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Full text of "Walt Whitman homosexueller?"

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I 





3ot)amtes Sd)laf. 


Äritijcfye fteoifion 


3. ff. ff. Bruns’ Berlag, Blhtben L B3. 

gtrsogtid) Sä^flldK uriö JÜrttltf» S$aum6wg«ClpplW>e $of>$erlag$&U'tfianMiing. 

1906. IfflBliu IfimnuH 


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Johannes Sd)Iaf. 



Äritifcfjc 5Reoi[ton einer 9Bl)itman * 2lbl)anblung 
oon Dr. (Ebuarb Sert}. 






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3. CC. (I. ©runs’ ©erlag, ©Hnben i. 2B. 

8«r3ogIitf) S8d)ft[d)f unb $JürJtn<b Scbaumburg . CippiJcfje gof «Scrlagsbudjfjanbluitg. 

1906. 


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P 5 3 23/ 
134/8 S3 



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5 lls Separat» Slbbru * aus bem „Jahrbuch für fejuelle 
3u>ifcf)enftuf en mit befonberer ©erücfefid)ttgung ber 
fjomofejualitat, hetausgegeben oon Dr. med. Magnus 
fjirf <hf elb ", erfdjien oor lungern im Berlage oon Maj Spot)r 
(ßeipäig) eine Monographie oon Dr. (Ebuarb Bertj, be« 
titelt „Malt 2 B 1 )itman; ein (Eljarabterbilb — Diefe 
Monographie fud)t ben Mad)t»eis 3U führen, bah ®alt 2 Bhitman, 
ber Dichter ber „©rashalme", ein ^omofejueüer gecoefen {ei; unb 
3toar 3ähU ihn Dr. Bertj ber Kategorie ber (Ebel * Uranier bei. 

3 d) behaupte nun, bah Dr - ®ertj c * n folctjer Bad) toeis nid)t 
geglüc&t ift, unb id) toerbe bieje Behauptung im folgenben ftütjen 
burd) eine britifdje Beoifion ber Betoei{e, bie Dr. Bert} mit Jo 
grober Slusführlidjlteit roie ausgiebiger unb umfangreicher herbei» 
[<haffung oon Material in {einer Monographie entroicbelt. 

* 

Utadjbem Bertj auf ben erften 25 Seiten {einer Schrift eine 
9ln3ahl intere{{anter Urteile oon ©egnern unb Bereljrern 2 Bhit* 
mans angeführt unb britifd) beleuchtet hat, um für feine iperfon 
eine Mittelfteilung 3toifd>en ihnen ein3unehmen ; nachbem er ferner 
unterf<hiebli<he Urteile roiffenfchaftlidjer Äapa3itäten über 2BI)itman 
3itiert unb bie ^Rechtfertigung einer fejual » roiffenfehaf tlid)en Be» 
leuchtung bes oorliegenben 'Problems gegen biefen unb jenen, ber 
eine foldje prin3ipiell oerroirft, beigebracht h fl t< geh* er baran, 
bie oier oon Jrjirfchfelb aufgefteüten <harabteriftifd)en Stigmata 

1 * 


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ber fjomofejualität bei ©Jhitman nad) 3 uroeifen. *Diefc Dter 
Stigmata hefteten 1 . in fomatifdjen, 2. in pft)d)ifd)en fienn 3 eichen, 
3. in einer grojjen Abneigung gegen bas ©Jeib unb 4. in einem 
5teunb|(^afts*QEntI)u|iasmus non ge|d)led)tlicf)em ©runbd)arakter. 
- ®iefe oier Stigmata, behauptet ©ert), laffen fid) bei ©Jljitman 
nad)toeifen. 

Cs ift inbeffen gleich oon 3ntereffe, i)eruor 3 ut|eben ( in 
toeldjem Sinne Bert) non einer Jrjomofejualität 3Bf)itmans fprid)t ; 
unb es ift ferner non 3ntereffe, auf ©runb melden ©laterials 
er feinen Bern eis füt>rt. 

3d) h°b bereits oorljin heroor, bafj Bert} ©Jljitman einen 
©bei * Uranier nennt. ©Jas er bamit meint, bafür gibt eine Stelle 
auf Seite 167 beut liefen ©ufjchlufj. — 3d) 3 itiere fie. 3m ©erlauf 
einer Meinen 'Polemik gegen ©3ilh- Sdjölermann, ber im ©erläge 
uon ©. ©ieberidjs in 3 ena »or ein paar fahren eine ©usroat)l s 
Überfe^ung ber „©rashalme" mit ©inleitung Ijerausgebra^t hat, 
äufjert Sertj fid) folgenbermajjen : 

„2Bie fe^r Sdjölermann bie roaljre ©atur bes ^Problems 
oerkennt, 3 eigt er, roenn er non ©3f)itman fagt: ,So kam es, 
baff man iljm unerlaubte, aber unberoiefene Se 3 iel)ungen 3 U 
jungen ßeuten nad)fagen mod)te.‘ 3d) roeif} nid)t, rooljer er 
biefe ©nklage entnommen l>at ; Sdjölermann ift ber erfte, bei 
bem id) fie lefe; in keinem anberen ber Dielen ©üdjer über 
2Bl)itman, bie id) je 3 U ©ate ge 3 ogen habe, ift fie mir mit einer 
foldjen Ungefd)minktheit aufgeftojjen. Unb id) be 3 toeifle 
fogar, bafj ©3l)itman ,unerlaubte‘ ©e 3 ief)ungen 3 U jungen ßeuten 
unterhalten hat, roenn ich ih n aud) nicht im geringften besroegen 
nerurteilen mürbe, ©ein, nicht auf beftimmte ©kte, 
gleid)Diel ob erlaubt ober oerboten, kommt es an, rnenn totr 
bie Jrjomofejualität eines ÜJtannes feftfteüen tooHen, fonbern auf 
feinen ©harakter, feine ffiefühlstoeife. ©s gibt unb gab 
jeber 3 eit eine beträchtliche ©ruppe oon ©bel*Uraniern, bie nie* 
mals bem Iriebe ihrer ßeibenfdjaft gehorchten." 

©Ijo : Bert} beätoeifelt, bah ©Jhttman je ben urnifdjen ©kt 


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$ 


Dot^ogen hat. (Es ift benn in ber lat auch nicht bas geringfte 
©etocis * ÜJlaterial oorhanben, bah cs ber JaH getoefen wäre. — 
2lber Bert) behauptet unb roiH betoeifen, bah fid) bei SBljitman 
ber Charakter unb bie (Befühlstoeife bes f>omofejueHen 
nadjroeifen laffe. — 2Bas nun i)ier ben Charakter bes Btaterials 
onbelangt, auf befjen Bafis er einen folgen Beweis 3 U führen 
gebenkt, fo ift folgenbe Stelle auf Seite 193 feines Buddes bafür 
benn 3 eid)nenb. (Es Reifet bort: 

„Oft bas Stubium feiner (JDljitmans) Biographie ge» 
eignet, unferen Sdjlufj (auf Jrjomofejualität) 3 U entkräften, ober 
bient es ü)m 3 ur Betätigung? 2Bobei roir natürüd) nid)t nur 
feine laten unb Sdjickfale, fonbern oor allen Bingen fein 2Befen 
felbft, toie es fid) äußerte, 3 um Biographien 3 U regnen haben." 

Biefe kleine Stelle ift intereffant. B3enn Bert) nämlid) in 
ben 3 toei lebten Sähen gegenüber 2 Bi)itmans laten unb Schick» 
falen „oor allen Bingen" oon feinem „2Befen" fprid)t, fo 
cerrät fid) baraus unwillkürlich bas Bewufjtfein oon einem ^lus 
unb oon einem Btinus; unb 3 toar toirb bas Btinus bes Betoeis» 
roertes für ÜBhüntans ^omofepalität feinen laten unb Sdjiätfalen, 
bas 'P l u s bagegen feinem 3Befen innetoohnen. - irjier oerrät fid) 
bereits ein Änick oon Berh’ gan 3 er nad)herigen Beweisführung. - 
3<h benke, es fteht oon oornherein feft, bah bejonbere unb pofitiüe 
Sd)lüffe fid), befonbers in unferem 3faHe, am toertooUften oor 
allem aus laten (Berh meint natürlich fjanblungen) unb 
Schick falen ge 3 ogen barfteüen müffen; toogegen Schlüffe aus 
bem „SBefen" ungleich fd)wankenber unb un 3 uoerläffiger finb; 
tnfofem Berh offenbar mit biefem „ 2 Befen" auf 2 Bt)itmans 
Bietungen hin 3 ielt. Bun aber toili er ober fielet er fi<h oielmehr 
genötigt, fold)e Schlüffe oornehmlich aus biefem „SBefen" 3 U 
äiehen! — (Es fpridjt fich aüerbings 2Bl)itmans 2Befen in feinen 
Bichtungen auherorbentlid) entfdjieben, unmittelbar unb fubjektio 
aus. Boch ift erftens hierbei feljr 3 U berückfichtigen, bah niemanb 
in aller Bioberne fein 2Befen fo betouht unb fo t) 0 <hgrabig 3 U 
einem Äollektiowefen gemacht unb poten 3 iert hat, als gerabe 


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6 


©Sßitman! Blfo roirb berBobenoon Bert}’ Betoeisfüßrung, auf 
ben er ficE> oor allem angetoiefen fief)t, nod) fcßroanbenber. - 
©un ßat 3toar freilid) Bert) im weiteren ©erlaufe aud) aus ben 
laten (£>anblungen) unb Scßidtfalen ©Stjitmans unb aus biefem 
©eil feines Biograpßifdjen pofitioes, unb 3toar 3iemlid) reid)lid)es, 
©laterial ßerbeigebradjt ; inbeffen er ift fid) feibft bemüht, baß 
biefem ©laterial bas ©linus bes Betoeisroertes anfjaftet; unb 
wir werben nachher nod) !)inreid)enb feßen, wie ftarfe biefes 
©linus ift! 

©Ifo: mir feßen oon oornßerein : bas fjunbament oon 
Bert)’ Beweife lägt feßr 3U wünfcßen übrig. — Die Sad)e 
wirb offenbar nid)t beffer, roenn Bert} Seite 197 gan3 unb gar 
folgenbes fagt: 

„Iroßbem ift es, roie fcßon jgaoelodi (Ellis ßeroorßebt, 
nicßt leicßt, ©Sßttman na<ß bem fejueüen ®efid)tspunbt 3U blaffi* 
gieren (!). Selbft nad) bem bie latfacße feiner Jrjomofejualität 
ftonftatiert fein roirb" (fie wirb’s nidjt fein!), „roerben mir 
nocß unfcßlüffig fein, welcher 'piaß in ber Beiße ber 3 aüfcßen* 
ftufen tßm gebührt." (O, über biefe famofen „3wifcßenftufen" ! 
©Soßin roerben fie unferen ejabten Spe3iaiwiffenfcßaftlern nad)* 
ftens woßl nod) progreffieren !) 

Dies alfo ift bas tfunbament oon Bert)’ Betoeis ; unb 
nun feßen mir uns biefen feibft an! — 


©Sir ßaben es 3unäcßft mit bem „fomatifcßen Stigma" 3U tun. 

Bert) füßrt ßier 3uoor jene 3 eu 9 n ilf c über ©Sßitmans 
äußere ^perfönlicß&eit unb (Erfcßeinung an, welcße bem Cßarabter 
ber ir)omofejualität entgegenfprecßen. (Es ift oielfacß unb oon 
guten (Bewäßrsmännern berichtet toorben, baß ©Sßitmans (Er* 
fdjeinung eine burcßaus männliche, ja, bie eines ooHenbeten unb 
ooHbommenen, eines BoHmannes toar. — Bert) 3itiert ben Bus* 
jprucß ßincolns, ben biefer tat, als er gelegentlich ©Sßitman oon 
Bngeficßt 3U Bngeficßt gegenüberftanb. Der tpräfibent rief aus : 


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„Weil, he looks like a Man.“ Bert? führt meine unb «Jreüigratljs 
Überlegung biefes Slusfpruches an. ©ir ro ollen aber l)ter lieber 
oon meinem ©ortlaut fpred)en; benn id) kannte ben Slusfprud) 
nid)t in englifd)er Jaffung, |onbem Ijabe nur eine Überlegung 
bes|elben kolportiert. Sie lautet: „Cr |iel)t bod) toie ein 3Jlenfd) 
aus?" Das gibt 3 tnar aud) einen Sinn, toeil ©hitman bamals 
Don ben prüben 7)ankees gerabeju als ein „(Benie ber ©o||e" 
ausgerufen tourbe. 'ßielleid)t l)at ßincoln foldje ©erüd)te aud) 
im Sinne gehabt, unb ber Sinn |eines Ausrufes i|t toirklid) ber 
eben mitgeteilte geroejen. Onbeffen id) Ijalte, mit Bert), bennod) 
3freiligratl)s Überlegung für bie belfere. Sie lautet: „3tun, ber 
|iet)t aus toie ein 3Jtann !" 3Jlit 5led)t fetjt Bert) biefen Slusruf 
in parallele 3 U bem Erfurter ©ort über ©oetfje : „Voilä un 
homme!“ — Bert) jitiert bann ferner O’Connor, ber oon ©hitman 
fprid)t als einem „3Jlamt oon auffaüenber männlicher Schönheit, 
einem Dichter, einer kraftoollen unb efyrroürbigen ©rfd)einung; 
grof), rul)ig, Ijerrlid) oon ffieftalt" unb |o roeiter. — ©etter toirb 
Buche 3 itiert, ber oon ©hitman ausfagt: „Cr ift Jed)s Juf) l) 0 (^ 
unb gan 3 gerabe. ©r toiegt beinahe 200 *Pfunb. Äörper unb 
©lieber finb rool)l proportioniert. IRulje ift ber geroöt)nlid)e 3lus» 
bruck feines ffie|id)tes, aber mit ausgeprägter Jeftigheit unb ©nt= 
fchiebenljeit. Me feine 3üge finb grof) unb maffiD, aber oon 
folgern Ebenmaß, bajj fie nidjt fdjroerfällig erfd)einen. Sein ©efidjt 
ift bas ebelfte, bas id) Jemals gefeljen t)abe." Buche, ber eine 
|el)t bekannte Biographie ©hitmans gefdjrieben f>at, toar 3rren= 
ar 3 t, ein „erfahrener ^Pft)<f)iater, ber bie grojje Orrenanftalt in 
ßonbon, Ontario, Canaba leitete" (Bert) S. 170). Bucke hatte 
©hitman gelegentlich felbft unter|ud)t unb feine oöllige 
3lormalität feftgeftellt ! — John Burroughs fagt oon 
©hitman: „Die oolle Sd)önf)eit feines ffiefi^tes unb Äopfes 
rourbe erft nach feinem 60. Jahr augenfcheinlid). 31 ad) biefer 
3eit ift mir’s faft 3 toeifelIos, bah cs ber fdjönfte ßopf roar, ben 
bies 3 eitalter unb bies ßanb je gefehen hat." — ülnbere 3 eugniffe 
haben berietet, bah fein Äörperbau athletifd) toar; bah cr bis 


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8 


3U feinen 40 er fahren, roo er am ßa3arettfteber erbranbte, nie 
branb geroefen fei ; bajj er ein ftarber CEffer, fanguinifdjen 
Temperamentes unb jeber 3 rreube offen geroefen fei; baf) er fiuft 
am rauhen Geben gehabt unb bie Batur geliebt habe unb fo roeiter. 

©egeniiber folgen Betreibungen ber äußeren 'Perfönlidjbett 
©hitmans, bie Bert} als „irreführenbe Schönfärberei" bejeidjnet - 
es bleibt offen, aus tDeldjem pofitioen Bnlafj? - füljrt er nun 
gegenfählidje Sdjilberungen, bie über ©hitman überliefert finb, an. 

Bber l)ier ift uns 3unäct)ft roieber eine Stelle intereffant, 
hinter ber bie Ohnmacht oon Bert}, feinen Betoeis glatt burd)= 
3ufüt>ren, unfreiroillig aber um fo unmifjoerftänblidjer, fid) roieber 
einmal oerrät. - (Er fagt: „Ober ©hitman befitjen mir aller* 
bings nid)t nur eins, fonbem mehrere ältliche Urteile ; aber auch 
biefe 11r3te Ijaben gan3 entfdjieben nicht geroujjt, roorauf es an* 
bommt, unb fo haben fie burd) ihre Oberflädjlidjbeit, ja, bur<h 
ihre falfdjen Biagnofen ben <JaH nur um fo mehr oerbunbelt." 
Äur3 3uoor l)atte freilich Bert) mit ©öbius gerabe bem ältlichen 
Urteil grofje ©id)tigbeit oinbi3iert. Bun aber haben aujjer ben 
(Ür3ten, oon benen eben bei Berij bie Bebe mar, nur nod) ein 
paar anbere Biagnofen, ober oielmeljr Urteile über ©hitman 
aufgefteüt, unb 3toar in einem ben Biagnofen ber anberen 
bennajjert entgegengefetjten Sinne,, baf} Bert} i I) r Urteil 
felber gelegentlich oerurteilt unb oertoorfen l) a t ! 
3 d) frage: auf roen in aller ©eit foU man fid) benn nun oer* 
Iaffen, unb nach toelchem Urteil, toenn nicht nad) einem är3tlid>cn, 
beffen ©id)tigbeit Bert} felbft, „mit ©öbius", befonbers betont, 
foU man fein eigenes Urteil einrichten? — Bert) 3itiert ba nod) 
einen Dr. ©. B. Brinbarb, ber erblärt I)at, ©httman habe bie 
natürlid)ften ©eroohnheiten, Anlagen unb Organifation befeffen, 
bie ihm bei einem ©amte oorgebommen ober oon ihm beobachtet 
feien. - Buch biefe Busjage roirb oon Bert} mißachtet. BIjo: 
ältliches Urteil ift - roir ftimmen ihm h* er fcl>r bei — oon 
©ichtigbeit; oor allem bommt es auf ältliches Urteil an, unb 
Bert} - oerroirft jegliches ältliche Urteil ! ! — ©arum? 


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Sagen roit’s nur gletd) : roeil ©fjitman unter allen Umftänben 
homofejuell fein {oll unb muß! Unb roarum bies roieber? Die 
3 fr age bleibt offen. - 

Unb auf roas grünbet et nun feinen Beroeis? Bun, auf 
fein eigenes Urteil unb, roie n>ir nod) fef>en toerben, auf bie 
Berichte einiger anberer ‘Perfonen, bie ifjm gerabe in ben 
Äram paffen. 

Sehen mir 3U! — ©fo Bert} behauptet bie Homo» 
fejualität ©hitmans; unb 3toar erklärt er fie 3unäd)ft burcff 
erbliche Belüftung. Unb nun merken mir nur auf, roie er 
biefe (Erklärung burd)füt)rt! 

©fo: erbliche Belüftung. — Bucke 3roar l>at gelegentlich 
ausgefagt — gleichroie ©hitman in ben „©rashalmen" felbft — 
ba& er oom Bater mie oon ber ©utter eine pradjtoolle Äörper» 
befdjaffenheit unb eine naf)e3u beifpiellofe ©efunbl)eit unb leibliche 
ßebensfüße geerbt habe- - Demgegenüber aber nun knüpft Bertj 
an ben Sdjlagflufj an, eine linksfeitige fjemiplegie, oon bem 
©hitman in feinem 45 . ßebensjafjr betroffen mürbe. — 3 d) roiU 
hier gleich feftfteUen, bah ®erff an biefer Stelle - roie auch noch 
an anberen bes Buches — fid> einer lonart bebient, bie feiner 
unb einer folgen Beroeisführung nichts roeniger als roürbig ift. 
(Er fagt 3um Beifpiel - ohne irgenbeinen objektioen unb pofitinen 
©runb — anknüpfenb an eigene flufjerungen ©hitmans über 
feinen ©efunbheits3uftanb : na<h ihnen (biefen Suherungen) hätte 
er fi<h baher auch nicht feinen Schlagfluh als 3 folge erblicher 
Dispofition erklären roollen; feine ©itelkeit (!) hätte bas nicht 
gelitten. Die Sdjulb hätte aljo auf eine äujjere Urfadje, feinen 
langjährigen ßa3arettbienft geflohen merben müffen. - 3 d) fage 
noch einmal: biefe ©t unb ©eife ift unroürbig! - Buherbem 
fpricht alles Üatjädjliche in ©irklichkeit nur bafür, bah jene 
Hemiplegie eine Jolge oon ©hitmans langjährigem, h ar tem 
ßa3arettbienft mar. - ©rftens hat bies ein Ul r 3 1 , ber bereits 
ermähnte Dr. Drinkarb, ©ajljington, ausgefagt; 3meitens fpricht 
alles bafür, menn man in Bückficht 3ief)t, bah ©hitman brei 


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3 al)re lang, mit 3wei kur3en Unterbrechungen, lag für lag 
unb meift fogar aud) bie Aad)t über in bicjen fiaäarcttcn con 
ÜBafhington bamals weilte unb tätig roar ; bafj er aufjer anberen 
aud) <^irurgijd)e §ilfsleiftungen tat ; mit ben f d) ro e r ft e n Äranft= 
fjeiten in nädjfter Berührung war; umgeben roar oon Itjpfjus, 
ßajarettfieber unb ben furdjtbarften Berftümmelungen ! 2 Benn 
man ferner berückfichtigt, bajj er fid) nid)t nur eine Blutoergiftung 
3U3og r fonbern aud) bas ßa3arettfieber 3U befielen hatte! — 
Aujjerbem nun aber - unb fjier läftt fid) Bert) eine eigentlich 
gar nicht 3U entfd)ulbigenbe 9 tad)läffigfeeit 3U fd)ulben kommen — 
ift 3toar rf)eumatifd)e ßäljmung ein 3ei<h crt Don Bererbung, 
nicht aber Hemiplegie. Bert} ift babei fo naio, bies felber bei 
biefer (Belegenheit an3ufül)ren. — Aber für feinen 3 roe d? ift es 
nidjtsbeftoroeniger oon nöten, baf} Hemiplegie bennoch möglicher* 
roeife <]rolge oon Vererbung fein könne. - 3d) benke, mir finb 
bereits berechtigt, biefen 'Punkt aus ber Bererbungslifte, bie er 
auffteüen toiH, roeg3uftr eichen. (Er felbft gibt uns biefe Be red)= 

tigung, inbem er fi<h roiberfpridjt. - 

(Einen anberen Beweis oon Bererbung fie^t Bert} in bem 
Umftanb, baf} Blfjitman bereits oor jenem ßa3arettbienft unb 
fd)on feit feinem 30 . ßebensjat>r, graues Haar gehabt. - Bun, 
immerhin fdjeint es niefjt gerabe „in ber jjamilie gelegen 3U haben", 
benn über feine übrigen ad)t ffiefdjwifter toirb roeber oon ihm 
nod) jemanb anberem bergleidjen berietet. — Btan bebenke 
ferner, ein wie roedjfelreiches ßeben ©t)itman bis 3U feinem 
30 . 3 af)r bereits hinter fich hatte, unb man wirb ein frül^eitiges 
(Ergrauen bes Haares kaum fo oerrounberlid) finben. 3 d) gebe 
ferner 3U bebenken, bafj 2 Bl)itman um biefe 3 «t in Utero Orleans 
ein fehr ernftes ßiebesoerfjältnis hatte, unb baf} bie Unmöglichkeit, 
mit ber (Beliebten fid) 3U uerheiraten - ihre Angehörigen, fieute 
aus bem Greife ber t)ö<hften Ariftokratie, waren burdjaus bagegen, 
trotjbem bas Berhältnis bereits folgen gehabt — AJhitman auf 
bas t i e f ft e feelifd) erfchüttert hat. Sehr berechtigt ift man, an3u» 
nehmen, bafj bie (Ergrauung feines Haares, gerabe in biefer 3 *it ! 


