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Full text of "Der Rüssel der Diptera pupipara"

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Der Rüssel der 

Diptera 

pupipara 




Friedrich Hans 
Müggenburg 



DATE DUE 











1 

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1 









RETURN TO 
ENTOMOLOGY LIBRARY 

Cornell University 
Ithaca, N. Y. 



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Der Rüssel der Diptera pupi 




Diptera pupipara. 



INAUGU RAL- DISSERTATION 

DER 

HOHEN PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT 

DER 

UNIVERSITÄT LEIPZIG 

ZUR 

ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE 

VORGELEGT 

VON 

FRIEDRICH HANS MÜGGENBURG 

AIS 

Zwick \i' i. S. 



Mit zwei Tafeln. 



BERLIN 1892. 
N i c o 1 a i s c h e Verla^s-Ruchhandlung 

R Stricker. 



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* 



Der Rüssel 

der 



Diptera pupipara, 



INAUGU RAL - DISSERTATION 

DER 

HOHEN PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT 

DER 

UNIVERSITÄT LEIPZIG 

ZUR 

ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE 

VORGELEGT 

VON 

FRIEDRICH HANS MÜGGENBURG ? 



Zwickau i. S. 



Mit rwei Tafeln. 



BERLIN 1892. 
Nicolaische Verlags-Buchhandlung 



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379439 

Separat - Abdruck 
aus „Archiv für Naturgeschichte". Jahrg. 1892. Bd. 1. H. 3. 



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Die unter der Gruppe der Pupipara (Latreille) vereinigten 
Schmarotzerfliegen sind vor allen anderen Dipteren durch so auf- 
fallende Züge in ihrer Orgamsation ausgezeichnet, dass die Forscher 
vergangner Zeiten diese bizarren Insecten oft gar nicht als Fliegen 
erkannten. In Gestalt, Farbe und Bewegung die Spinnen imitierend 
gleichen sie in Bezug auf den Ort ihres Vorkommens und die Art 
ihres Nahrungserwerbes den blutsaugenden Wanzen und Läusen. 
So kann es denn nicht Wunder nehmen, dass Linn6 ') in einer Zeit, 
in der die systematischen Charaktere meist gewissen leicht erkenn- 
baren Eigenschaften entnommen wurden, unsere Schmarotzer that- 
sächlich in der Nähe der übrigen Hautparasiten unterbrachte. Und 
wie eng er sich die Beziehungen dieser zu unseren Lausfliegen 
dachte, erhellt daraus, dass er die Lipoptena cervi und die Nycteribia 
Montagui als echte Läuse, als Pediculus cervi und als Pediculus 
vespertilionis in die Ordnung Aptera stellte. Diese Anschauung 
wurde auch von seinen Nachfolgern De Geer 2 ) und Geoffroy 3 ) 
geteilt. Selbst Fabricius 4 ), welcher in richtiger Würdigung des 
hohen systematischen Wertes der Mundwerkzeuge, die verschiedene 
Bildung derselben seinem System der Insecten als Einteilungspiincip 
zu Grunde legte, konnte doch die flügellosen Pupipara mit Hilfe 
dieses sichersten aller Unterscheidungsmomente nicht entlarven; er 
beliess sie in der Gattung Pediculus. Nur insofern brachte er die 
natürliche Stellung unserer Schmarotzer glücklicher als seine Vor- 
läufer zum Ausdruck, als er unter Streichung der Ordnung Aptera 
die Pediculi seinen Antliata, welch o im wesentlichen den Diptera 
Linnes entsprechen, einverleibte. 

») Lin D 6, Fauna Suecica. 1761. No. 1921-1924. No. 1941. No. 1944. 

*) De Geer, Memoires pour senrir ä l'histoire des Insectes. 1752 — 1778. 

•) Geoffroy. 1764. Sein System ist mir nur bekannt aus: W. E. Shuckard, 
A Manual of Entomology. 1836. London. 

4 ) Fabricius, Syatema entomologiae. Flensburg u. Leipzig. 1775. No. 183. 
No. 184. 

1* 



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— 4 — 



Allein gerade die grosse Originalität in der Mundbildung zu- 
sammen mit anderen eigenartigen Charakteren veranlasste in der 
Folgezeit viele Forscher unseren Diptera pupipara in ihren Systemen 
eine ganz exceptionello Stellung zu geben. So bildete Leach 1 ) aus 
ihnen die Ordnung Homaloptera, welche er den Diptera coordinierte; 
dabei verkannte er aber die von Hermann 2 ) als Phthiridium wieder 
zu den Apteren gezogene Nycteribia in so hohem Masse, dass er 
sie für eine Arachnide hielt und innerhalb dieser Classe der neu 
begründeten Ordnung Notostomata als einzige Gattung unterstellte. 
Die so im Systeme verstreuten Tiere zum erstenmale als einheitliche 
Gruppe der Dipteren erkannt zu haben ist das Verdienst Latreilles 9 ). 
Bei der Schöpfimg seines Systems leitete ihn die Idee, dass man 
die einzelnen Tierformen nicht nach wenigen äusseren Merkmalen, 
sondern thunlichst nach ihrem gesamten anatomischen Baue und 
ihrer Entwickelung beurteilen müsse. Vor früheren wie späteren 
Systemen zeichnet sich denn auch das Latreilles dadurch aus, dass 
die in ihm aufgestellten Hauptgruppen der Dipteren durch die 
Resultate der modernen vergleichend anatomischen und entwickelungs- 
geschichtlichen Untersuchungen nur sehr wenig alteriert werden. 
Dieses gilt jedoch nicht von der Gruppe der Pupiparen. 

Mit Unrecht mass er ihnen in der Dipterenfamilie allen übrigen 
Fliegen gegenüber den Wert einer besonderen „Section" zu. Freilich 
fanden die Pupiparen in fast allen späteren Systemen eine ähnliche 
Beurteilung. Höchstens vermutete man verwandtschaftliche Be- 
Ziehungen zwischen ihnen und den Puliciden (Latreilles Siphonaptern), 
und schloss sie damit auf Grund einer scheinbaren Uberemstimmung 
in der Mundbildung, des mehr oder weniger weitgehenden Mangels 
der Flügel und weniger anderer Charaktere einer Insectengruppe 
an, deren Genealogie noch bis auf den heutigen Tag ziemlich 
rätselhaft erscheint. In dieser Hinsicht erwähne ich Kolenatis 4 ) 
„Beiträge zur Kenntniss der Phthirio-Myiarien", unter welchem 
Namen dieser Autor die Siphonaptern und Pupiparen zusammen 
begreift. Erst die von Leuckart 5 ) an Melophagus ovinus geführten 
entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen waren geeignet, Licht 
über enge Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Dipteren zu ver- 
breiten. Auf Grund dieser Arbeit wie eigener Studien konnte 
Brauer 6 ) zum erstenmale die Pupiparen für aberrante Musciden 
erklären. Becher 7 ) unternahm es, die Mundwerkzeuge der Schma- 



l ) Leach, Zoological Miscellany, vol. III, London. 1817. 
5 ) Hermann, Memoire Apterologique. 1804. 

») Latreille, Familles naturelles du regne animal, Paris. 1825 p. 500— 501. 
*) Kolenati, Beitröge zur Kenntniss der Phthirio-Myiarien in Horae Soc. 
entom. Ross. 2. Fase. 1863. p. 9—109. 

') R. Leuckart, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen. Halle. 

1858. 

•) Brauer, Systematisch-zoologische Studien. 1885. 

7 ) Becher, Zur Kenntniss der Mundtheile der Dipteren. Wien. 1882. 



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— 5 — 



rotzerfliegen in gleichem Sinne morphologisch zu deuten, freilich 
nicht ohne betreffs mancher Punkte in seiner Deutung von anderer 
Seite auf Widerspruch zu stossen. Er teilt darin das Schicksal aller 
seiner Vorgänger; denn so viele Forscher vor ihm eine morpho- 
logische Erklärung für die einzelnen Constituenten des seltsam ge- 
bildeten Pupiparenrüssels versuchten, so viele nach dem Vorgange 
Savignys 1 ) die einzelnen das Mundbesteck unserer Lausfliegen zu- 
sammensetzenden Teile auf die homologen Gebilde der kauenden 
Insecten zurückzuführen bestrebt waren, so vielen abweichenden 
Ansichten über diesen Gegenstand begegnet man in der Litteratur. 

Unter den geschilderten Verhältnissen wird es, so hoffe ich, 
nicht unwillkommen sein, wenn ich mit Hilfe moderner Unter- 
suchungsmethoden die Mundwerkzeuge der Pupiparen einer erneuten 
Prüfung unterwerfe. Die Vervollkommnung der mikroskopischen 
Technik erlaubt heute nicht nur tiefer auf anatomische Details ein- 
zugehen, als das früheren Forschern vergönnt w T ar; sie bietet auch 
die Möglichkeit die physiologischen Probleme, welche der in Thätig- 
keit befindliche Rüssel dem Beobachter entgegenträgt, einer be- 
friedigenden Lösung näher zu bringen. Diesen glaubto ich um so 
mehr meine Aufmerksamkeit schenken zu müssen, als gerade bei 
den Mund Werkzeugen der saugenden Insecten das physiologische 
Erkennen auch für das morphologische seine hohe Bedeutuug ge- 
winnt, wie ich weiter unten näher ausfuhren werde. 

Bei der Wahl des Untorsuchungsmaterials Hess ich mir es 
angelegen sein Vertreter aus allen drei in Europa vorkommenden 
Unterfamilien der Pupiparen zu erlangen. Dass mir dies trotz der 
Schwierigkeit der Beschaffung mancher Specios gelungen, verdanke 
ich der Güte meines hochverehrten Lehrers, Herrn Geheimrat 
Professor Dr. Leuckart, welcher mir in bereitwilligster Weise die 
Materialien der Sammlung des Zoologischen Institutes der Universität 
Leipzig zur Verfügung stellte. An dieser Stelle sei mir auch ver- 
stattet meinem hochverehrten Lehrer meinen innigen Dank aus- 
zusprechen für die gütige Förderung in intellectueller wie materieller 
Beziehung, welche er mir während meiner vergangnen Studienzeit 
angedeihen liess, für die reiche Anregung und freundliche Unter- 
weisung, mit welcher er mich insbesondere bei der Fertigimg der 
vorliegenden Arbeit unterstützte. 

Bevor ich in meine Untersuchung selbst eintrete, erübrigt es 
noch einige orientierende Worte über die allgemeine Morphologie der 
Kerfinundteile, sowie speziell des Dipterenrüssels vorauszuschicken. 

Die vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte zeigt, 
dass die Mundteile der Hexapoden zunächst auf die drei paarigen 
Anhänge der drei postoralen Metameren, w T elche mit noch einem 
weiteren Metamer in die Bildung dos Kopfes eingehen, zurückzuführen 
sind. Als Typus für das Kerfmundbesteck hat wohl am besten das 
der kauenden Insecten und unter diesen wieder das der Orthopteren 

*) Savigny, M6moires sur les animaux sans vertfcbres, Paris. 1816. 



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zu gelten, weil hier die Thatsache der morphologischen Gleich- 
wertigkeit der betreffenden drei Paare von Metamerenanhängen auch 
an dem vollendeten Insect in der weitgehenden Gleichartigkeit der 
zu Maxillen metamorphosierten Anhänge am schönsten sich wider- 
spiegelt, und dieselben hier das höchste Mass der möglichen 
Gliederung erfahren. Das erste Paar Kopfgliedmassen ist zu den 
ungegliederten Oberkiefern oder Mandibeln umgebildet, das zweite 
Paar zu den gegliederten Unterkiefern oder Maxillen im engeren 
Sinne. Jede der beiden Maxillen setzt sich aus einem zweigliederigen 
Basalteil, dem proximal gelegenen Cardo und dem darauf folgenden 
Stipes, zusammen. Letzterer trägt einen fünfgliederigen Taster und 
zwei ungegliederte Kauladen, den lobus externus (mala externa) und 
den lobus internus (mala interna). Das dritte Paar der Metameren- 
anhänge repetiert in unverkennbarer Weise die Verhältnisse des 
zweiten, nur sind die Basalteile der Maxillen in der Mittellinie mit 
einander verwachsen. Diese beiden verschmolzenen Kiefer bilden 
als Unterlippe oder Labium den Schluss des Mundes von unten her. 
— Zu diesen sechs homologen Constituenten gesellt sich noch ein 
siebentes unpaares, den Schluss des Mundes von oben besorgendes 
Deckstück, Oberlippe oder Labrum genannt, welches sich als Fort- 
setzung des Clypeus darstellt, und als solche morphologisch mit den 
erwähnten Kopfgliedmassen nichts zu thun hat. 

Der beschriebene Typus erleidet nun die mannigfachsten Modi- 
ficationen; setzt doch die unendliche Vielseitigkeit der erstaunlichen 
Leistungen, welche der Kerfmund übt, eine entsprechende Viel- 
gestaltigkeit der arbeitenden Werkzeuge voraus. Besonders vielfaltig 
variiert die Mundbildung bei den saugenden Insecten. Hier sind 
bald diese bald jene Constituenten zu einer ausserordentlichen Grösse 
entwickelt, während andero nur kümmerlich ausgebildet oder gänz- 
lich verschwunden sind. Zudem verdunkeln noch das typische Bild 
verschiedenartige Verwachsungen der einzelnen Mundteile unter- 
einander. Auch erstreckt sich die skizzierte Variationsfahigkeit 
nicht selten auf die verschiednen Geschlechter einundderselben Art, 
ja bisweilen sogar auf Tiere gleichen Geschlechtes innerhalb der- 
selben Species (Paltostoma torrentium). Kein Wunder daher, wenn 
diese Fülle der möglichen Modalitäten den Blick des Forschers oft 
verwirrte, wenn er die Teile des Oralmechanismus am ausgebildeten 
Insect nach ihrer Anzahl, Lage und Gestalt allein morphologisch 
zu deuten unternahm. Betrachtet man dagegen den Mund der 
saugenden Insecten auch vom physiologischen Standpunkte, so lassen 
sich leicht Gesichtspunkte gewinnen, nach denen die unendliche 
Reihe der polymorphen Mundwerkzeuge sich in grosse Gruppen mit 
einheitlichen organisatorischen Zügen ordnet, in Gruppen, welche 
meist genau den natürlichen Familien der Insecten entprechen. 
Fasst man zum Beispiel die allen saugenden Kerfen gemeinsame 
Beziehung des Mundmechanismus zu der Überleitung der Nahrungs- 
flüssigkeit in den Darm ins Auge, so findet man, dass der eigentliche 
Zufuhrkanal bei den Diptera stets von der Oberlippe und dem 



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— 7 — 



Hypopharynx gebildet wird, bei den Siphonaptera von Oberlippe 
und Oberkiefern, bei den Rhynchota von den Oberkiefern allein, bei 
den Lepidoptera von den Unterkiefern, bei den saugenden Coleoptera 
(Lucanus, Nemognatha) von den Kauladen der Unterkiefer, bei den 
Hymenoptera von den Unterkiefern und der Unterlippe, endlich bei 
den Trichoptera von denselben aber miteinander verschmolzenen 
Teilen. Eine gleiche Einheitlichkeit waltet ferner innerhalb der 
einzelnen natürlichen Familien in Hinsicht auf die Leitung des 
Speicheldrüsensecretes vor. So setzt uns denn die vergleichende 
Physiologie in den Stand, im einzelnen Falle aus der Funktion eines 
Mundteiles seine morphologische Bedeutimg mit mehr oder minder 
grosser Sicherheit auch dann noch zu erkennen, wenn die ver- 
gleichende Anatomie uns im Zweifel lässt. Besonders wertvoll müssen 
aber die Dienste der vergleichenden Physiologie sein, wenn es aus- 
sichtslos erscheint von der Entwicklungsgeschichte Aufschlüsse zu 
erlangen, wenn man darauf angewiesen ist allein aus dem Befunde 
der ausgebildeten Mundwerkzeuge Auskunft über morphologische 
Fragen zu erhalten. Dies gilt für die Dipteren, bei welchen die 
Ontogenie durch secundäre Anpassungen und Abänderungen über- 
aus verwickelt worden ist. — Bei denjenigen Dipteren, welche mit 
dem in Bezug auf die Anzahl seiner Constituenten reichhaltigsten 
Mundbesteck ausgestattet sind, lassen sich dieselben nach ihrer 
relativen Lage und ihrem Baue nicht allzuschwer als Oberlippe, 
Oberkiefer, Unterkiefer mit Tastern und Unterlippe mit umgestalteten 
Tastern diagnosticieren. Allgemein gesellt sich zu diesen Organen 
noch die sogenannte Stechborste, der schon oben erwähnte Hypo- 
pharynx, welcher in seiner specifischen Gestalt und Funktion für 
die Dipteren charakteristisch ist. In früherer Zeit von einigen 
Forschern, wie Brülle 1 ) und Gerstfeldt 2 ), falschlich für ein einem 
verwachsenen Kieferpaare homologes Gebilde angesprochen, erweist 
er sich in Wirklichkeit als eine am Grunde der oberen Platte der 
Unterlippe entspringende unpaare Chitinduplicatur, als die chitinisierte 
und verlängerte Ausmündungspapille der Thoracalspeicheldrüse. 
Ein dem Hypopharynx analoges Gebilde, einen Epipharynx, giebt 
es wenigstens bei den Dipteren nicht. Wo man einen solchen 
früher constatierte, da hatte man es in Wahrheit zumeist mit der 
mit Kunst und Gewalt lospraeparierten unteren Oberlippenplatte zu 
thun. — In idealer Vollständigkeit kommen die Mundwerkzeuge 
nur bei den Weibchen weniger Gattungen orthorrhapher Fliegen 
vor; allen übrigen Dipteren fehlen entweder die Oberkiefer ganz, 
oder sie sind nach Langhoffers 3 ) neuen Untersuchungen bei manchen 



') Brülle, Recherches sur les transformations des appendices dans les 
articulea in Ann. des sc. natnr. 3. serie. Paris 1844. vol. II. p. 271—373. 

*) Gerstfeldt, Ueber die Mundtheile der saugenden Insecten. Mitau und 
Leipzig. 1853. 

') Langhoffer, Beitrage zur Kenntn. der Mundtheile der Dipteren. Jena. 

1888. 



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Familien eine äusserst innige Verschmelzung mit der unteren Ober- 
lippenplatte eingegangen. Auch die Unterkiefer können in ihren 
einzelnen Teilen mehr oder minder stark, ja bis zu gänzlichem 
Fehlen reduciert sein. Sind sie jedoch, wenn auch nur in rudimen- 
tärer Form, vorhanden, so entbehren sie nie ihrer Taster. — So 
bleibt denn als charakteristisch für die Gesamtheit aller Dipteren- 
rüssel die beständige Gegenwart von Oberlippe, Hypopharynx und 
Unterlippe übrig. Die dorsal gelegene Oberlippenrinne büdet zu- 
sammen mit der von der oberen Fläche des Hypopharynx gebildeten 
ventralen Rinne den Nahrungscanal; in dem inneren Lumen des 
Hypopharynx wird das Speicheldrüsensecret nach aussen befördert; 
die Unterlippe endlich hüllt diese Mundteile wie ein schützendes 
Futteral ein, und zwar so vollständig, dass man bei oberflächlicher 
Betrachtung eines Rüssels nur sie allein wahrnimmt. 

