Skip to main content

Full text of "Monatshefte für Politik und Wehrmacht auch Organ der Gesellschaft für Heereskunde"

See other formats


MONATSHEFTE 
FÜR POLITIK UND 
WEHRMACHT 
[AUCH ORGAN 

DER... 




Digitized by Google 



.49-; 




ioogle 



Jahrbücher 



für die 



deutsche Armee und Marine. 



Verantwortlich geleitet 



von 



E. Sehnaekenburg 

Oberstlieutenant a. L>. 



■ 



Zweiuiidneuuzigster Band. 

Juli bis September 1894. 



BERLIN W.8. 
Verlag von A. Bath* 

Möhren- Strasse 1t». 

1894. 



Digitized by Google 



Inhalts- Verzeichnifs 



So. 274. Heft 1. JulL Soiu 

1. Militär -touristische Wahrnehmungen im Sandschak Novibazar, 
in Montenegro und in der Krivosije. Von J. Bau mann, k. h. 

Hauptmann 1 

II. Die neuen Vorschriften für die Ausbildung der schweizerischen 

Reiterei . , , , , , , , , , , . , , , , , , , , , , 43 

III. Frankreichs Grenzschutz. Von Gral' von Haslingen, Major . 61 

IV. Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik und des ersten 
KiiispiToir.hs 68 

V. Zur Geseluchte der Adjustirung der österreichischen Armee. 

Von A. Dittrich, k. k. I.andwehrhauptmann 77 

VI. Zwei reitend«- Batterien in Not . . , . . . , . , , , , , 9J 

VII. Friedrich der Grofse und General Chasot 92 

VIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 97 

XIX. Umschau in der Militar-Litteratur: 

L Auslandische Zeitschriften . ! . s . s . s , s , J& 

IL Bücher 107 

HL Seewesen , , 119 

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 125 

No. 276. Heft 2. August. 

X. über die Wehrverfassung von Stift und Stadt Osnabrück in 

früherer Zeit. Von Dr. F. Philippi 127 

XI. Der verhangnifsvolle Minenkrater bei Petersburg. Eine Episode 

aus dem Sezessionskriege. Von J. Scheibert, Major z. D. ♦ . 130 

XII. Frankreichs Grenzschutz. Von Graf von Haslingen, Major. 
(Scldufe.) 145 

XIII. Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine 162 

XIV. Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik und des ersten 
Kaiserreichs. (Fortsetzung.) 109 

XV. Änderungen in dem französischen Exerzirreglement für die In - 
fanterie. Von Hauptmann Petermann (13. A.-K.) 188 

XVI. Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. Von 

A. Pitt rieh, k. k. Landwehrhauptmann. (Schlufs.) 199 

XVII. Die Wiener Ausstellungen 219 

XVIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 225 



Stils 



XIX. Umschau in der Militär- Litteratur: 

1. Ausländische Zeitschriften 228 

Tl. Bucher 236 

III. Seewesen 245 

IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 250 

No. 87g. Heft 1 September. 

XX. Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. 

Von Major G h 253 

XXI. Die Verteidigung des Klosters habischin am 29. September 1794 260 

XXII. Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik und des ersten 
Kaiserreichs. (Fortsetzung.) 268 

XXIII. Der Sporn (die Ramme) im Gefecht, und bei Schiffs-Kollisionen 262 

XXIV. Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific- Balm . . . 314 
XXV. Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung . . . 327 

XXVI. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 333 

XXVII. Umschau auf iiiilitilrtechnischem Geb iet- 335 

XXVIII. Umschau in der Militiir-Uittenitiir: 

L Ausländische Zeitschriften . , , , , , , , , , , 351 

II. Btlchpr 357 

in. SftftwoBftn 366 

IV. Verzeichniia der zur Besprechung eingegangenen Bücher 371 



uigmzea Dy ^.oogie 



L 

Militär -touristische Wahrnehmungen im Sandschak 
Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije, 

Von 

J. Baumann, k. b. Hauptmann. 



Im Südosten von Bosnien, zwischen Serbien, Albanien und Monte- 
negro liegt der Sandschak Novibazar, eine türkische Provinz, auch 
Alt-Serbien genannt. Unweit der Südgrenzc hatte am 15. Juni 1389 
eine wichtige Entscheidung stattgefunden, die Schlacht von Kossovo 
polje, d. L die Schlacht auf dem Amselfelde, durch welche das grofse 
Serbenroich in Trümmer ging, die Osmanen aber Herren des süd- 
östlichen Europas wurden. 200 000 Serben waren 300 000 Türken 
gegenübergestanden. 1453 kam dann Konstantinopel in die Hände 
der Türken, 1459 Serbien, 1463 Bosnien, 1483 Herzegovina und 1592 
Albanien; bald zitterten selbst die grofsen christlichen Staaten vor 
den asiatischen Eindringlingen. 

Nach der Schlacht auf dem Amselfelde flüchtete sich ein Teil 
der versprengten Serben in eine unzugängliche Gebirgswildnifs und 
erhielt sich dort bis auf den heutigen Tag unabhängig. Es sind die 
Montenegriner. Diesem seltsamen, tapferen Völklein, bei uns unter 
dem Namen „Kopfabschneider" und ., Hammeldiebe" bekannt, galt 
während eines Urlaubs mein Besuch. Von den vielen Wahrnehmungen, 
die ich unterwegs machen konnte, und welche mehr oder weniger auf 
das Militärwesen Bezug haben, möchte ich Einiges erzählen. Ich 
mufs aber gleich vorausschickend bemerken, dafs ich nicht darauf 
ausgegangen bin, wichtige Einrichtungen oder gar Geheimgehaltenes 
in Erfahrung zu bringen, so dafs ich eigentlich über keine wichtige 
Entdeckung berichten kann. Nur über harmlose Kleinigkeiten will 
ich plaudern. Dieses Bekenntnifs dürfte vielleicht manchen strengen 
Beurteiler veranlassen, meine Wahrnehmungen zu überschlagen. — 

Jahrbücher fttr die DeuUche Armee und Marine. Bd. VU1C, 1. 1 



Digitized by Google 



■2 



Militür-touritttuK'he Wahrnehmungen im Sandschak 



Im Sandschak Xovibazar. 

Ich nalira den Weg von Agram durch Bosnien nach dem Sand- 
schak Novibazar; im Besonderen über Banjaluka, Jaize, Sarajevo und 
Gorazda nach Plevljc. Überall traten die segensvollen Folgen der 
Okkupation deutlich vor die Augen, so namentlich die prächtigen 
Strafsen, die Telegraphen, Posten und Schulen. Freilich manch 
weifses Grabmal steht auch unweit des Weges und erinnert an die 
Opfer, welche die Unternehmung gekostet hat. Das Land gilt als 
vollkommen beruhigt, vielleicht nur infolgo der strengen Mafsregeln, 
welche in den unruhigeren Abschnitten, namentlich im Süden angeordnet 
sind. Die Eingeborenen, — Christen, Orthodoxe und Muhamedaner — , 
werden zum Militärdienste herangezogen und in eigene Regimenter 
eingestellt. Sie tragen eine den nationalen Verhältnissen angepaßte 
Uniform mit Pumphose und Fez. Um sich etwas Kultur oder „Schliff" 
anzueignen, garnLsoniren sio je ein Jahr in den gröfseren Städten 
Österreich-Ungarns. Die Bosniaken sind schöne und grofs gewachsene 
Leute, sehr gute Soldaten, willig und bedürfnifslos, vorzügliche 
Marschirer, haben aber sehr ungern das schwere Gepäck auf dem 
Rücken. Die Männer tragen nämlich hier zu Lande keine Lasten; 
dies obliegt den Weibern. 

Im Allgemeinen werden die grofsen Opfer, welche Österreich für 
das Land schon gebracht hat, von der Bevölkerung nicht gewürdigt. 
Diese hat nicht das Bodürfnifs, ihre Lage kulturell zu verbessern. 
Die Muhamedaner, namentlich der besitzreiche Feudal-Adel, bisher 
uneingeschränkt und die Verordnungen der Pforte mifsachtend, schieden 
natürlich ungern und im Aufstande unterlegen aus den bisherigen 
ihnen so bequemen Verhältnissen. Die Christen, Raja oder Heerde 
genannt, bisher besitzlos und von den Türken trotz aller Fermane 
unglaublich geknechtet, hatten gehofft, dafs nach der Okkupation den 
Türken die Ländereien genommen und ihnen zugewiesen würden. 
Das konnte natürlich nicht geschehen. Hingegen erschienen, wie in 
jedem geordneten Staatshaushalte auch in Bosnien Konskription, 
Steuern und andere Lasten, Tabaksmonopol u. dergl. Heute sind sie 
vielleicht unzufriedener wie die Türken. Alle zusammen, Christen, 
Orthodoxe und Muhamedaner, sind zurückhaltend und schweigsam, 
die guten Landstriche lange nicht genügend ausnützend und die 
Segnungen der Kultur in Geduld über sich ergehen lassend. Wie 
könnte man auch verlangen, dafs all das, was türkische Mißwirtschaft, 
hier namentlich die unbotmäfsigen Bcgs und Agas in vier langen 
Jahrhunderten verbrochen haben, in vier kurzen Lustren völlig aus- 
gemerzt wurde. 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



3 



Über die unerhörten Mißverhältnisse zwischen Christen und den 
Türken, über die von den letzteren verübten Repressalien und Grausam- 
keiten, (über 200 000 Christen flüchteten auf österreichisches Gebiet 
und muisten hier für 10 Millionen Gulden erhalten werden), über 
das öftere Einschreiten der Grofsmächte, die Fenuans der Pforte, 
welche die geforderte Gleichstellung und Sicherheit der Christen be- 
fahlen, die Renitenz des bosnischen Adels und der bosnisch-türkischen 
Beamten, welche völlig anarchistische Zustände herbeiführten, giebt 
das österreichische Generalstabswerk, welches die Okkupation Bosniens 
behandoit, in seiner Einleitung und in dem Kapitel: die Ereignisse 
von 1875—78 eingehende Aufschlüsse (53 Seiten). 

Mit Zustimmung der Mächte im Berliner Vertrag d. d. 13. Juli 
1878 und mit ausdrücklicher Billigung der Pforte begann Österreich- 
Ungarn am "29. Juli 1878 die Okkupation, die sich freilich viel schwieriger 
gestaltete, als man sich dieselbe trotz der umsichtigsten Mafsregeln er- 
wartet hatte. Über die Art und Weise des Aufstandes, die Führer 
der Insurrektion, die von Seite der regulären Truppen erhaltenen 
Unterstützungen u. dergl. kann man nichts erfahren. Selbst Herren, 
welche das Vertrauen und die Liebe ihrer bosnischen Diener durch 
jahrelange milde Behandlung gewonnen haben, erhalten auf dies- 
bezügliche Fragen die stets gleichmäfsig lautende Antwort: „Gospodine 
— Herr, das habe ich Alles ganz vergessen." — 

Indem ich beinahe ständig die österreichische Militärpost benutzte, 
erreichte ich über Gorazda — Cajnica die südöstliche Grenze von Bosnien. 
Hier führt die Strafse durch einen dunklen hohen Tannenwald steil 
aufwärts zum Metalka-Sattel (1380m). Diese Wälder im Südosten 
Bosniens, namentlich nordwärts der erwähnten Strafse, sollen noch 
eigentliche Urwälder sein, von keiner Axt berührt und das unbestrittene 
Gebiet von Wölfen, Bären, Luchsen und Wildkatzen. Oben auf dem 
Sattel steht der türkische Schlagbaum. Ein recht bescheiden gekleideter 
Beamter des Padischah verlangt den Pafs und 20 Piaster Gebühren 
für das Visum; wir sind demnach auf türkischem Boden. Setzen wir 
dann die Fahrt fort, so bemerken wir Mancherlei, was unser Interesse 
in Anspruch nimmt. Häufig begegnen uns österreichische Doppel- 
Patrouillen und zwar dies- und jenseits des Sattels. Osterreichische 
Soldaten sind beschäftigt, Felsen loszusprengen und auf die Strafse 
herunter zu schaffen; Pioniere klopfen am Wegrande Steine, wie wir 
es in Bosnien öfters von Bosniaken gesehen haben. Andere Soldaten 
fällen Bäume und bringen dieselben als Bauholz in die Garnisonen 
oder brennen daraus in kunstgerechten Meilern Kuhlen. Ich mufs 
noch einmal daran erinnern, dafs wir Bosnien bereits verlassen haben, 
und uns in der türkischen Provinz Novibazar befinden. Zum Vcr- 

1* 



Digitized by LaOOglC 



i 



Militär-touri&tische Wahrnehmungen im Sandschak 



ständnifs ist der Wortlaut des Artikels XXV des Berliner Vertrages 
notwendig. Derselbe lautet: „Die Provinzen Bosnien und Herzegovina 
sollen von Österreich besetzt und verwaltet werden. Da die österreichisch- 
ungarische Regierung es nicht wünscht, sich mit der Verwaltung des 
Sandschaks von Novibazar zu befassen, wird die ottomanische Regierung 
auch fortfahren, dort in Kraft zu sein. Nichtsdestoweniger behält 
sich Österreich-Ungarn, um den Bestand des neuen politischen Staates, 
ebenso wie die Freiheit und Sicherheit der Kommunikationswege zu 
sichern, das Recht vor, Garnisonen zu halten und militärische und 
Handelsstrafsen zu besetzen im ganzen Umfange dieses Teiles des 
alten Vilajets von Bosnien." Von diesen Gesichtspunkten ausgehend 
hat Österreich drei wichtige Punkte des Sandschaks, nämlich Priboj, 
Prjepolje und Plevlje mit starken Garnisonen belegt. 

Österreich-Ungarn sind durch die Okkupation und die Verwaltung 
von Bosnien und Herzegovina natürlich ganz beträchtliche Ausgaben 
erwachsen, die zu den Einnahmen bislang in unrichtigem Verhältnisse 
standen. Erst im letzten Jahre sollen die Ausgaben durch die Ein- 
nahmen gedeckt worden sein, wobei allerdings noch die Militärlast von 
Österreich- Ungarn getragen wird. Es liegt nahe, dafs man trachtet, 
die Kosten, welche durch die starke Besatzung entstehen, zu verringern, 
ja, das Militär soll indirekt und direkt mithelfen, Ersparungen zu 
machen. Zwei Beispiele hierfür: Ein gutes Heer braucht, um zur 
Verwendung kommen zu können, auch gute Strafsen. 1878 waren 
die Wege in so unsagbar schlechtem Zustande, dafs dem XIII. Korps 
schliefslich Pionierkompagnien zugeteilt werden mufsten, die alle 
vollauf zu thun hatten. Die Ungangbarkeit des Landes und die daraus 
folgende Schwierigkeit, die Etappen zu behaupten, brachten es mit 
sich, dafs die 82 000 Mann des Ausmarsches in recht mifsliche Ver- 
hältnisse gerieten und dann auf 262 000 Mann vermehrt wurden, — 
auf den ersten Anblick eine ungeheure Menschenmasse, weil es sich 
nur um die Bezwingung eines Aufstandes handelte. (Der Feldzug 
kostete der österreichischen Armee an Toten und Vermifsten 47 Offiziere 
und 1171 Mann. Über die grausamen Verstümmelungen der in 
Feindeshand Gefallenen wurden mir traurige Beispiele erzählt). Um 
die Strafsen ohne allzu beträchtliche Kosten in guten Stand zu setzen, 
ist in Bosnien jeder Kopf gesetzlich verpflichtet, eine bestimmte An- 
zahl Tage durch Steinklopfen zu frohnen. Ein fanatischer Arbeiter 
ist der Bosniake nicht, wie ich gar oft zu sehen Gelegenheit hatte, 
aber die Steine werden geklopft. Die Bcsatzungstruppen im Sandschak 
Novibazar benötigen aus gleichen Gründen gute Strafsen. Die Türken 
haben aber kein Interesse hierfür, eher das Gegenteil. Kosten können 
für türkisches Gebiet nicht verrechnet werden, so bleibt den öster- 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



reichischen Garnisonen nur ein Ausweg, sich das Notwendige und 
Wünschenswerte selber zu schaffen, ohne dafs Ausgaben entstehen. 
Darum tragen die Lasttierkolonnen Stämme, Steine und Kalk, Soldaten 
fällen Holz zu Baustämmen und Wintervorrat, sägen Bretter, zimmern 
Tische, bauen und vergrüfsern Schuppen und Kasernen, brennen 
Kohlen für den strengen Winter, und Pioniere klopfen Steine, um die 
neuerbauten Strafsen in brauchbarem Zustande zu erhalten. 

In ganz Bosnien, der Herzegovina und im besetzten Teile des 
Sandschakes Novibazar ist die Post in den Händen dos Militärs, 
wodurch die Beamtengehälter, ferner der Ankauf und Unterhalt von 
Postpferden erspart werden. Ks ist eine ganz bedeutende Anzahl 
Pferde nach den verschiedenen Richtungen in Verwendung. Da es 
sich beinahe meist um recht beträchtliche Strecken handelt, — man fährt 
im Sommer gewöhnlich von Morgens 5 Uhr bis Abends 8 Uhr, — sind 
viele Relais notwendig. Immerhin sind die Strecken für die Pferde 
noch ziemlich grofs und durch die vielfachen und langen Steigungen 
anstrengend. Man benötigt also gute Pferde und für dieselben eine 
ausgiebige Futterzulage. Bei der Beschirrung sah ich verschiedene, 
oft augenscheinlich die ältesten Muster in Gebrauch. Die Postwagen, 
eigens als solche konstruirt, sind ganz leichte einfache Fuhrwerke, 
seitwärts und oben mit Leinwandschutz versehen. Man nimmt nur 
Kolli bis zu 15 Kilo. Der Wagen hat vorne zwei Plätze für den 
Trainkutscher und Kondukteur, innen zwei für allenfallsige Passagiero, 
rückwärts einen oder zwei Plätze für die Infanteriebedeckung. Der 
Trainsoldat führt einen Karabiner, der Kondukteur, in der Regel ein 
Feldwebel, einen Revolver, der Infanterist sein Gewehr. Die Bedeckung 
wird im Wechsel kommandirt und erhält für den Tag 30 Kr. Zulage. 
Aufserdem besorgen in verschiedenen Abschnitten, namentlich in der 
Herzegovina und im Süden sehr zahlreiche Patrouillen und ausgestellte 
Posten, welche auf den Höhen rechts und links die Strafsen in ihrer 
ganzen Ausdehnung beobachten, die Postsicherung. Es sind dies sehr 
umfangreiche Mafsregeln, welche viele Mannschaften fordern. Man 
sagte mir, dafs nirgends eine gewaltsame Unternehmung gegen die 
Post zu gewärtigen sei. Wohl kamen wir einmal an einem Grab- 
steine vorüber, wobei mich der Kondukteur aufmerksam machte, dafs 
hier zwei Überfallene Patrouillen begraben lägen; aber das ist schon 
wieder mehrere Jahre her. In der strengen Durchführung der oben 
angedeuteten Mafsregeln liegt wohl die Garantie der Sicherheit. - 
Der Kondukteur hat ein Posthorn umhängen und mufs in Orten, in 
denen sich Posten befinden, blasen oder für Aufserachtlassung dieser 
Vorschrift 50 Kr. Strafe zahlen. Die Feldwebel bliesen Alle ganz 
leidlich. Ich fuhr meist allein. Einmal nahm den 2. Platz ein Unter- 



Digitized by LaOOglC 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



uffizier ein, welcher die Garnison wechselte, und einmal ein einberufener 
Rekrut, der bei der Abfahrt laut heulte; erst allmählig linderte sich 
sein Schmerz bis zum leisen Schluchzen; den Rest der Fahrt nahm 
ihn ein wohlthuender tiefer, wohlmotivirter Schlaf gefangen. Im 
Winter werden die Verhältnisse oft recht schwierig, wie mir später 
ein Soldat in der Herzego\ina erzählte. Bei recht tiefem Schnee 
kommen Wagen und Schlitten nicht mehr fort, und packt man dann 
die Poststücke auf Lasttiere. Bleiben auch diese stecken, giebt man 
die notwendigste Post kräftigen Soldaten in den Tornister, aber ganze 
Züge, oft bis zu 50 Mann, müssen mit, um den Weg gangbar zu 
machen. Mitunter liegt an der Strafse eine Quelle, welche die Pioniere, 
welche die Strafse bauten, gefafst haben. Die Quellen tragen Alle 
einen in Stein gehauenen Namen, wohl den einer holden Angebeteten, 
den der Bauleiter so verewigen wollte. Eine Quelle trug die schöne 
Bezeichnung: „Kako si ti? u „Wie gehts Dir? u , welches die landes- 
übliche Grufsformel bildet. 

Plevlje, türkisch Taslidza, liegt in einem weiten kahlen, reiz- 
losen, von nackten, mittelhohen Bergen umstarrten und sonnendurch- 
glühten Kessel. Es ist ein gröfserer, ausgedehnter Ort mit echt 
türkischem Aussehen. Die Häuser mit den holzvergitterten Fenstern 
sind schlecht gebaut; nur der untere Teil besteht aus ungebrannten 
Ziegeln, der obere aus lehmverkloidetem Flechtwerke. Merkwürdig- 
keiten enthält die Stadt nicht, aber wie alle türkischen Orte einen 
ausgedehnten Bazar. Auf der Westseite der Stadt, auf einem sich 
ganz sanft verflachenden Abhänge befindet sich das Österreichische 
Lager mit Baracken, Stallungen, Remisen, Magazinen und einem 
Offizierskasino, das ein Garten umgiebt. Alle diese Garnisonen, wo- 
möglich auch alle die vorgeschobenen Posten, bestehen aus gemischten 
Waffen, um erforderlichenfalls allein operiren zu können. So liegt 
beispielsweise in Plevlje ein Infanterie -Regiment (44), 2 Gebirgs- 
batterien, 1 Zug Pioniere und 1 Zug einer Lasttierkolonne. Ein be- 
festigter Punkt auf der Höhe schützt das Lager. Entsprechend ist 
die Stärke der Türken, welche am entgegengesetzten Stadtende ihre 
etwas defekt aussehenden Kasernenräumlichkeiten besitzen, nämlich 
3 Bataillone Infanterie, einige Batterien und einige Schwadronen 
Tscherkessen-Kavallerie. Der für das österreichische Lager benötigte 
Platz ist nicht mehr ausreichend. Da der Raum seinerzeit gefordert 
und genau festgesetzt worden ist, scheut man sich heute um eine 
Vergröfserung nachzusuchen. Man hilft sich, indem man beispiels- 
weise den Platz für die Wacho von Privaten mietet. 

Das Hotelwesen im Okkupationsgebiete hat teilweise die Landes- 
verwaltung in die Hand genommen, indem sie an mehreren wichtigen 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



7 



Punkten ärarische Gasthöfe erbauen liefs und durch ein offizielles 
Organ beaufsichtigen läfst. Wo gröfsero Garnisonen liegen, finden 
die Wirte guto Einnahmen. In kleineren Orten sind die Offiziere oft 
ausschliefslich auf ihre Kasinos angewiesen. Hier in Plevlje hat die 
Garnisonsverwaltung für neu ankommende oder durchreisende Offiziere 
in einer Baracke ein paar einfache Fremdenzimmer eingerichtet. 
Gerne erhielt ich hier Aufnahme. Zur eventuellen Einkehr dient noch 
ein ganz gutes Gasthaus, in welchem auch ein Teil der Offiziere 
Abends zuspricht. Dort steht auch ein Billard, dessen Transport 
100 11. kostete; die Türken verlangten weitere 100 fl. Zoll. 

Ich suchte zunächst Fühlung mit den Offizieren und meldete 
mich auf der Brigadekanzlei. Der Brigade- Adjutant, ein Generalstabs- 
ofnzier, sowie ein Kreis von den Offizieren verschiedener Waffen, 
mit denen ich in nähere Berührung kam, bezeugten die herzlichste 
Kameradschaft und waren mir auf alle Weise zur Erreichung meiner 
Wünsche behilflich. Ich hatte später in der Hcrzegovina, dann im 
südlichen Dalmatien und in der Krivosije noch öfter Gelegenheit, in 
den Kreisen der österreichischen Kameraden zu verkehren. Man ist 
darauf angewiesen, weil eine Unterkunft ohne ihro Vermittlung meist 
ausgeschlossen ist. Überall fand ich die gleiche ungezwungene, liebens- 
würdige Kameradschaft. Stets war ein kleinerer oder gröfserer Kreis 
von jüngeren und älteren Kameraden zu meiner Verfügung. Auch 
der Ton gefiel mir wohl, der in den Offizierskreisen Regel zu sein 
scheint. Ich bemerkte nichts von der Unbescheidenheit, die manches- 
mal der Jugend eigentümlich ist, und gerne vor Fremden ihr ganzes 
Sein auszukramen pflegt. Im Umgang behandelten mich, den deutschen 
Waffenbruder, die Altersgenossen wie der Ihrigen Einen. In den 
verschiedenen dienstlichen Gesprächen hielten sie durchaus nicht 
zurück, zeigten trotz der lokalen Ausnahmsstellung keine Gcheimnifs- 
krämerei und zogen mich bei mancher Besprechung bei. Ich mufs 
allerdings auch beifügen, dafs ich, da ich nicht im Auftrage reiste, 
auch den Takt besafs, nie Fragen zu stellen, deren Beantwortung 
einem gewissenhaften Offiziere bei aller Liebenswürdigkeit schwer 
fallen müfste. Die gegenseitigen Gagenverhältnisse, der nervus rerum, 
wurden öfters berührt. Die Gagen der Lieutenants sind ungefähr 
den unsrigen gleich, die der Hauptlcutc in Österreich etwas, die der 
Hauptleute 1. Klasse und der Stabsoffiziere beträchtlich geringer. 
Da die Garnisonen in den Grenzdistrikten operationsfiihiger sein müssen, 
als anderswo, existiren auch darauf bezügliche Bestimmungen; so 
können die Frauen ihren Männern nicht folgen und bleiben in Österreich 
zurück ; hingegen werden Zulagen gegeben. Die Regimenter verbleiben 
3 Jahre im Okkupationsgebiete und wechseln daselbst jährlich die 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



Garnison. Die Garnisonen besetzen im Wechsel die vorgeschriebenen 
Posten, Zwischenstationen, Forts und dergl., oft Aufenthalte der trost- 
losesten Art. Da hier Lieutenants oft wochenlang und länger ganz 
allein sind und sich mit Niemand in ein Gespräch einlassen können, 
die Mannschaften im Wechsel Alle ausgegeben werden, ist viel Pflicht- 
treue und Thätigkeit notwendig, um über die Langeweile wegzu- 
kommen. 

In Plevlje herrscht zwischen der türkischen und österreichischen 
Garnison das beste Einvernehmen. Dies wird wohl hauptsächlich 
durch das taktvolle Benehmen der Österreicher erreicht. Es steht 
aber auch an der Spitze der Türken ein Pascha, der für die einflufs- 
reiche Stelle vorzüglich geeignet ist, und dem jeder österreichische 
Offizier in jeder Hinsicht das gröfste Lob spricht. Diese einsichtsvolle 
Oberleitung ist jedenfalls auch Ursache, dafs die Soldaten des Padischah 
auf der Strafse nach türkischen Begriffen musterhaft, nach unseren 
Begriffen ganz gut erscheinen. Wer türkisches Militär anderswo ge- 
sehen hat, — ich will nicht weiter ausholen und nur das nahe Scutari 
nennen, die albanesischo Hauptstadt, die ich einige Wochen später 
betrat — , weifs dies zu würdigen. In Scutari trug die sehr zahl- 
reiche Garnison überaus abgetragene Uniformen, die den blauen 
Grundcharakter des Tuches nicht mehr ahnen liefsen und meist wie 
fadenscheiniger, hellgrauer Zwilch aussahen. Unter den vielen Soldaten 
gewahrte ich dort keine fünf, welche die gleiche Fufsbekleidung 
trugen. Man sah hochschäftige Stiefel, Bundschuhe, Stiefietten, Haus- 
schuhe, Opanken und Anderes, oft Verschiedenheiten am selben Mann. 
Hingegen hatte ein vom Exerziren einrückendes Tabor-Bataillon gleich - 
mäfsig Opanken. Es scheint, dafs die ärarische Fufsbekleidung, die 
Opanken, aufser Dienst geschont werden mufs und nicht getragen 
werden darf. Auf die diesen Ländern eigentümliche Fufsbekleidung 
der Opanken werde ich noch zurückkommen. Noch ein paar Kleinig- 
keiten aus Scutari. An der Spitze des genannten Bataillons ritt ein 
Bimbaschi (Major) mit gezogenem Säbel. Seiner Schimmelstute folgte 
ein reizendes, aber müdes Füllen, welches sichtlich die Bataillons- 
übungen noch nicht lange mitmachte. Einige Minuten später — ich 
war auf dem Wege zum entlegenen Bazar — begegnete mir ein 
Hauptmann. Er hatte dort zwei Besen erworben, die er sichtlieh 
wohlbefriedigt von dem gelungenen Kaufe unter dem Arme heimtrug. 
Das Kastell, welches die Höhe von Scutari beherrscht, macht teilweise 
einen ruinösen Eindruck. Über die Ursache erzählte man mir Folgendes: 
Der frühere Pascha, ein Mann der Aufklärung, hatte von der wunder- 
baren Wirkung eines Blitzableiters gehört und liefs auf dem Pulver- 
magazine der Festung einen solchen anbringen, aber, wahrscheinlich 



Digitized by G 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



9 



aus Sparsamkeit, nur die Auffangstangen. Beim nächsten Gewitter 
stellte er sich ans Fenster, um die Wirkung seiner Einrichtung zu 
beobachten. Er brauchte nicht lange zu warten, denn einer der ersten 
Blitze schlug in das Magazin, dafs es in Trümmer ging. Der Schaden 
wurde nur auf das notdürftigste wieder ausgebessert. — 

In Plevlje machen die österreichischen Offiziere beim Pascha 
Besuch und werden dann und wann als Gäste geladen. Bei diesen 
Anlässen liefs dor Pascha anfangs türkische Gerichte vorsetzen, was 
jedenfalls sehr interessant war. Seitdem aber hierbei Mehrere bei 
offener Tafel unwohl wurden, Andere sich nur noch durch rasche 
Flucht retten konnten, der vorsichtige Rest der Geladenen aber offen- 
bar hungrig aufstand, läfst der verständige Pascha nur mehr fränkisch 
kochen. 

Ich hatte im Offizierskasino mit den Kameraden gespeist. Es 
waren vielleicht 80 Herren, auch die Stabsoffiziere beteiligen sich am 
Mittagstische, da ja die Frauen fehlen und kein eigener Haushalt ge- 
führt werden kann. Unverheiratete Hauptleute haben in Österreich 
ohnedies die Verpflichtung, an der Offiziersmenage Teil zu nehmen. 
In der Küche schalten Köcho. Betreffs der Getränke machte ich 
beinahe im ganzen Okkupationsgebiete eine für die Kameraden 
bedauernswerte Beobachtung. Die Weine in Bosnien sind schlecht, 
besser in der Herzegovina, gut in Dalmatien. Das Bier, meist von 
Dreher in Wien oder von Pilsen ist teuer, der Schoppon kostet 
10—12 Kr. Die österreichische Garnison zahlt an der türkischen 
Grenze keinen Zoll. 

Am Nachmittage zeigten mir die Kameraden ihre Kasernen- 
lokalitäten, Stallungen, Magazine, die Gebirgsbatterien u. dergl. Alle 
Pferde sind vom bosnischen Landschlage, unglaublich klein und un- 
ansehnlich. Auch die Offiziere reiten ganz kleine Pferde, selbst Reiter 
von gröfserem Körpergewichte. Diese Pferde sind eben für Gebirgs- 
land bestimmt, und ihre Leistungen auf steilen Wegen auf- und ab- 
wärts, im Klettern und in Bezug auf Sicherheit und Tragvermögen 
unschätzbar. Die Pferdepreise bezeichnete man mir als sehr niedrig. 
Für ein gutes Pferd zahlt man nicht den dritten Teil von dem, was 
man bei uns für ein mittleres Reitpferd geben mufs. Als Tragtiere 
für die Batterien und Kolonnen nimmt man natürlich gedrungene 
Pferde, denn die Last, welche man ihnen zumuten mufs, ist nicht 
unbedeutend; es hat schon der Packsattel ein ganz ansehnliches 
Gewicht. Ein Lasttier trägt durchschnittlich 100 kg. Für das 
Geschütz sind 2 Pferde notwendig; das Rohr wiegt 89 kg. Ich hatte 
in der Folge noch oft Gelegenheit, mich an der Leistungsfähigkeit 
dieser Art Pferde zu erfreuen. Ich kann mich nicht erinnern, dafs 



Digitized by Google 



10 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



bei meinem dreiwöchentlichen Ritte über die Karstgebirge auf oft 
haarsträubenden Wegen eines meiner Pferde auch nur einmal einen 
Fehltritt gemacht hätte. Dabei Iäfst man ihnen auf- und abwärts 
völlig den Zügel, um sie in keiner Weise am Klettern zu behindern. 
Die Pferde suchen mit bewunderungswertem Instinkte immer den 
günstigsten Aufstieg und biegen hierbei möglichst aus, um die grofsen 
Steigungen zu vermeiden. Bei ganz schwierigen Passagen bleiben sie 
stehen, überlegen längere Zeit und nehmen dann oft alle Kraft auf- 
bietend und stöhnend den Felsen. Ks ist bekannt, dafs alle Gebirgs- 
pferde am äufseren Rande des Saumwcgcs gehen. Für einen ängst- 
lichen Reiter erweckt es gerade kein angenehmes Gefühl, wenn er 
mit halbem Körper über tiefen Abgründen schwebt. Diese Gewohnheit 
rührt davon her, dafs stark und breit beladene Pferde, wenn sie die 
Mitte des Weges halten, meist an den Felswänden der inneren Seite 
anstreifen. Beim landesüblichen Beschläge verwendet man Eisen- 
platten, welche die ganze Hufsohle bedecken und nur eine kleine 
Öffnung besitzen. Man heftet sie mit Nägeln auf, welche stark vor- 
stehen. Derlei Eisen sind in dem endlosen, scharfen und spitzen 
Gestein notwendig; die Nägel verhindern das Gleiten. Selbst auf 
glatten, steilen Felsplatten konnten sich die Pferde ganz gut fest- 
halten. — Hier in Plevlje, wie jedenfalls auch in den anderen 
Garnisonen, finden auch Hunde zu Militärzwecken Verwendung und 
zwar nicht allein beim Vorposten dienst, sondern namentlich auch zum 
Überbringen von Depeschen und Meldungen. 

Später gingen wir durch die Stadt zu den türkischen Kasernen. 
Es war Freitag, d. i. muhamedanischer Feiertag und die Bazarstrafse 
stark bosucht. Viele türkische Soldaten grüfsten die österreichischen 
Offiziere, manche nicht; ähnlich verhielten sich auch die türkischen 
Offiziere, von denen die meisten einen „Kommifseindruck" machten. 
Sie wohnen in den Kasernen, bekommen die Verpflegung in natura 
und den geringen Sold meist etwas stark postnumerando, in der Regel 
nur in Quittungen, die der Wechsler mit beträchtlichen Abzügen ein- 
löst. Der türkische Grufs hat etwas Scheues, die Soldaten blicken 
den zu Beehrenden nicht an. Einige wenige von den Offizieren gehen 
mit dem Fortschritt, der von Konstantinopel aus langsam bis zu den 
Provinzen vordringt, und tragen im Äufsern mehr Propretät und in 
ganz vereinzelten Fällen sogar Geschmack und Eleganz zur Schau. 
Von den Letzteren ist freilich mancher Hassan Effendi erst im Mannes- 
alter beschnitten worden und hat ehedem vielleicht in Lübeck den 
Namen Jakob Meier getragen. Ähnliches kann man beim Durch- 
blättern der türkischen Kriegsgeschichte nicht selten herauslesen. Ein 
gewaltiger, robuster Major begegnete uns, der die Grüfse ziemlich 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



11 



herablassend entgegennahm. Mein Gewährsmann erzählte, er sei ehe- 
dem Pfeifenstopfer des Sultans gewesen und habe sich bei Plewna 
wirklich hervorgethan. Bald brachte er's, der nicht lesen und schreiben 
kann, zum Bimbaschi, und jüngst sei noch, um die Ehren voll zu 
machen, eine Tochter des Sultans für seinen Harem angekommen — 
Allah alehbar! Ein anderer noch junger türkischer Offizier in tadel- 
loser Uniform und feingeschniggelt fiel ebenfalls auf. Ks war der Ober- 
arzt, ein Spaniole, d. i. spanischer Jude. Er ist sehr erfinderisch im 
Monturschnitt, trägt und kleidet sich beinahe täglich anders, oft in 
ganz phantastischen, ordonnanzwidrigen Anzügen, weifs sich nach oben 
sehr wichtig zu machen, besitzt grofsc Orden, weil er die Cholera 
durch eine besondere Erfindung von der Garnison femgehalten und 
kümmert sich um alles mögliche, nur nicht um — die Kranken. Ein 
Teil der türkischen Offiziere trägt österreichische Portepees, weil sie 
ihnen besser gefallen, und weil es als „fesch" gilt. Als wir uns den 
Kasernen näherten, war die Zeit des Aksams, des Abendgebetes, 
welches täglich vor Anbruch der Dunkelheit im Kasernenhofe statt- 
findet. Zu hunderten kamen die Soldaten in gröfseren und kleineren 
Trupps von einem in der Nähe der Kaserne gelegenen, weiten Plane 
heran. Dort hatten sie harmlose Kinderspiele aufgeführt, gesungen, 
mit den Händen geklatscht, oder auch nur zugesehen. Der Orient 
kennt keine Wirtshäuser nach unseren süddeutschen Begriffen. Tanz- 
musiken mit obligaten Eifersuchtsscenen und darauf folgender Prügelei 
existiren nicht. Der Umgang mit dem schönen Geschlechte ist un- 
möglich, es giebt keine idyllischen Ausflüge zu Zweien, keine Soldaten- 
bräute, keine gefühlvollen Köchinnen. Da noch dazu die Baarschaft 
in der Tasche selten einige Paras (Pfennige) übersteigt, wo soll nun 
der türkische Soldat seine Kurzweil hernehmen? Es bleiben ihm nur 
harmlose Spaziergänge, kindliche Spiele und das süfse Nichtsthun. 
Ich gebe der Erwägung anheim, welche Fülle von Einträgen dem 
türkischen Strafbuchc durch diese Art Sonntagsfeier offenbar erspart 
bleiben. Der türkische Soldat kennt nicht Trunkenheit, Rohheit, 
Rauflust, unbotmäfsiges Reden, Widersetzlichkeit, Ausbleiben, Aus- 
steigen und Syphilis. 

Beim Aksam stehen die Kompagnien in Linie hintereinander still; 
die Musik spielt. Der dienstthuende Offizier geht alle Reihen entlang 
und zeigt das Siegel des Grofsherrn, das Alle grüfsen. Ich glaube, 
es hat Jeder das Recht, hierbei zur Beschwerde herauszutreten. Die 
Sultanshymne wird von sämmtlichen Anwesenden mit dem dreimaligen 
lauten Rufe: Padischah schok joschu! — Lang lebe der Padischah! — 
unterbrochen. Dann marschiren die Kompagnien in die Kasernen. 
In Scutari spielten den ganzen Abend die Musiken, und vom frühesten 



12 Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandachak 

Morgen au ertönten unaufhörlich Signale. Diese Signale werden mit 
hohen Trompeten auffallend gut und schön geblasen. Die Türken 
haben an allen Kasernen einen grofsen Reichtum von Doppelposten; 
dieselben präsentirten vor den österreichischen Offizieren, wobei der 
linke Posten ein lautes Kommando gab. Die Kasernen sind eng be- 
legt, die langen Räume nicht gerade malproper, aber die einfachen 
Lagerstätten auf dem Boden dicht nebeneinander. Da und dort brannte 
neben den Betten ein kleines Feuer, an dem sie Kaffee machten. 
Sehr wohnlich war es in dem grofsen Zimmer der Musiker, welche 
auch ihre Instrumente um den Schellenbaum zu einer malerischen 
Trophäe zusammengehängt hatten. Vor einer Stallbaracke waren eben 
an 50 Tscherkessenreiter aufgesessen, um zu nächtlichen Streifereien 
abzureiten. Wie die Infanteristen tragen sie die Munition in einem 
Patronengürtel um den Leib, Stück an Stück. Viele der kleinen un- 
ansehnlichen Pferde hatten einen Strick an den Beinen, welcher den 
Vorderfufs mit dem Hinterfufs der gleichen Seite auf Schrittlänge ver- 
band. So ritten sie ab. Wie ich erwartet hatte, mufsten die ge- 
fesselten Pferde Pafs gehen. Der Strick hat auch wirklich den Zweck, 
den Pferden das Pafsgehen gewaltsam beizubringen. Die nicht ge- 
fesselten Pferde waren wahrscheinlich in der Dressur schon weiter 
fortgeschritten. Die Stallungen selber zeichnen sich durch grofee 
Einfachheit aus. Nicht die Spur einer schlechten Streu, ganz einfach, 
weil — gar keine vorhanden ist. Jedes Pferd hat in seinem ziemlich 
breiten Stande eine flache Grube in dem dunklen Stallboden. Auf 
diese Weise entgeht den Türken allerdings die Wohlthat des Dünger- 
fonds. Übrigens müssen auch die Österreicher darauf verzichten, und 
für die Wegfuhr des Düngers Zahlungen leisten. 

Eine recht wackelige Uolzstiege fuhrto hinauf zur Lazarethbaracke 
des geschniggclten Doktors. Der Apotheker, der nur schon unterwegs 
vorgestellt worden war, ein recht manierlicher und hochanständiger 
junger Mann von etwa 25 Jahren mit dem Range eines Hauptmannes, 
machte die Honneurs. Erst mufsten wir in sein Wohnzimmer, das 
gleich am Eingange lag. Es war ein so kleiner Raum, dafs ein Teil 
der Gäste auf dem Bette Platz nehmen mufste. Selbstverständlich 
wurden Cigaretten gereicht, Cognak eingeschenkt und Kaffee gekocht; 
dann führte er uns in seine Apotheke, wo die Etiketten in türkischer 
und französischer Sprache aufgeklebt waren. Ein Blick durchs Fenster 
zeigte uns die zalüreichen Kranken, die recht eng nebeneinander auf 
dem Boden lagen. Der feine Doktor kommt nie ins Lazareth, alle 
Kuren nimmt der Apotheker vor. Wer es machen kann, geht ver- 
trauensvoll zu den Ärzten ins österreichische Lager und läfst sich 
dort kuriren. Inschallah! 



Digitized by G 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



13 



Den Abend verbrachten wir in dem schon erwähnten Gasthause, 
das nur Offiziere und Militärbeamte frequentiren. Von den letzteren 
wäre noch der Vertreter einer Kategorie zu nennen: Hoch würden, 
der Militärkurat. Alle diese Garnisonen mit Stäben haben ihren 
Militärgeistlichen. Dieselben verkehren ständig im Offizierskreise und 
pflegen als jüngere Herren keinen Spafs zu verderben. Ich habe 
mehrere dieser Hochwürden kennen gelernt. Sie wnren sehr gefällig 
und schienen mit dem Offizierkorps ziemlich verwachsen zu sein. 
Dem Herren in Plevlje verdanke ich manche beachtenswerte Mitteilung. 
Von Zeit zu Zeit mufs er seine Schäflein heimsuchen. So ritt er 
jüngst zu einem Posten, wohin 50 Kilometer schlechten Weges sind. 
Er traf daselbst 4 Katholiken; von diesen sprach der eine deutsch, 
der zweite ungarisch, der dritte böhmisch und der vierte serbisch, 
und da soll er Jedem etwas Trostvolles für seine arme Seele sagen. 

Am anderen Morgen lag ich noch auf meinem einfachen aber 
guten Lager. Leise öffnete sich die Thüre und herein schlich der 
mir zugeteilte Bursche, ich glaube ein Ungar. Er trug etwas in der 
vorsichtig geschlossenen Faust, trat dann ganz nahe an mein Lager heran, 
schaute mir lange ins Gesicht und als ich endlich mit den Augen 
zwinkerte, hob er an: „Hab ich einen Knopf erschlagen," „„So, einen 
Knopf, lafs sehen!"" Als er die umfangreiche Rechte öffnete, war sie 
erfüllt mit einer Menge von kleinen und grofsen beinernen Knopfteilen. 
,,„Ja das ist ja nicht blos ein Knopf, das sind ja mehrere, ich glaube 
gar alle?"" „Ja hab ich mehrere erschlagen." „„Ja hast du denn 
das nicht gemerkt, wie der eine zersprungen ist?"" „Hab ich gemeint, 
ist nicht möglich, müssen alle von Eisen sein." Das war fatal, ich 
sollte nämlich heute meine Aufwartung beim Pascha machen, ich 
hatte nur den einen Rock, den ich neu mit auf die Reise genommen. 
„„So schau halt, dafs ich rasch andere Knöpfe bekomme!"" ,,Das ist 
eben der T . . ." polterte der Ungar, „dafs man hier keine Knöpfe 
haben kann." Sollte ich grollen oder lachen, jedenfalls waren die 
Knöpfe zerschlagen und die Naivität des Burschen eine Charakteristik 
seiner Nationalität. Mit Zuhülfenahme der mir bekannt gewordenen 
Militärbeamten gelang es mit grofser Mühe, wenigstens eine Knopf- 
Reihe meiner vorderen Rockfront, in besuchsmäfsigen Stand zu bringen. 

Um 10 Uhr ging ich mit dem liebenswürdigen Brigade-Adjutanten 
zum Pascha, der am anderen Stadtende ein sich einfach präsentirendes 
Haus bewohnt. Er war zu Hause und nahm an. Ein Ordonnanz- 
offizier geleitete uns in ein kleines Empfangszimmer. In einem Glas- 
schranke standen einige Reihen Bücher. Nicht aus Neugierde, sondern 
aus Interesse überflog ich rasch die aufgedruckten Titel. Es waren 
meist französische Geschichtswerke, wie die Geschichte der Türkei, 



Digitized by Google 



Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



die der Gironde und die vom ersten Napoleon. Pascha Suleinian 
Haki (— die österreichischen Offiziere tituliren ihn mit Exellenz — ) 
ist ein Mann von grofser Figur. Er ist anscheinend ein offener und 
biederer Charakter und gab sich in der französischen Konversation 
ungemein natürlich und einfach. Nach türkischer Sitte liefs er Kaffee 
und Cigarettcn bringen, wobei der übliche Höflichkeitsaustausch 
erfolgte. Der Pascha erkundigte sich nach dem Befinden der höheren 
Offiziere der österreichischen Garnison, und als er erfahren, dafs am 
folgenden Tage der österreichische Brigadegeneral aus Urlaub zurück- 
kehren würde, erklärte er, dafs er ihm entgegenfahren werde. Dann 
sprachen wir von meiner Angelegenheit und meiner Absicht, von 
Plcvlje nach Montenegro reisen zu wollen. Ware die Reise ausfuhrbar, 
so würde ich, wenn notwendig, um Schutz ersuchen. Der Pascha 
meinte, die Gegend wäre schlimm, aber er würde sorgen, dafs ich 
die Reise ausführen könnte. Sofort gab er seinem Polizeioffizier 
Itrakim den Auftrag, Umschau und Umfrage nach Pferden und etwa 
vorhandenen wegkundigen Führern zu halten und mir das Ergebnils 
im Laufe des Nachmittags mitzuteilen. Beim Weggehen geleitete 
uns der Pascha, nachdem er für die österreichischen Kommandeure 
noch die besten Empfehlungen mitgegeben, bis an die Hausthüre. 
Nachmittags traf Itrakim mit zwei Individuen im österreichischen 
Lager ein. Der Eine von den Zweien sprach etwas deutsch, würde 
mir also unter den ganz fremden Menschen ein grofser Behelf ge- 
wesen sein, hatte aber keine Pferde; es wäre also noch ein Pferde- 
besitzer notwendig gewesen. Der Andere, ein langer, alter, auffallend 
häfslicher Kerl, dem der bosnische Schopf hinten unter dem Fez 
hervorhing, sprach nur serbisch, hatte aber zwei Pferde. Da ich 
nicht gewillt war, mit grofsem Gefolge zu reisen, nahm ich den 
Letzteren, den Serben Simeon Jovanovic und zwar akkordirto ich mit 
ihm bis zur montenegrinischen Hauptstadt. Ich hatte in der Folge 
meine Wahl nicht zu bereuen, Simeon fand sich in den Gebirgswüsten 
Scliluchten, Bergpfaden und steinigen Hochebenen Montenegros voll- 
kommen zurecht. Er war ein aufmerksamer und verständiger Führer 
ohne üble Gewohnheiten, eine ehrliche Haut, die an den nächsten 
7 Marschtagen meine vollste Zufriedenheit erwarb. Freilich, ver- 
ständigen konnten wir uns, namentlich anfangs, beinahe garnicht, und 
ich mufste ihm meine Tour und die mutmafslichen Nachtquartiere 
noch vor der Abreise auseinandersetzen lassen. Die österreichischen 
Kameraden waren dann noch auf die liebenswürdigste Weise für 
meine Ausrüstung besorgt. Sie brachten Konserven, die sie noch 
vom letzten Manöver in Vorrat hatten, ein Trainrittmeister lieferte 
ein Menagegeschirr, das mir treffliche Dienste leistete, weil ich täg- 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



15 



lieh für meinen irdischen Menschen selber kochen mufste, und ein 
Beamter riet zu einer ausgemusterten ärarischen Decke, welche ich 
dann das Pfund zu 44 Kr. erwarb. Um mich gegen mögliche un- 
vorhergesehene Schwierigkeiten von Seite der montenegrinischen 
Bevölkerung zu sichern, schickte ich noch auf Anraten der Konsulats- 
vertretung ein Telegramm an den Deutschland vertretenden öster- 
reichischen Ministerresidenten in Cetinje, worin ich meinen Weg mit- 
teilte mit der Bitte, die montenegrinische Regierung davon verständigen 
zu wollen. 

Am anderen Morgen stand mein Pferd rechtzeitig vor meiner 
Wohnung, auch ein Zaptieh, d. i. ein berittener türkischer Gensdarm, 
der mich begleiten sollte. Die Kameraden hatten einen Feldwebel 
geschickt, der slavisch verstand, um noch allenfallsige Wünsche zwischen 
mir, Führer und Begleitung zu vermitteln. Nachdem schliefslich das 
Gepäck umsichtig befestigt worden war, ritten wir ab. Die Pferde 
hatten bosnische Sättel, auf denen man recht gut sitzt; ich habe 
mich nie trotz der sehr langen Märsche, auf denen man nur Schritt 
reiten kann, aufgeritten. Später mufste ich mich freilich auch mit 
Somars behelfen, das sind einfache grofse Ilolzgestello, wie sie beim 
Volke üblich sind. Etwa eine halbe Stunde aufserhalb Plevlje führt 
eine Brücke über einen Flufs. Hier erwartete mich der Polizeioffizier 
Itrakim, um im Auftrage des Pascha meine richtige Abreise zu kon- 
troliren. Gleichzeitig meldeten sich 5 Nizams, türkische reguläre 
Infanteristen, welche mich zu der eine gute Tagereise entfernten 
montenegrinischen Grenze geleiten sollten. Ich hätte diese starke 
Eskorte nicht für notwendig gehalten, aber der Pascha mufste sein 
Territorium besser kennen. 

Der Weg führte durch den Abschnitt, welchen die Tara und der 
Sim einschliefsen. Die unwegsamen Karstplateaus zwischen Tara 
und der Lim mit ihren schwierigen Gebirgsübergängen und den vielen 
von Urwäldern eingerahmten Felsschluchten bildeten von jeher einen 
Tummelplatz für beutelustige Elemente; so ähnlieh drückt sich das 
österreichische Generalstabswerk aus. Namentlicli aber seit den letzten 
Kriegsereignissen auf der Balkanhalbinsel waren diese Grenzdistrikte 
der einzige mögliche Aufenthalt für die vielen Unzufriedenen aus 
Serbien, Albanien, Montenegro, Herzego vina und Bosnien. Wurden 
diese Freibeuter in dem einen Lande über die Grenze gejagt, machten 
sie das Nachbarland unsicher. In dem erwähnten Dreiecke fühlten 
sie sich noch am wohlsten. Es wird nämlich im Osten von einem 
Berglande begrenzt, das keinem Vertreter der Ordnung den Eintritt 
erlaubt, das, zur Türkei gehörend, keinen türkischen Beamten oder 
Soldaten innerhalb seiner Grenzen duldet. Es sind die Gebiete von 



Digitized by Google 



IG 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



Plava und Gusinje, welche der Stamm der Malissoren bewohnt. Der 
Berliner Kongrefs hatte den lange gewünschten Bezirk den Monte- 
negrinern zugesprochen, aber die unbotniäfsigen, wilden Bewohner 
leisteten erfolgreichen Widerstand, und es blieb den Großmächten 
kein anderer Ausweg, als dieses Danaergeschenk wieder zurück- 
zuziehen und die Montenegriner durch den Küstenstrich von Dulcigno 
zu entschädigen. Türkische Soldaten, welche vor einigen Jahren 
eine nahe gelegene Grenzfestung verproviantiren sollten, waren ge- 
zwungen, diesen Bezirk zu vermeiden, und auf grofsen Umwegen 
durch Montenegro zu ziehen, und einen türkischen Pascha, der unlängst 
mit starkem Geleite vom Sandschak nach Sculari in Albanien reiste, 
hielten sie eine Zeitlang gefangen. Meine ursprüngliche Idee, dem 
LimHusse aufwärts zu folgen und Montenegro an seiner Ostgrenze 
zu betreten, hatte ich in Berücksichtigung der erwähnten Vorfälle 
aufgegeben, denn mit diesen Nord-Albancsen ist wirklich nicht gut 
Kirschen essen. 

Die 5 Nizams musterten mich neugierig und sprangen dann, 
nachdem das ganze zu 8 Köpfen angewachsene Detachement in einem 
kleinen hölzernon Han einen Kaffee genommen hatte, munter voraus. 
Sie trugen die türkische Uniform, welche durch den langen Gebrauch 
längst die Farbe verloren hatte, ein Gewehr, aber an der Seite keinen 
Yatagan, um den Leib den Patronengürtel mit reicher Munition, 
einen Brotsack und als Fufsbokleidung die Opanken. Opanken sind 
für steinige Gebirgsländer wohl die beste Fufsbekleidung. Die seitwärts 
umgebogene Sohle ist eine ungegerbte Kalbshaut, die in neuem 
Zustande an der Aussenseito noch die Haare zeigt, und mit einem 
Geflechte von gedrehten Riemchen am Fufse gut befestigt wird. Vor 
dem ersten Gebrauche ist es notwendig, die Opanken im nassen 
Zustande dem Fufse anzupassen. Für den Ungewohnten wird das 
Gehen mit Opanken schwer fallen, weil Absätze fehlen und die Haut 
dünn ist. Wer Opanken benutzt, trägt in der Regel dicke wollene 
Fulssocken. Auch in Serbien ist das Militär mit Opanken bekleidet. 
In Montenegro trägt Alles Opanken, nur die Würdenträger bedienen 
sich des langschäftigen Russenstiefels. Es ist überraschend, mit welcher 
Leichtigkeit und Behendigkeit die Montenegriner sich auf den steinigsten 
Pfaden bewegen können. Wo ich mit meinen guten oftbewährten 
Bergschuhen unbeholfen von Stein zu Stein taumelte, gingen die 
Montenegriner, mitleidig mein Schuhwerk betrachtend, wie auf einem 
Parquett. Die Opanken sind auch ein billiges Kleidungsstück und 
können deswegen leicht erneut werden. In ganz Montenegro konnte 
ich kein fertiges Paar auftreiben, weil man nur ein Stück Haut kauft, 
und dann die Weiber den Schuh fertig machen. Erst in Mostar 
erwarb ich ein gutes fertiges Paar um 80 Kr. 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



17 



In den ersten Stunden begegneten uns viele Tscherkessen, welche 
ihre Pferdlein schwer mit Holz und Reisig beladen hatten und daneben 
hergingen. Ich denke, dafs sie zu jenen gehörten, welche Nachts auf 
Streife waren und nun die Gelegenheit benützten, Holz heimzubringen. 
Die fünf Nizams, kleine Leute mit runden Formen, trugen einen 
groisen Humor zur Schau. Sie sangen, sprangen und machten manchen 
Schnickschnack. Einmal plänkelten sie, das Felsengelände regelrecht 
ausnützend, ein anderesmal. als ich um die Ecke bog, standen sie in 
Reih und Glied und übten Gewehrgriffe, offenbar aus lauter Übermut. 
Sie waren auch aufmerksam, boten mir Cigaretten an und bewarben 
sich im Wechsel mein Pferd fuhren zu dürfen, da ich meist zu Fufs 
ging. Oft waren sie soweit voraus, dafs ich sie lange nicht mehr sah. 
Lauten Jubel erregte es, wenn wir um einen Felsen bogen, und sich 
auf der steinigen Öde ein wilder Birnbaum zeigte; das war eine will- 
kommene Beute. Ich will des Kuriosums halber die Namen der 
braven Leute anführen: Sie hiefsen: Ibrahim, Redjeb, Ali Mustapha 
und Subeimon. Der Zaptieh, Namens Hassan, war ernster und auch 
beträchtlich älter. Ich weifs, dafs man in der türkischen Armee der 
Schiefsausbildung zur Zeit ein gröfseres Augenmerk widmet, und dafs 
eine systematische Schiefsvorschrift erschienen ist, aber Augenzeugen 
erzählten mir, dafs diese Ausbildung zum Teil noch recht primitiv 
gehandhabt wird. Der Mann erhält eine Anzahl Patronen und soll 
sich damit im Schiefsen üben. Der Eine schiefst auf einen Baum, 
der Andere auf einen Spatzen, der Dritte auf einen Stein und der 
Vierte auf ein altes Fez, das man in die Luft geworfen. 

Gegen Abend erreichten wir ein unendlich tief eingerissenes Flufs- 
thal, die Tara, den Grenzflufs, zu dem wir beinahe 2 Stunden lang 
hinabstiegen; jenseits erhoben sich mauergleich die Berge Montenegros. 
Hier waren die Nizams an ihrem Ziele, sie verfolgten aber noch 
meinen Flufsübergang, der freilich originell war. Einige türkische 
Soldaten, die in einer benachbarten Kula auf Grenzposten waren, waren 
noch dazu gekommen. Man hatte schon in Plevlje die Besorgnifs 
ausgesprochen, es möchten sich an der Grenze Schwierigkeiten er- 
geben. Auf dieser Seite beständen zwischen Türken und Montene- 
grinern gespannte Verhältnisse. Letztere liefsen Niemand durch, und 
der einzige Ubergang sei abgebrochen. Wir waren auf der Stelle, wo 
auf der Karte Nefertara steht. Hier sollte ich eigentlich übernachten, 
aber weitum lagen nur einige elende Schuppen. Man rief in lang- 
gezogenen Tönen über den Flufs, und alsbald erschien aus einer ver- 
borgenen Felsenbucht ein Flofs mit einem dürftig gekleideten Monte- 
negriner, der dann die Überfahrt besorgte. Das Hofs bestand aus 
5 leichten Balken, die auf einer Seite fächerförmig auseinander gingen. 

J»hrbUcher für die Dontache Armee und Marine. Bd. VIUC, 1. 2 



18 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



Ich war neugierig, wie man dio Pferde hinüberbringen würde. Das 
verlief sehr einfach: Simeon nahm ihnen das Gepäck ab und jagte 
sie in das Wasser. Wirklich schwammen sie wie Pudel durch den 
ziemlich breiten, aber ruhigen Flufs, erkletterten das Felsenufer, 
schüttelten das Wasser ab und begannen die wenigen Grashalme ab- 
zufressen. Bald war Alles in Ordnung. Der Zaptieh gab mir noch 
einige hundert Schritte das Geleite, dann war er sicher, seinen Auftrag 
richtig erfüllt zu haben und kehrte um, nachdem ich ihm noch 
eine freiwillige Entschädigung eingehändigt hatte. Auch den armen 
Teufeln von Soldaten hatte ich etwas zukommen lassen. — Ich war 
in Montenegro. 

In Montenegro. 

Die Montenegriner sind ein Soldatenvolk in des Wortes vollster 
Bedeutung. Seit der Schlacht auf dem Amselfelde 1389 haben sie 
den Türken durch eine beinahe ununterbrochene Reihe von Fehden, 
Schlachten und grofsen Kriegszügen Widerstand geleistet. Immer 
wieder kamen neue Heere unter den gefürchtetsten Heerführern und 
oft von allen Seiten heranmarscliirt, von Bosnien, der Herzegovina, 
vom Sandschak Novibazar und von Albanien, um sich beinahe aus- 
schliesslich Niederlagen zu holen. Es ist unglaublich, welche Massen 
gegen das kleine Volk aufgeboten wurden, ohne je ihr Ziel zu er- 
reichen. Heute ist Montenegro unabhängiger als zuvor, und es ist 
nicht ausgeschlossen, dafs es noch einmal eine gröfsere Rolle spielen 
wird. In den südlichen Slavenländern, in denen der Traum von einem 
grofsen Serbenreiche spukt, nennt man als einen der drei Thron- 
Kandidaten auch den Fürsten Nikola.*) 

Jeder Montenegriner ist Soldat und zwar mit solcher Leidenschaft, 
dafs selbst hochbejahrte Greise, die keine Verpflichtung mehr haben, 
noch gerne die Waffen nehmen und mitziehen, wenn es gegen die 
Türken geht. Alle Männer sind schlanke sehnige Gestalten. Nie sah 
ich einen gebrechlichen Alten; im Gegenteile, als Häupter zahlreich 
gewordener Familien geuiefsen sie grofses Ansehen, sind sehr würde- 
voll und führen in der Familie ohne Einschränkung das Szepter. 
Gleich am ersten Abende, den ich auf montenegrinischem Boden ver- 
brachte, fand ich, da jede andere Unterkunft völlig ermangelte, bei 
einer vielköpfigen Hirtenfamilie gastfreundliche Aufnahme. Mir wurden 
alle Ehrungen zu Teil, welches das Gastrecht vorschreibt Mein 

*) Die Sadslaven (Serben, Kroaten, Slovenen, Ulyrier, Montenegriner etc. 
sind gegen 7 Millionen stark und machen etwa den 11. Teil der grofsen Slaven- 
masse aus, welche zwischen 70 und 80 Millionen zählt. 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivoßije. 



19 



Platz war die Ecke gegenüber dem Feuer, das in der Mitte des 
Raumes auf dem Boden angeschürt war. Mir zur Linken safs der 
Hausälteste, und dann kamen rechts und links, augenscheinlich streng 
nach Alter und Rang, die Söhne und Schwiegersöhne. Gegenüber, 
als nicht mitzählend, safsen Weiber und Töchter. Letztere besorgten 
auch jegliche Bedienung. Das Wort führte der Alte, Niemand redete, 
der nicht gefragt war, Jüngere sprachen überhaupt nicht. Auch bei 
der Abendmahlzeit nahmen nur die Alteren, welche eigens aufgefordert 
wurden aus der gemeinschaftlichen Schüssel. Von dem Kaffee, der 
mir zu Ehren zubereitet worden war, teilte der Hausälteste im Wechsel 
diesem und jenem eines der kleinen Täfschen zu. Dabei safs er neben 
mir auf einer Art Lehnstuhl, dessen Holzsitz nur eine Handbreit vom 
Boden abstand, nicht wie ein Flirte, sondern mit seinem grauen, 
martialischen Schnurrbarte wie ein alter Militär, den die vielen Töchter 
wie einen Fürsten bedienten. Er kommandirte aber auch, er gab das 
Zeichen zum Händewaschen, zum Abendessen und später zum all- 
gemeinen Aufbruch. Da mich mein Führer Simeon irrtümlicherweise 
für einen „rufs capitano" ausgegeben hatte, mufsto ich mir von all 
den vielen Männern die intimste Begrüfsungsform gefallen lassen. 
Als ich später den „rufs" in „prufs capitano" korrigirt hatte, sank 
mein Ansehen beträchtlich. Von den intimen Begrüfsungen, die z. B. 
beim Zubettegehen und Aufstehen stattfanden, blieb ich fortan aus- 
geschlossen, nur die Weiber und Töchter külsten nach wie vor äufserst 
devot meine Hände. 

Am anderen Morgen, einem Sonntage, nötigte mich Simeon zu 
einem gröfseren Umwege. Es sei notwendig, bedeutete er mir, dafs 
er mich zunächst zu einem Kapetan brächte. Ich fand dort eine 
Anzahl prächtiger Männer versammelt, die meist eine Anzahl Ehren- 
zeichen auf der Brust trugen, montenegrinische und russische. Die 
Männer waren zurückhaltend und unfreundlich. Es entspann sich 
eine längere Debatte darüber, ob sie mich nicht wieder über die 
Grenze zurückjagen sollten. Ich erklärte, dafs ich zu ihrem Knes 
(Fürsten) unterwegs wäre, zeigte dann Pafs und meine Photographie 
in Uniform. Nur das Letztere schien den Ausschlag gegeben zu haben, 
und der Älteste erklärte mich als „dobro gospodine" (guter Herr); 
einem Teile der Jüngeren konnte ich aber trotz meiner gewaltsamen 
Versuche keine Freundlichkeit abnötigen. 

Als ich meinen Weg fortsetzte, begegneten mir viele junge Leute, 
die mit dem Gewehre auf dem Rücken die Berge herabsprangen. Sie 
waren auf dem Wege zum Kapetan, bei dem die Jugend alle Sonntage 
exerzirt. Die Geschulteren versammeln sich zum gleichen Zwecke nur 
ein paar mal im Jahre. Geschlossenes Exerziren findet nur im ge- 

2* 



Digitized by Google 



20 



Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandsschak 



ringen Unifange statt, dagegen versteht Jeder gut, init Gewohr und 
Revolver umzugehen. Alle haben das Werndl-Gewehr und den Armee- 
revolver System Gafser von 11 mm. Für die Reserve sind noch grofse 
Vorräte an erbeuteten Knika- und Henry Martini-Gewehren in den 
Magazinen. Den Revolver trägt jeder Montenegriner, Fürst und Hirte, 
Kaufmann, Lehrer und Geistlicher ohne Ausnahme im Gürtel und 
zwar ständig, im Freien, auf dem Markte, in der Kirche und im 
Gasthause, wo ein solches existirt. Dieser Zusatz ist notwendig, denn 
ein Gasthaus giebt es nur in der Hauptstadt; in den übrigen Städten 
sind es nur Lokandas der allcrdürftigsten Art. In einem Lande, wo 
jeder Einzelne so von der Soldatenwürde durchdrungen ist, kommt 
man natürlich immer wieder auf das Militärwesen zu sprechen. Die 
wichtigeren Wahrnehmungen will ich später zusammenfassen, vorher 
aber noch einige unbedeutende, immerhin charakteristische Züge an- 
führen. 

Auf einem Saumwege im Gebirge kam mir eine gröfsere Schaf- 
heerde entgegen. Der Mann, der sie leitete, hatte einen Säbel in 
Stahlscheide umgeschnallt. Als ich fragte, erfuhr ich, dafs dies ein 
„Offizier" wäre. Der Offizier kommandirt eine Kompagnie. Jeder 
kann Offizier werden; die Stelle wird nicht bezahlt, ist aber sehr 
gesucht. Nur die höheren Offiziere erhalten eine geringe Ent- 
schädigung. — Im Kloster Ostrog hoch oben auf dem wilden Gebirge 
zwischen Niksic und Spuc, den alten türkischen Zwingburgen, machte 
mich bei Tisch der Archimandrit aufmerksam, dafs der Mann, welcher 
uns barfufs bediente, ein „Desecar" wäre, ein Befehlshaber über 
Zehn. Es sind dies die Unterführer der Offiziere in der Kompagnie. 
— Als ich in V irbazar, einem kleinen Marktstädtchen am Scutari-See, 
über den Platz schlenderte, lud mich ein gut gekleideter Montenegriner, 
der auf der Stufe vor einem Kramladen safs, und den alle respektvoll 
grüfsten, ein, neben ihm Platz zu nehmen. Es war ein „Brigadio", 
wie man mir auf Befragen mitteilte. Die hier in Betracht kommende 
Brigade ist eine der grüfsten, weil bei Virbazar die reiche, gut 
bevölkerte Crmnica-Ebene beginnt. Der Brigadio musterte meine 
Schuhe und erklärte, sie seien schlecht. Ich mufste auf die inzwischen 
gewonnenen Erfahrungen hin seiner Ansicht unbedingt recht geben. 
Als ich ein anderes Mal in einer Sturmnacht mit vielen Montenegrinern, 
die gleich mir in einem kleinen Han Schutz gesucht hatten, am Feuer 
safs, gingen ihre Heldenlieder, von der einsaitigen Gusla begleitet, 
von Mund zu Munde. Die ganze Geschichte des Landes — eine 
Kriegsgeschichte — ist in den Liedern erhalten. Man zeigte mir einen 
jungen Maim, dessen Familie 50 Gewehrträger stellte. Sein Grofs- 
vater hatte einem türkischen Aga drunten an der Tusina mit dem 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



21 



Handschar den Kopf vom Rumpfe getrennt. Die Montenegriner waren 
in allen Kriegen grausam. Das Kopfabschneiden aber lernten sie 
von ihrem Erbfeinde, den Türken, der diese Barbarensitte von Asien 
herübergebracht hatte. Da die Montenegriner in der Regel selber 
das Nötigste entbehrten, konnten sie keine Gefangenen ernähren. 
Nach dem Tilsiter Frieden 1807 liefs der französische Marschall 
Marmont den montenegrinischen Vladika Petar ( — bis Danilo war 
der Fürst auch geistliches Oberhaupt — ) zu einer Besprechung 
kommen, und warf ihm unter Anderem vor, dafs die Montenegriner 
gleich wilden Barbaren ihren Gefangenen den Kopf abschnitten. Petar 
erwiderte: „Allerdings thun sie dies ihren rachsüchtigen Feinden, 
aber niemals ihren legitimen Königen auf offenem Marktplatze gleich 
wie die Franzosen". Übrigens ist diese Unsitte bei den Montenegrinern 
aufgegeben. Im letzten Feldzuge gegen die Türken haben nur noch 
Letztere einzelne Montenegriner durch Abschneiden der Köpfe, Ohren 
oder Nasen verstümmelt, wie man nach den Ostrog-Kärapfen an Toten 
wahrnahm. Hingegen haben die Montenegriner einem ausgestellten 
Protokolle zufolge 9000 Gefangene unversehrt zurückgegeben, die 
Türken nicht einen einzigen Mann. Um die Verwundeten nicht in 
die Hände der grausamen Feinde gelangen zu lasson, gaben ihnen 
die Freunde in der Regel den Gnadenstofs, jetzt pflegen sie den 
6. Revolverschufs für das Äufserste aufzuheben. Man nennt die 
Montenegriner Hammeldiebe. Während bei uns manches Schaf auf 
unrechtmäfsige Weise abhanden kommen mag, wird in Montenegro 
weder ein Hammel, noch irgend etwas Anderes gestohlen. Diebstahl 
ist hier zu Lande beinahe vollkommen ausgeschlossen. In früheren 
Zeiten bestand der Fehdekrieg mit dem Erbfeinde meist in Beute- 
zügen. Man suchte, dem Nachbar zu schaden, wo man konnte. Kein 
Schaden war nachhaltiger, als wenn man ihm den Lebensunterhalt, 
die Heerden, wegnahm. Freilich, wenn man von der „Ceta" noch 
einige Köpfe mit heimbrachte, war es um so ruhmvoller. Heute steht 
auf Diebstahl die Prügelstrafe, welche so entehrend wirkt, dafs sich 
kein Montenegriner findet, der die Strafe austeilt, sondern es werden 
Zigeuner hierzu verwendet. Wer die entehrende Strafe erlitten, wird 
von seinen Verwandten verleugnet, kann sich im Lande nicht mehr 
halten und mufs auswärts gehen. Fürst Nikola, mehr noch seine 
Vorgänger Danilo und Petar, sind hierin so strenge vorgegangen, dafs 
es heute vielleicht kein Land in Europa giebt, das für den 
Reisenden und sein Eigentum so sicher ist, wie Montenegro. Das 
klingt seltsam, ist aber nicht allein von mir auf den einsamen Streifereien, 
die ich durch das ganze Land unternommen habe, erprobt worden, 
sondern die wenigen Reisenden, welche das Land bisher eingehend 



Digitized by Google 



22 



Militär-tonrfctinche Wahrnehmungen im Sandachak 



begingen, darunter recht furchtsame Männer der Wissenschaft, stimmen 
mit mir völlig überein. Nirgends ist für den Reisendon ein Revolver 
überflüssiger, als in Montenegro. 

Manche Militärpflichtige desertiren vom österreichischen Okku- 
pationsgebiete auf montenegrinischen Boden. Da aber Crnagora ihre 
Kinder selber nur notdürftig zu ernähren vermag, bringt man die 
militärmüden Fremdlinge meist wieder über die Grenze. Ausnahmen 
gestattet man sich mit Handwerkern, namentlich Schmieden, da man 
es bislang in Montenegro als unwürdig erachtete, für Andere zu 
arbeiten. Erst in neuester Zeit ist auch hierin ein Anlauf zur 
Besserung gemacht worden. In Podgorica übernachtete ich in der 
Locanda des Ivo Carevic. Er sprach deutsch und war, wie ich erfuhr, 
früher ein österreichischer Gendarmerie-Wachtmeister, Namens Johann 
Kaiser, der mit einer grölseren Summe durchgegangen ist. 