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bamit im 3 nfaniment)ang ftel)t ! - ©eitere Bererbungs* 
3eid)en aber, geftetjt Bert) roieberum redjt naio 311, I)abe 
©fjitman überhaupt nid)t gehabt! - 

(Er berietet aber, roat)rj<!)einlid) um bie frühzeitige (Er* 
grauung 3U retten, trotjbem nod) oon bem 3uftanb oon ©f)itmans 
(Eltern; unb er füljrt tjier gegen bie oben ermähnte Busfage 
Buckes einen Dr. Brinton ins 3 relb, ber ausgejagt tjabe: 
„‘Paralgjis roar in jeiner (©tjitmans) Familie erblict). Sein Bater 
litt in biejer 2 Beife, unb fein Bruber (Beorge, ben id) kenne, t)at 
roieberfjolte Unfälle gehabt." Über bie ‘Perfon unb bie Autorität 
biefes Dr. Brinton erfahren mir freilid) nichts ; roäfyrenb mir oon 
Bucke toiffen, bafj er ein bebeutenber ‘Pft)d)iater roar. — Buf 
©Ijitmans Bater unb feine Biutter aber kommen toir nad)l)er 
nod) 3U fpredjen. — 

ferner: fämtlidje iiberlebenben ©lieber ber fjamilie ©l)it= 
man feien kinberlos geroefen. O’Connor t)at bas berichtet. — 
(Es kommt Bert} t)ier aber gar nid)t barauf an, auf Seite 226 
felbft 3U berichten, roie ffiljitman gelegentlid) bei ber ßeid)e eines 
kleinen Beffen gefeffen E>at ! — ©eiter ignoriert er, bajj ©l)itman 
in feinen Briefen aus bem ßa3arett, bie Berk bod) kennt ! fid) bes 
öfteren nad) ben Äinbern feiner ©efdjroifter erkunbigt! — 

©as nun ©l)itmans Bater anbelangt, fo ift ein fid) eres 
3eugnis, bafj er 3U ‘paralgfis geneigt Ijabe, nirgenbs oorljanben. 
©tjitman felbft fdjilbert feinen Bater als „ftark, felbftgenügfam, 
männlid), fil3ig, 3um 3°r« geneigt, ungerecht — ieid)t fd)lägt er 
3U, fdptell entfahren if)m laute ©orte; ein geriebener ©efdjäfts* 
mann, ber bie ßeute fd)lau 3U köbern roeifj". — ©eiter toiffen 
toir oon feinem Bater nid)ts Epofitioes ! - 3 d) benke, bas eben 
mitgeteilte (Efjarakterbilb aber ift nid)t gerabe bie Signatur eines 
kranken Btenfdjen ! - Jeber Unbefangene toirb fagen : ein l)er3* 
Ijafter, feljr emotioneller ©ann. Unb ein „geriebener ©efd)äfts= 
mann"? 3 d) 3toeifle, ob man ein foldjer bei Bnlage 3U ‘Paralpfis 
3U fein oermag! — 

Slber jetjt kommt etroas gan3 Unglaubliches! — 


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Srgenbtooffer muff ja nun natürlich ©ffitman bic Einlage 
3 um „Uranier" ffaben. §at er fte, offenbar, nid>t oom ©ater, 
nun, jo ffat er fie oon ber ©lütter. — 

Unb nun ff öre man!! - 2Bir coiffen non SDffitmans 
©lütter, auffer ber inbirekten Pufferung Dr. ©uckes, burcff 2Bffit* 
man jelbjt. Danad) roar jie „oon milbet ©ebe, mit jauberem 
jQäubdjen unb ©eroanb ; ein gejunber Duft entjtrömt iffrer 'Perfon, 
roenn jie oorübergefft". ©Ijo ein SBeib, roie es einen etcoas 
ffeftigen Wann gut unb glücklicff ergän 3 t. - ©ber gerabe bieje 
©lütter muff ji(ff - „urnijcffe ©igenfdjaften" 3 ufcffreiben laffen! — 
©lan fföre, rooraufffin! - ©Jffitman berietet ausfüffrlicff 
in einem ©ebicfft eine rounberbar rüffrenbe unb rei 3 enbe S 3 ene, 
bie für jeben Unbefangenen keinen anbern ©eroeis als ben 
rüffrenber §er 3 ensgüte geben roirb; ©erff bagegen ift fie ber ©eroeis 
urnifcffet Anomalie ! - Der ftall aber ift ber : ©ine fgmpatffifcffe 
unb feffr fcfföne junge Onbianerfquaro, eine ©injenftufflflecffterin, 
kommt eines Xages, als ©Jffitmans ©lütter no<ff ©läbcffen ift, 
auf bie ftarm iffrer ©Item unb bittet um ©rbeit. - 3fe meffr bie 
©lütter bie Square fdjaut, um jo meffr liebt fie fie. ©ie 3 uoor 
ffat fie fo rounberbare S(ffönffeit unb ©einffeit gefeffen. Sie Iäfft 
bie Squar» am fiamin nieberfiffen, koefft iffr ©ffen; bie Squato 
bleibt bis 3 um ©aeffmittag unb gefft bann toieber iffrem ffiefeffäft 
ruuff. - Das ift für Dr. ©erff „urnijcffe ©igenfeffaft" ! - ftüreff* 
terli(ff ! - ®ren 3 t ffier bie „©kribie" unferer „©jakten" unb 

Spe 3 ialiften ni (ff t bereits iffrerjeits an - ffiefd)le(fftsirrfinn?? 

©Ifo : laffen toir’s babei: SBffitmans ©ater roar ein gefunber, 
ffer 3 ffafter, roenn jeffon etroas rauffer ©lann, unb feine ©lütter 
eine liebenstoürbige unb feffr gutffer 3 ige ftrau - gan 3 ber ©in* 
bruck, ben aueff iffr Porträt maefft - bie 77 3affre alt tourbe unb 
iffrem ©lann neun Äinber gebar; unb nieffts gibt uns ein ©e<fft, 
3 u beffaupten, 2Bffitman ffabe oon iffnen ©lerkmale ber Degene- 
ration geerbt. - Sein ©ater ift 3 toar im ©Iter an fefftoerer 
Ärankffeit unb fjinfalligkeit geftorben - roie ©erff „reim bid), 
ober ieff freff bid)!" auf alles losftür 3 t unb es aufpickt, fo 


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13 


natürlich aud) auf biefen Umftanb — ; aber mir benben, bas ift bei 
einem Wenfdjen, ber jein ßebtag in 2Binb unb 2Better fernere 
Arbeit getan unb mand)erlei 2Bec^felfätte bes ßebens burd)« 
3umacf)en fyatte, wot)l kaum |o befonbers auffällig. — 

Was bleibt nun aljo Don ber gangen „Sererbung" übrig? 
9 tid)ts! — 

* 


9 Iber mir [inb mit bem „fomatifdjen Stigma" nod) nid)t 
fertig. (Es get)t weiter. — Bert) fuc^t 3unäd)ft bas fyomofejuelle 
OTerbgeid)en bes „weiblichen fjabitus" nadjgumeifen, bas fid) „bei 
allen Urningen" wieberljolt. — ®a ift gunädjft bas Werbmal 
ber garten, mot)t aud) rofigen unb meinen fjaut. ferner ein 
3arter jugenbli<f)er Körper, fd)wad)e Wusbeln unb Trieb 3U 
ruhigen Bewegungen. — Soldje Werbmale nun t)ätten fid) bei 
2 Bt)itman gegeigt? - Bert) gitiert eine Sd)ilberung, bie 3 of)n 
Surrougt)s, ber 3toei Büd)er über Wt)itman gefdjrieben unb „il)n 
am beften gebannt", non Wfjitman gibt. (Es Ijeifjt bei Burrougljs : 
„Britifdje Kritiber haben non QBtjitmans 2 ltt)letentum, feinem 
atf)Ietifd)en Temperament unb berglei^en gefprodjen" (es bleibt 
unentfd)ieben, ob fie’s nid)t im übertragenen Sinne getan Ijaben), 
„aber er mar in beinern Sinn ein musbulöfer Warnt, ein 3 ltf)let. 
Sein Körper, wenn aud) pradjtooß, roar in merbwürbiger Weife 
ber Körper eines Kinbes; man fah bies an feiner fjorm, an 
feiner rofenroten fjfarbe, unb an bem garten ©etoebe ber §aut. 
©r hatte wenig Ontereffe an Kraftübungen unb att)letijd)en Sports, 
©r fd)ritt mit langfamem, roüenbem ©ange baf)in ; in ber Tat, er 
bewegte fid) langfam in jeber §infi(^t." — 

Jrjiergu wäre 3U bemerben, bafj biefe Witteilung im Wiber« 
Jprud) ftet>t mit anberen unb 3war gut oerbürgten, nad) benen QBljit* 
mans Wejen bei Dielen ffielegenheiten fel)r refolut war. So hat er, 
ber, nad) Quäber = ffiewo^nt)eit, einft mit bem jf) u t auf bem Kopf 
in eine Kirche trat, einen Kird)enbiener, ber iljn beshalb beleibigte, 
beim Kragen gepadit unb l)inausgeworfen. fjettter ift 3U bemerben, 


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14 


baß 2Bf)itman in jpäteren fahren, coo er ©uße bagu hatte, toie 
mehrfad) berietet toirb, iäglid) fportlidje Übungen im freien 
gemad)t hat ; baß man alfo oon irgenbeiner anormalen Abneigung 
gegen börperlicße Übungen unb Sport nid)t toirb gut reben 
bönnen. ©etter muß man bebenben, baß er große Strecben 
Bmeribas jahrelang burdjtoanbert hat. - Bußerbem fteßt in 
©iberfprud) 3U Burrougßs - ber i t> n ja aud) nur in ben 
brei ©afhingtoner ßaaarettja^ren bannte, roo er 
bärperlid) unb gef unbljeitlidj herunter toar; lauter 
Umftänbe, bie 'S erb nicht ber ©üf)e roert t)ölt 3U beamten, 
roeil er fein ©aterial im (Brunbe nur oberfläc^Iicf) unb britiblos 
oerroertet - bie 5 T a tf a d) e , baß ©hitman bas rauhe Geben 
im freien unb in ber Batur liebte. - Blfo, Schluß : toenn 
©hitman aud) ni<ht gcrabe ben Habitus eines berufsmäßigen 
Bildeten hatte, fo toar er bod) ein bräftiger ©ann unb einer, 
ber börperlicße Bnftrengungen nid)t fdjeute, jeber • ßlrt non 
Bewegung aud) felbft prahtifd) geneigt toar unb fie übte. 
Unb, nochmals: Burrougfjs 'Beridjt ift fetjr mit 'ßorfidjt unb 
Älaufel 3U oertoenben, benn er batiert aus ber ©afhingtoner 
Ca3arett3eit ! - 

Bun aber bie ftorm feines Körpers. 3 d) benbe, t)ier 
roerben toir naturgemäß unb oernünftigerroeife oor allem ben oben 
angeführten Urteilen ber Br3te, bie ißn bannten unb unterfucßt 
hatten, ihr Bedjt unb ben Bor3ug geben müffen. Übrigens : ein Blieb 
auf bie 3ahlreid) oorhanbenen Porträts ©hitmans Iaffen uns 
Burroughs BeridEjt oom „Äörper eines Äinbes" als i<h weiß nießt 
roas für eine iphantafie erfdjeinen ! - (Er hatte aüerbings runbe 
unb fefjr fdjone (Bliebmaßen, ohne jebe (Edügbeit : aber fie entbehrten 
bod) auch roieber in beiner ©eife männlicher £>er3haftigbeit. - 
©an roirb übrigens fogleid) bebenben, baß bie angelfäd)ftfd)e Baffe 
bie fd)önfte Baffe (Europas ift, in ihrem Beintpp. Unb einen folgen 
Beintpp fteüt ©hitmans börperlidje (Erlernung un3toeifeIhaft 
bar. - (Es ift bebannt, baß biefe Baffe ferner ben reinften leint 
hat unter ben übrigen Baffen, unb baß bei ißr eine rote unb 


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15 


roeifje fjoutfärbung am meiften oorl)errfd)en. Bebenken roir’s, 
fo roirb uns aud) 2Bf)itmans leint als nichts roeniger benn 
anormal erlernen, ^ebenfalls mein’ id), ift biefe (Erklärung 
fefjr berechtigt, ja : |ie brängt fid) gerabe3u auf, unb ift alles in allem 
toenn mir bie Urteile ber flhgte über JBfjitman, roie mir bod) 
mal fd)liepd) müffen, gelten lafjen, ift fie beinahe, bei allen übrigen 
Bterkmalen ÜBljitmans, notroenbig! - 2 Bas aber fd)liefolid) 
feinen ©ang anbelangt - ber in jener ferneren 2üafl)ing* 
toner 3«it immerhin alfo nur „roüenb" aber nod) lange ni<^t 
fdjlapp mar - fo ift er, nad) allen 3*ugniffen, ber männlicf)fte 
©ang gemefen ; unb oon jener eblen, elaftifdjen unb bod) 3ugleid) 
gelaffenen Ulrt, mie mir fie etroa bei Ifdjerkeffen unb roilben 
©beiraffen roafjrnel)men können. 

3 llfo, gebe Bert) bie fel)r relatioe unb im ©runbe redjt 
un3uoerläffige Stütje Burrouljgs nur auf; glaube er lieber ben 
Sitten, bie 2Bl)itman kannten, ba er bod) 3ubem aud) roieber 
ä^tlic^em Urteil 2 Bid)tigkeit beimijjt; unb Iaffe er bas Bterk* 
3eidjen bes „roeiblidjen ifjabitus" bis t)*erl)er fallen. - Denn im 
übrigen Ijat er überljauptnur nod) ein „3Rerk3eid)en", unb bas ift bie 
„Stimme". — „Ulis befonbers djarakteriftifd) für ben urnifcf)en 
Iqpus gilt ferner bei ben meiften Sadjoerftänbigen ber meibüd)e 
Ulccent ber Stimme bes Urnings." - Bert) miß oon biefem 
ÜJierkmal bei 2Bl)itman „menigftens ftarke Bnbeutungen" (!) finben, 
„wenn aud) feine Stimme nid)t gerabe eftrem roeiblid) gemefen 
fein mag." - Biefes „roenigftens" ! unb biefes „mag" ! - 2Benn 
id) bod) bis bal)er aud) nur ein einiges 3Jterk3eid)en fänbe, bas 
Bert) fid) nid)t auf ber Stelle felber roieber oerklaufuliert unb 
abgefd)mäd)t f)ätte, fo bafj id) eigentlich roeiter nichts 3U tun 
braudje, als ihm immer ben letjten kleinen kritifd)en 'Puff 3U 
geben, bafj er rettungslos über ben fjaufen faßt! - 

Sllfo bie Stimme. 3 lun l)ören mir nur! - 2 Bie Bert) 
felber 3itiert, ift über 2 Bl)itmans Stimme folgenbes überliefert: 

1. ©urrougfjs fagt: „Seine Stimme mar ein roeidjer Bariton." 

2 . 5 B. B. 5 oroelIs : „©ine Stimme oon geroinnenber unb ein» 


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16 


fdjmeidjelnber 3 freunbli<peit." 3 . Dr. 3 °h n 3 of)n[ton: „Seine 
Stimme t>at eine hohe Cage unb ift mufikalifch." 4 . (Ein anberer : 
„(Es ift feine amnberbare Stimme, bie es fo angenehm mad)t, mit 
ihm äufammen 3U fein." 5 . $orace Iraubel : „(Eine Stimme, bie 
mit allen Schattierungen bes Ions unb ber Jarbe fpieit." — Fn 
anberen Stellen fprechen Surroughs unb Ducke oon feiner tiefen, 
fgmpatl)ifd)en ; feiner tiefen, Haren unb ernften Stimme. — 

Flies in allem alfo, benk’ ich unb hoffentlich jebet oer» 
ftänbige Ftenfd) mit mir: eine fd)öne, mobulationsfähige Stimme 
eines Doflkommenen unb gehalten emotionellen Cannes (ber 2 Bl)it* 
man im praktifchen Geben ftets toar !) ; eine fdjöne, muftkalifche 
Daritonftimme. — Fa, bie kommt 3toar feiten oor bei einer 
mobernen „Ftannheit", bie fich ihr Organ mit labak unb Alkohol 
3u oerberben pflegt, ift aber ni<htsbeftoroeniger, unb trotj aller 
„Formalität" ber nerborbenen ÜJlännerftimmen non heute, nicht 
anormal, fonbem gerabe gefunbe Formalität; ach ja! fo feiten 
fie fein mag! — 

Da mir nun aber auch ntit ber Stimme fertig finb, finb 
mir mit bem „fomatifcljen Stigma" überhaupt am Fanbe. Unb 
roo ift es? Firgenbs! (Es toar nur ein „Der Dien’ mufj!" non 
Dr. Derij. — 

* 

„Rebus hactenus bene gestis“ mach’ ich mich nicht ohne 
einige gute 3uoerfid)t an bas 3toeite 5irf<hfelbf<he, bas „pfgchifh« 
Stigma". - 3 d) bin 3U einer folgen ßuoerficht um fo mehr be» 
rechtigt, benk’ i<h, als Dr. Bertj fid) ber Unficherheit bereits feines 
bisherigen „fomatifdjen Stigmas" felber beroufjt ift, benn er fchreibt: 
„Ungleich umfaffenber ift aber bei ©hintan ber Äomplej ber 
pjgchifchen Stigmata feiner homofejuetlen Faturanlage". 

Fis bas erfte biefer „Stigmata" nun roirb „eine getoiffe 
Unftetigkeit in ber Gebensrichtung" hntgeftellt. Sie fei 3U= 
meift 3U erklären aus ber „urnifchen 3erriffenheit" (§m !) ; roeil ein 
Urning feiten (Belegenheit habe, feinen Irieb gatt3 in bem Sinne 


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17 


3 U füllen, bafj er burdjaus Angegebene ©egenliebe fänbe. - 
2Bi)itman fei nun 3 toar ber größte Optimift in ber Weltliteratur, 
aber es fanben fid) Stellen bei if>m, bie beutlid) auf biefe 
„urnifcEje 3 e n:iffenf)eit" A nt0 ' c I en - 

fjören mir bie ©etoeife ! — Der erfte beftefjt in einem 
3itat bes tounberfamen ffiebid)tes „2ränen" . . . jfjier ift es: 

„üränen ! tränen ! üränen ! 

3n ber Dtacbt, in ©infambeit, Iränen, 

2ln ber roeifjen ßüfte tropfenb, tropfenb, eingefaugt com Sanbe, 

Iränen, unb nid)t ein Stern fd)eint, alles finfter unb troftlos, 

9taffe tränen aus ben 2lugen eines cerijüHten $auptes. 

O, roer ift biefer Seift ? T)iefe ©eftalt im ©unbeln, mit Xränen ? 

2Bas für ein formlofer klumpen ift bas, gebeugt, 3 ufammengebauert 

bort auf bem Sanb ? 

Strömenbe üränen, fd)Iud) 3 enbe üränen, Sd)mer 3 en, bie in roilbem 

Sluffdjrei fid) Cuft machen. 

O oerfcörpertes ©ßetter, bu erijebft bid), bu rafeft mit fliegenbem 

Stritt am ffieftabe babin ! 

O roilbes unb unheimliches näd)ttid)es SBetter mit Sturm - in 

Der3roeifeltem Slusbrud) ! 

0 Schatten, bei Sage }o gelaffen unb n>of)lanftänbig, mit ruhigem 

2lnge[id)t unb gemeffenem ffiang, 

Slber bei 5tad)t, roenn bu hinausfliehft, roo niemanb bid) fieljt — 

o bann ber entfeffelte 03 ean 

©er üränen ! üränen ! tränen !" 

„Umifcf)e 3 err iffeni)eit ?" — 3 cf) bann mir nid)t Alfen : 
f djauerlid) ! ! — 3etjt trau’ id) mir kein ©ebid)t non ©oettje 
ober Don Sf)abefpeare ober fonft einem ber ffirofjen, Jrjerrlidjen 
3 U Iefen ; benn, fobalb id) bort mal, in ©infambeit, eine ÜJtannes* 
feele in Irauer fef>e — icf) benbe, l> o f f e bod), fo etroas bommt 
oor! — unb fobalb icf) mid) baburd), „in ^Reinigung foldjer 
©ffebte'' ('ilriftoteles) innerlid)ft erfdjüttert unb ergriffen füf)le, 
bommt ‘Pipifaj ber Steine unb fliiftert mir fjot)nbid)ernb ins 
Of)t : „Urning ! Urning ! Urning !" — 

Johannes Schlaf, Walt 3Bl)thnan öomo[eruc(Ier? 2 


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18 


§at Dr. Bert} nod) mefyr fotdje „Betoeife" ? (Einen hatten 
toir ja fdjon: Bie „urnifdje" Btama SB^itman. — 

Bber nun toeitcr! Bljo bie urnifd)e „ Unftetig ft eit " , 
„bie tooi)[ fdjcoerltd) allein" (bies „fhwerlid)" !) „auf ben über» 
ftrömenben ßebensbrang ber Sünftlerfeele" (tx>elc^’ ein gebilbeter 
unb tiefgefühlter Busbrucb !) „ 3 urü* 3 ufül)ren ift". 

Ba, um es bur 3 3 U machen, Dr. Bert} 3 ät>tt bes längeren 
auf, in toeld)en ßebenslagen, Berufen unb jo roeiter SB^itman 
fid) jein ßebtag umgetan unb umgetrieben hat. Unb bas ift ihm 
urnifd)e „Unftetigbeit". — 3ntoiefern? 3a, roer in aller 2Be!t 
bas roüfjte! — 2Bir anberen meinen einfad), es ift erftens bas 
Bormalleben einer ameribamfd)en (Ejiften 3 ber Bolbsfd)id)t, ber 
2 Bl)itman angehörte; unb es ift anbererfeits ber Irieb einer 
umfaffenben Bid)ternatur oon großen, umfpannenben bosnischen 
Bifionen unb ffiebanbenrtd)tungen ; unb ferner eines SBannes, beffen 
gan 3 es ßeben unb 2Birben bie gtofje Seligbeit ber ihm toohl als 
erftem bejdjiebenen Bifta einer neuen, großen, toerbenben Baffe 
roar. - ßetber geht bas Dr. Bertj über ben jrjor^ont. Bas ift ihm 
„(Enthufiasmus", unb ber ift ihm nicht nur oerächtlid), fonbern er 
fd)eint ihn auch fein ßebtag nie recht haben oertragen 3 U bönnen. - 
3m übrigen: ich “»es °ben bereits barauf hm ( wie fid) 
Bert} mit einer jonberbaren Baioetät feine „Beroeife" immer 
roieber jelbft fd)toäd)t unb oerblaufuliert. So aud) hier. Denn 
er fdjreibt Seite 214: „QBenn bie Unftetigbeit in ben äußeren 
ßinien feines ßebenslaufes auffättt, fo barf man jebod) nicht 
Derbennen, bah er als Bieter non ber 3eit an, ba er bie 
„(Brashalme" bon 3 ipierte, troi} aller inneren SBiberfprüdje (!), 
bie feine (Bebid)te auftoeifen, mit einer feltenen ffreftigbeit unb 
Ueber 3 eugungstreue feine 3beale ausgebaut unb in 3 ähem ÜBiber» 
ftanbe gegen fjohn unb §afj oerteibigt hat, unb ba§ fein ßebens» 
ooerb, roas immer man britifd) baran ausfe^en mag (hm!), 
3 eugnis gibt oon einem in oieler £jinfid)t großen, eblen unb über 
ben Bur<hfd)nitt feiner 3unftgenoffen („ 3 un ft genoffen"? (Bräjj» 
lieh ! !) h erD °rragenben 2BiUen." 


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10 


3 a, nun bitt’ id) jemanb : toas toiH benn Dr. ©ertj aber 
nod) meljr?! — 

©Ifo : roie eben 3U fel>en toar, l)alb mit feiner eigenen 
(Erlaubnis : bidter Strid) burd) Dr. Berkens „urnifdje 3 erriffen* 
f>eit" famt „Unftetigbeit ber ßebensfüljrung" ! lieber Strid) 
burd) ! — 

2Bir ^aben nad) ifpten ©elegenljeit, uns an eine anbere 
„toeiblidje Untugenb bes Urnings" 3U madjen, nämltd) an feine 
(Eitelbeit. 

