Moderner geist
in der
deutschen
tonkunst
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moderner Geist •
in der
deutschen Ccnkunst
Di
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IHodcrncr Geist
in t>er
Uutfcfytn Zoxifaxtft A
von
„Xrftif ifl oud? etne Kunß,
muiutuii
US
„ioarniomc"
Pcrlagccjcfcirfcfiaft für Cifcratur mtö Himft
Berlin IT., Krottcnjlrnfjc 68/69.
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befon&ere 5« Ueberfetiung,
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geanbmet
Lila^xan.'iSoJhn June?»*- 22
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SBir Slflc wollen mit ber ty'ti gelten. 35Ur 9111c, bic nur im
£eben ftef)cn, laffen cß uns aud^ angelegen fein, unfere SßrtoaMl&ren
mit ber „mittcleuropäifcfyen" ^cit immer ^übfdr) in ©inflang ju bringen.
Unb in ber Xfyat, feine Heine Sßerroirrung für $anbcl, fBanbel unb
Sßerfeljr mürbe im Sanbe entfielen, roenn mir cineß frönen £agcß
plöfclicfc unfercr fämmtlicfccn Chronometer mieber beraubt raerben
folltcn. Allein audf) nid&t in allen (Statten fann, roic j. 33. in ber
£afcnffabt trieft, täglich SKittagö punft 12 Ufn, jur Singabc ber
genauen aftronomifd&en Seit für bic ganje Umgcgcnb, ein Äanonenfd)UB
oon ber ©itabefle fyerab gclöft roerben. Slnberfcttß fjat fieb fdjon fo
2ftand)cr bißlang ganj ocrgcblid) bemüht bic ©angart jmeicr Uljren
anbauernb in genauer Uebercinftimmung ju erhalten. 2flcnfd)enroerf
ift eben noef) niemals bie ibeale SßoUcnbung geroefen — SDkdjanißmuß
ift unb bleibt nun einmal Sfted&anißmuß. 5Bir wollen noef) gar
nia^t baoon rebcn f mic ber ©ine ober ber Hnbere allju lafftQ fid)
erroeift im täglichen Slufaicljcn feineß 3 ci tmefferß. 5lbcr baß reibt
unb nüfct fiel) ab; allerlei 6taub unb S^oft legt ftc^ mit ber ftclt
in baß Ubrrocrf hinein; bic Qd^cv bleiben gclegcntlid) einmal in
einanber ocrroicfelt fangen; bic 6prungfraft ber geber befällt eine
9lltcrßfd)iuäd)c; (Sinigeß roobl aud) am ©c&äufe roirb nad> unb nad&
fdjabf)aff. Unb menn audj bic betreffenbe Ufjr ntdfjt immer gtctdt)
fteljen bleibt fte ftoeft bod) ^ier unb ba f unb bleibt auffällig, für
ifjrcn 93cfi&er emppnblicb genug, jurücf im Verlaufe ber Reiten.
£a gilt cö benn mit üorftdjtiGer &anb nad)f)elfcn, mu& funbig außge*
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bcffert werben, wenn cd wieber „ftimmen" unb jur 3uf™b™f)cit
feinen ©ang weiternclmien fofl. Unb rate bic ^rioa^, fo aud) bic
großen Stabt* unb Siirntsllfjrcn. . .
3d) glaube, man wirb mtd) bereits oerftcfjcn. ^on 3 C ^ 5 U
3ett ergiebt fid), baß gortfdjrittc im ©eiftcöleben, (Srfinbungen,
Neuerungen in ber $cd)nif, (Steigerungen ber $8crfVl)ram Ittel 2c. bic
3lnfd)Qiiungcn weiter cntwicfelt, bamit ober aud) bie Sitten unb ©e*
bräudjc einer ganjen 3 C ^ oon ©runb aus gewanbelt, beren „Sebent
ftnl" fojufagcn auf eine neue 33afiö geftellt fjaben. Gin bemerfenßs
wertes (Btabtum beängftigenber Unfid)crf)ctt, aber aud) ber llnju»
friebenfteit beginnt unb bcfonbeiS giebt es ba einen fcfjr unf)cim=
Üdjcn üJlomcnt bcö Uebcrgangcö oom 9Iltcn 3um Neuen. 2Iuf ein-
mal bringt nämlid) bic (SrfcnntniS in immer weitere Streife, baß man
ba unb bort im SWtagölcbcn über lauter fttllcr 33emaf)rfamfeit unb
befdjaulieber 2lbgcfd)icbcnl)cit oom großen SBclttreibcn brausen, oft
fogar aud) aud reiner Sücqucmlicfcfett, rccfjt crflctflid) in ber Qtit
jurücfgebliebcn ift. Steine U&r will plöfclidj mcf)r mit ber oon
braußen fjereinbringenben 3^lo«QQbe übcrcingcljcn ; man läuft cnift-
lidfo ©cfafjr, ben 2lnfd)luß ju oerpaffen; man füfjlt, eö gilt einen
offenfunbigen SlnadjronismuS ju ocrfjüten, ber bic SSätcr unb Bürger
ber ©tabt mit ben guten Seuten oon 8d)ilba in aUju nabe 9haV
barfdjaft bringen fönnte. ©in tl)örid)teS Verlangen, ein ganj oer*
festes ^Beginnen märe es ba, bic 3 ci 9 c ^ Normal* unb Scit=
Uljren jur Scru^igung ber ©emüter aller Stleinub,rcn3nf)abcr roieber
jurücf jubrcljen. 3ene Bewegung, weldje jugleid) baS allgemeine
„Schütteln bcS Stopf es M feinen fritifdjen &öf)epunft errcidjen laßt
muß oielmcfjr bafl bc^er^tc $ o r rücfen ber 3<% r Q » *>cx großen
£aupt=l% fein. S3iö baljin fonntc man jwar im offenen 3«>cifcl
barüber fein, raie oiel bic Ur)r wirflid) gcfdjlagcn bat; aber aud) ein
Scbcr für fid) burfte nod) ber CHnbilbung leben , bic richtige
3eit 5U b,abcn, obwohl fic, genau befeften, fein 3)tcnfd) mcf)r beftimmt
wußte. SDaS ift nad) jenem Vorgang nidjt mcf)r gut mögüdj.
SBas tfmt ber Spießbürger aber nun? 3 e & t beginnt er in offenem
3lufruf)r unb mit fdjlcdjt oerljefjltcm 5lcrgcr auf ben unb b i e
öffentlichen Üftijfetfjätcr ju Wimpfen, je öfter er fclbft anfangs nod) in
kr Scii fic^ oerfpatet: bie Staöt4lf)r, ber ^urm^ärtcr unb bic
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— 11 —
Stabthäupter, bie biefcn angcftellt haben, fottcn nun auf einmal rein
gar nichts mehr taugen. 6ei's brum! £er geroolltc 3roecf ift ja
boch glüeflich erreicht: bic $faf)lbauern fmb für einige 3cit roieber
einmal in eine ctroas lebenbigere ©angart ocrfc&t. Unb niefit genug
bamit; es roirb juoerftchtlich fer)r balb auch ber 3^itpunft eintreten,
ba ftdj aflcö nicht wenig gehoben fühlt in bem gemeinfamen
ftoljen 23crou§tfcin, baburd) nun nrieber jutn oollgiltigcn „SBcltbürger",
ber feine 3*it fcnnt unb mit ihr auch 5U gehen roeifj, „aoanciert"
ju fein. $ann Reifet es Jjoa^trabenb : „3m Sätatter ber D* unb
E-3"Ö C > m ocr ©poa^e ber eleftrifchcn Straßenbahnen, in unferen
Tagen bcö Automobilsports, im 3 c i<hcn be* Telegraphen unb bcö
Telephons, nach ber ©ntbcefung ber Röntgenstrahlen 2c. 2c. fann
man boch unmöglich mehr in Weifemagen unb ^ßoftfutfehen einher*
trotten, 2>cpef$cn burd) Sanbboten beforgen, im Stnle ber Stearin?
lampen nur fortleben!" 3a, ja — bie Schroicrigfeit ift unb bleibt
nur immer, bie guten Seute erft einmal bafjin 31t bringen.
Slud) jur 3^it roieber befinben mir uns in einem foldjen ^ciflcn
Uebcrgangßftabium, einem Stabium ber peinlichen Schwebe jroifd)cn
9Ut unb 9fcu, Scmär)rt unb Stfobcrn, gcflcigcrt bis 511m (Scfühl ber
Seefranffjeit. 2öcnn icr) ba nun an fo manchem, fonft nicht eben
ju ben (fünftlerifehcn unb fulturellen) „Nachzüglern" jählcnben ^Ma&e
allerlei befrembliche SRücfftanb^ßrfchcinungen roahrncbmc, roenn ich
— öfter, als mir gerabe lieb ift — babei bemerfen mufj, roic
anbermeitig längft ootlauf geroürbtgtc, bebeutfame Sd)öpfungcn ber
jungen ßunft ba unb bort noch einem recht unjiüciDeutigen 9lchfcU
juefen begegnen, roofern fic bajulanbc überhaupt fchon befannt
geroorben finb, — bann fagc ich mir: cö muß, ungeachtet ber
auch hierorts mafjgcbcnbcn „mittclcuropätfchen SBcltjeit", boch mohl
am Uljrroerf ober gar in ber 3 c ^ c flinmiung nach aftronomifdjer
Honftellation etwas nicht ganj in Orbnung fein. SBollcn alfo boch
mal nad)fchen r maS fid) hier oiellctd)t thun lagt! Senn, bin ich
auch nid&t gelernter 3lfironom — jum ehrlichen Türmcrs®ciucrbe
unb allenfalls felbft jum morjllöblichcn Uhrmad)er--§anbn)crf roirb'ö
gerabe noch bei mir julangen. Sogar jum „9lftrologcn" glaube
ich hin ""b mieber baß 3 C "0 m i™ r 8» ocrfpürcn. Sit fö.tncn's
baraufhin fchon einmal miteinanber oerfuchen!
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— 12
Um uns jcbod) von Anfang an audj gut äufammen oer«
ftänbigen 511 fönnen, bitte id) ben Sefer, mir nod) jroet Boraus*
fd)idungen grunbfä&lid)er 9ktur an biefer ©teile ju erlauben. 93or
allem mödjtc idj ifjn gleid) oon nornfjerein barüber beruhigt roiffen,
bafj er bei mir fetner rein tedmifdjen gadjfrittelci ausgefegt fein
foll. 53ci einem £f)cma, wie bem oorliegenbcn, mufj ja ber Sßadjbrucf
unroiüfürltd) auf ben „®eift" fallen. yi\ä)t als muftfrotffenfd&aftlidjer
©pejialift ober trotfen lebiglid) regiftricrenber £f)corctifer möchte idj alfo
ju iljm reben*), otelmefjr mit Icbcnbig-pcrfönlidjer 9lnfd)auung von
ben fingen, in einer roeitfyerjig umftd)tigcn Ueberfd)au über baß
g c f a m t c Äunftgcbiet roünfa^c id) ber mir felbft gefteüten Aufgabe
t)ier bcijufommen — „ftunft" gebaut als eine unteilbare
©intjeit, als 8usflu& einer einigen Stulturberocgung. 3$ citirc
f^ier jum befferen Söcrftänbntö beffen, maß idj meine, ein gutes SBort
Dtto (Srnft'S („Offenes 93i(ter"): „$as ift ber 3n>ecf ber Äunft, ber
3nbegriff aller fjoljen ©eifießgüter ju fein, rocld)e bie 2Jlenfd)*
Ijcit errungen Ijat, unb nermöge beS roeiterftrebenben Äünftlcr*
3ngeniums hinjuroeifen auf bas, maß an erftrebenSroerten (Sutern
nod) in ber blauen gerne ber Hoffnung liegt. Sic Jtunft fjat
ben 3 ,occ f> ben 2öeifen bas 2öeifcftc, ben ©uten baß 23cftc, ben
©a^önen (b. f). ben Sd)önen im (Seifte) bas ©rf)önfte ju fein, inbem
ftc als ^fabfinberin bem ganjen mcnfd)lid)en Jtultur*
Streben mit ben flüdjtigen Sohlen ber genialen SBtfton ooraufeilt
unb baS befferc fteale ber 3"^"^ oorafjnenb bilbet." 9llß
laufdjenber unb bcobadjtenber Ätultur^fndjolog alfo roenbe id) mid)
an ein, beim Sefer gen>i§ ooraußjufcfccnbeß, regeres Snterefie, um bie
Sonberfragcn, bie mir babet am &cr$cn liegen, aus allgemeineren
(Sefidjtöpunftcn cor ifjm ju erörtern. — Unb aud) in einem jrociten
fünfte mödjtc idj um alles nidjt mi&oerftanben fein: über mobernen
(Seift wollte id& gern aud) i n mobernem (Seifte, über moberncS
SScfen aud) in moberner gorm midj mit meinem Sefcr unterhalten,
fj. mit anberen ©orten, man erroarte oon mir nidjt grofce
*) ba« Ijat für bie Seit oon 1850-1900 überbie* $r. & einriß
3Hi etf er), mit ber 3Ronograpf)ie: „$ie lonfunft in ber jroeiteii €>älftc beß
19. 3a!jr!junbcrt3" (Cctpjig, Srcitfopj & Härtel), benurfenSroert oorlrefflicr)
foeben beforgt.
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— 13 —
„foftemattfdjc" ©ntmicflungen einiger bcr Hauptfragen — was mich
ja auch über ben geftccften Gahmen weit hinausführen mü&te; unb
noch oicl weniger forbere man einen abgefdjlojfencn ©ebanfenbau
über bic anjufdjneibenbe 9Jtotcrie, ju bem jefct weber Ort nod) Seit
gegeben fdjeint, ba allüberall ein 9ieues entfielt, „man wei§ nicht,
was nod) werben mag". Sonbern ber geneigte Sefer geftattc mir lieber,
mit gelegentlichen, mct)r ^fälligen, aber wie mich bünft marfanten,
aflomentaufnahmen l)übfdt) befcheibentlich ihm aufjuwarten — Slugen*
blicfSbUbcm, Stimmungen, Sfijjcn unb Stubicn, ober noch beRcr:
„3mpref {tonen " nur, bei benen balb t)iert)in balb borttjin bie ge*
roünfdjten „Schlaglichter unb Sd)lagfd)atten" fallen mögen. 25en
legten Steint freiließ muß ftd) ein 3cber fclbft barauf machen. 3d)
hege aber auch nidt>t bas geringfte Sebcnfen, ba& fid) bas Silks
nicht fcpcfjlicfy fetjr wohl ju einem (8anjen nod) abrunben werbe
für benjenigen, ber — eigenes Urteil baju mitbringenb — bie
hier angeregten ®ebanfen nod) beliebig bei (tdt) weiter auSbenfen
wirb. —
©o, unb nun werben meine Scfer alfo, nad) biefem erbaulichen
Sßrälubium, oon mir mit föedjt erwarten, baß id) jenen oerflijtcn
begriff bcS „ Wl ober nen" t)icr gleich cntwicfcln unb ihnen einmal ge*
nauer ju faffen trachten foü, maß boch alle SSelt im s JJIunbe führt
unb maß fid) fo hartnäefig bem ©rhafd)en, gefdjweigc benn einem
Äonfiruicren, entgehen will? 2Benn man Reh ba aber nur nid)t am
@nbc gewaltig in mir oerrcdjnct ^at ! 2)enn eigentlich tonnte ich wohl
fagen: „@s fällt mir ja gar nicht ein unb ich benfe nicht baran.
Ober follte id) nicht hübfeh bleiben laffen, etwas bereits greifen unb
beftimmen $u wollen, was heute nod) bas glie&cnbe, Gegenwärtig:
SBerbcnbe ift — was ftch jur 3 cit cr ft noch Börner abjulaufen'
hat? ßennt man bas boch nachgerabe fchon aus Ijunbert ^Büchern unb
taufenb 3 c itwngfiarttfeln : fo oiel &öpfc — fo oicl Sinn barüber,
bas laßt fich ja beim beften Söillen nicht unter einen &ut bringen;
2111c jufammen würben wir boch niemals barüber fo recht über*
cinfommen fönnen. Unb im ®ro&en unb (Standen läuft es halt
barauf hinaus, ba§ wir über ben furiofen unb oft recht erjraoaganten
Socffprüngcn ä la clown excentric ben bahinter cinblafcnben
v Jcaturgott $an nicht immer wieber ooUfommcn überfeljen. Sas
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gute ^oberne* ift eben auf alle gäüe einmal baö Unmittelbar*
Sebenbige, ©migsSunge unb ©wig^rifebe." ©ewifi, fo würbe
id) fpredjcn bürfen, unb baö würbe ganj jroctfcUoö aud) für midj —
wie für ben Sefer feCbft — baö 23equemfte oon allem fein. Mein
id) werbe unb will ^tcr nidjt fo oerfaf)rcn, fo leicht man aud) bei
bem allgemeinen £of)uroabofju unferer £age junäcr)ft baran oer*
jweifeln möd)te, eine präjife, nid)t ganj boltlofe Slntroort für einen
weiteren Ärctö ju geben. - £ören wir alfo junäcfjft einmal bem
tofenben Kampfe ber Meinungen in aller 9fuf>c ju, orjne unfere
Äöpfc mit jenen ber ©treitenben babei grofe ju crfjißen.
Sagt ba j. 93. glcid) (Sincr oon benen, bie immer rafdj bei ber
&anb finb, mit einem SBorte einjufaflen: „$)aö STCoberne ift eben
baö SJlobifdje, auf alle gälle! Offenbar meint baö geliy Sßcingartner
aud), wenn er oon Skrlioj einmal fagt: mir brausen niebt ju
fürd)tcn, baß biefer Stomponift jemalfl ,unmobern' werben tonnte,
fei er boc§ niemalö in ber SDlobe gewefen!"
So geringfdjä&ig wie nur möglich rümpft er bei bem SSort
„2ftobc" icbeömal bie 9iafe, unb natürlich gehört er ju ben unentwegten
Sobrcbncrn ber „guten, alten &e\t", ,oaö 8 U f^ n / oc i oem natürs
lidjen Sauf ber SDingc, naebgerabc fd)on baö btUigftc Vergnügen oon
ber 2öclt geworben ift. Slber fampf bereit erwioert fein (Segenpart:
*9Mn, — fonbern oielmefjr, eö ift genau baö ©egenteil oon bem,
waö cntftcfjt, wenn man baö 2Bort Kobern mit ber Betonung
auf ber erften ©übe fpriebt; gcrabc fo, wie bie 2Jlufecn im Scben
nidfrt bie «Kufen finb!"
Unb ßiner, ber biefem Sßortgcfedjt alö unbeteiligter dritter jus
gehört tjat r lä&t fufc nun oernerjmen: „34 meine, baö SRobcrne
war im ©runbc nur ein negatioer «ßroteft o b n c pofitioen 2Bcrt.
Unfere ganje moberne Literatur unb ftunft ift boer) im SBefentlidjen
auö einem SSMberfprud) gegen baö Söorrjanbcne, gegenüber unferer
beutigen Umgebung, unferem heutigen Seben unb ber ber*
jeitigen ßultur beroorgegangen — nid)tö weiter!"
„3a, jum genfer, baö mag (Sineö fein! traurig aber wäre
baö, traun, wenn baö fdjon alleö wäre" — fo wirft ^icr ein
Vierter ein; „nid)t einmal bie erften 3ungbcutfdjen, bie ©onrab,
Sölcibtrcu unb ©enoffen, finb — baö muß man irjncn bod) laffen —
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— 15 —
babci allein nur fielen geblieben, llnb im übrigen möd)t' ich ben
£errn 58er fester ber 3bcc beö SJcobifchcn im Sßobernen nur ganj
unma&gcblichft hiermit noch barauf aufmerffam machen, roic Üflar;
SBurdljarbt in einem literarifchen Sluffafce unlängft biefen alten
©lreit geflüchtet ^at. 2)er genannte SBurgthcaterbireftor a.
f abrieb ba (in ber SBiener „3 c ü") namlicrj:
9Hand)er ift geneigt, ba§ fo häufig gebrauste SBort mobem
»on 2Robc abzuleiten. 2>er 9lusbrucf ^obe' für S3raud) einer
beftimmten 3 c ü ift aber erft im fünfzehnten Sahrfjunbert im
5ran5öftja)en unb erft im Seginn beö fiebjef)nten im 2)eutfd)en
aufgetaucht, roährenb ber Slusbrucf ,mobcrn 4 in roeit früheren
Seiten fdjon oorfommt. SSieüeicht ftammt 2Jcobe, bejfen (Srflärung
aus mos (Die Sitte) unb modus (bie Slrt) nicht oöllig befriebigt,
fogar von ,ÜRobern' f)er, beö lange juoor in ©ebrauef} mar
unb aus bem fpätlateinifchen modernus übernommen morben ift.
Sdjon ein 2Rinifter SheobortaVs, ßafftoborus Senator, empfahl in
einem SReffript einen 9lrd)itcften für einen £f)eaterbau in 9tom,
inbem er if)n als Antiquorum diligentissimus imitator,
Modemorum nobillimus institutor bezeichnete. Jleipiger 5Raa>
afjmcr ber 9llten, »ornehmftcr Seljrer ber ÜJcobernen — bas
märe noch r)eutc ein fchönes 2ob für einen Slrajiteften. 2öie
benn mobern nicht uon 3Robe ftammt, fo ift auch ber Begriff, ben
mir bamit oerbinben, unabhängig uon jenem ber 2Jfobe. ©in
moberner ßünftler, ein moberner 2)ienfch mürbe ftet) bagegen
mehren, für einen 2Rann gehalten ju roerben, ber ber ÜJcobe
hulbigt. £)as Söefcn ber SWobernen barf man bafjer feinesroegs
in ber 5lb^ängigf cit com gegenmärtigen ©rauche, fonbem
im ©intreten für bie ßntmief lung, ber bie 3 u f«^f l
gehört, erbltcfen.
80 öurtffjarbt, bamit benn bodt) etmaö gu benfen aufgegeben
haben bürfte!"
„Unb eö bleibt borf) babei, baß ber ,9ftoberne 4 in feinem
innerften SBefcn ber rerum novarum cupidus, jener unruhige
©eift ber Neuerung um jeben Sßrctö, ^euigfettsfrämer unb
NouveautesSäger jugleich nun einmal ift!" — fo ruft nun mieber
ber erfte Der 93orrebner, mit bem 9lid)trooHen beö SSibcrfpenftigen,
erregt bafturifchen . . .
Uncntf Rieben mögt ber Stampf in f ehr off aufeinanberpla&enbem
SBibetfpntch noch weiter — mit „SDefabence, (Srotif unb figfitcrie.
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— 16 —
Neuropathie, ^fnehofe, Pathologie, §r)pertrop^ic bcö (SJchirnS mk
beö ©efehmaefö, ßarrifatur, Ucbcrfultur, Oberfaul, grühreife,
freie Siebe, ©rö&enroahn, ©tgerlci, Sdjroeincret" (unb roie biefe
frönen 2)inge alle Reißen mögen) auf ber einen «Seite ; mit
„Unzeitgemäß, 3^eit5ettlidr), 3eitgenöfftfch, 3ung, Üc6cnbig*unmittcU
bar, Llrfprünglich, ^crfönltch, Sintis Autorität, 3lntisßlaffifch unb
Slnti^omantifcb, contra Sfabcmien unb Söureaufratic" ober bcrgl.
roieber auf ber anberen Seite, ohne ba& für uns auch nur ein
einjigeö brauchbares Ergebnis bei biefem unfruchtbaren ©cplänfel
ber mit Schlagwörtern julefct nur mehr Sechtcnbcn herauofäme.
2Bir moHcn baljer bem Problem in anberer 2Beife, auf unfere
eigene 2Irt einmal energifcher ju Scibc ju rücfen fuchen unb haben
unö ltohl ober übel noch nach onberen befferen ©tü&en umjufefjen;
benn eö mufj boer) roenigftenö einige fid&crc 2lnl)attöpunftc $ur 23e=
roältigung biefer S ra Ö c geben, Sclbft auf bie (Sefahr tyn, bamit
nochmals einen Umrocg ju begehen, ber aber ftcherlich nicht ganj
ohne 2öert für unö fein, weil cbenforoobl jur tieferen Einführung in
bie ftrittige Materie roie als einftroeilige Orientierung auf unferem
(Gebiete bienen roirb, — felbft auf b i e f e naheliegenbe (Scfahr hin
möchte ich roagen, unter jroanglofcr 5ln!nüpfung an mein 23or-
fpiel oon ben „Uhren" fycv bie grage aufeuroerfen, roaö eö benn roof)l
geroefen fein mag, baö unfer Seben äu&erlich fo fehr oeränbert hat,
ba& eine aus biefer Sachlage Folgerungen jiehenbe „SJiobcrnc" in
geiftige ©egnerfchaft jum bisherigen 3 u f wno * re * cn 8 U tnüffen
glaubte? 2öorin alfo mag roohl ber befonbere, tecbnifch ; roiffen;
fchaftliche, föjial-ethifche, oon ben „teueren" fo fehr betonte unb
com „$$Uiftcr M noch fo roenig begriffene Jtultur.gortfchritt unfercr
£agc beftanben haben? 2)enn b a rüber muffen mir unö bod) ein
für allemal im ftlarcn fein, bag bie §ragc „2Baö ift mobern?"
junächft immer nur lauten fann: „2öas ift für unfere %üt gcrabe
baö Sfloberne?" — ober beffer noch: „2öaö ift heute bas
^ebenbige unb für unfer SDafcin befonberö roirffam?"
9tun, eine ganjc Neihe oon ^hatfachen, Neuerungen foroof)(
als Erfahrungen, Erfinbungen rote Entbecfungen, h aocn ln unferen
Stögen ben großen 3«ö cr oer SBcltufjr um ein erheblichcö Stücf
oorgerüeft. 3ch bin fcineörocgö, unb null cö auch gar nicht fein,
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17 —
ein Sobrcbner jenes wohlfeilen unb faulen „gortfchritteS", ber ftch
nur immer baron ju toeiben n?ei§, tote toir'S fo Ijcrtlid) toeit ge*
bvad)t, gleichfam als müßte alles SBcrbenbe auch fdjon bas „$8er*
nünftige" felber fein. SIber ©Ines fteht boeb jeher Unbefangene —
um nicht ju fagen jebes Äinb: Unfer 23ltcf bat ftdj oor Ottern nach
außen r)tn realtfiifch, bas nriU fagen nad) Seite einer täufdjungölofen
©rfaffung ber ©rfcheinungsioelt, beträchtlich gefd&ärft — banf oor allem
ben toaebfenben Mitteln jur Bewaffnung unferes leiblichen 9luges be*
hufs genauerer Unterfdjetbung im Sehen unb Beobachten (man benfe nur
an 9Jlifroffop unb £eleffop); unb nad) innen toteberum Qat fid)
unferßeben ebenfo crftaunlid) jurgeinneroigfeit fortgebilbet — wenn man
toiH, aud) jur geinfübUgfcit oerebelt. 2)as @rfennen unb SBörbigen
ber intimen rReije unb jarten Senfationen — im ©egenfafcc jur
früheren Beiounberung berbercr Kraftproben unb gröberer ftnalleffcf te —
hat eingefe&t unb eher fdjon aHju fer)r jugenommen, fo baß es heut*
jutagc bereits im AetherifcfcSpirituellen fic3& gar ju leicht oerflüchtigt.
Slnberfcitö toarb bie Seelenfttnbe fclbft, auf bem 2öcge crperimenteller
^jt)d)ologic, ganj außerorbentlid) ocroollfommnet, in bem ©rabe, als
bie ©efühlslehrc auf bie @mpfmbmtgs*Siffenfd)aft fich ftüjjcn unb
bis jur ^erocn=2lnalnfe in ihren fubtilften gormen als crafte
gorfebung fortfehreiten tonnte, üftoberner Senfttioismus braucht
fomit burchaus nicht febon Rerocnerfranfimg — „Ueberreijung" —
ju bebeuten, er oermag fcfjr toohl ^eroenjucht ju fein unb fid)
bamit toieber ju einer höheren „Kultur" ju fteigern: alfo STugenb auf*
ft eigen ben, ftd) fublimierenben Sebens, ftatt einer bloßen Madp
unb Schattenfeite ber Sftcnfchennatur in ab finfenber Betoegung!
ferner haben toieberum, rein teebnifd), äftoment-^ßbotographie,
Kinematograpb, Phonograph, Röntgenstrahlen unb ähnliche £>inge
— ähnlich toie feinerjeit fchon ©ifenbahn, Telegraph unb Telephon
erhebliche Umgeftaltungen gerbeifürjrtert — jablreidje Anregung jur
rafchen, aber trojjbem um fo peinlicher genauen ^eft^aUurtcj flüchtiger
9totureinbrüde mit fid) geführt, baß Drgan für „Smpreffion",
begreiflichcrroeife ettoas auf Koften forgfältiger Ausführung, uniüiU*
fürlich geförbert, ben „$lugen*23licf" unb baö Slpcrgu (in gorm oon
Stilen unb Stubien nach bem Seben) an Stelle ber großen „Korn*
pofition" oon früher bei ben Künftlern ber 9tajcit junächft ftärfer
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in Aufnahme gebracht. Unb baju f)at auch noch bte „©manjipation
bcr garbe" bas 3h** beigetragen, bte in bct moberncn ß^emtc gleich
fam anbere, frifdje unb neue Seuchtlräfte gewonnen. 3<*/ noch weit
mehr: ein gemiffenhafteres SBirflicftfeitöftubium unter ben ©inwirf ungen
bes oollcn Sicktes in freier Suft — entgegen ber früher fo aflfeitig
betonten SKtelierbeleuchtung ober bem beliebten „©aüericton" oon faben,
über baö ©anje noch ausgegebenen fogenannten „braunen ©aucen" —
hat neucrbingS Sehen unb Sßefen ber £aupifarben roieber mehr
in feine einzelnen Seftanbtcile ju ^erlegen, fte in ihre befonberen
OßciUationen aufjulöfen unb in biefen £ciU unb Untertönen noch
bie „valeurs" feinfühliger $u beftimmen gelehrt. 3 U Saferem ober
hatte noch obenbrein bie p^rjRfalifd)'optifcr)e Sßiffenfchaft ihren ©egen
gegeben burch ihr ^©efefe ber 9kfchöuttmfchung", worunter fte bie
organifche 3 u f ammen f a ff«n9 im 2luge bes SDlcnfchcn, bte Sßicber*
Bereinigung aücr jener Teil^üancen jüm ©efamtton im phnftologifchen
3lft bes Sehenö oerftanben wiffen will.
Unb nun einen ©abritt weiter, oon ber 2lnalnfe jur ©nnthefe,
00m ©runblegenben jum Sufbauenben. 60 haben bie ma§gebcnb
funftphilofophtfehen Sehren eines £aine jur erweiterten, einläßlichen
^Beachtung ber „Umwelt", beS „milieu", wie feiner breiteren
(Sharaftcrifierung bei fünftlerifchem 33efaffen mit einem ©toffe führen
müffen, um ben beftimmenben ©infhtfj biefeö Löbens auf bie ihm
entworfenen Snbioibuen beffer ocrftänblich ju machen. 2)cr befannte
©a& eines anberen granjofen: „$)as Äunftwerf fei ein ©tücf 9ktur,
gefehen burch ein Temperament" (oon bem fdwn 9lbolf Bartels
gar nicht fehlest fagte, bafj bcr Realismus auf bas Temperament",
ber Naturalismus aber auf bas „©tücf Sftatur" bas größere ®c=
wicht lege) — biefer &auptlehrfafc eines ©mile Sola, « tautet, bis
in feine legten ©ptfcen burchbacht unb mit bcr neueren (SrfenntniS*
wiffenfehaft in Uebercinftimmung gebracht, nunmehr etwa folgenber*
mafcen: @S giebt fein Dbjeftio*©chöneS. (Sin lebcnbigeS ©ubjeft
muß erft hinzutreten unb es als folcheS, wenn fdjon nach feiner perfonlich
begrenzten Veranlagung, auch empfinben. Vichts ift an fich
weber fctjön noch r)a{sCtcr) ; bas ©efühl (richtiger: bas äfthetiferje Söer*
halten bcS SkfchauerS ober 3"hörcrS) macht es erft baju; alfo 5lefthettf:
©efühlslehre — im wefentlkhcn oerfappte Pönologie! @S giebt
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— 19 —
olfo feine notroenbigen unb allgemeinen 2)afeinsgefe$e fogenannter
; „eroiger formen" ; biefe gormen roanbeln fich ftetig mit ben Seit*
ibcen unb Snburibucn, rote augletch mit bem fich unauögefe&t roieber
oerjüngenben 3nr)ali. Unb als folcher 3nfjalt fann ju echt fünft«
lerifcher 2)arfteü*ung nunmehr auch alles unb jebes berechtigter Sßeife
herangejogen werben, roas überhaupt lebt, ift, roebt unb „roirft ber
©otttjeit lebenbtges Äletb". Vichts foH ba etroa von uornherem ber
ßunftgeftaltung oerfchloffen fein, bo ja ber ganje 9tad)brucf auch oom
„9BaS" befi Stofflichen roeg auf bafi „2öte" ber öft^ctifc^en @tn*
fleibung, auf bie Tilgung btefcs Stofflichen burdj bie befriebigenbe
gorm, barnach mehr unb mehr nun fallen mu&. 2Mo§e ©ehalts*
3lefthetif roirb fomit anachromftifdjer Unfug; eine moralifche
SBirfung ber Äunft fann unb wirb bei echten Äunftfchöpfungen am
@nbe nicht ausbleiben, barf aber — roenn ftdt) ber ©inbruef nicht
trüben foll — nicht 3^ecf unb 3^ fünftlcrifcher SBiebergabe bes
©rfchauten oon oornherein fchon fein, rooju m'elmehr eben bie „(Stljif u
ba ift, bie in folgern gafle ohne 2BeitereS in ihre angeftammten
fechte tritt.
SoUcnbS aber legt man bie 9latur felbft heute nicht mehr nach
fonoentionellen, ihr fcineSroegS inneroohnenben SchönrjeUSrcgeln be*
fonbers erft juredjt, ehe man fte abfonterfeit — inbem man fie etroa
(roie ber $h°*°9 ra Ph feinem Original auf ber ßopte befanntlich gerne
fchmeichelt) unnatürlich ^uoor „ibealiftert", b. h- in einen genau
ausgcjirfelten 9taum roiflfürlich hineinfomponiert unb fte „gefchmaef*
coli", mit fünftlichem galtenrourf gleichfam brapiert. ©ing baö cor
einigen 30—50 Qahren boch fogar fo roeit, ba§ fein Oftcnfch feine
eigene heimatliche 9ßaturumgcbung, baS „Sofale" feiner ©rjftenj mehr
fchön finben roollte, roeil er bics als bas SlHtäglidje empfanb unb
babei blinb für beffen Sonberfdjönheiten blieb, infofern er fich eben
niemals baran geroöf)nt hatte, es mit einem funftlerifcr) gebilbeten
9luge an$ufer)en. 9lein! Vielmehr, um fid) äftrjetifch erhoben ju
fühlen unb überhaupt nur genießen ju fonnen, mußte er (ich nach
fremben, mit apartem 3<*ubcr umfloffenen ©egenben (rote Italien,
©riechenlanb ic.) mühfelig erft nerfefct ferjen. &eute nimmt man
im (Segenteil — etroas ju einfeitig root)l, roie immer, bie anbere
Seite nun betonenb — jeben beliebigen unb gufäfligen „Sluöfdmitt
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- 20 -
ber 9}atur" f)er, tute er fidfj eben am groanglofeflen unferem 5Iuge bar*
bietet, am liebften irgenb ein oerftohleneS Söinfeldjen ber näc^ften Um=
gebung, unb giebt bas nun entmeber in feinen ©tngclheiten mit
äußerfter $ünftlicbfett ober in feinem oorübergeljenben ©inbruef mit
crftaunlidjer Sßtrfung in ber ©runbfttmmung unb im £aupttone
mieber. £reuefte Slufnabmc ber natürlichen gormen, geroiffenbaftefte
SBiebergabe beS äußeren ©inbrucfcS gilt babei als bie unerläßliche 93e*
bingung.
5llfo Gharafteriftif, roohl — nidt)t gormein, noch Sanieren;
oor allem aber lebenbige SBahrbett um {eben $reiS; boeb immerhin
nicht bie naefte, miferable SB irf lieft feit (rote man fo oft jum *8or«
tourf gemalt Ijat), roeldje ftc^ ja fefton burd) bie aus ir)rcr äftc)etifcr>cn
SJeljanblung fich ergebenbe ßunftroirfung oon felbft aufbeben bürfte:
fo lautet nunmehr ber ®runbfa(j alles eckten, gefunb fdjaffenbenÄünftler-
tums, baß ftd) in feinem bunflcn SDrangc bes redeten 28cges fefton
beioußt bleiben nrirb. SBobei benn auch gar nicht ausgefch (offen
erfebeint, bag bin unb roieber einmal berartige marfante Sßorftubien
ftd> jum gefcbloffenen Staffeleibilbe runben fönnen, ju einem größeren,
umfaffenberen ©emälbe fich nrieber erweitern Iaffcn : ju einem
ßunftroerf älterer Drbnung, mit beabftebtigter allgemeinerer unb
gcfammelterer SStrfung, auf ber ©runblage ber mobernen 9ln*
fcbauungSroetfe unb unter 3"hilfenahme eben ber neueren teebnifdjen
ÜJHttcl — nrie figura ja in fo mannen tntereffanten gäUen längft ,
roieber gejeigt ^at. — ©anj baffelbe aber bat toie für bie bilbenbe,
o aua^ für bie rebenbe ßunft ftatt, roo bie naturroiffenfchaftlicben
Lehren oon ber „Goolution" tfjrerfeits fruchtbar werben. „8Ües
fließt", unb wir ftnb überbieS gewichtige ßenncr alter ©tnle unb
früherer Sanieren, mir Spätlinge eines „hiftorifchen 3 e ^altcrS": fo
gelangen mir gelegentlich noch iur Stnlifterung in allen unferen
Äünften, jumal wenn bem erften „(Sturm unb 2)rang" wieber bie
ruljigere ^olitif ber oornebmen Sammlung folgt.
@nblich aber muß ju biefen neuen Lebensformen boch auch
ein neuer Lebensinhalt treten, b. h- oielmefjr richtiger: er muß
fchon oor ihnen ba fein, muß fic erfüllen unb beftimmen. Unb fo 1
fönnen mir in ber £bat gemiffe fojiologifchc nnb ethtfehe „ty'xfy™
ber 3«t" auch im fünftlenfchen Leben unb feinem jeitgenöffifeben
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21
Slu&brucf nicht moty cerleugncn. Schlagwörter im Sapibarftnl, rote
bas üon frnnjöfifd&cn Tutoren ^ö^ntfd^ geprägte 2Bort oon einer
„ demoer atisation du luxe" — baS roieberum Ofrifc Schumacher
(nach bem Vorgänge Stusfin'a) in „$)emofrattfirung bes ©efehmaefs"
umgebeutet f)at*)/ fte geigen uns beutlich bie fojiole SlonftcUation
unferer ©podbe. dämlich felbft baö inbuftrielle 9cu&roerf, unfere al!tä>
lüften Hausgeräte unb bie cinfadfjften ©ebrauchsgegenftänbe fönnen in
btcfcmSinn, burch funftoolle Sehanblung, gcabe(t werben: baher ber
9tomc einer „f leinen ftunft", ber „angeroanbten (populär*) 9lcfthetif" für
ben £auSgebraudj ber f leinen &eute, unb „moberneö Äunft gern erbe'';
tute befanntlid^ auch anlaglic^ ber SReformberoegung für baß $lafat,
bie Sd)aufenfter*9lusftattung, Käufer? unb (Bräberfdjmücfung 2c. bie
Sofung: „ßunft ber Straße!" beutlich, roeithtn ocrncljmbar ertönte.
5luf ber anberen Seite roieber fyat biefc Entroicflung bereits ihren
geiftigen ©cgenfafc herausgetrieben — faft fdjon bie „Ouinteffenj"
ber „mobernen 3bee" felber, unb jroar oom augenblicflichen, legten
Stanbe: idj meine bie ber langfam, aber freier fortfehreitenben
Öosringung ber ^ßerfönlichfeit jum fechte freier Sclbftbcftimmung
nach inneren Eigengcfcjjen , ohne 3 roan 9 irgenb einer äußeren
Slutorität, forocit fie als §crfommen, Sitte, ßirche ober Staat,
Religion, 2Biffenfcf)aft ober Seben, Vorurteil, Neigung, Pflicht, gamiite,
Schule, als 3J?achk(5ktt)alt unb SBeoormunbung, ber inbioibueKen
Entfaltung ^emmenb entgegentritt. &ier haben mir einen ruefroeife
oor ftc§ gefjenben, aber fc^led^t^in unaufhaltfamen ^rojefe, bef[en
Spi&e allerbings noch nicht afyufehen ift — ein 3beal aber augleich,
beffen enbliche, reinmenfehliche Erfüllung in ferner, ferner 3^it fpätere
@efd)led)ter non geläutertem ©liefe bereinft oieHeidfet mit ähnlichem
Schauber auf unfere 3cit jurücfblicfen laffen nrirb, roie nur heutigen
'SDIenfd)en ber §ejen* unb ßefcer* Verbrennungen im „grauen"
SKittclalter, ober aber gar ber Sflaoerei bes „flafftfchen" Altertums
gebenfen muffen.
i 3$ gebe mich ber angenehmen Hoffnung hin, meine aufmerffamen
Scfer roerben mir jefct nicht mehr bie Antwort bes Schülers aus
*) Sgl. „3m Äampfe um bie Smifi"; etrafcburg 1899, bei 3.
(Jb. §cife.
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- 22 —
bem „Sauft" entgegenhalten: „2ftir roirb oon SlUcbem fo bumm, als
ging' mir emOHühlrab im Stopf herum!" — ich benfe juoerftchtlich,
man wirb mir nun fagen bürfen: „£>as ftet)t fchon beffer aus; man
fict)t bod), roo unb rote!" 9)1 it mir aber roerben bie Reiften trofc*
bem roohl bte ©mpftnbung haben: noch haben roir uns „ins JJreie
nicht gefämpft". 2lber ancr) baju roiH ich — getreu metner 3 u f a 9 e
— nac^ meinen fdjroadjen Gräften noef) ju ocrhelfen fuchen, inbem
ich hiermit nun ein „offenes ©eheimnis" oerrate unb barin jugleia)
eine 9lrt oon ^rioat-Grebo meiner $erfon über bas 2ftoberne
unferer Qcit preisgebe. 3$ nieine nämlich, baß bie natürliche
Älärung bes SBortes, Begriffes unb ©innes „Kobern" mit bem
©locfenfchlage 3roö(f in ber fteujahrSnac&t oon 1899/1900 ernftlichft
begonnen hat unbfeither auf bem allerbeften 2Begc ift. 9Han
barf baö felbftoerftänblich nicht fo oerftehen, als ob um jene 2)Mtter=
nacht mit einem 9Me eine große allgemeine &emasfierung —
fei es nun bes fchroarjen Brauer-Dominos ober ber bunt fchiUcrnben
fcarlefinabe — erfolgt roäre, bie nach &em Abfallen aller füllen,
glosfcln unb Sftä&chen roie mit einem föuef auch alle SJaroen uns ;
enthüllt hätte. 3lber e t ro a s SBahreS ift immerhin baran, baß mit 1
bem neuen 2)atum eine oeränberte ©runbftimmung eingetreten ift
unb eine neue ©efamtricfctung emgefe&t hat, roelche bie metften ber bisher
ju beobachtenben franfhaften ©rfcheinungen mit ber 3«* unroillfürlid)
jurüefbrängen unb ben etroa bahinter liegenben, gefünberen ©runfc j
fern alsbalb ftärfer heraustreiben roirb, fobaß ficr) auch roieber bie harmo*
nifcheren Obertöne eines flaren, roohlgcfäüigsfonorcn ©runbflangeß
einftcUen unb mit ber Seit felbft roieber jufammenfinben mögen.
Manches, roas gar fein h^ausgepufct roar, roirb ftch ba als
häßliche grafce unb leibige ©rimaffe, manche fcheinbar grotesfe
2Biberlid)feit bementgegen als blenbenbe Schönheit entpuppen. Unb
glaubt man roof)l, baß, roie fonft auf biefen ßarneoal, ein Sfcher-
mittrooch oon gräulichftcr Seclcnftimmung folgen roerbe? Möglich —
uiel leicht fogar: uor 5lUem in ber aüererften 3 C ^ tyxnad), roeil
man recht oielcS ganj anberS erroartet r)atte unb auch m ^ 2k s
trübnis gcroatjr roirb, baß fo mancherlei nicht in einer 9ladjt fcfjon
anberS hat roerben fönnen. 3lbcr bann — balb muß bie SBeitbung
unfehlbar eintreten!
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— 23
2Bir brausen uns babci nod) gar nid)t näf)er auf bic tief*
finnige 2)oftorfrage einjulaffen, ob bas 20. Safprlrnnbert nun mit
ber 3tffcr 1900 bereits, ober crft mit 1901 beginnt. £ljatfad)e ift
unb bleibt — unb jroar rein pfnd)ologifcf), für bie natürlidje
©irfung auf bie ©emüter ber üJknfdjcn*): baß fdjon mit ber
3atjl 1900 bie 33af)n, bie julcfet nod) roie mit Brettern oernagelt
erfdjeinen wollte, plöfclid) roieber ju neuen Späten frei unb offen
roarb; baß fxc§ unfer Slicf oon ba an unroillfürlid) roieber nadj
oornc unb auf weiter binauS richtet, als nur auf bie lumpigen
paar 3af)re bcö traurigen 3al)r&unbert'-(5nbc8 tyn. ÜJht einem
Sßort: es liegt flar auf ber $anb, bag gcrabe mit bem 1. Sanuar
1900 (unb nidjt erft 1901) ber 8ann Jener ganj unausftcf)lid)en
„fin de siecle"-§npnofc gebrochen roerben mußte, roeldje roie geiftig
gebannt nur immer in baö eine mübc, altcrsfdjroadje (5cfcf)en bes
abgetafelt ju @nbe gcljenben SaWunbertö btneinjuftarrcn ocrmodjte,
unb beren gemeingefäfyrlidjcr Suggeftion nunmehr ber reale SBoben
bauemb entjogen roorben ift. — So luftig als treffenb plauberte
@. oon Sßoljogen in biefem Sinne ooriges Safjr, gelegentlid) eines
9luffafees in berSBiener „Seit". „3unä# ift baö 3)lobemc natürlich
gar nichts, roenn es nur baö Sftobifdje ift: benn bann ift es nur baS
@roig--2llte, Saturn, ber feine Stinber frißt, roo eben (Sines bas
Slnbere immer roieber oerfd)lingt. 9tein, cß muß bas (Sroig^cue,
bas erotg ftd) SBerjüngenbe fein (unb infofern roar ber Sluöbrucf
*) (5in SWann rote Sirdjoro beftätigt mir baS, inbem er turjliä)
fä)reibt: „3Han mag barüber ftreiten, ob baS 3arjr 1900 ber Anfang eine«
neuen ober ba« (5nbe be« alten SatjrfjunbertS ift; niemanb ift im ©runbe
jrocifclfjaft, bafc bie neue 3ar)re«jarjl eine größere Sebcuiung für bie
Erinnerung ber SRenfdjen Gaben roirb. 92ad) tfjr roiib man rennen, otel*
ieicfct ntdjt im ftattftifdjen ©inne, aber fia^erlio) im pfnd&olo*
giften, ©ie roirb eine Anregung $um ftadjbenfen über bie gort- unb
Bücffdjritte ber Hölter unb beS einzelnen 3»enfO)en bringen; fte mirb bie
frittfäjc Setraäjtung anregen unb bie Hoffnung auf neue unb ent-
faieibenbe Stlbungen, forootjl in ber allgemeinen Äultur als in
ben üerfefnenbenen Sftcfjtungen ber »rbcttStfjätigfeit unb be* ©enuffeö
beleben. 3>teS jeigt fict) aud) Deutlich in ber fafi frampfartigen fceftig*
feit, mit ber, namentlich auf bem (Bebtete ber fiitteratur, neue unb immer
größere unb glänjenbcre Unternehmungen angerunbigt roerben, roclctje an
bas neue Sarjrtjunbert anfnüp[en."
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Kobern', ,3Jtoberne 3been 4 alfo eigentlich fo ungcfdn'cft roie möglich
geroählt)! . . . $te 99 roceft aber fdjon 90115 befonberc ©mpfinbungen,
unb cß mag ftd) roohl auch ber oernünftigfte, außgeretftefte 2Rcnfch
in biefem legten Sa^re jener neroöfen (i d) ^ättc ^icr lieber gefagt:
freubigen) Spannung nicht entziehen fönnen, welche t>on ber 19 oor
ben beiben Fullen eine überrafchenbe 23efd)erung erroartet. SBorum
füllten mir uns fchämen, um foldje große 3ritwenben ^erum ein
roentg roct^nac^tlic^ fmbifc^ ju fein?"
2llfo: 3a ^unberts Anfang, nicht mehr 3ahrhunbert*@nbe —
b a ß ift bic einbrucfßooHe, große Xbatfaty, welche bie Strafte ent*
binbet, 5U neuem ©Raffen beherzt aufruft unb mit ihrer mieber
hoffnungßooUeren 3 l ^ un f^ ihren weiter gefteeften 3^™/ auc h *h reö
mehr erljebcnbcn unb förbemben alß nieberfchlagenben unb lähmenben
©influffeß auf bie $tultursüflenfd$cit unferer 3«trec^nung nicht oer*
fehlen f ann. ©ine neue, pojttio nrirffatne Straft — baß, waß 9fte&fche
mit bem Untcrfd)ieb jroifdjen einem ü cfblicf, jurücf nach bem
alten „33 a t e r*2anb", unb bem froren 21 u ßblicf nad) einem neuen
„5tinber*8anb" (oorwartß) fo r)crrlic§ fdr)on in feinem „3arathuftra"
heraußgeftcllt hat, eß fcf)eint alß aufblühenbeß ©efühl für neue Sßerte
unb Vererbungfi^löglichfeitcn bamit nunmehr auch ^eraufgefommen ju
fein. „Oh, meine örüber, nidr)t jurücf foll euer 2lbcl fchauen,
fonbern fjinauß! Vertriebene foHt ihr fein auß allen Vater«
länbern! @ucr 51 i n b c r lanb follt ihr lieben: biefe Siebe fei euer
neuer Slbel, — baß unentbefte im fernften Speere! 9tod) i hm ^eige
ich eure ©egel fudjen unb fudjen ! 2ln euren Stinbcrn follt ihr gut
machen, baß ihr eurer Väter Äinber fmb: allcß Vergangene follt it)r
fo erlöfcn! 5Dicfe neue £afel ftclle id) über euch!"
3a, man barf nun mofy fagen: biefe fräftig aufrufenbc 9ln*
regung, biefe frot)c 3^t»crficf)t neuer 3beale, Qmdc unb Aufgaben,
wirb unb muß fogar mit ber Qatyl 1901 noch erheblich junchmen,
wenn erft bie 1900 mit ihrem natürlichen Sanußfopf ber Ungewißheit
unb Uncntfd)iebetu>it jimfchcn 19. unb 20. SaWunbert 00 II ig
überwunben, jeber ^ücfblicf oon felbcr bann enbgtltig befeittgt
fein roirb. Unb fo oiel ift ferjon jefct ftcher, baß bie Jtunft jeben*
fallö, bic n u r jeneß befabente n fin de siecle" in ihren greifenhaften
©liebern hatte, roclcheß fidj ohnebteö nur wie eine große „^fn^ofe*
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ocrblöbenb oon granfretd) herüber auf unfer ganjeö Kulturleben
tjereinlegte — bafj b i c f e 5lunft jebenfaflö bann feinen Sdmrj ^ßuloer
mer)r roert erfdjetnen unb rote fd)ledjtcö ©elb mcfyr unb mefyr ftd)
au&er 5turö gefefct fefjcn wirb. SDaö fatale §eine'f3)e: „Unjung
unb ntd)t mer)r ganj gefunb, roie icb eö bin $u biefer ©tunb"' —
eö t)at feine ©tunbe gefunben, ober beffer: bie ©tunbe für efl ^at
gefcr)lagen — eö mu& roieber überrounben roerben! ©prübenber
Scfjaffenöbrang, aber nidjt moralifdjer unb pbnftfdjer Äagenjantmer;
S£rieb root)l, boct) feine Uebertreibung ; Jtultur, nid)t 3ioilifation;
Saune, aber ntdbt (Saprice; 3nbioibuum, aber ja nia)t ©igerl; perfön-
licrje (£igen--gaftur, botf) fein eigenftnnig 5 e £ cn ; £an$, nid)t mcljr
Kapriole; roeber chacun a son haut goüt, nodj „Sebcrmannös
(Sefcfmracf" — unb bie „Söeltanfdjauung ber *Puräclbaumftetlung"
nacr) unb nad) roieber auf ben 2Iuöfterbc*(5tat gefegt!
„$>ie Entartung füt)rt nämltd) nidjt nottoenbig jum üftidjtö, fie
fann bie S8orbebingung ju neuem Seben, ju r)ör)crer ©efunbbeit
roerben. Dtjne j&mtfd ift eö nidjt mö'glid), jurücfyugebcn unb bie
£Dlenfcr>E»cit auf frühere ©tufen jurücfyufcbrauben: ,eö ftef)t niemanb
frei, ftrcbö ju fein; eö tjtlft nidjtö, man mu& oorroärtö, roitl fagen
Schritt für ©djritt rociter in ber 2)efabence (— bicö meine
^Definition beö mobernen „gortfebritteö". . .). 9ttcm fann biefe @nt>
rotcflung fjemmen unb, burd) Hemmung, bie Entartung fclber flauen,
auffammeln, oebementer unb plöfclicbcr machen: mein* fann man
nid)t. 4 (Sliejföe; VIII, 155). Slber ebenfo tote im fcerbfie bie Blatter
uergüben, um im grübling loiebcr grün ju roerben, ebenfo ift eö mög*
lief), ba§ ber gegenwärtige Vorfall nur baö Söorfptel einer großen
Degeneration ift; ba& bie 2Jlenfd)beit ber 2luflöfung entgegeneilt,
um einer Oberen SDafetnöform baö Seben ju geben. £)ie 2)ienfd)bcit,
bie mit einer neuen 2ßclt fdjroanger gebt, leibet eben an ©eburtö*
raefjen." ©0 gefd)rieben gegen Sluögang beö 19. Sabrbunbertö oon
einem geiftreietjen granjofen, ber buret) baö 9tteg[djc*$roblem bin*
burebgegangen ift*): baö roirb unö, nad) allen feltfamen 3ucfungen
*) $rof. §enrt 2id)tcnberger in feiner oortrefflicficn, oon
%xf)xn. 0. OppeIn*$roniforoSft bearo. grau Dr. $örfter«9Mefefa)C in'*
$eutfd)c übertragenen unb fjeraitögcgebcnen ©tubie ($)re«beu unb Seipjtg,
bei (Sari fteifener).
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— 26 -
bes „üercnbenbcn" Säfulums, erft recht nun für bcn Safjr&unbcrt-
Sttnfang mit neuem Vertrauen erfüllen bürfen. Unb mir mollen uns
nur auch beffen getroffen! 9JtanchcS ficr)t eben, unter falfcbem ©es 1
ftcbtSroinfel betrankt, um nicht gleid) ju fagen: für taube D&rcn,
noch rote „9Iuflöfung" aus, maS im tiefften ©runbc beö Seins fcr)on
„neues Sebcn" anfünbigt unb „ßncadjen" bebeutfam oorbereitet. SDtan
muß gelegentlich aud) baS herauf fommenbe Sicht in feinem ^eran*
broufen ju hören oermögen.
©cf)t jum Scifpiel boch über eben genannten Sri ebrid) 9licfcf dje
felber innerhalb unferer priotlegierten „Uniocrfxtätö^rjilofoptjic" noch
immer eigentlich nur bie eine Meinung um: baß biefer unfruchtbare
3crftörcr unb geuüffenlofe 3ugenboerführer als ooUgiltiger „$htf°f 0 P&"
fd)on bes^alb nid)t genommen roerben fönne, raeil er nur mit äußerfter
9lnftrengung „fnftematifd)" ju benfeu oerfianb, b. f). roeil er für
bie bieget nicht in bie gorm boftrinären logifdjcn Stufbaues feine
3bcen ju gießen mußte, fonbem in lofen ^apierfchnifceln unjufammen*
fjängenber, „auf gelöfter" ©injelsSetracbtungen, in Aphorismen unb
2lpetc;uS, nur fia) ergangen habe. Auch ich ^abe früher gerne mit
eingeftimmt in biefcS üerbammenbe Urteil ber Herren ^fjilofop^tes
Sßrofcfforen unb rociblid) für mein £eil mit gefeilten, je näher id)
noc^ oem ®eifte jener Uniucrfitäten unb bem offiziellen 2ÖagncrianiSmuS
bamals ftanb: bis ich bie Sache mit ber %tit benn boch in einem
mefcntltd) anberen 2id;tc betradjien lernte. SBürbe bie SBelt nicht fo
gebanfenlos alles, mos iljr bie littcrarifchen Wortführer unb gewaltigen
$tunft*Auguren oorprebtgen, auf £rcu unb ©lauben immer nachbeten,
fte märe auch f#on Iängft felber bahintcr gefommen. 2>enn nrie,
wenn 9Me&)d)eS befonbere, perfönliche Schaff cnSioetfe: nämlich fid) feine
©infätlc als „®cbanfcm©ängc" im greien brausen ju ergchen,
jur philofophifchen ©elehrfamfcit ber Stubenhodcr ganj mobern etroa
fich oer hielte, mic bas „plein-air" jur 9ltcher=$tunft im deiche ber
garbe? Unb roie, roenn fein auf folchen Spaziergängen unmittelbar
erlebter unb mic eine Art oon SJlomcntphotograpbie ins 9loti§bucb als*
balb hingeworfener „Aphorismus" jur SDogmatifer^rbeit ber fnftc*
matifch jufammentragenben ^hitofoph^flärrncr — abermals ganj
mobern — fo etroa rote bie „Smpreffion" jum mohlfomponiertcn
Staffeleibilb ber afabemifchen giguremSMeret fid) ftcUtc?! Poliert
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er bod) in einem biefer hanbfehriftlichen Sfijjenbüdjer einmal: „2Bir
£eimatlofen — ja! Slber mir motten bie Vorteile unferer Sage
auönufcen unb, gefdjrocige an ihr ju ©runbc ju gehen, uns bie
freie Suft unb mächtige Sichtfülle ju ©ute fommen laufen!"
Unb nennt er fclber bodj fo überjeugenb bie „9lpboriömen" „oorläufige
SBahrfjeiten", be^ro. citiert fdjon in „Schopenhauer als (Sr^ie^cr"
(I, 6. 485) beö ©nglänbcrö Sagehot oerniebtenb Urteil über bie
Jcfcigen „Snftcmbauer". §at er boer) in fpäteren Satycn bann, ba
i^m bie 3«t ber großen 3 u f ammen f°ff un 3 mieber gefommen festen,
oon felbft ju gcfdjloffcneren ©ebanfengefügen ficr) entfdjloffen. 23er*
geffen mir babei nur auch nicht roie felbft unfere „offiziellen" Sßiffen*
fchaftßbetricbe in neuerer 3«t nicht gerne mehr auf bebuftioen 2öcgen
roanbeln! SDcm unenblich otclgcftaltigen, unerfcböpfUdjen Reichtum
fchöpferifcher ^latux oerfudjen fic lieber h«bf$ bcfcheibcutlich mit
inbuftioen 2Jlethoben, fo gut cö eben gehen null, t)cutc bcijufommcn;
ber natürlichen ©ntroicflung ber £)inge, roie ihren unenblich mannig*
faltigen 2lcußerungöformen trachten fie feinfühliger, mit juoerläffigen
Apparaten unb anpaffungöfäbigeren Mitteln, nunmehr ju folgen.
(5ö fj a * c bcn mittlermeile bie große Serjre oon ber „©oolution" auch baö
alte ©efc| oon ber „Unroanbelbarfeit ber formen" nach unb nach
ftürjen müffen — 3wrüftung unb Stüftjcug folltcn barnach oon felbft
fchmiegfamer unb manblungöfähiger werben, um baö rechte ©efäg jur
Aufnahme beö neuen, oielfad) noch fd)roanfenbcn 3nf)alteß abgeben ju
fönnen. ©crabe roie j. 33. SRobin'S fragmentarifcher <5ü)l in ber $(aftif
bebeutet 9ttcfcfd)e'8 „5lph o riSmuö" tyex 9leoifton oon ©runb auö.