Ein Montenegriner ging einmal längere Zeit mit mir meinen Weg. 
Er trug, wie ich auch bei Anderen öfters wahrgenommen, vier Ordens- 
auszeichnungen auf der Brust, zwei montenegrinische und zwei russische 
Als ich aufmerksam wurde, dafs ihm ein Finger fehlte, bedeutete er 
mir, dafs ihn ein Türke weggeschossen. Auch an der Rippengegend 
liels er mir zwei harte Stellen fühlen, wo ihn Kugeln getroffen. Es 
war ein sehr steiler und glatter Abstieg; mühsam und vorsichtig suchte 
ich die Steinplatten ohne Schaden zu überwinden. Dom Montenegriner 
nüt seinen Opanken gelang dies mit Leichtigkeit. Die Montenegriner 
sind vorzügliche Marschirer. Ich weifs nicht, ob sie in dieser 
Fertigkeit von einem anderen Volke übertroffen werden können. 
20 Stunden ununterbrochener Wanderung gehört nicht zu den Selten- 
heiten. Entfernungen, zu welchen andere, gute Marschirer 3—4 Tage 
brauchen, werden oft in einem Tage zurückgelegt. Wenn ein Monte- 
negriner eine Entfernung auf 3 Stunden angiebt, darf man ganz sicher 5 
rechnen. Alle meine Führer und Pferdeknechte, die mit mir den ganzen 
Tag über auf schlechten Wegen unterwegs waren, traten, sobald wir gegen 
Abend das Ziel erreicht hatten, unverzüglich noch den Heimweg an. 
Einem hohen türkischen Würdenträger, der im vergangenen Jahre 
am Hofe des Fürsten weilte, gab man dort auf die Frage, wer im 
Kriege zur ersten Linie gehöre, die Antwort: „Wer in einem Tage 
1 20 Kilometer zurücklegen und dann noch ein Treffen liefern könne, 
gehöre in die erste Linie." In Wirklichkeit bilden 20 000 ausgewählte 
tapfere das erste, 1 7 000 weitere Krieger das zweite Aufgebot. 

Die Montenegriner haben keine eigene Uniform, hingegen ist die 
Nationaltracht, die Alle gleichmäfsig tragen, eine praktische und 
kleidsame Kriegerkleidung. Zu dieser Tracht gehört: eine rote Weste 
mit schwarzer Verzierung (Camadan), eine kurze Jacke, ebenfalls 



Digitized by VjO 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



23 



rot und schwarz (Jelek), eine dunkelblaue weite Hose, weifse dick- 
wollene Strümpfe (Tokotenice), rückwärts durch viele Messinghaften 
zusammengehalten, Opanken mit kurzen Socken (Carape), auf dem 
Kopfe die kleine Capa, schwarz und rot, die auf dem oberen Deckel 
den goldenen Namenszug des Fürsten enthält, um den Leib eine 
Schärpe (Pas), und darüber den Waffengürtel (Kolan.) Vornehme 
und Würdenträger tragen noch einen langen, vorne offenen, grünen 
oder weifsen Rock (Gunj), darüber oft eine reichgestickte Weste und 
dazu hohe Schaftstiefel. Als Überwurf dient ein gefranzter Plaid (Struka), 
der rechts und links lang herunterhängt, seltener ein grober Mantel 
mit Kapuze (Kapanica). Wohlhabende lassen sich an den Armec- 
revolver einen silbergetriebenen Griff anbringen. Zur Kriegsausrüstung 
gehört ausser dem Werndl-Gewehr noch der traditionelle Handschar 
für den Nahekampf, der ebenfalls in den Gürtel gesteckt wird. Früher 
hatte man in diesem Kolan ein ganzes Arsenal, wie man in Albanien 
heute noch sehen kann. Offiziere tragen den österreichischen Infanterie- 
schleppsäbol, höhere Kommandeure meist einen reich ausgestatteten 
Türkensäbel, häufig ein vererbtes Beutestück. Weiteren Luxus in der 
Tracht wie die goldgestickten Camadans wurden vom Fürsten Nikola 
verboten, da sich Viele überschuldeten, und dürfen nur mehr an 
Wochentagen ausgetragen werden. Alle Rangabzeichen bestehen in 
Emblemen oder Wappen, welche goldgestickt oder aus Gold, Silber 
oder Messingblech am schwarzen Rande der Kapa getragen werden. 

Als ich im Orte Savniki nächtigte, traf auch ein Engländer mit 
Zelten, Dienerschaft, Koch und Militärbedeckung ein, um den eine 
Tagreise entfernten Durmitor zu besteigen. Als er die Anwesenheit 
eines zweiten Fremden erfuhr, machte er mir seinen Besuch und lud 
mich zum Abendessen ein. Hierbei war ein Leibgardist des Fürsten 
anwesend, den mir der Engländer als Offizier vorstellte. Das war er 
nun wohl nicht, aber ein sehr anständiger junger Mann, der mich 
wiederholt fragte, ob er mir keine militärische Bedeckung anbieten 
dürfe und wie viel Mann, ich solle nur irgend eine Zahl nennen, 
Da Alle Soldat sind, ist die Kommandirung mit keiner Schwierigkeit 
verbunden. Nachdem ich jedoch die abgelegeneren Gegenden allein 
gemacht hatte, lehnte ich auch hier dankend das Gefolge ab. Zweifels- 
ohne wären aber die meisten Ortseinwohner sehr gerne mit nur auf 
Abenteuer ausgezogen. 

Das Land ist in Nahias (Bezirke) geteilt, diese wieder in Plemenas 
(Stämme). Jeder Stamm stellt eine gewisse Anzahl Cetas (Kompagnien) 
auf. An der Spitze einer Nahia steht ein Vojvode (Kriegsfiihror), an 
der Spitze einer Plemena ein Kapetan. Die taktische Einheit ist die 
Ceta, welche ein Stotinjar (Offizier) kommandirt. Unter diesem stehen 



Digitized by Google 



24 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Bandschak 



4 Vodnici (Zugführer), 8 Desecarci (Führer von 10 Mann), der Bar- 
jaktar (Fahnenträger), 5 Fahnengardisten, ein Trompeter und 88 Mann, 
zusammen 100 Köpfe. G — 10 Oetas bilden ein Bataillon unter dem 
Kommando eines „Kommandirs", dem ein „Pod-Kommandir" an der 
Seite steht, sein Stellvertreter, der auch Adjutantendienste verrichtet. 
Etwa 6 Bataillone bilden eine Brigade unter einem „Brigadir". Die 
Stärke der Brigaden ist ungleich, weil man die verschieden bevölkerten 
Stämme nicht zerreifsen wi\\. Einige Brigaden haben auch muha- 
medanische Bataillone, die sich aus den neu erworbenen Landstrichen 
formiren, doch will man sich auf dieselben nicht besonders verlassen. 
Ein stehendes Heer ist eigentlich nicht vorhanden, nur eine Leibgarde 
(Pcrjnniks) von 100 Mann, welcho der Fürst aus den bemittelten 
Familien des Landes auswählt. Es gilt als Ehrensache, ein Farailien- 
glied bei den Perjaniks zu haben. Ihre Anzahl bei Hofe ist nicht 
bedeutend, jeden Monat wird gewechselt. Auch die Ordonnanzoffiziere 
aus den besten Familien des Landes kehren jeden 2. Monat zu den 
Ihrigen zurück. 

Cetinje besitzt ein Arsenal; hier ist eine Anzahl von musterhaft 
gehaltenen Gebirgs-, Feld- und Festungsgeschützen aufgestellt und ein 
Vorrat an Gewehren. Aufser einer grofsen Anzahl von türkischen 
Fahnen und einzelnen Heerbannern ist auch eine grofse Monge 
türkischer Orden aufgehängt, die man gefallenen Türken abgenommen. 
Ein weiteres Magazin befindet sich in Spuc. Montenegro hat nebst 
einer Anzahl erbeuteter Kanonen, 6 Gebirgsbatterien zu je 4 Ge- 
schützen , 3 Feldbatterien zu je acht 0 cm Geschützen und einige 
schwere Festungsrohre. 2 Batterien sollen von Österreich geschenkt 
sein. Es ist ferner die Ausrüstung zu einer erst im Kriege zu for- 
mirenden 100 Mann starken Sanitäts- Abteilung vorhanden. Bisher 
oblag die Pflege der Verwundeten beinahe ausschliefslich den Weibern, 
welche den Männern in den Krieg folgten. Der Montenegriner trägt 
aufser der Munition nichts. Für die Verpflegung und das nötigste 
Gepäck sorgten bisher ebenfalls die Weiber, welche dem Heere nach- 
zogen. In der Neuzeit hat man auch die vorhandenen Saumtiere 
gezählt, um damit im Kriege die notwendigsten Trains bilden zu 
können. Einer Einrichtung mufs noch gedacht werden: Der Fürst 
hat seit 3 Jahren wieder eine Musikkapelle von 3<> Mann, die gar 
nicht schlecht ist. Man kann die Kapelle erst würdigen, wenn man 
ihre Geschichte kennt, welche mir der Kapellmeister Wimmer, ein 
liebenswürdiger Deutschböhme erzählt hat. Als er die Kapellmeister- 
stelle erhielt, glaubte er die Reste einer früheren Kapelle zu finden, 
und war sehr wenig erbaut, als man ihm 3C> Hirten zuwies, die nicht 
nur kein Instrument spielen konnten, sondern noch gar keines gesehen 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivowje. 25 

hatten. Wimmer ging aber an die Riesenarbeit und lehrte ihnen die 
Noten und Jedem ein Instrument. Während icli in Cetinje war, 
feierte man gerade den Geburtstag des Fürsten. Bei der Abends statt- 
findenden Serenade spielte die Kapelle ein Potpourri aus dem Vogel- 
händler, die ungarischen Tänze von Brahms und eine Rhapsodie von 
Liszt und zwar ganz wacker. In vorgerückter Stunde liefs der Fürst 
2 ganze am Spiefse gebratene Hammel verteilen, welche von den er- 
müdet auf dem Boden sitzenden Musikern wohl verdient waren. 

Montenegro mit einer Einwohnerzahl von etwa 250 000 Köpfen 
vermag, da jeder vom 17. — (10. Jahre kriegspflichtig ist, eine Armee 
von 50 000, im äufsersten Falle sogar von (50 0(X) Mann aufzustellen. 
Die heutige Kampfweise weicht von der früherer Zeiten wohl ein 
wenig ab. Bei Beginn des letzten Krieges mit der Türkei 1876—1878 
versuchten die Oberführer, ihre zum Teil in St. Cyr erworbenen 
theoretischen Kenntnisse zu verwerten und disponirten ganz strategisch. 
Es zeigte sich aber bald Unsicherheit und Ängstlichkeit, namentlich 
wenn sich der Gegner anders verhielt, als man erwartet hatte. Den 
Montenegrinern sagte auch das lange Hin- und Herschicfsen nicht 
zu. In der ersten gröfscren Schlacht bei Vucidol (Herzegovina) 
sprangen erst Einige, dann Mehrere, dann ganze Bataillone den Hand- 
schar schwingend und den Revolver in der Linken vor, um sich auf 
den Feind zu werfen. Ohne einen Befohl abzuwarten, folgte ein 
Bataillon dem anderen. Bataillone, die kunstgerecht in die Reserve 
gestellt worden waren, liefsen sich nicht mehr halten und gingen im 
Laufschritt durch, dahin, wo sie schiefsen hörten. So hatten sie's in 
alter Zeit gemacht, auch hier war im Handumdrehen durch die un- 
gewöhnliche Tapferkeit die Schlacht glänzend gewonnen. Es ist immer 
dieselbe Kampfweise, erst läfst man sich den Gegner in mühsamen 
Angriffen abmühen, dann stürzen Alle Mann für Mann in den Feind 
und wüten im Handgemenge; der Rest des Gegners, welcher ent- 
rinnt, flutet zurück wie eine Herde versprengter Schafe. Unzählige 
Male wurden kleine und grofse Heere der Türken seit einem halben 
Jahrtausend immer wieder zurückgetrieben. Und wenn dieselben Er- 
folge hatton, umstellte man die in dem armen Lande halb Ver- 
schmachteten in den öden Wüsteneien und Felsdefileen, und der End- 
erfolg gehörte sicher den Montenegrinern. Kein Türkenheer hat noch 
ein Lorbeerreis aus Montenegro heimgebracht. Die berühmtesten 
Türkenfcldherrcn holten sich in den Bergen der Crnagora die Un- 
gnade des Kriegsherrn und Kriegsgerichte. So war es im Kriegsjahre 
1877, an dessen harte Kämpfe mich noch Patronenhülsen auf den 
Ostrog-Bergen erinnerten, so war es in früheren Jahrhunderten, wo 
Montenegro allein ein vorgeschobenes, unbezwingliches Bollwerk bildete 



Digitized by Google 



2G 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



gegon die unabsehbar zu den Christenländern heranrückenden Tiirken- 
lieere. Mag man viel an den Montenegrinern aussetzen, die Tapferkeit, 
die jeden Einzelnen ohne Ausnahme beseelt, ist bewundernswert. Wie 
sehr man den Mangel dieser Kriegertugend vorachtet, zeigt ein altes, 
noch unter Danilo 1855 erneutes Gesetz: „Wer sich irgendwie feige 
erweist, darf nie mehr Waffen tragen, mufs eine Weiberschürze um- 
binden und wird von Weibern aus dem Lande gejagt." Niemand 
erinnert sich, dafs diese Mafsregel je notwendig gewesen. Die Bei- 
spiele aufsergewöhnlicher Tapferkeit leben im Liede fort, ihre Anzahl 
ist unermefslich. Im Jahre 1853 verteidigten 22 Helden das kleine 
Bergkloster Ostrog gegen 10 000 Türken i) Tage lang, bis dann Ersatz 
herankam und die Türken vertrieb. 

Ich habe mir öfters die Frage vorgelegt, waruin sind die Monte- 
negriner so gute Soldaten? Wie alle Bergvölker hängen sie mit 
unendlicher Liebe an ihren rauhen Bergen. Verlieren sie diese Heimat, 
so haben sie keine andere mehr zu erhoffen und fallen der Vernichtung 
anheim. Eine glorreiche Geschichte, durch Lieder verherrlicht und 
Allen bekannt, erfüllt die Phantasie der Knaben und begeistert die 
Jünglinge und Männer; Jeder möchte es den besungenen Helden 
gleich thun. Meist nur die Heimat verteidigend, kennen sie die Wege 
und Stege, die unzugänglichen Berge und Schluchten, beinahe jeden 
Stein und Fels. Dabei sind sie gute Schützen, unerreichte Fufsgänger 
und Bergsteiger, an die höchste Bedürfnifslosigkeit gewöhnt und durch 
kein Gepäck beschwert. Angst und Feigheit existiren nicht; im 
Kriege des Jahres 1802 sollen 2 Mann zurückgeblieben sein. 

Ich kann es mir nicht versagen, aus der reichen Kriegsgeschichte 
ein Beispiel herauszugreifen, die Otägige Schlacht am Bergo 
Ostrog im Jahre 1877, ein durch die Eigenartigkeit und die er- 
reichten Resultate einzig dastehendes Ereignifs. Meine Hauptquelle 
ist Spiridion Gopcevic*), ein im Auslande lebender litterarisch frucht- 
barer Montenegriner, der angeblich auch die türkischen Quellen ein- 
gehend benutzt hat. Er läfst in der That beiden Parteien Gerechtigkeit 
widerfahren. Unangenehm fällt ein scharfer Sarkasmus auf, dem er 
gegen einige montenegrinische Heerführer die Zügel läfst, und der in 
einer bedauernswerten Spottsucht gegen den Fürsten Nikola gipfelt. 
Irgend eine erlittene Zurücksetzung läfst sich dutzend Male zwischen 
den Zeilen lesen. 

Montenegro war vor dem Berliner Vertrage im Norden und 
Süden durch die weit vorgeschobenen türkischen Festungen Niksic 
und Spuc buchstäblich eingeschnürt und jeder freien Bewegung be- 

*) Spiridion Gopcevic, der turko-montenegrinische Feldzug 1876—1878. 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivorije. 



27 



raubt. Die beiden Festungen liegen etwa 35 Kilometer auseinander. 
Eine Stunde südlich von Xiksic versperrt ein wilder Bergkolofs, der 
Ostrog, den Weitermarsch. Man ist gezwungen, einen sich an den 
Ostrog anschliefsendon Felsrücken, die Planinica, zu erklimmen, um 
das jenseits gelegene Thal der Zeta zu erreichen. Auch dieser Flufs, 
der ebenfalls von Niksic kommt, kann diesen Felsriegel nicht durch- 
brechen und sucht sich, wie es im Karstgebirge häufig ist, unter- 
irdisch den Weg, um jenseits wieder zum Vorschein zu kommen. 
Rechts und links begleiten dann den Flufs steile zerrissene Fclsberge ; 
erst bei Danilograd erweitert sich das Thal, um dann die kleine Ebene 
von Spuc zu bilden. 

Sulejman Pascha, ein kühner, rücksichtsloser Führer, der im 
nächsten Jahre den Schipka-Pafs gegen die Russen verteidigte, brach 
am 17. Juni 1877 von Niksic auf, um gegen Süden in das Herz 
Montenegros vorzudringen. Er hatte eines der besten Heere, welche 
die Pforte je gegen Montenegro geschickt hatte, zum Teile Gardo- 
regimenter; 25000 Mann Infanterie, 30 Geschütze und 5000 mit Proviant 
und Munition beladene Pferde. Ein zweites Heer, 21 000 Mann stark 
mit 36 Kanonen, welches Ali Saib Pascha bei Spuc konzentrirt hatte, 
sollte ihm entgegenziehen. Ein drittes Heer von 19 000 Mann und 
24 Geschützen unter Mehamed Ali Pascha hatte den Auftrag, von 
Osten heranzurücken und die Unternehmung zu unterstützen. Diese 
3 Heere mit zusammen G5 000 Mann und 96 Geschützen wollten in der 
Zeta-Ebene nördlich Danilograd zusammenstofsen und dann gemeinsam 
gegen Cetinje marschiren. Ein Mifslingen schien ausgeschlossen. Die 
Montenegriner waren mit Zuziehung der Hilfstruppen aus Herzegowina 
und Kuciland 25 800 Mann stark. Die Nordarmee unter Sulejman- 
Pascha dringt kühn vorwärts und gewinnt die Höhen der Planinica. 
An den nächsten Tagen werden auch die Ostrogdefileen überwunden, 
freilich mit unsäglichen Schwierigkeiten; indem je 6000 Mann zu 
beiden Seiten des Zeta-Thales die Höhen erklimmen und dann auf 
den steil abfallenden, überaus zerklüfteten Felsketten den Vormarsch 
zu erzwingen suchen. Namentlich setzt es auf der linken Flanke, 
auf dem Ostrog-Berge, wohin Sulejman schliefslich 10000 Mann beordert 
hatte, die heftigsten Kämpfe mit wechselndem Ausgange. Das kleine 
Felsenklostor mit dem Leibe des hl. Basilius war diesmal unbesetzt 
und geriet in türkische Hände. Das stattliche Kloster Pod- Ostrog 
ging in Flammen auf. Es ist wieder glänzender aus den Trümmern 
erstanden und hat mir gastfreundlichste Aufnahme gewährt. Diese 
ersten 4 Tage hatten den Türken 7000 Mann, beinahe den 3. Teil, 
gekostet. Sulejman hatte aber jetzt das schwierigste Gelände hinter 
sich, auch war es ihm gelungen, die montenegrinische Armee in zwei 



28 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



Teile zu spalten. Trotzdem kam eine ganz unerwartete Wendung. 
Plötzlich tauchten Montenogriner im Rücken auf und nahmen und 
besetzten den Planinica- Rücken; damit war die Verbindung mit Niksic 
abgeschnitten. Montenegriner zeigten sich ferner in der rechten und 
linken Flanke. Sulejman erkannte das Bedenkliche der Situation und 
wollte um jeden Preis die Verbindung mit Niksic wiederherstellen. 
Am 5. Tage kämpfte er nach beiden Seiten, nach Süden und Norden 
und liefs mehrmals die Planinica stürmen, im Handgemenge sind aber 
die Montenegriner immer überlegen. Von vier Seiten eingeschlossen, 
ahnte Sulejman eine Katastrophe. Gerne hätte er nun, auf den 
Siegespreis verzichtend, die Rückwärtsbewegung eingeleitet, hatte er 
doch in 5 Tagen ohnedies nur 3 Wegstunden zurückgelegt. Ebensoweit 
war noch nach Spuc. Der Kriegsrat der Montenegriner beschlofs aber, 
Sulejman für keinen Fall entschlüpfen zu lassen, im Gegenteile die 
Türken zum langsamen Durchzug durch das verlassene Montenegro 
zu zwingen. Aber nicht den guten Thalweg längst der Zeta sollten 
sie einschlagen dürfen, man wollte sie nötigen, bei der abnormen 
Sommerhitze über die unwegsamsten Höhen zu steigen. Von allen 
Seiten umschwärmt, wollte man sie lange in den Felsenpässen halten, 
um sie ohne grofso eigene Verluste möglichst aufzureiben. Das war 
ein seltsamer Kriegsplan und erinnert etwas an die Taktik der Russen 
im Jahre 1812, welche vor und hinter Napoleon das eigene Land zur 
Wüste machten. Da Sulejman auch am C». Tage den Rückweg ver- 
sperrt fand, beschlofs er den Durchbruch südwärts nach Albanien. 
Beide Teile vermieden aber an diesem Tage wegen Erschöpfung einen 
ernstlichen Kampf. Dagegen dauerte am 7. Tage die Schlacht wieder 
von früh bis abend, man liefs jedoch die Türken nur 3 Kilometer 
weit vorrücken. Von den vier türkischen Brigaden des Sulejman 
suchte eine den Vormarsch zu erzwingen, eine deckte die Flanken, 
eine dritte die in die Mitte verbrachten Verwundeten und Trains, und 
die vierte den Rücken. Es war ein gräßlicher Tag und die Hitze 
unerträglich, 58° R. in der Sonne, wie berichtet wird; dazu gab es kein 
Wasser auf den glühenden Kalkschrofen, die Pferde stürzten vor Durst 
und Erschöpfung. Da Sulejman die auf dem Ostrog verwundet ge- 
fangenen Montenegriner hatte in Stücke hauen lassen, fürchtete er 
Gleiches und schleppte 5500 Verwundete mit sich. Am 8. Tage kam 
es bei Danilograd sogar zur offenen Feldschlacht, in der die Monte- 
negriner wieder Sieger blieben. Die Türken warfen sich jetzt gegen 
die nahe albanesische Grenze, wo sie V/ 2 Stunden von Spuc endlich 
auf die türkische Südarmee stiefsen, die unbegreif lieherweise nicht 
rechtzeitig zum Stelldichein gekommen war. Aber nun war ja Alles 
gut. Da erfuhr Sulejman zu seinem Entsetzen, dafs die Südarmee 



Digitized by Google 



Novibazar, iu Montenegro und in der Krivosije. 



29 



des Ali Saib Pascha, ebenfalls völlig erschöpft, auf die Hilfe der Nord- 
armee gerechnet hatte. Die Südarmec war nämlich in drei Schlachten 
unterlegen und zur Hälfte aufgerieben. Am 9. Tage zogen sich beide 
Heere, auf 3 Seiten verfolgt, in den Schutz der Festungsseschütze von 
Spuc zurück, am 10. Tage aber suchten sie das Weite und marschirten 
gegen Podgorica in Albanien. Der Ostarmee war es gar nicht möglich 
geworden, zu erscheinen, sie hatte in einer Schlacht und drei Ge- 
fechten 6500 Mann verloren. 

Die Verluste der Türken in diesen 9 Gefeehtstagen waren ent- 
setzlich. Man fand im Ostrog-Gebirge viele Löcher, Höhlen und Ver- 
tiefungen mit Toten angefüllt. Die Luft war durch die vielen toten 
Menschen und Pferde bei der herrschenden grofsen Hitze bis hinauf 
zu den Berghöhen verpestet und ungesund geworden. Man fand Tote 
ohne Wunden, die also offenbar der ungewöhnlichen Hitze, dem Hunger 
und der Erschöpfung erlogen sind. Die Montenegriner bestatteten 
allein an 7000 gefallene Türken. Von den Ihrigen fanden sie viele 
ohne Kopf, manche ohne Nasen und Ohren, ein Beweis, dafs in dem 
Racenhafs die vererbten Greuel noch nicht ganz ausgerottet sind. 
Die türkische Nordarmee hatte einen Verlust von 500 Offizieren und 
15 000 Mann (an Toten und Verwundeten); nur 9000 waren heil 
entkommen. Die Montenegriner zählten 600 Tote und 1750 Verwundete 
bei der 1 3 600 Mann starken Nordarmee. 

In der Schlacht bei Danilograd war den Montenegrinern auch 
die grof9e türkische Kriegskasse in die Hände gefallen. Mit begreiflicher 
Ungeduld öffnete man die Kiste und fand sie bis oben mit Papier- 
geld angefüllt. Als man die Scheine näher besichtigte, waren es nur 
Zettel, auf denen verzeichnet war, seit wieviel Monaten jedem türkischen 
Soldaten der Sold nicht ausbezahlt worden. Das war eine grausame 
Enttäuschung für die armen Montenegriner. Aufser dieser fatalen 
Kriegskasse hatten die Montenegriner aber noch 3 Kanonen, 7 Fahnen, 
G000 Flinten, 6000 Pistolen, 4000 Yatagans und eine grofse Menge 
Munition und Proviant erbeutet. 

Während des Krieges 1876—78 sind die Türken in 12 Schlachten 
und in 60 gröfseren und kleineren Gefechten unterlegen, nur in drei 
Gefechten mufsten die Montenegriner vor der Übermacht zurück- 
weichen. Der Krieg kostete den Türken 105 000 Mann an Toten, 
Verwundeten und Gefangenen, aufserdem weitere 50 000 Mann von 
an Krankheit Gestorbenen, Vermifsten und Desertirten; ferner ver- 
loren sie an 8000 Pferde und Maultiere, 176 Geschütze, 4 Kriegs- 
schiffe, 168 Fahnen und enorme Vorräte an Munition und Proviant. 
Diese entsetzlichen Verluste standen wohl in keinem Verhältnisse zu 
den Gebietsstrichen, welche die Pforte von Montenegro erstreiten 



Digitized by Google 



30 



MUitär-touristfeche Wahrnehmungen im Sandschak 



wollte. Die Montenegriner bezahlten ihre Erfolge und Trophäen nüt 
dem Verluste von 9500 Mann, von denen jedoch die Hälfte wieder 
hergestellt worden konnte. — 

Wer wollte es den Montenegrinern verargen, wenn sie auf solche 
Erfolge stolz sind und, die Arbeit gerne Anderen überlassend, den 
Kriegerstolz offen zur Schau tragen; sie betracbten den Kampf als 
des Mannes schönstes und einzig würdiges Ziel. 

Es seien noch folgende Bemerkungen gestattet: Früher wurde 
zwischen Montenegrinern und Türken nie ein förmlicher Friede ge- 
schlossen, sondern es herrschte 400 Jahre lang ein ununterbrochener 
Krieg, welcher sich oft Jahrzehnte lang auf die gegenseitigen kleineren 
Raubzüge, die auf eigene Faust geführt wurden, beschränkte, bis endlich 
wieder die Türken mit gröfseren Heeresmassen heranzogen. Dann 
entstand ein Feldzug, in welchem die Türken regelmäfsig Niederlagen 
erlitten. 

In keinem Lande vollzieht sich die Mobilmachung so einfach, 
wie in Montenegro. Trifft vom nächsten Telegraphenamte ein reitender 
Bote mit dem diesbezüglichen Befehle ein, so sammelt der Desecar 
seine 10 Mann, um auf den Sammelplatz der Kompagnie zu marschiren. 
Vorbereitungen hat der Montenegriner nicht zu treffen. Er geht in 
sein Haus, nimmt das Gewehr von der Wand, steckt den Handschar 
und Patronen in den Gürtel, einige Dutzend Zwiebel und Kartoffel 
nebst einigen Laiben Brot in die Torba (Brotsack), küfst Weib und 
Kind und macht sich so etwa eine Stunde, nachdem der Befohl ein- 
getroffen ist, auf den Weg. Hat er Vieh, so wird dieses von seinem 
Weibe oder seiner Schwester mitgetrieben. Die Weiber sorgen beinahe 
ausschliefslich für die Heeresbedürfnisse, für die Verwundeten und 
den Munitionsersatz. Im letzten Kriege bestand der Trofs aus etwa 
8000 meist von Weibern geführten Tragtieren und Pferden. Dazu 
kamen Heerden mitgetriebenen Scldachtviehes. Der Trofs war oft 
sehr störend, da er sich noch ohne jede Organisation befand. Zwei 
Mann jeder Kompagnie trugen die Verwundeten aus dem Schufs- 
bereiche, dann nahmen die Weiber die Verwundeten in Empfang. 
W f em es die Mittel erlauben, verpflegt sich auch im Kriege selbst, 
nur die Annen erhalten Staatsrationen. Wie erwähnt, wird nur an 
Offiziere geringer Sold bezahlt. So orhalten ein Brigadier jährlich 
400 fl., ein Kommandir 40 fl. und ein Subalternoffizier 12 fl. 

Die Montenegriner sind unglaublich abgehärtet. Der einzige in 
Montenegro befindliche Arzt — der Leibarzt des Fürsten — hat 
beinahe nie etwas zu thun. Bei der Rückwärtsbewegung von Navesinje 
1876 blieb während eines ununterbrochenen Marsches von 14 Stundon 
über Stock und Stein, in der glühendsten Sonnenhitze und ohne 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



31 



Speise und Trank von der ganzen 10 000 Mann starken Armee nicht 
ein Einziger liegen. 

Wenn sich auch die montenegrinische Kampfweise den modernen 
Anforderungen angepafst hat, so haben die Montenegriner doch mit 
Recht viel von ihrer erprobten Taktik beibehalten. Die Kommandanten 
geben in der Schlacht nur die allgemeinen Dispositionen, z. B. ob 
diese oder jene Stellung zu besetzen und zu behaupten sei, wohin 
man marschiren, ob man angreifen oder den Angriff" des Feindes 
abwarten soll. Das „Wie" überläfst der Kommandant dem Belieben 
seiner Leute. Er weifs, dafs der natürliche Instinkt seiner Montenegriner 
für den Gebirgskrieg entwickelt genug sei, um erwarten zu können, 
Jeder werde das Zweckentsprechende ausführen. Auch die Subaltern- 
offiziere geben zur Ausführung in der Regel keine weiteren Befehle, 
sondern trachten vor allen Dingen darnach, der Kompagnie ein 
leuchtendes Vorbild an Tapferkeit zu sein. 

Im ersten Teile des Krieges 1K7G/78 war beinahe keine Artillerie 
in Verwendung; sie war in schlechtem Zustaude. Man hatte gezogene 
Gebirgsgeschütze, konnte sie aber nicht recht bedienen und verwerten. 
Artillerie pafste nicht recht in die gewohnte Taktik. Im Verlaufe 
des Krieges kam eine Anzahl guter Hinterladergeschütze (meist 
Krupp'sche) in die Hände der Montenegriner. Ein russischer Oberst 
Filipenko traf ein, um die montenegrinische Artillerie zu organisiren 
und Instruktion zu erteilen. Während der Otägigen Schlacht am 
Ostrog-Berge leistete die Artillerie schon sehr gute Dienste. In der 
Folge gelang es, eine Reihe von Forts, von befestigten Punkten, und 
sogar mehrere Festungen zu belagern, zu beschiefsen und wegzunehmen. 
So gelang es, vor Niksic in 4 Tagen 6 Forts zur Übergabe zu zwingen. 
Da sich aber die leichten Geschütze gegen die Stadt selber nicht 
recht ausreichend erwiesen, erbat sich Fürst Nikolaus vom Zaren 
einige Belagerungsgeschütze. Diese langten mit griechischen Schiffen 
vor Castellasta, dem südlichsten Küstenorte Dalmatiens, an und wurden 
dann in aller Stille ausgeschifft, mit unendlicher Mühe vermittelst 
Stangen über die Berge getragen und bis Niksic geschafft. Nach 
10 Wochen mufste sich die unter Skender Beg recht tapfer verteidigte 
Festung bedingungslos ergeben. Antivari mit gewaltigen Bollwerken, 
die noch von den Venetianern stammen, ergab sich ebenfalls nach 
2 Monaten; die ganze Stadt war buchstäblich in Trümmer geschossen; 
heute noch ist sie ein eigentümliches Ruinenfeld, wie mich der Augen- 
schein lehrte. Während der Belagerung mufste man sich auch noch 
6, später 10 türkische Kriegschiffe, die an der Meeresküste auftauchten, 
durch erfolgreiche Beschiefsung vom Leibe halten. 

Der Feldgottesdienst wird durch die Popen gehalten, welche 



Digitized by Google 



32 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



sonst gleich den Andern in Reih und Glied kämpfen und bisweilen 
Offiziersstellen bekleiden. Zum Gottesdienst legen sie die Waffen ab 
und ziehen über die gewöhnliche Kriegerkleidung die kirchlichen 
Gewänder. Ein Pope soll aber kein Blut vorgiefsen, tbut er es 
dennoch, so kann er nicht mehr Messe lesen; darum haben sie in 
früheren Jahren die Feinde mit Knütteln erschlagen. Der frühere 
Kriegsminister Plamenac war ehedem Pope. 

Die Einkünfte des Landes sind gering, vielleicht 500 000 M.; 
dazu kommen aber einige Subventionen, über deren gegenwärtigen 
Umfang ich nichts Verlässiges in Erfahrung bringen konnte. Rulsland 
schickt seit vielen Jahren „zur Unterstützung der Kirchen und 
Schulen" jährlich 40 000 Rubel. Napoleon III. zahlte bis zu seinem 
Sturze „zur Unterstützung der Zivilisationsbestrebungen" jährlich 50 000 
Francs. Österreich war seit 18GG zur Zahlung von 20 000 fl. verpflichtet. 
In dem Kriegsjahre 18GG hatte nähmlich Österreich Grund zur 
Befürchtung, Italien werde in Dalmatien landen und die Bocche de 
Cattaro wegnehmen. In einem Vertrage versprach Montenegro, jede 
italienische Landung in der Bocche mit Waffengewalt verhindern zu 
wollen. In der That nahm dann die italienische Flotte die Richtung 
nach Lissa. 

Wenn wir von Montenegro scheiden, blicken wir mit Wohlgefallen 
auf das kleine tapfere Völklein von 250 000 Köpfen, wünschen ihm 
alles Gute für die Zukunft und rufen ihm ein herzliches Zivio 
Crnagora! zu. 

In der Krivosije. 

Von den Bergwällen, welche die Westgrenze bilden, namentlich 
aber vom heiligen Lovcen, dem Wahrzeichen Montenegros, das sich 
der Dichterfürst Petar als letzte Ruhostätte ausgewählt, schauen die 
Montenegriner sehnsuchtsvoll hinunter zur dunkelblauen Bocche 
de Cattaro, jenem eigenartigen Meeresarmc, der sich einem viel- 
teiligen Gebirgssee gleich in das Herz der Berge hineinzieht. Auf 
den öden Felsen stehend schauen sie das seit Jahrhunderten erstrebte 
Meor und jene Idealbucht, die von oben ein wunderbares Bild bietet, 
wie ein in der Sonne glänzender Smaragd. Wie oft mag bei solchem 
Anblicke ihr Herz geklopft haben. Zu wiederholten Malen sind sie 
in Kriegszeiten über den begehrenswerten Landstrich hergefallen und 
haben ihn mit den Waffen zu dem ihrigen gemacht; jedoch der Be- 
schlufs der Grofsmächte zwang sie immer wieder, darauf Verzicht zu 
leisten, wie nach dem Pariser Frieden 1814. Es hiefse auch Österreich 
einen Fufs amputiren, sollte es die Bocche verlieren. Nie und nimmer 
wird den Montenegrinern diese unschätzbare Meerbucht zugesprochen 
werden. 



Digitized by G 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



33 



Im Norden der Bocche, begrenzt im Osten von Montenegro, im 
Westen von dem hier nur 3 Kilometer breiten Dalmatien (richtiger 
von dem ganz schmalen Streifen der Sutorina), liegt ein wildes Land, 
von allen Karstlandschaften wohl das rauheste, die Krivosije. Es 
ist ein überaus unwegsames I«md, Holz und Wasser fehlen beinahe 
überall und finden sich nur an wenigen geschützten Stellen. Und 
doch hat auch dieses Land seine Bevölkerung, 3700 Seelen sagt man, 
rauh wie das Land und unbotmäfsig. Diese Bewohner haben sich 
von jeher durch rohe Sitten, ungebändigten Sinn, durch Blutfehde 
und Raubzüge hervorgethan. Als Österreich im Jahre 1869 die Aus- 
hebung anordnete, widersetzten sich die Krivosianer. Man griff zu 
den Waffen, scheute sich aber mit Rücksicht auf die erforderlichen 
grofsen Opfer an Geld und Menschen, die Unterwerfung durchzusetzen 
und begnügte sich mit einem Kompromisse. 1881 erregte der Ver- 
such, die Bewohner zum Landwehrdienste heranzuziehen, einen neuen 
Aufstand. Diesmal glaubte man es der Würde des Staates schuldig 
zu sein, die Handvoll Leute zu Paaren zu treiben. Es wurde eine 
verhältnifsmäfsig grofse Truppenmacht aufgeboten, der auch die völlige 
Unterdrückung des Aufstandes gelang. Man hatte aber die Unter- 
nehmung gegen den eigenartigen Abschnitt wohl vorbereitet und die 
Maßnahmen für Verpflegung und Ausrüstung so umsichtig getroffen, dafs 
die Verluste an Menschenleben nur gering wurden. Die Strapazen, 
welche die Truppen zu ertragen hatten, waren außerordentlich. Viele 
der Aufständischen wurden versprengt, und da sie flüchtig gingen 
und sich nicht unterwarfen, in contumaciam verurteilt, manche zum 
Tode. In Montenegro geht es ihnen oft nicht zum besten, mancher 
kehrt verstohlen heim, verfällt aber dem strengen Gesetze. Um den 
Besitz dieser wüden Krivosije zu sichern, hat Osterreich mustergiltige 
Saumwege und Hochstraßen hergestellt, welche ohne beschwerliche 
Steigung zu den Höhen hinaufführen und dann über das gleichsam 
im wildesten Stucme erstarrte steinerne Meer hinweggehen. 

Cattaro am Ende der Bocche gelegen, ist ein winkeliger Ort mit 
mancherlei altertümlichen Gebäuden aus besseren Tagen. Ich fand 
im Kameradenkreise die liebenswürdigste Aufnahme und mancherlei 
Belehrung. Cattaro ist die Basis für die Besetzung der Krivosije. 
Im Osten steigen entsetzliche Felswände beinaho senkrecht empor. 
Droben liegt Montenegro. Österreich hat eine Kunststrafso ersten 
Ranges gebaut, welche in unzähligen Windungen emporführt. Keinem 
Montenegriner würde es einfallen, diesen bequemen, aber natürlich 
weiteren Weg zu gehen; ohne Ausnahme wählen sie, die Weiber oft 
mit schweren Lasten auf dem Rücken, aber dabei strickend, spinnend 
und schäkernd, den alten Weg, der nicht mehr im Stande gehalten 

J.hibUcher nir die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 1. 3 



Digitized by Google 



34 



Militar-touristiBche Wahrnehmungen im Sandschak 



wird. Nicht mit Geröll, sondern mit grofsen Steinen übersät und 
dabei stellenweise sehr steil wird er jedem Nicht-Montenegriner zur 
Qual. Auch ich habe vom Lovcenberge nach Cattaro absteigend, von 
einem Montenegriner beraten, den alten Weg genommen, bin aber 
auf meinen zahlreichen Hochtouren nie einen ahnlich beschwerlichen 
und lästig fallenden Weg gegangen. Indem er aber für die zahlreich 
zum Markte nach Cattaro kommenden und davon heimkehrenden 
Montenegriner keinerlei Schwierigkeit bietet, war mir die Tour eine 
Belehrung, indem sie neuerdings die Leistungsfähigkeit der Bewohner 
im Marschiren und Bergsteigen auf schlechten Wegen vor Augen führte. 

Um die Krivosije aufzusuchen, fuhr ich mit einem Kanaldampfer 
nach Risano, einem gröfsereu Orte an einer nördlichen Einbuchtung. 
Unterwegs sprechen viele verlassene Prachtbauten und grofse Kirchen 
ohne Dächer von der früheren Bedeutung des Landstriches. Auf der 
Bocche verkehrt zu Garnisonszwecken auch ein eigener Militär-Propeller. 
In Risano mietete ich ein Pferd. Die österreichischen Offiziere, die 
von hier aus öfters in die Krivosije hinaufreiten , haben, um das 
lästige Aushandeln zu sparen, einen Kontrakt mit einem Ortseinwohner 
abgeschlossen, der ihnen zu festgestellten Preisen Pferde vermittelt. 
Ich hatte eine angenehme Begleitung, indem ein Oberarzt, den ich 
schon in Cattaro kennen gelernt hatte, den gleichen Weg verfolgte. 
Risano ist Garnison und enthält die Staramabteilungen für die in 
Krivosije nötigen Detachirungen. Ich lernte z. B. einen Artillerie- 
hauptmann kennen, der die ganze Batterie ausgegeben hatte. Seine 
Chargen und Mannschaften waren in den verschiedenen Objekten ver- 
teilt. Alle 8 oder 14 Tage hat er Gelegenheit, bei seinen detachirten 
Abteilungen nachzusehen. Bei den zahlreichen, befestigten Anlagen 
ist die Genie-Objekts-Direktion in Risano ein mit Arbeit reich be- 
dachter Posten. In allen diesen Orten entfalten auch die Intendantur- 
bcamten ihre reiche Thätigkeit, da die Verpflegung in den exponirten 
Punkten nicht so geordnet und regelmäfsig sein kann, wie im Mutter- 
lande und vielfach von den Marktzufuhren und Gelegenheitskäufen 
abhängt. Ich machte auch die Bekanntschaft eines tüchtigen und 
liebenswürdigen Hauptmanns, den ich falschlich der Intendantur zu- 
teilte. Er besafs nämlich nur einen Arm, war aber aktiv und hatte 
den Arm im Duell verloren. Ein Major desselben Bataillons soll 
ebenfalls nur einen Arm haben, verlor aber den anderen im Kriege. 
Wir sprachen vom Duellwesen und man sagte mir, dafs Säbelduelle 
zwischen Kameraden ziemlich häufig vorkämen. Mein Begleiter, der 
Arzt, erklärte sich für einen friedfertigen Menschen und hatte doch 
schon sechs Säbelaffairen hinter sich. Ich erwähne diesen Punkt, 
weil bei uns Duelle zwischen Kameraden selten sind. In diesen 



Digitized by G 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



35 



Garnisonstädten sind die Kasernenlokalitäten ziemlich dürftig. Vielfach 
ist die Militär- Verwaltung angewiesen, passende Gebäulichkeiten zu 
mieten. Offizierskasinos und Marodehäuser sind in der Regel ge- 
mietet. Bei Ermangelung jeglicher Unterkunft liefs mir der gefällige 
Garnisonsarzt von Risano im Marodehaus ein Militärbett aufschlagen. 
Grofs ist allenthalben die Anzahl jener blutsaugenden Tierchen, die 
dem noch nicht daran gewöhnten Fremdling die ganze Nachtruhe be- 
nehmen können. Auch Skorpionen sind in der Krivosije nicht selten. 
Ein Kamerad erzählte, dafs er in seinem Bette schon drei Stücke 
vorgefunden habe, doch sei noch Niemand gestochen worden. Auch 
die recht giftige ITornviper kommt zahlreich vor. 

Hat man auf den Serpentinwegen spielend die Höhen erreicht, 
so liegen die Karstfelder vor den Augen des Beobachters. Von dem 
Grade der Gesteinszerklüftung kann nur der Augenschein eine richtige 
Vorstellung geben. Überall zeigt sich ein Gewirr von kleinen und 
grofsen Felsblöcken, unten verwachsend, oben auseinanderstehend, 
alle zerzackt und zerrissen, — wohl ein mühsames Feld für militärische 
Operationen. 

Die Grenzlinie Cattaro — Dragalj — letzteres in der Nordostecke 
der Krivosije — ist 25 Kilometer lang, Risano— Dragalj beträgt die 
Hälfte. Zur Sicherung dieser Linie sind 16 Objekte: Forts, Defensiv- 
kasernen und kleinere befestigte Posten erbaut und durch gute Wege 
mit einander verbunden. Treffliehe Hochstrafsen, Musterbeispiele 
menschlicher Kunstfertigkeit und unermüdlichen Fleifses, führen durch 
die steinigen Einsenkungen, an den zerrissenen Felshängen hin und 
über die mauergleich aufgetürmten Bergrücken hinweg, dafs die 
Wanderung zum Spaziergange wird. Das sind insbesondere die Wege 
1. von Risano über Crkvice in das Hochfeld von Dragalj, 2. von 
Risano über Ledenice nach Dragalj, 3. der prächtige Weg von Crkvice 
um das Haupt des Veli-vrh (vrh=Berg) herum zum Barackenlager 
von Grkovac, — durchweg in 1000 m Sechöhe. Diese Arbeiten, von 
Pionieren ausgeführt, haben viel Geld und Mühe gekostet. Als Bei- 
spiel diene : An der zuletzt genannten Strafse — sie ist auf der Karte 
nicht eingezeichnet — las ich auf einer von den Pionieren an- 
gebrachten Tafel, dafs zur Ausführung einer bezeichneten Wegstrecke 
20 000 Bohrschüsse, 1350 Kilo Dynamit, 400 Kilo Pulver und 
117 Kilometer Zündschnur notwendig gewesen waren (1887). „Und 
wie lang ist diese Strecke?" fragte ich, ,,„Etwa zwei Kilometer"". 
Von den meisten Objekten tragen die Geschütze weit hinein in 
montenegrinisches Gebiet. Immer wieder mufste ich fragen: „Ist ein 
solcher Aufwand dem kleinen Montenegro gegenüber notwendig ?" 
„„Ja, Montenegro ist eine russische Enklave."" Im Falle eines 

3* 



Digitized by Google 



36 



Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandsckak 



gröfseren Konfliktes zwischen Österreich und Rufsland kann hier 
Montenegro unendlichen Schaden thun. Cattaro z. B. liegt beinahe 
wehrlos am Fufso der steilen Lo\cen-Berge und kann beinahe schon 
durch losgelassene Felstrümmer vernichtet werden. Die Wegnahme 
der Bocche wäre für die herabstürmenden Montenegriner eine Kleinig- 
keit. Würde die Zufahrt in diesen Idealhafen, der vielleicht sämmt- 
liche Kriegsschiffe der Welt aufnehmen könnte, für die russische 
Kriegsmarine frei, könnten die Folgen unabsehbar werden. Österreich- 
Ungarn hat sich die Frage wohl überlegt und ist zu dem Entschlüsse 
gelangt, hier kein Opfer an Geld und Mühen zu scheuen. 

Der Zugang in die Objekte und Kasernen, letztere sind zur Ver- 
teidigung eingerichtet, kann natürlich Fremden nicht gestattet werden. 
Das Zusammenleben der wenigen Offiziere daselbst ist kameradschaft- 
lich, beinahe familiär, aber auch reich an Entsagung. Es hat viele 
Ähnlichkeit mit dem Dasein von Mönchen, welche lern der Welt in 
strenger Abgeschiedenheit leben. Spärlich gelangen Nachrichten in 
die Fansamkeit, die Post kommt in der Regel nur einmal in der 
Woche. Wenige Bücher, nur allmählig sich mehrend, helfen über 
die langen Abende hinweg. Auch der Dienst bringt nicht immer die 
nötige Abwechselung, da die abexerzirten Mannschaften meist ständig 
im Patrouillendienste unterwegs sind. In dieser ständigen felddicnst- 
mäfsigen Verwendung sehe ich einen grofsen Gewinn für die Aus- 
bildung. Der Soldat lernt die ganze Nachbarschaft des Geländes, in 
welchem er mutmafslieh zu fechten hat, auf das genaueste kennen, 
er eignet sich zum Teile die für solches Bergland unschätzbaren 
Eigenschaften der Eingeborenen (Zusehen nennen sie die Österreicher) 
an, er wird gewandt und findig, sogar ausdauernd, und die Höhen- 
unterschiede schätzt er schliefslich gering. Häufig bitten Soldaten, 
erzählten die Offiziere, auf einige Stunden einen „Sprung" nach Risano 
oder Cattaro machen zu dürfen. Die Mannschaften sind nicht ungern 
in diesen abgelegenen Winkeln der Monarchie. Der eigenartige 
Militärdienst, der durch die mannigfachen Arbeiten, die den Truppen 
obliegen, oft recht abwechselungsreich wird, sagtJVielen mehr zu, als 
das gleichmäfsige, anstrengende Gamisonsleben. Die Zulage ist nicht 
unbeträchtlich, auch wird täglich Abendsuppe gereicht. Die Soldaten 
machen einen wohlgenährten Eindruck. Die Abteilungen in diesen 
Teilen der Monarchie müssen sich im feldmarschmäfsigen Zustande 
erhalten, das ist der Grund, warum die Offiziersfrauen, selbst wenn 
sie heroisch den Gatten in diese Unwirtlichkeit folgen wollten, nicht 
folgen können. Dafs alle 3 Jahre Garnisonswechsel stattfindet, wurde 
an anderer Stelle schon erwähnt. Bei dem völligen Mangel an Privat- 
verkehr mufs natürlich auch Verzicht geleistet werden auf den Uui- 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



37 



gang mit besseren Familien. Lebensgefährtinnen finden sich wohl 
auch nicht. Würde Gott Amor dennoch das Unwahrscheinliche er- 
möglichen, bestände die Kaution jedenfalls in Ölbäumen, die in guten 
Jahren nicht selten 10 fl. pro Baum Erträgnifs liefern. 

Von Crkovice aus machte ich mit Kameraden einen längeren 
Spaziergang auf dem Wege, welcher um den Veli-vrh herum zur 
Hochstrafse führt. Wir traten in manche Karsthöhle, deren Eingang 
wohl nur durch Zufall entdeckt wurde und nur dem Kundigen sichtbar 
ist. Innen bieten diese Höhlen oft einen hohen, durch Spalten er- 
hellten und wohlverborgcnen Raum, der Hunderte aufnehmen kann. 
Jedenfalls kennen die Landesbewohner und die tagelang herum- 
streifenden Hirten noch eine Anzahl weiterer Höhlen, welche den 
Soldaten unbekannt sind. Es liegt auf der Hand, wie solche unsicht- 
bare Verstecke eine Insurrektion begünstigen. Die Begleiter führten 
mich auch zu anderen unterirdischen Hohlräumen, die unzugänglich 
sind. Das späte Auffallen der hinabgeworfenen Steine liefs auf be- 
deutende Tiefe schliefsen. So lehrt überall der Augenschein, dafs 
der Karstboden auch nach abwärts zerrissen und zerwühlt ist und 
grofse und kleinere Höhlungen enthält. 

Manches erzählten mir meine angenehmen Führer von der Un- 
wirtlichkeit des Winters. Diese Wege, welche hoch über alle Felsen 
hin wegführen, sind dann oft nur mit der äufsersten Anstrengung 
passirbar. Wenn die Bora weht, der eisige, überaus heftige Wind 
aus Norden, liegt die Gefahr nahe, dafs Reiter an den exponirten 
Stellen und Ecken in die Tiefe gefegt werden. Man geht dann zu 
Fufs, ja man ist gezwungen, wenn der Weg z. B. an Geldtagen not- 
wendig wird, sich hier niederzuwerfen und langsam auf allen Vieren 
über die gefährdete Stelle hinwegzukriechen. Es kommt vor, dafs 
Patrouillen und ganze Züge, die unterwegs sind, im Schnee stecken 
bleiben. Notschüsse machen aufmerksam und Abteilungen, die mit 
den nötigen Arbeitsgeräten versehen sind, müssen sie buchstäblich 
herausschaufeln und die Halberfrorenen heimschaffen. Im Winter 
zeigen sich auch die hungrigen Wölfe in nächster Nähe. Da sie stets 
in Rudeln auftreten, werden sie Einzelnen leicht gefährlich. Ver- 
gangenen Winter hatte sich in Crkovice eine Jagdgesellschaft eingefunden, 
um am nächsten Tage auf die in der Nähe streifenden Wölfe zu 
jagen. Nachts kam ein kleiner Rudel von 4 Stücken. Der ein- 
geschüchterte Aulsenposten hielt sich still. Die Wölfe übersetzten 
die Mauer, was wegen des angewehten Schnees möglich war, durch- 
schnupperten den Kasernenhof und kehrten, da sie nichts vorfanden, 
auf demselben Wege zurück. Etwa 50 Schritte von der Kaserne 
frafsen sie den grofsen Hund eines Fleischers von der Kette weg und 



Digitized by Google 



38 



JliUtär-touriatische Wahrnehmungen im Sandschak 



suchten dann das Weite. Jetzt erst machte der Posten Lärm, die 
Jäger, welche die Verfolgung aufnahmen, mufsten aber dieselbe wegen 
der schwierigen Schneeverhältnisse bald wieder aufgeben. Ein Gendarm 
wurde ebenfalls im vergangenen Winter von Wölfen überfallen und 
bis auf die Stiefel aufgefressen. 

Auch der Sommer bringt in den Karstgegenden einen uns weniger 
bekannten Feind, — den Wassermangel. Wenn der Soldat auf langen 
mühsamen Märschen den Durst nicht stillen kann, leidet seine Leistungs- 
fähigkeit unendlich, und er wird schliefslich unverwendbar. Wenn 
der Mann sich tagelang schwerbepackt zwischen den glühenden Steinen 
und Felsen fechtend oder marschirend bewegt hat, verlangt er nach 
W r nsscr; der mitgeführte Wein wird verschmäht; kann der Durst nicht 
mit Wasser gestillt werden, bleiben die Konserven von Vielen un- 
berührt. Ich machte eine ähnliche Erfahrung: Bei dem ziemlich an- 
strengenden Marsche von Cetinje über den Lovcen nach Cattaro hatte 
ich Montenegriner Rotwein bei mir. Dieser derbe Wein war nicht 
im Stande meinen Durst zu stillen; er erregte im Gegenteile einen 
Ekel, der mir auf Wochen vor jedem Rotwein blieb. Um nun dem 
Wassermangel möglichst abzuhelfen, legt man in allen Objekten, bei 
allen Ortschaften und wo sich die Lage hierfür günstig erweist, 
Cisternen an. Auf grofsen schiefen Ebenen wird das Wasser der 
atmosphärischen Niederschläge aufgefangen und in die Reservoirs ge- 
leitet. Dort filtrirt es sich krystallhell, bleibt sehr frisch und wohl- 
schmeckeud. Es giebt Cisternen mit 600 000 Liter und selbst darüber. 
Leider sind die Eingeborenen in der Reinhaltung dieser Wasserräume 
nicht sorgfältig genug. Auch die Garnisonen machten unangenehme 
Erfahrungen. So sind in mehreren Cisternen W r asserläuse entstanden, 
angeblich weil beim Geschützreinigen Fett und andere Bestandteile 
in die Reservoirs gekommen sind. Diese Tierchen vermehren sich 
unglaublich. Man konnte das Wasser nur filtrirt und mit Widerwillen 
trinken. Selbstverständlich war man auf Abhilfe bedacht und schickte 
höheren Orts zur Vertilgung der unlieben Wasserbewohner Aale. 
Diese verunreinigen nun allerdings solber das Wasser, vertilgen aber 
die Milliarden der anderen ungebetenen Gäste. In ein Fort gelangte 
eines Tages eine Sendung lebender Aale. Da kein Schreiben beilag, 
war man über die seltsamen Ankömmlinge sehr erstaunt. Da auch 
die nächsten Tage keine Aufklärung brachten, gab der Kommandant, 
ein Unteroffizien, die kräftigen Fische in die Küche, wo sie in den 
einfachen Küchenzettel eine angenehme Abwechslung brachten. Am 
nächsten Tage lief ein verspätetes Schreiben ein, welches die hoho 
Aufgabe der Aale darlegte. Selbstverständlich blieb die Verant- 
wortung nicht erspart, aber die Fische waren vergessen. — Das 



Digitized by Google 



Novibasar, in Montenegro und in der Krivosije. 



39 



Fleisch läfst man gerne von Privaten liefern, was grofse Vorteile 
bietet. So kostet das Kilo Rindfleisch in der Krivosije nur 35 Kreuzer. 
Das ist nur möglich, sagte man mir, wenn der Schlächter geschmuggelte 
Waare kauft. Der Schmuggel vom westlichen Montenegro nach Dal- 
matien wird allerdings auf eine schwunghafte Weise betrieben, und 
von 3000 geschmuggelten Tieren gelangen nur etwa 300 in die Hände 
der Grenzer. Selbst, wenn das Letztere stattfindet, bekommen die 
Schmuggler den Vorteil meist auf ihre Seite. Wird ein Montenegriner 
beispielsweise beim Hammelschmuggel entdeckt, läfst er natürlich seine 
Tiere im Stich und sucht hinter den Felsen das Weite. Der Hammel 
wird vom Finanzer konfiszirt, heruntergebracht und kommt dann auf 
dem Markte zur öffentlichen Versteigerung. Der ehemalige Eigen- 
tümer ist aber unter dem steigernden Publikum. Da sich Jedermann 
hütet, dem Geschädigten seinen Hammel wegzusteigern , erwirbt ihn 
derselbe wieder etwa um 1 fl. Der Zoll hätte 1 fl. 50 Kr. betragen, 
somit gewinnt der Montenegriner 50 Kr. Montenegro versieht auch 
Malta mit Schlachttieren, ähnlich, wie sich Gibraltar von Tanger aus 
verproviantirt. Das Federvieh ist billig; ein Huhn kostet 10 Kr., eine 
Ente 20 Kr. Während meines Aufenthaltes auf der Höhe war eine 
Depesche eingelaufen: „Diensttelegramm; dringend; 16 Paar Hühnor 
sind eingetroffen, das Paar zu 18 Kr. Wie viel wollt Ihr?" Es ist 
für den Menagemeister (Offizier) eine wichtige Aufgabe, durch Rührigkeit 
und Erfindungsgabe den eintönigen Küchenzettel etwas abwechslungs- 
reich zu gestalten. Alle Objekte stehen durch optische Telegraphen 
miteinander in Verbindung. Eine oberirdische Leitung hat natürlich 
keinen Wert für den Ernstfall. Eine nicht auffindbare unterirdische 
Leitung würde ich für unmöglich halten, man sagte mir aber, dafs 
im laufenden Jahre eine solche gelegt werden wird. Österreich hat 
eine Anzahl Signal-Abteilungen und macht vielfach Gobranch davon. 
Auf kleine Entfernungen vermögen die Mannschaften mit 2 Fähnchen 
rasch und deutlich zu signalisiren. Von Objekt zu Objekt verständigt 
man sich durch „Schubern' 1 . Eine Fensterfüllung kann durch ein 
rotes-, und weifses Feld bedeckt werden. Indem man dieselbe rasch 
zeigt und wieder verschwinden läfst erhält man bei verschiedener 
Aufeinanderfolge ein Alphabet. Auf grofse Entfernungen beobachtet 
man hierbei durch Fernrohre, und ist das Ablesen bis auf 10 Kilo- 
meter möglich. Deutlicher ist das Schubern bei Nacht, wo das rote 
Feld durch ein Licht ersetzt wird. Als ich nachts auf dem Heimwege 
begriffen war, sah ich auf allen Höhen auftauchende kürzer oder 
länger verbleibende und wieder verschwindende Lichter. Die Auf- 
einanderfolge dieser roten, gleichsam zuckenden Lichterscheinungen 
war eine verschiedene; es wurde geschubert. Die Telegramme müssen 



Digitized by Google 



40 



Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandschak 



aber von Objekt zu Objekt gehen. Will man beispielsweise von 
Crkovice nach Cattaro telegraphiren, hat die Depesche 7 Stationen zu 
durchlaufen und braucht hierzu, wenn es nicht viel Worte sind, etwa 
2 Stunden. 

Von einzelnen Stellen der Hochstrafse, mehr noch vom Veli- 
vrh (1277 m) oder dem Goli-vrh (1311 m) bei Ledenico erschließt 
sich ein umfassender Ausblick auf die ganze Krivosijo und weit hinein 
nach Montenegro, das wie eine Karte daliegt. Da ist im Nordwesten 
der Orjen (1895 m), über den die herzegovinische Grenze hinweggeht, 
im Norden das Becken von Dragalj, darüber hinweg das montenegrinische 
Becken von Grahovo. Im Norden erkannte ich in der Crnagora 
manchen Bekannten, an welchem ich in der letzten Woche vorüber- 
gegangen, wie den Vojnik (1989 m) und namentlich den Durmitor 
(2525 m), Montenegros höchste Erhebung; auch der ostwärts im Kuci- 
lande gelegene Kom (2048 m) ist sichtbar. Am interessantesten 
bleibt aber immer die nächste Umgebung wegen der eigenartigen 
wilden und zerrissenen Karstformationen. Eine zutreffende Schilderung 
ist, wie schon erwähnt, nicht gut möglich. 

Ich hatte viel gesehen und gelernt, hoch droben in der unwirtlichen 
Krivosije» Die Sonne war schon in der Adria untergetaucht, als ich 
mich auf den Heimweg nach Risano machte. Rasch wurde es dunkel, 
eine stockfinstere Nacht, die kein Mond erhellte, nur die aufzuckenden 
Lichter der Telegraphenleute nahmen die Augen gefangen. Der Weg 
zur Not noch sichtbar, verlangte alle Aufmerksamkeit, zumal als die 
vielen Serpentinen begannen. Ich war mutterseelenallein in der 
schwarzen Wildnifs. Manche Gestalten huschten mit ihren Opanken 
geräuschlos an mir vorüber, Zusehen, die mir aber nicht die geringste 
Furcht einflöfsten, weil ich wufste, dafs in dem gegenwärtigen 
Zustande des Landes jedes feindselige Auftreten völlig ausgeschlossen 
ist. Den Abend verbrachte ich im Kasino von Risano. 

Sehr interessant ist ein Blick auf die zugehörigen österreichischen 
Generalstabskarten: Blatt Cattaro und Blatt Trebinjc— Risano 
in 1:75 000. Die Karte verlangt gute Augen; bei schlechter Be- 
leuchtung wird sie niebt lesbar sein. Mit aufserordentlichem Fleifse 
und grofsem Geschicke ist die Eigenart des Geländes dargestellt. 
Bergstriche in Verbindung mit Niveaukurven von 100 zu 100 m 
erleichtern das Ablesen der Höhenverhältiüsse. Das aufmerksame 
Auge sieht mit Staunen die Verworrenheit und planlose Gestaltung 
der Felsformationen. Es ist ein unentwirrbares Chaos, das bedeckt ist 
mit Hunderten und Tausenden von kleineren und gröfseren Dolinen. 
Wer sich für die Darstellung reinsten Karstcharakters interessirt, 
betrachte die Nordwestecke von Blatt Trebinje— Risano (Zone 35, 



Digitized by Google 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



41 



col. 19) und die Südwestecke von Blatt Trnovo (Zone 31, col. 19). 
In dem letzt bezeichneten Abschnitte haben die Manöver 1893 eines 
Teiles der Okkupationstruppen stattgefunden. Dafs diese Übungen 
ungewöhnlich reich an Strapazen waren, glaubt man gerne, wenn 
man auch nur oberflächlich die Karte besieht. Da die Wasser- 
verhältnisse hier zu Lande einen der wichtigsten Faktoren ausmachen, 
müssen sie auf der Karte mit gröfster Genauigkeit vorgetragen werden. 
Jede Quelle, jeder Brunnen, jede Cisterne ist dargestellt, gleichzeitig 
auch, ob sie mehr oder minder sehr ergiebig ist. Auch die bekannten 
Höhlen werden verzeichnet und aufserdem noch vermerkt, wenn sie Wasser 
enthalten. Betrachtet man die grofsen Becken der Bocche de Cattaro, 
so kann man entnehmen, dafs von Cattaro bis zur Ausfahrt an der 
Punta d'Ostro eine Strecke von 30 Kilometer zu durchfahren ist, 
durchweg geschlossenes und gesichertes Hafenwasser. Eigentlich sind 
es vier aneinandergereihte Seebecken, die von Bergen umgeben sind; 
darum ist auch der Vergleich mit dem Vierwaldstädter See nicht 
so unzutreffend. Die zahlreich eingezeichneten Wassertiefen nennen 
durchschnittlich 20 — 40 m und in den hintersten Winkeln, wie bei 
Risano und Cattaro noch 10 m. Nur bei Castelnuovo verflacht die 
Bucht, offenbar, weil die Sutorina Schwemmland zuführt. Eino 
weitere wichtige Entdeckung machte ich auf der Karte. Ich habe 
mich bei meinen Wanderungen durch Montenegro einiger Blätter der 
Karte von Mitteleuropa 1 : 300 000 bedient. Besseres war nicht 
erhältlich. Sie erwies sich aber in den abgelegenen und noch wenig 
begangenen Gebieten Nordmontenegros als ein ziemliches Phantasie- 
gebilde. Auf den beiden oben bezeichneten Blättern befindet sich 
nun noch ein beträchtliches Stück von Montenegro „entworfen und 
gezeichnet im Landesbeschreibungsbureau des k. und k. Generalstabes 
1893". Montenegro wird also im Auftrage begangen und bereist. 
Ob es sich nur auf die Grenzgebiete bezieht oder auf ganz Montenegro, 
konnte ich nicht erfahren. Ich möchte aber das Letztere wünschen. 
Das montenegrinische Gelände macht, weil es nicht mit der minutiösen 
Genauigkeit wie auf dem österreichischen Gebiete eingezeichnet werden 
konnte, einen sehr übersichtlichen Eindruck, ist mit Weglassung der Berg- 
striche geschummert und zeigt braune Niveaukurven von 100 zu 100 m. 
Auch die mehr oder weniger ergiebigen Quellen, Brunnen und 
Cisternen sind mit Zeichen eingetragen. Gestrichelte Linien zeigen 
die Saumwege und sind die begangenen oder auf Grund genauer 
Daten eingezeichneten stärker ausgezogen. Eine sehr reichliche Anzahl 
von Höhenpunkten werden durch die unten beigedruckte Legende als 
ziemlich verlässig bezeichnet. Hingegen sind die russischen Trian- 



Digitized by Google 



42 Militär- touristische Wahrnehmungen im Ssndschak 



gulirungspunkte, der Karte von Rowinski entnommen, nur mehr 
wenig verwertet worden. — 

Ich habe während meiner Urlaubsreise, die mich mit den eigen- 
tümlichen Verhältnissen in den Garnisonen Südbosniens, der Herze- 
govina und der Krivosije vertraut machte, gesehen, mit welcher Hin- 
gebung und welchem Fleifse die österreichischen Kameraden in den 
meist neu gewonnenen Provinzen ihrem Berufe leben, welche Summe 
von Entbehrung und Entsagung, welch erhöhtes Pflichtgefühl dort 
notwendig sind, um bei dem harten Tagewerke nicht zu erlahmen. 
Ich habe mit Freude empfunden, dafs sie den deutschen Waffenbruder 
mit aufrichtiger und herzlicher Kameradschaft wie einen der ihrigen 
aufnehmen. Ich hatte das Gefühl, dafs man ihnen durch einen Besuch 
wirklich Freude macht, und dafs sie einen Unterschied zwischen 
österreichischen und deutschen Kameraden nicht kennen und nicht 
zeigen. Ich glaube im Sinne der neugewonnenen Freunde zu handeln, 
wenn ich die Aufmerksamkeit meiner deutschen Berufsgenossen auf 
jene Provinzen lenke, die eine reiche Kriegsgeschichte besitzen und 
dem Besucher so viele seltsame und fremdartige Zustände zeigen, da 
die Kultur dort teilweise noch in der Kindheit liegt, und der Orient 
stellenweise noch weit überwiegt. Trinksprüche und Abschiedsworte 
der Tischältesten gaben immer wieder dem Gefühle Ausdruck, dafs 
die Armeen der befreundeten Nachbarstaaten nicht allein durch Ver- 
träge verbunden, sondern durch Geschichte, Abstammung und Interesse, 
vornehmlich aber durch gleichartige Ziele und Sympatie zusammen- 
gehören, im Frieden sowohl, und wenn der Ernst gilt, Schulter an 
Schulter, gegen die gemeinsamen Feinde, die den frei gewählten 
Freundschaftsbund mit Neid und Mifsgunst scheel betrachten. Gleich- 
sam in Erwiderung dieser warm empfundenen Begrülsung, die mir 
von unseren Nachbarn zu teil geworden, seien schliefslich die Worte 
gestattet, welche mir der Ausdruck des Dankes einmal in den Mund 

gelegt: „ Mit grofsem Interesse zogs mich in die Lande, welche 

die österreichische Armee mit so unerhörter Anstrengung und so 
reichen Opfern, aber auch mit beispielloser Bravour der Monarchie 
erworben hat. Ich sah auf meinen Wegen die zerrissenen Felsen, 
die zerklüfteten Höhen und unwegsamen Berge, welche sie erstürmt, 
die Städte und Ortschaften, damals von muhamedanischen Glaubens- 
eiferern besetzt, die sie genommen hat. Ich stand mit nassen Augen 
vor den weifsen Denkmälern, unter denen die Getreuen, die Gefallenen 
die letzte Ruhe im Schofse der Mutter Erde gefunden. Ich sah aber 
auch die reichen, eben reifenden Früchte der zivilisatorischen Unter- 
nehmung, die Segnungen, welche man dem armen Lande zugeführt. 
Ein wunderbares Strafsennetz führt über die früher kaum zugänglichen 



Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije. 



43 



Höhen und verbindet die entlegensten Orte; Posten und Telegraphen 
heben den Verkehr; Schulen für die Jugend und die landesüblichen 
Fertigkeiten in Handwerk und Kunstgewerbe bringen Bildung und 
Wohlstand unter die vor kurzem noch so unwissende Bevölkerung. 
Während ich die Kameraden als Soldat um die glänzenden Waffen- 
erfolgc beneiden möchte, beglückwünsche ich sie zu den grofsen 
Erfolgen des Friedens. Ich rechne es mir zur hohen Ehre an, mit 
so trefflichen Repräsentanten der schönen und tapferen österreichischen 
Armee bekannt geworden zu sein. Trachten wir darnach, dafs wir 
uns immer noch besser kennen lernen, dafs wir die Eigenschaften und 
Eigenheiten, die im Osten und Westen, im Süden und Norden, den 
mannigfachen Namenstraditionen entsprechend, vorwalten, verstehen 
und brüderlich milde beurteilen. Stets begleite das Waffenglück die 
österreichischen uns verbündeten Fahnen! Das wünschen mit mir 
alle deutschen Kameraden!" 



IL 

Die neuen Vorschriften für die Ausbildung der 
schweizerischen Keiterei. 



Die schweizerische Reiterei hat gegen Ende des vorigen Jahres 
eine neue Vorschrift über ihre Ausbildung erhalten, w r elche zwar 
vorläufig nur die Teile über die Ausbildung zu Fufs, die Ausbildung 
zum Gefecht und die Grundsätze für das taktische Auftreten der 
Kavallerie enthält. Bei den eigenartigen Verhältnissen, wae sie für 
die schweizerische Kavallerie bestehen, welche naturgemäfs auch ihren 
Einflufs auf die Ausbildung und die taktische Verwendung ausüben, 
glauben wir annehmen zu dürfen, dafs die in diesen „Vorschriften" 
ausgesprochenen Grundsätze auch ein weiteres militärisches Interesse 
besitzen. 

Die schweizerische Kavallerie besteht aus 24 Schwadronen 
Dragoner, aus denen 8 Regimenter gebildet und die zu vier Brigaden 
zusammengestellt werden. Jede Schwadron hat eine Stärke von 
5 Offizieren (davon 1 Pferdearzt), 119 Unteroffizieren und Soldaten, 
124 Reit- und 8 Zugpferden, sowie 3 Fuhrwerken. Aufserdem werden 
12 Guidenkompagnien aufgestellt, welche eine gesetzliche Stärke von 



Digitized by Google 



44 



Die neuen Vorschriften fflr die Ausbildung 



nur 2 Offizieren, 41 Unteroffizieren und Soldaten mit 45 Pferden 
haben, die jedoch nach und nach auf den Effektivbestand der 
Dragonerschwadronen gebracht werden sollen. Es hängt dies mit der 
Organisation der Armeekorps zusammen, durch welche die Dragoner- 
regimenter den Divisionen weggenommen werden, um als Korps- 
kavallcrie verwendet zu werden. Es verblieben dadurch den Divisionen 
nur noch die Guidenkompagnien, welche bis dahin hauptsächlich zum 
Ordonnanzdienst verwendet wurden. Uber ihre Verwendung als 
„Divisionskavallerie" sind nun in den „Vorschriften" ebenfalls ent- 
sprechende Weisungen enthalten. Als Bewaffnung führen die Dragoner 
aufser dem Säbel noch den Repetirkarabiner, die Guiden den Revolver. 
Aufserdem soll jedes Kavallerieregiment noch 3 Maximmaschinen- 
geschütze erhalten. 

Die Ausbildung des schweizerischen Kavalleristen erfolgt in 
Rekrutenschulen, die mit einem Vorkursus zusammen 80 Tage Dauer 
haben. Jeder Kavallerist nimmt sein Pferd gegen Bezahlung der 
Hälfte des Schätzungswertes nach Beendigung der Rekrutenschule 
sammt Bewaffnung und Ausrüstung mit nach Hause. Alljährlich hat 
derselbe einen Wiederholungskursus von 12 Tagen Dauer (Einrückungs- 
und Entlassungstag inbegriffen) zu bestehen. Nach 10 Dienstjahren 
geht das Pferd vollständig in den Besitz des Soldaten über und tritt 
derselbe in die Landwehr, in welcher er aufser zu Musterungen u s. w. 
nicht mehr einzurücken hat. Über den Ersatz abgehender Pferde 
bestehen besondere Vorschriften. 

Es ist klar, dafs für die Ausbildung dieser reinen Milizkavallerie, 
die mit Ausnahme des Waffenchefs und 12 Instruktionsoffizieren kein 
stehendes Kadre besitzt, besondere Wege eingeschlagen werden müssen, 
um eine brauchbare Truppe aufstellen zu können. Es wird deshalb 
in den „Vorschriften" grofses Gewicht darauf gelegt, dafs nur das 
getrieben werde, was man im Felde wirklich braucht, dieses aber 
gründlich und unter Anspannung aller Kräfte. 