„(Er liebte es nid)t, fein ßid)t unter ben Steffel 3U 
{teilen" (toeld)’ ebler ^lusbrucb !) „unb bie ©efdjeibenljeit toar 
fjinter feinen anberen lugenben ftarb 3urü<bgeblieben." 3d) 
möd)te Dr. ©ert) t)ier oieHeidjt aud) ©uffalo ©iH 3ur Stig= 
matifierung übergeben ; benn bie ©eblame, bie er in fämtlidjen 
europäifdjen ©ierbörfern gemalt Ijat, ift fidjer „nidjt o^ne". 
©erbädjtig ! ©erbäd)tig ! — ©a alfo aber bei ©Salt geblieben ! 
Dr. Sertj 3ttiert ad punctum „(Eitelbeit" 3unäd)ft Dr. © 3 eir 
JJlitdjell, ber oon © 3 l)itman fagt : „(Er toar bas aüereitelfte 
(Befcfjöpf, bas idj jemals gebannt Ijabe. “Die gan3e <Bef<^id)te 
feiner (Eitelbeit toirb niemals getrieben toerben. Sie gre^te 
an bas Unglaubliche." ©a, toenn’s Dr. ©Seir 9 ©itd)eH fagt? - 
Unb, allerbings: man benbe nur: gleid) ber 1. Auflage ber 
„®rasl)alme" gibt biefer unglaublidjft eitelfte aller ©idjter fein 
'Porträt bei! Unb bamit nid)t genug, in ben folgenben 3 Iuf= 
lagen erfdjeinen fogar mehrere unb immer neue Silbniffe. - 
Jemer: er ift ftol3 auf feine ©or3üge. (2Bar er mit ©ed)t ! 
,,©ur bie ßumpe finb befdjeiben.") — 3 m übrigen oergijjt Dr. Bert), 
bajj 2Bl)itman fid) in feinen ffiebidjten meift alsäollebtioperfon 
gibt; unb bafj er als foldjes feljr grofj getriebenes „ 3 " immer 
bie ©or3üge feiner großen neuen ©affe preift. ©Senn ettoa 
Dr. ©HtdjeU ober fonft toer ein foldjer ©anaufe ift, bajj er bas 
Zßfjitman als unglaubliche perfönlid)e (Eitelbeit anredjnet, fo 
foUte Dr. Bert} bas bem Dr. ©titdjell ruf)ig überlaffen. — ©Ser 
ift übrigens biefer Dr. ®titd)ell ? ©us toas für einer ©erfenbung 

2 * 


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iaud)t er auf ? ©ermutlid) irgenbeiner ber feßr feltenen amerika« 
nifd)en 3ah n ä r 3le ober jo etwas. (Schabe, baß Dr. Berß fiel) immer 
bie 3 toeifeII)afte{ten Gewährsmänner mit ©orliebe ausfud)t !) 
©Jeiter : (Er ift malerijd) in jeiner Äleibung. (Er ift jo überaus 
reinlid). (Er trägt „beftänbig" — woher weiß bas Dr. ©erß 
übrigens? — ©lumenfd)muck (ber „Urning" ift hier fofort, 
untrüglich ijt er ertappt!). Unb bann fein breiter Umfd)lag= 
{tragen (EJtt) m !) unb bie entblößte ©ruft (ÜJitjm !). Üarbieu, (EEis 
fagen’s ja aud) : bie entblößte ©ruft, ber breitumgefcßlagene 
Äragen, bie Blumenliebhabern : untrügliche Äenn 3 eid)en bes 
„Uraniers". - 

©ber im (Ernft : was jagen wir 3 U attebem ? 3d) benke 
bies: wenn Dr. ©erß uns nid)t anbere pofitioe ©lerkmale ber 
Jrjomofejualität ©hittnans beibringen wirb, bie oöEig unmiß» 
oerftänblid) finb, fo ßängt bas aEes — wenn es aud) unter 
Umftänben urnifdje ©terkmale fein mögen - oöEig in ber 
Cuft. - ©enn id) fetje hier burchaus weiter nichts, als baß 2 BaIt 
HBhttman wie jeber anftänbige ©lenjd) unb ffientleman oon ffie» 
finnung erftens reinlich war, 3 weitens naturgemäß unb oer» 
nünftig lebte unb besßalb etwa auch - aEerbings mit bem 
©lute eines ffientleman, bei unfren heutigen ©erhältniffen — 
ben fjals nicht mit unfern fo gefchmackooEen, „chiken", fteifhoßen 
Äragen unb bie ©ruft nicht mit bem Oberhembpan 3 er torturierte. 
3d) jehe in feiner ©lumenliebhaberei feinen Schönheitsfinn fid) 
kunbgeben. SoEte ber arme 2Balt herumlaufen wie ein beutßher 
iprofefjor ober ßanbpaftor? 3ch benke, wir woEen uns lieber 
freuen unb uns ein Beifpiel nehmen, was er für ein fröhlicher, 
natürlicher, freier, I)er 3 hafter unb feinfühliger EJtann war! - 

üllfo weg mit ber „urnifcßcn (Eitelkeit" ! 

Och glaube, ber urnifdjen „©enommifterei", bie nun 
als weiteres „pfp^ifdjes ©lerkmal" an bie ©eiße kommt, wirb’s 
nicht beffer gehn. 

©loü alfo hat barauf hiugewiefen, „baß bie Urninge eine 
gewijfe ©enommifterei lieben". 



21 


Bun, aud) bies Bterk3eid)en ber JÖomofejualität finbet Berß 
bet 2 Bf)itman. - Seine „(Eitelkeit", fid) als amerikanifdjen „firaft» 
menfdjen" 3U geben, roirb ißm l)ier 3ugleid> aud) als urnifeße 
Benommifterei 3ugered)net. 2 Bir toollen nid)t nod) einmal roieber* 
l)olen, toas toir über biejen ‘Punkt bereits oorßin ausgefüßrt 
f)aben. — (Ein anberes Blerk3eid)en folget Benommifterei joH 
jein, baß BB)itman fid) „als getoaltiger BBeiberßelb" (toie Bert) 
es fid> mit feinen Busbrücken bequem mad)t !) aufgefpielt tjabe. — 
*Da3u ift 3U bemerken, baß Bert) fid) mit {id) felbft in BBber» 
jprud) [teilt, ©emt er t)ebt jpäter felbft ßeroor (mir kommen 
halb näßer auf biejen feljr mistigen ‘Punkt 3urü(k!) unb belegt 
es burcf) oerjdjiebene 3 cugnijje, baß Blfjitman im perfönlid)en 
Berkeßr gar nidjt non ben SBeibern ober non feinen Be3ießungen 
3U ißnen gejprodjen l)at ; toie er benn im Berkeßr überhaupt eine 
jeßr gehaltene Brt geigte. B 3 ie aljo kommt Bert) ba3U, 3U be* 
Raupten, er Ijabe fid) als Bfoiberßelb aufgefpielt? (Er 3ielt, nur 
biefe 2 Jiöglid)keit bleibt nod) übrig, inbeffen tooßl auf B^itmans 
Dichtung. ©a toäre aber Bert) roieber 3U bebeuten — roenn 
toir überhaupt fo gut fein toollen, auf feine unb in biefem 
fjrall gerabe3u unmögliche Bebensart ein3uget)en — , baß 2 Balt 
BB)itman fid) in feinen ©ießtungen 3unäd)ft meift als Sollektio« 
perfon gibt, unb toie in anberer Be3iel)ung, fo aud) Ijier ; ferner 
aber ift 3U bemerken, toas ja bod) Bert) roieber gelegentlid) 
felbft ausfüf)rt, baß bie (Ermahnung bes BJeibes in B^itmans 
©idjtungen einen oerfjältnismäfjig kleinen Baum einnimmt; auf 
biefem Baum aber — toir roerben es gteid) nachher auf bas 
unoerkennbarfte bartun - fpridjt er oom Bleibe unb oon feinen 
tatfäd)lid)en perfönlicßen Be3iel)ungen 3um Bleibe fo tounberbar 
natürlich, mit fo prächtigem, männlichem 2akt unb fo gän3lid) 
frei oon jener Benommage, bie toir gerabe oon unferem 
heutigen Btannsoolk jo oft mit andren müffen, baß es 
eine toaßre fjreube unb J5er3erquidtung ift. — Dd) fage alfo : 
es ift fo falfd) toie un3ulaj[ig, toenn Bert) jagen toill, baß B 3 ßit« 
man fid) je als Bleiberßelb aufgefpielt ßabe. — (Es ift falfd), 


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22 


un3uläfjig unb 3ubem eine birekte ffiebankenlojigkeit ; benn Bert; 
roiberfprid)t fid) unb biefer Behauptung an anberen Stellen felbft 
unb bis 3U einem folgen ffirabe, bah er {eine Behauptung 
gerabe3U uöflig annulliert. ( 2 Bir roerben es nachher aljo noch mit 
roünfd)ensroertefter 'Deutlichkeit jehen.) 

ferner, IDhitman 3eige urnifd)e Senommifterei, roeil er 
fid) nid)t geniere, für jeine Sterke Seklame 3U machen. Bas 
ein urnifdjes Slerkmal? — 3 d) benke, 2Bf)itman ijt hierin hödjftens 
unb lebiglid) 'JJankee. Unb ich benke 3ubem, JoId)e Seklame» 
iDtacherei ijt heut3utage nur 3U jehr 3 ro e i zeitliche Untugenb, bis 
3U einem ffirabe, bah bie Beften hier mit ben Slölfen heulen 
müjjen. — Auherbem : es jteht ja roohl feft, bah Slljitman für 
bie tpropaganba feiner Sterke oiel getan hat, bah er fich mol)l 
fogar gelegentlich mal babei eine kleine laktlofigkeit hat 3U 
fd)ulben kommen Iaffen ; aber bann ift er babei fo prächtig 
unfdjulbig in ein paar fold)en fallen, bah es ihm eigentlich nur 
3ur (Ehre gereicht. — Sßenn Bert) anführt, „bah Stt)itman im 
ffirunbe toirklich bas toar, für toas er fich immer ausgab — 
ber burd)fd)nittli<he Amerikaner, mit all feinen Schwachen fotoohl 
roie mit allen Bo^ügen feiner 'Perfon", fo ift bas ja roohl 3U 
unterfdjreiben ; bod) ift f e hr 3U beamten, bah bies Saffeeigen« 
fchaften finb, bie roir roohl eigentlich nicht mehr recht mit europäifcfjen 
töiahftäben meffen bürfen, fonbern bie mit ihren eigenen UJtah* 
ftäben gemeffen roerben rooHen. — ^ebenfalls: roas in aller 
Sielt hat Seklamemachen mit £omofejualität 3U tun? ! — 

Bert} fährt fort. Unb es roerben nun noch einige „roeib* 
liehe" (Eigenfdjaften SUptmans gittert, bie feine f)Omofejualität 
beroeifen füllen, im übrigen freilich benn hoch oon Berti felbft 
fogleid) aud) roieber als lugenben Stljitmans begeichnet roerben. - 
So gan3 garftig ift er ja benn bo<h nid)t gegen ben guten Slalt ! - 
SIfo : er roar in feinen ©eroohnheiten mähig ; er rauchte nid)t unb 
roar ein mähiger Irinker. Als junger DJlenfd) ift er nie auf bie 3 agb 
gegangen („Sloberne Sichtung", Dr. Bert) !) roas in Amerika auf 
bem ßanbe jeber Burfd)e tut (roohl kaum jo recht, roenn er eine 


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23 


ülusnafjmenatur unb ein Dieter ift). (Er liebt üiere, f)ält [id> einen 
Kanarienuogel. ferner tjabe er einen £ang 3 ur Bequemlichkeit 
gegeigt (ben er roafjrfdjeinlid) befonbers in ben brei 2 Baff)ingtoner 
ßaäarettjaljren bekunbet hat?). 2 IHes, toas er tut, tut er gemäct)« 
lid). ( 2 Bie bas jeber oerftänbige unb ruhige, bebadjtfame Blann 
tut!) (Er ift unroanbelbar ijöflid^ unb freunblid) gegen jeber* 
mann, macht jebocf) niemals Komplimente unb gel>t fparfam um 
mit ben äujjeren formen ber Jrjöflidjbeit. (Er ift ein leibenfdjaft* 
lieber unb oerftänbnisooHer ftteunb bes lijeaters, ber Oper, 
ber Btufik, roie alles Schönen in Kunft unb ßiteratur. (Er E)at 
einen feljr entwickelten Sinn für fd)öne formen ; fein BM ift 
oon einer feiten erreichten Unioerfalität. (Er liebt bie (BefeHigkeit, 
ift reifeluftig, unb roenn er auch nur feine ipijantafie in fremben 
3onen unb (Begenben fcfjtoeifen Iäjjt. Seine Slugen haben 3 U* 
toeilen einen träumerijdjen 9lusbruck; er h at oft eine heiter 
naioe, kinblid)e, I)atrmlofe, offene 2Irt. (Er liebt bie Kinber, unb 
fie lieben ihn. 

3n aller 2BeIt! 2Bas hat bas benn nun aber alles mit 
jrjomofejualität ju tun?! Unb, eine (Betoiffensfrage : toas ift 
benn für Dr. Bert} nun eigentlich ber Ulormaltpp eines reinen 
unb ooHkommenen 3Jt an ne s? Bas 3 U erfahren märe ich 
wirklich begierig. — 3 cf) benke, nur bas eine tritt immer 
beutlicfjer unb über 3 eugenber, gerabe 3 u immer rounberbarer in bie 
(Erfcheinung, bah 2Balt 2Bf)itman nichts roar als ein herrlicher 
Btenfcf) unb ein ooDbommener Btann. 3d) möchte bocf) blofj 
bem Btann--9Jtaterial unferer Jöocfjkultur fo oiel „ 2 Beibheit" 
bes SBefens roünfcfjen ; es roare eine toahre ßuft unb ffionne! 
3Bir mürben blofj noch ooüenbete ©entlemen haben; benn noch 
je roaren bie 3 ierbe eines echten unb roahrhaft männlichen 
©entleman bie (Eigenf cf) aften foldjer 2BeibIid)beit, roie fie 2Bf)itman 
hier nachgefagt tourben! 

3m Sinne bes „Stigmas" roagt Bert} auch ffilptmans 
Schamhaftigkeit aus 3 ubeuten, mit ber bann aber, roie 
fchnurrig! toieber feine „Brutalität" in 2üiberfpru<h ftehen 


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24 


foll, bie bamt auch roieber mit feiner „erhabenen Sdjamlofigkeit" 
ibentifd) ift.'- Bert} meint inbeffen: „Irotjbem ijaben normal 
©mpfinbenbe (hm!) fid) ftets gefreut, biefe Intimitäten ihres 
mgfteriöjen Charakters 3 U entkleiben." 3d) erlaube mir, t)in 3 U« 
3 ufügen: aufjer am Stammtifd), roenn mir „ÜJtädjens unter uns“ 
finb unb es „nach ©emütlidjkeit 3 U buften" beginnt; unb aufjer 
an ben fo beliebten „fjerrenabenben", aud) einer ungemein fegens« 
reichen Dnftitution unferer preisroürbigen fjod)kultur ! — Unb 
biefe Stammtifdjler bann „ernft" roerben 3 U fetjen unb etroa oon 
„heiligen ©ütem ber ffiefittung" reben 3 U hören: ©in Bnblidt für 
junge ©ötter! — 


* 


2Bir Sonnten oermuten, es roäre nun genug unferes 
„pfgd)ifd)en Stigmas". Bber betoafjre, noch lange nicht ! ®ie Sache 
gebjt nod) toeiter! — 

£irfd)felb l)at gelegentlich oon ber „erftaunltd)en 
©rofjmut" gefprodjen, bie ber Urning 3reinben gegenüber 3 eigt. 
(Sollte er bann aber nid)t eigentlich im ffirunbe eine Bammel» 
büje fein? ©s läge hoch tool)I in ber „ßogik"?) Nun, 2BI)itman 
3 eigt folt^e ©rofjmut: alfo Stigma! Urning! — Jfjirfdjfelb 
fagt ferner, bafj bie Unterfd)iebe bes Stanbes, ber 
Neligion, ber Naffe unb ber Nationalität (anberen 
Orts fpridjt Bert) gerabe oon bem ejklufioen ‘Patriotismus 
2Bf)itmans!) bei bem Urning nicht im entf ernteften bie 
Nolle fpielen, toie bei bem normalen ÜJlann; folglich, roer 
könnte ein ausgeprägterer Urning fein, als gerabe 2Balt 2Bl)itman ! 

Buguft Bebel, rool)r’ bi! 

Nber Bert fährt fort ; bas „pfpd)ifd)e" Stigma ift mächtig fett. - 
2Bir gelangen jet}t 3 U ben „ Onftinkten" ; unb Bert} 
fagt: „Blas bas 3nftinktioe in feiner Natur betrifft, fo ift 
auch bies ebenfofehr eine umif<he toie eine toeibliche Eigentümlichkeit. 


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25 


Daf) beim Weibe ber 3 nftinkt eine größere ©oHe fpielt als 
beim Wanne, bajj es ein ©efühlsroefen ift, rourbe fd)on mehr« 
fad) nachgemiefen, unb befonbers eingehenb I)at 3ulet)t nod) 
Wöbius bies Äapitel behanbelt." - Unb mas nun fjirfchfelb 
ift, ber fagt: „Der Urning fd>afft faft ftets aus bem (Befüt>I heraus. 
Das 3ielbeu>uf3te, oerftanbesmäjjige Arbeiten bes Wannes ift itjm 
nid)t eigen." 9 Iusnahmsroeife foH es nun 3roar aud) Uranier mit 
männlichem ©erftanbe geben; 3U ihnen aber gehört nad) ©ert} 
2Bf)itman „entfliehen nid)t". - 31 us foldjem ©orroalten bes 
3 nftinktes erkläre fid) aud) Wljitmans ungeheure Subjektioität. 
(Er befitje nicht bie ©emiffenhaftigkeü bes jorfchers, bes Wahr* 
t>eitfud)ers ; ber roiffenfdjaftlid^e ©eift fei ihm oöüig fremb. 

JÖict3u bemerken mir: Whitman t)at als Dichter „mit foId)er 
©emiffenhaftigkeü bes fjorfdjers, bes 2Bat)rt)eitfud)ers" unb mit 
„roiffenfdjaftlidjem ©eift" birekt burdjaus nid)ts 3U tun. Bielmet)r 
ift bas 2Berk3eug bes grofjen Dichters eine möglidjft ftarke unb 
kräftige Intuition unb eine möglidjft ftarke unb geroaltige 
fgntfyetifdje Äraft. Das Wefen großer Dichtung ift oor allem 
Sgnt^efe. — Das foDte einem Ijalbmegs gebilbeteti Wenfdjen benn 
hoch rooI)I nadjgerabe bas W8(E fein. Was aber ift eigentlich 
Intuition? Sie beftetjt in bem genialen ©ermögen, in fdjneller 
fjolge eine grofje logifdje Äette 3U umfpannen unb it>re ©lieber in 
möglichft roenige, unter Umftänben in eins 3ufammen3ufaffen. Diefe 
erftaunlid)e unb oerel)rungsmürbige, gerabe fo ungemein logifdje 
Äraft bes grojjen bidjterifdjen ©enies aber hat gerabe Whitman im 
hödjften ffirabe befeffen. — ©ebenken mir ba3u, meldje unglaub* 
lid)e, faft beifpielloje JüIIe fein mächtiges Innenleben barg, fo 
können mir uns kaum eine anbere Örorm oorfteüen als biefe fo 
mächtig fübjektioe, bie er 3eigt; unb bie hier gleichbebeutenb ift 
mit einer geroaltig umfpannenben Objektioität. ©ei jebem 
©rofjen ha&en roir bie rounberfame ffieiftesform folcf)er hö<hf* s 
gefteigerten Subjektioität, bie 3uglei<h unmittelbar umfaffenbfte 
Objektioität ift. - Whitman h fl i fie eigentlid) burchaus mit 
(Ihriftus gemein. Wan ift überhaupt fchmankenb, ob man ihn 


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26 


nid)t ef)er bert religiöfen ©cnics befaßten foHtc? ^ebenfalls ift 
jene Subjefttioität mit bem (Eßarahter foldjer umfpannenben Ob« 
jehtioität ftets uttb nod) je bic übertDältigcnbe ©tpftib unmittel« 
barer Über 3 eugungsftraft geroejen; bie immer roieber burd) eine 
überragenbe Snbioibualität in ber 2 Beltgefd)id)te ben Slusfcßlag 
geben mußte. 3tid)t bie kniffligen, fpißfinbigen, neunmalblugen 
'Pßarifäer blieben im 9led)t, fonbern bie große, überragenbe 
Subjebtioität bes (Eßrift. (93ieHeid)t roibmet Dr. 23ert) biefem 
jeine nädjfte urnifeße 9lbßanblung ?) 

Dr. Bert} rebet oon ben SBiberfprücßen bei SBßitman. 
9lber gerabe in ißnen „liegt ber 2Bit)". *005 roerben natürliiß ßeute 
roie Dr. ®erß nie unb nimmer begreifen. — ffian 3 redßt, roenn 
233ßitman gelegentlicß jagt: „Htun gut, bann roiberfprecß’ i<ß 
mir." - 'Denn, roas ift 3 U tun? ©erabe bas größte 3nbioibuum 
muß ja boeß bieje SBiberjprücße einfeßließen ; benn es ift ber 
©tibrobosmus im ÜRabrobosmus, es ift ein Spiegel : nämlicß ber 
Spiegel bes großen, tiefen, tragifeßen 9ßiberfprucßes, ben bas 
9111 bebeutet. ©erabe biefer üßiberjprud) aber ift fo bie 9Ra<ßt 
roie bie Ir a gib bes ffienies. 2 Bie aber aueß immer: er ift 
3 u g I e i cf) fein unfehlbar ft es &enn 3 eicßen. Unb 3 roar 
fagen mir gleid) : bas fienn 3 eicßen bes geroaltigften unb - 
roiffenbften ffießirns. Die Äleinen, bie fieß foI<ß einen ©roßen 
auf 3 uteilen pflegen , unb ißr Kefjörtcßen 3 um ooHbommen 
runbeften, logifcß rooßlgefügteften ßügel<ßen ballen, ßaben leießt 
„roiberfprucßslos" unb „in fid) logifd)" 3 U fein. So oft fie inbefjen 
feßon bie ©roßen aufgefreffen ßaben: fie bleiben bennoeß ißnen 
gegenüber bie Ularren. - Sage benn nun alfo Dr. Bert) getroft 
aud), baß ber (Eßrift ein Urning roar; ober 9ließfd)e ein fid) 
roiberfpreeßenbes Btinbergeßim ; ober gar Äant, ber fid) feßließließ 
bod) roieber oon ben oertraebten ,,'Poftulaten ber prafttifeßen 93er« 
nunft" überroältigen Iaffert muß. — 

2Bas Bert) über bie Religion 9ßßitmans ausfüßrt, übergeß’ 
id>; es ift benn bod) aÜ 3 U feitet, arm unb bilettantifcß, als baß 


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27 


man fid) roeiter babei aufljalteri bürfte. Um Rimmels» 
roillen ! — 

“Dann kommt Serij auf bas ÜJtitleib bei 2ül)itman. — 
2 Bir benken etroa an bie ßajarettjaljre in QBafhington. Statürlid) : 
Stigma ber JÖomoJefualität. — Sertj fagt im übrigen über bas 
ÜRitleib: „Statt barf nid)t oergejjen, ba& bie im opferfreubigett 
Stitleib roirkjame ffiefüljlsmoral aud) getoiffen Schenken unterliegt, 
roenn nämlid) bas Slitleib nid)t burd) ©eredjtigkeit unb toeife 
Sorausjidjt kontrolliert roirb." (hm !) - Unb bann roirb joldjer 
©efüljlsmoral als „f)öf)ere CEtfjik" bie bes „3aratl)uftra" ent» 
gegengefteüt ! ! — — 

2Iber roenn bod) Dr. Sert) jo etroas lafjen mödjte! — 
Denn: 2Bl)itman ijt in üßaljrljeit ebenjofeljr ber (Etljiker ber 
jo 3 ietären Snftinkte - id) Ijabe bei il)m nid^t eine 3 eile t>on 
irgenbeinem Sgjtem irgenbeiner „SUtleibsmoral" gefunben, obgleid) 
id) il>n nun bod) jdjon feit 3 af)ren kenne! — als er ein ©tl)iker 
bes „struggle for life“ ijt. Sotabene: roenn man if)n überhaupt 
einen ©tljiker nennen roitt ! (2Benn id) Dr. Sertj oerraten bürfte, 
roas für ein Ungeheuer 2BaIt eigentlich unb im ©runbe ge» 
nommen ijt !) (Er ijt bas erftere, CEtf)iker ber jo 3 ietären Snjtinkte, 
oor allem eigentlich in bejug auf bie 9t affe, ber er angehört, unb 
bas letjtere injofern, als biefe jRafje fid) 3 U entroidteln unb 3 U 
behaupten hat ; 3 U behaupten gegen fid) jelbft, roie gegen anbere 
IRafjen ober Nationen ; obgleid) fid), mir roenigftens, bas ‘Problem 
jJtorbamerikas mehr unb mehr nad) ber Sajje» als nach ber 
3tationalitätsfrage ljin 3 ujpit)t, in bem Sinne, bajj „Yankee" ein 
wichtigerer Segriff ijt als etroa „norbamerikanijdjer Unionift". 
3d) jage, bajj „TJankee" einjt noch ber erlöfenbe, fermentioe Se« 
griff unb ber bejte ffa&tor feiner ©ntroickelung für Sorbamerika 
jein roirb! — 

^ebenfalls : 2 Bl)itman unb Sie^jdje können nie unb 
nimmermehr äueinanber in ffiegenjat) gejtellt roerben! Das 
barf man nod) nidjt mal einem Ijalbroegen Sbepten burd)» 


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28 


get)en taffen, gefdjroetge gar etroa einem, ber ficf) auf fie 
auskennen teilt. — 

3 et$t aber finb mir enblid) bod) mit bem „pfgdjifdjen Stigma" 
3U ©anbe gekommen. — Setjen Sie nod) roas baoon? 
3 d) nid)t! — 

♦ 


So ift benn alfo bas „Jomatifdje", toie aud) bas „pfgd)ifd)e 
Stigma", unb 3roar auf ©immerroteberfefjen, in bie ©erfenkung 
gefdjurrt. — Slber freilid) : fie toaren unb foHten aud) nod) gar 
nid)t bie eigentlichen Irümpfe oon Dr. ©ert) fein. Unb, fügen 
toir I)in3u: fie konnten’s aud) nod) gar nid)t fein. Diefe eigent« 
li^en, bie fdjroeren Trümpfe, müffen offenbar in bem britten unb 
oierten unfrer Stigmata liegen: in ber „ftarken Abneigung 
gegen bas 2Beib" einerfeits unb in bem „3rreunbfd)afts* 
entt)ufiasmus mit gefd)Ied)tlid)em ©r unbcfyarakter " 
anbrerfeits. 