Die obigen Bemerkungen müssen nur insofern eine Einschränkung 
erfahren, als es einige kurzlebige Dipteren giebt, welche bei dem 
Mangel eines Nahrungsbedürfiiisses auch sämtlicher Mundwerkzeuge 
entbehren (Oestrusarten). 

Wie erwähnt zeigen auch die Pupiparen nach dem Urteile der 
meisten Autoren ein von dem typischen Baue abweichendes Ver- 
halten. In der vorliegenden Arbeit konnte ich daher um so weniger 
von der vorgefassten Idee geleitet werden, die Mundwerkzeuge 
derselben unbedingt auf das allgemeine Schema des Dipterenrüssels 
zurückführen zu müssen. Nur aus den Thatsachen heraus habe ich 
mir ein Urteil gebildet. 

Die folgende Uebersicht enthält eine Aufzählung der von mir 
untersuchten Pupiparen mit ihren Synonyma, soweit sie mir aus der 
Litteratur bekannt geworden. 

Pupipara Latr. 

Coleostoma Latr. (Hist. Nat., 4. II. 365). 

Eproboscidea Latr. 

Nymphipares Reaumur. 

Omaloptera Lch. 

Homaloptera Mac Leay. 

Hippoboscita Rdn. 
I. Farn. HippoboBoidae Loh. Ww. Wik. Schin. 
Coriaceae Latr. Mgn. Macq. 
Ornythoinytes Blchr. 

1. Gen. Blelophagus Latr. Mgn. Meqrt. Wik. Schin. 

Hippobosca Lin. Fab. Fall. 
Melophaga Zett. 
Melophila Ntz. 

Spec. M. ovinus Lin. 

2. Gen. + !*) Lipoptena Ntz. Schnr. 

! PeöÜculus Lin. Fab. Pnz. 
+ Aicephagus Grtl. 



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— 9 — 

-f Haemobora Crts. Wik. 
+ Ornithobia Mgn. Wik. 
! Melophagus Mgn. 
+ ! Hippobosca Fall. 
! Leptotena Macq. Zett. 

Spec. L. -f- ! cervi Sehn. 
! cervi Lin. Fab. Pnz. 

Macq. Ntz. Mgn. Zett. 
+ ! Cervina Fall, 
-f pallipes Crts. 

+ pallida Mgn. Wik. Macq. Zett. 
*) Die mit + ausgezeichneten Synonyma von Lipoptena cervi sind die Namen 
für die geflügelten freischwärmenden Individuen, während das Zeichen ! die 
Namen der festsitzenden Tiere mit abgeworfenen Flügeln begleitet. 

3. Gen. Hippobosca Lin. Fab. Rossi Mgn. etc. 

Nyrmomyia Ntz. 

Spec. H. equina Lin. etc. etc. 
equi Macq. 

4. Gen. Anapera Mgn. Macq. Zett. 

Hippobosca Lin. Fab. Pnz. Fall. Rossi. 

Ornithomyia Latr. Ntz. 

Craterina Crts. 

Oxypterum Lch. Krb. Sehn. 

Stenopterix Leach. Mgn. Wik. Mcqrt. Zett. 

Chelidomyia Rndn. 

Spec. A. pallida Lch. Mgn. Mcq. Zett. Schin. 

Kirbyana (var.) Lch. Mgn. Mcq. 

hirundinis Pnz. Wik. 

II. Farn. Braulida Egger. 

Hippoboscidae Costa Schin. 
Braulidae Rndn. 
Gen. Braula Ntz. Schin. 

Entomybia Costa. 

Spec. B. coeca Ntz. Schin. 

apum Costa. 
UI. Farn. Hycteribidae Lch. Wik. Sohn. Rndn. 

Notostoma Lch. 
Phthyromyiae Latr. Macq. 
Gen. Nycteribia Latr. Mcq. Sehn. Rndn. 
Phthiridium Herrn. Lch. 

Stilidia | ]£kit 
Ponicillidia j 

Spec. N. Leachii ? Klnt. 

Unter den angeführten Species empfiehlt sich wegen der ziem- 
lich bedeutenden Häufigkeit in erster Linie Melophagus ovinus für 
das Specialstudium des Pupiparenrüssels. 



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Melophagus ovinns. 

Ihi Zusammenhang mit der parasitischen Lebensweise des Melo- 
phagus ovinus zeigt Sie Gesamtform seines Kopfes eine auffallend 
von der typischen Gestalt des Fliegenkopfes abweichende Bildung. 
Während dieser im allgemeinen eine Kugelcalotte darstellt, hat jener 
einen tetraedrischen Habitus. Das scheibenförmige Occiput der 
Fliege ist bei Melophagus nur durch eine sehr schmale dorso ventral 
verlaufende starre Wand von rotbraunem Chitin repraesentirt, welche 
einer Tetraederkante entspricht. Die gegenüberliegende, quer- 
verlaufende Kante bezeichnet den vorderen Rand der Kopfkapsel. 
Der Raum zwischen beiden wird, wie aus Fig. 1 ersichtlich, welche 
die Seitenansicht eines Kopfes von Melophagus ovinus mit vor- 
gestrecktem Rüssel giebt, von vier nahezu gleichschenkligen Drei- 
ecken begrenzt. Es besteht die obere Decke der Kopfkapsel aus 
einer gleichschenkligen Dreiecksfläche, deren Spitze von dem aus 
glattem, glänzendem rötlich braunem Chitin gebildeten Scheitel, 
vertex (Fig. lv), eingenommen wird. Nebenaugen fehlen auf dem- 
selben. Der übrige Teil der Fläche gehört bis zu der Basis des 
Dreiecks, dem queren Vorderrand der Kopfkapsel, der Stirn, frons 
(Fig. 1 fr), zu. Gegen den Scheitel setzt sie sich durch eine hellgelbe 
gebogene Linie ab. Ein auffallend dunkelbraun gezeichneter Streifen 
(Fig. 1Kb), welcher in einem Bogen quer über den Kopf hinläuft, 
um jederseits zwischen Antenne (Fig. 1 an) und Auge (Fig. lo) zu 
verschwinden, bildet die Grenze zwischen einem oberen und einem 
basalen Stirnteil. Der erstere besteht aus dickem graubraunem 
Chitin und ist stark beborstet, während der letztere helleres nacktes 
Chitin zeigt und durch eine mittlere Längsnaht in zwei Hälften 
geteilt ist. Um die ganze Stirn läuft ein hellbrauner Saum. Die 
ebenfalls dreieckig gestalteten Seitenteile des Kopfes, die genae 
(Fig. lgn), bestehen aus sehr festem glattem rotbraunglänzendem 
Chitin. Mit ihrer breiten Basis begrenzen sie seitlich das Occiput, 
divergieren nach vorn und haben ihre Spitze in den Endpunkten 
der vorderen Randkante. Die Kehle, jugulum, ein nach ihrer Lage 
der oberen Kopfdecke entsprechendes Dreieck, schliesst als eine 
weisse, sehr weiche, elastische Chitinhaut die Kopf kapsei von unten her. 

Diese eigenartige Configuration der Kopfkapsel wird besonders 
durch die geringe Grössenentwickelung der schmalen, langgestreckten, 
flachen Facettenaugen (Fig. 1 o), so wie den Bau und die Funktion 
der Mundwerkzeuge bedingt. 

Befinden sich diese in der Ruhelage, so bemerkt man fürs 
erste von ihnen nichts weiter als zwei seitliche, breite, an ihrer 
Aussenseite mit Borsten besetzte Chitinplatten, welche sich scheinbar 
an dem vorderen Kopfrande nahe der Mittellinie inserieren und zu 
einer Art Hülle zusammenschliessen. Klappt man diese beiden 
Blätter nach den Seiten auseinander, so wird ein feines nach unten 
gekrümmtes, anscheinend einfaches Chitinrohr sichtbar, das sich 
durch eine Spalte, welche der Kopfrand zwischen sich lässt, in den 



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- 11 - 



Kopf hinein fortsetzt. Die Umgrenzung der Spalte besteht auf? 
häutigem Chitin und springt ein wenig wallartig vor. 

Einen tieferen Einblick gewährt die Betrachtung der Verhätnisse, 
wie sie uns der Kopf mit spontan hervorgestreckten Mund Werkzeugen 
darbietet. Der in Action tretende Rüssel überrascht in erster Linie 
durch die Entfaltung einer mächtigen conischen Verlängerung der 
Kopf kapsei (Fig. 1kg), eines Gebildes, das in ganz ähnlicher Ent- 
wicklung bei den echten Musciden wiederkehrt und hier von Kraepelin*) 
als „Kopfkegel" bezeichnet wird. Ich schliesse mich dem Sprach- 

§ebrauch Kraepelins an und nenne ferner gleich ihm die Summe 
er darauf folgenden Mundwerkzeuge zum Unterschied von diesem 
„Kopfteil desRüssels" den „Rüssel im ongerenSinno" oder „eigentlichen 
Rüssel". 

Der Kopfteil des Rüssels. Der Kopfteil des Rüssels be- 
steht aus dünnwandigem und weichhäutigem Chitin wie die Kehle 
unseres Tieres. Für gewöhnlich ist er in die starre Kopfkapsel 
eingezogen. Will jedoch der Parasit saugen, so stülpt sich aus 
der erwähnten vorderen Spalte der starren Schädelkapsel der Kopf- 
kegel nach aussen hervor, sodass die frühere Innenfläche zur äusseren 
wird. Die wallartige häutige Umgrenzung vorn am starren Kopf- 
rande, welche wir bei eingezogenen Mundwerkzeugen bemerkten, 
erweist sich jetzt als Basis des in Rede stehenden Gebildes. Der 
entfaltete Kopfteil des Melophagusrüssels weicht von der nahezu 
kogelrunden Gestalt desjenigen der Musca ein wenig ab. Er ist 
von vier Seiten etwas abgeplattet, sodass er an eine vierseitige 
Pyramido erinnert, an eine Pyramide, welche schräg abgestumpft 
ist; denn nicht in seiner ganzen Länge wird dieser Rüsselstiel 
(Graber) ausgestülpt, das vordere Ende bleibt handschuh-fingerartig 
eingekrempelt. Auf diese Weise wird ein doppelwandiger Hohlraum 

febildet, welcher den basalen Teilen der vom Ende des oingekrempelten 
lopfkegelstückes entspringenden Mundwerkzeuge zur schützenden 
Ueberdachung und Umhüllung dient. Fig. 5, 6 und 7 stellen als 
Kg bezeichnet den Kopfkegel boi vorgestrecktem Rüssel in Quer- 
schnitten dar, Fig. 2 Kg giebt davon einen Längsschnitt wieder. Die 
nach aussen gekehrten Seitenteile des verlängerten Untergesichtes 
zeichnen sich durch etwas stärkere Chitinisierung aus. Das Chitin 
besitzt hier eine polygonale Felderung, welche in ihren Conturen 
die Verhältnisse der darunter befindlichen Matrix wiederholt. Auf 
jedem der sechs-, seltener fünfeckigen Felder erhebt sich mit breiter 
Basis ein Chitindorn, sodass die ganze Fläche an eine rauhe Zunge 
erinnert. Die Chitindornen (Fig. 5 chd und Fig. 6 chd) sind massiv 
und werden nicht innerviert. Ihre Anordnung — sie sind alle 
dorsal gerichtet — lässt dieselben geschickt erscheinen, zur sicheren 
Fixation des Kopfes in der Wolle während der Thätigkeit der 
Mundwerkzouge beizutragen. In seiner Gesamtlänge kommt der 



*) Kraepelin, Zur Anat. u. Physiol. des Rüssels v. Musca in Zeitschrift, f. 
wiss. Zoologie. 39. Bd. s. 685. 1883. 



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- 12 — 



Kopfkegel der festen Schädelkapsel gleich. Er ermöglicht so einer- 
seits ein Zurückziehen des eigentlichen Rüssels, bis in den hintersten 
Winkel derselben, während er andererseits den Mundwerkzeugen 
ein äusserst freies Spiel nach der entgegengesetzten Richtung ge- 
stattet. 

Nahe ihrer Basis trägt die Kopfpyramide auf den nach oben 
gewendeten Seiten ein Paar sehr außalliger ein^liederiger, taster- 
ähnlicher Gebilde (Fig. 1 1). Nicht ohne einiges Erstaunen erkennen 
wir in ihnen die beiden Chitinplatten wieder, welche für den Rüssel 
im zurückgezogenen Zustande, wie oben beschrieben, eine Hülle 
bildeten und scheinbar seitlich am Kopfrand ihren Ursprung nahmen. 
Wenn sich der Kopfkegel ausstülpt, schiebt er dieselben nach vorn 
und namentlich nach oben, um sie beim Einstülpen wieder nach 
unten und hinten in ihre alte Lage hineinzuziehen. 

Zur näheren Kenntnis ihres Baues möchte ich folgendes be- 
merken. Die beiden ansehnlichen, chitinigen an ihren Aussennächen 
mit mächtigen Borston (Fig. 1 th) reichlich besetzten Platten (Fig. 1 1) 
verjüngen sich an ihrem vorderen Ende ganz plötzlich um je in 
eine stumpfe Spitze auszulaufen, welche von besonders zahlreichen 
und langen Chitinborsten überragt wird. In Zusammenhang mit der 
Funktion eines schützenden Futterales zeigt das Integument der 
Klappen an den Innen- und Aussennächen sehr abweichende Be- 
schaffenheit. Die Innenwandungen, welche mit dem leicht verletzt- 
lichen Rüssel in direkte Berührung kommen, bestehen aus 
dünner, weicher, schmiegsamer Chitinhaut (Fig. 6, 7 ta). Die etw r as 
convexen Aussenseiten dagegen besitzen eine ganz ausserordentlich 
dicke Cuticula (Fig. 6, 7tb), an der sich auf Querschnitten deutlich 
drei verschiedene Chitinschichten unterscheiden lassen. Zu oberst 
befindet sich eine helle, spröde Schicht, welcher nach Innen eine 
dunklere von weit bedeutenderem Querschnitt folgt, während die 
unterste wieder dünner und heller gefärbt ist. — An den oberen 
Längskanten der Klappen ist das starre Chitin geschärft und nach 
einwärts umgebogen; an den unteren Längs rändern dagegen ent- 
wickelt sich die Chitinbekleidung je zu einer sehr starken recht- 
winklig nach Innen einspringenden Leiste. In der Ruhelage greift 
nun die eine der Platten — je nach Umständen bald die rechte, 
bald die linke — mit ihrem oberen Saum über den der anderen 
hinweg. In entsprechender Weise, aber in viel geringerer Aus- 
dehnung schieben sich auch die unteren Längsleisten übereinander. 
So wird ein inniger Zusammenschluss der benachbarten Klappen zu 
einem Etui geschaffen, unter dessen festen Decken das zarte Saug- 
organ gegen alle Insulten geschützt ist. Fig. 11, welche einen 
Querschnitt durch den ruhenden Rüssel und seine beiden Scheiden- 
platten darstellt, möge zur Veranschaulichung der eben besprochenen 
Verhältnisse dienen. 

Die unteren Längsleisten unserer Platten sind dicht mit sehr 
feinen kurzen Härchen besetzt, welche als massive einfache Höcker- 
chen des (^itinintegumentes erscheinen und nicht mit Nerven in Ver- 



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— 13 — 



bindung stehen (Fig. 6, 7 h). — Dagegen sehen wir in den dunklen, 
langen Borsten der Rüsselscheidenplatten entschiedene Sinnesapparate, 
evidente Tasthaare (Fig. Ith und Fig. 13 th). Sie sind je einem 
Ringwulst der Chitinbekleidung inseriert. Unterhalb ihrer Basis ist 
das Integument unterbrochen, sodass je ein Nerv (Fig. 13 tn) mit 
ihnen in Verbindung treten kann, der unmittelbar vor derselben zu 
einem mehrzelligen Ganglion (Fig. 13tg) anschwillt. Nach Bau und 
Localisierung fällt diesen Borsten die Aufgabe zu, den Parasiten 
über die Beschaffenheit der Umgebung seiner Rüsselspitze zu 
orientieren. 

Die Klappen selbst funktionieren demnach als Taster. Ab- 
strahiert man von den anatomischen und physiologischen Besonder- 
heiten, welche unsere Platten speciell als Etui des Rüssels charakteri- 
sieren, so erinnern sie in der That dermassen an die Maxillartaster 
der echten Musciden, dass man die Vermutug einer morphologischen 
Übereinstimmung zwischen ihnen nicht unterdrücken kann. An sich 
berechtigt aUercüngs die Ähnlichkeit in dem Baue allein noch keines- 
wegs zu der Annahme einer morphologischen Übereinstimmung. Es 
ist vielmehr die, trotz aller Modificationen im einzelnen, durch- 
greifende Gleichartigkeit in dem ganzen Organisationsplan des Kopfes 
von Melophagus und Musca, sowie die Entwickelungsgeschichte der 
betreffenden Tiere, welche für die Identität der beiderlei Gebilde 
spricht. 

Wie die Maxillartester der Musca, so sitzen die entsprechenden 
Organe des Melophagus je einer in der Haut des Kopfkegels liegen- 
den Chitinverdickung auf. Die Verdickungen laufen bei Melophagus 
eine kurze Strecke nach vorn, werden dabei immer dünner und 
schwinden bald ganz. Den Schlüssel zu dem morphologischen Ver- 
ständnis derselben liefert eine Vergleichung mit verwandten Dipteren- 
formen. 

Bei den Musciden, bei denen diese Chitinverdickungen gleich- 
falls vorhanden sind, ziehen dieselben bis zu der Ansatzstelle des 
-eigentlichen Rüssels", worauf sie mit einem Paar nageiförmiger 
Chitinspangen in Verbindung treten, welche nach hinten frei endigend, 
zu den Seiten des Schlundgerüstes liegen. Bei einigen Gattungen, 
wie Mesembrina Mg., Dasyphora R. D., Graphomyia R. D., Myso- 
phila Rd. tragen die Spangen vorn, wo sie mit den übrigen Mund- 
werkzeugen in Verbindung stehen, je eine Lade. Sie geben sich 
somit unverkennbar als Basalteile von Unterkiefern zu erkennen, 
deren tastertragende Abschnitte nach oben und rückwärts gebogen 
und mit der Oberhaut des Kopfkegels verwachsen sind. Besonders 
überzeugend liegen diese Verhältnisse bei den Syrphiden. 

Wenden wir uns zu unserem Melophagus zurück, so erscheint 
es um so zweifelloser, dafs bei ihm die Chitinverdickungen in der 
Kopfkegelhaut ebenfalls tastertragenden Abschnitten von Unter- 
kiefern homolog sind, als auch die dazu gehörenden spangenfbrmigen 
basalen Unterkieferstücke (Fig. 2, 3, 4 mx) vorhanden sind und zwar 
in der gleichen Ausbildung, wie bei den Musciden ohne Kieferladen. 