Die Soldatenschule, besonders aber die Ausbildung mit den 
Waffen ist hauptsächlich als Einzelnausbildung zu betreiben, da jede 
Massenarbeit nur Scheinresultate zu Tage fördert. Die Instruktions- 
abteilungen sollen daher klein sein. Handelt es sich um die Ein- 
übung neuer Bewegungen und Griffe, so soll der Unterrichtende zuerst 
dio Sache erklären und vormachen, dann seine Leute probiren lassen; 
haben diese sich etwas zurecht gefunden, so nimmt er sie einzeln, 
einen nach dem andern vor, währenddem die andern für sich weiter- 
üben und früher Erlerntes wiederholen. Auf diese Art werden die 
Leute rascher und besser als durch ein gedankenloses und er- 
müdendes Abteilungsdrillen ausgebildet. Nur gelegentlich und gewisser- 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



45 



mafsen zur Prüfung wird während der Detailausbildung im Ganzen 
exerzirt. 

In der Soldatenschule wird vor allem gefordert, dafs der Soldat, 
nachdem einmal das Kommando „Achtung!" gegeben ist, in absoluter 
Unbeweglichkeit verharre bis zum Befehl „Ruhen!". Kein äufseres 
Ereignifs darf diese Unbeweglichkeit stören. „Eine Truppe, welche 
diese Bedingung nicht erfüllt, ist als nicht ausgebildet zu betrachten." 
Bei den Marschübungen ist jeder Einzelne genau zu beobachten. Auf 
das Kommando „Halt!" darf nicht sofort der Befehl „Ruhen!" folgen, 
immer soll zuerst die Haltung des Mannes neuerdings nachgesehen 
und korrigirt werden. Auch beim Abteilungsexerziren soll in erster 
Linie auf die Haltung des einzelnen Mannes, dann erst auf Richtung 
u. s. w. gesehen werden; nachlässige Leute werden aus dem Gliede 
herausgenommen und einzeln exerzirt. Damit die Leute gewandt und 
flink und nicht steif werden, ist das Exerziren durch Freiübungen, 
einem gelegentlichen Wettlauf oder Nehmen von Hindernissen, zu 
unterbrechen. Öfter ist auch in zerstreuter Ordnung zu exerziren; 
es sollen die Leute dadurch gewöhnt werden, auf Zurufe und Befehle 
ihrer Vorgesetzten auch dann zu achten, wenn sie nicht in Reihe 
und Glied stehen. Recht häufig ist, als Vorbereitung auf das Exerziren 
zu Pferde, das Erstellen der zweigliedrigen Linie auf das Kommando 
„Appell" zu üben. 

Die Ausbildung mit dem Säbel ist frühzeitig, schon in den 
ersten Wochen der Rekrutenschulen zu beginnen. Sie wird am besten 
damit eingeleitet, dafs man die Leute anweist, mit ganzer Armeskraft 
und unter Loslassung aller Gelenke freigewählte Hiebe nach allen 
Richtungen zu schlagen. Erst nachdem der Mann Vertrauen zu seiner 
blanken Waffe gewonnen hat, wird zur Einübung der vorschrifts- 
mäfsigen Hiebe übergegangen. Die Hiebe und Stiche sind nicht nur 
in kräftiger, sondern auch in rascher Ausführung zu fordern; die Leute 
sollen im Stande sein, schnell nacheinander mehrere scharfe Hiebe und 
Stiche auszuführen. „Unsere Soldaten müssen wissen, dafs sie im 
Gefecht nicht durch Pariren der feindlichen Angriffe, sondern durch 
energischen Gegenangriff sich verteidigen sollen." 

Die Ausbildung mit dem Karabiner verfolgt den einzigen 
Zweck, den einzelnen Mann zum Schützen zu erziehen; in der ganzen 
Abteilung wird erst mit ausgebildeten Soldaten gearbeitet. Es kommt 
ganz besonders in diesem Ausbildungszweig darauf an, dafs der Mann 
reichliche Gelegenheit erhält, das ihm vom Lehrer Gezeigte so lange, 
für sich und zwanglos zu üben, bis er darin einige Gewandtheit er- 
langt hat. 

Auf die in den ersten Kapiteln des die Ausbildung behandelnden 



Digitized by Google 



40 Die neuen Vorschriften für die Auabildung 

Teils enthaltenen Formationen, die Gangarten, die Bewegungen u. s. w. 
gehen wir hier nicht näher ein, sondern beschranken uns darauf, 
Einiges aus dem Kapitel über die Methode der Ausbildung anzuführen. 

Sobald man mit der Reitausbildung soweit gekommen ist, dafs 
die Rekruten sieh auf den Pferden nicht mehr steif machen, sich 
nicht mehr an den Zügeln festhalten und dabei entschlossen sind, 
ihre Pferde zu beherrschen und in jener Richtung und Gangart gehen 
zu machen, welche sie wollen, so darf mit den das Exorziren des 
Zuges und der Schwadron vorbereitenden Übungen begonnen werden. 
Diese Übungen gehören noch zur Reitausbildung, sie sind daher von 
den Reitklassen gesondert vorzunehmen und es inufs der Instmirende 
gerade so gut wie in der Reitbahn, den einzelnen Rekruten durch 
Korrigiren und Anleiten als Reiter weiterbilden. 

Der Zweck der vorbereitenden Übungen ist: 1. Mann und Pferd 
im Freien an ein gleichmäfsiges Tempo im Trab und Galopp zu ge- 
wöhnen; 2. den Mann zu lehren, für sich allein geradeaus zu reiten, 
sein Pferd zu wenden und zu pariren; 3. allmählig in die beim 
Exerziren des Zuges und der Schwadron vorkommenden Übungen 
überzuleiten. 

Damit der Rekrut in dem Bewufstsein, sein Pferd zu beherrschen, 
beim Hinauskommen ins Freie nicht erschüttert werde, ist mit diesen 
Übungen nie mit vollkommen frischen Pferden zu beginnen, auch 
mufs dafür gesorgt werden, dafs die Pferde nicht durch Schiefseu u. s. w. 
aufgeregt werden. Es sind folgende Übungen vorzunehmen: 1. Tempo- 
Reiten im Trab und Galopp auf einem grofsen Viereck (später z. B. 
auf der Peripherie dos Exerzirplatzes) mit kleinen Abständen be- 
ginnend, welche allmählig so vergrössert werden, dafs jeder Reiter 
sein Pferd selbstständig im Tempo erhalten mufs; 2. Reiten in ge- 
schlossener und geöffneter Linie, wobei die Zwischenräume immer 
mehr zu vergröfsern sind, mit der Linie sind kleinere und grössere 
Direktionsveränderungen vorzunehmen. Aufmärsche aus der Kolonne 
zu Einem und Wiederabmarschiren in die Kolonne zu Einem während 
der Bowegung; 3. Einzelreiten, wobei jeder Reiter in befohlener 
Gangart sein Pferd herumtummelt; 4. Sammeln. 

Alle diese Übungen sollen mit peinlicher Sorgfalt betrieben 
werden und ist darauf viel Zeit zu verwenden. Die Leichtigkeit, mit 
welcher nachher Zug und Schwadron einexerzirt werden, lohnt 
reichlich alle Mühe und Zeitaufwand. Als Zeichen, dafs nun zum 
Exerziren im Zug und in der Schwadron übergegangen werden kann, 
ist anzusehen: 1. Dafs die Reitklassen auf grofse Strecken und im 
wechselnden Gelände in eingliedriger geschlossener Linie ruhig traben 
und Direktionsverändemngen ausführen; 2. dafs die Reitklassen in 



D iqi tized by Go ogle, 



der schweizerischen Reiterei 



47 



eingliedriger geöffneter Linie auf lange Strecken unter Ausführung 
von Direktionsveriinderungen ruhig und gleichmäfsig galoppiren ; 3. dafs 
die Rekruten aus der trabenden Kolonne zu Einem im scharfen 
Galopp regelrecht zur geschlossenen eingliedrigen Linie aufmarschiren 
und 4. aus der trabenden, eingliedrigen geschlossenen Linie mit grofsen 
Abständen im Galopp in die Kolonne zu Einem abmarschiren können. 
Mit dem Zug und der Schwadron sind jene Bewewungen besonders 
sorgfaltig und gründlich cinzuexerziren, welche vor dem Feinde zur 
Ausfuhrung kommen; es sind das die Linien- und Kolonnenbewegmigen, 
der Aufmarsch und das Sammeln. Weniger wichtig ist das Ab- 
marschiren und die Übergänge aus der Marsch- in die Rottenkolonne 
und umgekehrt. 

Besonders notwendig ist es, dafs der Zug lerne, in Iinie seinem 
Führer in allen Direktionsveränderungen und durch jedes Gelände 
aufmerksam und geschmeidig zu folgen und dafs er lerne, aus der 
Kolonne auf das Zeichen des Kommandanten rasch zur Linie auf- 
zumarschiren. Die gleiche Forderung gilt sinngemäfs für die in Linie, 
Zugs- oder Marschkolonne formirte Schwadron. 

Das rasche Erstellen der Linie nach jeder Richtung aus der 
Kolonne oder aus der in Unordnung befindlichen Truppe, die Ent- 
wicklung aus dem Defilee sind Dinge, die auch von gröfsem Körpern 
in der Vollkommenheit geleistet werden müssen. 

Gemäfs den nachstehend angeführten Vorschriften für die Aus- 
führung der Attacke und dem Grundsatze entsprechend, dafs man nie 
mehr verlangen soll, als man wirklich und erfahrungsgemäfs erreichen 
kann, braucht der Frontgalopp der geschlossenen Schwadron nur 
dann geübt und gezeigt werden, wenn die Truppe alle vorstehend 
geforderten Evolutionen und Bewegungen in durchaus befriedigender 
Weise ausführt. Dagegen wird der rasche Ubergang zur eingliedrigen 
Linie und der Galopp auf lange Strecken in dieser Formation in 
guter Ausführung verlangt. 

Bis zur Erreichung eines gewissen Grades der Sicherheit und 
Vollkommenheit in all diesen Übungen ist die genaue, vorschriftsmäfsige 
Ausführung der Bewegungen Selbstzweck ; solange wird ausschliefslich 
exerzirt, erst dann kann zum Manövriren übergegangen, d. h. die 
Anwendung der verschiedenen Formen und Bewegungen zur Lösung 
von Gefechtsaufgaben gezeigt werden. Immerhin ist es, in der Absicht, 
das allgemeine Interesse wach zu halten, gestattet, sobald eine 
Bewegung genügend einexerzirt ist, ausschliefslich deren Anwendung 
im Gefecht zu üben. 

Vor der Ausführung wird die Aufgabe kurz erklärt; an die Aus- 
führung schliefst sich eine knappe Kritik. Mifslungene Übungen 



Digitized by LaOOglC 



48 



Die neuen Vorschriften für die Ausbildung 



werden wiederholt auch dann, wenn dadurch viel Zeit verloren geht. 
Es steigert die Aufmerksamkeit und Gewandtheit der Mannschaft und 
der Führer, wenn nicht nur auf dem Exerzirplatz, sondern auch auf 
Märschen oder bei der Heimkehr vom Felddienste (gelegentlich 
unerwartet und ohne vorherige Ankündigung) derartige Übungen vor- 
genommen, die Truppen zur Manövrir- und Gefechtsformation über- 
geführt und darin bewegt werden. Beim Exerziren, wie beim Defiliren 
wird stets englisch getrabt. 

Es wird die geschlossene und geöffnete Attacke unterschieden. 
Für die Durchführung der geschlossenen Attacke sind folgende Vor- 
schriften mafsgebend. 1. Die Linie wird erst erstellt, wenn nur noch 
geradeaus geritten werden mufs. 2. Es soll getrabt werden bis zum 
„Marsch — Marsch!", dadurch wird die Geschlossenheit und Wucht 
der Attacke gesichert. Nur die Möglichkeit, den Feind zu überraschen, 
oder die Notwendigkeit, eine Feuerzone rasch zu durcheilen, rechtfertigt 
ein längeres Galloppiren. 3. Kurz vor dem Einbrüche in den Feind 
wird das Kommando „Marsch — Marsch!" erteilt. Alles stürzt sich 
mit erhobenen Säbeln unter schallendem Hurrahruf im raschesten 
Rosseslauf auf den Feind. 

Die Form der geöffneten Attacke ist die eingliedrige, geöffnete 
Linie. Die Schwärmattacke wird gegen jede Waffe überall da 
angewendet, wo der Feind überrascht werden kann. Sie ist die 
gewöhnliche Attackenform gegen Infanterie und Artillerie. Der 
Schwärmattacke geht immer die Erstellung der zweigliedrigen ge- 
schlossenen Linie voraus. Die Glieder dürfen sich nicht zu w T eit Öffnen, 
vor allem aber soll die Attacke keine Tiefe haben. Gegen Infanterie 
soll die Staffelattacke angewendet werden. 

Bei der Verfolgung sollen so rasch als möglich geschlossene 
Abteilungen gebildet werden. Der Rückzug erfolgt stets in raschester 
Gangart. 

Für die Einübung der Attacke gelten folgende Vorschriften: 
Jedem auch schon dem ersten Üben der Attacke soll eine einfache 
taktische Situation zu Grunde gelogt werden. Es ist hierzu der 
Exerzirplatz in seiner ganzen Ausdehnung und überdies seine Um- 
gebung und die auf denselben ausmündenden Strafsen zu verwenden, 
so dafs Heranmarsch, Entwickelung und Anreiten natürlich zur Dar- 
stellung kommen. Jedesmal soll ein klar und bestimmt erkennbarer 
Gegner vorhanden sein, gegen welchen angeritten wird. 

Für die geschlossene Attacke soll der aufzustellende Gegner eine 
Kavallerie-Abteilung sein, die sich ebenfalls bewegt, manövrirt und 
schliefslich zur Attacke anreitet. Am erspriefsiiehsten ist es, wenn 
zwei annähernd gleich starke Gegner gegen einander vorreiten; nur 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



49 



im Notfall wird der Gegner durch eine ganz schwache, in eingliedriger 
Linie reitende Abteilung dargestellt. Ist die Ausbildung von Führer 
und Mannschaft genügend weit vorgeschritten, so kann das Eingreifen 
eines neuen Gegners während der Aktion durch einzelne, mit Flaggen 
versehene Leute markirt werden. 

Die Führung soll sich von Anfang an daran gewöhnen, durch 
geschicktes Manövriren für den Erfolg der Attacke zu sorgen. 

Bei der Einübung der Attacke wird bis auf 20 Schritt an den 
Gegner herangeritten und dann auf Kommando stillgehalten; jeder 
Mann bleibt auf dem Platze halten, wo er sein Pferd zum Stehen ge- 
bracht hat. Nachdem vom übenden Offizier oder dem beaufsichtigenden 
Vorgesetzten festgestellt wurde, wie die Truppe auf den Gegner stiefs, 
wie sie dabei geschlossen war und in welcher Verfassung sie sich 
befand, erteilt er das Kommando: „Zum Handgemenge auseinander! 
— Marsch!" worauf die Leute, Hiebe und Stiche ausführend, durch- 
einander reiten. 

Jeder Attacke soll das Üben von Verfolgung und Rückzug folgen ; 
beide geschehen immer in schärfster Gangart und auf gröfsere Strecken. 
Es mufs dabei den Leuten zur zweiten Natur gemacht werden, sich 
auf den Zuruf der Offiziere oder auf das Signal sofort hinter ihren 
Führern zu sammeln. 

Rücksicht auf Schonung der Pferde darf nie dazu ver- 
anlassen, bei der Einübung des Gefechtes langsam und 
energielos zureiten; mufs geschont werden, so ist es besser, 
das Kavalleriegefecht nicht üben zu lassen. 

Die offene (Schwerin-) Attacke wird am besten in Form eines 
Angriffes gegen Infanterie odor Artillerie geübt. Es ist dabei immer 
eine lange Strecke im Galopp zurückzulegen. 

Es soll diese Attacke stets gegen einen schiefsenden 
Gegner (abgesessene Reiter) oder gegen Zielpetarden geritten 
werden. Die feuernde Linie ist dabei allemal zu durch- 
reiten, erst nachher wird hinter der gegnerischen Linie gesammelt. 

Das Feuergefecht wird in Verbindung mit dem Exerziren zu 
Pferde erst dann geübt, nachdem Führer und Mannschaften im 
Mechanismus desselben gründlich ausgebildet worden sind. Es ist 
immer ein Gelände zu wählen, in dem eine natürliche Aufstellung der 
Schützen sich von selbst ergiebt und wo die Pferdekolonnen ent- 
sprechend gedeckt werden können. Der Heimmarsch von Felddienst- 
und Marschübungen wird hierfür reichliche Gelegenheit bieten. Den 
Abschlufs dieses Ausbildungszweiges bilden die gefechtsmäfsigen Schiefs- 
übungen mit scharfen Patronen gegen feldmäfsige Ziele. 

Den Grundsätzen für das taktische Auftreten der Reiterei ent- 

Jahrbacher Dir die Deutsch« Armee and Marine Bd. V111C, 1. 4 



Digitized by LjOOQIC 



50 



Die neuen Vorschriften für die Ausbildung 



nehmen wir Folgendes: Ein Teil der zur Verfügung stehenden 
Kavallerieeinheiten wird schwadronsweise den zusammengesetzten 
Hocresteilen (Divisionen und Armeekorps) zugeteilt, — diese Kavallerie 
heifst Divisionskavallerie. Der andere, gröfsere Teil wird in gröfsere 
Körper vereinigt und ist bestimmt, vor der Front und auf den Flanken 
der Armee als selbstständige Kavallerie zu wirken. 

Der selbstständigen Kavallerie fallen folgende Aufgaben zu: 1. die 
Aufklärung im Grofsen und die gewaltsame Aufklärung; 2. die Ver- 
hinderung der feindlichen Aufklärung; 3. das Besetzen oder das Fest- 
halten von strategisch oder taktisch wichtigen Punkten oder Ab- 
schnitten; 4. die Störung des feindlichen Vormarsches und der Ent- 
wickelung der feindlichen Kräfte; 5. der Flankenschutz des Heeres 
oder von Heeresteilen, die Beunruhigung der feindlichen Flanken, die 
Bethätigung am allgemeinen Angriff; G. die Verfolgung des Feindes 
oder die Deckung des Rückzuges. Die Kavallerie ist zur Lösung 
dieser Aufgaben entweder als Ganzes unter einheitlichem Kommando 
vereinigt oder dann in Brigaden und Regimenter geteilt. 

Wird die Kavallerie bei einer vorläufigen Grenzbesetzung 
schwadronsweise auf einzelne Detachements verteilt, so handelt sie 
den für die Divisionskavallerie aufgestellten Grundsätzen entsprechend. 

Die an Zahl schwache Kavallerie kann nicht, wie die Kavallerie- 
Divisionen der grofsen Nachbarheere, dazu verwendet werden, allein 
die Mobilisirung und den Aufmarsch des Heeres zu decken. Sie wird 
möglichst vereint in jenen Grenzzonen zur Verwendung gelangen, 
welche der Feind vermutlich zunächst für den Vormarsch seiner 
Hauptkräfte wählt. Sie wird sich dabei in der Regel auf 
Detachements der Feldarmee oder auf Territorialtruppen 
stützen können. 

Die allgemeinen Vorschriften über die Aufklärung durch die selbst- 
ständige Kavallerie und die Offizierspatrouillen entsprechen dem auch 
in den andern Armeen Üblichen. 

Über den Vormarsch der selbstständigen Kavallerie werden 
folgende Anhaltspunkte gegeben: „Alle Verhältnisse gebieten uns, 
die vorhandenen Kräfte zusammenzuhalten, Detachirungen dürfen nur 
vorgenommen werden, wo dringende Notwendigkeit dies rechtfertigt. 
Es kommt immer nur darauf an, dafs wir nur an einer, an der be- 
deutungsvollsten Stelle stark seien. Daraus ergiebt sich, dafs in der 
Regel auch stärkere Kolonnen nur eine Strafse zum Vormarsch be- 
nutzen und zwar diejenige, welche natürlich auf das beabsichtigte 
Marschziel hinführt. Unser Vorgehen erfolgt immer sprungweise, von 
einem bedeutenden Geländeabschnitt zum andern." — „Alle Ver- 
hältnisse verbieten es unserer Kavallerie, die feindlichen Kavallerie- 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



51 



körper zum entscheidenden Reitergefecht in hierfür geeignetem Ge- 
lände aufzusuchen. Die zahlreichen Flufs- und Berglinien, welche 
unser Land durchziehen, setzen uns dagegen in die Möglichkeit, selbst 
einer bedeutend überlegenen Kavallerie mit Erfolg entgegentreten zu 
können." 

„Wir sind im Stande, die feindliche Kavallerie so lange auf- 
zuhalten, dafs deren Zwecke (Störung unserer Vorbereitungen, gewalt- 
same Aufklärung) vereitelt werden. Bedingung dafür ist, dafs wir 
unsere Beweglichkeit und unsere Vertrautheit mit dem Gelände so 
auszunützen verstehen, dafs wir stets vor dem Feinde wichtige Gelände- 
abschnitte erreichen und dort so aufzutreten wissen, dafs die Über- 
legenheit des Feindes durch die ihm ungünstige Bodengestaltung aus- 
geglichen wird. Die Unternehmungslust und Energie des Feindss mufs 
gelähmt, er mufs ermüdet, zu Detachirungen veranlafst und dadurch 
geschwächt werden. Zähes Festhalten günstiger Stellungen, recht- 
zeitiges Verschwinden, Hinterhalte und Überfälle sind die Mittel, mit 
denen wir den Feind bekämpfen. Vorhandene Territorialtruppen, welche 
wir mit Nebenaufgaben betrauen, können dabei wertvolle Dienste 
leisten." 

In der Regel sendet jede schwadronsstarke oder gröfsere Kavallerie- 
truppe, welche gegen den Feind vorgeht, eine kleinere, selbstständigo 
Patrouille zum Aufsuchen des Feindes voraus. Aufserdem sendet zur 
direkten Sicherung die Schwadron oder das Regiment einen Zug als 
Ausspähertruppe, die Brigade und stärkere Körper eine Vorhuts- 
schwadron voraus. 

Die Ausspähertruppe reitet etwa 1 km vor der Spitze des Gros 
und richtet gewöhnlich ihr Vorgehen nach demjenigen des Gros. 
Der Zugführer mit 6 Mann und 1 Unteroffizier reitet als Spitze 
sprungweise von Geländeabschnitt zu Geländeabschnitt seinem Zuge 
vor; er trabt oder hält. Da, wo die Nähe des Feindes es nötig macht, 
verwendet er die ihm beigegebenen Reiter zum Absuchen des Geländes 
bis auf 500 m zu jeder Seite der Marschstrafse. Mit der Sicherung 
der Hanken beauftragt er, wo' die Bodengestaltung dies verlangt, 
ca. 3 — 5 Maim starke, von einem Unteroffizier geführte Seiten- 
patrouillen, welche, dem Ausspähertrupp entnommen, in der Höhe 
der Spitze auf Seitenwegen oder querfeldein ebenfalls sprungweise 
vorgehen. Die Verbindung zwischen der Spitze und den Seiten- 
patrouillen mufs eine möglichst stete sein; sie wird von beiden Seiten 
gesucht und unterhalten. 

Der Ausspähertrupp soll eine Front von 3km decken. 
Mufs eine gröfsere Breite als 3 km gesichert werden, so geschieht 
dies durch weitere aus dem Gros abzusendeude Unteroffizierspatrouillen. 

4* 



Digitized by LjOOQIC 



52 



Die neuen Vorschriften für die Ausbildung 



Es ist darauf zu halten, dafs auch zwischen diesen Seitenpatrouillen 
und der zu sichernden Truppe wenigstens zeitweise Verbindung ge- 
schaffen wird. Der Schwadronschef, welcher den Ausspähertrupp ab- 
gegeben hat, reitet in der Regel bei demselben. 

Vorhutschwadronen senden einen Ausspähertrupp voraus; sie 
gehen ebenfalls sprungweise von Abschnitt zu Abschnitt vor. Bei 
besonderer Bedeutung oder Gestaltung des Geländes darf der Abstand 
der Vorhutschwadron vom Gros bis 5 km betragen. Eine Vorhut- 
sehwadron kann eine Breite von etwa 10 km sichern. 

Sobald angehalten wird, schliefst der Ausspähertrupp auf die 
Spitze auf. Wird der Marsch unterbrochen, um Kantonnement oder 
Biwak zu beziehen, so sind Vorposten aulzustellen ; gewöhnlich werden 
die Marschsicherungsorgane mit dieser Aufgabe betraut. 

Die Spitze, welche den Ausspähertrupp heranzieht, wird zur die 
Hauptstrafse sichernden Feldwache, die wenn nötig auf 6 — 10 Mann 
zu verstärkenden Seitenpatrouillen werden zu Unteroffizierspostcn. 
Wenn nötig, werden vom Gros aus weitere Feldwachen u. s. w. gestellt. 

Feldwachen und Unteroffiziersposten beschränken sich in der 
Regel auf die Aufstellung nur eines Doppelpostens zu Fufs in ihrer 
unmittelbaren Nähe. Da, wo keine Augenverbindung besteht und bei 
Nacht wird die Verbindung zwischen Feldwache und Unteroffiziers- 
posten durch patrouillirende Reiter erhalten. Alles ist abgesessen 
mit Ausnahme einiger Meldereiter. Das Gros lagert im Biwak oder 
in Kantonnements, die zur Verteidigung eingerichtet sind und an 
deren Ausgängen Schildwachen stehen. 

Oft macht das Gelände die Aufstellung von eigentlichen Vorposten 
überflüssig, so z. B. bei Aufstellung an Engnissen, Flufslinien u. s. w. 
Man kann sich dann darauf beschränken, alle gegen die Kantonnements 
hinführenden Wege durch 3 — 5 km weit vorgeschobene, versteckt auf- 
gestellte, kleine, 3 — 5 Mann starke Unteroffizierspatrouillen zu beob- 
achten, während die dahinter liegenden Kantonnements zur Verteidigung 
sorgfältig hergerichtet werden. Besonders stärkere Kavalleriekörper 
werden auf diese W r eise unter dem Schutz weniger, weit vorn kan- 
tonnirender Schwadronen bei grofser Schonung ihrer Kräfte ruhen 
können. Die beste Sicherung besteht darin, dafs der Feind durch 
Patrouillen stets fort beobachtet wird. 

Sowie auf Grund der erhaltenen Meldungen ein Zusammenstofs 
mit dem Gegner wahrscheinlich wird, setzt der Führer seine Truppe 
in Gefechtsbereitschaft. Vor allem andern beruht der Erfolg des 
Kavallerieangriffs darauf, dafs der Feind in für ihn ungünstigen Ver- 
hältnissen überrascht wird. Alles, was die Überraschung ermöglicht, 
ist daher Hauptsache, alles andere, sogar die Stärke des Gegners, die 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



53 



Formation, in welcher er sich befindet und allenfalls auch die eigene 
Formation darf dem gegenüber als nebensächlich angesehen werden. 

Mufs ein Gegner angegriffen werden, welcher durch das Gelände 
oder durch seine Aufklärungsorgane gegen Überraschung geschützt 
ist, so sind es das richtige Ansetzen der Attacke in Bezug auf Richtung 
und Formation und besonders die vom Führer auf die ganze Truppe 
übergegangene rücksichtslose Energie der Ausführung, welche den 
Erfolg sichern. 

Der Entschlufs des Kavallerieführers beruht auf der Erwägung 
folgender Faktoren: 

1. „Ob die Bekämpfung des Gegners für die Lösung der erhaltenen 
Aufgabe geboten oder im allgemeinen Interesse begründet ist. Jeder 
KavalleriefUhrer, ganz besonders in unseren Verhältnissen, handelt 
pflichtvergessen, wenn er die Attacke als Selbstzweck behandelt, wenn 
er angreift, nur aus Lust an kühnem Wagen, in der Hoffnung, sich 
Lorbeeren zu pflücken. Nie aber darf er abwarten, bis er zur Attacke 
gezwungen wird, immer mufs er selbst die Initiative ergreifen, denn 
in ihr liegt die Hoffnung des Sieges auch gegen überlegene Gegner." 

2. „Wie die Truppe am besten an den Gegner heranzubringen 
ist. Nur in Ausnahmefällen ist genügend Zeit vorhanden, die Truppe 
hinter einer Deckung stehen zu lassen, um nach sorgfaltiger Re- 
kognoszirung den richtigen Weg zum Vormarsch zu bestimmen. In 
der Regel mufs gleichzeitig mit dem Entschlufs zum Vorgehen auch 
die Wahl des Weges getroffen sein, auf welchem vorgegangen werden 
soll. Dieser Weg soll rasches Vorgehen gestatten, gleichzeitig soll 
dem Feind die Annäherung verborgen bleiben. Die Bodengestaltung 
unseres Landes begünstigt letzteres in hohem Mafse, sie birgt aber 
gleichzeitig die Gefahr, sich zu verreiten, d. h. unerwartet an Hindernisse 
zu gelangen. Nur eine grofse Gewohnheit unserer Kavallerieführer, 
unser Gelände zu beurteilen, macht sie ihrer Aufgabe gewachsen, ge- 
währt ihnen aber auch eine nicht zu raubende Überlegenheit über 
jene Gegner, welche die Bodengestaltung unseres Landes nicht ge- 
wöhnt sind." 

3. „Wie der Gogner zu bekämpfen ist, ob in der Attacke zu 
Pferde, oder durch das Feuergefecht zu Fufs oder durch beide ge- 
meinsam." Die Erwägungen, welche den in rascher Folge zu fassenden 
Entschlüssen vorangehen, dürfen niemals bis zur einer ängstlichen Ab- 
wägung aller möglichen, allenfalls eintretenden Eventualitäten, Vorteile 
und Gefahren herabsinken. Die einfache Klarheit und Sicherheit, 
mit welcher die Entschlüsse gefafst sind, treten in der Ausführung 
zu Tage. Alle Künsteleien, sowie hastiges Vorwärtsstreben und Drauf- 
gehen sind untrügliche Kennzeichen von Entschlüssen, zu welchen 



Digitized by Google 



54 



Die neuen Vorschriften für die Ausbildung 



nicht die Erwägung der Möglichkeit eines Erfolges, sondern die Er- 
wägung der Möglichkeit eines Nichterfolgos geführt hat. 

Sowie der Angriff beginnt, giebt es keine Abänderung des Ent- 
schlusses mehr. Die Erkenntnifs, unrichtig gedacht und entscheidende 
Faktoren nicht in Berechnung gezogen zu haben, soll jetzt nur noch 
der Ansporn sein, den gefafsten Entschluß mit verstärkter Energie 
und Rücksichtslosigkeit durchzuführen. 

Das Feuergefecht ist nur in demjenigen Gelände zur Anwendung 
zu bringen, dessen Gestaltung und Bedeckung hierzu berechtigt, in 
welchem eine verhältnifsmäfsig geringe Feuerkraft Bedeutendes zu 
leisten im Stande ist. ,,Die Bodengestaltung unseres Landes, die Ge- 
wohnheit unserer Leute, sich in derselben zurecht zufinden, die als 
Regel anzunehmende numerische und auch qualitative Überlegenheit 
unseres Gegners werden unserer Kavallerie die häufige, fast vor- 
wiegende Verwendung des Feuergefechts vorschreiben." 
Darunter darf aber der offensive Geist nicht leiden. 

Bei der kombinirten Aktion sucht entweder eine zu Pferde an- 
greifende Abteilung durch verstellten Rückzug in einen durch ab- 
gesessene Kavallerie vorbereiteten Hinterhalt zu locken, oder ein Teil 
der Kräfte hält den Feind durch Karabinerfeuer auf, während die 
Hauptmasse zu Pferde dessen Flanke und Rücken anfällt. 

Hält der Feind eine Stellung besetzt, so wird man besser auf 
den direkten Angriff verzichten und die Front nur beschäftigen, 
während die Hauptkräfte in raschem, ausholenden Ritte die Stellung 
umgehen, um deren Flanke und Rücken überraschend anzugreifen. 

Erhält die Kavallerie den Auftrag, eine ausgedehnte Linie (z. B. 
Flufslinie) zu halten, so werden die wichtigsten Ubergangspunkte von 
schwachen Abteilungen besetzt, welchen die Aufgabe zufällt, den Feind 
möglichst lange aufzuhalten. Alles Übrige wird an zentraler Stelle 
zusammengehalten, in der Absicht, den Gegner da anzufallen, wo er 
den Übergang erzwingen will. 

Falsch ist es, wenn der Kommandant einer gröfseren Kavallerie- 
truppe diese bis zum Zusammenstofs führen will; vom Augenblicke 
an, wo die Attacke angesetzt ist, handelt jeder Schwadronschef selbst- 
ständig, er wählt sich sein Attackenobjekt und zwar stöfst er immer 
dahin, von woher dem Gehngen der ganzen Aktion die gröfste Ge- 
fahr droht. 

Das Reitergefecht verläuft so schnell, dafs unerwartet ein- 
tretenden Ereignissen nicht durch Ausgabe neuer Befehle entgegen- 
getreten werden kann, nur das verantwortungsfreudige, rasche, 
energische und zielbewufste Handeln auch des niederen Führers bringt 
den Sieg. Selbst ein einziger Zug, welcher todesmutig, festgoschlossen 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



55 



und wuchtig in das Handgemengo oder in die verfolgondon Massen 
hineinstöfst, kann Entscheidung bringen oder dio Geschicke wenden. 

- Im Gefechte in Verbindung mit anderen Waffen handelt die Kavallerie 
nach den Weisungen des Kommandirenden , wenn nötig aus eigener 
Initiative. 

Infanterie ist nur anzugreifen, wenn sie erschüttert erscheint 
oder in ihrer Aufmerksamkeit anderweitig gefesselt ist. Der Angriff 
erfolgt immer in Staffeln. 

Beim Angriff gegen Artillerie sollen den dio Batterie 
attackirenden Einheiten immer Abteilungen folgen, welche bestimmt 
sind, den zur Rettung der Artillerie herbeieilenden feindlichen Truppen 
sich entgegenzuwerfen. 

Kavalleriegefechte sind eher zu vermeiden; sie ergeben sich nur, 
wenn die Unternehmungen feindlicher Kavallerie verhindert werden 
müssen. Zum Angriff gegen Kavallerie wird grundsätzlich die ganze 
Kraft von vornherein eingesetzt, selbst dann, wenn gröfsere Verbände 
anfanglich in Treffen gegliedert anreiten. 

Der Kavallerieführer darf im Gefecht die Beweglichkeit seiner 
Truppe nicht durch einen grofsen Sicherungsapparat einschränken. 
Wenige kleine Unteroffizierspatrouillen sichern die Flanke, in der 
Front beobachtet eine Offizierspatrouille oder der Führer selbst. Es 
ist dem Kavalleriefiihrer nicht gestattet, von sich aus und ohne höheren 
Befehl weit ausgreifende Aktionen, welche ihn aufser Fühlung mit den 
anderen Truppen bringen, zn unternehmen. 

Für die Verfolgung des geschlagenen Feindes soll die Kavallerie 
ihre ganze Kraft einsetzen, falsch aber wäre es, wenn dio Kavallerie 
an dem Gefechte sich aus dem Grunde nicht beteiligen würde, weil 
sie ihre Kräfte für die Verfolgung sparen möchte. 

Für die Deckung des Rückzuges mufs die Kavallerie bereit 
sein, sich aufzuopfern. Sie soll sich von den Flanken aus den vor- 
dringenden feindlichen Truppen entgegenwerfen, durch Hinterhalte und 
durch Besetzung von Defileen dem Feinde Aufenthalt bereiten. 

Die Fähigkeit, auch in Augenblicken der Aufregung klar und 
richtig zu überlegen, das Gesammtinteresse im Auge zu behalten, 
mufs dem Kavallerieführer natürlich sein; sie bewahrt ihn vor zweck- 
und ziellosem Herumreiten auf dem Gefechtsfelde und nutzlosem Auf- 
opfern seiner Truppe, aber auch vor schimpflicher Unthätigkeit. 

Den Einheiten der Divisionskavallcrie fallen folgende Aufgaben zu: 
L für die Heereskörper, denen sie zugeteilt sind, die engere taktische 
Aufklärung zu besorgen. 2. Die infanteristische Sicherung zu unter- 
stützen bezw. der Infanterie die Sorge um die Sicherung abzunehmen. 
3. Die nötigen Ordonnanzreiter zu stellen. 



Digitized by Google 



56 



Die neuen Vorschriften für die Auabildung 



Bedarf die Division zur Lösung einer ihr zugewiesenen Aufgabe 
weiterer Nachrichten als diejenigen, welche sie von höherer Stelle 
oder von vor ihrer Front operirender selbstständiger Kavallerie erhielt, 
so verschafft sie sich solche durch ihrer Divisionskavallerie entnommene 
Patrouillen. Weil die selbstständige Kavallerie die Aufklärung im 
Grofsen besorgt, so ist das Nachrichtenbedürfnifs der Division in der 
Regel nach Raum und Objekt ziemlich beschränkt; es genügt daher 
das Absenden weniger, sehr oft einer einzigen Patrouille. 

Mehr als zwei Offizierspatrouillen kann die Divisionskavallerie 
kaum abgeben. Richtungen von sekundärer Wichtigkeit sind deshalb 
durch Unteroffizierspatrouillen aufzuklären, oft können sie auch ganz 
aufser Acht gelassen werden, da es ja immer auf das Wesentliche, 
die Hauptsache ankommt. 

Alle zur Aufklärung vorgesandten Patrouillen sind vom Divisions- 
kommandeur oder dessen Stabschef persönlich eingehend über die 
Nachrichten, die man von ihnen erhalten will, zu instruiren. 

Auf dem Marsche ist der, nach Abgabe der nötigen Patrouillen 
und Ordonnanzen verfügbare Teil der Divisionskavallerie jeweilen der 
Avantgarde zuzuteilen, gleichviel ob die selbstständige Kavallerie sich 
vor der Front befindet oder nicht. Diese Reiterabteilung bildet einen 
integrirenden Teil der Avantgarde, sie reitet derselben sprungweise 
vor, ohno sich von ihr auf mehr als höchstens 11 Kilometer zu 
entfernen. Sie sichert durch Versenden einer Spitze und von Sciton- 
patrouillen eine Front von ca. 3 Kilometern und befreit dadurch die 
Infanterie von der Sorge um die Detailabsuchung des 
Geländes. 

Hat der Avantgarden-Kommandant eine breitere Front zu sichern, 
so erteilt er dem Kommando der Divisionskavallerie Auftrag zur Ab- 
sendung fernerer Patrouillen auf weiter seitwärts laufende Parallel- 
strafsen. 

Selbstständigen Seitenkolonnen werden vom Avantgardenkommando 
(bezw. Divisionskommando) kleinere Reitertmpps beigegeben, welche 
dort in ähnlicher Weise den Sicherungsdienst besorgen. 

Diese Sicherung ist durchaus unabhängig von der Aufklärung, 
sie bewegt sich in engem Anschlufs an das Vorgehen der infanteristischen 
Kolonnenspitzen . 

Stofsen die Kavalleriespitzen auf den Feind, so bleiben sie stehen, 
melden und beobachten. 

Nachdem die Gefechtsentwickelung der Avantgarde begonnen hat, 
sammelt in der Regel der Kommandant der Divisionskavallerie seine 
Truppe und tritt dann zur direkten Verfügung des Divisionskommandos. 

Während des Gefechts beruht die Sicherung auf ausgiebiger 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



57 



Aufklärung nach den Flanken evont. dem Rücken des auf- 
marschircnden oder in Stellung befindlichen Feindes. Soweit nicht 
Dragonerregimenter dafür sorgen, betraut der Divisionskommandant 
mit dieser Aufgabe Patrouillen, welche er der nun sich bei ihm 
sammelnden Guidenkompagnie entnimmt. Ebenso läfst er die im 
Laufe der Aktion nötig werdenden Rekognoszirungon durch rasch 
vorprellende Guidenpatrouillen ausführen. 

Es versteht sich von selbst, dafs während der Nacht die Kräfte 
der Guiden nach dem anstrengenden Tagesdienst geschont werden 
müssen. Es beschränkt sich daher die Mitwirkung dieser Truppe im 
Vorpostendienst auf die Abgabe weniger Ordonnanzreiter an das 
Vorpostengros und an einige besonders wichtige Feldwachen — und 
auf 2 — 3 Unteroffizierspatrouillen, welche auf zur ausgedehnten 
Beobachtung besonders geeignete Punkte vorgeschoben werden. — 
Die gröfste Sparsamkeit ist auch hier geboten, — es können aber 
schon wenig Reiter die Funktion des Vorpostendienstes durch rasches 
Überbringen von Meldungen und Befehlen unverhältnifsmäfsig er- 
leichtern. 

Sofern der Division andere Kavallerie zur Verfügung steht, so 
ist die Divisionskavallerie von diesem Dienste gänzlich zu entlasten. 

Soll im Dienste, welchen die Guiden in der Aufklärung und in 
der Sicherung leisten, die für die Erhaltung der Kräfte durchaus 
nötige Ablösung eintreten, so mufs in der Zuteilung von Ordonnanzen 
an die Stäbe äufserst sparsam verfahren werden. 

Die Schaffung der Radfahrcrabteilungen verfolgte besonders den 
Zweck, die Divisionskavallerie vom Ordonnanzdienst zu entlasten. 

Die einer Division zugeteilte Kavallerie soll nur folgende Ordonnanzen 
abgeben: 1. An den Divisionsstab 5 Reiter; 2. an das Kommando der 
Avantgarde 3 Reiter; 3. an das Kommando der Vorhut 3 Reiter; 
4. an die Kommandanten von Flankendetachements, je nach Bc- 
dürfnifs 2 — 4 Reiter; 5. an das Kommando der Vorposten 7 — 20 Reiter. 
Die letztere Zahl hängt ab von der Isolirtheit der Division, d. h. ob 
dieselbe sich ganz allein befindet oder an einem Hügel oder voraus 
und an bedeutungsvollen Linien gegen den Feind. 

An Trainkolonnen sind nur bei dringendem Bedürfhisse einzelne 
Reiter abzugeben, indem dort in der Regel Berittene (Trainunter- 
offfziere und Trompeter) in genügender Zahl vorhanden sind. 

Diese Ordonnanzen, mit Ausnahme derjenigen des Divisionsstabes, 
treten jeweilen, nachdem der betreffende Führer seine Funktion be- 
endet hat, wieder zur Kompagnie zurück. Sie und ihre Pferde werden 
bei den Truppenteilen verpflegt, denen sie zugeteilt sind. 



58 



Die neuen Vorschriften filr die Ausbildung 



Die Verwendung der Guiden als Stabswache ist im Manöver 
untersagt. 

Den taktischen Grundsätzen für das Feuergefecht entnehmen wir 
folgendes: „In unserem Gelände bietet sich der Kavallerie sowohl im 
Dienste vor der Front der Armee, als im Gefechte der drei Waffen 
vielfach Gelegenheit, ihre vorzügliche Feuerwaffe zur Geltung zu 
bringen. In günstigen Stellungen können selbst schwache Kräfte 
einen überlegenen Feind lange aufhalten. Eine gut gedeckte, lange, 
dünne, mit rauchschwachem Pulver feuernde Linie abgesessener Schützen 
ist auf ihre Stärke und Waffengattung schwer zu beurteilen. Bei 
allen derartigen Unternehmungen darf nie vergessen werden, dafs das 
Element der Kavallerie deren Beweglichkeit ist." 

Die Kavallerie mufs es verstehen, schnell heranzureiten, plötzlich 
zu erscheinen und rasch zu verschwinden, um an anderer Stelle 
neuerdings aufzutreten. Einer Entscheidung soll dabei in der Regel 
ausgewichen werden. Im Allgemeinen wird demnach, besonders gegen 
Infanterie, auf grofso Distanzen gefeuert, immer aber soll das Feuer 
ein kräftiges und geeignet sein, einen bedeutenden moralischen Ein- 
druck hervorzubringen. Nur gegen anreitende Kavallerie ist das 
Feuer möglichst lange aufzusparen, um dann um so vernichtender 
zu wirken. 

Ein Nähren des Feuergefechts durch anfänglich zurückgehaltene 
Abteilungen ist nicht in Aussicht zu nehmen; gewöhnlich wird gleich 
von Anfang an die ganze verfügbare Feuerkraft eingesetzt. 

Das Feuergefecht wird in der Regel in einer Stellung geführt, 
ist daher defensiv. Mufs ausnahmsweise eine vom Feinde besetzte 
Stellung angegriffen werden, so wird die feindliche Front durch eine 
schwache Abteilung beschäftigt, während die Hauptkraft rasch und 
unbemerkt in dessen Flanke geführt wird, um von dort aus nach 
kurzem Magazinfeuer zum überraschenden Angriff vorzubrechen. 

Es sollen zum Feuergefecht immer soviel Schützen als möglich 
absitzen. Sollen aber die Handpferde beweglich bleiben, so darf nur 
in der Kolonne zu Dreien abgesessen werden. 

Der Kommandant behält einige Ordonnanzen zu Pferde bei sich, 
er sorgt durch ausgiebige Aufklärung nach der Flanke dafür, dafs er 
von jeder ihm drohenden Gefahr zeitig benachrichtigt wird; hierin 
liegt die beste Sicherung der Handpferde. 

Erscheinen die Handpferde nicht genügend geschützt, so mufs, 
um feindliche, gegen die rferdekolonne gerichtete Handstreiche ab- 
zuwehren und den zurückgehenden Schützen das Aufsitzen und Weg- 
reiten zu ermöglichen, eine kleine Reserve zu Pferde zurückbehalten 
werden. 



der schweizerischen Reiterei. 



59 



Gelingt es einem Feinde, überraschend gegen ein Biwak oder 
Kantonnement vorzudringen, so eilt jeder Führer mit dem nächsten, 
zusammengerafften oder sich sammelnden Trupp dem Feinde ent- 
gegen, besetzt eine geeignete Stellung und eröffnet das Feuer. Ist 
der Feind schon in ein Dorf eingebrochen, so werden die Thüren der 
Häuser geschlossen und aus den Fenstern und Gärten wird ein leb- 
haftes Feuer auf den Feind eröffnet. An ein Satteln der Pferde und 
ein Sammeln geschlossener Abteilungen ist in diesem Falle nicht zu 
denken. 

Jedes Kavallerieregiment soll mit 3 Maschinengewehren (voraus- 
sichtlich System Maxim) ausgerüstet werden, um die Feuerkraft der 
Kavallerie, wo es notwendig ist, zu vermehren. Diese Gewehre bieten 
ein sehr kleines Ziel, sie finden in jedem Gelände Deckung, so dafs 
der Feind die Richtung, aus welcher das Feuer kommt, nur schwer 
feststellen kann. Die Feuerwirkung ist, wenn die Fntfernung richtig 
erkannt ist, eine vernichtende. Die Waffe begünstigt demnach das 
überraschende Auftreten der Kavallerie, den Feuerüberfall. 

„Sowohl der selbstständigcn Kavallerie vor der Front als der 
Kavallerie im Gefecht der drei Waffen wird damit ein Kampfelement 
zugeführt, welches geeignet ist, die Gefechtskraft der Reiterei, besonders 
in unserem Gelände sehr bedeutend zu vermehren; gröfsere Unter- 
nehmungslust, kühneres Wagen sollen die Folgen hiervon sein. Nie 
aber darf die Kavallerie sich in ihren Unternehmungen durch die 
Rücksicht auf ihre Maschinengewehre beeinflussen lassen; in der 
Lösung jeder Aufgabe sollen diese Maschinengewehre immer nur als 
willkommenes Hilfsmittel, nie als Hauptwaffe in Berücksichtigung ge- 
zogen werden. Kino Kavallerie, welche zur Bedeckung ihrer Maschinen- 
gewehre herabsinkt, hat aufgehört, Kavallerie zu sein." 

Die jedem Regimente zugeteilten drei Maschinengewehre bilden 
im Regimente eine selbstständige Abteilung. Diese Abteilung kann 
(als Ganzes oder geteilt) einzelnen mit besonderen Aufgaben betrauten 
Schwadronen oder Zügen beigegeben werden. Wenn immer möglich, 
sind stets zwei Gewehre nebeneinander, nie eins für sich allein zur 
Thätigkeit zu bringen. 

Der Kavallerieführer weist dem Führer der Maschinengewehr- 
Abteilung die ihm in der Gesammtaktion zukommende Aufgabe zu, 
er befiehlt ihm, wann und wo er Stellung zu nehmen und welche 
Ziele er zu beschiefsen hat. Können aus irgend einem Grunde diesem 
Offizier keine Befehle erteilt werden, so ist er verpflichtet, selbst- 
ständig im Interesse des Ganzen zu handeln. 

Damit dieser Offizier jederzeit über die Sachlage und das Gelände 
unterrichtet sei, so reitet er, sobald ein Zusammenstofs mit dem Feinde 



Digitized by Google 



60 



Die neuen Vorschriften für die Ausbildung 



wahrscheinlich wird, mit dem Regimentskommandanten. Die Maschinen- 
gewehre folgen am Schlufs der Kolonne und werden bei Bedarf in 
rascher Gangart vorgezogen. 

Für die Verwendung dieser Waffen gelten folgende Fingerzeige: 
Will oder soll eine gröfsere Kavallerieabteilung eine vorgelegene 
Stellung oder ein Defilee in Besitz nehmen, so kann eine Abteilung 
Maschinengewehre unter schwacher Bedeckung rasch vorgesandt werden, 
um den Punkt zu halten, bis das Gros der Kavallerie nachgekommen ist. 

In einer von abgesessener Kavallerie besetzten Stellung werden 
die Gewehre so aufgestellt, dafs sie durch Fernfeuor die Annäherung 
des Feindes zu erschweren und dessen Entwickelung zu stören ira 
Stande sind. Im Verlaufe des Gefechts sollen sie den Punkt, gegen 
welchen der Feind seinen entscheidenden Angriff richtet, durch kon- 
zentrisches Feuer schützen können. 

Beim Abbrechen des Gefechtes wird es oft möglich sein, den 
Rückzug und das Aufsitzen der Schützen durch das Feuer der 
Maschinengewehre, welche eine, einem feindlichen Überfall nicht aus- 
gesetzte Stellung besetzt halten, zu decken. 

Soll Kavallerie eine ausgedehnte Liuie (Flufs-, Berglinie) halten, 
so werden die wichtigsten Übergangsstellen durch von wenig Mannschaft 
geschützte Maschinengewehre gedeckt, während die Hauptkräfte ver- 
einigt bleiben. 

Ähnlich wird selbstständige Kavallerie, welche die Nacht über 
ruht, die wichtigsten, in die Vorpostenlinien führenden Annähcrungs- 
linien des Feindes und Defileen mit Maschinengewehren besetzen. 

Vielfach bietet sich Gelegenheit, die Aktion zu Pferde mit der 
Verwendung der Maschinengewehre zu vereinigen, dem Feinde ge- 
fährliche Hinterhalte zu legen, ihn anzufallen, währond die Maschinen- 
gewehre ihn mit Feuer überschütten. 

Im eigentlichen Reitergefecht können die Maschinen- 
gewehre nur selten zur Verwendung kommen. Diese Waffen 
finden dann besser weiter rückwärts, an Punkten Aufstellung, an 
welchen im Falle eines Mifserfolges der vorfolgende Feind aufgehalten, 
die fliehende Truppe gesammelt werden kann. 

Der im Verbände der Armee oder von Heeresteilen kämpfenden 
Kavallerie können die Maschinengewehre selbst dann ein Feld der 
Thätigkeit schaffen, wenn das Gelände der Verwendung der Reiter- 
waffe nicht günstig ist. In jeder Phase des Gefechtes, beim Aufhalten 
der feindlichen Avantgarden, beim Schutze des eigenen Aufmarsches, 
gegen feindliche Umgehungskolonnen und im Augenblicke der Ent- 
scheidung bieten sich Ziele, deron Beschiefsung grofsen Erfolg ver- 
spricht. 



Digitized by Google 



der schweizerischen Reiterei. 



61 



Endlich befähigt diese Waffe die Kavallerie noch mehr als bisher 
zur Verfolgung und zur Deckung des Rückzuges, besonders wenn es 
gelingt, überraschend von der Flanke aus gegen feindliche Massen 
aufzutreten. 

„Ein geschickter Reiterführer kann selbst mit einer schwachen, 
aber beweglichen, mit Maschinengewehren ausgerüsteten Truppe in 
unserm Gelände Grofses leisten. Er wird nie davor zurückschrecken, 
seine Maschinengewehre zu opfern, wenn es gilt, damit einen ent- 
scheidenden Erfolg zu erringen oder seine Truppe zu retten." 

Den Abschlufs bilden kurze Angaben über die Pionierarbeiten. 

Die von Herrn Oberst Wille, dem verdienstreichen Waffenchef der 
Kavallerie, ausgearbeiteten „Vorschriften" werden den schweizerischen 
Kavallerieoffiziren für die Ausbildung und den Felddienst stets gute 
Dienste leisten. 3(5. 



Frankreichs Grenzschutz, 

Von 

Graf von Harlingen, Major. 



I. Die „Alpes maritimes". 

Es gehört fast zu den Lebensbedingungen der Franzosen, seit 
den für sie so schmerzlichen Ereignissen des deutsch-französischen 
Krieges, ab und an die chinesische Mauer, mit der sie sich nach 
Osten hin vor fremder Offensive zu schützen meinen, auf ihre Dauer- 
haftigkeit zu prüfen. Ein gewisses Behagen erfüllt sie, wenn sie 
konstatiren konnten, dafs alle Pforten geschlossen und dafs trotz der 
grofsen Kaserne (Metz) einer Gefahr schnell zu begegnen sei. Man 
richtete schon 1873 und 74 die besondere Aufmerksamkeit auf jene 
Tunkte der Nordostgrenze, durch welche feindliche Invasionen ermöglicht 
werden konnten und schlofs die Pässe im Jura und die in Savoyen. 

Hiermit glaubte der „conseil superieur de la defense" genug gethan 
zu haben, besonders, da von Italien her lange keine Gefahr drohte. 
Seitdem man aber auch dort militärisch regsamer geworden ist, 
seitdem wiederholt italienische Manöver sich im Gebiet der südlichen 
Alpenregionen abspielten, wendete sich der Blick der Franzosen mehr 



Digitized by Google 



02 



Frankreich« Grenzschutz. 



und mehr auch auf diesen Teil der Grenze, er schweifte hinüber nach 
Italiens Flotte, nach seinem eigenen Küstenschutze und dem seiner 
Inseln. 

Gewifs ist diese Umschau nicht unberechtigt — sie gab den Anlafs 
zu Gesetzentwürfen, welche wesentliche Änderungen bedingen in den 
Ressortverhiiltnissen, sie hat aber auch für uns einen nicht unbedeutenden 
militärischen Wert. 

Wenn wir zunächst die Verteidigung der Alpen und im Besonderen 
diejenige des Departements der „Alpes-Maritimes" besprechen, so 
bezeichnet die öffentliche Meinung in Frankreich diesen Teil der Grenze 
geradezu als den wunden Punkt, seine Achillesferse. Wir wollen 
uns nicht damit beschäftigen, das zu erweisen, oder zu widerlegen, 
sondern die Thatsachen reden lassen. Als König Humbert im Oktober 
v. J. den Manövern der Alpentruppen beiwohnte, glaubten die Franzosen 
allen Ernstes, die Italiener würden ihr Gebiet betreten, man schrie, 
wie stets bei solchen Gelegenheiten, die Truppen hätten ungenügende 
Effektivstärken, man entblöfse diesen Teil der Grenze völlig, man 
müsse die Bevölkerung beruhigen, indem das System der Verteidigung 
geändert werde. Demgegenüber betonten dio Fachblätter, die Italiener 
würden nicht weit kommen, wollten sie hier vorgehen; immerhin sei 
es gut und nützlich, die Bewohner dieser Gebirgslandschaften mit der 
Art, wie hier die Verteidigung geführt werden solle, rechtzeitig 
vertraut zu machen, damit sie nicht von den Ereignissen überrascht 
würden. Vor Allem sollte man nicht daraus, dafs bestimmte Punkte 
absichtlich dem Feinde preisgegeben würden, auf eine Niederlage 
schliefsen ; die demnächstige Entscheidungsschlacht (falls sie gewonnen) 
werde Alles wieder gut machen. 

Erst seit fünf bis sechs Jahren hat man thatsächlich sein Augen- 
merk auf den Grenzteil zwischen Briangon und Nizza gerichtet 
und letzteren Ort zum Mittelpunkt der Verteidigung bestimmt. Von 
Nizza, das zu einem verschanzten Lager erweitert wurde, ging 
weiterhin gegen die Grenze der eigentliche Grenzschutz aus, der dem 
eindringenden Gegner Schritt für Schritt den Boden streitig machen 
sollte. Hierdurch werde Zeit gewonnen, um eine Feldarmee in der 
Provence zu versammeln, nach dem Var zu dirigiren und so dio 
italienische Armee zwischen zwei Feuer zu bringen. 

Infolgedessen wurde die Umgebung von Nizza zwischen Monaco 
und le Paillon, welche auf etwa 6 km im Norden der Stadt eine durch- 
schnittliche Höhe von G50 m erreicht, mit Werken gekrönt und zwar 
denjenigen von la Tcte-de-Chien, la Forma, la Itevere und la Drette, 
auf der anderen Seite von lo Paillon sperrt ein Werk die Strafse von 
Tenda und die von Saint Martin-Santosque. Wären diese Werke 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



63 



wirklich fertig und armirt, so liefse sich nichts gegen sie einwenden ; 
aber die Arbeiten sind zwar begonnen, schleichen aber nur langsam 
vorwärts. 

Wenn wir uns weiter die bewegliche Verteidigung betrachten, so 
handelt es sich hier nicht darum, Italien angreifen zu wollen. Wollte 
man das, so war es richtig sich in Besitz der dominirenden Höhen zu 
setzen; anderenfalls konnte es doch wohl nur darauf ankommen, dem 
Gegner das Passiren der Thäler zu verwehren. Diese also waren zu 
schliefsen, nicht aber die Höhen daneben zu besetzen, von denen aus 
die Thalsohle nur an einigen wenigen Stellen eingesehen werden kann. 
Alle dominirenden Höhen zu verteidigen ist zudem unmöglich; die 
Verteidigung würde, auf jedem Punkte zu schwach, sich zersplittern, 
jeder Zusammenhang unter den einzelnen Abteilungen, ja die Möglichkeit 
gegenseitiger Unterstützung würde fehlen. Der Angreifer findet überall 
Gelegenheit, solche Positionen zu umgehen, und wäre es auch nur 
auf Saumpfaden. Aus diesen Gründen also erscheint es vorteilhafter, 
die Aufstellung dort zu wählen, wo mehrere solcher Thäler sich ver- 
einigen; da wird sich schon eine Möglichkeit finden, dem Gegner das 
weitere Vordringen zu verwehren; denn er kann doch auch nur weiter 
vorwärts in dem Thale, das durch die Vereinigung der Nebenthäler 
sich bildete. Nur ist darauf zu achten, dafs die eigenen Flanken ge- 
schützt sind; fast immer wird es möglich sein, sich rechtzeitig zurück- 
zuziehen in eine im Voraus rekognoscirte Stellung. Wenn von einer 
beweglichen Verteidigung die Rede ist, kann es sich zweifellos nicht 
um Truppen handeln, die an einen bestimmten Punkt gebunden, in 
Kasernen und Baracken untergebracht sind, noch viel weniger aber 
um Befestigungen, welche irgendwie den Charakter permanenter tragen: 
man mufs „tout porter ä la semeile de ses souliers." — 

Auch wird der Verteidiger von keiner bestimmten Front reden 
können und sagen, der Feind komme von Osten oder Norden her; 
ferner mufs er dafür Sorge tragen, die Zahl der Wege eher zu ver- 
ringern als zu mehren, denn jeder derselben kommt dem Angreifer 
zu Gute. Diese Grundsätze sind anscheinend bei dem beweglichen 
Teil der Verteidigung der Südalpengrenze nicht voll berücksichtigt 
worden, und doch wäre hierzu vollauf Gelegenheit gewesen. Denn 
die Thäler der Tince, der Vesubie, des Paillon und sogar das obere 
Thal der Hoya vereinigen sich sämmtlich gegen Nizza hin und während 
die Hoya zulefzt die Grenze verläfst und sich mehr gegen Südosten 
wendet, zieht die Hauptstrafse von Tenda über Sospel und l'Escareme 
direkt auf Nizza weiter. Der Abschnitt von der Tinee oder dem Var 
bis zum Meere hin, war konzentrisch auf das verschanzte Lager von 
Nizza zu basiren, von dem aus in alle die vorgenannten Thäler be- 



Digitized by Google 



64 



Frankreich» Grenzschutz. 



wegliche Teile der Verteidigung vorzutreiben waren, die durchaus nicht 
allzustark zu sein brauchen, denn der Verteidiger kennt Weg und 
Steg und besonders alle Sclilupfwinkel, um sich dem Angreifer noch 
rechtzeitig zu entziehen. 

An Stelle dessen haben die Franzosen die vorderste Verteidigungs- 
linie auf die Höhen gelegt, welche das rechte Ufer der Roya be- 
gleiten: 1' Aution, le Yentabron, le col de Brouis, dann Sospel; diese 
Linie zieht sich südlich weiter auf le Barbonnet, le mont Agel und 
la Tete -de- Chien. Als zweite Verteidigungslinie wählten sie die 
Niederung von Turini, den Kamm von Peira-Cara, Rocaillon und die 
Anhöhen von Escareme. Einzelne dieser Punkte sind von Bataillonen 
besetzt, späterhin erbaute man Verteidigungsbaracken und jetzt ver- 
langen die Verteidiger von Nizza die Zuteilung von Artillerie. Da 
die Front der ganzen Verteidigung nach Osten hin liegt, so kann als 
Rückzugslinie nicht Nizza, sondern die Var- und Tinee-Linie angesehen 
werden. Da aber kein auch nur annähernd praktikabler Weg von 
Ost nach West führt, wird seitens der Verteidigungskommission 
dringend die Anlage solcher für notwendig gehalten, besonders von 
Escareme über Saint-Blaise auf Saint Martin du Var und von Turbie 
über Tourette auf Aspremont. 

Die öffentliche Meinung glaubt, dafs die vorerwähnten Massnahmen 
lediglich auf ein Übereinkommen zwischen dem kommandirenden 
General des 14. Korps und dem früheren „Ministre civil de la guerre" 
zurückzuführen seien, dafs der Generalstab, wie der „eonseil superieur 
de la guerre" davon keine Ahnung gehabt hätten. Das ist jedenfalls 
sicher, dafs kein mit dem Gebirgskriege vertrauter Infanterist die 
Zuteilung von „batteries montees" wünschen wird; auch würde er 
nicht dafür sein, einige Geschütz-Epaulements durch Infanterie be- 
wachen zu lassen. Sehr bezeichnend ist in dieser Beziehung eines 
alten französischen Generals Ausspruch bei der Diskussion des Budgets 
des Genies ,,Ich beantrage 30 % Reduktion der Arbeiten des Genies." 

In dieser Hinsicht ist ein dreifacher Felder begangen: 

1. Mit dem Augenblicke, wo sich die Verteidigung durch Unter- 
kunftsbauten und Befestigungswerke an den Boden festklammerte, hörte 
sie auf, beweglich zu sein; ihre Frontausdehnung ist nicht mehr von 
den Streitkräften abhängig, welche man ev. zur Verfügung hat. Die 
Verteidigungsfront ist vielmehr gerade diejenige, welche zur Besetzung 
geringfügige Kräfte erfordert ; fehlen diese, auf weitem Räume verstreut, 
so ist die Verteidigung aufs Spiel gesetzt. 

*2. Mit dem Augenblick, wo die Front der Verteidigung gegen 
Osten gewendet wurde, erhielt sie von Nizza bis PAution die viel zu 
grofse Ausdehnung von 30 km. Sie entbehrt vor Allein der Tiefe, 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



65 



wendet die linke Flanke dem Feinde zu und kann, wenn auch auf 
Saumpfaden, umgangen werden, sobald die Angreifer die Engpässe 
der oberen Vesubie, den von Fenetre, von Cereze und Fremamortc 
benutzen. Wie in Algier sollten die Verteidiger doch auch hier be- 
herzigen, dafs, wo eine Ziege klettern kann, auch ein Mensch im 
Stande ist zu passiren und also auch ein Saumtier. 

3. Wenn dem Drängen nach besserer Verbindung von Ost nach 
West hin nachgegeben wird, so schwächt sich der Verteidiger dadurch 
selbst; die Wege, welche die Thalsohlen begleiten, sind leicht zu be- 
herrschen; diejenigen, welche den Kämmen folgen oder sie über- 
schreiten, haben ebensoviel starke wie schwache Punkte und um 
diese letzteren Wege kann es sich füglich hier nur handeln. 

Der französische Oberst F. Robert, ancien Chef dYtat major du 
17. corps, dessen Feder wir in obigen Betrachtungen nach der „France 
militaire" im Allgemeinen gefolgt sind, giebt dafür, dafs dieser dritte 
Punkt richtig sei, folgendes Beispiel. 

Er erzählt, dafs er 1881 gelegentlich einer Reise nach Lothringen 
Metz besucht habe, das Thal der Nied, Boulay, dann Bouzonville 
(Busendorf) und über Diedenhofen zurückgekehrt sei. 

In Diedenhofen fand Oberst Robert bei einem Spaziergange in Ent- 
fernung von drei km westlich der Stadt eine Erhebung, welche nach der 
Karte um 160 — 170 m die Stadt überhöhte, die Höhen von Guentrange. 
Er hatte bestimmt angenommen, dafs die Deutschon diesen wichtigen 
Punkt, den Schlüssel zur Stadt, mit einem Fort gekrönt haben würden, 
fand aber zu seinem Erstaunen diese Annahme nicht bestätigt. Es 
war die ganze Gegend wie verlassen und selbst die auf seiner Karte 
verzeichneten zahlreichen Wege, welche von der Stadt herkamen, 
waren nicht zu finden. Auf Befragen bei den Einwohnern wurde ihm 
geantwortet, die Wege wären nach und nach sämmtlich eingegangen, 
so dafs die Bebauung sehr erschwert sei. Und da auch die Gehölze 
urbar gemacht worden waren, welche den Kamm jener Erhebung 
einst bedeckten, so wurde dem Franzosen klar, warum die Deutschen 
zu solchen Mafsnahmen geschritten seien. Hätten sie auf den Höhen 
von Guentrange ein Fort etablirt, so würde dasselbe unzweifelhaft 
von dem um 100 m überhöhenden linken Moselufer her, im Besonderen 
vom Signal von Beuvange her anzugreifen gewesen sein und das Fort 
wäre nicht zu halten gewesen. Dafür wären sie, so berichtet Oberst 
Robert an seine Kameraden „du ministere" weiter, nun aber in der 
Lage, indem sie die fraglichen Höhen unter das Feuer ihrer eigenen 
Batterien nähmen, dem Gegner es zu verwehren, dort einen Belagerungs- 
Park zu etabliren. 

Oberst Robert hat dann auch noch weiter die Grenze von Verdun 

Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. VMC, 1. 5 



Digitized by Google 



66 



Frankreichs Grenzschutz. 



bis Epinal besichtigt und findet, dafs dort doch nicht Alles zum Besten 
stehe. Während er in Metz die Deutschen in Waffen starrend fand, 
fehlte es auf französischer Seite an Personal und Material. Er ist 
erfreut, dafs nun endlich seinem Wunsche nachgekommen ist, in 
Verdun, Toul und Epinal je eine Division versammelt zu sehen. 

Ähnliches erhofft er auch für die Südostgrenze. Eine Division 
in Nizza mit voller Artillerie und allem jenen Material, das zu einem 
verschanzten Lager erforderlich ist. Das ist nun allerdings zunächst 
noch ein frommer Wunsch; denn in Nizza stellt allerdings der Stab 
des Armeekorps, zwei Bataillone „chasseurs a pied" (6. und 7.), ein 
Bataillon Eufsartillerie (1.'?.), Inf.-Keg. 55 in Nizza und Signe (fast 
100 km Luftlinie) und Inf.-Iteg. 112 in dem nahe bei Nizza gelegenen 
Antibes. Die nächste Feldartillerie (zwei Regimenter) liegt in Nimes. 

Da nun einmal die Auf enwerke von Nizza angelegt werden 
sollen, müssen sie auch ausgebaut und annirt werden; die äufsere 
Verteidigung sollte aber möglichst beweglich sein und sich hinsichtlich 
Entfernung und Frontausdehnung lediglich nach dem Effektivstande 
der hierfür bestimmten Truppen richten*). 

Der event. Rückzug dieser vorgeschobenen Teile der Verteidigung 
würde konzentrisch auf das verschanzte Lager von Nizza hingehen; 
dadurch werden die Verbindungslinien für den Gegner immer schwieriger 
und entfernen sich in einem Lande, das an sich arm ist, immer mehr 
von der Heimat, mit der auch keine Eisenbahn ihn mehr verbindet. 
Allerdings wird die Bevölkerung auf die Eigenart des Krieges hin- 
zuführen sein. Die vom General Ferron bereits als gesundheitswidrig 
bezeichneten Baracken oder Kasernements und alle aufserhalb des 
verschanzten Lagere aufgeführten Erdwerke für Batterien etc. sind 
aufzugeben. Die französischen Grenztruppen würden sich demnach 
ebenso verhalten wie die italienischen: während der guten Jahreszeit 
werden sie in den Dörfern bei den Bewohnern derselben untergebracht, 
im Winter kehren sie in ihre Garnisonen zurück. 

Zum Schlufs möchte Oberst Robert das Ober- Kommando über 
Gebirgstruppen nieht ausschliefslich den Offizieren der Artillerie und 
des Genies anvertraut wissen. Er meint, der Gcbirgskrieg sei Spezialität 
des Infanteristen und wenn irgendwo, so passe für ihn der Ausspruch: 
,,in pedite robur." 

Zwei Momente sind es, welche wir noch an der Hand vorstehender 
Erwägungen betrachten wollen. Das eine, dafs wir für eine Haupt- 



*) Die Peputirten dieser Gegend behaupten, dafs Anfang Oktober 1893 
die Infanterie -Regimenter mir 550 Mann, die Alpen-Hataillone nur 230 Mann 
stark gewesen seien. 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



07 



Verteidigung hinter den Alpen eintreten. Für eine solche spricht 
auch Clausewitz (Lehre vom Kriege IG, Kapitel). Er sagt unter 
Anderem: „Verteilte sie (die Verteidigung) sich in den hohen Alpen, 
so würde sie von jedem entschlossenen Gegner überwunden werden, 
ohne auch nur die Alternative eines Sieges oder einer Niederlage zu 
haben, während sie in der Ebene von Turin die Chancen jeder anderen 
Armee haben würde." (Es ist hier eine Verteidigung auf italienischer 
Seite angenommen, die in Wirklichkeit, selbst auch für die vor- 
geschobenen Teile ein Hineinziehen des Gegners ins Land beabsichtigt. 
Für den hier besprochenen Fall gelten naturgemäfs die nämlichen 
Grundsätze). 

Über die eigentliche Verteidigung sagt Clausewitz im 17. Kapitel 
weiter: „Zwei Hauptelemente kommen darin vor, nämlich erstens die 
Verteidigung steiler Abhänge, zweitens enger Thäler. Diese letztere 
nur, die oft, ja meistens die gröfsere Wirksamkeit im Widerstände 
gewährt, läfst sich mit der Aufstellung auf dem Höhenrücken nicht 
wohl vereinigen, denn es ist oft die Besetzung des Thaies selbst 
erforderlich, und zwar mehr bei seinem Austritte aus der Gebirgs- 
masse, als bei seinem Ursprung, weil es dort tiefer eingeschnitten ist. 
Aufserdem bildet diese Thalverteidigung ein Mittel, Gebirgsgegenden 
auch dann zu verteidigen, wenn auf dem Rücken selbst gar keine 
Aufstellung genommen werden kann; sie spielt also gewöhnlich eine 
umso gröfsere Rolle, je höher und unwegsamer die Masse des Gebirges 
ist." Und weiterhin: „Niemals finden wir die Heere auf dem Haupt- 
rücken, immer an dem Abhänge, bald höh r, bald tiefer aufgestellt etc." 
Und: „In den Feldzügen von 1799 und 1800 haben die Hauptposten 
der Franzosen wie der Österreicher jederzeit in den Thälern selbst 
gestanden, nicht blofs quer über dieselben, um sie zu sperren, sondern 
auch ihrer Länge nach, während die Rücken entweder garnicht oder 
nur mit wenigen einzelnen Posten besetzt waren. . . „Will man 
nun durchaus Streitkräfte im Gebirge hubon, um Herr desselben 
zu sein, so bleibt nichts Anderes übrig, als sie in den Thälern auf- 
zustellen. Auf den ersten Blick erscheint dies fehlerhaft, weil man 
nach den gewöhnlichen theoretischen Vorstellungen sagen würde: 
Die Höhen beherrschen die Thäler. Allein so ist es nicht; die Rücken 
sind nur auf wenigen Wegen und Pfaden zugänglich und mit seltener 
Ausnahme nur für Fufsvolk, weil die Fahrstrafsen den Thälern folgen. 
Der Feind könnte also nur auf einzelnen Punkten mit Infanterie 
erscheinen; für ein wirksames Flintenfeuer ist aber bei diesen Gebirgs- 
massen (wir möchten hier einflechten „auch jetzt noch") die Ent- 
fernung zu grofs und so steht man denn im Thale weniger gefährlich, 
als es das Ansehen hat. Aber freilich ist eine solche Thalverteidigung 

5* 



Digitized by Google 



08 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



einer anderen grofsen Gefahr ausgesetzt, nämlich der, abgeschnitten 
zu werden . . ."; „keine dieser Verteidigungsstellungen im Thale," 
fährt Clausewitz fort, „verteidigt die Ausmündung eines solchen 
Gebirgspfades im Thal, der Feind bringt also nach und nach über- 
legene Massen herunter, breitet sich dann aus und sprengt die dünne 
und von dem Augenblick an sehr schwache Linie etc " 

Darum redeten wir weiter vorn der Aufstellung an solchen 
Stellen das Wort, an welchen das Zusammentreffen mehrerer Thäler dem 
Verteidiger gestattet, der Gefahr, abgeschnitten zu werden, zu begegnen. 

Zum Schlufs kommen wir in unserer heutigen Betrachtung der 
Verhältnisse au der Südostgrenze Frankreichs auch darauf zurück, 
dafs das gefürchtete Vorgehen einer italienischen Armee durch den 
Süden Frankreichs kaum jemals zur Ausführung kommen wird. 
Clausewitz hält die „schon oft versuchte Idee eines solchen Angriffs 
für einen entschiedenen Fehler" und vergleicht sie damit, als wolle man 
ein Gewehr an der Spitzo seines Bajonets von der Erde aufheben. 