§ier möd)t’ id) nun Dr. ©ert) etroas über feine laktik 
fagen, roas freilid) nicf)t gerabe ein Kompliment bebeutet 3 d) 
mürbe nämlid) bod) rooljl an feiner Stelle bie Sad)e etroas anbers 
eingerichtet Ijaben. 3 d) mürbe ben Urning 3uerft ba gepackt 
I)aben, mo er am fiefjerften unb unmi^oerftänbtidjften 3U packen 
ift; unb roenn id) ihn ba feftgemadjt hätte, fo f)ätte id) meinet* 
halben ge3eigt, roie alle fomatifd)en unb pftjdjifdjen ©terkmale 3U 
ben beiben §auptkenn3eidjen biefes unb eines {eben Urnings 
ftimmen unb mit ihnen in 3 u famment)ang ftetjen. Statt beffen 
fängt Dr. ©etij mit allen möglichen fe^r roackligen Sa^en an; 
nid)t lang, nid)t breit, nid)t ffifd), nid)t jleifd). — 

3ebenfaIIs: unbebingt müffen mir jetjt ber jrjaupttrümpfe 
gemärtig fein unb müffen uns auf manche I)arte ©uff gefafjt 
machen. - Unb mir müffen benn aud) gleid) gefielen, baf), roenn 
nic^t att3UDieI, fo bod) roenigftens ein paar foldjer ©üffe roirklid) 
unb roa^rtjaftig oort)anben finb. freilich : wir merben fet)en, baff 
fie bennod) 3U knacken finb; unb 3roar mit bloffen 3SI)nen. 


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29 


Slljo: bie „grofje Abneigung gegen bas SBeib". 
fjiet mufj ber Urning fid) entlaroen! ^ier bann er uns nid)t 
meijr entfd)lüpfen ! 

ßeiber leiber : toenn Serk nur nid)t, aud) fyier !, gleid) toieber 
mit einer ßlaujel anfinge ! Denn : oon einer großen Abneigung 
(mir könnten bod) rooljl korrekter jagen: einer anerkannten) 
kann bei 2 Bf)itman oon oorntjerein nidjt bie Sebe jein. — Serk 
jagt felbjt: „Slud) bieje (Abneigung) ift bei 2 Bf)itman oorfjanben, 
toenngleid) man übet iijren (Brab 3roeifelt)aft jein kann unb 3um 
Seit auf eigene Scklujjfolgerungen angeroiefen ift" (£jm! l)m! — 
naef) ben „eigenen Scklujjfolgerungen" 3U urteilen, bie roir bisher 
an Dr. Serk gerooknt toaren?), „ba gerabe f)ier einerjeits bie 
ungered)teften Sinklagen gegen ikn erhoben unb bieje Se3iekungen 
anbrerjeits oon feinen Serteibigern geflijjentlid) oerbunkelt jinb." 
(Sekauptung oon Dr. Serk; nichts als bas!) 

Solckermajjen beginnt nun Dr. Serk einen feiner bejten 
Irümpfe aus3ufpielen ! 

ÜJlan bebenke : ftanb bereits, naef) einer früheren Siujjerung 
oon Dr. Serk, jo oiel fejt, bajj man 2 BI)itman überhaupt nur in 
eine Sroiföenftufe unterbringen könne, bafc es aber aujjerbem 
S<ku)ierigkeiten macke, eine pajjenbe unter biejen 3 n>ifd)enftufen 
für iljn 3U finben : jo ift nun aud) nad) allem fogar bie Slbneigung 
gegen bas SBeib 3tr»eifell)aft ; es liegen keine 3Uoerläjfigen Über» 
lieferungen oor, unb man ift „auf eigene Scklujjfolgerungen an* 
geroiejen". — 

Sa, bann nur 3U ! Da bürfen roir ja roitklid) fjoffen : roir 
roerben am (Enbe bod) no<k ben guten 2Balt lebenbig aus ben 
pp. ffietoäjjern bekommen! 

3 unä<kft füfjrt Serk aneber ein paar 3 eugnijje an. 3 faak 
fjult ^piatt roirb angeführt. Sämlid): ber junge ßekrer S 3 alt, 
ber fid) 3U feinen Jungen I)SIt unb für ben bie Siäbdjens 
keine „Sln3iel)ung 3U tjaben jd) einen". - fjätte er fid) etroa in 
(ie oerlieben, Ijätte er fie u>of)l gar ... . Ulan kat Seifpiele! 


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30 


©ber: fd)icbt fid) bas für einen Beßrer? Unb für jo einen ©elb» 
fdjnabel, ber felber bäum erft 16 3ai)re alt ift? 

(Ein anberer Bericht Don Dr. 'Daniel ©. ©rinton befagt: 
„(Er ( 2 Bl)itman) toar augenfdjeinli«^ gan3 inbifferent gegen bie 
Hln3iel)ungen ber ©Seiber. (Einer oon benen, bie uns bei Mejer 
(Betegenfjeit Bericht geben, ein alter ©Sann, ber fid) feiner er» 
inner te, jagte: (Er fdjien bie ©Seiber 3U fjaffen." 

©iejer „©enteis" fteljt auf ben bann bod) red)t toadtligen 
©einen non ,,augenfd)einlid)" unb „fd)ien", roenn mir ben „alten 
©tarnt" ba fonft fdjon in Trieben laffen toollen. — 

ferner aber: um was für ©Seiber fyanbelt es fid) hier 
benn eigentlich? 3 d) benbe bod), Herr Dr. Bert), man muff fid) 
foldje Beriete ein bifjehen genauer anfef)en. — ©Ifo : 3unad)ft ( 
um toas für ©Seiber hanbelt es fid)? ©aoon erfahren toir nid)t 
bas Ceifefte. - ©Sir toollen alfo bahinter 3U bommen fudjen. ©Sir 
toiffen, bah Dr. ©rinton ein ©r3t unb (Ethnologe toar. (Es fteljt 
3U oermuten, bah öer »alte ©Sann", ben er ba gefprodjen 
hat, ber (BefeUfd)aftsfd)id)t Dr. ©rintons artgehörte. ©Ifo benn 
bod) toohl auch bie ©Seiber, oon benen hier bie ©ebe ift. ©Ifo 
toirb es fid) entroeber um bie 3 eit h an &eln, ba ©Salt in guten 
äußeren ©erhältniffen lebte unb ©auunternehmer toar, ober um 
bie ©Safhingtoner Ca3arettbienft3eit, too er burch bie O’Connors 
unb Surroughs mit folgen ©efellfd)aftsfd)id)ten in Berührung 
bam. Das bürfen toir mit oollem ©ed)t oermuten. — ©un 
toollen toir bod) mal bebenben, bah es im allgemeinen bein Iaunen* 
hafteres, oer3imperteres unb — raffinierteres ©Seib geben bann, 
als bie „gebilbete" ©meribanerin. ©Senn © 3 hitman, mit feiner 
mächtigen, eingeborenen Sympathie für alles Natürliche, fid) ihnen 
gegenüber in ber ©ejeroe hielt: toem toirb bas unoerftänbHd) fein, 
ober ©nlafj 3U - ©erbad)ten geben? ©ah es ©urd)fd)nittsmänner 
jener Greife, toie ©rinton unb ber „alte ©Sann", nid)t oerftanben, 
batf uns hoch toohl toeiter nicht irritieren. 3 m übrigen toirb 
©Salt fid)er biefen ©amen, toie jebem, mit bem er in perfönlidje 
Berührung bam, bie ihm eigene Höflichkeit ertoiefen haken, ©as 


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31 


wißen mir fogar mit Seftimmtheit Don anbcrert ©elegenßeiten her. 
Senn 2 Bl)itman hat gar rooI)I mit gebilbeten, bas heißt wahr- 
haftig gciftig burd)gebilbeten grauen oerkehrt; unb t)at mit 
innert in freunbjdjaftlidjem Sertjältnis geftanben. 2Bir erinnern, 
anberer hier nicht 3U gebenken, hier nur an Anne ©ilchrift. — Alfo : 
was fangen mir nun mit betn Serictjt Srintons an? TOd)ts ! — 

Sert) freilich fäl)rt getroft unb unbekümmert gleicf) barauf 
fort: „Sementfpred)enb (!) ift 2 Ci)itman unoerheiratet geblieben." 
Unb er erwähnt, baß Dr. Sucke einft ©t)itman gegenüber feine 
Überrafcßung ausgefproeßen, baß er meßt heirate. SBßitman f)ätte 
geantwortet: er hätte keinen bemühten ©runb bafür; er meine, 
ber Jöauptgrunb Hege in feiner übermächtigen ßeibenfcßaft für 
ffreißeit unb ßmanglofigkeit. ®ut! bas hat SJßitman gefagt. 
Unb was weiter? - 3 cß benke, ber ©runb ift fo plaufibel unb 
einbeutig wie möglid). - Sebenken mir aber uocß einmal, baß 
AJßitman fieß unmöglich aus ber Amerikanerin ber „©cfeUfcßaft" 
etwas gemalt Ijat, fo werben wir begreifen, weshalb er meßt 
heiratete. Jür ein einfacheres 2Beib aber wäre er bod) auch 
wieber 3U kompiliert gewefen. Sennocß ift es oerftänblicß, baß 
ißm biefes 3um freien ßiebesoerkeßr ungleich angenehmer war 
als jene Amerikanerin ber „ffiefeflfcßaft" ; oon ber er übrigens 
bie unmißoerftänblichften „billets doux“ 3U bekommen pflegte; 
fidjer ein llmftanb, ber fie ihm nocß mehr entfrembete. — Außer» 
bem aber hatte Dr. Sucke wirklich mit jener jjrage ben weheften 
!ßunkt in ffißitmans f>er3en berührt; nämlich jenes Erlebnis in 
Aero Orleans, beffen wir oben bereits gebadjten, unb bas es 
ihm einfad) unmöglich machte, fid) jemals 3U oerßeiraten. - 

Alfo: mit biefen 3wei kümmerlid)eit unb ungewiffen Se« 
richten ift nichts an3ufangen. Sie beweifen gar nichts. - Dr. Ser 13 
ift alfo im wefentlicßen nur noch »auf eigene Schlußfolgerungen 
angemiejen". Sie 3ieht er benn nun auch- — A 3 it werben 
fehen, wie! 

®r meint : nach außen hin müffe es ja ben Anfcßein haben, 
als fei ÜBßitman ein außer orbentlicß er Anhänger ber freien ßiebe 


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32 


gewefen, unb fdjeint er f e I) r Diel mit bem SBeib $u tun gehabt 
3U haben. — Berh fül)rt I)ier bod) nod) ein kur3es 3«ugnis an. 
Unb biejes 3 eugnis fte^t im SBiberfprud) 3U benen, bie mir 
eben kennen gelernt haben. 9 Jlr. 2 BiHiam ÜR. Salter Jagt 
2Bt)itman fanb es offenbar in feiner Jugenb nidjt unter feiner 
ffiürbe, fid) in foldje Berhältnijfe" (es finb freie ßiebesnerljältniffe 
mit 2 Beibetn gemeint) „ein3ulaffen." — So prübe biefer 3 Rr. Salter 
ift, fo glaubwürbig ift bod) aud) roenigftens roieber fein 3eugnis; 
fid)er reichlich fo Diel als bie beiben anberen. (Es beftätigt übrigens 
nur eigene Rusfagen 2Bf)itmans unb foldje feiner Jreunbe. — 
Rber für Bert) ift bas alles nur fd)einbar. — Denn, ba kommt bod) 
nod) mal ein 3eu9tns; unb 3roar eigentlich ein 3iemlid) bi dies. 
(Es kommt oon jemanb, ber Burroughs internieret f>at. Danach 
hat Burroughs ausgefagt: „Dafj toäljrenb ber 30 3 a f) re feines 
intimen Verkehrs mit ©hitman, fooiel ihm beroujft, keine Bet* 
toiikelungen mit SBeibem unb nid)t einmal ber Berbad)t einer 
foldjen Dorl)anben mären, unb foldje Ve3ief)ungen finb bod) geeignet, 
ben männlichen ffreunben eines DRannes 3ur Kenntnis 3U kont* 
men. ffiijitman mar im Umgang mit ben grauen feiner Bekannt; 
fdjaft etroas kalt unb refemert, unb in feinem perfönlidjen (Ef)a= 
rakter gegenüber ber ©efeüfdjaft roar er gerotffermafjen mehr ein 
ÜRann für Sülanner als für ffieiber. (Er füllte, baf) er fid) im 
intellektuellen Verkehr mit feinem eigenen ffiefd)led)te freier geben 
konnte als mit fjfrauen ; benn ba er niemals an bie <EE)e bad)te, 
empfanb er eine getoiffe Schüchternheit gegenüber ben grauen, nid)t 
um feiner felbft willen, fonbern roeit Jrauen oon Ratur fo leid)t ge= 
neigt finb, geiftige Vertraulichkeit unb 3 rreunblid)keit für etwas 
lieferes unb (Ernftes 3U halten. §err Burroughs hatte oielmeljr 
ben Verbadjt, bah getoiffe reife VJeltbamen 9 lbfid)ten auf ben 
Dichter hatten, ber jebenfaHs Don weiblicher Seite bemerkenswert 
freimütige unb unkonoentioneHe Briefe empfing." 

3 unäd)ft: in ben „30 fahren ihres intimen Verkehrs" 
werben Burroughs unb 2 Bl)itman nicht gerabe immer 3ufammen* 
gehockt haben, ober auch nur 3ufammen an einem unb bemfelben 


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33 


Ort geroefen fein, 3umal, wenn man an bie <yrci3Ügigfectt 
2ßi)itmans benbt. 2täl)er unb öfter gefeljen toerben fie fid> t)öd)ftens 
in ber fdjon erwähnten befjer fituierten 3 e ^ 9 BI)itmans haben, 
refp. in ffiafljington, in ben brei ßa3arettjat)ren. Damals fjatte 
2 BE)itrrian in ben fjfamilien O’Connor unb Burrougtjs 23 erbel)r. 
So jet)r häufig aber bei biefen jjreunben 3U fein, toirb er bamals 
Raum 3 cit gehabt haben. Unb roenn er bei ihnen war, fo toirb 
er oon feinem anftrengenben ßa3arettbienft fet)r 
marobe geroefen fein. - t»ie fd)on früher erwähnt: 

es bann fi<h nur um Damen biefer (BefeEfdjaftsbreife geljanbelt 
haben, oon beren etlichen er alfo auch billets doux empfing. — 
ferner: roenn oon „ 23 erwidtelungen" bie Siebe ift, fo bann bas 
hier nur Dertoidtelungen mit folgen Damen ber ©efeüfdjaft 
bebeuten. - 2Bir bönnen aber aüerbings getroft l)in3ufügen, bafj 
er Dertoidtel ungen überhaupt nur mit SBeibern hatte. Unb 
bah er foldjen „fflirts" aus bem 2Bege ging: toir foHten es 
ihm benn bod) gerabe als einen fd)önen, ernften männlichen 
33or3ug anredjnen ! (Es ift Iebiglid> ein 3 eu 9 ™ s für feine ruhige, 
gefunb * ausgegli<hene unb gehalten perfönlidje Sejualitat. Slujjer« 
bem müffen roir au<h h* er unb überhaupt immer toieber an fein 
Slero Orteanfer (Erlebnis benben! - Sagen toir’s überhaupt nur 
gleich : feine 23 erl)ältniffe 3U SBeibem, unb er hat beren unb 
oieIleid)t oiele gehabt - toobei toir aber Verhältnis nicht 
mit Vertoidtelung ibentift3ieren bürfen — toaren fehr natür* 
lief); oon einer großen primitipen 9 tatürlid)beit, bie etroas 23 er* 
ehrungstoürbiges, klares unb gerabe3u $er3erquicbenbes hat. — 
(Er toujjte nie ettoas oon jenen „fionflibten" unb „ 23 ertoidte* 
lungen", mit benen fid) bie Jrjertd)en bie 3^it 3U oertreiben 
pflegen ; ber intereffante Begriff „Srlirt" toar ihm oöüig fremb. — 
(Er roies jebes 2 Beib 3urüdb, bas ihn 3U folgern Spiel mit ber 
Sefualitat böbem wollte, ober ift ihm mit ber ihm eigenen Jrjöf* 
lidjbeit ausgetoidjen, bie ber Onteroiewer Vurroughs’ h er 3li<h 
gern „halt unb referoiert" nennen mag. - Mes anbere aber, 
roas SJlr. Surroughs ba noch geäujjert haben foll - toir toiffen 

Johannes S djlaf , 2Bntt Somofejueller ? 3 


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34 


ja nid)t, roer ihn internieret l)at unb mit melden offenen ober 
latenten 91 b f i d) t e n er interoierot tourbe ! - ift 9Jtr. Burroughs’ 
fubjektioe 2Infid)t. - 

Schließlich aber alfo : perjönlid) toirb 2Bt)itman mit 

Burroughs nur in ber kürgeften gfrift biefer impofanten 30 3at»re 
ba oerkefjrt haben, in ber 2Bajt)ingtoner 3 C **I unb, toie roir 
fef)en, unter befonberen unb ungiinftigen Umftänben. — Bie 
meifte übrige 3 e ü über haben fie filier nur in Äorrejponbenj 
geftanben; unb id) geftatte mir, 3 U begtoeifeln, baß 2Bt)itman, 
befonbers in ber halb barauf folgenben ^periobe feiner Ärankheit, 
ein fo bejonbers [djreibfeliger unb häufiger ßorrefponbent toar. - 

(Es ift nun aber gerabe^u broflig, toenn Dr. Bert) an biefe 
Slusfage oon Blr. Burroughs folgenbes „9lIfo" knüpft: „9llfo ber 
Dichter, ber theoretifd) bie nöttige ©mangipation bes JJIeif^es 
prebigt, toar praktifd) ein keufdjer 3ojeph, ben aud) bas 3Beib 
bes ‘potiphar nid)t cerführen konnte." - O, £err Dr. Bert)! 
Diefer Ie%te Sah! Der rei<ht bodj toohl beinahe an bie 
„umifche" Dtama ffihitman heran ! - Oh ! - Od) feh c Sie förm« 
lieh mit bem 9luge 3 toinkern. „. . . 91 ud) bas 9Beib bes 'Poti« 
phar nicht oerführen konnte." Bid)t? Unb toenn bie’s nicht 
imftanbe toar ! - 9lber benken Sie nur : bas ift’s eben ! ffierabe 
bie nicht! — Oct) h 0 ff c « baß ®ir nod) SefuaIp|pd)ologen haben, 
bie gerabe bas begreifen ; troß jener großen Überzahl oon leicht 
bereiten unb leicht fertigen Stigmatikern oon Obrem ©enre! — 

9llfo, Befume : Dem hier oorliegenben 3«ugnis Dir. Dur« 
roughs’ kommt bloß ein feßr bebingter 9Bert 3 U. ©s kann für 
unferen $all kaum irgenb etroas bebeuten. Od) fürchte überbies, 
baß es, nach allem toas roir über bas Berhältnis 3 tütjd)en 2Bi)it= 
man unb Burroughs toiffen, eine tenbengiös entfteüte IBiebergabe 
oon 9lusfagen Burroughs ift ! — ^ebenfalls : es Hegt in ißm burdjaus 
keine Berechtigung, SBhitman als $omofejueflen Ijinguftetlen. 

3eßt aber kommt eine benn freilief) hoch ungleich härtere Buß, 
als bie leßte es toar ! 3 eßt kommt fein „geliebtefter junger ©ünftling", 
ber bamalige Irambahnkonbukteur 'Peter Dogle an bie Beihe. 


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35 


©iefer 'Peter ©ot)Ie jagt 3 U einem Dnternieroer : „Kie ift 
mir ein bekannt geroorben, bafj ©alt fid) um ein ©eib 
(Bebanken gemalt ptte. 3n ber 2at hatte er nichts befonberes 
mit irgenbeinem 2 frauen 3 immer 3 U tun, mit Ausnahme non Jrau 
O’Ionnor unb ftrau Burrougljs (ben (Battinnen feiner beiben 
intimen literarifdjen 3freunbe). Seine Einlage roar anbers. Das 
2Beib in jenem Sinne kam niemals in jeinen Äopf. ©alt roar 
3 U reinlid). (Er Ijafjte alles, roas nid)t reinlich roar. Äeine Spur 
non irgenbroeldjer 3lrt non ßieberlid)keit in it)m. 3<h mu^ bod) 
roifjen, roie es mit it)tn in jenen [fahren bcftcllt roar — roir 
roaren fd)redilid) oertraut miteinanber." 

©ie gejagt : eine etroas Ijärtlidje Kujj. ünbejfen, id) benke : 
fie lagt fiel) knacken. — 

3unäd)ft bie (Perfon bes ©ogle. (Es ift 3 U bebenken, bafj 
er Irambaljnkonbukteur roar, ein ©beiter. (Es ift roeiter 3 U 
bebenken, bafj ©ogle bamals - es l)anbelt fid) um bie ©aftjing* 
toner 3«ü - feh* jung roar; er jtanb in feinem 18. fjatjr. (Es 
ift ferner nicht unroefentlid), bafj er non Herkunft unb Kaffe ein 
Orlänber roar; eine Kaffe, bie 3 toar als fet)r roarmf)er 3 ig gilt, 
im übrigen aber in ber Union nicht gerabe im beften 2lnjel)en 
ftel)t, benn ber ^rlänber ift nadjträgig. — (Dies oorausgefd)idtt, 
müffen roir roeiter beachten, bafj er internieret rourbe. hierbei 
mad)t fid) ein ©enfd) feiner ©t, ba er fid) gefdjmeidjelt fühlt, 
gern roidjtig ; unb er roirb 3 unäd)ft roittem, mit ber eigenen 
jjinbigkeit folgen Sd)lages, roas man non iljm Ijören roiH. 
(Er roittert es, rietet fid) banad) unb berietet, roas man 
Ijören roiH. Unb fo roirb alles in allem feine ©sfage eine 
Küance bekommen, bie fieser nichts roeniger als 3 unerlaffig ift. 
ferner roar er offenbar falopp ober bod) minbeftens unfid)er in 
feiner ©sbrucksroeife. ©ir fetjen bas foroot)l in bem fo djarak» 
teriftifdjen „fdjrecklid)" in ber lebten 3 ^ilc — bes übrigens 
erfi^tlid) retoudjierten Berichtes - roir erfefjen es aud) aus bem 
Bulgaren „3d) mufe es bod) roiffen"; unb roir roiffen es aud) aus 
anberen mitgeteilten brieflichen unb fonftigen ©isjagen non ihm. 