9luch in einer anberen, für unfere bcrmalige $eriobe gcrabeju
bejeidmenben ©rfcheinung roill man gerne immer nur föücfgang unb
Verfall fcr)en r roöhrenb ein flarblicfenbeö 9luge boch baö barinnen
bereits irirfenbe neue Seben, bie ^Bereicherung unb görberung
nachgerabe erfennen follte. 3d) meine bie neuerliche 33erroifchung ber
©rcnjlimen jroifcben ben früher mehr fpejialiftifchen Begabungen;
baö 3neinanbergreifen oerfchiebener Äräfte roie gähigteiten unb beren
3ufammenfaffung roieber jum £otalmenfchcn; bie 93ermifd;ung auch
ber Sonbcr=©attungen unb *9lrten in ber ßunft fclber, ihre Um--
bilbung ju allerlei neuartigen gormen unb ©eftaltunflcn. ©ö giebt
heute fchon eine ganje Spenge folcher SDingc, bie „man nicht bcflU
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nicrcn fcmn", b. f). bcncn baö Urteil be&fjalb md)t meljr gerecht
ju roerben oermag, weil es nid)t probuftio genug ift, bie 3 e ^ en
ber 3?it fuft 51t beuten, unb weil eben folgen Problemen gegen*
über, roeldje Uebcrgriffc nadj „9lculanb" unb ©ebietö * (Srroeite*
rungen barftcllen, mit ber alten ©dr)ubfacb * 9Ieftf)etif unb einer
oormärglid)cn Scfiulmcifter 5 £l)corie fein ÜJlenfdj heutzutage mefjr
ausfommt. Berglen wir uns babei nid)t, ba& aUerbings
juerft baS 2Bagner'fd)e (SJefamt^unftroerf einmal erft erftanben
fein mußte, jene triclumftrittcne, lange für unmöglich erflärte
fyarmonifdje Bereinigung ber ©injclfünfte ju einer grofjen monumentalen
21 II fünft; baf$ aber auch, nun btefer 2öurf gelungen unb bieSonbcr*
fünfte f<$on fid) einanber \w organifd)cn Uebergängen genähert haben,
bic Verfügung 511 ©jpertmenten mit allerlei weiteren SBcrbinbungen
barauö oon felbft ftd) anbieten burftc. 3 ur $t\t ber SRomanttf fjatten
mir fo bie $eriobe ber Sehnfudjt ber einzelnen fünfte nach einanber;
heute, nach SBagncr, ftcf)en mir im 3cid)en ihrer SHebe ju einanber.
SDlchr unb mefjr wirb jubem neuerbings aus Biographien, (Sffais
unb bcrgl. auch an ber neueren unb neueften Sitteratur, rote in ber
mobernen Stunft, irgenb ein fold)' geheimer, unerroarteter 3 u f ammcn *
hang mit ber ,3agncr*gragc" in it)rcn legten liefen felbft offenbar.
S3ei einem ^ießfe^e ift bies ja als tiefftes ©rlebniö eine allbefannte
Sache; oft ift cö auch mehr nur einer oon rein polemifchcr 9fotur,
lebtglid) ber perfonlidjen Huöcinanberfcfcung mit jenen 2fttfdj=£f)corien.
3>ch fyabc einen folgen aber auch in Sd)lentherS „Hauptmann"*
Söiograprjic, bei Stefan ©eorge, 9i 2>ehmel, 3Jlar ßlingcr unb m. a.
3U entbeefen geglaubt. So ift benn manches, junächft noch befrcmblid)
SBerübrenbc für mich fdjon lange nicht roeitcr ocrrounberlich mehr
geblieben. 3lm roenigften, rote gefagt, bie oft feltfam anmutenben
Äunftformen oon Uebcrgangö* unb 3 lüi f4>cngattungen 2C, bie aus
einer inbioibucHcn Veranlagung, bei einer eigenartigen Söerbinbung
oon Sjcne unb 2Jtufif (in äftärdjenbramen, STraumbicbtungcn, 2Mo*
bramen) ober aud) oon Malerei, ^Maftif unb SIrchiteftur, $ocfie unb
bilbenber 5lunft, 2ftufif unb ÜMcrei unb bcrgl. mehr ftcf) ergeben,
unb bie faft fo etroaö roic eine mobernc Belebung ber „SHcnatffance"
uns Uraufführen ju wollen fachten. ©3 finb Ijäufig cbenforuot)!
9luö(aufer nur beö Sßagner'fchcn ipöhcnaugeS, als boct) aud> roteber,
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rote ficr) nidjt feiten beutlich beobachten unb redjt gut nadjweifen läßt,
abjwcigcnbe Vorboten ju neuen, bebeutfamen Aufriffen wie inneren
9ieubilbungen auf bem Soben juft beö mobernen Sebcnö. SDaö
ftnb oor allem bie gäfle, wo eö fuh nicht mehr um bie ober jene
©onberart allein, fonbern um eine neue (Spielart im (Sanken
fjanbclt, wo weber ein reiner 9Jluftfer, noch ein reiner $oct, weber
£onfünftler nod) SDarfteUcr, Genfer nod) 3)id)ter, ebenfowenig
9ftrjftifer a(ö föealtft, fonbern bei beö jufammen, gorfcher unb
Träumer, oor unö ftcfjt unb ein oollcö 2flenfchentum mit um
geteilter @tnbett in ernftem fingen nrieber anftrebt. liefen
r/ fr)ntt)etifc§en 2ftcnfchen" gilt eö, nicht mit bem 3flifroffop ocrfleinert $u
flauen, mit ber Frille ber Arbeitsteilung alö uerf ümmerter unb oerf rüppeltcr
(Spejialift nur ju ftubieren, fonbern alö jeneö ©an je eben meiner jig
ju er 5 unb ju jener Grinhctt fongenial jufammenjufaffen. Stein
3n)cifel, baß folgertet ungewohnte, btöfjer oieHeic^t oöllig unbefannte
Amalgame, eben burch iljre oerfud)te üftifchung unb geglüefte S8er*
binbung in ber beweglichen Retorte unfereö aeitgenöffifchen Stultur*
projeffeß, nicht immer nur Gompoftta ju bebeuten brauchen, fonbern
aud) neue c^emifc^e SSerte ganj im Allgemeinen anfünbigen tonnen.
©an$ befonberö giebt eö nun aber auf bem mufifatiferjen
©ebicte ein untrüglich ÜWerfmal für ben erwad)enben (unb erwachten)
„mobernen ©eift" — ein Kriterium unb Argument, baö wir unö
jum näheren 93erftänbniö ber ganzen gragc wahrlich nicht entgehen
lajfen bürfen, felbft wenn eö unö fykv für einen Augenblicf auf bie
leibige „SBagner-grage" alö folche nochmals jurücf werfen follte.
üJlan oermißt befanntlid) in weiteften Streifen ber &tteratur=
fenner unb Sßoefiefreunbe fchmerjtichft immer noch bie bebeutfame
3Jücfwirfung eineö fo cinfehneibenben ©reigtüffeö, wie beö großen,
welthiftorifchen@inigungöfricgeöl870 71, auf bie litterarifche ^robuftion
unfereö Söolfeö. 2)u lieber Gimmel! (Seit wann benft man benn
bort, in ben Streifen ber hohen Sitteratur unb ber ©eifteöwiffenfchaft
fclbtr, fo gering oon feinem eigenen SBirfen, baß man hier ^oefie alö
lahmen %l ad) trab nur unb nicht alö bebeutfame Söorrjut fommenber
Bewegungen, alö mirffamen &orftoß ju großen, wichtigen (Sreigniffeu
ber ^ßolfögefchichte auffaßt? 3ch backte boch, ©ciftcöwerf ift ftetö
energifcher Pionier, niemalö bequemer 9tod)iügler polttifd)cr S^ten
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gerocfen! Sfteinte bod) fogar ein Wollte, ber©ebanfe lege ben©runb
jur %fyat W\t Verlaub alfo: nid)t um eine 3u™tff* r ahfong
gefdjehener, fonbern um eine Vorfdjnttung fünftiger begeben*
Seiten, um bie Vorausnähme beoorfteljenber ©ntroieflungen fann
es ftd) im Kulturleben bodj allein nur f)anbeln. ©teilen roir ben
SBIicf erft einmal auf biefe £(jatfadje ein, bann fürroahr fann eß
feinem 3«>eifel mehr unterliegen, baß jene glorreiche 3eit längft ihren
poctifa>oerflärten, fünfte roie fulturgefchichtlich bleibenbcn Sluöbrucf
gefunben, fchon um 60 3a^e oorher (im benfroürbigen £fjatenjafjre
1813!) ihren ibealen Verfunber unb berufenen Propheten ftdr)
geboren fcat. (Sine unwichtigere ©efamtüberfchau über ßittcratur,
flunft unb Äultur unferer $age — umftchtiger nämlich als bie
ber litterarifd&en Spejialitätöfrämer, ber mufifalifchen ©renjpfahlrcächter
unb ber fulturhiftorifdjen ©d)lagbaumiöärter — müßte nadjgerabe
roentgftcnß bar über belehrt Ijaben, baß fein 9tnbercr als 9tidjarb
2B agner baß überragenbe, jufammenfaffenbc unb abfd)licßenbe ©enie
jener großen Epoche geroefen tft. 3n Söarjr^eit^ ©inftchtigen ift eß
längft flar geworben: fjter hatten roir ben, mit ber SHogcncßlaterne
fo anhaltenb gefugten „ftlaffifcr" unferer %c\t, ben ©pruchfprcdjer
tr)rcr nationalen Erhebung unb politifchen ©inigung; jener geroaltige
Sluffchroung r)at in bem Vanreuther geftfpiel oon 1876 fein offene
ftdjtlid) „Dlnmpia" feierlichft begeben bürfen, unb biefe ganjc ©eifteß*
unb flulturberoegung foHte in bem ibealen „^ßarfifal", fechß 3a^re
fpäter, überbieö noch ir)re ethtfd^refigiöfe 2Betr)c erhalten, bamit aber
einen wahrhaft ibealen 92 ach* unb Stuß Hang nun erleben: legte/
unb auch böcbfte SBlüte ber ebelften beutfd&en „Homantif — Ijin bis
Sur „©rlöfung beß ©cbanfenß in bie SBirflichfeit"; Steigerung biß
jum fnmbolifchen Vorgreifen beß Realismus urfräftiger SDfanneß*
thaten, mit Vorarbeit (1849), Vorbereitung (1852) unb Slbfchluß
(1872) äugleid) unferer herrlichen Sluferftefnmg alß einer Sichtung
gebietenben 2öiltmad)t im 9kte ber Völfer. 9Md)t nur, baß biefer
fünftlcrifdje ©eniuß — roie öiömarcf eben bamalß auf politifdjem
©ebiete — 2)cutfdjlanb nach außen fyxn, ben anberen ©roßftaaten
unb Kulturlänbcrn beß „europäifd)en ^onjerteö" gegenüber, madjtüoü*
burd) feine Shmft oertreten h«t; unb nidjt nur, baß Söagner in ber
Söcjrotngung ber einjelnen Sonbcrfünfte jum „©efamtfunftroerf" —
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roas oorbem noch niemals glüden rooüte — eine SBtSmarcffchc
©inigungsthat für fein ©ebtet ootlbracbt hat, ju ber er ftch felbft ganj
ebenfo fein eigenes ftarfes Siegfriebsfdjrocrt burc§ 3"fammenfchroei§en
erft ju fdjmieben hatte: roir gewähren heute beutüc^, roie auch alle
bie übrigen ©ehnfuchten oon anno ba^umal, bic mannigfach oer*
fdjlungenen Regungen unb Strebungen unferer beulten Volfsfeele,
befonbers feit ben 40 er 3abren, in bem 33anreuther OTeifter ihren
ibeeflen Präger gleichfam, in feinen bebeutfamen Dichtungen ihren
geiftigen Slnroalt ftnben fotltcn, roie fie eben in SBiSmarcf — alsbalb
barauf unb julejt — ihren praftifdjen ©rfüHer unb Söollenber
erhalten haben. 2Ilfo, roie fpätcr JKcfcfäe (®ef. 2B. I, 589 unb X,
S. 415) beachtenswert, aber oiel $u wenig beamtet, notiert: Unoerein*
barfeit ber äftotioe SBagner'fcher Jtunft mit bem Gbarafter ber
beutigen Sftenfdjfjeit Sßagner nicr)t foroofjl Seher einer 3ufunft,
fonbern 2)euter unb SOcrflärer einer 93crgangenbcit.
Allein, eß ift nun einmal „bie ©eftimmung bes ajfcnfchen, bag
feine Sbeale niemals in ber Vergangenheit Ijinter ihm, fonbern
ftets cor ihm in ber 3 u ^ u n f * liegen.'' 2)iefe ^re ßunft, roie
jene tjotje 3?it, fie liegen r)cutc (feit 1896, barf man fagen) ooH»
fommen abgcfdjloffen, als ein überfcbaubarcS ©anje, r)tnter uns.
Unb bie 3eit ift mittlerroeile natürlich nicht ftet)en geblieben unb bat
etroa, r)übfcr) pietätooH, ben 9ltem injroifchen angehalten, bamit ber
„&inbfturm nur auch l<* naebfommen fann". Sie ging otelmchr —
roie fte bas immer ju tfmn pflegt — feft ihres SBegeS, Schritt oor
Schritt. 2öaS ben £agen unferer Väter ber bürgerte ftreiheitsgebanfe
unb ber politifche (SinheitStraum geroefen, bas ift uns ^angeborenen
oon heute fchon faum mehr bie „fojiale grage" unb bereu fragroürbtge
Söfung, es ift oor allem bie gorberung nach einer „fojial*
ariftofratifchen SluSlefc", im Sinne bes «ßerfönli^IeitS-Äuitefi — fotoie
politifch: bie Wahrnehmung unferer internationalen ©ro&mad)tftetIung,
im Sinne bes „guten (Europäers" unb als äftütellanb in einem
SBeltoerFehr mit folonialer Sluöbcbnung, gcroorben .*) £ie nationale
*) 8(|t auch @- SublinSü: „Vit Slcfit)cttJ ber SBeltpoIMf" (©efett-
fdjaft*, 1900), ber al« bic früheren Stufen: bie „harmomfebe Humanität"
unb bie „©ojtalromantif" unterfctjcibet.
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i
di e o o l u 1 i o n oon eljebem, bie gegen 2luägang bes 3af)rhunbcrts
bereits burd) bie fojtale SH e f o r m abgclöft crfdjien, fte macht nun*
mehr $la& einer neuen geiftigen $ e n a t f f a n c e , auf bem ©nmb
einer burchgreifenben fultureUen Degeneration. Köllig neue
Aufgaben fc^en roir uns heutigen £agcs jugeroiefen, frifdjc $kk
geftedt unb anbersartige SBeltausblicfe unferem dafein eröffnet.
Unaufhörlich bringt junges 2 e b e n ein, ein jcbcS roieber feine be*
tonberen (SefichtSpunfte unb eigenlebigen Slnfchauungen mit fug
bringenb — unb, nur roiffen ja: ber 2c ben be hat bas stecht! Dber
wollen roir etwa hiftorifterenbe „Söerlcumber", fallen wir nicht xocfyU
roollcnbe „gürfprecher bes 2ebcnS" fein?
©anj begreiflicher SBnfe roirb man oon einer fo incommcnfurablen
©röfce roic SBagner noch to"Ö e 9 enu 9 5 U 8^rcn fyabtn; unb ganj
ftcf)cr bleibt es überbieS, bafj fte auf (Sroigfeit oom SOIenfchengeift in
ihrer ftauncnSroerten Unioerfalität fo roentg oöllig ausschöpfen fein
roirb, rote alle hod)ragcnben Äunftgenien unb ©eifteshclbcn oet
Sftenfchhcit bicS oon jeher geroefen ftnb. $ u r ch Sßagncr geht ber
„jufünftige" $fab nun einmal unbebingt; geiftig über ihn ^in iueg
roenigftens m u § er gehen, unb nicht an ihm fann fkh irgenbroie
oorbeibrüefen, jumal roer auf bem Soben ber £onfunft felbft eö
roieber weiter bringen roiÜ. „SBagner r e f u m i e r t bie 3Jiobernität
@S hilft nichts, man mufc erft SSagnerianer fein. ..." (9ttc&fchc
<8b. vm, S. 3.)
(Sbenfo feft fleht aber auch, uns biefer mitten am 2öegc
liegenbe gewaltige gelsblocf, ben roir mit unferen &änbcn nicht fo
ohne Weiteres bei Seite räumen tonnen, mit bem eö Reh alfo auf
bie eine ober bie anberc Söeife erft auseinanberjufe&cn gilt, roeber
bie Slußficht barüber hinaus oöllig rauben, noch auch ^en 2öeg jur
gortroanberung bauernb oerfperren barf. deutlicher gefprochen:
SÖBagncr's technifche unb geiftige (Srrungcnfchaften einfach alö nicht
uorhanben in ben 2Binb fd)Iagen, geht heute felbftoerftänblich nicht mehr
an. die ocrhängnisoollftc ©aef gaffe jeboch roäre begangen, roenn roir
ben oon ihm fo prächtig nach o^n ©eiten hin ausgefchrittenen *pfab,
biefen lebiglich epigonenhaft nun nachtretenb, immerfort rocitcr ju
roanbeln fuchten. SDen reinen 6clbftmorb begingen roir fdtjon, roenn
roir feine 2eljre auch 1« aH™ i&wn inbioibueden Skfonberheitcn als
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anfjaltenb ocrbinbliches ©d)tbboleth für alle 3citcn oor uns aufrichten
unb baran nunmehr fclber unfruchtbar jum ©eftein erftarren wollten.
„$)a fam er §u tief in bie treibe — unb ba war es natürlich
üorbei": gottlob nur mit bem Sdjthnofaurus, rate ©cheffei bie r>or<
fünbflutige 2Jtär' fo launig bekanntlich ju melben roeifc!
SDer längeren 9Rebe fürjerer ©inn: nur ftnb aUmäfjlidj in bte
$eriobe bes „2Bagner*©chiSma's" eingetreten, bas über furj ober
lang freilich einmal fommen mu&te. @ine natürliche „ßrife bes
SßagncrianiSniuö", jugletch bie flritif 5Bagner's", unb jroar bie oon
ben hochften unb freteften ©eftchtspunften aus, fjot im eigenen
Sager begonnen.*) -Nochmals roof)lbeacf)tet unb außbrüeflich hier am
gemerft: bie äritif im roeiteften ©inne (nach ^icfcfche 33b. XI,
©. 91 unb 104); jene höhere ßritif, bie aus ber gegebenen
©rfdjeinung felbft ihren ftrengften SJla&ftab nimmt, nachbem
fte an biefer unb burch biefe erft jum neuen Sbeal fjeran*
gereift ift; jenes „fritifche Serou&tfein", rote es feinerjeit auch nadj
einem ©chilier unb ©oethe, wie anberen ©cifteSfürften, unb jwar im
berechtigten ©egenfafc ju beren gar balb oerfuchter ©mbalfamierung
unb üttumifijierung, immer bar lebenbtg eingefegt hat unb bann
nicht roieber 5um ©Zweigen gekommen ift.
3dh barf baher aud) wohl erwarten, ba& man mich feinen
2lugenblicf tyenn mijsüerftehen werbe, als ob ich &amit etwa &en
profefftonSmä&igen, abgeftanbenen Nörgeleien ber Herren £>anslicf f
©chasler, föci&mann ic. bas Sßort reben fönnte, beren ^erftänbnts
ja überhaupt nodh gar niemals an ben „Stiefcn" SBagner hinan*
gereicht §at; ganj ebenfo wie 3. 8. gewiffe Sttünchener „^rioat*
ßcfcereten" über 33anreuth fchon beßhalb feine fein tonnten,
weil ber ® 1 a u b e ba nodh nicht e i n mal roirfüdj oorhanben mar.
Vielmehr, es banbelt fich $ier um bas alte ©efe& einer jeben, wahr*
haft lebenskräftigen ©eiftesbewegung — fo jwar, bog fein Eintritt
fogar bie Sßrobc aufs Tempel bilben barf, ob biefe auch ent*
*) 3« ftrtebrid) ftöfays „9HuFt!äfülctifd)en Streitfragen" (Seipjtg;
@. 54 ff.) unb Dr. SRar, ®raf'S „Sagner^roblemcn" (SBicn; ©. 1-86),
podjt biefe „Äiitif" neuerbingö mit oerncljmUdjen §ammerfd)läa,en an bie
Pforten, roä&rcnb ftd) fteitr. SBeingartner'« Srofd)üren gegen ©agreuth
bo<h mehr al* „Angriff", benn al* folche „ÄrM!" ijarafterifterten.
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tmcftungsfähig ftdj crrocift: um bie ©abelung nämlich in i^rc jroei
natürlichen glügel, wenn anbcrs ber ©runbgebanfe barin „aeitgemäö"
in organtfcher SSeife fich rocitcrbilben foll. Seit 3ahren fchon
ift benn auch bic roachfenbc, cntfchloffene 2lbfcr)roenfung ber Jungen
„Sanscülotten", oom alten Stamm ber 2Bagner*(8arbc ab, beutlich
ju beobachten, ift btc „Segeffton" oom fjl. ©ralberge toeg tn'S
moberne SReulanb hinein (abermals ju ©unften eines noch ungeioiffen
„Stunftrocrfes ber Sutunft") ä"r ooHenbeten Str>atfacftc geworben.
Rechter Slügel: bie Parteigruppe ber ©eheimnisfrämer oom
„efotorifchen" ©ralsfult; bic Seroahrfamen oon ber „ftriften
Dbferoanj" unb bem „bmoenben 5tanon", bic nun SBagncr roieber
gum „Stlaffifer" ftempeln, feinen ©eift jum Hausgebrauch auf
glafchen abziehen unb roic flonferoen cinpöfeln unb ocrfapfcln mochten.
Hier herrfcht ber „SBafjnfrieb" SBanreuth'ö/ ber fein SBerf um jeben
Preis „monumentaleren", ben Stnl jur w £rabition" gerne
ftnlifiercn möchte. Unbbiefe ganjc Dichtung wirb nolens volens
julcfet tn'S öbefte, behaglichftc „^agner*PhUiftcnum" ausmünben,
unoermeiblich eine SpejicS oon 3ttenfchen juchtene, bie ihren £aupt*
beruf mehr unb mehr barin Jüchen bürften — auf 5tömg Subwig's II.
ßorbeeren bequem auszuruhen. (3n Lunchen lägt fich biefe ©attung an
einigen wahren Prachtexemplaren heute bereits oortrefflich ftubicren.)
2 i n f e r §lügel (bementgegen): bas rabifale, aber jufcfjcnbs erftarfenbe
„Jähnlein" ber roten „9teu*2öagneriancr", bie einer blinben 3bo(*
anbetung baS lebenbtge „9lllcs fließt !" gegenüber ftcllen unb — wo
ienc Vertreter ber „fechten" Ä u r w c n a Fi „ £rcue" fich sum SBorbüb
nehmen, ihrerfeits nun SB r ü n n h i l b e jur Sdm&patrotün erheben,
roclchc befanntlich bem ©ebote bes Katers trofet aus inniger Kenntnis
feines geheimften SKillenS roie aus Siebe jum roerbenben Sfteuen
Unruhig in ihrem perfönlichen Sturm unb SDrang, mögen fie hin
unb roieber wohl über ben Strang fchlagcn unb babei leicht als
„93tlberftürmer" unb „3;empelfchänber" einmal herausfommen für
aÜe bie, roelche folche ^Bewegungen leichtfertig nur oon oben her $u
betrachten pflegen. Snbem fie als „allcrgetreuefte DppoRtion" fich
ein für allemal baS Stecht jur ßritif herausnehmen, werben Re ben
„Sonalcn" ber 25nnaftic nicht feiten wahre „ÜJtojcftätSücr brechen" ju
begehen fcheinen. SftinbeftenS mit ebenfo gutem gug unb Riecht
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tonnen biefe „greifinntgen" aber ihren 2Bagner auch für fich
anführen — b c n SBagner nämlich, bcc alle „SRonumentalifierung"
in bcr Jtunft ein unb allemal für ein Unbing erflärt unb bafür „ben
immer neu fchaffenben Stünftlcr" unjroeibeutig genug geforbert
hat, roelcher eben „ju jeber 3«t, roas j. S3. Sbafefpcare (fagen roir
feilte unb in unferem gaHe^ier ruhig: „Söagner") ju feiner
3eit mar." (Sögt- „amttetlung an meine greunbe".)
3m Übrigen roiU iebbamit jener ebenfo rechtgläubigen als recht*
febaffenen „Rechtspartei" nicht im ©cringften $u nahe getreten fein;
jäfjle ich boc^ auf biefer Seite perfönlicb fo manchen ocre&rungs*
roürbigen greunb, beffen (Sbelart unb felbftlofc £reue im SMcnfic ber
für ihn nun einmal „heiligen" Sache ich aufrichtig ju fd)ä&en tt>etg.
@S giebt fogar nicht Söenige unter biefen ©uten unb (Setreuen/ welche
burchauö nicht etwa im leeren Streife nur immer um bie Sonne SBagner
ftch breben, beren ernfter Sinn vielmehr in inniger ^Bergung unb
einer tief bingcbungsoollen Regung beS oon jenem ©eftirn aufgefangenen
ßichteö ba unb bort ein oon ihm noch nicht erroärmteS Samenfom feiner
Sphäre mit ©rfolg jum Steimen gebracht fyabm, beffen gruebt roir
fchon beute nicht mehr gerne in ber grofjen SBagnerernte miffen mochten.
3er) rooüte auch nicht auf alle bie babei fpielenbcn „ßtiquettefragen"
näher eingehen. Rur bas roiH unb foU hier flipp unb flar einmal
auSgefprochen fein: 2öir unterfcheiben uns; unfere SBege hoben an«
gefangen, auseinanberjugehen. 2)em romantifchen Reiche ber „®nabe"
unb bes „SRitleibenS" tritt neuerbings ein freiheitliches 3beal, bas
burchaus rcaliftifch geforberte Recht bcs fchöpferifchen SnbioibuumS
(unter Selbftoerantroortung, nach innerer Veranlagung unb beren
Sonberentfaltung) gegenüber; ber „Unfeblbarfeit bes SDogma's" bie
perfönlich gewährte ©laubenS* unb ©eroiffensfreiheit eigener (Srfenntnis
entgegen. Unb in folgern 3«fommenhange lägt fictj roirflich fagen:
SBagner'n ift mit Riesche basfelbe roiberfabren, roas bem ^apfte ehebem
mit flDöfltnger begegnen fotlte — gcrabe bcr bebeutenbfte unb befte Stopf
feiner ^ropaganba r)at fich „fclbftftänbig" gegen ihn gefchrt unb
oon ihm abgeroenbet. Run ift ja natürlich nicht jeber ein S)öKinger
ober Riefefd)e, unb „Quod licet Jovi, non licet — u man roei&
fchon, roas ich meine! 3lbcr nicht nur in rein geiftigen gragen,
auch in ben technischen unb formalen SDingcn fünft lerifchen Schaffens
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tritt überall btcfer fdjarfe, nicht ju oernrifchenbe Sßenbcpunft ein — ja,
mu& er nach bcm natürlichen Sebcnsoerlaufe unbebingt rooc>l eintreten:
ich meine jene entfdjeibcnbe „SBenbc ber 9lot", roo ber betreffenbe
junge $erfules an einen ^djeiberoeg ju fielen fommt, jur @nt=
fdjeibung jroifchcn trägem Verharren unb fraftootlem 5Iuöfcr)rcitcn
unmittelbar ftd) gebrängt ficht Ober glaubt man ctroa, bag für
SSagner nach i c " c ^ bie Nachfolge fo fein* erfchroerenben Seifiung eines
33eetl)Oücn, in ber 90lufif biefes Problem nicht beftanben habe, biefe
petnigenbc 3roangslage beö „Entrocber - Dber!" — folch' innerer
3roiefpalt jroifchen ©efjorfam unb Unfolgfamfeit bamals nicht oorlag?
2)cr dichter ber „Nibelungen" hat jur (Schtlberung bcS Verhält*
niffes 2Botans@tegfrieb ganj gemife in feinen eigenen Sufen gegriffen
unb, als jener tiefe Jtenner bes menfehlichen &erjens unb berebte
©eelenfünber, ber er oon je geroefen, ftcherlich aus perfönlichften
Erfahrungen babei nur gefchöpft. „$em EroigsSungen racicht in
2Bonne" — felbft ein ©ott! . . . .
©enug. ©o wären nur benn glüeflich auch an biefem fünfte
bei ber 9DlögUdt)fcit eines cigcnröücr)fig „SJiobcrnen", felbft nach einem
Sßagner noch, angelangt — roas nun fogar ftellenroeifc fo meit fchon
führen mag, ba§ uns Einer, ber etroas als echt „Söagnerifch" be*
fonberß anpreift, junächft meit eher ben Lerbach* enoeefen bürfte,
bamit gerabe baö @cgenteil oon bem ju meinen, roas er uns Der*
mutlich gu fagen hoffte. 6tiHftanb ift eben nun einmal nicht auf biefer
Söelt ber SBeroegung, ober er wirb auch hier in genriffem Sinne nur
roleber jum mißlichen $ücff ehr itt. 2)a& inbeffen jener gortfehritt, bie
Seitmcilige „Ueberroinbung" felbft eines folchen Jtoloffes roie SBagner,
unb jroar eine folche fonber ohnmächtige „Nücfroärtferei" unb trabanten*
hafte „ßnechtsfcligfeit"*), grunbfä&Uch nicht auSgcfchloffen erfcr)etnt,
bafür — eigentlich roiU ich fagen: für folcfjcs 3ncinanbergreifen
oon Epigonen* unb ^rogonentum — habe ich auß meinem ©tubium
ber allgemeinen ßunftgefchtchte fo meine aparte gormel mir crlefen.
# ) 6a>n fcan« 00 n »ülom fpridjt (1877; ugt. "©Triften*, @. 3G4)
oon Den „unfelbßänbigcn 93an-Heutfjfncä)tcn", unb ber granjo[c (5b.
@d)ür<5 (in feinen „Erinnerungen an 9t. ffiagner") roeift in biefem Sit*
fammenljange einmal auf ©otan'* unmutoollen SluSruf |tn: „Änccfite erlnct*
iä) mir nurl"
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3dj Ijabe ba nämltd) öfter ju ftnben geglaubt, wie — unmittelbar,
nac^bembic große 3entralfonne eincö ben getftigen ^ortjont beberrföenben
©enic'ö Ijinabgefunfcn ift, mit golbenen Äbenbröten lange nod) intcnfio
nad)leud)tenb: roie Ijier unb bort immer aud) fdjon leidjte günfdjen
fic^ melben, neue oerljeißungsootle 2id)tpünndjen im bämmertgen,
bunflcn £f)al emporflacfcrn. 33alb bli&t cö ba — balb roieber ba
oerräterifdj auf. Mitunter ftnb'S aud& nur 3rrlid)tcr auf fumpftgetn
©runbe, bie alöbalb roieber oerfdjroeben; nid)t feiten aber oereinigen
lief) mehrere tum ifjnen unb fernlagen ju einem (jöcfjft beadjtcnörocrten
glämmdjen gelegentlidf) jufammen, um — fpäter roieber getrennt aus*
einanber ju fireben. 3)ann roieber roaa^fen mehrere foldjer Slämmdjen
ju gellen Scud&tfacfeln an. Sßie oon einer fernen, untyeimlid&en geuerö*
brunft oerbreiten fid) aisbann große feltfame fööten unb 2eud)ten
burd) ben rociten &immel8raum. 3luf einmal, oft Jaf) ausbredjenb,
ein tnädjtig 9iaufd)en — rr r)ör t iljr baö Stcrjt?" — : alle biefe
günfdjcn, glämmcfcn unb garfein, <5tcrnc unb 2eud)ten fdjroellen
in ein lidjtgungrig Grcßccnbo jufammen, ricfenr)aft gu einer
„Morgenröte" auf, unb majeftätifd) fteigt „ba bie %c\t erfüllet roar"
roieber eine neue, ebenfo große alö f)etl erftra^lenbe «Sonne mäfylig
empor, roeld)c nun alle jene feinen unb fleincn, geringeren roie größeren
Sidjtqualttäten roieber in ftä) 5" nc^m £age fammelt.
3$ roill natürlia) niemanben mit biefem meinem, ganj fub*
jeftioen SBefmben irgenbroie behelligen, unb man mag baft }e nad)
Neigung unb 33eruf nun alö nieberge^enbe ober alö auffteigenbe
Seroegung in ber ©eifteßroelt^ntroidflung ju begreifen fua>n, mit
„9luöflang" ober mit „$orfpiel" je nad) #cbarf bqeufrien. 34
glaube aber, ber Sefcr rotrb mir bei näherem 9toc$benfen über
gerotffe mcrfroürbtgc Phänomene ber $tunftgcfd)id)tc, bie man fonft
faum befriebigenb unterbringen nodj ftdr) erflären fann, julejjt im
Söefcntltdjen bod& SRedjt geben.*) aftöglid) — für SSicle roaf)rfd)einlidj
fogar, baß roeltberoegenbe ©eme'8, roic eben j. 33. 2ßagner, nur in feljr
rociten 3citabftänben roieberfc^ren, unb baß ftd& unfere SBolf8lcud)tfraft
5unäc^ft einmal auf längere 3eit Ijinauö mit biefer 6onnc erfeböpft fjaben
•) Sgl. übrigens aud) ben Sorlrag beS ßnglänber« fcubcrt $arrn
in ber „ftonal 3nfMution" gu Sonbon über „Sernadjläfftflte Seilen*
pfabc in ber SÄufi!" (1900).
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fönntc — ungeachtet Siegfrieb Söagner; ba§ efi alfo nicht mehr mit fo
unmittelbarer 2lnetnanbermfmng weitergeht, roie wir bieö gcrabe in ber
©cfc^ic^tc unfcrer £onfunft, an ber lücfenlofen ßette: SBach — &änbcl —
©lucf — §anbn — üflojart - Secthooen — SBeber — Schubert —
Schumann — Söerlio} — Siöjt — 2öagncr, fo rounberbar oerfolgen
tonnen, flcine grage aber auch, baß eine ganj anbere 3 e ü mittler*
roeile einßefcfct hat, bie ju neuen Slnforberungen, einer Umgcftaltung
bcö Sebenö unb bcr SDinge oon ©runb auß, notroenbig über furj
ober lang führen mufj. Unb nicht oöllig abjurocifcn bodj immerhin,
bafc auch bicfc fernere 3 u ^ un f^ fd)° n icßt ihre erftcn, frühen Senb*
boten berufen unb biefe ficr) als „lebenbige gacfcln" glcichfam
angejünbet haben fonntc, jum cinftroetligen @rfa| für bie hinab*
gefunfene, roie jur oorläufigcn Aufhellung bcö bunflen 2öcgeö, Inn
jur fommenben Sonne.
3h^ „Sichtträger" fd&on jefct fic^ erforen, berufen — aus*
er mahlt. $3cfonbcrö auf ©inen foldjen „9luöerroähltcn bcö ©eifteö"
fjabc ich Schluffe noch mit Sflachbrucf hinjuroeifen, welcher gleich
einem gofuö alle Strahlen bcö mobernen Scbenölichteö in fidr) auf«
gefangen ju haben feheint. @inc ^ßerfonlichfeit barf ich befonberö
nennen, welche 3ugleich alö ^ßrototnp „mobernen Söcfenö" bezeichnet,
als „tragifcher *ßrotagonift im Sebenöfpielc bcö mobernen SDramaV
angerufen werben barf. Unb jwar beö „Mobernen" in beiberlei
gorm unb ©eftalt: als ©inrtg unb alö Aufbau, obwohl man biötjer
in ben weiteften Greifen furjftchtig immer nur ben erfteren, ben 3er-
fefeungötcufel beö Söerfallö, an ihm feljcn wollte. 3ch meine griebria)
^icfcfche. „SWenfchen, bie alle ©igenfehaften bcr mobernen Seele
haben, aber fiarf genug, fic in lauter ©efunbheit umjuroanbeln", —
fo jcicr)nct er ficr) alö eine 9Irt ibealer gorberung (Sils Maria, Sommer
1886) auf: er, ber felber aUerbingö, eine Artoon tapferem unb opfer*
mutigem Arnolb SBincfclrieb bcö ©eifteö, für fein „Sßagnertum",
richtiger oerftanben: Söagntö*), ben 3oU unheilbarer ©eifteö*
Umnachtung entrichten follte; mit feiner „Umwertung aller Söcrte"
*) Bfll 93b. V, 11 bcr „®ef. «uSaabe" feiner ©erfe: „. . . . nur
SBagcljalfe be* ®eifie«, tie roir bie pcfjfic unb gefä^rlid)fie @pifee be«
gegcnroärtigen ®cbanfen$ erflcttert unb un« oou ba au« umgefehen t)aben,
Die rair oon ba au3 r) i n a b gefetjen haben!"
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heute jebem „^ormal^^iliftcr" subem auch als baS Urbilb einer
„peroerfen Drgantfation" ohne Weiteres roohl gelten roirb. llnb boch
bleibt es gerabeju ungeheuerlich, im Grinjelnen ju ©erfolgen, was bie
„geflügelte ©ebrechlidjfeit" btefcS „eulenäugigen" Propheten unferer
£age an Sbcen bes neuen Sehens unb Schaffend, eines neuen 3beale3
unb einer neuen (Srbe, biefer unferer tyit ju ihrer ©cfunbung
fraftooH fchon oorgejeichnet hat. SDIan höre boch nur, ro a 6 9HlcS
er, üoratjncnb ober oorwegnehmenb, in feiner Sßerfon fclber lebenbig
umfaßte!
93or 9Wem roarb er als genial-begeifterter Slnroalt ber SIntife
unjtüeifelhaft jum Sßinfclmann beö 19. Safnrhunberts. 2ßie jener für
feine, fo entbedte er glcichfam für unfere tyit bie ©riechen neu roieber.
greiltch mit einem entfeheibenben Unterfchiebc unb in einem höheren
Sinne. 2Bo nämlich icner noch oorjüglich bas 3lpotlinifchc am
©riechentum als „ruhige ^lafiif unb eble ©tnfalt" preifen fonnte,
ba ergriff ihn gerabe baö 3)ionnfifdjc als ein 9?cueS baran. £>as
2anb ber ©riechen mit einer SMufif* Seele fuchenb, fanb er ftatt bes
heiteren Optimismus einen „tragifdjen $e[ftmiSmus" ber Ucberfüfle
unb Stätte, ber überftrömenben ©efunbhcit, als eigentlichen 5tcrn
ihrer bramatifchen, oorfofrattf d)en §öhenfultur — bie £f)orc ju einer
ganj fremben, bisher nöHig unbefannten 2ßclt bamit aufretßcnb, oon
beren Problemen bie ^Phi^logen unb 9Iltertumäfreunbe bisher noch
feine Atmung gehabt hatten. 3n folcher ©runboerfafjung feiner grofc
geftimmten Seele rcurbe er juglcich jum größten, tiefften unb be*
beutenbften „SBagncriancr", ben mir überhaupt je befeffen haben; als
burch unb burch „moberner" ©eift überroanb er aber ben alten SBagncr
mit ber 3eü felber in fich unb trennte fu$ unter ben fchroerften,
geiftigen ßrifen oon bem früheren greunbe, roie alsbalb auch von
ber mit beffen tarnen oerfnüpften Kultur * Bewegung. So liefe er
beim in feiner „ßritif ber mobernen Seele" ein hiftorifd) „doeument
humain" intimfter 3lrt ber erftaunten Söelt jurücf, — roobet noch
übcrbieS ju bemerfen, bag feine *Polcmif gegen bie SDecabence
barum nrieber fo aufccrorbcntltd) aufhellenb roirfen mu&tc, loeil jie
in engerer gaffung infonberheit jur fdjarfen, oernichtenben „Stritif
fin de siecle" ftch ausnmehs. Sehr roohl hingegen nm&tc er
511m Segriff cincö ©efunb*3ftobernen in ben ©runblegungen ju feinem
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ftarfen „ Uebermcnfcbentum" oon cbclficr föajfc beherzt fortju*
fdjreiten, bamit auch bic anfänglich mehr polcmifcbe „Unjettgcmä&fjett"
feiner Betrachtungen ocrlrauenöoofl allmählich in ein oicloerhei&enb
„Borfpiel einer $&ilof ophic ber 3ufunft" ausbilbenb. 3um
erften ÜM erfennen mir baran, bafc es — genau befehen — eine
fubjeftioe unb eine objeftioe „SDccabence" ju unterf Reiben gilt,
unb baf} mir mit bem Slrjt jtoar roobt eine funftionelle, aber
noc§ nicht eine anatomifrfjc Störung beS ©efamtorganismuS bei
erfterer anjunebmen haben, beren Sefunb uns fcineSioegä oer jagen
ju laffen braucht, wenn mir nur bie regten, energifchen ©abritte jur
Einleitung eines grünbltcben $eilungSocrfahrenS tfmn wollen! ©anj
bcfonberS interejfant aber mar es mir, eine 9lrt oon autoratioer
Betätigung meiner oben auSgef proebenen SInftdjten oom natürlichen
©infegen neuen SebenS mit bem 3ahrbunbcrts$n fang auch bei ihm
nachträglich oorauftnben, roenn er fich eigentliche Söerftänbnis für
feine, biefen Sluffdjioung anbahnenbe Sehren nicht cor bem Beginne
bcö neuen Säfulums enoarten ju bürfen glaubte. @r fd)rcibt nämlich
1886 (oßl. 33b. V, S. 327): „2Btr Unoerftänbltchen. — §aben
mir uns je barüber beflagt, mifeocrftanben, oerfannt, ocrtoechfelt,
oerleumbet, oerhört ober überhört ju merben? @ben bas ift unfer
2oos — oh, für lange noch! fagen mir, um befcheiben ju fein, bis
1901 — es ift auch unfere &uö$eichnung" .... Unb in ber ^r)at:
mit ber clairvoyence oon X-Strahlen fcheint er, lange fdjon
oor beren ©ntbeefung burch ^rofeffor Röntgen, in unfre heutige
2Belt gefehen, ben leibenben Körper ber ©egemoart burch fchaut
unb bie bunfle 3 u f un f* mit bem Bli&e feines perfönlicrjen (Seiftes*
lichtes burchbrungen ju haoen — leiber freilich nicht, ohne für
biefen Blicf hinter ben Schleier jugleich ben Tribut beS 3ünglingS
oon Sai'ö an bie 2öar)rr)cit gahlen ju müffen.
Bon feiner mit bem „Aphorismus" geleifteten ©ro&that, als
§creinführung eines frifchen, freien Suftjuges in bie Stiefluft ber
fnftematifchen !ßr)iIofop^ie unferer Dfenhocfer — baoon höhen mir
bereits früher gefprochen. 3cboct), er ift in ftd) felber auch " oc & c » nc
fchroerfa&liche Bereinigung oon ^Prjilofopr) unb $ßfnd)olog, S)enfer
unb ^Dichter getoefen — eine eigenartige $crfonalunion oon ßünftler unb
^rebiger, ^ßhi^log unb SOlufifer, wie ftc eben nur in ber neuerlichen
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Söerbinbung ber ocrfcbiebcnften ©runbfähigfeiten, unter bem Qc'ufycn
einer erft jefct nrieber möglichen aflifdmng mannigfacher ®aben in
©rfcheinung treten tonnte; ja, nrie fte ganj ohne gragc eine ber
umfaffenbften Segabungen roohl oorftellt, bie ber Sßln'lofopljie als foldjer
— alc ber „SBeltroetefjeit" unb „Untüerfalroijfcnfchaft'' — feit ben
3eiten ber Scholaftif unb beö $oh)hiftortömuö überhaupt befeuert
geroefen mar. Unb nicht genug bamit! Sluf poetifchem ©e*
biete ift er in eigener Sßerfon fobann noch führenb für eine ganje
^ic^tung geworben, unb jnmr in erfter Sinie baburch, ba& er — 3lUen
uoran, als ber (Srfte feit $eine nach Oocttjc — bie freien $R^nt^mcn
unb bionnfifäen Vetren in bie SDtdjtung, bie SDithnrambif einer
„rafenben" Sßrofa nach eoolutioniftifchcm ^rinjip, Schule bilbenb
in biefc einführte. 9Iuch bie äfttjetifdje SBertung (bejto. Rechtfertigung)
beö 2Bcltbafeinö biß jur artiftifchen Verfeinerung ftnben mir bereits
bei iftm; fogar ber oon granfreief) importierte „«Satan iömuö" —
in feiner Sefjre von bcr rnetapt)t)fifcr)en Berechtigung ((Bäte) beö
SBöfcn (nrie im „Sintichrifr) erfcheint er julegt grunbfä&lich ferjon
oorgefchattet. ©abei hat er als „Argonaut beö Sbcaleö" mit feiner
hinreifjenben „Ausfahrt nach neuen SDlecren"*) rocitfehauenb eine 3lrt
üon überfeeifcher (Sfpanftonö^olitif ein:, mit feinem SSort oom
,,3'oang jur grofjen *ßolitif" einen erfrifdjenben Seitton für
2)eutfd)Ianb angefangen; ^at er bie Rorbpolfahrt beö „cinfamen
Sftenfchcn" unb unerbittlichen 2)enferö, bie füt)ne (Sntbccfungöretfe
nach ben ^olarjonen ber „^nperboreer" unb in bie ©töregionen beö
nüchternen ©ebanfenö hinauf**), lange oor hänfen fdjon, unter*
nommen unb bort aUcrbingß einen, von bem biöhertgen erheblich
abioeichenben magnetifchen ©rb^ol aufgenommen ; hat er enblid) bie
(mit ©raf 3 c PP e ^n) unfehlbar nun hcrauffommenbe ßuftfehiff*
fahrt beö 20. Safjrhunbcrtö in fetner !ßr)ilofopr)te ingeniös bereitö
oerförpert***). Riemanb ja roirb im ©rnfte beftreiten ba& mit ber
Suftfchifffahrt zugleich auch unfere f ,2öcltanfchauung" erheblich ftch
roirb oeränbern muffen; benn anberö fteht bie 2ßelt ftch « uö 0 er
grofeh', anberö auö ber SDIenfchen*, roieber anberö auö ber Sßogel*
*) V, 343; 859; VIT, 136.
•*) VII, 158 unb VIII, 217 f.
***) IV, 371.
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^crfpcfltoe. £iefe neue SBeltanfdjauung aber Ijat 9ftefcfd)e mtuitio
oonoeggenommen, inbem er bem ÜWenfdjen in feinem 3 Qrat ^RrQ5
STanje her „leisten gü&e" bie $lügel ocrlief) jum elafttfdjen «Kuf=
febrounge, weit in bie föftlicbe, reine „Sßogelperfpeftioe" beS ftoljcn
,,§öljcn=ü)lenfcfyen" ^inan, oon roo tyxab er bann mit bem „f)l.
Saasen" eines göttlidj überlegenen „^Prinjcn 93ogelfrei" tote oon
Sternen auf Sterne blieft, bie 2öelt oornefmt als ein „Unter ftd)"
nur mcfjr erfdjauenD.
„Mes weife idj — alles roarb mir nun frei!" $)arum ^at
ftd& audf) baö Snbtotbuum in ilmt jum SelbftbeftimmungStcd)t oljne
gciftigsfittlicbe ©coormunbung, unb gioar burd) ftrengfte geiftige Sclbft*
jud)t — bas ift uridjtig!*) — befreit. Seine ßritif ber moraltfcben
2Öcrtfcf)ä&ungcn im „SenfeitS oon ©ut unb 23öfe" u. a. ift überbicö
gcfd)tc^töpr)tIofopt)tfdr) minbeftenS eine cbertfo burdjgretfenbc Xfyat im
ioie Äant's „,V{riüf ber reinen SSernunft" es für bie
©rfenntnißs^fteorie geiocfcn; feine „Genealogie ber 3T?oraI" für
biefe eine reieblid) fo oiclfagcnbe Sciftung toie Sarnrin's „3 uc §troabl
ber Birten" auf naturraiffenfa^aftlidjem ©ebiete. ©ine Sleft^etif roieberum
„jenfeitS oon Sd)ön unb ^äfelicb" tonnte ftd) feftr toobt auf Ujn be«
rufen, eine Jhiltur ganj neuer 2Berte unbebenflidj auf it)n jurücf*
führen. So ift er „Smmoralift" aus p&erem Sßflicbigefübl — au£
„Uebermoral", nidjt ettoa aus Unmoral (roelaV Icfctere feiner
S3iograpl)ic unb^fndje niebt leicht (Siner nad&fagen bürfte), bat iljm
baljcr aud) bie ßunft ftets als etioaS Ueberfittlid)es gegolten, bas
fojiale unb politifebe £ebcn ntcfjt „national", aber audj nidjt „intcr*
national", fonbern oielmebr übernational im Sinne oon „gut
europäifcf)" allein nur 3ntercffe abgeroinnen fönnen. ©an$ in
Sonber^cit aber bebeutet er auf religiöfem ©ebiete ben neuen Sebcns-
inbalt jur neuen geiftigen ^Bewegung: ber äunefjmcnben „^öermenfd) 5
liebung beS ©Ottilien" bei % SBagncr („^arftfal'') bis auf
%v. o. Ub> §erab, ift in feiner ^erfon unb ^Sr)tlofopr)ic („3ara*
t&uftra") eine road&fenbe „$8ergb'ttlicbung bes 2flcnfd)en" gegenüber
getreten. SBagncr'S „©ött er Dämmerung", nadj irjrcr erften Raffung
*) »gl. „3aratf)ufira" (VI, 291): „©er nidjt befehlen rann, ber jott
gcf)ord)eii. Unb 3fland)er fann ftcf) befehlen, aber ba fefjlt noef) Diel, bafo
er fid) aud) gcfjordje!"
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unb SIbfidjt jumal, fonnte 9iie6fdje's ,,©ott ift geftorben!" roofjl cor*
beuten unb oorbcreiten; bei ifjm felber erfdfjcint fte nun oollcnbs
jur ,,©ö^en Dämmerung" fo bebest als fjart um gebeutet.
Slurj , es bünft faß ebenfo unglaubltdi), als cä für alle
3eitcn bcnfroürbig bleiben roirb, rote biefer Sftamc an ber Söenbe
bes Sabrfjunberts, ein grünblidjer Jtenner ber SRätfel bes 19. unb ein
ernfter ©cfjer ber Aufgaben beö 20. Saljrljunberts, füfyrenber unb
gebtetenber ©eift in ©inern, unfer heutiges 2cben auf ber ganjen
Sinie bcf)errfd&t <5>cf)on cor Saljren ber erfte maljncnbc „Unjeit*
gemäße" (man benfe an mein ©leidmis oon ben Uf)ren!) — befennt
er gegen ©nbe feines, fo jäf) als graufam unterbrodjenen geiftigen
Staffens (in feinen 2luf$cidmungen 1886): „2Benn idj etnftens bas
2Bort jUnjcitgemäjs' auf meine S8üd)cr gefa^rieben Ijabe, tote otel
3ugenb, Unerfahrenst, $)ünfel brürft fidj in biefem Sßorte aus!
§cutc begreife td), baß mit biefer 2lrt ßlage, Segcifterung unb Um
jufriebenfiett id& ju ben 3Jlobcrnften ber SWoberncn geborte/' — So
fteljt er benn f)eutc als vitae novae prineeps animaeque praeeeptor
moderaae, jufunftsträrijtig, beloben mit grüßten ber fü&eften ^oH*
reife, oor uns: in meld)' bebeutiamcr unb ausjcid)nenbcr Stellung
mir i^n aud) gclegentlia^ unferer nädjftcn Äapitel an ben entfdjeibenben
fünften immer roieber antreffen roerben.
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2ßir hoben fdjon oon ber theoretifdjen unb prafUfchen üKögltc^^
feit beö „Sftobernen", felbft auf eine ben Sflarft fo ftarf beherrfdjenbe
©rfcheinung roie 91 Söagner Ijm, gefprodjen. 9hm hat ftd^ ba,
gerabe auf bem 39oben eines natürlichen „3nterregnum8" ohne
£errn unb ®ebieter, im 3 c ^ cn ocö 3 ro Uc^enftabtumö jnnfehen jroct
Venoben, cor furjer %e\t etroaö ganj SJkrfioürbigeö zugetragen.
Unter grunbfä<cher 5lnerfennung ber Sftotrocnbigfcit einer felbftanbigen
gortbilbung bes SBagner'fchen ©ebanfenö hat man gegen baß ßtaftmer*)
ftumperbinef 'fcfje „9Mobram", fcheinbar mit SHecht, ©infpruch er*
^oben unb ihm gegenüber als einer im 2Bagnerianifdjen Sager
fchlechterbingS unbegreiflichen Söcrirrung energifdj grontfteHung nehmen
ju follcn geglaubt.
Aber nicht nur bieö. üttan hielt auch ba unb bort, gelegentlich
öffentlicher Aufführungen bcs 2Berfeö, eine fpejialiftifche «Schubfach*
fritif für burchauö geboten, £a fanben mir benn am nächften
borgen — unb oft gerabe in ben tonangebenben unferer großen
STageßblätter — hübfdj fauberlich burch einen (Strich oon einanber
getrennt, jroei befonbere Berichte oor; benn bie h 0 $roeife @hef s
$ebaftion ^atte ben Dramaturgen unb ben 3)lufifrefercnten ber
3eitung 5ur geroifjen haften Aufnahme biefer SBorftellung aborbnen ju
müffen oermeint, unb jeber hatte, abgefonbert für ftch — in Jtlaufur*
arbeit gleichfam, fein 23otum über bie Neuheit abgegeben. Natürlich
fchlug auch nur roieber baö alte, roohlbcfanntc Sieb oormärjlicher
©emeinplafe-Slefthetif an unfer Df>r, mit bem lieben, nachgerabc fchott
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— 45 —
jum Ucberbrufc ocrnommenen Refrain oom „3n>itter" ; bie uns
längft oertraute Schauermär erfuhren nur abermals, bag man es
hier mit einer unerqutcfltdjen ©rfcfjeinung oon ätoiefpältigftcr gorm
unb ganj unletblicher SJHfchltngSgattung ju tfmn habe. 3Ber erinnerte
ftdt) babei nicht jenes geflügelten SBortcS oon Sickenberg: „Söenn
ein Sud) unb ein 5topf jufammenftoßen unb es flingt ^o^( r fo
brauet es ja nicht immer bas Sud) $u fein." 9hm, tuenn ein
SBerf unb ein ßritifer fxdr) aneinanber reiben unb es giebt feinen
guten ßtang — mufe ofme Weiteres bann bas SBerf ber „unmoberne"
£eil oon beiben getoefen fein? Unb oollenbS: SBar hier bie ©mpftnbung
ber unerfreulichen &albhett mor)( SBirfung ober llrfache jener feit*
famen, in ihrer 2lrt jebenfafls ganj „unmobernen" Teilung ber
Arbeit? — fo fragt man fxer) babei boeb unmttlfürlicr). Slbcr faft
nirgenbs, fo toeit bu bliefft in bem rauften, oben 2ßortftreit um biefe
^ßrinjiptenfrage, irgcnbroelctje jeitgemä&e Nachprüfung beS altbefanntcn
^henia'S; nirgenbs auch nur eine 9lnbeutung baoon, ba& mir boer)
fd)on fehr oerfcrjiebene 9lrtcn unb gar mannigfache (Stufen oon
„9Mobram" gu unterfcheiben haben; nirgenbs felbft ber fduoache,
aber man barf es oerfpred>en: fruchtbare SBerfucb, biefe ganj unter*
fehieblichen melobramatifchcn gormen, bie mir feit SHouffcau unb
®otter=23enba bei Sieicharbt, 3 um ft^9/ ©othe*@berrocin, Söcetbooen,
Schubert, Äreuger unb ©riflparjer, bei 3Jlarfd)ncr unb 2ßcber,
SBerlioj, SMenbclsfofjn, Schumann, fiiSjt, Saffen, Stienjl, unb jcjjt
nun toieber bei §umperbincf u. 31. in ber aftujtfgefchicbie nun fct)oti
oerfolgen fönnen, nach i^rcr pofttioen Seiftung ju loürbigen unb in
ihrem relatioen ßunfttoerte einmal gegeneinanber abjutoägen!*)
ÜJlir fcheint nrirflid) bie „ma&gebenbe" Strittf biefe neue (Sr*
fcheinung bis jc&t arg ju furj genommen ju haben, unb ich tneine
in ber^hat, folgen UebergangSformen unb Sinbegliebern gegen*
über follten mir uns im ©anjen nicht einfach abfprcchenb, fonbern
gelegentlich auch roieber einmal cinfichtöooll oerhalten. Sicherlich
fleht es uns beffer an, fte pfnehologifeh unb als Äinber ihrer 3*it, aus
*) ßinjig ber „SBagncrianer" Sdidjarb Satta: „SWuftfalifcfie Streif»
jüge" (ölorcnj unb Scipjig, bei ©ugen $>iebericf)8; ©. 215 ff.) madjt
hierin eine iüf)mlicf)e ausnähme — nur Ijat er Serlioj „SJMolog* ücr»
geffen.
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— 46 —
bcrcn 3ei<hen fjerauö, fompat&tfdj ju begreifen. Unb fo möchte ich
benn folgen unb ähnlichen fingen gegenüber*) jur Slbrocchölung
einmal auch eine loefentlid) anbere Sktrachtungöform roarm empfehlen.
3ch mache ben unmaßgeblichen Sßorfchlag, ba& mir berartige neuere
©ebilbc lieber unter bem ©eftchtöpunfte befi mobernen
Sluöftattungögefchmacfe* einjufchäßen uns bequemen wollen —
fo etwa al$ beforatioe äunft, bte ja ^eute auch Uroäter §außrat
uns wieber auffrißt unb fo manches aus unferem guten alten
„Öauöfcha&e" gerne ftnlooH <neuibcalifltfc§) noch oerfchönen ^ilft.
Raffen nur fomit biefe ungewohnten ©rfcheinungen — unb roär'ö
junäcrjft auch bloß einmal oerfuchsweife — als „angewanbte £lein*
fünft" unferer £age in gorm mufifalifdjcn ftunftgefcbmetbeö: mcU
leicht ba§ wir bann boer) ju erfreulicheren ©rgebniffen über biefe
,,3roifchengattungen", bie man fonft äfthetifch fo wenig beftnieren
fann, gelangen bürfen.
Sofort wirb nun auch einleuchten, bafe tyev eine fteife Berufung
auf 2Bagner alö Autorität gegen baö „SMobram" fo gut wie gar
nicht mehr oerfangen fann. SBahrlid), unfere alten ©rofjmeifter ber
Staffelcüunft ober ber greöfcnmalerei, bie ihren 9luhm noch in ber
großen ßompofition ernfter &iftorienbtlber ober religiöfer giguren*
gemälbe fugten, bie Kornelius, ßaulbach, $tlotn u. X* — ffe hätten
fiel] auch fchön bebanft, hätte man an fte baö Önftnnen geftcllt,
$lafate ju entwerfen unb einen girmenfchtlb unb bergl. fünftlcrtfch
auöjuftatten, ober gar ©ebrauchögegenftänbe mit 3roecfbeftimmung
*) Q& gehören §ier£u — aufjer Subnng Xljuillc'ö fpäter ju be-
Ijanbelnber „ Sobftanj" • ßompofttion unb fclbft ber ftelij SRottrfdjcn
93afleM!lu8ftaitung ju Stcrbaum'Ä „fian im Sufd) - — nod): SWelobramen
oon 3of. 8. ftoerfler, 3- t^iebid) unb §enriq ue8; ferner Hb. oon@olb»
fdjmibU muftfaltfd)e 2Iu8geftaltung „©rtmm'fcfier ftauSmärchcn",
@erlad)'$ „gefprodjene Steber". Selbft 33t$et*8 SRufit jur „op6ra parlee*
,,L'Arlesienoe" (oon ©anbei), bte beforoüo gebadeten S5ramen-3ßuftfcn
non <5bo. ©rieg &u „$eer ©gnt", granj(£urti ju (§olger ©racrjmann'«)
„Scrjneefrieb" unb 2ange*3RüQer ju bcöfelben S)id}ter3 „(58 mar einmal",
bis fjerauf ju Sug. ©utfjeir« 9Hufif ju 3ul. ©roffe'8 „Fortunat" ober
Robert d. §ornftein'8 SWuftf gu ^erb. o. ^ornftein'a „Subbfja", ncQme
id) Ijieroon niebt au« — fo „gemifetjt" biefe ®efeflfd)aft auf ben erflen SBlttf,
ber ©aitung nad), aud) fdjeinen mag.