Erfurt, Februar 1894. (Schlufs folgt.) 



IV. 

Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik 
und des ersten Kaiserreichs. 



Man darf es als eine merkwürdige Erscheinung bezeichnen, dafs 
selbst über das Jahr 1831 hinaus die Reglements des französischen 
Heeres in viel weniger ausreichendem Mafse die Folgerungen aus der 
neuen Taktik ziehen, welche die Revolution und das erste Kaiserreich 
geboren hatte, als z. B. das Reglement von 181*2 für die preufsische 
Infanterie, dessen geistiger Vater Scharnhorst genannt werden mufs. 
Die Ordonnanz von 1831 kann man als den „historischen Niederschlag" 
der napoleonischen Taktik nicht betrachten, sie änderte das Reglement 
von 1791 nur unwesentlich und dieses letztere konnte naturgemäfs die 
Früchte der taktischen Erfahrungen und Grundsätze, welche die Kriege 
der Revolution und des I. Kaiserreichs reiften, nicht enthalten. Lehnte 
sich dies Reglement doch eng an die Lineartaktik, besser gesagt an 
die komplizirten und künstlichen Manöver an, die Friedrich d. Gr. in 
Potsdam nach dem 7jährigen Kriege ausfuhren liefe und denen Guibert 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



69 



im Kampfe mit der sogenannten französischen, durch Mcnil Durand, 
Broglie und Maizeroy vertretenen Schule der „perpendikulären Ordnung" 
den Sieg verschafft hatte. Und doch läfst sich für dieses Nicht- 
beachten oder unzureichende Beachten der eigenen Erfahrungen eine 
Erklärung finden. Napoleon hat kein offizielles Reglement für die 
Infanterie hinterlassen, offiziell beruhten Bewegungen und Kampf der- 
selben auf dem Reglement von 1791, welches ja allerdings als 
Konzession an die französische Schule die „colonne serree" und die 
„colonne d'attaque" enthielt, die Praxis aber hat mit diesem Reglement 
völlig gebrochen. Für die Kavallerie hatte die Ordonnanz vom 
22. Septbr. 1804, die als provisorisch bezeichnet wurde, einige 
Änderungen des Reglements von 1788 gebracht. Bei der Artillerie 
haben wir die Zeit von 1800 bis 1809 als Übergangs-Stadium zu be- 
trachten, sowohl in Bezug anf Organisation, als auf Reglement. 
Einzelne bemerkenswerte Zeitpunkte treten in derselben hervor, so 
z. B. die Ordonnanz von 1805 betreffend die Massenverwendung der 
Waffe. Das Reglement vom 15. Oktober 1809 schuf ein Definitivum. 
In Bezug auf Manöveriren mit gröfseren Truppenkörpern mufsten die 
Veränderungen, die mit dem Erscheinen Napoleons an mafsgebendor 
Stelle die Gefechts-Methode der Revolution erfuhr, die Bestimmungen 
des Reglements von 1791 durchbrechen. Liefen doch die von Napoleon 
angenommenen Grundsätze denjenigen des genannten, sich an die 
Lineartaktik anlehnenden Reglements genau entgegen. Zur Heraus- 
gabe offizieller Reglements liefsen die ununterbrochenen Kriege nicht 
kommen. Ungeschrieben pflanzten sich die taktischen Formen, wie 
sie die Praxis herausgebildet, durch Tradition fort. Die beiden 
Restaurationen von 1814 und 1815 verwischten mit dem Ausscheiden 
einer grofsen Zahl, ja fast aller erfahrenen Offiziere aus dem Heere, 
auch die taktische Tradition, zumal Hafs gegen die Revolution und 
das Kaiserreich eifrig bemüht waren, das zu zerstören, was beide ge- 
schaffen. Natürlich hatto auch der ununterbrochene Wechsel in der 
Gliederung und Zusammensetzung des Heeres einen weitreichenden 
Einflufs auf die Schwierigkeit, die Erfahrungen in der neuen Kampfes- 
weise in Reglements niederzulegen. Das Ausland, vor Allem Preufsen, 
eilte Frankreich darin weit voraus. 

Be8timmungsgemäfs lag auch den Übungen in den Lagern von 
Boulogne, Utrecht, Compiegne, St. Malo und Bayonne das Reglement 
von 1791 zu Grunde. General Foy belehrt uns aber: „Le rcglement 
de 1791 resta pour les subalternes le Ii vre de la loi, mais los chefs 
s'aecoutumerent ä en varier l'application suivant les besoins de la 
guerre." Napoleon liefs den Führern seiner höheren Einheiten im 
Allgemeinen auch völlig freie Hand in der Wahl der Formen, die sie 



Digitized by LjOOQIC 



70 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



nach den Umständen für die zweckmäfsigsten hielton, selten nur gab 
er bindende Vorschriften. So entstand denn eine Mischung aus dem, 
w as das Reglement von 1701 vorschrieb, den Ansichten der französischen 
„ocole perpendiculaire" und dem, was die Revolutionskämpfe geboren, 
freie Kombinationen, die sich durch Überlieferungen fortpflanzten, mit 
dem Schwinden der kaiserlichen Armee in Frankreich aber aufhörten, 
während zweifellos das preufsische Reglement von 1812 als der ab- 
geklärte historische Niederschlag der herrschenden taktischen An- 
sichten betrachtet werden darf. 

Schon die ersten Kämpfe der Revolution mufsten das an das 
Linearsystem sich anlehnende Reglement von 1701 in die Brüche 
gehen lassen; die Vorbedingungen, welche die Anwendung dieses 
Reglements gebieterisch stellte, waren in den Massen der Revolution 
nicht erfüllt. Mit der Lineartaktik war in der Praxis sofort auf 
Nimmerwiedersehen gebrochen, nicht mit Überlegung, nicht in ziel- 
bewufster Absicht zunächst — denn in der Manöver-Instruktion des 
Inspekteurs der Rheinarmee vom Jahre 1800 finden wir fast nur An- 
klänge an die Grundsätze des Reglements von 1791 und die meisten 
Formen desselben — sondern durch den Zwang. Wir haben in unserem 
Aufsatze „Zur Strategie und Taktik Napoleons'' in diesen Blättern 
(Juli bis Septbr. 1885) schon eingehend beleuchtet, wie Napoleon, als 
er don Stab des Oborfeldhcrrn ergriff, den Übergang zur neuen 
Kampfesweise bereits vollzogen vorfand, wie seine ordnende Handmanches 
Formlose in festere Rahmen zu fügen, die empirisch entwickelte 
Taktik weiter auszubauen hatto, wie neue organische Rahmen ihm 
ermöglichten, den strategischen Grundsatz der Bewegung von Massen 
in entscheidender Richtung zum Schlage auch in das Taktische zu 
übersetzen. Wir werden auf das dort Gesagte vielfach zurückkommen 
müssen und weisen auf diesen Umstand hin, damit man uns nicht 
des Tlagiats zeihe. 

Betrachten wir aber zunächst die Organisation des Instruments, 
wie sie sich entwickelte, um so mehr, als wir oben als einen der 
Gründe für das Nichtbestehen von Reglements, welche die taktischen 
Grundsätze und Formen der Kämpfe des Kaiserreichs festlegten, den 
häufigen Wechsel in der Organisation genannt haben. „Die grofsen 
Feldschlachten schreiben sich von 1805 her," sagt Jomini mit Recht. 
Eine nach den neuen Prinzipien geleitete führt uns Carnot allerdings 
bei Wattignies schon vor, da sich dort der Grundsatz der örtlichen 
Massenüberlegenheit mit neuen, von den friedericianischen ver- 
schiedenen Mitteln klar ausspricht. Die übrigen Schlacht en der Re- 
volutionszeit zeigen uns in der Periode von 1793 bis 1795 fast überall 
Kräftezersplitterung, statt Kräftesammlung, von bewufster Ökonomie 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



71 



der Kräfte kann kaum geredet werden. Selbst Napoleons erste 
Schlachten tragen noch den Charakter von Sammlungen von Gefechten, 
auf deren Gang er in geringerem Mafse eingewirkt, als er wünschte 
und wünschen mufsto. Bassano zeigt uns gröfsere Zersplitterung auf 
Napoleons, als auf Alvinzi's Seite, über Caldiero liifst sich kaum 
Besseres sagen, Marengo war eine Schlacht ohne Disposition. Bestand 
auch die Auflösung, die in den ersten Kämpfen der Revolution sich 
zeigte und die Sammlung eines Mehrs von Kraft auf einem Punkte 
der Schlachtlinie rein dem Zufall überliels — jene Auflösung, die man 
als eine Folge der Kurzsichtigkeit betrachten mufs, welche auf absolut 
verschiedener Grundlage dasselbe taktische System aufbauen, für un- 
geschulte undisziplinirte Horden die Satzungen der Lineartaktik des 
Reglements von 1791 gelten lassen wollte — schon nicht mehr, als 
Napoleon an die maßgebende Stelle gelangte, so war das zu ver- 
wendende Instrument für die Leitung doch noch zu wenig handlich, 
der Gedanke des Zusammenarbeitens auf ein Ziel, des Richtens des 
„Kraftkomplexes" auf einen Punkt den Führern der selbstständigen 
Einheiten noch zu wenig zur Gewohnheit geworden. Mit dem Konsulat 
aus der bis dahin vorhandenen chaotischen Verwirrung in Bezug auf 
Etats heraustretend, wurde das Heer doch nur vorübergehend in einen 
festen Rahmen von Einheiten gefafst. Derselbe erwies sich bei den 
grofsen Kriegen bald als zu eng und eine ganze Reihe von Büdungen 
und Bestimmungen „ad hoc" ergänzte denselben je nach den ob- 
waltenden Verhältnissen so zwar, dafs mau wohl von gewissen Prinzipien 
sprechen kann, die genaue Feststellung der jedesmaligen Organisation 
und Stärke aber aufserst schwierig genannt werden mufs. Wir greifen 
einen Moment heraus, über den wir bestimmte Angaben besitzen und 
der auch insofern von Interesse ist, als mit demselben die grofsen 
Kriege des Kaisers Napoleon in Europa beginnen, das Jahr, in welchem 
die grofsen Übungen in den Lagern einen gewissen Abschlufs erreichen 
und von dem sich, nach Jomini, die grofsen Feldschlachten her- 
schreiben, 1805, um dann die bis 1814 eingetretenen wichtigsten 
Veränderungen zu streifen. 1805 war die kaiserliche Armee, 
mit dem Gesetz vom 20. August 1798, welches, wenn das Vaterland 
in Gefahr, jeden waffenfähigen Franzosen für kriegsdienstpflichtig er- 
klärte, sonst aber eine unbestimmte Anzahl von Bürgern im Alter von 
20 bis 25 Jahren durch Konskription zum Dienst einberief, falls die 
Freiwilligen nicht ausreichten, als Grundlage des Ergänzungsmodus 
(aber von Napoleon in den meisten Fällen als nicht bindend be- 
trachtet), wie folgt zusammengesetzt: 

10 Batailone, 9 Eskadrons Garden, 28 Legionen Gendarmerie zu 
Fufs und zu Pferde, 10 Regimenter Veteranen. 



Digitized by Google 



72 



Aus den Exerrir- Vorschriften der ersten Republik 



112 Regimenter Linien -Infanterie (nach Sicard: „Histoire des 
Institutions inilitaires des Francais", 90, da 22 vacant waren, von diesen 
90 Regimentern 19 zu 4, 71 zu 3 Bataillonen) meist zu 3 Bataillonen 
mit einer Grenadier-, einer Voltigeur-Kompagnie (1804 auch für die 
Linien-Infanterie mit vorzugsweiser Bestimmung für das zerstreute 
Gefecht errichtet), 8 Füsilier-Kompagnien. Voltigeure und Füsiliere 
zu je 123, Grenadiere zu 83 Köpfen, sodafs die 1802 festgesetzte 
Stärke von 1092 Mann pro Bataillon schon nicht mehr existirte. 
Carnot hatte in seiner Halb-Brigade der Grenadier-Kompagnie 63, den 
8 Füsilier-Kompagnien je 89 Mann gegeben, die neue Taktik, welche 
die Bestimmung des Bataillons änderte, hatte die Vermehrung des 
Bestandes desselben 1802 veranlafst. 

31 (nach Sicard 2 7) leichte Infanterie-Regimenter zu je 3 Bataillonen 
mit je einer Karabinier-, 9 Jäger- Kompagnien zu 83, bezw. 123 Mann, 
also 1190 Köpfe pro Bataillon. Sicard giebt auch noch 12 Reserve- 
Grenadier-Bataillone an. 

Kavallerie. 2 Regimenter Karabiniers zu 4 Eskadrons, 12 Re- 
gimenter Kürassiere (1803 — 4 und 5 geschaffen) zu 4 Eskadrons mit 
je 173 Köpfen. Karabiniers und Kürassiere bildeten die schwere 
Kavallerie. 

30 Dragoner-, 24 Chasseurs-, 10 Husaren-Regimenter zu je 4 Es- 
kadrons a 232 Mann als leichte Kavallerie. Nach Sicard „Histoire 
des Institutions etc." sind diese Etats-Ziffern nicht ganz zutreffend. 
Er giebt 1805 für alle Kavallerie- Regimenter 4 Eskadrons ä 2 Kom- 
pagnien, die Stärke der Kompagnie auf 3 Offiziere, 97 Mann, 101 Pferde, 
für die Eskadron also 6 Offiziere, 194 Mann, 202 Pferde, für das Re- 
giment mit Stab 820 Mann, 831 Pferde an. 

Artillerie. 8 Regimenter fahrende Artillerie der Linie mit 
176 Kompagnien (nach Sicard), deren Kopfstärke zunächst 94 Mann 
betrug, 1807 aber auf die volle von 120 Köpfen kam und von denen 
jede eine Batterie zu 6 Geschützen besetzte. 6 Regimenter reitende 
Artillerie der Linie mit zusammen 37 Kompagnien (ä 3 Offiziere 
105 Köpfe, im Kriege gleiche Mannschafts-Stärke, 105 Pferde), die je 
eine Batterie zu G Geschützen besetzten, 2 Kompagnien der Garde 
mit 4 Offizieren, 64 Mann, 32 Pferden im Frieden, 4 Offizieren, 96 Mann. 
96 Pferden im Kriege. 

8 Artillerie-Train-Bataillone der Linie, 4 Kompagnien der Garde. 
1801 wurde der Artillerie -Train in 8 Bataillonen ä 2 Kompagnien 
durch den I. Konsul geschaffen und zu je einem Bataillon mit je 
160 Zug- und 20 Reit-Pferden den 8 Artillerie -Schulen zugeteilt, die 
diese Bespannung den einzelnen Kompagnien nacheinander zur 
Schulung der Leute im Reit- und Fahr-Dienst überliefsen. So wurden 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



73 



die Fuhrknechte, die bis zum I. Konsulat die Geschütze gefahren 
hatten, überflüssig und die Möglichkeit geboten, mit den ausgebildeten, 
nur durch Soldaten besetzten Batterien auch zu manövriren. Mit 
dem I. Konsulat Bonaparto's begann für die französische Artillerie ja 
überhaupt ein Übergangs-Stadium, das zu einer zweckmäfsigen Ver- 
teilung der in Parks zusammengehaltenen Geschützmassen im richtigen 
Verhältnifs zur Kombattantenzahl und 1803 auch zur Abschaffung 
des Systems Gribeauval führte. Von 1803 ab finden wir in der 
Artillerie der Feld -Armeen 6Pfünder mit 6 Kaliber langen Rohren, 
kurze 6Pfündcr, kurze und lange 12 Pfünder, 8- und 6zöllige Hau- 
bitzen, Schufsweite zwischen 900 und 1 200 Meter Maximal, wirksamste 
Entfernung zwischen 400 und 700 m. Bezüglich der Infanterie- 
Bewaffnung sei hier auch gleich kurz erwähnt, dafs das Gewehr 1777 
auf 114 m Kernschufs hatte, man bis 130 m auf gute Wirkung rechnete, 
zweckmäfsige Schäftung und geschweifter Kolben das Zielen mit dem 
erleichterten und im Kaliber verkleinerten Gewehr erlaubten, der 
Mann 50 Patronen bei sich trug und das Gewehr als denjenigen der 
übrigen Mächte überlegen betrachtet werden konnte. Total finden 
wir 1805: 439 Bataillone mit 463 000 Köpfen, 78 Kavallerie-Regimenter 
(71 000 Köpfe), 176 fahrende, 39 reitende Batterien, ohne die Bundes- 
Kontingente und die italienischen Truppen. 

Sicard giebt die Stärke der Artillerie auf Kriegsfufs zu 1817 
Offizieren, 52 885 Mann, 22 137 Pferde an, wobei die Pferde des 
Artillerie-Trains eingerechnet sind. Bleiben wir zunächst bei dieser 
Waffe, so sind, abgesehen von den Etablissements der Artillerie, die 
nach der territorialen Zunahme Frankreichs wuchsen, folgende Ver- 
mehrungen zu verzeichnen: am 1. November 1805 Formation der 
Artillerie-Train-Bataillone 9, 10 und 11, am 15. April 1806 Vermehrung 
der Artillerie der Garde auf 6 Kompagnien in einem Regiment, am 
9. April 1807 1 neues Train-Batl, welches die Nr. 13 erhielt. Genau 
1 Jahr später kam die Artillerie der Garde auf 6 Kompagnien zu 
Fufs und 4 reitende, der 22. August 1808 schuf ein weiteres Artillerie- 
Train-Bataillon. Gleichzeitig wurden die Bataillone verdoppelt und 
zwar auf 26 zu je 109 Köpfen. Anfangs 1809 umfafste die Artillerie 
09022 Mann und 38 156 Pferde, die Gliederung blieb unverändert. 
Von 1809 bis 1813 trat eine sehr bedeutende, aber nicht genau 
kontrolirbare Vermehrung der Artillerie ein. 1812 zählte dieselbe 
87 722 Mann und 50423 Pferde. 1813 vermehrte man die fahrendo 
Artillerie um 64 (darunter 10 für die Garde), die reitende um 7 
(darunter 2 für die Garde) Kompagnien — die .Verschlechterung der 
Infanterie veranlagte Napoleon zu dieser bedeutenden Verstärkung 
der Artillerie — schuf ein 3. Pontonnier-Bataillon und brachte den 



74 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Bestand auf 103 442 Mann, 58 170 Pferde, eine Ziffer, die das 
normale Verhältnifs der Artillerie zu deji übrigen Waffen 
bedeutend überstieg. 1814 weisen die offiziellen Angaben in der 
Garde 20 fahrende, G reitende Batterien, je 1 Pontonnier- und Veteranen- 
Kompagnie, 2 Train-Regimenter, bei der Linie 1) fahrende, 0 reitende 
Regimenter, 3 Pontonnier-, 27 Train-Bataillone, aufserdem Artillerie- 
Arbeiter, 19 Kannonier- Veteranen-, 33 Kannonier-Besatzungs-, 145 
Kannonier- Küsten-Kompagnien auf. Grundlegend für die Schulung war 
das Reglement vom 15. Oktober 1809. 

Der Kavallerie treten 1800 4 Eskadrons Eclaireurs hinzu. Durch 
dasselbe Dekret sollten die Infanterie-Regimenter durchweg die gleiche 
Bataillons-Ziffer (3 und 1. Depot) und Kompagnie-Ziffer erhalten, bei 
einer Mobilmachung das 3. und Depot-Bataillon, die Grenadier- und 
Voltigeur-Kompagnien ergänzen und das Regiment mit 3 Bataillonen 
und 18 Kompagnien, 2100 Mann stark, ausrücken. Eine Durchführung 
dieses Plans fand jedoch nicht statt. Im Übrigen bedarf es nur eines 
Blickes in Foucart: „Campagne de Prusse" und „Cavalerie pendant 
la Campagne de Prusse" um zu konstatiren, dafs auch zu Beginn des 
Feldzuges 1800 die Etats der Infanterie-Regimenter aufserordentlich 
verschiedene waren. Wir finden Divisionen zu 3 Regimentern, die 
höhere Etats-Stärken aufweisen, als solche zu 4 Regimentern, z. B. 

I. Division VII. Korps mit 4 Regimentern und 6697 Köpfen, die 

II. Division mit 3 Regimentern und 7134 Köpfen. Die Divisionen zu 
4 Regimentern schwanken zwischen 8650 und 10 080 Köpfen, auch 
waren Divisionen zu 5 Regimentern vertreten. Während des Krieges 
traten daneben zahlreiche Formationen auf, die in den organischen 
Rahmen nicht vorgesehen waren, Marschregimenter, polnische Legion, 
unberittene Dragoner-Abteilungen u. s. w. 

Durch Dekret vom 10. Mai 1807 erhielten die Kürassier- und 
Karabinier-Regimcnter eine 5. Eskadron und 1040 Mann, 1050 Pferde. 
Dasselbe Dekret brachte die Dragoner-, Chasseur- und Husaren- 
Regimenter auf 1000 Mann, 1055 Pferde. In demselben Jahre er- 
richtete man das 13. Kürassier-Regiment. Dieses behielt auch 1809 
seine 5. Eskadron, während ein Dekret vom 24.12.1809 dieselbe 
(ebenso wie die 9. (Depot-) Kompagnie bei den Husaren und Chassours) 
bei den übrigen Kürassier- und den Karabinier-Regimentern wieder ab- 
schaffte. 1810 kamen endlich die 10 ersten Kürassier-, die Dragoner-, 
Husaren- und Chasscur-Regimenter auf gleichen Etat (960 Mann. 
800 Pferde). Am 25.11.1811 befahl Napoleon, jeder Kürassier- 
Division ein Regiment Chevauleger-lanciers zuzuteilen, diese erhielten 
im Februar 1812 als Gegengewicht zu der rechts zu tragenden Lanze 
einen Karabiner, die Kürassiere ein Mousqueton, das rechts am Sattel 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreich». 



75 



getragen werden sollte. Beide Waffen waren mit Bajonet versehen. 
Ein Senats-Konsult vom 3. 4. 1813 schuf 4 aus Freiwilligen, die sich 
selbst ausrüsteten und beritten machten, bestehende Regimenter Garde 
d'honneur & cheval (in Versailles, Metz, Tours und Lyon), jedes zu 
10 Eskadrons a 2 Kompagnien. 1813 belief sich die französische 
Kavallerie auf 4 Regimenter Gardes d'honneur, 2 Karabinier-, 
13 Kürassier-, '24 Dragoner-, 9 Chevauleger-lanciers-, 23 Chasseur-, 
13 Husaren-, zusammen 93 Regimenter, zu denen noch 10 fremde kamen, 
75 000 Köpfe ohne die Kavallerie der Garde. Diese zählte je 1 Regiment 
Grenadiers a cheval, Dragoner, Chasseurs a cheval, 3 Chevauleger- 
Lancier-Regimenter, die Mameluken und die Gendarmerie d'elite, total 
8400 Mann. Einzelne Kavallerie-Regimenter weisen dabei 8 Eskadrons 
auf. — Für die Linien-Infanterie- und leichten Regimenter ordnete 
ein Dekret vom 18. 2. 1808 eine neue Organisation an. Sie sollten 
je einen Stab und 5 Bataillone, darunter je 4 Feldbataillone zu 
6 Kompagnien, das Depotbataillon 4 Chasseur- oder Füsilierkompagnien 
erhalten und das Regiment aus 108 Offizieren, 38G2 Köpfen, die 
Kompagnie aus 3 Offizieren, 140 Mann bestehen. Das Feldbataillon 
hätte also 850 Köpfe enthalten. Indem Napoleon die Zahl der 
Kompagnien im Bataillon verminderte, die Kopfstärke derselben aber 
erhöhte, verringerte er die Tiefe der Gefechtskolonnen in Divisionen 
und gewann aufserdem Kadres an Offizieren und Unteroffizieren für 
die Vermehrung der Heeresteile in Spanien. — Ein Dekret vom 
7. Juli 1808 wandelte eine Anzahl von provisorischen Bataillonen in 
8 definitive Regimenter um, AVeichsellegion und Gebirgsjäger traten 
hinzu. Von 1808 — 1811 wurden im Ganzen 13 neue Regimenter 
formirt, 1812 und 1813 folgten mit den Mitteln der Aushebung des 
Jahrganges 1812 (120 000 Köpfe) und einer 2. von 150 000 Mann 
weitere Neubildungen (u. A. 23 neue Regimenter), so dafs Sicard für 
die ersten Monate des Jahres 1813 den Bestand der französischen 
und fremden Infanterie-Formationen auf 7G0 000 Köpfe schätzt und 
folgende Gliederung angiebt: 120 Linien-, 32 leichte Infanterie-Re- 
gimenter Franzosen, 4 schweizer-, 1 spanisches, f> Kroaten-, 1 illyrisches, 
4 Fremden-Regimenter, 1 Bataillon des Fürsten von Neufchatel, 
1 Fremdenbataillon, 1 portugiesische, 1 Weichsellegion zu 3 bezw. 
4 Regimentern, Kolonialbataillone, Gebirgsjäger, Pionier-Kompagnien 
und Reserve-Kompagnien der Departements. — Am 3. 4. 1813 wurden 
10 000 Gardes d'honneur, 80 000 Mann des I. Aufgebots der National- 
garde, 90 000 Mann des Jahrgangs 1814, total 180 000 Köpfe auf- 
geboten, am 24. 8. mufsten die 24 Departements des Südens weitere 
30 000 Mann für die spanischen Heerteile liefern, ein Senats-Konsult 
vom 9. 10. 1813 stellte aus den Jahrgängen 1814 und 1815 



Digitized by Google 



70 



Aua den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



280 000 Konskribirte, ein anderer vom 15. 11. weitere 300 000 Mann 
zur Verfügung des Kriegsniinisteriums, so dafs die Armee in einem 
Jahre von der Bevölkerung 790 000 Mann an Neucinstellungen fordorte. 
Hierzu kam noch, dafs ein Dekret vom 15. 1. 1814 die Bildung von 
Freiwilligen-Regimentern aus den Arbeitern der Manufakturen von 
Amiens, Rouen, Paris anordnete. 

Zu den aufgeführten Formationen sind noch die Garden hinzu- 
zurechnen, deren Anwachsen zu den verschiedenen Zeiten wir hier 
nicht weiter verfolgen können. Wir stellen nach Sicard nur fest, 
dafs dieselben Ende 1813 an Infanterie zählten: 2 Grenadier- Regimenter 
zu Fufs mit 3200, 1 Grenadicr-Füsilier-Regiment mit 1600, 1 Lehr- 
bataülon mit 9000, 19 Grenadier-Tirailleur-Regimenter mit 30 400, 
1 Grenadier-Flanqueur-Regiment mit 1850, 2 Regimenter Chasseurs 
ä pied 3200, 1 Regiment Chasseur-Füsiliere 1600, 19 Voltigeur- 
Regimenter 30 400, 1 Chasseur-Flanqueur-Regiment 1850, 1 Pupillen- 
Regiment 1600, Vetcranenkompagnie 200 Mann. Alte und junge 
Garde, nach Sicard, zusammen 102 706 Köpfe — ein Heerteil für 
sich, dessen Ansatz wohl geeignet war, die Entscheidung im Sinne 
der Schlachtleitung herbeizuführen. 

Das Material der Garde- Artillerie giebt Sicard an auf 

4 reitende Batterien, die den Kavallerie-Regimentern zugeteilt waren 
mit 24 Geschützen, 2 fahrende Batterien für die beiden Infanteriekorps 
der alten Garde mit 18, 4 12Pfünder-Batterien, welche die Reserve 
bildeten mit 32 Geschützen, zusammen 72 Geschütze. Aufserdem 
mufste aber die Linien-Artillerie für den Dienst der Garde liefern 
68 Geschütze, so dafs für die Garden total 140 Geschütze verfügbar 
waren. 

Die Kriege von 1809 — 1814 zeigen uns die verschiedensten 
Änderungen in den organischen Verbänden, die Infanterie-Regimenter 
steigen stellenweise auf 6 — 8 Bataillone, die Kavallerie-Regimenter 
auf 6 — 8 Eskadrons, die Artillerie-Regimenter auf 30 Batterien. 
1812 haben die französischen Infanterie-Regimonter eine Stärke, die 
zwischen 3 und 9 Bataillonen schwankt, die Bataillone 700—900 Köpfe. 
Um nur 2 Korps zu nennen, so enthält das L (Davout) die 4. Division 
(Desaix) mit 13, die 5. mit 23 Bataillonen und umfafste im Ganzen 

5 Divisionen, 2 leichte Kavallerie-Brigaden, 88 Bataillone, 16 Eskadrons, 
172 Geschütze, 72000 Köpfe, eine kleine Armee für sich, während das II., 
gleichfalls nur aus französischen Truppen zusammengesetzte Korps in 
3 Divisionen (15, 17 und 19 Bataillone), 2 leichte Kavallerie-Brigaden, 
51 Bataillone, 21 Eskadrons, 114 Geschütze, 37 000 Mann, also nur 
etwas mehr als die Hälfte zälilte. 1814 traten auch die Regiments- 
geschütze, (4), die, vorübergehend nach Aspern wieder aufgetaucht, 



Digitized by Google 



und de« ersten Kaiserreich». 



77 



1810 verschwunden waren, wieder auf, die Divisionen erscheinen mit 
einer fahrenden Batterie zu 8, einer reitenden zu 6 Geschützen, 
Summa 14 ausgestattet, hei den Korps ist eine Artillerie-Reserve zu 
2 fahrenden Batterien mit IG Geschützen vorhanden, die Kavallerie- 
Divisionen finden wir gleichinäfsig mit 4 reitenden Batterien, 24 Ge- 
schützen versehen. — — Von der Einteilung der Division in der 
Revolutionszeit, die jeder ein Dragoner- und ein leichtes Kavallerie- 
Regiment, sowie gewöhnlich 2 Batterien ä 6 Geschütze zuwies, weil 
man eben die Division als operative Einheit ansah, war Napoleon, 
wie wir hier gleich kurz bemerken wollen, schon vor seinem ersten 
grossen Feldzuge in Deutschland abgegangen, Kavallerie erhielten die 
Divisionen nur bei Entsendungen auf Zeit, sonst kannte man nur 
Korpskavallerie und größere Reitermassen, Reservekavallerie. 

18. (Fortsetzung folgt.) 



V. 

Zur Geschichte 
der Adjustirung der österreichischen Armee. 

Von 

A. Dittrichj k. k. Landwehrhauptmann. 



Zu allen Zeiten und bei allen Völkern war es das Bestreben der 
Krieger, ihren Stand auch äufserlich kennbar zu machen und sich 
nicht blos durch das Tragen der Waffen, sondern auch durch die 
Kleidung und verschiedene Zierden von den andern Mitbürgern zu 
unterscheiden. Dort, wo sich jeder Mann als Krieger betrachtete, 
trugen nur die unmittelbar zum Kampfe Aufgerufenen die Waffen und 
das Gewand des Kriegers und legten selbe nach der Rückkehr wieder 
ab. Nur der bereits enrollirte Römer durfte das Sagum, das Kriegs- 
kleid, anlegen, während der griechische Bürger, sobald der Krieg 
begonnen hatte, nur bei gewissen Festen und in Volksversammlungen 
unbewaffnet erschien. Der Indianer pflegt noch jetzt, wenn er in 
den Kampf zieht, seinen Leib in anderer als der gewöhnlichen Weise 
zu bemalen. Oder es gingen bei Völkern, die sich im steten Kriegs- 
zustände befanden, alle Männer bewaffnet, zum Unterschiede von 
den Unfreien, Unmündigen und Kriegsuntauglichen. 



78 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



Als aber die allgemeine Waffenpflicht mehr und mehr aufser 
Geltung kam und nur ein gewisser Teil der Bevölkerung zum Kriegs- 
dienste herangezogen wurde, begannen diese Krieger, welchen Namen 
sie immer führen mochten, auch in friedlichen Zeiten ihre Waffen 
und ihren kriegerischen Anzug beizubehalten. Wenn der Letztere 
schon ursprünglich bei den verschiedenen Völkern verschieden war, 
so veränderte er sich im Laufe der Zeit aus verschiedenen Ursachen, 
unter denen die Mode nicht den letzten Hang einnahm. Es lag nahe, 
dafs mit der zunehmenden Macht der Fürsten und der Errichtung der 
stehenden Heere schon der leichteren Erhaltung der Disziplin wegen 
eine Gleichförmigkeit des Anzuges der Krieger angestrebt wurde. So 
entstand die Uniform, welche im Laufe der Zeit durch Zweck- 
mäfsigkeiterücksichten, die Nachahmung fremder Beispiele und durch 
Laune mannigfache Änderungen erfuhr. Obgleich nur eine Aufserlichkeit, 
ist doch die Uniform häufig ein sicherer Anhaltspunkt zur Beurteilung 
der übrigen Verhältnisse einer Armee und die Darstellung der Ent- 
wicklung der Adjustirung einer Armee darf immerhin als ein 
Beitrag zur Geschichte dieser Armee selbst betrachtet werden. 

Die Geschichte der Adjustirung der gegenwärtigen „österreichisch- 
ungarischen" (früher einfach „österreichischen" und noch früher — 
obgleich nicht richtig kaiserlichen") Armee ist schon darum merk- 
würdiger als die mancher andern, weil die Monarchie aus so vielen 
verschiedenartigen Teilen, von denen mehrere früher ihr selbstständigos 
Kriegswesen hatten, besteht und weil von den verschiedenen fremden 
Kriegsheeren, mit welchen Österreich als Verbündeter oder als Feind 
in Berührung gekommen war, so Manches entlehnt wurde und nationale, 
politische und finanzielle Ursachen auf die Gestaltung des Heeres und 
mittelbar auf dessen äufsere Ausstattung in gröfserem Mafse als 
anderwärts Einflufs nahmen. 

Obgleich von einer Uniform keine Ilede war, konnte man doch 
in dem kaiserlichen Heer, lange bevor es ein stehendes wurde, wenn 
nicht die einzelnen Regimenter, so doch die gröfseren Heerhaufen (die 
Armee-Korps unserer Zeit) durch ihre Tracht von einander unter- 
scheiden. Denn es fanden sich fast immer Miete- oder Hilfstruppen 
auch aus den damals nicht zu Österreich gehörigen Provinzen bei 
dem kaiserlichen Heere. Und da diese Truppen zumeist ihre nationale 
Bekleidung und Bewaffnung hatten und selten von einander getrennt 
wurden, so waren wenigstens die Hauptteile des Heeres leicht zu kennen 
und konnte die Marsch- und Lagerordnung gut gehandhabt werden. 

Übrigens finden sich schon in früher Zeit Beispiele einer ziemlich 
gleichraäfsigen Bekleidung und Ausrüstung österreichischer, ungarischer 
und böhmischer Truppen. 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjiistirung der österreichischen Armee. 



79 



Einige der ungarischen Oligarchien im 14. Jahrhundert hatten 
ganz gleichmäfsig gekleidete Banderieo und unter den Söldnerschaaren, 
die irn 15. Jahrhundert in Osterreich und Ungarn kämpften, sollen 
einige gleiche Waffen und Farben gehabt haben. Von grölserer Be- 
deutung aber war die „schwarze Legion u des Königs Mathias Cor- 
vinus, die zugleich die erste stehende Truppe in den Ländern der 
heutigen österreichisch-ungarischen Monarchie war, aber bald nach 
dem Tode dieses Königs wegen ihrer Unbotmäfsigkeit aufgelöst 
werden mufste. 

Die Versuche Maximilians I., die Äußerlichkeit seiner Lands- 
knechte und Kyrisser etwas gleichmälsiger zu gestalten, blieben, wenn 
überhaupt die Nachricht davon begründet ist, ohne Erfolg. Im Gegen- 
teile wurde in der Folge der Anzug dieser Truppen immer abenteuer- 
licher und buntscheckiger und konnte mit Mühe wenigstens einige 
Gleichheit hinsichtlich der Bewaffnung erzielt werden. Die Leute 
mufsten dieselbe bekanntlich selbst mitbringen. Auch die aus den 
nichtdeutschen Ländern Angeworbenen (die Kontingente dieser 
Länder behielten die nationale Kleidung noch bei) traten zuweilen 
bei den Landsknechten ein und kleideten sich dann wie dieso. 

Desto bemerkenswerter ist jenes Regiment, welches von den 
deutschen Tuchwebern zu dem Heere Karls V. gestellt wurde und 
dessen Mannschaft ganz gleichförmig mit dem roten sogenannten 
„Waffentuch", dem Vorläufer des heutigen „kugelsicheren Stoffes" 
bekleidet war. Von Österreich und namentlich von Wien wurde ein 
bedeutendes Kontingent dieser „Blutmänner" gestellt. In der folgenden 
Zeit aber wird höchstens hie und da von den gleichgekleideten Leib- 
wachen einiger Vornehmen berichtet. Da diese Trabanten zu dem 
unmittelbaren Gefolge, ja zu den Dienern zählten, so war hier weniger 
von einer Uniform, als von einer Livree die Rede. Bei der Kleidung 
der Soldaten selbst aber herrschte nur die Mode und zwar bis gegen 
das Ende des 16. Jahrhunderts eine oft lächerliche Mode. Es war 
eine nichts weniger als kriegerische, sondern stutzerhafte und höchst 
unzweckmäfsige Kleidung. 

Auch die nationale Kleidung wurde immer seltener und erhielt 
sich hauptsächlich nur bei den Croaten und Ungarn, die häufig mit 
einander verwechselt wurden, sowie bei den in den österreichischen 
Gebirgsländern angeworbenen kleinen Schiitzenabteilungen. Auch die 
nicht selten in dein kaiserliehen Heere vorkommenden Kasaken und 
Albanesen — erstere in Polen, letztere nicht nur in Albanien, sondern 
auch in Dalmatien und Bosnien geworben, waren durch ihre Kleidung 
leichter von den anderen Truppen zu unterscheiden, als es bei den 
wallonischen, italienischen und spanischen Regimentern der kaiserlichen 



Digitized by Google 



80 



Zur Geschichte der Adjiwürung der (Vsterreich wehen Armee. 



Armee der Fall war. Übrigens konnte man bei allen diesen Truppen 
nicht von einer Gleichheit, sondern nur von einer Ähnlichkeit 
der Kleidnng und Ausrüstung der einzelnen Krieger sprechen. Auf 
aus jener Zeit stammenden Abbildungen sieht man „Hufsaren" in 
einer der heutigen ziemlich ähnlichen Kleidung, jedoch tragen Einige 
Brustharnisch und Sturmhaube, Andere dagegen einen Kaipak und 
ein Panzerhemd, oder blos eine kleine Metallplatte auf der Brust. 
Die Waffen sind ein kurzer breiter Säbel ohne Spitze, ein Panzer- 
stecher, ein Faustrohr und zuweilen eine leichte bewimpelte Pike. 
Die Anführer tragen volle Rüsung, aber häufig statt des Helmes 
einen Hut oder Kaipak. Die „Haiduken" unter welchem Namen das 
ungarische Fufsvolk schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 

tri 

vorkommt, waren „gleich den Bauern gekleidet", nur trugen sie wie 
die Husaren einen kurzen Pelz oder Mantel um die Schultern gehängt. 
Sie waren mit Säbeln und kurzen Feuerrohren oder mit Spiefsen be- 
waffnet. Die Farben der Kleidung waren jedoch sehr verschieden 
und nur die Offiziere trugen zuweilen zur Unterscheidung ein leichtes 
rotes Wollkleid über dem Panzer. 

Da auch die Fahnen nicht immer gleich, sondern mit dem Wappen 
einer Provinz oder des „Werbeherrn" versehen waren, so mufsten von 
Fall zu Fall besondere Abzeichen bestimmt werden, um die Zusammen- 
gehörigkeit der Trupoen des ganzen Heeres, oder der Mannschaft der 
einzelnen Regimenter zu erkennen. Für ersteren Zweck dienten die 
Feldbinden der Offiziere. Die Bestimmung der Farbe hing hier von 
dem Feldherrn ab, wogegen die Obersten eigene Abzeichen (ein Band, 
eine Schleife und dergl. auf den Kleidern oder Hüten) bestimmen 
durften. 

Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts änderte sich die Mode in 
sehr vorteilhafter Weise. Die Kleidung wurde zweckmafsiger, geschmack- 
voller und erhielt ein wirklich kriegerisches Ansehen. Obwohl sich 
auch jetzt Jeder nach Belieben kleiden konnte und „in guten Zeiten", 
d. h. nach gemachter reicher Beute) der gemeine Soldat oft einen 
weit prunktvolleren Anzug als sein Hauptmann trug, so finden sich 
doch schon seit dem Beginn des dreifsigj ährigen Krieges Spuren einer 
gleichmäfsigen Adjustirung bei einzelnen Truppen und Anordnungen 
hinsichtlich einer gleichen Ausrüstung. Freilich war erstere gewöhnlich 
in Folge einer Übereinkunft oder aus anderen Ursachen von den An- 
gehörigen des betreffenden Regiments eingeführt worden. So z. B. 
trugen Offiziere und Reiter eines schlesischen Arkebusier-Regiments 
grüne Wämmser und blaue oder violette Hosen, die lombardischen 
Kürassiere des Grafen Pompejo aber braune Kollets und grüne 
Hoson. Graf Bouquoy befahl, dafe die Kürassiere und Pikeniere 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Ädjustirung der österreichischen Armee. 



81 



nur schwarze Rüstungen tragen durften und es wurde später die 
schwarze Farbe auch bei den Rüstungen und Brustharnischen der 
Generale und Offiziere eingeführt. 

Später erfolgten wiederholt Bestimmungen über die von dem 
Manne mitzuführendc Schulszahl, Kaliber der Musketen, Länge der 
Piken und andere Dinge. Der Herzog von Friedland befahl, dafs 
fortan von den Offizieren nur rote Feldbinden getragen werden 
sollten. Dieser Befehl wurde von Gallas erneuert und erhielten sich 
die roten Feldbinden bis in die Zeit Leopolds I, wogegen bei den 
Offizieren der Infanterie und bei den Arkebusieren noch häufig blanke 
Harnische zu finden waren. Die bekannte Erzählung Fr. v. Schillers 
von dem Offizier, welcher auf das von Wallen st ein erlassene Verbot 
der roten Feldbinden seine Feldbinde herabrifs und mit Füfsen trat, 
wofür er von dem Herzog befördert wurde, dürfte also in Bezug auf 
die Farbe einer Berichtigung bedürfen. Es existirt wahrscheinlich 
kein Bild des Herzogs von Friedland, auf welchem derselbe der 
Sitte jener Zeit entsprechend im vollständigen Harnisch dargestellt 
worden wäre. Im Gefechte trug dieser Feldherr über einem Seiden- 
wamms ein Lederkoller, bei der Musterung der Truppen und über- 
haupt bei militärischen Feierlichkeiten aber mit Vorliebe einen weifsen 
mit Gold gestickten Rock (über diesen wohl auch ein dunkles 
Koller) und rote Hosen. Es ist dieses nicht sehr bekannt, aber 
schon darum merkwürdig, weil dieser Anzng die Hauptfarben der 
heutigen Gala- Uniform der österreichischen Generale besafs! Auch 
die andern Generale trugen häufig rote Beinkleider und wenn sie keine 
volle Rüstung trugen, lederfarbige Röcke mit langen Schöfsen und 
breitkrämpige, zuweilen mit Federn geschmückte Hüte. Ihre Rüstung 
bestand, auch als jene der Kürassiere schon bedeutend erleichtert 
worden war, noch durch lange Zeit aus Brust- und Rückenharnisch, 
Arm- und Beinschienen, sowie einem meist offenen Helm. Manche 
trugen blos ein Panzerhemd unter oder auch über dem Rocke. Nach 
und nach fiel jedoch ein Stück der Rüstung nach dem andern hinweg 
und es verblieben noch die Kürasse, bis auch diese unter der Re- 
gierung der Kaiserin Maria Theresia von den Generalen abgelegt 
wurden. Wenn sich Portraits aus weit späterer Zeit finden, auf 
welchen die Generale mit einem Kürafs erscheinen, so waren dieselben 
entweder Inhaber eines Kürassierregiments oder sie hatten die Be- 
willigung zum weiteren Tragen der bisherigen Uniform erhalten. So 
wurde auch von mehreren Generalen (Colloredo, Ferraris u. A.) 
nach Abschaffung der Zöpfe um deren Beibehaltung gebeten. 

Im weiteren Verlaufe des dreifsiggährigen Krieges näherte sich 
die Kleidung der Soldaten immer mehr der Uniformirung und es 

MrlücW fttr die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 1. 6 



8'2 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



wurde die Sache nur dadurch erschwert, dafs die Soldaten, die noch 
immer selbst für ihre Bekleidung sorgen mulsten, bei dem häufigen 
Soldmangel und der immer magerer werdenden Beute aufser Stande 
waren, sich neue Kleider anzuschaffen, sowie dafs sehr häufig die bei 
WafVenstreekungen ganzer Truppen gemachten Gefangenen ohne 
Weiteres „untergestellt", d. h. einer Truppe eingereiht wurden. Wie 
indessen bei den Schweden und ihren Verbündeten der graue schwedische 
Pelz und bläuliche Röcke sich eingebürgert, so kam auch bei der 
kaiserlichen Infanterie und bei den Dragonern, die um 1630 an die 
Stelle der Arkebusiere traten, ein ziemlieh langer gelber (eigentlich 
leder- oder drapfarbener) Rock mit weiten Ärmeln ziemlich all- 
gemein in Gebrauch. Aufschläge und Kragen von einer anderen 
Farbe waren nicht üblich, wohl aber Achselwülste (zum leichteren 
Tragen des Gewehrs) und Bandschleifen und andere Zier bei den 
Trompetern und Tambouren, die überhaupt sehr auffällig herausgeputzt 
waren. Dazu kamen ziemlich faltige, häufig dunkel- oder krapprote, 
violette oder blaue Hosen, breitkrämpige Hüte, bei dem Fufsvolke 
Strümpfe oder Kamaschen und bei den Reitern Stiefel mit langen, 
ziemlich weichen und oben weiten Schäften. Das Schwärzen der 
Stiefel wurde erst später üblich. 

Die damals noch ganz zunftmäfsig organisirton Artilleristen trugen 
nur ausnahmsweise Brustharnische und Sturmhauben, sondern ge- 
wöhnlich Wämmser, Kniehosen und Barette oder Hüte mit schmäleren 
Krampen. Die blaue Farbe scheint bei ihnen beliebt gewesen zu sein. 
Die Ungarn und Croaten waren so wie früher gekleidet, nur war bei 
ihnen der Panzer noch seltener geworden, dafür aber führten die 
unberittenen Croaten aufser dem Gewehr auch noch Handschar, Messer 
oder Dolche und die berittenen Säbel, Gewehr und eine oder zwei 
Pistolen. Die Gleichförmigkeit der Bewaffnung wurde dadurch be- 
fördert, dafs dieselbe in der letzten Zeit des Krieges meistens von 
der Regierung oder von dem das Regiment Errichtenden beigestellt 
wurde. 

Ein bedeutender Teil der Armee wurde auch nach dem Kriege 
im Sold behalten. Doch hat die Absicht, stehende Truppen zu halten, 
jedenfalls schon im Beginn des Krieges bestanden, wie aus dem be- 
kannten Privilegium der Dampierre-Kürassiere, dafs „das Regiment 
niemals aufgelöst werden solle", zu vermuten ist. Aufser dem Wunsche, 
die Disziplin leichter zu handhaben und der Truppe mehr Ansehen 
zu verschaffen, mufstc auch das Beispiel der anderen Staaten darauf 
hinwirken, diese stehenden Truppen gleiehmäfsig auszurüsten und zu 
bekleiden Anfänglich sollte Solches auf eigene Kosten der Soldaten 
geschehen, dann wurde ihnen die Montur gegen Soldabzüge und von 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 88 



1697 an als Gebühr mit bestimmter Dauerzeit für jedes Stück geliefert. 
In der Schlacht bei St. Gotthard waren die meisten Truppen bereits 
gleichmäßig gekleidet. 

Die Farbe und Form des bisherigen, ziemlich zweckmäfsigcn 
und bequemen Anzuges wurde ziemlich unverändert beibehalten. Die 
Röcke waren jedoch mit einem Stoff von anderer Farbe gefüttert. 
Da die ziemlich langen Ärmel bei der Handhabung des Gewehrs oder 
Säbels umgestülpt wurden, so bildeten sich sehr bald die Aufschläge 
heraus, denen dann die Kragen folgten. Die Verminderung der Zahl 
der Piken bei der Infanterie ermöglichte eine noch gröfsere Gleich- 
förmigkeit der Kleidung. Doch blieb nur das Bestehen der Uniform 
überhaupt von der Regierung bestimmt, während die Details ganz 
von den Inhabern, ja von den Obersten der Regimenter abhingen und 
war die Gleichförmigkeit des Anzuges der Regimenter derselben Waffen- 
gattung mehr einer stillschweigenden Übereinstimmung oder der Tradition 
beizumessen. 

Durch den Einflufs der in grofser Zahl in der Armee dienenden 
deutschen und französischen Offiziere kam jedoch an Stelle der gelben 
die hellgraue und selbst die weifse Farbe in Aufnahme und wurde 
nach 1G70 der Anzug trotz seiner Einfachheit auffälliger und parade- 
mäfsiger, bei den Offizieren aber kostspieliger, da Tressen und Stickereien 
in sehr reichlichem Mafse angebracht wurden. Auch wurden die bisher 
sehr unbestimmt abgegrenzten Chargengrade genau geregelt und auch 
bestimmte Gradabzeichen eingeführt. Dieselben bestanden in 
Tressen, Ringkragen, hauptsächlich aber in dem Obergewehr und der 
Verzierung desselben und dein Stock oder Rohr. Die Feldwebel, 
Wachtmeister und Korporale trugen einfache Stöcke (später aus- 
schliefslich von Haselholz) ohne Knopf .in einem Riemen. Der Fähnrich 
hatte kein Gewehr, sondern nebst dem Degen einen langen sogenannten 
Springstock, mit welchem er vor der Front die anbefohlenen Gewehr- 
griffe ..vormachen" mufste. Der Lieutenant hatte einen Degen, einen 
Rohrstock ohne Knopf und eine einfache Hellebarde (aus welcher 
später das kürzere und leichtere Sponton wurde) ohne alle Verzierung. 
Die Hellebardo des Hauptmanns war mit seidenen, silberdurchwirkten 
Fransen oder einer dergleichen Quaste und sein etwas dünnerer Stock 
mit einem Beinknopfo versehen. Der Obristwaehtmcistcr hatte einen 
Stock mit dickem silbernen Knopf und einem Kcttchen daran, der 
Oberstlieutenant einen dünneren Rohrstock ohne Kettchen; und seine 
Hellebarde war entweder mit golddurchwirkton seidenen Fransen besetzt 
oder es war die Spitze teilweise vergoldet. Der Oberst endlich hatte 
an seinem Rohr einen goldenen Knopf, sowie an der Hellebarde 

6* 



Digitized by Google 



84 



Zur Geschichte der Adjußtirung der österreichischen Armee. 



Silberfransen und eine ganz vergoldete Spitze. Das Rohr oder der 
Stock wurde auch aufser Dienst getragen. 

Kurz vor dem Beginne des grofsen Türkenkrieges (1G83) durfte 
bei der ganzen österreichischen Armoo die Einführung der Uniform 
als feststehend angenommen werden, wenn auch dieselbe durch 
keine besondere Vorschrift begründet, sondern nur „allgemein ge- 
bräuchlich" war. 

Die- Infanterie trug nun meist perlgraue, hie und da auch 
weifse Rücke mit langen Schöfsen, welche während des Marsches 
vorn und rückwärts aufgeschlagen und zusammengehaftelt wurden, 
unter diesem Rock das Kamisol — eine Weste mit Ärmeln und kurzen 
Schöfsen, weifse, bereits ziemlich enge Tuch- oder Lederhosen, 
bis über die Kniee reichende Strümpfe oder Kamaschen und geschwärzte 
Schuhe. Die Krampen des niederen Hutes wurden bei manchen 
Regimentern schon aufgestülpt getragen. Das Kamisol konnte auch 
ohne Rock getragen werden. Dagegen kamen die Stülphandschuhe^ 
welche früher von der ganzen Mannschaft getragen worden waren, 
bei den Musketieren fast überall in Wegfall und wurden dieselben 
nur von den Ober- und Unteroffizieren, sowie von den Pikenieren 
(bei diesen aus Büffelleder) getragen. 

Die Kürassiere waren mit braunen Röcken und weifsen 
Kamisols von gleichem Schnitt, aber auch mit weifsen Mänteln, 
roten Hosen und Stiefeln mit hohen, steifen Schäften bekleidet Als 
Kopfbedeckung diente eine Sturmhaube oder ein durch ein eisernes 
Kreuz oder eine Schale „hiebfest gefütterter" Hut und auch der 
Kürafs wurde zuweilen durch ein Büffelkoller ersetzt. 

Weit ungleichförmiger war die Bekleidung der Dragoner. Es 
gab Regimenter mit grünen, blauen und roten Röcken und 
weifsen oder blauen Kamisols. Die Hosen waren meist weifs, die 
Mäntel und Stiefel wie bei den Kürassieren, dio Hüte wie bei der 
Infanterie. Die Dragoner trugen auch rote oder weifse Achsel- 
schnüre, in welche sich mit der Zeit die „Fouragierleinen," welche 
die Dragoner ursprüglich gehabt hatten, verwandelt hatten. Sie 
führten gleich den Kürassieren Pallasche, zwei Pistolen und einen 
langen Karabiner, der aber doch kürzer als das vordem eingeführt 
gewesene Gewehr war. 

Die Artilleristen waren nach dem Schnitt der Infanterie, 
jedoch meist dunkelblau, dunkelbraun oder schwarzgrau gekleidet und 
es trug der Büchsenmeister nebst dem Degen einen mit einer eisernen 
Spitze versehenen langen Zündstock. Übrigens scheinen die Artilleristen 
gewöhnlich ihre Kleidung selbst beschafft zu haben. Die Ingenieure, 



Digitized by V^OOQle 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



85 



wenn sie sich nicht im Stande eines Regiments befanden, scheinen 
volle Freiheit in der Wahl ihrer Kleidung gehabt zu haben. 

Obgleich Ungarn noch keine stehende Truppen hatte, da Fufs- 
gänger und Reiter erst im Bedarfsfalle angeworben oder aufgeboten 
und nach dem Kriege sogleich wieder entlassen wurden, so erschienen 
doch die einzelnen Korps und Kompagnien (die Bezeichnung „Regiment" 
war sehr selten) ziemlich gleichförmig — freilich ganz nach dem 
Belieben ihrer Chefs — gekleidet. 

So trugen dieHaiduken blaue, gelb oder rot verschnürte Attillas, 
rote Hosen, weilae Mäntel, rote Leibgürtel, braune Schnürschuhe 
und eigentümlich gestaltete graue Filzkappen. Sie waren mit Gewehr 
und Säbel und aufserdem mit einem Beilstock bewaffnet. Die Croaten, 
unter denen man damals nur die aus der nachmaligen Militärgrenze 
aufgebotenen Fufsgängor verstand, waren in ihrer — nach den ver- 
schiedenen Bezirken sehr verschiedenen Landestracht gekleidet. Auf- 
fallig waren die von vielen getragenen Mäntel von roter oder einer 
anderen grellen Farbe. Ihre Kopfbedeckung waren niedere Hüte mit 
sehr breiten Krampen oder kleine rote Kappen (die Vorläufer des 
heutigen Fez). 

Die Hufsaren erschienen in braunen, blauen, grünen oder roten 
Attilas oder Dobians, die mit Schnüren von verschiedener Farbe 
weit oder eng benäht waren, fast immer in blauen Hosen, gelben 
oder roten Tschismen (ungarischen Halbstiefeln), bunten Leibgürteln, 
niederen Kaipaks und weifsen Mänteln oder kurzen Pelzen. Sie 
«aren mit schweren, krummen Säbeln — deren Griff nur eine 
Parirstange hatte, zwei Pistolen und zuweilen mit einem Karabiner 
bewaffnet. Die kurze Pike war bei ihnen fast ganz aufser Gebrauch 
gekommen. Erst 1088 wurde das erste Regiment, das anfänglich 
k'anz rot bekleidet war, und 170*2 das erste ungarische Infanterie- 
regiment bleibend errichtet. 

Die Generale hatten reich mit Gold gestickte Röcke von Farbe 
und Schnitt wie bei der Infanterie, darunter gestickte lange Westen, 
einen Brustharnisch, Reiterstiofel, meist weifse oder gelbe Hosen und 
Hüte, deren breiteKrämpen etwas aufgeschlagen und häufig mit Schnüren 
oder Tressen, auch wohl mit einem Besatz von Federn geziert waren- 
Hie Feld binden, bei den Generalen von Gold, bei den Offizieren je 
nach dem Range aus gelber Seide oder Wolle mit oder ohne Gold- 
stickerei, wurden um die Hüften getragen. Häufig trugen die Generale 
die Uniform ihrer Regimenter, bei Hoffesten aber einen ihrer Uniform 
ähnlichen Gala-Anzug mit Strümpfen und Schuhen oder, wenn die 
Etiquette es verlangte, das entsprechende Hofkostüni. Die Haare 



Digitized by Google 



8(5 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



durften lang getragen werden und bald wurden bei den Generalen 
und höheren Offizieren die Allongcperrücken üblich. 

Die fast ununterbrochen währenden Kriege beschäftigten die 
oberste Leitung des österreichischen Heerwesens zu sehr mit anderen 
Dingen, als dafs dieselbe die so wünschenswerte Regelung der Be- 
kleidung der Truppen in die Hand genommen hätte. 

Indessen feldte es doch schon in dor nächsten Zeit nicht an ver- 
schiedenen Änderungen, unter denen die Errichtung der Grenadiere 
und die gänzliche Abschaffung der Piken die bedeutendsten waren. 
Die Vergrößerung des Ländergebiets forderte auch eine Vennehrung 
der Armee und die von verschiedenen ausländischen Fürsten erriebteten 
und ausgerüsteten und von Osterreich übernommenen Regimenter 
brachten Störung in die kaum erzielte Gleichförmigkeit. Dennoch 
dauerte es ziemlich lange, bis man sich zu einem entschlossenen Auf- 
treten entschlofs und die Rechte der Proprietäre etwas beschränkte. 
Auch mochte bei einigen mafsgebenden Persönlichkeiten (z. B. Her- 
mann von Baden, Rüdiger Starhemberg und Fürst Mannsfeld) 
aus Liebe zum Althergebrachten eine Abneigung gegen jede Änderung 
bestehen, was bei den unbestreitbaren Verdiensten dieser Männer von 
um so gröi'serer Bedeutung war, so dafs erst, als Prinz Kugenius 
die oberste Leitung erlangte, das Reformwerk begonnen werden konnte. 

Und auch da ging es ziemlich langsam und erst 1720, also nach dem 
Ende der grofsen Türken- und Franzosenkriege, erschien das von 
Carl VI. genehmigte ,,Regulament", worin aber nicht die Farbe der 
Montur, sondern nur die Gattung des Stoffes und die Form 
anbefohlen wurde. Für die Kavallerie wurde 1720 bestimmt, wie es 
mit der „Regimentsuniform" zu halten und dafs das Tuch von der 
nämlicben Gattung und Farbe zu nehmen sei, „wie es das Regiment 
immer zu haben pflege". In einem bald darauf erschienenen Er- 
gänzungsreglement, den „Observationspunkten" des F. M. Gr. Kheven- 
h iiiler waren sehr eingehende Bestimmungen über die Adjustirung 
enthalten, jedoch auch nur für die Kavallerie. 

Bei den Kürassieren waren die Lederkoller und Helme bereits ab- 
geschafft und teilweise schon weifse Röcke eingeführt worden. Die 
Dragoner, welche jetzt ausdrücklich wieder als berittene Infanterie 
bezeichnet wurden, hatten zumeist rote Röcke mit schwarzen, blauen 
oder grünen Aufschlägen, blaue Kamisols und Hosen, dann mit 
schmalen Silbertressen besetzte Hüte und weifse Mäntel mit rotem 
Futter (bei den Offizieren) und Kragen, hohe Reiterstiefel, Pallasche, 
Pistolen und Flinten. Letztere waren kurz vorher mit Bajonetten 
versehen worden. Die langen Haare wurden entweder rückwärts mit 
einem Bande zusammengebunden oder in ein Netz gesteckt. Der während 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



87 



einer kurzen Zeit abgeschaffte Schnurrbart wurde 1705 wieder ein- 
geführt. 

Die Grenadiere, von denen ursprünglich jeder Infanterie- 
kompagnie 8 Mann zugeteilt wurden (HJ70), waren zuerst wie die 
Musketiere bekleidet und unterschieden sich von diesen nur durch die 
ihrer Dienstleistung entsprechende Ausrüstung. Sie wurden 1701 in 
Kompagnien zusammengezogen und erhielten spitzige, jedoch mäfsig 
hohe Blechmützen, die jedoch bald durch ähnlich gestaltete aus 
Bärenfell ersetzt wurden. Da die langen und blos mit Hafteln zu- 
sammengehaltenen RockschöTsc oft hinderlich waren, so wurden 17^5 
zuerst bei don Grenadieren die umgeschlagenen Schofsränder bleibend, 
angeheftet und so wurde der eigentliche! Uniformrock goschaffen. 

Zwei Jahre spätor bestimmte endlich ein kaiserlicher Erlafs in 
eingehender Weise die Bekleidung der sämmtlichen „Regimenter zu 
Kufe* 4 . Dieselben sollen „gleichmäfsig montirt werden und zwar die 
Röcke von gutem perlfarbigen Tuch" in der gehörigen Länge und 
Weite, „damit die Mannschaft, weil sie mit keinem Mantel versehen 
ist, sich und das Gewehr damit genugsam bedecken möge". Dagegen 
durften die Aufschläge, die Kamisols und Hosen von einer „dem 
Obersten beliebigen Farbe" sein, doch mufsten die ersteren nach altem 
Gebrauche mit Knöpfen versehen und so gemacht werden, um sie 
herabzuziehen und „die Hände und das Gewehr bei Kälto und Regen 
bedecken zu können". Auch die Dragoner erhielten bald darauf 
ähnliche Röcke. Bei den Husaren waren schon früher die Säbel- 
taschen und die auf dem Rücken hängenden Pelze üblich geworden, 
auf der linken Schläfe waren die Haare in einen Zopf geflochten. 
Bei der ungarischen Infanterie war der Hut, jedocli anfänglich anders 
gestülpt als bei den übrigen Truppen, eingeführt worden. 

Die spärlichen Anfänge der technischen Truppen, nämlich Mincure 
und Pontonniere, hatten blaue Röcke und auch die Artillerie erschien 
gleichmäfsiger als vordem gekleidet. 

Diese im Ganzen nicht unschöne und jedenfalls bequeme Ad- 
justirung erfuhr in und nach dem österreichischen Erbfolgekriege eine 
bedeutende Änderung. Teils aus Ersparungsrücksichten, mehr aber 
in Nachahmung der Monturen der fremden Armeen wurden die ein- 
zelnen Stücke enger und die Kopfbedeckungen schwerer gemacht, 
besonders aber dio Uniformen der Offiziere in „bemerkbarerer Weise" 
ausgestattet. Das Portepee, aller Wahrscheinlichkeit nach die Quaste, 
die man von der allmälig abgeschafften Hellebarde und dem diese 
ersetzenden Sponton, besonders als dieses zu Pferde nicht mehr go- 
führt wurde, auf den Degen übertragen hatte, wurde nun für alle 
Offiziere, jedoch jo nach dem Grade in verschiedener Gröfse eingeführt. 



Digitized by V^OOSle 



88 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



Zugleich aber wurde für die Infanterie und Grenadiere, sowie für die 
Kürassiere und die meisten Dragoner-Regimenter, dann für den Gala- 
Anzug der Generalität statt des perl- oder elfenbeinfarbigen das 
weifse Tuch eingeführt. Da die Truppen mehrerer anderer Armeen 
schon weit früher weifs montirt waren und es bis zum Beginn dieses 
Jahrhunderts blieben, so darf die Phrase von dem „historischen weifsen 
Kock" nicht ausscliliefslich für die österreichische Armee, sondern 
nur auf ihre Bekleidung bis zum letzten Drittel unseres Jahrhunderts 
gelten. 

Die Röcke der Infanterie, Grenadiere und Dragoner er- 
hielten Rabatten, breite Aufschläge und waren die letzteren nur mehr 
zur Zierde aufsen mit Knöpfen besetzt. Der Rockkragen war sehr 
schmal und meistens von der Farbe des Rockes. Dagegen erhielt die 
Mannschaft Achselklappen von mäfsiger Breite*). Die Beinkleider, 
die Westen und Kamaschen der Infanterie, sowie der Grenadiere 
waren weifs, wogegen die Dragoner zum Teile grüne Röcke und 
Westen erhielten. Doch wurden für die Mannschaft der Infanterie 
später die weifsen Kamaschen nur zur Parade, sonst aber schwarze 
vorgeschrieben. Die Hüte wurden nun auch bei der ungarischen 
Infanterie eingeführt und erhielt die letztere bald nach dem Kriege 
weifse Röcke, welche vorn statt der Rabatten mit breiten Tuchlitzen 
(ähnlich den „Brandenburgs") benäht waren. 

Die Umformen der Generale wurden noch reicher gestickt als 
bisher getragen. Generale, welche ein ungarischos Regiment kommandirt 
hatten, erhiolten eine besondere Uniform, welche aus reich ver- 
schnürtem Dolman, Pelz und Hosen — jedoch damals durchaus von 
weifsom Tuch und einem Kaipak mit einer Reiherfeder bestand. Der 
Ilaarbcutel war durch den Zopf ersetzt worden, indem man zuerst 
das rückwärts herabhängende Haar der Längo nach einfach mit einem 
Band umwickelte, dann aber geflochten hatte. An beiden Schläfen 
befanden sich zwei wagerechte Haarlocken. 

Es ist wiederholt bemerkt worden, dafs einem gröfseren Kriege 
eine neue Organisation der Armee zu folgen, bei einem Regierungs- 
wechsel aber eine Änderung der Adjustirung stattzufinden pflege. 
Letztere Änderung trat aber in Österreich häutig auch nach einem 
Kriege, zumal nach einem unglücklich geführten ein. Ks war Solches 
nicht ungerechtfertigt, wenn auch - besonders in der Neuzeit — • 
die Einwirkung einer mangelhaften Adjustirung oft weit übertrieben 
dargestellt wurde. Die nach 1748 anbefohlenen Änderungen waren 



*) Die Achselklappen hiefsen „Dragoner' 4 und werden auch jetzt selbst 
amtlich „Achseldragoner" oder kurzweg „Dragoner" genannt. 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



80 



bedeutend und wären, da sie für notwendig erkannt wurden, ver- 
mutlich schon früher durchgeführt worden, wenn die Verhältnisse es 
gestattet hätten. Sie standen mit der Umgestaltung des ganzen Heeros- 
wesens in enger Verbindung und fanden zum Teil erst kurz vor 
Beginn des siebenjährigen Krieges ihren Abschlufs. 

Die Artillerie, von dem Fürsten Liechtenstein in höchst 
zweckmässiger Weise umgestaltet, erhielt eine neue Bekleidung, welche 
in reh farbigen Röcken mit roten Kragen und Aufschlägen, weifsen 
Hosen und rehfarbenen Kamaschen bestand. Die letzteren wurden 
später durch schwarze Kamaschen, bei den Offizieren durch hohe 
Stiefel ersetzt. Der Hut war bei dor Mannschaft mit einem weifsen 
Bande, dagegen schon bei den Unteroffizieren mit einer schmalen 
Goldtresse, bei den Offizieren mit einer breiteren geziert. Die lange 
Weste war bei den Offizieren und Feuerwerkern rot, bei den andern 
Unteroffizieren und den Kanonieren rehfarbig. 

Die noch zur Artillerie gerechneten Mineure und die Pon- 
tonniere waren in ähnlicher Weise, nur mit blauen Röcken be- 
kleidet und waren die Westen und Aufschläge kirsch- und liehtrot. 
Auch bei den anderen Truppen erhielten die Röcke Kragen von der 
Farbe der Aufschläge, teils stehend, teils umgeschlagen und von ver- 
schiedener Breite. Die Generale trugen wieder die seit längerer Zeit 
nicht mehr üblich gowesenen roten Hosen. Die Grenadiere erhielten 
höhere als die bisherigen Mützen und legten die grofsen Granaten- 
taschen, sowie die Dragoner die Achselschnüre ab. 

Die bedeutendste Änderung aber erfuhr die Bekleidung der 
Croaten oder der Greuzer, wie sie fortan genannt wurden. Ohne 
das Verdienst der sich 1741 für ihre Königin erhebenden Ungarn zu 
bestreiten, mufs man doch zugestehen, dufs mindestens die Hälfte der 
in der ersten Zeit marschbereit gemachten Truppen in dem Gebiete 
der Militärgrenze und wohl auch in Serbien und Bosnien gesammelt 
worden war. Diese Truppen erschienen in ihrer Landestracht, welche 
bei der Längenausdehnung des Grenzgebietes und der religiösen und 
sprachlichen Verschieden lieit seiner Bewohner sehr verschieden war, 
so dafs Viele gleich dem Historiker Pelz el die aus den verschiedenen 
Bezirken (nach welchen später die Regimenter benannt wurden) 
stammenden Korps, welche an Kopfzahl drei bis fünf Bataillonen . 
gleichkamen und die in den „unteren Gegenden" gesammelten Frei- 
korps, z. B. die Likaner, Warasdiner und Peterwardeiner oder 
die Maroscher, Theifser und Slavonier für ebenso viele „Völker- 
schaften" hielten. Und doch waren os nur die in diesen Bezirken 
seit alter Zeit wehrpHichtigen und waffengeübten, doch vom Staate 
nicht bekleidete Milizen und von den Magnaten dieses oder jenes 



Digitized by Google 



90 



Zur Geschichte der Adjtwtirung der österreichischen Armee. 



Konritats in der üblichen Weise geworben und nach Willkür bekleidete 
Freiwillige der verschiedensten Nationalität! Anders stand es mit 
den vielgenannten Panduren. 

Frh. v. der Trenk, dem fünf der gröfsten Herrschaften in 
Slavonien gehörten, unterhielt zur Sicherung dieses, viele Quadrat- 
meilen umfassenden, aber durch Räuber oft heimgesuchten Besitzes 
eine Menge bewaffneter Diener, die ihn, von der Ausrüstung abgesehen, 
sehr wenig kosteten und — wie die bewaffneten Leibdiener anderer 
Edelleute und die Polizisten der Städte und Komitato - „Panduren" 
genannt wurden. Auch heute ist diese Benennung nicht selten, nur 
sind die Haiduken, Panduren oder Trabanten der Städte, Komitate 
und Magnaten jetzt immer als „Husaren" gekleidet. Nur so ist er- 
klärlich, dafs Trenk schon drei Wochen, nachdem er sich zur Auf- 
stellung eines Korps von 1000 Mann erboten hatte, dasselbe voll- 
ständig organisirt, bekleidet und bewaffnet nach Wien führen konnte. 
Er liefs erst jetzt auf seinen Gütern werben und konnte, da es ihm 
nicht an Zulauf fehlte und die Ausrüstung vorrätig war, sein Korps 
bald nahezu verdreifachen. 

Diese Panduren trugen anfänglich blaue, später grüne Dolmans, 
blaue enge Hoson und Opanken (die bei den Südslaven gebräuchlichen 
Schuhe) oder Schnürschuhe, den Fez (Offiziere einen Kaipak) und einen 
weiten blutroten Mantel mit Kapuze und waren mit Waffen in über- 
reichlicher Weise ausgerüstet. Sio sahen also ebenso aus, wie die 
„Rotmäntler" welche in den Franzosenkriegen, oder die „Seressaner", 
welche 1848 von sich reden machten und sich nur durch braune 
Röcke von den Panduren unterschieden. Die Seressaner erhielten 
sich als die „Gendarmerie" der Militärgronze bis zu deron Auflösung. 
Das Pandurenkorps kam nach Trenk s Entfernung unter andere 
Kommandanten und behielt seine Kleidung bei, bis es 1756 in ein 
reguläres Infanterie-Regiment umgewandelt und dementsprechend aus- 
gerüstet wurde. 

Aus den Grenzern wurdon dagegen successive eigene Grenz- 
Regimentor formirt, die zumeist nach den Hauptorten der Bezirke, 
denen sie angehörten, benannt wurden. Die Montur war dem Schnitt 
nach jonor der ungarischen Infanterie gleich, nur waren die Röcke 
dunkelbraun und dio Beinkleider von Leder oder hanfgrauem Tuch. 
Die bei den Kompagnien eingeteilten „Scharfschützen" waren durch 
Schnüre und Quasten ausgezeichnet. In der Hoimat vorrichteten die 
Grenzer den Wachtdienst auf dem Kordon und die meisten anderen 
Dienste in dor sogenannten „Hausmontur", d. h in ihrer bäuerlichen 
Kleidung. (Schlufs folgt). 



Digitized by Google 



Zwei reitende Batterien in Not. 



5U 



VI. 

Zwei reitende Batterien in Not. 

"Während des sogenannten Dahlgreen Raids (im März 18<>4) 
machte, um die Aufmerksamkeit der Konfnderirten von der Sicherung 
Richmonds abzulenken, General Cüstor der Nord-Armee einen zweiten 
J?aid von Culpeper nach der Albimarle County. 

Kapitän Moorman, der die zwei Batterien der reitenden Artillerie 
Stuarts führte, hatte mit seiner Abteilung im Walde in der Nähe von 
Charlottesville (östlich der Aleghanis) ein Lager bezogen, als ein 
Offizier ihm die Nachricht brachte, dafs feindliche Kavallerie (Güsters 
Brigade) im Anmärsche sei. Moorman liefs in aller Stille das Lager 
allarmiren und stellte wegen der grofsen Nähe der feindlichen An- 
marsch-Kolonne sofort per Batterie zwei, also 4, Geschütze auf und 
liefs sie Feuer geben, um für die Fahrer die Zeit zu gewinnen, die 
loso weidenden Pferde einzufangen, anzuschirren und die Batterien 
zu bespannen. Die fahrbar gemachten Geschütze und Wagen wurden 
sofort zurückgeschickt, während Moorman, um seine isolirte Lage 
zu verheimlichen, einen Teil der Bedienungsmannschaften in der Front 
ausschwärmen liefs, doch war diese Schützenlinie ganz ungefährlich, 
da sie aufser mit oinigen Pistolen gänzlich unbewaffnet war. 