3 * 


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36 


2Bir Ijabctt ferner 3 U bebenKen, bajj gerabe bie 33erid)te bes 
Dogle aus einer 3«t nad) bem lobe 2Bi)itmans ftammen. 3n ben 
lebten 3 al)ten aber roar Dogle offenbar pikiert auf 2 Bi)itman, toeii 
er, roof)l burd) 3 u f Q tt< als 2BE)itman in (Eamben tooijnte, nid)t 
bei it)m norgelafjen rourbe. ®s ift 3 toeifeIIos, baff er, als Orlänbet 
ber unteren Sd)td)ten, 2Bt)itman bas nadjgetragen f) Q t. fjat 
bod) felbft O’Connor, gleichfalls Drlänber, 2Bt)itman jahrelang 
eine Kleine ÜJieinungsoerjdjieben^eit nadjgetragen. - 2Bir muffen 
toeiter bebenKen, bafj, roie aud) bie Berichte oon ©urrougfys - 
id) betone bas immer roieber - unb alfo bie faft ewigen 
berartigen 'Berichte über 2Bi)itmans Verhältnis 3 U bem SBeibe, 
aud) ber oon Dogle, ben 2Bl)itman überhaupt erft in jener 
3cit fiennen lernte, aus ber2Bajf)ingtoner3eit batiert. Mus 
einet 3 ät alfo, too, nod) einmal fei es gefagt, 2 Bf)itman fi«h um 
Sßeiber 3 U bekümmern bei feinem fo überaus anftrengenben 
Ca 3 arettbienft lag unb 3lad)t gar Keine 3«tt übrig hatte unb 3 U* 
bem aud) oiel 3 U marobe mar, pft)d)ifd) roie pf)t)fifd). — Der Seridjt 
bes T>ot)le, ber alfo nod) ba 3 u toaf)r{d)einlid) abfichtlid) nid)tsroürbig 
toar, ift bemnad), bxes alles in 93etrad)t ge 3 ogen, fehr leichtfinnig, 
oberflächlich unb gebanKenlos ! — 3m übrigen : roas befagt es 
benn, toenn Dogle fagt, 2Bl)itman habe (id) um ein 2Beib „Keine 
©ebanKen" gemalt ; unb : „er hatte nichts Sefonberes mit ben 
ftrauensimmern gu tun" ? ©s braucht burdjaus nicht 3 U befagen, 
bajj 2 Bi)itman gefd)led)tlich nichts hätte mit ihnen 3 U tun haben 
mögen; fonbern es toirb eher befagen, baf} er fid) nicht mit ben 
ffieibern, roas man fo fagt, „herumge 3 ogen" hat. Unb bies ent* 
fpridit aüerbings oöllig 2Bf)itmans ©IjaraKter, unb roir roerben es 
gerabe als ein 9Jt erreichen einer fogefunben roie m ä n n l i dj e n 
Sexualität 3 U roerten haben. — (Er f)at fid) nicht mit bem SBeib 
ge 3 ogen; bas 2Beib hat ihn nicht unruhig gemacht; es f)at 
feine ©ebanKen nicht befd)äftigt unb beunruhigt. — ©etter ift 
es offenbar, baf) 2Bf)itman tm höchften ©rabe jene männliche 
DisKretion befaf), bie fo rounberbar ift unb fidjer oon jebem 
tü^tigen ©eibe fchr hod) gefdjätjt roerben roirb, unb bie nichts 


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37 


ausplaubert, bic nidjt „brüber rcbet". — (Es t[t 3 toar benkbar, 
bah er fid) feinen beiben [[reunben gegenüber mal gelegentlich 
Ieife über bergleidjen b)ätte äußern können ; inbeffen : bie brei 
ÜJlänner roerben in jenen fahren, roo QBaffjington oon loten, 
kranken, Derrounbeten unb kriegslärm roimmelte, ernftere Dinge 
im köpfe gehabt haben, als irgenbeinen „Speech un ter uns jungen 
3Jläb<hen". — Unb nun ferner: man [teile fid) boch blofj einmal 
oor: ber Dotjle roar bama!s ein junges Dürfdjdjen oon 3 Üka 
20 fahren ! 2Bt)itman bagegen ftanb in ben Diesigem. Sie 
jtanben einanber gegenüber roie Dater unb Sohn. 2Bie hätte er 
benn 3 U bem jungen Jant oon feinen ßiebesangelegenljeiten 
fpredjen können, toenn er Jid) nid)t 3 U bem läd) erlich [ten Darren 
oon ber 2 Belt hätte machen rooEen ! 

911fo, ich fdjliejje : ®er erfte Deil oon Dotjles Slusfage 
bebeutet nichts unb nochmal nichts! 

Elun aber ber 3 toeite üeil. Dotjle fagt: „Seine Einlage 
toar anbers." - Das ift fo ein red)t fetter Rappen für Dr. Derh ! 

Dnbeffen, ich benke, roie kreu 3 gefäbrlid) biejer Sah fi<h auch 
ausnehmen mag: nein! mir haben ben „Urning" noch lange nicht 
attrapiert ! 

Sllfo : offenbar roiU Dotjle ettoas anbeuten ; üorausgefetjt 
übrigens, bah wir uns auf bte Ueberfetjung biefer ZBorte oer« 
Iaffen bürfen unb 3 ubem auf bie 3uoerIäffigkeit bes Dnteroieroers ! - 

Elber, beamten mir folgenbes mohl! (Es ftef)t feft, bah 
ZBljitman ben umifdjen 51 k t nie ooH 3 ogen hat - roäljrenb er 
ben heterofefuellen 5Ikt fel>r oft ooll 3 ogen hat; roas aus 
eigenen Slusfagen oon ihm, roie auch aus unmihoerftehlichen 
Stellen in feinen ©ebichten, auf bie mir roeiter unten noch näher 
etn 3 ugehen haben, mit aller ©eroihheit 3 U konftatieren ift; unb 
ferner aus beftimmten ülusfagen feiner fjreunbe. - ÜBljitman hat 
alfo einen homofejuellen 5Ikt aud) mit Dotjle nie ooH 3 ogen (mir 
fträubt fid) bie jeher, roenn i<h biefe Sähe überhaupt nieber* 
fdjreiben foH ! !) Dagegen ift es fo gut roie f ich er, bah Dotjle 
feiner feit 5 ein Urning roar, ber oielleidjt roohl gar aud) mit 


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38 


anbeten bereits ben urnifchen Ulkt ©otogen hatte. Bas ift für 
Bogles Slusfage feljr ctjarakteriftifch ! - Wir wiffen, tote Wljitman 
mit biefen ßeuten unb mit bem Bolke 3U oerkehren pflegte: 
genau jo roie einer ihresgleichen. 9 lIfo, bah er fid) etroa 
gelegentlich, roie Arbeiter bies 3U tun geroohnt finb, mit ihnen 
unterfafjte unb fo mit ihnen ging, 2lrm in 9 lrm, ober roohl aud) 
9 lrm um bie Schulter ; ober bah er fie bei ber fjanb hielt, ober 
fie im ffiefpräetje fonft berührte, in einer Hirt, roie biefe Ceute bei 
ihrem frifchen, ettoas knabenhaften Wefen geroohnt finb; unb 
roohl in Amerika noch ®eit mehr roie bei uns. — Sicher 
aber ift Whitman, nach allem, roas toir non 3uoerläffiger Seite 
oon feinem Wefen roiffen, bei aüebetn ungleich gehaltener geroefen 
als fein Berkehr; unb roirb er folche Bertrauens3eid)en nur 
benen haben 3ukommen laffen, bie ihm befonbers gefielen. (Er 
mag biefen roohl aud) ben Willkommen» unb Bbfdjiebskufj gereicht 
unb ihn oon ihnen empfangen haben ; roie er roieberum in Amerika 
ein roeit gewöhnlicherer Brauch ift als bei uns. Botabene : bies alles 
in feinen jungen unb in feinen früheren Btannesjahren ! — Bies 
alles aber hat ®ot)le — ber in jenen fahren ein häbfdjes, 
luftiges unb, als Orlänber, 3utunlid)es Bürfdjchen geroefen fein 
mag, unb ben Whitman oietleicijt mal bei ber §anb gehalten 
ober roohl auch mal geftreichelt hat — nachher, nach feiner 
urnifchen 3 lrt, als eine 2 lrt urnifd)en 'Platonismus angefehen. — 
Was enblid) aber bie lebten Sähe, bis 3U bem faloppen „toir 
roaren fdjrecklicf) nertraut miteinanber" anbelangt (wörtlicher müf}te 
toahrfd)einlich überfetjt toerben: „bi die oertraut miteinanber", 
roas fdjon gleich eine ettoas anbere Utüance gibt), fo finb fie 
ohne Belang. „Bas Weib in jenem Sinne kam ihm nie in ben 
Äopf" ift iautologifd) bafür, bah Whitman „3U reinlich ro ar" ; unb 
bas kann toieber ein ungenauer 'Husbruck fein für : er toar ba3U 
3U anftänbig, ein 3U feiner Äerl unb bergleichen, ober - auch bas ift 
möglich - ber Urning Bogle meint es wirklich in einem urnifchen 
Sinn. Was nichts befagen will. Hlufjerbem aber fagt Bogle ja: 


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39 


„Äctnc Spur Dort irgenbroeldjer 9 trt oon £ieberli<hbeit toar in 
Das bereif tigt uns eigentlich jogletd), alles, roas Doqle 
non tfjm jagt, in jold)em Sinne 3U beuten; unb es roirb alfo 
h«ijjen: 2Bf)itman gab ji<h 3toar mit ben SBeibem ab, aber er 
roar babei nicht lieberlich. — 

3 d) benbe, bie anjd)einenb l)arte Bujj ijt gebnadtt, unb mir 
bürfen uns gut unb gern mit ihrem Äern 3ufrieben geben. - 

CBir kommen nun aber mit Bertj bereits 3U 2 B^itmans 
Se3iei)ungen 3um QBeibe, toie jie jid) in jeinen Dichtungen bunbgeben. 

Bert} jagt Seite 248 : „Bun jdjilbert er ( 2 Bt)itman) 3toar 
in jeinen ©ebidjten ben ©ejdjlechtsüerbehr 3t»ijd)en Btann unb 
ffleib mit bejonberer Brutalität (hm !), um ©bmunb ffiojjes 
Slusbrudt 3U gebrauchen, Bber es ijt in biejen Säuberungen 
nichts enthalten, uras eine tiefere, feelijdje Beteiligung Derriete." 

2 Bas biefe mangelnbe „tiefere, jeelijdje Beteiligung" anbe* 
langt, jo bringt Bert} einige Urteile bei. - So l>at 3um Beijpiel 
Ifjoreau in einem Briefe geäußert: ,,©r feiert überhaupt nid)t 
bie ßiebe. ©s ijt, als ob bie liere jpred)en." (2horeau toar ein 
bebeutenber Üftann, aber ein menjd>enferner unb gan3 unb gar 
roetbferner ©injiebler; auf bejjen Begriffe non Ciebe roir jonad) 
oiel ©eroicht nicht eben legen bürfen.) 

Bert) finbet bas fehr 3utreffenb. ©r Dergleidjt bamit bie 
„an Dlänner unb Jünglinge gerichteten ßiebesgebidjte", in benen 
{ich alle 3 a *th e ü unb Onnigbeit bes ffiefühls »errate, roie jie 
fonft nur in ber heterojejuellen Oiebeslqrib 3um Busbrucb kommt. 
- ©r zitiert bafür Spmonbs, toeldjer gelegentlich jagt: „ 3 n 
, Calamus 4 tritt bas ©lement bes Seelifdjen in ber ßeibenjdjaft, 
ber Bomantib unb ber tiefen, bauernben ©mpfinbung, toelches 
in bem 2 IbJd)nitt über bie normale ffiefdjlechtsliebe beinahe burd) 
jeine Bbtoefenljeit glän3t," (toas für ein jalopper unb ungehöriger 
2 lusbrucb !) „lebhaft in ben Borbergrunb unb oerleiht ber bünjt» 
Ierifchen Behanbtung eine bejonbere 2 Bärme ber 'Poejie." 

Dian müjje ferner bebenben, toelche Bebenrolle in jeinen 


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40 


Dichtungen bic 3frau überhaupt fpiele, toährenb er [ich nicht genug 
tun könne, ben Wann in feiner Kraft unb Schönheit 3 U ner> 
herrlichen. (Ebmunb §olmes h a f> e gejagt, Whitman habe bas 
Weib gar nicht oerftanben. (Och lache ! ©enau bas ©egenteil 
ift ber fjall !) ©utyanan fpreche non feiner „heterofejueHen ©ru* 
talitat". ©r fage : „Wenn ich aus ber inneren 5lugenftyeinlitykeit 
biefer Stellen einen Stylufe 3 iefee, mufe ich fagen, bah Whitman 
keinesroegs ein Wann non ftarken, animalifchen ßeibenfehaften 
tnar. 3n feinen 5lusbrücken liegt ettoas ftyrecklity ffieroaltfames, 
toas ein ©pikuräer ber ßuft oermieben haben toürbe." 

Wenn fich Dr. ©erfe aber auch nur ei« einiges Wal an 
einen gebiegenen unb fokben ffieroährsmamt hielte! — 3ty bitte 
jeben oerftänbigen Wann : toas ift bas für ein gerabe 3 U horribler 
Unfinn, ben roir ba 3 itiert bekommen! - Whitman fei kein 
Wann oon ftarken, animalifchen ßeibenfehaften geroefen ! — ßeibem 
ftyajrten ! 51 n i m a l i f <h e ßeibenfehaften ! — 5lber ich bitte jemanb : 
toaren bie benn überhaupt nicht burtyaus „shocking“? Unb 
märe es alfo nicht gerabe ein gutes 3ei<hen, roenn Whitman fie 
nicht gehabt hätte; nach ber Weinung biefer £erre«? — Was 
oerftehen benn bie Herren hier unter ßeibenfehaften ? 3ty benke 
bie gröbften, trübften ber ßeibenfehaften, bie böfeften, bie ani« 
malifd)en, mit anberen Worten bie fejrueHen? - 3<h roeife ja 
nun freilid) nicht : es reifet feeutsutage ein, bafe man bamit 
befonbers prunkt, unb bafe man ben fejualen ©üpel unb toofel 
gar ben ©üpelfeafteften 3 um 'Prototyp „gefunber Wamtyeit" 
machen toiH. — Da fiele benn ja roofel unfer h err üty er Walt 
grünblich ab. - Wir anberen freilich ftellen als 'Prototyp jeber 
gefunben Wamtyeit, kulturtragenben unb kultur« 
roirkenben Wamtyeit, immer noty ben fein, ber feine ßeiben« 
ftyaften am beften im 3 «ume h«t u «b bei bem fie überhaupt ftyon 
oon oornherein unb in ber gan 3 en ©aturanlage phgfiologifh 
balanciert unb — kon 3 entriert finb. Das aber roaren fie 
bei Whitman! - 5lIfo : ity finbe es einfach eine Oberfläty« 
liefe k eit DO« ©utyanan, roenn er hier mit feinen „animaliftyen 


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Hu. 




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fleibenfd)aften" kommt ! - 9tod) unfinniger aber ift ber anbere Saß. 
(Ein oerftänbiger ÜJtenfd), mein’ id), toirb if>n überhaupt kaum lejen 
können. „3n feinen Slusbrücken liegt etroas fcßrechlid) ©eroalt« 
fames, roas ein (Epikuräer ber ßuft oermieben ßaben mürbe." - 
„(Epikuräer ber ßuft"? Ulber in biefem 3 u f ammen f) a n9 e i a 
gerabegu fürdjterlid) ! — O r geroiffe englifdje unb amerikanifdje 
Sdjriftfteüer ! — — Jrjätte ©alt etroa gar ein „(Epikuräer ber 
ßuft" fein follen?! Ober märe er einer gemefen, menn er „ftarke, 
animalifäje ßeibenfdjaften" gehabt ßätte? Unb märe bas etma 
53ud)anan lieber gemefen, als bas „fcfjredtlid) ©emaltfame" 
oon 2Bf)itmans Ausbruch? - ÜJlir für mein leil märe bas 
ßeßtere immer nod) 3 ef)nmal lieber, mir erfdjiene es nod) gefjnmal 
gefünber als ein joldjes ©pikuräertum. 'Budjanan roeifj bod) roaßr» 
ijaftig felber nidjt, roas er ba für lorßeit ßingefcßrieben E>at! — 
3m übrigen fage id) : nur ffiefüßlsatropßie kann ©ßitmans 
9Irt „ fdjredilid) " unb „geroaltfam" nennen! - 2öas foH übrigens 
biefes „geroaltfam" bebeuten? 3ft es etroa gar im Sinne oon 
„ge 3 roungen" ober „gequält" gemeint? — ©ßitman ? ! Unb - 
gequält ? ! 3n feinem Slusbrudt ? ! — 2Benn Sudjanan fagen 
mürbe: furchtbar, bann roürb’ id) ißm allenfalls red)t geben, 
©as könnte man oieHeicßt fagen, roenn man ©ßitman 3 um 
erftenmal gegenübertritt, ülber er ift bann „furchtbar" roie bie 
Jlatur, bie in iljrer fjurdjtbarkeit ergaben unb Ijeilig ift. — 3n 
biefem Sinne ift etroa folgenbe Stelle „furdjtbar", bie ben gefd)Ied)t= 
licken 91kt unb ben Samenerguß bei ber ^Begattung }o pßgfiologid) 
mie gugleid) in feiner gangen, man mödjte fagen: metapßgfifdjen 
Heiligkeit uns 3 ur (Empfinbung bringt. Sie finbet fid) in „I sing 
the body electric“ : 

„Mad filaments, ungovernable shoots play out of it, the response 

likewise ungovernable, 

Hair, bosom hibs, bend of legs, negligent falling hands all diffused, 

mine too diffused, 

Ebb stung by the flow and flow stung by the ebb, love-flesh 

swelling and deliciously aching, 


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Limitless limpid jets of love hot and enormous, quiyering jelly 

of love, white -blow and delicious juice, 
Bridegroom night of love working surely and softly into the 

prostrate dawn, 

Undulating into the willing and yielding day, 

Lost in the cleave of the clasping and sweet -fleshd day.“ 

Bier I)at biefe göttlich * furchtbaren Berfe getrieben? (Die 
l)ätte ein Uranier geftfjrtcben ? ! — Blasphemie! Bie unb 
nimmermehr! (Ein ÜJiann h fl t P c getrieben! (Ein lann! 

Unb nun Dernefjme man, roas Buchanan roeiter fd)reibt : 
„(Diefer leil feines Buches h fl t ih m uermutlich bebeutenbe 
Blühe gemacht (!); er ift nicht con amore (! !) getrieben, 
unb abgefehen non feiner 3roeifa<hen unb mtjftijchen Bebeutung 
ift er genau bas, roas ein alter (Philofoph fdjreiben könnte 
(fehen mir ihn, biefen „alten 'Philofophen" ? menn er bie 
ßeibenfchaft im trüben ßi<hte ber (Erinnerung bargufteüen Der« 
fud)te." — - [fürchterlich ! 

3 ch benke, mir geben Buchanan fchleunigft ben ßaufpafj, 
benn feine (Befeüfchaft ift benn hoch gar 3U pläfierlid) ! - 

Verfolgen mir im übrigen aber unfre „ffieroährsmänner" roeiter. 

3 unä<hft aber möcht’ ich mir einige Bemerkungen aüge« 
meineren Inhalts geftatten. Sie mögen an jene bei BHjÜman Der» 
mijjte „tiefere, feelifdEje Beteiligung", an bie oon Ihoreau Dermifjte 
„[Jeier ber ßiebe", an bie fehlenbe „ßeibenfchaft", „Bomantik" (hm !) 
unb bie „tiefe, bauernbe (Empfinbung" (hm !) — anknüpfen. 

Dch tue eine 'Pilatus« unb (Beroiffensfrage : Blas ift ßiebe? - 
Unb id) tue eine anbere: roas ift „(Element bes Seelifdjen", roas 
ift „ßeibenfchaft", roas ift „Bomantik"? — Btan laffe mich 3u» 
nädjft eine inbirekte Bntroort auf biefe [frage geben. — Och 
3iehe bie (Entroickelung bes ßiebeslebens in Betracht. — B 3 ir 
finben am Busgang ber Bntike, im ©egenfatj 3U bem großen 
fchlidjten Stil einer früheren 'Periobe, ein feljr großes Blefen oom 
Bleibe gemacht ; roir finben ferner etroas, bas ich einen gerabe3u 


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unerhörten Konfluj ber (Beblechter nennen möchte ; einen Konfluj 
oon einer T)ifferen3iertf)eit, einer „ßeibenfchaft" unb „^Romantik" 
ber gejchledjtlichen We3ief)ungen, bie beispiellos ift. 3 d) [teile 
ihr gegenüber als ihren 2lbfd)luf3 unb ihre (Ernüchterung bas 
Taedium, bas bie Weroegung bes jungen (Eljriftentums ber 30hl« 
reifen religiös * pf)ilofophi}<hen Sekten jenes 3 e ^alters biefer 
$ijferen3iertheit, ßeibenfcf)aft (®eilheit) unb poetifd)en Werherr* 
lidjung unb Womantik ber gefd)led)tli<hen We3iel)ungen gegenüber 
bebeutet. — Unb ich betraute roeiter bas ßiebesleben ber jungen 
germanifd)en Waffen in feiner, jenen früheren ‘Perioben ber Wntike 
gegenüber immerhin anbers nuancierten ‘Primitioität ; unb ich f c h c 
auh h«r bie beginnenbe ®ifferen3ierung, ßeibenfdjaft, ‘Poefie, 
Romantik etroa bei ben fpäteren Iroubabours ober am Wusgange 
ber Üßinnefänger3eit (Ulrich oon ßid)tenftein), bie oieüeidjt felbft 
bereits, toie fie bie Wlüte ber germanifd)*chriftlichen ßiebesfeele 
entfaltet, immerhin hoch üieHei<ht aud) f<hon ben Keim ihres Wer* 
faUes einfd)Iiefet. 3 d) fel>e biefen Werfall fid) fteigern bis 3U ben 
heilen unb raffinierten Orgien unb in bas De^toickte ßiebes* 
leben unfrer mobernen fjodjkultur, mit ihren nur 3U unmifjoer* 
ftänblichen, fataniftifch getoefenen Wuancen; ja, man möchte fd)on 
[agen : ihrer fataniftifchen „Keufd)heit" ! - 3 <h 3tcl)c bas feit 
unfrer Klaffik immer einfeitiger oortjerrfchenbe ßiebesmotio in ber 
europäifdjen ipoefie in Wetracht, bas neuerbings — man muh We» 
ferent über ßqrik fein! - bis 3um kompletteften (Ekel anfdjtnillt. 3 dj 
Siehe bie ‘Pfeubo»„Womantik" unfres Wurchf<hnitt*ßiebesDerkehrs 
mit feinen meift fo oerlogenen (Balanterien unb Komplimenten in 
Betracht; unb mir finb alle biefe Wegriffe, unb mag felbft 
ein Ihoreau fie bei WJhitman üermiffen, hö<hft oerbäd)tig, 
menn nidjt gerabe3U nachgerabe ein für allemal oerleibet unb - 
roiberroärtig ! Unb ich möchte rufen : „Mtjviv ’aetSe, 3 -sa, ür^vjcaSew 
’Axax-rjos!" Unb ich {ehe biefen göttlichen ipeliben in UBalt 
©hitman. Unb ich atme tiefbefreit auf, als fei ich aus mer 
meih roas für einer bunftigen Wube in (Bottes fdjöne, freie, frifche 
ßuft hinausgetreten! — 


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3 d) bebenfee: roie eigentlid) [teilt überall, Ijeute tote je, 
bie Batur bie ©e[d)led)ter 3ueinanber? Sie [teilt [ie aueinanber 
als 3toei bejonbere, gefonbert für fid) befteljenbe 2Belten. ©ie[e 
2Belten berühren, bur<f)bringen, fereü^en fid) aroar in ber gefdjledjt* 
lidjen (Einigung, aber eingig 3U bem ß^ecfee ber 2 Beiter[d)öpfung. — 
©as IR or male, ©e[unbe ift f)ier: bie oerfyältnismäfjig feur3e Be» 
rütjrung unb ©urdjbringung bes Bfetes ; nad) it>r aber fällt jeber 
ber beiben 3 nbioibualitäten, ber männlidjen roie ber roeiblktjen, 
roieber ifjr eigener 2 Bert 3U, unb 2 Beib tritt 3U 2 Beib 3urüdfe, KRann 
3U SERann; unb [ie [inb roieber fo3ietäre Onbioibualitäten ; als 
roeldje 3U [ein [ie oor allem bas britte im ©reiedt nötigt, bas 
eigentliche aller pp. „©ritten": bas Äinb! 