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— u — 



Der einzige Unterschied, welcher darin besteht, dass bei Melophagus 
infolge der teilweisen Reduktion des tastertragenden Unterkiefer- 
stückes der Contact desselben mit dem spangenartigen Kieferteile 
im Interesse der freieren Beweglichkeit des Rüssels gelöst ist, kann 
für die morphologische Beurteilung nicht von Belang sein. Die 
Kieferspangen sind also, wie bei Musca, ihrer ursprünglichen Funktion 
entfremdet; unter der Haut des Kopfkegels gelegen stehen sie ganz 
in dem Dienste des Bewegungsmechanismus des Rüssels. Im grossen 
Ganzen haben sie die Gestalt langer dünner Hebelarme von kreis- 
rundem Querschnitt. An ihrem vorderen Ende, wo sie mit den 
übrigen Mundwerkzeugen in Verbindung stehen, zeigen sie je eine 
knopfartige Verdickung, über deren physiologische Bedeutung ich 
bei Erörterung der Bewegungsvorgänge des Rüssels einige Worte 
zu sagen haben werde. Die hinteren freien Enden der Kieferspangen 
sind abgeflacht und verbreitert, sie bieten so den herantretenden 
Muskeln zahlreiche Insertionspunkte. 

Der eigentliche Rüssel. Aus dem Kopfkegel ragt, wie schon 
erwähnt, ein langes, dünnes, hyperbolisch gekrümmtes, mit seiner 
Öffnung nach abwärts gerichtetes, sprödes Chitinrohr hervor. Soweit 
sich sein Verlauf an dem spontan gestreckten Rüssel verfolgen lässt, 
zeigt es überall den gleichen Querschnitt, abgesehen von einer un- 
bedeutenden Verjüngimg an der Spitze. Um auch die verdeckte 
Basis sichtbar zu machen, ziehen wir mit einer Pincette das Rohr 
vollends aus der Höhlung des Kopfkegels hervor. Die Wandungen 
desselben folgen, soweit sie noch eingekrempelt sind, dem Zuge, bis 
der Kopfkegel in ganzer Länge zur Ausstülpung gebracht ist. Dies 
ist übrigens nicht ohne die ärgsten Zerreissungen der innerhalb des 
Kopfes gelegenen Weichteile möglich, ein schlagender Beweis für 
die Richtigkeit meiner früher geäusserten Behauptung, dass der 
Kopfkegel spontan niemals in toto ausgestülpt werden könne 1 ). An 
dem so gewonnenen Präparat bemerken wir, dass unser Rohr an 
der Basis sich flintenkolbenartig verdickt und von der vorgezogenen 
Spitze des Kopfkegels entspringt. 

Nach seiner Orientirung vorn am „Kopfteil des Rüssels" müssen 
wir unser Rohr als „eigentlichen Rüssel" ansprechen. Eine genaue 
anatomische Untersuchung bestätigt dieses Urteil vollkommen, indem 
sie ferner zeigt, dass unser Organ in seiner grössten Längserstreckung 
nicht einen einfachen HoHcylinder mit einem einzigen Lumen dar- 
stellt, wie es auf den ersten Blick scheinen will, sondern aus dreien 
übereinander liegenden, sehr abweichend gebauten Chitinstiletten 
zusammengesetzt ist, welche in allen fundamentalen Eigenschaften 
den Constituenten des „eigentlichen Rüssels" der meisten übrigen 
Dipteren, der Oberlippe, dem Hypopharynx und der Unterlippe, 
gleichen. 

! ) Altere Autoren haben denselben in dieser Verfassung mehrfach abgebildet 
nnd scheinen zum Teil auch der irrtümlichen Ansicht gewesen zn sein, dass ihre 
Bilder naturliche Lagerungsverhältnisse zur Anschauung brächten. 



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— 15 — 



Der unterste der drei Constituenten ist es, welcher dem ganzen 
„eigentlichen Rüssel" sein charakteristisches Gepräge giebt. Zeichnet 
er sich doch vor den beiden anderen durch mächtige Entwicklung 
aus, hüllt er doch die überaus zarte mittlere Chitinborste vollkommen 
ein, während er die dritte stärkere Chitingräte wenigstens an den 
Seitenteilen umfasst 

Mittelst Präpariernadeln gelingt es von der Rüsselbasis aus das 
GefÜge zu lösen, und so die drei Organe auf einem Male zur An- 
schauung zu bringen (Fig. 4 lbr, lb, hy). 

Die Oberlippe. Das oberste der drei Stilette (Fig. 4 lbr) er- 
scheint bei oberflächlicher Betrachtung als eine ziemlich feine, an 
der Basis etwas verdickte Chitinborste, welche dem Vorderrande 
des Kopf kegels angefügt ist. Mit ihrer stumpfen Spitze erreicht sie 
nicht ganz die Länge des gesamten Rüssels. — Um das anatomische 
Verhalten derselben vollständig zu übersehen, muss man mittelst 
eines Mikrotomes Quer- und Längsschnitte herstellen (Fig. 5, 6, 7, 8, 
2, 3 lbr). Dieselben lassen uns in ihr sofort ein Hohlgebilde, eine 
unpaare Ausstülpung des vordersten Kopfteiles erkennen, in deren 
Inneres sich eine kurze Strecke weit sehr feine Tracheenästchen und 
Nervenzweige aus dem Kopfe fortsetzen. Nach vorn verengt sich 
das Lumen (Fig. 8 lbr) ausserordentlich rasch infolge der beträcht- 
lichen Annäherung der oberen und unteren Wand unseres Kopf- 
anhanges. — Die dorsale Platte desselben geht direkt in die obere 
Kopf kegelwand über, während die ventrale mit dem Vorderrande 
des starren chitinösen Pharynx durch eine weiche chitinige Gelenk- 
haut verbunden ist (Fig. 2 lbr). Diese anatomischen Beziehungen 
zwischen dem Kopf und der in Rede stehenden Chitinborste weisen 
ganz unzweideutig darauf hin, dass wir in ihr ein der Oberlippe der 
übrigen Insekten homologes Gebilde vor uns haben. — Auch in 
physiologischer Beziehung spielt sie ganz dieselbe Rolle wie die 
Oberlippe der übrigen Dipteren. Die Überleitung der Nahrung in 
den Darm ist vornehmlich ihre Funktion. Zu diesem Zwecke sind 
die Ränder der Oberlippe nach unten gegeneinander gebogen zu 
einem doppelwandigen Leitungsrohr von eliptischem Querschnitt mit 
der dorsalen Oberlippenplatte als äusserer und der ventralen als 
innerer Begrenzungsfläche. Da die Oberlippenränder jedoch nicht 
zu gegenseitiger Berührung gelangen, so kommt es ventral zu keinem 
vollständigen Schluss des Rohres. Ein solcher ist aber für die 
Leitung einer dünnflüssigen Nahrung, wie sie das Blut ist, eine not- 
wendige Forderung. Es wird darum zu der Bildung des Nahrungs- 
canais noch die zweite Borste zum Teil herangezogen. 

Der Hypopharynx. Die mittlere der drei Borsten (Fig. 4hy) 
ist ein sehr zartes, fast glashelles, langes, schmales Chitinband, 
Welches in seiner Mitte von einem ausserordentlich feinen Canal von 
kreisrundem Querschnitt durchzogen wird, dessen Verlauf durch eine 
entsprechende Wölbung des Chitins äusserlich gekennzeichnet ist 
(Fig. 8 hy). Ihren Ursprung nimmt die Borste von der oberen Platte 
des dritten Stilettes, der Unterlippe, mit welcher sie an der Basis 



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— 16 — 



eine kurze Strecke weit in inniger starrer Verbindung stellt, ein 
Verhalten, welches für den Hypopharynx der Dipteren überhaupt 
charakteristisch ist (Fig. 5 hy). Ferner giebt der Umstand, dass der 
Ausfuhrungsgang der Thoracalspeicheldrüse in dem Canal der frag- 
lichen Borste seine Fortsetzung findet, einen weiteren sicheren An- 
halt für ihre Deutung als Hypopharynx (Fig. 2 s, hy), Ich habe 
früher hervorgehoben, dass dieser bei den Dipteren ganz allgemein 
zu der Bildung des Nahrungscanales beiträgt. Nur Art und Umfang 
der Beteiligung variiren. In unserem speciellen Falle legt sich der 
bandförmige Hypopharynx einfach an die eingebogenen Oberlippen- 
ränder platt an und überbrückt so die erwähnte ventrale Längs- 
spalte des Nahrungsrohres (Fig. 8 hy). Die Wölbung der dorsalen 
Wand des Speichelcanales dient dabei zur Festigung zwischen 
Labrum und Hypopharynx, indem sie wie der Falz in die Nute, so 
in die Spalte des Rohres genau hineinpasst und eine seitliche Ver- 
schiebung beider Mundteile aneinander verhindert. Nur vorn an der 
Öffnung des Nahrungscanales ragt die Spitze des Hypopharynx, an 
deren äusserstem Ende der Speichelgang ausmündet, um ein kleines 
Stück frei über die kürzere Oberlippe heraus. — Mehr noch als 
eine seitliche Verschiebung muss, soll die Leistungsföhigkeit des 
Nahrungsrohres nicht in Frage gestellt werden, die Möglichkeit einer 
Abwärtsbewegung des Hypopharynx von der Oberhppe weg aus- 
geschlossen sein. Wegen der starren Verbindung desselben mit der 
Basis des dritten Stilettes wird sein Verhalten in dieser Hinsicht 
von dem des letzteren abhängen. In der That findet sich in der 
Construction dieses dritten Mundteiles eine zweckentsprechende Ein- 
richtung, welche wir jetzt zugleich mit einem anatomischen Gesamt- 
bild desselben kennen lernen werden. 

Die Unterlippe. Das dritte, nach hinten folgende Stilett des 
eigentlichen Rüssels (Fig. 41b) fallt, wie erwähnt, vor den bisher 
beschriebenen durch seine aufserordentliche Grösse besonders ins 
Auge. Es ist für die äussere Form des Rüssels um so mehr be- 
stimmend, als es Hypopharynx und Oberlippe mehr oder minder 
vollständig einschliesst. Im grossen ganzen hat es die Gestalt eines 
hyperbolisch gekrümmten Cy linders, der oberseits mit einer geräumigen 
Längsrinne versehen ist. — Schon der eine Umstand, dass die ven- 
trale Platte dieses Kopfanhanges die unmittelbare Fortsetzung der 
unteren Kopfkegelwand repräsentirt, kennzeichnet unser Gebilde zur 
Genüge als Unterlippe (Fig. 21b, k^). Die dorsale Platte derselben 
inseriert sich zugleich mit der Basis des Hypopharynx gelenkig an 
dem unteren Rande des chitinisierten Pharynx (Fig. 2 lb, fro). Das 
Innere der Unterlippe ist wie bei allen Dipteren mit zahlreichen 
Muskeln und mit Tracheen und Nerven erfüllt. — Die stark ge- 
wölbte untere Platte zeichnet sich durch ausserordentlich derbe 
Chitinisierung aus; namentlich ist ihr Boden, weniger ihre Seiten- 
teile, stark verdickt, sodass ihr Querschnitt das Bild einer Sichel 
giebt (Fig. 8 lb). Die Unbiegsamkeit der unteren Platte des Labium 
ist es denn auch, welche dem gesamten Saugrüssel die für einen 



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— 17 — 

• 

Einstich notwendige Widerstandsfähigkeit verleiht. An ihrer Basis 
nimmt die untere Platte an Querschnitt aufserordentlich zu, wölbt 
sich seitlich über die obere Unterlippenplatte bis zu dem Rücken 
der Oberlippe empor (Fig. 61b). Sie gewinnt dadurch den haupt- 
sächlichsten Anteil an der Bildung jener schon früher von mir er- 
wähnten flintenkolbenartigen Verdickung der Rüsselbasis. Bei vor- 
gestreckten Mundwerkzeugen liegen die Wandungen des Kopfkegels 
dieser Ampulle so dicht an, dass dem sich schnell verjüngenden 
Saugrüssel nur eine unbedeutende Öffnung für den Austritt bleibt. 
Die Rüsselbasis wird hierdurch in dem Kopfkegel etwa wie der 
Gelenkkopf in der Kapsel festgehalten und bei" dem Herausziehen 
des Rüssels aus der Wunde des Wirtes vor Abreissen vom Kopfe 
geschützt. Ferner bietet ihre grosse Innenfläche eine Menge von 
Insertionspunkten für Muskeln, welche sich nach der oberen Platte 



Letztere bildet ganz entsprechend ihrem Verhalten bei den 
anderen Dipteren auch in diesem Falle die tiefe Längsrinne, welche 
Hypopharynx und Oberlippe in sich aufnimmt. Von ihrer Ursprungs- 
stelle jedoch an soweit, als sie mit dem Hypopharynx verwachsen 
ist, tritt sie uns unter der Form eines flachen Bandes entgegen, 
welches den stark verdickten Seitenteilen der Oberlippe platt an- 
liegt (Fig. 5 lb). Erst nachdem der Hypopharynx frei geworden und 
die Oberlippe sich etwas verjüngt hat, umgreifen die Ränder der 
dorsalen Unterlippenplatte Hypopharynx und Oberlippe, und zwar 
so vollständig, dass nur ein wenn auch breiter Streifen der Rücken- 
wand der letzteren frei bleibt (Fig. 8). Diese Lücke ist schmal 
genug, um der Oberlippe bei ihrer geringen Nachgiebigkeit, sowie 
der der betreffenden Unterlippenwandungen den Austritt aus der 
Rinne zu versagen. Die Umfassung ist, wie früher schon hervor- 
gehoben wurde, unter normalen Verhältnissen eine untrennbare. 
Nur der Grad der Innigkeit dieser Umfassung kann, wie wir bei 
Besprechung des Bewegungsmechanismus sehen werden, je nach 
Umständen ein wechselnder sein. Hier sei nur bemerkt, dass an 
dem ruhenden Rüssel das Lumen der Rinne etwas geräumiger ist 
als an dem thätigen. 

Dasselbe wird daher in dem ersteren Falle von Oberlippe und 
Hypopharynx nur lose ausgefüllt, sodass dieser die Längsspalte des 
Nahrungsrohres nicht luftdicht schliesst, wie das bei dem in Action 
hefindlichen Rüssel durch Verengung der Unterlippenrinne erreicht 
wird. — Einen sehr verschiedenen Bau zeigen in ihren einzelnen 
Partien die Seitenwandungender Unterlippe. Von den Seitenteilen 
der oberen Platte springt dachartig je eine starke Längsleiste vor, 
von deren Innenfläche jederseits eine häutige Membran nach den 
wiederum äusserst starren Seitenwandungen der unteren Platte ver- 
läuft (Fig. 8). Diese membranöse Beschaffenheit der Seitenwandungen 
in ihrem mittleren Teil gestattet eine ziemlich beträchtliche gegen- 
seitige Annäherung und Entfernung der beiden Unterlippenplatten. 

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— Die fast allgemein verbreiteten Endlippen des Labium, welche 
wohl am besten als metamorphosierte Unterlippentaster gedeutet 
werden, finden sich auch bei Melophagus, wenngleich in sehr rudi- 
mentärer Form (Fig. 1, 3, 4 elb). Sie sind, wie die die Unterlippe 
zusammensetzenden Maxillen selbst, in der Medianlinie so vollkommen 
miteinander verwachsen, dass keine Spuren einer früheren Zwei- 
teilung zu finden sind. Gegen die stumpfe Spitze der Unterlippe 
sind die verwachsenen Endlippen nur durch eine Einkerbung des 
Chitins abgesetzt, eine gelenkige Verbindung ist nicht vorhanden. 

Die Seitenteile dieses unpaaren Organes sind nach oben bis zu 
gegenseitigem Uebereinandergreifen zusammengebogen (Fig. 9 elb). 
Die äusserste Spitze der Oberlippe und das über diese hinausragende 
Ende des Hypopharynx wird von diesem kurzen, nach vorn sich 
conisch verjüngenden Endlippenrohre umhüllt, und zwar kommt die 
Oberlippenspitze an den Rücken, der Hypopharynx dicht an den 
Boden zu liegen. In physiologischer Hinsicht bildet es den Anfang 
des Nahrungscanales, das Mundstück des gesamten Saugrüssels. Als 
solches ist es an der Spitze rings um seine Oeffnung mit einer 
Anzahl von harten Chitinzacken besetzt (Fig. 10 chz), welche bei 
dem Einstich die Oberfläche der Wunde ganz beträchtlich zu ver- 
grössern im stände sind. — Nunmehr ist der Weg, welchen die 
Nahrungsflüssigkeit innerhalb des „eigentlichen Rüssels" nimmt, voll- 
kommen bestimmt: Nachdem sie in die von den Endlippen gebildete 
Mündung eingetreten, fliesst sie durch den kurzen Endlippencanal 
über den der Bodenwand anliegenden Hypopharynx hinweg in das 
von diesem und der Oberlippe gebildete Rohr hinein. Da letztere 
an dem oberen Rande des Pharynx und ersterer an dem unteren 
gelenkig inseriert ist, so tritt die Nahrung hierauf in den ebitinösen 
Anfangsteil des Darmes über. An der Insertionsstelle der Oberlippe 
und des Hypopharynx haben wir somit die eigentliche Mundöflnung 
zu suchen. 

Nachdem wir im voranstehenden das chitinöse Substrat des 
Kopfkegels und des eigentlichen Rüssels kennen gelernt haben, 
wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit den oben noch nicht be- 
rücksichtigten innerhalb der Kopf kapsel gelegenen chitinigen Organen 
zu. Es fallt da in erster Linie das sogenannte Fulerum wegen 
seiner bedeutenden Entwicklung ins Auge. 

Das Fulerum. Der Vorderdarm ist bei allen Dipteren von 
der Mundöffnung an bis fast zum Schlundring mehr oder minder 
stark chitinisiert. Infolge seiner chitinösen Beschaffenheit hielten 
diesen Darmabschnitt ältere Forscher wie Gerstfeldt und andere 
denn auch für einen integrierenden Bestandteil der Mundwerkzeuge 
selbst. Menzbier 1 ) und Dimmock 2 ) erkannten dann seine wahre 

') Menzbier, Ueber das Kopfskelett und die Mundwerkzeuge der Zwei- 
flügler in Bull. Societ Imp. Nat. Moscou. 1880. 

*) Dimmock, The anatomy of the mouth-parts and of the sucking apparatus 
of some diptera. Boston 1881. 



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Natur und führten für den chitinös verdickten Pharynx den Namen 
„Fulerum" ein; Becher übersetzte diesen Namen passend mit 
„Schlundgerüst", und Meinert 1 ) endlich bezeichnet das verhornte 
Organ schlechthin als „Pharynx". — Das Fulerum der echten Mus- 
ciden und der ihnen nahe verwandten Dipteren ist dadurch aus- 
gezeichnet, dass von ihm starre Wandfortsätze ausgehen, die an 
der Kopfdecke einen Anheftungs- und Stützpunkt gewinnen. Das 
Schlundgerüst des Melophagus gehört unverkennbar zu diesem Typus. 
Es bestent wie bei Musca aus zweien Teilen, welche gelenkig mit- 
einander verbunden sind. Der vordere Abschnitt, bei Musca freilich 
nur als ein sehr unansehnliches Verbindungsstück zwischen den 
Mundwerkzeugen und dem Hauptteile des Fulerums entwickelt, ist 
bei Melophagus ein starrer sanft S förmig gekrümmter Hohlcylinder 
von beträchtlicherer Länge, als die zu seinen Seiten gelegenen 
Unterkieferspangen. An dem Cy linder befinden sich seitlich ein 
paar Chitincristen zum Ansatz von Musculatur, die Rückenwand 
dagegen ist nur schwach chitinisiert. Das Lumen des Cylinders, 
der Nahrungscanal, hat einen kreisrunden Querschnitt und ungefähr 
die Weite des Oberlippencanales. Die gelenkige Verbindung mit 
den Mundwerkzeugen und dem zweiten Abschnitte des Fulerums 
geschieht einfach dadurch, dass die Wandungen des chitinösen 
Pharynx an diesen Stellen dünn und weichhäutig bleiben. 