Sie hielten den Feind in der That einige Zeit auf, wurden dann 
aber bald zurückgetrieben. Dem Kommandeur blieb nun in seiner 
Verlegenheit nichts übrig, als mit allen übrigen Bedienungsmann- 
schaften Kavallerie zu „markiren", indem sie sich in möglichster 
Breite auf den Flügeln der Batterie zeigen mnfsten, nachdem die 
4 Geschütze in besserer Stellung rückwärts aufgestellt worden waren. 
Der Feind hielt sich aber glücklicher Weise damit auf, das verlassene 
Lager anzuzünden, wobei ein stehen gebliebener Munitionswagen in 
die Luft flog. Dieses brachte Verwirrung und Irrtümer hervor, indem 
ein Teil der feindlichon Kavallerie glaubte, dafs dort auch noch 
Geschütze ständen und in Folge dessen nun ihre eigenen Kameraden 
anpirschte und beschofs, so dafs fast ein regelrechtes Gefecht ent- 
stand. Diesen Augenblick benutzten die beiden Batterie-Chefs Moor- 
man's, um mit ihren „markirenden" Schwadronen einen reollen, 
energischen Angriff auf die Parteien zu machen. Da diese nicht 



Digitized by Google 



<>-2 



Friedrich der Grote und General Chasot. 



wufsten, wio ihnen geschah, zogen sie sich eiligst nach dem Rapidan 
zurück. Moorman meint in seinem Berichte, dafs dio Feinde bis 
zum Schlufs wohl nicht bemerkt hätten, was eigentlich los gewesen 
sei. Dieses bestätigen die offiziellen Berichte Güsters. Moorman 
aber hatte durch seino Geistesgegenwart und seinen „pluck" nicht 
nur die Geschütze gerettet, sondern auch dem Raid sichtlichen Abbruch 
gethan. 26. 



VII. 

Friedrich der Grofse und General Chasot. 

Unter diesem Titel erschien im vorigen Jahre eine Schrift*), 
welche im Januarhefte 1894 der „Jahrbücher" (S. 117 ff.) eine Be- 
sprechung fand. Verfasser dieser Schrift nannte die Memoiren Chasot' s 
(welche nicht mehr vorhanden sind und vor 100 Jahren von einem 
Lübecker Gelehrten, Namens Kröger, der sie eingesehen hat, zu einer 
„Vorlesung" benutzt wurden) eine authentische Ergänzung der 
fridericianischen „Histoire de mon temps" und die erwähnte „Vor- 
lesung" „ein historisches Donkmal ersten Ranges". Verfasser 
meinte fernor, es sei rätselhaft, „wie eine so überaus kostbare Hand- 
schrift (nämlich dio von Kröger zu Papier gebrachte „Vorlesung") 
fast ein Jahrhundert hindurch habe verborgen bleiben können," ferner: 
„ein günstiger Stern habe ihn zum glücklichen Finder gemacht, und 
er hoffe mit seiner archivalischen Entdeckung der Welt eino obonso 
lehrreiche wie interessante Gabe darzubringen." 

Ich habe in meiner Besprechung darzulegen gesucht, dafs ein 
wissenschaftlicher Wert der Krögerschen Vorlesung und deren 
Bearbeitung nicht beizumessen sei und weifs mich in diosem Urteile 
eins mit den genauesten Keimern der fridericianischen Zeit und ver- 
schiedenen Fachgelohrton von Ruf. 

Im April d. J. erschien eine Streitschrift desselben Verfassers, 
betitelt: „Abwehr einiger gegen meine Schrift „Friedrich der Grofse 
und General Chasot" erhobener Einwendungen." Dieselbe wendete 
sich hauptsächlich gegen meine Besprechung, dann gegen diejenige 
der „Täglichen Rundschau" und endlich gegen einen Artikel des 

*) Friedrich der Grofse und General Chasot. Nach der bisher 
ungedruckten Handschrift eines Zeitgenossen. Von K. Th. Gaedertz. Bremen 
1893. C. Ed. Müllers Verlagsbuchhandlung. 



Digitized by Google 



Friedrich der Grofue und General Chasot. 



93 



Mi 1.- Wochenblattes aus der Feder des General v. Albedyll. — Diese 
Streitschrift war jedoch in oinem Ton gehalten, welcher deren litte- 
rarische Berücksichtigung meinerseits vollkommen ausschlofs. Zu einer 
Erwiderung hatte ich um so weniger einen Anlaß), als es dem Verfasser 
nicht gelungen war, auch nur eine meiner rein sachlichen Ein- 
wendungen zu entkräften. 

Vor Kurzem hat nun mein Urteil über die G.'sche Arbeit eine 
überraschende Bestätigung und Ergänzung gefunden durch eine Mit- 
teilung der Zeitschrift: „Lübeckische Blätter," Nr. 37, den 9. Mai 
d. J., welche wir hiermit zur Kenntniis unserer Leser bringen. — 

Die genannten Blätter schreiben: „Karl Theoder Graedertz: 
Friedrich der Grofse und General Chasot." — „Die unter 
diesem Titel veröffentlichten drei Vorträge, welche im Jahre 1799 
der hiesige Gerichtsprokurator M. E. Kröger über den General Chasot 
in der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit gehalten 
bat, bezeichnet der oben genannto Herausgeber als seine archivalische 
Entdeckung. — Es hat sich deshalb die Anschauung verbreitet, dafs 
in diesen Vorträgen eine bisher völlig unbekannte Quelle durch 
selbstständigo Nachforschungen an's Tageslicht gezogen worden sei. 
Einer solchen Auffassung gegenüber verdient indefs hervorgehoben 
zu werden, dafs die erwähnten Vorträge nicht nur in dem von jeher 
wohlgeordneten Archive der Gesellschaft für jedes Mitglied zum 
Entleihen bereit liegen, sondern auch ihre Existenz durch das zuerst 
1848 veröffentlichte, dann 1889 neugedruckte und fortgeführte Ver- 
zeichnifs der in der Gesollschaft gehaltenen Vorträge und Vorlesungen, 
das sich in den Händen der 800 Mitglieder befindet, eine längst 
bekannte war. 

Auf Seite 15 des letzteren heifst es: 

1797. Dezb. 5| T , ... , 

(Leben unseres jungst verstorbenen 

^ J Kommandanten Graf von Chasot * 

Der beigefügte Stern (*) weist darauf hin, dafs diese Vorträge 
im Archiv der Gesellschaft aufbewahrt werden. Sollte also nicht 
dies der „günstige Stern" gewesen sein, der den Autor „zum glück- 
lichen Finder machte"? (S. 5). Ebenso wenig wie die erste Kenntniis 
der älteren Vorträge kommt dem Herausgeber die erste Benutzung 
zu. — Neu ist allerdings die Wertschätzung der Krögor'schen Hand- 
schrift als ein historisches Material. Doch ist die bisherige abfällige 
Beurteilung des Inhalts dieser Geschichtsquelle, zum Teil von be- 
rufenster Seite, wenig geeignet, für des Herausgebers Auffassung zu 
erwärmen." 

Soweit die „Lübeckischen Blätter". 



Konzept 
M. E. Kroeger. 



Digitized by Google 



94 



Friedrich der Grofee und General Chasot. 



Zur Charakteristik der Beziehungen Friedrich's zu 
Chasot im höheren Lebensalter haben wir noch Einiges beizubringen 
und verweisen unsere Leser auf den Schriftwechsel Beider, enthalten 
in den „Oeuvres de Frederic le Grand a (tome 25. S. 293 ff.). — Herr 
Gaedertz sagt in seiner Schrift (S. 74 1: „Mit eigener Hand lud ihn 
Friedrich II. im Jahr 1780 ein, den Winter bei ihm in Berlin und 
Potsdam zu verleben und seine beiden Sühne, die der König von 
Frankreich, den einen in seinem siebenzehnten und den anderen in 
seinem sechszehnten Jahre zu Kapitänen bei der Kavallerie betordert 
hatte und die soeben aus Frankreich gekommen waren, mitzubringen. 
Die jungen Chasots wufsten die Gunst Friedrichs so sehr zu ge- 
winnen, dafs der Vater auf dessen Befehl an den Kriegsminister, 
Herrn von Montbarrey, schreiben mufste, um zu erfahren, ob der 
König von Frankreich wohl geneigt sein möchte, sie ihm in seine 
Dienste zu überlassen ü u. s. w. 

Thatsächlich hat jedoch Chasot den König um Aufnahme seiner 
Söhne in den Verband der preufsischen Armee wiederholt gebeten. 
Friedrich war von dieser wiederholten Bittstellung nichts weniger 
als erbaut; denn am 31. Oktober 1779 schreibt er an Chasot: „Wenn 
Ihre Söhne im französischen Dienste untergebracht sind, so rate ich 
Ihnen, sie daselbst zu lassen, denn Sie werden wohl wissen, dafs 
es unmöglich ist, sie bei ihrer Ankunft als Kapitäns der Kavallerie 
in meiner Armee anzunehmen u. s. w. u — - Aber Chasot beruhigte 
sich bei diesem Bescheide nicht, er bat abermals, worauf ihm der 
König erwiderte id. d. Potsdam, 22. Februar 1780}: „Ich kann Ihnen 
meine Verlegenheit über das Anerbieten Ihrer beiden Söhne nicht 
verhehlen, zumal es in einer Weise geschieht, welche mich äufserst 
empfindlich berührt. Wenn ich nur der Bewegung meines Herzens 
folgen wollte, würde ich es annehmen und sie sofort anstellen. Aber 
da sie schon den Kapitäns-Titel im französischen Dienste führen und 
doch nicht einen niederen Grad annehmen können, so erlauben die 
in meiner Armee üblichen Grundsätze mir es durchaus nicht, sie in 
derselben Eigenschaft aufzunehmen. Wenn ich selbst in Anbetracht 
der väterlichen Verdienste eine Ausnahme von der Regel machen 
und den Widerwillen überwinden wollte, meine alten und ver- 
dienten Offiziere zu übergehen, so würde doch der vollzählige Etat 
des Kapitän-Korps ein neues Hindernifs bieten. Es scheint mir folglich 
mehr ihren Interessen zu entsprochen, dieselben im französischen 
Dienste zu lassen, wo sie. gemäfs dem Schreiben des Prinzen 
von Montbarrey, sicherlich ihr Glück machen werden" .... 

Darauf bittet Chasot in einem Schreiben vom selben Tage zum 
dritten Male. Der König erwidert etwas ungehalten am 23. Fe- 



Digitized by Google 



Friedrich der Große und General Chasot. 



95 



bruar 1780: „In Ihrem Schreiben vom gestrigen Tage bitten Sie 
abermals um Anstellung Ihrer Sühne in meinem Dienste, auf welche 
Weise es auch sei; ich will Ihnen erwidern, dafs ich augenblicklich 
keine Vakanz habe, Sie müssen sich jedenfalls gedulden, bis eine 
Stelle für dieselben offen wird. Nehmen Sie, wenn Sie wollen, in- 
dessen Ihre beiden Söhne mit sich nach Lübeck. Ich werde Sie 
benachrichtigen, wenn sich die Gelegenheit zu ihrer Verwendung 
bieten wird." — Diese Gelegenheit fand sich glücklicher Weise bald, 
denn am 27. März 1780 wurden beide als Lieutenants in zwei 
Kürassier-Regimentern angestellt. 

Gaedertz sagt in seiner Schrift (S. 74), dafs Chasot bei seinem 
letzten Besuche in Potsdam im Jahre 1784 „auf die ausgezeichnetste 
Weise behandelt wurde". Ich will nicht in Abrede stellen, dafs dies 
geschehen und der gütige König seinen Gast mit allerhand Liebens- 
würdigkeiten und Geschenken in reichem Malso bedacht hat, doch 
darf nicht unerwähnt bleiben, wie er in einem Briefe an den Prinzen 
Heinrich vom 2. Februar 1784 (vergl. Oeuvres, tome 2G S. 501) über 
ihn urteilt. Er schreibt daselbst: 

„Chasot ist von Lübeck hier eingetroffen, er spricht nur vom 
Essen, von Champagnerwein, Rheinwein, Madeira und Ungarwein, 
sowie von dem Prunk der Herren Kaufleute der Lübecker Börse, 
von dem grofsen Trave-Flufse, vom städtischen Hafen und von seinem 
Garten, dessen denselben verzierende Bäume, Stauden, Pflanzen, 
Gemüse und Gräser er genau aufzählt u. s. w. u — Aus dem schneidigen 
Reiteroffizier von Hohenfriedberg war ersichtlich ein etwas ober- 
flächlicher und in der Unterhaltung wenig anziehender Genusses- 
mensch geworden. Das fühlte der König und machte ihn in seiner 
sarkastischen Weise zur Zielscheibe seines Spottes. 

Zum Schlusso sei noch ein, Herrn G. wohl unbekanntes Schreiben 
des Königs an Chasot erwähnt, welches zur That von Hohenfriedberg 
in direkter Beziehung steht. 

Folgendes sei voraus geschickt. Wir wissen, dafs der König in 
seiner ersten Siegesfreudo Chasot für sein tapferes Verhalten in der 
Schlacht mit verschiedenen Gnadenbeweisen bedachte. Er verlieh ihm 
u. A. ein mit kriegerischen Emblemen verziertes, die Zahl der vom 
Regiment erbeuteten Fahnen enthaltendes Wappen, desgleichen ein 
ähnliches dem in den Grafenstand erhobenen General v. Gessler. 
Wenig bekannt dürfte es sein, dafs der König, wie zwei nicht voll- 
zogene Entwürfe zu dem dem Regimento für seine tapfere That ver- 
liehenen „Gnadenbriofe" darthun, die Absicht hatte, a llen Offizieren, 
„welche bei dieser ruhmwürdigen Aktion gewesen," ein ebensolches, 
mit Fahnen und Kanonen geziertes Wappen zu verleihen. Diese auf 



Digitized by Google 



Friedrich der Grofse und General Cha»ot. 



Pergament geschriebenen Entwürfe, welche ebenso wie der „Gnaden- 
brief" das Datum des 11. Juni tragen, wurden, beiläufig bemerkt, 
vor etwa '20 Jahren im Privatbesitz aufgefunden und sind in das 
Eigentum des Kürassier - Regiments Königin, vormalig Baireuth- 
Dragoner - Regiments, übergegangen. — Femer war der Name 
Chasot's sowohl in den „Lettres d'un officier prussien", als auch in 
der ersten Ausgabe der r Histoire de mon temps a vom Jahre 1740 
rühmend besonders erwähnt, in der zweiten aber, nachdem der König 
den wahren Thatbestand näher kennen gelernt hatte, gestrichen 
worden. Es wurden daselbst nur Ge ssler und Schwerin nament- 
lich erwähnt; aulserdem sagt der Körnig: „une infinite d'officiers que 
leur grand nombre nous empeche de nommer, s'y firent un noru 
imniortel." Von diesen ist einer Chasot, also auch einer der 
„Caesaren" von Ilolienfriedberg, keineswegs aber r der eigentliche 
Sieger bei Hohenfriedberg a , wie Herr G. in seiner Schrift (S. 6) 
ihn zu nennen beliebt. — Der König hat doch zweifellos, indem 
er Chasot's Namen in der Ausgabe von 1775 fortliefs, nur der 
Gerechtigkeit dio Ehre geben wollen, wie er ja auch Schmettau's 
Namen, der in den r Lettres a und in dem ^Gnadenbriefe" genannt 
wird, nicht mehr erwähnte, nachdem dio Offiziere des Regiments am 
2'2. Juni 1745 im Lager von Wahlitz einstimmig zu Protokoll er- 
klärt hatten, es habe niemand den Generalmajor Graf Schinettau bei 
der Attacke gesehen. 

Chasot scheint aber an dem Glauben fest gehalten zu haben, 
dafs ihm ein höherer Anteil an den Lorbeeren des Tages von 
Hohenfriedberg gebühre, als ihm der König zugestehen wollte, denn 
er bittet 1780 um dio Erlaubnifs, seinem Namen den von „Hohen- 
friedberg" hinzufügen zu dürfen. Der König erteilt dem eitlen Mann 
die trockene Antwort: ..Ich kann Ihnen diese Gunst nicht bewilligen, 
sonst würde ich genötigt sein, diesen Titel allen Offizieren des 
Regiments Baireuth zu gewähren, welche am Siege jenes Tages be- 
teiligt waren, was nicht angeht." */ 

Damit dürfte m. E. die Chasot-Legende bezüglich Hohenfriedberg 
als abgethan zu betrachten sein. Dafs Chasot's, in erster Linie der 
Selbstverhorrlichung dienende Memoiren durch dio Auslassungen 
der zweiten Ausgabe der „Histoire de mon temps u veranlafst worden 
sind, sagt er selbst, aber auch der obige abfällige Bescheid dürfte 
ein Übriges dazu beigetragen haben. E. Schnackenburg. 

*) Vergl.: „Die militärische Thfltigkcit Friedrichs des Grolsen im Jahre 1780. u 
Von A. v. Tayson, Major im Gencrulstube. S. 10. 



Digitized by Google 



Till. 



Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 



1. Eine Mate- und Stammliste aus dem Jahre 1759, nämlich 
diejenige der Kompagnie v. Viereck des K. Pr. Regiments Gensdarmes 
(in der Stammliste von 1806 als Nr. 10 der Kiirassierregimenter 
aufgeführt) vom Januar 1759, giebt an eine Sollstärke der Kompagnie 
von 75 Köpfen (je 2 Kompagnien bildeten zu jener Zeit eine Eskadron). 
Von dieser Zahl war ein Mann in der Gröfse von 12 Zoll (5 Fufs 
12 Zoll, also 6 Fufs) 1 von 11 Zoll, die kleinsten von 5 Zoll. Von 
den Mannschaften waren 39 Inländer, 36 Ausländer. Ein Mann war 
60 Jahr alt, 4 von 50 und mehr, 19 von 40 und mehr, 17 von 30 und 
mehr; also 41 über 30 Jahre alt! Beinahe der dritte Mann war ein 
Mecklenburger, wie der Chef selbst. Sch. 

2. Hohes Alter fridericiaiüscher Soldaten. Im Jahre 1788 waren 
im Regiment Garde du corps noch einige Mannschaften von den im 
Jahre 1756 nach der Kapitulation von Pirna „untergesteckten" 
sächsischen Trabanten in Reih und Glied, also nach 32 jähriger Dienst- 
zeit. Es hatten an der Schacht bei Leuthen noch Teil genommen : 
3 Utffz., 1 Trompeter, 14 Gardes du corps; an der Sehlacht bei Zorndorf: 
7 Utffz.. 1 Trompeter, 22 Gardes du corps, am Einmarsch vom Feld- 
znge, im Jahre 1763: 15 Utffz., 1 Trompeter, 56 Gardes du corps. 
Bei der Leib- Eskadron diente 1788 ein 65 Jahre alter Unteroffizier, 
der 1741 in den Dienst getreten und 1744 zu den Garde du corps 
versetzt worden war. Sch. 

3. Der Held von Saragossa. Das Verdienst, die Seele der 
heldenmütigen Verteidigung von Saragossa gegen die Franzosen im 
Winter 1808/9 gewesen zu sein, wird in den Denkwürdigkeiten des 
Generals Marbot (Paris 1891, II 118) einem Belgier in spanischen 
Diensten, dem General Le Clement de Saint-Marcq, zugeschrieben. 
Der Umstand, dafs diese Behauptung im Widerspruch mit der allgemein 
verbreiteten und für richtig gehaltenen Ansicht steht, dafs der Ruhm 
diese Rolle gespielt zu haben dem spanischen Generalkapitän Don 
Jose Palafox gebühre, verbunden mit der durch mannigfache Wider- 
legungen als keineswegs zweifellos erwiesenen Glaubenswürdigkeit der 
Aufzeichnungen des französischen Schriftstellers, hat den belgischen 

Jahrbücher fUr die DcuUcho Armeo und Marine. Bd. VIUC, l. 7 



Digitized by Google 



98 



Kleine heereBgeschichtliche Mitteilungen. 



Generallieutenant Wauwermans veranlafst, der Frage n«äher zu treten 
und namentlich in Spanien selbst Erkundigungen über den Sachverhalt 
einzuziehen. Er wendeto sich zu diesem /wecke an den in Saragossa 
lebenden Artilleriegeneral Mario de la Sala, welcher die Belagerung 
zum Gegenstand eines eingehenden Studiums gemacht hat, und ver- 
öffentlichte in der Revue de Tarmee beige vom Januar 1893 die von 
diesem ihm gegebene ausführliche Antwort. Sie bestätigt in einem 
gewissen Grade Marbots Behauptung, indem sie berichtet, dafs 
Saint Marcq, an die Spitze einer der vier Divisionen gestellt, in welche 
die Besatzungstruppen gegliedert waren, sich vom ersten Tage der 
Belagerung bis zuui letzten bewunderungswert benommen habe und 
mehrere Beispiele seines Wohlverhaltens anführt. Gegen das Ende 
der Belagerung, als Palafox auf dem Krankenbette und General 
O'Neylle, der Zweite im Kommando, im Sterben lag, habe er den 
Oberbefehl übernommen und während der Beratungen über die Not- 
wendigkeit die Stadt zu übergeben, habe er dafür gestimmt, dafs man 
versuchen solle, sich durchzuschlagen. Wenn daher Saint-Marcq auch 
nicht, wie General Marbot behauptet, die Seele der glorreichen Ver- 
teidigung gewesen ist, und das Verdienst, seine Landsleute zum 
Widerstande bis auf das Äußerste bewogen zu haben dem General- 
kapitän von Aragon nicht bestritten werden darf, so ist doch bei der 
geringen militärischen Begabung, welche Don Jose Palafox in seiner 
ganzen kriegerischen Laufbahn bethätigt hat, sehr wahrscheinlich, 
dafs Saint-Marcq, abgesehen von seinen Leistungen an der Spitze der 
ihm unterstellten Division und als Höchstkommandirender in den 
letzten Tagen des Kampfes, auf die Verteidigungsanordnungen grölseren 
Einflufs geäufsert hat, als bisher bekannt war. General Sala äufsert 
sich über diesen Punkt nicht; dafs die damaligen Zeitgenossen mehr 
geneigt gewesen sein werden, den Namen ihres Landsmannes Palafox 
zu verherrlichen als dessen Ruhm zu Gunsten eines Ausländers zu 
verkleinern, ist erklärlich, zumal es sich um die stolzen Spanier 
handelt; Saint-Marcq hatte übrigens von Jugend an in spanischen 
Diensten gestanden. 1762 in Belgien geboren, war er 1776 in die 
Wallonengarde getreten und in der Zeit bis zum Jahre 1808 zum 
Brigadier aufgerückt. Er schlofs sich damals der nationalen Partei 
an, ging nach Valencia, trug in hervorragender Weise zum Entsätze 
von Saragossa, bei dessen erster Belagerung durch den General 
Lefebvre-Desnuettes bei und focht dann in der Schlacht von Tudela, 
deren unglücklicher Ausgang die zweite Belagerung von Saragossa 
durch den Marschall Lannes ermöglichte. Die Übergabe der Stadt 
brachte Saint-Marcq in französische Gefangenschaft, aus welcher er 
erst auf Grund des am 11. Dezember 1813 zu Valeneay abgeschlossenen 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



09 



Übereinkommens aus Nancy zurückkehrte. Der absolutistischen Partei 
angehörend, war er später Höchstkommandirender in Aragon, verliefs 
1830 den Dienst und starb im folgenden Jahre zu Madrid. 14. 



Umschau in der Militär -Litteratur. 

I. Ausländische Zeitschriften. 

Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (Juni.) 
Strategie zur Zeit Napoleons I. und in unserer Zeit. Aus dem Russischen 
von St. Sarkotic, k. u. k. Hauptmann im Generalstabskorps. (N.B. Dieser 
interessante Aufsatz füllt das ganze Heft.) 

Organ der militarwissenschaftlicheii Vereine. (XLVIIf. Bd. 
6. Heft.) Der Kriegsblind. — Der Uberfall des Obersten Ph. Frh. von 
Vukassovich bei Dego 179G. Eine kriegsgeschichtliche Skizze von P. K. — 
Über Wasserfiltration (Regt.-Arzt Dr. Schöter). 

Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Uenie- 
wesens. (5. lieft.) Die Küstenbefestigung, von Oberstlt. Leithner. — 
Über mechanische Zeitzünder, von Hauptm. Pnngher. 

Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 18: Das Mai-Avancement. — Schriften 
des Erzherzogs Karl. — Militärisches aus der Schweiz. Nr. 19: Die Nähr- 
und Wehr- Ausstellung. — Das Gefecht von Sain-Lagta. — Zum Studium 
des Exerzir-Reglements. Nr. 20: Die Auflassung des Stabsoffiziers- Kurses. 
— Die Nähr- und Wehr - Ausstellung. — Zum Studium des Exerzir- 
Keglements (Schlufs). 

Militär- Zeitung. (Österreich.) Nr. 16: Zum Kapitel: Soldaten- 
inifshandlungen. — Das Mai-Avancement. Es avancirten 3 F.-M.-Lt. zu 
Feldzugmeistern bezw. Generalen der Kav., 18 Generalmajore zu Feld-M.-Lts., 
42 Oberste zu Generalmajors, 83 Majore zu Oberstlieutenants u. s. w. Nr. 17: 
Artilleristische Streiflichter. — Die Rekrutirung der italienischen Armee. 
Nr. 18: Die Auflassung des Stabsoffizierskurses. — Fcuerübung mit 80 Feld- 
geschützen. 

Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 619: Der Reserveoffizier als Berufs- 
soldat; es wird eine bessere Ausbildung derselben, auch in Bezug auf die 
Charaktereigenschaften des Offiziers befürwortet (sehr lesenswerter Aufsatz!). 
Nr. 620: Die Selbstmorde im Heere. — Das Avancement im preussischen 
Offizierkorps. Nr. 621: Zum Wiegenfeste unserer Kriegsmarine (Erinnerung 
an das Gefecht bei Helgoland am 9. Mai 18(54). Über die russischen Jagd- 
Kommanden. Nr. 622: Über Befehlstechnik. — Ein Distanzritt (im nörd- 

7* 



Digitized by Google 



100 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



liehen Bosnien; von 9 Offiz. und 9 UnterofT. der Brigade-Equitation ; es 
wurden in 8 Tagen (einschl. Rasttag) 569 km zurückgelegt. Nr. 623: Zwei 
Deccnnien in Galizien. — Einheimische und Ausländer im bulgarischen 
Heere. Nr. 624: Die Agonie des Stabsoffizierskurses. Nr. 625: Die Kriegs- 
munition im Dienste der öffentlichen Sicherheit; es werden als Friedens 
taschenmunition kurztragende Kartätsch-Patronen mit geringerer Durch- 
schlagskraft in Vorschlag gebracht. Nr. 626: Die neue Feldgeschütz- 
ladung. — Lieferungen von Kriegsmaterial nach der Türkei. 

Journal des seiences militaires, (Mai 1894.) „Dernicr efforf, 
von General Philibert (Schlufs); dieser Aufsatz handelt von den Grofsen 
Manövern. — Disziplin, Subordination und äufsere Zeichen der Hoch- 
achtung, von General Dragomirow (aus dem Russ. übers). — Das 6. Korps 
und die Schutztruppen. — Die Thätigkeit der deutschen Kavallerie- 
Divisionen vom 8. August bis 1. September 1870. — Formation und 
Märsche der grofsen taktischen Einheiten der Infanterie bei Aussicht auf 
den Kampf. — Der Feldzug 1814 (Forts.). — Die Siegeszuversicht grofser 
Feldherren (Forts.). 

Le spectateur inilitaire. (1. Mai 1894.) Das alte und das neue Regle- 
ment. — Die Memoiren von Constant, erstem Kammerdiener des Kaisers 
(Napoleon I.); Besprechung dieses bei Garnier-frerc erschienenen Werkes, 
welches über das Privatleben des Kaisers sehr interessante Aufschlüsse giebt. 

Revue d'Infanterie. Nr.89: (Mai.) Geschichte der Infanterie in Frank- 
reich (Forts.). — Die Gesundheitspflege der europäischen Kolonialtruppen 
(Forts.). Die bedrohete Grenze (Forts.). - Der Militär-Sanitätsdienst 1870. 

Revue de Cavalerie. (April.) Die Kavallerie-Avantgarden. — Die 
italienische Kavallerie (Forts.). — Das Parolebuch eines Kavallerieregiments 
(15. Chasseurs) während des Krieges in Spanien (Schlufs). — Die Kavallerie- 
manöver von Blero (Forts.). • — Die Gangarten des Pferdes, entwickelt durch 
die experimentale Methode (Forts.). — Ein Wort über die Kavallerie- 
Offiziere der Reserve und Landwehr. — Die reiterlichen Zerstreuungen in 
der Armee. 

Revue d* Artillerie. (Mai.) Geometrische Studie über die Beringung 
mit Stahldrähten. — Die Expedition von 1830 und die Eroberung von 
Algier durch die Franzosen, Organisation und Thätigkeit der Artillerie des 
Expeditions-Korps (Schlufs). — Anmerkungen über die Veränderungen des 
Exerzir-Reglcments der deutschen Feld-Artillerie. 

Revue militaire universelle. Nr. 26: (Mai.) Der Sezessionskrieg 
(Forts.). — Xachtmärsche und Nachtoperationen (Forts ). — Die Verpflegung 
der Armeen Friedrichs d. Gr. und Napoleons (Forts.). — Die französische 
Kavallerie von 1800 bis 1815 (Forts.). — Der Riff-Krieg (Forts.). 

Revue du cercle inilitaire. Nr. 17: Das deutsche Kriegspulver. — 
Gegenwärtiger Standpunkt und militärische Bedeutung der Luttschiffahrt. 
— Die Reorganisation der schweizerischen Armee (Schlufs). — Formosa 
und die Pescadores (Forts.). — Nr. 18: Die irregulären Truppen der 
chinesischen Armee: Die Tapfereu. — Dio Batterie-Leiter; behandelt die 
Konstruktion eines 3,70 m hohen leiterartigen uud transportabelen Ob- 



Digitized by Google 



Umschau in der Mihtär-Litteratur. 



101 



servatoriums für den Batteriechef. — Formosa und die Pcseadores (Schlufs). 
Nr. 19: Die Marsch-Boussole. (Mit Kroki.) — Die irregulären Truppen der 
chinesischen Armee (Forts.). — Nr. 20: Hemorograph (Photograph. Apparat) 
des Kommandanten Blain. — Das Thätigkeitsfeld der Milit. Velozipcdistcn. 

— Die irregulären Truppen der chinesischen Armee (Schlufs). 

I/Arenir militaire. Nr. 1888: Die Ergänzung der Kriegsakademie 
(Ecole de guerre). — Die Wiederanwerbung des Soldaten. — Die „Non 
Valeurs"; beliandelt den Mifsbrauch, der mit Abkommandirten, Ordonnanzen 
etc. getrieben wird. — Das Kriegs-Budget für 1895 beziffert sich auf 
648 085 805 Frcs., 14 432 714 Frcs. mehr als im Vorjahre. Nr. 1889: 
Unsere Reserve-Offiziere ; Vorschläge zu deren besserer Ausbildung. Nr. 1890: 
Unsere Reserve-Offiziere (Forts.). Nr. 1891: General Ferro n: geb. 
10. Sept. 1830; f 6. Mai 1894 in Folge Sturzes mit dem Pferde. Von Mai 
1887 bis März 1889 Kriegsminister, dann kommandirender General d. 
18. Armeekorps (Toulouse), seit 1893 Kommandeur der Alpen-Armee. 
Hr. 1893: Neue artilleristische Formationen. Die Artillerie zählt gegen- 
wärtig 38 Regimenter und 16 Bataillone, im Ganzen 580 Batterien (Feld- 
n nd Festungs- Artillerie!). — Die Telegraphie bei den Armeen. — Das 
Hinwegfeuern über Truppen. Nr. 1894: Wähler oder Soldaten? Wendet 
sich mit Schärfe gegen den Vorschlag, den Soldaten das Wahlrecht zu 
geben. 

Le Progres militaire. Nr. 1408: Berichte der Vorgesetzten und der 
Untergebenen. Behandelt den Fall Fenöon. Dieser Beamte im Kriegs- 
Ministerium ist bekanntlich des Anarchismus überfuhrt worden; man habe 
es an der nötigen Überwachung von Seiten der Zentral -Verwaltung fehlen 
hissen. Nr. 1409: Das Kriegsbudget. I. Die Effektivstärke dos Land- 
lieeres wird 1895 ein 3Iehr aufweisen von 230 Offizieren und 34 597 Mann; 
mit dieser Vermehrung sollen das 6. und 7., an der Ostgrenze stehende 
Korps auf einen höheren Etat gebracht werden (200 Gewehre per Kompagnie, 
d. h. völlig kriegsbereit. Im Falle des Krieges sollen sie marschbereit sein, 
ohne das Eintreffen der Reservisten abzuwarten!). Nr. 1410: Das Exe rz ir- 
Reglement der Infanterie. Scharfe Kritik der neuesten Veränderungen 
desselben. — Das Kriegsbudget. II. Nr. 1412: Das KriegsbudgeL III. 

— Die Befestigungen von Nancy. IV. Nr. 1413: Die Mobilmachung der 
Reserve- Kavallerie. — Das Kriegsbudget. IV. - Die Befestigungen von 
Nancy (Schlufs). Nr. 1414: Das Oberkommando. Pr. befürwortet, die 
Armeekorps schon im Frieden zu Armeen zu vereinigen und diese einem 
ständigen Oberkommando zu unterstellen. — Das Kriegsbudget. V. 

La France militaire. Nr. 3012: Budget 1895. I. Nr. 3013: Unsere 
Feldgeschütze. Warnt vor Beunruhigung wegen etwaiger Fortschritte in 
Deutschland und anderen Nachbarstaaten. Die Schaufel- und andere Bremsen 
haben sich nicht bewährt. (Von General Tricoche). Nr. 3017: Die Re- 
krutirung der Offiziere in Frankreich. Von Oberst Roberts. Nr. 3020: 
Die Poly technische Schule. (Forts.). Nr. 3021: Die reitende Artillerie. 
Gegen die Umwandlung von 7 reit. Batterien in fahrende. Nr. 3023 : 
Rekrutirung der Offiz. in der Schule von St. Cyr. Nr. 3024; Kolonial- 



Digitized by Google 



102 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



truppen. Nr. 3026: Rekrut, der Off. in der Schule von St. Cyr. Nr. 3028: 
Dasselbe. Nr. 3029: Nachtdienst. Nr. 3031: Rekrutirung der Offiziere in 
Frankreich. Offiziere, welche ans der Truppe hervorgehen. Nr. 3033: 
Nachtdienst hei der Kavallerie. Nr. 3035: Teilweise Reorganisation der 
Artiii. und des Genies. Nr. 3036: Die Rekrutirung der Offiziere in Frank- 
reich. Nr. 3037: Uesen e-Kavallerie-Regimenter. 

Revue de Parmee beige. (März- April 1894.) Die deutsch-russischen 
und die österreichisch -russischen Grenzen. — Die spauische Armee 1893. 

— Die Weltausstellung in Antwerpen. — Egypten und das rote Meer iu 
ihrer strategischen Bedeutung (Ubersetzung des so betitelten Aufsatzes der 
„Jahrbücher", Februar 1893). — Uber die Revision unserer Artillerie- 
Verwendung auf dem Schlachtfelde. — Nachtmarsche und Nacht-Operationen. 

La Belgique militaire. Nr. 1202: Pontonnicrc. — Die Militär- 
pensionen. Nr. 1203: Die Reitkunst in der belgischen Armee. Nr. 1204: 
Die Kriegskunst auf der Weltausstellung von Antwerpen 1894. 

Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (April.) 
Reorganisation des Bundesheeres; Abanderungs - Antrag zu dem bundes- 
rätlichen Entwurf betreffend die Organisation des Bundesheeres, gestellt 
vom Obcrstdivisiona'r Meister, als Mitglied der nationalrätlichen Kommission. 

— Betrachtungen über das Verhalten der drei Waffen im russisch-türkischen 
Kriege 1877/ 78. — Einiges über die grofsen deutschen Manöver im vorigen 
Jahre, abgehalten bei Metz und bei Karlsruhe. — Rufslands Wehrmacht. 

Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (April.) 
Zur Reorganisation der Geniewaffe. — Zur Sicherung des Gotthard. — 
Österreichische Mitrailleuse M. 1893. (Schluß*). — Auszug aus dem Bericht 
des eidgenössischen Militärdepartements über die Geschäftsführung vom 
Jahre 1893. 

Revue militaire suisse. Die Genietruppe und der Heeresgesetz- 
Entwurf. — Der Heeresgesetz -Entwurf (Vortrag von 01>erst de la Rive). 

— Studie über Dienst und Organisation des Genies in der Schweizer-Armee. 
Militär-Luftschiftfahrt. 

Allgemeine Schweizerische Militärzeitiiitg. Nr. 17: Die Entlastung 
und Uniformsveränderung der deutschen Infanterie. Nr. 18: Die belgischen 
Heeresreformpläne. — Nr. 19: Der französische Konflikt mit Madagaskar. 
Nr. 20: Die Frühjahrsrevue der Garnison von Paris. 

Army and Navy Gazette. Nr. 1786: Angriff oder Verteidigung. 
Nach allgemeiner Betrachtung beider Kaniplärten in früheren Kriegen und 
in denen der Zukunft wird den moralischen Faktoren der entscheidende 
Wert zugesprochen. — Die Examen für die Majors. Eine neu er- 
sehienene Verordnung für dieses wird mitgeteilt und kritisch besprochen. — 
Pferde im Kriege. Ein englischer Veterinärarzt weist nach, dafs die 
Pferdeverluste in Winterkriegen, wie 1812 und in der Krim nicht Folge 
der Kälte, sondern der schlechten Ernährung waren. — Die Gepäck- 
erleichterung der deutschen Infanterie. — Fahrräder in «1er 
Armee. Die Notwendigkeit derselben auch für Kavallerie wird nach- 
gewiesen. Nr. 1787: Die höheren Sanitätsoffiziere. Die ungünstigen 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär - Litteratur. 



Avancements -Verhältnisse derselben werden besprochen. - Lokomotiven 
auf Landstrafsen. Der Oberstlieutenant Templer stellt in einem Vor- 
trage die Behauptung auf, derartige Lokomotiven seien jetzt so vervollkommnet 
worden, dafs sie mit Vorteil für Heerestransporte in Krieg und Frieden ver- 
wandt werden können. — Die Armee-Rcmonten. Die Schwierigkeit 
des Pferde-Ersatzes in fast allen Armeen sei Folge der nicht genügend 
ausgebildeten Pferdezucht zu Heereszwecken. Nr. 1789: Moltke als 
Lehrer der Taktik. Die Verdienste Moltkes als Taktiklehrer werden 
nach seinen jetzt in englischer Sprache erschienenen taktischen Aufgaben, 
sowie deu auf jenen fufsenden Schriften von Verdy du Vernois in an- 
erkennender Weise besprochen. — Die nächtlichen Unternehmungen 
in Aldershot wurden in grö fiterem Mafsstabe in der Weise geübt, dafs 
drei getrennt aufgestellte Brigaden den Befehl zum Vormarsch in dunkler 
Nacht nach dem Kompafs und bestimmter Entfernung antreten mufsten. 
Die Vereinigung der Truppen fand in richtiger Weise, etwa 500 m vor 
der feindlichen Stellung statt. — Geschichte de|s Walisischen In- 
fanterie-Regiments. (41. und 69. der Linie.) Errichtet 1719. Nr. 1790: 
Die Uniform der Königin. Der Aufsatz spricht für Hebung des 
Ansehens der Uniformen, besonders gegen das allzu ausgedehnte Tragen 
von Civilkleidern seitens der Offiziere. Nr. 1788: Die Ausbildung der 
Offiziere der Voluntoers beschränkte sich bis jetzt lediglich auf 
praktisches Gebiet, auf Exerziren. Die Einrichtung eines Unterrichtskursus 
über Taktik wird als dringend notwendig hingestellt. — Die Finanz- 
verhältnisse Italiens und die Armee. Unter Angabe der seit dem 
Jalire 1870 für Heerwesen erforderlich gewesenen Ausgaben wird die Un- 
möglichkeit nachzuweisen gesucht, in dieser Weise fortzufahren. 

Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 194: 
Manöver in Irland. Bericht über den Verlauf derselben mit kritischen 
Bemerkungen. 

Journal of the United Service Institution of India. Nr. 113: 

Die Kämpfe der Matabele und Zulus gegen die Einwanderer 
im Kaplande 1836 — 39. — Schutzmittel gegen moderne Waffen. 
Aus dem Französischen übersetzt. Anknüpfend an die Erfindung des 
Dowe'schen Panzers wird die Durchschlagskraft der modernen Gewelire 
erörtert, besonderer Wert wird der Erzeugung dicker Rauchwolken bei- 
gelegt. Nr. 114: Die Schwimmübungen der 1. donischen Kasaken- 
Di vision an der Weichsel. Uericht Uber die vom 23— 27. Juli vorigen 
Jahres stattgehabten Übungen im Durchschwimmen der ca 600 m breiten 
und rasch fließenden Weichsel. — Die „Lava" der Kasaken wird 
deren Angriff in regellos aufgelösten Schwärmen und Vereinigung auf 
einen bestimmten Angriffspunkt genannt. Diese Kampfart wird eingehend 
erörtert und aus der eigenartigen Ausbildung vou Reiter und Pferd ab- 
geleitet. 

Russischer Invalide. Nr. 82: Auf Grund früher erlassener Befehle 
sind das 2. Reiter-Regiment des transbaikalischen Kasaken -Heeres am 
1. Februar, die 4. kaukasische Reserve-Brigade am 16. März d. J. formirt 



Digitized by Google 



Uli 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



worden. Nr. 85 — 89: Abänderungen und Ergänzungen der 
Paragraphen der Schiefsvorschrift vom Jahre 1893. Seit Heraus- 
gahe der neuen Schiefsvorschrift für das Drei-Linien-Gewehr sind einige 
Abänderungen erforderlich geworden; diese betreffen die eigentliche Schiefs- 
vorschrift nur insofern, als ihr eine Beilage, betr. das Anschiefsen der 
Gewehre, hinzugefügt worden ist; die anfängliche Voraussetzung nämlich, 
dafs die Gewehre den Truppen von den Fabriken angeschossen übergeben 
werden sollten, hat sich uicht verwirklichen lassen, so dafs es sich als not- 
wendig herausgestellt hat, die Gewehre hei der Truppe anzuschiefsen. — 
Der grüfste Teil der Änderungen und Ergänzungen betrifft den zweiten 
Teil der Schiefsvorschrift, d. h. die Beschreibung des Gewehrs, indem 
es notwendig geworden ist, an dem ursprünglich den Truppen übergebenen 
Modell einige Änderungen vorzunehmen. Die wesentlichsten dieser 
Änderungen bestehen in Folgendem: 1. Das russische Drei-Linien-Gewehr 
hat keinen Laufmantel; da es sich aber herausgestellt hat, dafs die Er- 
hitzung des Gewehrs beim Schiefsen eine so starke ist, dafs ein Umfassen 
des Laufes mit der Hand unmöglich wird, so hat man dem neuen Modell 
des Gewehrs einen „Laufbelag" (sstwolnaja nakladka) hinzugefügt, ein 
muldenförmiges langes Stück Holz, welches oben auf den Lauf gelegt und 
mit seinen messingenen Endstücken zwischen Uber- und Unterring befestigt 
wird; dieser Laufbelag ersetzt den Mantel des deutschen Gewehrs natürlich 
nur insoweit, als er die Handhabung des Gewehrs erleichtert; 2. dem 
ursprünglichen Modell des Gewehrs war zum Reinigen des Laufes ein 
Wischstrick beigegeben, während der kurze Stock nur zum Reinigen des 
Patronenlagers diente; da sich aber die Wischstricke in Rufsland ebenso- 
wenig wie bei uns bewährt haben, so sind sie wieder abgeschafft worden; 
an ihre Stelle tritt in der Garnison ein Wischstrick aus Kupferdraht; ziun 
Reinigen aber des Gewehrs im Kriege und im Manöver wird der kurze 
Stock des Gewehrs verwandt, welchem man zu diesem Zwecke eine solche 
Einrichtung gegeben hat, dafs mehrere Stöcke zusammengeschraubt werden 
können; auf das Ende eines solchen zusammengeschraubten Stockes wird 
der Wischer aufgescliraubt, eiu kleiner Metallschaft, dessen unteres 
messingenes Ende mit Schlitzen zum Befestigen von Werg u. s. w. ver- 
sehen ist; dieses messingene Endstück des Wischers ist drehbar befestigt, 
so dafs es beim Durchziehen des Stockes durch den Lauf den Windungen 
der Züge folgen kann. In das Kopfende des zusammengesetzten Stockes 
wird ein Ring zur besseren Handhabung eingeschraubt; 3. die Einteilung 
des Visirrahmens ist insofern geändert worden, dafs die Entfernung 
1250 Sehr, in Wegfall gekommen ist, und dafs die langen Visirmarken auf 
«lern Rahmen immer den vollen Hunderten Schritt, die kurzen, welche sich 
unmittelbar unter jenen befinden, den Entfernungen 1350, 1450 u. s. w. 
entsprechen. Alle übrigen Änderungen sind völlig unwesentlicher Natur. 
Erwähnt sei hier, dafs der „Invalide" dieser Tage die Verabschiedung 
des Gen.-Lts. Rittich, Kom. der 35. Inf.-Div. in Rjasan, veröffentlicht; 
es ist in Rufsland ein äufserst selten vorkommender Fall, dafs ein Divisions- 
Kommandeur, falls es nicht seine Gesundheit dringend erfordert, was dann 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



105 



jedesmal in der betreffenden Kabinets-Ordre besonders ausgedrückt wird, 
verabschiedet wird. Man inufs daher den Grund für die Verabschiedung 
des Generals in seiner schriftstellerischen Thiitigkeit suchen (vergl. Aufsatz 
in den „Jahrbüchern", März 1894 „Das russische Offizier-Korps nach dem 
Urteile eines russischen Generals") ; man ist ja in Rufsland in dieser Be- 
ziehung aufserst tolerant, General Kittich aber ist in seiner Offenheit denn 
doch wohl zu weit gegangen. 

Gröfsere Aufsätze: Nr. 80: Der Platz der Artillerie unter 
den anderen Waffengattungen; Inhalt eines über dieses Thema von 
dem Kapitän des Gcneralstabes Sswjazki in der Nikolai-Akademie gehaltenen 
Vortrages. Die Ansichten des Vortragenden lassen sich in seinen Schluß- 
worten zusammenfassen: „Viele sehen in dem Triumph der Artillerie einen 
Triumph der Technik über die Herrschaft des Geistes. Das ist ein grofser 
Irrtum. Auch bei der Artillerie führt den Kampf der Mensch und nicht 
die Kanone, aber nur ein besser bewaffneter Mensch. Der Artillerist 
ißt kein Maschinist, er war es nie und wird es nimmer sein." 
Hr. 81: Vorschrift für die Sommerübungen — für die Trappen des 
Militärbezirks Kasan; betrifft namentlich die durch Einführung des neuen 
Gewehrs und des rauchlosen Pulvers erforderlich werdenden Änderungen 
in der Gefechtsleitung. 

Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 183: Die Ochotniki der 1. Garde- 
Infanterie -Division mit einem Bilde des von dem vereinigten Jagd- 
Kommando dieser Division umgebenen Grolsfürsten-Thronfolgcrs. Aus dem 
Artikel geht hervor, dafs von dem Kommandirenden des Garde-Korps ein 
sehr grofses Gewicht auf die Ausbildung der Ochotniki gelegt wird. Eine 
besondere Kommission hat die Ausbildung derselben zu prüfen, wobei ein 
sehr eingehendes, nicht weniger als 22 verschiedene Punkte enthaltendes 
Programm zu Grunde gelegt ist. Der Gang einer solchen Prüfung, welche 
unter dem Vorsitze des Oberst Daniloff, vom Leib-Garde-Jäger-Regiment 
vom 20. 5. bis 2. 6. v. J. abgehalten wurde, wird eingehend beschrieben. — 
Über die Garnison Ardahan und das Leben daselbst. Enthält zu- 
gleich die Beschreibung eines im Winter 1893 von dort nach Acbalzych 
Seitens mehrerer Offiziere der 3. Batterie der 38. Artillerie- Brigade unter- 
nommenen Rittes über das mit Schnee bedeckte Gebirge. — Eine Expedition 
zur Erforschung der Verhältnisse an der Grenze von Buchara mit Afghanistan, 
unter Leitung des Generalmajors Ussoff. — Aus dem Leben auf der Grenz- 
wache. Die angehaltene Kontrebande. — Nr. 184: Bilder und Biographien 
der Generallieutenants von Winterfeld und von dem Knesebeck, Komman- 
danten von Königsberg. — Der Kompagniechef als Leiter der Kompagnie- 
Verwaltung. — Wie soll man Kriegs- Wissenschaften studiren? (Nach der 
Methode des Generals Leer, welche in einer soeben erschienenen Broschüre 
dieses in Rufsland besonders hochgeschätzten Lehrers der Nicolai- Akademie 
entwickelt wurde). 

Russisches Artillerie -Journal. Nr. 2 (1894): Der Einfluß» der 
Drehbewegung der Erde auf die Gcschofsbahn. — Zur Erwiderung auf den 
Aufsatz: „Von der Schätzung des Artillcriefeuers. u — Neues Material der 



Digitized by Google 



106 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



deutschen Feld-Artillerie. — Der Dienst der deutschen Belagerungs- Artillerie 
heim Angriff der Festungen. — Die Entstehung der stickstoffhaltigen Salze 
in der Natur. 

Rivista militare Italiana. 1. Marz. Agordat. Gefechtsbericht. 
Unser Infanterie-Exerzir-Reglement und das französische. 
16. März. Unser Infanterie-Exerzir-Reglement und das fran- 
zösische (Forts). (Beachtenswerter Aufsatz besonders auch bezüglich 
dessen, was über die Selbstständigkeit der Unterführer gesagt wird). Das 
Gefechtsschiefsen der Infanterie (Schlufs). 1. April. Napoleon 
in don neuesten Publikationen (Forts.), die die Memoiren Macdoualds, 
Landrieux' Schriften, Yigo Roussillon berührt. Die grofsen deutschen 
Manöver 1893. 

Esercito Italiano. Nr. 46: Verteilung der Artillerie-Regie- 
menter auf die Schiefsplätze und Dauer der Schiefsübungen. 
Nr. 47: Die Kommission für die Beratung des Gesetzentwurfes betreffend 
die Offizierehon hat die Summe von 10 000 Lire, deren Sicherstellung 
der Entwurf des Ministers bei Verheiratung im Alter zwischen 25 und 
33 Jahren fordert, als zu niedrig betrachtet und verlangt eine Rente von 
1200 Lire für Subalternoffiziere über 35, von 1500 für solche unter 
35 Jahren. Nr. 48: Aus der Beratung des unterdefs genehmigten Marine- 
budgets sei auf Admiral Morin's Erklärung verwiesen, dafs er in diesem 
Jahre zwar Abstriche ohne Schädigung der Flottenkraft habe annehmen 
können, in Zukunft aber nicht mehr. Organische Reformen, die er beab- 
sichtige, könnten nicht sofort, sondern erst allmählig Resultate liefern. Er 
beabsichtige Dezentralisation, Vereinfachung der Verwaltung, sei ein ent- 
schiedener Gegner der Zersplitterung der Kräfte behufs Küstenverteidigung, 
die am besten durch eine Kontre-Offensive bewirkt werde. Das Arsenal 
von Neapel soll zu einem grofsen industriellen Etablissement werden. — 
Der Bericht Rais über das mit grofser Majorität jetzt genehmigte Kriegs- 
budget lehnt größere Ersparnisse zum Nutzen des Schatzes ab, wohl 
aber lassen sich Ersparnisse erzielen durch organische Reformen, diese aber 
müssen dem Kriegsbudget zu Gute kommen. Italiens Bewohner tragen 
eine geringere Last für Wehrkraftszwecke pro Kopf als diejenigen Frank- 
reichs und Deutschlands, wollte man in Italien nur in demselben Ver- 
hältnils zur Bevölkerung Aufwendungen machen, wie in der Schweiz, so 
müfste man 600 Millionen ausgeben. Plötzlich durchgreifende organische 
Reformen würden die Wehrkraft in einen Zustand absoluter Kraftlosigkeit 
versetzen und die gewünschten Ersparnisse nicht ergeben. Die Vorschläge 
der Kommission zur Erzielung von Ersparnissen durch organische Reformen 
decken sich mit denen, die der Kriegsminister beabsichtigt. 

Rivista di artiglieria o genio. (April.) Das Pferd der Maremmen 
in den Feldbatterien. — Regel für die Bestimmung der Ladung beim Steil- 
feuer mit feststehender Elevation. — Anwendung der Elektrizität auf 
Sicherheit und Dienstbetrieb der Eisenbahnen. 

Revista cientiflco-militar. (S panien.) Nr. 8: Der Streitfall vou 
Me.lilla. I. Brief. — Ausbildung des Soldaten der deutschen Infanterie. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



107 



Nr. 9: Melilla. II. Brief. — Die Gesundheit des Soldaten. XVI. Brief. 
Getränke. Wasser. — Ausbildung in den Arbeiten der Feldbefestigung. — 
Die Franzosen im Sudan. 

Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien.) Nr. IX: Mefs- 
instrumente und ihre Verwendung im Ingeniourdienst. 

Reyista militar. (Portugal.) Nr. 7: Selbstständige Patrouillen 
der Infanterie. Kurze Studien über moderne Taktik. 

KrigSYetenskaps-Akadeiniens-Handl i n gar. (Schweden.) 7. He f t. 
Leitung und Kritik bei kleinen Übungen. 

Mililaire Spectator. (Holland.) Nr. 5: Erinnerungen an die 
Kdi-Expedition 1890. Die Keserve-Kadres der Infanterie und 
Festung»- Artillerie. 

II. Bücher. 

Untersuchungen über die Taktik der Zukunft, entwickelt aus der 
neueren Kriegsgeschichte. Vierte vollständig umgearbeitete und 
vermehrte Auflage der „Zwei Brigaden". Von Fritz Hoenig. 
Berlin 1894. Ii. Felix. Preis 7,50 M. 

Mit obigem Werk liegt uns eine wesentliche Umarbeitung der früheren 
Auflagen der ,.Zwei Brigaden" des Herrn Verfassers vor. Wenn schon 
die zweite und dritte Auflage eine solche im Vergleich zur ersten darstellten, 
da hier bereits die Einflüsse in Berücksichtigung gezogen wurden, die das 
Kleinkalibergewehr, das rauchschwache Pulver und die gestiegene Geschofs- 
wirkung der Artillerie auf die Taktik ausüben müssen, so weist diese 
vierte Auflage einen weiteren Ausbau nach dieser Richtung auf, indem die 
Vorgänge in Chile sowie die praktischen Friedensversuche und neueren 
theoretischen Studien hierin noch weiter aufklärend gewirkt und bereits in 
Reglements und Vorschriften Ausdruck gefunden haben. So sehen wir be- 
sonders im III. Teil des Buches einige ganz neue Kapitel, welche hoch- 
wichtige Fragen der modernen Taktik behandeln. 

Wiewohl der 1. Teil schon viel besprochen ist, welcher den Angriff 
der 28. Infanterie-Brigade in der Schlacht von Königgrätz und den der 
«58. Brigade in der Schlucht von Vionville schildert, so ist es doch nötig, 
hier noch einmal darauf zurückzukommen, da das vortreffliche Werk sich 
hauptsächlich auf diese Vorgänge aufbaut. Indem Verfasser nämlich diese 
kriegsgeschichtlichen Ereignisse, denen er persönlich beiwohnte, nicht allein 
nach den eigenen Eindrücken darstellt, sondern sie auch vermöge des ihm 
innewohnenden geläuterten Urteils auf Grund eingehendsten Quellenstudiums 
vorführt nnd kritisch beleuchtet, knüpft er an dieses Material taktische und 
psychologische Betrachtungen, welche er im II. und III. Teil verweitet. 
Unter Berücksichtigung auch weiterer kriegsgeschichtlicher Ereignisse unter- 
nimmt er hier eine Untersuchung über Wesen und Form unserer Zukunfts- 
taktik, wobei er in der Hauptsache den Kampf in der rangirten Schlacht 
in's Auge fafst. 



Digitized by Google 



ms 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



Bezüglich dos ersten Teils mufs vor allen Dingen hervorgehoben 
wenlen, dafs wir wohl selten in einem kriegsgeschichtlichen Werk, zu 
Folge oben erwähnter Umstände, einer so lebenswarmen, fesselnden Dar- 
stellung aller charakteristischen Vorgänge oft bis in die kleinsten Details 
begegnen werden, wie sie uns hier vorgeführt ist. Wir sehen die Helden- 
gestalten persönlich vor uns, wir sehen sie handeln und hören sie sprechen ! 
Wir glauben die Schlacht mit zu erleben und können uns, — worauf es dem 
Verfasser vor allen Dingen ankommt, — in den Geist der Truppe versetzen und 
die Vorgänge auch psychologisch ergründen ! Das so in klassischer Form vor- 
geführte Schlachten bild wirkt wie die Lektüre eines Epos und mufs auch 
jeden Laien fesseln und begeistern! Bei der Beurteilung der Entschlüsse 
und Aktionen übt Verfasser eine milde, wohlwollende Kritik, trägt allen 
mitsprechenden Umständen und dem damaligen Stand unserer taktischen 
Anschauungen und dementsprechenden Ausbildungsgrade gebührende 
Rechnung, zieht aber andrerseits, wo wirkliche Versehen und falsche An- 
schauungen vorlagen, in klaren folgerichtigen Schlüssen die Lehren daraus, 
wie etwa damals anders hätte gehandelt werden müssen, bezugsweise, wie 
nunmehr bei verbesserter Bewaffnung zu verfahren sein würde. 

In demselben Sinne ist der II. Teil: „Psychologie und Taktik", sowie 
der III. Teil: „Taktische Folgerungen" abgefafst, indem wir auch hier 
keiner schulmeisterlichen Theorie begegnen, sondern worin er mit demselben 
wannen Herzen, wie einst als Soldat in der Schlacht, mit dem Menschen 
rechnet und das Psychologische der Frage obcnanstellt. Bei seinen Unter- 
suchungen über die Taktik geht er von der Natur des Durchschnittssoldaten 
aus, bei welchem der natürliche Selbsterhaltungstrieb in schwierigen Gefechts- 
lagen nur selten durch innere moralische Kraft paralysirt wird und verlangt 
mit Kecht von der Erziehung im Frieden sowie von der Tnktik, dafs sie 
diesem Faktor Rechnung tragen müssen. In Berücksichtigung der chirur- 
gischen und ballistischen Versuchsergebnisse neuester Zeit sowie des Ein- 
flusses des rauchschwachen Pulvers auf Übersichtlichkeit des Geländes 
und somit auf die Befehlserteilung hält er eine Befohlsführung bis 
hinein in's Gefecht durch die höhere Führung für ausgeschlossen, ver- 
langt daher, — ,,da nur eine geführte Truppe siegen kann, 4 ' — mehr 
Unterführer und stellt erhöhte Anforderungen an ihre Initiative und 
Umsicht. Andrerseits erkennt er die Notwendigkeit der einheitlichen 
Leitung des Gefechts bis in das letzte Stadium an und verlangt daher, m i t 
Verwerfung eines sogenannten Normalangriffs, eine Reglemen- 
tarisirung der Wechselwirkung zwischen höherer und niederer Führung, 
also eine Beschränkung der durch das Reglement 88—89 und seiner An- 
hänger (General von Schliehting etc.) gezeitigten Willkür der Unterführer! 
Er führt aus, wie wir durch dieses Reglement aus einem Extrem in 
das andere gekommen sind. Während früher alle Befugnisse bei der höheren 
Führung lagen, verlege das neue Reglement die Kampfdurchführung 
lediglich auf die Unterführer, wodurch die höhere Führung zu kurz komme 
und jede Möglichkeit eines einheitlichen Verfahrens preisgegelfen sei. Auf- 
marsch, Entwicklung und Kampfdurchführuug seien drei verschiedene, sich 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär - Literatur. 



109 



nach Zeit und Raum folgende Stadien, für welche gewisse reglementarische 
Festsetzungen bestehen müssen, um heim Angriff' von Massen Einheitlichkeit 
im Verfahren erzielen zu können. In Anbetracht des Umstandes, dafs 
der Schützenmassenkampf jetzt die allein mögliche Fechtweise sei, könne 
das jetzt beliebte Auftragsverfahren für die Organisation desselben nicht 
als Regel aufrecht erhalten werden, es müsse überhaupt mit dem Befehls- 
verfahren Hand in Hand gehen. Wie einerseits das weittragende Gewehr 
einen frühzeitigen Aufmarsch und frühe Gefechtsentwickelung sowie die 
Bildung starker einreihiger Schützenschwarme, desgleichen das frühzeitige 
Eingreifen einer von vornherein starken Artillerie verlange, so sei doch 
für die nachfolgenden Unterstützungstruppen sowie besonders für die Re- 
serven so lange wie irgend möglich die geschlossene Ordnung aus moralischen 
Gründen beizubehalten, andernfalls die Anwendung einreihiger, geöffneter 
Linien zu empfehlen. Das Feuer der Schützen will Verfasser, wenn nicht 
dringende Umstände ein Fernfeuer rechtfertigen, möglichst erst auf 600 m 
eröffnet wissen und es bis 400 m in der Bewegung herantragen. Hier 
sei das Feuergefecht durch Artillerie und Infanterie mit Nachdruck zu er- 
greifen, um die Feuerüberlegenheit zu erlangen. Ist diese erreicht, dann 
würde sich die Entscheidung in der Zukunft nur wenig von der früherer 
Zeiten unterscheiden. Es würde in vielen Fällen sehr wohl möglich sein, 
dafs im späteren Stadium des Kampfes, auch im freien Gelände, kleine 
geschlossene Abteilungen herangebracht werden können, weil beim Gegner 
die Gefechtskraft von Stunde zu Stunde abnimmt. Alsdann könne eine 
verhältnifsmäfsig kleine, geschlossene Truppe eine Entscheidung geben, 
welche niemals zu erschiefsen gewesen wäre. 

Es würde zu weit führen, hier auf weitere Details einzugehen und all 
die Motive zu erläutern, welche die Untersuchung zu vorstehend skizzirten 
Resultaten geführt haben. Desgleichen können die Betrachtungen über 
die höhere Truppenführung nur flüchtig gestreift werden, welche unter 
anderem im III. Teil die folgenden neu hinzugekommenen Kapitel ent- 
halten: „Von der Raumausdehnung in der Schlacht", Über die „Ver- 
teidigung'', und die „Orts- und Waldgefechte 4 '. Auch in diesen Unter- 
suchungen, zu welchen alle nur erdenklichen Beispiele aus den modernen 
Kriegen herangezogen sind, wird als vorwiegende Ursache für bisherige 
gröfsere oder geringere Mifserfolge eine mangelhafte Erkundung und nicht 
hinreichende Vorbereitung des Angriffs durch die Artillerie erkannt und 
beides daher auf das Dringendste empfohlen. — Uberall begegnen wir auch 
hier, — und das ist es, was das Buch so wertvoll macht, — demselben 
gediegenen und klaren Urteil, welches ebensowohl auf reichen kriegswissen- 
schaftlichen Studien als ganz besonders auf praktischen Kriegserfahrungen 
basirt und neben allen technischen Erwägungen die psychologischen oben 
anstellt. 

Wenn man auch bei einigen Kapiteln vielleicht den Wunsch hegen 
möchte, der Autor hätte sich etwas kürzer fassen und bestimmter ausdrücken 
können, so gelangt man zu seiner Rechtfertigung doch bald zu der Uber- 
zeugung, daß} es wohl sein Bestreben gewesen ist, allen nur denkbaren 



Digitized by Google 



110 



Umschau in der Militar-Littcratur. 



Einwendungen gegenüber Stellung zu nehmen und andererseits keine, festen 
Nonnen geben zu wollen. Seinem Grundsatz getreu, dafs der Buchstabe 
den Geist nicht tödten soll, will er vor allen Dingen den Leser zum Nach- 
denken anregen und den Soldaten dabin erziehen, dafs er bei möglichster 
Bindung an die höhere Führung es lerne, in konkreten Fällen die sach- 
gemäfseste Form für sein Handeln selbstständig zu wählen. 

Möchte das vortreffliche Buch in diesem Sinne segensreich auf die 
Armee wirken! v. M. 

Geschichte des 1. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 31. Ver- 
fallt von Max G ott schal ck, Generalmajor z D. Nebst einem 
Verzeichniis säuimtlicher Offiziere, Arzte und Zahlmeister, welche seit 
der Gründung in demselben gedient haben, zusammengestellt von 
11 ans von Ahlefeld, Lieutenant und Adjutant im Regiment. Berlin 
1894, E. S. Mittler & Sohn. Preis 12,50 M. 
Das Regiment ist aus der russisch-deutschen Legion hervorgegangen. 
Durch die im Februar 1813 zu Mitau in Kurland begonnene Bildung eines 
dritten Bataillons der Infanterie dieser Truppe wurde der Grund zu seinem 
Bestehen gelegt. Als ein vollständiges Regiment nahm es noch in diesem 
und in den ersten Monaten des nächsten Jahres an den kriegerischen 
Freismissen an der Niederelbe, in Holstein und in den Niederlanden Teil. 
Dann erfolgte die Übernahme der Legion in den preußischen Dienst. 
Oberst von Stülpnagel, welchem die letztere hauptsächlich verdankte, dafs 
ihr Schicksal sich in dieser der Mehrzahl ihrer Angehörigen am meisten 
zusagenden Weise gestaltete, wurde der erste Kommandeur des nunmehrigen 
31. Infanterie-Regiments, welches durch tapferes Verhalten bei Ligny und bei 
Wavre sich seine, anderen neuerrichteten Truppenteilen nicht gewährten 
Fahnen verdiente. Als der Feldzug zu Ende war, wurde es nach Thüringen 
verlegt. Erfurt ward Stabsgarnison und ist es bis zum abermaligen Kriege 
gegen Frankreich geblieben. Die ruhige Friedensarbeit, welche hier anhob, 
wurde durch kriegerische Thatigkeit zuerst in den Sturmjahren 1848 und 
1849 unterbrochen. Das Füsilierbataillon focht in Schleswig-Holstein und in 
Baden, hier im Verein mit dem 1. Bataillon; auch gegen innere Feinde gab es 
Kämpfe zu bestehen; für die Füsiliere in Berlin, für die anderen daheim. 
Hervorragenden Anteil hatte das Regiment an den glänzenden Erfolgen 
des Feldzuges vom Jahre 1866, das Nachtgefecht von Podol, das blutige 
Ringen von Königgrätz und das Gefecht bei Blumenau, sind die Merksteine 
seiner Siegesbahn von der Elbe bis zur Donau. Minder vom Schicksal 
begünstigt war es im Kriege gegen Frankreich. Nur einmal wurde seine 
Kampfestüchtigkeit auf eine schwere Probe gestellt. Es geschah bei 
Beaumont nm 30. August 1870. Sie wurde glänzend bestanden. Dann 
ging es gen Paris. Das Regiment erhielt seinen Platz im Norden der Stadt, 
westlich von Saint-Denis ; von den ernstlich gemeinten Ausfallsversuchen 
der Besatzung richtete sich keiner gegen die in der Einschliefsungslinie 
ihm angewiesene Stellung, doch gab es auch hier manche Gelegenheit, 
Mut und Tapferkeit und andere Soldatontugenden zu bekunden. Als der 



Digitized by Goo<j 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



111 



Friede geschlossen war, rückte das Regiment in seine neue Garnison Altona, 
in welche es seit dieser Zeit verbliehen ist. — General Gottschalck, ein 
alter Einunddreifsiger, hat die Schicksale und Erlebnisse des Regiments, 
in dessen Reihen er zwanzig Jahre gestanden und in welchem er 1866 
wie 1870 gefochten hat, vorzüglich geschildert. Neben kriegsgeschichtlicher 
bietet er taktische Belehrung in reichem Mafse, wie es in der Natur der 
Verhaltnisse besondere bei Darstellung der Teilnahme des Regiments an 
den Ereignissen des Jahres 1866 liegt. Als Nachtgefecht gehört der Kampf 
von Podol zu denjenigen, welche als Beispiel für solche eine hervorragende 
Rolle spielen, die Schilderung der Ereignisse am Tage von Königgrätz — 
gekennzeichnet durch die Überschriften „Bis zum Überschreiten der Bistritz^, 
-Überschreiten der Bistritz", „Ausharren im 11 ola- Walde", „Vorgehen aus 
dem Hola-Walde" — ist in hohem Grade spannend und anschaulich, und 
von hohem Interesse sind die eigentümlichen Verhaltnisse vor und während 
des Gefechtes von Blumenau-Prefsburg. Selbsterlebnisse und zahlreiche 
Aufzeichnungen von Mitkämpfern haben den Verfasser in den Stand gesetzt, 
Darstellungen dor Vorgänge bieten zu können, welche den Leser vollständig 
in den Kreis der Augenzeugen versetzen. — Überhaupt haben ihm reiche 
Quellen zu Gebote gestanden. Für die ersten Anfange dos Regiments lag 
die vorzügliche Geschichte der russisch-deutschen Legion vor, welche der 
damalige Hauptmann von Quistorp geschrieben hat, auch über manche 
andere Perioden waren Mitteilungen durch den Druck bereits früher ver- 
öffentlicht oder als Handschriften vorhanden und über die Teilnahme am 
Kriege 1870/71 hatte General Gottschalck selbst eine Schrift herausgegeben. 
Am dunkelsten waren die Zustände, welche während des Foldzuges von 
1815 bestanden hatten, aber auch hier gelang es, Licht zu schaffen, indem 
Premierlieutenant von Estorff. ebenfalls ein früherer Regimentsangehöriger, 
ans Berliner Archiven für verloren Gehaltenes zu Tage forderte. Aufserdem 
ist natürlich die sonstige kriegsgeschichtliche Litteratur zu Rate gezogen. 
Weniger eingehend sind die Friedensverhältnisse geschildert, die ab und 
an wohl eingehender hätten behandelt werden können. Es hat die nahe- 
liegende Gefahr vermieden werden sollen, Heeresgeschichte zu schreien 
und dieses Streben hat ab und an dazu geführt, die durch allgemein geltende 
Anordnungen bedingten Sondereinrichtungen unbeachtet zu lassen. So bei 
der Schilderung der Friedensjahre zwischen den Kriegen von 1866 und 
von 1870/71. Es ist gesagt, dafs fleifsig gearbeitet wurde. Von Interesse 
wäre gewesen, zu erfahren, wie dies geschah. Eine reiche Beigabe von 
Karten erleichtert das Studium des vortrefflichen Buches. Das vom 
Lieutenant von Ahlefeld zusammengestellte Verzeiehnifs der Offiziere etc. 
ist eine sehr sorgsame Arbeit. Sie wird viel Mühe gemacht haben, ist 
aber auch in seltenem Grade gelungen. 14. 

Braune Husaren. Geschichte des braunen Husaren-Regiments der 
fridericianischen Armee 1742—1807 und des jetzigen Husaren - 
Regiments von Schill (1. Schlesischen) Nr. 4 1807—1893. Von Iis. 
Frh. von Wechmar, Rittmeister etc. 3 Teile in 1 Bande. Berlin 
1893. Paul Leist. Preis 12,50 M. 



Digitized by Google 



112 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



Eine sehr gut geschriebene Regiments-Geschichte! Der Verfasser, wohl 
ein Nachkomme des dritten Chefs der braunen Husaren 1746 — 57, hat die 
Geschichte der fridericianischen Husaren mit der des Husaren-Regiments 
v. Schill zwar in einem Buche zusammengestellt, dabei sie aber durchaus 
von einander getrennt gehalten; beides mit voller Berechtigung, denn die 
erstere der letzteren vorauszuschicken, erscheint nicht blofs wegen der ihnen 
beiden gemeinsamen und in der Armee einzig dastehenden Farbe der 
Uniform zulässig, sondern deswegen, weil 8 Offiziere und die Mannschaften 
einer Schwadron des alten Husaren-Regiments Plefs in das durch A. K. O. 
vom 5. Dezember 1808 neu gebildete 1. Schlesische Husaren-Regiment als 
4. Schwadron übergetreten sind. Die Geschichte des fridericianischen. 
Regiments einfach in die des jetzigen zu übernehmen, war dagegen nicht 
angängig, weil die 3. Husaren-Brigade, zu welcher ersteres durch A. K. O. 
vom 30. Januar 1807 neu formirt worden war. im Oktober d. J. aufgelöst 
und die unter dem 16. Oktober gebildete neue Husaren-Brigade — dem- 
nächst Oberschlesisehes Husaren-Regiment genannt — aüfser den oben er- 
wähnten Resten der Plefs-Husaren aus zu vielen verschiedenen anderen 
Bestandteilen zusammengesetzt wurde und weil unter dem 5. Dezember 1808 
das Oberschlesische mit dein Niederschlesischen Husaren-Regiment zu einem 
einzigen, dem nunmehrigen 1. Schlesischcn Husaren-Regiment, verschmolzen 
worden ist. — Da der geschichtliche Zusammenhang des jetzigen brauuen 
Husaren-Regiments mit dem fridericianischen nachgewiesen ist, so erscheint 
es dem mit der Geschichte des letzteren Vertrauten in hohem Grade ver- 
wunderlich, dafs bei der durch A. K. O. vom 27. Januar 1889 verfügten 
Namensverleihung dem Regiment nicht der Name seines ihm 28 Jahre 
vorstehenden Chefs von Werner (1757 — 85), unter dem es im siebenjährigen 
Kriege unzählige Ruhmesthaten vollbracht und hohe kriegerische Ehren 
eingeheimst hat, erteilt worden ist. Den einzigen Zusammenhang, in dem 
Ferdinand v. Schill zu dem nach ihm benannten Regiment sich befunden 
hat, besteht darin, dafs er, als noch nicht 15jähriger Jüngling, bei dem in 
der Nähe seiner väterlichen Besitzung Niedcr-Sodow in Schlesien garni- 
sonirenden damaligen Husaren-Regiment von Groeling (Nr. 6), dem alten 
brauneu, im Oktober 1790 als Fahnenjunker „eingeschrieben 44 wurde. 
Noch bevor er zur Einstellung gelangte, wurde er in das Bayreuth-Dragoner- 
Regiment übernommen. Er hat thatsächlich nie im 4. Husaren-Regiment 
Dienste geleistet*). Da das von ihm gebildete 2. Brandenburgische Husaren - 
Regiment nach seinem Untergänge aus der Armee gestrichen wurde und 
seine Überbleibsel in Ulanen-Regimenter übertraten, so dürfte es unseres 
Erachtens angemessener gewesen sein — wenn doch in einem Husaren - 
Regiment Schills Name verewigt werden sollte — mit demselben eines der 
neu formirten Regimenter zu ehren und den braunen Husaren den Namen 
ihres berühmten Chefs Werner zu geben! 