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47 —
in äftljctifd&er £enbenj befonberö &u entwerfen: baö fdjicn ihnen
„Slflotria", 9*ebenn>erf, Unbing, 3roittcrroefen fein. Unterfdjteben
fic bod& oerächtlich fogar noch junfehen ©taffelcifünftlern unb blofjen
3Huftratorcn! 3eber fchafft eben in bem gormat, auf baö feine
9iatur „abapttert" erfcheint. 3"^™ ftanben fte 2Itte bamalö unter
jenem lanbläuftgen Vorurteil, toelcheö berartige SDinge alö etroaö ber
hohen Äunft unb ihrer tyfyxen, feufchen <5d)öne bireft Unroürbigeö
empfanb. 9Wein bie Slnfdjauungcn hierüber haben fid) mtttlerroeilc
von ©runb aus geänbert. 2Bie heutjutage — nach unferem „mobernen"
©efüfjl Neroon, barf man fd) on fagen — ja auch nicht mehr roohl
bie @fjc bie Siebe, fonbern umgcfefjrt bie Siebe allein nur baö
3nftitut ber ©fjc heiligen fann, fo roirb auch fyiev bie 5tunft offenbar
niefit burd) baö ©enre entroertet, fonbern im ©egenteil biefeö ©enre
burd) bie echt fünftlcrifchc Sethätigung baran gehoben, burd) ben
Stempel bcö <ßerfönlichcn nun geabelt unb ju S3cfferem geroeif)t. ©in
3^ic^arb SBagner freiließ, ber geniale Schöpfer monumentaler SJiuftf*
bramen oon gewaltigen 2)imenftonen, er burfte fid) einen gerben
SluöfaD auf foldjeö „©enre oon unerquieflichfter @emifd)tf)eit" (nrie
ja gelegentlich auch auf baö „Oratorium" alö ben leibigften „Opern*
©rnbrno") gegenüber feinen 93 or gangem fdjon erlauben, ba ihm
bergleidjen benn oon ber $ölje feineö impofanten Schaffenö auö
roohl ober übel alö unzulänglich, im Vergleich ju ber ihm oon ber
3eit gefteüten Aufgabe, erf feinen mu&te. 3*boch/ roaö für eine
folch* unoergleichlichc ©rö&e 9toturnotroenbigFeit mar, brauet barum
noch lange nidjt für einen anberen, minber ©rofcen innercö Sebcns*
gefejj für alle Qtikn 5" bleiben. Unb wenn folche, anfdnnicgfam
geartete Talente in biefem mehr beforatioen @rgc()en ihrcö ungebrochen
frifetjen Sßefenö Erfüllung finben, wenn fic fogar ihre 2luferftcl)ung
alö „^erfönlichfeitcn'' barin feiern bürfen unb baju nod) alö SJleifter
holbfeligftcr ©olbfd)imebefunft (toie eben &umperbincf in bem ge*
nannten SBerfe) mit allen ©^ren fo öffentlich befielen : roarum
f ollen wir unö bann nicht baran erfreuen bürfen unb eö in feinem
natürlichen ©igenroefen nicht auch fefjr wohl roürbigcn tonnen, bloö
weil verba magistri nidjt ihre offizielle Billigung ju einer ®ad)c
erteilt haben, roeldjc ber „SMfter" felber boch gar nicht mehr hatte
erleben bürfen? £>ie gorberung einer felbftänbigen SBeiterentioicflung
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Sßagncr'fchcr ©runbgebanfen, über EBagncr hinaus, anerfennen unb
im fclbcn SItemjugc fdwn gegen berartige ©onberregungen eifernb
Stellung nehmen, bie genau genommen boch auch von SBagncr h^ 5
fommen, im SBoben fetner ftunftreform julefct nur murmeln fönnen
— baS Reifet In meinen 3lugen: mit ber regten §anb am gortfdjritt
wieber nehmen, was bie Sinfe fdjon gewährt gat. @S ift gerabefo, als
ob wir einem $f)Uipp SBolfrum mit Berufung auf bes 23at)reutf)cr
Stteifters ©egnerfchaft gegen baß „Oratorium" tyuit öerwefjrcn
wollten, fein föftliches „^eihnachtsrnnfterium" im ©eifte Sach'S,
SBagner'S unb Sifet'S ju fomponieren, währenb bicfeS SBerf boch
gcrabe jur ©ntbeefung auf einem, oon SSagner bisher noch unbebauten
gelbe, ähnlich berjenigen §umperbincTs auf bem Gebiete ber
„üftärchenoper", führen follte. Cbcr barf eö etwa nicht als eine ber
erfreulichen grüßte oom Söaume ber 2ifjt*9cad)folge unb aus ber
aufgehenben Saat ber 2öagncrfdmle begrübt werben? Gilbet es in
feiner ^armonifa^en Bereinigung oon religiös unb locttlic^, oon
mobernem @hor* unb 3nftrumentalfit)l mit flüchten, cchteften S3olfö-
unb ©pielwcifen (bie erft gefunben werben mußten!) feine mertoode
^Bereicherung ber (Sattung wie unferer SJlufiflüteratur überhaupt? . . .
Sllfo, id) bäd)te: wenn ein &umperbincf ungeachtet bcS Söor*
urtcils, welches fich allem melobramatifchen 2öefcn oon jeher nun
einmal in ben SBeg ftellt, ftc^ tro^bem an eine 9fcugeftaltung heran-
wagt — unb jwar h cran ro ö 9*/ * m ©egenfaß 5. 23. ju Schumann,
auf ganj neu gewonnener (muftfbramatifcher) SBaftS, nach injwifchcn
noch geläuterten (äfthetifchen roie litterarifchen) 3lnfchauungen unb
mit noch rocfentlidjen S8erbefferungen in ber £edmif 2c. — nun, fo
mufj er roiffen, warum er baö tfmt; fteht es uns 3^^ e ^offen
eigentlich wohl beffer ju ©eftchte, feinen SDlotioen ernfthaft nach-
gugehen unb uns lieber mit feinen tieferen Slbfichten erft näher oer*
traut ju machen, als ihm mit einem unbulbfamcn: „SDu foUfl nicht!"
nach ©efefccßtafeln bes „alten 33unbcS" unfer bräuenb „Salt!" ent*
gegenjufchlcubern. 2)a8 ift fchlechte Sßolijei^efthctif, wobei benn bie
$cllebarbe wohl eher am ^lafce wäre als alle eble äfthetifche (SnU
rüflung. 2Me inneren Siegeln einer @rfd)einung aufoufudjen, bie
nicht nach ber gewohnten Regeln Sauf, ift befanntlich eine Mahnung
§anö ©achfenö, bie boch wohl jeber neuen ßünftlcrperfönlichfeit
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gegenüber immer oon Beuern ir)rc (Seitimg behalten wirb. Unb auch
fc^on in einem älteren galle, angefid^tö ber „fnmpfjonifdjcn Dichtungen"
$ranj Sifgt'ö ünb ihrer eigenwilligen gormgebung, ^at uns Ja
bcrfelbe ©eifiesfübrer (SBagner) burch fein eigenes Seifptel gezeigt,
nrie nur ber SBcrjüngung beö ßebens gegenüber immer roieber geregt
bleiben follen. £at er bamals boch frühere Partien feiner ©ebriften,
juoor erörterte unb junächft auf feinen ßeib jugefebnittene Äunft*
anfebauungen angefiebtö biefer neuen unb perfönlicb roirffamen
Äünftlcrerfdjjeinung, bie eben ben €>cblüf[el jum ©ebeimnte ir)red
6djaffenS mit ftch auf bie SBelt braute, billigerroeife in biefem
€>inne reoibtert.*) 3 um SDlinbcften hat eine 3^ n>ie bie unfrige,
bie mit ber Carole beö „brüten ©efchlecbtö" poftert, boä) faum
baö^edbt, bei bem 9io8mer=§umperbtncFfcben SftelobraimSOerfucb gering«
Icbäfcig oon „§ermapbrobit" ju reben.
Slbcr noch ein 9lnbere8, Allgemeines ^ätte roirfud) probuftioe
ÜJlufiffrittC an &umperbinif ö Problem boch toobl erfennen müffen,
roenn fie ftch nämlich nicht immer nur mit tfjrer „ftreng fach'
männifeben" Sßürbe befcheiben rooUte. <So aber, eingeengt gleicbfam
auf ein oon jtuci ©cbeuflappen umfchlofteneö (Seftcbtöfelb, t)at fie ftch
leiber fdbon ju fein* entwöhnt, über biefen roinjigen 9JHfrofo8moö
ihres drfenntniöbereicbeö l) in aus, auf ben 2Rafrofo8moö ber
ßulturbetoegung ju bliefen, unb namentlich in ber jeitgenöffifchen
litte rar ifdjcn ©ntroicflung ftcf} ein roenig näher umjufet)en. ©ctoifj
hätte jte ft* fonft gr. Sftöfcb'ö Semcrfung (a. a. D. ®. 173): „Unfere
Sitteratur wirb fteber ber Pionier ber neuen cf ntmtdlung auch
für bie 9Jhifif fein!'' ein toenig hinter bie Obren getrieben unb
längft auc^ mit 3ntereffe wahrgenommen, baß bas ©anje fclbft bie
erfte grunbfäfclicbe 9iu|janroenbung beö 28agner'fd)en ©ebanfenö auch
auf baö moberne Söortbrama bebeutet, tnforoeit biefes eben nicht
*) $r. 9*öfdj felbp, ber bodj anberroeitig gegen fcumperbincF«
2ReIobram-„@alöaniFirung" fo t)efüg polemifterte, bemüht ftd) (a. a. O. 6. 91),
bie itjat 8tf|t1 al* „unfcbäfcbareß »erbienft" im Sinne einet „$fab.
roeifung für bie $ufunft ber $n jirumentalmuftf roeit über
SBagner IjinauS* — unb jwar in au«fü§rlicf)er Segrünbung gegen
SBagner'3 „Sanjmujif'-X&eorie — ju rechtfertigen. Hlfo fönnte ©agner
bodj audj mit bem „SRelobram" einmal ju eigen« finnig geroefen fein.
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- 50 -
allein im realiftifchen 29oben nmrjelt, fonbern mit feiner
SBlütenfrone gelegentlich auch in eine 3bealitätßfphäre hineinreicht.
2:hotfächlich fyben roir hier ein bcbeutungöoolleö Uebergretfen
ber mobernen Sttteratur auf bie SBagncrbcroegnung, baö jeit*
gemäße gruchttragen ber @rrungenfd)aften beö neuen mufif>
bramatifchen Stnlcö roiebecum im ©ebicte beö 2Bort*$8erfeö,
weil feine „Sbcalifterung" eben heute (feit (Schiller unb 23cethouen)
auf bem Söege ber üftufif unb beö ©prachgefangeß notroenbig
liegen muß. SOlag biefe SSerbinbung SHoömers&umpcrbmcf, mit
33ejug auf bie oerfchiebenarttgen ^ßerfönlichfeiten nrie (Shctraftereigen*
fchaften ber beiben Slutoren, junächft auch 9^r Manchem nrie offen*
funbige „SJlcöatUance" • oorgefommen fein — baö ift nrieber eine
grage für fid): ft<h er ift nn* i u ft in biefen beiben, oom „gatt
2Bagncr" frifch herfommenben Talenten (benn grau ©Ife Sernftein«
Stoömer ift eine £odjter beö befannten SDlünchencr 2Bagncrianerö,
Sftuftfbireftor Heinrich Jorges, alfo auch h iener Suft urfprünglich
aufgemachten) ein tntercffanteö, wenn fchon noch unbefriebigt laffenbeö
SBeifpicl fünftlerifcher Vermählung ber litterarifchen „SRoberne" mit
S3anreuther ©rgebniffen oor Slugcn höben. @ö h^nbelt fxdt) fomit
um jene oielfagenbe gegenfeitige Annäherung ber fcheinbar fo getrennt
marfchierenben Sager, nrie ich fte alö unmittelbar beoorftchenb aus
9lnla& beö (Serharb &auptmann , fd)en „&annele" Traumes unb ber
t)on üftar, Üftarfdjalf feinfinnig baju geftellten, recht charaftertfttf djen
OJlufif oor 6 — 7 3ahren fchon (in einem 2)reöbner blatte) tjaarfcharf
prophezeit hatte. Seit 9t. Sßagner'ß gewichtiger unb meitauögreifenber
©iegfrieb^h^t oer SBerfcfjmeljung unb 3 u f am mcnfcbroeif3ung oon
^ßoefic unb Sfluftf — feit i 1) r fprie&t unb feimt, treibt unb blüht
es eben, mit einem SJtole merfroürbig befruchtet, allerorten, an allen
(£cfen unb (Snben. $)ic $oefie nrirb bei ibealiftifchcr Steigerung —
felbft im naturaliftifdjen Gahmen — muftfalifch/ bie OTufi! ihrerfeitö
poettfch^realiftifch; eö entftehen auch *>a Ö an 8 natürliche 3roifcf)ens
glieber unb Uebergangöformcn. Ober aber: eö roerben bie von
SBagner mit ftarfer &anb errungenen unb in mächtigeren kirnen*
fioncn burchgeführten äfthettfehen ©ebietöerroeiterungen mit jettgemafeer
^ücfioirfung oon üßinbcrgrofjen, aber auf ihrem gelbe SBohlberufcncn
auf fleinere gormen unb 3rotfcr)enftufen nun mit mehr ober minber
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(Sefcbicf übertragen — fobafj 5. 23. aud) ein -fteuaufleben jener
uralten Bereinigung t>on „©ingen unb ©agen" babei wteber ein«
mal au Sage tritt (oergl. ben intcreffanten „gall SBüÜner"). Unb
f)öd)ftenö nur in einem fünfte wäre Ijier eine brtngenbe SBarnung
füglicb anjubringen — frei fo etwa nacb SrangänenS „ffiäcbterlieb":
„$abt bes ©inen 9tuf in Wtfyt, ber ben ©djlä'fern ©cblimmes abnt,
bange jum (Srroacben mabnt! &abet 2W)t — babet 2ld&t!" 6te|t
nämlich $u befürchten, ba& uns am @nbe bic Herren $rofeffor
oon Senbadj unb 3ntenbant oon Sßoffart mit iljren „9tetrofpeftioen" unb
ifcren „SReftaurationcn" bas „üttoberne", noeb ebe es ooH jum 2)uraV
brudb Qelangt ift, gerabe in biefem ©aatbercieb fniefen werben; ba&
fte bureb eine mit baroefem Slufpufc benmsftaffierte „Stlafftf" unb bureb
einen ©inU9lfabemiSmuS, ber boeb nur eine oerfappte „2lntifität"
fein fann, uns wieber jämmerlicb oerfeptten werben, was jtcb eben
erft fo febön angebabnt r)attc. „*Pfcubomoberne!" — fjier liegt
meines ©raebtens bie niebt ju unterfcbä&enbe ©cfabr, ba& alles fid)
jwar noeb in 2ßot)lgefaHen, aber aud) in blauen £>unft auflöfen
möcbte, je mebr eben gerabe ber Umftanb &u SJci&ocrftänbniffen fübren
barf unb weitere Streife grünblicb irre leiten fann, bafe gübrer ber
muftfalifcben ©ejefjion (wie ©traufj ober ©Billings) biefen billigen
$ojfart'fd)en HuSftattungSjaubcr in „Empire" unb reaftionärer
„23iebcrmann8s$>efabence" gelegentlich mitmachen. 2)arum aueb :
Videant artifices, ne quid detrimenti capiat — ars publica?
9tein: ars privatissima et solipsissima !
3cf) will barum bie grage fyev ganj unerörtert laffen, ob
bas mit &umpcrbicf u. 8. angeftrebte 9tid)tige jener ^Bewegung jur
„SDlifcbfunft" bi" (uro mit öatfa $u reben) nun etwa linfer ober
rechter SBagnersglügel ift — icb für mein $eil glaube freilicb, es
bleibt im Sßefentltc^en boct) noeb „reebter". Sebcnfalls aber erwäcbft
unter biefen unb äbnlidjen ©efubtspunften in unferer bramatifeben
wie Inrifdjen Sitteratur neuerbings eine befonbere Slbart oon
SBerfen, weldje weit eber bann als „QroitUx" anjufeben wären,
wenn ir)r ©ebnfuebtsruf nacb mufifalifeber ©rgänjung un gebort
0 er ballen foflte.*) 3$ meine, weit eber bann, als wenn fte in
*) $tc ganje SRnftiler» unb ©ombnliften-Eramattf ber SRaeicrlintf,
oon $öffmann5tf)al 2c. gcfjdrt eigentlich hierher.
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52 —
(Rottes tarnen jur „mclobramatifdjen" gorm mutig gleich roeiter*
fdjrciten. ©elbft (SJerfjarb &auptmann'S 3Jlärc^cnbtc^tung oon her
„Söerfunfenen ©locfe" giebt fidj im ©runbe nur nrieber als fold)' ein
unrubrtjicrbarcS, gleid)fam in ber Suft f)ängenbes SDing, für roeldjcö
bie s Dluftf Ärampflöferin Ijätte toerben fonnen.*) Sluf roeldjen mint*
fd^roeiftgen Umroegen ber metrifdjen SBortfunft mußte ber SMdjter
ba nidjt oft ferjr unooUfommen erft $u erreichen fu#en, toas ifjm ein
paar Slfforbe ftimmungsreidjer üftuftf, roenige d&arafteriftifc&e
Harmonien fcfjr beftimmt unb oiel füqer Ratten bieten fonnen: idj
meine bie poetifdfje — genauer noefy: bie Inrifcfce (Srunbftimmung
bes (Sanjcn (man benfe nur an ben ©Ifentanj)! 3$ glaube barum
audj, bafe — fo, tote biefeö SDrama heute nun einmal gefdjaffen ift —
bura) ^inpfügung oon Sftuftf eher eine unn5tige2öteberholung (Sßleonas*
mus) entfielen mu§. Unb bliefen mir nodj weiter auf anberc, gleidj*
falls roieber mefyr einem „ibeaüftifdjen" 3 u 9 e folgenbe Sßerfe ber
SflacfcSBagner'fdjen rejitierenben SDramatif: auf SBilbranbt'S ge*
haltooUen „Stteifter oon sßalmnra", 3^idt>. Höffens ettoaS merk
toürbtge „23lonb*Äatljrein", unb bergleicfyen meljr: ob bas mit all
feinem ftarfen SnriSmuS ntdjt gar oft nad) Sftufif orbentltd) ledjjt
— fd)rett, tote ber $irfdj föreit nach frifdjem SBaffer? 3<** fogar
^ermann Subermann im „Spannes" *$rama, too er ben religiöfcn
3bealiStnu8 nur eben als Stoff unb gorm jutn Söonoanb nimmt
für ein realiftifd^ „©obotn'S @nbe" mit ftarfem haut-goüt-3n§alt:
gerät er ba nidt)t mit ber (oon gar oielen (Seiten bramaturgifdj iljm
fo feljr gerügten) „inneren ©eelen ^anblung" feines gelben nur
*) ftreilid) müfcte ber biefe« Domröschen erlö|enbe $rtnj boef) ein
raentg anber* ausfegen al« ber ta!t* unb gcfchmactloS jugreifenbe Heinrich
3öüner, ber ben ©toff — wie früher fd>n ©oethe'e „gauft" - einfach
alfi burehfomponierteS Dpern.Jertöuch hergenommen unb fo bereit« ben
jroeiten Äunftfreocl an beutfdjer Sitteratur auf feine ©eele gelaben hat:
roa« ihn felber inbeffen gar nicht weiter ju genieren fdjetnt. Ob bagegen
beS Siigaer Äomponiften Dtto SRunf d)el neue, in 9teoal juerft aufgeführte
»egleitung«muftf (ct)Qrafteriftifcir)c Srotfchenfpiele, fileber Stautenbelein«,
tflfenreigen, unb melobramatifdje Sehanblung einiger fcöfjepunlte be«
fcrama'S) biefem 3roede beffer entfpricht, cntjictjt fid) *ur 3«t nod) meiner
Beurteilung. Hud) ein Stuffe, tarnen« SJaotboro, foH etwa» aefmlidje*
jum fclben JBerfe gefd)affen haben.
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lieber in jenes eigentümliche gahrroaffer, borinnen fein 8d)iff
als fchlechtes, rechtes 3J*ufif *£rama bod) noch am ftdjerften fegein
würbe?*)
tiefer, ^eute etroas h er *en* unb führerlos innerhalb unferer
litterarifc^en ^robuftion umhcrflacfernbcn 3rotfchengebilbe ftd) an*
nehmen, fie lebennxcfenb, mit einer an bem „Problem Söagner"
geläuterten ÄompofitionSs£echnif aufgreifen unb fte — wenn fdjon,
benn fchon — roenigftens jum „2Mobram" auf ber leeren ©tufe
beö neubeutfehen (leitmotiüifchen unb fprachmelobifchen) Söcrougtfeinö
^inüberretten : bas fdtjeint mir bodj fetnesroegs einen Anachronismus
ju bebeuten, fonbern fpräche im ©egenteil uon einem gleich r>er*
ftänbnisinnigen roie fchaffensfräftigen SUerfenfen in eben bie 3 ci $ en
ber Qtit un & bk barauS ftch ergebenben neueren gorberungen.
SBeit entfernt überbtcS, ben leibigen Stottjurn, unnatürliche 3errungcn
unb gefpreijte Dehnungen ber (Spraye bis gur unleibltchen ^athetif
bamit h^auf jubefchnjören, oeranla&t gerabe eine, nach Tonhöhe roie
SHrjrjtömuö genauer benn je oorgejeichnete 2)eflamation, nrie biejenige
&umperbincf's — roaS mir an einigen gan$ entfetjeibenben SBeifpielen
in praxi flar würbe — unfere ©chaufpieler erft roteber, finnooU
unb richtig, am Seitfeil biefer äfthetifdj geregelten AuSbrucfäroeife,
ihren £e£t $u fprechen. &at ähnlich feinerjeit boch auch Söagner
burch bie mufifalifche, fprachgefangliche (Sinflcibung feines SBortoerfeS
beutfehen ©pradjgeift unb beutfehes ©prachberou&tfein neu geroeeft,
baS SBurjelgefühl für unfere ©prache bem ©ebilbeten roieber belebt,
äurj, ich behaupte nunmehr geraberoegs: ber burch 20 agner' S ftunft
unb ßehre hinburch gegangene 9ftuftftrittfer unferer £age — er märe
ber oerftänbigfte, juftänbtge Referent, jum SJlinbeften im gafle 9ioSmer*
£umperbincf geroefen, nicht aber ber oon Saube ober ©uftao
grerjtag's „£echnif bes 25rama's" (erfommenbe Dramaturg älterer
*) SBenigftenS oermag i<h bie Aufführung eine« „fnmpf}onifcf)en
<5püoge8" barüber (von &. 2angenbccf), fjernatf) im Äonjcrtfaal, nur
als einen fefjr unbefriebigenben unb t)öd)u grueifet^aiten ©rfafc für bie
eigentlich im £rama oorfjanbene SEufiftragöbie ju empfinben, auch nienn
jener (Sptlog ftd) „bie ßljarafterijHI beS gelben felbfi, eine ©djilbcrung
feiner feelifchen fcanblungen unb Äonflifte", nicht etroa eine „2lbfdt)ilbcrung
ber ©aenenfolgc beS SDramaS" $um SSorrourf genommen.
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Crbnung. ©o jcbod) fyabcn mir günftigften galles einen ntobern ge*
fdjulten, oornchmlicb auf ben Naturalismus verpflichteten SDramen*
fritifer, ber nichts oon ber Sftuftf ju oerfteben oorgiebt; anberfeits
einen üJluftfreferentcn, bem bie moberne Sittcraturbewegung noch ein
böbmifcb ®orf, moberne ßunft bas Slümcfcen „Nü&r* mich nidt>t an!"
unb allgemeine ßulturfragen ber neueren 3*itbewegung ein S^dtfelbucr)
mit fkben Siegeln geblieben ftnb. SSon ihnen fpredjen, fte anftellcn
unb oerwenben, öet&t — bas fann ich aus meiner eigenen Nebafüons*
wirffamfeit aufs 2Bort oerftebern — grenjenlofe SBerlegcnbeit für
einen neujeitlid) geftnnten gcuilletonleitcr. Unb wie ber $crr fo ber
Äncdjt: wie biefe jroeifclbaften Vertreter ber „öffentlichen Meinungen",
fo auch bie natürlichen Präger ber „prioaten Faulheiten" — wie ber
ßritifer unb feine 3 e ^ un 9/ f° *h r alltägliches Sefepublifum. 2ftan
barf fidj barnach alfo gar nicht mehr wunbern, wenn es auf bem in
Nebe ftehenben ©ebiet fo lange nicht £ag werben will. . . .
Sei einem weiteren hübfdjcn Anla& wieberum, gelegentlich ber
Aufführungen bes Sierbaum^huillc'fchcn „2obttani", roaren
(fo weit ich f e h en konnte) bie Herren DpermNeferenten meift allein
aufgeboten, unb fte hoben bei biefer paffenben ©clegcnbeit — man
mu| leiber fagen: mit erbrüefenber Mehrheit (Däfar 23ie unb
Heinrich Suithaupt etwa ausgenommen, fowic einige gefcbäfcte gebem
älterer Namen oon oornbercin gerne entfchulbigt!) ihr jicmlicb
erfchöpfenbcS Ungcfcbicf oor aller 2Bclt ermiefen, bem einer „mobernen
Jtrittf" bamit aufgegebenen Styma auch nur oon ferne beijufommen.
Nicht etwa, bog fie bem freunbltcben, frifchen SBcrfcben eine Nicbcr*
läge bereitet hotten — o bewahre! Nein, über ben ©chcKcn fönig
haben fie es gelobt, mit Scgcifterung fogar in ben Gimmel gehoben,
©ab man bann aber näher ju, warum fie es wohl priefen, fo
gewahrte man mit tyUtm ©rftaunen, ba§ feine ©pur ber 3bee, ja
noch ^tom oon bem in ihr ©mppnben übergegangen war,
worauf es hier bodh oor OTem anfam. Sas eben bas (Eigenartige
unb Sejeichnenbe an biefem merfwürbigen „©ingfpiel", bas wirflieb
Neue in ihm war gegenüber allen ähnlichen (5rfd)cinungen auf biefem
ober oerwanbtem Soben — baran hatte bie feine ©pürnafe biefer
Herren „Stteifter ber Soge oom fritifchen Stuhl" wieber einmal
oorbeigerochen. 3a) will baoon noch nicht einmal oiel Aufhebens
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ntadjen, wenn bei ber überroiegenben 3Jle^rja^l biefer f lugen 9kdj*
richtet Dtto Julius SBicrbaum'ö, bei allem <Stt)l--$lrd)aismus boch
^öd&ft fortfchrittlid) gemeinte SDicbtung ofme ©cfühl für ihre jart*
poctifdjen 6onberreije unb erfichtlich jumeift ofme jebe nähere Kenntnis
ber ütterarif d^cn Sßerfönlichfeit beö SDic&terö, rote ein x-beliebigcö
anbereö Dpernteytbud) auch, bct)anbc(t rourbe. iftetn, ber &afen
follte btcömal noch ganj anberöroo liegen: in ber wahrhaft rührenben
3l^nungölofigfeit nämlich gegenüber all' ben neueren Regungen einer
jungen „fejefftonifttfeben" garbenfunft, beö fogen. präraphaelitifcben
(Sefchmacfs, unb einer „intimen" 3luöftattung — einer ungemein
bejenten beforattoen SBirfung, ju roelcbcr ber fdjablcmöfe Dpcrneffeft
rote bie gauft auf's Slugc pa&te. 3d) roet& ja felber nicht, roic bic
fpäteren Snfjenierungen nach Berlin, unb namentlich nid)t, roie bic
Karlsruher SDarftcllung roar, an ber oon mehreren 6eiten über*
einflimmenb bie ftimmungSoolle Sluöftattung befonberö rübmenb
Oeroorgehoben mürbe. S8on ber berliner kremiere roeifj ich es in-
fällig gang beftimmt, ba& fte nicht „ftntgcrecht" in jenem <5tnnc
geroefen fein fann; benn wenige £age barnad) erliefe bort Dtto
Suliuö SBierbaum felbft — bekanntlich ein Sluöftattungötatcnt aller-
erften langes, bejfen befjerjtem Vorgehen roir in 2)eutfc^lanb unter
Ruberem bie ganje buchgeroerblidje SBanblung oerbanfen — eine 3lrt
oon «ßreß^anifeft : beö 3nt)altö, bafc bic SDeforationen beö ©tüdeft
auf ber erften Sühne SReichSbeutfchlanbö nicht nach feinen 3ntentionen
hergefteHt bejro. mit Richten glüdlich gewählt geroefen feien. 9lun, bem
funbigen ^^ebaner, einem Sßiffenben, mag baö fdjon genügen! SSon
ben namhaften Opcrn^ejenfenten ber bortigen treffe r)atte jebod)
gleichwohl faum @iner ein &aar barin gefunben, obfd)on boch eine
aufmerffame ^Durchficht ber bloßen Sidjtung, mit tfjren auffaücnb
forgfältigen 3arbenwert*23cftimmungen unb ben peinlich genauen
9lüancc*9Ingaben, (eine jeitroeilige SSefc^äftigung beö „©ebilbeten" auch
mit ben gragen moberner ßunft unb mobernen ßunftgeroerbcö allerbingö
oorauögefejjt) $u einer probuftioen 33ctbätigung eigener Stnfchauung
^ier ganj unoermeiblich ^ätte führen muffen. 3ft auch wahrlich
atleö gar nicht roeiter ju oerrounbern, ftct)t boch baö ©roß biefer
ftänbfgen Herren Dpcrnsenforen fyutc noch taum ben mißlichen
„®atlerieton" im SImcublement unfercr lanbläufigen 3nterteur
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3nfjenterungen, unb feiten genug bie unfäglich folgen 23eleucf)tunQS*
effefte (mit brutal fpielenben SHot*, 23lau*, Violett* unb ©rünlichtern)
auf Seiten unferer, im Dpernfd)lenbrtan nur ju febr befangenen
Herren S^eatersföegijfeure; ifi boer) bisher eigentlich erft öbalbert oon
©olbfehmibt auf ben gcftfjeibten ©cbanfen oerfallen, einen bebeut*
famen Häuptling ber Seseffton bilbenber Stünftler, nric Stucf, ber
an ftch fäon ein ganjeö Programm bebeutet, aur 3nfaenierung feines
granbios gebauten Sfönfterienfpiels ,,©äa" totrffam heranziehen,
©anj natürlich ^anbelt es ftch hierbei manchmal auch nur um oorüber*
gef)enbe 2Wobeerfd)einungen ; eö ftnb aber bodj für bas mufif*
bramatifchc ©ebiet unfehlbar ©efchmacfös33ercicf)crungcn unb bebeut*
famc Äunft^euerungen, toaS als äfthetifd)e ©rrungenfehaft babei
gelegentlich herausfommen fann.
•ftun follte man ja roof)l benfen, bog gerabe bic überzeugten
„SBagnerianer", bie ftch feit ihrem „SJktfter" auf bas gemein*
fame 3ufammenarbeiten aller fünfte fo gern etmaö ju ©ute thun
unb bie ben hohen Segriff oom „©efamtfunftioerf" alö britteS
Söort im SJtunbe führen — bafj fie oor Willem baju oorbeftimmt
mären, mit folchen 5lnfd)auungen auch m ihrem eigenen Sebcn unb
in ihrer amtlichen £f)ätigfeit roirflich @rnft ju machen; es ftünbe
ohne Weiteres ju enoarten, ba& biefe ©attung oon 2Jlcnfchen allen
Slnberen ooran ftch baju aufgerufen fühlen follte, in ben Machbar*
unb ©renjgebieten ihrer Sonberfparte mit 3nteref[e unb S8erftänbnis
für bas treibenbe Snfanftsmoment fid) umjufeben. gür geioöhnlid)
ift ba leiber bas reine ©egenteil oon „Untocrfalität" bes ©elftes
ju ftnbeti unb an bie Stelle lebenbig * fclbftthätiger Urteilsfraft
jumeift furjfichtige $artei*@ingcfchiöorenheit getreten. SDenn roie roill
man oon ber £agesprefje eine feinfühlige SBitterung ber mobernen
„9lote" oerlangen, roo boer) fein einiger „eingeweihter" Jtritifer bes
Sagreuth oon 1896 feine Stimme erhoben fyat, ba& bie aftioe
Beteiligung eines 3Jkifters roie &anS %$oma bort jtoar einen
begrüfjenSroerten gortfcf)ritt in'S moberne 3)eforationSroefen, jugleich
aber auch einen recht bebenflichen Ofli&griff bebeute? — ganj abgefehen
noch baoon, bag biefe Sefaffung mit ber „2Jiobernität" bort fo lange
noch eine reine SIeu&erlichfeit bleiben mufjte, als auf ber anberen
Seite noch folc^e fünftlerifchcn Unmöglich feiten im feenifchen Silbe
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oerblicben waren, rote 5. 55. gänjlich unglaubroürbigc Sßerfa&ftücfe,
£reppcnftufen inmitten (anbfehaftlicher ÜJtotioe, unrichtige garben*
äufammenftimmungen, falfchc ^erfpeftioen unb abfolut fehlerhafte
Beleuchtung (nämlich feitlich unb oon unten, ftatt oon oben).
S)aö heißt oielmehr: (Stner fagte es fchon bamals, unb jroar jiemlidh
laut unb vernehmlich; bodj ihn ju nennen, oerbietet mir — um mit
bem befannten $cibelberger UnioerftiätSlehrer einmal ju reben —
meine natürliche Sefcheibenheit.
9ftan braucht jubem ja nur Böcflin's übermütig jauch jenbes
„Spiel ber SBcUcn" — bie brei SRereibcn im neefifchen 2Bett|chwunmen
mit bem nach ihnen (jafchenben jottigen ©cfeKen — unb S^oma^
©efamtfehaffen, in Sonberheit bejfen herbe, in ber Bewegung nahezu
groteSfe „9%eintödjtcr"5Stubie f gegen einanber ju halten, um ftet)
barnach bie wichtige grage unfd)wer felbft ju beantworten, welcher
oon Seiben bem „SämonismuS ber Sühne", ber lebenbigen SDraftif
beS SBagner'fcben Bühnen^ealismuS, im ©anjen wohl näher flehen
mag: ber pr)antaftifdt)e ©roterifer füblicher garbenglut unb warm*
blüttgen Sebens, ober ber fülle, efoterifche Träumer mit ben beutfct)en
blauen Slugen? — 3$ breche fym QO, wollte ich boch mit einem
einzigen fcharfen Schlagfdjlichte nur rafer) bie Situation beleuchten,
nicht aber bamit etwa bie pofttioc gorberung auSfpred)en, bafe man
bort nun Boecflin hätte beziehen follen. Sebtglich um eine 2lufflärung
barüber war mtr's ju thun, wie bamalö bie befchämenbe Unoertraut*
heit beS offiziellen SftufifrejenfententumS mit ber bilbenben ftunft
unferer £age Sanrcuth fcheinbar bie Berechtigung oerlieh ju feiner,
in oornehmer Unnahbarfeit ex cathedra ausgegebenen Sofung:
„3hr negiert lebiglich, weil cö fich bei biefem beforatioen Stol um
etwas 9ceueS t)anbe(t unb fein Slnbltcf @ucf) noch e i nc ungewohnte
©rfcheinung ift — wartet nur, balbe werbet 3h r fchon hinein*
fehen!" wie jene üttuftffritif aber wieberum in ber Sogtf
ihrer Argumente (jwifchen trabantenhafter Skrteibigung btefeS 9ceuen,
unb jwar blinblingß burch SDicf unb $ünn, wie ebenfo fntiflofer
Ablehnung a limine) nichts weniger als mit SHubm ftch bebeeft t)at.
©emnächft folt ja nun in Karlsruhe unb Srcsben baS reijoollc
„2ßeihnachtsmnftcrium w oon $f)WpP 2Bolfrum, wie es gebaut ift:
als „3Jlnfterium" nämlich, unb nicht mehr nur alSßon§ert*Dratorium, mit
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^Begleitung lebenbcr Silber nach fünftlerifcben ©ntroürfen von &anö
Xfyoma jur SarfteUung gelangen. 2) a ifl ber „Snrifer" Xfyoma
einmal burdjauö am *ßlafce unb roabrlidj in feinem cigenftcn (Elemente,
hoffentlich roirb bann auch fein 2Jtoftffritifer non 9iuf mehr (mie
noch 1896 en masse) fich finben, ber biefem reifen 9lltmcifter mit
einem oon feinerlei ©achfenntnis irgenbroie getrübten Urteile gegen*
übertritt!
Um es alfo furj noch einmal jufammengufaffen : 2)aS einjige
sßofittoc, roaS unfer SBierbaum * ^IjutUe'fdjeö Sühncnmärchen
„Sobetanj" ber SDurcr)fcr)ntttSfritiC bisher abgeroann, mar — unb
biefer gaU ift tt^ptfet) : ba& es als „2ßagnerifcb" begutachtet mürbe.
6ic trollte natürlich baS ©anje fo etroa alö r ,mobern--fortfcr)rittlic§"
bamit bezeichnet haben: unfere engere gachfritif ift nämlich F&t att=
mählich unb glüdflich fchon — bei SR. Söagner gelanbet. 9lun
fenne ich fclbft Subnrig ^^utÜe'ö Sftufif leiber nur erft aus bem
5tlaüier*2luS3ug unb mu& mir baljer eine Nachprüfung meiner 3luf=
faffung bis nach bem perfönlicrjen ©inbruef einer realen Bühnen*
mirfung ausbrüeflich oorbebalten. 9ludj nehme ich oon vorneherein
gleich b\t intereffante muftfalifdje ©rotesfe bei ©eftaltung ber
„ßerfcrfjenc" (im legten 9lft) mit allem 9fodjbrucfe §kv aus. Surdj
fte allein fchon erhebt ftd) ber ftomponift als ©r)araftcriftifer bes
„Galgenhumors" neben anberen mobernen Variationen unb realifti-
fchen gortbilbungen im 9IuSbrucfe mufifalifchen £umors, bie mir als
„3ronic" (bei Serlioj, SiS^t unb SKid). 6trau&), als „$ragifom5bie"
(bei Stiegt unb 9Ud). 6traufe), als geiftreidje Äarrifatur unb oer*
rocgene £raoefiie (in Slbalb. o. ©olbfchmibt's „frommer Helene")
u. S. nun fchon befifeen, roeit über baS gute SJHttelmajj, mährenb
er anberfeits roieber, jufammen mit feinem Sichter, an ber inter*
effanten „©efch'ichtc bes ^otentanjcS" eben baburch ehrcnoollcn 9ln*
teil hat. 9tor roetjj ich int Slugenblicfe noch nicht red)t — roaS flcr)
nach feiner neuen, abermals gemeinfam mit 33ierbaum oollenbeten
(Schöpfung ähnlichen Ghanaers, ,, @ugelinbe" mit tarnen, uiel*
leicht fofort ganj unjiüeibcutig h^ausfteflen roirb: ob ich ih n neun*
lieh bereits bem linfen ober bod) noch rechten SBagncr^lügel
juroeifen foll. 2Bof)ingegen mir j. ganj flar ju fein febeint, ba&
ein fclbft fo bebeutenbes unb beroorragenbeS SBerf roie Sporcf*
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(Schillings' „ 3ngroelbe" boch crft einen legten ibectlen 51a chflang
ber fjerrlichen Hbenbröte SBagner'fcher Runfl am ^ortjonte unferer
3eit bebeutet; ba§ ber junge oieloerfprechenbe ©icgmunb oon
£au6egger roett eher mit feiner „bionnftfehen Sßfyantafte für
Drchefter" als mit feiner Oper (nach @. X. 51. £offmann)
„3innober" baS „3flobcrne" bereits geftreift hat; ba§ fobann
ber noch jugenbliche Seipjiger ®. 93 red) er mit einer fnmpljomfdjen
Sichtung „9t"oSme|rsholm" ßbfen) unb jumal mit bemDrchefter*2Berfe
„2lus unferer Qeit* 4 (3Hacfan) junächft ettoaS altflug unb oorreif*
„hnpermobern" ftch anlägt, um nicht ju fagen: ganj abfurb flcö
noch geberbet, um gule&t hoffentlich boch „'nen guten SBein" $u
geben; foroie, ba& gelir. SBeingartner mit feinen „©efilben ber
©eligen" jenes „97toberne" emfig gefugt, toenn auch femesroegs in
entfpred)cnbem SEafee bereits gefunben, fonbern nur eben bie
inftrumcntale Palette burdj einige glcmjenbe unb außergewöhnliche
garbenmif jungen bereichert hat SDarin — im ginben, nicht im
©uchen bcö „Üflobernen" unb neuen blühenben &onlcbenö, im 2luö*
laben einer beraufchenben Farbenpracht auf ©runb oollfafttgfter
Sßolnphonie, einer fehr reich cntroicfelten #armonif unb natürlicher
inftrumentaler Begabung — ift ihm üflar ©Billings als
fnmphonifcher ßomponift („©eemorgen", „üJieergrufj", felbft in ben
fleineren gormen beS „%m\cfttfpxaä)e$>" für ©trcichorcheftcr) ganj
entfehieben überlegen: wenn irgenbioo, fo tritt hier baS Schlagwort
oon ber „Emanzipation ber garbe" auch auf tonfünftlcrifchcm SBobcn
einmal in feine fechte*); toahrenb anbere Strafte nie Älofe, WH'xd oret)
•) J&einrii) $ubor (ogl. „Etuftfal. SBochcnül" 19PO, 9er. 32) ift fo
naio, im „ftnnüdjen SReij be« ÄlangeS", in ber „farbenfreubigen 3nftru-
meniation" allein nur baS „SWoberne" ber SEufif ju fud)cn unb roieberum
biefeS leb ig lieh bei bem Muffen SUmSfn-äorfafon) ober bem ftranjofen
©tncent b'Snbn ju finben. ©onfi fann man ihm oielleicht juftimmen in bem,
roaS et über bie „$)urd)gangSpt)af e* unferer flunft bort fagt: „@3 ift
ähnlich nrie in ber SRalerei, roo man ju fefjen oerlernt hatte unb nun
2id)t* unb färben. Stubien malte. 3Bir in ber SKuftf hatten ju hören
oerlernt — ju flöten nämlid) phofif<h» mit ben ©innen — unb fomponicren
nun Älang-@tubien unb SnfirumcntationS-Stubien. £a§ ©etftige
roirb aud) roieberfommen, aber mir muffen erft ben neuen, mobernen Äörpcr
fdjaffen, ehe mir an ben ©eift, ben fich berflörper erft [ctjafft, benfen rönnen."
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unb felbfi ein ©ufiao 2ftaf)ler, mit ifyrer biß jegt ungetmffen ®nU
midlung, jur Qtit uns nod) ungelöfte gragejetc()en bic Oftenge auf«
geben, nad) welcher Seite fjin ftc ftd) bereinft roof)l enbgiltig ent*
fdjeiben roerben.
Selbft SDlafjler, fage idj, r»on beffen fortf$rittlid)em Naturell
unb mobemer ©cifteSocrfaffung mir fonft mit baS 9Wcrl)öd)fte galten
motten — fo jroar, ba§ mir ifjm eine ganj aparte Stellung augleid)
einräumen unb an biefem Sßlafce bod) ein befonbereS 2öort nodj
mibmen müffen. 3 uma ^ W eS f cmc 23efjanblung bes „Programms"
in ber 3nftrumentalmuftf, roomit er ganj abfonberlid)e 2ßege ein*
fd)lägt, bie nähere 23ead)tung nerbienen; unb id) t)offe bal)er feinen
Sßertrauenßbrud) ju begeben, roenn id), jur görberung eines belferen
93erftänbniffcS feiner funftlerifdjen Slbfidjten, ben Jtomponiften Ijier
äunädtft einmal feinen eigenen Sforoalt fein lajfe. @r fclbft äußerte
ftd) nämlid) (bereits 1897) brieflid) über jenen genridjtigen $unft:
„©anj jutreffenb fjaben Sie meine 3«le fjierin im ©egenfafc ju
benen StraufjenS djarafteriftert; Sie fjaben 9ied>t, ba& ,meine
üftuft! fdjliefjlid) jutn Programm als le&ter ibeeller Verbeut?
lidjung gelangt, roäfyrenb bei Strau& bas Programm als ge*
gebenes Sßcnfum oorliegt 4 . 3a) glaube, bamit ftaben Sie überhaupt
an bie grofeen SWätfelfragcn unferer %tit gerührt, unb jugleiaS bas j
aut-aut ausgefprodjen. — Sßenn id) ein grofjes mufifalifa^eS ©ebilbe
fonjiptere, fo fomme id) immer an ben Sßunft, roo id) mir baS ,5Bort'
als Präger meiner mufifalifdjen 3bec ^eranjie^en muß. So äfjnlidj
mu& es SBcet&ooen bei feiner IX. ergangen fein; nur ba§ ifnn bie
3eit bamals nod) nicf)t bie geeigneten Materialien baju liefern fonnte
— benn im ©runbe ift bas Sdjillcr'fdjc ©ebidjt nidjt im Stanbc, baS
Unerhörte, roas ifjm im Sinne lag, ju formulieren .... 2JHr ging
eö mit bem legten Safe meiner II. Sinfonie (C-moll) einfad) fo,
bog id) roirflid) bic ganje SScltlitteratur bis jur 33ibel burdjfudjte,
um baS erlöfcnbe SBort gu finben .... £ief bejeidmenb für baS ,
2Befen bes fünftlerifa^en Sdjaffcns ift bie 9lri, roie \ti) bie ©ingebung
^icrju empfangen. 3d) trug mid) bamals lange 3*tt fd&on mit bem
©ebanfen, jum legten Sag ben GI)or tjerbeijujie^en, unb nur bie »
Sorge, man mödjte bieS als äu&crlidjc 9lad)a£)mung Sectfyooen'S
cmppnbcn, lieg mid) immer unb immer roieber jögcrn! 3 U &i c f er
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61 —
3eit ftorb SBüloro unb icb roobnte fetner Totenfeier fjter in Hamburg
bei. 2)ie Stimmung, in her iü) bafoft unb bcS Heimgegangenen
gebaute, mar fo redjt im ©eiflc beö Sßerfeö, baö idc) bamalö mit
mir berumtrug. $a intonierte bcr ©bor oon ber Drgel ben ßlopftocf=
Gborat ,9luferftebn'! 2ßte ein traf mid) bieö, unb alles ftanb
gan$ flar unb beutlid) nor meiner (Seele! 9luf biefen roartet
ber Sd^affenbe — baö ift bie Zeitige Empfängnis 4 ! 2Baö i(b
bamals erlebte, l)atte icb nun in Tönen ju fcbaffen. Unb bod),
bätte icb biefeö SBerf niebt fdjon in mir getragen — roie bätte icb
baö erleben tonnen? Saßen boeb Taufenbe mit mir in jenem
SWoment in ber ßirebe! Unb fo gebt es mir immer: nur, roenn
icb erlebe, ,tonbicbte 4 icb — nur roenn icb tonbiebte, erlebe i$! . . .
Sie fönnen jtcb niebt benfen, roeldje Seelenangft mieb oft gepaeft,
roenn icb fo Partitur nacb Partitur in meine Sabe gelegt, obne baß
jemanb (trofc frampfbafter Hnftrengungen meinerfeitö) oon meinem
Staffen SKotij genommen ^ätte. 3$ roerbe bieö Strauß nie
oergeffen, baß er in roabrbaft boebb^iger Söeife ben 9Inftoß baju
gegeben. 3Jlicb als feinen ,ßonfurrenten* ju betrauten, roirb mir
aHerbings niemanb jumuten bürfen (roie baö leiber jc&t fo oft ge*
febiebt). 3<b roieberbole 3bnen, baß tdj jroei foldje Scute niebt alö
,Subtraftionö*@£empel 4 anfeljen fann. Sbgefef)en baoon, bafe icb
rcobl mit meinen Herfen alö Sflonftrum bafteben roürbc, roenn niebt
bie Strauß'fcben Erfolge mir bie 33af)n geöffnet, febe icb cö alö
meine größte greube an, baß icb unter meinen 3 e ^9 en °ff en emen
foleben 2ftitfämpfer unb SDHtfcbaffer gefunben. Scbopcnbauer ge*
braud&t irgenbroo baö SBilb jroeier Sergleute, bie oon entgegengefeßten
Seiten in einen Sdjacbt bineingraben unb ftcr) bann auf ibren untere
irbifeben SBegen begegnen. So fommt mir mein $8crbältniö ju
Strauß treffenb gewidmet oor . . . . SBenn Sie nun . . . . unö
beibe alö bie ,®egcnpole' ber neuen SJlagnet^cbfe bejeidmen, fo
baben Sie bamit eine 5lnftdjt auögefprocben, bie icb fäon feit
Sängern ^eimlic^ in mir näbre, unb, roenn Sie meine Partituren,
bie nacb ber II. entftanben fmb, fennen lernen werben, fo bürfte
3bncn erft flar werben, roie intuitio Sie bei 3b^ Formulierung
oerfaljren finb."
SKabler unb Strauß? 3n einem Slrtifel über „Sie mup*
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faltfdjen Strömungen ber ©egenroart" machte ich oor Sagten einmal
ben fcbüchtcrnen SBerfuch, nachjutocifen, roie mir in unfcrem beutfd&en
üftufiflcben bcutlicr) jroet &auptftromgcbiete, ein nörbUcr)eS unb
ein f üblich es, ju unterfefjeiben oermöchten. Ueber lejjterem liege
gleichfam bas warme, ioeidfjere ßlima einer [üblichen 2Mobif, unb
füblänbtfcne Gimoirfungen fcfjienen biefem ©tromne&e jugleich ben
flarcn g(u& eines romanifchen Sbeales ber burcbftchtigen gorm,
plaftifd^cr ©chone unb fnmmetrifchcr Harmonie immer roieber jUju=
führen — entgegen ber bort, im nörblicrjen Bereich, ju oerfolgenben
germanifdfjen Neigung nach ard)iteftonifdfjer Strenge, malerifcher 2ßafjr*
heü, Berber, fnorriger ß^arafteriftif, ^armonifc^er ©pefulation unb
fontrapunftifcher ©rübelei. 60 flct>t einem Sach ein §änbcl, einem
Seet^ooen— ß^erubint einem ©dmmann — 9flenbelsfohn, SBagner'n
ein Sifjt unb einem Prahms nrieberum 93rucfner gegenüber: es ift,
wenn mir genau &ufeben, überall ein füblidjer gamilicnsug in £on,
garbe, Sintc, ioaS ftcb ba als fühlbares ©egenbilb gegenüber fpejififcf)
germanifchem SBefcn geltenb macht, wenn auch ber inbioibuellen .
3Hifd)ungen jroifc^en 9iorb unb ©üb, jumal auf ber &öhe ber 2öaffer*
treiben, gar mancherlei unb fetjr oerfchtebenarttge babei heraus*
fommen. Unb merfoürbig! ©0 hatte ich auch ganj fubjeftio, trofe
aller „ßafophonien" (oor benen ftc§ bie „©tabt ber 3ntefligenj M
feinerjeit fo erfdfjredft befreujigte), fchon gleich beim erften 23efannt*
werben mit Zahler unb oor Empfang beS oben jitierten Briefes
ben entfehiebenen (Sinbrucf, bafc biefer gleichfalls jenem mehr [üblichen
(Stromgebiete ber SMufif im 2ßefentlichen jujurechnen fein bürfte, unb
als ob ftch ber 9tome SHic&arb Strauß unb feiner bereinft einmal
in ähnlicher iJBetfe gegenüber (bcjto. jur ©eite) flehen tonnten. (5s
mag oielleicht unoorfiebtig fein, bas fo früh aussprechen; allein
meine Gmpfinbung, ganj ungerufen, mar fo aroingenb, baf$ ich ft*
jum ajlinbcften nicht überfehen burfte, unb es ift geroig immer oon
duften, wenn man ber @ntfd)leterung oon einmal aufgegebenen
SHätfeln baburd) näher rücft, bafc man nur erft einmal flar roeifj,
roohin man feine ©ebanfen ju lenfen l)at. SJtoljler's perfönliche $8or*
liebe für SBeber'S hinterlaffene, oon ihm fclbft noch pietätooll be*
arbeitete Dper „2)te brei SßintoS" träte bamit erft nachträglich
in ein tyüttt* Sicht unb fänbe barnach ihre roahloenoanbtfchaftlid)e
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©rflärung, ba wir ja auch SBcber'ö SDklobif jwcifelöohne auf füblidjc
(Stnflüffe ober Neigungen gelegentlich jurüefführen bürfen.
5Die grage „2Baö bünfet euch um 2flahler?" ift alfo triebt fo
leichthin ju beantworten. „Une fantasie etonnante!" — auf
biefeß 3?rembroort, angepaßt einer fo frembartigen ©rfdjcinung, liege
fich wohl noc^ am elften eine ©inigung ber ©elfter erzielen. 2)enn
in ber 2^at ein ehrliches ©rftounen war über alle muftfalifchen
Slftronomen gefommen beim erften 9ßeu*2luftaucf)en biefes, in feinem
9taturgcfefc unb Sauf jur %dt noch oöHig unberechenbaren, ohne
3mcifel jebodj blenbenben ©eftirneö am Jtunfthimmel. Unb felbft
heute h^^fcht bie Verblüffung, bas 6tufcen unb ©taunen barüber,
noch entfdjieben oor. 9hm halten freilich gar oicle fluge ©feptifer
bas „Nil admirari" immer mieber für tue einzig richtige unb fade)*
gemäße Sßtjilofoptjie. Slllein, mir mochten es in biefem fünfte bodj
lieber einmal mit ben alten ©riechen galten unb weit eher glauben,
baß gerabe im fraujictCetv ber 3lnfang ju einem wirflich oerftänbniß*
ooflen ©rfennen liege. „Tout comprendre". aber, „e'est tout
pardonner" — befanntlich- 3a, i<h ger)e |o weit ju fagen, baß
mitunter felbft ein „tout pardonner" jum „tout comprendre"
führen tonne. 3 um SBenigftcn boch bürfte einem SQlahlcr niemanb oor*
werfen fönnen, baß er etwa ton bieten wolle, ehe er in $onen ju
„bauen" gelernt §aU. Unb ftcher ift {ebenfalls, baß über alle btefe
£inge ein enbgiltiges Urteil überhaupt nicht gewonnen werben fann,
ehe wir nicht zugleich einen prüfenben 23licf auf bie moberne @nt*
wieflung ber ^ec^nif unb bie befonberen, neuen $eußerungsformen
ber mobernen 3bee fclber ju werfen uns entfließen. SBir müffen
alfo, ehe wir weiter fcfjreiten, wohl ober übel ein fleineS äfthetifcheS
„Sntermejjo" an biefer Stelle einlegen. —
^tun, bem fchon in unferem erften 5tapitel ganj allgemein be*
rührten 3uge ber &tit jum s ilnalntifd)en hin entfpricht ßcherlich bie
junehmenbe luRöfung ber breitauslabcnben fernen unferer Älafftfer
in immer fleinere, aber auch gefchmeibigere SJiottogliebchen, welche
an ben jüngeren £onfefcern feit 2ßagner (an bem fte fchon $anslicf
fcharf rügte), fo häufig als furjfichtig, neuerbings beanftanbet werben.
Unb überbieS erlebt ber wiffenfehaftliche gortfehritt ber ©eelen*
funbe, oon ber ©cfühls^fnchologte jur @mpfinbungö=$h9fiologie
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(fjeute fogar nod) bis in baö feinftc 9teroengeäber hinein), in bcr
Sftuftf fein fünftlerifdjeö 9Inalogon offenbar mit ber roeitgeljenben
SHuöbilbung beö polnpf)onen Drajeftergeroebeö, biß jur Skräftelung
all biefer ÜJlotio^artifel ju immer üerroicfeltercn, gemifdjten rfjntfc
mifdjen ©ebilben. $)er malerifd)en „Teilung ber $öne" nrieberum,
mit meiner £anb in £anb auf bem ©ebiete ber Sßtaftif (ocrgl.
Sroubefcfon!) eine „SDejimirung bcr glädjcn" gefjt, ifjr folgen ganj
erfia^tlidj: emerfeitö bie feit bem „£riftan" unoerfennbare 3"fpi6 un 9
ber §albton*Gf)roma, banf einer fenftblen ©nljarmonif, ju SBicrtelöton*
Sdjrittcn; anbererfeitö bie inbioibualifierenbe 3<*legung beö gegebenen
3nftrumental*ßörpcrö felbft nod) einmal innerhalb berfelben Stimme
(ogl. Straufc' 16 fttmmtgc a capella-Gljöre) ober einjelner $ulte.
Wod) beutüdjer aber lägt fic^ biefer 33ergleidj mit bem SBcrbcgang
anberer fünfte bei einem &inblicf auf bie jcitgenöffifdje Slra^itef tur
im „mobernen" Sinne rociter oerfolgen. 25enn, faffen mir (mit SBictor
£ugo) bie SBaufunft alö baö „gro&e &auptbudj ber 2JlenfdH>it":
roaö f)inbert unö bann, jene unfere neueren, fo uielftimmigen, fo
trielfad) oerjroeigten SftuftkSauroerfe — im ®egenfa&e ju ben
^flüffig geworbenen" Stcin*2lrdjitefturen ber älteren £onmetfter —
mit SBefen unb gortfa^ritt ber ©ifenfonftruftion in unfercr jeit«
genöfftfdjen 2lra)ite!tonif audj roieber in 33ejtefwng ju bringen,
roemgftenö fomeit hierbei bie moturifdje Struftur, baö ©cfüge ber
inneren Vernietungen unb baö reidjc öinberoerf in grage fommt?
bleiben mir aber felbft nod) beim St ein bau unb lenfen mir unfer
2luge nadj außen, jumSlufrifi unb ber fonftruftioen ©efamtglieberung
nad) i^ren £auptteilen f)in, fo brängt ftdj unö audj ba roieber, unb
Ijter erft rcd&t, ber Unterfd&ieb jroifo^en früher unb Jcftt in einem eins
lcua)tcnben ©leia^niffe auf. So genügt bod) ein 83licf auf baö oöllig
neuartige Söauprinjip 5. 33. am banerifa^en S^ationalmufeum ju
l^ündjen*) (im SBergleid) etwa jum neuem Suftijpalaft, ober gar
bem aflajimilianeum), um unö alöbalb ein ardjitefturaleö Seiten^
•) $iefe« $at jeber einielnen, barin enthaltenen 2>en!mäler.©ammlung
unb teber befonberen §aupt-(5pod)e ber (Eulturljtftorie tljr finloolle*, jit-
paffenbe« 6onber-®el)äufe gefrf)affen — ganj unbefümmert barum, ob
alle« nun aud) ju einem „monumentalen" ©anjen, nadj altem Stejept, Ijübfdj
„jufammengeljt".
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ftücf jum mufifalifdjen gortf<f>ritt oon bcr Scetfjooen'fdjen Snmpfjonie
(in 4 ©äfeen) jur neuen fnmpfjonifd)en £id)tungöform (in einem
3uge) an bie §anb ju geben. 2Bie bort im 3Ird)itcftomfdjen, fo
§ier, im £onfünftlerif$en: bie SBenbung oom gcfdjloffenen,
monumental auölabcnben Zentralbau, ber — oon ber ga9abe aus
entworfen - im (Großen unb ©anjen mit fnmmetrifdjcr ©licberung
nad) ben Seiten ju abfüngt, l)in jur freien, fd&cinbar ganj rotHs
fürlidjcn (Sntrmcflung naef) einer Oefonomie oon innen fjcrauö, nad)
bem organtfdjen Söebürfniö eines 3ttnenlebcnö unb in einer oöllig
ungebunbenen ©ruppicrung ber £etle, meldje ftatt ber ©efefce ber
Harmonie unb beö s #arallcliömuö bcr ©lieber mefjr bie 33cbingungcn
eineö ©lctd)gennd)tö ber Strafte unb 9luöglcid)8 bcr ©egenfäge, in
lebenbiger Verteilung oon Seicht unb ©d)roer, 8tcr)t unb Statten,
ju erfüllen trautet, ©ort äußere — fjier innere (Sinbcit; bort
ein centripetaleö — b,icr ein jentrifugaleö Sßrinjip; bort „Snm*
Päonie" — fyier ettoa „5Hf)apfobie" (in (Steinen ober £önen)!
3)a6 rociterrjtn audj bie inftrumentalcn üftöglid)feiten für
uns nod) lange nid)t alle erfdjöpft 5U fein brausen, bafür fprid^t
mir allein ferjon bie bcberjte ©infüfnamg eineö ganj neuen, oon
einem 9J?atf)ematifer (Dr. SUfreb ©teljner in Bresben) ausgebauten
unb fonftruierten Streid)inftrumcnteS in baö moberne Dpern:€>rd)efter:
ber „Sßiolotta" nämlid) (mit Klangfarbe unb Tonumfang jroifc^en
Söratfcrje unb Getto) burd) SUtar, ©Billings in ber Partitur ju
feinem „^feifertag". Stürben ftcr) unfere jüngeren ßomponiften $u
3lllebem nod) entfd&liefjen fönnen, oon ben fogen. alten „ftird&cntönen",
b. f). ben eigenartig fremben, aber reiben „griedjifdjen £ongcfd)lcd)tcrn'',
unb sroar in füljner «THifcftung mit ber temperierten (Sljroma, cr=
giebiger ©ebrauefy ju madjen: idj bin eö überzeugt, ftatt einer
„rcaftionären Sd)rulle" mürbe eine weitere ©ubtilität beö „mobernen"
£onempfinbenö fid) enttoirfcln bürfen — eine 2Begebalmung ju neuen
Sßerfpeftioen, beren „patent" allerbingö bem ©eniuö roirb oorbcfjalten
bleiben müffen. 3* roeifc nid&t, ob 9lnton tlrfprud) am @nbe fdjon
im 33eft6c biefeö OTufterfcr^ugeß ftdj befinbet, benn ic^ fenne feinen
ipnmnuö „Ave maris Stella* leiber nodj niebt perfönlid). 3d)
will aber roenigftenö nityt unterbrüefen, roaö $rof. Dr. grifc 33ol-
bad) in einem fec)r banfenöioerten Ucberftdjtöartlfel über „2)tc
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3ufunft unferer G&ormufif (flunftroart 1900, $eft 16) als guter
JTenner barüber neuerbings oerlauten (agt. 9kdj Ujm fuc^t bas
2öerf „ein neues Problem im mobernen Sdjaffen 5U löfen . . . .
SBon größtem 3ntereffe ift es nämlidj, ju [eben, rote Urfprud) fidj
mit ber alten Tonart abftnbet . . . 2)ie Hütt, nrie er bas @f)arafteriftifd)e
bei* ölten Tonarten bem mobernen Sage bienftbar maa)t, ift eine
ganj neue. Sie erfahrnen nidrf jufällig, fonbern aus innerer
s Jfotroenbtgfeit; bie fleine borifdje SJoppelfuge oor bem Scblu& bietet
bierfür ben beften Seroeis. 3n unfer reines Dur ober Moll um*
gefefct, roürbe biefer Sa& gerabeju brutal erfd&einen, roäbrenb er fo
bur$ bie oiel feineren Tonunterfcbiebe einen fjerrüdjen 3^eij erhält
unb oor Hllem beroeift, baß bie SInrocnbung biefer Tonarten fein
$inbernis bilbet, um bem poetifc^cn SSorrourf unb ber mobernften
Tonmalerei geregt ju roerben."