In der hinteren Partie des Schlundgerüstes entwickelt sich die 
untere und obere Wandfläche zu muschelschalenähnlichen Platten. 
Für gewöhnlich liegt die obere Platte mit ihrer convexen Seite 
dicht der coneaven Fläche der starren unteren Platte an (Fig. 3 
fpo, fpu). Infolge ihrer elastischen Beschaffenheit und ihrer federnden 
Verbindung mit der ventralen Platte kann die dorsale Wand jedoch 
durch Muskelzug weit abgehoben werden. Der ansehnliche Hohl- 
raum, welcher auf diese Weise zwischen den beiden Platten entsteht, 
ist der Nahrungscanal (Fig. 2 nk). Hinter den Fulcrumplatten 
verengt sich der nun häutig werdende Canal zur Bildung einer ein- 
fachen Speiseröhre, die sich nach abwärts wendet und zwischen dem 
Ober- und Unterschlundganglion hindurch nach dem Hinterhaupts- 
loche zuläuft (Fig. 2 oe). Zur Fixierung des gesamten Fulerums, 
sowie zur Insertion zahlreicher Muskeln des Rüssels dienen die den 
Seitenteilen der unteren Fulcrumplatte angehörigen für die Musciden 
charakteristischen zwei Clntinfortsätze. Bei Melophagus sind die- 
selben schmäler als bei Musca. Als zwei parallele Chitinstreifen 
(Fig. 4 sf) erstrecken sie sich bis in die Nähe des Vorderrandes 
der starren Chitinkapsel. An ihren oberen Enden werden sie durch 
einen jederseits etwas überragenden chitinösen Querbalken verbunden 
(Fig. 4 qf ). Dieser ist in seinem mittleren Teile ungelenkig an einem 
von der Decke der starren Kopfkapsel einspringenden Chitinzapfen 
in der Region zwischen den Antennen angeheftet. Die Befestigungs- 
stelle ist an dem Schädel auch äusserlich kenntlich, denn der 



') Meinert, Fluernes ilunddele (Trophi Dipterornm). Kjobenhavn 1881. 

2* 



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— 20 — 

Chitinzapfen erweist sich hier als eine trichterartige Einseiikung in 
der Chitinbekleidung des Kopfes (Fig. 2, 3 tr). Der Umstand, dass 
bei den Musciden das Fulerum weiter vorn an dem weichhäutigen 
Kopfkegel angeheftet ist, kann bei der innigen morphologischen 
Beziehung des letzteren zu der starren Kopfkapsel keinesfalls als 
ein tieferer Unterschied in dem Verhalten dieser Dipteren angesehen 
worden. 

Das Speichelrohr. Direct unterhalb der Insertion des Ful- 
erums an den Mundwerkzeugen tritt auch das Speichelrohr in den 
Hypopharynx hinein (Fig. 2, 3, 4 s). In seinem Verlauf nach dem 
Halse steigt es zunächst an der ventralen Wand des in der Ruhe- 
lage diagonal gestellten vorderen Fulcrumteilos empor, biegt darauf 
wieder nach rückwärts um und wendet sich, unterhalb des Unter- 
schlundganglions hinziehend, dem Hinterhauptsloche zu. Kurz nach 
seinem Durchtritt in den Thorax gabelt sich das Speichelrohr in 
zwei Aeste. Dieselben sind die Ausfuhrungsgänge zweier grosser 
schlauchförmiger Thoracalspeicheldrüsen, welche sich zu beiden 
Seiten des Darmes durch den ganzen Thorax unter vielfachen 
Windungen erstrecken. Diese Drüsen sind übrigens bei Melophagus 
die einzigen, welche zu den Mundwerkzeugen in Beziehung stehen. 
In seinem Anfangsteile soweit als es längs des Fulerums verläuft, 
hat das Speichelrohr eine tracheenähnliche Beschaffenheit. Es ist 
nach Tracheenart mit einer chitinigen Intima ausgekleidet (Fig. 12 s), 
welche in einem spiralig verlaufenden Streifen verdickt ist. Dieser 
Spiralfaden dient hauptsächlich zur Steifung des Speichelrohres. 
Aussen ist die Intima von flachem Plattenepithel umkleidet. Kurz 
bevor das Speichelrohr sich wieder rückwärts wendet, verjüngt es 
sich plötzlich ganz ausserordentlich zu einem sehr feinen Canal, der 
ebenfalls aus einer chitinösen Intima mit einem Epithelzellenbelag 
besteht, aber keinen Spiralfaden mehr zeigt. Diese Beschaffenheit 
behält nun das Speichelrohr in seinem ganzen weiteren Verlaufe. 
Vor seiner Verjüngungsstelle besitzt es eine Schliessvorrichtung 
(Fig. 12 dv). Die obere Wand ist nämlich hier bedeutend verdickt 
und eine Strecke weit eingedrückt, sodass sie als elastische Platte 
mit Federdruck gegen die untere Wandung wirkt. An ihrem 
hinteren Rande inserieren sich mit dünner sehnenartiger Basis zwei 
Muskeln, welche bei ihrer Contraction durch Heben efer elastischen 
Platte den Verschluss des Rohres öffnen und so dem Speichel das 
Weiterfliessen durch den tracheenähnlichen Teil des Speichelrohres 
und den Hypopharynx gestatten (Fig. 12 dds). Die Möglichkeit, 
dass der in Rede stehende Apparat als Druckpumpe wirken könne, 
vielleicht wie die sogenannte Wanzenspritze funktioniere, ist in der 
Construction desselben, namentlich in der Anordnung seiner Mus- 
kulatur, nicht gegeben. Kraepelin hat ihn schon bei Musca ganz 
richtig als ein einfaches Drosselventil oder einen Quetschhahn auf- 
gefasst. Das bewegende Moment, welches nach Hebung der 
elastischen Platte den Speichel fliessen macht, ist vielmehr in dem 
Drucke zu suchen, der durch fortgesetzte Secretion in den Speichel- 



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- 21 — 



drüsen und ihren Ausfuhrungsgängen erzeugt wird. Da beide von 
einer sehr resistenten chitinösen Intima ausgekleidet sind, und die 
Platte des Drosselventiles, nach dem bedeutenden Querschnitt der 
sie hebenden Muskeln zu schliessen, mit erheblicher Kraft gegen 
die untere Rohrwandung drückt, so dürfen wir annehmen, dass in 
den Drüsen ein ziemlich hoher Druck erzeugt werden kann, jeden- 
falls hoch genug, um zur geeigneten Zeit das Secret trotz des langen 
Weges, don es zurücklegen muss, und trotz der bedeutenden 
Reibungswiderstände, welche es in dem engen Hypopharynx findet, 
in der erforderlichen Menge in die Wunde gelangen zu lassen. 
Das Secret ist dünnflüssig und farblos, im geronneneu Zustande 

feiblich. In die Wunde gebracht erzeugt es, wenigstens beim 
[enschen, nur eine geringe bald wieder verschwindende Hyperhämie, 
wie etwa das Speichelsceret von Pulex irritans. 

Die Kopfblase. Endlich findet sich in dem Kopfe noch ein 
chitinöses Organ, dessen Gegenwart bei Melophagus und meist auch 
bei anderen sehr häufig untersuchten Dipteren bisher gänzlich über- 
sehen wurde. Ich habe oben bereits eines dunklen Streifens Er- 
wähnung gethan, welcher quer über . die Stirn laufend zwischen 
Augen und Antennen herabzieht (Fig. 1 Kb). An geeigneten Quer- 
und Längsschnitten erweist sich derselbe nur als äussere Andeutung 
einer in den Kopf nach hinten einspringenden tiefen Falte der Kopf 
decke. Die Hönlung unserer Falte communiciert mit der Aussen- 
welt durch einen Spalt, dessen Oeffnung nur wenig hoch ist, an 
Länge aber dem bogenförmigen Querschnitte der Falte gleichkommt. 
Gegen die Schädelhöhle ist che Falte vollkommen blind geschlossen. 

Die Chitinbekleidung derselben ist bedeutend verdickt; ja in der 
medianen Partie der Falte entwickelt sich von dem hinteren Rande 
eine starre Chitinleiste, welche weit in das geräumige Lumen hinein- 
ragt. Dieselbe ist, wie die Innenwandungen der Höhlung überhaupt 
und wie der mediane Teil der Stirndecke über der Falte, mit spröden 
dunkelbraunen, unregelmässig gestalteten, chitinösen Zacken und 
Dornen besetzt, welche im grossen Ganzen radiär angeordnet sind, 
wie die Krystalle in einer Druse. Die Anwesenheit dieser Chitin- 
dornen legt die Vermutung nahe, dass die Falte ein Sinnesorgan 
darstelle. Allein der Umstand, dass keine nervösen Elemente in 
ihrer Umgebung gefunden werden, vielmehr nur die gemeine Hypo- 
dermi8 darunter hinzieht, spricht gegen eine solche Anschauung. 
Wegen ihrer Lage direkt über den Chitinfortsätzen des Fulerums 
vermutete ich eine Zeit lang, die Frontalfalte möchte bei der Be- 
wegung des Rüssels, speciell des Fulerums, in irgend einer Weise 
eine Rolle spielen. Eine genaue Prüfung der Verhältnisse über- 
zeugte mich jedoch, dafs aas rätselhafte Organ völlig unbeteiligt 
bleibt. Schliefslich dachte ich noch an die Möglichkeit, dasselbe 
könne einen Apparat darstellen, mittels dessen sich der Parasit, 
wenn er saugen will, durch Einklemmen einiger Haare seines Wirtes 
gehörig fixiert. Wenn aber schon die Abwesenheit von Gelenk und 
Muskeln an der Falte gegen diese Annahme sprach, so wurde diese 



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— 22 - 



Deutung gänzlich illusorisch, als ich die Falte auch bei sehr vielen 
nicht parasitierenden Fliegen in gleich schöner Ausbildung vorfand 
und als einen der ganzen Gruppe der Muscarien eigentümlichen 
Charakter erkannte. Kraepelin, fast der einzige Forscher, der diese 
Falte kennt, hat sie von Musca im Längsschnitte abgebildet. Er 
hält sie für die „handschuhüngerartig nach innen gestülpte Kopf- 
blase". Ich glaube, dafs auch die Falte am Kopfe von Melophagus 
in der That nichts anderes ist, als das Rudiment des als Kopfblase 
bekannten Larvenorganes, welches beim Sprengen der Puppenkapsel 
eine Rolle spielt. Seine Gegenwart bei Melophagus liefert ein neues 
Document für die Verwandtschaft dieses Parasiten mit den Muscarien. 

Zum Schlüsse der Betrachtung des Kopfskelettes mögen noch 
einige Bemerkungen über die Antennen des Melophagus hier Platz 
finden. 

Die Antennen. Während Fabricius die Antennen wohl infolge 
ihrer versteckten Lage vollkommen übersehen hat, hält sie Pierre 
Lyonet »), der französische Advocat und berühmte Entomotom, welcher 
dieselben zum ersten Male eingehend untersuchte, wegen ihres merk- 
würdigen Baues für eigenartige Organe, welche vielleicht jedoch wie 
Antennen funktionieren könnten. Sie sind nach ihm aus drei in- 
einander geschachtelten, schuppigen Näpfen (vaisseaux ecaiUeux etc.) 
zusammengesetzt, und sollen beide durch einen im Inneren des 
Craniums kreisbogenförmig verlaufenden Canal miteinander commu- 
nicieren. Was diesen letzteren anbetrifft, so existiert derselbe gar 
nicht. Lyonet hat jedenfalls Teile der Kopfblase und des Fulerums 
als solchen angesprochen. Nitzsch 2 ) und Dufour 3 ) erkannten die 
Antennennatur der fraglichen Gebilde, doch bezeichnen ihre Unter- 
suchungen der Lyonotschen gegenüber insofern einen Rückschritt, 
als die Antennen nach ihren Angaben nur aus einem einzigen Gliede 
bestehen sollen. In zahlreichen späteren Werken, welche, meist 
rein systematischen Inhalts, nur sehr aphoristische Mitteilungen 
über die Fühler des Melophagus enthalten, werden selbige bald als 
ein-, bald als zwei- oder auch dreigliedrig angegeben. — 

Durch eine genaue anatomische Analyse konnte ich mich auf 
das bestimmteste überzeugen, dass die Antennen thatsächlich aus 
zwei Gliedern von sehr abweichendem Baue und sehr verschiedener 
Grösse bestehen. In ihrer natürlichen Lage erscheinen sie zunächst 
nur als zwei flache, kaum über das Niveau der Stirndecke sich er- 
hebende warzenförmige Buckel, welche seitlich von don ausserordent- 
lich schmalen Augen nach der Medianlinie hin, nahe dem Vorder- 
rande der starren Kopfkapsel gelegen sind. 

Isoliert man eine Antenne, so erkennt man alsbald den er- 



') Lyonet, Recherches sur l'anatomie et les metamorphoses de difförentes 
especes d'insectes. Paris 1832 p. 9—10. 

*) Nitzsch, Die Familien der Thierinsecten. Germar s Magazin der Ento- 
mologie, 1818. 

■J Dufour, Ann. des sc. nat. 1*™ s6rie Zool. T. X. 



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— 23 — 



wähnten warzenähnlichen Buckel als Teil eines grösseren anscheinend 
völlig ungegliederten sphäroidischen Chitinkörpers, der unter natür- 
lichen Verhältnissen in einer tiefen Grube verborgen liegt, welche 
von der sich taschenartig einsenkenden Kopfwand gebildet wird. 
Dieses scheinbar massive, zwiebeiförmige Gebilde ist die ganze 
Antenne. Schon durch eine einfache Behandlung mit aufhellenden 
Reagenzien werden jedoch im Inneren complicierte anatomische 
Verhältnisse sichtbar. Für das Studium derselben empfehlen sich 
am meisten Längsschnitte. Der zwiebelförmige Körper der Antenne 
ist, wie sich jetzt zeigt, inwendig hohl. Durch eine in seinem vor- 
deren Teile frei bleibende kreisrunde Öffnung, welche nur leicht 
durch überragende Chitinhaare verdeckt wird, communiciert der 
Hohlraum mit der Aussenwelt. In diesem findet sich ein niedriger 
Chitinkegel, welcher ungefähr in der Mitte seiner flächenhaft ver- 
breiterten Basis, der Aussenöffhung gegenüber, durch einen gelenk- 
bandähnlichen, kleinen Chitinring mit der aufgewölbten basalen 
Wand des zwiebelformigen Organes in Verbindung tritt. Der Kegel 
selbst ist am Ende mit einem chitinösen Griffel versehen (Fig. 14). 
In seiner oberen frei aus der Höhle hervorragenden, bandartig ab- 
geflachten Partie zerspleisst sich der letztere in eine Anzahl schmaler, 
langer Zacken. An der dem Kopfe des Tieres zugekehrten Fläche 
besitzt der Kegel ferner nahe seiner Basis eine grubenartige Ver- 
tiefung, die sich nach hinten in eine sanft gewundene, blind ge- 
schlossene Höhle ausweitet (Fig. 14 ca), deren Wandung mit einer 
Fortsetzung der Cuticulardecke bekleidet ist. 

Über das Integument der gesamten Antenne finden sich ver- 
schieden gestaltete, haarartige Chitinfortsätze verbreitet. Diejenigen 
an den peripherisch gelegenen Flächen sind vornehmlich Tastborsten 
von demselben Baue, vrie die an den Maxillartastern beschriebenen. 
Die kurzen Chitinstifte dagegen auf dem Kegel und in dessen Um- 
gebung, welche schon wegen ihrer versteckten Lage nicht als Tast- 
barsten funktionieren können, scheinen sich nach ihrem Baue den 
bei anderen Insekten als specifische Geruchshaare gedeuteten Organen 
anzuschliessen. Nur in dem gefiederten Endgriffel dürfen wir ein 
Tastorgan erblicken. 

Die Sinneshaare werden von hypodermalen Ganglienzellen in- 
nerviert. Auch das Lumen des Kegels, wie des zwiebelformigen 
Organes wird so von Ganglienzellen ausgefüllt, die durch eine dicke 
Nervenbrücke in dem Verbindungsstiele beider Constituenten in Zu- 
sammenhang stehen. Der Antennennerv entspringt seitlich am vor- 
deren Rande des Oberschlundganglions mit einer kleinen Anschwellung. 
Er wendet sich im Kopfe zunächst horizontal nach vorn, biegt dann 
aber plötzlich nach oben, um darauf durch das Lumen des Antennen- 
stieles in die Antenne selbst einzutreten (Fig. 14 ann). Die Anfügung 
der Antenne geschieht nicht centrisch, vielmehr finden wir oberhalb 
der Axe des zwiebelformigen Teiles der Körperoberfläche genähert 
ein kurzes, cylindrisches Stück (Fig. 14sta), welches die Insertion an 
dem Kopfe vermittelt. 



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Der dem Körper zugewandte Rand dieses ringförmigen Basal- 
teiles verdünnt sich zu einer elastischen Chitinmembran, deren 
ziemlich schmale dorsale Partie eine förmliche Gelenkhaut darstellt. 
Wesentlich andere Verhältnisse weist die weiche Chitinhaut an der 
gegenüberliegenden Fläche auf. Hier stellt dieselbe ein faltiges, 
längeres Band dar, welches offenbar die Bestimmung hat, dem 
chitinigen Ring und mit diesem der ganzen Antenne eine möglichst 
freie pendelnde Bewegung zu gestatten. 