*) Übrigens bat Schill, welcher in der Kab.-Ordre, die dem Regimente seinen 
Namen verleibt, als Ohcrstlieutenant v. Schill bezeichnet wird, niemals diese 
Charge bekleidet, er ist als Major im Jahre 1809 in Stralsund kämpfend gefallen. 



Digitized by Goog 



Umschau in der Militär- Li tteratur. 



113 



Das 1. Bucli enthält die Gründung des braunen Husaren-Regiments 
Anfangs 1741 und seine Beteiligung an den schlesischen Kriegen. Für sie 
und die ersten Jahre des 7jährigen Krieges scheinen die Quellen etwas 
dürftig zu fliefsen. Prag, Kollin, Breslau, Leuthen, Hochkirch, Görlitz, 
Uandshut, Torgau waren hohe Ehrentage fiir das Regiment; eine der 
kühnsten Thaten desselben, eingehend und klar dargestellt, ist die Ent- 
setzung Kolbergs durch Werner am 18. September 1760. Bei der Dar- 
stellung dieses Krieges vermißt man zuweilen die Klarstellung des Zu- 
sammenhangs der Thaten des Regiments mit den Begebenheiten des Feld- 
zuges, ein Mangel, der spater nicht hervortritt. Nach der Schlacht bei 
Torgau fand das Regiment in Pommern bis zum Juli 1762 gegen die 
Bussen Verwendung; am Schluß des Krieges kämpfte es mit Auszeichnung 
bei Reichenbach, im Feldzug 1778 beim Überfall von Glomnitz. Den 
Rlieinfeldzug 1792 — 95 machte das Regiment größtenteils bei der Avant- 
Garde des Prinzen Hohenlohe mit; interessante Angaben bietet ein Nekrolog 
über den damaligen Major v. Erichsen des Regiments. 1806 nahm ein 
Bataillon des Regiments bei Saalfeld an der unglücklichen Attacke Teil, 
in deren Folge Prinz Louis Ferdinand den Tod fand. Bei Jena verfiel es 
dem allgemeinen Unheil, vermochte aber auf dem Rückzug als Seiten- 
deckung über Genthin und Stettin die Weichsel, um 300 Mann geschwächt, 
zu gewinnen und den Feldzug 1807 in Preußen mitzumachen. 

Das 2. Buch beginnt mit der Neubildung der braunen Husaren 1807 — 9, 
unter Darstellung der Schwierigkeiten der Friedensjahre. Die 1. und 
3. Schwadron wurden dem Hilfskorps zugeteilt, das Preußen 1812 dem 
Frankenkaiser gegen Rußland stellte. Sehr charakteristisch ist das „Cir- 
eulair", welches der zum Kommandeur des Regiments ernannte Major 
v. Blücher an die zurückgebliebene 2. und 4. Schw. behufs ihrer Mobil- 
machung erließ. Im Beginn der Befreiungsskriege bildeten diese beiden mit 
den ebenfalls zurückgebliebenen 3. und 4. Schw. des 2. Schlesischen Husaren- 
Regiments zusammen das „kombinirte Schi. Hus.-Rgt." der oberschlosischeu 
Brigade Zieten. Es fand als Avant-Garden-Kavallerie des Blüchersehen 
Korps in Thüringen in der Zeit vor Vereinigung der Napolconischen 
Hauptarmee mit dem Vizekönig von Italien im Aufklärungsdienst ein reiches 
Feld der Thätigkeit. Hierbei will es uns bedünken, als hätte die Arbeit 
manchmal mehr ins Einzelne gehen können. Die Wirksamkeit der beiden 
Blücherschen Schwadronen und des freiwilligen Jäger-Detachements vor 
Zietens Front bis zur Schlacht von Gr.-Görechen ist auf drei Seiten erledigt, 
während das Kriegs-Archiv des Generalstabes darüber eine Fülle von 
Material bietet, welches eine Darstellung bis ins Einzelne — - dem jungen 
Offizier für die Verhältnisse des Aufklärungsdienstes sehr lehrreich — 
ermöglicht haben würde. Von den Tagen vom 26. April bis 2. Mai, über 
welche ausführliche Meldungen des Majors v. Engelhardt vorliegen uud in 
denen das Zusammenwirken des Major v. Blücher mit dem Kasaken- 
fuhrer Baron Löwenstern — der irrtümlich immer Löwenstein genannt 
wird und vor dem Waffenstillstand nicht Oberst, sondern, wie auch 
Laroche, erst Major war — stattfand, wird kein Wort erwähnt. Unseres 

J»hrbUcber Hlr die Deutsche Armee und Marine. Bd. V1IIC , 1. 8 



Digitized by Google 



114 



Umschau in der Milkar-Litteratur. 



Erachtens können Regiments - Geschichten nicht genug ins Einzelne 
gehen, da dieses gerade für die Mitglieder des Truppenteils das Wissens- 
werteste und Belehrendste ist. Regiments - Geschichten sind die ge- 
eignetsten Werke, um nach dieser Richtung hin die reichen, im Kriegs- 
Archiv vergrabenen Schätze zum Vorteil der Armee zu verwerten. — 
Wiihrend der Befreiungskriege war das Regiment in zahlreichen 
Schlachten und Gefechten thätig, zum Einbauen kam es nur bei Dresden, 
Leipzig. Chauipaubert und Bolle- Alliance ; bei Kulm, Laon und Nanteuil 
(1815) eroberte es Geschütze, bei Peterswalde (1813) wurde sein Kommandeur 
Blücher durch Hinterlist und Verrätcrci seines Gegners gefangen. — Die 
Behandlung der folgenden Friedensperiode zeugt von fleifsigem Akten- 
studium des Verfassers. Während der Friedeuszeit fand das Regiment bei 
den Polenaufständen 1830/31, 1816 und 1848 Verwendung; namentlich 
die Darstellung des letzten enthält fesselnde Einzelheiten. Im Feldzuge 
1866 gehörte es zur Avantgarde des 6. Armeekorps, gelangte aber nur bei 
Königgrätz zur Thätigkeit. das Unglück wollte es, dafs, als das Regiment 
nach langem Ausharren im Grauatfeuer, endlich am Nachmittag des 3. Juli 
feindliche Artillerie attackiren konnte, es in einen nicht bemerkten Hohlweg 
stürzte. Im Verbände der 2. Kavallerie-Division deckte das Regiment im 
Feldzuge 1870 — 71 beim Vormarsch der kronprinzlichen Armee den äussersten 
linken Flügel; erst während der Einschliefsung von Paris fand es in einigen 
kleinen Scharmützeln Gelegenheit, mit dem Feinde handgemein zu werden. 
Vom 7. Okt. aber ab begleitete die Division den General v. d. Tann nach 
Orleans und beteiligte sich an dem Loire-Feldzuge, eine an Strapazen 
im Marsch- und Vorpostendienst und kleinen, oft mit Verlusten für da» 
Regiment verbundenen Unternehmungen reiche Periode des Krieges. Am 
4. Dezember beim Vormarsch auf Ormes gelang es der 1. Schwadron, eine 
feindliche reitende Batterie, die auf einer Waldblöfse abgeprotzt war, zu 
überraschen und gefangen zu nehmen. (X. B. Für den Krieg 1870/71 ist 
zum grofsen Teil das Buch des Majors B. Poten „Braune Husaren in 
Frankreich' 4 benutzt worden). — Die Anlagen umfassen die Stammlisten 
des alten und des neuen Regiments, ferner die Ranglisten von 1743 — 1893, 
von 10 zu 10 Jahr, von 1820 ab alle 5 Jahze vollständig, für die Zwischen- 
jahre die Veränderungen jahrgangsweise aufgeführt, aufserdem die Kriegs- 
Rangli»teu der Feklzüge 1866 und 1870/71 einschliefslich der Unteroffiziere, 
ferner die Verlustlisten, die Listen der Dekorirten aus den Befreiungskriegen 
uud den neueren Feldzügen, endlich die beim Regiment bestehenden Fonds. 
Die Kartenbeilagen sind dadurch besonders übersichtlich , dafs fast nur Orte 
aufgenommen wurden, die in der Regimentsgeschichte vorkommen. An Ab- 
bildungen bringt das Buch : in Phototypicn die bekannte Schaarwächter'sche 
Aufnahme Kaiser Wilhelms II. in Husaren-Uniform mit umgehängtem Pelz 
und das Bild des langjährigen jetzigen Chefs Grolsfürsten Michael Nico- 
lajewitsch von Rui'sland, ferner in trefflichem Farbendruck die Bildnisse 
der Regiments-Chefs von Wechmar, v. Werner und Graf Zieten, sowie 
eine Tafel mit den jetzigen Uniformen. — Ausstattung an Papier, Druck, 
Einband würdig und vornehm nach jeder Richtung! Fs. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



115 



Die Königlich Preufsische Garde-Artillerie, iiisbesondere Geschichte 
des 1. Ganle-Feldartillerie-Regiments und des 2. Garde-Feldartillerie- 
Regiinents. Auf dienstliche Veranlassung verfafst von Beutner 
Major. Zweiter Band. Mit 6 Bildnissen, 3 Gesammtbildem der 
Kommandeure, einem Bild der 1870 gefallenen Offiziere, 2 Uniform- 
bildern, 9 Karten und Skizzen. Berlin 1894. E. 8. Mittler & S. 
Preis 12,50 M. 

Der erste Band dieser Regiinentsgeschichte erschien bereits vor mehreren 
Jahren; er behandelte die Zeit der glatten Geschütze, während der vor- 
liegende zweite Band die Zeit der gezogeneu Geschütze und der mit ihrer 
Hülfe für Preußen und Deutschland errungenen grofsen Erfolge bringt. 
Welchen hervorragenden Anteil die Garde- Artillerie an den drei Kriegen 
genommen hat, das wissen wir aus den Blättern der Geschichte, aber die 
für den Soldaten so wissenswerten Einzelheiten dieser Beteiligung erfahren 
wir nun erst durch diesen (ohne den 164 Seiten füllenden Anhang) 
331 Druckseiten beanspruchenden stattlichen Band. Der erste Abschnitt 
behandelt die Teilnahme von zwei Batterien (3. 6pfündige und 4ptündige 
Vereuchs-Batterie) am dänischen Kriege 1864. Der zweite behandelt im 
I. Kapitel die Friedenszeit von 1864 bis 1866. Am 16. Juni 1864 wurde 
die Garde-Artilleric-Brigadc, welche bisher nur ein Regiment, aus 5 Ab- 
teilungen bestehend, dargestellt hatte, zu einer aus zwei Regimentern 
(Garde- Feld- und Garde- Festungsartillerie-Regiment) umfassenden Brigade 
erhoben. Erster Kommandeur des Feld-Regiments war der auch durch 
seine artilleristischen Schriften rühmlichst bekannte Prinz zu Hohenlohe — 
Ingeltingen. Im II. Kapitel findet der Feldzug in Böhmen 1866 eine licht- 
volle Darstellung. Soor, Skaliz, Schweinschädel, Köuiginhof, vor Allem 
aber Königgrätz bezeichnen den Siegeszug der Garde-Artillerie, welcher 
dieselbe bis vor die Thore Wiens führte. Das III. Kapitel ist der „Friedens- 
zeit 1866 bis 1870" gewidmet. In diese fällt das völlige Ausscheiden der 
glatteu Zwölfpfünder, nachdem die Haubitz-Batterien schon 1865 aus der 
Feld- Artillerie ausgeschieden worden waren. Die Neubewaffnung und Neil- 
Ordnung erreichte im Jahre 1867 ihren Abschluß. Jetzt besafs die 
preufsische Artillerie die besten Geschütze aller europäischen Heere; mit 
welchem Erfolge sie ihre Aufgabe als Hauptfeuerwaffe des Heeres gelöst 
hat, schildert das IV. Kapitel: „Der deutsch-französische Krieg 1870/71". 
— Zur Zweiten Armee gehörig, hat die Garde-Feldartillerie an den Schlachten 
von St. Privat (eine reitende Batterie auch an der von Mars la Tour), 
Sedan, dann an der Belagerung von Paris den glänzendsten Anteil ge- 
nommen. 9 Offiziere, 1 Fähnrich, sowie 133 Unteroffiziere und Mann- 
schaften starben während des Feldzuges den Heldentod, 15 Offiziere erwarben 
das eiserne Kreuz I. Klasse, 116 das II. Klasse am schwarzen Bande, ferner 
169 Unteroffiziere und Mannschaften. — Der dritte Abschnitt behandelt 
„die Garde-Feldartillcric-Brigade 1872 bis 1893/ In Folge der allgemeinen 
Neuordnung der Feldartillerie vom Jahre 1872 wurde statt des Garde- 
Feldartillerie-Regiments eine Gardc-Feldartillerie-Brigade errichtet; das 
Garde-Fufsartillerie-Regiment schied aus dem Brigadeverbande aus. Die 

8* 



Digitized by Google 



116 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



Garde-Feldartillerie-Brigade urnfafste künftig 2 Regimenter, das Regiment 
Korps-Artillerie und das Regiment Divisions-Artillerie, für welche am 7. Mai 
1874 die Bezeichnungen 1. und 2. Gardc-Feldartillerie-Reginicnt festgestellt 
wurden. Die Geschichte der beiden Regimenter findet deragemäfs von 
1872 ab eine gesonderte Darstellung in den beiden Kapiteln dieses Ab- 
schnittes. Beim Regierungsantritt Sr. Majestät des Kaisers und Königs 
Wilhelm II. ernannte sich derselbe zum Chef des 1. Garde-Feldartillerie- 
Regiments und die 1. Batterie desselben zu seiner Leib-Batterie. Das 
2. Gardc-Feldartillerie-Regiment hat seit vorigem Herbst zur Hälfte in 
Potsdam Garnison erhalten und wird nach Fertigstellung der neuen Kasernen 
ganz nach dort tibersiedeln. — Im „Anhange" enthalten die Beilagen eine 
übersichtliche Darstellung der Neuordnungen der Feldartillerie 1863 bis 
1893, die Batterien im Abteilungs -Verbände der Garde -Artillerie 1863 bis 
1893, die Liste der Brigadiers, Brigade-, Regiments- und Abteiluugs- 
kommandeure von 1816 bis 1893, dann die Batterien beider Regimenter 
(Benennungen, Feldzüge, Verluste. Dekorationen, Chefs), eine Liste der 
1870/71 dekorirten Offiziere, 14 Ranglisten aus der Zeit von 1864 bis 1893, 
ein Verzeichnifs der Offiziere der Garde-Artillerie 1816 bis 1872, dann 
1872 bis 1893, endlich ein mit wichtigen biographischen Notizen ausgestattetes 
alphabetisches Inhalts -Verzeichnifs der Offizien*. — Der Quellennachweis 
hat 403 (!) Nummern, ein Beweis, welche Mühe der Verfasser auf die Her- 
stellung dieser in jeder Beziehung mustergültigen Regiments-Geschichte 
verwendet hat. Die Ausstattung desselben mit Bildnissen und Plänen ist 
eine treffliche und entspricht dem gediegenen Inhalte. 1. 

1. Erinnerungen aus meiner Dienstzeit von R. Berendt, General- 

major z. D. 2. Fünfzig Jahre aus meinem Leben von R. Frh. 
v. Strombeck, Generalmajor z. D. — Leipzig 1894. Fr. Wilh. 
Grunow. Preis je 1,60 M. 

Der Verfasser der „Erinnerungen" schildert in höchst fesselnder 
Weise seine militärische Laufbahn, vom Tage seines Eintrittes bei der 
6. Artilleriebrigade im Jahre 1851 bis zu seiner Verabschiedung im Jahro 
1888. Ihm eignet in hohem Grado die Erzähler-Gabe, auch fehlt ihm nicht 
eine humoristische Ader, welche besondere bei der Schilderung seiner ersten 
Dienstjahre in Breslau zu Tage tritt und an Hackländer'sche Schreibweise 
erinnert. Den Feldzug 1866 hat der Verfasser als Führer einer Munitions- 
kolonne mitgemacht, wir erfahren hier einmal, wie es hinter der Front 
hergeht im Kriege, an dem er im Verbände des V. Armeekorps Teil nahm. 
1870 finden wir ihn an der Spitze einer Feldbattcrie des hannoverschen 
Feld-Art. -Regts. Nr. 10 in der Schlacht von Mars la Tour, dann bei 
Beaune la Rolande, Orleans, le Maus. Mit dem eisernen Kreuze 1. und 

2. Klasse geschmückt kehrt er heim, um sodann zur Fufs-Artillerie versetzt 
zu werden, bei welcher er als Kommandeur des Regiments Gcueralfeld- 
zeugmeister seine Laufbahn beschlofs. — 

Der Verfasser der „Fünfzig Jahre" begegnet uns nicht zum ersten 
Male auf litterarischem Pfade. Seine Kriegs-Tagebücher sind bereits vor 



Digitized by Vj< 



Umschau in der Militär -Literatur. 



117 



mehreren Jahren im Zernin sehen Verlage erschienen. Er hezweckt mit 
der Veröffentlichung dieser Aufzeichnungen, welche er seiner Gattin ge- 
widmet hat, Belehrung junger Kameraden und eine Unterhaltung für Wohl- 
gesinnte. Verfasser giebt dem Leser eine vollkommene Selbstbiographie, 
von den Tagen der Kindheit und des Kadettenkorps, bis zu denen seines 
jetzigen Ruhestandes. Die ersten 7 Jahre seiner Dienstzeit stand er beim 
7. Kürassier-Regiment in Halberstadt und weifs sehr drastisch den damaligen 
Dienstbetrieb eines preufsischen Kavallerie-Regiments zu schildern. Der 
Unterschied des „Sonst" und des „Jetzt" ist augenfällig, nicht zum Nach- 
teil des letzteren. Im Jahre 1860 zum 11. Ulanen-Regiment versetzt, war 
v. St. an den drei Feldzügen 1864, 66, 70/71 mit Auszeichnung beteiligt. 
Er giebt aber hier nur Bruchstücke aus seinen, wie schon bemerkt, ander- 
weitig veröffentlichten Tagebüchern. Sehr anziehend ist auch die Dar- 
stellung des Lebens in den kleinen Kavallerie-Garnisonen und der mannig- 
fachen Berührung mit fürstlichen Persönlichkeiten. 1892 wurde v. St. 
znm Kommandeur der 9. Ulanen ernannt , dann im Frühjahr 1888 zum 
Kommandanten von Glatz, aus welcher Stellung er, nach Beförderung zum 
General, sich 1892 in das Privatleben zurückzog. 

Reiche Belehrung Uber das Soldatenleben im Kriege und im Frieden 
wird namentlich der jüngere Offizier aus den lebenswahr und frisch ge- 
schriebenen Schriften dieser beiden alten Offiziere schöpfen können. Allen 
denen aber, die, wie Schreiber dieses, in allen drei Feldzügen als Front- 
offizier „mit dabei" war, wird die Lektüre dieser Aufzeichnungen manch 
liebe Erinnerung an Freud' und Leid unseres Staudes in der vergangenen 
großen Zeit iu das Gedächtnifs zurückrufen. 1. 

Sicilia. In deposito presse i Fratelli Bocca Librai di S. M. II Re 
dTtalia. Fircnze— Torino Roma. 1894. Pagine 374. Prezzo lire 3,50. 

Der Inhalt dieses Werkes erfüllt in höchst befriedigender Weise alles 
Dasjenige, was dessen ungenannter Verfasser — zweifellos ein im Norden 
Italiens beheimateter hochgebildeter italienischer Offizier — in der Vorrede 
verspricht. Vergangenheit und Gegenwart der Insel Sizilien und hierauf 
begründete Ausblicke auf die Zukunft derselben bilden den Inhalt des 
trefflichen Werkes. — 14 der im Ganzen 23 Abschnitte des "Werkes sind 
der reichen und höchst wechselvollen Geschichte Siziliens von den ältesten 
Zeiten bis zum heutigen Tage gewidmet. In den folgenden 9 Abschnitten 
werden das Land, die Bevölkerung, die ökonomischen und die Kultur- 
Verhältnisse, dann die Leiden — il Malandrinaggio, la Mafia, e l'Omerta — , 
hierauf die soziale Bewegung — i Fasci — . die Verteidigung und 
schliefslich die Zukunft der Königin unter den Inseln Italiens und des 
mittelländischen Meeres betrachtet. Geradezu fesselnd wirken die Abschnitte 
15 und 22, welche sich mit der Beschreibung des Landes und der Ver- 
teidigung desselben beschäftigen. — Nicht nur die Ursachen der vielen 
Leiden, von welchen Sizilien heimgesucht war und leider noch immer ist, 
werden klar und eingehend dargelegt, sondern auch die Mittel zur Linderung 
dieser Leiden in eine ebenso gründliche wie höchst verständige Erwägung 



Digitized by Google 



118 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



genommen. — Das Werk, für welches wir nur die Beigabe einer Karte 
der Insel zu wünschen hätten, verdient vor Allem die Beachtung der zur 
Regierung Siziliens berufenen Persönlichkeiten, kann aber auch, obwohl 
dasselbe kein Untcrhaltungs- oder Reisebuch sein will, allen Denjenigen, 
welche sich Über die schöne Insel belehren oder gar dieselbe bereisen 
wollen, bestens empfohlen werden. 32. 

Taschenbuch für Offiziere und Offiziersaspiranten des Beurlaubten- 
standes der Armee. Herausgegeben von A. von Gey so, Pr.- 
Lieutenant und Bezirks-Adjutant. Berlin 1894. K. S. Mittler & S. 
Preis 75 Pfg. 

Ein praktisches Bücholchen, welches auf Grund der neuesten Ver- 
ordnungen und Gesetze Alles enthält, was der Offizier des Beurlaubtenstandcs 
in Bezug auf sein dienstliches Verhaltnifs zu wissen nötig hat. Es enthält 
folgende Abschnitte: Wehrpflicht und Dienstpflicht. — Ergänzung der 
Offiziere und Übungen der Offiziersaspiranten. — Offizierwahl und Offizier- 
vorschlag. — Das Offizierkorps und dessen Versammlungen. — Dienst- 
verhältnisse der Offiziere: 1. Zurückstellung hinter die letzte Jahresklasse; 
2. Auswanderung und Urlaub; 3. Anzug; 4. Militärische Kontrolle und 
Kontrollversammlungen; 5. Übungen, Beförderungen. Versetzungen; 6. Ver- 
abschiedung; 7. Heirat. — Orden und Ehrenzeichen. — Gesuche und 
Beschwerden. — Rechts- und Disziplinarverhältuisse. — Ehrengerichte. — 
Pensionirung und Versorgung. — Gebührnisse. — Offizier-Unterstützungs- 
fonds. — Geschäfts- und Schriftverkehr. — Das Büchelchen enthält in 
handlichem Taschenformat und gut gebunden 60 Seiten und wird seinem 
Zwecke gut entsprechen. 4. 

Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der 
militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem 
Texte versehen von R. Knötcl. Band V. Heft 1 — 3. Rathenow 
1894. M. Babenzien. Preis jeden Heftes 1,50 M. 

Heft 1: Danzig: Bürgermilitär. 1740. — England: 2. Nord-Britisches 
Dragoner-Regt., 3. Dragoner-Regt. 1815. — Preufsen: Regt. v. Glasenapp 
(1806 v. Kuhnheim Nr. 1), Regt v. d. Marwitz (1806 Herzog v. Braunschweig 
Nr. 21), Regt. v. Arnim (1806 v. Kleist Nr. 5). 1729. — Bayern; 2. kombi- 
nirtes Inf.-Regt. des Kgl. Bayerischen Expeditions-Korps für Griechenland. 
1832—1835. — Frankreich: v. Gschray'sches Freikorps. 1747. Heft 2: 
Preufsen: v. Gschray'sches Freikorps. 1761. v. Favrat'sches Freikorps 
(Die schwarze Brigade) 1763. — Hannover: Offizier der Garde du Corps. 
Offizier vom Leib-Kürassier Regiment 1830. — England: Offizier und 
Scliarfschütz vom 95. Regiment (Riflc-Korps). Scharfschütz vom 60. Regt. 
1813. — Osterreich- Ungarn: Dragoner-Regimenter. 1762. Heft 3: Schwä- 
bischer Kreis : Grenadiere vom Landgräflich Fürstenbergischen Schwäbischen 
Kreis-Regimente. 1735.— Hannover: Garde-Husaren. 1830. — Frankreich: 
Ordonnanz-Gendarm. Mameluk. 1806. - Nassau: Reitende Jäger. 1806. 
1807. 1810. — Frankreich: Bataillon des Fürsten von Neuenburg. 1810. 3. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



119 



Die Bein- und Huf leiden der Pferde, ihre Entstehung, Verhütung und 
arzneilose Heilung, nebst einem Anhange über arzneilose Heilung 
von Druckschäden und Wunden. Von Spohr, Oberst a. D. 5. ver- 
mehrte u. verbesserte Auflage. Berlin 1894. Verlag von R. Wilhelmi. 
Preis 3 M. 

Das Erscheinen einer 5. Auflage dieses Buches liefert den Beweis, 
dafs dasselbe weite Verbreitung und begründete Anerkennung in beteiligten 
Kreisen gefunden hat. Hinzugefügt ist dieser Auflage die naturgemäfse 
Heilung bezw. Rückbildung völlig ausgebildeter Rehhufe. Das Buch wird, 
wenn bei Behandlung erkrankter Pferde die hier dargelegte Methode in 
Anwendung kommt, zweifellos viele Besitzer von Pferden vor grofsem 
Schaden bewahren. 4. 

Der Kriegshund, dessen Dressur und Verwendung. Von Ernst von Otto- 
Kreckwitz in München. München 1894. Verlag und Druck von 
J. Schön. 

Verfasser ist Redakteur der Zeitschrift „Hunde-Sport und Jagd", man 
wird ihm folglich in der hier einschlagigen Frage ein sachkundiges Urteil 
zutrauen dürfen. Er ist der Ansicht, dafs bisher kein Hund die Eigen- 
schaften, welche man von einem Kriegshunde verlange — Intelligenz, Gehör, 
Nase, Ausdauer, Geschwindigkeit, Wachsamkeit, Scharfe, Temperament, 
Unempfindlichkeit gegen schlechtes Terrain und rauhes Wetter — vereine. 
Es scheine somit geboten, durch Kreuzung der Rassen eine neue herzustellen, 
am meisten noch entspreche eine englische Rasse, der Airedale Terrier, 
allen Anforderungen. Des Weiteren wird über Pflege des Hundes, die 
Vorschule, die Dressur zum praktischen Dienste, ferner Über Zuchtstationen 
hier ein sehr wertvolles Material beigebracht, dessen Studium wir allen 
denjenigen dringend raten können, die mit der Pflege und Dressur von 
Kriegshunden betraut sind. Die bisher erzielten Resultate sind auffallend 
gering; soll da Wandel geschaffen werden, so mufs für Verbesserung der 
Rasse, dann bessere Dressur mehr geschehen wie bisher. Die kleine 
Schrift verdient, wie gesagt, volle Beachtung. 4. 

III. Seewesen. 

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. HeftlV. 

1894. Die Hydrographie der Formosa-Strafse in ihrer Bedeutung für die 
praktische Scbifffahrt. Von Kontre-Admiral S. Makaroff, nebst Bemerkungen 
von Dr. G. Schott. (Hierzu 1 Tafel). — Treibeis in südlichen Breiten. Von 
L. E. Dinklage. — Staubfalle im Passatgebieto des Nordatlantischen Ozeans. 
— Zur Lehre von der Wellenberuhigung (Dr. G. Meyer). — Verhalten 
des grofsen Sturmes vom 7. bis 12. Februar d. J. in Rußland. — Der 
Sturm vom 22. bis 26. März d. J. auf dem Nordatlantischen Ozeau. (Der 
Weser-Zeitung entnommen). — Notizen zum Segelhandbuch „West-lndia- 
Pilot u Vol. I u. H. Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Stosch", Kommandant 
Kapitän z. See Rittmeyer. — Notizen über Proviantvorräte für Schiff- 
brüchige auf unbewohnten Inseln. 



Digitized by Google 



120 



Umschau in der Mffltar-Iitteratur. 



Marine-Rundschau. Heft 5. S. M. S. „Danzig". Von Wirkl. 
Admiralitätsrat Koch. — Über Bleivergiftung an Bord von Kriegsschiffen. 
Von Marinestabsarzt Dr. Eduard Dirksen (Schlufs). — Mitteilungen aus 
fremden Marinen. England. Der Torpedobootsjäger I. Klasse „Dryad", 
ein neuer Typ dieser Klasse, nach welchem noch vier andere Fahrzeuge: 
„Halcyon", „Harrier 14 , „Hussard" und „Hazard" gebaut werden. Der 
Schiffskörper besteht ganz aus Stahl. — Bei einem Deplacement von 
1070 Tons köunen die Fahrzeuge 104 Tons Kohlen an Bord nehmen 
(Le Yacht vom 31.3.94.). — Das ungeschützte Torpedokanonenboot „Halcyon" 
ist eines der fünf Fahrzeuge gleichen Typs, die auf Grund des „Naval 
Defence Acts" vom Jahre 1889 erbaut worden sind. 1070 Tons Deplacemont. 
Schiffskörper wiegt 555 Tons. Geschwindigkeit 17 bis 19 Knoten. — 
Probefahrten des Torpedobootsjägers „Hörnet", welcher eine mittlere Ge- 
schwindigkeit von 27,313 Knoten erreicht haben soll. (Nach der „Time*" 
vom 23. 3. 94.) — Frankreich. Die neuen Hochsecpanzer: „Charlemagne", 
„Saint Louis" und „Henri IV.", welche noch im Laufe dieses Jahres auf 
Stapel gesetzt werden sollen. Rufsland. Der neue Kreuzer I. Klasse 
„Russia" auf der Staatswerft in Petersburg im Bau. Nord-Amerika. 
Das Schlachtschiff „Indiana". — Umbau der Kreuzer III. Klasse „Machias" 
und „Castine". 

Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. V. 1894. 
Über Bergungsarbeiten gesunkener oder gestrandeter Schiffe. (Mit Benutzung 
der Berichte der Kommandanten S. M. Schiffe „Gigant" und „Triton".) — Die 
Zeitschrift „The Nautical Magazine" bringt im Februarhefte, wie alljährlich, 
eine Besprechung der im abgelaufenen Jahre vorgekommenen Unfälle 
britischer Handelsfahrzeugc. Diese Zusammenstellung zeigt, dafs eine relativ 
bedeutende Zahl von Unfällen auf die Trunkenheit etc. der betreffenden 
Schiffsführer etc. zurückzuführen ist. Der Artikel ist ßachlich geschrieben 
und höchst interessant. — Beschiefsung einer 270 Millimeter Camrael- Platte 
zu Pola nebst Textskizzen. — Die russische Kriegsmarine, dem Februar- 
heft des „Journal ofthe Royal United Service Institution' 4 entnommen. Nach der 
„Army and Navy Gazette" wäre die Wahl des Hafeus für die russische 
Flotte im Mittelmeer auf Porös gefallen. — Das neue französische Küsten- 
vertcidigungs-Reglcincnt ; der Zeitschrift „La Marine de France" entnommen. 
— Beschreibung der Acelcs-Mitrailleuse. — Canets elektrische Turmgeschütz- 
Anlage; mit einem Blatt Zeichnungen. — Neue englische Geschütz - 
montimngen ; (aus dein Broad Aorrow). — Die Verwendung der französischen 
Marine-Reservisten zur Küstenverteidigung. — Die Erprobung der In- 
stallirungen der Turmgeschütze des englischen Schlachtschiffes „Revcnge" 
am 8. Januar 1894 auf dor Rhede von Portsmouth. (Dem „Engineering" ent- 
nommen.) — Angaben bezüglich der neuen französischen Schlachtschiffe 
„Charlemagne" und „Saint Louis", ersteres wird in Brest, letzteres ia 
Lorient gebaut. — Von den englischen Torpedobootszerstörern, von denen 
sich 32 auf Privatwerften im Bau befinden, werden demnächst 14 in Chatam 
ausgerüstet. Die Namen derselben sind genannt. (Der United Service Gazette 
entnommen.) — Vergleichende Zusammenstellung über den Flottenbestand 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



121 



mehrerer europäischer Seemachte. Ein von Mr. Gourlet am 12. Februar 
er. erschienener Parlamentsbericht. — Das englische Marine-Budget pro 
1894/95. 

Army and Navy Gazette. Hr. 1786: Unsere strategischen Basen 
zur See. Unter diesem Titel werden eine Anzahl Artikel des „United 
Service Magazine": „Naval requirements for India, — ün Command of the 
Sea, — Our naval Bases" etc. besprochen. — Eine Erhöhung des Etats 
der Lieutenants und Unterlieutenants z. S. wird warm befürwortet. — Be- 
merkungen über die englische Marine-Reserve. — Admiral Colomb und 
das Retirement-Committee erscheint in Buchform und ist eine Erwiderung 
des Admiral Colomb auf das Lord Sadelcy Circulair über dies Thema. — 
Lord Brassey'ß Naval Annual wird im Monat Mai erscheinen. Es werden : 
der Fortschritt in der englischen Marine; die Fortschritte der fremden 
Marinen, von Mrs. Emile Weyl; die britischen und fremden Flottenmanöver, 
von J. R. Thursfield und W. L. Clowes; die strategische Situation im 
Mittelmeer, von P. H. Colomb etc. besprochen. — Zwei wertvolle Publikationen 
for die Navigation und Ortsbestimmung auf hoher See, von Goodwin und 
Johnson werden angekündigt. — Uber das Stationiren der Signalposten 
im Gefecht. — Napoleons Reise nach St. Helena; aus dem Tagebuche des 
Admirals Sir George Cockburn. — Ein längerer Artikel über den stra- 
tegischen Wert der Insel Lundy im Bristol-Kanal. — Nr. 1786: The uavy 
estimates (die Diskussion des Marine-Etats pro 1894/95 im Unterhause). — 
Die Erziehung der See-Offiziere. — Die englische Admiralität scheint mit 
den grofsen englischen transatlantischen Dampfschiffs- Gesellschaften ein 
Akommen getroffen zu haben, im Falle eines Krieges 28 der schnellsten 
Schiffe der letzteren sofort zur Disposition zu haben, für welche den be- 
treffenden Gesellschaften eine bestimmte Summe Subsidien gezahlt wird. 
— Die Details der drei neuesten französischen Schlachtschiffe „Charlemagne w , 
„Saint Louis" und „Henri Quatre", deren Pläne von M. Thibaudier, Direktor 
des Arsenals von Rochefort, entworfen sind, werden eingehend besprochen. 
Sie werden sämmtlich dreifache Expansions-Maschinen und drei Schrauben 
erhalten. — Ein Vortrag des Professor V. Horsley über den Zerstörungs- 
Effekt der Geschosse. — Liste der auf den verschiedenen Stationen der 
Erde verteilten englischen Kriegsschiffe. 

Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 193: Der 
Sporn (die Ramme) im Gefecht und bei Kollisionen. Vortrag von W. Laird 
Clowes, vom Nordamerikanischen Marine -Institut; Mitglied des Kings 
College etc. Höchst interessant und besonders die Diskussion, welche sich 
daran ßchlofs. Eine Liste von 74 Fällen nebst Erläuterungen ist aufgeführt, 
wo ein Rammen der Schiffe im Gefecht stattgefunden hat. — Elektrische 
Erleuchrungs-Projekte für die Küsten-Verteidigung. (Übersetzt aus der 
„Rivista Marittima"). — Von den Mitteilungen sind hervorzuheben: die 
offiziellen Berichte über die Probefahrten des Torpedobootes Nr. 93; des 
neuen französischen Panzerschiffes „Revenge" und die mit demselben aus- 
geführten Schieisübungen aus den schweren Geschützen. — Der beabsichtigte 
Bau eines neuen Wellenbrechers bei Portland. — Die neue Moole bei 



Digitized by Google 



122 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



Gibraltar. — Die in Frankreich im Bau und in der Ausrüstung befind- 
lichen Kriegsschiffe. — Die Zeichnungen des französischen Panzerschiffes 
„Magenta" von 1 0 500 Tons Deplacement und Maschinen von 12 000 Pferdekraft. 

Army and Navy Journal. Kr. 32: Verhandlungen über die Un- 
regelmässigkeiten in der Carnegie Steel Comp, bei Lieferungen von Panzer- 
platten für die Nordamerikanische Flotte. — Das Aluminium-Boot „Jules 
Davoust" ist von der französischen Regierung zu hydrographischen Zwecken 
nach dem Niger entsandt worden; es wiegt etwa 4400 Pfd., hat 11 Tons 
Deplacement , Tiefgang 15 Zoll und ist mit zwei Hotchkiss-Schnellfeuer- 
Kanonen armirt. — Nach Erklärung des Chef Constructcurs der engl. 
Admiralität in der „Royal United servicc Institution 44 würde ein Panzerschiff 
wie „Royal Sovercign" auf einer englischen Regierungswerft excl. Annirung 
für 3 800 000 $ hergestellt werden, während ein ähnliches in Frankreich, 
Rufsland und Amerika 4 500 000 bis 5 500 000 $ kosten würde. — Die 
neuen Stahltrossen für die amerikanischen Kriegsschiffe sollen in Zukunft 
aus Aluminium gefertigt werden. Es sind bereits umfassende Versuche 
mit solchen angestellt worden. — Schiefsversuche mit zwei 1000 pfündigen 
Wheeler-Sterling-Granaten zur Küsten Verteidigung; ferner Schiefsversuche 
gegen 12 und 13zöllige Harvegizednickel - Stahlplatten der Carnegie Steel 
Comp. — Beschreibung einer starken amerikanischen Baggermaschine. — 
Nr. 33: Verschiedene Schiefsversuche gegen Panzerplatten und schwere 
Granaten. — Der Versuch einer 5 zölligen Belagerungslaffete nach dem 
Muster Raskzoff (Verschwindelaffete). — Eine Zusammenstellung der Aus- 
gaben der Machte des Dreibundes sowie Frankreichs und Rufslands. — 
Nr. 34: Kongressverhandlungen über den Marine-Etat. — Die Erprobung 
der neuen „Krag- Jörgensen 4 ' Büchsen. — Neues Salut - Reglement den 
britischen Schiffen gegenüber. — Ein interessanter Artikel: „British armor 
and Ordnance 44 wird von dem Londoner „Engineer 44 veröffentlicht. — Ein 
Supplementblatt zum Army and Naval Journal v. 21. 4. 94 bringt eine 
interessante Diskussion in der british Institution of Naval Architects be- 
züglich eines Artikels von Kapt. "W. H. Jaques, late of the U. S. Navy, über 
das Thema: „the detachable Ram or the submarine Gun as a Substitute 
for the Ram 44 . 

Revue maritime et coloniale. Nr. 391: Studie bezüglich der Kriegs- 
marine. Von M. Pestich. Die angeführten Zusammenstöfse von Schiffen 
sind ganz interessant. — Bemerkungen über das Eisbrechen in Flufs- 
mündungen etc. Von M. M. Dibos. — Japan im Mittelalter. Von M. 
E. Bertin. — Abock (Hafen am Golf von Aden) und Habessinicn. Von 
M. Alvarez. — Die Marine während der Unabhängigkeits-Kriege in Süd- 
Amerika (Schlufs). Von M. Chabaud-Arnault. — Vocabularium der Pulver- 
sorten und Explosivstoffe (Forts.). Aus der Rivista marittima übers. 
Mitteilungen: Budget der russischen Marine pro 1894. — Konstruktionen 
von Schiffen der russischen Flotte. — Konstruktions-Progamm der Admiralität 
pro 1894/95. — Artilleristische Versuche an Bord des englischen Panzer- 
schiffes „Centurion 44 . — Details über den englischen Kreuzer I. Kl. „Theseus 44 
und das Kanonenboot I. Kl. „Speedy 44 . — Nord-Amerika: Kreuzer I. Kl. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



123 



..Olympia". Probefahrten mit dem Kreuzer I. Kl. „Marblehead". — 
Italien : Versuche mit dem Kontre-Torpilleur „ Arethusa". — Die Hochsee- 
Fischerei Frankreichs. — 

La Marine de France. Nr. 56: Frankreichs Politik im Mittelmeer. 
Von KeJiff. Ein Artikel, der über die Absichten Frankreichs keinen 
Zweifel läfst. — Der Dienst im Maschinenraum nnd die Verantwortlichkeit 
für denselben. Von d'Arthaud. Der Artikel schliefst mit den Worten: 
Der Kommandant des Schiffes sollte noch mehr als der erste Maschinist 
die Verantwortlichkeit für die Maschine tragen (?). — Nachrichten: Eng- 
land: Das englische Marine-Budget pro 1894/95 und das Konstruktions- 
Programm. — Die englischen Auxiliar-Kreuzer der Handelsflotte. — Die 
Probefahrt des Torpedojägers „Hörnet". — Spanien: Die Bauten für die 
spanische Marine. — Frankreich: Unter der Uberschrift „Biserta" wird zu- 
gegeben, dafs die am Hafen und am Kanal auszuführenden Arbeiten noch im 
Laufe dieses Jahres fertig werden dürften. — Nr. 57: Warum bringt man die 
Panzerplatten nicht vertikal an? Von Kommandant Montechaut. Der 
französische Panzer „Magenta" ist hierbei als Vorbild genommen. — Die 
französische Marine pro 1894, deren Verwendung und Verteilung für die 
verschiedenen Stationen. Nachrichten: Der Feldzug gegen die junge 
Schule. England: Die Frage über die submarine Artillerie verhandelt 
vor dem „Institute of Navel Architecte". — Über das Wettscgeln (Yachting). 
— Die französische Handelsmarine. — Die französischen Häfen an der 
tunesischen Küste, wobei auch Biserta besprochen wird. — Die neuen 
amerikanischen transatlantischen Dampfer und Errichtung eines Semaphors 
auf Kap Spartel. — Nr. 58: Die Torpedoboote im Frieden. — Die 
parlamentarische Untersucliungs-Kommission bezüglich der Marine-Aus- 
kunft des Direktors der Küstenverteidigung zu Toulon, Kapitän Vidal 
(Forts.). — Die Navigirung auf der Seine zwischen Paris, Konen und Havre 
(Forts.). — Mitteilungen aus der Handelsmarine. Die deutsche und 
die französische Flagge in der Levante etc. — Nr. 59: Die Reform in 
unseren Schiffskonstruktionen. Von X; ein Schreiben über dies Thema 
an den Direktor der „Marine de France", um die Aufmerksamkeit der 
Extra-Parlaments-Kommission auf die Konstruktion der drei neuen Panzer- 
schiffe: „Charlemagne", „Saint Louis" und „Henri IV." zu richten. — 
Offener Brief an den Kommandanten der „Magenta". Uber Raicing und 
Cruising. Von G. de Wailly. — 

Riyista marittima. Nr. IV: Landungen. Von C. Airaghi. — Matteo 
da Bergamo (sein ungedruckter Brief über dio ersten Handelsbeziehungen 
mit Ostindien im XVI. Jahrhundert). Von A. Zeri. — Vom alten zum 
neuen Kontinent und umgekehrt (meteorologische Notizen). Von P. Parenti. 
Mit einer Wegkarte des Victor Emanuel, des Vespucci nnd des Corsari 
Vf >n Gibraltar nach Nordamerika und zurück; nebst 5 Tafeln über die 
Bahn eines Wirbelsturmes am 23. und 24. August 1893 nebst bezüglichen 
barometrischen Aufzeichnungen. — Organisation der Königlichen Flotten- 
mannBcbaften. Von Adolfo Bonucci. Kommissar I. Klasse, — Mit- 
teilungen. Frankreich: Notizen Über den Typ eines neuen Panzer- 



Digitized by Google 



124 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



scluffes „Charlcmagne", die Torpedoboote „Lansquenct", „Averne", die 
Kreuzer „Latouchc", „TnSville", „Coitlogon" und „Duquesne", sowie Panzer- 
schiff „Jemappes", über die Havarien des „Bayard", „Temeraire" (Torpedo- 
boot) und über den Panzer „Magenta" nebst Zeichnung. — Deutschland: 
Katastrophe auf der „Brandenburg 14 . — England: Notizen über „Talbot" 
und „Astraea"; Probefahrt des „Hörnet". — Kufsland: Notizen über 
die Panzerschiffe „Petropovlesk", „Poltava", „Sewastopol", „Paris" und 
Torpedoboote. — Supplement: Zusammenstellung der Flotten der 
europaischen Seestaaten. 



Bücher. 

Traite d'nrtillerie ä l'usagc des offlciers de marine. ParE. Nicol, 
Lieutenant de vaisseau. Berger - Levranlt et Cie., editeurs. Paris- 
Nancy 1894. Preis 6 fres. 

Unter diesem Titel ist aus der Feder des Herrn Ernest Nicol ein Buch 
von 349 Seiten Umfang mit einer grofsen Anzahl Textbildern erschienen, 
dessen interessanter Inhalt namentlich in Seeoffizierskreisen Beachtung ver- 
dient. Der Verfasser sagt in der Einleitung, dafs seine Aufzeichnungen 
gewissermafsen eine Ergänzung des Artillerie-Kursus der französischen 
Marine-Schule seien. Er führt dem Leser in fafslicher Weise alle Lehren 
und Regeln der Artillerie -Wissenschaft in Theorie und Praxis vor Augen, 
soweit solche einem Seeoffizier nötig sind, um die ihm unterstellte Artillerie, 
sei es an Bord eines Schiffes, auf hoher See, im Gefecht, zur Küsten- 
verteidigung oder selbst am Lande wirklich verwerten und ausnützen zu 
können. Es werden Fragen über Geschütze und Geschosse, über Auf- 
stellung der ersteren, Laffeten, die Durchschlagskraft und Widerstands- 
fähigkeit der Geschosse und der Panzerplatten, das Messen der Distance, 
Zielen, Feuern und Treffen etc. der schweren Schiffsgeschütze, sowie der 
Schncllfeuerkanonen etc. bei ruhig liegendem Schiffe, wie bei gleichzeitiger 
Bewegung der Zielobjekte u. s. w. in anregender Weise besprochen. Dann 
bringt Verfasser im dritten Teil die historische Entwicklung der Panzer- 
schiffe und der gezogenen Geschütze, soweit sich dieselben auf die 
französische Marine beziehen; bespricht die Aufgaben der einzelnen SchifTs- 
klassen, die verschiedenen Systeme der Geschützemplacements auf den 
Panzerschiffen. Sodann entwickelt er seine Ansichten über die Aufgaben 
und den Wert der Kreuzer, der Torpedokreuzer, der Torpedo-Avisos, der 
Torpedojäger, der Torpedoboote etc. Mit einem Worte, das Buch ist höchst 
anschaulich und voller Verständnifs für die Aufgaben und deren Durch- 
führung geschrieben und kann den militärischen und maritimen Kreisen 
nur empfohlen werden. 19. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



125 



IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 

1. Kriegslehren in kriegsgeschichtliehen Beispielen der Neu- 
reit. Von W. von Scherff, General der Inf. z. D. Erstes Heft: Be- 
trachtungen über die Schlacht von Colombey-Nouilly. Mit zwei Plänen 
in Steindruck. Berlin 1894. Preis 3,25 M. 

2. Organisation des colonies francaises et des pays de pro« 
tectorat par Ed. Petit, professeur a l'Ecole coloniale. Prefacc de 
M. R. de Mouy. Tome preniier. Organisation politique, administrative et 
tinauciere. Garde et defense des colonies. Paris-Nancy 1894. Berger- 
Levrault et Cie. Preis 12 frcs. 

3. Taschenbuch für Offiziere und Offlzieraspiranten des 
Beurlaubtenstandes der Armee. Herausgegeben von A. von Gey so, 
Premierlieutenant und Bezirksadjutant. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 
Preis 75 Pfg. 

4. Der zweite punische Krieg und seine Quellen Polybius und 
Livius nach strategisch-taktischen Gesichtspunkten beleuchtet. 

Die Jahre 219 und 218, mit Ausschlufs des Alpenüberganges. Ein Versuch 
von J. Fuchs, k. k. Professor in Wr.-Neustadt. Wiener-Neustadt 1894. 
C. Blumrich. 

5. Uniformenkunde. Lose Blatter zur Geschichte der Entwickelung 
der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem 
Texte versehen von R. Knötel. Band V. Heft 3. Rathenow 1894. Verlag 
von M. Babenzien. Preis 1,50 M. 

6. Bibliotheque du Marin. Traite d'artillerie a l'usage des 
offlciers de marine. Par ErnestNicol, lieutenant de vaisseau. Paris- 
Nancy 1894. Berger-Lcvrault et Cie., editeurs. Preis 6 frcs. 

7. Los Fusiles modernos en Austria-Uungria. Estudios y cx- 
periencias. Jose Boado y Castro. Barcelona 1893. Impreuta de Henrich 
y Compa. 

8. Hippologische Gedanken. Von einem Freunde des Vollblut- 
pferdes. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 40 Pfg. 

9. Über die Pferdezucht in den Vereinigten Staaten von 
Amerika. Von Burchard von Öftingen, Landstallmeister. Berlin 
1894. E. S. Mittler & S. Preis 1 M. 

10. Ein Beitrag zum Feldgeschütz der Zukunft. Berlin 1894. 
E. S. Mittler & S. Preis 75 Pfg. 



Digitized by Google 



126 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



11. Handbuch für den Schwimmunterricht, zum Gebrauch an 
Militär-Schwimmanstalten. Von K. von Bartsch, Sek. -Lieutenant. Mit 
zehn Abbildungen im Text. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 50 Pfg. 

12. Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache 
an den Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der Kgl. General- 
Inspektion des Militä'r-Erziehungs- und Bildungswesens verfafst. Dritte 
neu durchgearbeitete, und vermehrte Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 
Preis 1,60 M„ geb. 2 M. 

13. Militärärztlicher Dienstunterricht für einjährig-freiwillige 
Arzte und Unterärzte, sowie für Sanitätsoffiziere des Beurlaubtenstandes. 
Bearbeitet von Dr. Ko walk, Stabsarzt. Zweite vermehrte Auflage. Berlin 
1894. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M., geb. 5 M. 

14. La Question de Nancy et la defense nationale. Conference 
faite ä Nancy le dimanche 18 mars 1894 par Charles Malo. Paris-Nancy 
1894. Berger- Levrault et Cie. Preis 1 Ire. 



Ergänzung zum Junihefte. 

In der Tabelle S. 346 347 über die jetzigen Handfeuerwaffen ist die Länge 
der Patrone für 22, Nordamerika Land-Armee, in Zollen mit 3,048" angegeben. 
Sie beträgt in mm 78,331. 



Krüll'8 liuchdrockerel, Berlin S., .St-b^tunstraiw, 7(5. 



Digitized by Google 



ste. x4i iie, tje, ,-*r. ^4-, -1:; ,>k .ri- -i- -fc- 



^J 1 



JULIUS EWEST 

Weingposshandlung 

Hoflieferant Sr. Majestät des Kaisers und Königs. 

Mrenstr. 26 Ä, BERLIN W. 9 Behrenstr. 26 A Ä . . 

Ecke Fnedrich.tr t ^TO<* \ 
FILIALEN: 
dienthinerstr. 7, Ecke der Lützowstr. 
W. Potsdamer« tr. 6$. 

— Telephon: Amt I, 2089. — 

Groflses Lager 





Bordeaux-, Rhein- und Moselweinen 

der besten Jahrgänge. 

Alte Port-, Sherry- u. Madeira- Weine. 

Champagner und Oognacs 

der renommirteaten Häuser. 

r^SP* Restaurant I. Ranges und Weinprobirstnbe. ><3&=^ 

_ — _ . . — 



* v|? * üj? vi? * tj? 



TW 



vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vf / >.X 



Dittmar s Möbel-Fabrik 

Berlin Holkenmarkt 6. 

Gegründet 1836. 

Eigene Tischlerei. — Eigene Malerei. — Eigene Bildhauerei. 
Eigene Tapeziererei. — Eigene Werkstatt für Draperien. 



Kunstgewerbliches Etablissement für einfach bürgerliche, wie reiche 

Wohnimgs - Einrichtungen 

besonders in den Preisen von Mk. 1000 bis Mk. 10,000. 



Vertragsmässig Lieferant des 
Waarenhauses für Deutsche Beamte. 

Werkräume und Mtgazine stehen jederzeit zur gefl. Besichtigung offen. 



I 



Mit MuHternlbum, KoatenanMchlajf, Vorschlägen, MtofTproben, wie 
Allen, wm das aehwlerl*e GcschÄft 
kostenfrei bereitwilligst gedient. 



Digitized by Google 



A. Hefter, 



Königl. Hoflieferant, LHpziglTSt rassC 98. 

Potsdamerstr.115. Sclilosspl.il. Kommandantenstr.52. 

Bayonner Blasi'Il-Scllillkfll zum RoheSSen von 3 Pfd. an, Rm. 1,50 
per Pfund, im Ganzen, sehr mild gesalzen, vorzüglich sich haltend und an Feinheit 
im Geschmack dem so beliebten LachsHeiscb. durchaus gleichkommend. 

Vorzügliche Schinken zum Kochen in Burgunder von 4 Pfund 

an per Pfund Km. 1.20. 

Feinste Gothaer CerVClatWUrSt I „ 1 QA per Pfd. in 
Braunschweig. Mettwurst u. Salami J Ii«U ganzen Würsten. 

Feinste Thüringer Znnirenwnmt und Blutwurst. — Alle Sorten Leber- 
wurst. — Feine Leberwurst, Rm. 1,20 per Pfund. 

Zum Warmessen deutsche Reichswurst, Jauersche und die beliebten 
Wiener und Breslauer Würstchen, täglich dreimal frisch. 



Prämiiort mit der 




Herlin 

Permanentes 




goldenen Medaille. 




1889. 

Lager 



I 



von fener- und diebessicheren Geldschränken in verschiedenen Konstruktionen. 
I iiiuiauerechranke. Kassetten, höchst elegant mit Vorrichtung zum An- und Los- 
sculiesaen mit Geheimboden. Kopierpressen in Guss- und Schmiede-Eisen empfiehlt die 
Fabrik patentierter Geldschränke, Kassetten, Kopierpressen, Pressen u. Schlösser jed. Art 

E. Pal Iiis BERLIN 0,, Holzmarktstrasse 5. 

llltiMtricrtr IM < i^, -0111 .uit. jrrnttM und franro. 



Möbel-Fabrik. 

Atelier 

ffir moderne 

Zimmer -Einrichtungen und Decorationen 



von 




Kochstr. 10. BERLIN S.W. Kochstr. 10. 

Fertige Musterzimmor. 



by Google 



X. 

Über die Wehrverfassimg von Stift und Stadt 
Osnabrück in früherer Zeit*). 

Von 

Dr. F. Philippi. 



Es ist eine weit verbreitete, auch von den Gebildeten der Nation 
vielfach geteilte Anschauung, dafs die allgemeine Wehrpflicht, wie sie 
bei uns besteht, eine vollkommene Neuschöpfung sei, ausgedacht unter 
dem Drucke der französischen Gewaltherrschaft von den grofsen Heeres- 
organisatoren Preufsens. Und doch ist diese Einrichtung nur eine 
Ausgestaltung uralter deutscher Organisationen, modifizirt unter Be- 
rücksichtigung der Lehren, welche jahrhundertelange Erfahrungen ge- 
geben haben. 

In unserem Fürstentum konnte allerdings die Anschauung, dafs 
die allgemeine Wehrpflicht etwas vollkommen Neues sei, um so eher 
Platz greifen, als dieselbe erst vor 25 Jahren hier eingeführt worden 
ist, nachdem 50 Jahre lang mit den alten Verhältnissen, wie sie noch 
aus dem Mittelalter stammten, vollkommen gebrochen war. Aber die 
preufsische Heeresorganisation hat auch ein vollkommen neues Element 
in sich, welches meines Erachtens gerade ihre Stärke ausmacht, die 
glückliche Verbindung des stehenden Heeres mit dem Milizheere. 
Ist doch unser stehendes Heer in Wirklichkeit nur der augenblicklich 
vollkommen in Dienst gestellte Teil der Miliz, die Miliz aber oder, 
wie wir es nennen, Reserve und Landwehr, nichts weiter als der Ersatz 
des stehcndon Heeres, seine für Eriedenszeiten beurlaubten älteren 
Jahrgänge. 

Wenn wir die Entwickelung der deutschen Heeresverfassung im 
Allgemeinen und der Wehr Verfassung unseres Landes im Besonderen 

*) Dieser Aufsatz wurde zuerst in den „Mitteilungen des Vereins für 
Geschichte und Landeskunde von Osnabrück" veröffentlicht. Wir bringen den- 
selben seines interessanten Inhaltes wegen, mit gütiger Erlaubnils des Herrn 
Verfassers, zur Kenntnifs unserer Leser. 

J»brbOcber für die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 2. 9 



Digitized by Google 



128 



Über die Wehrverfasaung von Stift und Stadt 



uns vergegenwärtigen, so finden wir, dafs der Urzustand eine reine 
Mi Hz Organisation war, später stehende Heere in den verschiedensten 
Formen und in . stets wachsendem Umfange neben der Miliz geschaffen 
wurden und schliefslich das Landaufgebot derartig in den Hintergrund 
drängten, dafs uns Nachlebenden fast jede Kunde von seinem Vor- 
handensein geschwunden ist, obwohl dasselbe rechtlich bestand bis zur 
französischen Zeit. Das Interessanteste dabei aber ist, dafs schon 
lange vor der Durchfuhrung unserer jetzigen Organisation einsichts- 
volle Staats- und Kriegsmänner bemüht gewesen sind, eine Verbindung 
zwischen dem stehenden Heere und dem Landaufgebot herzustellen, 
freilich meist ohne jeden oder wenistens ohne nachhaltigen Erfolg. 
Erst unserem Jahrhunderte war es vorbehalten, bei den Heeres- 
organisatoren dem Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen, dafs nur 
eine im Frieden stets gepflegte und energisch aufrecht erhaltene 
Organisation der gesammten waffenfähigen Mannschaft des Volkes es 
ermöglicht, im Falle der Not die Massen schnell und sicher bereit 
zu stellen und dafs die Einübung dieser Mannschaften genügend nur 
in der Schule des stehenden Heeres ausgeführt werden kann. 

Es kann nun nicht in der Absicht liegen, hier eine Darstellung 
der Entwicklung des deutschen Heerwesens im Ganzen zu geben, die- 
selbe kann vielmehr nur in ihren Hauptzügen angedeutet werden, 
um in diesen Rahmen das einzufügen, was die besondere Geschichte 
der Wehrfassung unseres Stiftes und unserer Stadt Interessantes bietet. 

In den ältesten Zeiten, aus welchen Griechen und Römer uns 
Kunde von den alten Deutschen geben, wurden Fehden der einzelnen 
Stämme unter einander, wie Kriege gegen gemeinsame Feinde, mit 
dem ganzen Aufgebote geführt. Die häufige Wiederkehr dieser 
kriegerischen Unternehmungen bot genügende Gelegenheit zur Erlernung 
des Waffenhandwerks, zur Aneignung reicher Kriegserfahrung. Der 
Waffendienst aber war eine Ehrenpflicht und ein Ehrenrecht der Freien 
bei allen deutschen Stämmen. Diese Anschauungen und Einrichtungen 
erhielten sich bei Franken und Sachsen jahrhundertelang bis in die 
Zeiten Karls des Grofsen und die Verpflichtung der Franken, dem 
Aufgebote des Königs auch zu auswärtigen Feldzügen Folge zu leisten, 
wurde nach der Eroberung Sachsens auch auf diese Völkerschaften 
ausgedehnt. Aber gerade die vielfachen grofsen Unternehmungen 
dieses Begründers des alten deutschen Reiches liefsen die Heerbann- 
pflicht bald als eine lästige Pflicht, ja schliefslich als eine schwere 
wirtschaftliche Gefahr für das Land erscheinen. Karl führte daher 
eine bei der Gröfse des Gebietes zunächst ungefährliche Beschränkung 
der Dienstpflicht für Unternehmungen aufscr Landes ein. Diese 
Minderung des Heerbanns scheint aber dennoch verhängnisvoll ge- 



Digitized by Googl 



Osnabrück in früherer Zeit. 



129 



worden zu sein; denn während das Landaufgebot in der kräftigen 
Hand des zielbewufsten Karl sich als ein vorzügliches Werkzeug zur 
Durchführung auch auswärtiger Unternehmungen erwies, genügte es 
doch unter seinen schwächeren Nachkommen nicht einmal mehr zur 
Abweisung von feindlichen Angriffen im eigenen Lande. 

Erst die Ausbildung einer neuen, freilich in der früheren Zeit 
im Keime schon sich entwickelten Organisation, die Ausbildung des 
Lehnwesens gab den Königen wieder eine Waffe in die Hand, um 
nicht nur die Feinde aus dem Lande hinausschlagen, sondern auch 
auswärtige Unternehmungen mit Erfolg durchführen zu können. Die 
Lehnsmannschaft kann man fuglich in ihren frühesten Entwickelungs- 
stadien als eine Art von stehendem Heere bezeichnen; sie stellte eine 
technisch vorzüglich ausgebildete, leicht mobilisirbare Reitertruppe dar. 
Diese Vorzüge erhielt sich jedoch das Lehnsaufgebot nicht lange; je 
mehr die Lehnsleute sich in erbliche Grundbesitzer verwandelten, um 
so gröfser wurde ihre Selbstständigkeit und Unbotmäfsigkeit, um so 
schwieriger und langsamer im Notfalle ihre Mobilisirung; naturgemäfs 
nahm damit auch ihre Kriegstüchtigkeit ab. 

Daneben erhielt sich aber die alte Verpflichtung für das Land- 
volk, dem Aufgebote zu folgen, fort, wenn auch in beschränktem Mafse; 
diese Beschränkung bestand in den meisten Gegenden und auch bei 
uns darin, dals die Bauern nur innerhalb der enger oder weiter 
gesteckten Grenzen des heimischen Bezirks und meist auch nur auf 
ganz kurze Zeit dem Waffenrufe Gehorsam zu leisten schuldig waren. 
Freilich erweiterte sich der Kreis der Pflichtigen dadurch, dals nicht 
nur der Freie, sondern jeder Grundbesitzer, auch der Hörige und 
Pächter in unserem Fürstentume dem Aufgebote zu folgen gehalten 
waren. In dieser Form hat sich denn die Landwehr rechtlich erhalten, 
bis die grofeen Umwälzungen unseres Jahrhunderts auch dieses alt- 
ehrwürdige Institut zu den Toten geworfen haben. Auf seine Organisation 
im Einzelnen werde ich noch kurz zurückkommen, nachdem ich das ganz 
neue Element erwähnt habe, welches in die deutsche Geschichte zu 
der Zeit eintritt, als die Lehnsmannschaft schon anfängt zu versagen: 
ich meine die Städte. Die Verpflichtung ihrer Einwohnerschaft zum 
Kriegsdienste ging hervor aus der Verpflichtung der Landbevölkerung, 
aber sie war, was die Ausdehnung der Heeresfolge anlangt, oft noch 
eingeschränkter, als die der Landbevölkerung; denn sie ging ge- 
wöhnlich nicht über den Umkreis des Stadtgebietes, oft nicht über 
die Mauern der Stadt selbst hinaus. Dagegen gestattete das Nahe- 
zusammenwohnen der Bürger, das leichter flüssige Kapital in der 
Stadt, eine schnelle Mobilisirung, häufigere Übung, bessere, gleich- 
mäfsigere Ausrüstung und straffere Organisation. Da nun die Bürger 

9* 



Digitized by Google 



130 



Über die Wehrverfaasung von Stift und Stadt 



im Interesse des Landes und im eigenen Interesse oft über ihre Ver- 
pflichtung hinaus weitere Züge mitmachten, so sind die gröfseren 
Fehden und Schlachten, welche in der Geschichte unseres Hochstiftes 
während des Mittelalters zu verzeichnen sind, hauptsächlich durch die 
Ritterschaft und die Bürger ausgefochten worden. 

Und das Aufgebot der Bürger war stark und stattlich: noch im 
15. Jahrhundert zogen die reicheren Mitglieder der Gemeinde, der 
sogenannten Wehr, zu Rofs, wie die Ritter in den Streit. Die Zünfte 
folgten als Fufstruppen unter der Führung ihrer Gildemeister. Zur 
Rüstung, welcher jeder Gildebruder bedarf zum Nutzen der Stadt, 
gehörten beim Krameramte 1457 Krebs (krevet) Brustharnisch, Hand- 
schuhe, Schild und Helm (iseren hoet). 

Ein Ehrentag der Osnabrücker war der 4. November 1308, der 
Tag der Schlacht auf dem Haler Felde. Gegen den mit den Grafen 
von der Mark. Jülich, Arnsberg, Rietberg, Waldeck und vielen Herren 
verbündeten Bischof Konrad von Münster ritt Bischof Ludwig von 
Osnabrück an der Spitze seiner Ritter und Bürger auf die früher 
schon oft mit Blut getränkte, nach altdeutschem Brauche von den 
Kämpfenden vorher verabredete Wahlstatt. Seine Mannen hatten 
weifse Gewänder über die Wehr gezogen. Schon wankte die Schlacht- 
ordnung der Osnabrücker, da der Bischof todeswund zusammen- 
gebrochen war. Der streitbare Greis hatte sich mit dem jugendlichen 
Grafen Engelbert von der Mark in einen Zweikampf eingelassen und 
ihn bewältigt. Ein zu seiner Hülfe herbeistürzender Lehnsmann ver- 
wechselte die Kämpfenden, weil dem Bischöfe sein weifses Gewand 
abgerissen war, und hieb auf den eigenen Herrn unwissend ein; da 
rückten die Osnabrücker Bürger — allen voran die Pelzer — auf den 
Plan und warfen die Münsterschen in die Flucht. Zum Andenken 
an den teuer erkauften Sieg wurde die jetzt niedergelegte, dem heiligen 
Georg, dem Patrone der Ritter, geweihte Kapelle gestiftet und jährlich 
in allen Kirchen eine Messe für die Seelen der in der Schlacht Ge- 
fallenen angeordnet und begabt. Erst die Reformation hat dieser 
Feier ein Ende gemacht. 

Eine der bedeutendsten Thaten des städtischen Aufgebotes allein 
ist die Aufhebung des räuberischen Grafen Johannes von Hoya in 
Fürstenau und seine Einbringung in den Bucks-Turm im Jahre 1441, 
wo er sieben Jahre in schwerem Gewahrsam gehalten wurde. Doch 
fehlte es auch nicht an Mifserfolgen; die schlimmste Schlappe war 
wohl die Niederlage an der Mindischen Grenze, am Holzhäuser Bache, 
im Jahre 1361. Sie endete mit der Gefangennahme von G2 der 
reichsten Bürger; das Lösegeld, was einzelne zahlen mufsten, ging 



Digitized by 



Osnabrück in früherer Zeit, 



131 



weit über die Summen hinaus, welche gemeinhin von Rittern in 
gleichen Fällen gefordert wurden. 

Obwohl nun bei der Erzählung von Kriegsereignissen dieser Jahr- 
hunderte meist nur von Rittern und Bürgern die Rede ist, so wurde 
doch damals grofser Wert darauf gelegt, auch die Landbevölkerung 
wehrhaft zu erhalten. Schon der Umstand, dafs zum Heergewedde 
des Bauern, d. h. zu seiner nächsten Erbschaft ein Pferd mit Sattel 
und Zaum, Schwert, Stiefel und Sporn gehören, läfst darauf schließen, 
dafs sowohl Herr, wie Höriger, es als eine Ehrenpflicht des Hofbesitzers 
ansahen, wehrhaft zu sein. Dasselbe geht aus den sogenannten Land- 
rechten hervor. Nach ihnen soll nur der Mann zum Landrechte 
zugelassen werden, „welcher seinem Herrn als wehrhafter Mann im 
Felde nachziehen kann." Wio strenge die Obrigkeit darauf hielt, 
den Landmann zur Landesverteidigung geschickt zu erhalten, beweist 
ein von Bischof Engelbert im Jahre 1312 erlassenes Statut, welches 
verbietet, den Colonen, d. h. den eigentlichen Bebauern der Höfe, bei 
der Erbteilung die Waffen zu nehmen und bestimmt, dafs sich dieselben 
zum Schutze des Stiftes mit gehöriger Wehr versehen sollten. 

Die Organisation dieses Bauernaufgebots war folgende: Ihr Unter- 
führer war in den einzelnen Gemeinden, der Bauerschaft, der ur- 
sprünglich von den Bauergenossen selbst gewählte Bauermeister oder 
Bauerrichter. Er war veqiflichtet, die Einwohner seiner Bauerschaft, 
wenn der Aufruf durch Sturmläuten, den sogenannten „Glockenschlag" 
oder sonstwie erfolgte, zum Sitze des Landgerichtes zu führen, wo 
der Gograf über die gesammelten Trupps den Befehl übernahm. 
Schon diese Verknüpfung mit dem Gerichtswesen läfst erkennen, dafs 
in jenen Zeiten die Bauern seltener zur eigentlichen Kriegführung 
aufgeboten wurden; meist geschah es zur sogenannten „Nachjagd", 
wenn es galt, Verbrecher, Räuber und Mordbrenner innerhalb des 
engbegrenzten Gebiets zu fangen, oder, was wohl häufiger vorkam, 
zu vertreiben und so Nachbargebiete damit zu beglücken. 

Diese alten Organisationen der Miliz wurden in den letzten Jahr- 
hunderten des Mittelalters, je mehr die Feuerwaffen zur Anwendung 
kamen, und je mehr Söldner, welche den Krieg als Handwerk betrieben, 
angenommen wurden, in den Hintergrund gedrängt. 

Am ehesten gab das scheinbar festest gefugte Institut der Lehns- 
mannschaft nach. 1599 scheint dieselbe zum letzten Male aufgeboten 
worden oder richtiger zum Anritt avertirt worden zu sein, nachdem 
sie schon viele Jahre vorher wirkliche Kriegsdienste nicht mehr 
geleistet hatte. 

Die städtische Milizorganisation hielt sich etwas länger: Bei der 
Belagerung von 1553 bewährte sie sich noch vollkommen, aber schon 



Digitized by Google 



132 



Ober die Wehrverfassuug von Stift und Stadt 



am Ausgange des Jahrhunderts mufste sie den neuen Verhältnissen 
entsprechend umgebildet werden. Die alte, so zu sagen, politische 
Einteilung fiel weg, Fahnen und Rotten nach dem Muster der Lands- 
knechtshaufen traten an ihre Stelle. Die Zuteilung zu den Fahnen 
geschah nach den Wohnplätzen der Bürger; jeder Fahne wurde ein 
Teil des Stadtwalls, dem ihre Zugehörigen zunächst wohnten, zur 
Verteidigung zugewiesen. Später 1620 wurde dann noch aus jungen 
unternehmenden Gesellen eine sogenannte Freifahne gebildet zum 
Ausfallsdienst und besonderen Unternehmungen. Trotz dieser Neu- 
ordnung der Verhältnisse, bei denen vor Allem die Verteidigung der 
Stadt ins Auge gefafst, auf gröfsere Unternehmungen aufserhalb 
aber schon so gut wie Verzicht geleistet war, gewann das Bürger- 
aufgebot seine alte Kraft nicht wieder. 1626 fügte man sich, als 
Kanonen auf dem Gertrudenberge aufgefahren wurden, den An- 
forderungen der Dänen und 1633 übergab man allerdings nach langer 
Gegenwehr, aber doch, ehe ein Sturm die Festungswerke gründlich 
erschüttert hatte, die Stadt den Schweden. 

Hatte in diesen letztgenannten Fällen die Sympathie mit den 
Feinden das ihrige dazu beigetragen, den Widerstand abzukürzen, so 
stählte in einem anderen Falle die Antipathie der Bürger gegen den 
eigenen Landesherrn ihren Mut. Als es immer klarer wurde, dafs 
auf dem Friedenskongresse in Münster ein Befehl des Kaisers zum 
Abbruche der Zwingburg, welche Bischof Franz Wilhelm die Bürger 
sich selbst zu bauen genötigt hatte, der Petersburg, nicht zu erwirken 
war, entschlofs sich der energische Bürgermeister Gerhard Schepeler 
kurz und schleifte die Citadelle eigenmächtig unter dem Schutze des 
städtischen Aufgebotes im Jahre 1647. 

Nach dem dreifsigjährigen Kriege aber in den folgenden Friedens- 
jahren löfste sich die Stadtmiliz um so mehr auf, als die Fürstbischöfe 
anfingen, der Stadt das Besatzungsrecht streitig zu machen und 
zunächst auf Grund besonderer Verträge eine kleine ständige Besatzung 
fürstlichen geworbenen Militärs hineinlegten. Dadurch verloren die 
Bürger die Wehrhaftigkeit, der Waffendienst den Nimbus des Ehren- 
rechts und der Ehrenpflicht und die städtischen Soldaten wurden 
Stadtsoldaten in des Wortes übelster Bedeutung. Ihr Dienst beschränkte 
sich darauf, auf der Hauptwache am Rathause den Ratsherrn die 
Honneurs zu erweisen und an den Thoren die Beitreibung der städtischen 
Eingangssteuer zu beaufsichtigen und zu unterstützen. Daher fand 
während des siebenjährigen Krieges, als 1762 die Stadt von ihrer 
ständigen Besatzung entblöfst war, ein französisches Streifkorps von 
200 Mann ungehinderten Eingang in die Stadt, plünderte und erhob 
hohe Kontributionen. Die Bürger rührten sich nicht, sondern fügten 



Digitized by Google 



Osnabrück iu früherer Zeit, 



133 



sich, des Waffendienstes völlig entwöhnt, der geringen Zahl der Feinde. 
Ebenso wenig war in den französischen Kriegsläuften am Anfange dieses 
Jahrhunderts von einer Verteidigung der Stadt die Rede, obwohl die 
ausgedehnten starken Befestigungswerke noch bestanden und einzelne 
Bastionen sogar noch mit Kanonen armirt waren. 

