
von  Knorr  vom  4.  scblesiscben  Landwehr- 
iulauteriuregimeiit 

1 

Das  2.  üsterreicliisclie  Jägerbataillon  .... 

1 

— 

— 

2 Kompagnien  ostproußische  Jäger 

>/• 

— 

— 

1 Kompagnie  Gardejägor 

— 

— 

2.  Leibbusarenregiment  (iukl.  lägerdetacboment) 

— 

5 

— 

Braiidenburgisehos  Uvisareiiregiment  (inkl. 
Jägerdctacbcment 

_ 

5 

_ 

Sächsisches  L'bineuregiment 

— 

4 

— 

Reitende  Batterie  Nr.  2 

— 

— 

8 

Sechspi’üudige  FuÜbutierie 

— 

— 

8 

Summe  ... 

7>/4 

14 

16 

*)  K.  A.  Merlin,  mitgeteilt  von  ü^or  Priedericb. 
Eine  Kompagnie  beim  Streifkorps  Boltenstorn. 


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Von  Leipsi(f  bis  Erfurt. 


513 


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1.  Division  GM.  von  Horn. 

{ Kombiiaertos  Bataillon  dOvS  1.  ostpreuÜischeu 

Infanterieregiments 

1 

_ 

_ 

' Kombiniertes  Bataillon  des  2.  ostpreußischen 

1 Infantcriere>;iments 

1 



Kombiniertes  Füsilierbataillon  des  1.  und  2-  ost- 
1 preuÜischeii  Infanterieregiments 

1 

_ 



1 2.  Bataillon  de«  Leibreginients 

1 

— 

— 

i Füsilierbatailloii  des  Leibregiments  .... 

1 

— 

1 Kombiniertes  Bataillon  Grat'  Reichcnbacli  vom 

1 4.  und  von  Wedel  vom  15.  schlesischen  Land- 

I wehrinfantericregiment 

1 

1 Kombiniertes  Bataillon  von  Pettenkofer  imd 

von  Sommerfeld  vom  15.  schlesischen  Land- 
j wchrinfanterieregiment 

1 

I Mecklenburgisches  Husaronregiment 

— 

4 

— 

' OstpreuÜisches  Nationalkavallerieregiment 

' (iukl.  Elitodetachemeixt) 

5 



Scchspfündige  Fußbatteri“  Nr.  1 

— 

8 

I Summe  . . . 

7 

‘1 

8 

! 2.  Division  von  HOnerbein. 

1 Kombiniertes  1.  ostpreußisches  und  west- 

] Iireußisches  («renadierbataillon 

1 

^ Lwbgrenadierbataillon 

1 

- 

— 

1 Kombiniertes  Bataillon  des  5.  schlesischen 

Landwehrinfanterieregiraonts 

1 



_ 

] Kombiniertes  Bataillon  des  13.  schlesischen 

Landwehrinfanterieregiments 

1 

- 



Kombiniertes  Musketierbataillon  des  hranden- 
burglschen  Infanteriereg;iments 

1 

Kombiniertes  Bataillon  des  12.  Reserveinfan- 
terieregiments 

1 

1 Kombiniertes  Bataillon  des  14.  schlesischen 

Landwehrinfanterieregiments 

i 1 

_ 

j 5.  schlesisches  Landwehrkavallerieregiment 

1 

f Major  von  Biberstein 

- 

4 

— 

1 1.  neumärkisches  Landwehrkavallerieregiment 

Major  von  Biberstein 

4 

. 

Sechspfündige  Fußhatterio  Nr.  15 

■ 

... 

‘ Summe  . . . 

1 

7 

' 

H 

8 

1 H 

Mitteilungen  des  k.  und  k.  Kriegsurchivs.  Dritte  Folge,  IV.  Bd. 

33 

Digilized  by  Google 


614 


Kerchnawe. 


Reservekavallerie. 

Das  litauische  Dragoncrregiment  . . . . 
Das  1.  nestpreußischc  Dragonerregiment 
Das  brandenburgische  Ulanenregiment  . . 
Das  sächsische  Husarenregiment  . . . . 

Reitende  Batterie  Nr.  1 

Summe  . 