Die Fühlermuskeln zeigen eine entsprechende Anordnung. Es 
sind deren zwei vorhanden. Der eine entspringt mit breiter Basis 
an der unteren Hälfte der concaven Fläche eines mit der Fühler- 
grube zusammenhängenden, im Inneren des Kopfes hinter der An- 
heftungsstello der Antenne gelegenen Skelettstückes. Von da zieht 
derselbe nach oben, um sich an dem frei in das Lumen des 
Antennenstieles hineinragenden hinteren Rande des starren Basal- 
ringes zu inserieren. Durch die Kontraktion des Muskels wird 
dieser Rand hinabgezogen. Da nun aber der Drehpunkt des An- 
tennenstieles eine kurze Distance weiter vorn Hegt als der Angriffs- 
punkt des Muskels, so bewirkt die Kontraktion eine Aufrichtung 
der gesamten Antenne. Wir werden also nicht fehlgehen, wenn 
wir diesen Muskel als Protrusor antennae bezeichnen. Der Anta- 
gonist desselben ist der in sagittaler Richtung verlaufende Muskel. 
Dieser Retractor antennae nimmt seinen Ursprung von dem näm- 
lichen Skelettstück wie der Protrusor, jedoch weiter oben. Sein 
schmales Ende heftet sich an dem starren unteren Rande des Chitin- 
ringes an. Da die Verbindung dieses unteren Randes mit der 
übrigen Körperwand durch eine gefaltete weite Chitinmembran ge- 
bildet ist, so wird die Wirkung des Muskels sich so äussern, dafs 
bei der Kontraktion der ganze chitinöse Ring, so weit es die schmieg- 
same Membran gestattet, der Kopfhöhle genähert, die Antenno also 
nach abwärts in die Antennengrube hineingezogen wird. Es ist 
daher nicht richtig, dass der Fühler des Melophagus, wie man be- 
hauptet hat, jeglicher Beweglichkeit entbehre. Allerdings ist der 
Spielraum für seine Bewegung ein verhältnismässig geringer, da die 
Aiitennenaxe ihre Lage höchstens um 45° verändern kann. Diese 
Winkelstellung genügt jedoch, um den Endgriffel und die in die 
grosse Höhle der Antenne führende Öffnung aus der Fühlergrube 
heraus über das Niveau der Kopfdecke zu heben und so die Sinnes- 
haare für Eindrücke von aussen zugänglich zu machen. Special- 
bewegungen können von einzelnen Fühlerteilen nicht ausgeführt 
werden. — 

Fragen wir jetzt nach der morphologischen Bedeutung der 
Hauptbestandteile der Antenne, des zwiebeiförmigen Organes und 
des Kegels, so weist die Art der Verbindung beider Teile, sowie 
die Erfüllung derselben mit Ganglienzellen darauf hin, dass beide 
Teile je einem Fühlergliede entsprechen. Die Wandung der er- 
wähnten grossen Antennenhöhle würde dann nichts anderes sein, 
als der mächtig entwickelte, seitlich das zweite Fühlerglied, den 



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Kegel, umgreifende vordere Rand des Grundgliedes. Für die Richtig- 
keit unserer Auffassung spricht der Bau der Antenne bei der ver- 
wandten Braula coeca. Hier besitzt der Fühler (Fig. 16, 17) eine 
Gestalt, welche den Ubergang von dem gewöhnlichem Verhalten 
bei den Brachyceren zu dem des Melophagus bildet. Das Grund- 
glied tritt an Grösse bedeutend hinter dem folgenden, dem End- 
gliede, zurück und hat das Aussehen eines abgestumpften Kegels, 
dessen Basis die vordere Fläche des Gliedes darstellt. Sie zeigt 
nur eine geringe Emporwölbung ihres Randes (Fig. 16), welche 
aber keineswegs zu einer Umfassung des Endgliedes fuhrt. Letzteres 
erinnert hinsichtlich seiner Grösse und Gestalt vielleicht mehr an 
das Fühlerendglied einer Muscide, als an das des Melophagus, hat 
aber mit letzterem den endständigen Griffel und die in den Körper 
des Gliedes sich einsenkende, gewundene Vertiefung (Fig. 16 ca) 
gemeinsam. Hiernach kann, wie ich glaube, die Zusammensetzung 
des Fühlers der Schaflausfliege aus zwei echten, wenn auch sehr 
merkwürdig gestaltenen Antennengliedern nicht mehr bezweifelt 
werden. Übrigens hat schon Lyonet diese Zusammensetzung richtig 
gesehen. Wenn derselbe trotzdem von drei Ftihlerpartieen spricht, 
so liegt das daran, dass er die Fühlergrube für das erste Antennen- 
glied gehalten hat. 

Ich habe bisher des öfteren Gelegenheit gehabt, verwandte 
Züge in dem Baue des Kopfskelettes unseres Parasiten mit dem der 
Musciden hervorzuheben. Betreffs der Fühlerbildung weichen beide 
Formen freilich, wie wir sehen, sowohl in der Zahl der Fühler- 
glieder als in der Gestalt und den Grössenverhältnissen derselben 
vollständig voneinander ab. Will man daher, wie dies bis jetzt fast 
allgemein geschehen ist, die systematische Stellung der verschiedenen 
Dipteren auf die Form, Länge und Gliederzahl ihrer Fühler gründen, 
so wird man dem Melophagus und seinen Verwandten trotz der 
Annäherung des Fühlers der Braula an eine Brachycerenantenne 
doch den eminenten Rang einer besonderen Unterordnung der Dip- 
teren nach wie vor einräumen müssen. Allein Brauer hat schon 
mehrfach überzeugend nachgewiesen, dass es dem heutigen Stande 
des Wissens nicht mehr entspricht, „an einem Systeme festzuhalten, 
welches nur auf Ein unsicheres Merkmal der vollkommenen Insekten 
(die Form, Länge und Gliederzahl der Fühler) gestützt ist", dass 
ein solches System „nur ein fehlerhaftes Bild von der Verwandt- 
schaft in der Ordnung der Dipteren giebt". Gerade hier, wo es 
sich um die Beurteilung der systematischen Stellung einer parasi- 
tären Fliege handelt, dürfen wir um so weniger Wert auf den Bau 
der Antennen legen, als ja bekanntermassen eine parasitäre Lebens- 
weise ganz allgemein in erster Linie auf die Sinnesorgane stark 
modificirend einwirkt. Bei der beträchtlichen Übereinstimmung, 
welche sonst in der Entwicklung und dem anatomischen Baue des 
Melophagus und der Musciden obwaltet, kann ich daher die Ver- 
schiedenheit der zweigliedrigen Antenne des Melophagus von dem 
Muscidenfühler nur für eine erst nachträglich erworbene, keineswegs 



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aber für eine fundamentale Erscheinung ansehen, und das um so 
mehr, als unter den Insekten gerade die Dipteren ohnehin schon 
eine Tendenz zur Verminderung der Gliederzahl ihrer Antennen 
zeigen. Die anatomischen Eigentümlichkeiten an dem Fühler der 
Schaflausfliege erklären sich aus der Lebensweise dieses Tieres 
vollkommen. Da dasselbe des Flugvermögens entbehrt, sich nur 
kriechend auf der Haut seines Wirtes bewegt, so brauchen die 
Fühler den Parasiten jeweilig immer nur über die Beschaffenheit 
der Umgebung innerhalb eines kleinen Umkreises zu orientieren; 
die Antennen können daher sehr kurz sein. Ferner bedürfen die 
antennalen Sinneshaare, insbesondere die Genichsorgane, eines ge- 
wissen Schutzes, damit sie nicht durch das Wollfett und zahllose 
in den dichten Wollhaaren des Schafes suspendierte Verunreinigungen 
beschmiert werden. Nicht genug darum, dass die Antenne in einer 
tiefen Fühlergrube liegt; das an seiner Peripherie ausschliesslich 
mit gröberen Haaren besetzte Grundglied schliesst auch noch das 
zweit« Glied mit den empfindlicheren Geruchshaaren in sich ein. 

Der Bewegungsmechanismus des Rüssels. Wir haben 
uns bisher vorwiegend mit der Anatomie der chitinisierten Bestand- 
teile des Kopfabschnittes von Melophagus beschäftigt. Um nun 
aber einen vollkommenen Einblick in den Bewegungsmechanismus 
des Rüssels zu gewinnen müssen wir auch die muskulösen Elemente 
mit in den Bereich unserer Betrachtung ziehen. 

Die Muskulatur des Rüssels zeigt eine sehr mächtige Ent- 
wicklung. Nach ihrer Wirkungsweise lassen sich die Muskeln in 
folgende Gruppen ordnen: 1. Muskeln für das Einziehen des Rüssels 
in die Kopfkapsel (Retractores proboscidis superiores, Retractores 
proboscidis inferiores, Levatores maxillarum, Retractores maxillarum). 

2. Muskeln für das Hervorstrecken des Rüssels aus der Kopf kapsei 
(Protrusores proboscidis, Depressores fulcri, Protrusores maxillarum). 

3. Muskeln für Einzelbewegungen von Teilen des eigentlichen 
Rüssels (Musculi labiales obliqui anteriores, Musculi labiales obliqui 
posteriores). 4. Muskeln für die Regulierung des Ausflusses des 
Speicheldrüsensecretes (Dilatatores ductus salivalis). 5. Muskeln für 
die Ueberleitung der Nahrungsflüssigkeit in den Darm (Dilatatores 
fulcri, Sphincter oesophagi). 

Behufs der Einziehung des Rüssels in die Kopf kapsel treten in 
erster Linie zwei Muskelpaare in Thätigkeit, welche durch ihre 
ausserordentliche Länge vor den übrigen auffallen. Beide Paare 
nehmen ihren Ursprung von der hinteren Wand der starren Kopf- 
kapsel, und zwar die Muskelstränge des einen (Fig. 2 rps) nahe der 
Medianebene des Kopfes oberhalb, die des anderen (Fig. 2 rpi) weiter 
seitlich unterhalb des Hinterhauptsloches. Die ersteren, die Retrac- 
tores proboscidis superiores, ziehen an dem Ober- und Unterschlund- 
ganglion, welch letztere, von Tracheen umgeben, gegen Druck 
geschützt sind, vorbei unterhalb des Fulerums nach den Mund- 
werkzougen hin, um sich an der Verbindungsstelle der Unterlippe 
mit dem Kopfkegel nahe bei einander zu inserieren. 



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Die unteren Refraktoren dagegen, das zweite dieser beiden 
Muskelpaare, begeben sich geraden Weges nach der Ursprungs- 
stolle der Oberlippe. Sie waren Meinert 1 ) bereits bekannt und 
wurden von ihm als „Musculi retractores hypopharyngis" bezeichnet. 
Da dieselben jedoch zu dem Hypopharynx gar nicht in Beziehung 
stehen, und nur den Rüssel in toto zurückzuziehen vermögen, so 
möchte ich sie auch lieber, analog den oberen Retraktoren, als 
Retractores proboscidis inferiores bezeichnen. 

Dem Zuge, welchen die vier Retraktoren auf den Rüssel aus- 
üben, wird nun durch das chitinöse Fulerum, dessen vorderer Teil 
(Fig. 2 fro) einen Hebel repräsentiert, eine ganz bestimmte Richtung 
erteilt. Bevor ich jedoch zur Besprechung dieser Bowegungsweise 
tibergehe, hebe ich nochmals hervor, dass der vordere röhrenartige 
Teil des Fulerums durch Charniergelenke mit dem Rüssel und den 
Fulcrumplatten verbunden ist, die letzteren dagegen ohne jede 
Gelenkverbindung mittelst zweier Chitinfortsätzo an der Kopfdecke 
befestigt sind. 

Während nun die Fulcrumröhre infolge ihrer Ginglymoidal- 
gelenke ausgiebige pendelnde Bewegungen in der Medianebene des 
Kopfes vornehmen kann, gestattet die federnde Beschaffenheit der 
erwähnten Chitinfortsätze (Fig. 4 sf) dem hinteren Fulcrumstücke 
eine nur kleine Verschiebung nach unten oder oben. Bei voll- 
kommen entfalteten Mundwerkzeugen liegen die Rüsselbasis, die 
Fulerum röhre und die Fulcrumplatten fast in einer geraden Linie, 
welche der Axe des Kopfes parallel läuft. Während des Einziehens 
des Rüssels dreht sich mm cGe Fulcrumröhre nach unten und hinten 
um die etwas nach oben ausweichenden Fulcrumplatten. Das frei 
bewegtiche Ende derselben beschreibt dabei einen Kreisbogen von 
ungefähr 130 — 140°, sodass es mit der ihm gelenkig inserierten 
Rüsselbasis, welche natürlich dieser Bewegung folgen muss, in den 
hintersten ventralen Winkel des Kopfes zu liegen kommt. Die 
Fulcrumröhre selbst erhält so eine diagonale Lage innerhalb der 
Kopfkapsel (Fig. 3 fro). Bei der relativ geringen Höhe der Schädel- 
höhle stösst die lange Fulcrumröhre mit ihrem frei bewegÜchen 
Ende und der Basis des eigentlichen Rüssels beim Rück- und Vor- 
ziehen gegen die untere Kopfwand. Letztere würde nun die 
pendelnde Bewegung hemmen, wenn sie nicht weichhäutig und 
ausserordentlich elastisch wäre, sodass sie, unter dem Drucke der 
Chitinteile ausweichend, in ihrer medianen Partie jedesmal eine Mulde 
bildet, in welcher die erweiterte Unterlippenbasis, umhüllt von der 
geschmeidigen Wandung des Gesichtskegels, leicht hingleitet. 

Um im Speziellen die Art und Weise kennen zu lernen, wie 
die vier Retraktoren das Einziehen des Rüssels bewerkstelligen, 
empfiehlt es sich zuerst zu untersuchen, welche Wirkung jedes der 
beiden Muskelpaare für sich allein hervorzubringen vermag, und 



») Meinert, Fluernes Munddele. Kjobenhavn. 1881. Tab. 6. Fig: 23c 



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darauf nach dem Effect eines gleichzeitigen Zusammenwirkens aller 
vier Retraktoren zu fragen. 

Wir nehmen darum zunächst an, dass sich bei vollkommen 
ausgestrecktem Rüssel nur das obere Muskelpaar contrahiere. Die 
Axe der FulcrumrÖhre bildet mit der Zugrichtung der beiden 
Retraktoren einen spitzen Winkel, der sich nach hinten öffnet. Da 
nun dieser Fulcrumteil einen Hebelarm darstellt, der in seinem 
Aufhängepunkt an den Fulcrumplatten beweglich ist, und die Zug- 
richtung, in welcher die beiden oberen Retraktoren an der Basis 
des eigentlichen Rüssels angreifen, oberhalb des Fulcrumrohres 
verläuft, so würde dieses letztere mit seinem unteren Ende einen 
Kreisbogen nach oben beschreiben müssen. Eine Bewegung in 
diesem Sinne ist aber unmöglich, weil die Retractores superiores 
dicht nebeneinander an der unteren Fläche des vorderen Fulcrum- 
stückes hinlaufen. Ueberdies schliesst auch der Bau des Gelenkes 
zwischen den beiden Fulcrumteilen und die gesamte Configuration 
des Kopfes eine Knickimg nach oben aus. Der einzige Effekt, 
welchen diese Muskeln unter solchen Umständen erzielen könnten, 
ist, da sie sich nicht in der Axe des Rüssels sondern unterhalb 
derselben an der Unterlippe inserieren, eine Abwärtsdrehung des 
eigentlichen Rüssels. Für diesen Zweck sind aber noch ander- 
weitige Einrichtungen vorhanden. Bei der mächtigen Entwickelung 
dieser Muskeln ist es daher sehr unwahrscheinlich, dass ihre Haupt- 
bedeutung in einer so untergeordneten Leistung zu suchen sei. 
Ein genaues Studium der unteren Retraktoren gieot denn auch zu- 
gleich weiteren Aufschluss über die ganze Wirkungsweise des 
oberen Muskelpaares. 

Denken wir uns dieses letztere erschlafft und die Retractores 
proboscidis inferiores dagegen in Thätigkeit tretend (Fig. 2 rpi). 
Ihre Zugrichtung bildet mit der FulcrumrÖhre bei ausgestrecktem 
Rüssel ebenfalls einen nach hinten offnen spitzen Winkel. Die 
Angriffsrichtung der Muskeln stellt jedoch in diesem Falle den 
unteren Schenkel des Winkels dar. Die FulcrumrÖhre wird daher 
bei der Kontraktion unter dem Drucke der Basalteile des eigent- 
lichen Rüssels eine Bewegung nach unten und hinten ausfuhren, 
während die gesamte Wandung des Kopfkegels, dem mechanischen 
Zuge des in die Kopfhöhle zurückweichenden Rüssels nachgebend, 
sich handschuhfingerartig einkrempelt. Da sich die unteren Retrak- 
toren im Gegensatz zu den oberen über der Axe des Rüssels an 
den Seitenteilen der Oberlippenbasis inserieren, so bewegen sie den 
Rüssel während des Zurückziehens in seinem Drehpunkte an dem 
Fulcrumhebel gleichzeitig nach oben gegen diesen Teil des Schlund- 
gerüstes hin. Hat sich mm dieser letztere ungefähr um 90° gedreht, 
so muss die Thätigkeit unserer Retractores inferiores erlöschen, da 
dieselben sich etwa auf ein Dritteil ihrer ursprünglichen Länge 
verkürzt haben. 

Dagegen haben die oberen Retraktoren ihre Länge während- 
dessen nur sehr wenig verändert. Wohl sind ihre vorderen 



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Insertionspunkte weiter nach hinten gerückt; die Annäherung der- 
selben an die hinteren Fixationsstellen, welche hieraus gefolgt 
wäre, wurde jedoch durch eine gleichzeitig erfolgende Verschiebung 
nach unten zum grössten Teil wieder compensiert. Das Hebelstück 
des Schlundgerüstes schliesst jetzt mit den oberen Retraktoren einen 
nach oben offenen Winkel ein, und zwar bildet die Zugrichtung 
derselben in dieser Lage den hinteren Schenkel. Es wird sich 
daher durch die nachträgliche Kontraktion der Retractores supe- 
riores die Drehung des Fulcrumhebels, welche durch die unteren 
Retraktoren erzielt wurde, noch um ein beträchtliches, ungefähr um 
40 — 50°, vergrössern. Der eigentliche Rüssel wird hierdurch zu 
zwei Dritteilen seiner Länge in die starre Kopfkapsel hineinbewegt, 
wobei die Einstülpung des Gesichtskegels in entsprechender Weise 
fortschreitet, bis zuletzt auch der die Unterkiefer tragende basale 
Teil dieses Conus eingekrempelt wird. Letzterer Vorgang bleibt 
natürlich auf die relative Lage der Maxillartaster nicht ohne Ein- 
flus8. Während sich der Boden, dem sie eingepflanzt sind, nach 
unten einstülpt, werden die Maxillartaster, in diese Bewegung 
hineingezogen, im Bogen nach abwärts gedreht. Sie umschliessen 
alsbald in der früher ausführlich geschilderten Weise den vorderen 
Teil des Rüssels, welcher der sackähnlichen Umhüllung durch den 
eingestülpten Gesichtskegel und des Schutzes der harten Kopf- 
kapsel entbehrend, frei aus dem Kopfe hervorragt. Da jetzt die 
Basis des Rüssels den äussersten ventralen Winkel der Kopfhöhle 
einnimmt, werden alle vier Insertionspunkte der unteren Retraktoren 
dicht bei einander gefunden. Aus dieser gegenseitigen Annäherung 
erklärt sich die sonderbare schlingen- oder ösenartige Gestalt, 
welche die erschlafften Bäuche dieser Muskeln bei eingezogenen 
Mundwerkzeugen zur Schau tragen (Fig. 3 rpi). 

Die eigenartige Anordnung der oberen Retraktoren allein 
ermöglicht es, dass der Parasit seinen Rüssel bis an die Wand des 
Occiput zurückziehen kann, ohne dass weitere Muskeln dazu not- 
wendig würden, welche sich dann hinter der Kopfbasis, etwa im 
Thorax, inserieren müssten. 

Erwägen wir endlich noch die Eventualität, dass alle vier 
Retraktoren zu gleicher Zeit in Thätigkeit treten, so geht aus dem, 
was über ihre relative Lage zu den chitinösen Teilen des aus- 
gestreckten Rüssels gesagt wurde, hervor, dass die beiden Muskel- 
paare sich in diesem Falle wie Antagonisten verhalten würden, das 
eine Paar würde die Wirkung des anderen beeinträchtigen oder 
gar aufheben. Es ist somit zweifellos, dass beide Muskelpaare 
thatsächlich nur hintereinander in Aktion treten können, um in der 
oben geschilderten Weise das Einziehen des Rüssels zu bewerk- 
stelligen. 

Während der Mechanismus für das Einziehen der Mundwerk- 
zeuge bei den verwandten Musciden in mannigfacher Beziehung dem 
des Melophagus ähnelt, wird das Hervorschieben des Rüssels bei 
beiden Dipterenformen in grundverschiedener Weise bewerkstelligt. 