Zäher, aber nicht lebensfähiger, als das Stadtaufgebot erwies sich 
die Wehrverfassung des flachen Landes gegenüber den Änderungen 
im Heerwesen. Es hatte das wohl weniger darin seinen Grund, dafs 
die Landbevölkerung an sich kriegerischer war, als die Bürgerschaft, 
sondern darin, dafs ländliche Verhältnisse sich überhaupt nicht so 
rasch und so vollständig ändern, wie städtische. 

Als in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die feindlichen 
Parteien der Niederländer und Spanier vom eigentlichen Kriegs- 
schauplatze aus Raub- und Plünderungszüge in die Nachbargebiete 
unternahmen, blieb auch unser Fürstentum nicht verschont. Zur 
Abweisung dieser streifenden Parteien aber erwies sich das Landes- 
aufgebot als gänzlich ungenügend. Der einzige gröfsere Versuch, 
welchen man damit machte, endete kläglich mit dem berüchtigten 
Blutbade im Jahre 1587. 800 Bauern hatte man zusammengebracht; 
als aber der Feind anrückte, schreckten die Führer, selbst keine 
gedienten Kriegsleute, vor energischem Vorgehen zurück. Da wurden 
die ungeordneten, ungeübten und schlecht geführten Schaaren an 
einem Sonntage überfallen, ihrer 300 getödtet, die übrigen versprengt. 

Obwohl diese und ähnliche Erfahrungen in kleinerom Mafsstabe 
zur Genüge erwiesen, dafs mit dem Landaufgebote in seiner alten 
Verfassung Nichts gegen Streifer, geschweige denn gegen gröfsere 
Hecresmassen auszurichten war, so fehlte es doch an Geld, um Berufs- 
soldaten anzuwerben und selbst, wenn das Geld aufzubringen gewesen 
wäre, so konnten doch auch thatkräftige Bischöfe, die mafsgebenden 
ständischen Faktoren, das Kapitel, die Ritterschaft und die Städte, 
nicht auch nur zu den allernotwendigsten Bewilligungen bewegen. 
Man kam über schwächliche Versuche, wodurch die Lage des Landes 
eher verschlimmert, als verbessert wurde, nicht hinaus. Der im Anfange 
seiner Regierung sehr energisch auftretende Bischof Philipp Sigismund 
bestrebte sich dadurch dem Landaufgebote einen Halt zu geben, dafs 
man in jedes Kirchspiel einige gediente Soldaten als Kern der übrigen 
Mannschaft legte, aber auch diese an sich wohl überlegte Mafsregel kam 
nur mangelhaft zur Ausführung, weil die damit verbundenen Kosten den 
Ständen auf die Dauer unerschwinglich schienen. lieber verehrte 
man den Führern der Eindringlinge kostbare Pferde, schöne Pokale 
oder Geldgeschenke, ohne sich damit dauernd Ruhe zu schaffen. 

1H09 freilich schien man sich aufzuraffen, man beschlofs eine 



Digitized by Google 



134 



Üt>cr die Wehrverfaming von StiR und Stadt 



allgemeine Musterung des I/andvolks, wozu die Vollerben mit Feuer- 
gewehr, die Halberben mit Hellebarden, Kötter aber mit Spiefsen 
gerüstot erscheinen sollten; auch waren regclmäfsige Übungen für 
dieses so ausgerüstete Aufgebot beabsichtigt. Aber auch bei dieser 
Mafsregel kam man über Versuche nicht hinaus; es fehlte die Energie 
des Willens, um den Plan nicht nur durchzuführen, sondern auch 
das Geschaffene lebenskräftig zu erhalten. Dazu wäre vor Allem die 
Annahme erprobter Führer für die einzelnen Abteilungen notwendig 
gewesen, welchen im Frieden die Kinübung, im Kriegsfälle die Führung 
zu übertragen gewesen wäre. Das in jener Zeit in anderen Ländern 
angewendete, freilich auch nicht immer erfolgreiche Auskunftsmittel, 
dafs man kriegserfahrene Adelige des Landes als llauptleute ver- 
pflichtete und besoldete oder ältere Kriegsleute durch Wartegelder 
für den Notfall sich sicherte, scheint man, wohl auch w r egen der Kosten, 
in unserem Fürstentume nicht angewandt zu haben. 

Jedenfalls erfüllte das Landaufgebot, als der dreifsigjährige Krieg 
das Land überflutete, seine Aufgabe in keiner Weise. Wehrlos war 
das Fürstentum den Dänen, Kaiserlichen und Schweden preisgegeben. 
Grofse Summen mufsten an Kontributionen gezahlt werden, um 
Plünderungen abzuwehren, nicht zu rechnen die zahlreichen Ver- 
ehrungen, welche fortgesetzt den Führern gespendet werden mufsten. 
Erst die Spätzeit des dreifsigj ährigen Krieges verschaffte dem Lande 
einige Erleichterung, weil der Stadt als Sitz des Friedenskongresses 
Neutralität gewährt wurde. 

Aber trotz dieses mangelhaften Erfolges und obwohl man das 
17. Jahrhundert mit mehr Recht, wie jedes andere, als das Jahrhundert 
der stehenden Heere bezeichnen kann, gab man die Versuche, den 
Landsturm kampffähig zu organisiren, in unserem Fürstentume nicht 
auf. Man glaubte, diesen Zweck nun dadurch erreichen zu können, 
dafs man in jedem Kirchspiele die Chargen der Führer, Fähnriche, 
Korporale und Trommler je einem Bauern übertrug. Diese Chargen 
hafteten schliefslich manchen Höfen erblich an und wurden um so 
lieber vom Sohne nach dem Tode des Vaters übernommen, als mit 
dieser Bedienung die Befreiung von anderen Steuern und Lasten ver- 
bunden war. Wenn nun auch nicht verkannt werden kann, dafs der 
Gedanke, die Chargen der für den Ernstfall zu schaffenden Kadres 
schon im Frieden zu bestimmen, gut war, so war er doch bei der 
Organisation unseres Fürstentums nur gar zu unvollkommen in die 
That übersetzt, weil man die Stellen beliebig einzelnen Bauern über- 
gab, ohne Sorge dafür zu tragen, dafs die Inhaber auch die genügenden 
Kenntnisse und die genügende Übung besafsen und sich erhielten. 
Wie mit den Führern aber, so stand es auch mit der Mannschaft. 



Digitized by Google 



Osnabrück in früherer Zeit, 



135 



Die allerdings vorgeschriebene Einübung derselben ist auch weder 
gründlich ausgeführt noch energisch festgehalten worden. Bei den 
Musterungen in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts fehlten massen- 
haft die Pflichtigen; die Erschienenen benahmen sich unbotmäfsig 
und die Führcrstellen waren größtenteils unbesetzt, weil die Be- 
soldung zu gering war und die Kriegstüchtigen und Kriegsgeübten es 
vorzogen, sich anwerben zu lassen. In etwas späterer Zeit war man 
wenigstens bestrebt, die Übung in der Handhabung der Feuerwaffen 
zu fördern, und Bischof Franz Wilhelm versuchte sich zu diesem 
Zwecke der Schützenfeste zu bedienen. Er ordnete nämlich 1657 an, 
dafs in nllen Gemeinden jährlich unter der Aufsicht der Beamten 
Vogelschiefsen stattfinden sollten, wozu jeder Bauer mit seinem Gewehr 
zu erscheinen gehalten war. Wenn diese Verordnung auch in den 
Landstädten und Flecken ausgeführt wurde und sich seit jener Zeit 
vielfach in Übung erhalten hat, oder vielmehr als alter Brauch wieder 
in Aufnahme gekommen ist, so hat sie doch in den ländlichen Kirch- 
spielen kaum festen Fufs gefafst. Man empfand sie als Zwang und 
nicht ohne Schuld der beaufsichtigenden Beamten kamen diese Feste 
bald in Mifskredit. Schon kurz nach dem Erlafs der Verfügung liefen 
zahlreiche Beschwerden ein ; Strafen wurden verhängt, ohne zu fruchten, 
und auch diese gut gemeinte Mafsregel fiel der Vergessenheit anheim, 
ehe sie sich segensreich hatte erweisen können. 

Nicht besser ging es mit den Bestrebungen des ersten weltlichen 
Bischofs aus dem Hause Hannover, Ernst August I., der bald nach 
seinem Regierungsantritt eine Reorganisation des Landaufgebots ver- 
suchte. Diese Neuschöpfung war der sogenannte „Aussehufs", welcher 
hauptsächlich zum Wachdienst innerhalb Landes verwendet werden 
sollte. Jeder, zehnte Mann des Landsturms sollte montirt und be- 
waffnet werden, auch Unteroffiziere und Offiziere wurden angestellt. 
Um die Mannschaft einzuüben und in Übung zu erhalten, sollte jeden 
Sonntag Nachmittag exerzirt werden. Führer und Mannschaften er- 
hielten einen geringen Sold. Da aber gleich bei der ersten Einführung 
der Mafsregel die Stände Schwierigkeiten machten und als Gegen- 
leistung für Bewilligungen Abstellung von allerlei Beschwerden ver- 
langten, so scheint auch diese Organisation nur mangelhaft zur Durch- 
führung gelangt und nach sehr kurzem Bestände wegen Geldmangeis 
wieder aufgelöst worden zu sein. 

Während des 18. Jahrhunderts trat dann die Miliz nur noch in 
Aktion, um bei gröfseren Volksversammlungen, wie sie Hinrichtungen, 
Märkte und Prozessionen mit sich bringen, die Ordnung aufrecht zu 
erhalten, für Kriegszwecke scheint sie nicht mehr in Bewegung gesetzt 
worden zu sein. 



Digitized by Google 



1311 



Der verhiingnifsvolle Miuenkrater bei Petersburg. 



Krst in der französischen Zeit wurde dem Bürger und Bauer 
wieder die Verpflichtung zu wirklichem Kriegsdienste auch aufser 
Landes auferlegt, in der nur unter heftigem Widerstreben der Be- 
völkerung durchgeführten sogenannten Konskription. Doch war das 
zum Glück nur eine kurze Episode und bald darauf trat das Aufgebot 
des Osnabrücker Landsturms als geschlossenes Kadre in den Befreiungs- 
kriegen auf und zeichnete sich besonders in der Schlacht von Waterloo 
— freilich unter englischem Führer — ruhmreich aus. Ein patriotischer 
Bürger liefs zum Andenken an diese Heldenthat das alte Hegerthor 
zu dem jetzigen monumentalen Bau des Waterloothores umformen. 

Aber dann folgte auch bei uns, wie überall in Deutschland, nach 
jenen grofsen Tagen der Rückschlag. Dem Namen nach ward auch 
im Königreiche Hannover die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, aber 
die Möglichkeit der Stellvertretung und die vielfältigen Befreiungen 
nahmen dieser Einrichtung ihre sittliche Kraft; es galt nicht als eine 
Ehre Soldat zu sein, sondern, wer eben die Mittel dazu besafs, kaufte 
sich von der lästigen Verpflichtung los. Die sogenannten höheren 
Stände aber, insbesondere die Beamteu, waren gesetzlich vom Dienste 
befreit. Das hannoversche Heer war daher nicht in dem Sinne ein 
Volksheer wie das preufsische. sondern eine Mischung von Miliz und 
stehendem Heere, dessen beste und zuvorlässigste Bestandteile die 
alten Trouppiers, geschäftsmäfsig aus Erwerbsrücksichten dienende 
Mannschaften, bildeten. Die Einverleibung Hannovers und mit ihm 
unseres Fürstentums in Preulsen und das deutsche Reich führte dann 
den urdeutschen Zustand des Volksheeres zurück. 



XL 

Der verhängnifsvolle Minenkrater bei Petersburg. 

Eine Episode aus dem Sezessionskriege. 

Von 

J. Scheibert, Major z. D. 



Die Haupt-Armee der konföderirten Staaten unter ihrem grofsen 
Führer, General R. E. Leo, hatte sich zur Verteidigung der Haupt- 
stadt bekanntlich in dem in aller Eile befestigten Lager um Richmond- 
Petersburg gesammolt, dessen Frontausdehnung so grofs war, dafs auf 



Digitized by Google 



Der verhängni fsvolle Minenkrater bei Petersburg. 



137 



je 2 m Front noch nicht ein Verteidiger kam. Trotzdem wehrte der 
General Lee, der ungern in jenes Lager gegangen war, dessen Be- 
festigungslinien die Schwungkraft seiner Führerschaft lähmten, alle 
Angriffe mit Erfolg blutig ab, besonders den ersten Versuch Grants, 
die Linien mit stürmender Hand zu nehmen. 

Nachdem mehrere Monate vergeblich gekämpft war, kam man 
auf Seiten des Angreifers auf den Gedanken, die mangelnde taktische 
Kraft durch die technische Überlegenheit der Nordländer zu besiegen 
und mittelst einer kolossalen Mine gewaltsam eine Öffnung in den 
feindlichen Linien zu Wege zu bringen. 

Es gelang. Nachdem man eine Schutzgallerie von 172 m Länge 
bis etwa unter die Werke der Konfbderirten vorgestofsen hatte, wurde 
eine in mehreren Öfen liegende Mine von 80 Centner Pulver gesprengt 
und eine Öffnung von 5 — 600 m in der Linie hervorgebracht, während 
der Krater selbst eine Öffnung von 70 zu 20 m zeigte. Zwei Kanonen 
der Belagerten und über 200 Verteidiger wurden durch die furchtbare Ex- 
plosion in die Luft geschleudert. Während anfänglich grofse Bestürzung 
im ganzen Lager der Verteidiger, der Konfbderirten, herrschte, gingen 
die Föderirten, welche vorher mehrere Divisionen bereit gestellt hatten, 
um die Vorteile der gesprengten Öffnung sofort auszunutzen, vorwärts, 
um in die Werke einzudringen. Die Sache nahm aber allmählich 
eine andere Wendung; die Konföderirten erholten sich sehr bald von 
dem ersten Schrecken, konzentrirten ihre rückwärtigen Geschütze und 
ihr Gewehrfeuer gegen den Krater, um das Ausbrechen der Truppen 
aus demselben zu verhindern und gingen, wie später gezeigt werden 
wird, schliefslich gegen denselben sogar zur Offensive über. Die Nord- 
länder wurden dagegen durch eine, man möchte sagen magnetische, 
Anziehungskraft in den Krater gezogen, zu dessen Besetzung 1 Bataillon 
vollständig ausgereicht hätte. 

Schon bald nach der Sprengung zogen zwei Divisionen — wir 
werden später sehen, weshalb — in den Krater, und als derselbe 
schon vollgepfropft war, stiegen noch die sämmtlichcn Leute einer 
Neger- Division in denselben hinein. Die Sache war um so ungemütlicher, 
als bekanntlich der Boden jeder Minenhöhlung weich ist und voll 
mephitischer, ja betäubender Dünste steckt. Hier lagen nun noch 
die durch die Explosion der Mine zerstümmelten Leichen, Räder, 
Stücke festen Lehmbodens auf der Erde herum, während Verwundete 
und Tote sich anzuhäufen begannen. 

Je mehr die Verteidiger sich von dem ersten Schrecken erholten, 
desto mehr Geschütze und Haubitzen zogen sie heran, welche immer 
sicherer in den Menschenhaufen schössen, und desto mehr Scharf- 
schützen legten sie dem Krater gegenüber, so dafs jeder, der nur den 



Digitized by Google 



138 Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg. 

Kopf über den Rand desselben lünweghielt, sofort rückwärts über 
taumelte. Dabei war das Gedränge so dicht, dafs einer sich vor dem 
andern nicht bewegen konnte. Niemand aber wagte, den Krater zu 
verlassen, weil er dann noch einmal unter dem feindlichen Feuer 
Spiefsruten laufen muiste. Von 4 bis gegen 8 Uhr dauerte dieser 
Zustand, bis der schnell benachrichtigte General R. E. Lee 2 Brigaden 
von Mahone's Division in Bewegung setzte, um vorläufig die in der 
Front stehende Division des Generals B. R. Johnson zu verstärken, 
später die feindliche Linie anzugreifen. 

Möge einer der Leute, ein Virginier, welcher in dieser Brigade 
sich befand, das Weitere beschreiben, da gerade die Details, die der 
Geschichtsschreiber übersehen mufs, dem Bilde erst Reiz geben und 
den Leser mitten in die schreckliche Wirklichkeit versetzen. 

„Wir mufsten," erzählt jener, „ehe wir vorgingen, das Gepäck 
ablegen, eine Mafsregel, die uns allen zeigte, dafs ernste Arbeit vor 
uns lag. Nach einigen Hin- und Hermarschiren, um des Feindes Sicht 
zu entgehen, wozu wir deckende Hohlwege ausnutzten, kamen wir — 
Mahone's Virginia-Brigade, etwa 800 Mann stark — in die Nähe des 
Juden-Kirchhofs, hielten dort an der Landstrafse und machten regi- 
menterweise Kontremarsch (eine noch bis 1 8(14 bei uns gebräuchliche 
Evolution), so dafs unsere linken Flügel vorn marschirten. Am Kirch- 
hof stand General Mahone mit den Generalen Bcauregard und Johnson. 

Es mochte etwa 8 1 2 Uhr sein. Der Feind war also seit 4 Stunden 
im Besitze des Kraters, doch wagte er sich nicht aus der Deckung 
heraus, da unsere Schützen im Süden 150 Schritt, im Norden 
200 Schritt vor seinen Linien lagen und scharf feuerten. General 
Mahone ging gebückt durch einen unserer bisherigen Schützengräben 
vor und sah von einem kleinen Hügel aus, dals die Masse des Feindes 
— da auch rückwärts und seitwärts des Kraters alles besetzt war — 
für seine zwei zusammengeschmolzenen Brigadon zu stark sei, und 
schickte deshalb einen Adjutanten zurück, um nun auch die III., die Ala- 
bama-Brigade, zu holen. Unsere Brigade marschirte inzwischen in 
einer deckenden Mulde in Schlachtordnung auf. (Dieses war bekannt- 
lich in den amerikanischen Armeen erforderlich, da deren taktische 
Durchbildung nicht ausreichte, um im Feuerbereiche aufcumarschiren.) 

Unser (>. Virginien-Regiment stand mit den Schützen auf dem 
rechten, das 12. auf dem linken Flügel und in der Mitte die 16., 41. 
und tU. Virginien-Reginienter. Nachdem dies geschehen, kletterten 
wir den Abhang des Grundes hinauf und legten uns, um nicht ge- 
sehen zu werden, nieder, etwa 200 Schritt vor den feindlichen Linien. 
Oberst Weisiger, der unsere Brigade führte, liefs uns bedeuten, dafs 
wir nicht eher schiefsen sollten, als bis wir am Feinde seien! Als 



Digitized by Google 



Der verhängnifsvolle Minenkrnter bei Petersburg. 13*) 



dieses geschehen, sprang unser Hauptmann Jones vor die Front und 
sagte eindringlichen aber ruhigen Tones: „Leute, ihr habt den Befehl, 
unsere alten Werke zu stürmen und wieder zu erobern. Die Feinde 
liegen nur 100 Schritt vor uns und können also nur eine Salve ab- 
geben, bis wir an die Werke kommen. Beim Kommando „Vorwärts!" 
erinnere ich, dafs jeder aufspringt und im Laufschritt laut jellend sich 
auf die Werke stürzt. Thue jeder seine Pflicht!" 

Diese kurze Ansprache unter so ernsten Umständen war äufserst 
eindrucksvoll und wohl dazu angethan, Alle zu veranlassen, ihr Bestes 
zu thun. Ich werde jene Ansprache und die Art, in der sie gegeben 
wurde, niemals wieder vergessen. 

Hauptmann Jones berichtet, dafs er durch folgende Worte, dio 
General Mahone an die Führer richtete, angefeuert sei: „Der Feind 
hat unsere Werke inne. Unsere Linie ist die einzige Barriere, die 
ihn abhält, in Petersburg einzudringen. Auf uns ruht daher die 
schwere Verpflichtung, den Feind aus den von ihm in Besitz ge- 
nommenen Werken zu vertreiben und unsere Linien wieder herzu- 
stellen. Wir müssen diese Position im Sturme nehmen und werden 
diesen so oft wiederholen, als noch ein Mann am Leben ist. Alles 
aber hängt von dem gleichzeitigen Ansetzen, sowie von der 
kräftigen und vereinten Durchführung aller Bewegungon ab!" Jones 
hat später erzählt, dafs er wirklich geglaubt habe, dafs nur 100 Schritte 
im Feuer zu durchschreiten seien, und dafs dieses ein Glück gewesen 
sei, weil alle Leute es ihm ebenfalls geglaubt hätten. Erst 20 Jahre 
später, als er den Ort noch einmal untersucht hat, hätte er sich 
überzeugt, dafs die Entfernung in der That 200 Schritt gewesen sei. 
„Sobald das Kommando „Vorwärts ! u gegeben war," erzählt unser 
Virginier weiter, „sprangen wir alle auf und liefen unter tüchtigem 
Jellen mit aufgepflanzten Bajonetten den Werken zu. 

Als wir loslegten, war die Linie etwa 150 Schritt lang; da aber 
die Scharfschützen auf unserem rechten Flügel mehr dem Krater zu- 
steuerten, der etwas zur Rechten lag, so verlängerte sich die Linie 
etwa um das Doppelte, und dio Reihen öffneten sich demgemäfs. 
Dennoch habe ich kein anregenderes Kriegsbild gesehen, als diesen 
kraftvollen Angriff von lauter Veteranen, von denen jeder die Wichtig- 
keit genau kannte, sobald wie möglich mit dem Feinde handgemein 
zu werden, und wufste, dafs jeder kleinste Aufenthalt fatale Folgen 
haben würde. Mit fliegenden Fahnen unaufhaltsam stürmten daher 
die 800 Mann gegen eine hier etwa 10 fache Ubermacht an, (die aber 
ihre Kampfkraft nicht zum Austrag bringen konnte)." 

Ein föderirter Offizier sagt in seinen Aussagen über diesen Moment 
folgendes: „Unsere 2. Brigade hatte kaum ihre Köpfe über die Brust- 



Digitized by Google 



140 Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg. 



wehren erhoben, als der Ruf erscholl: „Die Rebellen greifen an; hier 
kommen sie schon!" Indem ich nach vorne hinausblickte, sah ich 
eine lange, graue Linie in vorzüglicher Haltung in vollem Laufe aus 
dem Grunde herauskommen und auf uns zueilen. Ihre Linke war 
nahe an den Blockhäusern, und ihre Linie reichte rechts so weit man 
sehen konnte in den Rauch hinein. Sie kamen immer näher und 
zwar in Windeseile. Wir sahen, dafs der Anlauf gerade auf unsere 
Brigade zuging." 

Als ich, berichtet unser Virginier dazu, an einem kleinen (unseren 
früheren) Traversengraben ankam, sah ich zu meinem Erstaunen einen 
Negersoldaten liegen, der sich langsam aufrichtete. Es war der erste 
Farbige, den ich in Uniform sah, denn wir wufsten noch nicht, dafs 
wir von Negern angegriffen werden sollten. Ich konnte ihn erschiefsen, 
doch ich mochte nicht! Als ich weiter ging, sah ich den ganzen 
Schützengraben so vollgepfropft von Weifsen und Schwarzen, deren 
Augen vor Todesangst rollten, dafs sie sich vor einander kaum rühren 
konnten. Einer dieser angsterfüllten schwarzen Helden hatte in seinen 
zitternden Händen eine wundervolle seidene Plagge, die er unsicher 
flattern liefs. Ich hätte in diesen Haufen hineinschiefsen können, aber 
es hatte keinen Zweck! Ich sah zugleich, dafs viele der Feinde in 
ihre alten Stellungen zurückliefen und dafs man dicht hinter mir in 
unseren Brustwehren Schutz suchte, was ich an den Käppis bemerkte, 
die hier und da hinter denselben hervorlugten. Ich schofs nur in 
den Haufen derjenigen hinein, welche in ihr Lager zurückflohen. Als 
ich allein weiter vordrang, stand mir in einem Graben plötzlich ein 
Neger gegenüber, mit fertig gemachter Muskete mich angreifend. 

Ich war in dem Augenblicke in einer fatalen Lage. Das Gewehr 
war abgeschossen, mein Bajonnet hatte ich bei Wildernefs verloren, 
auch konnte ich den Mann nicht mit dem Kolben angreifen, da der 
Graben dazu zu eng war und kehrt machen durfte ich erst recht nicht ; 
da bemerkte ich rechts neben mir einen Abzugsgraben, in welchen 
ich mich mit einer geschickten Volte hineinschwang und mein Gewehr 
mit einer Geschwindigkeit lud, wie dies wohl ein Vorderlader niemals 
erlebt hat. Meine Situation war trotzdem keine glänzende, denn 
nicht 5 Schritt von mir war der ganze Graben mit Feinden gespickt. 
Um die Lage noch verzwickter zu machen, entdeckte ich zu meinen 
Füfsen einen schon grauhaarigen Neger, der schrecklich an zu jammern 
fing: „Master, schlagen Sie mich nicht todt! schlagen Sie mich nicht 
todt! ich will zeitlebens Ihr Sklave sein!" weil er glaubte, dafs der 
Schufs, den ich so eilig hinunterstiefs, ihm gelte. „Alter Mann, sagte 
ich zu ihm, ich will Sie nicht todtschlagen, obgleich Sie es verdienten." 
Nach dieser beruhigenden Erklärung wandte er sich um und begann 



Digitized by Google 



Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg. 



141 



sich um einen in den letzten Zügen liegenden konföderirten Soldaten 
zu bemühen, der offenbar bei der Minen-Explosion verunglückt und 
schrecklich zugerichtet war. Er fächelte dem Sterbenden, wohl in der 
Absicht so eifrig zu, um sich bei den nachkommenden Konföderirten 
zu „insinuiren". — 

Glücklicher Weise kamen jetzt einige Kameraden meiner Kompagnie 
mir in den Graben nachgesprungen. Als ich diese Gelegenheit wahr- 
nehmen wollte, um meinem schwarzen Gegner den Schufs zu appliziren 
und aus meinem Loche heraustrat, war jener verschwunden. Wir 
standen nun in der Nähe von Gräben, deren andere Seite geradezu 
von Feinden wimmelte, was man an den Bajonetten und Käppis sehen 
konnte, die hinter den Schutzwehren hervorblickten. Wenn einer 
oder der andere feuerte ging Staub in die Höhe, so nahe hielten sie 
die Musketen an die Brustwehr. 

Wir berieten nun, was wir zu thun hätten, ob wir in dieser ge- 
fährlichen Lage bleiben, oder auf unsere Linien zurückfallen sollten. 
Letzteres konnte einesteils noch gefährlicher sein, oder gar das böse 
Beispiel für andere geben. Wir beschlossen deshalb zu bleiben wo 
wir waren, und von wo aus wir gelegentlich Schüsse auf die seitwärts 
sichtbaren Feinde gaben. 

Als wir nach einiger Zeit übereingekommen waren, uns den 
Graben entlang zu schleichen, um etwa enfilirendes Feuer auf die 
dicht besetzten Brustwehren hinter uns zu geben, sahen wir, wie 
unsere übrigen Leute in hellen Haufen zu uns in die Gräben kamen 
und sofort auch gegen den Krater anstürmten. Sie hatten kein Mit- 
leid mit den Negern, die alle unter ihren Bajonetten fielen. Der 
Graben war in Folge dessen dicht mit Toten besät. Die Wut darüber, 
dafs man Neger gegen uns kämpfen liefs, war eine zu grofse! Doch 
der Krater kam noch immer nicht in unsere Hände, auch südlich 
desselben waren noch Verschanzungen vom Feindo besetzt. 

Um diese Werke zu nehmen, wurde nun Wrights Georgia-Brigade 
vorgeschickt; doch war das feindliche Feuer ein so heftiges, dafs die 
Linien der Brigade sich seitlich öffneten und in den schon von uns 
genommenen Verschanzungen und Gräben Schutz suchten. Wir er- 
hielten in Folge dessen den Befehl, die besetzten Werke mit einem 
solchen Feuer zu überschütten, dafs niemand mehr wagen könnte, 
seinen Kopf über die Brustwehr zu halten. Da wir Gewehr und 
Munition die Menge fanden, so wurde dieser Befehl so strikte befolgt, 
dafs bald nichts mehr über den Boden hervorlugte. Trotz dieser 
Vorsichtsmafsregel mifslang auch der zweite um 11 L T hr gemachte 
Anlauf der Georgier zum Sturme, sie suchten wieder Schutz hinter 
den eigenen Werken. 



142 Der verhöngnifsvolle Minenkrater bei Petersburg. 



Um 1 Uhr erhielten wir wieder den Befehl, die feindlichen Werke 
unter Feuer zu nehmen, und gleich darauf stürmte die Alabama- 
Brigade mit tapferem Mute vor, die Werke und den Krater im ersten 
Anlaufe nehmend. Unmassen von Gefangenen, oft von dem Feuer 
ihrer eigenen Batterien beschossen, strömten aus den gestürmten 
Werken zu uns hinüber. 

Wie es im Krater selbst aussah, davon erzählt ein Augenzeuge 
der Verteidiger, ein Offizier der Föderirten, folgendes: 

„Wir waren die letzten, die in den Krater sprangen. Überall 
starrten uns die Bajonette unserer eigenen Soldaten entgegen. Der 
ganze Kraterrand war von unseren Leuten dicht besetzt, die so schnell 
feuerten, als sie konnten. Auch der Feind gab heftiges Feuer ab, 
und unsere Leute fielen, meist durch den Kopf geschossen, in dichter 
Reihe herab, indem die Getroffenen rückwärts den Abhang in die 
Tiefe des Kraters hinunter rollten, so dafs dort unten die Haufen der 
Toten vier bis fünf Mann hoch aufgeschichtet lagen. Das Geschrei 
der Verwundeten, welche von den I^eichnamen gedrückt wurden, war 
fürchterlich. Plötzlich erhielten wir auch von der Seite Flankenfeuer 
und General Bartlett befahl daher, zum Schutze eine Traverse zu 
bauen. Doch ging die Sache sehr langsam! Da rief jemand: „Baut 
doch die Leichen auf!" Und bald war aus Schwarzen und Weifsen, 
Rebellen und Yankees eine Brustwehr aufgerichtet. Unter diesem 
Schutze wurde dann an der Traverse weiter gearbeitet. Bald fehlte 
Munition, so dafs alle Leichen nach Patronen abgesucht wurden, auch 
mangelte in der fürchterlichen Hitze das Wasser. 

Wenn auch zwei weitere Sturmversuche der Konfbderirten ab- 
geschlagen wurden, so beschütteten uns doch die Batterien mit Granaten 
und bewarfen uns mit Schmutz; die Mörser der Feinde hatten sich 
bald so eingeschossen, dafs jeder Wurf mitten in die vollgepfropfte 
Höhle fiel. Alle, welche versuchten, rückwärts zu fliehen, kehrten 
um, weil das Feuer der Gegner von allen Seiten auf sie hernieder- 
prasselte, die Meisten zusammenschiefsend. 

Nun kamen zwar Patronen an, aber unsere weüsen Truppen 
waren völlig erschöpft und gebrochen. Sic verliefscn die Brustwehr, 
setzten sich nieder und liefsen sich weder durch Zureden noch 
Drohungen zur Besetzung der Linien bewegen. Vergebens sagten 
wir ihnen, dafs alle, die mit Negern vereint kämpften, von den Feinden 
niedergestochen und nicht als Gefangene behandelt werden würden; 
nichts machte auf diese Leute mehr Eindruck! Nur noch die Neger 
und einige Offiziere hielten von jetzt ab das Feuer aufrecht. 

Einige Indianer von Mishigans Scharfschützen leisteten dagegen 
treffliche Dienste. Vier von ihnen, die tödlich verwundet waren, 



Digitized by Google 



Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg. HM 

zogen ihre Blousen über die Kopfe, sangen den Kriegsgesang und 
fielen dann tod nieder. Dann wurde versucht, einen Ausgang nach 
unserer Seite hin durch zu graben. Bald jedoch hatten die Kon- 
föderirten auch hierauf sich eingeschossen, und Niemand wagte mehr 
eine Hand an den Spaten zu legen. Alle Leute, die ich zu der Arbeit 
um mich gesammelt hatte, fielen bis auf den Sergeanten. Die Truppen 
waren schliefslich so apatisch und gleichgültig geworden , dafs selbst 
der Tod ihrer Nebenleute, sie nicht mehr anregte. Um 1 Uhr, als 
unsere Schützen all ihre Munition verschossen hatten, gelang der An- 
sturm der Feinde. Sie wurden Herr des schrecklichen Kraters." — 

Eine furchtbare Arbeit war nun zu thun, fährt unser Virginier 
fort, nämlich die Unmassen Todter zu beerdigen. Wir stellten dazu 
die Neger-Gefangenen an und legten Hunderte in grofse Gräber. 

Im ersten Morgengrauen bot der Krater einen gräfslichen An- 
blick, als die Begräbnifsarbeit unter den verstümmelten Leichen 
langsam vorwärts ging. Es hätte auf mich einen noch fürchterlicheren 
Eindruck gemacht, wenn nicht ein humoristisches Intermezzo die all- 
gemeine Heiterkeit erregt hätte. Unser Adjutant Smith, ein gesunder 
Junge, war fest eingeschlafen ; zwei Neger hielten ihn im Halbdunkel 
für todt, ergriffen ihn bei den Beinen und zogen ihn auf der Erde 
laug. Unter dieser Behandlung erwachte er und fluchte so laut, dafs 
die Neger ihn von sich warfen und zum Tode erschreckt davon liefen, 
was trotz der schrecklichen Lage Alles zum Lachen brachte. Soweit 
der Bericht des konföderirten Augenzeugen. — 

Was nun die Zahl der in die konföderirten Werke und den Krater 
eingedrungenen Unionisten anbetrifft, so waren nach den eidlichen 
Berichten des Oberstlieutenant Loriny vom Burnsider Stabe, die er 
vor dem Komite abgab, hineinmarscliirt: „Zuerst Lesslies Division, 
und zwar direkt in den Krater und dessen unmittelbar angehängte 
Linien; ferner Potters Division, die zwar rechts anschliefsen sollte, 
aber auch grofsenteils in den Krater stieg; ebenso ging Wilcox's Division, 
der 4 Regimenter fehlten, staffelweise meist in den Krater hinein." 
Das macht etwa 6000 Mann und zusammen mit Fcrrero's Neger-Division, 
die 4300 Mann stark war, über 10 000 Mann, die zum gröfsten Teile 
sich in der engen Schlucht zusammendrängten. Das bestätigt auch 
General Ord, der zugleich noch einen zweiten Grund für die An- 
ziehungskraft dieses Hüllenschlundes giebt, indem er sagt: 

„Das Gelände vor der Front und zur Linken der Mine war sumpfig, 
bedeckt mit Bäumen und Büschen. Keine Vorbereitungen waren ge- 
troffen, die Truppen rechts oder links vorbeigehen zu lassen. Heraus 
konnten sie nur durch einen engen Schützengraben, so dafs der lang- 
same Prozefs 10 — 1*2000 Mann durch diesen engen Raum zu zwängen 

Jahrbücher ftlr die Deutsche Armee und Mariut>. Bd. Villi'., 2. IQ 



Digitized by Google 



144 



Der verhängnifsvolle Minenkrater bei Petersburg. 



dem Feinde volle Mufse gab, Vorbereitungen zum Widerstande zu 
treffen. Alles dieses machte Aufenthalt." General Furner (Divisions- 
Kommandeur im 18. Korps Ord) sagt: 

„Etwa um 7 Uhr sprang ich auf den diesseitigen Rand des Kraters, 
um zu sehen, was los sei. Unmittelbar vor mir lag die gesprengte 
Höhlung. In und aufserhalb derselbon herrschte Verwirrung. Die 
Leute legten sich in ihr nieder, um Deckung gegen das Feuer zu ge- 
winnen, das um diese Zeit äufserst scharf war. Ich dachte, das 
(voraufgegangene) Korps sei hinter dem Krater aufmarschirt und 
gegen die feindliche Stellung gegangen, aber es lag noch in dem- 
selben .... Der Krater war ganz gefüllt, und zwar mit mehr Leuten, 
als er fassen konnte, welche aufserdem rund herum lagen und so gut 
als möglich Deckung suchten, alles bunt durch einander. Ich sah 
auch zu meiner Verwunderung, dafs zur Entlastung der Lage kein 
Angriff auf den (von den Konföderirten besetzten) Kirchhofshügel ge- 
macht wurde, und frug deshalb einige Offiziere, weshalb das nicht 
geschehe? Sie antworteten, ein Anlauf dazu wäre versucht worden, 
aber mifsglückt. Ich sagte; „Ihr müfst euch hier verbauen, Truppen 
sind ja mehr wie genug dazu vorhanden, die stehen sich ja gegenseitig 
im Wege!" Während ich noch so sprach, erschien die Spitze der 
Neger-Division auf dem Kraterrande und begann in diese Masse noch 
hineinzusteigen. „Wozu sind diese Menschen noch hergeschickt", rief 
ich aus, „das heifst doch nur neue Verwirrung in die alte bringen!** 
Die Schwarzen fielen buchstäblich in den Krater hinein, auf ihre 
Hände und Kniee, und wurde das Gedränge so dicht, dafs Niemand 
mehr gehen konnte. Indem ich sah, dafs ich bald selbst in der 
Masse stecken bleiben würde, und keine Kontrolle über diese Leute 
hatte, sagte ich zu deren Offizieren: „Wenn Sie mich hier heraus- 
schaffen, werde ich mit meiner Division rechts herausmarschiren und 
Eure rechte Flanke decken!" Mit diesem Vorsatze ging ich aus dem 
Krater heraus, als ich den Kommandirenden, General Ord, antraf, der 
vor der Front meiner Division stand. Ich sagte; „Herr General, 
wenn nicht eine starke Bewegung gegen den Kirchhofshügel gemacht 
wird, ist es geradezu Mord noch mehr Leute hierher zusenden. Jene 
Neger-Division durfte niemals hinein; aber es scheint eine wahre 
Wut zu herrschen, dort hinein zu kriechen! Vielleicht könnten die 
Leute wenigstens vorwärts gehen, um meiner Division Platz zum 
Durchmarschiren zu machen!" 

Als es Goneral Furner später gelang vorzugehen, traf der Angriff der 
Brigade Mahones auf seine Division, worauf eine so allgemeine Flucht, 
ja Panik entstand, dafs sämmtliche Führer mit fortgerissen — , oder 
wie General Carr sagt, der eine andere Division des 18. Korps dort 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



H5 



kommandirte, — „von der zurückflüchtenden Masse in die Höhe ge- 
hoben und etwa 15 Schritt fortgetragen wurden". 

General Ord berichtet vor demselben Komite: 

„Die Leute hatten etwa Vi Kilometer weit durch einen langen 
engen Graben zu marschiron, ehe sie in unser äufserstes Aufsenwerk 
kamen; von dort aus gingen sie in den Krater und wurden daselbst 
in eine Höhle gestopft, in der sie völlig hülflos waren. Sie waren 
dort von demselben Nutzen, als hätte man sie alle in einen tiefen 
Brunnen gesteckt." 

Von den Einzelthaten, die der Virginier weiter erzählt, möge 
keine Notiz genommen, nur erwähnt werden, dafs er im höchsten 
Grade begeistert von dem Betragen seiner Führer, des Generals 
Mahone, dessen Adjutanten Kaptän Girardey und seines Obersten 
Weisiger spricht. 

Nach der Katastrophe wurde ein Waffenstillstand geschlossen, 
um die Todten begraben zu können. Die Verluste der Konföderirten 
betrugen 1200, die der Unionisten wurden auf 5000 angegeben. Von 
den Unionisten konnte man in diesem Falle wörtlich sagen: „Wer 
andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!" 



XII. 

Frankreichs Grenzschutz. 

Von 

Graf von Haslingen, Major. 
(Schhifs.) 



n. Küsten und Inseln. 

Zwei Gesetzentwürfe sind vor Kurzem der französischen Deputirten- 
kammer von dem Deputirten Edouard Lockroy vorgelegt worden; der 
eine betrifft die Verteidigung des französischen Küstengebietes, der 
zweite im Besonderen diejenige der Halbinsel Cotentin, Corsica's und 
der übrigen Inseln des französischen Uferlandes. Fast gleichzeitig 
mit dieser Vorlage ging an die Kammer ein auch von vielen Generalen 
unterzeichneter Entwurf von 49 Deputirten ein, der darauf hinausläuft, 
dem Marineminister den Schutz der Halbinsel Cotentin und der 
Insel Corsica anzuvertrauen. 

Wir glauben, dafs die Motive für die vorerwähnten Gesetzentwürfe 

10* 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



eine Reihe auch für uns wichtiger und interessanter Momente 
enthalton. - Die äufsere Veranlassung zu jenen Entwürfen dürften 
auch hier wieder wie bei der kürzlich besprochenen Anregung zur 
Verstärkung der Alpengrenze, die vorjährigen Manöver — hier die 
der Flotten — gegeben haben. 

Wenn die Halbinsel Cotentin als direkt bedroht angesehen wird, 
so geht man von der Ansicht aus, dafs es der einzige Punkt an der 
England zugewendeten Küste ist, der bei nicht genügender Verteidigung 
leicht zum Stützpunkte für eine englische Kanalflotte werden könnte. 
Das letzte englische Flottenmanöver spielte sich allerdings im Georgs- 
Kanale und in der Irischen See ab, aber seine Gesammtanlage war 
doch auch so, dafs die Front statt Ost — West mit leichter Drehung 
gegen Frankreich sich wenden liefs. Auch die italienische Marine 
hat im vergangenen Jahre ihre Manöver so abgehalten, dafs man in 
Frankreich zu besorgen begann, es könne Corsica bedroht sein. 

Die Betrachtung der „Motive" wird uns den Beweis erbringen, 
dafs es nicht nur England und Italien sind, welchen Frankreich 
gegenüber seine Küsten und Inseln schützen zu müssen glaubt, sondern 
Deutschland wird mit in den Kreis der Betrachtungen hineingezogen 
und auch seine Streitkräfte werden mit auf die Wagschale gelehrt. 
Indem wir im Allgemeinen den Motiven der drei Entwürfe folgen, 
heben wir hervor, dafs entgegen den Gepflogenheiten in Deutschland 
und Italien die Verteidigung des Küstengebietes in Frankreich gleich- 
zeitig dem Kriegs- und Marineminister zufallt. Es können im Falle 
des Krieges nach dem Dekret vom 13. Mai 1890 Offiziere des Land- 
heeres solchen der Marine unterstellt werden, ebenso wie es sich 
ereignen kann, dafs Generale Flottillen befehligen. Durch die Be- 
stimmungen wird einerseits die Autorität des Kricgsrninisters als 
oberste Behörde aufrecht erhalten, andererseits aber die Sorge fiir 
die Verteidigung der Küsten etc. den Marineoffizieren übertragen. 
M. Lockroy sagt darum, man teile dadurch die Verantwortlichkeit, 
das aber bedeute weiter nichts als sie überhaupt aufheben und nur 
Unordnung werde die Folge sein. Das „concourir chacun avec ses 
moyens ä la garde et la defense du littoral" ist ein schlimmes Ding, 
wenn nicht bereits im Frieden Jedem genau vorgeschrieben ist, in 
wieweit er mitzuhelfen hat. Keinenfalls erscheint es aber günstig, 
wenn, wie augenblicklich in Frankreich, erst mit dem Ausbruche eines 
Krieges sich die Ressortverhältnisse verschieben. Am Tage der Mobil- 
machung, d. h. wenn der Kriegsminister füglich doch mehr als sonst 
zu thun hat, wenn der Feind zu Wasser oder zu Lande die Grenze 
bedroht, soll er den dann erst unter seine Befehle tretenden Marine- 
Präfekten „Lettres de service speciales" senden und sich mit seinem 



Digitized by Google 



Frankreich» Grenzschutz. 



147 



Kollegen von der Marine auseinandersetzen. Dabei wechseln diese 
Marine-Präfekten zum Teil und dio gesamnite Verwaltung geht in 
andere Bahnen über, in einem Augenblicke, wo es gerade erst recht 
notwendig wäre, in genau bekannten weiter zu arbeiten. Es verbleiben 
diese Beamten aber thatsiiehlich unter beiden Ressorts, denn ein 
Dekret vom 21. April besagt, sie unterstünden auch weiterhin in Allem, 
was „regarde la defense mobile" dem Marineminister. 

Wenn wir in dieser Hinsicht Umschau in anderen Grofsstaaten 
halten, so kommt vor Allem England in Frage. Dort aber liegen 
die Verhältnisse bekanntlich ganz anders. Im Vertrauen auf seine 
Flotte und im Speziellen auf das Kanalgcschwader, hat England nur 
sehr geringe Vorkehrungen zum Schutze der eigenen Küsten getroffen. 
Dort spielt das Kriegsdepartement aber nicht die Rolle, wie anderswo. 
Dem Marine-Amt wird vielmehr die Verteidigung des Landes zufallen 
und hierbei dürfte die englische Armee füglich nichts anderes sein 
als die „reserve supreme" der Verteidigung. M. Lockroy sagt nicht 
mit Unrecht: „La vraie et Ton peut dire, la seule armee chargee de de- 
fendre la grandeur et Tinviolabilite de la Grande-Bretagne, c'est la Hotte." 
— Trotzdem besitzen die Engländer eine besondere Truppe, welche den 
Schutz der Küste zu versehen hat, die sich aus altgedienten Marine- 
leuten zusammensetzt und von dem Marineminister ressortirt. Die 
geringe Stärke dieser coast-guards (100 Offiziere und 4000 Mann) 
lässt sie mehr als ein Gendarmeriekorps erscheinen denn als eine 
Schutztruppe. 

In Italien werden die Batterien, welche am Ufer zum Schutze 
der Rheden angelegt sind, von Marineoffizieren befehligt. Da während 
der letzten Manöver Offiziere des Landheeres, welche auf Schiffe zu 
schiefsen hatten, wiederholt eigene für feindliche und Kauffahrer für 
Kriegsschiffe gehalten haben sollen, werden dort den Artillerieoffizieren 
des Landheeres zu diesem Zwecke „officiers Consultants" von der 
Marine beigegeben werden. 

Auch in Deutschland ist die Verteidigung des Küstengebietes 
dem Marineminister übertragen und führt der französische Deputirte 
Tür die Richtigkeit dieser Mafsregel das Zeugnifs des Feldmarschalls 
Grafen Moltke an, der sich hierüber im Jahre 1*86 in der Landes- 
verteidigungskommission etwa wie folgt äufserte: 

1. Die Küstenverteidigung wird in der Annahme organisirt, dafs 
der feindliche Angriff durch Truppen erfolgt, welche über das Meer 
herangeführt und unter dem Schutze von Schlachtschiffen debarquirt 
werden. Die Marineoffiziere allein sind im Stande, die schwachen 
Stellen des feindlichen Geschwaders richtig zu erkennen und demäfs 
zu handeln; sie allein vermögen die Tragweite der Bewegungen der 
angreifenden Flotte und deren Zweck zu entdecken. 



Digitized by Google 



14s 



Frankreichs Grenzschutz. 



2. Alle Verteidigungsanlagen an der Küste, auch Laffeten, 
Kanonen etc. sind ähnliche, wenn nicht sogar die nämlichen, wie die 
im Gebrauche der Flotte befindlichen; die Handhabung dieser Kriegs- 
werkzeuge erfordert ein Personal, das die Marine allein mit Aussicht 
auf Erfolg heranbilden kann. 

3. Das Richten der Geschütze, welche auf bewegliche und oft 
sogar sich in grofser Geschwindigkeit fortbewegende Ziele feuern 
sollen, ähnelt weit mehr den Methoden, welche man an Bord gebraucht, 
als denen der Landartillerie. 

4. Es mufs enge Anlehnung stattfinden zwischen der Batterie- 
fuhrung und den Mafsnahmcn der maritimen Verteidigung etc. 

Aus diesen Gründen spricht sich der Feldmarschall bestimmter da- 
hin aus, dafs das Personal notwendigerweise der Marine angehören und 
auch von einem Marineoffizier befehligt werden müsse. 

Es könnte nun die Frage aufgeworfen werden, ob denn dem 
französischen Marineminister auch Kräfte genug zur Verfügung stehen 
würden für den angestrebten Zweck, ohne Beihülfe des Landheeres 
das Küstengebiet zu verteidigen. Von den „Motiven" wird diese 
Frage bejaht. Es werden 100 000 Mann herausgerechnet, indem man 
hierbei noch von den Zollwächterbrigaden absieht. Etwa 80000 Mann 
werden der Schifferbevölkerung entnommen, d. h. dem Teile, der an 
den Küsten sein Gewerbe treibt und die ohne Weiteres heranzuziehen 
sein werden, während aufserdem 12 000 Fischer als auf Hochsee- oder 
überseeischer Fischerei begriffen, also länger als 6 Monate abwesend 
betrachtet werden. Bisher hat man aber in Frankreich auf diese 
Hülfsquellen an Menschenmaterial nicht zurückgegriffen. Es würden 
noch jetzt, wie 1870, dreiviertel des gesammten Personals der Marine 
im Kriegsfalle nicht zur Einziehung gelangen. Im Jahre 1870 erliefs 
der Marineminister aus Bordeaux unterm 23. Januar eine Aufforderung, 
dafs in Anbetracht der traurigen Lage des I^andes sich einige bisher 
vom Dienst befreite Klassen stellen möchten. Hiervon sind besonders 
ausgenommen die „patrons de bateau", welche nur nachzuweisen 
hatten, dafs sie wirklich Eigentümer eines solchen Bootes gewesen 
seien, als das sie vom Dienen ausnehmende Dekret vom 10. 8. 70 
erlassen worden war. Also selbst zu einer Zeit, wo der Feind das 
Vaterland überflutet, die stehende Armee vernichtet oder gefangen 
ist, wo man Männer über 40 Jahr, gleichviel ob verheiratet, Witwer 
mit oder ohne Kinder, zu den Fahnen rief, nimmt man die Küsten- 
bevölkerung aus; und auch jetzt noch soll nicht genügend für den 
Küstenschutz geschehen, denn es wird der Verwaltung vorgeworfen, 
nachweislich seien 100 000 Mann in Cherburg, Brest, Lorient, Roche- 
fort und Toulon auszurüsten, der Bedarf aber thatsächlich im Jahre 
1893 nur für 33 700 Mann vorhanden gewesen. 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



149 



Das Verlangen einer Teilung der Arbeit durch Zuweisung der 
Verteidigung der Küsten und Inseln an die Marine ist seinerzeit von 
Boulanger schroff abgewiesen worden ; er, wie viele Andere befürchteten, 
dafs die Stellung des Marineministers eine allzu einflufsreiche werden 
möchte. Richtig ist, was Kapitän Bittolo. Kommandant des „Re 
Umberto", als Berichterstatter des letzten italienischen Marine-Budgets 
in der Kammer sagte: es komme gerade bei der Marine darauf an, 
alles Material und Personal beim Beginne der Feindseligkeiten ver- 
fügbar zu haben; denn die feindliche Flotte werde der eigenen keine 
Zeit lassen, in Ruhe mobil zu machen, zudem gehe die Einziehung 
der Seeleute bekanntlich langsamer wie die der Landarmee. Darum 
sei es notwendig, der Flotte schon in Friedenszeiten einen festen 
Stamm zu schaffen; er rechnet unter anderem hierzu das notwendige 
Personal zur Sperrung der Häfen, die eventuell überraschend vom 
Gegner angegriffen werden können; die Mannschaften zur Bedienung 
der der Marine überwiesenen Geschütze in den Strandbatterien und 
Forts, das Personal, um etwaigen Handstreichen etc. zu begegnen 
und solches für die Arsenale, Hospitale und Magazine. Auch zur 
dauernden Einübung der Seezeichen müsse Mannschaft schon im 
Frieden verfügbar sein. 

Bittolo bringt in Anschlag für Schiffsbesatzung im Frieden 
wie im Kriege die gleiche Zahl, beansprucht für die Marine- 
garnisonen im Frieden 2240, im Kriege 6095 Mann, für den übrigen 
Dienst im Frieden 3712, im Kriege 5882 Mann. Gerade für die 
französische Marine mufs es darauf ankommen, die Mobilisirung der 
feindlichen im Keime zu ersticken. Wenn Italien im Kriege 30000 Mann 
für Marinozwecke benötigt und davon im Frieden bereits s / i hält, 
so kann Frankreich doch in demselben Mafse vorgehen. 

Natürlicherweise ist es damit nicht allein gemacht, denn Schiffe 
und deren Ausrüstung bleiben dennoch die erste Frage, und wenn 
der Admiral Bourgeois sagt, „les escadres sont devenues la premiero 
ligne de defense des cötes u , so sieht Admiral Vallon das Heil in 
Kreuzern bei einem Kampfe im Mittelländischen Meere, wo man den 
grofsen Schiffen ausweichen werde „pour aller brüler nos cötes u und 
auf hoher See können die Herren solcher Schlachtschiffe nicht genug 
haben, denn „sur l'Ocean elles seront ecrasces par le nombre." 

Gemäfs Artikel 1 und 2 des Projektes wird die Verteidigung des 
Küstengebietes „sans restriction d'aucunc sorte u dem Marineminister 
zugewiesen. Ferner wird das gesammte Küstenland in „secteurs" 
eingeteilt, wie solche bisher nur im Kriege vorgesehen waren und 
innerhalb seines Abschnittes ist jeder Marinebefehlshaber für die 
Vorbereitung der maritimen Verteidigung der Küste, Iiiifen, Rheden, 



Digitized by Google 



150 



Frankreichs Grenzschutz. 



Arsenale etc. allein verantwortlich. Das Personal soll ergänzt werden 
aus den Leuten, welche im aktiven Dienste der Flotte sind, sich 
augenblicklich aber an Land befinden, den bislang noch für die Marine 
Ausgehobenen, welche ihre aktive Dienstzeit beendet haben, den Zoll- 
wächtern und aus Freiwilligen, deren sich jetzt bereits mehr als nötig 
melden sollen. Man hofft auf diese Weise nur im Notfalle auf 
Rekruten zurückgreifen zu müssen. Die bisherige Einrichtung der 
„fusilicrs de Lorient u , welche dem Staate jährlich eine Million kostet, 
wird aufgehoben, indem alle besonderen Formationen, wie Strand- 
wächter etc. militärisch und seemännisch ausgebildet werden und 
zwar in Zukunft in den Depots der Flotten-Equipage. 

Gewifs hat dieser Vorschlag aufserordentlich viel für sich, wenn 
auch unmittelbar darauf derjenige eingebracht worden ist, Cotentin 
und Corsica noch besonders zu schützen. Zwei Punkte des Küsten- 
gebietes sind es nämlich, deren Lage gegenüber Ländern mit mächtigen 
Flotten die Besorgnifs einflöfst, dafs nicht genügend für ihre Ver- 
teidigung geschehe. Man wolle, so führt der Entwurf aus, doch ja 
nicht etwa Contentin mit Gibraltar vergleichen und aus Corsica ein 
zweites Malta machen. Wenn man auch das Gebiet des Mittel- 
ländischen Meeres wenigstens während der ersten Tage einer Mobil- 
machung hinreichend gegen feindliche Unternehmungen durch das 
permanente dort stationirte Geschwader, das durch eine fast gleich 
starke Reserveflotte beinahe verdoppelt werden könne, decke, so sei 
das auf dem Küstenstriche von Dünkirchen bis Bayonne doch anders. 
Denn, abgesehen von den maritimen Verteidigungsanlagen der Arsenale 
und einigen wenigen Werken in der Nähe der grofsen Handelscentren, 
sei diese lange Küste nur verteidigt durch die Torpedos von Cherburg, 
Brest, Lorient und Rochefort und durch ein Geschwader, „peu nom- 
breuse, composeo de batimonts disparates et tous surannes". Man 
denke in Frankreich, so sagen die Motive, beim Beginne eines Krieges 
nur an die Ereignisse an der Ostgrenze und mache es sich garnicht 
genügend klar, welche Bedeutung es haben müsse, wenn der Gegner 
auf Havre oder Dünkirchen die Hand legt und welchen Einflufs das 
auf die Ereignisse haben könne. 

Unter den hier in Frage kommenden Punkten ist es vornehmlich 
die Halbinsel Cotentin, welche unser Interesse erheischt. Sic ist 
derjenige Teil des Departements de la Manche, der sich nördlich einer 
Linie von der Bucht von Veys nach Portbail bis zum Meere hin aus- 
dehnt. Die Ost- und Westküste ist im allgemeinen flach; die Nord- 
seite hingegen, den Winden ausgesetzt und felsig, hat in ihrer Mitte 
etwa eine Bucht, an welcher Cherburg liegt. Von der Wasserseite 
her ist Cherburg gut verteidigt, vom Lande her aber nicht in dem- 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



151 



selben Mafse. Die die Stadt umschliefsenden Höhen sind mcht wohl 
in die Verteidigung mit hineinzuziehen; denn die näheren Erhebungen 
gestatten kein Feuer nach irgend einer Richtung auf weite Ent- 
fernungen und sind andererseits durch die in jener Gegend eigen- 
tümliche Art der Bebauung gehindert. Es würde nur eine Art 
Guerillakrieg entstehen; Parteigänger könnten dem Angreifer wohl 
Verluste beifügen, ihn aber auf die Dauer nicht davon abhalten, sein 
Ziel zu erreichen. Im Süden bildet die Douve, welche von Norden 
her die Halbinsel durchfliefst und in die Bai von Veys mündet, einen 
Abschnitt, welcher durch Überschwemmungen verstärkt werden kann. 
Westlich schliefst sich eine weniger starke Linie, die des Ollondc, an. 
Immerhin ist diese, unter dem Namen „lignes de Carentan" bekannte 
Stellung, falls dieselbe noch durch Feldwerke verstärkt wird, für einen 
Feind, der auf Cotentin landet , Cherburg im Rücken angreift, von 
gröfsester Bedeutung. Von hier aus würde er sogar im Stande sein, 
Streifzüge nach der Normandie und Ile de France zu unternehmen, 
ja sogar die Hauptstadt zu bedrohen. Hierzu kommt noch, dafs die 
Küstenformation dem Angreifer gestattet, sowohl an der Ost- wie an 
der Westküste zu landen. Die „Motive" besprechen eingehend, wo 
dies am besten stattfinden könnte und sind der Meinung, dafs keines 
der jetzigen Werke in der Lage sein werde, eine Landung zu hindern. 
Die vielen Kriege Englands mit Frankreich haben den Beweis er- 
bracht, dafs der Angreifer stets durch den Cotentin vorging, selbst 
wenn er Calais im Besitz hatte. So 1135, 1293 und als sie 1415 
durch Verrat in die Hände der Engländer kam, bleb sie über 30 Jahre 
in deren Besitz. Auch Vauban erkannte die Wichtigkeit der Halb- 
insel und hielt Cherburg für den Schlüssel, der den Feinden Frankreichs 
die gefährlichste Pforte verschliefse. Auf seine Veranlassung fand 
der Ausbau Cherburgs statt, nachdem gegen seinen Willen aus Furcht 
vor den Engländern die seitherigen Festungswerke völlig niedergelegt 
worden waren. 

Über Cherburg spricht sich Vauban folgendermafsen aus. Der 
Platz liegt 70 Lieues von Calais, 80 von Quessant, den beiden End- 
punkten der Manche, 21 Lieues von der Insel Wight, 28 von Portsmouth, 
einem der bedeutendsten englischen Hafen, 23 von HA vre, 13 von 
Jersey, 15 von Guernesey, 10 von Aurigny entfernt. Diese drei Inseln 
sind englisch und ohne es nur zu ahnen, kann, so führt Vauban 
weiter aus, der Feind bei den vielen äufserst günstigen Landungs- 
plätzen, deren mindestens fünf den Inseln gerade gegenüber liegen, 
innerhalb weniger Stunden so bedeutende Truppenmassen auf Cotentin 
landen, dafs er nicht wieder von dort zu verdrängen ist. Dabei be- 
darf er bei der Eigenart des Geländes keine Kavallerie. Hierzu 



Digitized by Google 



152 



Frankreich* Grenzschutz. 



kommt noch, dafs er nicht nötig hat, seine Streitkräfte zu teilen, wie 
Frankreich, das stets ein Mittelmeergeschwader zu halten gezwungen 
ist. Es ist somit möglich, auf die leichteste Weise die auf Cotentin 
gelandete Invasions-Armee mit Waffen, Munition und Zufuhr aller 
Art fortlaufend zu versorgen. Aus diesem Allen zieht Vauban die 
Schlüsse, dafs der Feind, sobald er gelandet ist, die Belagerung von 
Cherburg beginnen werde; dafs er festen Fufs auf Cotentin setzen 
werde und die weite Entfernung der französischen Heere ihm stets 
die Zeit geben wird, weiter zu thun, was er will. Dem Einwände, 
die Festung sei nicht zu unterstützen, begegnete Vauban auf das Ent- 
schiedenste, brachte es auch dahin, dafs von Neuem riesige Arbeiten 
begonnen wurden, die aber von Grund auf zerstört wurden, als der 
englische Admiral Howe 1758 die Stadt einnahm. Als Dumouriez 
später dafür eintrat, Cotentin vor einer erneuten Landung der Engländer 
zu schützen, schrieb Ludwig XVI. eigenhändig an den Rand des be- 
treffenden Schriftstückes: „Dumouriez, commandant de Cherbourg." — 
„Und", fragen nun die Deputirten von heute, welche den vorliegenden 
Gesetzentwurf einbringen, „ist es denn seitdem besser geworden?" 
Man antwortet mit „Nein". Alle Marinepräfekten hätten, so sagt 
man, auf die vorhandenen Übelstände hingewiesen; die Antworten 
seien höchstens Versetzungen gewesen, meistens wäre gar keine Ant- 
wort erfolgt. Man will, darauf zielen alle Pläne hinaus, Cherburg 
zum Hafenplatz für eine permanente Flotte machen, welche im Stande 
sei, allen Bewegungen des Feindes rechtzeitig zu begegnen, man müsse 
aber die Festung nicht nur zu Wasser, sondern auch von der Land- 
seite her unneinnehmbar machen. Man hat eingewendet, es sei nicht 
so ganz einfach, gröfsere Truppenmengen auszuschiffen. Und doch 
haben die Engländer 1 882 mit etwa 200 Schiffen und einem Gehalt 
von 400 000 Tonnen ohne den geringsten Unfall in Alexandrien 
40 000 Mann aller W'affen — - 2 Divisionen — gelandet. 

Die Deputirten stellen nun die Fragen auf: 1. Was hat man 
denn eigentlich gothan, um die Landung zu verhindern? 2. Hat man 
im Voraus Batterien gebaut? 3. Sind die Regimenter von Cherburg, 
wie die an der Ostgrenze bereits auf dem Kriegsetat? 4. Hat man 
in die schon so oft geforderte Verstärkung des Geschwaders gewilligt V 
5. Sind endlich die schon lange vorgesehenen und bereits vom Genie 
tracirten Befestigungen ausgeführt? 6. Sind die strategischen Bahn- 
strecken Cherburg-Basfleur und Cherburg-Beaumont fertig? 

Cherburg steht mit Caen nur durch eine einzige Eisenbahnlinie 
in Zusammenhang, das englische Arsenal von Portsmouth hat dagegen 
seine Verbindung mit dem übrigen England durch fünf verschiedene 
Schienenwege. 1891 erbat der Admiral Lespes, Namens der Kommission 



Digitized by Google 



Frankreich» Grenzschutz. 



153 



der Verteidigung von Cherburg ein zweites Geleise für die Strecke 
von Sottevast nach Caen und führt aus, welchen Vorteil dies für die 
Mobilmachung der Truppen, für die Verpflegung des Platzes und „la 
liaison de la place avec lcs troupes de Tinterieur" haben würde. 
Die Truppen, welche im Ernstfalle Cotentin verteidigen sollen, stehen 
zum grossesten Teile in Rennes. Erst 22 Tage nach der Kriegs- 
erklärung sind diese kampfbereit, während vier Stunden nach erfolgter 
Kriegserklärung bereits 40 000 Mann an 3 verschiedenen Stellen — 
ungehindert — landen können und, einmal im Besitz der Höhen von 
Saint- Mere-Eglise, Carentan, die Wiedernahme von Cherburg und 
des Cotentin unmöglich machen; denn ein Manöveriren von Artillerie 
und Kavallerie in den Sumpfgegenden von Chef du Pont und Carentan 
ist ausgeschlossen. 

In einer Studie nimmt man als mögliche Feinde Englands das 
vereinigte Frankreich und Rufsland an. Dabei wird Englands Flotte 
als um Vs stärker als die vereinigten seiner G egener berechnet Es 
soll darnach haben: 80 Schlachtschiffe, 133 Kreuzer, 10 Panzer, speziell 
zur Zerstörung der feindlichen Torpedos, 50 Schiffe nach dem Type 
Howe und 127 Torpedos. 

Es würde mit einem Kostenauf wände von 23 Millionen Pfund 
Sterling innerhalb dreizehn Jahren eine neue Mole in Gibraltar an- 
legen, die alte verlängern , 88 neue Schiffe und 30 Torpedos bauen, 
sowie die Munitionsvorräte auf das grofsartigste ergänzen. England 
würde Lemnos oder eine andere entsprechend günstige Insel von der 
Türkei fordern. — Das sind nun natürlich Zukunftsträume der 
Engländer, aber sie geben den Franzosen doch zu denken und diese 
meinen, das dann zum zweiten Gibraltar umgeschaffene Cherburg 
werde vom Feinde, einmal in Besitz genommen, wie ein „nid a bombes" 
betrachtet werden. 

Doch kehren wir von diesen Phantasiegebilden zur Wirklichkeit 
zurück, so hat nach Berechnung des Lord Brassey im „naval annual 
1893" die Armee 172 000 Mann unter den Waffen, von denen aller- 
dings 94 000 aufserhalb Verwendung haben! Durch Einziehung der 
Beurlaubten und Reserven würden aber doch immerhin 113 000 Mann 
aufzustellen sein, zu denen etwa 50 000 Freiwillige, Milizen etc. kämen. 
Diese Truppen würden allerdings des inneren Zusammenhaltes er- 
mangeln. Da England aber eine feindliche Invasion nicht zu fürchten 
hat, könnte es für Unternehmungen nach aufserhalb immerhin formiren: 
48 Bataillone Infant, a 1000 Mann oder 48 000 Mann; 40 Batterien 
ä 6 Geschütze oder 240 Geschütze. 3 Kav.-Regimenter mit in Summa: 
etwa 1000 Pferden. Genie und Belagerungs- Artillerie würden dem 
Exp.-Korps möglichst reichlich mitzugeben sein, da es sich handelt 



Digitized by Google 



154 



Frankreichs Grenzschutz. 



um die Belagerung von Cherburg und des Fort de la Hougue und um 
die Verteidigung der Linien von Carentan. Daher würden mindestens 
15 Genie-Kompagnien und ebensoviel Batterien Belagerungsartillerie 
mitzufuhren sein. — 

Das würden in Summa 60 000 Mann und 5000 Pferde ergeben, 
deren Transport, besonders, wo es sich um so kurze Strecken handelt, 
durchaus gesichert erscheint. Denn von den 5 grofsen ,,Indian-troop- 
ships" werden 3 als disponibel, die anderen beiden auf Transporten 
nach auswärts im Mobilmachungsfalle angenommen. Da jedes Schiff 
2000 Mann fasst, so können mit diesen 3 schon 6000 Mann befördert 
werden. Von den 5 „troop-ships", werden ebenfalls zwei auf der 
Fahrt angenommen, die 3 restirenden können jedes 1500 Mann bergen, 
oder in Summa 4500 Mann, bezw. 6 Batterien etc. Aufserdein stehen 
noch 23 Kreuzer unmittelbar zur Verfügung, die den Kompagnien 
Cunard Peninsulaire et Orientale, Inman und White-Star gehören und 
dazu bestimmt sind, armirt zu werden und dem Feinde Abbruch zu 
thun. Da jeder derselben 2000 Mann fafst, so sind in Summa auf 
ihnen 46 000 Mann unterzubringen und das übrige Material würde auf 
anderen Transportdampfern leicht überzufuhren sein. Aufserdem 
würde noch eine grofse Zahl Privatschiffe sich zur Verfügung stellen, 
so dafs der Transport unschwer zu bewerkstelligen sein würde. 

Da in einem Kriege Englands gegen die vereinigten russisch- 
französischen Machtmittel Deutschland auf Seite des ersteren an- 
genommen wird, so rechnen die Franzosen darauf, dafs auch deutsche 
Truppen sich an der Invasion der Engländer beteiligen werden. Sie 
meinen, 30 000 Mann Infanterie, Kav., Art. und Genie, 120 Geschütze 
und 2 — 3000 Pferde würden wohl seitens Deutschlands hierfür ver- 
fügbar zu machen sein. Folgen wir hier ihren Ausführungen. Wenn 
auch Deutschland keine Transportflotte wie die Engländer besitzt, so 
rechnen die Franzosen doch darauf, dafs unter Zuhülfenahme von 
Schiffen des Norddeutschen Lloyd und der grofsen Hamburger Ge- 
sellschaften Deutschland im Stande sein werde, sich mit seinem 
Truppenkorps nach Verlauf von 14 Tagen mit dem englischen zu ver- 
einigen und seine Transportflotte durch fi Schlachtschiffe, 6 Kreuzer 
und 4 Torpedoboote begleiten zu lassen. Dabei wird angenommen, 
dafs der direkte Weg durch den Pas do Calais durch französische Schiffe 
gesperrt sei, dafs also die deutsche Flotte den grofsen Umweg um 
Schottland herum zu machen haben werde. Von den Engländern wird 
erwartet, dafs die Truppen nach dem siebenten Tage verladen sind 
und sich zu gemeinsamer Aktion an einem Punkt der Südküste Englands 
z. B. Portland oder Spithead vereinigen. Diese Vereinigung würde 
am zehnten Tage stattfinden, die feindliche Flotte also am elften 
Tage in Sicht der französischen Küste sein können. 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



155 



Die englische Flotte allein kann bereits am fünften Tage mit 
1 2 Panzerschiffen, 5 Kreuzern, 2 Küstenkreuzem, 1 Kreuzer 3. Klasse 
und 1 Aviso in See gehen; ihr würden nach der „Navylist" von 
Portsmouth, Devonport, Chatam, Sharness und Pembroke her gleich- 
zeitig folgen können aus der zweiten Linie (Steam reserve) weitere 
4 Panzer, 1 Panzerkreuzer, 12 Kreuzer 2. und 3. Klasse und 9 Avisos; 
zur selben Zeit würden auch in den ersten drei Orten in Summa 
27 Torpedoboote mobil sein. Aus der Steam reserve würde sich die 
Flotte in den nächsten 8 Tagen noch weiterhin so ergänzen, dafs sie 
am dreizehnten Tage zählte: 26 Panzerschiffe (Schlachtschiffe), 7 ge- 
panzerte Kreuzer, 22 Kreuzer (1., 2. und 3. Klasse), 16 Avisos und 
etwa 30 Torpedoboote. 

Nach französischer Ansicht seien die englischen Streitkräfte, 
welche bereits nach 5 Tagen in See gehen können, allein schon den 
französischen derartig überlegen, dafs sich diese auf einen Kampf 
garnicht einlassen könnten, sondern froh sein müfsten, Brest oder 
Cherburg zu gewinnen; damit aber würde den Deutschen der Weg 
durch den Pas de Calais nicht mehr streitig gemacht werden können. Die 
Franzosen gehen somit von der Ansicht aus, sie seien nicht im Stande, 
den vereinigten Flotten die Stirn zu bieten und geben zu, dafs es 
denselben, den Engländern von Westen, den Deutschen von Osten 
her, thatsächlich gelingt, auf dem Cotentin festen Fufs zu fassen. 
Die ersteren dringen durch das Thal des Ollonde vor, die Deutschen 
gewinnen von Saint Marcouf aus die Linien von Carentan. Sollte 
der Kommandant von Cherburg seine Kräfte teilen und eine Landung 
zu hindern zu versuchen, so dürfte er jedenfalls mit einem Teil seiner 
Macht irgendwo erscheinen und froh sein, denselben noch rechtzeitig 
unter die Werke der Fostung zurückzuführen. Er würde zu wirklich 
durchgreifenden Mafsregeln einer Armee von 100 000 Mann benötigen 
Dabei ist es aufserordentlich schwer für den Verteidiger, den wahren 
Landungspunkt rechtzeitig zu entdecken, denn der Angreifer wird 
kleinere Abteilungan vorausschicken, welche den Verteidiger irre leiten 
und unter ihrem Schutze wird die Landung vor sich gehen, wobei 
die schweren Schiffsgeschütze sehr bald die leichteren des Verteidigers 
zum Schweigen bringen werden. Denn aufser in den Befestigungen von 
Cherburg selbst und denen von la Hougue befindet sich nicht ein 
schweres Geschütz auf Cotentin. 

Wohin nun zielen nun die Wünsche der Deputirten bei dem 
Gesetzentwurf? Es solle den reichen Hafenstädten an der „Manche" 
ein gröfserer Schutz gewährt werden, während der Teil der Küste 
von St. Malo bis zur Mündung der Loire weit weniger gefährdet sei. 
Nach dem Budget von 1894 hat Dünkirchen 1 altes Kanonenboot 



Digitized by Google 



15f, 



Frankreichs Grenzschutz. 



und einige Torpedoboote in Reserve. Calais, Dieppe, Havre, St. Malo sind 
ohne Schiffe, während für alle diese Punkte schnelllaufende Avisos 
und Torpedoboote gefordert werden. In Cherburg liegen 37 Torpedo- 
boote, von denen aber nur 8 armirt sind. 