©eben roir fobann einen Schritt roeitcr unb lenfen unfere 9Tufs
merffamfeit nod) auf bie road)fenbe dr)ara (tc riftif aud) im SÖereidjc
ber fonft fo „innerlidj" gearteten Tonfunft, fo roerben roir ba ju
allcrnäcbft nid)t oerfennen bürfen, bafj roir eine innere unb eine
äußere 9tatur (natura naturans unb natura naturata) $u unters
febeiben böben, roelcbe ftdb oon ber afluftf als fünftlerifdjer Snfyalt
bejro. als Dbjeft ibrer Gbarafterifierung febr roobl aufnebmen läßt.
MerbtngS fommt eö bei erftcrer mebr auf bie „üttuftf als 2lusbrucf"
an, roäbrenb es bei letzterer bann unrotllfürlicb mebr auf baö üftoment
ber Radjabmung hinauslaufen roirb. Slber oon oorneberein aus*
gefcfjloffen ift bodj feines oon beiben; man roäre niebt im ©eringften
berechtigt, bei ber groeiten 2lrt oon einem äftr>cttfdr> oerroerflieben
Unfug, einem bebauerlicben Srrmeg, einer unroürbigen Spielerei ober
gar oon „minberroertiger SQiufif" ju reben. Dbcr, toer roollte c)art*
näcfig leugnen, bafj in ber freien 9totur felbft fd)on mebr ober
minber artifulierte Saute unb ©cballerjeugungen an unfer Dbr
bringen, bie jebenfalls cbenfo gut rote bas innere Seelenleben, ober
(Sefüblöberoegungen einer bunflen ©emütöroelt, Sßorbilb für ben
üftuftfer, ©cgenftanb einer äftr)etifcr)eri SSerroenbung roerben fönnen?
3ur ©rjielung fünftlerifcber 2öirfung baran bebarf es eben nur
ber Söorausfefcung, ba& bas oon bort aufgenommene Rohmaterial,
ber „Sdjall", tfjunlid) jum Ton mobultert unb mittels ber formgebenben
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$rinjipien ber £onfunft: SRljntljmud ober Harmonie, gefdjmacfooU
„ftrjltfiert" crfd&eine. @ö gilt einfad) ju bebenfen, ba& baß üfteifte
oon bem, roaö man geringfügiger SBcife alö „©eräufd)" für bic
„Ijofye ^onfunft" abjulefjnen pflegt, burd) baö gemeinfame (Clement bcr
^onfjö^e, £onftärfe ober Klangfarbe bereits an ber äftljctifd)en SBelt
teilnimmt, bag bei allen biefen fingen jebenfallö 9tfjntljmuö unb
2)nnamif für bie Siegel baö natürliche Sinbeglicb jroifd^en Sßatur
unb ftunft abgeben bürfen; fo bafe im ©runbe nur @ineö ju oer*
meiben bliebe: ba§ nämlidj bie jeitlid) fidj ergefjenbe ßunft ber
3Dlufif räumliche Söirfungen anftrebe. Sßie man j. S3. unrcgel*
mäßig in Jtampflärm cinfallenben Jtanonenbonner ber 2öirflicfcfeit
burd) bie große Trommel (als Snftmment) unb einen freien D^nt^muö
— bejro. Raufen, tjicr auf bem guten, f)ier nrieber auf bem fd)led)ten
£aftteil (als gorm), balb nal) (brö^nenber), balb fem (bumpfer), gu
ed)t mufifalifdjem (Stnbrucf beim &örer tonal einreibet, baö roiH
lagen: roie man U)n jur „f ünftlerifdjen 2$af)rfjeit" ergebt unb in
bie üöelt beö äft&etifc^en ©djeinö crlöft, baö Qat Sifjt in feinem
„^afocjnsSturmmarfd)" fo genial rote unanfechtbar unö gejeigt.
Unb fürroaf)r! Sollen benn: ©ebirgöjobler, SBogelftimmen,
©rillenjirpen, ©locfentöne, Drgelflänge, SDubelfacfpfcife unb SDrefc
orgclmclobif, 3agb* unb ^oftfjorn ober ©ignaltrompete, Raufen* unb
£rommelroirbel, ^Donnergrollen, (Seroefjrfnattern, 9lmboöljämmern,
Sturmeöljculen, ^inbmüf)lengcfd)roirre, Sßferbegetrampcl, ^ßeitfdjenfnall
nnb SRatfdjenlärm, Sleolöfjarfe ober SBirtö^auömufif, ßnodjen* ober
^oljflappem, baö glattem ber gafjnenroimpel, baö glaefern beö geuerö
ober baö ßniftem oon gunfen; ferner Verlaute: roie SöroenbrüUcn,
Särengebrumm, ber &al)nenfd)rci, Sienengefumm ober £ammelblöfcn,
roteberum fo gut alö 2öinbeöroef)en, 2ßipfelraufd)en unb Slcljrenroogen,
baö Murmeln beö Säcfyleinö, baö $ßlätfd)ern beö 2öa(ferfalleö unb
baö ©urgeln ber 3fteereöroellen, baö (Srtonen ber *ßferbefdjellen am
(Schlitten, eineö eleftriföen Säutroerfcö ober ber 2Jlemnonöfctule, baö
Sdmurren unb Surren ber Käbd&en im Safte, ja felbft baö gefjeim*
niöoolle 9comenfpmnen unb tiefe $orfinnen etneö neu fjerauffommenben
£ageö im $eranbraufen ber Morgenröte, roie baö mäljtig leife
^Bertlingen ber 2uft im 2Ibenbrot — id) meine: foll baö 2lHeö, unb
noc§ oielcö Slnbere baju, für baö ©cljör beö ßompontfien auf ein*
5*
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mal nicht oorljanben fein, leer unb ftumm, fchroctgenb nrie tot im
25afem baltegen, nur roeil es fchroachfopfigen SDogmatifem einer oor-
fmtfTutlichen 2leftt)ctif gefallen roill (ober zufällig eingefallen ift), baoor
eine polizeiliche SöarnungStafet auf zurichten? „3Ser oon biefem
Saume ber ©rfenntnis iffet, ber foll ocrfludjt fein in alle ©roigfeit!"
3cf) ftnbe, unfere SDleifter aller 3eiten fjaben fic^ gottlob nie einen
SDeut um folchc üben gormaloerbote gefümmert, fonbern ftnb freimütig,
offenen unb phantaficoollsfinblichcn Sinnes ben SBcg gcroanbelt, ber
ftcr) ihnen eben als ber natürliche, als ihr 2ßeg anbot, auch wenn
babei einmal bic locfenbe 9tufforbcrung jur fogenannten „Tonmalerei"
querüber lief. ÜRujj alfo bod) offenbar ein beftimmter Srang unb
ein unroillfürlidj ScbürfniS baju bei ihnen oorgclegen — eine
unmtbcrflebliche Neigung juioeilen fich eingeftellt haben, bie burchauS
nicht ohne Weiteres bem „2öcfen ber Sftufif" fd)on in'ö ©cficht
fchlagen braucht. Unb roirflich, glaube ich/ mü&tc man bie .ftomponiften
mohl erft taub roerben laffen, ehe man folche ^orberungen ernftlich
burchfechten bürfte ; ja, unb felbft bann fann man — roie figura
33cethoocu zeigt — feiner Sache noch immer nicht unbebingt fierjer fein !
Stein Geringerer als ber ausgezeichnete ^Pötlologc @b. t>. 2ßolfflin
hat benn auch erft fürjUch, fogar in Si&ungSbcrtchten einer fyotyn
„Stgl. 3lfabemie ber 2ötf[cnfchaften", febr inftruftioe &inroeife in gorm
ftreng ^tftorifc^cr ©rgebniffe unb fnftematifcher Beläge über bas 33or*
fommen oon „Tonmalerei" auf allen (Stufen ber Tonfunft, nieber=
gelegt. Unb babei fyabtn bie früheren Stomponiften es mit ber
S3tfarierung ber Sinne, einer „Subftituüon bes ©efü^lß", noch
nicht einmal fo fein* genau genommen, roie mir bieß heutzutage,
auf ©runb beö befferen öeroufctfeinö unferer craften gorfchung,
ohne 3 roc if e ^ roohl thun mürben. Sie haben ba Vorgänge beö
©efichtsfinneS höchft nato einfach in ©mpfinbungen beS ©chörs
umgcfe&t, roahrfcheinlich roeil fte babei in ben gleichseitig an ihr Ohr
bringenben Sebensäugerungen ber fonft ftummen forperlichen 9catur,
gar nicht fo uneben, bie beroegte 3nnen feite ber ©rfcheinung ju cr=
fennen, bie beroegenbe Seele ber betreff enben ©egenftänbe, Strafte,
Elemente, Vorgänge zu oernehmen glaubten. 3n biefem Sinne fagt
griebrich 9itc&fche feinfühlig (roenngletch noch Ö an 8 m Schopenhauer'fcher
Slusbrucfsroeife) auch oon s Jt. SBagner („Söagner in 33anrcuth",
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23b. I ber ,,©ef. Ausgabe" ©. 567): biefer habe „ollem in bcr
9tatur, roas bis Jefct nicht rcbcn rooUte, eine Sprache gegeben",
benn „er glaubte nicht baran, bag es etwas Stummes geben müffe".
„$öagner taucht auch in SJtorgenröte, SBalb, Slebel, Äluft, 23ergeS*
höhe, üßachtfchaucr, SftonbcSglanj hinein unb merft ihnen ein heim*
lichcs Söegchren ab: fic roollen auch tönen. SBenn ber $hif°foph
[agt, es ift ein SBiHe, ber in ber belebten unb unbelebten -ftatur
nach £afein bürftet, fo (ügt ber SJlufifer hingu: unb biefer SBitle
roill, auf allen Stufen (feiner Dbjeftioation ober 3ttanifeftation), ein
tönenbcs SDafein." 2)urch ben „£on, Saut, Schrei" nehmen roir
mittels unfereS ©chörsfinneS in glcicrjgeftimmter (Smpftnbung auch an
bcr uns fonft nerfdjloffencn Snnenroelt ber frcmben ©rfchemung
Uli, erfahren mir etroas r>on intern bunflen „$n fich" — fo meinte
ja auSbrücflid) fchon biefer Söagner fclbft, in feiner gchaltoollen (Schrift
über „©cethooen". ©s fäme fomit auf bas ©egenftücf etroa ju
23oecflin babei heraus : roä'hrenb biefer bilbenbe ßünftlcr bie
33efeelungen ber 9totur in mnthifchen gabclroefcn oerförpert, fegt
ber 5Jhififer umgefebrt bie förperli rf)e -iftatur unb beren rnntfufche
*ßerfonififationen mnfiifch roieber in £öne unb bamit in flingenbe
Seele um!
SDicS ledere aber führt uns jum Sdjluffe nodf) auf ben ent*
feheibenben $unft aus bem oielumftrittenen ßapttel „^ßrogrammmufif",
bas mir f)ier nicht mit Stiüfchroeigcn übergeben bürfen, wenn es aud)
fpätcr erft jur oollen Klärung barüber fommen foll. 3cbe ßunft
fann nämlich etroas, bas bie anberc ßunft nicht fann.
2JJan nehme nur j. 23. einmal bie 3bee „Saum"! SDer $resbener
9Mcr $aul 33aum nimmt fic in fonfreter @rfd)einung 51t getreuefter
9tod)fcf)affung ber 9totur fich oor; er zeichnet unb malt ben be*
ftimmten, jur Stubic auSerfchenen 5öaum geroiffenrjaft bis ins roinfte
©ejroeige hinein, in freier Suft unb ooHem Sickte brau&cn, mit allen
garbennüancen unb £onroerten, in Seudjte roie Schatten, unb betont
jur Rechtfertigung feines Verfahrens: ein 33aum fei boef) fdjliefjlich
auch ein „2lft" für ben bilbenben Äünftler. ©in Ufjlanb macht bas
fchöne Sieb „Sei einem 2öirte rounbermilb" 2c. barauS, ein $etne
biefttet bie Sßerfe 00m „§id)tenbaum", ber „einfam im Horben ftcht
auf fahler §öh"'. £onpoet aber, roie 2öagner, lä&t uns in
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feiner üttuftf ben meinen, beraufdjenben Slütenbuft als Stimmung
Ijolben glieberjouberö um So^anniö mitempftnben („3Jleifterftnger",
II. 9Ift), ober baö Itcbeftäfternbe 93lätterrafdjeln jur SRac^tjcit be*
lauften („Triften", balb nad) beginn beö IL Slufjugeö); er madjt
uns ju Teilnehmern an 3ungs©iegfrieb'ö ftimmungöooHem Traumen
beim 2Bipfelraufd)en ber großen alten Stabe oor gafner'ö &öl)le,
ober fünbet uns baö ©turmeöbraufen ber mit nrilben Sßolfen um*
jogenen 2ßotanöftd)ten am ©alfürenfelfen (in feinem „2Balfürenritte").
©o c)at jeber oon bem urfprünglidj gleichen Dbjefte basjenige gerabe
aufgenommen, maß er mit feiner Stunft „djarafteriftifd)" if)m
abgeroinnen fonnte: ber Sflaler bie Außen* (©rfc^einungö*) Seite, 0C r
EKufifer feine 3nnen*(®efü|te*)2Bclt; ber SDtc^ter bie SBec^fel*
roirfung beiber in ber Söorftellung, eine 3nemsbübung oon außen
unb innen burd) baö refleftierenbe ©emüt. j&max müffen fic alle
brei (2tfaler, 2)id)ter unb OTufifcr) ben ©egenftanb irjrcr fünftlcrifc&cn
2)arftellung jcbenfallö erft in ifyre ©mpfinbung eintauchen, in ir)rc
3nncrlid)feit f)tneingc§ogen haben unb burdj if)re Sßorfteflung gehen
laffen, bamit oon ber ©eele perfönlichcö Seben auf tr)n überftrömt.
9lkf)t aber braucht ber Tonfünftier bedungen fdjon ben realen „S3aum"
ber ficf)tbaren 2ßelt etroa in SMufifnoten tonmalerifch abjufchilbern.
Sßarum foflte er baö alfo roofjl tt)un roollcn, wenn er feinem ©tücfe einmal
baß ^rogrammsSDlotto: „Saumblüte" ober „SBtpfelraufchen" ober
„2Baö Ren bcrSBalb eraählt" (Maller: „2öaö mir bieSlumcn ersetzten")
oorauöfteflt? Sie Anführung beö <ßrogrammcS bient ihm r)ier boch
lebiglid) jur Sßerftänbigung an ben $örcr, baß eö baöfclbc Thema
nrie beim Sichter (ober Sftaler) mar, oon bem auch er ausging; nur
baß er feinerfeitö nun eö oon feiner 3nnenfeite, alö ©efühlö reich
unb ©emütöroclt, djarafteriftifc^ ju faffen fuchte. „$cr SDlcifter ift
immer 2Mfier über fein SBerf unb fann eö unter bem ©influß be-
stimmter (Sinbrücfe gefchaffen haben, roclcbe er alöbann aud) bem &örcr ju
oollem, ganzem SBeiuußtfcin bringen möchte Saß Programm
bejioecft nichtö Anbereö, alö auf bie geiftigen Momente, meiere ben
ßomponiften jum ©Raffen feines SBerfcS trieben, oorbereitenb Inn*
jubeuten." (2ifjt.) @S mclbet alfo bie Anregungen; aber cö
fagt, roenn eö einem bUbnerifdjen 33orrourf ober einem bichterifchen
Stoffe entnommen ift, nur: 2Baö ber alö 2öclt beö Sichtbaren
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ocrf örperte, jener im Itjrifd&en Sluöbrucf roiebergab, mit epifdjen
3luöfcf|mücfungcn fcfjilbcrte ober burdf) eine bratnatifdfje £anblung
bar fi eilte, will id) einmal alö bewegte golge oon Scelenjuftänben,
alö allgemeine ©emütöftimmung ober <Sefür)löleben naef) feiner
Snnenfcitc buref) mein ©pradwrgan auösubrücten, burdb eine
©celen^anblung 311 entmicfeln oerfuchen. Seht, ob ich cö recht
getroffen unb alö Sftufifer bei biefem Söettfampfe mit @§ren be*
ftanben höbe! 3m Übrigen wirb bie große §auptfad)e immer bie
bleiben, bag mir uns in bie fo gegebene 90lufif „einfühlen" lernen,
b. f). baß mir auch bie rein inftrumentale £onfunft roieber „antfjro*
pomorpfu'fteren", fic alö ©efangöphrafe appereipieren ober alö
©cbärbenfpradje unö fubjefttoieren fönnen. —
@ö wirb, wie gefagt, bei unferen fpäteren Sluöführungen noch
weit beffer ju überfein fein, warum mir unö biefen furjen Ausflug
in'ö Acuter ber muftfalifdfjen Heftfjetif t)tcr geftatten mußten — welche
Söifjenfchaft übrigenö auch ifjrerfeitö: in bem gortgang oon §egel
unb Schopenhauer ju @b. 0. $artmann, Rechner, £ormiq unb
2Bunbt, im Speziellen roieber oon &an8lüfö „tönenb bewegter gorm"
&u g. 0. £auöeggerö ff 3Jluftf alö Sluöbrucf", non o. §elmhol&'
„Sehre oon ben £onempfinbungen" , über 9ftar, Steini&cr'ö
„$ßfi)cf)ölogifche SBirfungen muftfalif eher gönnen" ju GL Stumpf'ö
„£onpfnehologie" , unb über @ugen ®rebcr'ö ff ^St)r)fiologie ber
STonfunft" ju SHutfj'ö „9)iufif Phantomen", enblich oon ftarl
Steinfricb'ö „©runblegung einer oergleichcnben §iftologic ber
!Diuftf" ju ßarl SBücher'ö „Arbeit unb W^muft^ i^rc entfprecftcnb
moberne (Sntmicflung (inö naturwiffenfebafUtebe, pfi)c^o?pr)i)ftoIogifd)c
unb fojialroiffenfdjaftlidje gorfd)ungSgcbict) fd)on Durchlaufen r)at.
Mein bereitö jefct mag einleuchten, baß hiermit boef) allerlei gewichtige
©runblagen gum Söerftänbntö ber gan$cn neueren Snfirumentals
unb 2)ramens3J?ufif (mit unb oftne Programm) gewonnen finb, bie
alöbalb auch eine fo fjeftig befebbete ©rfdjeinung roie Diicrjarb
Strauß unferem ©efichtßfreiö näher rücfen bürfen, biefen in feiner
fd)öpferifcf)cn Begabung unb in feiner Ijeroorragenben 23cbeutung für
bie „OTufif ber ©egenwart", auf ihrem gefchichtltd) notroeubigen
Sßege ju einer „Sftufif ber 3 "fünft" t)tn, unö gewiß weit begreif-
lieber machen fönnen. (Sicherlich ift nicht oöüig ju beftreiten, baß
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bei tfjm bislang — in feinen 23eftrebung<m nach äu&erftcr
@harafteriftif — bie Dichtung im „programmatisch' komponieren
grunbfäfclicb toobl einen 9tucf nach au&en, ftärfer jur „natura
naturata" fyin, gethan ^at. &as ©harafterifttfehe fdr)eint hier oft
jur Jtarrifatur fortgefebritten. Mieles erfdjeint an feinen neueren
Schöpfungen aber aud) nur besbalb fo, weil man feine Snnenroclt,
ihres Schöpfers intimeres Seelenleben bisher noch (aum fennt!
liefern gilt es baljer je|t einmal auch näher ju treten, nad) bem
tiefen @leicf)niffe 3KuItatuIi'ö oom „Samenforn" (Auswahl aus
feinen Sßerfen, in beutfeher Ueberfefcung oon 2ß. Spofjr; 1899,
S. 361): „Beim Slnfcbauen eines Stunftrocrfs, bei ber Sdjä&ung
einer b^roorragenben %fyat, bei ber Beurteilung eines auögcbrücften
©ebanfenö lege ich mir aHejeit bie grage oor: was ging ba oor in
ber Seele bes künftlers, bes gelben, bes ^ßr)ilofopt)cn, bafc bas
Sbeal gefebaffen, bie %fyat befdjloffen, ber ©ebanfe f)croorgebrad)t
unb ibm als fertige 3bee gorm gegeben tourbc? 2)aS ift: id) frage,
roie bie Seele befruchtet roarb? SBelche 3 u f*änbe fic burd)lief bei
Schtoangcrfcbaft unb SftieberFunft?" . . .
2Btr toaren Seibe 1882/83 jufammen auf ber SJlünchcner Unioer-
fität gemefen unb galten hier gemeinfam noa): fulturgefa^id^tlicbe Kollegien
oon SRtebl, 3leflF)etif bei Karriere, „Schopenhauer" bei $r. 3oM
gehört. 2luf einmal — es mar fpäter, jur 3cit feiner warmen greunb*
fdjaft mit Slleranber bitter in München, um 1889 etwa, alfo in
ber äBagner^ifjt^enobe feiner fünftlerifdjen unb in ber eigentlichen
Schopenhauer^criobe feiner geiftigen ©ntmief lung : ba mar es, bafc
ich ouS bem üJhmbe bes „üftacbeth" 5 unb „$on 3uan"s5tomponiften
in Sittcraturfragen ganj überrafchenb neue klänge oernahm. <£r
erzählte mir bamals, ganj bingeriffen, plöfclich oon 2)oftoieroSfVs
„ftasfolniforo", an bem er offenbar pfnehologifche Slnalnfe bis jur
anatomifchen Scjierung ftubierie. 9lud) oon ©erhart ^auptmann'ö
erften Sßerfen fprach er um jene 3 e *t auffallenb begeiftert, an
benen ihn bajumal ftcberlicb bie fortgcfcbrittcnmaturaliftifcbe £cd)ntf
in aJHlicu^Schilberung, 2ftenfd)cn--(Sl)araftcriftif unb 2>ialog*2luS*
feilung als eine formale SRögltcbfett ber 5tunft lebhafter
intere(fierte — roas hernach (feit ben „2Bebern") allerbinas mieber
nachlaffcn foüte. ©inige 3<*h rc fpäter, an einer entfehetbenben
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„SebcnStoenbe", bie ihn aus all' ber bisherigen Umtoelt gerauft/ nach
fernem Sanb enirücfte — ba erfolgte, nicht ohne innere Voraus*
fegungen hierju, eingeiftiger Umfchlag oon Schopenhauer ju 9Mefcfche,
in beffen Schriften Reh ju oertiefen er bamals bie allerbefte üttuße
fanb. Soslöfung unb ©enefung! — bas bürfen nur als bas
üttotto jur bamaligen Vorbereitung eines „neuen Umblicfs" bei ihm
looht ausgeben. @s mar genau bie 3 e it ^ *>er dritte 2lft bes
felbftocr faßten „(8untram / 's£e£tc8 mit urfprünglich ganj Schopen*
fjauerifdher ©runblage, nach unb nach eine oödig anbere ©eftalt in
feiner ^ßrjantafte annahm unb banach einen ftarf gcmobclten Schluß
erhielt, ber fpäter fo oiel ©egnerfchaft noch auf fid) jic^cn fotlte. 9l(s
ich oann im Sommer 1893, bei einem Slbfchtebe oon Sßetmar, ben
2)ichterfomponiften Strauß benn bas i ft er — julefct auffülle,
plauberten nrir noch oon biefem feinem neuen ©efürn -ftiegfehe, unb
er las mir mit großer SKärme einige Stellen aus bcfjen §aupt*
roerfen oor. Slls ich ihn aber am Nachmittag oor ber SBeimarer
kremiere feines Sfluftfbrama'S (üM 1894), bortf)in jurücffehrenb,
in feiner SSohnung roieber begrüßte, philofophierte er bereits toieber
über 3ohn &enrn SJlacfan's aufgefchlagcn oor ihm liegenben
,,9lnarchiften' / *9 f toman unb fpielte mir alsbalb jioei, auf üJlatfan'fchc
Xeyte Jüngft oon ihm gefegte, tiefpoetifdje „©efänge" amglügel oor
— roie als märe er gar nicht berjenige, ber am felben Slbenb noch
fein erftes Dpermoerf ber Deffentlichfeit oorftellen wollte. Seither
haben mir auger jenem oornehmen 3beaU5lnarchiften SWacfai) auch noch
tarnen roie Äarl $encfcll, mit feinem im £apibar*Stnl gehaltenen
fojtalen Älagerufe: „SDiefe 3 e it™ Rnb gcroalttg, bringen &erj unb
&irn in 9iot!", ober SDehmel, SDctleo o. Siltencron, 3ul.
&art, Otto 3ul. Sierbaum toieber holt bei föid). Strauß in be*
beutfamer §erau§hcbung antreffen fönnen, unb roer ba j. 93. in einem
Referat einmal gefagt fyat, baß ber Slomponift in bem Siebe:
„£raum burch bie ^Dämmerung" eine StimmungSlanbfchaft in
„fcjcffiontfttfchcn" £onfarben gebe, ber §ai bamtt {ebenfalls ein
groß SSort gelaffen auöacfprochcn. So ließe fid) benn loohl getroft
oon ihm fagen: Strauß ^at baö „Sflobcrnc" in iljm felbft unb ift
gaiij unb gar aus mobernem Stoffe geboren; es ift h^r loicbcr ein*
mal ber@eift, ber fid) ben ßö'rper baut! Unb jumal bei feiner im
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Sichre 1893 oottenbeten Dpernfchöpfung „©untram", bem erften
SInjeichen eben biefcS „SJlobernen" in ihm — feiner erften ftarfen
Regung roenigftens, btefed auch nach außen hin berebt funbjugeben,
barf man mit gutem §ug oon einer ausgefprodjen mobernen
„ßonfeffton" feiner geiftigen Sßerfönlichfett an bic Söelt nun reben.
SDie £anblung baju ift in ber £f)at nichts weniger als ettoa
nur ein leerer $8onoanb, um mögltchft fdjöne 9fluftf boju ju machen.
Sonbcrn dichter u n b 2Wuftfer in einer ^ßerfon geben fidj ganj bem
bramatifchen ©efamtflroecl eines fjcnifdjen ftunfttrerfes Inn»
inbem fte 8etbe ftch als bienenbcS ©lieb ber Serurirflichung beS
SBort^on^ramas, nrie Littel jur Slbftc^t, unterorbnen. 9tod) otel
toeniger tjanbclt es fief) um bic bloge, einfach oerftftjierte ^Bearbeitung
eines fertig bcreitliegenben SagenftoffcS. SSielme^r ift bie gabel
fjierju com 93erfajfer üottftänbig fclbftänbig erfonnen unb nur
Kolorit, Sofal unb ßoftüm, jum %mtdt einer SDarftclIung beS „^cin*
Sflenfchlichen" baran, bem farbenprächtigen ©lanjc beö mittelaltcr*
liehen Kulturlebens entnommen roorben, ba bie 2Jienfd)en nod)
weniger burd) S^aum, 3 C ^ "nb Sßolitif befttmmte „htftortfchc" SBefen
toaren. SDurd) uno burd) jebodr) blieb biefe &anblung perfönlidje
SBclt, innerliches ©rlebnis beS Jtomponiften fclber — fagen
roir „©elegenheitsbichtung" im beften ©oetfje'fchen ©inne beS SBortcS;
unb als fold)e Durchaus im ©inflange nur roteber mit bor ernften
aftafmung beS ausgezeichneten SleftfjetiferS gr. oon &ausegger an
bie jungen Opern sßomponiftcn: „nur ©igeneS, $erfönlid)eä,
ntd)tö, roaS nicht erlebt unb innerlich felbft burdjlebt märe",
geftalten ju motten, immerhin icar jenes ©rlebnis aber boch auch
roieber eines oon ben gang großen, bic bas befdjränfte inbioi-
buellc 3 eu 9 n ^ eines lebenbig fchlagcnben 3JlenfchenherjenS jum
SDofument ber ©poche $u ftempcln oermögen, baburd) baß fic
bie $t\t, ihre (Strömungen unb ©eiftesberoegungen, 3 e ^ cn unD
3been in ftch zugleich ftarf mibcrfptcgeln. %mat knüpft baS
©anje, geiftig mie ted^ntfer), junächft tr>or)l an Sohengrin'S ©rals*
rittertum, an £annhäufer , s 2ftinnefang, an SBalter's „^rciölteb" unb
an Sßarfifaf« SJlitleibSlehre ganj offenfunbig an; oiefleicht auch hat
Situation unb Stimmung oon Uhlanb's befannter S3attabe „SDcs
Sängers glucb" noch einiges mit baju gethan. ®ie legte 3ln-
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regung jebod) fd&eint Slleranbcr «Ritter*« „2Bem bie ßrone?" abge*
geben gu Ijaben. SDort fagt nämlid) ber präfumptioe $f)ronerbc
^einj, am ©bluffe feiner einbringlid)cn Säuberung beö graffierenben
93olfä=@Ienbö in beutfe^en ßanben:
Unb ba§ mufj burd>au§ anberS roerben,
giebt'3 auf biefer {glimmen Gsrben
um unb um
nod) eine ©pur oon Gfjrifientum !
(jur ÄöntBin SRutter, ftrau Me, geroenbet:)
3(jr fönnt eö roenben!
3^r fönnt e§ enben!
9Id), rcüfct' id) nur funftreid) bie 2öorte ju führen,
id) roollte ©luten im §erjen @ud> fa)üren,
entfachen ein jotnig flammenbeä 2Bollen,
baS füfjre burrf)'ö Sanb mit bonnernbem ©rollen,
§u fünben in leudjtenbem Morgenrot
auf's s Jteue ber ÜKenfdjenltebe fjeilig' ®ebot!
Sllfo: fernere 9tot ber 3 e ^ — »SleKflion beö 9)HtleibenS",
geprebigt burd) bas üftebium funftreidjen ©efanges — grtebens=
roerfc — liebenbe Sßerbrüberung im fojialen 2luögteid& aller Stäube
roie politifdjer SNerföfjnung. (@s mar um bie %eit, ber junge
Jtaifer bic Äor)Ienarbeiter empfing!) 93on biefem, gtcidtjfam „aftuellcn"
Altruismus naljm audj baö Straufj'fdje SBerf feinen Ausgang. £)ier
fc|t ber „©untram" unmittelbar ein — man braudjt ja nur feinen
erften Slufeug unb bie erften Svenen feines jraciten Elftes genauer
bamit ju oergleid&en : bis baljin, roo oor nerfammcltem #ofe ein
oon fernem ©ef)cimbunbe entfanbter, ftreitbarer länger ber tfiebc",
mit freimütig einbrutfsooller Sdjilberung beS 93olfselcnbö im Sanbe
burdj einen roaf)rfyaft ibealen „gricbenöfjmnnus"*), bes greifen Königs
$erj jur Umfefjr 5U rühren unb es gegen feinen eigenen, im Sanbe
graufam raütenben £od)tcrmann ju fc&ren fudt)t. 5luS einer fleinen,
ganj unfd)cinbaren Semerfung im geuilleton ber „% 3r. greife",
beS SnljalteS: bag in Ocficrretd) fid) geheime, fünftlerifd^religiöfe
Drben auSgebilbet Ratten jur S3efämpfung ber weltlichen Stiftung
*) 3d) fanb i§n einmal abgebrutft in Bertha uon ©uttner'S befannter
3eitfd)rift „©ie SBaffen meber!" — $eute fefjen mir an feinem „Reiben»
leben", in bem SluSjug jum ftampfe gegen bie „©iberfadjer", bcutlid^: c§
mar ein frember tropfen im ©traufc'fdjen Slute.
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beö SOHnncfangeS — aus bicfer geringfügigen 9ftoti$ fdjöpfte ©traufc,
roic er mir felbft gelegentlich erjagte, feinerjeit Unterlage unb
SWatcrial für bie befonbere 3bce feines SDrama'S. ©in mnftifdt)=
rätfelljafter 53unb oon gittern beö ©efanges", b. t)- ^eiligen
ßünftlern, roeld)e burd) bie üftacht beö Siebes bie ©emüter ber
3ßenfc^en jum ©uten beroegen unb beS &eilanbs griebenSioerfe in
ber 2öelt roirfen wollen, ftet)t bafjer and) im §intergrunbc feiner
§anblung. Sflan tonnte nur oielletc^t bie nafjeliegenbe grage gleich
Wer auf werfen: ob benn eine foldje ßunft, welche religiofc SBirfungen,
baö ©ittlidje als ©nbjroecf oon oornefjerein anftrebt, ioot)l ernft*
tief) „mobern" empfunben fein fönne, ba unfere heutige Äulturftufc
ja bod) nun einmal „1'art pour Tart" beinahe einjig nur fennen
unb anerfennen null. SDod) erfdjeint mir biefe 2)oftorfrage als
ntüfjig, jumal in unferem ^aü eine ganj anbere weit mefjr in ben
SBorbergrunb tritt. @^er fdjon fann man nämüch bas Ijeiflc Problem
aller „ecclesia militans" unb jeber „inneren wie cmfjeren SWiffion"
aua^ hierin roieber wittern. 3nbem biefe lederen beiben ben Stampf
mit bem ©egenprinjip, ber bem &eil entfremoeten 2ßclt, cnergifdj auf*
nehmen, laufen fie ftets babei ©efafjr, in folch* mutiger Sßermifdjung
mit ir)r fich nidt) t met)r rein unb lauter erhalten ju fönnen; ferner
geraten fie infolge fo mancher notroenbtgcn, menfchlicfcaüaumenfcblichen
Stonjeffton gegenüber jener nur ju leicht in ben ßonflift, an bi
2ßclt felbft mit ber &c\t ftdt) mehr ober roeniger auch ju oerlicren.*)
*) 2>tcfer Orunbfonflift ift c« offenbar, Der nadftünflt in ©uniram'S
Serjen (III. Stufjug):
<PfItä)tenjroang.
für ftdcfcftc* Streben?
®efefec«bann
für folcfte 3icle?
(einfo*) ©in fööner Xxaum
ber Sefien, 9tcinften!
(traurig) 2>otf), arf), nur ein Sraum,
Dfjnmädjtig oerblafct,
am tage beö fieben«,
cor eine» fcerjenö
fieifeem ©djlag
in SRidjtö jerfioben,
roie aller 2Beiöf)eit ffiafm!
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©djon (SJoetfye bat biefen %aU, bei feinen Söetradjtungen über Saoatcr'ö
unb Safeboio'ö SBirfen in „2Baf)rf)eit unb £icbtung", tnpifcb geprägt.
@r fanb cö jroar ganj natürlich unb begreiflich, bafc ber oorjüglicbe
9ftenfd) baö ©bttlicbe, baö in U)tn ift, audj außer ftd) oerbreiten mödjte.
„3)ann aber — fo fä^rt er fort — trifft er auf bie rofje SSelt, unb,
um auf fte ju roirfen, mufj er fid) ibr gletdtftellcn; bierbureb fommt er
in ©efafjr, jene boben Vorjüge ju febäbigen, ja fie fcblie<d) 5U oer;
lieren. 2)aö §immlifd)c, ©toige loirb in ben Jtörper irbifdjer 5lb-
ftebten eingefenft unb ju ocrgänglidjen Stt^icffalen mit fortgeriffen."
Religion ift im ©runbe nun einmal Sßeltflucbt, Verneinung beö
SBillcnö jubem im SBcfentlicben ein paffioeö, ober bod) quictiftifebeö
üflotio, roäfjrcnb bod) jeber ebrlicbe ßampf baö „3lftioum" 5ur Vor*
auöfe&ung bat, unb ein berjerjtcö 2luf net)men beö ©treitcö mit jener
fremben 3ltmofpr)ärc, be^ufß ,,2Mtübcrroinbung'', aueb ein gcioiffeö
©inlaffen (um nid)t ju fagen: eine Beteiligung) an beren eigenftem
geben unb 6trebcn oorauöfcgt. gaft tonnte man fdjon augeben, ba&
bcrglcicben ben Wut felbft jur Sünbe in ibr notioenbig in fid)
begreifen müffe. 5lur^ baö fingen mit biefem 2)racben forbert bic
gan^e ©infefcung beö eigenen ©elbft — ©efinnung unb 3^ °i c f eö
9tingenö foU aber gleicbioobl bic tjöc^fie Selbftoerleugnung fein: rote
reimt fid) baö toofjl sufammen? Siegt ftier nid)t fdjon in ben ©runb*
fräften unb ben elementaren Vorauöfefcungcn an fieb ber innere
SBiberfprudj offen a u £age? SMffen ^tcr Slltruiömuö unb
3nDioibualiömuö fid) nid)t gegenfeitig ftören unb burebfreujen? Unb
roirb eö ba nidjt roieber auf bic alte (©cbtfler'fcbe) 6pi&e: „©ebor*
fam" alö „beö (Stiften $öd)fter (Edjmucf", ftatt einer freien 6elbft*
oerantroortung beö überlegenen ^b^lben, fd)lie&Ud) bwaußlaufen?
3n 2öat)rr)eit bilbet nidjt nur ©untram'ö beilig^ernfte Scnbung
an einen beutfdjen gürfienfjof ben ibealen Vonourf ju unferer $)id)tung,
fonbern oor Willem fein Verbriefen in irbifebe Sdmlb bei Sluöübung
biefer ÜTiifpon, unb feine innere (Snttoitflung jur geiftig'-fittlidjen
greibeit, auö bem religiöfen „33unb" mit feinen für 3llle oerbinb*
lieben „93ereinö"s©a&ungen ber auö; fonrie enblicb feine, im ©egenfafc
ju aller moralifcben SBeoormunbung bureb bie Slutorität jenes
„Vunbeö", felbfceigen gewählte ©üljne für jene «Sdjulb. (56 ift
febr lebrrctcb au oerfolgen, toie bicö gerabe an jenem entfdjcibenbcn
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SBenbepunft in Straufeens Seben, ben mir fc^on oben berührt fyaben,
zugleich mit bem Stubium S^icßfd^e'ß, heranreifte. 3)enn anfänglich
lautete baS %tyma bes III. 9lftes einfach: „Oboedienter congregationi
se subjecit" — als gehorfameS Schaf ftellt er ftch futtfeh fügfatn
. unter bic 23otmä§igfeit beö gcfcfjloffencn £erbcmoiUenS, ber nicht
nur innere 23ufie fehen, fonbem gerabe feine Unterorbnung unb 93e*
ftrafung haben miß. 3n ber neuen Bearbeitung beffelbcn 9lftes bagegen
beugt [ich ber §elb aber nicht mehr bem, in ©eftalt feines 3ugenblef)rerS
griebholb ihn jur Drbnung jurüefrufenben, ftarren unb oerfnöcherten
„$unbcögefc&". — „@r hat baö $olf oerführt, uerführt er noch
mein Sßeib?" fo ungefähr fonnte (frei nach Uhlanb), mit einigem
fechte ergrimmt burch bie Sßirfung oon ©untram'S htn*ei§cnber
„griebenSobe", ber ©ibarn jenes alten StönigS unb ffmftige X^ton-
erbe ausrufen, welchen jeboch (Buntram unmittelbar barauf coram
publico mit feinem Schwerte erfchlägt. 3m Sinne unb (Seifte bes
S3unbeS mar baö jioar nur ein 9Ift ber 9tottoehr, ber eigentlich frei
unb ungerügt ausgehen burftc („Stte 2$at, bie ihr trefft, bie ^al
mar gut!" — erroibert ©untram); benn eben Jener ©tbarn bes Königs
mar nach jenem föufc roütenb auf ben Sänger felbft mit ber SBaffe
eingebrungen. ©untram'ö ©etoiffen aber roetfe eö beffer; benn
jenes Angreifers halbes ©hetoetb toarb burch feinen Schmertftreich
ber läftigen ©hefeffel mit bem Ungeliebten lebig unb frei in ihrer
Siebe ju ihmfelber r rcelcher ftc im L 9tufjugc, jufällig hinaufommcnb,
oon oer$roeifeltem Selbftmorbe jurütfgchalten. ©leidpohl lehnt er
bie moralifche Ueberorbnung bes „ÖunbeS" in biefer peinlichen gragc
ber konterfeit feines §eqenS aufs ©ntfehiebenfte nun ab. „2ftich
ftraft fein 23unb, benn ber S3unb ftraft nur bie %t)aV. .... ®er
fie oollbracht, ftcf)t — au&erhalb eurer ©efefce." Srei, null er in
biefem ©etoiffens^ßunfte jumal fein eigener §err unb dichter fein. .
2)och in heilig j crnfter trauernber ©ntfagung oerlä&t er auch bie ge*
liebte greihilb, bie ihn um ©rlöfung aus ben Sanben biefeS ihr
oerha&ten Sebens anfleht, fte in milber Strenge auf ihr fönigliches
@rbe hintoeifenb, ba ihr betagter SSater foeben im Kampfe gegen
ben äußeren fjeinb brausen gefallen. „$)ein ift eine ßrone, trag' fie i n
Schmerjen jum §eil beineS Golfes!" 2Behmütig=ftolj, „eroig*
einfam" geht er oon hinnen, ohne ftch |U oermählen.
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79 —
©unlram aber hat oon SRtcharb Strauß — i^m fclber —
gar mancherlei unoerfennbarc %üqc angenommen; hinter bem „29unb"
fte&t, genau befe^cn, bie Sanrcutljer ©ralögemeinbe beö religiös*
ibealen 2öagnertum§, mit beren Dogmen jener ftd) f)ier jugleich
enbgiltig auöeinanberfefct; unb in ber SluSfpradje mit griebholb, bem
abgefanbten 2ftafmer beö „23unbe§", ernennen mir bafjer in lefeter
Snftanj auch Straufjenö perfönlidfjeö (Srlebniö mit feinem Slnberen
als — Slleranber bitter, beö jungen Stomponiften langjährigem
greunbe unb §üf)rer, oon bem er, feinem ©influff ftdr) nunmehr
entringenb, Sibfchieb nimmt mit bem SWotto etioa: „3ch muß ich
felber fein unb fann nicht am ©ängelbanbe eurer *ßartei-9lnfchauungen
nur immer geführt werben. 9cun führ ich m ^ ntünbig!"
Schweig' mit bem 33unb,
nie folg kf) btr ju ihm! . . .
3m Vereine nur ftarf,
geh* heim ,^u ben 53rübern;
beö 9lbtrünn'gen ©ebä'cf)tni3
nie ftöY euren 33unb!
(fanft) träumet fort, ihr ©uten,
oon ber 2Jlenfcf)f)ctt §eil!
(büfter) fönnt ifjr erfaffen,
mag mia) beroegt!
Brögbern fteeft natürlich in bem reftgnierenben Büßgang beö
(Sanjen noch ^ n fataler 3nriefpalt jmifchen „Sßagncrianer" unb
„<Selberaner", ein eigentlich unoereinbar ©emifch oon (Schopenhauer
unb 9tie&fche, baö ungeachtet ber ergreifenb breiten, glänjenb'herr*
liehen SBeihe beö mufifalifch fo überauö wirf f amen Scfjluffcö feine
reine 23efricbigung jule&t auffommen läßt. SWan lefe befonberö bie
Sßerfe:
(Cr ergreift ood inbrflnfiiger ©tut bai ft r e u 5 , bai er auf ber ©ruft tragt)
S)och bich —
bia), beffen ©inn
ich heute gefaßt, —
ich berge ihn tief
in beö Sufenö SRaum —
oor jag er Deutung
au§ ber <5cf) machen §anb
rett' ich bia) h c ^
in ftarfe ©rfenntnte!
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— 80 -
SDafi flingt faft noch roie ^^arftfal" :
„(Srlöfe, rette mict)
2lu$ fcr)utbbcf(ecften §änbcn!"
unb bodj auch roieber fcr)on rote We&fche*3arathuftra: „$aS Ver-
gangene am 9Jlenfd)en erlöfen unbaü*es,@S mar' umjufchaffen,
bis ber Söille fpricht: ,2lber fo roolltc ich es! So roerbe ich'ö
trollen — ' Meß f)ie[j ich ifmen ©rlöfung, bieS allein lehrte tcr) fte
(Sdöfung r)ei6en." 9luf ber einen Seite ftetjt ba alfo noch bas
alte, romanttfehe 3beal ber (Srtöfungstragif oor uns — auf ber
anberen nrinft bereits ein neues, moberncS Seben innerer Befreiung,
mit bem natürlichen fechte ber Selbftbeftimmung. Straufj fte^t ju
jener %e\t als dichter t)alb unb falb, mit einem gufje gleichfam,
eben bod) noch im SannfreiS ber s Jütter'fdjen SBeltanfchauung, fo fcl)r
auch ber gute alte „Dnfel" (toie roir tE)n 2llle in rjcrjlid) treuer
Verehrung fo gerne nannten) über biefc legten SBenbungen bereits
heftig grollen mu&te. 2lHein nur trollen barüber auch nicht oöllig
überjefjen, ba&, genau genommen, fo etroaS rote ein „WoSmcrSholm"*
Problem in biefem üftufifbrama bemerfenstoert genug bereits mit am
flingt — bie grage nämlich: „können biefe beiben Slbelsmenfchcn,
ber §clb unb bic §clbin, überhaupt jufammenfommen, nachbem
eines oon Seiben boch ben £ob am ©atten beS 5lnbern oer*
fchulbet hat?" ( s 7lurmitbcm geroaltigen Unterfd)ieb atlerbtngs, ba&
fich h«r gleich bie gange Verfchiebenrjeit jroifc^en realiftifchem W&oxU
brama, mit unerquteflichem ©elbftmorb^usgang, unb ibealifti fasern
£on brama, mit immerhin milbnjerföhnenben 9lbfd)iebsf längen, ganj
beutlich einmal offenbart.) 60 ift nun leiber, ba es benn fchon in
feinem eigenen ©rieben einen liebergang nur bebeutet, ein merf*
roürbiger 3toiefpalt bes geiftigen Stanbpunfteö, eine Snfongruenj
510 ei er Sßeltcn in bas Strauß' f che 2öcrf hwcingefommen, unb, cum
grano salis oerftanben, ließe ftd) eigentlich oon 9lbolf Sanbberger's
(gleichfalls, roenn auch nur nach oorliegenbem Stoff, felbftgebichteter)
Dper „Subroig ber Springer" toeit eher fagen, ba& in ihr ber
Schlujj folgerichtig im „mobernen" Sinn (eines ÜNutcS nämlich ju
eigener Lebensführung) auSgeftaltct erfcheint, toeil bort beibc £eile
trog ber als &inberungsgrunb jroifchcn ihnen ftehenben, jufäHigen
3Jlorbthot beS §elben an bem unbequemen (Satten ber §elbin, foiote
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— 81 —
irofc entgegenftehenbem 3ro<mg ber Sitte unb einem ftriften ©ebot
ber ßirche, julefct jtcf) bodj noch glüeflich oereinigen, roerben. 9cur
baß eben l)ier roieber biefcö „9floberne" mehr in Anlage unb 3bee
nur angebeutet geblieben ift, nicht ober auch formell, roeber poetifch
rtod) (erft redjt) muftfalifd), ben cntfprcd)enb roeitgehenben Sluöbrucf
bereits gefunben hat.
SBie bem ober auch fei — ich glaube, ohne SBeitereö roirb jefct
einleuchten, roie ber III. &ft Des „©untram" unö burchauö ^u ber
Sluffaffung unb aud) ber Behauptung berechtigt: baß l)icr baö erfte
STeytbuch im SDluftfbrama nach SBagner mit grunbfä<ch
moberner Regung (bebeutfam genug im ©eifte feineö großen
Slntipobcn 9Hegfche) oorliegt. 2JJan barf fogar fagen: baö
intereffante 2öerf, ju 2Beimar unb München ganj oereingelt erft auf-
geführt, ift in biefer feiner, nach ^m poettfehen £ctl gerabegu grunb«
legenben, hiftorifchen Sebeutung biöt)er auch noch nicht entfernt ge*
roürbigt roorben. 2Bir haben roirflich auger ihm feine auch nur ähnliche,
„perfön liehe'' unb „jettgemäße" Opembichtung ber felbfteigenen
„^agner^adjfolge". „£ofla, Sirtoö, auf b e n hob' Sicht!" —
mochte eö für alle, auf ber höheren SBarte beö „9ttobernen" Auslug
Ijaltenben „Snnfeuffe" oon !Rict)arb Strauß feitbem roohl h^6cn;
benn obenbrein: „2Bie er mußt', fo tonnt 1 er'ö — baö merft' ia)
ganj befonberö!"
6
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3.
Also sang Zaratbustra.
„©cbanfcn fann man nidjt blafen nodj geigen" — fo pflegte
ber gute, alte „^ausmufifant", @ c f). ftat *ßrof. §. SB. o. OTicö l
gerne ju fagen, unb ber 3°Pf» & er (Hng u) m babei fjinten; benn er
Ijatte Rc6 rooljl nie fefjr mel bei ber SJhiftf „gebadjt" unb biefe
roafjrfdjemlid) oon j[et)er mefjr als eine 9Irt f)öfjerer, lebenbtg geroorbener
„©pielbofe" genommen. 9Ieljnlicf) fpridjt aber audj (5b. § ans lief
fnmpfjonifcfjcn Stallungen Sifjt'S gegenüber nod) fjeute mit befonberer
Vorliebe oon ben „geblafcnen unb gegeigten 23tlberbüdjern für fleine
unb grofje ßinber" — ben üblichen langen ßometenfdjroeif fauftifdjer
2ad)er mit biefem roorjlfeilen 2lper9u nadj fid) jiefeenb. 2ßir fefjcn,
eö ift nichts 9teueö unter ber <5onne, roenn gegen einen 9Hd)arb
(Straufc fjeute mit einiger ©mpfjafc ber gleidje <£tmt>anb (um niefet
ju fagen: Söornmrf) außgcfpielt roirb. @ö ift mir bafjer perfönlidj
feit Sängern fdjon ein ganj befonbereö Anliegen, ben Sölicf ber $ojer,
oon biefem burdjauö fdu'efen ©eftdjtönrinfel ber 9Iuffaffung roeg, erft
einmal auf ben allein richtigen ©eftefetöpunft ju bringen, Um über*
fjaupt ganj anberö einstellen unb burd) bie lebenbige 9Infdjauung mos
möglich ju jeigen, ba& — roie jener SOorrourf fd)on auf bie früheren
SDleifter nid)t jutraf — er ooUenbS einem Strauß gegenüber fd)on
gar niefet mefjr ©eltung feaben fann. 2)aö Sßeter Slltenberg'fcfee
„2öie td) eö fefee" meines perfönlidjcn 2iugeS, barf feier otelleicfet
befdjetbentlid) einmal ben befreienben Ärampflöfcr abgeben unb jur
millfommenen 9Ud)tf$nur auefe für Slnbere roerben.
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— 83 —
28enn dlkty nämlich oon bcn „©ebanfen" gcf prochen Ijat, bie
ftrf) nicht geigen noch blafen (offen, fo überfac) er babei oollfommcn,
ba& noch ein fefjr erheblicher Unterfchieb beftct)t piföcn „@cbanfcn M
unb „3been\ Bereits oor 13 3af)rcn, in meiner
2ttuftfalifch* ®r^abenen" (S. 72), fcabe id) auf btefe für bie SWuftf
unb ihre Acfthctif fo rostige Unterfd&eibung mit 9todt)brucf aufmerffam
gemalt unb babei nadfeuroeifen oerfuafy, toie foldfje „3been", feit
33eetf}ooen fchon, burch bie £onfunft fct)r roohl jum „Ausbrucf"
gebraut roorben fmb. Unb biefes Sejjtere braucht uns auch weiter
gar nicht SBunber ju nehmen, toenn mir nur baran fefttjalten tooUen,
bafc „3bee" einen bereits in's ©emüt Sieben eingetauchten, ben mit
©efüfjl oerfegten unb oon ^^antafie burchtränften ©ebanfen
bebeutet. Unb &anSlicf gar, mit feinem „geblafenen unb gcfibelten
Bilberbuche", unterfdjlägt feinerfeitS roieber einmal oollfommcn bie
einfache Sfyatfafy, bafj granj Sifjt, fogar bei ben £onbichtungen,
roo er oon fpejtfifch 5 bilbnenfchen Anregungen feinen Ausgang
genommen hatte, grunbfä&Uch nur foldfje ©toffe junt SBonourf für
feine Tlufxt enoäblte, in benen ftch bas inbioibucll ausgeprägte
Söilb ju einem allgemein*menfd)lid)en ^npus bereits erweiterte;
ba in bem „(StngelfalT oon oorne^ercin ein Allgemeingültiges
jtd) alloerftänblich auSfpradj. 9iur f oId>c „<5ujets" begreiflicheriocife
waren bie für ihn, ben 2Rufifer unb Sonbtchter, oerwenbbaren —
was md)t immer wieber aufjer öd£)t gelaffen werben unb anbauernb
oerfchwiegen bleiben follte. Auch barauf habe ich, ebenfalls fdfjon oor
etwa 14 Sa^en (in einer SBiener gadfoeitfdjrift), angelegentlichft hinju*
meifen mir erlaubt. SDenn es ift f lar : bieS bilbet bie conditio sine qua
noii jur oielumftrittencn grage nach ber Berechtigung fogenannter
„Programm *2Dlufi(".
9cun, Sfücharb ©traufj hätte nicht ber gute üDcufifer, unb fdfjon
oollcnbs gar nicht ber oerftänbnisoolle 2ßagner*3üngcr unb Sifgt^
(Schüler fein müffen, ber er in f^orragenbem 3Jlagc mtrfüch ift,
wenn er nicht getrautet hatte, auch bei feinen £onbichtungen oom
„3nbioibualfalT ber betreffenben 3bee (aus Dichtung ober Sage)
jum über^tftorifchen ^npus fortjufchreiten, bem feheinbar ganj eng*
umgrenzten Problem auf bcn rein=menfch liefen ßerngrunb einer
in i^m tönenben, allgemeineren ©mpfinbungswelt ju bliefen. So
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84
fonnte icft mtcft 3. 33. nie genug barüber rounbern, oon meld)' Riefen
Ocfic^töroinfcln man feinem (nur fefteinbar fo oöflig abftrufen) „2)on
Ouifote" gegenüber ausging; wenn man ba an bas 2Berf, oon oorne*
herein fefton immer aufs ftomifefte oorgeftimmt, fteitere SBirfungen
ertoartenb ftcrantrat unb bann (SeroanteS' „göttlicften, löfenben $umor"
bei <5trau& oöllig oermijfen, ja bem mobernen Stompomften biefes
SJlanfo gerabeiocgS oerübeln rooHtc. üJlan fd&auc aber boeft jenem
SBcltgebicftt erft einmal auf feinen innerften (Srunb ftinab unb bem
rounberlicften fpanifeften gelben flarcn Slugeö in feine oerioirrtc ©eele!
3ft es benn ntcftt oielmeftr ein lief tragtf efter ©runbjug, ber ftier
im ^orbergrunbe äff bes r)umoriftifc^cn SBefenS fteftt? 3ft's nieftt
bie „£ragifomöbie" jebeS „&r)pcribcaliften", roas fieft ftier oor uns
abfpiclt? Slrmer ßerl unb beflagcnstoert ocranlagtcs Üftenfcftengebilb!
SBofür boeft alfo heftig unb blinbioütig tieft tn'S 3 CU 9 legen? Um ein
£)irngefptnft, ein -iftieftts! £)en Stampf gegen 2öinbmüftlcn, bas
Anreiten gegen bie blöbe blofcnben &ammelfteerben — toie oft fampfen,
roie oft reiten mir „3bcaliften 00m reinften 2Baffer" fte ntc&t au*,
biefe ^joftc unb furniere unferer empfinbfamen @igen*@ftre, aus
aUju ftoeft gefpanntem @r>rgci3 unb peinlichem 3bcalitätsgefüftl, ftatt
unferen ^rieben mit biefer 2ßelt, fo roie fic nun einmal ift, ju
machen unb mit ber rauften SBirflicftfeit lieber „realpolitifcft" einmal
511 pnfticren?! „(5ng bei einanber rooftnen bie ©ebanfen, boeft
ftart im SRaume f"to§en fteft bie ©aeften." 3ebcr &nperibealiSmuS
ift ber naeften unb rauften -Realität gegenüber eben überftaupt fefton
ein (Stücf 2Öaftn. @s ift bafter nur feftr cum grano salia riefttig,
beffer gefagt: unriefttig, roenn man es eine „Sumutung bes ßomponiften
an feine §örer" nennt, ju oerlangen, bafj mir bei biefem „£>on
Dutjote" uns bureft ein ganzes £ongebicftt unb $ongemälbe ftinbureft
für einen „2ßaftmoi|tgcn" intereffteren f ollen, „üöaftn, 2Baftn —
überall 2ßaftn!" — bas ift eine alte SöetSfteit, unb nieftts oon
allen ftofteren fingen fann jugeftanbenermafjen je „oftn' ein gen
SBaftn" auf biefer @rbe gelingen. 3m ©egenteil! 3nfoiocit roir
nieftt grunbfäfclicft, ber Anlage naeft, felber 23anaufen finb, toirb
biefe £ragifomöbie ernftefter 9lrt unfer 9111er oollfte, reinmenfeft*
liefte £cilnaftmc gerabe ertocefen müffen. Unb tftatfäcftlicft ift btefes
„Sragiromifcfte", bas 2Bilftelm 5tien$l (mit all' feiner Sfteoric oon
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— 85 —
ber tieferen Vebeutung beS Stoffes) als Dp er nsßomponift letber fo
roenig nur ju treffen oermod)te, r)icr bei Strauß befonbers roirffam
fjcrausgeftcllt, fjat mid) perfönlid) oor Slflem biefe tiefe, burdjgef)enb
tragifdje 9tote bei iljm, com erften bis jum legten £one bes
SBerfeS, aufs ©inbruäsoollfte feinerjeit ergriffen: fo jroar, bag midj
felbft im ©ebränge ber Rommel *5lafopfjonien roie ber 28inbmafd)ine
biefe einmal angeflogene ernftc ©runbftimmung aud) nidjt nrieber
oerlaifen fonnte.
25aß überbieS nod) Strauß feinen einjclnen 2öerfen Sofalton
unb ^ationalfarbe meifterljaft ju oerlcirjcn roeiß, jebe einjelne fetner
Sdjopfungen (roie fdjon 2öagncr unb Sifjt) als eine $arafteriftifd)e
©igenroclt für ftd) geftalten oermag, barf natürlich aud) biefem
Söerfe nur roieber ju ©ute fommen. So bleibt er benn biefem „£)on
Oui|ote" loeber ben Gljaraftcr ftoljer ©ranbejja nod) aud) bie
tnpifd&e garbengebung ber alten fpanifäen SJictfter, ber Ribera, S8es
lasquej unb ©ona, fdmlbig. 2tnbcrerfeit8 : nrie Viele hätten f)ier roof)l
in gebanfenlos*oberftäd)ltdjer 2ifjt*9ia$af)mung baS Sljcma mcfjr
f^ematifer), cinfacr) in brei §auptfäfce jerlegt, nad) ben befannten
Sßerfonen beö Fontanes: „$)on Ouiyote", „Sandjo s $anfa" unb
„SHtlcinca". Strauß hingegen erfennt fofort, mit bem STiefblicf beö
genialen ßünftleraugcS, baß in ben „Abenteuern' 1 bcs „Zitters oon
Sa 9Jtonc&a" für ben üflufifer oiclme^r bie $orm beö „Stfjema'S
con variazoni" oorliege, fdnrcibt alfo „pfjantaftifdje Variationen
über ein £f)ema ritterlichen ©^arafters für großes D riefte r",
inbem er babei lieber bem granbiofen ßtfet'fc&en „$otcntanj"s©cbUbe
formal, foroie Söerltoj* „§arolb*Snmpf)onie" tnftrumental, ju folgen,
ja beibeS fogar mit einanber in genriffem Sinne ju oerfc^melgcn
fua)t. 2)aß er bie eine obligate 23ratfd)e bort, ju Viola unb
33iotonceH f)ier ju oerboppeln roagt unb bamit überbieS nodj bie
3bee bes „ÄonjerteS" (jtmfdjen Solo^nftrument unb Drcfjefter*£utti)
als ein gcfjaltoolles „GeÜos&onaert" ooU Sinn unb Verftanb, im
beften Sinne „mobern" ju oertiefen unternimmt * (alfo etwa nadj
Sifjt'S Vorgänge $rogramm*2ftufif neuerbings aud) in bie ßonjertform
gießt) — baS gereift einem 9ftd)arb Strauß ftd)erlid) nur jur
@f>re unb muß U)n allein fd)on ju einem intereffanten ß&arafters
fopf in ber „®efd&id)tc ber mufifaltfd&en gormen" machen, aud) roenn
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— 86 —
baS wicbcr einmal feiner feiner f)od)wof>lweifen Herren Äritifer be*
merft Ijabcn follte.
Sftan brauet ja babei gor nid&t in 5Ibrcbc ju ftcllcri, bafj biefeö
SBerf immerhin eines oon benjenigen ift, bie am eljeften nad)
„Saboratorium" rieben. 2>er Unterfdjieb ift nur ber, ba& mirfltdjen
Zennern biefc (Bc^attenfcitc an ber £onbid)tung erft ganj aulefct,
nad) Offenbarung aller ifjrer 2id)tfciten, ftd) bemerflidj madjt; wä>
renb bie Herren ©egner in ber Siegel cor lauter anjumerfenben
glccfen bie Sonne gar nid)t mcfjr ju fcfyen befommen. 2lud) ift bie
©rmägung bod) nid)t ganj beifeitc ju laffen, bafj Straufc biefen
feinen „25on Ouidjote" genau $u einer 3*ii gef abrieben fjaben bürftc,
ba er felbft jur grimmen 3ronie unb (Sigenperfiflage über ben un*
banf baren §nperibealismus feines fünftlerifa^en StrebcnS neigen modjtc;
ba bie ©efafn* eines jär)en ltmfd)lagcs in leeren 6feptijiSmus für
ben ßünftler nalje lag unb er felbft ben Uebereifcr feines SebcnS
einmal als „tragifomifd)" empfanb. 2)er ßomponift geftanb fid) in
biefem 2öerfe eben bie oolle »Bafjrfjeit über bie Singe biefer 2öelt ein
mit einer §artnäcftgfett, bie etwas weniger eigenftnnig fein fönnte,
um als eruftc ©eftnnung bodj immer nod) ccftt §u wirfen. @rft im
„Reiben leben" t)at er ftd) bann jum fraftüoll*f)offnungsfrcubigen,
einem „rein^menfa^lic^cn" unb „ewtg*natürlidjen" ßampfibcalismuS
mit flaren ßkien burd)gcrungcn, biefem aber aud) befjerjt nun ftdr) felber
in bie 5lrme geworfen. (StwaS com weiteren 9lusblicf 1900, mit ber
nunmcfjr wieber frei geworbenen 9ienm23afm bes ©eiftes, enthält biefe
Partitur, bie „freubig wie ein &clb jum Siegen" mit flingenbem
(Spiele ber 3ufunft entgegen fdjreitet. 2Jh>tto: „3u neuen Saaten,
teurer £clbe!" — alles wieber jung, fonnenfrof) unb morgenfrifdj.