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Bei den echten Musciden genügt nach Kraepelin 1 ) der gewöhnliche 
Inspirationsmechanismus, mit dessen Hilfe die zusammengedrückten 
Luftsäcke des Kopfes von den Bruststigmen aus mit Luft geschwellt 
werden, zur Hervortreibung des Rüssels. 

Wie so häufig bei parasitären Insecten sind nun die Tracheen- 
blasen im Kopfe des Melophagus verhältnismässig schwach ent- 
wickelt. Das Hervorschieben der Mundwerkzeutre wird daher bei 
unserem Tiere ebenfalls von zwei Paaren kräftiger Muskeln besorgt, 
womit übrigens nicht gesagt sein soll, dass die Luftsäcke des Kopfes 
gänzlich unbeteihgt bleiben. Die Anwesenheit dieser Muskeln 
erscheint für den Parasiten um so notwendiger, als sein Rüssel 
behufs Versenkung in die Haut des Wohntieres gegen die Unterlage 
mit einer gewissen Kraft drücken muss, während Musca mit ihrem 
Rüssel nur zart tastet. Ein Blick auf Figur 3 genügt, um uns in 
dem die Kopfhöhle diagonal durchziehenden Muskel pp sofort den 
Hauptmotor erkennen zu lassen. Von den Seitenteilen des Quer- 
balkens, in dessen Mitte der gesamte Fulcrumapparat an der Kopf- 
decke angeheftet ist, spannen sich die Stränge dieses Muskelpaares 
nach der Ursprungsstelle der Oberlippe aus und inserieren sich 
hier direkt über den Fixati onsstellen der unteren Retraktoren. Bei 
seiner Kontraktion dreht daher das sich um mehr als die Hälfte 
seiner anfanglichen Länge verkürzende Muskelpaar (Fig. 2 pp) die 
Basis des Rüssels mit dem frei beweglichen Fulcrumstück nach 
vorn. Dasselbe durchläuft mit dem Anfangsteil des Rüssels auf 
diese Weise in umgekehrter Richtung, gleich einem Pendel, dieselbe 
Bahn, welche es früher beim Einziehen der Mundwerkzeuge zurück- 
legte. Nach dieser Wirkungsweise bezeichne ich die in Rede 
stehenden Muskeln als Protrusores proboscidis. 

Da die Basis des eigentlichen Rüssels infolge ihrer bedeutenden 
ampullenartigen Erweiterung nicht durch das enge Lumen des ein- 
gestülpten Gesichtskegels hindurchzuschlüpfen vermag, so muss sie 
gegen die Wandungen des letzteren einen Druck ausüben, und zwar 
macht sich dieser in der Weise geltend, dass die zwiebelartige Er- 
weiterung der Rüsselbasis gleich einem Stempel die Wandungen 
des Koptkegels vor sich herschiebt. Infolgedessen beginnt sich 
zuerst der basale Teil des weichhäutigen Conus, also diejenige 
Partie, welche beim Einziehen zuletzt eingestülpt wurde, handschuh- 
fingerartig wieder herauszustülpen. Da nun dem dorsalen Teile 
der Kopfkegelbasis die das Rüsselende umschliessenden Unterkiefer- 
taster aufsitzen, werden dieselben sogleich beim Beginn der Hervor- 
Streckung des Rüssels seitlich sich etwas auseinandergeben und 
eine drehende Bewegung nach der Stirn zu machen (Fig. 3, 1, 2 t). 
Der Rüssel selbst gleitet mit seiner convexen Rückenfläche an der 
oberen Wandung des sich allmählich entfaltenden Kopfkegels hin. 
Infolge dieser Anlehnung ist der Weg, welchen die Rüsselspitze 

') Kraepelin, Zur Anat. und Physiol. des Rüssels von Mnsca. 1883. Zeitachr. 
f. wiss. Zool. Bd. 39. p. 697, 698. 



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zurücklegt, vollkommen vorgezeichnet. Bei der hyperbolischen Ge- 
stalt des Saugorgans niuss sich dieselbe in einer entsprechenden 
Kurve nach abwärts bewegen. Nach beendeter Kontraktion der 
Protrusoren haben Fulcrumröhre und Rüsselbasis bereits die für die 
ausgestreckten Mundwerkzeuge charakteristische Lage innerhalb 
einer Geraden angenommen. Zur vollständigen Entfaltung des 
Rüssels bedarf es jetzt nur noch einer kleinen Verschiebung des 
gesamten chitinösen Apparates in gerader Richtung nach vorn. 
Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass der obere mit der Kopf- 
kapsel ungelenkig verbundene Teil des Fulerums sich in seinen 
elastischen lateralen Querbalken infolge Muskelzuges nach unten 
und vorn biegt und diese Bewegung auf die übrigen Chitinstücke 
des Rüssels überträgt. Man bezeichnet die zwei Muskeln, welche 
den Widerstand überwinden, den die federnden Chitinbalken des 
Fulerums - dieser Verschiebung entgegensetzen, wohl am besten als 
Depressores fulcri. Dieselben (Fig. 2, 3 df) ziehen von den Seiten- 
teilen der völlig starren hinteren Fulcrumplatte nach dem Kopfkegel, 
um sich jedeSeits an der dünnen Haut desselben nahe der Urne, 
welche den Kegel und die starre Kopfkapsel begrenzt, zu befestigen. 
Die grösste Verkürzung der Depressores fulcri beträgt nur ungefähr 
ein Fünftel ihrer anfanglichen Länge. 

Bei den echten Musciden finden sich übrigens ein Paar ganz 
ähnlicher Muskeln, welche von Meinert und Dimmock auch als 
Protraktoren des Rüssels in Anspruch genommen wurden; nach 
Kraepelins eingehender Untersuchung sind sie jedoch Retraktoren. 
Ihr Arrangement bei Melophagus speziell lässt es aber zweifellos 
erscheinen, dass sie sich hier an der Protrusion des Rüssels be- 
teiligen. 

Sobald nun die Rüsselspitze gegen die Haut des Wirtes stösst, 
würde infolge des Widerstandes der letzteren der eigentliche Rüssel 
in seiner gelenkigen Verbindung an dem Fulcrumrohr taschen- 
messerartig gegen dasselbe nach oben geknickt werden, wenn nicht 
noch ein weiterer Mechanismus vorhanden wäre, welcher durch 
Erzeugung eines Druckes auf die Rückenfläche des Rüssels die Ein- 
senkung desselben in die vascularisierte Cutis des Wirtes hinein 
gewährleistete. 

Aus der früheren Darstellung wissen wir, dass zu den Seiten 
des vorderen Fulcrumteiles zwei lange Chitinspangen, die Basalstücke 
der rudimentären Unterkiefer, gelegen sind (Fig. 2 mx). Ihre knopf- 
artig verdickten vorderen Enden artikulieren auf dem Rücken des 
Rüssels an den Seitenteilen der Oberlipponbasis. Die abgeflachten 
hinteren Enden liegen dagegen ohne jede chitinige Verbindung frei 
in der Kopfhöhle. Nichtsdestoweniger aber entspringen von ihnen 
drei Paare Muskeln. — Das mächtigste derselben bildet die Pro- 
trusores maxillarum, zwei breite flächenhafte Muskeln; welche in 
schräger Richtung nach dem vorderen Teile der Fulcrumröhre 
ziehen und sich hier jederseits längs einer Chitincrista an der 
Fulcrumröhre inserieren (Fig. 2, 3 pmx). Bei der Kontraktion üben 



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sie einen Zug in der Richtung ihres Verlaufes auf die freien 
Spangenenden aus. Dieselben werden jedoch durch die Artikulation 
der Maxillen an dem Rüssel verhindert, sich in dieser Richtung zu 
verschieben. 

Um uns die Wirkungsweise des Protrusor maxillae klar zu 
veranschaulichen, können wir die in der Richtung des Muskels 
wirkende Kraft in zwei Componenten zerlegt denken, und zwar in 
eine solche, welche in der Richtung der Maxille wirkt, und in eine 
zweite, die schräg nach abwärts gerichtet ist. Die letztere sucht 
die Maxille hebelartig um den Articulationspunkt an dem Rüssel 
herabzudrehen. Die auf diese Weise erzielte Bewegung ist nur eine 
sehr geringe; sie findet ihre Grenze in der Dehnbarkeit des Levator 
maxillae (Fig. 2, 3 lmx), eines Muskels, welcher, ebenfalls von dem 
freien Ende der Maxille entspringend, nach der Kopfdecke empor- 
zieht und sich nahe der Insertionsstelle des Protrusor proboscidis 
an dem Querbalken des Schlundgerüstes fixiert. Die erstere, hori- 
zontale Componente sucht die Maxille nach vorn zu schieben. 
Infolge ihrer Artikulation an der Oberlippenbasis drückt die Kiefer- 
spange mit ihrem knopffbrmigen vorderen Ende von oben gegen 
den Küssel; derselbe wird dadurch in seinem Gelenk an dem Ful- 
erum nach abwärts gedreht. So lange, als die Kontraktion anhält, 
ist eine Knickung des Rüssels nach oben ausgeschlossen. Je stärker 
die Maxillarspangen auf die Oberlippenbasis drücken, um so leichter 
vermag die Rüsselspitze den Widerstand zu überwinden, welchen 
die Haut des Wirtes ihrem Eindringen entgegensetzt. Der letzt- 
erwähnten Componente wirkt ein äusserst kurzer Muskel, der 
Retractor maxillae, entgegen (Fig. 3 rmx), Er spannt sich von dem 
äussersten Rande des freien Spangenendes nach der hinteren 
Fulcrumplatte aus, an der er sich seitlich inseriert. 

Aus dem, was über die Funktion der Levatores und der Re- 
tractores maxillarum angeführt wurde, geht hervor, dass sich diese 
beiden Muskelpaare bei ihrem Zusammenwirken wie Antagonisten 
der Protrusores maxillarum verhalten. Sie unterstützen somit die 
Retractores proboscidis inferiores bei der Drehung des eigentlichen 
Rüssels nach oben. — Hierin erschöpft sich jedoch keineswegs ihre 
ganze Bedeutung. Wenn man den Melophagus während des 
Kriechens beobachtet, so gewahrt man, dass er das von den Unter- 
kiefertastern umschlossene vordere (nicht einziehbare) Rüsselstück, 
sobald sich diesem irgend ein Hindernis, ein Haarbüschel oder der- 
gleichen, in den Weg legt, aus seiner medianen Lage heraus je 
nach Umständen nach der rechten oder linken Seite gegen den 
quer verlaufenden Vorderrand der starren Kopfkapsel emporklappt. 
Der Mechanismus dieses seitlichen Umschlagens des Rüssels ist 
nun folgender: Contrahiert sich bei eingezogenem Rüssel nur auf 
einer Seite der Retractor und der Levator maxillae, so muss die 
zugehörige Kieferspange einen einseitigen Zug nach oben auf die 
Oberlippenbasis ausüben, infolgedessen der gesamte eigentliche 
Rüssel in seiner eigenen Axe um 90° rotiert, während seine elastische 



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Gelenkverbindung am Fulerum eine entsprechende Torsion erfahrt. 
Durch eine gleichzeitige Kontraktion des Protrusor maxillae der 
anderen Seite werden die eben genannten Muskeln noch unterstützt. 
Die Kiefertaster, jeder selbständigen Bewegung entbehrend, folgen 
rein mechanisch dem Zuge der Küsselspitze. 

Nachdem wir somit die Muskulatur, welche den Rüssel als 
Ganzes bewegt, kennen gelernt haben, gehe ich jetzt zu der Be- 
schreibung der Muskeln über, welche Spezialbewegungen einzelner 
Teile des Rüssels bewirken. 

Von den Teilen des eigentlichen Rüssels ist nur die Unterlippe 
mit besonderen Muskeln versehen. Dieselben haben in ihrer An- 
ordnung viel Ähnlichkeit mit denjenigen in den Unterkieferladen 
der Lepidoptern. — Von der Binnenfläche der löffelartigen basalen 
Erweiterung der unteren Platte des Labium zieht eine grössere 
Zahl von Muskelfasern (Fig. 2, 3 mlp) diagonal nach der oberen 
Decke der Unterlippe. Die Wirkungsweise dieser Musculi labiales 
obliqui posteriores ist leicht einzusehen. Da die seitlichen Wandungen 
der Unterlippe eine dünnhäutige und elastische Beschaffenheit haben, 
so bedingt der schräge Verlauf der sich kontrahierenden Basal- 
muskeln eine Verschiebung der unteren Labialplatte nach vorn. 
Die obere Platte ist durch ihre Artikulation an dem Fulerum fixiert. 
Sie übt daher auf die mit den kranzförmig angeordneten Chitin- 
zacken versehene Verbindungsmembran (Fig. 10) an der Spitze des 
Rüssels, an der beide Platten zusammenkommen, einen Zug nach 
hinten, bezüglich innen aus. Die Zacken werden infolgedessen aus 
ihrer Seitenstellung (Fig. 10) nach vorn bewegt, sodass sie mit ihren 
Rändern zu einem Kegel zusammenschliessen. In diesem Zustand 
wird die Bewaffnung der Rüsselöffnung in der Ruhelage des Rüssels 
gefunden. Zu einer Spitze zusammengelegt, werden die Chitin- 
zacken die Haut des Wirtes mit dem geringsten Kraftaufwand 
durchbohren können. Wir dürfen darum annehmen, dass dieselben 
ihre gedrängte Stellung auch während der Einsenkung zunächst bei- 
behalten. 

Erst wenn die Mundwerkzeuge in das blutfuhrende Corium 
eingedrungen sind, erst hier, wo es gilt, eine Wunde von möglichst 
grossem Umfang zu erzeugen, werden sich die Zacken nach allen 
Seiten spreizen. Zu diesem Zwecke verschiebt sich die untere Platte 
des Labium nach hinten und übt dabei jetzt ihrerseits auf die 
elastische Membran der Spitze nach aussen und hinten einen Zug 
aus, welcher die Drehung der Chitinzacken in ihre Seitenstellung 
zur Folge hat. Entsprechend ihrer den basalen Unterlippenmuskeln 
entgegen gerichteten Wirkungsweise zeigen die Muskeln für das 
Zurückschieben der unteren Labialplatte, die Musculi labiales obliqui 
anteriores, auch eine entgegengesetzte Anordnung. Ebenfalls das 
Binnenlumen der Unterlippe diagonal durchsetzend (Fig. 2, 3 mla), 
kreuzen sie die Richtung der Musculi labiales obliqui posteriores. 
Neben der horizontalen Verschiebung der unteren Platte erzielen 
die Musculi labiales obliqui anteriores gleichzeitig eine sehr be- 

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trächtliche gegenseitige Annäherung beider Platten. Bei der Kon- 
traktion dieser Muskeln legen sich nämlich die nach oben gebogenen 
starren Ränder der stark chitinisierten unteren Platte in die beiden 
lateralen Rinnen an der oberen Platte, welche von dieser selbst und 
zwei seitlichen, dachartig abfallenden Leisten gebildet werden. Die 
Seitenwandungen des Labium weichen dabei infolge ihrer häutigen 
Natur in den Binnenraum der Unterlippe aus und falten sich mehr 
oder minder stark zusammen. Da die Kontraktion der Muskeln noch 
fortschreitet, drücken jetzt die starren Ränder der unteren Platte 
gegen die Innenflächen der oben erwähnten lateralen Leisten. In- 
folgedessen krümmen sich die Seitenteile der oberen Platte stärker 
nach innen gegeneinander, während die mittlere Partie der oberen 
Decke noch um ein weniges der unteren Platte genähert wird. Das 
Halbrohr, welches die obere Labialplatte bildet, wird durch die 
stärkere Krümmung der Wandungen natürlich verengt. Oberlippe 
und Hypopharynx , welche dasselbe vorher nur locker ausfüllten, 
werden jetzt von ihm fest umspannt. Der bekanntermassen aus 
Labrum und Hypopharynx zusammengesetzte Nahrungscanal erhält 
so den erforderlichen Schluss für die Leitung des flüssigen Blutes. 

Auch für die Ventilierung des Speichelganges findet sich ein 
Muskelpaar, sogar von verhältnismässig bedeutendem Querschnitte. 
Von der früher beschriebenen Verschlussplatte des Speichelganges 
mit sehnenartiger Basis entspringend, ziehen beide divergierend nach 
den Seitenteilen der hinteren starren Fulcrumplatte. Bei ihrer Kon- 
traktion lösen sie durch Emporheben der elastischen Platte den 
Verschluss des Speicheldrüsenganges. Ich nenne dieselben daher 
Dilatatores ductus salivalis (Fig. 2 dds). 

Was nun den Bewegungsmechanismus der Nahrungsflüssigkeit 
in dem Saugrohr und weiter bis zum Darm anbelangt, so haben 
wir denselben in der mächtig entwickelten Muskulatur des Fulerum 
zu suchen. Ähnlich wie bei den Musciden spannt sich auch bei 
unserem Parasiten zwischen der federnden vorderen Platte des 
Fulerums und dem an der Kopfdecke befestigten Querbalken des 
Schlundgerüstes ein starkes Muskelpaar (Fig. 2, 3 fm) aus. Kontra- 
hiert sich dasselbe, so wird die obere Platte weit von der unteren 
abgehoben. Die Lage der letzteren ist durch die seitlichen Balken 
des Fulerums (Fig. 4sf), welche gewissermassen als Steifen dienen, 
fixiert. Je grösser der Raum ist, welcher durch die Entfernung 
beider Platten voneinander entsteht, mit um so grösserer Gewalt 
wird jetzt das Blut aus der Wunde, welche der Parasit seinem 
Opfer geschlagen hat, auf dem früher beschriebenen Wege in den- 
selben hineinströmen. Tritt dann später eine Erschlaffung der 
Muskeln ein, so würde sich, falls dieselbe die ganze Masse der 
Muskeln gleichzeitig beträfe, die obere Platte des Fulerums parallel 
zur unteren herabsenken und die Nahrung nach beiden Enden des 
Kanales hintreiben. Dabei müsste, da die Mündung des häutigen 
Darmes höher gelegen ist, als die der Fulcrumröhre , die grosseste 
Menge des aufgesogenen BluteB wieder in den vorderen Fulcrumteil 



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zurückweichen. Eine so unzweckmässige Einrichtung widerspricht 
jedoch dem allgemeinen Naturgesetz der Sparsamkeit. Wir dürfen 
darum auch sicher annehmen, dass die Erschlaffung der Diktatoren 
in Wirklichkeit zuerst anöden vorderen Fasern beginnt und nach 
den hinteren allmählich fortschreitet, sodass sich die elastische Platte 
in ihrer vorderen Partie zuerst senkt, gleich einem Ventil den vor- 
deren Zugang schliesst und bei dem weiteren Niedergang dann die 
Nahrungsflüssigkeit nach hinten und oben in den häutigen Oeso- 
phagus presst. Letzterer ist nahe der Übergangsstelle in die Fulerum- 
platten von einem Muskel (Fig. 2, 3 soe) umgürtet, welcher offenbar 
die Aufgabe hat, von dem Momente an, in welchem sich die elastische 
Platte von neuem zu heben beginnt , durch seine Kontraktion den 
Darm gegen das Fulerum abzuschliessen und dadurch ein Zurück- 
strömen der Nahrung zu verhindern. Erst wenn sich das Lumen 
zwischen den Platten mit neuer Nahrung gefüllt hat, und der 
Niedergang der beweglichen Fulcrumdecke in der eben beschriebenen 
Weise wieder eingeleitet wird, dann öffnet sich der Zugang zu dem 
Oesophagus infolge der Relaxation des Sphincter oesophagi, um das 
nach hinten drängende Blut aufzunehmen. Indem sich nun das 
Spiel der Muskeln in der angegebenen Weise mehr oder weniger 
oft wiederholt, kann der Parasit zur Stillung seines Nahrungs- 
bedürfnisses eine beliebige Menge von Blut in seinen Darm befördern. 
Aus den geschilderten Verhältnissen ersehen wir, dass der Aufstieg 
des Blutes im Nahrungskanal nach dem Princip einer Druckpumpe 
geschieht. In der That finden wir alle wesentlichen Bestandteile 
einer solchen in der Konstruktion des Pumpwerkes wieder. Das 
Lumen zwischen den beiden Fulcrumplatten (Fig. 2nk) entspricht 
dem Cylinder der Pumpe, in welchem der bewegliche Stempel, die 
obere Fulcrumplatte (Fig. 2 fpo) auf- und absteigt. Der Oesophagus 
(Fig. 2, 3oe) stellt das Steigrohr dar. Als Bodenventil funktioniert 
das vordere Ende der oberen Fulcrumplatte, während der Sphincter 
oesophagi (Fig. 2, 3 soe) die Rolle des Steigrohrventiles spielt. 