3 d) [el)e in ber Batur bie feenn3eid)nenbe „Beradjtung", 
bie ber Änabe bem URäbdjen entgegenbringt 3 d) fef)e roie 
URäbdjen fid) 3U HRäbd)en, Änabe fid) 3U änabe ge[eHt. Bis 
bann mit ber ipubertät bie iperiobe bes fid) gegen[eitigen Bus* 
tjolens feommt, bie fid) bis 3ur 3eu9 un 9 [teigert, aus roeld)er 
beibe ©efd)led)ter eigentlid) roieber als [03ietäre 3 nbioibualitäten, 
jebes in [eine 2Belt, 3urü<fetreten ; gebunben beibe nur burd) bas 
Äinb unb burd) bie periobifd) roieberfeefjrenbe Botroenbigfeeit ber 
ge[d)led)tlid)en Bereinigung, beren ©efetje uns l)eut3utage bie 
Batur erft nod) roieber in eine neue Bormalität 3U bringen 
l)at. — ©as i[t alles ! Unb roas barüber i[t, i[t oom Übel. — 
Unb bas ift, fagen roir’s nur, bie Bormalität, bie l)eute, 
in unferer fürdjterlidjen [efueüen Berfal)renljeit unb Unorbnung, 
gerabe3u räubig unb oerfeljmt bafteljt! 

§at 2 Bf)itman aI[o jene „Bomantife", jene „Seele", ,,'Poefie", 
„ßeibenfcfjaft" nid)t - unb [ie l)at er aHerbings nid)t fo 
[agen roir nur rul)ig: es ift bas 3 c *^) cn feiner feem* 
gefunben unb oollfeommenen IRannfyeit; [einer ge* 
funben, normalen unb ruhigen, ausgeglichenen, 
mannlic^*l)armonif d)en Sejualität! - Unb ein Eingriff 
roie ber Bertjfdje i[t einfad) ber 2 lufrul)r bes ipi)ili[ters, ber 
aümeintag, roenn bas ipelemele bes Satan in Blüte roar, je unb 


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je 311 ftumpfnüftrig roar, um ©ott com leufel 3 U unterfdjeiben ! 
-1 Unb: id) roage bic fjgpotljeje getroft: es ^at jidjer aud) 
ÜBfjitman einer geroiffen 21 rt non „befferen Stänben" gegenüber, 
unb „Irägem unferer Kultur", fo oft er mit ihnen in perfönlidje 
SerüFjrung kam, in ficf> felbft hineingetrieben. Unb baljer gerabe 
beren Bumor non feiner „fjomofejualität". — 

2 Bt)itmans ffiebidjte feien ba, roo fie mit bem Sßeibe 3 U 
tun Ijaben, nidjt befeelt; fie feien „ttjeoretifd)", als ob fie ein 
Profefjor, ein „alter ipijilojoph" gemalt t)ätte. — ferner: er 
gebe bem 2Beibe einen oerfdjroinbenben Spielraum in feiner 
Didjtung. — “Das alles ift 2Bort für 2Bort f a I f d) ! Sonbern bie 
5adje nertjält fi<f) fo, bafj 2Bt)itman bem 2Beibe, als gefdjledjt« 
lidjem Komplement bes Btannes, ben iljm 3 ukommenben 
Spielraum gibt; als fojietäres Komplement Ijat es oöHig ben 
gleiten ; unb fo ift benn eigentlich 2 Beib genau jo oiel berückfidjtigt 
roie ÜJtann in 2Btjttnians Dichtung. Dajj er aber etroa irgenbtoie 
ben URann als feyuelles Komplement bes Btannes gefüllt 
unb gefeiert ha^e, ift eine fdjamloje (Entftellung entroeber 
ober banaujifdje Stumpf nüftrigkeit rooljl gar amüfiert 
grinfenber ^p^iliftrofttät! Denn: roie gerabe ber <Ph*‘ 
lifter fidj, im ftiüen, über fo etroas „hödjt"! - - 

3dj benke, bereits bie oben mitgeteilte Stelle aus „Children 
of Adam“ toirb jebem Berftünbigen nid)t als bie eines „alten 
Profeffors" erfdjienen fein, fonbern als bie eines Bollmannes, 
ber bas alles aus fo unmittelbarer roie ftarfter Erfahrung roeifj. — 
Slber fefjen roir nun, roie rounberbar intim unb befeelt er in 
ZBatjrheit oom JBeibe fpridjt! - Da es fid) in 2Bal)rl)eit nid)t fo 
oerl)ält, roie Bert} unb feinesgleidjen fagt, fonbern oom 2Beibe 
recht oft in ben „©rasljalmen" gehanbelt roirb, fo könnte ich 
benn auch eine grofje 3 a h^ oon Belegen äufammentragen. 3dj 
muh mich h* cr aber begnügen, aroei oon ihnen aus 3 uroählen ; 
aber ich meine, fie fagen alles unb laffen nidjt eine Spur oon 
ßroeifel übrig. 

Die eine, ein köftlidjes 3bgH, mit bem unmittelbarften 


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JRerkmal bes perfönüdjen ©rlebniffes, finbet fid) in „Song of 
Myself“. Sic lautet: 

„I am satisfied — I see, dance, laugh, sing; 

As the hugging and loving bed-fellow sleeps at my side through 
the night, and withdraws at the peep of the day with 
stealthy tread, 

Leaving me baskets cover’d with white towels swelling the 
house with their plenty.“ 

3ft bies aus ber „Ifyeorie" bes „alten fprofeffors"? 3 cf) 
benke, aus bem unmittelbarften (Erleben. SBoburd) könnte bas 
befler erhellen als aus ben Äörben ! Das ift Diel 3 U eigen, paßt 
niel 3 U [ef)r in 2 Bf)itmans ßebenslage, unb ift oiel 3 U umtad)= 
afjmlid) perfönlid), als bajj es konftruiert fein könnte. — Das 
kann 2 Bf)itman nur felbft am 2 Beibe unb mit bem 2 Beibe erlebt 
haben! — 

3d) fagte fdjon, mir Ratten Diele foldje Stellen. fHber Ratten 
mir felbft nur biefe eine, fo mürbe id) fofort einen BoDfchlufj auf 
SBfjitmans Sexualität unb auf feinen Berkehr mit bem ÜBeibe 
3 iet)en ; unb barauf : bafj er fefjr oft, baff er fo Diel gefd)led)tlid) 
mit bem ffieibe 3 U tun gehabt haben mu|, mieoiel nur immer 
ein Dollkräftiger Sölann mit il>m 3 U tun 3 U f)aben pflegt. 

(Es ift alfo ber Dlorgen, nad) gemeinfam oerbrad)ter 9lacf)t. 
Offenbar ift er bamals nod) ein junger ÜJtann gemefen. 2Bie 
ift bie 3tad)t gemefen? 3lun: „I am satisfied — I see, dance, 
laugh, sing.“ - 3d) benke, mir Jagen „all right“. Dann mar’s 
mas fRedjtfdjaffenes. (Er ift nid)t nur „guter Dinge", fonbern er 
ift pfjgfifd) erquickt unb erleichtert, fo 3 ufagen: roie neugeboren; 
roie man es nur ift nad) kräftigem unb reftlofem gefd)led)t= 
liefen ©enufj. — 3llfo : ich benke : ber roünfdjensmertefte Bemeis 
für feine kräftige, gefunbe Jrjeterofejualität. — 

Unb nun bas roeitere. 2Bas für eine fJüHe Don Details 
unb unmi^nerftehlichcn 2 Iuffd)Iüffen gibt er uns mit ein paar 
kur 3 en, fd)Iid)ten, knappen Sähen ! - ©tan bemerke biefe Äür 3 e ! — 
3d) könnte mir Dorfteüen, baß ein Urning eine foldje S 3 ene 


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bidjiete, aus ber Ifjeorie, Dom ^örenfagen, ober felbft oon einem 
eigenen (Erlebnis i)er; inbeffen, es ift mir 3roeifeüos, bajj er 
gerabe in ben Details Joldjer ©iorgenf3enerie f e r ausfüljr* 
Iidjgemefen roäre. (Er ijätte betrieben, gefdjilbert; um ja keinen 
ßroeifel an [einer < Poten3 3U Ia[[en. (Er l)ütte fid) in allem, in 
jebem kleinen Detail geroiegt. (Er märe oon ber Sadje überhaupt 
nur mit 3 Jiüt)e losgekommen, gerabe meil es ein [eltenes unb 
ein - falbes (Erlebnis getoefen märe. 3 d) [age nochmals: bas 
ift mir pfgdjologifd) nöEig aujjer jebem 3roeifel. — 2Bf)itman 
aber gibt 3toei ©ereilen. Unb nun beadjte man, toas alles 
jie lagen unb oerraten! 

3 unäd)ft fet)It jebe Spur oon irgenbroeldjem ©eft [ejueHer 
Unausgeglichenheit, roie [ie fi<h in enblofen (root)l geilen) 
M [fernen 3um Slbfdjieb, ober Sid) « an « bie « ©ruft * preffen, ober 
exaltierten ©Sorten kenn3eid)nen mürben. — ©lann unb 2 Deib 
fjaben fid) ooHauf befriebigt. (Es brauet unb barf oieUeidjt, 
toeil es eine ©elegenheitseinigung ift, niemanb baoon roiffen, 
bafj fie bei ihm geroefen ift; alfo [tiefjlt fie fid) am ©Sorgen, 
otjne jebe geile Sentimentalität, oon feiner Seite, um fjinaus* 
jul)ufd)en. ©Sie aber E>uf d) t fie hinaus? 3 n meinem ©emüts» 
äuftanb unb in meinem pijgfifdjen ? Offenbar in bem gleidjen 
roie ber ©Sann: in bem ooHer ©efriebigung unb 2 lusgeglid)enl)eit. — 
2Bie feljr er fie befriebigt f)at — mir erfuhren es inbirekt bereits 
aus ber erften 3®i^i roir erfahren es roeiter burd) bie oer« 
betfeten Äörbe ; aus biefem 3 c ü*Kn rührenb naioer Dankbarkeit, 
l)as fie ihm 3urütfeläfet. Unb biefe 3 ct<f)en fagen uns 3ugleicf) : 
roenn ©Salt etroa nod) länger an biefem Orte oerroeilen mirb, fo 
roirb fie f i d) e r mieber 3U ihm kommen. — ©ber nod) anbere — 
®ie }d)lid)te unb keuf<he! — 3 c «hen finb ba, mie fel>r er fie 
befriebigt l)at unb mie angenehm er ihr gemefen ift. 3roei gan3 
unfd)einbare unb abfidjtslos — fo ohne jebe ©enommage! — 
[(ingefetjte ©Sorte: „the hugging and loving bed-fellow.“ — 
„‘Die umarmenbe unb liebenbe ©ettgenoffin." — ©Ifo: 
bas ©Seib l)at il)n umarmt, l)at ihn gehest; fie ift offenbar 


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ungetoölptlidj aktio unb beteiligt getoefen ; jeine ÜJtanntjeit ift if)r 
fef)r jgmpatijifd) getoefen. — 

3d) benke, bie brei fdjlidjten 33erfe lofjen toeber an T)eut= 
lid)keit, nod) aud) an mal) rer Seele, ^Romantik, Ontimität unb 
*Poejie irgenb etwas 3 U toünfd)en übrig. — 

3etjt bie anbere Stefle! — Sie finbet fid) gleichfalls in 
„Children of Adam“, unb 3 toar in bem ©ebid)t „From pent-up 
aching rivers“. 

Sie lautet: 

(Hark close and still what I now whisper to you; 

I love you, 0 you entireley possess me; 

0 that you and I escape from the rest and go utterly off, free and 
lawless, 

Two hawks in the air, two fishes swimming in the sea not more 
lawless than we;) 

The furious storm through me careering, I passionately trembling, 

The oath of the inseparableness of two together, of the woman 
that loves me and whom I love more than my life, 
the oath swearing, 

(0 I willingly stäke all for you, 

0 let me be lost if it must be sol 

0 you and 11 what is it us what the rest do or think? 

What is all eise to us? only that we enjoy each other and exhaust 
each other if it must be so;)“ 

3d) jage : 3n biejer Stelle ift alles bis auf ben Ietjten 3teft 
enthüllt, was ber 33t an n jemals im Onnerjten gegen bas SBetb 
empfunben f)at! 3d) jage: t)ier liegt bas innerfte, fteujdjefte ©e= 
heimnis bes 9Jtannes 3 utage, bas burd) keine „Itjeorte", 
,,'Pl)ilofop^ie" unb überlegte, oerftanbesmä^ige Steflejion jemals 
ausgebrüdtt toerben könnte! *Das nur bas in tim ft e (Empfinben 
aus bem kräftig ft en ©rieben Ijeraus aus 3 ubrüdten oermag! 
©s ift bas letjte unb roaljrfte 2Bort bes ÜJtannes an bas 
SBeib; jenes 2Bort, bas gerabe ber 33t ann fo überaus feiten 
ausfprid)t, unb bas gerabe infolgebeffen um fo überroältigenber 
unb rounberfamer ift. Unb fo ift bies SBort l)ier ausgefpro^en, 


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unb ift es bem ©leibe I)ier ge{agt. ®em ©leibe, bas ©lljitman 
meint : bem — ©leibe! — 

(Ein äfjnficfyer ©ebanke finbet fid), mennfcf)on nid)t mit ber 
gangen ©lagie biefer Stelle 3um ©usbruck gebraut, in ,We 
two, how long we were foold“ („Children of Adam“). Unb mit 
meiner tiefen, Ijinreifjenben, magifdjen Innigkeit unb 'Poefie ift 
bie ffiattenliebe 3um ©usbruck gebraut in jener unbefdjreiblid) 
fd)önen (Elegie oon bem Spottbroffelpärctjen in „Out of the cradle 
endlessly rocking“ („Sea- Drift“), bie 3U ben unuergänglid)ften 
'Didjtungen ber ©leltliteratur gehört. — Soldje fd)lid)te, keufdje 
unb tiefe Innigkeit ber ©mpfinbung oermag nur ein ©tann ! 

* 

©un ift es aüerbings latfadje, bafj Steßen toie bie üorf)in 
3itierten ober ermähnten , bie uns einen fo unmittelbaren 
(Einblick in bas perfönlidje ßiebesleben bes Dieters geben, 
in ben „ffirasljalmen" oerfyältnismäfjig feiten finb. — Onbeffen 
es liegt auf ber Jöanb: es mürbe ein $ef|ler fein, menn fie’s 
nid)t mären; ber Dichter mürbe bann gerabe bies 3 ntimfte, 
©ßerunmittelbarfte unb ©laljrfte ber ©tannesfeele unb ©tannes= 
empfinbung gemein madjen. — 3 d) fage: es ift gerabe ein 
3eid)en non ©ll)itmans ungeroöljnlid) gefunbem unb männlichem 
fejueflen lakt, bafj biefe Stellen fo feiten finb. 

Sooiel ^at ber ©tann mit bem ©leibe unmittelbar 3U 
tun; unb bies ift bie Ijeiligfte Einigung, ®erföl)nung ber beiben 
©leltgegenfätje ; bie fjeüigfte, befeligenbfte unb möglid)fte. — Sie 
barf in gefunben $er!)ältniffen — mas bie unferer fjod)kultur 
keinesmegs finb! — nie gemein, fie barf 3U keinem Spiel, fagen 
roir’s nur: fie foUte eigentlid) aud) nid)t 3U einem poetifdjen ober 
gar artiftifdjen Spiel merben. — 3 n aflem übrigen foUte bas 
©leib fo3ietäres 3 nbioibuum fein, füllte es nor allem ©lütter 
fein unb — ift es ©lütter. - ©lie oft nun aber unb roie unoer* 
gleid)lid) f)at es 2Bl)itman in feinen ffiebidjten als ©lütter gefeiert 
unb oerf)errlid)t ! — Sie foUte unb foU fo3ietäres 3 nbioibuum, 

3ol)annes Srfilaf, 2DaIt 2Bt)itman SomoJejuell«? 4 


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©tutter fein, tote fie es in 2 Bal)rl)eit ift : unb fie ift es bei 
2BI)itman ; toie fie es in aller raaljrfjaft großen Did)tung ber 
Bteltliteratur ift. Sie ift es bei 2Bt)itman unb nimmt als foldjes 
unb foldje einen reid)lid) fo großen Spielraum ein toie ber ©tarnt. — 
3m übrigen alfo lebt bas 2Beib in ber 2Belt bes SBeibes unb 
ber ©tann in ber 2 Belt bes ©tannes ; unb fo foH es fein ; unb ein 
aÜ 3 U großer ßonfluj ber ©efd)led)ter ift immer ein 3 «id)en non 
ungefunber Äultur. — Das 2 Beib tut SBeibestoerk, ber ©tann 
©tannesroerk. 933ie es bie Statur bereits im Bemalten ber ©e* 
fd)Ied)ter bis 3 ur ipubertät 3 um Busbruck bringt. ©et)t’s mit 
redeten Dingen 3 U, fo barf, nad) ber überrounbenen fejueüen 
Äonfliktsperiobe ber Pubertät unb nad) ber erfolgten erften 
(Einigung, ber ©tann nid)t am SBeibe unb bas 2Beib nid)t am SJianne 
kleben, unb fie bürfen beibe nid)t 3 U oiel Spielereien miteinanber 
treiben, tt>eld)e befd)ßnigenben Be 3 eidjnungen man aud) 
für folcfye Spielereien l)aben mag! Sie finb ein gefährlicher 
Cujus; fie finb ber bebenklidje Überlujus unferer „Ejodjkultur"! — 
3n allem übrigen toenbe ber ©tann fid) bem ©tanne 3U. Unb 
er füljle fid) mit it)m als eine 2Belt. Unb fei bas Banb biefer 
9Belt eine mächtige Sympathie unb Ciebe (2Bl)itman meint l)ier 
immer unb nur bie fgmpatl)etifd)e Äraft ber Baffe* 
gemeinfd)aft)! Diefe Sympathie unb Ciebe aber ift etroas roefent» 
lid) anberes als jene ©tad)t, bie ben ©tann bem 2 Beibe eint 3 um 
3toeck ber 3 cu 9 un 9- Diefes legiere ©efüijl ift eine unbefdjreib» 
lid)e, burd) keine Definition oöHig 3 U fijierenbe, ^eilige, man 
mü^te jagen metaphpfifdje Bötigung; bie Sgmpatf)ie oon ©tarnt 
3 u ©tann aber, im Sinne ber Baffegemeinfd)aft unb Baffe* 
„Brüberfdjaft", ift eine freie Sgmpatijie. Sie macht bie ©tänner 
einer Baffegemeinfd)aft, melier fo 3 ietären Btt unb Buance auch, 
immer „athletifd)", unb fie madjt bie gan 3 e Baffegemeinfdjaft 3 a 
einer atl)Ietifd)en; toie etroa bie erften Börner eine jold)e 
atl)letijd)e ©emeinfdjaft toaren. Diefe atljletifd)e ©emeinfdjaft aber 
ift bie erfte Bebingung allen Gebens, aller lebenbigen Kultur 
einer ©emeinfdjaft unb bie Bebingung ihrer Dauerhaftigkeit. 


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51 


tHuf itjr mujjj bie (Bemeinjd)aft 3unäd)ft berufen ; aisbann erft auf 
ben Verträgen. Sic barf oot allem nt d)t berufen auf bem 
gegenfettigen HJUjjtrauen eines „bellum omnium contra omnes“, 
jo [el)t — roenn’s unb jo oiel es not tut — ein f o l d) e r Staub» 
punkt aud) gegen alles, roas außerhalb ber Soäietät jelbft 
ijt, berechtigt, oemünftig unb nötig fein mag. — 

Dies unb einzig bies ijt ber Sinn non 2 BI)itmans Dichtung, 
foroeit jie jid) bas ®ert)ältuis non 3 Jlann 3U 9 Jlann etroas an» 
gehen läjjt. — Dajj bies jid) bei 2 BI)itman mit joId)er fieiben» 
fdjaft, Energie unb 3 ntimität ber Emotion 3um Busbrudt bringt — 
nur in feiner Dichtung ! im praktifdjen ßeben ijt er nad) 
aügemeinjter Überlieferung feljr gehalten geroefen! — barf uns 
nicht rounbernehmen ober gar Bebenken erregen. — Er erlebt, 
roie jeine Union 3U einem immer bemusteren nationalen ßeben 
jid) fteigert; roie bie oielen Baffebeftanbteile, aus benen jie — 
ähnlich roie Bitrom könnte man jagen — 3ufammengeftrömt ijt, 
beginnen, unter einem bejonberen 3 tDan 9 c P<h 3U politifd) unb 
jo3iaI * nationaler Einheit 3ufammen3ujd)lieSen, befonbers aber 
ÜJterkmale neuer 5 RajjeeigentümIid)keit 3U entfalten: 
unb biejes rounberjame unb begeifternbe Erlebnis foHte jid) in 
feinen Dichtungen nicht mit ßeibenjd)aft unb Entljujiasmus 3um 
Busbrudt bringen? — 3 d) benke: es kann gar nicht anbers 
möglich fein. 

Unb jomit kommen mir benn nun 3U Sirjdjfelbs unb 
Dr. Bertjens oiertem „Stigma" ber „f)omojejuaIität", kommen 
toir 3U bem „fjrreunbjchaftsenthujiasmus mit gejd)led)tlid)em 
®runbd)arakter". 

* 

Beoor id) naher batauf eingehe, noch eins : Bert) teilt mit, 
bafj 2Bf)itman gelegentlich jemanb anoertraut hat» er jei Bater 
mehrerer Äinber. 3 d) benke, abgefehen baoon, baS SBhitman ber 
roahrheitliebenbjte Btenjd) roar, roie geroijj niemals in allen 3eiten 
irgenbtoer Seinesgleichen unroahr geroefen, bürfett mir biejer feiner 

4 * 


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52 


Stitteilung jofort (Blaubcn jd)enhen, roenrt mir uns nod) einmal 
oergegenroärtigen, roas mir gelegentlich ber porigen groben aus 
„Children of Adam“ ausgeführt haben. — Der Umjtanb bebeutet 
benn immerhin aud) für Bert} einen Stein im SBege. über er roeih 
fid) 3U Reifen : es bann jid) in joldjem Jalle ja aud) um Bifejualität 
ober tarbioe fjomojejualität fjanbeln — natürlich! benn J 5 omo= 
jejualität foll unb muh es ja auf alle JäUe jein! — 3 d) benbe, 
mir haben oben gegeigt, bah 2Bt)itman unmöglich ein bifeyueller 
Urning geroejen fein bann! 

Der „ 3 rreunbjd)aftsentt)ufiasmus mit ge[d)led)tlid)em ©runb= 
d)arabter" joll fid) nad) Bert} bereits an bem fed)3el)niäi)rigen ßehrer 
2 Bi)itman gegeigt haben. (Er zitiert 3 jaac §uä platt, toeldjer 
berietet, SBhitman habe §er3 gehabt für bie ihm anoertraute 
Dorfjugenb; er fei nicht ftreng unb nicht fteif geroejen, habe fid) 
nicht ben ün[d)ein ber Überlegenheit gegeben, aber aud) nid)t 
getänbelt. üuherljalb bes Unterrid)tes habe er als Junge unter 
Jungen oerbehrt — er roar aljo bamals felbft erft 3roifd)en bem 16 . 
unb 18 . Jahr, unb eine gute üngal)! feiner Sd)üler mären ihm 
gleichaltrig ! — ; er h a ^ e an ih rcn Spielen teilgenommen; er 
habe ihnen gegenüber mtgemöhnliche Jreunblid)beit unb innige 
ünteilnahme gegeigt. 