Sd)on in Seetljooen's gewaltiger „@roica"s(Snmpf)onie: „per festig-
giare il sovenire d'un grand uonio", fjatte ber eherne ©abritt ber
3eit laut unb gar bebeutfam gebrö&nt; fdwn bort ebenfo burftc ftd)
ber bemofratifdjc ftepublifaner SBectfjoocn in feinem muftfolifdjen
SebenSbilbe auf ben politifc&cn SJladjtljaber ber ©podje: Napoleon,
jule&t ftolj mit inbegriffen wäfjnen. Sennod) Ijattc er es fo allgemein
gefafjt, bog nad) Napoleon'* Sturj in feinen Äugen nur bas £itel*
blatt 5U jerrei&en war, ber „grand uomo" unb fomtt bic Snmpfjonie
felbft gottlob erhalten bleiben fonnte. 2)aS war 3af)rfmnbertanfang
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— 87 —
1800. 9ludj geute aber, jur folennen SaWunbertioenbe 1900, gaben
nur in bcr genannten 6traufjs©djöpfung bie Sßerfnüpfung oon ©in^elloö
mit allgemeiner ^enfcgfjeitögefcgicgte ju beiounbern. SDicömal gat
ftcö ber ©eniuö bcr £onfunft für ben unoermeibüdjen „(Strauß"
gegen feine 2öiberfacger £roft, Slufruf unb SBorbilb jum SKuögarren
offenbar in ber ©eftalt beö fraftftrogenben £gat*£elben ber 3^it:
SBiömarcf, ftd^ ergolen fönnen unb glcicgjettig fein eigenes ©rieben
im beften ©inne beö ÜBorteö „pcrfönlic^" in baö 2Bcr( mit hinein*
legen bürfcn. Sludj ba roieber: „ftampf unb 6ieg" beö unbeugfamen
Snbioibuumö, toie bei $eetgooen ; aber nicgt megr beö ftarfen, freien
SWenfcgemoiHenö gegen ein bunfleö, ungeimlicg an bie Pforten
pocgenbeö „Scgicffal", fonbem bie 9Ibioegr cineö ibealen Slnarcgtften
gegen äftgetifd)e SJlajorifterung unb moralifcge S3coormunbung, eine
2Bagrung eigenen Sebenö, bie Rettung perfönlicgfter ©gre gegenüber ber
„fompaften" Slutorität einer bumpfen äflaffe. Unb gat man in ben
tgcmattfcgen Oelbftcitaten beö SBerfeö einen gogen ©rab oon (Belbft*
beräucgerung bemängeln ju foUen geglaubt — nun, fo gat man eben
jenen oben gemeinten, allgemein mcnfcgltdjen unb tieferen geiftigen
3ufammengang oergeffen unb oollig überfein, toie ber „ßultuö ber
Sßerfönlicgfcit'', bem man geute bocg fonft mit 9kcgt freien Sauf
lägt, einer ^erfönlicgfeü tote biefer toogl geftattet bleiben mag, oon
einer ©elbftübergebung im 3 c ^alter ber ©elbftbiograpgieen unb ber
©clbftfritifen unter folgen $öorauöfc|ungen bocg toogl feine !Hebe
megr fein barf.
9Inberö, roenn aueg nicgt ganj unägnlicg roieber, liegt bie <Sacge
beim (übrigenö weit früher entftanbenen) „£ill ©ulenfpiegel", bcr
jioar oon 2lnfang an lebenbig, im beioegUcgen gluffe einer gerabeju
erfrifegenben mufifalifcgen §eiterfeit fteg organifeg abfptelt, aber aueg
im Sterne feineö äftgetifegen SBefenö immer nocg unb immer roieber
— man follte eö faum für möglich galten! — felbft oon feinen
begeifterten Slngängern gang graufam oerfannt roirb. &ter ift eö bie
lanbläufigseyoterifege Ausbeutung beö ©ebiegteö, gegen bie icg oon
ieger (oergl. meine ©garafterftubie: „föicgarb ©traufe"; $rag 1897,
©. 44) energifeg anlegen oerfuegte. SDenn ba gilt eö meineö
©raegtenö einmal auöbrücflicg gegen irrefügrenben fritifegen Unfug
gront ju machen. 3cg glaube alfo, roieber unb roieber grünblicg
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baoor warnen ju foüen, bog man biefen burd) unb burd) mobern
gebauten, mobern empfunbenen „©algcnlmmor" in ber £onfunft
aflau gegenftänblid) als rein tonmalerifdje 3lluftrierung g,e*
wiffer $olföbuch*Schmänfc bcö leichtfüßigen Spottoogelö, ober als
rofcnaturaliftifche 2lbfct)ilbcmng ganj beftimmter feiner „©treibe"
nur neunte, — furj, baß man „©nmphonic" unb „©mnbolie" t)tcr
ocrmechfele unb „Seitmotto" mit „Snmbol" fdjon beliebig oertaufche.
2)ies geflieht aber ganj jireifclloS, wenn man ba „nafjeju greifbare
2)arfteü*ung" fc^en will, oon ben „befannten" launigen ^Begebenheiten
„getreu nach ber alten 3JiäV" ju fprechen liebt unb fo gerne baoon
fabelt, mie ber $onbid)ter feinen @rjfct)elm fchließlid) cor baö $o$e
Strafgericht fchleppe, ihn h^r unbarmherzig jum &obe burch ben
©trang oerurteüen laffe unb bem am (Bälgen Saumeinben in einer
glöte ben legten 2Item gar graufam noch auöblafe. SBelaV ein be*
bauerlicher Langel an tonfünftlerifcher !ßr)antafic! 9llö ob mir heute
glüeflich fchon beim „Jtolportage^oman in ^oten" angelangt iüären !
Vichts oon 3lttebem fcheint mir richtig — ober boct) nur in einem
ganj anberen ©inne. 25enn nicht um bie ©chilberet eines wirf*
liehen £obeS, beileibe nicht etwa um baö getreulichc mufifalifche
konterfei einer §inrichtungßfjene h^noelt es fkh ba (welche be*
fanntlich auch gar niemalen erfolgt ift). 3 U0ßm M eö cm £W
©ulenfpicgel auch wohl nicht nötig, furd)tfam*f leinlaut erft §u „ leugnen
wie folche 2luöleger gerne bann hineinlegen möchten. ©onbern mel*
mehr, ©trauß fagte §u fich unb empfanb cß bei fich Mber: „3n
biefem unoermüftlichen ,59ruber Suftifuö' beö grauen 2Jiittelalterö
lebte unb wirfte ein @twaö, baö immerbar wieberfehrt auf btefer
@rbcn, in bem natürlichen Sßerfehre nämlich eines überlegenen Sluö*
nahmemenf djen mit ber trägen, thörichten, ftumpfen unb bumpfen
Außenwelt — baö uralte, ewig*junge %tyma beö genialen Triumphes
über bie einengenbe, Suft raubenbe unb 2ltem benehmenbe, Umgebung
fteeft nun einmal barinnen. 9*ehmt ihr aber bem ©enie gleich Sicht
unb Suft, fteflt ihr ihm auch Steht für Sein, ja wollt ihr ihm
gelegentlich foflör ben , ©trief' brcfjen unb eö mit äußerer ©ewalt,
welche euch nun einmal leiber bie fchnöbe SJlacht oerleiht, mit bem
£obc bebrohen — ihr fönnt cö gar nicht umbringen, es fpottet
felbft eurer ,hochnotpetnlichften w (Berichte, benn fein &umor fchwingt
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fid) über cud) alöbalb roieber f)inauß; eö bleibt oielmef)r ber lofe
.©trief', unb fein (Seift lebt julefet im Serou&tfein bcö mit gefunbem
3ftutterroij$ begabten 93 olfeö (beileibe nicf)t: ^ublifumö 4 !) fort, roett
langer unb bauernber nod) als att* eure ©d)ilbbürgercien. 2Hotto:
&ier oben (bei ben 3«tgenof[en) roirb mir 8id&t unb ßuft benommen;
id) ftnbe rool)l bei eud) (b. fj. bei ben SJtoncn ber Unfterblidtfeit) ein
Unterfommen?"
9Ilfo, genau baö ©egenteil oon bem urfprüngltd) 23ebauptcten
ergiebt ftd) jefct: nid)t um ben realen „£ob" £ill ©ulenfpiegel'ö,
fonbern um fein ibealeö „eroigeö geben" bretjt eö fidt) gerabeju, fo
etroa nad) ben Herfen in ber jüngften Safdn'ngönummcr ber „3ugenb w :
•
„@3 ift fein 2lufcrftef)ungStag
ein je ber £ag im $al)T,
unb feine &\t ift jebe $dt,
bie fein roirb, ift unb mar."
Unb mit 9lid)ten £iU ©ulenfpiegel'ö „lefcteö ©tünblein, lefcte Eugens
bliefe ober Iefcte ©ebanfen" fommen fticr, bei ©traufj, ju f)anb«
greiflidjer mufifalifcf)er 2)arftellung; fonbern ber „legte ©ebanfe",
baö roiU eben befagen: ©runb*3bee unb lefcter ©efjalt ber (Sulenfpicgel*
©age f elber, gelangt ba ju berebtem 3luöbrucfe.
3nbem mir nun aber biefeö 9Weö im ©anjen nochmals furj
überfdjauen — ift eö unö ba md)t, als ob mir unö jugleic^ noef) an
etraaö SInbereö mit erinnert fügten? SBir benfen nad). ©troa an
SDctleo non Siliencron'ö „Sruber Stebcrltdt)" ? 3a! — unb bodj audj
trieben 9iein! @ö roill mit ber befonberen Nuance bod) ntdr)t fo
red)t ftimmen, unb mit bem Sßagabunben 2ftotio allein ift eö eben
audj nod) nict)t getfjan. SIber richtig, nun entftnnen mir unö fdjon:
■fticfcfdje — ba baben nuYö, maö unö bunfel r-orfdjroebte! SBir
fd&lagcn beffen ,,©ef. 2Berfc" 33b. VIII auf unb lefen ©. 347 f)ier
folgenbeö ©ebidjt:
Unter geinben.
(SRacf) einem gigeuner • gprürfjmort.)
2)ort ber ©algen, f)ier bie ©triefe
Unb be£ §enfer§ roter 23art;
Sßolf Ijerum unb gift'ge 33licfe —
5iia)tä ift neu bran meiner 5lrt!
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ßenne bieg ouä Rimbert ©ängen,
Sajrei'3 eudj ladjcnb in* 8 ©efid)t:
Unnüg, unntif, mid) 31t Rängen!
Sterben? Sterben fann id) mct)t!
33ettlcr ifjr! 3)enn cua) jum 9ßeibe
2Barb mir, roaS ir)r — nie erroerbt:
3roar idj leibe, jroar id> leibe —
Slber iF)r — iljr fterbt, iljr fterbt!
9lua) naefy fjunbert £obe3gängen
Sin id) 2ltem, SDunft unb &d)t —
Unnü$, unnüj, midi 51t Rängen!
Sterben? Sterben fann iö) nid)t!
2Bir cjaben ba ben alten, notroenbigen SBibcrftreit, ben bleibcnben
Urgcgcnfag jroifd)en 3iO cuncr5 ® cn ^ c m b fefjfjaftem Sßfjilifterium. ©ö
ift juguterlegt nur roieber ber famofe „$rinj Söogelfrei'*, ber fid) über
att' biefc SBibcrfprüdje ber 2Belt leidjt, mit ben gütigen beö ©eniuö,
jum „1)1. Sachen" l)inauöfd)nungt: ber „®eift ber Safere", welcher
bem „®efc($e ber £rägt)cit" folgen mufj, übirrounben burd) bie
„fröf)licr)c SDßiffcnfc^aft". 2Ilfo, roenn man null, ungeaa^tet beö alten
Stoffes fd)on eine auögefprodjen „moberne" Stimmung, unb babei
roieber ein fo cinfad)eS, rein*mcnfd)lid}eö Problem, ja bod) nur eine
elementar ju nennenbe ©rfa&rung! 3 u 9 Jc ^ ö & er au $ emc f e *) r vo ^ i
fommene SBrücfe nun für unö, hinüber gum „3aratlnifira"=©ebanfcn :
bie ganj unoerfennbare 9Innär)crung Straufjcnö ganj otjne gragc
an ^iefcfays 3been*Streife, roclcr^c in „2llfo fprad) 3orat^uftra" bann
fo bebeutfam roeiter auögretfcn foüten. —
@ö mar in einem ber allcrerften $efte ber befannten §irtr)'fa^cn
„3ugenb", bag unfer Sung^eifter mit feefem Uebermute ein £iebdjen
ocröffentlid&te, baö — horribile dictu! — um einen t)albcn £on
t)öf)er fdjlofj, als eö begonnen tjatte. S)er ßomponift r)atte fjterju
an ber UebergangöfteUe bie luftige Slnmcrfung gemadjt: „Sängern,
roclcrje baö Stücflcin noer) im 19. SaWunbcrt oortragen wollten,
ftetjt eö frei, bie neuen 93or$eid)cn oon f)ier an etnfad) unberücffid)tigt
ju (äffen unb t)übfd) in ber 2lnfangö - Tonart weiter ju fahren, um
iljr fünftlerifcr)cö ©eroiffen bejüglid) ber formalen Äorreftfjett beö
Scr)luffeö ju befd)roia*)tigen." So ftimmte eö nämlia^ auefc.
SBcfanntlicrj ift eö ein er)rroürbig ©efefe ber Gilten, bog bie „Söeife"
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im gleichen £onc aud) ju fc§Ue§cn habe, in bem fie begonnen. 3$
. frage nun: fann man ftch beffer mit cingctrocfncten, burd) ihr ^o^cö
Sllter nur mehr geheiligten Regeln außeinanberfe&en, als inbem man
ihnen folch* ein @d)nippcben fdjlägt? inbem man feiner Umgebung
• ju gleicher Qdt beroeift, bafe man, jene ju refpef tieren, fcr)r
roobl oermodjt haben roürbe, wenn man nur auch, fraft feiner
eigenen 6ouocränität, gewollt hätte? ftann man roof)l bte fogenannten
„eroigen formen" überjeugenber als oerfnöcherte „gormein" auf*
jeigen, alß inbem man tr)re Entwertung bis jum Songleurfunftftücf
überjeugenb am fpringenben fünfte nad;roeift? Äann man bte
„Freiheit" gerabe unjrocibeutiger ju ©emüte führen, als inbem man
ftc felbft an bem unb aus bem ftarren „©efefce" nur roieber ent«
roicfelt, unb inbem man, roaß überfprungen rotrb, worüber man fidt)
htnaußfa^roingt, jugleid) als feinen Stügpunft (beß Äönnenß) benügt?
3) aß alfo roar eine arge ©cblingelei, ein faft fchon ruchlos ju
nennenber Sofuß^ofußpofuß. 2)er ßomponift fam eben gerabe oon
feinem leichtfertigen „£ifl ©ulenfpiegel" tyx unb — Sugcnb hat nun
einmal feine £ugenb. 2ftan muß ihm baß alfo einigerma&en ju ©ute
galten unb bergleidjen roohl ober übel halt einmal billig nachfefjen. ■
(£tn §anß Sachß nähme ftch eben ruhig bie troftliche Sehr' baoon: „bei
ber (§trth'td)en) 3ugenb roohl müff eß fo fein!" — SiUan, maß um
bie 3eit beß „£ili" noch ein lofer SBifc unb ©d)era, leid)teß ©picl
„ad libitum" geroefen — beim „3arathuftra" nun ift eß blutiger
(Srnft, mit ^eiOod „obligatem" ©harafter geroorben. 2Ber hätte nicht
fchon oon bem merfroürbigen Slbfdjluffe biefeß gro&jügigcn £ongemälbcs
gelefen, roo H-dur mit bem C(*2flotio) beß eingangs fo füljn alß
neu jufammcngelegt erfcheint? £te $öbcl — hie Sunfcr llcbcrmut,
baß roar ber (Segcnfafc fo ungefähr im „£iU Ghtlcnfptcget" ; ^ tcr
oerbichtet er ftcr) oollenbß jur ©egenüberftefiung oon „9JJenfch" unb
„Uebermenfch". Unter'm Duftigen «Beben ber üJtorgenftimmung
unb einem garten Spinnen ber Morgenröte hat fich ber „Uebermenfch"
in baß ftrahlenbe Sicht einer neuen ©onne hinaus*, ber großen §eUe ent*
gegen gefchroungen, roährenb ber „natürliche 2ttenfch" — beinahe hatte
ich gefagt: ber Sftenfch beß 19. Sahrfmnbcrtß*), noch bumpf brütenb
*) „egmpf)om[d)fr €ptimi*muS in fin de siecle.gorm, bem
20. Sahrhunbcrt geroibmet" - fo roollte ber Äompomft, in einet »n.
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bei bcr Erinnerung an bcrcn irbifd) SBaltcn, über ben Sinn jener
©rfdjeinung naebbenft unb tief brunten in ben 9licberungen, im ginftem
glcichfam umbertaftenb, ihren 2öegcn langfam nacbjuftapfen, ihren
gewaltigen Schritten mit fchwerfälltgem Wappen nachjubinfen fud)t.
„£önenb wirb für ©c ift es* Obren fd)on ber neue £ag geboren!"
@S wirft faft wie ein betäubtes 9hdjfchaucn, naebbem bas glän$enbe
Meteor fdjon oorüber; ober mie erfebauernbes, leifcs Häufchen in ben
SBipfcln ber Säume unten, nach Sonnenaufgang l)od) broben.
Äann man, frage ich/ bic innere Spannung oon rotem SRabifaliSmiiS
unb grauem Jtonferrjatismus mufifaltfcher als burdj btefcS miber*
haarige ^ijjifato-C ber £tcfe neben bem unb gegen baS liebte H in
ber §öbe wohl geben? 9tor mcr)r febwad) jwar reagiert baS tiefe C
ber ftontrabäffe unb ftrebt es rjier mie bas erbaltenbe Sßrinctp noch an
gegen baS fkgretche H, baß aus ber bofyen Sphäre tyvab über biefe
„jippenbe" Ohnmacht feines alten SßibcrpartcS triumphiert. 3m
Slugcnblicf bat biefeS H offenbar fi* behauptet, «Hein bie SBelt ift runb
unb mufe fid) breben: jenes fönnte boch einmal beroorbrechen, anmadjfen
unb über biefe gelungene „Umwertung bcr £onwcrte" (nach altem to*
nalcn ©ewiffen) mit bcr 3°ü lieber einmal obenauf fommen. 3n
bcr £bat, bie 9Infcbaulid)feit eines ©runb - ©egenfa&eS in allem
organifchen geben, beS P)änomen's bcr „Polarität", ift tyev eine
gerabeju unfehlbare — unb bod) bcr 9luSbrucf bei aller <ßarabor>
im gormalen erftaunlicber 2ßetfe ein ftreng tonfünftlerifchcr gc=
blieben, nict)t etwa ju einem begriffenen fdwn geworben.
Unb barum befmben fid) aud) biejenigen oon oomefjercin auf
bem allcrfct)önften ©oljwegc, welche ^ödr>ft getftreich unb tieffmnig
wieber gefunben baben wollten, baß Straufc nun gar noch 3bftrafteS"
in £önc f äffen möchte; alle bie, welche ihm an Stelle bcr „3arathuftra*
^iefcfche'fcben SSer jiöcifCungö (!) = 2Bciör)eit" lieber „Seibmjens präfta*
bilierte Harmonie" jur Äompofition empfehlen wollten. 3a, wenn
unfer Strau& — mie man nach b*m fritifeben Särm barüber faft
fdjon argwöhnen möchte — bie unoerjcihliche SDIonftrofität auf ftcb
gelaben hotte, etwa ßant's „ßritif bcr reinen Vernunft 1 ', mit allen
roanblung, feine« alten UebermuteS, als Untertitel urfprüngltcb auf* Um»
fd)Iageblatt fefren; in anbetraft be3 ernften fcmtergrunbc« bat er e* aber
bann bod) gefcbmadooHer Seife unterlaffen!
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ihren ßategorien*£afeln unb „Antinomien", ober aber Schopenhauer 'ö
„Vierfache SBurjel bes Safccö oom sureichenben ©runbe" chifanös
unter üftuftfnoten ju fcjjen: ja, bann toa^rlid^ liege fkf) jener
roohlfeile Ausfall auf bie „burchfompemierte ^^tlofop^te" allenfalls
. tt)ot)l begreifen, wäre es genriß bie allerhöchfte 3?it, gegen folgen
äfthettfehen Unfug mit fritifchen geucr unb Schrocrt jornig ju gelbe
ju $tef)en. Allein, bange machen gilt nicht — befanntlidj! So
fchr bewährt fich Strauß fogar auch h"* roieber als 2ftuftfer, baß
er felbft ba, roo er bas abftraftc 28efcn roirfltch einmal ftreift: in bem
Sa&c „$8on ber SBiffenfchaft" nämlich, fic^ gleichfam nur bie ff !Dluf t
SBiffenfchaft" barunter oorfiellen fann, Theorie lebiglich muftfaltftf),
rein unb nur tonfünftlerifd) oerftanben nriifen roitl. 3flan beachte
einmal aufmerffamer, rote biefe tnelgcläfterte bürre 3nftrumcntal--§uge
an bie oorangefjenbcn, anftrebenben unb djromatifch roieber abfallenben,
giguren fich anfügt; roie fte nach ber Uebcrleitung als bie abgc$ogene
graphifche Sinie ber oorauSgegangenen malcrifchen 93eroegung, als baö
Sfelett gleichfam ju jenem plaftifchen geben gefaßt roerben fann!
2)iefer ftreng mufifaltfche Vorgang aber läßt fich fehr roohl bann
in bie SBortc überfegen: „@tnc lange Dämmerung ^inft oor mir
her — 2ötf[en roürgt." 2öaS bem SSoDmenfchcn feine fubjeftioen
„greuben* unb Seibenfehaften" ftnb, barauS macht ihr „objefttoen"
©clehrten eines mechanifchen „SBiffcnfchaftsbetriebeS'' ein bürreö
©erippc troefener Auäflügeleien nur, unb in ben „©räbern feiner
3ugenb * Hoffnungen" gräbt alsbamt ber Spaten eures traurigen
„£otengrä6cr*§anbn>erfö" herum, führt ihr, tm'e gmifchen Särgen unb
Sägefpähncn, euer „SBurm"* unb 2Bühlcr*2eben — öbe unb um
fruchtbar bis jur £roftloftgfeit! - 2Bir brauchen bas alfo nur fo,
gut 9tie|fchifch/ ju begreifen, unb roir finb alsbatb auch fc^on im
rechten mufifalifchen Silbe. Unb roenn man nun biefcs ftapitel
„üon ber SBiffenfchaft" bei Strauß als „oon beS ©ebanfens SBläife
arg angefränfclt" bezeichnet, an feinen „grüblcrifch=brummigen £önen"
bie „Klarheit unb ben garbenglanj ber übrigen 3nftrumentation"
fchmerjüch oermißt l\at, fo fann man luftig boch nur fagen: „Heilige
(Sinfalt!" — als ob baö AHeS nicht gerabe beab ficht igt geroefen
märe unb barin nicht vielmehr ber glänjenbfte 23croeiö für bie
berebfame Ausbrucfsfähtgfeit unb bie flare <5harafteriFterungs--©cfchicf*
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lichfeit moberner 3nfirumentalfunft läge! ©croi(3 ift biefes ,,©rau
in ©rau" fdpere, bumpfe ©tubenluft unb geflügelte ßunfi; ober
fie foll bas ja auch fein; benn, ift „©rem" nicht oon Alters ^er bie * <
natürliche garbe ber bürren „ftfyovk" getoefen? — „unb ringsum
liegt grüne SBeibe!" Unb fdjilt bann oollenbs gar noch ©tner:
„bas fei nicht mehr nur SBiffenfchaft, fonbern fdjon £npochonbrte!"
— bu lieber Gimmel, fo mag er ftch eben felber bie ©eioiffenSfrage
oorlegen, ob alles ©elchrtentum eines guten SifcfleifcheS nicht jur s J
„©npochonbrie" allju leichtlich ftdr) austoädjft? . . . Steffen, beinahe
ftnb mir bamtt oon unferem eigentlichen £fj e wa fdjon abgenommen.
©ooiel ftefjt heute fd)on feft: bereits in griebrid) Wiejjfche'S
monumentalem §aupttoerte ^anbelt es fid) feinesroegs um ben ftreng
logifdjen Slufbau eines ©ebanfemSnftemS, fonbern oielmefjr um eine
„©emütSioelt", um bie poettfeh * propr)etifdr)e „9lpotheofe" bes neuen
Ucbermenfchen als eines jufünftigen ©efefcgeberS ber (Srbe. „9llfo
fpradf) 3arathufira" ift fojufagen bas „hohe Sieb" eines „^rcbigerS 1
in ber 2Büfte", eine Sri Inrtfcher 3ufunfts^ipon, bei ber fdjon
in bem rfmtfjmtfdjen $rofas£erte biblifc^er ©prudjpoefte alles roie
im Sickte oon „üflorgenröten" fdnoingt unb, roie roeilanb bie SJlemnonö*
Fäulen, ber nahenben @onne geheimni8ooH=feierlich entgegenflingt.
2Jlan fämpft alfo — für ben es beffer überfeljenben 3ufdjauer roahrlich ;
ein überaus erheiternber SInblicf! — blinblings einfach 9^gen bie
befannten 2öinbmühlen, inbem man ftch fefjr überflüfftger üöeifc |
in folch* roütenbe ©imoürfe (toie ben oben ermähnten) oerrennt.
Dffenfichtlich toei§ man eben fct)on ju otel heute oon 9lie|fche unb
feinem „3arathuftra", in ben Greifen unferer „©ebilbeten" — Jcbocr) j
man lieft ihn au wenig. 3n Wahrheit ift nämlich Sme&fchc'S \
fchroungoofcbionnftfche $rofa an fich mit bas 5lllermufifalifchefte, maß
fleh auf philofophifchem (Bebtete als ton f ünftlertf cr)er 33onourf über« /
haupt nur finben läßt. 3a, noch roett mehr: berfelbe 2)enfer, ber
ben tiefen unb gro&en, noch ¥^ ntc^t oollauf begriffenen ©ebanfen t
in feinem ©etft roäljte (unb bas berühmte Such alsbalb barüber
fdjrieb) oon einer „©eburt ber £ragöbie aus bem ©eifte ber
Sftufif", biefer fclbe hat fpäter, h* er i m ,.3 QrQ ^ u f lraW r auch bie ■
„©eburt ber ^Ph^fophie aus bem ©eifte ber SJlufif" ooHjogen.
2ßer roei& ? — angeregt unb erfüllt oielleicht felber noch oon ©chopen*
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-*
fyauer'ö ,,roelt§ellficf)tigem'' 2öort: „Musica est exercitium meta-
physices occultum nescientis se philosophari animi"*), —
ein SBort, baS bei Ujm (SRie&fdje) bemnad) tyev fojufagen in ber
Umfdjrung erfdjtene: „Philosophia est exercitium meta-
physices occultum nescientis se musicari animi"! SBie
Wefefdje benn aud) im „%aU Rogner" — ,,©cf. SBcrfe" 93b. VIII,
S. 8 — beutlirf) einmal fagt: „$at man bemerft . . . bafj man
* um fo mef)r $f)ilofopf) roirb, je mefjr man SMufifer roirb?" unb
fdjon oon feinem ©rftlingsroerfe, jener „©eburt b. £ragöbte", in bem
fpäteren „SBerfudj einer Selbftfritif" (8b. I, S. 5) färeibt: . . . „&ier
fprad) — fo fagie man fidj mit Slrgroofjn — etroaS roie eine
mnftifdje unb beinahe mänabifdje Seele, bie mit 9JMifyfal unb null*
4 fürltdj, faft unfdjlüfftg barüber, ob fte ft<$ mitteilen ober oerbergen
roofle, gleidjfam in einer fremben 3^8° fummelt. Sie t)ätte fingen
foUen, biefe ,neue Seele 4 — unb nid)t reben!" „3n ^icfcfdfje mar bie oolle
' 2Hufif, roie in $lato bie ooUe $id)tung mar.' 7 (O. Sie.) SHefe
9Ruftf felbft brauste ba ü)r urfprünglid) ©rbteil nur anzutreten, ifjr
l)cimlid)es SBorljanbenfein als innere 3bee bann nur gu offenbaren.
Enberfeits fann fjter aber beim beften Sßiflen bod) nidjt gut
oon ber bummen „ßöfung bes SBelträtfels" nur meljr bie Sfcbe fein.**)
, 2)aS leibige „2Belträtfcl", baö berühmte große X, bas fjaben fdjon
Slnbcre — aud& nicf)t gelöft! 9ftd)t barauf fommt es an, fonbern auf
bie befonbere SBeltfdjau eines folgen, oor Slnberen ausgezeichneten
ÄopfeS; unb nid)t um bie „Snfteme" ^anbelt ftc^'s juguterlcfet, fonbern
trielmefjr um bie „$erfönlid)!eiten", bie hinter biefen ftefjen unb bie
in ber ©efdfoidjte ber Sßbilofopfjie unb bes menfdjlicben ©eiftes trog aller
9 Sßibet legungen ifnrer „Irrtümer" nun einmal nic^t umzubringen finb,
»eil fic eben bas „eroig Unroiberlegbare" bleiben. Sßirft jenes Schlag?
roort in biefem 3 u f Qmmen ^ an 9 e Q lf° f$ on Mfaf 9 enu 3> f° wirb bie
Situation ooHenbs ganj unletbüdj, roenn man bas aurf) nod) mit
„Dr. gau|Yfdjem ©rfenntniäbrang" unb bergleidjen fingen mefjr ju
*) „£te STOufi! ift ein tiefoerborgcneS nteiapljgfttöe« ergeben b<8
©eifieß, bfr fid) babet mcfjt beroujjt wirb, ju p ^ilof opfjuren."
**) «crgl. «rt&ur $al)n: „aRuflffüljrer" 9Cr. 129, 6.S, 12 f., 21 u. o.;
fcanS SKerian: „St. fpr. 3. (Sine ©tubte über bic moberne Programm,
©gmpfjonie", 6. 53 u. a.
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oerquicfen trautet, gürroahr, um nur wieber in ber alten, einer
SBcethooen'fchen „Neunten" gegenüber allenfalls noch wohlangebrachten,
nachgerabe jebodj etwas abgeftanbenen ^ußffchriftfteHer'SBeishcit, mit 1
„gauft"s23egriffcn ju arbeiten ober mit billiger &tteraten:2ftethobe,
lebiglich nach „@rbgeift''*2ftotit>en, enfpredjcnb aus* ober untcrjulegcn: i }
baju hätte es nicht erft eines 9ftc&fche unb fetner „3arathuftra"*
Schöpfung für unfere ßultur beburft. 2>aö nenn' td) mir benn boch
einen „fpiefjbürger liehen ©cmeinplafc", wenn mir uns ba ewig nur ,
im Greife ^erumbre^cn wollen, wäfjrcnb braufecn baS Scben fclbcr ;
gewaltig fortfd>reitct, bie s JJlenfa)^citfl^roblcme babei immer machen j
unb ftch mehren! freilich, baß 2öort „Uebcrmenfch", eö fällt jmetmal 1
bereits im ©oethe'fchcn „gauft"s2)rama, auf ben Reiben fclber an?
gewanbt. 2)och, fefjen mir genauer ju! Umfchreibt eö bort nicht fo
recht eigentlich nur erft ben „93ollmcnfchen", ben Sftenfchcn cwS bem '
@anjen heraus unb alles auöfdjöpfenb an „ s lßenfchlicb^lläumenfch*
lichem"? SSie aber 3arat^uftra^tcfefdhc? „2>er üJlen fdj ift etwa«,
baö überwunben werben fofl. 2öas habt it)r gethan, it)n ju über*
winben? 2lHe Sßcfen biötjer fdrnfcn etwas über ftch ^ n ^us, unb
ihr wollt bie (Sbbe biefer glut fein unb lieber noch jum £iere )
jurücf gehen, als ben aftenfdjen überwinben? 2BaS ift ber Äffe für
ben 2flcnfchen? Gin ©elächter ober eine fchmerjltchc Scham. Unb
ebenbaS fotl ber Qftcnfd) für ben Ucbermenfchen fein .... £cr .
9Jknfch ift ein Seil, gefnüpft awifdjen 3Tier unb Ucbermenfch — \
ein Seil über einem Slbgrunbe .... 2BaS groß ift am üJlenfchen, '
bas ift, bag er eine S3rücfe unb fein 3roe<f ift: was geliebt werben j
fann am 2ßenfchen, bas ift, bafc er ein U ebergang unb ein Unter*
gang ift.... Seht, ich fehre eU£ § ^ en Ucbermenfchen! 2)er \
Uebcrmenfch ift ber Sinn ber ©rbe. @uer SBille fage: SDer Uebermenfd) |
fei ber Sinn ber <5rbe!" — ^tcfcfche'S „Uebermenfchen'^hantafie*
gebilbe ift bemnach nicht fo faß ein 2ftenfch ber ©egenwart, ber
ftch hochmütig überhebt über bie anberen SDHtmenfchcn unb bamit
allein fa)on ben „Ucbermenfchen" in ftch heroorbringt, als oielmchr ^
einer ber 3uf"nft, ber eine fybtyxt Stufe menfehlicher SMfommcm
heit erft erflimmen foll unb bann auch, vW x fö rote moralifch, bar* J
fteHen wirb — eine Stufe, welche ebenfo weit über ben bisherigen lr
„2ftenfchen" h»^"öragt, als fchon biefer 9ftenfch über bas £ier
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ftch erhob: ein fünftiges 3beaC her -SDlenfchenjucht alfo, baS 3ara*
thuftra oifionär erfd^aut, in ftch perfönlich ausgebaut unb als Sin*
fcfjauung fortgebilbet hat, nun aber als SehnfudjtS* unb ©trcbens*
äiel einer fommenben ©eibfioeroollfommnung burch feine Behren
ber gefamten üftenfdjljeit oon heute, unb jroar ftufenroeife nor*
bereitet, aufjetgt.
2)eS ferneren überfielt man jumeift oolltg einen anberen, ge*
* wältigen geiftigen Slbftanb gegenüber ber „gauft"*$eriobe unferer
beutfchen Sttteratur. @s befielt {ebenfalls ein erheblicher Unterfdjteb
noch jwifchen bem grüblcrifdjen gorfcher*3roeifel gauften'S, ber fich
in ber ©cfcr)idt)te bes beutfchen ©eiftes — raenn mir in bie 3ttufif
hier zugleich roieber einlenfen motten — bei öeethooen 5. ÜB. jum
freubig-erfchauernben „5Xrjneft bu ben Schöpfer, Söelt? Proben
über'm Sternenzelt mufj ein guter 93atcr roofmen!" jule&t bodj
hinburchgerungen hat; unb anbererfeits Jenem trogig himmelanftrebenben,
f fich felber betmt&tooll oergottlichenben „SBiücn gur SJiacht" bes
mobernen StchtbringcrS, mit feinem ehern=harten, charafterftarfen: „©ott
ift geftorben!" b. i. „ber alte ©ott ift unroteberbringltch oerloren"-
2öof)l hft&t es auch am @cf)luffe bes ©oethe'fdfjen SDrama'S, als ber
„Sebenßroeisheit" le&ter Schluß: „9toch brühen ift bie SlusRcht uns
f oerrannt; %tyx, roer borthin bie Sugen blingelnb richtet, ftch über
SBolfcn feines ©leiten bichtet! ©r ftelje feft (auf fich felber)
unb fche hier ftch um!" 2öof)l fehlt jenem gauft, ber ftch burdjaus
„jenfeits oon ©ut unb 23öfe" in biefer 2Belt betätigt — unb jroar
nach felbftherrlichem ©igenmut unb perfönltchem ©igenredjte betätigt
— fehlt ihm, fage ich, t>oü*ftänbig baS chriftliche Sünben*23eitm[?tfein,
/ jeber moralifche „©enriffensbifj": unb nicht mit Unrecht fonnte
9ftefcfd)e roohl einmal fagen (VIII, 165), er hatte fich mit ©oetlje
über baS „ßrcu§" fidjerltch oerftanben. Slber: folgt bem Stöbe gauften'ß
nicht boch julefct ber chriftliche §ciligen^immel mit bem htnanjtehenb
„(SrotgsSBeiblicben'' bes 3ttabonnemßultcS? Singen bie jen fettigen
@ngel nicht: „2Ber immer ftrebenb ftch bemüht, ben fönnen mir
erlöfen; unb hat an ihm bie Siebe gar t)on oben teilgenommen,
begegnet ihm bie feltge (Schaar mit r)crglidhem SßiHfommen!" ©anj
cbenfo auch hatte in ^eethooen's geplanter „3 e h n ter Snmphonte"
nach oen Aufzeichnungen beß 9flctfterS (oergl. 23aner. 331. VII. Sahrg.
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1884, S. 220ff.) — sulc&t bod) toieber her ßirdjenfang: „cantique
ecclesiastique ■ d^riftlirf) - religiöf en Sbealefi , bic b i o n n f i f d) e
33acdmßsgeier altgricd&ifc^eu flftnfteriens&ulteß cnbgiltig ju übertoinben
gehabt: eine 2lrt „Gfriftuß im Dlrnnp" als ©emälbe in £öncn!
£>em ftefjt aber jenes beferjt gottlofe „Sntidjriftentum'' beß mächtig
fid) aufreefenben „pnramibalen SBlocfcß oon 6iloaplana" (im „Sara*
tfwftra" Sftiefcfdje'S) immerhin fdjroff genug gegenüber, ein fonfequenteß
©rieben tum, baß fd)lic§lid) fjaarfdjarf beim SHonnfoßsßult sans
phrase anlangt unb jum „legten 3ünger unb @ingeroeü)ten" biefeß
burefaus irbtfefen ©otteß ftd) auftoirft. Unb t)icr nun erfdjeinen bic
Dlnmpier aud) nidjt mcfjr (toie bort, bei Jtlinger) oon Gfrtftus, fonbern
oon ben Titanen unb ©iganten abgelöft: ber 2öifle jum Seben nid)t
burd) einen 2BiHen jum !Rtc^t*fein erlöft, fonbern bem SBillen jur
2Jtad)t, su erstem SDafein geioidjen. (SubltnSfi.) @ß Reifet fonad), in
meinen Slugen, ben mobcrnen£on ber <Sad&e nur nrieber oerfeljlen,
ja, an bem eigenartig neuen ©eifteßmoment bei bem unß geftcllten
£fjema olme jebe äftfjetifdje geinfüfligfeit ftd) gcrabetoegß oergretfen,
toenn man unfere (richtig erfannt ganj „unjeitgemä&e") <5trau&'fd)e
Partitur unb bie befonbere 9cote an btefem benftoürbigen Sßarffietn
unferer muftfalifcfett @nttoicflung aus ber ©cifteS;ßultur fin de siecle,
mit ©oetfje'fdjen „^auff 'Zitaten nur roicber ju paefen, bamit aber
auf ben S^Wunberts* Anfang 1800 mit feinen ftankScfHller'fdjen
§umanitätß^been f jttrücf ausrauben fudt)t. <Bo a^nlidr) toill mir
bas ettoa oorfommen, tote toenn mir bie ausgefallenen C*9lfforbe
am ©ingang unferer „3aratfuftra"*£onf$öpfung mit bem „Frei-
maurer" süJlotto bei 2ftojart, b. f. mit ben ausgefallenen ©araftro-
Sßofaunen in ber „3auberflöte", bireft in eine Sinie rücfen wollten,
toälj renb cß Ijier, bei ©traufj, bod) toie juefenber 93li& unb grollenber
Bonner, ©etoötf unb glud) im Hochgebirge gleich „Scnratlntftra'ß
3om" toettert unb leuchtet („fein Slugc blieft ©rünfpan" !), ober toie
erhabener 9tatur*$)ienft felber alßbalb an unfer Df)r fdjlägt. —
©inen „Sflarfftein unferer ©eiftesfuttur fin de siecle" nannte id)
foeben baß £)or)c (Sentraltoerf aus ^tegfdje's gefamtem ©eiftesfdjaffen,
feinen „3<*™tfwftra". 3dj fann bafer aud) fcineßioegs benen
beipflichten, toeld)c meinen, alle bie fritifdjen unb äftfetifefen ©intoänbe,
bic auf ben blofjen STttct beß ©traujj'fd&en Söerfeß fin — teils aus
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Unoerftanb, teils aus Bosheit — fcr)on erhoben roorben ftnb, Ratten
bann allerbingS it)re gute Berechtigung, falls jum VerftänbniS
rmrflicr) Vertrautheit mit SRie&fcbe'S pljilofopfn'fdjer SBeltbicr)tung im
(Sinjelnen unbebingt erforberltcr) wäre. Ofme grage ja mürbe ber
3arutf)uftra * ©toff als „Programm * Sttufif" pollfommen com Uebel
fein, roenn ftcb eben nicr)t in ihm ein für uns 21 Ue met)r ober
minber oerbtnbüd&es, roeil als geniales „Beifrriel" roeithin leuchtenbes
Vorbüb anfünbigte. SIber um biefcs auch als folebes ju erfennen,
es in folgern ©innc flar ju erfaffen unb fldt) felber aisbann geiftig
„einjuücrleibcn", mufc man es {ebenfalls erft einmal burcr) Seftüre
genauer fennen gelernt ^aben — fo gut, nrie bie anberen
„Standard works" ber SBeltlitteratur aucr) erft bann für unfere
©efamtbübung unb ©eiftesfultur roirffam werben tonnen. Natürlich, es
fann nicr)t lauter „ Ucbermenf djen" geben — ber Gimmel beroatjre
uns baoor! @S ift übrigens fcr)on bafür geforgt, bag bie Säume
nicht aUjuleicrjt jum Gimmel hinan* unb in it)n fjineinroac^fen, benn
Sftiefcfcrje's ©eiftesroerf erlernt auf einen ©bei* unb 9lußnar)me?
2)lenfcr)en, nämlich feine eigene Sßerfon, boer) mer)r ober minber be*
fonbers jugefct)nitten. 3er) bitte aber inftänbigft — man beantworte
fldt) bort) einmal furj unb bünbig bie grage: Tonnen mir etroa 911 le
jufammen, roie roir ba finb, Raufte fein? Saufen bie ©oetfje ober
2Bagner tagtäglich nur fo in ber SBelt herum? 9hm, unb boct) ift
\a bie Verneinung biefcs gragejetchens feinetlei £inberungsgrunb
bisher geroefen, im ©oetfje'fchen „gauft" gerabe ein höchftes ©ut
ber allgemeinen VolfSbilbung ju erblicfen; ift ber l)ocr)crfrculicr)e
gall boer) eingetreten, ba& biefe feinerjeit, unmittelbar nach
Veröffentlichung, oon unferen 3unft*3lef}(|eHfern botfj mahrlich arg
genug oerfe&erte, com ^ublifum überbieS als ©anjeS früher noch
oöflig unoerftanbene unb für bie ba mal ige ^ßeriobe in ihrer 2lrt
eben auch burerjaus „moberne" $>icr)tung, t)eute für bie gefamte
cioilifiertc SBelt ein Sehr* unb ©rbauungsbucr) im roarjrften <5inne bes
Söortes geroorben ift. <Bo bürfen, nrie fchon Bubblja unb ©t)riftuö,
„gauft" ober ;/ 3orathuftra" in genriffem Sinne jroar als unerreichbare
3bealgeftalten gelten, aber {ebenfalls auch erljebenbc, immer roieber
aneifernbe Beifptele gum höheren, belferen, bebeutenberen 2ftenfcr)en
fein. SBir brauchen nun boer) einmal ein ©trcbenssiel, um uns
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oertraucnSooll oomS£ierreidje emporjuricfiten unb &u menfdjenwürbigerem
2)afein uns f elber baucrnb ju ergeben — excelsior: bcr geahnten
(ober erträumten) göttlichen £öf)e ju! &inmteberum ift ein „©ort",
ber unnahbar* ooHenbet über Söolfen thront, für Söiele oon oorne*
fjerein ein Sbeat oon entmutigenber Unerfüllbarfeit; wogegen ber ,
„lieber menfd)" als foldjer oon Anfang an in einer ©pt)äre beö
Sagbaren ftd) bewegt, als eine üJlöglidjfeit Slnbere nadj fic^ jief)t unb,
ber Slbgrenjung feiner (Srfdjeinung wie feinem begriffe nadj, bod)
bem 2flenfd)en als folgern jur 9lnfnüpfung cntfc&iebcn näfjer rücft.
2ludt) feinerjeit mar eö nun ein für feine ©podje burdjauS
„mobern"*geftnnter unb fortfd)rittlict) genuteter £onfünftler, melier
ftd) beö graufam oerfannten „^auff'^erfed mit tief einftc&tsoollem
©rfaffen feiner nationalen 23ebeutung als ein ©eiftesoerwanbter an* ,
nafmt; ber bie innere SBelt ber 2>id)tung in Nottleben umfc&te,
roäfjrcnb noef) „2)eutobolb SlUegoriowifcfdj ©nmbolijetti^nftificinsfi"
— einer unfercr „fütjrenben Sleftfjettfer" — in einem „S^uft III. £eil"
feinen „tonangebenben" 2öi& an bem unfterblid>en Söerfe auslaffen ju
bürfen oermeintc. 3$ fpred&e Ijier nid)t oon Serlioj' „gauften'S
SkrbammniS" (meines intereffante SBerf fdjliefjlicf) bodj ben „Urfauft"
©oett)e'S einigermaßen in'ö granjöftfcfje — um niefct ju fagen:
Ungarifd)e — oerjerrt Ijat); idt) fpredje aud) nidjt oon Sifet'S grofc
jügiger „ < gauft"*©ompt)onie (bie ber 3«t nadj etwas fpäter liegt);
unb nod) oiel weniger fann id) natürlid» ©ounob's jur Oper bramati*
fterten ©rifetten * Vornan „üttargaretfje" bamit meinen. SIber ein
9iirf)arb Söagner fctjrieb befanntlidj eine gewaltig ftürmenbe unb
brängenbe „gaufcDuoertüre" ; ja nodj weit met)r, er griff, feinem
tarnen alle ©t)re madjenb, wagemutig ju 93erfen eben jenes ©oetljc'fdjen
„$auft"*©ebid)tcs, um es jur ©rflärung bes Seetljooen'fdjen £efta*
mentes in ber <5nmpt)onie, ber großen „Neunten", einmal mit heran*
jugieljen. Unb ficfye ba! ©o fetjr aud) SBagner'n oon feinen nädjften
3eitgenof)en oor 1850 biefe fdjeinbare „Söerquicfung fd)ledjterbing$
unoereinbarer SDinge" oerübelt warb: bas beffere ©ewiffen unfereö
Söolfes, baS aufgeflärtere 3ntbewußtfein begann bod) mefjr unb me^r,
naef) btefem Ud)tooHen Vorgang, beibe Schöpfungen als hoc^ragenbe
ÜJlonumente unferes geiftigen Sebens, gerabc in biefem ibealen 3 Us
fammenfjang am elften, ju begreifen unb Leibes jufammen mit
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bcr 3eit in ftdj ju einer ^ö^eren 33übungö^(Sinrjcit ju oerfc^mcljen,
bie feither retchfte, Ijerrlidtfte grüßte getragen hat. SDie ganje grage
roirb Demnach nur borauf hinauslaufen, inroieroeit man — fdjon Jefct,
balb ober fpäter — etnfehen lernt, ba§ SWelfchc's „9Ilfo fprad)
3arathuftra" ebenfalls ein foldjeS ßulturbenfmal erften langes cor*
ftellt; b. h- ob man baS „3arathuftra"*2Berf &ur oergänglichen
„ßittcratur", rote anbercs mehr, einfach rennen roiü ober aber ihm,
als einem lapibaren 3 c üausbruef un0 emer weithin überragenben
„SBeltbichtung" oon flafftfchem ©pradnoert, jenen höheren, allge*
meineren 9JknfchheitSs®ehalt beijumeffen Reh entfchftefjt. 3ft lefctere
grage erft einmal bejaht — unb ich bejahe fte nach meiner per-
fönlichen Uebcrjcugung mit allem 9to$brucfe aus oollftem ^erjen,
trofcbem ,,9llfo fpraef) 3arathuftra" in gereiftem ©innc leiber £orfo für
uns bleiben foütc — , bann roirb es auch als unumgänglicher SilbungS*
ftoff unb atlgemeinnnenfchlicher Sbeen^Saugrunb beim nidt)t ganj
fultur=oerroabrloften 3ubörer in 3ufunft oorausgefefct roerben bürfen,
— cbenforoofjl, roie man fjeutjutage bei ihm auf fein ©cfühlSiuiffen
anberer, ähnlich umfaffenber ©toffroeltcn (oom , Prometheus" unb
ber $8ibel über „(Göttliche Äomöbicn" binroeg bis jum „Sauft" unb
„^ßarftfal" herauf) ftd) mufe oerlaifen fönnen. fteinem oernünftigen
üftenfehen roirb bann mehr baS Aufgreifen ber „3aratlwftra" Dichtung
burch einen, bie 3«chen feiner 3ctt oerftehenben unb bem ^erftänbnis
feiner 3 c ^genoffcn roeit oorauSeilenben £onpoeten roie ©traufe oer*
rounbcrltch erfcheinen; Steinen ihre ^erübernafmte in baS ,,t)eimatücr)e
SWutterreich" ber £öne ernftlich befremben bürfen.
SBieber auf einem anberen blatte fteht aHerbingS, ob ber
eigentliche geiftige Urheber ber „3 a rathuftra"'-3bee, 9iie$fche felber,
mit folcher „Vertonung" roohl einoerftanben geroefen roäre unb fte
als „fongenial" anerfannt haben roürbe. „SDaüib3rtebrtch©trau&,
bcr ©djriftfteHer unb Befenner" — fo t)ie6 bekanntlich bie erfte
feiner berühmten oier „Unzeitgemäßen Betrachtungen", barinnen er
ben SBafel roiber feine %e\t, für ftunft unb Kultur, erfolgreich
fchroang. 9hm hat ein anberer „©traufj" — Stocfcichc, ben Sßro^
pheten unb Sßoeten, in f raufen ^otenfnftemen niebergefchrieben: ob
^iegfehe mit biefem ©traufc cbenfo unjufricben geroefen roäre (roie er
es mit Jenem Sluffläricht^ationaliften beö „neuen ©laubens" ehebem
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roar)? 9ttdjt ohne SBeitere« ift biefe grage ja oon bcr §anb ftti
roeifen; nicht fann jte unbebenflich oon oornefierein oerneint
roerben. SDenn immerhin nat)e liegt bie ^Befürchtung, baß ber
entr)ufxaftifcr)e „Carmen" 5$3erounberer unb greunb Sßeter ©aft's
fiel) jiemlich febroff minbeftens gegen bas Äomplijierte biefer
neueren 2fluftrncf)tung oom „Sturmflügel" ber „Ueberroagncrung"
geroenbet haben möchte. Äein Geringerer als $eter ©oft fclbft
machte benn auch oor einigen Sah^n in bcr ^arben'fcben „3ufunft"
befonbers barauf aufmerffam, bag: „roenn 9tte6fcf)e noch 3 eu 9 e unfereS
ßunftlebens wäre, eine 3Jhifif mit bem £itcl ,9llfo fpradt) 3arathuftra 4
fich überhaupt nicht hätte heroorroagen tonnen; bas Unglücf, baS
für 9tte&jche in biefem Sflißocrftänbnis liege, fonne nicht großer
fein/' Allein $cter ©oft, fo fct)r ich ihn perfönltcb als treugeftnnten,
oor Sielen ausgezeichneten 9Kc|fche * „3ünger, ben bcr 9fletfter lieb
hatte", aufrichtigft oerehre — ich glaube bod), er ift im (Srunbe
fetnefi ^erjens roohl niemals fo recht ,,$rogramm=üftuftfer'' (b. h-
„Sbeenmufifcr") geroefen, unb es bleibt ihm bafjer roohl ju fagen,
baß er felbft {ebenfalls „Partei" unb im oorliegenben gatle alfo
eigentlich nicht aan^ juftänbig erfcheint, fo fet)r fein Urteil aus nahe=
liegenben ©rünben auch I« h^en unb emft ju erroägen bleibt.
3ubem bilbet es ja eine altbefannte Erfahrung, toie oerfchieben fich
oon jeher bie großen ©enien ber ©efdjichte in ben oerfchiebenen
Äöpfen gemalt, rote gang abroeidjenb fte auf anbere fchöpferifche Gräfte
nnebemm eingeroirft höben. 2)enfcn mir überbieß noch baran: 2ßie
hat bereinftens Schopenhauer, bcr feine tieffinnige „3ftetapht)fif bcr
SJtuftf" In ber praftifchen Ausführung boer) auf — ftofftm be*
grünbete unb in feinen 9ftußeftunbcn fo gerne bie glöte blies,
roie hat er SBagner'S £ertbucb jum „^ibelungenring" bei Sebjeiten
aufgenommen!
3ch für mein ©efühl möchte allerbings unmaßgeblich^ bafür
halten, baß es einen ber aUermerfroürbigften, unlösbaren 2Biberfprüd)e
für unfere ©rfenntnis oon 9ttefcfche'S SBefcn begrünbet, roenn er, bcr
boch roärmfter Slnroalt bes SDionnfifcben allezeit geroefen unb fogar
bie hnmnifche SDitfmrambif ber „rafenben *ßrofa" roie ber „freien
ftfmthmen" in bic *ßoefte felbfMchöpferifdj eingeführt hat, in ber
„SEonfunft" fich bementgegen mehr für bas apollinifche 3beal
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ber gebunbenen SMobif erflärte, bie „Slrtiftif" in bem „TOufifalifc^s
Schönen" ber einfachften gorm unb ber fnmmetrifchen ©e*
fchloffenheit oornehmlich fudjfe unb am fHbnthmuß roieberum baß
„@tboß" oor bem „^athoß" ganj offenftchtlich beoorjugte. 3dj tonnte
ihm alfo eigentlich mit feinem eigenen 3arathuftra - SBorte ^ier er*
nribem: „ßflan forgt, baß bie Unterhaltung nicht angreife."
Slnbcrfeitß hätte manch' ein gewiegter Äenner ber Vorlage noch
oielletcht roünfchen mögen, baß „9llfo fprach 3 a ntthuftra" c troa & ur $
eine ähnlich geniale SBerbinbung oon mobernfter ©h^oma unb @n*
harmonif mit ben alten, ftrengen ßirchentönen mufifalifch ftnloofl
eingefleibet roorben märe, roie Sftiejjfche fchon poetifdj ein oöHig
neueß, überrafchenbcß ©ebilbe fchuf, inbem er mobernfteß SBefcn unb
(Smpfinben fühn in ben alten Sßrebigerton ju gießen mußte, kannte
er boch fein eigenfteß ©eheimniß babei: „bie Sprache Sutber'ß unb
bie poetifche gorm ber &ibel alß ©runblage einer neuen beutfehen
^ßoefte" — raffinierte ©efühle beß fpätgeborenen „3mmoraliften" unb
„9lthetfien", in ber „primittoen" Sprache unferer alten $olfßmoraliften
unb ehrmürbigen ^eiligen Scanner auögebrücft; „bem aber, ber
Ohren noch hinter feinen Ohren hat einen ©enuß ohne ©leiten
bietenb, nämlich äu hören unb ju roiffen, maß ba eigentlich geflieht :
roie r>ter bie gottlofcftc unb unheiligfte gorm beß mobernen ©ebanfenß
beftänbig in bie ©efüblßfpradje ber Unfchulb unb Sßorroelt jurücf^
überfefct mirb u (SBcrgl. 23b. XII, S. 194). SB er null nun
biefen (eibigen Streit hier fehlten? Schließlich fann alP bergleichen
boch noch immer nichtß ©nbgiltigeß befagen, unb $dt roie ©ef Richte
— ober nennen mir fie lieber gleich perfönlich, mit bem tarnen cineß
anberen freien ©enie'ß: 3icharb Strauß" — fchreitet am ©nbe halt
auch über 9iie&fche, nrie feinerjeit fchon ^icharb SBagner über feinen
Schopenhauer, ober 9fte|fche felbft roieberum über SÖagner, einfach
hinroeg — im brangooUen 3^ange eineß inneren „üftuß" pietätlos-
eigenfinntg, boch &abei bie Kultur ebenfalls ungeahnt befrudjtenb,
erroeiternb unb bereichernb. —
Schon burch feine auffällige 2Saf)l beß orafeltjaften „lifo fprach
3arathuftra" alß £itel, an Stelle beß einfachen $erfonen *9tomenß
„3arathuftra" (roie er nach Analogie etroa oon „Sgmont", „Goriolan",
„£affo", „Orpheuß", „fticharb III.", „SHacbeth", „Safuntala",
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„£on 3uan", „$ill ©ulenfpiegel" ober „2)on Quirote" junächft wofyl
erwartet werben fönnte) — fdjon bamit [teilte ber moberne ftomponift
fein SBerf ganj unoerfennbar auf ben btthnrambifchen $on feines
litterarifchen Vorwurfes ein, f)at er oon Anbeginn auch äufeerlid^
fdjon unjweibeutig genug ju erfennen gegeben, bafj er bem „©eher"
unb feinen „unlogifdjen ^antafien", alfo ben bionnfifdjen Offen*
barungen im ©tnle einer „Slpofalnpfe", nicht bem Genfer unb einem
logtfeh geglieberten „^ilofop^em" folgen wollte. Unb ebenfo legte
er hiermit auch oon oorneherein einen gewiffen 9iad)brucf barauf, ba&
er bem allen mit fünftlertfdjcr $h<*ntafte, nicht mit bem nüchternen
Sßerftanbe, nachzugehen gebaute, ®erabe jenen n)or)lgctüät)ltcn.
Dotieren £ttel rennen wir barum bem Vollblut *9Jiufif er ©traufj
fehr an, unb ir)n mögen fich oor 3lllem aud) biejenigen nun
f)übfd) hinter bie Ohren fdjreiben, welche in befonberer ©uperflughett
mit bem fürgeren, weil bequemeren, bloßen „3arathuftra" (als 23es
titclung) — unb jwar ©traufj fowohl, als oft auch 9Kc|fche gegen«
über — außfommen ju fönnen oermeinen: rote als ob eö fid) babei
um ben ©tifter ber perftfdjen Religion, r £oxotftex, hobeln möchte!
3mar meint £anslicf roieber einmal, jebes „9llfo fpradj" bebeute
einen £)oppeIpunft unb ^eifd^e gebietcrifd) eine nachfolgenbc 9tebe.
OTein — ganj abgefehen, baß biefer fonberbare „9ftuftfäftf)ettfer"
eine „Sprache beS §erjenS M , oon welcher ber geborene Sftufifer
boch fehr roohl Gebrauch ju machen oerfteht, offenbar gar niemals
gerannt hat, unterfchlägt ber unoerbefferliche 3eutü*etom©pötter in ihm,
bem feit jeher nichts am muftfalifchen gortfchrittSgeifte heilig gewefen
ift, obenbrein noch c * ne "Q^e ^T^atfac^c 3ene marfante SRebeformel,
faft an jebem einjelnen JtapiteKSnbe micberfefjrcnb unb juweilen
nur mit einem „Sllfo fang 3arathuftra" ftnngemafj oertauf cht, ift
nämlich weniger Einleitung, als oielmehr ©chlu&söefrä'ftigung,
bilbet bei SRiegfche oielmehr eine 3lrt „51 unb O", ein burchgetjenbes
„3a unb Slmcn" jur ganjen Dichtung, unb gewinnt fomit (wie im
fcomerifchen @pos) Statur unb SBebeutung gleichfam eines ftehenben
Refrains, ber allein für fich fchon — jtoingenb barf man faft
fagen — in bie mufifalifchen ©eftlbe überleitet, auch roenn es
nicht an entfeheibenber ©teile barin ^iege : „©inge — fprich
nicht!" ....