Hiermit sind wir am Ende unserer Betrachtung von Rüssel und 
Kopfskelett des Melophagus ovinus angelangt. Trotz des speciellen 
Charakters unserer Untersuchung haben wir durch sie doch zugleich 
ein Bild von dem allgemeinen Aufbau und Mechanismus des Hippo- 
boscidenkopfes und Rüssels erhalten, denn die übrigen Hippobosci- 
dae Lch. zeigen mit Melophagus eine so weitgehende Überemstinimung, 
dass letzterer als Paradigma für alle Vertreter dieser Familie 
gelten darf. 



Lipoptena cervi, Hippobosca equina und Anapera pallida. 

Bei Lipoptena Ntz. cervi Sehn., Hippobosca Lin. equina Lin. 
und Anapera Mg. pallida Lch. finde ich den Rüssel aus genau den- 
selben Teilen zusammengesetzt, wie bei Melophagus; auch die Mus- 
kulatur zeigt dieselbe Anordnung. Differenzen im einzelnen sind 

3* 



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natürlich vorhanden; dieselben beziehen sich jedoch nur auf rela- 
tive Grössenunterschiede in der Ausbildung der einzelnen Organen- 
teile. So sind die Mundteile von Lipoptena cervi etwas zarter, die- 
jenigen von Hippobosca equina derber gebildet als bei Melophagus 
ovinus. Verhältnismässig kurz, aber von sehr bedeutendem Quer- 
schnitt ist der Rüssel der Anapera pallida. Diese Verschiedenheiten 
scheinen mir in einer spezifischen Anpassung der Rüssel unserer 
Lausfliegen an die Beschaffenheit der Haut der jedesmaligen Wirts- 
tiere begründet zu sein. Während die drei erstgenannten Pupiparen 
ausschliesslich oder doch zumeist auf Säugetieren schmarotzen, lebt 
die Anapera pallida auf Vögeln (Schwalben). Der Vogel besitzt 
nun von allen Wirbeltieren die dünnste Haut; ein Rüssel zur Durch- 
bohrung dieser Haut braucht daher nur kurz zu sein. Da ferner 
die Cutis der Vögel nur schwach vascularisiert ist, so bedarf es 
hier, um sicher Blutgefässe zu treffen, einer umfänglicheren Ver- 
wundung als bei der Säugetierhaut, in der die Kapillaren dichter 
beieinander liegen. Das Saugorgan der Anapera hat daher einen 
ansehnlichen Querschnitt. 

Die starren Kopfkapseln von Lipoptena, Hippobosca und Anapera 
haben im Verhältnis zu der sphenoidisch gestalteten des Melophagus 
ein rundes Ansehen. Dasselbe wird durch die bedeutendere Ent- 
wickelung der Facettenaugen bedingt, welche die ersteren Laus- 
fliegen, die nur temporäre, bezüglich periodisch stationäre (Lipoptena 
cervi) Schmarotzer sind, vor dem vollkommen stationären Parasiten 
Melophagus auszeichnet. Lipoptena cervi trägt auf ihrem Scheitel 
überdies noch drei Ocellen, welche die Spitzen eines gleichschenke- 
ligen Dreieckes einnehmen. — Die Kopfblase zeigt bei allen Hippo- 
bosciden die gleiche Bildung. Auch die Antennen weisen denselben 
Bau auf, wie bei der Schaflausfliege. Überall umfasst das Grund- 
glied der zweigliedrigen Antenne mit seinem mächtig entwickelten 
vorderen Rande becher- oder flaschenartig das zweite Glied. Eine 
eigenartige, ganz excessive Entwickelung hat das Basalglied der 
Antenne von Anapera pallida erfahren, indem hier der dorsale Teil 
des vorderen Randes zu einem gewaltigen, ohrmuschelähnlichen 
Chitinlöffel ausgezogen ist (Fig. 15 chl). Er hat an der Antenne in 
situ eine vornüber geneigte Stellung und verdeckt so den Zugang zu 
dem zweiten Glied, sowie den frei hervorragenden Endgriffel dieses 
letzteren (Fig. 15egr). Die Oberfläche des Chitinlöffels ist mit einem 
Walde von starken Tastborsten (Fig. 15 th) besetzt. Bei seiner be- 
deutenden Längserstreckung vertritt das Gebilde functionell vielleicht 
die Maxillartaster, welche bei Anapera an Länge zurücktreten, vor- 
nehmlich aber dient es den zarten Sinneshaaren des zweiten An- 
tennengliedes zum Schutze. 

Bei meiner Untersuchung habe ich bislang vollständig vermieden, 
auf die Ansichten früherer Autoren über den morphologischen Wert 
der einzelnen Teile des Pupiparenrüssels einzugehen. Die auf- 
gestellten Ansichten sind, wie schon früher angedeutet, überaus 
mannigfaltig und gehen oft weit auseinander. Ich glaubte die 



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Discussion derselben deshalb im Interesse der Übersichtlichkeit 
meiner Darstellung bis auf diesen Zeitpunkt aufschieben zu sollen. 

Namentlich haben die von uns als Unterkiefertaster erkannten 
seitlichen Hüllklappen des eigentlichen Rüssels eine überaus ver- 
schiedene Deutung erfahren. So halten De Haan 1 ) und Meinert 2 ) 
dieselben für eine zweiteilige Oberlippe, Duges 3 ), Westwood 4 ), New- 
port 5 ) und Gerstfeldt 6 ) sehen in ihnen die Maxillen, während Krae- 
pelin 7 ) glaubt, dass sie gar nichts mit den Mundwerkzeugen zu 
thun haben, sondern „eine paarig gewordene kegelförmige Ver- 
längerung des Kopfes" darstellen, welche der Ausrandung an der 
Spitze des Stirnkegels von Rhingia und den stark vorspringenden 
Wangenteilen mancher Conopiden entsprechen soll. Zetterstedt 8 ) 
dagegen nähert sich in etwas unserer Auffassung, indem er die 
Klappen wenigstens als „Pseudopalpi" oder „Vagina bivalvis loco 
palporum" gelten lässt. Nitzsch 9 ), Latreille 10 ) und Becher 11 ) endlich 
erklären sie wie wir für Maxillartaster, die beiden ersteren Autoren 
freilich ohne ihre Ansicht genügend zu begründen. 

Was den Gesichtskegel anbetrifft, so ist derselbe von keinem der 
früheren Autoren, Becher vielleicht ausgenommen, als solcher erkannt 
worden. De Haan 12 ) bezeichnet ihn mit der ampullenartigen Er- 
weiterung des Labium zusammen als -levre inferieure u . Newport 13 ) 
hält den dorsalen und ventralen Rand der Basis des eingestülpten 
Kopfkegels für Ober- und Unterlippe. Meinert 14 ) bezeichnet diese 
Partien als scutum dorsale und scutum ventrale metameri secundi. 
Ferner spricht er von zweien styli laterales epipharyngis. Ein Blick 
auf Fig. 22 c der Tab. VI. seines zuletzt citierten Werkes zeigt uns 

*) De Haan in der Tafelerklärung zu Planche I, Fig. 5 von Pierre Lyonets 
Recherches sur I'anatomie et les mötamorphoses de diff6rentes especes d'insectes 
1832: „levres snperieures distantes". 

*) Meinert, Flnernes Munddele. 1881. Tab. VI: „AJae epipharyngis". (Als 
epipharynx bezeichnet Meinert stets das Labrum.) 

») Duges, Annales des sc. nat. 1&™ sene, 1832. T. 27. p. 152. 

*) Westwood, An introduction to the modern Classification of insects. London, 

1840. 

•) Newport, Todd's Cyclop. of Anatomy and Physiology. Vol. II. p. 906 
bis 907. Fig. 381. 

•) Gerstfeldt, Die Mundtheile der sangenden Insecten. Dorpat, 1853. p. 38. 

*) Kraepelin, Über die systematische Stellung der Puliciden. Hamburg, 
1884. p. 6. Anmerkung. 

8 ) Zetterstedt, Diptera Scandinaviae disposita et descripta. Lundae, 1842. 
I. p. 8 u. 82. 

•) Nitzsch, Germar's Mag. m. Halle, 1818. p. 285 und 307. 
*•) Latreille, Cuvier's Thierreich von Voigt. Leipzig, 1831. V. p. 670. 
") Becher, a. a. O. p. 155. 
") a. a. 0. p. 547. Planche I. Fig. 6, 7. MN. 
") a. a. 0. p. 907. 
•*) a. a. 0. Tab. VI. Fig. 22. 



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sofort, dass dieselben nichts anderes als ein paar Falten sind, welche 
an dem Gesichtskegel beim Einziehen entstehen. 

Die Unterkieferspangen hat nur Becher in unserem Sinne auf- 
gefasst. Die übrigen Autoren erwähnen sie entweder gar nicht oder 
rechnen sie doch nicht zu den eigentlichen Mundwerkzeugen; so 
De Haan und Gerstfeldt. Bei Meinert 1 ) figurieren sie als Styli 
motorii hypopharyngis. 

Das Fulerum wird noch von Gerstfeldt 2 ) für eine solide Chitin- 
gräte, welche den beiden seitlichen Gräten (unseren Maxillarspangen) 
analog gebildet sei, angesprochen. Erst Meinert hat seine Bedeutung 
festgestellt. 

Kaum weniger bunt ist das Bild, welches die Auffiihrung der 
morphologischen Erklärungsversuche der Teile des eigentlichen 
Rüssels bietet. Meigon 8 ) scheint den Saugrüssel für eine einzige 
Borste zu halten, denn er bezeichnet ihn kurz mit „Zunge". 
De Haan 4 ) lässt ihn aus zwei ineinandersteckenden Röhren be- 
stehen, welche von den Maxillen und ihren Tastern gebildet werden 
sollen. Nach L. Dufour 5 ) wird er von einer feinen elastischen 
Röhre (langue tubuleuse), welche in einem zweiten hornigen Rohre 
mit anscheinend gezähnter Mündung steckt, gebildet. Das gezähnte 
Rohr ist offenbar unsere Unterlippe, die langue tubuleuse wahr- 
scheinlich die Oberlippe, während Dufour dagegen die Existenz des 
Hypopharynx jedenfalls seiner ausserordentlichen Feinheit wegen 
entgangen ist. Auch Latreille 6 ) glaubt, dass der eigentliche Rüssel 
nur aus zwei einander anliegenden Borsten sich zusammensetzt. 
Duges 7 ) dagegen lässt ihn aus vior Teilen, Kolenati 8 ) sogar aus 
fünf Borsten bestehen. Die beiden letzteren Autoren glauben unter 
den Constituenten auch mehr oder minder wohl entwickelte Man- 
dibeln aufgefunden zu haben. Dagegen constatiort die überwiegende 
Zahl der Autoren ganz richtig das vollständige Fehlen der Man- 
dibeln und die Zusammensetzung des eigentlichen Rüssels nur aus 
den drei Borsten: Oberlippe, Hvpopharynx und Unterlippe; so 
Nitzsch^jWestwood^jjGerstfeldt'^jLeuckarti^^raepelin^^jBecher 14 ). 



') a. a. 0. Tab. VI. Fig. 23. 
J ) Gerstfeldt, a. a. 0. p. 40. 

8 ) Meigen, Systematische Beschreibung der bekannten europ. zweiflügligcn 
Insehten. VI. Hamm, 1830 p. 228. 
*) a. a. O. p. 547 und PI. 1. Fig. 9. 

•■>) Dufour, Ann. des sc. nat. 3™» serie, 1845. T. III. p. 53. 
•) Cuviers Thierreich. V. p. 670. 
7 ) a. a. 0. p. 152. 

») Kolenati, Beiträge zur Kenntniss der Phtbirio-Myiarien, 1862. p. 46. 

») a. a. 0. p. 285. 
,0 ) a. a. ü. 
") a. a. 0. p. 39. 

"j Frey und Leuckart, Lehrbuch der Anatomie der wirbellosen Thiere. 
1847. p.20. 

»») a. a. 0. p. 6 und Tafel Fir 9 



Fig. 

U J a. a. 0. p. 155 und Taf. IV. Fig. 31b. 



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- 39 - 



Auch Newport 1 ), welcher Labrnm und Labium bereits in dem dor- 
salen und ventralen Rande der Kopf kapsei vertreten sieht, glaubt 
trotzdem die obere und untere Borste des Säugrüssels wenigstens 
als Teile der Ober- und Unterlippe, als „elongated portions u der- 
selben ansprechen zu müssen. Die mittlere Borste bezeichnet er 
als lingua. Meinert 2 ) endlich, welcher, wie schon hervorgehoben, 
die Maxillartaster für die Oberlippe („alae epipharyngis") ansieht, 
betrachtet in sehr willkürlicher und* gezwungener Weise die obere 
Borste als „hypopharynx" und die mittlere als „pars hypopharyngis 
posterior". Die Unterlippe ist sein „scutum proboscidis", ihre End- 
lippen die „labella". 

Diese Übersicht zeigt uns, dass es hauptsächlich die unzureichende 
Kenntniss von dem anatomischen Baue des Gesichtskegols und der 
anatomischen Anordnung der verschiedenen Rüsselteile, speciell der 
Unterkiefertaster an diesem Conus gewesen ist, welche die ausser- 
ordentlich weitgehenden Widersprüche der Autoren hervorrgerufen 
hat. Eine besondere Kritik der einzelnen Auffassungen glaube ich 
hier um so weniger unternehmen zu sollen, als sich schon in der 
ausfuhrlichen Begründung meiner eigenen Ansicht vom Baue des 
Pupiparenrüssels Momente genug finden, welche die Berechtigung 
der abweichenden Meinungen in Frage stellen. 



Braula coeca und Nycteribia Leachii. 

An die Betrachtung der Hippobosciden schliesse ich die von 
Braula coeca Ntzsch. und Nycteribia Leachii? Knt. 

Die Braula coeca, dieser sonderbare Schmarotzer der Honig- 
biene, ist zum ersten Male von dem französischen Naturforscher 
Reaumur 8 ) im Jahre 1740 als „eine Art Läuse" beschrieben worden. 
Nitzsch 4 ) bezeichnete die Bienenlaus dagegen im Jahre 1818 auf 
Grund „einer gewissen leicht bemerkbaren Ähnlichkeit im Habitus 
mit den Hippobosken" als ein „genus Dipteris affine". 35 Jahre 
später beseitigte sodann Egger 5 ) noch die letzten gewichtigen Be- 
denken, welche gegen die Dipterennatur unseres Schmarotzers 
sprachen, indem er die Angaben Nitzsches, dass die Braula coeca 
Rudimente von vier Fühlern, sowie einen in zwei Segmente geteilten 
Thorax besitze, als irrtümliche zurückwies. Da Egger unseren 
Parasiten jedoch nicht einer der damals bereits bekannten Familien 
der Abteilung Pupipara, nämlich den Hippoboscida und Nycteribida, 



») a. a. 0. p. 907. 

2 ) a. a. O. Tab. VI. Fig. 23 a, b, c u. s. w. 

*) Reaumur, M6moires pour servir ä l'histoire des insectes. Tome V. p. 711. 
Paris, 1740. 
♦) a. a. O. 

8 ) Egger, Beiträge zur besseren Kenntniss der Braula coeca Ntzsch. Verb, 
des zool.-bot. Vereins in Wien. Bd. III. p. 403, 404. 1853. 



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einreihen zu können glaubte, so schuf er für das Genus Braula eine 
neue Familie, welche er Braulida nannte und den obigen Familien 
gleichstellte. Braula coeca ist bis heute der einzige Vertreter dieser 
Familie geblieben. Über die verschiedenartige Beurteilung, welche 
die Nycteribien in Hinsicht auf ihre systematische Stellung im Laufe 
der Zeit erfahren haben, habe ich schon im Eingang meiner Arbeit 
gesprochen. 

Nach meinen vergleichend anatomischen Untersuchungen ist es 
mir sehr wahrscheinlich, dass die drei Pupiparenfamilien, Hippo- 
boscidae, Nycteribidae und Braulidae, nicht gleichen Wert haben, 
und dass sie in der angegebenen Reihenfolge das gegenseitige natür- 
liche Verhältnis dieser Fliegengruppen nicht richtig zum Ausdruck 
bringen. 

Der mit sehr dickem, braunrotem Chitin bekleidete Kopf der 
Braula coeca Ntzsch. stellt eine Kugelcalotte von sehr geringer Höhe 
dar. Das Occiput ist daher scheibenförmig. Ungefähr in seiner 
Mitte befindet sich das weite Hinterhauptsloch. Über die ganze 
vordere Fläche des Kopfes sind Borsten verstreut (Fig. 17), welche 
an den Seitenteilen des Untergesichtes sich durch grössere Länge 
auszeichnen und hier bartartig herabhängen. Da die Borsten 
innerviert werden, so funktionieren sie jedenfalls als Tasthaare. 
Oberhalb der Antennen zieht quer über die Stirn eine sanft ge- 
wellte Linie. Dieselbe bezeichnet den Eingang zu der Kopfblase 
(Fig. 18 kb), welche sich hier in ganz gleicher Entwickelung, wie 
bei den Hippobosciden, wiederfindet, sowohl was ihre relative 
Mächtigkeit, wie ihren Verlauf belangt. Hierdurch bekundet die 
Bienenlaus sehr augenfällig ihre enge Verwandtschaft mit den Mus- 
ciden und Hippobosciden. Ganz anders dagegen die Nycteribia 
Leachii? Klnt. Ihr mattgelber, kahler, äusserst frei beweglicher 
Kopf besitzt auch nicht die geringste Andeutung einer Kopfblase. 