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Zugeteilt Kosakenregiment  Grekow  XX r und  1 Ba-sch-  | 
kirenregiment,  ‘2  Eskadronen  Kosakenregimenter  i Kejj. 


Reserveartillerie. 

Sechspfünd. FuiJbatteric  Nr.H 
Ereiptiind.  Fußbatterie  Xr.  1 
Reitende  Batterie  Nr.  8 
Reitende  Batterie  Nr.  12 
Parkkolonne  Nr.  13 
Handwcrkskolonno  Nr.  1 


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Summe  . 


8 

8 

8 

8 


Detachiert  waren; 

Das  schlesische  Landwehrkavallorieregiment 

Nr.  10>) 

Die  .8.  und  4.  Eskadron  des  schlesischen  Land- 
wehrkavallerioregimeiits  Nr.  8’) 


Gesamtsumme;  ‘dl’/.  Bataillone,  63  Eskadronen,  1)  Batterien  und  ‘ 
2 Kosakenregimenter  mit  einem  Staude  von ; 10.5.87  Mann  Infanterie  ; 
inklusive  des  471  Mann  starken  k.  k.  2.  Jägerbataillons,  4814  Reiter 
inklusive  der  ;tugetoiIten  sächsischen  Kavallerie,  der  Kosaken  und 
des  Basebkirenregimeuts  (483  Mann).  72  Geschütze. 


Es  ist  nirgends  angegeben,  wohin,  warum  und  wann.  Am  3S.  war 
das  Regiment  schon  wieder  beim  Korps  eingotrotten  und  wurde  der  Division 
Hünerbein  augeteilt. 

')  Heim  Streifkorps  des  Majors  Graf  Kalkenhausen.  Trafen  am  28. 
wieder  ein  und  wurden  der  Beservekaveiterie  zugeteüt.  t 


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GetchUtse 


vir. 

KoinliattantenHste  des  preußischen  I.  Armeekorps  vom  20.  Oktober  1818') 


Von  Leipzig  bis  Erfurt. 


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83* 


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Berlin ; mitgeteilt  von  Major  Kr  ieder  i ch.  — Ohne  die  etige-teilten  üjterroichiacben,  sächsischen  tnid  rosjischen  Truppen. 


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Verlag  von  L.  W.  Seidel  & Sohn  in  Wien. 


MITTEILUNGEN 

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<.  UND  K.  KRIEGSARCHIVS. 


Neue  Folge.  I.-Xll.  Band.  (1887-1900.) 

. Erinnerungen  aus  dem  Leben  des  FM.  Grafen  Kadetzky.  — K 
rba,  Zur  Geschichte  der  Ereignis.se  in  Bosnien  und  Montenegro 
3.  Mit  1 Tafel.  — Duncker,  Militärische  und  politische  Akten- 
;ke  zur  Geschichte  des  ersten  schlesischen  Krieges  1741.  Mit 
afel.  — Wetzor,  Der  Feldzug  am  Ober-Rhein  16JÄ  und  die  Be- 
nung  von  Breisach.  Mit  2 Tatein.  — Kriegs-Chronik  Ö.sterreich- 

»arns.  3.  Ted.  1SH7 8.-- 

. Machalicky»  Der  Feldzug  gegen  die  neapolitanische  Revolu- 
1 1821.  Mit  1 Tafel,  — fiorba,  Die  KniHerlichen  in  Albanien  1()83. 

, I Tafel.  — Duncker,  Aktenstücke  (Forts.).  — Wetzer,  Feld- 

; am  Ober-Rhein  (Forts.}.  Mit  1 Tafel.  1W88 8 — 

i.  AVetzer.  Feldzug  am  Ober-Rhein  (Schluß).  Mit  1 Tafel.  — 
nger,  Serbien  unter  der  kaiserlichen  Regierung  I7l7bis  1739.  Mit 
Karte.  — Duncker  Aktenstücke  (Forts.)  — Kriegs-Chronik. 