©ut! Das h^t platt berichtet! — 2 Bie aber oermertet 
Dr. Derb biejen Bericht? (Er muh ihm herhalten, „ Jreunbjd)afts» 
enthufiasmus mit gefd)lec^tlid)em ©runbcharabter" 3U bemeifen ! — 
2Bir unjererjeits oermögen hier nichts 3U erblichen, als ben (Et) 0 * 
rabter einer jo tüchtigen roie gütigen Statur. Unb mir bebenben 
abermals, bah ber ßehrer 2Bhitman bem ÜUer nad) felbft nur 
erft nod) ein großer Junge roar. Jungen aber halten fid) 311 
Jungen; unb jo ijt es richtig, natürlich, unb jo gehört es fid). 
3 m übrigen bürfen mir nicht 3toeifeln, bah er fein ©erhalten als 
ßehrer in gleicher SBeife jo ben Jungen, mie auch ben etroa 
ihm 3um Unterricht anoertrauten Stäbchen hat guteil merben laffen. 
(Es hätte fid) übrigens roohl auch bäum, ben anberen Jungen 
gegenüber, recht gemacht, menn er, ber ßehrer, gleich oertraulid) 


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53 


mit beit 9 Bäbd)en außerhalb bes Unterrichts unb außerhalb 
ettoaiger gemeinfamer Spiele ber 3 ugenb oerkeI)rt hätte. — 

ferner: ein paar Jahre fpäter rebigiert 2 Bf)itman ein 
felbft gegrünbetes 2 Bod)enblatt. (Es ift l>ier fein größtes Ber» 
gnügen, bes Abenbs bie jungen Burfd)en bes Dorfes in ber 
Druckerei um fid) 3U fammeln unb ihnen ffiefd)id)ten 3U er3ät)len, 
ober Berfe 3U beklamieren. — Ba, man benke nur! 2 Bie oer« 
bärtig! — 

Unb roeiter : als ber 3rünfunb3toan3igjährige Bebakteur an 
ber „Dailg Aurora“ ift, geroinnt er einen fieb3ef>njäl>rigen Setjer 
lieb, Ijilft biefem beim Sehen unb f)at mit ihm kamerabfdjaftlidjen 
Umgang. — Berbäd)tig! Berbäd)tig! Jrjödjft oerbäd)tig! — 

„Unb allmählich getoann fein Ceben bann jenen abfonber» 
lidjen Charakter, ber oljne ben Ijomofefuellen ©runb3ug feines 
SBefens gar nid)t oerftänblid) fein toürbe." Das tjei^t, für 
Dr. Bert) nid)t oerftänblid) fein toürbe; unb für alle, bie t)ier 
fonft nod) auf ben Sdjnaätenfang aus finb! — 

3 d) frage: ftef)t bas exakte Spe3ialiftentum, ftef)t bie „JBiffen* 
fdjaft" toirklid) t)ier nicht felbft unb iljrerfeits an ber ffiren3e ber 
Btanie, unb f)at fie biefe ffiren3e nid)t bereits überfdjritten? 

Alfo: 2 Bl)itman taudjte in bas Bolk. (Er oerkehrt unter 
Arbeitern, Athleten, Äutfdjern, Blatrofen, Bettlern, ßanbftreid)ern, 
'Proftituierten. ßa3arette, Armetthäufer, ©efängniffe unb it)re 
Jnfaffen toerben ihm oertraut. (Ateld) eine unerfättlidje, mann» 
lid)e Benus Bulgioaga unb toie toenig Äoftoeräd)terin ! — Sogar 
ßa3arette, Armenhäufer ! bie bod) eigentlich Aufenthaltsorte finb, 
bet benen einem ber Appetit oergefjen könnte !) Seine gröfjte ßuft 
ift es, auf bem Äutfdjbodt ber Omnibuffe ben Broabtoat) Ijinatif- 
unb t)inab3ufahren ; auf ben 3 räl)rbooten 3toifd)en Betogork unb 
Brooklgn über ben CEaft Bioer 30 fetjen. - Ungeheuer ift ber ffietoinn, 
ben er als Dichter aus foldjer brülle oon (Einbrücken erntet, ffietoifj ! 
„Aber", fetjt Bert) h* n 3 u . „feine 5 (hmeid)ler (hm !) finb oötlig (!) 
im 3 rrtum, toenn fie glauben, er höbe lebiglid) in künftlerifdjer 
Abfi<ht unb 3U Stubien3toedten mit ben Omnibuskutfchern bes 


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54 


Broabroat) ic. Äamerabfd)aft gefdjloffen." — Äünftlerifdje Bb= 
fußten? Stubien3wecben ? - 2 Bf)ttman?! 0 , wie profunb fyat 
Dr. Bert} if)n oerftanben ! 

3 dj frage erftens: weshalb füllen biefe „Sd)meid)let" benn 
Jo „Döütg" im 3 rrtum fein? 3 roe itens aber: feine „Sdjmeid)ler" 
nehmen auch gar nicht an, baß er „lebiglidj in ftünftlerifdjer 
fi<ht unb 311 Stubien3toe<ften" mit all biefen ßeuten oerbefjrt habe. 
Benne mir Dr. 'Bert} einen einigen, ber fo eine Dummheit r»er= 
brodjen hatte. — Bein, fie haben bas nid)t getan, benn fie 
wiffen, baß SBtjitman einerfeits nichts weniger war, als einer 
unferer heutigen (Ejperimental * Vornan = Schreiber, bie itjre 3 m= 
prejfionen mit bem Beporterftift fammeln unb aneinanberblittern; 
unb fie wiffen anbererfeits, baß er nichts weniger war als ein 
Slrtift. Bber fie toiffen fefjr genau, baß ißn berfelbe mächtig 
fpmpathetifche Irieb 3U biefen entroeber urfprünglidjen, ober 
IeibensooHen unb mißachteten ßeuten ge3ogen hat, ber einft auch 
ben QCfjriftus 3U ben £anbwerbem, bem Bolli, ben „ 3 öHnern unb 
Sünbern" trieb ; alfo ein ungleich wertooüeres Motto, als bas 
Berftanbesmotio bes Beporters ober bes Brtiften. — Bun toirb 
mir Berß h' er natürlich, toie fd>on feine unb feinesgleidjen Brt 
ift, fofort fo fcommen: Bßa! ba haben toir ben (Entljufiaften — 
es ift für Berß nidjts oerrudjter als „(Entfjufiaft" 3U fein! — : er 
feßt SBhitman bereits bem (Efjnftus gleid) ! — Dr. Bert}: was 
ift benn ba weiter? Unb heut3utage! Unb gerabe für jemanb 
wie Sie, oor beffen unbeftedjlidj „unbeirrbarem, eja&tem Blidt" es 
bodj fdjon lange keine „(Böttlidjbeit" mehr gibt? Bielmehr: nod) 
einmal ! idj wunbere mich, & a f3 Sie ben (Ehriftus nicht auch bereits 
in einer langen, gelehrfamfeeittriefenben 'Hbljanblung als Uranier 
bebouoriert haben? SBaturn nicht? 2Bas bem einen recht ift, ift 
bem atibern billig. — 3 m übrigen hat mir Dr. Bert} tatfädjlid) ben 
Borwurf eines folgen „(Enthufiasmus" in feiner Monographie 
gemalt. £ätte er freilich genau hingefeljen, fo hätte er gefunben, 
baß ich tn meiner Bbljanblung über 2 Bh*tman biefen bem (Etjrift nur 
o er glichen habe. -- Bber bas ift es ja eben: fo genau pflegen 


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55 


toir eben ntd)t hin3ufef)en. 3a, unb machen habet hoch Bnfprud) 
auf 9 Biffenfd)aftItd)fteit ! — 3 <h frage aber jeben, her 2 BI)ttman 
nur ijalbtoegs bennt, ob id) nicht oöllige Berechtigung 3U einem 
folgen Bergleich tjatte, ob er fid) nid)t gerabe3u aufbrängt unb 
auf her flauen £anb liegt? — 

2lber roeiter. - Blan benbe: toas mu& man nicht alles 
oon biefem „beufdjen Jofeph" 2 Balt erfahren! 3 n feinem Sllter 
noch, in (Eamben, hat er in feinem fjinter3 immer bie 'Photographie 
eines frönen jungen Blamtes hängen. (Er entblöbet fid) ferner ni<ht, 
eine Borliebe für fdjöne, bräftige männlid)e fiörper 3U haben, 
freilich oerftetjt er fid) 3U her Bielfeitigbeit, auch bie Schönheit 
3arter, bnabenhafter ftörper 3U — fdjätjen ! — ferner : nid)t nur 
alle, bie ihn bennen, lieben ihn, fonbern aud) gän3lid) Jrembe 
3eigen ihm gegenüber ein fpontanes (Entgegenbommen. - Blan 
benbe! Blan benbe! — — Bertj meint, oon feinen Anhängern 
toerbe bas auf einen „übernatürlichen Blagnetismus" 3urüdt» 
geführt. §err Dr. Bert) ! oon roem ? 3 d) benne beinen. Denn 
alle feine Anhänger finb burch bie Schule her ejabten Batur» 
roiffenfd)aften gegangen. B 3 enn fie unb fotoeit fie tatfädjlid) oon 
einem folgen Blagnetismus fpredjen, fo ift biefer Begriff bei 
ihnen Iebiglid) ein, unb in her lat feljr guter, oergleidjstoeifer 
unb fgmboli[d)er Busbrudt für eine tatfädjlid} erftaunlid)e unb 
ungeroöljnlidje Bn3ietjungbraft ; für ben (Tharme, ben bis jetjt 
noch jeher grojje, gute unb eble Blenfd) auf alle ausgeübt hat, 
bie mit ihm in Berührung bamen. — Dr. Bert) fupponiert aber 
ben „Anhängern" Bletaphgfib, unb nun bann er in ©ottesnamen 
biefen „Blagnetismus" als bummes 3 *ug hinftellen. — 

Batürlid) hat er tyex aud) roieber eine Autorität. Unb 
toen? Jenen famofen Dr. Brinton. Der fagt: „Sotoeit meine 
(Erfahrung geht, hatte er ( 2 Bl)itman) nichts befonbers Bn3ieljenbe5 
in feinem 2 Befen unb Berhalten. ©r roar Jcf)lid)t, einfad), na» 
türlich-" (Du liebe 3 e tt : toas genügt, Jrjerr Dr. Bertj! roas in 
unferen oermicberten fjod)bultur lauf ten oöllig genügt! — Um 
jemanb irjomoferualitat nad)3Utoeifen, nicht tDaf)r?) 


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56 


©un ift es mieber mal fyodjpläfterlid), Dr. ©ertjens Cogife 
3U beobachten. Das meint Dr. ©rinton, unb alfo! Sogleid} 
haben mir ein ,,©lfo" ! — „Tier magnetifche ©apport" (aber kein 
©tenfch f)at meines © 3 if{ens oon „magneti^em ©apport" ge» 
fprodjen) „3toijd)en ihm unb anberen Snbioibuen roirb aljo (!) 
toof)X baoon abhängig geroefen {ein, baf} bie|e bur<h ihre ©er» 
anlagung geeignete (!) ©tebien mären." Das h e *6* unb u>iH 
befagen: ,,©lit anberen ©Sorten: es i{t toahrj(heinii(h, bah es mehr 
ober minber ©leichfühlenbe, bas hei&t bis 3U einem geroi{{en ffirabe 
urnijd) oeranlagte !perjönlid)keiten mären, melche jolchen ©tagnetis* 
mus empfanben.“ - ©erabe3u ungeheuerlich ! — ©lan braucht 
nur 3U bebenben, mie fie gerabe3U 3U j^unberten in ©amben, nach 
{einem lobe, in {ein §aus brängten, um {eine ßeidje noch einmal 
3u {eben unb ihr ©h r furd)t unb Sympathie 3U beroei{en. — Unb 
fie alle roaren foldjc - ,©tebien‘?! . . . 

©lan {ehe nur mal, mie Dr. ©erb »bie Sache macht" ! — 
(Er operiert mit einem ©egriffe ©tagnetismus, ben er in {einer 
©Seife füllt unb fo gefüllt anberen ßeuten in bie Schuhe {«hiebt, 
um fie mit ihm ab3utun; er Hebt feine famofe ßogib an eine 
© n f i d) t eines Dr. ©rinton, meldjer ©nficht einer{eits alles roiber» 
fpricht, mas j e b e r , ber je mit © 3 I)itman in Berührung bam, über 
©Shitman berichtet unb beftätigt hat ; unb bie in ihrem 3toeiten 
Teil urbomifcher © 3 ei{e gar {olchen Berieten noch rei ht gibt!! 

©ber nein, §err Dr. ©erb ! ©Senn Sie benn nun mal 
logifch fein roollen, {0 müffen Sie fd)on fagen: alle maren mehr 
ober meniger urnifch oeranlagt, bie je mit ©Shitman in perfönliche 
Berührung gebommen finb, benn es hat b ein er {ich bem ©in» 
brucb {einer ( perfönli<hbeit ent3iehen bönnen. Damit aber, benb’ 
ich, ift bie gan3e Unfinnigbeit 3 h res Stanbpunbtes am Tage. — 


* 


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57 


Dr. Bert) fud)t jet)t bie „urnijdje ßetrinen^cit" 28 l)itmans 
nod) näf)er bar3utun. 

©s fyanbelt fid) hierbei oormiegenb um ben (Egclus „Calamus“, 
auf ben l)in ÜBalt 2Bf)itman fd)on früher unb uon anbcren 
Jjjomofejualität 3ugejd)rieben tnurbe. (Er jelbft, als er f)ter ge» 
legentlid) interpelliert rourbe, f)at ausgefagt: „Dafj ber (Hbjcfjnitt 
, Calamus 4 jemals bie (Dtöglidjkeit einer folgen fionftruktion, roie 
bie ermähnte, 3ugelaffen t)at, ift furdi)tbar. 3 <f) tjoffe, man roirb 
bie Seiten jelbft niemals in Berbinbung mit einer folgen miH» 
hürlid) angenommenen unb uon mir feinergeit nid)t im minbeften 
oermuteten unb geroünjd)ten 5 Höglid)beit krankhafter Begießungen 
nennen, roeldje id) abtoeije unb für oerbammensroert halte." 
(Be tfc: Seite 179 / 180 .) 

fjier geht Bert} fogar jo roeit, bafj er 2 BI)itman fopt)iftijd)e 
Bertujdjungsmanöoer 3ufd)an3t ; toenn er jd)on es nicht toagt, ißn 
birekt einen fiügner 3U nennen! — Unb ber, ber oberflächlich 
ober friool urteilt, könnte freilid) oieIIeid)t auch totrklid) an 
2 Bl)itman irre toerben. Denn 2 Bl)itman l>at ein paar ffiebid)te, 
bie ber „Calamus“ in ber erften (Huflage ber „©rasljalme" tjatte, 
fpater fortgelaffen. Sie mürben natürlich fogleid) mit Bert) meinen: 
aus bem bemujjten ffirunbe. - Dnbeffen ift es unmöglich, bas an» 
3unel)men. (Es Ijanbelt fid) aud) l)ier mieber nur um ein „(Reim’ 
Md), ober ich frefj bid)!" bei Bert). — dBljitman muf) irgenb* 
toeld)e gan3 anbere ©rünbe gehabt haben, biefe ffiebid)te aus ben 
fpäteren (Huflagen ber „ffirashalme" fort3ulaffen. Denn für ben, 
ber fjomojejualität aus feinen ©ebicßten, insbefonbere aus bem 
„Calamus“ Ijerauslefen roiH, märe ja bod) eine fdjroere Jütte 
reichlich fo belaftenber (Hnßaltspunkte, als fie bie in (Rebe fteßen» 
ben fortgelaffenen ffiebidjte 3U bieten feinen, 3urückgebtieben. 
2Bas in aller (Hielt könnte es it)m genügt haben, biefe 3toei, brei 
©ebidjte roeg3ulaffen; bie nod) ba3u, roenn mir genauer 3ufel)en, 
burcßaus keine graoierenberen 3nbi3ien barbieten, als bie 3urüdt= 
gebliebenen ©ebidjte. 

2 Bir kennen biefe ©ebid)te. Bert) 3itiert fie natürlid). 


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58 


Unb fie füllen auf bas beutlidjfte JBfjihnans „urnifdE)e 3 err Uf en = 
beit" betoeifen. 

Das erfte, bas ftd) alfo nur in bcr Ausgabe t>on 1860 
ftnbet, ift bies : 

„Gang anbauernbc Stunben, traurig unb f ebeneren fjer 3 ens, 

Stunben ber Dämmerung, roenn id) an einen einfamen unb unbe= 
tretenen fjledt mid) 3 urüd? 3 ief)e, mid) nieberfe^e unb mein 
ffiefidjt in bie §änbe lehne; 

Sd)laftofe Stunben, tief in ber 9tad)t, roenn id) fünausgefje, ^aftig 
auf ber ßanbftrajje babineile, ober burd) bie Strafen ber 
Stabt, ober Weilen unb Weilen toanbere mit erftiättem 
Alagelaut, 

Wutlofe, finnoerroirrte Stunben, — um ben (Einen, oljne ben id) mid) 
nid)t 3 ufrieben geben bann, feit id) fab, bafj er fid) ohne 
mid) 3 ufrieben gab; 

Stunben, roenn id) nergeffen bin, (o, Wochen unb Wonate geben 
babin, aber id) glaube, id) roerbe niemals oergeffen !) 

Duftere unb leibooüe Stunben ! (3d) fd)äme mid) — aber es ift 
nutjlos — td) bin, roas i<b bin;) 

Stunben meiner Dein — ob roobl anbre Wänner jemals bas gleiche 
leiben, als fjolge gleicher (Empfinbungen ? 

©ibt es auch nur einen anberen gleid) mir — finnoerroirrt — bent 
fein fyreunb, fein ©eliebter, oerloren ift? 

Oft aud) er fo roie id) jet)t bin? (Erbebt er fid) nod) am Worgen 
niebergefdjlagen, im ©ebanhen, roer ibm oerloren ift? Unb 
bei 5Rad)t, roenn er erroadjt, benht er, roer oerloren ift? 

§egt aud) er feine ftreunbfdjaft ftiH unb enblos ? §egt er feine Qual 
unb feine ßeibenfdjaft? 

Dringt irgenbeine gufällige Erinnerung ober bie gelegentliche Sufjerung 
eines Uiamcns ben 2lnfaH roieber über ihn, fcbroeigfam 
unb niebergebrüdit? 

Siebt er fein Spiegelbilb in mir? 3n biefen Stunben, fiebt er in 
ihnen bas Slnttit) feiner Stunben roibergefpiegelt?" 

3etjt feb td) Dr. Derb, tote er fid) aufrid)tet! 3etjt 

triumphiert er! — (Es ift aber aud) ein Irumpf! — Da liegt 
er! Der j^aupttrumpf ! — 


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59 


2lber, benken Sie, Dr. Bert}: id) bin aber aud) nictjt im 
minbeften oerlegen. 

Slfo, biefes ffiebtdjt, urnifd) ? ! — SBirklid)?! Urnifd)?! 
Unb es gäbe aber aud) gar keine (Erklärung? 

O bod), Dr. Bert)! (Es gibt eine! Unb ljier ift fie. 

fjaben Sie fid) fd)on mal (Bebanken barüber gemad)t, toie 
rootjl bem (Eljriftus 3 U Blut getoefen ift? 3d) mu& itm, felbft auf 
bie ©efaijr bes „(Entljufiasmus" t)in, toiebet mal 3 itieren. Satürüd), 
nein! 2Bie kann man fid) mit folrf) einer Belanglofigkeit auf« 
tjalten. Sun, trotjbem galten mir uns babei auf. — (Einfam ift 
if)m 3 U Blut getoefen; furchtbar einfam. — S3ie muf) iljm aCein 
bas tief beprimierenb getoefen fein, bafj er felbft 3 U feinen näd)= 
ften Jüngern nid)t anbers als „in Silbern unb ffileidjniffen" 
reben burfte! 2Bie mu| üjm bei ben närrifdjen fragen 3 U Blut 
getoefen fein, bie fie, toie mir toiffen, fo oft an if)n richteten ! — 
Unb toie ift if)m 3 U Blut getoefen in ffietfyfemane, als er fid) an 
bie brei toanbte in ber Qual feiner lebten, größten unb tiefften, 
feiner furdjtbarften (Einfamkeit, unb er fanb fie geruhig fd)Iafenb 
unter bem Ölbaum liegen? 

Sun, id) behaupte, genau fo einfam mufj aud) 2Bl)itman, 
unb, ad) ©ott! toie oft 3 U Blut getoefen fein! 

Oft benn gar nidjt oorfteUbar, toie fefjr bas auf ber flauen 
Jrjanb liegt? Unb miiffen Sie, fjerr Dr. Bert}, toirklid) burdjaus 
mit 3t)rem toiebertoärtigen „urnifd)" kommen? 

ffietoif) : er oerkefjrte mit bem Bolke. ©r nerkeijrte mit 
it)m toie mit feinesgleidjen ; inbeffen, nid)t als feinesgleidjen. - 
Unb meinen Sie nidjt, bafj er biefen klaffenben Sbftanb nid)t 
t)unbert= unb taufenbmal auf bas quaboUfte empfunben tjat? — 
(Erftens : fein großer patriotifdjer ©ebanke ; feine grofoe Bifion 
einer oöHigen Vita nuova, bie im Begriff ftel)t, ßulturprämiffen, 
benen bie (Efjrtoürbigkeit oon 3af)rtaufenben unb 'Hberjaljr« 
taufenben anfjaftet, für immer 3 U erlebigen; biefe Bifion, bie 
feine l)olje Begnabigung roar, mujjte fie nidjt ebenfofetjr feine 
'Uein unb feine Qual fein ? Steinen Sie, biefe guten ßeute hätten 


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60 


it)n ba alle jo glatt oerjtanben? Sie mögen im allgemeinen jo 
iljre BSitterung gehabt tjaben, aber im ©runbe I)aben fie ii)n jo 
toenig oerjtanben, roie bie Jünger ben (Eljrift. — Unb jein anbrer, 
jein „gebilbetcr Berbefp:"? O jic^er tjat if>n ber oft genug 
n o d) toeniger oerjtanben ! — ^ebenfalls : id) ftaune über 
bies oft gerabeäu oberfläd)Iid)e unb banaujifd)e Berftänbnis 
jelbjt {einer intimjten Jfreunbe, ber O'CTonnor unb Burrougf>s 
jelbjt. - Dies gunädijt. ßroeitens bann aber gar ber rein per» 
jönlid)e Berhefyr oon Dlenfd) 3U ÜJienjd) ! - 2 Bie oft toirb er jid) 
nad) einer gan3en unb ooHen Busjptadje gejetjnt Ijaben, aud) jo 
in gan3 rein menfd)lid)en unb alltäglichen Dingen, unb toie über» 
aus jelten toirb ifjm bas oöllig unb gan3 möglich getoejen jein ! - 
Unb toenn er nun toirftlid) gelegentlich einen bejonberen unb 
fet>r naf)en Jreunb gefunben I)at — ein toie jeltener Jfunb mag 
es getoejen jein! — t)at it)n lange Trennung oon if)m nicht auf 
bas tieffte {«hmetgen müjjen ; unb nun gar, toenn es eine Trennung 
für immer toar? 2Benn jid) einer oon üjm abgetoanbt, bem er 
oolles Berftänbnis feiner iperfon 3ugetraut unb ber biejes Der» 
ftänbnis jdjliejjlid) bod) nid)t gehabt hat? 

Oft es nid)t gerabe3u ber Jrlud) foldjer Dlänner, bajj fie 
nie in ber jyreunbfdjaft ein bauernbes CBIüdt 3U finben oermögen ; 
einfach, weil kein Jreunb oorf>anben ift, ber ihrer Seele getoad)fen 
toäre? Unb ift es nid)t oft jo getoejen, bajj, toenn jid) je ein 
joldjer Jreunb fanb, biejer jid) nad)l)er gerabe3U in ihren fSfeinb 
oenoanbelte ? 

ffilauben Sie nur : genau jo müjjen toir auch 2 BaIt 2 Bi)itman 
nehmen! Unb burd)aus nicht anbers! - 

Bljo, kein 2Bort mehr oon biejem ffiebid)t! 


* 


Das anbere biejer oon 2ßf)itman fpäter fortgelaffenen ffie» 
bi<hte, benk’ ich, bürfen toir übergeben ; um jo mehr, als es ungleich 
toeniger „oon Belang" ift. — 

3 m übrigen : nun, toas gibt’s alfo eigentlich ? 2 Bie ftel)t es 


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61 


mit biefem Berkehr 2ß^itmans ? — 2 Bt)itman fprid)t in feinen 
©ebidjten non Berührungen. (Er fitjt etroa mit bem fjreunb 
JF)anb in Jrjanb — unb bies geht ihm über aßen Ir oft unb aßes 
ffilücksgut ber 2Belt. O, toem nid>t , ber ein lebenbiger Blenfd) unb 
kein uermickertes, neunmalgef(heites ßulturmännlein ift, bas fi<h 
auf feinen Struggle - for - Life - ‘Peffimismus ober toas roeih ich fonft? 
roer roeifj toas einbilbet ! - Ober 2 Bl)itman berietet, toie er mit 
bem 3 freunbe Arm in Arm, ober Arm über S<hulter geht ; ober roie 
fie etroa au<h 2Bißkommen« ober Abfchiebskuh taufdjen. ( 2 Birb 
toeber ßneif» noch Saug» noch Beifj'ßuh geroefen fein!) Ober - 
shocking! very shocking! — tnie er mit einem fffreunbe auch 
gelegentlich mal bas nädjtlidje ßager geteilt h at - — ©arurn 
nicht? 3ubem, auf bem ßanbe, im 2Balb, in ber ^rärie finb 
bie Betten knapp, unb man muh fürlieb nehmen. - ÜBenn 
es ihm aber bei foldjer ©elegenheit ein angenehmes ©efüt)I 
geroefen ift, mit einer brauen Jrjaut äufammen 3U liegen ; ober 
roenn er fid), roirb er gerabe mal roa<h, unb ber länblidje Boß» 
monb non Dakota fcheint burd) bie jjenfterluke auf ben ßager» 
genoffen, an beffen prächtigem Äörper freut - in jenen JBalb» 
ftrichen gibt’s fidjer einen fchönen Blenfchenfchlag — : Dabei 
finben Sie etroas? Och finbc babei gar nichts, fonbern fage : 
Honny soit qui mal y pense! — 

Bun, bas aber ift auch gerabe3u aßes ! Unb roeiter ift 
gar nichts geroefen unb hat es roahrlid) nichts gegeben. 