Die Fledermausfliegen werden daher wahrscheinlich mit den 
Hippobosciden und BrauHden nicht gleichen Ursprungs sein. Während 
die beiden letzteren Familien wohl ziemlich sicher von den echten 
Musciden abstammen dürften, werden die Nycteribien wohl von 
einer anderen Fliegengruppe herzuleiten sein, welche aber ebenfalls 
zu den Cycloraphen gehören wird, soviel sich aus den wenigen 
Andeutungen, die wir über die Entwicklungsgeschichte der Ny- 
cteribien besitzen, entnehmen lässt. Mit dieser Ansicht über die 
Phylogenie der Braula und Nycteribia stimmt auch die ganze 
äussere Erscheinung dieser Fliegen. Während Braula den ge- 
drungenen Leib der Musciden hat, ist Nycteribia schlank und trägt 
ein Paar sehr fremdartiger Analanhänge. — Augen habe ich an 
der Nycteribia Leachii nicht gefunden; dagegen verdient die Braula 
das Prädikat „coeca" nur in soweit, als sie nur ein sehr schlecht 
entwickeltes Sehvermögen besitzt. Blind ist sie jedoch nicht; denn 
entgegen den bisherigen Angaben ist sie mit zwei kleinen Augen, 
welche oberhalb der Antennen gelegen sind, ausgestattet (Fig. 17 o). 
Nach ihrer Localisierung entsprechen diese Augen den Facetten- 



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äugen der übrigen Dipteren. Ihr dioptrischer Apparat ist nur sehr 
mangelhaft entwickelt. Das Chitin der Kopfdecke ist an den be- 
treffenden Stellen etwas dünner und durchscheinend. Im Umkreis 
dieser Stellen, die eine eliptisclie Form haben und keine Spur von 
Facettenbildung erkennen lassen, ist das Chitin zu einem dunklen 
Ringwall verdickt. Ommatidien finden sich unter der unvoll- 
kommenen Cornea nicht. Auf Schnitten gewahren wir nur, ähnlich 
wie auf frühen Entwicklungsstadien des Insectenauges, einen Haufen 
von Hypodermiszellen, welche eine Tendenz zu einer radiären An- 
ordnung zeigen (Fig. 19o). Auch Pigment ist nicbt vorhanden. 
Doch tritt zu diesen rudimentären Augen von dem oberen Schlund- 
ganglion je ein schwacher Nervus opticus heran, welcher nahe seiner 
Verbindung mit denselben zu einem kleinen Ganghon anschwillt. 

Der Bau der Antennen zeigt bei Nycteribia vollkommene Ueber- 
einstimmung mit den Hippobosciden, während bei Braula die eigen- 
artigen Züge des Hippoboscidenfühlers nicht so stark ausgeprägt 
sind. Doch glaube ich nicht, dass man daraus Schlüsse auf die 
nähere oder entferntere Verwandtschaft der einzelnen Formen ziehen 
darf. Ich möchte die Erklärung für die grosse Convergenz der 
Hippobosciden und Nycteribien bezüglich der Fühlerbildung vielmehr 
in der grossen Uebereinstimmung ihres parasitären Lebens dem- 
jenigen der Braula gegenüber suchen. Meines Erachtens deuten 
wenigstens alle die originellen Eigenschafton des Pupiparenfühlers, 
wie die versteckte Lage, die Reduktion der Zahl der Antennen- 
glieder und die mehr oder minder weitgehende Umfassung des 
Endgliedes durch das Grundglied, darauf hin, dass sie erst secun- 
däre Erwerbungen des parasitären Lebens sind. Die Antennen der 
Braula sind nun offenbar viel weniger gefährdet, besonders weniger 
Verunreinigungen ausgesetzt, als die der übrigen Lausfliegen, welche 
zwischen den Haaren und Federn der grösseren Wohntiere leben; 
die Fühler der Bienenlaus sind dem entsprechend nur etwa bis zur 
Hälfte in zwei seitlichen Taschen der Kopfbekleidung versenkt 
(Fig. 17 an). Das Grundglied der Antenne und das grössere End- 
glied mit dem Griffel sind bier nebeneinander sichtbar; ein Umstand, 
welcher Nitzsch jedenfalls verführte, Rudimente zu vier Fühlern 
bei Braula anzunehmen. Die Antennenmuskulatur zeigt bei Braula 
und Nycteribia die gleiche Anordnung wie bei den übrigen 
Pupiparen. 

Die gleiche Convergenz der Charaktere findet sich bei Hippo- 
bosciden und Nycteribien auch hinsichtlich der Rüsselbildung, 
wenigstens soweit der Rüssel den verwundenden Apparat darstellt. 
Das zarte Saugrohr der Nycteribien ist aus denselben Teilen wie 
bei den Hippobosciden, aus Oberlippe, Hypopharynx und Unterlippe, 
zusammengesetzt. Auch die Gestalt der einzelnen Stücke und ihre 
Beteiligung bei dem Saugakte ist ganz die gleiche, nur sind die 
Mundteile nicht gekrümmt und viel kürzer. Auch der Kranz von 
Randzähnen an der Spitze der verwachsenen Endlippen des Labium 



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fehlt nicht. Er wurde von früheren Autoren nur tibersehen. Da- 
gegen fehlen an dem Fulerum die für die Musciden und Hippobos- 
ciden charakteristischen Chitinfortsätze. Ebenso ist die als Kopfkegel 
bezeichnete weichhäutige Verlängerung des Untergesichtes, welche 
bei den Hippobosciden so ausserordentliche Dimensionen annimmt, 
nur sehr kurz imd nicht einstülpbar. Die Verbindung derselben 
mit dem eigentlichen Rüssel geschieht ähnlich wie bei Stomoxys 
noch unterhalb der harten Kopfkapsel. Infolge ihrer geringen Ent- 
wicklung gestattet diese Verbindungsmembran dem Rüssel nur sehr 
geringe Excursionen, ein Mangel, der durch die ausserordentlich 
freie Beweglichkeit des Kopfes ersetzt wird. Von der Rüsselbasis 
ragen in das Kopf innere ein Paar Chitingräten hinein, welche wahr- 
scheinlich als Unterkieferrudimente zu deuten sind. Zwei grosse 
lang beborstete cylindrische Gebilde, welche dem verlängerten 
Untergesichte aufsitzen, sind vermutlich die Unterkiefertaster; doch 
umschliessen dieselben bei den Nycteribien das Saugorgan auch in 
der Ruhelage nicht. An dem Speichelrohr fand ich die für die 
Hippobosciden beschriebene Schliessvorrichtung .wieder. Ebenso 
zeigt die Muskulatur des Nycteribienrüssels im wesentlichen die- 
selbe Anordnung wie bei den Hippobosciden, nur ist sie nicht so 
reichlich entwickelt. Ich fand nur ein Paar Retractores probos- 
cidis auf, das nach seiner Lage dem oberen Retraktorenpaar bei 
Melophagus entspricht. 

Was endlich die Mundwerkzeuge der Braula coeca anbelangt, 
so weichen dieselben in ihrer äusseren Erscheinung sehr auffallend 
von denen der übrigen Pupiparen ab. An dem tief ausgeschnittenen 
vorderen Rande des Untergesichtes ist mittelst eines weichen Chitin- 
gelenkes eine clypeusartige halbmondförmige Platte von starkem 
Chitin befestigt (Fig. 17 u. 18 cl). Hierauf folgt eine kurze, kegel- 
förmige weichhäutige Verlängerung des Untergesichtes, der Kopf- 
kegel, welcher in der Ruhelage vollkommen eingezogen ist. Von 
ihm entspringt der eigentliche Rüssel. Dieser stellt einen kurzen 
gedrungenen stark chitinisierten Hohlkegel dar, der senkrecht 
zur Körperaxe des Tieres nach unten gerichtet ist. An dem 
vorderen Ende trägt derselbe ein Paar ovale zarte etwas aufgewölbte 
Blätter, welche oberflächlich mit zarten Borsten besetzt sind 
(Fig. 17 elb). Mit ihren Rändern gegeneinander liegend bilden 
diese Blätter in der Ruhe einen kleinen Hohlzapfen, der gewöhnlich 
senkrecht zu dem Rüssel nach hinten an die Unterseite des Kopfes 
angeschmiegt getragen wird. Querschnitte und Längsschnitte lassen 
leicht die Zusammensetzung des „eigentlichen Rüssels" aus den- 
selben Teilen wie bei den Hippobosciden, Oberlippe, Hypopharynx 
und Unterlippe (Fig. 20 u. 18 lbr, hy, lb) erkennen, aus Teilen, 
die hier offenbar auch die gleichen Funktionen haben. Die eben 
besprochenen Blätter am Rüsselende erweisen sich als zur Unter- 
lippe gehörig und entsprechen sicher den Labellen der Musciden. 
Endlich erkennen wir in den kurzen kolbigen, äusserst stark be- 
borsteten Gebilden, welche von den Seitenteilen des Clypeus her 



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sich über den Rüssel hinweglegen, die Unterkiefertaster wieder 
(Fig. 17 t). Sie stehen bei unserem Tiere, wie der Schnitt auf 
Fig. 21 zeigt, mit den Unterkiefern selbst (mx) noch in direktem 
Zusammenhang. Die letzteren sind zarte Spangen, welche zu den 
Seiten der Ober- und Unterlippe gelegen sind. Wie bei manchen 
Musciden sind sie vorn zart beborstet. Eine Bedeutung bei dem 
Saugakte haben diese rudimentären Unterkiefer wohl nicht. — 
Betreffs der Verwundung der Bienen durch die Braula hat man 
beobachtet, dass der Parasit stets dünne wenig chitinisierte Körper- 
stellen, namentlich die Gelenkhäute, aussucht. Hierin liegt wohl 
auch der Grund, warum er besonders gern die Bienenköniginnen 
heimsucht, deren Gelenkhäute zwischen den einzelnen Körper- 
segmenten ja infolge der bedeutenden Entwickelung der Ovarien 
immer mehr oder minder frei zu Tage liegen. 

Die zarten Endlippen haben jedenfals wesentlich tastende 
Funktion; sie beteiligen sich nicht bei der Verwundung, sondern 
legen sich wahrscheinlich seitlich auseinander, während die hohl- 
meisselähnliche Unterlippe mit den beiden anderen Stiletten die 
Chitindocke des Wirtes durchbricht. 

Das Fulerum ist wie bei den Musciden mittelst seitlicher 
Chitinhörner an der Kopfdecke befestigt. 

Die Rüsselmuskulatur stimmt mit der des Melophagus im ganzen 
überein. Doch findet sich wie bei Nycteribia auch hier nur ein 
Paar Retractores proboscidis. Dafür besitzt aber der Gesichtskegel 
eine eigene Muskulatur, welche sich zwischen seiner oberen Wand 
und dem Clypeus ausspannt (Fig. 18 mkg). An dem Speichelrohr 
fehlt bei Braula ein besonderes Quotschventil. Der Abschluss wird 
hier einfach durch eine Knickimg, welche das Speichelrohr während 
der Ruhelage erfährt, erreicht (Fig. 18 s). 

Am Schlüsse meiner Abhandlung möchte ich nicht unerwähnt 
lassen, dass meine Ansicht von der Muscidennatur der Hippobos- 
ciden und Brauliden nicht bloss durch die vergleichend anatomischen 
Verhältnisse des Kopfskelettes und dio Entwicklungsgeschichte ge- 
stützt wird sondern auch durch den Umstand, dass in der Natur 
thatsächlich Vertreter des Genus Musca vorkommen, welche, ob- 
gleich sie ein freies Leben führen, eine ganz ähnliche Brutpflege 
üben wie die Pupiparen, wie das aus den Mitteilungen Portchinski's 
hervorgeht. Andererseits ist es mir übrigens sehr wahrscheinlich, 
dass wir in der Braula coeca eine oierlogende Pupipare vor uns 
haben. Wenigstens habe ich in den Geschlechtswegen der Braula 
coeca niemals eine Larve angetroffen. Für die Ablage der Eier 
spricht auch der Umstand, dass die Drüsenschläuche, welche das 
Futtersecret rar die Larven der Pupiparen liefern, hier nicht vor- 
handen sind. Endlich glaubt Herr Geheimrat Leuckart, wie er mir 

') Anapera pallida zeigt nach K rancher sogar im Bane der Stigmen eine 
völlige Uebereinstimmung mit Musca vomitoria. Krancher, Der Ban der Stigmen 
bei den Insecten. Ztschrft f. wiasensch. Zoologie Bd. XXXV. 1881. 



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freundlichst mitteilte, die Eier der Braula gelegentlich in den Zellen 
der Bienenwaben gefunden zu haben. 

Nach alledem dürfen die Pupiparen keine isolierte Stellung im 
Systeme einnehmen. Man wird sie in Zukunft, gemäss der zuerst 
von Brauer geäusserten Ansicht, in der Nähe der Musciden unter- 
zubringen haben. 

Leipzig, am 4. Dec. 1891. 



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Kraepelin, Über die systematische Stellung der Puliciden. 
Mit 1 Tafel. Festschrift z. 50 jährigen Jubil. des Realgymnasiums 
des Johanneums. Hamburg. 1884. 

Brauer, Systematisch-zoologische Studien. Mit 1 Tafel. 91. Bd. 
der Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wissensch. I. Abt. Mai- 
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Wedde, Beiträge zur Kenntniss des Rhynchotenrüssels. Inau- 
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Ruland, Beiträge zur Kenntniss dei antennalen Sinnesorgane 



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der Insecten. Inaugural-Dissertation. Marburg. 1888. Zeitschrift 
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Langhoff er, Beitrage zur Kenntniss der Mundteile der Dip- 
teren. Jena. 1888. 

Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Zweite Ab- 
teilung. 1889. 



Erklärung der Tafeln. 



Die folgenden Buchstaben bezeichnen überall gleiche oder homologe Teile 
in den Figuren beider Tafeln und zwar bedeutet: 



an, Antenne. 

ann, Antennennerv. 

ca, Höhlenartige Einsenkung am End- 
glied der Antenne, 
chl, Chitinlöffel. 

chz, Chitinzacken der Rüsselspitze, 
cl, Clypeus. 

dds, Dilatator ductus salivalis. 

df, Depressor fulcri. 

dv, Drosselventil des Speichelrohres. 

egr, Endgriffel der Antenne. 

elb, Endlippen des Labium. 

fm, Fulcrummuskel. 

fpo, obere Fulcrumplatte. 

fpu, untere Fulcrumplatte. 

fr, Frons. 

fro, Fulcrumrohr. 

gn, Oenae. 

go, oberes Schlumlganglion. 

gu, unteres Schlundganglion. 

h, Härchen ohne Innervation. 

hy, Hypopharynx. 

kb, Kopfblase. 

kg. Kopfkegel. 

lb, Labium. 

Ibr, Labrum. 

lmx, Levator maxillae. 



mla, Musculi labiales obliqui anteriores. 

mlp, Musculi labiales obliqui posteriores. 

mx, Unterkiefer. 

nk, Nahrungskanal. 

o, Auge. 

oe, Speiserohr. 

pmx, Protrusor maxillae. 

pp, - proboscidis. 

qf, Fulcrumquerbalken. 

r, der eigentliche Rüssel. 

rmx, Retractor maxillae. 

rpi, - proboscidis inferior. 

rps, - - superior. 

s, Speichelrohr. 

sf, seitliche Fortsätze der unteren Fnl- 

crumplatte. 
soe, Sphincter oesophagi. 
sta, Stiel der Antenne, 
t, Unterkiefertaster, 
ta, die nach innen gekehrte Seite der t. 
tb, die nach aussen gekehrte Seite der t. 
tg, Ganglion des Tasthaarnerven, 
th, Tasthaar, 
tn, Nerv des Tasthaares, 
tr, Trichterartige Einsenkung an der 

Kopfdecke, Befestigungsstelle des 

Fulerums. 



Tafel XV. 

Fig. 1. Kopf von Melophagus ovinus mit spontan vorgestrecktem Rüssel. 
Seiteuansicht. 

Fig. 2. Sagittalschnitt durch den Kopf mit vorgestrecktem Rüssel; nicht ganz 
median. Der vordere Teil des „eigentlichen Rüssels" ist abgeschnitten. 



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Fig. 3. Der entsprechende Sagittalschnitt durch den Kopf mit eingezogenem 
Rüssel. Das Speichelrohr (s) ist abgeschnitten. 

Fig. 4. Mnndteile, Fulcrnm nnd Speicheldrüsengang frei präpariert. 

Fig. 5. Querschnitt durch den vorgestreckten Rüssel dicht bei seiner Ursprungs- 
stelle. 

Fig. 6. Querschnitt durch die Unterkiefertaster und die Mitte der Basis des 

vorgestreckten Rüssels. 
Fig. 7. Querschnitt durch den Rüssel nahe der Spitze des spontan entfalteten 

Kopfkegels. 

Fig. 8. Querschnitt durch die Mitte des eigentlichen Rüssels, stark vergrössert. 
Fig. 9. Querschnitt durch die Spitze des eigentlichen Rüssels, stark vergrössert. 
Fig. 10. Die Rüsselspitze von vorn gesehen, stark vergrössert. 
Fig. 11. Querschnitt durch die Unterkiefertaster und die Mundteile bei ein- 
gezogenem Rüssel. 
Fig. 12. Drosselventil des Speicheldrüsenganges, stark vergrössert. 
Fig. 13. Tasthaar mit dem hinzutretenden Nerv, stark vergrössert. 



Tafel XTI. 

Fig. 14. Antenne von Melophagus ovinus im Längsschnitt. 
Fig. 15. Die linke Antenne von Bippabosca equina Lin. 
Fig. 16. Antenne von BratUa coeca Nte. im Sagittalschnitt. 
Fig. 17. Ansicht des Kopfes von Braula coeca Ntz. von vorn aus. 
Fig. 18. Sagittalschnitt durch den Kopf von Braula coeca. 
Fig. 19. Etwas schräg gelegter Querschnitt durch den Kopf von Br. coeca in 
der Augenregion. 

Fig. 20. Querschnitt durch den Rüssel von Br. c. nahe seiner Basis. 
Fig. 21. Querschnitt durch den Rüssel von Br. c. in diagonaler Richtung. 



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Vita. 

Verfasser dieser Abhandlung, Friedrich Hans Müggenburg, 
wurde am 16. August 1865 zu Zwickau in Sachsen als ältester 
Sohn des technischen Direktors der städtischen Gasanstalt, Friedrich 
Albert Müggenburg, geboren. Er wurde evangelisch -lutherisch 
erzogen. Seine erste Schulbildung erhielt er in der ersten Knaben- 
bürgerschule seiner Vaterstadt, später besuchte er das Realgymnasium 
zu Zwickau, wo er Ostern 1886 die Maturitätsprüfung bestand. 
Hierauf bezog er die Universität Leipzig, um neuere Sprachen zu 
studieren. Allein bald wendete er sich, seiner grösseren Neigung 
zu den Naturwissenschaften nachgebend und angeregt durch die 
Vorlesung des Herrn Geheimrat Leuckart, dem Studium der 
Naturwissenschaften zu. 

Er führte praktische Untersuchungen in den Laboratorien der 
Herren Professoren Leuckart, Pfeffer und Wislicenus, besuchte 
das geographische Seminar des Herrn Frofessor Ratzel und hörte 
die Vorlesungen der Herren Professoren und Docenten Ebert, 
Fischer, Hankel, Heinze, His, Leuckart, Marshall, Masius, 
Pfeffer, Ratzel, Wiedemann, Wislicenus, Wülker, Wundt, 
Zarncke und Zirkel. 

Er ist erfreut, allen seinen verehrten Herren Lehrern und 
besonders Herrn Geheimrat Leuckart für die vielfachen An- 
regungen an dieser Stelle seinen herzlichsten Dank aussprechen 
zu können. 



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Archiv T. I 



Taf.XV. 




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