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darauf, baß fdjon ber phtlofophtfche 9Iutor felbft einmal fein
„3arathuftra"*33uch eine „Snmphonie für 9We unb deinen" ge*
nannt, ber £onbi<hter aber mit ber Sejeidmung feiner Snmphonie
als „frei nach üfliefcfche" ftd) immerhin gebecft hat: barauf möchte
idt) ba&er auch gar nicht einmal fo großen 2ßert legen; tmerooht
begleichen SBorausfegungen ja Sicht unb ©Ratten fchon weit beffer
verteilen fonnen unb mancherlei ©ntlaftung gegenüber tt)örid£)ten
griffen auch roieber mit ft<h führen bürfen. SRur baS, glaub' ich,
müffen mir uns jum leichteren Sßcrftänbniö noch fjanj bcfonbcrS flar
ju machen trachten: baß mir es nämlich in beiben Schöpfungen
oor allem mit genialen „9^r)apfobten" ju thun haben — „Wfyatfobizn",
als freien, boch in fich gefchloffenenSIeußerungSformen einer temperament*
coli fich ergehenben ^crfönlichfeit; unb baß man baher auch 5«
unferer £onbid)tung unb Strauß* fünftlerifdjer 9lbficf)t im ©injelnen
ben richtigen ©efichtSnrinfel morjl allein nur bann einnehmen wirb, roenn
man fie erft einmal aus folcher ihrer rftapf obif eften ©runbtenbenj
heraus ernftlich ju oerftehen fucht. ©erabe in biefer ihrer feheinbar
fo ungebunbenen Sußbrucföroeife muß alöbann bie ftrenge Organif
unb innere Einheit bes SOBcrfeS boppelt t)°& c Senmnberung ftnben,
bie mir bei genauerem Vertiefen in ben tr)cmatifcr)cn 33au mit tyUcm
©rftaunen überall jugleich gefahren.
freilich, ein bebeutfamer Untcrfchieb bleibt bei OTebem nun
boch beftehen. Seim SDichter^hilofophen Sfaefcfche finben mir nämlich
„3arathufira" als eine ausgebilbete ©eftalt gleidjfam fertig
nor, als bereits §ur Steife entnadelten Propheten, ber feine ro oh 1*
ausgetragenen Sehren „alfo fprach". Seim £onfünftler Strauß
hingegen erleben mir erft ben „2Beg jur ©röße", ben „roerbenben"
3arathuftra nach feinen ^auptföc^Uc^ftcn ©ntroief lungs * yfäa\tn.
2)ie lebenbigen £ricbfcbern feiner Seele legt uns ber Äomponift ba
bloß; in bie ©efühl8*Stabien biefes Säuterungs^rojeffeS läßt
er uns tiefer hineinblicfen, auf beren befonberen „^orftufen" leitet er uns
mirffam hinan — eben jum Uebermenfchen hin, ber bort (beim Sichter)
bereits als ein „Sßotlenbeter" lct)renb uorgeftelit, als eine leud)tcnbe
Soflfommenheit oerförpert erfchien. ©leichfam aus einer erhaben
anfteigenben, großempfunbenen „Seelenfjanblung" hat Strauß, mit eben
fo fcharf fichtigem als feinfühligem Slicfe für baS £npifchc baran (bas
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106
bie Sftuftf ja allein oerroenben fann), nur einige ber entfdjeibenbcn
£öE)enjüge eben herausgegriffen. „ s l$on ben §interroeltlern", „93on ber
großen ©ehnfucht", „93on ben greubem unb Seibenfehaften", „$)aß
GtatMieb", „Eon ber SBiffenfchaft", „$)er ©enefenbe", „$aß £anj 5
lieb", „$aß 9tochtioanblcr=Sieb" (ließ: ,,2)00 trunfene Sieb"): fo
Reißen bie bebeutfamen „Stoppen", bie er ^ier im ©mjelnen auf*
greift unb — balb in gorm eines ruhig ; anhaltenben „©ttmmungß"*
(Semälbeß, balb roieber alß Grcßcenbo einer mächtig, „mit flügelbraus
fenber ©ehnfucht" einberflutenben ©emütßroelt — jum abgerunbeten
©an5en eineß „fnmphonifchen" ©ebilbeß glüefüch juiammenfcblie&t.
3a, man tonnte fogar fagen: es fei ganj allgemein ber 2)urdj«
gangaprojefe ber mobernen ^fndje überhaupt jutn neuen,
fünftigen Sbealc hin, mos ftd) unö in biefer ernften $onbicf)tung
mit ben gefteigerten, bodj unocrfälfchten Mitteln echter £onfunft im
legten ©runbe außfpricht. „58enbe beß 3abr^unbertö" — oom >lften[chen
beß alten (Slaubenß unb SGBiffenö, güblenß unb §anbelnß, jum neuen
„Uebermenfchcn" unb ©rbenheilanb einer noch fernen Sßerfpeftioe!
SDaß roefentliche ©runbfehema einer geroaltig * tiefen Hußbrucfß'
betoegung beß inneren 9ttenfcben, beö Sftenfdjen oon einer
höheren 9lrt, ooll £>öhenfinn unb hochgemuter ©mpfinbung (alß
©runbfümmung), ftebt oor unß — jeneß bebeutfamen „(Senefungß"*
Greßccnbo'ß, nicht ohne tiefften 2Belt*@fel beß üftuben unb Würben
bajanfehen, biß f)inauf j U m „heilig" gefprochenen göttlichen „Sachen"
im „trunfenen" £anjliebe beß „9tochtioanblcrß", barinnen ber „(Seift
ber ©chtoerc" (welcher ber eigentliche Teufel unb „Surft biefer 2öelt"
ift) enbgiltig getötet roerben foll, ber „Körper fliegen" unb bie „(Seele
fingen" lernt. @ß ift alfo glcidjfam bie @ntfaltungß*@efchtchte
oon einem „9lbler}üngling", ber nicht 23lei in ben glügcln hatte;
eine (Sntroicflung ju fteghafter „Ueberroinbung", bie fo etroa ben
Vorgang in fich begreift: „Jährlich ich fage euch, man mujj noch
©fjaoß in ftd) haben, um einen tangenben Stern gebären ju
fönnen .... 3$ würbe nur an einen ©ott glauben, ber %\x
tanjen ocrftänbe — jefct tanjt ein ©ott burch mich!" Eon
SBeibem: oom Ghaoß nrie oom tanjenben ©tern, com üftenfehen
mit bem „(Seift ber Schroere" unb oon bem im göttlichen £anje
einherjauchsenben „Uebermenfchen", ber jenen Teufel bejnmngen,
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wirb man in ber Strau&'fdjen £onbidjtung baß Sejeidjnenbe plaftifd)
ausgeprägt rjorfinben, rooferne man nur audj roillig barnad) fuc&en roiU.
Unb barum mufj id) meinen geneigten Sefer aud) gleich fjier
oor bem fdjroeren üftißDcrftänbniffe beroaljren, als ob bie ber Partitur
oorgebrucfte, f)ec)re ©onnen*9lnfprad)e — roörtlid) übernommen aus
bem 3aratfjuftra *£erte 9lie&fays — mefcr als lebigltd) bas orjr*
bereitenbe „$rälubtum" $um ©anjen bilben fönnte. Söom ßomponiften
gang erfidjtüd) nur als allgemeiner „©timmungs * SluSlofer" unb
„@mpfinbungSs9lnreger" gebaut barf fte beileibe nidjt etroa als bas
betatHierkauSgefüfjrte „Programm" ju allem SRacfjfolgenben fdjon
oerftanben roerben. 9lud) beim Original fteljt fte ja nur als „3**™*
tfmftra'S Söorrebe", roie eine „Duoertüre" gletdtfam, ftimmungSooll
in ber Einleitung. 3$ wog es mir ntd)t ncrfagen, biefe orbent*
lid) „ftraljlenbe" ^Begrüßung als djarafteriftifdje Testprobe für bas
lautere muftfalifd)c ©olb, bas bort ju fjcben mar, rjtcrmit jum Seftcn
ju geben.
9113 3 a ™tf)uftra breiig 3 a § r <*ft war, oerliefe er feine $eimat
unb ben See feiner Jpeimat unb ging in baS ©ebirge. §ier genoß
er feines ©eiftcS unb feiner (Sinfamfeit unb mürbe beffen 5ef)n 3a^re
nid)t mübe. (Snblid) ober oerroanbelte fidj fein §erj — unb eines
Borgens ftanb er mit ber Morgenröte auf, trat oor bie Sonne
f)in unD fpraa) ju tr)r alfo:
„&u großes ©eftirn! 2öaS roäre &ein ©lücf, roenn 2)u mdjt
bie rjätteft, roeldjen SDu leudjteft!
3efm 3af)re famft SDu r)ier rjerauf 5U meiner £öf)Ie: 2)u roürbeft
2)eineS £td)teS unb biefeS 2öege§ fatt geroorben fein, orjne mid>,
meinen 2lbler unb meine Solange.
Slber mir warteten deiner an jebem Morgen, naljmen 2)ir deinen
Ueberflujj ab unb fegneten &id) bafür.
Siefje! 3$ bin meiner SöeiSrjeit überbrüfftg, roie bie 33tene,
bie beS §onigS ju oiel gefammelt r)at, td) bebarf ber §änbe, bie fid)
auSftretfen.
3a) möd)te oerfdjenfen unb aufteilen, bis bie 2öeifen unter ben
üftenfdjen roieber einmal tfjrcr £r)orfjeit unb bie Firmen roieber einmal
trjreS 9teid)tumS fror) geroorben finb.
2)aju mujj id) in bie £iefe fteigen: roie 2)u beS 9l6enbS tfjuft,
roenn £)u hinter baS Meer gef>ft unb nocf) ber Unterwelt £id)t bringft,
SDu überreifes ©eftirn!
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3cf) mufj, gleich &ir, untergeben, rote bie 2ftenfd)en eS nennen,
benen ia) f)inab roitt. ©o fegne mid) benn, £>u ruf)tge§ 2luge,
ba§ o^nc ÜReib aua) ein attju grojjeä ©lütf fef)en fann!
©egne ben Sedier, reeller überfliegen null, bafj ba3 SSaffer golben
au§ ifjm fliege unb überallhin ben 3lbglanj deiner Sßonne trage!
©ielje! &iefer SBedjer null roieber leer werben, unb 3<tN*tf)uftra
roitt roieber Slftenfd) werben."
— 9llfo begann 3aratf)uftra'3 Untergang
„3aratl)uftra'öUntergang 4 '—-baö roiH befagen: beöSBunbermanneö
licbcDoHe „&erablaffung" aus feiner unnahbar leuc^tenben ©onnenf)öl)e,
als Sßrebiger unter bie aftenfd&cn unb als Selnrer beö lieber*
menfcr)en. 2Baf)rlid), ein überroältigenber „©onncnfmmnuö", ber —
foroeit meine ftenntniö oon biefen fingen reicht — in ber gc*
famten 2Belt s Süteratur roof)l feincögletc^en fud)en bürfte, unb
übrigens allein für fief) fd&on ben tarnen „3aratfwftra" rechtfertigen
mag, roenn mir unö nur oer gegenwärtigen, ba& btc ^Jkrfer oor
allem bie ©onncn*2krounberer unb 3euer--3lnbeter in ber 2Mtgefätd)te
gewefen ftnb.
„(Snblicr) aber oerroanbelte ftd) fein §cr§" — l>ieg eö ba
unter 5lnberm: baö ift'ö, roaö ber 3ftufifer brauste, aber auet) otme
23ebenfen bann ju feinen 3roecfen gebrauten fonnte, &umal er biefe
„©anblung beö §erjenö" nun als „bie 33orfiufen beö Uebermenfdjen"
in ber ©eele 3crcatlmftra , ö fcJjr raofjl aufnehmen fonnte. „3mtfd)en
Morgenröte unb Morgenröte fam mir eine neue 2öar)rt)cit . . . .:
ben Regenbogen will id) Urnen geigen unb alle bie treppen
beö Uebcrmenfa^en." SBon einer unoerglcidjlid) großen, c)errlicr)en
3JJorgenfümmung, eben jener ©onnen * 3lpofiropf)e, nafmi ©traufj
baju feinen ljol)eitööoflen Ausgang, um in nod) reinere, oerflärterc
£öf)en alöbann, jum ©d&luffe, oerfyaudjenb fn'nanjufteigen. — Unb
gefjeimniöoolle, tiefe ßebcnßs „Stimmungen" auf (Srunb „per fön*
Ii elfter" ©elbfts@rlebniffe unb cigenfier ©ntroicflungßmomente famen
(auf ©etten beö Äomponiften) jum ©anjen notf) mit fjuiju, um baö
@ebanflid)e an biefer pfnd)ologifd)en „©uolution" oollenbö gar ju
tilgen unb fein SBerf überbieö warm oon innen fjerauö gu „befcelen".
S)enn fieeje, id) oerrate eua*) ein (Serjetmniö: aud> ©trau 6 begrüßte
bie aufgeljenbe ©onne alö „cinfamer üftenfer)", fern oon ben
lieben Rebenmenfa^en, bereinft am ©aume einer (ber ägnptifdjen)
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SBüfte, ju einer ba er oon einem langjährigen Seiben ju
lebenSfreubigem 3ftenfdjentume genas, unb er rourbe beffen ein oofleö
3af>r nidjt mübe! @ö roar genau bie 3eit, ba ftdj audj „fein §erj"
oon ben alten ©öttern: Wagner unb ©djopenf)auer, jum neuen
^rop^eten — Sftiefjfdje im ©tillen „roanbelte". 2Bie idj benn überhaupt
längft ber Meinung bin, bag bie btograpbjfdje 9lebenbebeutung,
ber pfndjologifdje SBert ber $H. ©traufj'fd&en £onroerfe jur 3«*
aus Langel an genauerer flenntniö über beö ftomponiften äußeren
nrie inneren Sebenögang nod) roeit, roeit unterfdjäfct geblieben ift. S)er
SBifienbe aber fann biefe mufifaüfdje Sluögeftaltung ber 3^at^uftras
3bee nun aud) roof)l faum mefjr für ben „$luabunb tonfünftlerifdjer
$errücftl)eit" erflären unb barf bagegen ener finben, ba& alle bie,
roeldje fold)' abgebtofdjene SD^är' mit einer getroffen Vorliebe [(tifi*
äußerem oerbreiten, üjrerfeitö mit me^r öled) ora^eftriert f)aben,
als fie genau genommen felber irgenb oerantroorten fönnen, — unb baö
bleibt boppelt befdjämenb, jumal angcftd&tö ber gerabeju „blenbenben
Snftrumentation", in ber fd)on üftiefcfays $rofa f)ier einf)erfd)reitet!
3$ roenigftenö mu& biefe fjod)ragenbe £onfd)öpfung fogar mit für
©trau&en's OTerreiffteS unb SebeutfamfieS galten, unb babei überbieö
für ein nad) ber ©emüts feite §in (bie man bei ifym, bem „neuen
Serlioj", feit bem „roujtgen" ©ulenfpiegel immer fo gerne oermiffen
wollte) ungemein tiefgeljenbes 2Berf anfeljen: beutfd) unb fonfret in jebem
3uge unb in jeber 9tote, rote fajon Sme&fays „3aratMtra"*2Berf
bemerfensroerter SBeife fprad&lid) in jebem <5ag unb 2ßorte es geroefen.
Unb roas mir perfönlid) biefeö 2öerf nod) fo befonberö roertooll madjt, fo
beoorjugt oor allen ©trau^fdjjen £onbid)tungen beö legten SuftrumS:
eö ift bie Slbroefenf)eit aller Äarifatur barin, ju roela^er ber ßom*
ponift feit bem „£ill" befanntlid) fo ftarfe Neigungen befunDete,
bafj fdron feines au|crbem mcf)r irgenbroie baoon oerfdjont ge*
blieben ift. —
9hm behauptet man oielfad), unb jumal biefer „3aratf)uftra"*
Partitur gegenüber, baß bie raffiniertere 3nftrumentalfunft barin ju
fefjr (Belbftjroecf eines Dra>ftcr^,$ßtrtuofen'' geroorben fei. $Uer*
bingö Ijat fie ja, baö mag gerne jugeftanben fein, einen bisher,
felbft oon ben brei SMftem „Söerliog, Stfjt unb SBagner" nodj faum
geftreiften ©tpfel nun erflommen. Allein roie fann man „med)anifd)e
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Slusflügeleien" nur barinnen finben, fo lange man fo oiel ©inn unb
Söcrftanb, als roir in ber £t) Q t fn'er ju erfennen glaubten, bahinter
immer noch ju entbeefen oermag? 3$ glaube, es fehlte eben bisher
allenthalben noch an biefem notroenbigen 931icfe „hinter bie Äoulijfen",
in bie geiftige SBerfftatt beS tonfünftlers § in ein. 2öer mir aber
nun aufmerffam gefolgt tft, ber fte&t unb pnbet ftdtjeriidt) nur inners
lic§ ©croorbeneS, organifch ©eroachfeneS, pfnchologifdj 9totro:nbigeS
unb Segrünbetes, unb barum aud) äfthettfd) burchauS ^Berechtigtes.
3ch fonnte mir alfo ^öd^ftenö benfen, baß man bie ganje ©röße
unb ©eroalt ber „3aratfmftra" *2Mcf)tung felbfi (unb jroar aus bem
Zentrum ber ^Uießfc^e'fc^en SBeltanfchauung heraus erfaßt) heute
noch Q a * nic^t ahnt — gefchroetge benn fdron tiefer begreift, roenn
anberS man jene roohlfeilen ©inroänbe ernftlich noch immer gegen
befagte £onbidjtung geltenb machen mag. ©oldje roeltberoegenbe
gragen, eine foldj' rocltumfpannenbe, bis jc&t in biefer blühenben
$rofa unoorhanbene (Schöpfer * 3bee roollen bodj — roetß ber
Gimmel! — einmal anberö auch mufifalifch gepaeft fein als
alltägliche Probleme unb mehr ober minber geläufige SDurchfdjnittS*
©toffe; fte erf orbern eben — roie fchon ehebem ähnlich UeberragenbeS
bei ©erlioj („Requiem"), Sifjt („Divina comedia") ober 2ßagncr
(„Ücibelungenring") — ganj anbere, außerorbentliche unb, gegebenen
galles, auch einmal „ejtraoagante" SRittel. Unb obenbrein oergeffe man
babei boch niemals: immer, roenn es galt, für eine neu fich Sahn
brechenbc Slnfchauung in ftunft unb Kultur auch bas entfprechenbe
^üfljeug ju gcroinnen, ben angemeifen oeroollfommneten technifchen
Slpparat fich ju bereiten — immerbar, oon SUters her, erfolgte ba
ber bequeme Sföahnruf: „Ne ultra!" mit bem billigen ©djlagroort
oom fchnöben^elbftjroecf" eben btefeö ßoi-disant „91 ei n* technifchen ".
SBarum? §öchft einfach! 2ftan fah nur 2ftechanifche8, roeil man
bermalen unb einftroeilen bie ba hinter roaltenbe „3bee", roelche fich
ihre gorm erft felber geftalten mußte, noch nicht erfannte. &cr
Slicf mußte für biefe ©rfenntnis erft gefchärft roerben, bis er bann
für bie im gormellen jugleich roirffame getfiig *f d& ö pf erif dt>e Alraft
ju roachfen begann, unb bnmit nun, nicht nur bie ©infleibung bes
9ieuen, fonbern biefes 9*eue felber erft flar erfaffen lernte. 3n
unferem galle rotrb roohl bas gleiche, altgewohnte 9caturgefej$ nur
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nueber obroalten. SBirb man erft baö ©taunen über bic neue gönnen*
gebung loögeroorben fein, bann toirb ber bann ftcty anfünbigenbe
i beeile 3uroa$ö oollenbö gar offenbar werben unb baö Sßerftänbmö
aud) für bie bamit angebahnte innere Verjüngung ber Ätunft ganj
oon felbft fidj einfallen, griebrid) TOefefc^e, in feinem Verfuge einer
©elbftfritif jur „©eburt ber £ragöbie" (®ef. Auög. 33b. I, 6. 12),
fjat ftd) fclber bie grage oorgelegt, nric loofjl „eine ÜKufif befdjaffen
fein müfjte, meldte nid^t me^r romantifc^en Urfprungeö wäre —
fonbern bionnfifd)en." 2Bof)lan, oieUeid)t erfennen wir in jenem
©traujj mit ber %t\t nod) bie Söeantroortung biefeö gragegeidjenö.
5Denn roalu*licfc! 3n biefer SDIufif ift nid)tö meljr nur „romantifdj" —
fie ift burd)roegö „bionnftfdjen" (iharafterö ....
©eioife, id) toeife es toofjt! (Sar SKana^er f>at ftdj fc^on bemon*
ftratio oor biefem -Koten* ©cbtoafl mobernen „£onmcercö" bie Df)ren
juge^alten; unb man braucht ja nur bie $ultc bei ^anbmüflojart*
93ectfyooen, bann bei SBerliojsßif jt*2öagner, unb im Drdjefter bei einer
folgen Strauß Aufführung (mit it)rer „Emanzipation ber (Solo*
Qnftrumcnte") ocrgleichöioetfe einmal in'ö 2luge gu faffen, um ofme
SBettereö bie große Sßanblung in gorm fortfd)reitenber Stompltgierung
roafjräuneljmen. 3 uer f* (& c i btn Älaffifcrn): bic <5treidjer*(Sf)öre in
meift jufammen ge^enben pulten bei oonoiegenb egaler Stridjart;
bann (bei ben neubeutfeben SHomantifern): bie gefonberten ©ruppen
ber 23led)* unb ber ^oljblaö^nftrumente nrie beö Streichquartette, in
gcfdjlofienen 9Jk(fen, roie Gruppen* unb §eer*£ager, gegen einanber
geführt; enbUdt) (bei unferem Strau&): auf ©runb einer gang unerhört
entioidelten £benten*$ßolt)phonie ein unenblid) reidjeö, fo otclfad) oer*
roobeneö als fa^einbar nrirrefi 2)urcheinanbcr oon SBogenftridjen unb
©riffen, Saufen unb giguren — ein freiefteö Spiel ber Gräfte,
bei bem jebeö $ult für fid) in regfter Sonberarbeit begriffen er*
feheint, fid) abfjebenb toieber oon feinen 9tad)bar*$ulten, oon Vorber*,
^eben« unb £inter*£euten. Sllfo baß toirb gerne einbefannt. 3n=
beffen, man §at fid) bie Dfyren befanntlid) aud) gegenüber ben
Neuerungen etneö S3crlio§, Sifjt unb 2öagncr mit ebenfo oftentatioem
„ßlafftäiömuö" feinerjeit ^gehalten unb ift anno bajumal mit
einem entrüfteten: „@itel Dhrgcfdjinber! — Lichta toeiter bah in t er !"
jur einfachen £ageöorbnung blinblingö übergegangen, bis bie 3?it
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— 112 —
bentt boch biefe gelegentlichen (£ntgleifungen befi Urteils nach unb
nach — nun, fagen wir: „eingerenft" fyat (Grrft türjüch las man
wieber Sriefe eines 2ftufifers oon ber Sebeutung 2lnton SRubinftein's
aus jenen Stampf esjahren, barinnen biefer ft# ju bem unglaublichen
gaa>Urtcile oerfteigt: „£aben Sie fcriftan, $abm Sie $heingolb ^
gefefjen? ©rfterer fcheint mir total oerrüeft, Sefcteres jum menigften
überfpannt ju fein!" Sin foldje Plattheiten mufe man aber alle
biejenigen wohl erinnern, bie jefct auf einmal „nicht mehr mittfjun"
wollen.) Unb bann! 2ftan hat biefe felben Ohren bod) auch
wieber flugs um fo weiter aufgeriffen: bei bem unfäglich prächtigen,
weil breit, in gefättigtem SBoHflang ergiebigster Sßult^etlung aus*
labenben 2Mobienftrom beS ,,§interweltler"*(5rebo , S; ober bei bem
hochgemuten, fo fühn aufwallenben unb ftolj ftch emporreefenben Sttotio
ber „greubem unb 2etbcnfchaften" (bas an trofcigem, aber auch ge*
bictenbem üflachtgefühl für mein ©mpfinben in unferer SJhiftflitteratur
ganj einjig haftest) ; erft recht wieber bei bem fdjwungüofl*hinrei&enben
SBaljer^hcma in ber, förmlich ©laftijttät geworbenen, wie bionnjtfch
befchroingten Solo*93ioline — ba mir „trunfen" „mit beiben güßen
in golbfmaragbenes ©ntjücfen'' ju fpringen glauben („3efct bin ich
leicht, je&t fliege ich, ftt M* ich nti^ unter mir; ihr langtet
aber ein Sein ift boch fein glügel; mein 21 unb D aber tft, ba& ,
alles Schwere leicht, aller Seib iänjer, aller ©eift Söogel werbe
— fo fpricht 33 ogel Weisheit: Siehe es giebt fein Oben, fein
Unten! Sßirf bidj umher, tynatä, juruef bu Seichter! Singe — "
fprich nicht mehr! 7 '); fowie enblich in bem jarten Spinnen unb i
buftigen Sßeben ber h^aufbämmernben Morgenröte, gegen bas @nbe
bes ganzen £onftücfeS gu (,„2)ies ift mein 2)1 or gen, mein S£ag
hebt an: herauf nun, herauf, bu großer 9JHttag!' — 3llfo fprach
Sarathuftra unb oerliefe feine &öhle, glühenb unb ftarf, wie eine .
SJlorgenfonnc, bie aus bunflen Sergen fommt").
@S fmb bas lauter Stetten, bie eigentlich &t c feS „fortgefchrittenere"
SScrf ju einem leichter eingänglichen als j. 23. ben arg über ben
Strang fchlagcnben „(Menfpiegel" (aus bem unmittelbar oorauf*
gehenben Schaffensjahre) hatten ftempeln müffen, wenn eben alles
auf biefer @rben ber „Srrungen unb ©irrungen" ftets mit rechten
fingen juginge. Unb wenn bem gegenüber wieber Slnbere über bas
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— 113 —
(eibige „ßifertfi!" geftopfter trompeten in unferer Partitur fidfj luftig
machen ju foHen glaubten — {c nun, fo roollen mir auch biefen
ßäujen bie ihnen gebührenbe Antwort in gorm eines fleinen sßrioa*
tifftmum Ijier geroig nicht fdbulbig bleiben. 2Bir haben ba einfach
golgenbeö furj $u entgegnen: gür fchläfrige ©efeHen allerbingö
mag, unb groar aus ganj naheliegenben ©rünben, ein „roeifjeoofler
SJiorgenroecfruf" in roeidjen &ornf längen ober $ofaunen*2lfforben —
etroa roie im „^H^eingolb" ober im „^ßarftfal" — roohl leiblicher an'ö
Diu* tönen, alö folch* ein fdjrilleö £ahnenfrähen. ©traufe aber t)at
ftdj in feinem Sßerfe ganj offenbar an bie oon 9tfefcfche auöge*
gangenen Anregungen felbft nur roieber gehalten; geht bodr) im „3 ar ° 5
thuftra" befanntlich — ober m'elmcfjr: un befanntlich! — oon einem
„üftorgenhafm" bie Spraye, melier ben „oerfchlafenen Söurm mafy
frä^e" unb fo ben „abgrünbltdjfien ©ebanfen" aus Qaxai^tra^
@eelehtiefen jum SHeben enblid) heraufrufe. Unb biefer „abgrünblichfte
©ebanfe" 3 ara ^ u ft raö ' oon welchem ju fpredjen Verlegenheit ift
unb oon bem cö feigen barf: „Ungern entbeef ich ^o^ereS ©eheimnif}!"
— biefer ©ebanfe ift eben julefet nur berjentge oon ber „eroigen
SBieberfunft beö ©leiten", oom „fting ber SBteberhmft" ober bem
„^o^jeitlic^en $ing ber 9iinge" — rote eö anberroärtö in ber poetifch
gehobenen (Sprache beö SBerfeö ^eigt. 2öaö aber r)at unfer ßom*
ponift mit biefer legten „3bec" beö SBerfeö mufifalifch roohl an*
jufangen gerou&t? ©enial genug führt er bie 3bee biefeö „hochjeit*
liehen" 9Ungeö, ftocfenb erft — bann immer mehr fid) auöroeitenb
unb auöbreitenb, mit bem £b*ma eineö ibealen — ©traufcSßaljerö
hier ein unb fehltest ihn fo, roie fchon bort ber 2Surm fxch jur
©djlange (alö bem ©nmbol ber ©roigfeit) julefet „ringelt", jutn Der*
fchlungenen Zeigen jufammen, ihn alö bitbnrambifdHeligen 2öirbeltan$
jum h^- SDionofoö - SDlnfterium ber jroölf bumpf bröhnenben ©locfen*
fchläge bunfler 3Jlitternacht erflingen laffenb. „Sßeh fpricht: Vergeh!
SDoch Suft roiU ©roigfeü — null tiefe, tiefe ©rotgfeü!" — §ier
haben mir bie ganje ^ßt)ilofopl)ie, bie legte SBeiöhcit 3arathuftra'ö,
in 2:önen. —
Snbeffen, bamit auch baö ©egenbilb nicht unterbrüeft roerbe
unb bie fritifchc Meinung ^ter mit ju 2ßorte gelange — : man fann
immerhin jugeben, bag ber trofcige Sungmeifter m breiften SDrauf*
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gehen unb einem brüsfen 2Biberparthalten alT bem gegenüber, was
man unter bem Segriffe „Vorurteil" gemeinen aufammenfa&t, mit*
unter bodj gerne ein wenig übertreibt, wie es nicht gerabe
immer notwenbig erfcheint; fo etwa nach bajuoaritchem äraft*£rtc:
„3e&t ejtra, jußtament wcil'S @ud) — nicht freut!" (@S ift baa,
oermut' ich, ber gute $fchorr*23lutätropfen in Straufc, mit meinem
§aufe er bcfanntlid) mütterlicherfeits oermanbt ift.) 9luch barf nicht
ooUig oerfannt werben, bog gelegentliche lieber fdjwangs Momente
ftd) einfallen, üon jener Spannung bes ©igantifa> Erhabenen, bas
burch einen leifen SRucf, ein leichtes Ueberfdjlogen ber Stimme
gelegentlich in fein ©egenteil umfippen fann. 9tor eine ©ering*
fügigfeit oft, 5. 23. in ber SBortragSmcife ber majeftätifchen Dur unb
Moll*, Moll unb Dur * ©ingangsfdjläge, 00m Dirigenten oergriffen,
ein im charafteriftifchen, inftrümentalen Sluöbrucf, unb man
oerftet)t bie ßarifatur jener ©enfationSs^otij in einer fjiimoriftifdjen
(berliner) ^Pre^ball^^ung, meiere bie SMbung braute: „9ttcharb
Strauß neueftes STongebübe behanbelt ben ,Sdjmtpfen l unb foü*
an Steigerung greifbar beutlichen 2lusbrucfSöcrmögenS alles bisher
auf biefem ©ebiete Dagewefene noch übertrumpfen, ja fogar bas
bislang für abfolut unmöglich ©etjaltcne auf mufifaltfchem 2Bege
glänjenb nunmehr erreicht haben!" .... ober fo ähnlich- — sticht
minber enblich in ber Häufung polnphoner fünfte, einer lieber*
einanberthürmung ber Xtymcn unb Sneinanberfchiebung ber äflottoe
bis jum ©runbfä^lich s 5tafophontfcben, geflieht für mein fubaltcrnes
©mppnben mitunter bes ©uten boch etwas ju oiel. 3lber auch ba
barf es jule&t ty'xfcn: wer weife, ob mir nicht biefen SBeg ber
(Sntioicflung ganj unweigerlich überhaupt ju gehen haben unb nur
uorerft als „ßafophonie" noch empfinben, was fpäter fich als Snm*
phonie unferen Dljren enthüllen mag? Später: b. h- eben, wenn
mir bie ^armonif($e Sluflöfung all' ber Durchgangs * Diffonanjen
freiefter Stimmführung unb mannigfaltigfter ©egenbemegung im um
aufhaltfamen 9Jielobtenfluffe, mit unferem ©ehör bereits oorwegju*
nehmen uns gewöhnt haben werben. 3ur 3eit, ba uns bie gä'higfcit
iu einer folgen pfndjo • pfmfiologifchcn Vorwegnähme noch abgeht,
pla&t all bas noch phnftfoltfch hart aufeinanber unb gemahnt
jwar wohl an 3arathuftra's „£ammer", nicht aber auch an bie
— 115 —
milbcren »Saiten feiner bebeutenben Seelenocrfaffung, roie fte 5. 33.
im „9tocf)tUeb" ober in ber Söerfudjung „erfticfenben SWitleibens" mit
bem „ha&lichften SWenfchcn", bem „üttörber ©otteS", heroortreten.
(SBergl. bierju: „griebrtch Sliefefc&e. @in 5Ibri& feines ßebens unb
feiner &hre" oon §enri Sichtenberger, beutfch oon grfjn. oon
DppelmSroniforosfi; 1900, 6. 33 f.)
§eute, bo fcheint ber roagehalftge SBorfämpfer noch ein „50er*
brecher", als »realer ber „©efefcestafeln" bisheriger aftuftf^abulatur;
ba Ib oiefleicht fdjon gilt er uns als ein £riumphator unb „Befreier"
aus alten, oerhajjten (Bflaoen « Stetten. $Ber auch roill füglich ent*
fcheiben, ob baß nicht ein innerlich notroenbiger „unheimlicher Reichtum"
oon plaftifchen muftfalifchen Oebanfen bei unferem ßomponiften nur
ift, roas uns 3eitgenoffen oft als fraftftrofcenbe Sillfür an ihm
crfchcint — ein Ueberflufj ber gülle alfo, ben er nicht losjuroerben
oermag ohne 2tusfchüttung eben biefcs Büllhorns feiner ©oben: fo
wenig, roie ein faftgefchroellter S3aum feine Blüten am Sluffpringen
oerhinbern fann? $en Anfang ju folcher polnpfjonen £hemen*
SBerroebung hat ohne allen 3roeifel % SBagner gemalt, im „Stfftan",
namentlich aber in ben Söanblungsmufifen beS „^eingolb" ober bes
„Sßarftfal" u. a. 2)ort haben unfere ©Itern beim erften 3Inhören
bie Uebcreinanberfchiebung unb enge Verfettung ber 3ttotioe fidjerlidh
noch ebenfo als „Stafophonien" fdjmerjlicb genug empfunben, roährenb
unfere heutige (Generation biefes Songefüge bereits mit ooKem
©enuffe hört, roeil fie bas je&t, mit ihrer Kenntnis ber harmonifdjen
ÄuRöfungen, bereits roohl ju überfchauen oermag. Item — ober
beffer caeterum censeo: „$em gortfdjritt eine ©äffe!" —
SDas märe benn nun alfo ber berüchtigte „roüfte 2ärm" eines
nunmehr „gotilofen" Stöuftfanten — jenes frioolen (Einbrechers in
„heiliges" £empelgebiet, ber angeblich bie fclbftherrliche, ihrer felbft
geniefeenbe „Umwertung aller 2ßerte" bisheriger Snftrumentalmufif
„jenfeits oon Schön ober &ä<ch"/ planen unb betreiben roifl; beffen
brennroter <SanSculotttSmuS ben mobernen „$erren* unb lieber*
menfehen" auch auf bem bisher fo friebfamen (!) 5tultm>@ebtete ber
„eblen" £onfunft einleiten unb bie brennenbe „9Jlorgenröte" einer
neuen Jtunftgattung „oor (Sonnenaufgang" heraufführen, ober gar
noch eine fengenbe geuersbrunft herauf befchroören foll!
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— 116
3a, allcrbmgs — baß fann feiner Erörterung mehr unter *
Hegen: hier wirb „mit bem Jammer" muftjiert, unb in biefen
wuchtigen §ammerfchlägen beö melfagenben eingangs — ungeachtet
Dr. §ugo Sltemann'fcher SDualiömuö^heorien — Dur jäh in Moll,
Moll umgefehrt mieber ebenfo fdjroff in Dur einfach „umgewertet"!
SlUem, wollen unb werben wir es angeflehte biefer verblüff enben
©rfd)einung nun wohl halten mit ber oerbammten „fompaften
aflajorität"? Sollen wir 23cffer * Unterrichtete baö „große Sachen"
barin, ebenfo fjartnäcfig als jugteidr) hödtft un heilig, fortgefegt nur
bafn'n nü&oer flehen, ba§ wir als bie höfjnifchen „Uebermenfchen" über
biefen „Uebcrmuftfer" uns ergeben? 2)a& wir, oon unferer ©ott*
ähnlichfeit a priori überzeugt über biefeö fein 2öerf nun unferer«
fette einfach »h™ weglächeln" ju bürfen glauben? 9hm, „wer julefct
lacht, lacht am beften" — unb ich befürchte benn boch, ba&
minbeftenö ber „£ifl ©ulenfptegel" im ßomponiften Straufe eö fein
wirb, ber mit folgern „legten Sachen" uns am @nbe noch ein
graufam Schnippchen fchlägt.
©inftwcilen, b. h- hier im „3arathuftra"*2öerfe, bleibt er bafür
allerbings um fo ernfter, gehaltener. Unb trübe, fdmetbenb'bitter, mag
er vorläufig mit 9lie6fches3arathuftra auch oon Reh fpredjen: „9tun
bliefen fie mich an unb lachen, unb inbem ftc lachen, h äffen fte
mich nodt). @ö ift @iö in ihrem Sachen." „Siehe, bie ©uten unb
©erechten! 2Ben fjaffen fte am meiften? $en, ber jerbricht ihre
STafeln ber 2ßerte, ben 23rei)er, ben Serbrecher: — baö aber ift
ber Schaffenbe .... £)te SUHtfchaffettben fud)t ber Schaffenbe!
25ie, welche neue Söerte auf neue tafeln fchreiben .... £)en
Schaffenben, ben ©rntenben, ben geiernben will ich tnich jugefellen
SDen ©infieblern werbe ich mein Sieb fingen unb ben
3weifieblern; unb wer noch Ohren hat für Unerhörtes, bem
will ich fei" &erj fdjwcr machen mit meinem ©lüde. 3 U meinem
3iele will ich, ich t)e meinen ©ang; über bie 3ögernben
unb Saumfeltgen werbe ich hinwegfpringen. 2llfo fei mein
Sßerf ihr Untergang!" freilich — „ich uerwanble mich ju fchnell
(man ergänze: üon 2Berf &u 2öerf): mein §^ute wiberlegt mein
©eftern. 3$ überfpringe oft bie Stufen, wenn ich ftetge —
ba$ oerjeiht mir feine Stufe. 33in ich oben, fo finbe ich
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— 117 —
midfj immer allein. Sfttemanb rebet mit mir. 2)er Sroft
ber ©infamfeit madjt mi$ jittcrn. 2Baö raitt id) bod& in ber
$o$e?"
@ö ift bie „emige SBieberfefjr bcö ©leid&en": Dom „SDenfen",
baß für bie grofje 9Jtof[e ber „SBteljutHcIen" immer baß „S3ebenf*
ltdje" geroefen; t>om „©enie", baö bcm Normal * $>urd)fd&nitt nodj
ftetö jum „(Sroig * ©enierltd)en" geroorbcn ift. 2Bof)lauf benn, mir
roollen f)ier lieber „SJHtfäaffcnbe", nämlia) greunbe unb „®e*
fährten", bie „3roeifiebler" biefem „©tnfiebler" fein: „eö roerbe
@inö ju QrotW" Söeflagt er fi$ über bcn „groft" bort oben auf
cinfamer ^ö^, unb toie ba immer niemanb mit tfmt rebe — r)ier
fjaben mir es einmal oerfudjt, „mit tym &u reben"! Sllfo „Hang"
uns „3aratljuftra".
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3n SDctteo oon Siliencron'ö ©ammclbonb: „ßämpfe unb 3iele"
(Scrlin, bei ©Ruftet & Söffler), finbet fidj folgenbefi prächtige
©ebic^t
31 n §ugo 2öolf.
©rinnerft $)u &id) ber £age:
§inter 2)ir jagen
ßonrab, ber £üne, unb icf).
2)u fangft un§
Seine 53
2>rei— unb — fünf — jtg!
9Jlörtfe*£ieber cor
Unb Seine ungegarten SBunberroeifen
5lu8 ©oetfje unb (Skfjenborff.
2Bte mar baö 5llleS neu!
3um ©rftarren neu!
SSorn im 2ftörife*£eft,
2Iuf erfter 6eite,
Qaiitft 3)u, 33efd)eibener,
25e$ $)icf)ter3 93ilb oeref)renb aufgeteilt.
SSeldjer £onfe£er tl)at je fo?
Unb roäfjrenb Su glüfjenb fangft,
©ingen brausen bie $)eutfd)en oorüber.
Sie trugen in ifjren £afdjen
SBiHette ju „2Jtomfell Wtoufyj".
Unb bie ©cfjamröte flog mir in'§ ©efidjt
gür unfere SanbSleute,
2>afj fie Sir nicr)t f)ord)ten;
Saß fie if>ren großen, lieben
Stüter fDlörifc nid)t rennen.
— 119
2Sir erhoben un§. 9luf ber Strafe
9taf)m Gonrab, ber §üne, 2)td)
3luf feine 2Uf)letcnfd)ultern,
Unb trug 2)icf) burd> bie -iRenge,
2Bie einft ber (»eilige ©r)riftopl) ba3 3cfulein
3)ura) boö tofenbe 2öilbroaffer braute.
(Siner ©pieljeugtanblerin
8auft' idj ein gälten ab.
Unb ba§ gäfynajen roud)3 fajneH
3ur mächtigen, prunfenben Safjne.
(Sinem glötenbläfer nrinff idj,
3)er einfam im ßtnberfreife blies,
Unb er fam unb ging mit:
®uiblbibum, buiblbibum.
Einern 3inf el # en njinft* id)
5lu3 einer ©affenmufif,
Unb er tarn unb ging mit:
Xatara ta, tatara ta.
(Stnem SBecfenf Kläger roinff iö),
£)er einem SBärenjeiger gefeilt ftanb,
Unb er fam unb ging mit:
2>fcfn'ngbaba, bfajingbaba.
2)ie brei matten SBotfäfprünge, roäf)renb fte fpielten,
Unb tankten tm'e trunfene 2)ernrifd)e.
93or bem 3 u 9 e fdimang td>
2)ie mächtige $ßrunffaf)ne f)in unb f)er,
Unb idj rief:
„^lafc btt, $lafc ba, ©efinbel!
(Sin junger ©ermanenfönig fommt,
(Sin ßömg ber neuen Stunft!
^la£ ba, $lafc ba, ©efinbel,
(Sin £önig fommt!"
Unb bie £)eutfdjen
©riffen entfejt in tf>re £a[djen
Unb füllten nadj ben Silierten
3u „2HamfelI SKitouay.
Unb fte rannten fdjleunig —
3u „SRamfeH 9Ktou$e".
2ßenn id) mit biefer roarmen, poetifdjen 2öürbigung baö lefcte
Kapitel meiner Ausführungen beginne, fo gefd&iefjt baö junäd&ft einmal
auö bem ©runbe, roeil mir barin jugletc^ einen rcd)t intereffanten
gafl lebenbiger SBec^felroirfung anrifdjen neuerer ÜRufif unb
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mobcrncr ßitieratur ju begrüßen ha&en, — einen gafl, ber um fo
wertooHer erfchetnt, als in bcr Siegel nur bas umgefebrte S3crr)ältniö :
bie Befruchtung ber £onfunft burd) bie poetifche ßnrtf, &u beobatfyttn
bleibt. Nebenher ober tonnen wir — befdjämcnber SBeife — baran
auch noch gleich belauften, rote bie 9lbelsmenfdfjen unb Bürger aus
„©emclanb" unter ftch allein gelegentlich com „beutfchen ^ublifum"
reben unb benfcn, wenn biefeS ftch ihrem eckten, aber ungewöhnlichen
(Streben oerftänbnislos wot)l gegenübcrftellt. Brögbern mar es nicht
eigentlich bicö, worauf ich hier abfielen wollte. „(Sin Junger ©er«
manenfönig" — hiefi es oa — „fommt". ©ut, er fei uns von
^erjen willfommen! „@in ftönig ber neuen Äunft!" 9lucf) gut —
ober oielmehr fchon weniger gut; benn fo annehmbar auch baß,
was bamit offenbar gemeint ift, uns bünfen möchte, in concreto
fchcint's boch nicht fo ganj auch föon ftimmen ju wollen. 3m
@mft, haben wir $ugo SBolf wirflich unb in ber Xfyat — fo, wie
wir bics heute nun ^ oc h überfehen tonnen — - als „mobernen"
ßomponiften ctnjufdtjägen? Unb oor 2Wem gar: tonnten wir ihm bas
„st<; xofpavoo eora) !" beS flönigStljumS wohl jufprechen? ^och oor nicht
ju langer 3«t meinte ich baju: eß müffe bei aller fchulbigen (Sfjrfurcht
oor feinem oielgeftaltigen können wie oor feinem tiefen unb reichen
©eiftc, oor bem marf-gen ftünftlerftolj in ihm unb ber großen
gülle feiner poefteftarfen ©aben — boch erlaubt fein, ein befdjeibeneß
Sragejeichen hier anjubringen. ^euerbingß bin ich nun allerbingß geneigt,
biefeß Urteil, nach einer Seite hin wenigftenß, gewiffenhaft ju er*
gänjen. $)enn, wer weife? — oielleicht liegt in SBolf'ß eigenartig*
fummarifcher, baß betreffenbe SDichtcrbilb glcichfam ooU ausfehöpfenber
muftfalifchcr Verwertung ber oon ihm erwählten £eftpoeten jule&t boch
berfelbe „mobern" $u nennenbc 3"9 n<"h Vertiefung in bie „^x-
fönlichfeit" oor, ben wir auch auf anberem Äunftgebiete heute oiel*
fade): als ©onberausfteüungen, Stomponiften* Stöberte, $id)ter*9lbenbe,
— lurj als „(Siner" * ßultus, gut beobachten tonnen. (2öenigftenß
hat mich barauf erft f üblich eine Ausführung Dr. £aberlanbt's
aufmcrlfam gemacht — erfchienen in ber sweiten golge bcr oom
„Liener &ugo 2öolf herein" bei ©. giföcr in Berlin banlenswert
herausgegebenen Slbhanblungen über unferen ßomponiften.) 3lua)
gelangte {üngft ein fo geiftooüer atfuftffchriftfteller unb feiner
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— 121
flunft * ^ßfndjolog, wie Dr. äftar. Graf, £ugo SBolf gegenüber ju
einem reichlich „mobern" flingenben Urteile, bas fogar auf ©chlufc*
folgerungen hinausläuft roie j. 33. biefe: „@S ftnb pfnchifche 2ßir*
fungen, unfiditbare ÜBa^lDerroanbtfd&aften, ftärfer als bie äfthetifdjen
Söertfchäfcungen, bie uns einen ßünftler als ,mobernen l empfinben
lafjen. Unb auf foldjen feelifchen blähen unb Gemeinfchaften, 3u ?
fammenhängen unb ölutsneigungen beruht bie ftarfe SBirfung ber
Snrif £ugo SBolffl auf bie iefeigc Generation .... ÜÄit biefer
fomplijierten Sßatur oerbinben uns feeüfche 3ufammenhctnge, bie aus
©tarfem unb ©chroachem, aus Gefunbem unb äranfem, aus Straft
unbSReijbarfeü unjerrei&bar gehoben ftnb." ©o nämlich
ju lefen in bem Suche „2Öagner * Probleme unb anbere ©tubien"
(„SBiener Verlag", ©. 116—121) — unb geroife brausen roir uns
biefer 2luffaf[ung ja nicht oon oornherem entgegenstellen. Hnber*
feits aber lagt ftd) beute — leib er mufj man ja fagen — angefid)ts
bcr oollenbeten £f)atfachc abfolut unheilbarer, geiftiger Umnachtung
auch Wöh eher eine abfchltcfecnbe ÜJleinung über bas ©chaffen &ugo
S&olf's geroinnen, £ro&bem werben mir roohl bei etroaS anberen
SRefultaten fcf)lie&lich boch noch anlangen müffen.
@S roar im Januar 1889, bafj ich fo^ufagen bei ben „füttern "
ber beginnenben 2Bolf*„$ropaganba", an Ort unb ©teile in SBien
felbft, roeilte — einer ^ropaganba, oon beren fritifloSsleibenfchaft*
lichem Taumel ich «ne (übrigens wenig erquiefliche) erfte Sßrobc im
„©aale Söfenborfer" felber fogar balb mit erleben follte, als nämlich
ber £enorift Sacger bort einige Sieberfpenben 2öolf'fcher ßompofttion
oerbienftlicherroeife jum SBeften gab. @s roar bies bas erfte bebeutfame
heraustreten beS Samens „&ugo Sßolf" an bie muftfalifche Seffent*
lichfeit, nachbem er lange oorher in einem ^ßrioatjirfel, ber ftd) aus
ÜJHtgliebern oornehmlid) beS SBiener „Slfabemifchen SBagner^ereins"
jufammenfe&te, mächtig bereits umgegangen unb geroachfen roar.
2) ort roar es benn nun auch, wo ich oe ^ n * uen Äomponiftcn im
engeren gamilienfreife jum erften 2M Sluge in Sluge gegenüber
ju treten Gelegenheit hatte. Unb fdron bamals roaren bie unmittelbar
beteiligten Gemüter geloben bis jutn @£plobteren, fo ba& es beim
fpäten -Jtochhaufegehen oon jener GefcHfdjaft eine ftunbenlange, trofe
cifesfalter Schneenacht ^eifee unb in ben oben ©trafeen befto lauter
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- 122 —
roiberfjallcnbe 2Bortftf)laa)t gurifdjen tynen unb mir gab, bic eigentlich i
jiemlid) ergebnislos, je langer fte mährte, oerlief. 2)enn natürlich
tyatte man an mir Sßrofelnten mad)en wollen unb mid) ju bem
3tt)ccfe mit einigen reidjüd) 25 ©efängen aus freigebig fpenbenbem
3üU>rn ber Siebe gleicf) orbentlid) überfd&üttet. 93on oielcn mar %
id), ba& idj's nur geftefje, fofort merfroürbig gepaeft unb unnriber*
fteljlid) ergriffen roorben ; mandjcS mar einbrutfsfd&roadj nur eben an mir
vorübergegangen, unb einiges fjatte midj fogar ob' II ig falt gelaffen.
SDer befonbere ©treitpunft steiften uns, b. feinen enragierten 9In*
Rangern unb mir, bem jugereiften gremben, mar nun ber, ba& td) I
unentroegt behauptete : 1) ba[j 2öolf, wenn überhaupt einer, bann ntdjt
ber ©rftc mef)r fei in ber 9lnroenbung 2Bagner'fd)er SDiftton unb lieber*
tragung jener mufifbramatifdjen 9luflbrucfsform auf baS Inrifdje
©ebiet — baß ©cfclagroort „©agner beS Siebes" (baS feit^cr arg
umgebt) r)atte man mir jiemlic^ ju aßererft an ben ßopf geroorfen; j
2) bafj id) oft aud) mef)r ©a^ubert'fd&e ©runblage als gerabe i
Söagner'fdjeS SSefen in ben oernommenen ©efängen, {ebenfalls eine
Sfltfdjung bei ber ©tilelemente oorgefunben ju ^aben glaubte, unb
3) bafe \6f nidu" ben sans phrase, kat' exoehen, par excellence,
fdjlcdjt&m neuen, baS roiU fagen: neujeitlia^en £onbtd)ter in bem
ßomponiften bis jefct erfennen fönnte, als ber er mir aufbringüdj
ba in bie O^ren gefdjrieen mürbe
@S rerftcfjt fid) oon felbft, ba& biefes merfmürbige (Srlebnis
mit all* ber Sebenbigfeit feiner oeljementen ©injeljüge feiger in mir j
ernftlicb nadjgenrirft c)atte. 3dj fing boeö an, midj mit 2öolf einläfc |
lieber ju befaffen unb fprad) mit greunben beS Defteren über biefe
neu auftaud)enbe, mir {ebenfalls nod) ungeflärte (Srfdj einung; gelegen^
lidj gaben äußere Slnläffc oon fporabtf^er 2öiebergabe einzelner feiner
ÜNufenfinber roillfommene ©elegenfjeit, ben feinerjeit gewonnenen, ,
begretflidjerroeife auf bas erfte SSlai nod) nid)t burdjaus fnmpatfjifdjen
©inbruef red)tf Raffen, oljne {eben perfönlia^en öeigcfdmiacf, §u erneuern
bejro. ifjn ju oeroollftänbigen. Unb in ber S^at, man burftc einem
2öolf gegenüber nid)t beim erften (Sinbrucfe fd)on flehen bleiben.
3Iuf alle gäÖe gab fufc biefer Äomponift, ber als SDlenfd) unb ©e* =
feflfcfyafter junäift wenig Slnjieljenbes für mid) gehabt fjatte, in feinen
SBerfen als tiefer unb begnabeter £onpoetoon felbftänbtger ©igen*
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tiote $u erfennen: in her %vt feiner mufifalifdjen (Sinfleibung unb
Ausbeutung ber ©cbid&tc (fo fchr fte ftdj auch manchmal mit
Sßerroanbtem berührte, an grüneres, Vergangenes roieber anflingen
mochte) ganj entfdjiebcn eine „^otanj" oon urfprünglid&sfrtfcfjcm 5Befen.
9tur muß man eben boch befonnen ju unterfdjeiben roiffen
ätmfchen ausgekrochener ©igenart, bie SBefonbereS auch nach großen
Vorfahren noch fagen hat, unb urroüchftger 9Jeus9lrt, bie bcn
SBeruf überhaupt beS „^frutönerS", beö abenteuerifchen ©ntbecfers
unb Eroberers gleichfam (nach bem befannten Söcfün^Ube), in fich
trägt unb bereits 3 u ^nftiQcö, bas „SBerbenbc" fecf oorausnimmt.
©olltcn mir alfo Sßolf's unbeftrettbar gefch tätliche SDliffion heute
näher ju beftimmen haben, fo mürben mir etma fagen, baß er halb
Vorläufer unb gürfprcd&er, minbeftenS ebenfooiel aber auch roieber
Nachfahre unb SRachjugler geroefen ift. ÜXlit einem SCßort: er fcheiut
mir im ©runbe boch ju fehr ©pimetheus^atur ju fein, unb ich
oermiffe an ihm ben fpe$iftfd)en $rogonen*(5harafter; jum Söenigften
hält 33eibes in ihm ftch noch fe^r bie SBaage. Unb jroar Rnbe ich,
mufifalifch befehen, eine feine Hochblüte ber Sßeriobe Schumann
bis ju SBagner herauf für bas ©ebiet ber Snrif — im Eusbrucf
bereichert unb in ber gorm entfprechenb ergänzt aUerbingS burch
bie neueren techntfcfjcn SDlittcI (unb bas eben oerbeeft biefen Sach-
oerhalt roieber einigermaßen); bichterifch betrachtet aber boch nur
eine Wadjlefe — eine herrliche freilich! — aus ber rein flafftfchen
unb romantifchen SöergangenheitS * Sitteratur: nicht auch
Vorftoß einer neuen £onpoefte, noch beroußtoofles S3annertragen
moberner 2nrif überhaupt, in ihrem neueren 3«it*@treben.
Natürlich ^ot auch feine 5lrt ihre befonberen Vcrbienfte, ent*
ftehen auch hierbei für bie ©ntrotcflung ber ftonfunft nicht ju
unterfchä&enbe UebergangS*2öerte, roie bas Ja fchon bei einem Wob.
granj in anberer SBeife chebem ber gafl geroefen, ohne baß biefer
besroegen irgenb als „^kogone" ju begrüßen geroefen roäre. ©inen
fo eminent mufifalifchen Önrifer roie Sftorife j. 23. — unb fo
manche anbere, oon ben bisherigen Sieberfompomften leiber ganj
unoerantroortlich oernachläfftgte tarnen unfercs SitteraturfchafceS, bie
es roirflich roert finb: ihn unb fie noch UebeooH heworgejogen,
fie fünftlerifch fo oottgiltig rote edjtbürtig nachträglich für bie SJlufif
gerettet in beren §iftorie erft ju ©fjren gebraut ju fyabtn, bas
roahrlicb bilbet allein fdjon ein eigentümlich $ageroerf oon bletbenber
23ebeutung, baö ben tarnen feines Schöpfers auch auf bie Nachwelt
lebensooü erhalten unb üererben wirb. Aber, immer roieber mu§
ich barauf jurücffommen — es ift unb bleibt in Sßolf's ganjem ,
Sein unb SBefcn ein Moment ber Diücf fcr)au roohl faum ju oer*
fennen. Unb roer ftdt) meiner früheren Ausführungen erinnert, roer
fclber im 2)ienfte eines ^ör)cren 3eitgeifteS um bie jutunftsfehroangeren
Probleme ringt unb bas lebenbige SBcnw&tfein ober boch ftchere
Vorgefühl hentuffommenber neuer 3beale wahrhaft fennt, ber roirb —
ja mufj mich bei biefem Söorte „9tücfbluf" ohne SScitereS boch auch
oerftehen. #öchften8 noch bebeutet ihm bann 2öolf'S 5Uioeilen
unbefchreiblich reine unb feufdje Cbieftioität im Snrifchcn eine Sonber*
art, ober aber fein roagemutig ©inbringen in baS totlbe ©eftrüpp
ber ©ebanfenlnrif unb ber ©entenj^oefte eine Art oon ruhner
(Sntbecfungsreife nach weniger befannten SBclten, bie jtch immerhin
fchr rootjl hören lögt. 2>enn ba erfdjeint er in ber %fyat manchmal
als 3unfer ßömgsfohn, ber aussog, bie fpröbe ÜMb „Domröschen"
oon tiefem, langem Schlafe ju enoeefen unb ftc unter feinen mufi* i
falifchen SBiUen in unoerbrauchteftcr Sugenbfraft unb hohem ©bei*
finn &u jroingen. 9ßur eben ift auch bar aus, felbft burch folch* ein
inbrünftiges SicbeSroerben , jumeift leiber noch ^in ©ebilbc oon
fpejiftfch mobernem ©epräge entftanben. @S müßte benn gerabe fein, j
mir trügen in feine Aufnahme oon ©hafefpeare, SDftchel Angelo,
SBnron, aftualiter gleichfam, etroaS oon unferem oerfeinerten „SBclt*
litteratur" * (Smpfinben mit htaein — roie ja auch 2Bilt)elm SBeiganb
gar nicht unjutreffenb einmal gefagt r)ot : „3n feinen Biebern auf
©oetbc'fche ftejrte fommt ber ©eift bes 18. 3ahrr)unberts fo jum
©rflingen, roie ihn unf ere 3«t empfmbet."*) Unb @ines bleibt bann •
auch h^r nicht mehr gänzlich &u überfehen: baß er nämlich in
biefer feiner ©onbcrlings * Neigung für aparte £e£te oon —
fagen mir: fomplijierterem ©efcr)macf, mit gefugten SBersma&en ober
*) Äein Steffel a u cf> : bie frühere Seit nafnn ©oetlje im JSBcfcntlidjen
„apoHinifch" (man ncralcidjc nur SReubelSfoljn'S ©oetf>e»?luffaffung),
roöhrenb mir neuerbing« ifjn „btonnftfeh" ju empfinben unb ju oerfteljen
gelernt l)aben.
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— 125 —
frcmbartiger 9lnfd)auung, burc^aus mteber melw einem ©rafjms ftd)
pfjnFtognomifö nähert. Unb fomit märe benn aud& fjier ein geifttgcö
23orbilb, ober bodfj ber fünftlerifd&e Vorgänger, unjwctbeutig genug
ausgewiefen — wafjrfdfjeinlid) jur ntdjt gelinben Ueberrafdfjung ber
SÖiener Herren „Söagnerianer", benen id) im Ue6rigen aud) nod) ju
bebenfen geben möchte, bafj 25olf's oft unruljig-fpnmgljaftes 9luf unb
316 ber SDeflamation in ber ©mgftimme feiten bem Söagner'fdjen
3beale oon „©pradfjgefang" ganj entfpredfjen bürfte.
©rünbet ooHenbs eine übereifrige Parteigruppe für biefen einen
Snrifer (wie eine anbere fogar für einen Sftartin $lübbemann —
wobei id) übrigens biefen mit 2ßolf feineSwegS fdjon oerglidjen Ijaben
rotU!) befonbcre Vereine auf Sofien aller übrigen £on*$oeten im
Sanbe*) — bann, fo mein' idfj, i)t es bocf) bie aUerf)öcf)ftc Qcit, e ^ tte
Slrt oon „©egenring" ju bilben unb ftdfj in eine Sßljalanr. jufammen*
jufc^Uc^en ju ©unften aller jener 9lnberen, bamit audf) fic nidjt
anbauernb ju furj unb jum Dfodfjte, baS mit ifjnen geboren, nocf)
rcd&tjeitig, nidt>t etwa oerfpätet fommen. SDa gilt es für mid) benn
bodj, unferer muftfaiifcfjen 2öelt bie 9lugen über weitere üftoglidtfeiten
ju öffnen, bie fonft am @nbe nodf) ganj überfein unb womöglidfj
gar totgefd&miegen werben mürben. SBarum audfj fotlte gerabe ein
|>ugo 2ßolf bie „muftfalifdje Snrif" allein für fidt) in ©eneralpadjt
genommen Ijaben? —
„9JUt ben SBölfen beulen'' — bas allein tfjut'* ftfer freiließ
nid)t! Unb wie fjat man's juerft get^an! §atte man &ugo SBolf,
metjr fdjnetlfcrtig mit bem 2öort benn in guter Ueberlegung, ben
„SBagner bes Siebes'' getauft, flugs warb man nun jum „Söagnerianer
bes Siebes". Slber was Ijei&t baS: „fh)lgemä&e Uebertragung
9i. ÜBagner'fd&er ©rrungenfdjaften auf baS ©ebtet ber muftfalifdjen
Snrif"? ©ünftigften galles ift baS bofy nur erft eine, nodj baju
oieHeicfet feljr wenig fennjeidmenbe ©eüc beS mobernen SBefenS —
lebiglidfj feine conditio sine qua non; unb {ebenfalls fyaben eine
gaitjc ÜJlenge begabter Talente fettfjer auf biefer 23afis gerabe weiter*
gearbeitet, oljne bag es ju einem wirflidj Haren, gefdjweige benn
*) $er SKündjener ©olf.Serein madjt baoon eine erfreuliche Hu8*
nomine; nur würbe er f\$ üieHeiä)t finngemäfeer al* „muftfatifäje Sejeffton"
beseicfjnen ober ben Kamen „®efellfdjaft für moberne Sonfunft" annehmen.