Sexualität foß bem 3ugrunbe gelegen haben. 3 a, aber ich 
bitte Sie, roas aßem liegt nicht „Sexualität" 3ugrunbe! 'Uber 
gerabe3U aßem! — Alfo treiben Sie unb 3 Biffenfd)aftIer Ohres» 
gleichen einfad) mit einer Irioialität hier Alljitman gegenüber - 
roir rooßen bahin gefteßt fein laffen, mit roas aßem noch ! - 
lebiglich Unfug. Och be3roeifle natürlich nicht, bah Sie es tun, 
ohne Jich beffen beroufjt 3U fein ; ober bah fie in guter unb nüt)» 
lieber Abfid)t hanbeln. — Aber i<h meine, es roürbe hoch roohl 
3 eit, bah nnfer exakt » roiffenfdjaftiiches Spe3ialiftentum fid), in 
Anbetracht geroiffer ffäfle mal an bie Stirn fahte! — 

So! — Unb nun roiß ich als Äuriofum unb Aachfpiel nur 


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62 


nod) einen Weinen 3uf 3um beften geben; ber tooijl gar aud) 
ein bejonberer Ürumpf oon Dr. ©ert) fein foH? 

©fo : Dr. ©ert) 3itiert folgenbe üagebud) « Stelle non 2 Bt)it= 
man. (Es fjanbelt fid) um (Erinnerungen an ben ©urd)3ug fub* 
ftaatlid)er ©cferteure. 

,, 3 d) ftanb gan3 naf)e babei, unb mehrere red)t tjübfdje 
junge ßeute (aber ad), oon toeldjem (Elenb er3äf)Ite iijre (Erfdjeinung !) 
nieten mir 3U ober fpradjen ein flüd)tiges ©ort 3U mir; ot)ne 
3 toeifeI Iafen fie ÜJtttleib unb ©äterlidjbeit (©unberbar !) in 
meinem ©efid)t, benn mein fjer3 roar ooE genug baoon. (©unber« 
bar!) — — (Ein Burfcfje aus ©eft = ©enneffee — grofje, klare, 
bunbelbraune Bugen, feljr fd)ön - tourte nidjt, roofür er mid) 
nehmen foHte — oertraute mir enblid), bajj er grofjes ©erlangen 
l)ätte, fid) reine HnterWeiber unb ein paar anftänbige Jrjofen 3U 
oerfdjaffen. ©ünfd)te eine ©elegenfjeit, fid) orbenttid) 3U roafdjen 
unb bas Unter3eug unt3U3iet)en. 3 d) Ijatte bas fefjr grofje ©er= 
gnügen, il)m bei ber ©ertoirMidjung biefer anerbennensroerten 
Bbfid)ten beijilflid) 3U fein." 

Bt)a ! — ©a Ijaben roir’s ! 

©un, id) bann mir nidjt Reifen, id) t)abe gelabt, als 
id) biefe 3 ®ilen las. — Unb fo toirb toof)! aud) ber fröljlidje 
©alt bei ber ©elegenljeit felbft gelad)t fjaben. — 3 m übrigen: 
©er junge ©ann l)ätte fid) aEein umbleiben bönnen? ©ein, bas 
bonnte ber marfdjmarobe arme leufel n i d) t ; ba3u Ijatte er 3U 
fteife unb mübe ©liebmajjen. ©fo t)atte er J^ilfe babei oonnöten ! 
unb ©alt leiftete fie if)tn; roie er pd)ftroal)rfd)einlid) in jener 
©afljingtoner 3 eit nod) gan3 anbere ijilfsleiftungen getan l)at. - 
©ber freüid), Dr. Bert) l)at an oerfdjiebenen SteEen nid)t übel 
Bbfidjt, ben Umftanb, bajj ©t)itman bamals kranbenpfleger roar, 
urnifd)en ©elüften 3U3ufd)reiben. — ©ie mürben if)m t»ol)l griinblid) 
Dergangen fein ; ifjm, ber, roie oft ! mit bem (Eimer gefjen mujjte, 
in melden ber ©3t bie aboperierten branbigen ffiliebmajjen 
l)ineintoarf ! — 

Um ^immelsroiEen, t)ören mir auf! - 


* 


Ijle 


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63 


Unb rejümieren mir. 

2Bir haben 1. ben fomatijchen, 2. ben pjpd)ijd)en Bterb* 
jeidjen einer Jfjomojejualität bei 2Bf)itman ben ßaufpajj geben 
müjjen ; 3. haben mir gefetjen, ba{f oon einer Abneigung gegen 
bas 2Beib nicht bie Bebe jein bann, fonbern bajj es jid) bei 
2Bl)itman f)ier gerabe um einen gejunben männlichen labt t)anbelt, 
unb 4., bajj auch &as oierte Stigma nad) 3 umeijen nur möglid) ijt, 
wenn mir gemalt jam ben |eelif«±) = geistigen Begriff einer tieferen 
unb ftarben Bajfe*St)mpatl)ie mit bem phqjiologijdien ber 
Sejualität üertaujdjen moHen, roas burchaus ni<ht äuläjjig 
unb mas 3 ubem birebt unroifjenjchaftlich ijt. — 

2Bir haben bas ©e 3 mungene unb 3 umeijt jelbjteingejtanbener* 
maj^en Unfid)ere oon Bert}’ BeroeiS'ÜRaterial erbannt, ber jelbft, 
oon bem tatfäd)lid)en Sachuerhalt ge 3 roungen, auf bie Schmierig* 
beit hingemiejen hat, 28l)itman mit Sicherheit in eine Spe 3 ies 
ber etma in (frage bommenben fejueHen Anomalien ein 3 ureil)cn. 

Äur 3 , Bertj h at nicht bemeijen bönnen, bah 2Bl)itman 
irgenbeine 2lrt urnijd)er Anomalie eigen gemejen ijt! - 


28 ei mar, 2Binter 1905. 


3oI)annes Schlaf. 


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Dacbtrag* 


3 u guter 3 e it kommt mir no<h ein treffliches unb roert» 
oolles Bud) auf beit Sdjretbtifd). (Es ift „A Life of Walt Whitman. 
By Henry Bryan Binns. With thirty - three illustrations. 
Methuen & Co. 36 Essex - Street. W.C. London.“ (370 Seiten.) 
(Es ift aujjer mit einem Borroort unb einer „SBtjitmans Amerika" 
betitelten (Einleitung oerjehen mit 3 toei Anhängen, einem aus» 
füf)rlid)en Onbej unb mit 3 af)lreid)en Boten unter bem lejt, bie 
auf ein |ef)r fleißig benutjtes unb D 0 r 3 üglid)es Quellen » Btaterial 
tjinroeifen. — Binns, mütterlid)erjeits non amerikanifdjer Herkunft, 
hat lange in Amerika geroeilt unb h at nicf)t nur ffif)itmans 
©eburtsftatte bei QBeft fjiUs auf ßong üslanb gefefjen, fonbern 
fid) au<h auf bas eingehenbfte unb forgfältigfte um alles nur 
irgenboorfjanbene QueHen»3Jlaterial bekümmert, bas er mit großem 
Berftanb 3 U fichten unb 3 U oerroerten toujjte. (Er hat ferner au<h 
alle aufgefucht, bie mit 2BaIt 2Bl)itman in perfönlidjem Berkehr 
geftanben haben. — 

Bas ift norberhanb alles, toas i<h über biefes 2Berk 3 U 
fagen roeif). 3<h benke, es ift bereits geeignet, ein günftiges Bor» 
urteil 3 U tnecken. — 3nteref|ant roar mir au<h, bafj Binns Budte 
unb feiner 2Bl)itman = Biographie einen befonberen SBert bei 3 U» 
mefjen fdjeint. 21u<h mir f(heint Budte, ber aud) perfönlicf) ben 
beften unb 3 uoerIä|figften (Einbrudt mad)t, ber befte ©etnährs» 


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65 


mann über 2Bf)itman 3U {ein; unb es ift mir oöüig unerfinblid), 
toie I)r. Sertj gerabe biefen ©etoäljrsmaun 3U Dertoerfen oermag. 

Mir fyaben im übrigen gelegen, bafj Dr. 'Berkens irjaupt* 
trumpf, unb bod) tooljl überhaupt fein ein3iger ernftlidjer Trumpf, 
Mljitmans Serfyaltnis 3U 'Peter Dogle mar. 

3 d) glaube nun 3toar, it)m biefen Trumpf nichtig gemacht 
3u f)aben ; bennod) fjabe id) bebauert, bajj mir felbft einget)enberes 
'Detail über ©ot)le unb jeine Se3iel)ung 3U Ml)itman nid)t 3U 
ffiebote ftanb. (Es ergibt fid) nadjträglid) freilid), bafj überhaupt 
nur rec^t roenig t»on jo!d)em 'Detail oorfjanben ift. — (Es nerfteljt 
jid), bafj id) mid) fogleid) in Sinns’ Siograpljie nad) biefer 
Sidjtung l)in orientierte. Sinns l)at feinem Merk eine fefyr faubere 
ßapitel» (Einteilung mit Überfdjriften gegeben, bie einem ermöglidjt, 
alles leid)t an feinem Ort 3U finben. — 3 d) l)abe alfo jofort 
nad)gefd)Iagen. Unb id) fjabe mid) gefreut, bas, toas id) bereits 
im Seriauf biefer Slbljanblung über (Dogle unb Mljitman aus» 
geführt l)abe, im roefentlidjen nur beftätigt 3U finben; ja, 3ubem 
meine Sluffaffung burd) biefe unb jene mistige Mitteilung nod) 
meljr geftütjt unb gekräftigt 3U fel)en. 

3 mei fiapitel toaren für mid) non befonberer Mid)tigkeit: 
bas 3el)nte, „The Testament of a Comrade“, unb bas 
oier3el)nte, „Friends and Farne“ betitelt. 

3 m erfteren Äapitel finbet fidj gelegentlid) bes (Egklus 
„Calamns“ ber münfdjenstoertefte Mtsroeis bafür, toas Mfjitman 
unter Äamerabfd)aft, unter ber „treuen ßiebe ber Äameraben" 
nerftanben f)at. 3 n einigen ber mufterljaft knappen unb klaren 
Sluseinanberfefeungen über biefen Punkt ftütjt fid) Sinns auf ein 
„The World and the Individual“ betiteltes Merk oon Profeffor 
iRogce. Sinns jagt: „It is to comradeship and not to institutions 
that Whitman looks for a political redemption. He will bind 
Amerika indissolubly together into the fellowship of his friends. 
Their friendship shall be called after him, and in his name 
they shall solve all the Problems of Freedom, and bring America 
to victory. Lovers are the strength of Liberty, comrades 

tJo^annes Sdjlaf, Tßatt 10f)itman gomofejuetler? 5 


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perpetuate Equality ; America will be established above disaster 
by the love of her poet’s lovera.“ 

Unb über 2Bt)itmans „Stgftiäismus" fcijreibt Sinns im 
2Infd)luf) an bas 2üerfc bes ermähnten 'Profeffor Soqce : 

„I trust it has already been sufficiently suggeated that 
Whitman’s mysticism is not to be confuged with much that 
hitherto hag pagsed ander that name. Mygticigm it is, for it ig 
the expression of mygtical experience; but it ia clearly not the 
my8ticigm which ia completed in a circle of devotion, religious 
exercieeg, meditation and ec8tagy. It ig the mygticigm which 
recreateg the world in a new image“ . . . „Your whole world 
. . . ia your whole Seif — Whitman would perhapa have said, 
it ie the mirror which reveala youraelf. The Infinite Universe, 
whereof yourg ia but a part, ig the Seif of God. We live, but 
are not lo8t in Him, for we are aa it were Hig membera. There 
are two aspects of the human gelf: the temperal, in which it 
appeare aa a mere momentary consciousness, and the eternal, 
wliich revealg it aa an indestructible purpoae, the essence of 
reality. For reality . . . i8 the viaible expression of purpose or 
meaning.“ 

Unb ferner jagt Sinns über „Äamerabfdjaft" : „Sex became 
for him (Whitman) in ita eaaence, the potency of that Life 
wherein we are One. And comradahip a paaaion aa intenee aa 
that of aex, he beheld ag the aame relation between gpiritual 
or aetherial bodies. He waa aware that the nobleat of pa88iona 
i8 the mögt liable to ba8e misunderstandings. But in it alone 
the aoul finde full freedom. Sex pa8gion finde ita proper expreaaion 
in physical ritea, it ig the paaaion of the life in Time; on the 
contrary, the paaaion of comradee ia of eternity and only finds 
expre88ion in Death. This appeare to have been Whitman’s 
conviction.“ 

fjier ift 2BI)itmans Hluffaffung non ber „treuen ßiebe 
ber Äameraben" in nöUige Älarljeit gerücht. Sinns beftätigt 
burd)aus, toas id) bereits früher barüber ausgefütjrt. (Er trennt 


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67 


bie Äamerabfd)aftsliebe com ©efd)led)t unb rückt fie, tote id) cs 
getan, in bic Sphäre ber Sympathie. — 3d) benke, mit können 
foldfe Sympathie unb Äamerabfdjaftsliebe aud) begegnen als ein 
mi)ftifct)es, felfr ftarkes ffiefüht non ©affe ; nid)t non Nationalität, 
fonbern oon ©affe! Unb gerabe barin lebt es toie ein erftes 
mächtiges Seroujftfein baoon, baff bie (Entroickelung Amerikas 
auf bie Silbung unb Äongentration einer neuen ©affe hinaus 
toiH. ©eshalb äußert fid) biefe ©mpfinbung bei 
2 Bt)itman aud) fo überaus ftark; ift fie keine bloffe, 
fd)ltegli(^ immerhin tnertlofe gebanklidje ©bftraktion, fonbem eine 
mächtige ©efamtäufferung feiner Seele; besljalb geht fie fo tief 
unb ftark in bas ©etjeimnis ber 'ptjgfiologie tjinein. ©enn 
au ff erorbentlich tu i cf) t i g unb in erfter ßinie toidjtig 
muff gerabe bei einer ©affenkriftalüfation bas 
pt)i)fioIogifd)e ©toment fein. — 

Dies alfo unb nichts anberes ift bie Äamerabfdjaftsliebe 
oon QBalt 2Bl)itman. 

* 

©on befonberer 2 Bid)tigkeit muffte mir bann aber noch bas 
anbere, „Friends and Farne“ betitelte Äapitel fein. 

f)ier roar es mir 3 unad)ft oon 3ntereffe, 3 U erfahren, baff, 
gegen ©erij, 2Bl)itman gar tool)l mit ©amen ber befferen ©efell* 
fd>aft in näherem ©erkehr geftanben h at - Merbings nur mit 
Joldjen — toas meine früher ausgefprod)enen ©ermutungen be= 
ftätigt — , bie burd) geiftige unb menfd)lid) * perfönli<he ©igen» 
fchaften unb Fähigkeiten über ben ©urchfehnittstpp bes ameri= 
kanifdjen SBeibes ber „guten ©efellfdjaft" emporragten. — 

3m übrigen helfet es Seite 225/226 oon Sinns ©iograpfeie 
über JBhitmans ©erhältnis 3 um QBeibe folgenbermafeen : 

„Whitman has been roundly abused by Mr. Swinburne and 
others, because, as they say, he lacks the romantic attitude 
towards woman. Mr. Meredith has shown in his own inimitable 
way the fiends that mask themselves too often under this 

5 * 


1 


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68 


romantic mine; and one is not always sure whether Whitman’s 
honesty is not in itsself a little distasteful to some of his 
critics. — It is true tliat he has addressed woman as the mother 
or the equal mate of man, rather than as the maid unwed, as 
though his thought of sex transcended the limits usually assigned 
of it. I am persuaded that the explanation of this is to he 
foimd in the fact that Whitman’s mystic consciousness had broken 
many of the barriers which have constricted the passion of sex 
too narrowly during past centn ries“ . . . „The sonl of the 
lover — as all the poets have been telling us since Dantes 
day — discovers its true seif in the beloved person: but the 
soul of Whitman discovered its seif as surely and as passionately 
in the Beloved World. The expression is so novel that it 
sounds well — nigh absurd the ears that do not „hear“. But 
for those who can hear, Whitman’s voice is all surcharged with 
the Lover’s passion; not less intense but larger in its sanity 
than the voices of other poets. — Again we may justly urge 
that, in general, it was Woman as Madonna, rather than as 
Venus, whom he contemplated. Or shall we say he saw the 
Madonna in Venus, as Boticelli did?“ unb fo tnetter. 

ÜJlan nergleidje mit btefer Stelle, tnas td) gelegentlich in 
biejer 'Hbljanblung über 2Bf)itman5 ßiebesleben ausführte. 

3ln einer anbem Stelle, Seite 233/234 helfet es bann nod) 
folgenbermafjen : 

„It is, then, not a little tragie that he (Whitman) had no 
home to call his own. In a sense he was a solitary man; in 
the midst of his all - embracing love and his self-revealing 
poems, Walt Whitman lived his life apart and kept many secrets. 
In spirit he was a solitary as Thoreau, nay, even more than he, 
for, though liis fellowship was with the life Universal, his 
consciousness of it seemed unique. — His seif - reliant, masculine 
nature was attractive to women, with whom he had, as one of 
his friends phrased it, „a good way“. With them and with 
children he was natural and happy. — Vague and anonymous 


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69 


figures of women move from time at time across his story. 
ln 1863 it is with „a lady“ that he first remarks the President’s 
sadness. In 1868 he has great talks and jolly times with the 
girls he meet on a trip in New England, and he writes of his 
„particular women friends in New York“. In 1869 he declares 
laughingly, he is qnite a lady’s man again as in the old days. — 
Women trusted him instinctiv ely, and he repayed 
their trnst by a remarkable silence as to his 
relations with them. He understood the liearts of women, 
for there was in him much of the maternal“ etc. 

Blan nergleidje aud) 3 U biefer Stelle bereits früher non 
mir 31usgefüt)rtes. 

3d) möd)te nod) eine Stelle aus einem Brief zitieren, ben 
SBfjitman am 19. Sluguft 1890 an 3 . 91bbington Sgmonbs ge* 
fdjrieben t)at. — Sie Ijeijjt: „My life, young manhood, mid-age, 
times South“ etc., „have been jolly bodily, and doubtless open to 
criticism. Tho’ unmarried I have had six children — two are 
dead — one living, Southern grande hild, fine boy, writes to 
me occasionally — circumstances (connected with their fortune 
and benefit) have separated me from intimate relations.“ Bon 
biefem Solpte bekam er in ber 3 e ^ ^ ur 3 oor feinem lobe 
1892 Befud). 

Bor allem aber intereffiert uns f)ier SB^itmans Berfjältnis 
3 U ‘Peter Bogle. 

Binns fdjreibt baoon auf Seite 232 folgenbes : „Separated 
(Whitman) from his own children, and his own younger brothers 
whom he had dearly loved, his heart’s tenderness expended 
itself npon other lads, and upon none more than upon Pete. (Peter 
Doyle).“ — „Whitman did not appear merely as a good fellow 
to his young comrade; his affection ran too deep for that. This 
is well illnstrated by an incident in their relationship. In a 
passing fit of despondency Pete declared that life was no longer 
worth living, and that he had more than half a mind to end it. 


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70 


Walt answered him sharply; he was very angry and not a little t 

shocked. This occurred upon the evening of his departure from ( 

Brooklyn for one of his visits home, and the two separated i 
somewhat coldly.“ i { 

Siefe Stelle ift bas bemerkensmertefte non allem, roas 
Sinns über bas ©erljältnis ber beiben 3ueinanber ausfüljrt. HBir j [ 
roerben, in all biefem 3 u f am menl)ange, fogleid) ben entliehenen ( 
QEinbruck haben, bafe ber blutjunge Sogle SBljitman, ber bamals I [ 
auf fein jünf3igftes losging, toie ein 3toeiter Sohn ans $er3 | 
geroad)fen mar. ©ichts aber berechtigt uns, an3unehmen, bafe bas g f 
Sert)ältnis einen Ijomofejueüen Charakter gehabt habe. — 3 d) t 
habe gerabe biefe Stelle 3itiert, meil fie eine folc^e Hinnahme ^ c 
birekt toiberfinnig macht. < 

Senn, nehmen mir mal an, bah bergleidjen mirklid) mit 1 1 
hineingefpielt habe, fo ift es bod) fid»er in ben Untergrünben bes I j 
©erf)ältntffes geblieben ; bas h c '&t auf Seiten Sogles, non 1 1 
SBhitman felbft bürfen mir in folgern 3ufammenhange überhaupt * \ 
nicht fpredjen. - (Es helfet - aud) Dr. ©erfe h°t barauf hin* i ! 
geroiefen — , bafe Sogle fjomofejueEer fei. 3 d) glaube 3roat f 
nid)t, bafe man barüber etroas burchaus 3 UDer läffiges roeife ;! 


bennod) aber könnte man, gerabe auf bie eben 3itierte SteEe fein, j. 
einer folgen Hinnahme beipflichten. Senn offenbar fd)eint es fid)l 
in ben lefeten Söfeen unfres Zitates in bem ©erhalten Sogles" 
beim Hlbfdjieb oon HBlptman um einen, unb 3toar fehr heftigen 
Hinfall „urnifdjer 3 erriffenheit" 3U hanbeln. 3 n HBIjitmans ©er»' 
halten bagegen nehmen mir nicht eine Spur oon einem folgern 
toahr. — Sollen (Eharciftter bes Berhältniffes alfo h>er mal 
angenommen, roare basfelbe offenbar ein fehr unglückliches unbL 
unbefriebigtes ©erf)ältnis geroefen ; in bem Sinne, bafe Sogle inl 
keiner HBeife eine ©efriebigung gefunben, unb HBfeitman eine 
berartige fiiebe Sogles nid)t im geringften ertoibert hatte, fjätte 
er fie ertoibert, fo mürbe auch er ohne jeben 3®eifd menigften^ 
irgenbeine Spur foldjer Sepreffion in biefem Hlugenblicke 3etgen 
mie Sogle felbft; ]ober er mürbe menigftens beffen Schmer J 


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71 


oerftefjen. 2lber er oerfteht ifjn nicht, fonbern tocift ii)n mit aller 
(Entfchiebenheit, ja, (ogar „very angry“ 3 urücb. Unb mir gewinnen 
burd)aus ben (Einbruch, baff 2Bt)itman ben jungen 'Dogte mit aller 
®äterlid)beit 3 ured)troeijt. 

(Die Sache liegt aijo oielleidjt fo, baff in 1)09163 ftreunb* 
jchoftsgefühl fi<h fejueüe Unroanbiungen gemijd)t h a & en ; aber 
gerabe biefe finb non 2Bf)itman nicht nur nicht erroibert, fonbern 
fogar mit aller (Entfchiebenheit 3 urücbgetoiefen roorben. 

Unb nun genug baoon. Deh benbe, mir laffen bas (Thema 
fallen. (Utehr roie einmal t)®t fi<h mir bie 3reber gefträubt 
oor folch äubringlicher, übel angebrachter 2Biffenfd)afttichbeit, fo 
ernft fie non Dr. Bert} auch °h ne 3mcifcl gemeint ift; einer 
2Biffenfchaftli<hbeit, bie, roie mir fehen, fid) nicht gefreut hat, 
oon einem im (Brunbe burdjaus ooreingenommenen Stanb* 
punbt aus, auch SBhitmans moralif ehern (Ehatabter dRabel 
unb - oft roie läppifdje ! - Untugenben besiegen, bie in feinem 
3faDe gdnälich unfinnig unb unmöglich erf<heinen. — (Rod) einmal : 
bie biesbeäügliche 2BiJfenfehaft follte fich hüten, bafj nicht fie ihrer* 
feits {ich in eine recht bebenbliche Sacbgaffe oerläuft ! — 


3oI)annes Schlaf. 


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