Teil  (Forts.i.  Mit  1 Karte.  1889 *1. — 

1.  Angel i,  Die  Heere  des  Kaisers  und  der  französischen  Revolu- 
n im  Beginn  des  Jahres  1792.  Mit  8 Bildern  und  1 Skizze.  — 
rxich,  Die  freiwilligen  Aufgebote  aus  den  Ländern  der  ungarischen 
one  im  ersten  scblesischon  Krieg  1.  Ihis  Aufgebot  der  ungarischen 
mrrekiion  und  kroati.se her  Freikorps  1741.  Mit  1 Kartenskizze.  — 
iiicker,  Der  Überfall  bei  Baumgurton  am  27.  Februar  1741.  Mit 
Tafel.  — Kulnigg,  Die  Römer  im  Gebiete  der  heutigen  öster- 
chisch-uiigarisclieu  Monarclde.  Mit  i\  3'afeln.  — Kriegs-Chronik. 

Teil  (Forts.).  Iss9 H.— 

i.  Hausenblas.  Osterreicli  im  Kriege  gegen  die  französische 
volution  1792.  Mit  4 Rlilnen.  — Alexich,  Die  freiwilligen  Auf- 
iote  aus  den  Ländern  der  ungarischen  Krone  1741  und  1742. 

Die  Preßburger  Landlagsbeschlüs».o  und  die  allgemeine  Insnr- 
ition  in  Ungurn  1741  his  1742  iSchlnß).  — Duncker,  Aktenstücke 


)rts,).  — Kriegs-Chronik.  3.  Teil  (Forts. >.  1891 H.— 

d.  Hausenblas,  1792  (Forts.).  Mit")  Tafeln.  — Zerboni,  Die  Be- 
.npfnng  des  Aufstandes  in  Piemont  1821  und  die  Okkupation  des 
Ildes  durch  österreicbische  Tnippen  bis  zum  Jahre  1823.  Mit 
rafeln.  — Keniatmüller.  Das  Dragoner-Regiment  Herzog  Jiiliu.s 
dwig  von  Savoyen.  — Duncker,  .-Vktenstücke  (Schluß).  1892.  . 8.— 

it-Baiid.  Kriegs-Chronik  3.  Teil.  2.  Hüllte  4.  Teil  Mit  1 Tafel.  1S92.  .A.~ 

d.  Hausenblas,  1792  (Forts.V  Mit  4 Tafeln.  — Kematmüller, 


e \ erteidignngs-Anstalt  in  Nieder-  und  Inner-OsteiToicb  beim 
nbriich  der  Bayern  1741.  Mit  2 Tafeln.  --  Tagebuch  eines  Offiziers 
. (ieneralstahe  der  bayrischen  Armee  (Major  Für.><t  Th  um  nn<l 
ixi.s)  wiUirenil  des  Feldzuges  in  Rußland  1S12.  — Duncker, 
rei  Berichte  aus  ilem  bebigerien  Wien  11)S2.  — Auf  der  Feste 
uidskroM  1()3S.  Eine  Kpi.sode  aus  dem  30jährigen  Kriege.  — Ans 
•n  Schriften  des  Feidmarscliatls  Ludwig  .Andreas  Grafen  Klieven- 
iller,  Idee  vom  Kriege.  1.  Ted.  1893 8.— 


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\'Hr.  Kaiid.  Sacken,  Das  öaterreicliiwche  Korps  Scliwarzenberjj-Legeü 
Kin  beitrag  zur  (ieschichte  der  politischen  Wirren  in  Deulsc 
Ende  1849  bis  18,01.  Mit  1 Pinnskizze.  — Beitrag  zur  Geschicln 
Krieges  in  Ungarn  1848  bis  1849.  — Criste,  Der  Beitritt  Oster 
zur  Koalition  im  Jahre  1813.  — Klie  ve.nli  ül  1er,  Idee  vom  b 

(Ports.  . 2.  Teil.  1894 

IX  Band.  Hansenblns.  1792  (Ports.!.  .Mit  1 Tafel.  — Kienast.  1 
Friedrich  II.  von  Preiilien  und  die  Ungarn  bis  zum  Hubertusl 
Frieden  17ti.l.  — Kematmüller,  Die  östcrreicliisclie  Adininist 
in  Bayern  1743  bis  174Ö.  Mit  1 Kärtchen.  — K h e ven iiUller 

vom  kriege,  2.  Teil  (Forts.).  189.') 