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126
neuen Stnle babei gefommen roäre. 2)a fdjlepptc man benn alö
nädjften folennen „gortfehritt" bie reichere, orc^cflral gehaltene „23e*
gleitung" jum Siebe gerbet (bie — nebenbei bemerft — burchauö
nicht immer auch eine S8erbef[erung ju fein braucht, fchon weil fid)
bie polnphone Ueberlabenfjeit beö fnmpfjonifchen Safccö metft nur fefcr
fehlest jur Watux beö ßlaotercö eignet). 97ton oerfuchte ferner bltnb*
lingö bie Sßerroenbung beö Seilmotioö unb feiner mehr ober minber j
gtüctlichen themattfd)en Umbilbung, Je nach 9lnla§, ©efühlönüancc \
unb Situattonöroechfel in ber ^ejrtoorlage. S)aju 50g man nod) bie
„£riftan''«(Shn>matif u. f. ro. auöfdnoeifcnb ju 9tote, ba ober bort
roofjl auch manierirt einfach bei ben paaren Ijcrbei, unb erging ftch
„mit freier Sicherheit" (je eher bie einfacheren gormen beö Siebes ein ,
33etf)ätigungöfelb bilettantifd^er Streberet abzugeben oermögen) foroohl \
in tonmalcrifdjer, alö aud) in beffamatortfeher Gharaftertftif — nid)t
feiten in Uebcrfchroang unb Schroulft ber fogen. „altcrierten" SIfforbe
mit exaltierten unb affeftierten £onreihen, beren „Uebermä&igfeü"
fteflenroeife bie reinen Orgien feierten. Harn eö hoch, fo liefe einer (eö
roaren nicht eben aHju 93iele) baö fprad)melobifdjc Clement auö I
ber 2Öagner*2ehre mit Sinn unb Sßerftanb bei feiner 3nterprctation
ber gemähten Sßoeften einmal gute grüßte tragen unb erroieö ftch
alfo roenigftenö in biefer ©parte alö ein gelehriger „&$agner*@chüler".
geilte nur leiber, ach, 5« oft baö geiftige Sanb — unb baö fpejiftfch
ajtobcrne, baö berou&t ober unberou&t 3ettgemäf$e fonnte immer noch fo
jiemlid) leer bei biefem Hillen auögehen ! @ö mufe aber boch (rote fchon beim 1
allgemeinen Segriff beö „SJtobernen" in meinem erften Vortrage)
einige Stüfcen geben, mir müffen geeignete 9lnf)altöpunfte nunmehr
ju geroinnen fudjen, um unö burd) baö erfindliche „Sabnrinth" ber
heutigen Sieberfompofttion ein flein roentg felbftänbtg, im Sinne
unfereö &t)ema'd rjinburcrjsufinbcn. Sabnrinth, fage ich- 2)enn roahr* )
lieh, roenn fchon „£änje" unb „ßoupletö" fürjlich (laut Annonce
irgenb eineö gachblatteö) nicht mehr nach (S^arafter unb £ttel, fonbern
furjer &anb per fo unb fo oiel ßilo einfach 8« ben unb ben greifen
auögeboten werben fonnten (übrigenö auch ein ^mobemeö'^eichen in ber
£onfunft!) — ich glaube roirflich, lieber mären nicht mehr bloß I
filos, fonbern centnerroeife fchon in beutferjen fianben ju haben.
9ton alfo: liegt biefeö gefügte „SJloberne" tytx, beimßtebe, etroa
— 127
gar in ber beförderen $egtroafy(, in ber Aufnahme neuerer dichter
aus ber 3«t? 2)och faum fdjon ohne Weiteres! SBenigftenS meine ich
bocr>, eine fehr bebenfliche Äefjrfeite ber ÜHebaiUe fönnte ftch ergeben,
wollten mir furjftchtig alles, was r)eute Inrifcrje Tutoren oom
„mobernen" ßitteraturftempcl fomponicrt, eben besmegen fd&on als
„moberne ßiebcrfomponiften" ausgeben, ©ar manch' @tncr ift ohne
3roeifel mit barunter, reeller Steber ber jung* unb iüngftbeutfchen
ttttteraturberoegung, bis &u ben ©rünlingen herunter, unter ÜHuftf*
noten ju fegen offenbar mehr fportsmäfjig nur betreibt, ohne bie
redete innere Anteilnahme baran, unb {ebenfalls gan$ ohne innerliche
Aneignung ber Sache im geiftigen Herne. 3a, es will oiel fagen,
wenn ihn nicht julefct bas fragwürbtge SDlotio betjerrfc^t, mit biefer
3eitftrömung — ba benn „mobern" ftfwn einmal Trumpf ift! —
burdf) Anfangen feines Samens an it)re gerfen, nur eben felber mit
hochkommen. Auf einen gelegentlichen gufjiritt, fobalb ber 2flor)r
feine Schulbigfeit getrau, mürbe es ihm gemifj nicfjt anfommen.
Anbere wieber, es ftnb bie bemühten „tfompromifjler", ober auch nichts?
afjnenbe „£interweltler", bie in ihrer liebensroürbigen geiftigen §arm*
loftgfeit überhaupt noch n ^^s com bröhnenben Schritte ber 3 e ^
oemommen fyabcn — biefe oerfchmähen es nicht, bas Allermobernfte,
bas ihnen oielleicht oon ungefähr gufommt ober aus ben QdU
fchriften ic. aufällig befannt wirb, mit ben bewährten „guten, alten"
aKitteln anjupaefen; unb fie feejen gar nicht einmal, weld)' fyaax*
fträubenbe Anachronismen ihnen babei mit unterlaufen, ©inen ber*
artigen £onfafc fann man mitunter, ganj unabhängig oon ben fyiU
forberungen, als Aeftljetifer im ©injelnen recht gut unb fer>r fchö'n,
bas ©anje wof)t auch ebel gebaut unb roarm empfunben finben; ber
&iftortfer aber roirb es jum 2JHnbeften nicht als neu unb noch
oiel weniger als irgenb „jeitgemäfj" begrüßen fönnen. 3a, es mu&
einen ernften flritifer ber „Sftoberne" bergleichen manchmal fogar ähnlich
lächerlich berühren, als ob man unferer £age 2)epefchen in ^ßoft*
futfcf)en beförbern unb Telephon burch'S Sprachrohr fprechen wollte!
Namentlich bei ber Sföufiflitteratur, bie ftch bereits mit bem
Snrifer 9tte&fche eingeladen r)at r ftnb mir einige ganj merfmürbige
©jemplare folcher (Gattung aufgefallen. 2*ei ihnen begegnen wir felbft
bann noch ber fflaoifaVftrengen ^ovm im gebundenen $Rr;r)tr)muö unb
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— 128
mit peinlich genauer metrtfdjer 9lrchiteftur, auch roenn ein 9fte&fd)e burch
freie 'Ji^nt^men unb eine ungereimte Ijnmnifdj freie ®ithnrambif gerabe
fxdt) hcroorgetfjan h<*t; pnben mir 5. fein tragifct)eö „93ereinfamt"
ganj fCott etma nach föob. gronj'fd^er gaftur entworfen u. f. ro. 5lm
elften ger)t es ja noch an, menn einer ju mobernen Siebern bie
harmonifche SDMfchform, eine S3crbtnbung oon Diatonif unb &fyvoma,
ju §ilfe nimmt, roofern er eö nicht am @nbe gleich oorjteht, grunb*
fä&lich unb tenben^iös, unter SBermetbung aller üftonen*, Unbejunen*
unb felbft oermmberten ©ept-^lfforbe, gefdjmeige benn irgenb welcher
Gljromatif, auf bie einfadjfte §armonif jurücfjufaUen unb gelegentlich
im reaktionären gafjrwaffer ber naioften — um nicht ju fagen
primittoften 2Mobif mteber ju gonbeln. 9tor ift bas eben bann oft alles
weniger als „fortf deutlich". Senn 3erriffenheitS* unb SBeltfchmera* .
Probleme fann man heutzutage bodj wtrflich nicht mehr mit Moll
allein nur ausbrüefen wollen; baju ift unfer (Gefühlsleben benn boch
ju „bifferenjiert" geworben, finb unfere Heroen ju „gebtfbct" unb ans
fpruchsooll. Unb bie grofje 3^uhr wirb höchftenö ramponiert, wenn
wir fte jurüefbrehen — bem föab ber Seit lä&t Reh nun unb ;
nimmer in bie Speichen fallen. 2öaö günftigften 3?aHeö noch babet
herauöfommcn fann, ift bieö: es liegt jwar moberner £ejt oor
unb $u ©runbe — fteeft aber moberner ©eift weber barin, noch
Dahinter.
SDafc eö übrigens auch gar nicht immer leben ber ^Dichter bebarf,
um jwifchenburch trofebem „mobern" berühren ju fönnen unb jeben*
falls bie Stnie beö bleuen entfehieben ju befreiten, baö oermögen
uns Söctfpiele aller 3lrt flar ju machen. 2Iud) fyiet ift a priori «
eben nichts weber mobern, noch unmobern, fonbern bas 2)enfen, bie
befonbere ©eiftesart unb ©eftnnung machen es erft baju. ©o fünbigt
ftch in gar oielen Inrifch * epifchen Ghorfompofttionen mit Drchcfter, 1
oon neueren £onfefcern wie b'Sllbert, 93erger, Sraefefe, ^erjogenberg
(„©rntefeter"), §umperbincf, ßahn, Sifet, 33. Scholfc, <R. Strauß,
Golbach, SBeingartner u. 9. — wenn fte auch mit wenig Ausnahmen
bie ältere Dichtung oon ©chiller unb ©oethe bis auf Seine unb
Dtto ßubwig beoorjugen, eben barin jugleid) wieber ber moberne
gortfehritt gegen bas frühere an, baß fie neuerbings ungleich gehalt*
ooüere Dichtungen jum Vorwurf wählen unb fo nun, felbft auf
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— 129 —
abgelegenerem gelbe, mit einer „neubcutfcfjen" §auptforbcrung enblicf)
audj (Srnft machen. Stonnte bod) oor Stürmern nod) Dr. ©öfyler
(im „ßunfttoart") mit <Hed)t borüber ßlage führen, toie unfere Oratorien*
roerfe jumal ft$ teytlid) einen Langel an jeber 5lrt oon (Seift
gemeinhin geftatten, roeldjer jeber $efcf)reibung fpottet. <5d)on ber
£c£t eines guten ßfjonoerfcä müffe aber ein ßunftioerf fein — oon
ber (Erfüllung biefer 33ebingung fjänge ber gan$e (Erfolg für bie
Sufunft ab. @s fann f)ier alfo fet)r toorjt in ber Slufnaljme felbft
eines älteren 2)idjters bod) bereits eine$id)tuug jum befferen 23etou[3tfein,
jur Ijofjeren Stufe oorliegen. Unb roenn mir einzig unb allein nur
immer auf $erfe ber jeitgenöffifdjen Tutoren bei unferen Storn*
pofttionen ausgeben rooHtcn — roer bürgte uns benn bafür, bog
nid)t fo mandjer biefer tarnen nad) weiteren 50—70 S^ren ebenfo
oerfdjollen flingen, oeraltet an unfer (bejio. ber 9tod)faf)ren) Df)r
fdjlagen mag, roie bie 9lnfdjü&, £üttenbrenner, 5flanrf)ofer, ^nrefer,
9tod)li$, ©djober e tutte quanti aus ben „flaffifdjen" 2ieberfpenben
eines 3?r$. Säubert bicö für unfer ©cfür>£ unb unfere 2Iuffa(fung
längft fa>n tfwn?
3)ie £cgtma$( fona$ ooUftcinbig ignorieren? 2>od) aua^roieber nidrjt
ganj unb gar — beileibe ni$t! 2)enn immerhin ergiebt ftdr) bei einem
rafdjen Ueberblicf über bie £e£tioa£)l früher unb jefct, unb jioar ganj un?
abhängig nodj oon ber befonberen Qualität biefer poetifa^en Unter*
lagen nrie tyrer mufifalifdjen Raffungen, ein ganj feffelnbes 99tlb
oon ben auf biefem ©ebietc lüirffamen geiftigen Vorgängen. „Sage
mir, toen bu fomponierft, unb id) fage bir, roer bu bift!" — fo
fönnten wir es bod) aud) toieber faffen. 9ttan mag mir botjer er*
lauben, gur 5lbroca^felung r)ter einmal „ftatifttfd)" ju fommen, b. \). mit
einer gebrängten ^amensüberfta^t ben of)ne 3rocifcl feffclnben ^rojefc
eines (Einbringens neuer ©efidjtspunfte fnapp ju oeranfdjaulid)cn. —
SSir. ftnb ba alfo bei 93eetf)ooen, SBeber, 8d)ubert,
SWenbetSfonn unb ©djumann oorne^mlia) nod) ben folgenben
2)id)ternamen begegnet: ©ellcrt, 3Jlattr)ifon, &crber, (Sd&iHer, ©oetlje,
Äörner, 9flüller, Gfjamiffo, 3uft. Äerner, U6Janb, Seine, (Etdjcnborff,
SJtofen, SurnS, ftütfert, ©cibel, Senau, Hernie!, Sollet, @life ßul*
mann u. bergl. — tooju bei ßarl Socioe au&erbcm nod) Bürger,
ßlaubiuS, Sdjroab, ^ßlaten, greiligratf), SlnaftafiuS ©rün, $alm,
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Äoptfd), d. SRebroifc, Daring (fflill. Alerte), gontane, grj. Stugler,
(Bruppe, ©iefebrecbt, SJlicfierotcj, ©eibl ic. als Sallaben^octcn traten.
Sd)on beim lieberfroben ©ebubert jeboeb bebeutetc bie 9lufnabmc
(Soetbe'fcber unb oor TOem ^eine'fcber *ßoefien eine ganj aufcer*
orbentlidje, febroenmegenbe ^at im (bamals) „mobernen" 6inne. 3a,
merfroürbig! 2flit einiger 23erecbtigung üe§e ficb tyutc fogar runbroeg
bebaupten: bafc — unb jroar niebt etroa nur bei biefem ßomponiften
auf bebeutfamen £öbepunften unb in &auptmomenten feines Inrifdjen
8d)affen8, fonbern aueb bei ber ganjen nacbfolgenben Sieberfompofttion,
aUentbalbcn unb lange 3 c ü r)inburc§ — bie auf &cine'fcbe £erte
gefegten im 51 II gerne inen bie noeb ^eute mit am unmittelbarften
(um niebt nrieber ju fagen: mobernften) berübrenben ©efänge ge*
blieben ftnb.*) SRocfj roett ftärfer, entfa^iebener foioobl als audj
entfajeibenber, ftrömt fobann bei diob. ©djumann, mit tarnen roic
33nron, Sbcllen, &eine unb Hebbel neben bem romantifd)en febon
*) $te ftärffte SJerüdjidjtigung fetten« ber Äomponiften fottten
narf) einer Eingabe Don ©g. 93ranbeS überhaupt bie ©eine'fdjen ^oefien
gefunben fjaben — bie 3 fl b! Dc * betreffenben 2ieber roirb auf ca. 3000
gcfrf)cifct, unb unter tfjnen märe bar narf) „$>u btft mit eine Slume" 160 Sflal
tamponiert roorben. . . . 3m llebrigen aber erfdjeint es aud) fonft fjödjfl
merfroürbig (unb roarb jebenfa0& beim ©eine«3u°iläum im SDejember 1899
nod) lauge nidjt genügenb fjeroorgetjoben), tute fefjr ©eine — unb allen«
faß* aud) 33nron — gerabe unfere moberne ÖHtcratur nod) immer unb
immer beejerrferjt. (SWan barf nur niebt immer feine gottlob übermunbenc
monbfdjeinfüdjtige, bleid)roangige, trjränenfelige unb grabcSbufterc filebeS-
Inrif allein fjierbei im 8uge Iiaben.) Rein (Geringerer als Kiefeld)* befannte,
bafc ibmbtn r)öcr)ften begriff beS firjriferS juft ©einrid) ©eine gegeben babe.
Unoerfennbar liegt fein<5influf$ aber aud) &ci$ebmeI,ijfr5nbi8&erodh,3Sebeftnb
u. bergl. oor. %a, fetbft unfere möbe, franfe £6cabence mit üjrem ätljerijdj-
bleidjen $Ufir)cÜji8mu«, anberfeit« Subermann'Ä raffige €>aIomö, 2lb. oon
©olbfdjmiM'« „fromme ©elenen" • $arobie ober „troiluß unb (Srefftba"
in (5. oon SBoIjogen'S SDtüncrjener 99urle8f'(2nnrid}tung, ftc mären gar nidjt
benlbar geroefen of)ne biefen erften „Umroerter aller Sittcraturroerte" unb
orjne alle bie feefen Anregungen feines, bie eigene fflomantif burd) ffeptifct>e
Äriti! alöbalb tronifierenben, freien ©eifte«. Serfünbete ein ©oetfje bie
grofoe „€nntf)efe" ber ffieltlitteratur, fo mar e« fein beroeglidjer ©eift
roieberum, ber itjre feinere „Analnfe" (burd) geiftoode „flntitfjefe") begrönbett*
Unb blieb jener burd)au« übernational, fo beroegte fid) ©eine babei gleidjfam
international, fragen mir aber nad) bem „guten (Europäer", fo mar
©eine bag minbeften» bod) cbenfo fet)r alß ©oeteje.
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ein roefentlicf) neuer ©eift in'S beutfc&c Sieb. Unb felbft bei bem
fpäter fo bcfdjaulicfjen SRob. §ranj f)5ren nur ju Qcittn bett 3^9^*
fdu*ag unferer ©podje rote tljrcr „SReoolutionen" fd^on beutlid&er
rauften, machen ftdj jubem fcoffmann von gatlersleben, $ub. von
©ottfäall, 3ba §a&n*$af)n, «Marie Säger, SSctt^ $aoli, D. ftoquette,
SDlir5Q5©dr)affr} unb «Sdjröer als „Sebenbe" ftärfer bemerfltd). ©in granj
Sifjt roieberum greift unbebenflidj u. 31. bereits ju (Kornelius,
S>ta0flfteM, ficnwflfc, Söiftor §ugo, 3^ic^. ?ofcl, fteflftab, Söilbranbt
bei feinen (nrifdjen ©oben, unb ein 3lbolf 3enfen oermeljrt nod)
biefe Siftc buref) $aul £enfe, 3uliuö ©roffc, 9BiQ. £erfc, Söiftor
©d)effel, SRob. §amerling, 2l(b. Xräger, foroie 2ftoore, £ennnfon/
20. Scott, &cmans, §enrif £erfc unb $ufdtfin als Vertreter ber
2öeli=Stttcratur. — «Man ftef)t alfo Stritt für Stritt bie gegen*
wattige fy\t unb it)re lebenbigen Stimmen mit hereinbringen,
dementgegen roieber 3of)anneS SBrafymS gefällt fidr) orbentlidj in ber
„litteraturgebilbeten" Umfdjau bei feltenen Tutoren unb poetifeljen
(Sjperimenten — er f)ält nodj gletd)fam geiftige 23ilbungSnad)lefe,
in f)erber ©foterif unb mit einem leisten 9lnflug oon t>ornef)m
profcfforaler SBürbe. $)a fteHen fid) benn auf einmal nod) £öltn unb
§ölbcrlin ein, ftnben fid) ©octrjc'ö „^ar^reife" unb „^ßarjenlteb",
foroie ©dtffler'S „Sftänie" neben biblifdjen ©jjerpten unb antifen
©tropfen, altbeutfdfoe 83olfö?, Märiens unb üJltnneliebcr neben £iecfö
üftagefloncnsSHomanjen, SDaumer'S „§aftä" — biefer in nidjt weniger
als 54 dummem oon i&m juerft für bie 3fluftf genufct! — neben
üftiraasSd&affn, Gl. Sörentano unb ©djenfenborf, foroie Sllejiö, (Sanbibus
unb ßapper, ©imroef unb #alm, mit $aul §enfe unb <L Semtfe
gufammen: barunter mancherlei biß jur metrifdjen gineffe nafjeju Sßer*
fünfteltes; enbltd) aber aud) bemerfensroert (Slauö ©rott) unb £(jeobor
©torm IjcrauSgeftellt, bie inbeffen — ebenfo roie bie jroei ßütencron*
£ejtc (aus ber legten %cit, °P- 105 unb 107) — bei ifjm, bem
geborenen 9h>rblänber, roof)l mein* Ijeimifdj * lanbsmannfdjaftlidjen
Regungen benn innerer poetifefcer Nötigung ober gar „mobernen"
©rünben iljre ßompofition oerbanfen. Unb babei foüte iljm julefct nodj
baö 3JH&gefd)icf roiberfa^ren, feine berühmte muftfalifdje 3ntcrpretation
eines anberen Snrifers ber „Söktcrfant", bie beliebte „gelbeinfamfeit"
beä ^arfdjen;£id)ters £erm. SlllmerS, oon biefem felbft eines £ageä
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öffentlich als ein 9Jhfjüerftänbniö feiner Dichtung hmgeftellt ju fehen.
3a, ja — bie§crren Dichter haben boch manche „Eigenheiten" ju ben
mehr ober minber angenehmen ©igcnfdjaften ihrer „Eigenarten"!
Eigentlich bürften Dergleichen Erfahrungen unfere Stomponiften nicht
eben ermutigen, fuh mit lebcnben Tutoren abjugeben. —
Unb nun gebe man fein Sicht, wie mir bei weiterem gortgange
biefer unfem Unterfudjung in'ö 9tad)' Scfjumann'fchc, SRachsSifjt'fche
unb 9ßach--2kahms'fchc\ ja fclbft ^aeh^Bagncr'fche — fagen mir
junächft einmal: „neubeutfehe", Homponiftens^cgifter mehr unb mehr
fchon einbrechen roerben! SBoljl finben mir oon ©^amifTo, Sichern
borff, §ofmann d. gaüerßlebcn, gretltgratf), Senau, ©eibel, 2B. Öfter*
roalb, Sftücfert unb bcrgl. auch oa / f° Siemltch auf allen Stufen unb
in allen s #erioben, ebclfte bichterifche perlen in baß lautere ©olb
ber Sfluftf h^rlich gefaßt oor (oermist hob' ich biöt)er eigentlich nur
©iorbano Sruno, Dante, ©ünther unb Seoparbi), mährenb ftch ber ener=
gifchen SDlörif e^ropaganba £>ugo 53olf'ö (inforoeit nicht fchon bei ben
beiben 9lobertö: Schumann unb granj, ein fchöner 2lnfa$ baju oorlag)
eigentlich nur noch b'üllbcrt, 91. ßalm, &ug. Düringer, Däf. Strauß unb
21b. 2öaflnöfer oereinjelt angefdjlojfen haben. Natürlich treffen mir auch j
ba nrieber oon ©o et he, ©eine unb §ebbel eigenartige, feiten ober
noch gar nicht bcrücffichtigte £e£te an. 5lber Jefct ift eö mehr baS
^roblematifch 5 ©rüblerifchc baran, bie gebanfliche Seite, maß in
Sonberfjeit anseht; cor Willem auch 2lbfonberlia>93ijarreß, SombolifaV I
^ßhantaftifcheö, SIbftrufeß rote ^eroerfeß gleichenocife, maß unfere Stom* 1
poniften reijt, eö mit ben gefteigerten 9luöbrucfßmitteln ber ^onfunft
nachjufchaffen unb biefe Dichtungen roic „Spätlinge" ber Stultur,
mit einer erfahreneren ©eftaltungßroeife charafteriftifch neu ju paefen:
fo ©oethe bei b'2llbert, SB. Söerger, 2. Siech, $eier ®aft, §an§
|mber, Slahn, £crmann Seot, 9Iug. Düringer, £fchaifoioßfn, 3lb. ;
Söaünöfer, £. Söolf u. 21.; ©eine bei ftubinftein, 5lb. 3enfen, Dracfefe,
Ebü.®rieg, Sil. bitter, §crm.$ehn, ajlaj Schillings, 2öeingartner,2öolf,
£. Wfener unb gerb, ^fohl („Sallaben", „Sltta £roü", „<Pomare") '
u. Ä.; ©ebbet aber oon Kornelius, Draefefe, bitter, b ,s 3tlbert,
S3ehn, ©. frecher, gucf)ß, % (Saft, Stahn, SR. Souiß unb ^aj fteger in
burchauß interejfanter unb metft auch fehr marfanter SBeife. Mittlers
roeile inerbcn Dante unb Petrarca noch oon Sifat, Michelangelo
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oon ©. 2Bolf, Sfyafcfpeare oon ©ermann 33ifcl)off, 91. 3Renbelß*
fof)n unb ©ugo 2Bolf, ©ö'ltn oon ©anß Pommer unb S. oon
©außegger, 2a 9ftotte gouque, SRooaliß, ©. s ürnbt, ©etnr.
oon JUeift buref) SDraefcfe, Subioig £iecf oon biefem unb fluten*
fampff, 3uft. 51 cm er oonSBallnöfer unb SBolf, 3acf)ariaß SBertter oon
Slrnolb SRenbelßfolm, 93oron oon 911. bitter unb ©ugo 2Bolf, ©rill*
parjer oon 8. o. gielifc toirffom na$gefdjoben. @ß folgen JUopftocf,
23ürger, ©erber, 93urnß, $laten, SDlofcn, (5. oon poltet,
oon (Ballet, ßopifd), Hnette $)rofte*©ülßf)off, gr. ©ofmann,
Singelifa Kaufmann, ©regorooiuß: bei SRidjarb Strauß, 9lrn.
Üftenbelßfofm, ©uftao 3Jlaf)ler — oon ©außegger _ oon 33üloto,
£racfefe unb SR. ßaljn — 2B. Serger, sRcifcel unb ©. ^Pft&ner —
g. Ifctttefcfe unb 28. Äienjl — ©ermann Sifcf)off; ©ottfrieb ßinfel
je einmal bei SDraefcfe, gud)ß unb @b. Saffen; $>aumer (©afiß) roieber*
Ijolt nod) bei ©erm. 33ifcf)off, $cter ©aft unb ©ernßfycim; gran^
©orn unb SRob. Sßrufc bei 3Draefefe, le&tercr außerbem audj bei ©aft,
ßaf)n unb Sd)umad)er; 9Ilfr. Meißner je einmal bei ©. oon 23ülo:o
unb 2)raefefe; 2lnaftafiuß ©rün neuerbingß toieber einmal bei flienjl unb
D. $ofer; ©. oon ©Um meljrmalß bei SDraefefe, o. gtelifc, Saften unb
9i Strauß, ©. Seutfjolb ift oon SR. Äafm, Scanber (SR. oon 93olf*
mann) oon ©uftao 3Jiar)lcr r üftoriß ©artmann oon feinem fianbß*
manne 3of. 23. goerfter einmal aufgegriffen roorben.
3mmer bebeutfamer mirb nun bie (Snttoicffong, je weiter mir gegen
baß neuere Seben ju fortfdjrciten. £a fcr)cn mir j. — um junäc^ft
nod) bie namhaften £oten ber legten 3 e ^ e^rfurd)tßooU SReoue
paffteren ju (äffen: einen ©ottfrieb Heller (außer fdjon einmal, ju
Scbjcitcn no$, oon 93raf)mß aufgenommen) ganj neuerbingß aud) bei
©anß Sommer, ©. SSolf, neueftenß nod) bei g. SBeingartner, 9lb.
Sanbbcrgcr, Dtfycgraoen unb gritjßocgel auferftefjen; Äonrab gerbinanb
SWener treffen mir — außer bei ben jioei 3Reoers3itterpreten par
excellence: ©ermann 23cfm unb ©ermann 3 um P c — überbieß bei
b'Sllbcrt, «ifa^off, SDraefefe, gud)ß, ©aft, ©aHioadjß, 6. oon ©auß*
egger, SR. flafjn, Sotljar ßempter, g. Jtoegel, SJtorfeeß unb 3ul. SBeiß*
mann in oielfad) fefyr feinfinniger 2Biebergabe an. 2$. 6 tonn ift bei
!Rub. 33ucf, gua^ß, o. ©außegger, Äoegel, 9lm. iUlenbelßfo^n, SR. 3Jiorß,
Otto SReifcel, SBaOnöfer, 2öeingartncr unb üumpe noa^ oorjufinben,
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Glaus ©rotf) bei 3. ®rimm, 9Irn. s ITlenbclöfo^n unb 3Jlar Sieger (außer
fcfyon früher einmal bei %x. ^iejjfdje) oertreten, 3$. Fontane (foiueit id)
roenigftens feljen fann) merrnmrbigenoeife nur erft bei ßoegel unb Turins
ger fjeimifd) getoorben. ©inern Wob. §amerling begegnet man fobann
bei b'3ilbert, goerfter, Senfen, Äienjl, Soffen, fteger, grifc Steinbock
unb SBetngartner; bem ©rafen oon Scfyacf (au&cr oorübergefjcnb
fa^on bei Prahms) beiSlnton 93eer, Sllb. gudjs, ßafjn, 9i Straufc u.2l.;
3- ©. gifc^er, bem fd)roäbifcf)en Snrifer, bei SDraefcfe unb guefcs;
23obenftebt nodj bei Sracfefe u. 91; Söiftor oon Steffel fjaben
einbrucfSootl oertont: abermals SDracfefe, bann §ugo SBrfufler,
dt. 33ucf, 3*nfen, pübbemann, Sieger, §. Giebel, Sommer, 2Baü=
nö'fer unb Sßolf (bie jafj(reid)en „£rompeter*2teber" bes großen
SurdjfdmittS hier, wie billig, mit Stillfchroeigen übergangen);
Äarl Stielcr mieberum fteinfj. SBecfer, 20. öerger, Sörfter,
gudjö, Sieger, Sommer, lug. Strabal, Schillings, 2. Shuttle, SßaUnöfer
unb SBeiömann (auch ^tcr bie minberroertigen „@lilanb M =©cfängc,
roo nicht gar *„@nflen", beren 3 a hl woftl Segion, oöüig ungenannt
gclaffen); $eter Cornelius enbücb — als oollbürtiger Snrifer roahrltch
nicht ju unter fdjäfcen! — Kornelius fclbft, £raefefe, Saffen, Äurt
Meters, 91 bitter, fein Biograph Sanbberger, &ans Sommer unb
^ermann 3 um P c -
Unb nunmehr noch einen legten Schritt, ju ben berjeit Sebenben!
SDa |at ftdj benn 2B. Sorban, $r. Spieltagen, ©rnft ©efftein,
@. oon 2Bilbenbruch: Sans Sommer, Carmen St)loa (toenn
anbers mir bei biefer oon föücfauf, Dsfar Strauß 5öallnöfer unb
Sßeingartner l)ier einmal abfegen wollen) Sommer unb 9lug. hungert
anfebeinenb fpejialiter unb prioatifftme auSerforen, währenb bem
greifen Hermann Singg (nach SBrahms) SDraefefe, ftafm, ^p^ner,
@. ^roljaöfa unb Steinbach, einem ^ermann 91 II m er s noch Willibert
unb Äafm ihre tonfünftlerifa^e ^Heoerenj matten. $aul §enfe
feinerfeits ftellt ftch bei % Kornelius, o. ^ielifc, %u&, $eter ©aft,
Rafyn, ^ftfcner, 9llfr. SReifcnauer, §. Sommer, $ugo SEBolf u. o. X.
ein (namentlich auS bem „3talienifchen" unb aus bem gemeinfam
mit ©eibel herausgegebenen „Spantfdjen ßieberbuche" marb oft unb
gern entlehnt, locfte bodt) ber befonbere $eij, fykt jugleich National*
charafter unb Sofalfarbe mit ju geben, ioas natürlich bem ©inen
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bcffer, bcm SInberen minber gelingen mochte), einem SIbolf
SBilbranbt nrieberum hat ©eorg ©ö'hler 35 Uebertragungen fleiner
inbifdjer Siebten, jumeift fchtoermütigen £oneö, entnommen. üftartm
©reif erachteten bisher leibcr nur erft Söalbemar o. SBau&nern,
o. §auöegger, Stoegcl, Söeiömann unb Sßetngartner als beö Storni
nierenö roert; 9Irtr)ur gitger erlernt nur burch Soffen repräsentiert
— roenigftenö ift er mir fonft nicht aufgeflogen; Äaftrop gilt
als ein ßieblmgöpoet oon b'^llbert, aber auch SöaUnöfer unb SBein*
gartner haben ftdt) mit it)m gelegentlich raohl befaßt. §anö o. §opfen
unb &ieron. ßorm mürben je einmal oon ßogel besto. SMnö'fer
unb 3of. Leiter bebaut; gerb, oon ©aar unb ©tept)an 2JHloto
befonbers oon 3of. Leiter, gelir, SDahn fobann tritt frifchbelebt bei
Sllb. guchö, ^ßlübbcmann, bitter, ©ommcr, aber auch bei b'SUbcrt,
©utheil, Sieger, 9t. ©traug ^eroor; $ub. SSaumbad) bei SDracfefe,
(Saft, Zahler unb ©dwmacher; 3ul. SBolff bei ©utfjeil, Dtto 8eß*
mann, ©trabal, ©chumadjer, 5ßalluöfer unb namentlich ©ommer
(bcr biefeö gelb befanntücr) mit befonberem ©lücf bebaut fjat).
3flar, ßalbed erfdjetnt als Snvifer burd) (öraljmö unb) b'&lbert
in baö $etd) bcr £5ne eingeführt — meldt)' legerer ßomponift
ftdt) auch einmal um Wob. SBalbmüller'ö ^oefien angenommen
hat. Weiterhin fanb 3Jto£ §auöhofer (nebenbei bemerft: ein
oiel $u roenig gefanntcr, überaus anregfamer Gljaraftertopf auö
einer ganj eigenartigen SHcgion unfercr Sitteratur, too ftc3t> $nper«
tropfte ber SRomantif in einem philofophifchen ©emüt ju ebel*
fd&önf)ätatrunfener ^t)antaflif geftaltet) — in g. ?fo!>F« „©irenen*
liebem" (aus ben „Verbannten") unb bei SBalter $ejjet (ßieber aus
bem „©roigen 3ubcn") eine gute ©tatt. Unb enbltd) nennen mir
noch, nteht fummerifcf): 2öilh- 3enfen bei o. gtelifc, 3ul. ©roffc
unb % ©chcrer bei SBaflnöfer, §. ©eibel bei £ugo Äaun unb
21. o. Othegraoen.
©clbftoerftänblich finb erft recht auch Viftor Slüthgen, ßarl
®erocf, ßubnrig Sßfau, 3uliuS föobenbcrg, grg. Xaoer ©eibl,
ber ©raf ©trachtoifc, 3oh<*nneS Trojan unb örnft 3iel ba unb bort
fomponiert toorben. hingegen cntftnne ich mich nicht Glaar, 3-3.3)ooib,
SDranmor, @tchrobt, Sllice oon ®aubn, ©rasberger, 3folbc ßura,
Pchler, £t). ©ouchan, «ierobt, ®. Galling, SßaUpach ober ft. &°b''
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mann in ßiebcrn befanntererßomponiften oorgcfunben $u haben, toäbrenb
natürlich bie SRtttersbaufi, SRoquctte, ©türm & in SJluftfnoten faum
mehr ju galten toaren. 9We§ in Willem ober crfcnnt man toobl aus
metner bisherigen 2luf)Mung, ba(j es (tcb innerhalb ber julefct be*
fchrtebenen ©nttotcflungspbafe muftfalifdjcr Snrif im 2öefentlicben noch
um bie gut eingeführten, altbewährten tarnen unter ben
neueren SDidjtent, um biejenigen, beren (Erfolg jum SöorauS oerbürgt
erfdnen, nur erft gcbanbelt t)at; tote benn auch biefe bereits allgemein
anerfannten (Drögen ber beutfeben Sitteratur oon unferen ßompontften
barnadj ganj reblich ausgemünzt toorben ftrtb. $ieS alfo märe julefct nur
fo eine 9(rt oon ^Durchgangs* unb UeberlcttungS*?kriobc geioefen.
9hm aber fam — „SBalpurgiSnacht", folgt erft ber rote „toaljre
3afob" mobernfter, fjnpermoberner -ifteu*8itteratur: ba& feefe hinein*
greifen nunmehr in bas (Zentrum bes nod) nia)t in gleichem 90la&e auch
erprobten Sinterlagers unb Sftenfchenlebcns, aus bem grünbeutf djen"
unb „ultraoioletten" SBinfel heraus! „WcbtS ^eiliges ift mehr; es Iöfen
fict) alle SBanbe frommer ©d)cu" — gegenüber ben ehrtoürbigen,
burch ihr Sllter fcr)on getoeifjten „ftlaffifern" ober ben üielgefdjäßten
„ s J*omantifern", unb nur „errötenb folgt man itjten freien ©puren" :
fo toirb ^ier toobl manch' ©iner, toic berjcjt, bei ftdr) benfen; ff baö
9teue toirb nun gar $um teuften unb totfl ftdr) getotfe balb grenjcnlos
gegen uns erbreuften": fo werben nicht 2Bemge, furchtfam flc§ be*
freujtgenb, l)ier argtoöbnen 9tun, f o fcblimm ftebt es bamit ja
toobl noch nicht! @s märe nur eben, rein ebroniftifeb, getoiffenhaft
hiermit feftjuftcllen, ba& — fo toeit ft<& bie ©adje bislang oer*
folgen lägt - oon ben allermobernftcn Snrifcrn (mit ganj oerfcbtoinbenben
unb nicht unbegreiflich erfcheinenben Ausnahmen) fchon heute faum
ein toichtiger, ju biefem %tyma trgenbtote in Betracht fommenber
3)ichtername mehr unbeachtet geblieben ift. 3ch oermtffe bisher oon
ben befannteren tarnen eigentlich nur noch ß«*t Slram, ^ermann
Gonrabi, Start Sletbtreu, 9D1. SDautbenbet), $elir, Sörmann, Otto galcfen»
berg, Gäfar glaifcblen, @b. ©rifebacb, 2ft. belle ®rajie, Sßalter Harlan,
«ßetcr §itte, 3». Sentrobt, STt). Singen, St. Martens, 9Kabelaine, 3lba
9kgri, 3K.*m. ftilfe, §.©alus, ©ebeerbart, 51. ©pitteler (g.Sanbem),
fotoie benSauernbichterßh^Sßögncr — auger ben prioilegierten„9Hnftis
fern" unb „©nmboltften": toie ^ßeter Ittenberg, o. ^ofmannsthal,
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9f. ©chaufat unb ©ruft ©djur. 2)odj mag bas ohne SBcitcreS aud)
an mangelnber Ucbcrfchau nur liegen, ba ein (Sterblicher ja nun
einmal nicht alles miffen fann. Unb fo bin ich benn in ber £(jat oon
vorneherein überzeugt, ba§ bei weiterem emjigen SRad^forfc^cu noch
gar mancher 9tome oon biefer „Sifte ber Vermißten" wirb geftrichen
werben fönnen — ganj abgefehen wteber baoon, bafj ja auch nicht ein
jeber oon il)ncn als Snrtfer im eigentlichen 6inne nrirb gelten bürfeu.
3a, oiclleicht r)atte ia^ frö^ mich bereitö bahin ausfprechen fönnen,
bag nachgerabe fcr)on balb feiner mehr mit Stompofttion oerfchont gc*
blieben ift. üttacht es boct) nicht feiten genau ben (Sinbrucf, alö ob
nicht etwa tieferes ©inbringen, ein wirflich ernftes S3efaffcn mit ber
jeitgenöffifchen ^robuftion ober gar eine perfönlidjc Parteinahme für ben
unb jenen ihrer Gharafterföpfe jur Vertonung geführt hatte. 9Jfrm be-
obachtet vielmehr ba unb bort mit faft beluftigenber SDcutlichfeit, wie ein
£ejt nur eben im engften greunbesfreife oon §anb ju $anb gewanbert
ift, weil gerabe irgenb eine bemcrfenSmerte Äompofition feiner SBerfe
aus bcrfelben ©efcllfcbafts* unb SßerfchrS - (Scfe bei einem Snbern
gleichfalls Meinung für ihn erweeft hatte. Unb eine intereffante
SDoftorfrage mürbe es barnaef) eigentlich bilben, aus ben äußerlichen
Slnjeichen rücffdjliefsenb heraus jufinben, mer oon ben gemeinfamen
5lompomften ein unb besfelbcn Siebes ba roohl ben Seithammel für
bie ganje beerbe abgegeben hat. ©eltener {ebenfalls fa>n, baß mir auf
eine tief innerliche Anregung, mit bem unüberwinblichen 3^ongc
geiftiger Sßahfoerwanbtfcbaft, hierbei ftoßen, wie fie j. 33. einen
©chumann feinerjeit mit bem StebeSfänger SRücfcrt fo innig oerbanb,
ober einen 9tob. granj mit bem ^olfswcifcnbichtcr 2B. Dftermalb,
§ugo 2Bolf wieberum mit bem queUflaren unb boch wieber fo tief*
geheimen Sftörtfe harmonifch jufammenführte, £. $fi&ner aber (nach
*ß. 9c. (Soffmanns wertüoflcr ©tubic in ber „©efeflfehaft"; 1900, 3uli*
Sluguft) auf 3of. t>. (Sidjenborff r)inrüteö. £>och, wir hoben unfere
Tabelle tycv noch 5" oeroollftänbtgen. —
9llfo — um ^unachft gleich ein wenig oom lieben, in mobernen
fingen nun fchon einmal „tonangebenben" 3luSlanb oorwegjunchmen :
Um 3bfen (beffen ©ebichte, bie „$eer ©nnt'^ufif unb „$as ^eft
auf ©olfjaug") höben ftdj junächfi feine SanbSleute ©boarb ©rieg
unb 2B. (Stcnhammer, um bas le&tgcnannte 3)rama in SDeutfchtanb
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£ugo 2öolf unb $anfi $fi&ner (auch noch ßarl ©olbfchmibtj oetbtent I
gemalt; bcr erftgenannte nortoegtfchc ßomponift §at jubem noch |
Sjörnfon, 9lrne ©aborg unb 5t. 2Runch (neben ?kutjfen 2c.)
toteberfjolt in recht bemerkenswerter 2Beife, wenn auch mehr im <Sd)iu
mannten £one, für bie 5Jiufif erobert; um &olger SDradjmann ftdj
früher fd)on grj. Gurti, neuerbingö 31. oon 3 c mlinöfn banfenötoert I
angenommen; um ben SDäncn Gfu\ SBinter fid^ bcr junge Sauer SJlar
9teger bemüht. SDafe felbft ©rnile 3°la (mit Dpern oon 33rüneau)
in bic £onfunft überging, r ^ßt)iltnen'ö ©d&uhe" oon 9llfonfe Raubet
burch $anö (Sommer, $aul Verlaine burcr) Gonrab ^nforge unb Sflar
$cger, ©iraub'ö „Pierrot lunaire" (in Otto @rid£) ^artleben'ß
feinfühliger Uebertragung)burd)g.^Pfo^rö abfonberliche „9ftonbronbcÜ3"
(beiläufig: ein ungemein charaftcrtftifcbcr Beitrag ju einer 9lefthetif „93om
9JiuftFalifd^33ijarren'')/ Stücfe enblich oon $icrre Soti bureb — ich
roeifc nicht mehr roclcr)en beutfdjen ßomponiften mit Spürfima auf-
gegriffen mürben, unb Sebuifn Tief) fogar an SJcaetcrlincf tyran*
iragen null; ba& ber 9ftcberlänbcr Sftultatuli (üDoroer SDefter),
b. f). oielmehr fein rübrenbeö s Dlalancn'-@cbtdjt oon bem Siebcöpaar
,,©ai'biah unb 9lbinbha", in Ghigen Sinbncr befonberö feinen toarmen
unb berebten Jlmoalt fanb unb Gabriele b'3lnnun$to feinen
Interpreten toieberum in 2ßaj föeger; ba§ ber Ungar 3ocfan fdjon
oon feinem Sanbömanne grj- Sifet oertont toarb, bie flaoifdje ^Joeftc eines
S3rc ^ücf t) unb (Seladjoroöft), au&er burd) 3°- 3^4/ our( ^ oen
empfinbungsreichen Präger 3of. 23. görfter, ber *ßole ^ßranbnSjetoäft)
burch ben feinneroigen ©onrab 3lnforge fich tonfünftlerifd) toohl oer*
treten finben, ber hochbegabte ©. frecher ferner oon bem gefährlich
fü&en ©ift ber (öejerfa^cn) „9lfcnjeff"* — lies: Slrfenif* —
Sieber ju foften, trofe feiner Sugcnb M nicht Meute; ja, ba§ fogar
ber affetifche ©raf £olftoi (auger bei Sifet) in einem ©efang oon
£|d)aiforoöfn foioic in einem (SnttuS oon 9iooa<?ef als Inrifcher $oet
auftritt: baö 2lllcö mag ja an biefer ©teile lebhafter mtereffteren.
*iludj auf ©nrico SSoffi'ö bemcrfenStocrtc „Canti lyrici" foll fyet bie
9lufmcrrfamfeit fjingclenft werben. 3m Ucbrigcn jebo$ mufe ich felbft
meine Kenntnis oon biefen auswärtigen SDingen (bic ich in mein
£hema barum auch nicht eigentlich mit einbezogen habe) als eine j
höchft lüefenhafte ganj rücffjaltloä bezeichnen. Letten mir uns ba^er
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lieber rafdj auf toohlbcfanntes (bebtet; benn rostiger unter allen Um*
ftänbcn, rocrtooller auch fehon für unferen befonberen ©ebanfcngang
müffcn uns guocdäffigc Angaben über bie beutfch'mobernen Sßerbältniffe
bleiben.
2)afj t)ier 3iid&arb ©traufj — ollen 5lnbercn fc^on feit Sauren
um Haupteslänge oorauf! — mit Sicrbaum, oon 33obmann,
Suffe, SDchmel, galfe, &art, &cncfeU; oon Silicncron,
3of. Sinbner, ©hr- 9ttorgenftcrn, infonbcrt)eit aber als Spraa>
roljr Sflacfao's bie gü^rung mutig übernommen, bas hatte ich
fchon im jrociten ßaoitcl an cntfchcibenbcr ©teile furj $u berühren.
9ttcf}t, alö ob er nicht aud) bie Weiteren unb ganj 5llte d^arafteriftifet)
$u erfaffen roügtc — im (Gegenteil, feit er ftdj im mobernen „Sturm-
(unb $>rang--)lieb" als „Söanberer auf ber Grrbe SHücfen" orbcntlieh
ausgetobt hat, fcr)eint er fogar für ßlafftfcr unferer Sichtung (bis auf
Schiller, $erbcr unb ßlopftocf &urücf) in neuerer Qtit, unb jroar als
ber (Seift oon tiefer SBilbung, ber er ift, nod> ctioaS übrig ju
haben. 3a, felbft auf bie klänge aus beS „Knaben SBunberfjorn" t)at er
äulefct häufiger, mit neuromantifa>offenem Dljrc gelaufdjt. OTerfioürbicj
aber bleibt bei ihm immerhin, bafe er oon bem eigentlichen Anreger
unb geiftigen 9IfmI)crrn ber mobernen Snrif, oon bem großen Zentral*
geift alP biefer Strömungen griebrid) 9Hc§fche, rcinslnrifd) nichts
weiter aufgenommen r)at — roenn anbers wir oon feiner, allerbings
auch etn SDufccnb Snrismen auftoiegenben „3^at^uftra"=^:onbic^tung
(oon ber nur fd&on bes ©inge^enben gefprodjen) hier einmal oöUig
abfegen roollen. 9ftd)t minber auffällig ift übrigens auch, bafc unter ben
zahlreichen ßompofittonen bes langjährigen ^iefefche Jüngers unb
sgrcunbcö $cter ©oft fid) Feinerlci 9fte6fdjes£ejt oerjeichnet finbet.
SDafür haben 9ftc&fd)e freilich Slnbere bereits mehrfach aufgegriffen,
fo grofc bas 2öagnis an fidt) 100hl mar, biefes dichter = ^()ilofophen
iieffinnige 9lätfclrunen ju entziffern unb fein UrperfönlicheS in
mufifalifche Snrif refler/ionslos umjufe&en. So j. 33. mürben oon gr.
S^ie6fd)e , ö Biebern unb ©ebidjten, mit mehr ober weniger gutem
(Belingen, bislang fomponiert: eine 9teir)c feiner 3ugenbbid)tungcn
(„üttailtcb" „^eimmeh", „$u haft gerufen, £err — u unb „$cm un*
befannten ©otie") oon bem jugenblichen 2Beimarcr £onfünftler ©mge;
„Der 2ßanberer" oon eben bemfelben @mge, 2ö. 3orban unb &ans
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$ogge; &erbft" oon ßugen ßinbncr; „2)ic fromme 33cppa"
unb „©ternen^nrnnuß" oon Qorban; „Siebeßerflärung" unb „2)id)tcrö
Berufung" oon gr, ftocgcl; „9ln ben Sfliftral" oon Sßogge; „Pia
caritatevole amorosissima!" oon 3orbon unb 3of. ©$mib;
,Sad) neuen beeren" oon 3orban, Stocgcl unb ©. Strug; „3flein
Olücf" oon ®. Ärug unb gr. flögel; „SBeretnfamt" oon gr. flöge!,
@. 5trug unb @rnft Söaefcr; „Sßenebig" oon ftoegel, ftrug unb
?ogge; „£ie ©onne finft" oon (Sonrab9Inforge, 3orban, ßinbncr
unb $ogge; „9luf)m unb ©nrigfeit" (4.) oon §anß $ogge; cnblidj
brei ©tropfen aus bcm„9kcf)tliebe" 3aratf>uftra'ö oon 2lrn.2)lcnbels*
fofyn. — 3$ glaube annehmen ju bürfen, ba& biefe Siflc baß 93e*
ad&tenöroerte enthält unb nichts irgenbroie 33ebeutfameß mef)r oerfc&toetgt.
©obann ift SDctleo oon Silicncron nodj aufgegriffen toorben:
oon <S. Slnforge, öaefer, o. ^paußegger, ßampf, üftay Sttarfcfjalf, I
2Bilr)cIm Sttaufe, (5. D. Stobnagcl, s £ft&ncr, O. ^ofer, s Jleger, SBallnöfcr j
unb („33rubcr Sieberltd)") oon Äug. ßubioig; 91. SDefjmel: oon
5Inforge, SBaefer, ^ermann 33ifd)off, o. $außegger, §anß ^ermann,
g. ßögel, §ugen Sinbner, SR. 8ouiß, Sftarfdjalf, üftaufe, Dito Naumann,
9iobnagel, §anß 9ftid)arb, ütt. Stöger, 2. Shuttle unb 511. oon 3cmlinßfy;
Otto 3uüuö Sicrbaum: burdj SBacfer, o. gielifc, Dßfar grieb,
o. &außegger, 2Jlaufe, SReger, Sftdjarb, befonberß aber £fmiflc u. ST.;
©uftao galfe: burd? 3Iug. ßlugbarbt, SRaufc, Sieger unb Slrtfjur
Sßulffiuß. 9Inbcrß hingegen liegt bic ©ad&e bei Stefan (Scorge, ber
— fo oiel mir befannt — bißlang nur erft oon (Sonrab SHnforge
(buref) biefen allerbingö fd)on mit 9 ©efängen) in 9lnfprud) ge* \
nommen toorben ift, toic aud) eine frappante Spezialität biefeö
ßomponiften bic nirgenbö fonft angetroffenen „©nmboliften" Älfreb
SRombert unb 2). ©. SRofettt oorftellen. Iber felbft D. &
fortleben erföcint bißf)er erft bei Sieger. ©. ©onrab, 2».
oon (Stern, 20. SCßeiganb unb 23runß — aud) oon Söafeboro,
§. Senjmann, 23icnenftetn, 8. SRafael (ben aufeerbem nod)
<L Somborn fieb erforen), 2B. oon ©d)olj unb SBallotfj rourben
allein oon 3flaufe oertont; einige ©abritte toeiter, unb mir geraten
auf: flarl $cncfell (au&er bei ©traufe) nur noa) bei Naumann unb
SBallnöfer; bie Sörüber £art bito bei SBifdjoff unb s Jlub. S3udf; 3of)n
,^cnrn 3Racfat) in ^eroorftedjenber SBeife iciebcr bei Sifa^off, aber felbft
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bei bem in biefcm „anardn'fdjcn" Greife fonft nidjt eben fjeimifdjcn,
weil trog aller oorübergcfyenben „$lain"*2In!üanblungen bodr) erf)eb(td)
ga^mer georteten b'Slbert; ©erfjart Hauptmann bei ©. ©ermann
unb 9ft. Äafm; 5tarl 23uffe fobann bei ©ermann, ßaun, Sinbner unb
SJfttufe; (5m. o. 23 ob mann nod) bei 53ifd)off unb grieb; ©. o. 3^ebcr bei
©. s Jüdjarb; ^rinj SdjönaidM@arolatl) roenigftens beim Sanbgrafen
SUej. grtebrid) oon ©effen, bei ©. Äaun, ßinbner unb Sßeingartner;
gerbinanb Sloenarius totrflid) mobern nadjempfunben nur bei 3of.
33. görfter unb 9i SouiS (eine ©rioäljnung oon Sßaul Ilmlauft,
Döring, <8d)arf mag f)ier roenigftens nidjt ganjlidf) unterbleiben);
<5buarb 31 In breimat bei einem geioiffen, mir nod) nid)t näfjer
befannt geworbenen ßarl ©lacfer; 3. Sacobfen je einmal
bei 23ifd)off unb SdjtllmgS; granj (Soers bei Gonr. Slnforge, 33aefer,
S3ifdt>off unb SRubolf ©ans; granf SBebefinb, ben fdjledjtyin „ s JtuaV
lofen", abermals bei 53i[cr)off unb bem Seipjigcr ©uftao 23red)er;
Subnrig 3acobomöfn bei b'Sllbcrt, ©ermann, $laufe unb 3of. Sduntb;
23obo Sßilbberg bei 2llpf)onfe Maurice unb %. H. ©ei&lcr (mW
Sefctercr audj einiges oon bem ju Unrecht oielocrfannten SJiar. ferner
ocrtrauensootl in 9Jlu(if gefaxt fjat); S3runo 2öille, So^anneö €>d)laf ;
Slrno ©olj, (5r)r. 2ftorgenftern, 2ß. Slrent, 91. (So&mann, O.
(Srnft, 23. ©arbung unb ©uft- s Jlenner ber 9tcif)e nad) je einmal
bei ftf). Schäfer, 33aefer, Slnforge, ßienjl unb Stoltenberg, ßafm unb
SRegcr, ^obnagel, ^ftgner, Sdjtllmgö unb Pfleger, 33ifc§off, SouiS; cnblid;
SHidjarb 9torbf)aufen bei ^ß. ©aft unb (5. ©leiß, ©erm. Söogcler
bei @. oon Storf()aufen, 3amcS ©run bei ^ßftgner. SDer nadjge*
nannten Mieterinnen ferncrer^in: 2lba (Sljrtften, s Jücarba ©ud), 3Jlaria
Sanitfc&ef, Liberia oon <ßuttfammer, griba ©djanj, 3lnna
bitter, SJiarieStona, SlnnaSllie, ©elen3immern unbS.SÄnbreas*
(Salome Ijaben ftdj tonfunftlerifd) angenommen: ÜEBeingartner, 23ucf
unb D. ^ofer, SBaefer, gel. oom SJtatf), g. Sßfofjl, SKeger unb oon
9Bitti& $cter ©aft, ©. 23rec$er, foroie griebrid) «Riefcfc&e felbfteigen.
• Unb follte oon ben angeblichen „93auern*2)id)tungen" einer 3of)anna
3lmbrofiuö im @rnfte weiter nodj gar nichts feitenS „gefd)äftiger"
Äompomftenljänbe am$laoier,,oerbrod)en''toorben fein, als bas gelegene
lid)c 9i tief auf - ober Tl. *ßern*8ieb? SSare aus btefem populären
SReoicr urirflid) alles im „ftiden Kämmerlein" befd)eibentlidj oerblieben?
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2)od) roof)l faum &u glauben! — SBoflenben roir furj, um biefe ftattlicfjcv
rein litterarifdje 93lumenlefe nunmehr enbgtltig jum 2lbfdjlu§ ju
bringen, fo bliebe allenfalls no# ju fagen, bag $eter ©aft: je einmal
51. £>ejd, 9tnt. Dljorn unb ÜH. 3erbft, Söolbadj: &uggenbetger
unb2ßelten, SlrnolbiDlenbelsfofm: ^ermann SBette, 2)laj Soiocngarb:
SHubolf £cr$og, foroie §ermann 93tfd)off: hineilt, 9R. Sdmmadjcr:
3ul. Stinbc unb ßaun: ß. aKüßcr^afiatt (alfo Vertreter
ni$t eben beS mobernften ©enreö) gelegentlich oorgenommen r)aben;
bag es ^einrieb ©d)am, geborenem 9$ubor unb Dr. phil. a. 2).,
oorbefyalten mar, feine eigenen 2)i$tungen (an bic roegen Ueberfhifc
an $oeftc*9Dlangel roacjrfd^emtic^ fein Slnbcrcr herangehen wollte) fchliefc
Her) felber in £öne ju oerfefcen; bafj neuerbingö — nach bem Sßorbilbc
non ^ßeter Kornelius — einige rege Talente erftanben finb, bie
nicht nur, nrie j. 33. ©g. Stoltenberg ober gren^olb, bie 93er* !
cinigung non „2öort unb 2Beife" im mobernften <Stnl burdj eine
Slrt 2Bagncrifo)er ^erfonal * Union im „Singen unb Sagen 1 ' an-
ftreben, fonbern fogar aud), nrie j. 93. ein §err 93runo ©ran ich*
ftetten, per) barauf oerfteifen, baß alfo ©ntftanbenc „auf ben
glügcln beS eigenen ©efangeS" aud) nod) burdj bie Äonjertfäle ber
mufifalifd)en §aupt* unb ^Rcfxbcnjftäbtc fort^ ober richtiger: cor*
jutragen
Jam Batis, superque! 2ttag fold)' trodene öufjäblung ja an
ftd) tncHeidjt roenig furjraeilig berühren — ich benfe bodj, ben s Jlei$
ber Neuheit wirb man biefer Setradjtungöroeife nicht mohl abftreiten
bürfen. 3 uoem f ann ©ineö baran bem gefragten Sefer unmöglich
entgegen: bafc nämlich in biefer, nunmehr burdjaus nach linfs ,
graoitierenben 5lufftellung genriffe oermittelnbe Talente, beftimmte, ein
unentfdjieben Juste milieu" gerne noch einfjaltenbc Stomponiften*
tarnen überhaupt, gar nicht mehr figurieren, anberfeits
biefe Einführungen auch roieber ganj frembe, unbefannte 9leu*
©rfdjeinungen nod; ergeben unb nrieberum einige oon ben bereits
früher geftreiften ju oerftärfter Slnjabl nunmehr oerbicrjtet haben.*) @s
*) Um e« fürs nod) einmal in 3iffcrn ju oergegenmärtigen: 9(n ber
©pifce berjenigen Äomponiften, roeldje fiä) mit J)id)tern com aOermobernften
Äaliber etngelaffen Imben, [dritte barnaef) 85iilf)elm SRaule (mit 16 Diajtec»
namen) — man ftef)t, biefer nimmt ftcfj ber in Siebe ftef)enben ©ruppe
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mu& fomit eben bod) ein rechter SßettersSBinfel geroefen fein, aus
bem fid) uns ba jenes fräftige ©croitter foeben entlaben unb fo reiche
(Shrnte gezeitigt hat! 3a, es erfd)eint nun fogat angezeigt, nodjmals
fleißig Nachernte 51: galten, um auch bie bisher etwa nod) tüd)t
aufgelesenen unb fortierten grüdjte glücfüch unb wohlbehalten gar mit
einjubringen. 9lls foldje, burd) ben bisherigen ©ergang unferer
Unterfuchung mangels näherer SDetailS noch nicht aufgebrachte 9taa>
lefe märe benn hiermit fnapp ein runbes SDufcenb oon geitgenöffifc^cn
einigermaßen Dezernent, beinahe fd>on mit ufurpatortfdjem (Sifer an. <5rft
bann fäme ber eigentliche „Urheber* biefer SRobern • Bewegung unter
unferen jeitgenöffifdjen Sieberfomponiften: 9Md)arb ©traufj (mit 11), unb
btefem roieber fdjlöffen fid) aunädjft <£onrab «nforge (mit 10) unb fcermann
SBifdjoff (mit 9 £id)tern) an. ©S folgten alSbann, ber SRetfje na<$: 3»aj
Sieger (8) unb (SrnftSaefer (7); $anS ^ermann unb (Jugen ßinbner
(je 4); $eter @aft, ©iegm. oon §auSegger, $. $fifener, ©an»
9füd)arb, <5. O. »obnagel unb tt. SouiS (je 3); ®. Sredjer, 9t. Surf,
D. grieb, 3of. «. ftoerfter, SRar. SWarfdjalf, «in. SRrnbcUfo&u,
Dito Naumann, 5. $fof)l, SRaj ©Willing«, 3of. ©djmib, Subroig
SljuiUe unb SHej. 0. SemlinSfp, baju nod) b'SIbert, Äaf)n, Äaun,
ü=r. ftocgel, D. }*ofer, grifc Solbad), SBallnöfcr unb g. ©ein«
gartner (je 2), roäfjrenb «Iej. ftriebr. oon Reffen, (5mge, o. gielifc,
©anj, ©eifeler, ©Iaefer, ©Itifc, Zorbau, Äampf, fttenjl, ftlug-
rjarbt, ftrug, fiubroig, Maurice, $ogge, 00m ttatg, ©djäfer,
©djumadjer, ©omborn, 0. ©toeffjaufen, Stoltenberg, 0. SSittid),
SBulffiuS (mit ie nur einem) fonad) ben Sefdjlufc machen mürben. $atürlid)
oeränbert fid) ba« Silb nod) roefentlid), roenu man nid)t bie tarnen ber
$id)ter, fonbern bie $lnjal)l ber auf foldje 2ejte gefdiaffenen ftompofttionen
jäljlr. Unb jubem bürfen mir nidjt oergeffen, ba& e& fid) gerbet natürlid)
nid)t um eine lücftnlofe Äunbe (beS überbieS nur eben befannt ©eroorbenen)
fjanbelt. §inroieberum mtrb barauö erficbilid), bafe »amen mie b'Hlbert,
ffatm, Ätfnjl, Solbad), SBcingariner unb SBolf fid) oon biefem Beerte
oljnebies ferner galten bcjro. bereit« roieber ftd) oon ifjm jurücfjujieljen
beginnen; foroie, ba& anbere: mic §erm. Bebn, flnt. Beer, SB. Serger,
ß. Sied), oon Büloro, $>raefe!e, Slb. $ud)S, ®g. ©ötjlcr, 9t.