X.  Band.  Christen,  1792  (Forts,  der  Arbeit  von  H an seii blas* 
3 Tafeln  — Veltze,  Der  schriftliche  Nacblall  des  Peldniars 
und  Generalleutnants  Baimiind  Fürsten  Montec.iiccoli. 

3 Tafeln.  — Die  Prager  .Tiini-Ereignisse  1848.  Mit  Plan  von 
— Seidl,  Das  Mailänder  Attentat  am  6.  Februar  1853.  Mit  l’la 
Mailand.  — Khevenhüller,  Idee  vom  Kriege.  2.  TciltSchluti). 

XI.  Band.  Criste,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Tlastatter  Gesar 

mordes  1799.  Mit  3 Tafeln.  189<t 

XII.  Band.  Hel  fert.  Die  Stadt  des  Palladio  im  .Inhre  1848.  Mit  1 Oyers 
karte  und  1 Uragebiingsplane  von  Vicenza.  — V'oltze,  Die  H 
relation  des  kaiserlichen  Kesblenten  in  Konstantinopel,  i 
Reuiger  von  Retiingen  lt>49— l(Ui6.  Mit  2 Beilagen  und  2 Faks 
— .lacubeiiz.  Die  cisalutanische  Walachei  unter  kaisorlicliei 
waltiing  1717  bis  1739.  Mit  1 Beilage  und  1 Karte.  — Chri 
1792  (SchhiÜi.  Mit  1 Beilage  und  1 Karte.  19tKl 

Dritte  Folge. 

1.  Baud.  Criste,  Ungedruckte  Briefe  des  Erzherzogs  Karl.  — H 
Der  StralSenknnipf  in  Paris  am  28.  und  29.  Juli  1830.  Mit  1 ' 
— Langer,  Die  Keokkupation  Freiburgs  und  Breisachs  1698  bin 
Mit  2 Tafeln.  — Soiiimeregger,  Ereignisse  in  den  Legat 
lind  Marken  in  Italien  in  den  .lahren  1848  und  1849.  Mit  3 T 
— Peters.  Die  österreichischen  Kefestiguiigen  au  der  oberen 

-Mit  4 Tafeln.  1902.  

II.  Bund.  Criste,  Die  ÖNterreicliische  Truppenaufstelluug  gegen  Pri 
und  Polen,  171KI.  Mit  1 Tafel.  — Eine  Denkschrift  Zachs  aus 
Jahre  1798.  — Criste,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Rastatte 
saiidteiimordes  1799.  — J'allun-Gall,  Pater  Joachim  Haspi 
Tagebuch  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Kämpfe  der  Tirol 
.lahre  1809.  Zitterhofer,  Die  Okkupation  Siziliens  durch  i 
reichische  Truppen  vom  Mai  1821  bis  1826.  Mit  1 Cbersichtsl 
— Bartsch,  Hayiiaii  und  der  Aufstand  in  Brescia  1849.  Mit  1 
- Die  Division  Jleiscliach  hei  Magenta,  4.  Juni  1859  Mit  l Kt 

Skizze.  1903 

III.  Band.  P'eldzeugmeister  L.  von  Wetzer.  — KemutniUller,  Wi 
bauten  des  Hofkriegsrates  1721  bis  1740.  — Peters,  Die  Dis 
tion  des  Obersten  und  Geiieralstabscliefs  Mack  zum  Angrifl 
das  fraiizö'ische  Lager  von  Famars  »m  23.  Mai  179.3.  Mit  1 ' 
Skizze.  — Eine  Denkschrift  des  FM.  Ma.x  Freiherrii  von  Wiinp 
aus  dem  Jahre  1809.  — Soinek,  Die  Artillerie  im  Jahre  180 
Veltze,  Aii.s  den  Tagen  von  Pordenone  und  Sacile.  Die  ö 
reichische  Oftensive  in  Italien  1809.  Mit  7 Textskizzen.  — Tage 
des  Streifkoips  unter  Führung  des  k.  k.  Obersten  E.  Grafen 
Mensdorff- Poiiilly  \2i.  August  bis  10.  Dezember  1813J. 
1 Textskizze.  1904 

Bestellungen  können  auch  an  die  Direktion  des  k.  und  k.  Kriegsarchivs  gerii 


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GENERAL  LIBRARY  - U.C.  BERKELEY 


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