@utf)etl,@. Oallroad)«, Äulenlampff, <5b. Safjen, OttoSe^mann^
SKabter,iaKarfeeß, SKor8, »eifccl, Ott) egraoen, Meters, ^Iübbe»
mann, £rol)a8ra, Düringer, Weif enauer, Heiter, Stüter, ©anb«
berger, Sommer, etetnbad), ©trabnl, Dsfar ©traufe unb 3umpe
— Ijier überhaupt gar nid)t me^r mitfpielen. — Irofebem aber fteHen fte alle
jufammen erft fo ungefähr bie Äam(n«2ifie bar, roeldje als für biefeS
gan^e Äapitel in Setradjt fommenbe unferfcitS ad notam ju nehmen märe.
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Siebcrfompomften toof)l nad^utragcn, bie fjalb nad) linfö fc^iclcnb,
fjalb treufycrjig auf bcm „guten alten" 9?ed)ten befte^enb, im 3lHgc*
meinen aud) f^inftc^tltc^ ber 2öaf)l t^rer £ejte faum fo grunb*
fäfclid) „mobern" ftd) bereits. entfd)icbcn fjaben, bafe tr)r ftortlaffen
oon obiger 3ufammcnftellung eine ernftlidje Ungercdjtigfeit bebeuten
tonnte. @ö ftnb baö alpljabctifdj, ofmc jebe S^angorbnung auf*
gcjätjlt: SNaj 9lnforge (ntcöt gu oertocd)fcln mit (Sonrab!), @b.
Stfcfjm, Wlipp ®raf ©Ulenburg, grifc ©aul, ^ermann
Butter, gclij Sttottl, Harl Sßottgie&er, 33. ©taocn&agen,
©g. £l)ubid)um, (Srnft £ieöler, §anö oon Sötgnau, s Ji. 2ßeifj*
Dftborn — tarnen, roeldje alfo t)ier Iebiglidt) um ber lieben 33oO-
ftänbigfeit nullen getreulich nac^gerjolt fein mögen.
3um £eil r)at oon ü)nen freiließ $rof. Dr. ^ermann ßre&f#mar
fd;on gefproc&en, in einer im „3aljrbuc$ ber SföuftfbibliotEjef
Meters 1897" erfdnenenen 5lbfjanblung „2)afi beutfd)c Sieb feit bem
&obc s Ji. 2ßagnerV ; inbeffen Ratten toir es bort mit einem gelehrten
Sluffafce $u tf)un, beffen gut formulierter £itel im ©runbe mefjr
oerfuefj, als fein 3nt)alt unö |$lie&lid) f)ielt. 3m ©rofjen unb ©anjen
fdjeint mir ber SBerfaffer eben bod) oon burdjauö unrichtigen ©eftd)tös
punften ausgegangen ju fein, unb nrie er in feiner SDarftetlungßart
aüäufe^r nad) ber älteren 2leftf)ctif fonrie, feiner ganjen Slnlage nadj,
jur „objefttoen" &iftoriograpf)ie hinneigt, fo oermodjte er aud) baß
richtige Slicffelb für ben Sinn juft beö „9ttobernen" bawn, bem
gorfa^er leiber nidjt ju eröffnen, 9läl)er fam biefer Aufgabe oljnc
3 m eifel eine fidjerlid) nicfjt belanglofe Stubie über baö „2)afi mobeme
Sieb" oon 2Bityc(m ablaufe („flunftgefang", 1899), bie aber nun
mieber fo ftarf ultra, inö anbere (Srtrem geriet, bag fte fpäter bis
n bie „ftranffurtcr 3 c itung" (alfo fogar baö Seiborgan beö SBerfaffers)
fjinein, mit 9led)t, farfaftifa^e Angriffe erfahren mußte unb fettfjer
unter bcm ©djlagroorte „baö buftenbe Sieb" eine getoiffe frag*
mürbige S3crür;mtr)eit erlangt r)at.*)
*) Äarl f e^; „$aS beutfdje Äunft-Sieb" (Seipjig, bei SRerfeburger)
»erfolgt im ffiefenüidjen einen anberen, meljr rü dfäjauenben ©ebanfen-
gang unb ift in biefem 3ufammenf}ange baljer fo gut nric gar ni$t ju
gebrauten — cS müfcte benn fein, bafc roir <3. 72 (feine Xljeorie oom
„@titntnungSmoiiü" einer Steberfompofttion, in Slnroenbung auf 9lb. Senfeti,
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Um bie ßonjcrtpropaganba nrieberum biefeS neuen unb neueften
Siebes ber 3eit haben ftd& in erfter Stnic oerbient gemacht bie §erren
Dr. S. Sßülmer unb ©ugen ©ura; aber aud) Jtarl Oftaner, £ermann
©uro, Dr. gclir, Jtraus unb @. D. Sftobnagel — fobann gelegentlich
noch ©cheibcmantel, 6iftcrmanS, SJksfchaert, 3ägcr, @trathmann;
33üttncr, oan ©wegef, foroic bie SDomcn Sßelti^erjog, ©trau 6
bc 9Ihna, £crtha bitter, Glcmcntinc (SdjonftelfcSDlanr, ©laro Seitfffc
^ßilfach, @mma filier, Sula ©meiner, @mmn £aocrlanbt unb 3 crnn -
3$rer oller tarnen feien hier ber golbenen ©hrcntafcl unfercr G^rontf
um fo lieber eingegraben, als bie meiften itjrer Kollegen unb
Kolleginnen ftch nach roie oor burdj einen f ,SDurc§|cr)nitt" in ihren
©cfangsprogrammen ^eroort^un, von bem man nicht recht roeife,
roaS man baran roohl mehr bercunbern foH: bie geiftige Trägheit,
ober bie fünftlcrifdje ©ebanfenloftgfcit, ober aber ben ob' Aigen Langel
an ©efcbmacfs^Gourage einem p. t. ^ßublifum gegenüber!
Sehnlich anerfennenßroert ftnb im <£inne eines reformierten
„beforatioen ©cfdjmacfcs", in ber 9lusfiattung nämlid) tr)rer Steher^
hefte, oon ben befannteren beutfdjcn SBerlagöftrmen bereits fräftiger,
fo bc^eqt als jeitgemäf}, oorangef dritten : &reitfopf & Härtel in
Seipjig (es gab fich junädjft jioar alles bei ihnen noch etwas
linfifcb; allmählich haben fie aber boct) ihren beforatioen ©igenftnl
herauögcfunben); Ulbert Sangen in 9flünd)cn (biefer natürlich fcr)on
encrgifd)er) ; <Sdjuftcr & Söfflcr in Berlin unb ber „Verlag ftretfenbe
9ttnge" in Seipjtg (oor 9tHem); ferner oom ©nbc in ßöln a. S^rjctn,
fllfreb ed&mib Nachfolger in München, edjott Söhne in SJlainn,
Öcinrichshofcn in Sßagbcburg, Otto Sunnc unb 9tta£ 33rocfhaus in
Scip^tg, foroie neuerbings %. £ccfcl in Mannheim unb 91. SDcnccfc
in (Sharlottcnburg. (Selber noch nidr)t auch 3of. 9libl, ©djuberth & <5o.,
gr. Jtiftner, 9lb. prftner, S. ^offarth, GhaMer & Go., & SB. grifcfd),
©. 91. Älcmm, %. (5. G. Seucfart, SRob. gorberg, <MeS & (Srlcr,
23ote & S3ocf, 3ttL £ainauer u. 91. — roicroohl ihnen 9lllen für bas
SSagniS ber SöerlagSübernahmc moberner ^robuftion lebbafteft 31t
$ugo SBolf, ©trau fe) ty« befonber« nnjtfljen, ober SWaurc'S
gefdjmatfooflem einfalle oom „buftenben Sieb" feine fcgpotfjefe oom
otelfarbig beleuchteten, roftftmierten unb — „roSmetierten" Sieb (©. 92 ff.)
gur ©ette ftellen rooHten.
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banfen bleibt). Unb beroährt höben ficf> bei biefem SBorfto&e, rote and)
fd&on in granfreich bie erften Äräfte: bort nämlich «Steinten, ©raffet,
Gieret unb bergl. m., fo bei und: ßünftler oom 9iufe eineö grifc
(Srler (biefer in erfter ßinie), fobann auch gibuö, SMdjior Setter,
2ftar. Sleoogt, Stleranber grenj („Trifolium": Äompofttionen
&umperbincf8 ju Dichtungen oon Setf f mann), SBalter ©aß pari,
Hermann Söogel — fogar &anö Xfyoma; auch ber Sruber beft
Äomponiften 3of. S9. goerfter unb bie ®attin beö bänifchen Snm*
phomferö ^Helfen, — nic^t ju oergeffen noch alö geniale 23e*
fonbert)eit für ftdt) ein Sflar, Jünger mit feinen ernften SRabierungen:
„8rahmös$Phantaften" (über einige oon beö ßompomften ©efängen),
unb jroar neben ben Sreitfopf & &ärtel'fchen, burch ben Stift üon
Sfteiftern roie Sattler, Storno, Steinhaufen, oon SBolfmann, grenj,
<Rod)oH, S3or)tc, SQianfelb, Stoeoing, Wog, 3ttüaer*Sd>önefelb, $afto, ,
Sanfter u. X. m. gefchmücften 95olf ölieb- f f Flugblättern" . —
9Jlit OTebem haben nur freiließ nur erft bie 21 u gen feite Jener
mobernen Sßanblung berührt. Snbem roir nun aber baö Titels
blatt beö Umfchlageö nicht mehr nur betrachten, fonbern felbft
abjulefen beginnen, ftehen roir bereitö ba, roo bie Äeu&erlidjfeit
jum fprechenben Snmptom für eine im Snnern oorgegangene Um*
tüäljung roirb- Ober, oermeibet eö etroa bie „moberne" Schule nicht
mit 9Red)t mehr unb mehr, ben abgeftanbenen unb genau genommen ja •
auch lemgft nicht mehr jutreffenben 9luöbrucf : „Sieb für eine Sing*
ftimme mit $ianofortc * Segle itung" bei ihren 9luf fünften am
jubringen? Söelche jromgenben 93eranlaf[ungen liegen ba roofjl oor
— hätten roir eö h^r nur mit einer roohlfeilen S0lobe*@rf cheinung ju
thun? 3ch für mein £eil glaube roirflich: nein! Vielmehr, baö ältere ]
„Sieb" — nach feinem bewährten unb etroaö abgegriffenen gormal*
Schema A B A — ift in SBirflichfeit ja auch lange fdjon bem burch 5
fompomerten, je nach poetifcher Solution frei ftch auölaffenben
„©efange" geroichen; eö ift längft nicht mehr baö Sieb in fetner
organifchen Söerbinbung (ober bod) engeren Sejiehung) jum gefchloffenen i
£anj, alö „SRonbell" — mitftrophtfehem Sßeröbau ober ftrcngf eftgehaltenem
9tefrain, fonbern eine inbioibueU fich auölebenbe, unbehinbert fub*
jeftio fich ergehenbe Smrif in freierer ©efangöform. 2)ie Snrif nach
allen ihren Dichtungen, ©mpfmbungen unb Schattirungen ^in, alö
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wfpejiftföe" (um mit 3lbolf kartete zu reben) ober refleftierenbe,
als Urgcfüfjls* unb ©elegenfjeits*, ©timmungs* ober ©ebanfem
bidjtung fpricht fleh aus in einer natürlichen SebenSberoegung, bie
ftdr) nach ben Sßrinzipten pfnd&ologifcher ©ntaricflung fyex gcftaltet unb
mit ben gcfteigerten SRitteln fortgerittener ftedmif mupjiert. 2Ufo,
meines @rad)tens burdjaus richtig unb ganz ftnngemäß gefaßt:
„(Se fange für eine ©ingftimme unb 5tlaoier", bas Ja feit ©djumann,
granj u. S. längft jum mitrebenben Sßoeten geworben ift, gleich
mie bie fünftlerifd) bearbeitete Silberumrahmung bei SReiftern mobemer
SRalerei (Xfyoma, ßlinger, £. oon &ofmann 2c.) auch 8« «wem
23efianbteile bes ßunftroerfs. SDenn roohlgemerft : maß hebert benn
biefe ßnrif, ftch auch einmal mit anberen inftrumentalen Mitteln,
für ben befonberen Qmd melleicht roeit angemejfener als gerabe baö
Planier, auszufprcdjen? 3n ber £hat hoben mir im legten 3ahr*
jehnt an tntereffanten, zumal „mobernen" 3"Ö en jufebenbß roachfenb,
©efangßnummern „für eine ©ingftimme unb Drchefier" bereits
mehrfach entftehen fehen(fo beißonrab 9lnforge, griebricf) 3llejanber
spfaljgraf oon Reffen, §ermann Stfchoff, $eter (Saft, äarl ©leife,
Sothar ßempter, @ugen Sinbner, ©uftao üftahler, gel. äftottl,
Ä. von Verfall, «Rief), ©trauß, gel. SBeingartner — begrünbet
im ©cnre roohl fchon burch Serlioj unb grj. Sifjt). 3a, eö ift nicht
ausgeblieben, unb brauchte auch gar nicht auszubleiben, baß ftch ba unb
bort ein entfprechenber Sßormurf auch einmal in bas Drcheftergeroanb
allein fleibete unb als poeüfdjes ©timmungsbilb ober Inrifdjes
Gharaftcrfiücf, ganz ohne alle hingutretenbe ©ingftimme, auftrat:
mie benn auch °^9 e ©efänge mit Drchefier gar nicht feiten folche
„Inrifche SßrogrammsSflufif", oerfappte „fmnphonifche Dichtungen"
eben Inrifchen (b. h- n i ch t mehr epifchen) ©harafterS fchon geroefen,
jeboch oon unferer Jtritif in ber Siegel nicht als folche erfannt
roorben maren.
Sßenigftens erfcheint es mir als oöllig außer grage, baß bies oor
2lü*em ienes ©ebiet ift, roeldjeS ber ausgezeichnete 9ftar. ©Billings
in burchaus neuer, eigenartiger Diftion burch f^ne (fchon im jmeiten
ßapitel oon uns geftreiftcn) Drdjefterftücfe intereffant genug — wenn
cmd) natürlich mieber einmal feinesmegs unbeftritten — anzubauen
beftrebt ift. @S märe bas zugleich bie SDomäne, in beren Seherrfchung
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auch ein granjofe roie ©un föoparfc ju Marien (mit „Lamento*
unb „Les Landes") ober, in bef d)cibenerem Gahmen, 3acque3 =
2)alcroje (mit ber „Inrifdjen Suite'': „25Mntcrabenb") bereits ©rfolg
geerntet fyabm, unb auf beren $intcrgninbc felbft cinjelne ber fnn^
pfjonifchen Drchefterftücfc oon bem öerftorbenen 9Iler;anber bitter
(nicht aroar fein „ßaifer ftubolf'ö 9titt 5um ©rabe", roobl aber
„Sursum eorda", „©Karfreitag unb gronleichnam") erft fo recht
cerftänblid) ftch abgeben bürften. 3tuberfcitö fann für mich auch
barüber ein 3 Iöe tf c l niefet mehr befielen, baß bei 2ft a h l c r bie
gelegentliche SSfi i f d) u n g oon O r d) c ft c r fafc unb ©efangö*
ftücf ober ©öorpnalc (ogl. C-moll'Snmphonic: „Urlicht"s<Solo unb
5ttopftocf fdje Schluß --Dbe) burchauö noch nid)t „fnmphonifche gorm*
loftgfett" ju bebeuten brauet, fonbern oiefleicht ähnlich l n r i f d) e,
barnadj fdjon toeit eher begreifliche, tiefsfünftlerifche $}orauöfe&ungen
haben mag; toie benn auf biefem gelbe ber Inrifdjen 3nftrumental*
SJhtftf (ich oerroeife babei noch auf 8. ^^uiUc'ö „romanttiche Ouocrtürc"
— nad) „2$euetbanf", auf £>anö J&ubcr'ö „Siel/, eö lacht bie
9lue" — nach S3oedltn, fomie auf (5. Straeßer'fl Orc^efters^ßr)antaftc
— nach einem £ert aus Subcrmatm'ö „Srct Dteiherfebern") gcrabe
für moberne Spürgetfter Ttcherlich noch mandjerlei banfbarc Aufgaben ju
löfen unb echte, bauernbe @[)ren cinjuheimfen fein werben. . . 9lber mie?
Rechnen mir benn fnmphonifche Sichtungen nicht überhaupt
jur 1 1) r i f ch e n 3J2uftt ? 2öaö foflten fic mol)l fonft anberö fein? —
•ftun, nicht mehr unb nicht minber ftnb fte baß, als alle SDhtftf,
aud) bie bramatifdje, jixlcfet ja ben © c f ü h l ö inhalt in ftch tragen
muß. OTcrbingö aber bin ich ooc & (0 c 9 en 3 r « SRöf^) ber fefcerif d)en
Anficht, baß eö ftch W unferen großen ©ijmphonicn feit ihrer
mächtigen 5luöbilbung burch Secthooen oornehmlich um bie großen
„ @ p 0 p ö e n " ber üftenfehheit, bei ben meiften unferer fnmphonifchen
Sichtungen roieberum, bem legten Söefen nach, um üiomane unb
(Sclbfc) Biographien in ber üftufit, im ©anjen alfo um ein
fojufagen e p i f ch e s gormengebiet ber £onfunft hobelt, baö
immerhin oon S3eetl)ooen felber im Schlußfafc ber großen „IX. U $u
©unften einer Inrifdjen ©ntnricflung oielfagcnb burchbrochen unb
feitljer oon ßifjt bereits mehrfach ocrlaffen morben [% aber bei
Söerlioj, in SR. Strauß' „£iH (Menfpiegel" (mit bem e r j ä h l e n b e n
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©tngangö* unb (Bcfylu&refrain „@ö mar einmal ein 6d)alf"), „%axa*
tljuftra", „$on Duirote", „fcelbenleben", felbft bei ©metana, SDooraf
u. 9. bocb beutli$ genug als foldjeö aud) heraustritt.
©ben bieö rooUte td) bamit nun fjeruorgetjoben f>aben: ba§ mir
einen Unterfdjieb machen follen unb 5. bei ©djilltngS mie ben
oben juerfi ©enannten ntdjt bie Romane unb S^apfobicn, fonbern
bie ^ooeUen, Sfijjen unb ©timmungögemälbe ber 9Bufxf ju fudjen
tjaben — gerabe barauf fam eö mir alfo befonberö an. 3nbeö, mir
geben je|t nod) um einen ©abritt roeiter unb fragen unö: foflen mir
benn etroa bie 2Jlöglia)feit tum oornefjerein leugnen, ba§ eö tyin unb
mieber aud) fd)üd)teme, aber ungemein anregenbe SBerfudje oon
„lnrifd)er Programm * 9Jhifif" auf bem Älanier allein (feit ©dm*
mann, @bopin, 3enfen'8 „^oefocitömuftf " :c. liegt biefeö ©enre bod)
am 2Bege), für Violine unb ein Segleitinftrument (ogl. Sraefefe'S
„©jene", op. 69) ober gar einmal für oier ©treid)inftrumentc
in „Du artet t"s ©eftalt (menn aud) natürlia) nia^t entfernt meljr
in ber ftrengen alten gorm beö „Haffifdjen" ßammerftnleö) u. bgl. m.
geben fann? 33eftfcen mir bodj feit SeetfjoDen'ö berühmtem Gifi*moll*
Quartett ober 5. 33. Smetana'ö „SluS meinem Scben" mandjerlei
benfroürbige Stompofitionen biefer 9Irt, bie fdjon längft auf foldjc
©cbanfen fjätten bringen fönnen; t)at bod) in lefcterer gorm gerabe
Gonrab 3lnforge, unb jroar in poetifd)er unb tbematifa^er 2lnlcljnung
an feinen ©efangös@nfluö „Sßigilicn", ber muftfalif djen 2öclt ein
ungemein abfonberlia^eö ©jperiment geliefert, baö ftd) am cbeften burd)
bie bem ©efangötcjt entnommene programmatijcbe Erläuterung:
„$8on ber fd)mcrjl)aften ©d)önbetf fürUnfunbige ins richtige £id)t
rücfcn liege. SDcnnod) lägt fid) — nad) bem geroagten SBerfudje,
ben ber „TOn ebener §ugo 2öolf= s #erem" grübjabr 1900 bamit gc*
mad)t f)at — eine 93orfüf)rung biefeö ©treid)quartcttö mit unb
neben bem gleidmamigen ©cfangö* @i)flufi am [elbcn Slbcttb ntd)t
eben anraten. 2llläuleid)t entftcfjt bei biefer Ärt ber 2Biebergabe ber
burcfcauö öerfe^lte ©inbruef einer ©cbanfenanlcifje ober Sbeenarmut
bcö Slomponiftcn, fo bafe man alö eine lebiglid) bürfttge SBicber?
tjolung beffelbcn £f)emens2Jtaterialeö bann nur meljr anfielt, maß
bod) eine burd)auö felbftänbigc gort* unb Slußfpinnung ber 00m ©c=
fang^Gnfluö eben nur erft angeregten poetifdjen &auptgebanfcn mic
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feiner poetifdjen (SJrunbfttmmungen war unb fcfjon wegen ber oöHtg
neuen unb eigenartigen gaffung als burdjaus beachtenswertes SBerf
für ftcr) gelten follte.
ftoch, um enblidj auch auf unfere beseitige mufifalifche Snrif
im eigentlich gefänglichen Sinne, auf basmoberne „Sieb"' alöfolchcö
ju fommen: felbftoerßänblich fann ich mi<$ ba nicht auf bie taufenb
©injelheiten biefer nachgerabe brennenb geworbenen £agcsfrage ein«
(äffen. Slber einige ©runblinien ber „neuen Seele", welche ihm ein*
gehaucht worben ift, null unb barf ich bofy noch ju jiehen oer*
fudjen, wenn ich babei auch ftarf oereinfachen, jufammenbrängcn unb
bas Allgemeine aus bem SBefonberen mehr abftrahiercn mu&. — 58or3lIIem
märe nun mit einigem 9tocf)brucf barauf hinjuwetfen, bafc auch fttct
ber gortfchritt gemäfj ben flaren Sehren unferer allgemeinen Äultur* >
entwicflung (oom antifen jum romantifchen 93orbilb bis jum Selbft*
©tgenen, oon objefttoen ju fubjeftioen 3bealen) oor ftch gegangen
ift, ba& natürlich auch in biefem Gahmen baS Seitcnftücf jum 2ßerbe=
gang unferer mobernen ßunft unb Sitteratur nirgenbs fehlt. Sßir
haben fcr)on früher gefeljen, wie überall ganj berfelbe, ober bodj ein
ähnlicher üEßeg jurücfgelegt warb. 3n ber Sßoef ic: ber mistige
Schritt oon ber metrifchen 9Irchtteftur bes wohlgebrechfcltcn Strophen* I
gebichtö unb bem julefct fpielerifdj oerfchlungencn Sfteimoerfe ju ben
freien ungereimten 9?hnthmen f ju einer ausbrucfßtiefen, bionnftfch*
brangoollen poctifdhen $rofa (manchmal auch unoermeiblich 8 ur
profaifchen ^ßocfte — boch bas lc)ut hier nichts weiter jur Sache, J
mir brauchen ja nicht gerabe baß Schlechte jum SBorbtlbe ju nehmen). |
3n ber Malerei fobann oom gefchloffcnencn S3ilb, bem „fomponierten"
Staffelei* unb monumentalen $re8fo*®emälbe jur jufäüigen, aber
getreuen „3mpreffton", foroie einer mehr f feenhaften Stubie in gret*
licht unb grciluft. 3" ber Sir cht tef tu r enbltch ftatt einem fnm*
metrifch • geglieberten, antif * gebunbenen gaffabenwerf baö Streben j
nach inbtoibuellem, bem heintifchen SBoben organifch entmachfenbem
Sauftnl oon lofalem Gfjarafter, aufgeführt nach einem „©leichgemicht
ber Strafte" in ber Verteilung ber Stoff*2Jtojfen, mit freiefter Äon*
ftruftion aus einem inneren gormgefefce heraus. Unb fo ift benn
auch bie STlufif oom formal* umranfenben £onfptel mehr unb mehr
%vm berebten Slusbrucf inneren rote äu&eren Sehens, unb ebenfo
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com fdjemattfdjen ®trophenlieb jum burchfomponierten, mehr
pfodhologifdj ausathmenben ©efange rocitergegangen. Unb
fd&liefcUd) fännen mir fogar brci prägnante ©runbmomente bicfer
muftfalifchen „neuen SBelt" auf unferem Igrifdjen ©ebiete noch auf*
jeigen, beren feinere SSergleicbspunfte jur eben betriebenen ©efamt*
(5ntn>icflung uns faum entgegen bürften:
1. $)er gewonnenen größeren greiaügigfeit im metrif djen (Sie*
ment ber Sßoeftc ent|pricf)t bei ber Sfluftf bie 3luflöfung bes regele
rechten ^ßeriobenbaues in bie $eroegltd)fcit freierer £aftgebilbe mit
ungezwungeneren SRfmthmen unb reiferem ^empomecbfel, felbft inner*
halb ein unb bcsfclben £onftücfes.
2. ©in üftoment ber mobernen („fejefftoniftifc^en") garben*
empftnbung ift — rote in ber 9Jialeret — fo auch in ber $on* „
fünft auf Orunb eines forgfälttgeren StubiumS ber inftrumentalen
(jumal ptaniftifdjen) Älangnrirfungen, foroie eines feinfühligen Ausbaue«
ber djromatifdjen @fala angebrochen — fo jroar, bafe man cum
grano salis roohl fagen fönnte: bas folgerichtig aus einer ©leidj*
bereebtigung ber jroölf £albtb'ne ber ©runbffala entroicfelte neuere
Sieb*) nerhält ftcb jum älteren, mehr noch bem biatonifdt)en SBefen
folgenben, tote garbe ju Stnie, wie Malerei ju Sßlaftif; in biSs
freieren gätlcn etroa nrie bie heutige SHabierung jum ehemaligen
Stupferftich, ober auch nuancenreicher, felbft polncfjromer Steinbrucf ber
9teujeit jur fliehten ßonturenjeidmung ber Subroig ^idjter^ßeriobe
unb felbft jur garten, einfältigeren SlquareUtcchnif früherer üftalftufen.
3. SDic reichere unb mannigfaltigere (Sharafteriftif im ornamen»
talen Seirocrf bes pianiftifchen 3nftrumentalrahmenS läuft ziemlich
parallel einer inbioibuelleren (Seftaltung ber Safiabe im §äuf erbau.
2)er Slusftattungsfdjmucf in fchematifchen gigurationen mit ge*
brochenen (Warfen* ober ©uitarre*) Slfforben ift auf bem Umwege
*) Äud) inbem er auf bie feinen $aIbton«gortfcf|reitungen feiner
SRelobir humKift, gitebert SRar. ®raf ba« $ugo ©olf'fdje fiieb in biefen
Sufammenljang be8 „SRobernen* mit ein (a. a. D. ©. 119); weitere, fe§r
belangreiche unb jur Älärung biefer ganjen ftrage faum ju umgefjcnbe
»etfpiele für fold)' mobeme Hegungen in SRelobtt, fcarmoni! unb auch
SHjutmif, felbft bei Solf- »gl. fceinrtdj tttetfd): »$>ie lonfunft in ber
jmeiten $älfte be» 19. SMrhunbertS" (6. 49, 103 ff. unb 124).
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ber granj'fdjen ßlaoierpolnphonie roic bcr Söagner'fchen ^^cmen?
6rnnpf)onif neuerbingö jur motiuifchen Variation fortgef dritten, J
unb einer bei ber Saufunft beobachteten, afnmmetrifdHreteren Anlage
beö ©runbftocfeö oon innen fjerauö get)t nun fjicr beutlich fonform
eine lebenbigere ©lieberung ber melobifchen $^rafe nach pfnehologifchen
33orauöfe&ungcn — bis jur „unenblichen", je nach Slntafe frei*
beroegten ober gcr)emmt=ftocfenben üMobie. ...
Speziell biefeö teuere SJloment null noch ettoaö fchärfer m'ö
Sluge gefaxt fein. SDiefe 2Mobie, b. h- bie melobifche Subfianj
einer folgen, oft feltfamen, fcfjeinbar recht oerrounberttch auö betn
themattfehen unb ^armonifc^en ©efüge fjerauäroadifenben ©efangö*
fiimme — fie lä&t fidt> freilich nid^t immer bequem gleich mit nach
&aufe nehmen; eö ift eine nur ju häufige Erfahrung, ba§ fie
unferem D&re junächft ganj unb gar nicht eingehen votäL <5ie
braucht aber barum noch lange nicht mechanifd) nur aufgefegt, erft nad&s
-
träglic^ bem Stlaoicrpart fjinjufontrapunftiert ju fein. @8 gilt oiel*
me^r nur, fie alö ein Sebcnbig'-Drganifcheö, 3nnerluh'©eroorbeneö
erft einmal aufjufuchen unb aus bem großen, bidjterifdjen roie mu*
fifalifchen 3 u f ammen 5 an 9 c ocö ©anjen, burch „(Einfühlung", alö
üftelobie auch P erf äffen. Unb ich fann & beteuern: fie roäcfjft, ie
tiefer bie Stimmung beö neuartigen £onfa)öpfcrö, alö ein unferem .j
©efühlöroefen urfprünglich grembcö, banf unferem guten SBiHen baju
nach unb nach auch * n nuö fclbft fich ausbreiten barf — mit ber 3«t
unferen ganjen inneren 9ftcnfd)cn ergreifenb unb bei öfterem §ören «
unb 2)areinoerfenfen in unö fchüefjlich toieberflingenb. „SöiUft ben
dichter bu oerfteben, mußt in SDichterö Sanbc gehen!" fagt ja <
fchon ein alteö 2öort ©octbe'ö; unb „2Bie bie SRefonanj, fo '
baö 3nftrument!" — fo plaibiert fchlagenb eine bänifche «Schrift*
Heilerin.
©ennoch bilbet nicht nur jene altbefannte Schroierigfeit einer
©inoerleibung beö Ungewohnten, Unerhört^euen in unfere trage
9ktur baö &inberniö; eß liegt r)inter jener allgemeinen Erfahrung I
mit ber mobernen SDlelobtf noch ein thatfächlichcö ©lement alö
realer ©runb oerborgen. @ö giebt nämlich überhaupt jioei
ganj oerfchiebene Birten oon 2ftelobic. SDie eine, früher
allenthalben geläufige, entftanb arcbiteftonifch*plaftifch auf bcr ©runb*
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läge her einfachen unb erweiterten (Sabenj, ober aber auß ber mobil*
latorifd) na^eliegenben ©equenj; jubem bilbete ftc fid) im 2öefentUa>n
fnrmnetrifd), mit $arallel*$criobcn auß oollfommen gleid)teiltgen XatU
gruppen, in 2Btcberf)olung bcjra. (Srgänjung unb glanfierung ifjrer
$auptmotioe, unb fc§mütfte fid) überbicö mit allerlei finnfälligert
iBerjierungen, bie fid) nad) linearen ober grapfjtfdjen SJiotioen erfaffen
ließen: als ßuroen, SIrabcfltoi, Koloraturen, gloöfeln unb bergleidjen
ficr) na^eju greifbar barfiellten. @ß mar im (Sanken unb ©rojjen
bie Gpod)e, ba bie SDluftf ir)rc gormenfprad&e ben leidjter übcrfd)au--
licrjen 3^ cn Än*8 angenefmvgefälUgen 2Iugen*6d)eineß näherte,
batjer aud) bie barauß ermadtfene SJMobif fid) merjr an äu&erliaV —
ardn'tefturale, plaftifdje, jcicr)ncrifcr)e — Sßorbilbcr anlehnen ju
müffen oermeinte. 9hin erfdjeint eß aber of)ne SBeitereß begreiflid),
ba§ bamalß aud) baö ®er)ör ber 3ftenfd)cn meit mer)r an rafefy ein-
gängltcber, leidjtoerftänblidjer „ÜHclobic" emppnben mußte alß rjeut*
jutagc, roeil glcid)fam baö „5luge beß Dfjreß" in jenen SBorauß*
fe(jungcn beß mclobifdjcn Drganißmuß, fagen mir rcd)t anfa^aulid):
auß ben „®efid)tß";$ßunften jener Gelobt! — feine natürüd)en 2Jkrf*
unb ©tüfcmomcnte für 3luffaffung unb ©ebädjtniß jugleia^ mit er*
rjiclt. (@inen älmlid)en pfnd)ologifd)cn Vorgang oermögen mir ja
aud) &u beobad)tcn, roenn mir j. $8. ein ©cbidjt mit fjarmonifdjem
^cröbau unb glattem SRcimflang, ober felbft Sßrofa in eptgramma*
tifdjer 3 u fP^6 un 9/ m ü rbetorifdjer s ßointierung, nad) gorm einer
fUnliifjefe unb bergl., ungletd) beffer alö naefte reine $rofa oljne
alle formalen 9lnE)altßpunfte unß einprägen fönnen.) — Slnberß, ganj
anberß nücber bie neuere, fjeute tonangebenb geworbene, aber barum
wie gefagt nodj feineßrocgß geringfügiger ju ncljmenbe „9Mobie",
iceldje baß ©etjör eigentlid) erft com ©ef id)töfinn oölltg freigemadjt
unb fojufagcn jum 3nnen*Drgan oertteft, sum „Dl)r M fd)tcct)tt)in
cnnoidelt f)at. ^icr folgt bie £onmufe, nad) innen gefeljrt, nur
mefjr ben bunfclocrborgcnen ©efegen pfnd)ifd)er ©ingebung, in felbft*
fjerrlidjer ©ntäu&crung eineß intimen ßebenßoorgangeß. (Unb tiefe
SMobif, nebenbei bemerft, mufe fid) um fo merjr bodj beim „Siebe"
bann in tfjrem ©lemente füllen, alß fie ja otjnebieß gar niemalß bem
©leic&flang im Sin* ober Sußlaut ber 2öorlfprad)e, bem Stab* ober
@nb*$eim nämlid), in 2öat)rl)cit gerecht ju werben oermodjte, fonbern
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aUerfjodjftcnS bem Sßarallelismus ber JÖerSanorbnung — burdj
SBiebcrfjolung unb ©egenüberfteflung gleitet SJlottolieber — einiger* .
maßen getreu betjufommen raupte. 3a» foft liege fidf) Ijier ber ©dfclufj
nodj jietjen, baft umgefeljrt bie freie $)urdfjfomponierung eines in
(Btropljenform angelegten @ebid)tes als äftfjetifd) »ergriffen empfunben
werben tonne, feit man bie reimlofen 2)tdjtungen in freien Slljntljmen:
bie „©ebidjte in ^rofa", fennen gelernt fjabe.) §ier alfo laufet unfere
SJlufe auf bie t>on innen nadfj außen brängenben Offenbarungen ; fjier
entfielt auf betn ©runbe bes fd&cmbar tmllfurlidjen unb roaf)llofen
„9luf unb 3lb" einer geheimen ©emütsberoegung unb beren fein*
neroiger, peripfjerifdjer @efüf)lsregungen bie befonbere 3^^etortf einer
freien, natürlich ablaufenben Seelenftimmung. Unb Ijierju greift
benn eine dfjarafteriftifd&e unb babei roanbelbare 3Mobif Sßlafe, oon
ber cS roirfüct) nufjt anberS meljr fjei&en fann als: „SBenn iör'ö
nicf)t füf)lt, tljr roerbet'S nie erjagen!" — SBobei icf) für meine
^ßerfon bem geneigten Scfer gegenüber mtcfc nur nodf) mit bem anbeten
SBorte beföeiben faloieren mödjtc: „9lid)t, ba& td) es etwa fdfjon
Ellies oollauf ergriffen fyätte; idb jage ifnn aber nadj, eö ju ergreifen!" i
golgt biefe ÜMobte in i^rer SBicbergabe eines größeren ©ag*
gebübes überbieö nod) genauer fpradfjgefangüdj — b. fj. nidjt
nur quantitterenb, fonbern audj acccntuicrenb — ber forreften Hebung
unb ©enfung bes 2öortausbrucfcS, ber lebenbigen Sßtjrafc roie ben
Raufen bes natürlic&en 9ltems, bem berebten ©ptel ber forperlidjen
Oeberbe nrie bcm mitreißenben 3 u 9 e c $* en Temperamentes: bann *.
nur um fo beffer für fte, benn befto einbrucfsooller unb unmittelbarer
übeqeugenb roirb ftdj it>re tiefere Seelenmitteilung fo aud& geben. <
2ßas fte uns aber bringt unb roie fte es bringt, es ift bann j
roeber „freiefte rfjetorifdje Sntprooifation" nodj „melobifd&e gormloftg*
feit", roeber „fejefftoniftifdje garbcnfdjroelgerei" nodj „pf)antaftifdf)er
Ueberfdjroang"; es brauet nidjjt „impotentes Sailen" unb n\a)t
„bunfle Unoerft&nbUd&feit", aud& nic&t „mufifalifd&e Unlogif" bis ;
jum Unfug ober Unfmn ju fein, unb ift jubem roeber „epigramma*
ttfdjer" ober „beflamatorifdjer", nodf) audj „melobramatifdjer" ober
ooUenbS gar „rfjapfobifd&er" Stnl — wie bas unfere im 2lbleljnen j
fo finbige ßrttif nämltdj roieber IjerauSgeflügelt f)at, bie bamit bie croan*
derenbe 3ungfunft mobernen SBerou&tfetns in tfjrem frifd&en Saufe rooljl
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meinte aufhalten ju fönnen unb bemnächft roahrfcheinlich einmal ben
iÄnfchlufUnbgilt ig oerfäumt haben wirb, Sonbern es roirb ßeines
von Slßebem fein unb gelegentlich auch roieber ÄlleS aufammen
genommen fein bürfen: nämlich eben jenes Unoerftanben*9fceue, für
meines 2öort unb Segriff nach unb nach erft forgfältig auszuprägen
wäre, — jenes blenbenbe Sicht, oon bem es Ijeijjt unb immerbar r)etgen
wirb: „Unb bie ginfternis t)at es nicht begriffen !" — 3roeifeUos
roirb nach folgen Vorpoftengefedjten einmal „SDas ©anje halt!" unb
nach alP bem ©eplänfel roieber junt „Sammeln" geblafen roerben;
mag — roenn bie Seit erft erfüllet ift — biefen unoermeiblidjen
Vorarbeiten unb notroenbigen Verfudjen im £ed)nifd)en alsbalb
bie gro&e alfrescoßunft ber neuen 3been, bie roir geroifj 9We er*
warten unb fjerbeifeljnen, roieber folgen. Unb fter)e, biefes neue
Himmelreich fdjeint bereits nat)e t)crbeigefommen! 2öenn nierjt alle &dd)tn
trügen, fo ftefjt es in ben neuerbtngs fidt) mehrenben, ganj auffälligen
SSefirebungen, ju cnflifchen formen fortjufchreiten, unmittelbar
fdjon oor ber £f)ür — jener Strömung, bie auf bem 33oben ber
ÜMerei, j. SB. in ber roachfenben Neigung jum „£riptnchon", im
Sereiche ber 3)ichtfunft mit bem „gefd)lof[enen SDrama", gleichfalls
ihre bebeutfamen Vorboten bereits oorausgefchieft hoben bürftc. S)as
äfthetifche ©ebürfnis nad) umfaffenberen formen, nach abgerunbeter
@rö&c unb gefammcltcr Straft, nach bauergrünbiger Vertiefung roie
anhaltcnber ©runbfttmmung — juoerfichtlich roirb es, im ©egenfafc
jum prtcfelnben JReijc ber flüchtigen Sfijje unb bes lebiglich an»
regenben Slugcn • SBlicfS , im gefunben SDlenfdjen gang unausrottbar
bleiben; unb fo roirb auch ein geroiffeö @troas im geheimen 3nnern
bes Äünftlers, eine 3lrt oon „lefcter Snftanj" feiner ^hantafte,
immer roieber ju einem 3 u f ammenf äffen im ©anjen, ju einer fidj
aufraffenben Steigerung feiner Gräfte bis jutn monumentalen
Gepräge hinan, boch brängen. So aber roirb bann, unb jroar felbft
im befcheibeneren Center ber mufifalifchen Snrif, bie centri s
fugale $hatigfeit burch eine centripetale Dichtung auch lieber
abgclöft roerben, bem $ecentralifieren alsbalb ein Anlauf $u
(Sentralifierung unb (Soncentrierung folgen. Unb in foldjer
„cnflifchen" £enbenj fer)en roir eben bereits ben oielfagenben Slnfafc ju
einer neuen, bebeutfamen „Snnthefe" auf ^ör)crer «Stufe.
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2)en Inrifc&en ©efangö*„@nfluö" — tfjn fennen mir jtoar feit
©cfyuberi, ©dmmann, 3*nfen, Srafjmö, Gorneliuö, bitter, 23rücfler gar
wofjl, unb wir wu&ten Um audj oon jefjer ju fc^äfecn. ©ö bleibt inbeffen
Ijenjorjufjebcn, ba§ biefe (Gattung neueftenö — ntcbt julefct auf ©runb
mobernfter STec^m!: nämüdj in leitmotit)ifcf)er, baö ©anje wirflidj
crfl äufammenfd&lie&enber ©infjcit, wie beflamatorifdjer greifjeit
unb fpradjmelobifdjer ^rägnanj — oöllig frifdje Sßljnftognomie, weil
neuen 3nf)alt unb bemgemäf} aud) jcitgemQ§c Äuögcftaltung er*
falten Ijat. &orgcfd)attet warb biefe Entfaltung freiließ ganj
fd)ücf)tern fdfjon burdj bie tl)ematifcJ)e SReminiöcenj am ©djluffe oon
©dfjumann'ö „grauen = Siebe unb *2eben M (in bem Ityrifd&en SHanicr*
9tod)fpiel gum Gnfluß). Unb eö berührt, wie wenn burc^ fold&e äftljetifäe
^Ibruinbung unb SMenbung nun audj bei unferen teueren ber mit bem
<5trop^e~Tr^icbe feinerjeit oerlorengcgangene SRunbbau unb Jtuppel*
Slbfölufc auf anoVrem Sßege neuerbingö wiebergewonnen werben follte. i
&anö ©ommer mit feinem intercifanten w @lilanbs@nfluö" unb (Sonrab
Slnforge mit ben ^rjnb^enjtfi'^f^en „Sßigilien" ober bem Gnfluö
„Sßatfer im Schnee" (naef) 6tefan ©eoi^c) faben [)ier ben unbanfbaren .
s JHonicrbienft tapfer auf fidfj genommen unb jimnal f)at ber fie&tcre, mit
jenen beiben 2Berfen, burdjauö £3ead)tenöwerte8 bVa; mufifaltfdjen SBelt
oon Ijcute befa^eert. §öa)ftcnö ließe ftd) mit biefem ü^er bie 3luöwaf)l ,/
ber£cjtc gerabe ju feinen „(Sofien" noef) redjten, meldte SRjind&er wof)l
rote ein förmlidjcß „Programm ber SDefabence" empfunben l):4ben mag.
SBir unfererfeitö fennen jufäaig beö ßomponiften fraftoollepgenart <
unb glauben ba&er ju mijfen, ba& tyn baö §etfle unb ßoniplijierte )
an ber Aufgabe itjrcr Vertonung, alö formalcö ßlcmdnt wie
als äft^etifc^c ©tubie, nur eben befonberö gereijt fjat. mau j
äuocrfidjtlia) fo etwas wie baö „Goncentrieren ber Inrifdjen (SArunb* '
ftimmung", baö „(komprimieren auf ben flcinftcn «Raum", wa» il)n 1
babei alö tonfünftlerifdjeß, tonbid)terif$cö Problem an$og. JUnö
alfo brauet barob nod) lange nicf)t um feine jufünftige ©ntroicflVing *
bange ju werben. \ |
3m ©egenteil! 2)a er fogar berienige ift, ber mir für biV {
weitere ©eftaltung ber SDinge oiel su ocrfjei&en unb jumal eben im v ^
„cgf Uferen" Shfmten Sßertoolleö anaufünbigen fc&etnt, fei eö mir |
geftattet, mit einer Sßürbigung feiner ^erfönlia^feit t)ter meine Unter*
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fudjungen abzufließen. 3mar fpndjt man juroeilen baoon, baß
©g. (Stoltenberg bie befannte 2lrno §olj7^e 2ftetf?obe einer „33er;
Jifala£en*$ßocfte" ^bie nidftt feiten ©cfafyr läuft, in einen — &oljs2öcg
außjumünben) bis in bie 2Jiufif hinein nun fogar nufcbar ju machen
(jenw&t f>abe. ©obann roeift man rootjl aud) einmal barauf f)in, icic ber
qUju früt> ocrftorbenc @rnft £ießlcr alß Siebcrfomponift bcn moberncn
Sanbfcfjaftßmaler md)t oerlcugne, ber er oor bem cinlaßlicftcrcn S3c=
faffen mit ber ^onfunft ja gcroefcn. fyboä) finbet ftd) ©injclncß baoon,
wenn nid)t eine 9JHfdmng oon biefem Alflen, bei weiterem 9todj;
formen roofjl aud) fdjon in oerfdjiebenen Söerfen anbcrer unfercr %e\U
genoffen. @incß aber ftefjt für mein Urteil unbebingt feft: fudjcn
unb fetjen roir nad) bcn ©ptgcn ber jufunftörcic^cn ©ntiuicflung
auf biefem frudfrttretbcnben 33obcn, fo ftellen fieft äulc&t 91id)arb Strauß
unb (Sonrab Slnforgc als bie betben betätigen Säufer im ©trette
heraus, als bie güljrcr unb Häuptlinge grocicr, äfthetifdj na^eju entgegen?
gefefeter Heerlager — in foldjem ^eifeen 23emüf)cn nämlidj unb ernften
^Hingen um baß ©pejiftfd^Iftobente ber muftfaltfdjen Snrif: SBeibe,
nad) tljrem fünftlerifc&en $erl)ältniffe ju einanber, faft fd)on „(Segens
füßler" ju nennen.*) ©Icicbtooljl aber erfennen roir bod& aud) roieber ein
biefe 3roci gemeinfam UmfdjlicßenbeS, baß roir mit bem ©djlag^
roorte „Naturalismus" fdjlanfrocg hier bezeichnen föuncn; nur, baß ftd)
bei ©rftcrem bie Vorliebe unroillfürlid) mehr auf bie äußere 9tatur
(bie natura naturata) unb beren fdjarfe (Sljaraftcriftif htnlcn ten
rotrb, roäfjrcnb fte bei fiefetcrem juoerfia^tltd) auf bie innere (bie
natura naturans) unb ihr fenftttoereß ©rfaffen gerietet erfdjeint.
2)afür aber auch giebt ftd) bort gelegentlich baö körperliche,
tjöllig naeft gleidjfam, in natürlicher Ungebunbenheit rücfftchtölos preis,
roährenb fich r)icr wie in unberührter 5teufct)^cit bie ©celc fclber,
unbclaufeht nur, bloßzulegen fdjeint; erleben roir bort einen beliebigen
fTcaturaußfdmitt als frifche, fetfe „3mprcffton" mit fixerer ©tift*
*) $d) roünföte roirrlid), (Sonrab SInforgc führte fein Vorhaben balb
einmal au«: „$ic fieben eiegcl" b. h. ba« „3a- unb 2lmcn-2tcb" aus
bem „Saratljufira", mit bem Refrain: „$>enn i<fc liebe bia), olj (Srotgrcit!",
al« Inrifdje« Ord>eflerftü(f mit ©efattg IjerauSjugeben, um biefe« fein „Sinti-
pobentum" red)t beutlid) ad oculos bemonfirieren 51t fönnen unb ben getfugen
Untertrieb groifdjcn U>nen Reiben lünfücrtfcf) oöOig flar ju matten.
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führung fyingeroorfen, eine ©timmungSsSanbfchaft, ein ©elegenhetts*
gebiet als realtftifdje Süuftration unb fonfretc SBerperfönltdjung ge*
geben, einen launigen (Einfall als flottes ©pigramm gepaeft — roo unö *
hier nrieber ein Silb tief burchträumt erfcheint unb wir „offulttftifche"
Phänomene eines rätfelooHen Snnenroefens, gleichfam mit mftonärer
5tunbe t)on ftiUen ^erjensfehnfuchten, auftauten ju fehen oermeüten;
hier unö eine 33lüte poettfd)-4nniger Vertiefung beraubt, voU
jarteften SöerbebufteS in geheimnisvoller (Snt^üIIung aW beö un*
auSgefprochemunfagbaren „3roifchen ben 3^™"- £ Q * man
(Sonrab 9lnforge ben „9Jtaeterlincf bes Siebes" fchon geheißen!
Smmerhin bleibt gerabe biefer Sluöbrucf noch gar ju leicht
mi&oerftänblich unb irreführen b, jumal unfer Äomponift, beffen
eigenfteS $errfd)erretch aUerbings bie Snnen^emifphäre beö aflifro*
foSmoS (= OMrofoSmoS) ift, gelegentlich auch «cht fraftood aus*
julegcn unb fehr roof)l einmal „eroterifch" ftch ju geben t>erftcr)t : ich er*
innere nur an fein rotrffameS „©chenf ein!" ober baft ^mnifcösftoläc
„allein ©tern". 3lber — gerne jugegeben, bafe folche ©rgehungen
bei ihm bie feltenen Ausnahmen btlben, fo feheint einftroeilen nur
bas @ine ftcher fefljufte^en : ba& 2lnforge bem „ob}efttoeren" £one£ugo
äßolf's gegenüber eine „fubjeftioere" s Jtote rjerauöfteUt ; foroie, bog
bem „braftifchen ©harafteriftifer" Sfltdjarb ©traufc in ihm ber „fpe*
jipfche Snrifer" gegenübergetreten ift. ©o roirb man benn feiner Slrt
juoerftchtlich auch beften gerecht werben, roenn man ftch anfjaltenb
oergegenroärtigt, rote er gegenüber ber „©oolution" boch mehr bie
„Sntuitton" ber mobernen ^ßfnehe in feiner Jtunft oertritt. Unb
gerabeju programmatifche SBebeutung für feine ganje ©chaffensroetfe ge*
Winnen hier bie furjen, oon ihm felbft auch einmal fomponirten Söerfe j
Sllfreb SJcombcrt's: j
©chlofenb trägt man mich in mein §eimatlonb. i
Serne fomm ich § er >
lieber ©ipfel, über ©djlünbe,
Ueber ein bunfleä -äfteer —
3n mein §etmatlonb.
@S ift bas „bunfel * nächt'ge Sanb" einer ©eelen* &eimat,
jenes roeite fülle „Dfcich ber Waty", bas uns frampftöfenb umfängt,
roenn mir — rounb oom (oer)blenbenben ©Cheine ber, Slujjenroelt —
— 159 —
unferc 9lugen einmal (daliegen unb über bie ©ipfel unb ©djrünbe
beö 91lltagölebenö unb feiner ßeiben, mübe unb jerfchlagen, in ben
tiefen 6ct)acf)t unfereö eigenen 3nnern, roie in einen Urfd)o& ^eim*
fefjrenb, ^inobfteigen. SDlit einem 2Bort: ein anbereö
„Saft bet ©onne ©long üerfcr)nrinben,
2öenn e§ in ber Seele tagt,
2öir im eignen ©erjen finben,
2Ba3 bie ganje 2ßelt oerfogt! . . »
fo^ufagen in mobernerer goffung. ©timmungöroelten unb ©eelen*
träume alfo — ©infehr! Ueberbieö baö technifdfje Verfahren babei
häufig mehr leidet „antufchenb", alö oott auöführenb, mit mel
„artiftifd&er" Ucberlegenheit im anbeutenben ©eftalten, unb bei fein*
fühligfter Sluöbrucfö^üance 3llleö nrie in einer „fchroebenben" £em*
peratur gehalten — fo baß eö für baö nachfcfjaffenbe unb naci>
empfmbenbe ©efühl beö §örerö jumeift fcfjon r)ei§en barf : „2Ber nie
bie jauberoollen dächte an feinem Innern finnenb fafj" — ber
rennt euch nicht, it)r heimlichen «Schächte, bie ihr im ätljerifdfjen Stlang
ba fo rein unb lauter naef) aufjen bringt unb, roie ftammelnb, gleidr)^
fam fdfjeu nach neuen SBeifen ringt!
Unb eö mag jubem ben gerotegteren ßenner auch erfreuen,
wahrzunehmen, roie namentlich in biefer 9lrt unb SBeife ganj un*
oermerft baö 23efte t)om Äerne ber „ßifjt^Schule" (beren eigens
tümüche ©onbernote in bem Voll * 9Ifforb beö großen „ftongerteö"
btöt)er eigentlich noch gefehlt ^atte) für bie mujifalifdjje Snrif nun
heraufgekommen unb frudjtbringenb geroorben ift. 2)enn unmittelbar
leuchtet ein, bafe jumal ber fnm boliftifctjen SEcnbenj, geroiffen
mnftifchen ©runbneigungen unferer mobernen Sitteraturftrb'mung,
auf bem 2Bege ber tranfcenbentalen ©fftatif, jener fpiritueHen @r*
hebung, religiöfen Snbrunft unb artiftifchen Vornehmheit eineö $ran$
Sifjt (ober aUenfaUö auch auf ©runb beö feingeftimmten harmonifchen
SlefthetijtßmuS einer jartgefinnten $oeten*9totur roie $eter ©orneltuö)
roeit beffer fict) beifommen läfjt, alö baö j. 23. auf ber Serlto^fdjen
ober. 2ßagner'fct)en Vaftö gelänge. OTag aber ber eine £eü geiftigen
Stammboben unb formale SSorftufe bei liefen, ber anbere feine
fünftlerifchen 9töh™äter unb feine äfthetifchen Vorfrüchte in Senen
erblicfen, mögen beibe roieber ihre Quellen, eigentlichen Slhnen unb
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— 1G0 —
Vorbtlber getroft in Schumann fucftcn unb roomoglich noch weiter
hinauf, auf Sdjubcrt (feine befonberö erleuchteten Momente, jumal
im burchfomponierten Siebe!) jurücf führen : mobernen Snfjalt haben .
unb bringen beibe organifdjc gortbilbungcn heute in gleicher SKeifc —
übcrctnftimmenb mit ben jroet lebenbig fid) ergänjenben Inrifdjcn
£>auptrid)tungcn unferer jeitgenöffifchen $oefie ....
Unb nun unterbreite id) ganj unmafegcbltchft einen joDialcn
^3orfcr)lag: $Jian eröffne alöbalb einen roohlorganiftcrtcn ©türm auf
unfere 2ftu|lfalicnhanblungen unb forbere mit energifcher Sclbft*
ncrftänblichfeit bie von mir fiter namhaft gemalten ca. 100 mobernen
Siebcrfomponiftcn begro. beten „befanntere ©efange" aus — ba
mirb man fich Ja gleich felbcr baoon überzeugen fönnen, ro t e
„mobern" , b. f). bicömal in meinem ©rabe u n oorfjanben unb
n i er) t oorrätig, biefc (fnft 311 1 c jufammen) bisher noch ftnb. ;
„2)c8 fogenannte moberne Sieb fann mir geftohlen roerben!" meinte
ein fein* renommierter SKufifalienhänbler Sfcorbbcutfchlanbö, als ich cor
einiger $dt m f cmen Saben einbrach, um mich jur fpejieflercn
Vorbereitung auf biefeö £h cma mit entfprechenbem Material ju
oerfehen unb — baju fo gut roie gar nichts bei it)m t>or$uftnbcn. -
•ftein, baö mufj nrirflid) burchauö anberö werben, giebt'ö auf biefer
fd)limmcn (*rbcn um unb um noch eine Spur oon — ßunft* unb
2flufif ;S £ublifum! SSir miffen ja, baö „Angebot" ric&tet fic^ nach •
ber „Nachfrage" — unb beileibe nicht umgekehrt.
3d) bin ju @nbc. — 3n $ranfreidj brüben oeranftaltet man
bcfanntlief), wo es bie geiftige Einführung in bcmnäcbft $ur Vor* \
füfyrung gclangcnbe neuartige Äunftwcrfc ober 2Hd)tcr^crfönlid)feiten
gilt, befonberc 3ufammenfünftc äfthetifeber (Strfel mit eigenen Vor*
tragen jur Sache, benen man bort bie uornefime Söcjeidmung
„Conferences" beilegt. 5lud) bei uns in Seutfdjlanb fjat man —
„mobern" wahrfchctnltch wieber einmal mit „mobifd)" oermedjfclnb \
— biefc auölänbifcr) * frembartige ©epflogenhett mannigfach bereit«
nachzuäffen oerfueftt. SSir jebod) wollen „tyt allerwege gut beutfdj" •
bleiben, unb ich fonberlidj mödjte gar ju gerne rein unb un*
Dcrfälfdjt bajuwarifd) mid) 511m Schluffe noch auöbrücfen, juft eben
nach meiner Mrt, wie mir ber Schnabel gewachfen ift. Sagen wtr '
olfo furj unb bünbig einfach: „9luf eine Slußeinanberfefcung war
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es tyer abgcfefjen über bic @tnf)eit ber mobernen rate aller
Slunft — auf eine grünblid&e ^uöeinanberfefcung, bie fjoffentlidj in
ber golge audj ju einer red)t nad^altigen Söerftänbigung über
biefen $unft unb biefcö £f)ema nun führen wirb!" Unferer 33e*
trad)tung ober fjaben wir unauögefefct ju ©runbe gelegt ben £ejt,
roeld&er ftd) aufgejeidjnct finbet in bem unoergänglid&en „Sauft"*
(Soangelium unfereö großen ©oetlje, roofelbft er im I. £eil, 1. SIf t
unb 1. ©jene alfo lautet:
„2Bie alles fidj jum ©an3en roebt,
@in3 in bem Slnbern wirft unb lebt!"
Irud oon 3. €• fhrcu$, SBerlin SW.| Äontmanbantcnftr. 14.
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Der Klavier-Lehrer.
Musik - pädagogische Zeitschrift mit Illustrationen.
Organ der Deutschen Mnsiklehrer-Vereine u. der Tonkünstler-Vereine
zu Berlin, Köln, Dresden, Hamburg und Stuttgart
Begr. 1878 von Professor Emil Breslaur. .Redaktion:
Anna Morsch«
Monatlich zwei Nummern im Umfang von 12—16 Seiten.
Abonnement jährlich 6 Mk., bei direkter Zusendung unter Kreuz-
band 7 Mk. Inserate zum Preise von 30 Pf. für die zwei-
gespaltene Zeile. Adressentafel: 5 Zeilen jährlich 10 Mk.
Der „Klavier - Lehrer" f das hervorragende Fachblatt auf
musikpädagogischem Gebiete, bringt eingehende musikwissen-
schaftliche und musikgeschichtliche Artikel, besonders solche,
die sich mit dem Unterrichtswesen beschäftigen, Kritiken neuer
Musikalien und musikwissenschaftlicher "Werke, Konzert-
berichte u. s. w. Zu seinen altbewährten Mitarbeitern sind in
neuerer Zeit hinzugetreten: Dr. Richard Batka, Hans von
Basedow, Dr. Oscar Bie, Dr. Oscar Fleischer, Dr. Carl Fnchs,
Dr. Otto Klauwell, Kapellmeister 0. R. Kruse, Direktor Richard
Lange, Dr. Leopold Schmidt, Dr. Max Seiffert. Wilhelm
Tappert u. A. Die in letztem Jahrgange begonnenen Biographien
zeitgenössischer, hervorragender Musikpädagogen mit Portraits
und besonderer Berücksichtigung ihrer Unterrichts werke, werden
fortgesetzt, den bereits erschienenen kritischen Essays über
Albert Löschhorn, Carl Reinecke, Emil Breslaur, Heinrich
Germer, Heinrich Ehrlich, Carl Heinrich Döring werden sich
in nächster Zeit anreihen: Dr. Otto Klauwell, Prof. S. Jadas-
sohn, Dr. Hugo Riemann, Prof. Dr. Kullack, Prof. Carl Kllnd-
worth u. a.
MF~ Zu beziehen durch alle Buch- und Musikalienhandlungen,
sowie Postanstalten (unter No. 4089) und direkt von der Expedition:
Wolf Peiser Verlag.
Berlin S., Brand enburg str. 11.
Probenummern auf Verlangen unentgeltlich.
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