Wir sind den Ausführungen der „Motive" ziemlich eingehend 
gefolgt, wenn auch das Bestreben, absolut zu erweisen, dafs Frankreichs 
Macht zur See in der Manche der Englands unterlegen sei, diese 
fachmännischen Erläuterungen vielfach trübt. Wenn aber der Wunsch 
um dringende Abhülfe ein so allgemeiner ist, wie in diesem Falle 
und wenn derselbe besonders von den Marineoffizieren aus den Reihen 
der Deputirten, wie geschehen, besonders warm unterstützt wird, 
kann ihm eine Berechtigung, wie wir nachzuweisen versuchten, füglich 
nicht abgesprochen werden. 

Anders ist es, ob wir den politischen Kombinationen beitreten 
wollen, wie sie hier aufgestellt wurden, ob wir vor Allem Deutschland 
diejenige Rolle zumuten, welche in den „Motiven" von ihm gefordert 
wird. — Wir glauben nicht fehl zu greifen, wenn wir meinen, Deutsch- 
land habe bei einem Kriege mit Frankreich kaum die Absicht, mittelst 
eines Transportes zur See auf die französischen Küsten zu wirken; 
jedenfalls wird es sich hierbei niemals von England gewissermafeen 
an das Gängelband nehmen lassen, wie es in den „Motiven" beliebt 
wird. Aber auch, wenn wir mit England allein rechnen, bleiben die 
Verhältnisse im Allgemeinen zu Frankreichs Ungunsten — wenigstens 
in der Manche. — 

Im Jahre 1892 fand vor Cherburg ein Manöver der 39. Brigade 
unter Hinzuziehung einer Marine-Brigade statt. Es waren in Summa 
10 Bataillone (davon 4 von der Marineinfanterie), 4 Batterien und 
2 Eskadrons dort versammelt. Die Generalidee nahm an, dafs der 
Feind thatsächlich auf Cotentin gelandet sei und auf Cherburg 
marschire. Die Verteidigung stellte sich südlich der Festung bei 
Briquebec auf, der Angreifer ging von St. Sauveur sur Douve her vor 
und drängte den Gegner immer mehr auf den Platz zurück. Später 
wurde von dem verstärkten Angreifer die Einschliefeung der Festung 
von der Landseite her durchgeführt. Leider kam es in diesem 
Manöver nicht zu einem Kampfe gegen landende Truppen oder zu 
einem solchen um die vielbesprochenen Linien von Carentan. Jeden- 
falls hat dieses Manöver den Beweis erbracht, dafs die Verteidigung 
mit dem Augenblicke lahm gelegt ist, sobald der Angreifer jene Linien 
in Händen hat, da sich selbst die numerische Überlegenheit in dem 
tiefdurchschnittenen Gelände des Cotentin nicht für den Verteidiger 
nutzbar macht. 

Der zweite Punkt, welcher nach Ansicht der Deputirten für 



Digitized by Google 



Frankreich» Grenzschutz. 



157 



den Schutz der französischen Küsten in Frage kommt, und zwar für 
das Mittelländische Meer, ist die Insel Corsica. 

Zwischen Algier und Marseille, Toulon und Biserta gelegen, bildet 
Corsica das Bindeglied zwischen den Küstengebieten der Languedoc und 
Provence und denen des französischen Afrika. Genauer südlich von 
Genua und la Spezia, westlich von Elba und Civita Vecchia, nord- 
westlich von Neapel und nördlich von Maddalena. Durch die Befestigungs- 
anlagen von Genua wollte man italienischerseits die Stadt vor den 
Gefahren eines Bombardements schützen, die Einnahme des Hafens 
auf alle Fälle hindern und die benachbarten Uforlandschaften, sowie 
die Schiffswerften von St. Pier d' Arena und Sestri-Ponente decken. 
Gegenwärtig umfassen die Verteidigungsanlagen der Wasserfront allein 
schon 11 gepanzerte Batterien, die zwischen der alten Mole und der 
Mündung des Bisagno staffeiförmig angelegt sind, aufserdem das 
Fort von San Benigno, das 60 m über dem Meere emporsteigt. Die 
Landseite ist durch ein verschanztes Lager befestigt, das durch die 
Forts von Belvedere, Crocetta, Begato, Sperone, Castellacio und San 
Martino rlankirt wird. 

La Spezia ist das italienische Haupt- Arsenal und als der Mittel- 
punkt der Verteidigung des Tyrrhenischen Meeres zu betrachten. 
Es liegt an einem zwischen zwei bergigen Höhen von 400 — 500 m 
Höhe tief eingeschnittenen Meerbusen. Diese Höhen ziehen von Nord- 
west nach Südost. Die Insel Palmaria bildet die Verlängerung dieser 
Höhen, von denen sie durch den schmalen Kanal von Porto -Venere 
getrennt ist. Die Anhöhen umgeben die vorgenannte Bai, die eine 
Breite von 8 km von der Insel Tino bis zum Kap Corno und eine 
Tiefe von 12 km hat. Das Arsenal liegt am Westrande des Hafens. 
Die Werftanlagen liegen bei San Bartolomeo, die Magazine in der 
kleinen Bucht von Panigaglia. Nach Allem hat Spezia eine maritime 
Bedeutung, welche der von Toulon nahekommt. 

Die auf Elba zum Schutze der Rheden angelegten Befestigungen 
von Porto-Ferrajo und Porto-Longone sind neuerdings vervollkommnet 
worden. 

Die weiterhin am Mont Argentario liegenden Häfen von San Stefano 
mit 2 Batterien und von Porto -Ercole, durch drei Forts geschützt, 
liegen noch im Bereich Corsika's, während die weiter südlich gelegenen 
Anlagen von Civita- Vecchia, Gaeta, Neapel hier aufser Betracht bleiben 
können. 

Nur das an der Nordspitze von Sardinien gelegene la Maddalena 
ist als strategisch wichtiger Punkt im Hinblick auf die Insel Corsica 
zu betrachten. Das Hafenbecken ist durch die Inseln Caprera und 
Maddalena auf der einen und durch den Küstensaum von Sardinien 



Digitized by Google 



158 



Frankreichs Grenzschutz. 



auf der anderen Seite eingeschlossen und hat zwei je einen km hreite 
Ausgänge auf die hohe See hin und zwar nach Maestro und Sciroeeo 
hin. Der Hafen von Maddalena kann eine zahlreiche Flotte auf- 
nehmen. 

Die in nächster Nähe Corsikas gelegenen italienischen Hafenplätze 
wurden vorstehend flüchtig gezeichnet, um die Wichtigkeit der Insel 
als Schutz des französischen Küstengebietes noch mehr in die Augen 
treten zu lassen. 

Folgen wir auch hier wieder den Ausführungen der „Motive", die 
sich zum grossesten Teil auf das Urteil erfahrener Seeleute basiren, 
wie des Admiral Aube und auf eine Schrift, betitelt: „marine de France". 
Hiernach haben die Engländer, während ihres kurzen Besitzes der 
Insel bereits den strategischen Wert Corsiea's voll erkannt und aller- 
hand Projekte aufgestellt, um aus Corsica ein Malta des Westens zu 
machen. 1864 schon spricht der Fregatten-Kapitän Salot des Noyers 
sich äufserst günstig über die Verteidigungsfähigkeit der Insel aus. 
Besonders Porto- Vecchio sei leicht zu verteidigen und gestatte in 
seinem inneren Hafen auch grofsen Schilfen vor Anker zu gehen. 
Auch liefse sich dieser Hafen noch tiefer ausbaggern und würde er 
dann bei den ihn umgebenden Berghöhen, bei der Leichtigkeit, Quais 
anzulegen, für den Kriegsfall von gröfsestem Wert werden. 18G8 
schlug der capitaine de vaisseau Cuneo d'Ornano der französischen 
Regierung vor, an der Mündung der Gravone bei Ajaccio drei grofse 
Docks anzulegen. Aber dieser Plan kam nicht zur Ausführung, 
während die Italiener inzwischen das weiter oben beschriebene Madda- 
lena anlegten. 

Als Admiral Aube 1886 Marineminister wurde, erhielt er die 
Mittel bewilligt, um die Anlage eines Kriogshafens in Porto- Vecchio 
auszuführen — er wollte dasselbe dem neuaufbliihenden Maddalena 
gegenüberstellen; mit dem Sturze des Ministeriums Goblet trat aber 
auch der Admiral Aube zurück und mit ihm verfiel sein Projekt. 
Trotzdem hofft ein grofser Teil der französischen Marine noch immer 
auf die Verwirklichung der Pläne des Admirals Aube. Nach der 
Broschüre: ,,les guerres navales de demain" sollte gerade Corsica der 
Gegenstand besonderer Sorge für die franz. Marineverwaltung sein. 
Bislang ist aber nur wenig geschehen; in Bastia und Ajaccio wurden 
Torpedoboote stationirt und bei Bonifacio eine Batterie von 6 Ge- 
schützen zu 19 cm aber ohne permanente Bedienungsmannschaft; 
aufserdem finden sich auf der Insel nur einige schwache, ganz ver- 
altete Befestigungsanlagen aus der Zeit Paolis oder Napoleon 's I., die 
kaum den Namen solcher verdienen. Zum wenigsten sollte man auf 
dem Kap Pertusata, auf den Inseln Larezzi und Kavallo Batterien 



Digitized by Google 



Frankreichs Grenzschutz. 



159 



aufführen, und dadurch die Meerenge von Bonifacio und damit 
Maddalena zu beherrschen. 

Wie bei Besprechung der Verhältnisse in der Manche gehen die 
„Motive" auch bei denen des Mittelländischen Meeres von dem Augen- 
blick der Kriegserklärung aus. Wenn der Telegraph die Kriegserklärung 
von Berlin nach Paris überbringt (etwas Anderes nehmen die Franzosen 
garnicht an) wird auch von Rom nach Maddalena der Drahtbefehl 
gehen, die Feindseligkeiten zu beginnen. Die in verschanzten Lagern 
bereits vereinigten italienischen Truppen (diese Voraussetzung ist 
wohl etwas gewagt) werden auf Transportfahrzeugen aller Art binnen 
Kurzem auf Corsica landen. Die in Maddalena versammelte Flotte 
wird leichten Spieles das kaum verteidigte Bonifacio gewinnen. 
Gleichzeitig wird auch von Porto Ferrajo her Bastia ohne ernsten 
Widerstand in die Hände der Italiener fallen und dann wird die 
italienische Flotte, froh ihres leichten Sieges, sich nach Maddalena 
zurückziehen oder zu neuen Heldenthaten eilen. 

Was nun thut inzwischen das französische Mittelmeergeschwader? 
Wenn das auf der Rhede von Toulon und sonst in der Nähe liegende 
französische Geschwader von dem Beginne der Feindseligkeiten 
Kenntnifs erhält, wird es nicht mehr in der Lage sein, die Italiener 
am Betreten Corsica's zu hindern und auch das italienische Geschwader 
kaum auf hoher See antreffen. Das Reservegeschwader wird in diesem 
Zeitpunkt kaum mehr haben leisten können als damit zu beginnen, 
seine Schiffe in den Dienst zu stellen. Also mit dem Beginn des 
Krieges geht bereits die wichtigste Insel des Mittelmeeres in Feindeshand 
über — allerdings ein wenig ermutigender Anfang. Es wird Frankreich 
vorgeworfen, wie unrecht es sei, das ihm seit länger als einem Jahr- 
hundert treuergebene Corsica wissentlich so dem Feinde preiszugeben, 
es habe dieselbe Verpflichtung gegen seine Corsicaner wie Deutschland 
gegen die Bewohner von Helgoland, China gegen Formosa etc. 

Die Verteidigung Corsica's zerfällt nach Ansicht der Deputirten 
in Maßnahmen, welche unverzüglich auszuführen seien und solche, 
zu deren Durchführung gröfsere Geldmittel und Zeit erforderlich wären. 

Der erste Teil würde umfassen: 1. Die Verfügung, durch welche 
die Insel in permanenten und selbstständigen Verteidigungszustand 
versetzt wird. 2. Die ungesäumte Verstärkung der Garnison, welche 
mindestens auf eine aktive Brigade zu bringen wäre (jetzt steht nur 
ein Regiment — Nr. 61 — in Bastia und Ajaccio). 3. Die sofortige 
Armirungr aller vorhandenen Batterien. 4. Zuteilung von Feldartillerie 
an die Besatzung. 5. Zur Vermehrung der beweglichen Verteidigung 
die Überweisung von mindestens 5 Kreuzern und einer gröfseren 

Jahrbücher fttr die Deutsche Arme« und Marine. Bd. YIIIC, 2. H 



Digitized by Google 



160 



Frankreichs Grenzschutz. 



Anzahl Torpedoboote, die in Bastia, Ajaccio, Porto- Vecchio und Bonifacio 
zu Stationiren wären. 

Der zweite Teil beträfe: 1. Die Mobilisirung der Insel. Es 
befindet sich eine grofse Anzahl Wehrpflichtiger auf Corsica; doch 
erfordert ihre Einkleidung und Bewaffnung zu viel Zeit; sie wurden 
bisher zu diesem Zwecke erst auf das Festland geschickt, auch sind 
sie niemals militärisch ausgebildet und für den Dienst erzogen worden, 
den sie im Ernstfalle zu verrichten haben. Also wird vorgeschlagen, 
dafs der Marine-Kommandant die etwa 2—3000 Mann, welche ein- 
berufen werden könnten, an mehreren Punkten zusammenzieht, wo 
sie mobil gemacht würden. In Rogliano, Ajaccio und Bonifacio 
würden Depots anzulegen sein, wie ein solches bereits in Bastia 
besteht. Das würde natürlich bedeutende Ausgaben erfordern, aber 
man hält den Vorschlag doch für praktisch. 2. Anlage von Telegraphen- 
und Telephonlinien durch die Insel. 3. Anlage neuer Wege und 
strategischer Bahnlinien. 4. Anlage eines grofsen Kriegshafens in 
Porto-Vecchio. Projekt des vorerwähnten Admiral Aube. 5. Ver- 
vollständigung der Verteidigungsanlagen von Bonifacio durch Anlage 
neuer Batterien und Dämme, (i. Anlage eines verschanzten Lagers 
im südlichen Teile der Insel. 

Wir haben seither die Lage Corsica's hauptsächlich unter dem 
Gesichtspunkte betrachtet, wie sie einem Angriffe von der italienischen 
Küste her gewachsen sei. Einen noch gröfseren Wert hat die Insel 
aber für französische gegen England gerichtete Unternehmungen, 
welche zur Basis die Linie Toulon, Porto-Vecchio, Biserta und Tunis 
haben. Durch den Besitz eines Teiles von Egypten, Cyperns, 
Malta's und Gibraltars ist England Herrin des Mittelmeeres und 
kann den Flotten anderer Länder den Ein- bezw. Austritt aus dem- 
selben verwehren. Die erwähnte Linie teilt das Mittelländische Meer 
in zwei Teile und wenn die Küsten der Provence wie die Corsica's 
und Biserta befestigt sind, würde Frankreich ein gewichtiges Wort 
auch England gegenüber mitzusprechen haben. 

Allerdings wird der Hafen von Biserta 11 Millionen und die 
auf Corsica erforderlichen Verteidigungsanlagen 20 Millionen erfordern 
und doch, so meinen die Franzosen, stehe diese Ausgabe durchaus 
im Verhältnifs mit der Wichtigkeit der Linie, welche dadurch Frank- 
reich in die Hände bekomme. 

Der Schutz der kleinen Inseln, Quessant, Belle-Ile, Noirmoutiers, 
Yeu an der Loiremündung, Re, 016ron gegenüber von Rochefort, die 
Ilyerischen Inseln und von Lcrins im Mitteimeere, wie Tabarka, 
Karkenah und Djerbah an der Küste von Tunis — wird am sichersten 
durch eine grofse Zahl rascher Kreuzer bewirkt, wie ja die erste 



Digitized by Google 



< 



Frankreich« Grenzschutz. 

Bedingung an einen guten Küstenschutz ein sorgsames und weit vor- 
geschobenes Wachtsystem ist. Der Admiral Reveillere nennt die 
Kreuzer die „cavalerie legere de marine. u Sie stehen mit den Signal- 
stationen in engster Verbindung und hieraus allein schon erhellt, dafs 
diese ebenfalls unter dem Befehle der Marine stehen müssen, letztere 
also allein die volle Verantwortlichkeit zu tragen haben wird für den 
Küstenschutz. 

Aus den Manövern 1889 im Mittelmeere wollen die Franzosen 
die Lehre gezogen haben, dafs ihre Flotte nicht im Stande sei, die 
Küste vor einem italienischen Geschwader wirksam zu schützen und 
meinen, dafs die Gründe hierfür nach wie vor beständen. 

Auch weiterhin wird, wie der Admiral Jaureguiberry gelegentlich 
sagt, das Meer die entscheidungsvollsten Kämpfe aufweisen und ein 
anderer französischer Seeoffizier schliefst seine Studie „essaisur la Strategie 
navale" mit den Worten: „Qu'on ne s'y trompe pas; dans le drame 
de la prochaine guerre, le premier et le cinquieme acte seront joues 
par la marine. C'est eile, qui apparaitra au lever du rideau. C'est 
eile, qui prononcera le mot de la fin. Son action sera decisive." 

Wenn auch übertrieben, liegt hierin doch viel Wahres, besondere 
was den Beginn des Krieges anlangt. Wir möchten daher auch 
unsererseits diese Betrachtung mit der der „France militaire" vom 
6. März 1894 entlehnten Zusammenstellung der maritimen Streitkräfte 
der europäischen Grofsmächte schliefsen und blicken mit Stolz dabei 
auf das auch in dieser Beziehung gedeihlich fortschreitende Deutschland. 





England 


Frank- 

reich 


Deutsch- 
land 


Eng- 
land 


Italien 


Öster- 
reich 


D .._ t 31. 12. 93 vollendet 
Panzerschiffe ) . „ 

1.-3. Kl. l lm . B ^. iq / ' • 
l projektirt 94 . . . 


38 
7 


24 
10 

3 


14 

8 
1 


- 

4 

8 
3 


14 

3 
2 


8 


Panzerschiffe 
(gardes cötes) 
und Kreuzer 
1.-3. Kl. 


31. 12. 93 vollendet 
im Bau .... 
projektirt 94 . . 


130 
14 


59 
17 

8 


40 
1 
1 


26 
5 
1 


IS 

9 
2 


10 
5 




Sa: 


189 


121 


65 


50 


48 


23 




31. 12. 93 vollendet 


168 


83 


55 


38 


32 


18 


b. 


im Bau .... 


21 


27 


8 


13 


12 


5 


c. 


projektirt 94 . . . 




11 


2 


4 


4 




a+b = 


189 


110 


63 


46 


44 


23 



Erfurt, März 1894. 



11* 



Digitized by Google 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



In Frankreich sind bekanntlich die in der dortigen Marine 
herrschenden Zustände seit längerer Zeit ein Gegenstand, der die 
öffentliche Meinung in lebhafter Weise beschäftigt, und auch die Auf- 
merksamkeit des Auslandes auf sich gelenkt hat. 

Hervorgerufen wurde dieser Zweifel an der Leistungsfähigkeit und 
Kriegstüchtigkeit der Flotte durch einen Racheakt des früheren radikalen 
Führers C lerne nee au. Als dieser bei den allgemeinen Wahlen im 
verflossenen Spätherbst aus der parlamentarischen Arena hinausgedrängt 
worden war, nahm er seine Revanche mittels der Enthüllungen über 
gewisse Mißstände in den Proviantmagazinen des grofsen Touloner 
Arsenals, des Hauptseemagazins der Republik. Cleinenceau's Anklagen 
verursachten grofsen Lärm. Die Radikalen verlangten eine par- 
lamentarische Enquete, ähnlich jener gegen die Panama-Skandale. 
Sie mochten hierbei auf eine Reihe von Zwischenfällen rechnen, die 
sich hätten sensationell aufbauschen und zu erfolgreichen Angriffen 
auf das Ministerium verwerten lassen. Als Wortführer in der Kammer 
fungirte Lokroy. Die Darlegungen Lokroy's gipfelten im Wesentlichen 
in der Behauptung, dafs die französische Flotte das bei ihrer neuesten 
Verstärkung und Vermehrung angestrebte Ziel, den vereinigten Flotten 
der Dreibundsmächte überlegen zu sein, nicht erreiche, sondern dafs 
sie denselben, sowohl was die Stärke, als die Zahl und artilleristische 
Armirung ihrer Schiffe betreffe, nicht gewachsen sei. Die Küsten- 
verteidigung Frankreichs sei überdies eine unzureichende und seine 
Häfen schlecht geschützt; seine Torpedoboote vermöchten das Meer 
nicht zu halten. Die Zahl und Stärko der französischen Kreuzer sei 
eine ungenügende. Mit einem Maximum von Anstrengungen und Ver- 
teidigungsvorkehrungen habe Frankreich ein Minimum von Resultaten 
erreicht, da "das Marinebudget Lücken offen lasse, durch welche sich 
die bewilligten Mittel verflüchtigten. Die an Zuverlässigkeit und 
Bravour ausgezeichnete Körperschaft der Marine habe in Folge der 
Nichtachtung der parlamentarischen Kontrolle und des Mangels an be- 
stimmt begrenzter Verantwortlichkeit Alles kompromittirt. Die Inter- 
pellation lenkte ferner die Aufmerksamkeit der Kammer auf die 50 000 
jungen Leute, die im Mobilmachungsfalle durch den Kriegsminister 
nicht zur Einberufung gelangen könnten, da sie für die Marine ein- 



Digitized by Googl 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



163 



geschrieben seien, und da der Marineminister sie ebenso wenig ver- 
wenden könne, weil er nur 30 000 Seelente zu bewaffnen und aus- 
zurüsten im Stande sei. Sie gingen daher der nationalen Verteidigung 
in Folge eines rein administrativen Fehlers verloren. 

Der Interpellant behauptet ferner*), dafs die französische Küsten- 
verteidigung auf verschiedenen wichtigen Punkten, wie z. B. auf 
der Halbinsel Cotentin am Kanal bei Cherburg und in Corsica 
grofse Lücken zeige. Die Küste der Normandie sei nicht nur über- 
haupt, wie z. B. die Häfen von Havre, Dieppe und Rouen einem 
Bombardement preisgegeben, sondern auch gegen eine Landung nicht 
geschützt. England besitze genügend Schiffe und Truppen, um diese 
Eventualität ins Auge zu fassen, und würde, wenn die Küste einmal 
von ihnen genommen sei, die Mittel finden, sich vermöge der Linien 
von Carentan dort zu halten. Cherburg sei so schlecht verteidigt, 
dafs hohe Beamte dieses Küstenplatzes ihre Entlassung gegeben hätten, 
um der Verantwortlichkeit für denselben enthoben zu sein. Corsica 
entbehre ebenfaUs der erforderlichen Verteidigungsvorkehrungen, ob- 
gleich der Ruin der Insel den Ruin des französischen Einflusses im 
Mittelmeer zur Folge haben würde. Italien könne plötzlich ein Heer 
von 15 000 Mann an die Bai von Santa Manza an der Südostspitze 
Corsicas werfen. Der Admiral Aube habe dort die Herstellung eines 
Zufluchtshafens bei Porto- Vecchio prüfen lassen und einen maritimen 
Gouverneur von Corsica kreirt. Man habe diese Mafsregel jedoch, 
als er nicht mehr im Amte war, mifsgünstig beurteilt, weil man ihm 
den Ruf eines weitblickenden Seemannes nicht gegönnt habe. Die 
französischen Schiffskonstruktionen seien mangelhaft. Die Probe - 
versuche der Schiffe entsprächen fast nie den Bedingungen der ab- 
geschlossenen Kontrakte. Einige Versuche hätten 18 Monate gedauert. 
Der „Jean Bart" habe bei den semigen die vorgeschriebene Ge- 
schwindigkeit von 18 Knoten nie erreicht, und sich in Befürchtung 
eines Unglücks mit lfi begnügen müssen u. s. w. 

In Frankreich und besonders im gesetzgebenden Körper rief die 
Enthüllung Lokroy's Sensation und Bestürzung hervor. Das französische 
Marine-Ministerium sträubte sich anfänglich begreiflicher Weise gegen 
das Eingreifen einer besonderen Untersuchungs-Kommission, und auch 
von anderen Seiten wurde im Hinblick auf die vielen, früher bereits 
stattgehabten derartigen Untersuchungen und deren negatives Resultat 
ein Erfolg dieser Mafsregel bezweifelt. 

Es trat darauf eine aus 33 Mitgliedern bestehende, aufser- 
parlamentarische Kommission zur Untersuchung und Abstellung aller 

*) Anm. d. L. Man beachte auch den vorstehenden Aufsatz Nr. XII 
„Frankreichs Grenzschutz." 



Digitized by Google 



164 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



dieser Mängel und Übelstände im Januar d. J. zusammen und begann 
sofort ihre Arbeiten. Im März wurde ein Ausschufs dieser Kommission 
nach Toulon entsendet, um dort an Ort und Stelle die nötigen Er- 
mittelungen anzustellen. 

Aufser um die Details von Verwaltungsfragen, handelte es sich 
namentlich um die Feststeilung der Brauchbarkeit des neuen Panzers 
„Magenta", in Bezug auf seine Stabilität, Fahrgeschwindigkeit und 
Manövrirfähigkeit. Die Ermittelungen ergaben etwa folgendes. Bei 
einer Geschwindigkeit von 18 Vi Knoten vollzog das Schiff eine 
Direktionsveränderung um 180° in drei Minuten, und hatte nicht 
mehr wie 2 — 3° seitlicher Neigung. Die „Marine de France" bemerkte 
jedoch über die Stabilität des „Magenta" folgendes: Der „Magenta" ist 
aus Mangel an Stabilität dem Kentern ausgesetzt. Die Seitenneigung 
des ,, Magenta" wird zweifellos 20° aufweisen, wenn er die Schwenkung 
überhaupt auszuführen vermag. Vor Anker vermag man ihm 5° seit- 
licher Neigung zu geben, indem man die Geschütze einer seiner Seiten 
umdreht, ein Manöver, welches während eines Kampfes notwendig 
werden kann. In See zeigt es bei 15 Knoten Geschwindigkeit eine 
seitliche Neigung von 8° bei völlig ruhigem Wetter, wenn man ihn 
wenden will. Der genannte Untersuchungsausschufs ist vor einiger 
Zeit nach Paris zurückgekehrt, um der Marine-Kommission Bericht 
zu erstatten. In der ersten Sitzung ergriff Lokroy, der Urheber der 
Enquete, das Wort, um mit sehr ernsten Worten die Lage zu resümiren, 
wie sie sich auf Grund der angestellten Ermittelungen darstelle. Der 
Eifer und die Redlichkeit des gesammten Personals sei unanfechtbar; 
nichtsdestoweniger herrsche in der Verwaltung eine beklagenswerte 
Unordnung. Eine schnelle Mobilisirung der Flottenmacht sei unaus- 
führbar; die Reserve-Torpedoboote könnten aus Mangel an Mannschaft 
nicht mit Besatzung versehen werden, auch seien dieselben in Folge 
ihrer Bauart häufigen Havarien ausgesetzt. Nach den eigenen An- 
gaben des Direktors der submarinen Verteidigung der südlichen Häfen 
Frankreichs, Kapitän zur See Vi dal, seien für die mobile Verteidigung 
Toulons 51 Torpedoboote vorhanden, von denen 4 als Schutzböte dienen, 
während 7 andere in Dienst, der Rest sich in Reserve befindet. Bei 
einer Mobilisirung würde eine gewisse Zahl dieser Böte nach Corsica, 
Algier, Tunis, Villefranche, Ciotat, Marseille u. s. w. ent- 
sendet werden, so dafs für Toulon selbst keine grofse Zahl bleiben 
würde. Was die 40 in Reserve befindlichen Böte anbetrifft, so seien 
dieselben keineswegs kriegsbereit zu nennen, da sie weder Kohlen, 
Vorräte, Geschütze, Munition noch Torpedos an Bord hätten. Alles 
läge in den Magazinen und Depots. Auch der Zustand der Böte sei 
kein seefähiger. Im Ganzen seien von den 40 Reservebooten nur 5 



Digitized by Googl 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



K55 



in wirklich setuereitem Zustande befunden, alle übrigen wären mehr 
oder weniger reparaturbedürftig. Kapitän Vidal setze wenig Vertrauen 
in die unter seinem Befehl stehenden Böte und führe die Unzu- 
verlässigkeit derselben auf die ganz mangelhafte und leichte Bauart 
zurück. Wenn diese Mängel sich schon bei den Böten in Reserve 
zeigten, so würden sie noch in weit höherem Mafse bei ihrer Indienst* 
Stellung hervortreten. 

Dann sprach sich der Admiral Vallon, der als technischer Sach- 
verständiger zur Kommission gehörte, über die groben Fehler aus, 
die bei dem Bau des Panzers „Magenta" von den Konstrukteuren 
begangen worden wären. Er erklärte, das Schiff sei in seiner heutigen 
Verfassung ganlicht zu gebrauchen, und knüpfte daran die Forderung, 
dals solche Panzerschiffe nicht mehr gebaut würden. 

Erhoben sich nun zwar diesem Urteil gegenüber andere Stimmen, 
welche erst noch die Ansicht der Schiffsprüfungskominission abwarten 
wollten, so geht doch aus der bisher zu Tage geforderten Auskunft 
deutlich hervor, dafs es ohne einige Reformen im System der Ver- 
waltung nicht abgehen wird. Bei der Langsamkeit, mit der Unter- 
suchungskommissionen in Frankreich arbeiten, wird es vermutlich 
noch einige Zeit dauern, bis eine Entscheidung fallen wird. Immerhin 
darf man, nachdem was vorangegangen, gespannt sein, wie diese Ent- 
scheidung ausfallen wird. 

Trotz dieser Vorwürfe und Anklagen, die ihre Be- 
rechtigung in gewissem Grade haben mögen, darf man sich 
dennoch im Ausland nicht der Vorstellung hingeben, dafs 
es mit der Kriegsmarine Frankreichs nicht weit her sei. In 
dem geschäftlichen Betriebe mögen Mifsstände vorhanden sein, deren 
Beseitigung sich übrigens die Regierung angelegen sein läfst. Die 
französische Marine verfügt aber über ein ausgezeichnetes Personal 
an Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften. Das Material der- 
selben steht durchaus auf der Höhe der Zeit und, was von der gröfsten 
Wichtigkeit ist, die Organisation der Marine hat, Dank der grofsen 
bewilligten Mittel, so auf den Kriegsfall zugeschnitten werden können, 
dafs bei Ausspruch der Kriegserklärung stets das neueste und beste 
Flottenmaterial vollständig kriegsbereit sich im Dienst befindet. Dafür 
spricht unter anderem die Thatsache, dafs das schwimmende Material 
selbst, in Frankreich in den letzten Jahren eine stetige Vermehrung 
und Verbesserung erfahren hat. Ja, wenn man die grofsen An- 
strengungen, die das Land zur Vergröfserung und zur Ausrüstung 
seiner FlottenmacUt gemacht hat, beobachtet, so scheint es, als ob 
es das gesteckte Ziel, nämlich bis zum Jahre 1904 eine der 
englischen Seemacht ebenbürtige Streitkraft auf dem Meere 



Digitized by Google 



166 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



zu haben, erreichen wird. Ein Blick auf die in jüngster Zeit auf 
diesem Gebiet entfaltete Thätigkeit wird das nähere darlegen. 

Von bereits in früheren Jahren angefangenen Schiffen waren im 
Jahre 1893 im Bau beßndlich 10 Panzerschiffe, 14 Kreuzer und 20 
bis 30 kleinere Fahrzeuge. 

Die Panzerschiffe gehören zwei verschiedenen Gruppen an; die 
eine besteht aus sechs grofsen, die andere aus vier kleinen Schiffen. 
Die erste Reihe enthält den „Brennus" von 10 5)83 Tonnen, welcher 
in Lorient für die Probefahrten ausgerüstet wird; den „Charles 
Martel" von 11 881 Tonnen am 28. August in Brest; den „Jaure- 
guiberry" in La Seyne am 27. Oktober vom Stapel gelaufen; den 
„Lazare Carnot" von 12 008 Tonnen, der demnächst in Toulon zu 
Wasser gelassen werden soll; den „Massena" von 11 924 Tonnen, 
welcher in Saint Nazaire Takelage erhält; endlich den „Bouvet" 
von 12 205 Tonnen, welcher in Lorient gebaut wird und noch wenig 
vorgeschritten ist. 

Die zweite Gruppe umfasst vier Schiffe, welche an Stelle von 
Küstenpanzern des Typs „Indomptable", die in die Klasse der Panzer- 
schlachtschiffe überführt wurden, getreten sind. Der „Jemappes" 
und „Valmy" sind niedrige Schiffe nach Art des „Furieux"; der 
„Bouvines" und „Trehouart" von je 6610 Tonnen, haben ein 
etwas verändertes Bauprogramm erhalten, so dafs sie auch als Ge- 
schwaderpanzer Verwendung finden können. Alle vier Schiffe befinden 
sich im Wasser; „Jemappes" ist bereits von seinem Bauort Saint 
Nazaire zu den Probefahrten nach Brest überführt. „Valmy" und 
„Bouvines" werden ihre Probefahrten erst im Sommer, der „Trehouart" 
nicht vor dem Winter dieses Jahres beginnen. Mit diesen Schiffen 
soll das Panzergeschwader in der Nordsee verstärkt werden. 

Von den 14 neuen Kreuzern, die noch im Bau, bezw. in der 
Ausrüstung begriffen sind, sind sechs erster Klasse, sechs zweiter 
Klasse und einer dritter Klasse, sowie ein Torpedokreuzer. Von den 
übrigen im Bau befindlichen Schiffen sind noch zu nennen zwei Aviso- 
Torpedoboote, sechs Hochsee-Torpedoboote, zwei unterseeische Boote 
und 20 bis 25 Torpedoboote erster Klasse. Mit den Hochsee-Torpedo- 
booten hat man wie es scheint, keine günstigen Erfahrungen gemacht, 
denn dieselben mufsten wegen schwerer Havarien gleich wieder in das 
Dock gebracht werden. Die unterseeischen Fahrzeuge haben nach dem, 
was man darüber hört, ebenso nicht die Aussicht gewährt, dafs man 
ihnen bestimmte Kriegsleistungen zumuten kann. 

Auch das Marinebudget für 1894 kann alt» ein Kennzeichen 
für das Streben nach systematischer Verstärkung der Flottenmacht 
angesehen werden. Dasselbe ist diesmal auf einen Betrag von 217 



Digitized by Googl 



Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



107 



Millionen Mark berechnet. Der Hauptanteil davon entfällt auf die 
Indienststellung und auf den Neubau von Schiffen. 

Das französische aktive Mittelnieergesch wader nebst dem 
sogenannten Reservegeschwader soll zunächst in größerer Schlag- 
fertigkeit aufgestellt werden. Abgesehen von den Torpedoboots- 
Flottilien der mobilen Verteidigung an der Südküste von Frankreich, 
in Corsica, Algier und Tunis wird die französische Marineleitung 
darnach im Mittelmeer jederzeit über eine schlagfertige Hochseeflotte 
von 1 5 Schlachtschiffen verfügen, welche die stärkste vorhandene ein- 
heitliche Streitmacht zur See darstellt. 

Im Falle des Ausbruchs eines Krieges würde diese Überlegenheit 
zur See bei schneller und kräftiger Ausnutzung zu grofsen Erfolgen 
führen können, wie zur Besetzung wichtiger seestrategischer Positionen, 
zur Okkupation Egyptens und Isolirung der dortigen ca. 5000 Mann 
englischer Truppen, Sperrung des Suezkanals und einer zeitweiligen 
Unterbrechung des Seeweges zwischen England und Ostindien. Letzteres 
würde dadurch von Bedeutung sein, dafs die indische Armee im 
Kriegsfalle einer möglichst baldigen bedeutenden Verstärkung durch 
engliche Truppen bedarf. 

Das französische Nordgeschwader wird nach dem vorjährigen Etat 
seinen Bestand beibehalten. Aufserdem aber sollen im laufenden 
Jahre 58 Torpedoboote, im Ganzen 62 gegen 53, also 9 Boote mehr 
ständig im Dienst oder dienstbereit gehalten werden. Bedeutend 
gröfsero Mittel als im Vorjahr und überhaupt gröfsere als je zuvor, 
sind diesmal für Schiffsbauten ausgeworfen worden. Hier läfst sich 
das planmäfsige Vorgehen am besten erkennen. 

Auf den Stapel gelegt werden drei Schlachtschiffe (,,Charlemagnc", 
„Henry IV.", „Saint Louis") ferner fünf Kreuzer 2. Klasse, ein Kreuzer 
3. Klasse, ein Hochseetorpedoboot, achtzehn Torpedoboote und ein Aviso. 

Hier verdient die grofse Fahrgeschwindigkeit, die von allen diesen 
Schiffen verlangt wird, und die selbst bei den schweren Schlacht- 
schiffen 18 Knoten betragen soll, hervorgehoben zu werden. Mit 
vollstem Recht wird auf diese so lange verkannte und vernachlässigte 
Eigenschaft grofses Gewicht gelegt, denn unter Anderem erleichtert 
sie einesteils schnelles überraschendes Auftreten an dem Orte wo ge- 
schlagen werden soll, und andererseits ermöglicht sie es im Gefecht, 
dem Gegner das Gesetz zu geben; ihr wohnen fast alle Vorteile der 
Bugseite aus der Zeit der Segelschifffahrt bei. 

Eine Verstärkung bilden auch die Schnellfeuerkanonen, die von 
dem Kaliber von 16 cm, einschliefslich abwärts zur Verwendung kommen, 
und die zahlreichen Geschütze der artilleristischen Armirung. 

Als ein bedeutsamer Fortschritt in der französischen Marine gilt 



Digitized by Google 



1(}8 Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 

allgemein auch die Beseitigung des Dualismus, der bisher in der 
Küstenverteidigung des Landes bestand, und im Fall einer Mobil- 
machung eine unglückliche Verz wickung zwischen Heeres- und Marine- 
verwaltung zur Folge hatte. Durch ein Dekret des Präsidenten der 
Republik ist nunmehr Klarheit bezüglich der Wirkungskreise beider 
Ressorts geschaffen. Seit März d. J. ist nämlich die französische 
Küste in 19 statt bisher in 17 Abschnitte geteilt, die nach den Haupt- 
häfen heifsen: Dünkirchen, Abbeville, Havre, Cherbourg, Saint Malo, 
Saint Brieuc, Brest, Lorient, Saint Nazaire, Sables d'Olonnc, Rochefort, 
Royan (Gironde), Bayonne, Perpignan, Cette, Marseille, T oulon, Antibes 
und Nizza. Jeder Abschnitt wird von einem General oder Stabs- 
offizier befehligt, und zwar die zunächst fremden Grenzen liegenden, 
also Dünkirchen, Bayonne, Perpignan und Nizza sowie aufserdem 
Antibes und Marseille von Offizieren der Armee, die übrigen 13 von 
Offizieren der Marinetruppen ; jedoch soll jeder Abschnittskommandeur 
einen dem anderen Zweige der Wehrkraft angehörigen Stabsoffizier 
als Berater zur Seite haben. Die Abschnitte mit Ausnahme der sechs 
zuletzt genannten sind den in den fünf Kriegshäfen residirenden Marine- 
Stationschefs unterstellt, von denen in allen seemännischen Beziehungen 
Jeder die Aufsicht über Alles, was zur Küstenverteidigung gehört, einschl. 
der dem Kiegsministerium angehörigen Gegenstände auszuüben hat. Den 
territorialen Militärbefehlshabern ist der Abschnittskomraandeur nicht 
unterstellt, er hat aber die Verpflichtung, ihnen von jeder die Küsten- 
verteidigung betreffenden Mitteilung Abschrift zuzustellen. Wenn er 
jedoch seine Streitkräfte nicht für ausreichend hält, sondern eine 
Verstärkung von mehr als drei Bataillonen zu verlangen sich genötigt 
sieht, so tritt er bezüglich aller Operationen am Lande unter den 
Befehl des kommandirenden Generals des betreffenden Armeekorps- 
bezirks. Marseille nimmt eine Ausnahmestellung ein, indem es dem 
dort residirenden kommandirenden General des 15. Armeekorps auch 
hinsichtlich der Küsten Verteidigung untergeordnet ist. In gleicher 
Weise unterstehen Corsica, Algier und Tunis, die jedes einen besonderen 
Abschnitt für sich bilden, dem Gouverneur der Insel bezw. dem 
kommandirenden Genoral des 19. Armeekorps; sie sind die Vorgesetzten 
der dort stationirton Marinebefehlshaber. 

Zu Übungszwecken ist es dem Kriegs- und Marineministerium 
anheimgegeben, Küstenverteidigungsmanöver am Lande untereinander 
zu vereinbaren. 

Aus den vorstehenden kurzen Angaben erhellt, dafs die französische 
Regierung ungeachtet der grofsen Ausgaben für die französische Armee, 
auch die Marine mit reichen Mitteln personoll und materiell 
systematisch fördert. Dafs dies namentlich in den letzten Jahren mit 



Digitized by Google 



Dei Angriffe gegen die französische Kriegsmarine. 



U59 



gröfserem Eifer und immer zunehmenden Geldaufwand geschieht, zeugt 
davon, dafs der hohe militärische Wert der Flotte für den Landkrieg 
dort richtig erkannt wird. Mit Rücksicht darauf sind auch die über- 
seeischen Stationen durchweg nur schwach, ja unzulänglich besetzt, 
um in Bedarfsfall Alles sofort in den heimischen Gewässern zur Hand 
zu haben. Man ist sich eben in allen Kreisen Frankreichs 
darüber klar, dafs eine starke und kriegsbereite Flotte für 
die Weltstellung und die Weltaufgaben einer europäischen 
Grofsmacht unerläfslich ist und man scheut keine Ausgaben, 
um dies Ziel in würdiger Weise zu erreichen. «7. 



XIV. 

Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Eepublik 
und des ersten Kaiserreichs, 

(Fortsetzung.) 

I. Die Infanterie. 

Kommen w r ir nun zu den Reglements und zwar zunächst zu 
demjenigen von 1791 für die Infanterie, das wie schon oben ge- 
sagt, während der ganzen Zeit der Kämpfe des Kaiserreichs offiziell 
das geltende blieb, in der Praxis aber an unzähligen Stellen durch- 
löchert wurde. Sicard „Atlas de l'histoire des institutions militaires 
des Francais" S. 187 verzeichnet als Formationen der Infanterie für 
die Zeit von 1791 — 1825 nur das Bataillon in Linie, die colonne serree 
und die colonne d'attaque, sowie die Übergänge aus der Linie in diese 
Kolonnen und umgekehrt durch Ployiren bezw. Deployiren. Der 
Inhalt des genannten Reglements wird damit natürlich bei weitem 
nicht erschöpft und sind auch die Zeichnungen im Sicard'schen Atlas 
insofern nicht zutreffend, als derselbe das Bataillon zu 8 Kompagnien, 
1 Grenadier-, 1 Voltigeur-, 0 Füsilier -Kompagnien darstellt, während 
das Reglement von 1791 mit 9 Kompagnien rechnet, darunter 
1 Grenadiere, und die Voltigeurs, wie schon oben kurz bemerkt, für 
die Linieninfanterie 1804 erst geschaffen wurden. Sicard scheint die 
Formationen darstellen zu wollen, die am meisten verwendet wurden, 
er bietet uns kein Bild der Kampfgliederung eines Bataillons mit 
Tirailleur-Entwickelung. Dieselbe Erscheinung tritt uns auch im 



Digitized by Google 



170 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Reglement 1701 und in den „Planches relatives au reglement concernant 
l'exercice et les manoeuvres de l'infanterie", das 1804 in Paris er- 
schienen ist, entgegen, dieselbe finden wir im Reglement von 1791. 
Nur Tafel XL als Illustration zu den Bestimmungen des Reglements 
S. 475 — 79 spricht einmal das Wort „Tirailleur" aus und zeigt uns 
4 in offenem Gelände in Divisionskolonnen vorgehende Bataillone, die 
zum Schutze gegen Kavallerie einzelne Leute aus den dritten Gliedern als 
Tirailleurs in die Flanken nehmen. Diese „Tirailleurs" können aber 
nur als eine Art von Gefechtspatrouillen oder als Seitendeckung be- 
trachtet werden. — Jomini spricht in seiner „Deuxieme appendice" 
zu „Precis de l'art de guerre" „Sur la formation des troupes pour 
le combat" das Folgende aus: ,,La celebre ordonnance des manoeuvres 
de 1791 fixait Tordre deploye comme le seul ordre de bataiile, eile 
8emblait n'admettre la colonne double, sur le eentre de chaque 
bataillon que pour les combats partiels et ceci ne s'appliquait guere 
qu'a Tattaque de postes isoles, d'un village, d'un bois, d'un petit 
retranchement. Les colonnes par bataillon en masse ne semblaient 
destinees, qu'a rassembler ou serrer de longues colonnes en marche 
afin de les faire ensuite mieux deployer." Jomini weist hier auf 
„Planche XXX de l'ordonnance" hin, auf die wir später noch näher 
einzugehen haben werden. Seine Sätze bestätigen, was wir oben 
schon ausgesprochen, dafs das Reglement von 1791 auf der Grund- 
lage der Lineartaktik beruhte, bei welcher in der Hauptsache das 
Peloton noch die Grundeinheit der Schlachtordnung der ganzen Armee, 
das Bataillon kein Gefechtskörper an sich, sondern nur ein Teil des 
grofsen, erst die Kampfmöglichkeit bietenden Ganzen, war. 

Das Reglement von 1791 und auch die „Planches" führen uns 
zunächst ein Regiment zu 2 Bataillonen in Linie vor, das I. Bataillon 
immer auf dem rechten des II., mit 8 Toisen (Klafter) Abstand von dem 
I. auf dem linken Flügel, der Oberst 30 Schritt hinter dem Zwischenraum 
beider Bataillone, die Bataillonskommandeure, auf die Fahne gerichtet 
20 Schritt hinter den Schliefsenden ihrer Bataillone, die Kapitäns auf 
dem rechten Flügel des ersten Glieder ihrer Pelotons, Lieutenant und 
Souslieutenant in der Reihe der 2 Schritt hinter dem3.Gliede schliefsenden 
Unteroffiziere ihres Pelotons. Jede Kompagnie bildet ein Peloton, 
die Bataillone erscheinen mit 9 Pelotons, beim I. Bataillon steht das 
Grenadierpeloton auf dem rechten Flügel, beim II. auf dem linken 
(Einrahmungskompagnien), beim Exerziren des Regiments wurden die 
Grenadierpelotons auf einem Flügel vereinigt. Jedes Peloton zerfällt 
in 2 Sektionen und ist dreigliedrig rangirt, in das 1. Glied stellte 
man % der gröfsten, in das 2. 7 3 der kleinsten, in das 3. das 
übrige Drittel der Leute der Kompagnie nach der Gröfse von rechts 



Digitized by Googl 



und de« ersten Kaiserreichs. 



171 



rangirt. Je 2 Pelotons bilden eine Division, die Grenadiere rechneten 
dabei aber nicht mit, das Bataillon hatte also 4 Divisionen und die 
Grenadiere. Auf dem linken Flügel des 4. Pelotons stand die Fahnen- 
sektion, bestehend aus 8 in 3 Glieder rangirten Korporal -Fouriers 
und dem Fahnenträger, Sergeant-major, der sehr sorgfältig auszuwählen 
war, da er für die Gleichmäfsigkeit des Schrittes und die Direktion 
beim Vormarsch in Linie verantwortlich war. Der Gliederabstand 
betrug von Tornister zu Brust 1 Fufs. Jedes Bataillon zerfiel in 
2 Halbbataillone, Grenadiere 1. — 4. Peloton bildeten das 1., 5. — 8. 
Füsilierpeloton das 2. Halbbataillon. 

Hier sei auch gleich darauf hingewiesen, dafs die 3gliedrige 
Rangirung bis 1813 beibehalten wurde. St. Cyr berichtet uns in 
seinen Memoiren, dafs Napoleon bei einer Unterhaltung, die er am 
8. September 1813 in Dohna mit ihm hatte, über die 3gliedrige Auf- 
stellung sich, wie folgt, aussprach: „Cet ordre est mauvais, rinfanterie 
ne doit se ranger que sur 2 rangs puisque le fusil ne peut tirer que 
sur cet ordre." Napoleon wartete nicht einmal den Frieden ab, ehe 
er eine Änderung befahl, 5 Tage vor der Schlacht von Leipzig befahl 
er von Düben aus: ,, Metter sur l'ordre du jour de l'armee, que 
l'Empereur ordonne qu'a dater d'aujourdhui rinfanterie se ränge sur 
2 rangs, Sa Majestee rcgardant le feu et lcs bayonnets du 3eme rang 
comme de nul eflet." Leipzig wurde schon mit 2gliedriger 
Aufstellung durchgefochten. St. Cyr und Marmont teilten 
Napoleons Ansicht. Man würde übrigens irren, wenn man aus dem 
Befehle des Kaisers schliefsen wollte, dafs bis dahin bei allen Feuer- 
arten das 3. Glied mitgefeuert habe. Wir kommen darauf später 
noch zurück. Napoleon zog auch gleich die Konsequenzen für die 
Widerstandskraft aus der 2gliedrigen Aufstellung. Er sagt: „En 
rangeant rinfanterie sur 2 rangs il faut que Ton place uno reserve 
ä 12toises derricre les flancs." Die 2 gliedrige Rangirung schien ihm 
nicht Stöfs- und Widerstandskraft genug zu bieten. Auch für die 
colonne par division (2 Pelotons Front) ordnete Napoleon 1813 die 
2 gliedrige Rangirung an (wodurch die Tiefe dieser Bataillonsmassen 
verringert wurde), die Jomini schon 1807 vorgeschlagen haben will. 

Titel 1 des Reglements giebt ferner Anordnungen für den Unter- 
richt der Regimenter, der Offiziere und Unteroffiziere. Für den all- 
gemeinen Unterricht der Offiziere, Unteroffiziere und Leute wird der 
Oberst verantwortlich gemacht. Bezüglich des Unterrichts der Offiziere 
finden wir ausgesprochen, dafs er, alles begreifend, was in der 
Soldaten-, Peloton-, und Bataillons- Schule enthalten ist, nur durch 
Verbindung der Theorie mit der Praxis nutzbar gemacht werden kann, 
daher neben den Waftenübungen auf dem Felde, theoretischer Unter- 



Digitized by LjOOQIC 



172 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



rieht stattzufinden habe. Der Regiments-Kommandeur soll daher bei 
sich oder dem Stabsoffizier jeden Bataillons die Offiziere häufiger zu- 
sammenberufen, um ihnen die 3 Schulen zu erklären, die jeder Offizier 
kommandiren können mufs. Die Stabsoffiziere hatten die Offiziere 
häufiger im Marschiren, Schrittmafs und Schrittcadence, sowie in der 
Haltung unter Gewehr zu üben. Der Unterricht der Unteroffiziere 
umfafste die Soldaten- und Peloton-Schule, verantwortlich für denselben 
waren die adjudants majore und adjudants, er begann mit demjenigen 
der Feldwebel und der '2 verständigsten Unteroffiziere der Kompagnie, 
die dann die weiteren Unteroffiziere der Kompagnie ausbildeten. 
Diese Ausbildung umfafste zunächst nur die Soldatenschule, die Unter- 
offiziere jeden Bataillons wurden dann in ein Peloton zu 3 Gliedern 
formirt und durch die adjudants majore und adjudants in der Peloton- 
Schule exerzirt. Nebenher ging theoretischer Unterricht, der un- 
unterbrochen fortgesetzt wurde. Die Fahnen-Pelotons und die Haupt- 
führer (guides generaux) hatte der Regiments-Koramandeur häufiger 
im Marsch zu üben. 

Die Soldatenschule (Titel 2 des Reglements), an welcher die jungen 
Offiziere unter Befehl der adjudants majore, die für die Genauigkeit der- 
selben dem Regiments-Kommandeur verantwortlich blieben, mindestens 
6 Monate teilnehmen sollten, zerfällt in 3 Teile zu 4 Lectionen. Der 
1. Teil umfafst das, was der Soldat ohne Gewehr und möglichst 
einzeln lernen mufs, Stellung, Wendungen, Grundsätze des ordinären 
und des schrägen Schrittes, der 2.: Stellung unter Gewehr, Ladungs- 
arten, Feuer (3 Mann zusammen), der 3. : Frontmarech, Schrittarten, 
Flankenmarech, Richtung, Schwenkungen, Direktions- Veränderungen 
(5 bis 9 Mann). Wir heben aus der Soldatenschule nur Einiges 
hervor. Der ordinäre und beschleunigte Schritt, letzterer 100 in der 
Minute, erstercr 76, sollten 2 Fufs lang sein, die cadence des ordinären 
hatte auch der schräge Schritt (pas oblique). Bei der Chargirung 
unterschied man diejenige in 12 Tempos, die kurze Chargirung (charge 
preeipite) in 4 Tempos und geschwinde Chargirung (charge ä volonte). 
Beim Feuer unterschied das Reglement gerades und schräges 
Feuer, Peloton- Feuer, das 1. Glied knieend, das 2. und 3. durch die- 
selbe Lücke haltend, auf Kommando abgegeben, und Glieder feuer 
(feu de deux rangs — Peloton — armes — Commencement du feu). 
Das Gliederfeuer wird durch die beiden ersten stehenden Glieder ab- 
gegeben, das 3. Glied ladet dio Gewehre des 2., welches nach Abfeuern 
dieses Gewehres, dasselbe zum 2. Schufs wieder ladet und abfeuert 
und dann erst sein Gewehr vom 3. Glied zurücknimmt. Nachdem das 
1. Feuer durch ist, feuern die Leute des 1. und 2. Gliedes nicht mehr 
gleichzeitig, sondern jeder so schnell er kann. Auf einen Trommel- 



Digitized by Googl 



und des ersten Kaiserreichs. 



173 



wirbel hin stellt jeder Mann das Feuer ein, den Hahn in Ruh, ladet 
vollends und schultert. Erwähnt sei noch, dafs der schräge Schritt 
nicht im Schnellschritt gemacht werden, beim Schnellschritt sehr auf 
die cadence gesehen und um diese zu erhalten eventl. eine Zeit lang 
auf der Stelle getreten werden soll. — Die Pelotons-Schule, die 
der Bataillons-Schule vorausgeht, berühren wir gleichfalls nur in soweit, 
als sie für die späteren Betrachtungen Wert hat. Sie zerfällt in 
6 Lectionen zu 5 Übungen. Lection 1 umfafst das Gliederöffnen und 
-schliefsen, Richtungen, Wendungen und Griffe. Das Peloton wird 
immer 3gliedrig formirt, nur bei weniger als 12 Rotten bei Übungen 
in der 3. bis 6. Lection auch 2gliedrig. Bei Übungen über die 
Peloton-Schule hinaus brachte man die Rottenzahl durch Ausgleichen 
der einzelnen Pelotons auf 12. Lection 2 behandelt in 5 Übungen 
die Chargirungsarten, grades, schräges, Glieder-Feuer und 
Feuern rückwärts. Bei der kurzen, wie bei der geschwinden Char- 
girung gilt das in der Soldatenschule Bemerkte. Da die geschwinde 
Chargirung die in Schlachten und Gefechten meist übliche, so mufs 
sie dem Soldaten am geläufigsten sein und derselbe durch Übung 
dahin gebracht sein, dafs er wenigstens 3 bis 4 Schufs mit 
Genauigkeit in der Minute abgeben kann. Das Gliederfeuer 
beginnt bei der ersten Rotte des rechten Flügels, die zweite schlägt 
erst an, wenn die erste abgefeuert und Pulver auf die Pfanne schüttet 
und so fort bis zum linken Flügel, aber nur einmal, dann — feu a 
volonte. Beim Feuer rückwärts kniet das zum 1. gewordene 3. Glied 
nieder. Beim Peloton-Feuer wird der Lehrer, so sagt das Reglement 
in Nr. 66, das Glied, das niederfällt, gewöhnen, horizontal zu zielen, 
die stehend feuernden Glieder, die Mündung des Gewehrs beim Zielen 
ein wenig niedriger zu halten. Vor dem Kommando „Feuer" soll 
dem Mann Zeit gelassen werden zu zielen. Damit die Richtung der 
Glieder beim Feuern nicht leidet, dürfen die Leute die Absätze nicht 
von der Stelle bringen. — Die Reihenfolge der Anordnungen des 
Reglements etwas ändernd, bringen wir hier auch gleich die Finger- 
zeige für das Schiefsen nach der Scheibe. Zu diesem Zwecke 
läfet man pro Bataillon 1 oder mehrere Scheiben verfertigen, jede 
5Vj Fufs hoch und 2 Fufs breit. Die Mitte der Scheibe soll mit 
einem 3 Zoll breiten Strich von abstechender Farbe in die Quer be- 
zeichnet werden, ebenso der oberste Teil der Scheibe. Auf dieses 
Ziel sollte auf 300 dann auf 600, zuletzt auf 900 Schuh Entfernung 
das Schiefsen stattfinden. Auf 300 und 600 Schuh wurde auf den 
mittleren Strich, auf 900 Schuh , auf den oberen gezielt. Die Leute 
schössen erst einzeln ohne, dann nach Kommando. Sie sollten den 
Gewehrkolben gut an die rechte Schulter ansetzen, das Gewehr mit 



Digitized by Google 



174 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



der linken Hand gut unterstützen, den Lauf so schnell wie möglich 
von der Schwanzschraube bis zur Mündung auf den Strich richten, 
auf das Kommando „Feuer" den Finger stark an den Abzug legen 
und nach dem Abfeuern noch einige Zeit im Anschlag bleiben. In 
dieser Schule sollten jährlich alle Korporale, Grenadiere und Füsiliere 
mit dem gröfsten Teil der für die Exerzitien bestimmten Munition 
geübt und die besten Schützen jeder Kompagnie ausgezeichnet werden, 
Die Rekruten hatten zuerst blind und mit Pulver zu schiefsen, dann 
jährlich mit aller Sorgfalt nach der Scheibe. — Gegenüber diesen 
sehr bestimmten Verordnungen des Reglements von 1791, dem Aus- 
spruche Napoleons „L'arme a feu est tout, le reste ce n'est rien" 
und seinem Befehl bezüglich der Voltigeure, dafs dieselben im schnellen 
und richtigen Feuern geübt werden sollten, mufs man die Sätze in 
Marmonts Memoiren besonders beachten, die berichten, Napoleon habe 
während des Waffenstillstands 1813 Wettschiefsen nach der Scheibe 
angeordnet und für jeden Mann 2 Schufs ausgeworfen (Ordre Napoleons 
d. d. Dresden 28. 6. 1813). „Dies Schiefsen nach der Scheibe 
bildete eine bis dahin im französischen Heere nie besonders 
beachtete Übung." Auch berichtet derselbe Marschall, die Un- 
•geschicklichkeit des 2. Gliedes im Anschlage habe bei den Leuten des 
1. Gliedes sehr viele Verwundungen der linken Hand verursacht, so 
zwar, dafs Napoleon an Selbstverstümmelungen geglaubt habe. 

Die Lectionen 3 bis 5 der Peloton-Schule enthalten einfache 
Bewegungen: Frontmarsch, Schrägmarsch, auf der Stelle treten, Über- 
gang aus dem ordinären in den Geschwindschritt auch pas de Charge 
zu 120 in der Minute, Frontmarsch mit dem 3. Gliede vorn, Flanken- 
marsch mit rechts und links um, Tetenschwenkungen mit Rotten, 
Frontmachen aus dem Reihenmarsch, Aufmarsch in das Peloton und 
in Sektionen mit ganzem Abstand aus dem Reihen marsch. Der Auf- 
marsch erfolgte, wenn man im Marsch war, im Geschwindschritt, nach 
dem Einrücken in die Linie wurde der Schritt des geradeaus gebliebenen 
Unteroffiziers angenommen; und zwar wurde, wenn der rechte Flügel 
vorn links, im andern Falle rechts aufmarschirt. Weiter finden wir 
Abschwenken mit Sektionen aus dem Halten, Marsch in Kolonne, 
wobei besonders auf die Abstände geachtet wurde, Hakenschwenkungen, 
Einschwenken der Sektions-Kolonne nach rechts oder links, je nach 
dem die 2. oder 1. Sektion vorne, Abbrechen und Aufmarschiren der 
Flügelrotten, welches besonders bei langen Kolonnen in Eng-Wegen 
als wichtig bezeichnet wurde, da keinesfalls eine Verlängerung der 
Kolonne eintreten sollte. Auch das Marschiren in Kolonnen in Feld- 
schritt (pas de route), wobei die Glieder 3 Schritt Abstand von einander 
nahmen und die Leute das Gewehr beliebig trugen, nur darauf 



Digitized by Googl 



und des ersten Kaiserreichs. 



175 



achtend, die Mündung so hoch zu halten, dafs Unfälle ausgeschlossen 
waren, sollte geübt werden. Dabei wurde die Schrittlänge von 2 Fuis 
beibehalten, das Tempo sollte zunächst 7(5 in der Minute betragen, 
in der Bataillons- Schule aber auf 88 bis 90 steigen und dies für den 
Marsch das normale sein, wenn Strafsen und Gelände dies erlaubten. 
— Das Abbrechen mit Sektionen rechts geschah so, dafs die 2. Sektion 
auf der Stelle trat und sich dann mit halbrechts hinter die erste setzte, 
der Aufmarsch aus der Sektions- in die Peloton-Kolonne derart, dafs 
die vordere Sektien durch halbrechts oder halblinks die Front der 
geradeausbleibenden folgenden frei machte, darauf kurz trat, bis 
diese eingerückt war. Bei Abbrechen in Sektionen, wenn mehrere 
Pelotons vorhanden waren, sollten die geradeausbleibenden Sektionen 
flott vorwärts marschiren, wenn sie dabei auch auf die abbrechenden 
vorderen dicht aufrückten, damit unter keinen Umständen der Abstand 
verloren ginge. Lect. 4 enthält dann noch den Kontremarsch und 
das Flügelverändern, Lect. 5 das successive Einschwenken der Sektions- 
Kolonne nach der Flanke, endlich allgemeine Bemerkungen über die 
Peloton -Schule, in denen gesagt wird, dafs der Regiments- oder 
Bataillons-Kommandeur, wenn die Kompagnien en detail in der Peloton- 
Schule exerzirt würden, die Lectionen angeben und durch einen 
Trommelwirbel den Moment bezeichnen lassen soll, in welchem alle 
gleichzeitig zu beginnen hätten. 

Die Bataillons-Sehule hat sowohl den Unterricht einzelner 
Bataillone zum Gegenstand, als auch die Vorbereitung derselben auf 
alle Fälle, die in einer Linie von mehreren Bataillonen' 1 vorkommen 
können und da die Harmonie der Bewegungen im Grofsen sowohl 
vom besonderen Unterricht der einzelnen Bataillone, als von der 
Gleichmäfsigkeit der Kommandos, der Grundsätze und Ausführungs- 
mittel abhängt, so sollen die Bataillons-Chefs sich buchstäblich 
nach dem richten, was das Reglement vorschreibt und weder etwas 
zusetzen, noch fortlassen. Die Bataillons -Schule zerfiel in 5 Teile, 
deren erster sich mit dem öffnen der Glieder und den verschiedenen 
Feuerarten im Halten beschäftigt. Betreffs des Feuers finden wir 
hier einiges Neue. Peloton- und Glieder- Feuer sollen immer nur 
geradeaus abgegeben werden. Bataillons- und Halbbataillons-Feuer 
geradeaus und schräg. Das Peloton-Feuer wird abwechselnd durch 
die ersten und zweiten Pelotons jeder Division vollzogen, wie wenn 
die Division für sich allein wäre. — Das 1. Peloton feuert zuerst, der 
Chef des 2. giebt sein Kommando nicht eher, als bis 1 oder 2 Ge- 
wehre des ersten Pelotons wieder geladen sind. Rechnet man 
die Feuergeschwindigkeit zu 3 Schufs in der Minute, so hatte das 
zweite Peloton also etwa 7 3 Minute zu warten, ehe es, nach dem 

Jahrbücher für die DeuUche Arme« und Marine, iid. Villi', 2. 12 



Digitized by Google 



171» 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Feuern des ersten, seinen Behufs abgab. Ebenso hatte der Bataillons- 
chef beim Halbbataillonsfeuer zu verfahren und auch beim Bataillons- 
feuer sollte diese Regel zwischen geraden und ungeraden Pelotons 
beachtet werden. Das Gliederfeuer begann bei allen Pelotons 
gleichzeitig. 

II. Teil: Übergang aus der Schlachtordnung in die „ ordre en 
colonne, u zur Kolonne in Pelotons durch Abschwenken rechts oder 
links, rechts oder links rückwärts, letzteres durch einen Flankenmarsch 
in Reihen und Frontmachen. Von der letzteren Bewegung wird ge- 
sagt, dafs sie bei Mangel an Raum zum Abschwenken mit festem 
Flügel und auch dann angewendet werden soll, wenn man durch das 
Abschwenken die Grundlinie der bisherigen Front nicht überschreiten 
wolle. 

Artikel 3 beschäftigt sich mit dem Bilden der geschlossenen 
Kolonnen (plover). das sowohl Pelotons-, als Divisions-Weise 
auf die Abteilung vom rechten oder linken Flügel, oder auf jede 
andere Abteilung des Bataillons, den rechten oder linken Flügel vorn, 
ausgeführt werden kann. Um auf die Division des Zentrums, den 
rechten Flügel vorgezogen, die geschlossene Kolonne in Divisionen 
zu formiren, machten die Grenadiere und die 1. Division links um 
und setzten sich, mit der Tete rechts ausbiegend, mit 3 Schritt Ab- 
stand vor die stehenbleibende 2., die 3. und 4. Division machten rechts 
um, bogen rechts aus, dann, nach Gewinnung eines Abstanden von 
3 Schritt vom 3. Glicde der vorstehenden Division, mit der Tete wieder 
links ein und machten Front. Analog verfuhr man, wenn man den 
linken Flügel vorn haben wollte. Sollte die r colonne serree par 
division" auf den rechten Flügel, die Grenadiere, gebildet werden, so 
machten alle übrigen Divisionen rechts um, bogen mit der Tete rechts 
aus und setzten sich, mit 3 Schritt Abstand vom 3. zum 1. Glied, 
hinter die Grenadiere. Wie die Formation hinter eine stehen bleibende 
Division, so konnte dieselbe auch vor eine solche erfolgen. Nach dem 
Reglement war das Ployiren des Bataillons in Divisions-Kolonne auch 
mit ganzer Distanz oder mit Sektions-Distanz möglich und zwar im 
ordinären Schritt sowohl, als im Geschwindschritt. Damit hätten wir 
als geöffnete Kolonnen: Sektions-, Pelotons-, Divisions-Kolonne 
mit ganzer, als halbgeöffnete Kolonnen Pelotons-, Divisions-, und 
die später zu besprechende Angriffs-Kolonne mit Sektions-Abstand, 
als geschlossene Kolonnen Peloton- und Divisions-Kolonnen mit 
3 Schritt Abstand („colonne serree" oder „masse"). 

Der 3. Teil bringt zunächst den Marsch in Kolonnen in ganzer 
Distanz. Die Zeichnungen dazu lassen uns das Bataillon in Peloton- 
Kolonne mit ganzem Abstand erkennen und bringen Tetenschwenkungen 



Digitized by Google 



und de« ersten Kaiserreich«. 



und ihre Ausführung. Das Reglement sagt in den Bemerkungen 
zum Marsch in Kolonnen, dafs, obwohl der unkadenzirte Sehritt ge- 
wöhnlich der der Kolonnen auf dem Marsche sei und am häufigsten 
auch in den „Linien-Evolutionen" angewendet werde, da er dem 
Soldaten die gröfste Bequemlichkeit verschaffe, zu grofsen Bewegungen, 
wie auch auf unebenem Gelände der dienlichste sei, man doch beim 
Exerziren mit Bataillonen den „pas de route" nur zum Marsch auf 
den Exerzirplatz und zurück gebrauchen solle, oder um dem 
Mechanismus der Bewegungen in der „colonne de route u zu lehren, 
sonst aber darnach streben müsse, die Leute im kadenzirten Schritt 
zu befestigen. Sei letzteres geschehen, so könne auch zuweilen im 
Geschwindschritt marschirt werden. Für die Kolonne auf dem Marsch 
wie bei dem Manöveriren wird als Grundsatz hingestellt, dafs die 
Tiefe der Kolonne niemals gröfser sein dürfe, als der Raum, den die 
Linie einnehmen würde. Das müsse auch dann erreicht werden, wenn 
eine marschirende Kolonne, auf Engwege treffend, in Sektionen ab- 
bräche, bezw. die Front der Sektionen durch Abbrechen der Flügel- 
rotten noch verkleinere. Im letzteren Fall schlössen die Glieder in 
der Marschkolonne auf einen Fufs auf und ging man aus dem Feld- 
schritt zum kadenzirten über. Nach dem Wiederaufmarsch der ab- 
gebrochenen Rotten wurde im Feldschritt weiter marschirt. Häufige 
Übungen dieser Bewegungen empfiehlt das Reglement dringend, da 
der Unterricht in der Marschkolonne der wichtigste von allen sei, 
besonders eine Verlängerung der Marschkolonne vermieden werden müsse, 
da dieselbe sonst aufser Stande, einem unerwarteten Angriff zu wider- 
stehen, der Marscli länger dauere und die Truppen ermüde. Auf 
guten Strafsen oder auf ebenem Land wurden 88 bis DO, bis 
zum Regiment und der Brigade aufwärts im Notfalle sogar 
100, auf schlechten Strafsen, Sturzacker, Sandboden und 
im Gebirge 76 Schritt in der Minute verlangt. Die Ge- 
schwindigkeit der Kolonne bestimmte der Führer. Eine Verkleinerung 
der Abstände war, wenn die Tete auf schwieriges Gelände stiefs, zu- 
lässig, die Distanzen regelten sich dann später von selbst, die folgenden 
Abteilungen durften nicht gleichzeitig mit der Tete den Schritt ver- 
langsamen, sie behielten ihr Schrittmafs bei, bis sie selbst auf die 
schwierige Strecke trafen. Wird, so sagt das Reglement, eine Kolonne, 
die zu kleine Abstände hat, genötigt, nach der Flanke hin Front zu 
machen, so ist es weniger schlimm, einige ausfallende Rotten als 
Reserve hinter die Linie zu stellen, als umgekehrt, bei zu grofsem 
Abstand, Lücken entstehen zu sehen. Eine Verlängerung der Kolonne 
wird erst dann als unabweisbar bezeichnet, wenn die Frontbreite der 
Marschformation weniger als f> Mann aufweisen darf. Mufs ein Eng- 

12* 



Digitized by Google 



178 



Aus den Exorzir- Vorschriften der ersten Republik 



weg in Reihen durchschritten werden, so sind nach dem Passiren 
desselben sofort Sektionen zu fonniren. — Aus den Bestimmungen 
betreffend die Direktionsveränderungen der Kolonnen mit ganzer 
Distanz ist nur das über die sogenannten „Wurfmanöver" (Prompte 
raanoeuvre par le flanc droit — gouche) Gesagte anzudeuten, die an- 
gewendet wurden, um baldigst die ganze Kolonne in dieselbe Richtung 
zu bringen. Das l. oft auch das 2. Peloton noch — wurde dazu be- 
nachrichtigt, in die neue Direktion zu schwenken, die übrigen machten 
rechts oder links um, gelangten im Geschwindschritt mit Peloton- 
abstand hinter die vorderen und nahmen dort deren Tempo an. Das 
Aufschliefsen in der Peloton- oder Divisionskolonne mit ganzer Distanz 
auf Sektionsabstand oder zur Masse (3 Schritt Abstand), auch der 
Marsch auf Sektionsabstand oder in Masse, sowie die Direktions- 
veränderungen einer Kolonne in Pelotons mit Sektionsabstand sind 
einfacher Natur. Die „Masse" macht vor einer Frontveränderung 
rechts oder links um, schwenkt mit den Teten der einzelnen Reihen- 
kolonnen auf einen kleineren oder gröfseren Bogen, hält und macht 
Front. Durch diese Bewegung, sagt das Reglement, kann man einer 
jeden Kolonne, welche Anzahl von Bataillonen sie auch enthalten 
mag, alle möglichen Direktionen geben. — Aus der geschlossenen 
Pelotonkolonne (3 Schritt Abstand) konnte durch Deployiren im Halten 
die Kolonne in Divisionen hergestellt werden. Diese Bewegung bildete 
nach dem Reglement das Element aller Deployements und sollte 
auf das Genaueste geübt werden. 

Von Interesse sind auch die Arten, auf welche man aus der 
Kolonne mit ganzer Distanz die Linie herstellte; durch Schwenken 
mit Pelotons nach der Richtungsseite, links, wenn der rechte Flügel 
voran und umgekehrt durch Einschwenken nach der der Richtungsseite 
abgekehrten, wobei Inversion entstand, indem das 1. Peloton auf den 
linken Flügel kam, eventuell durch successives Einschwenken, wenn 
die Inversion vermieden werden sollte, nach vorn durch halbe 
Schwenkung der Pelotons, Marsch geradeaus und wieder halbe 
Schwenkung, endlich nach rückwärts, was sehr viel umständlicher 
war. Dasselbe ist von der Herstellung der Linie durch zusammen- 
gesetzte Bewegungen zu sagen. Eine Kolonne mit halber Distanz 
nahm entweder ihre Distanz von vorn und schwenkte dann ohne 
Inversion ein, oder schwenkte successive ein nach vorwärts, indem man 
Distanz nahm und wie bei ganzem Abstand verfuhr, oder aber indem 
man zur Masse aufschlofs und dann deployirte. 

Der 5. Abschnitt beschäftigt sich mit dem Deployiren ge- 
schlossener Kolonnen und beginnt mit dem Hinweis darauf, dafs 
die oben beschriebene Mafsnahme mit Leichtigkeit die Frontveränderung 



Digitized by Googl 



und des ersten Kaiserreichs. 



170 



jeder Masse erlaube und das Dcployiren immer winkelrccht sein 
könne. Die geschlossene Masse kann sich zur Linie entwickeln nach 
vorn durch Deployiren, nach rückwärts durch Kontremarsch und 
Deployiren, nach den Flanken durch Frontveränderung und Deployiren. 
Auf das Kommando: Auf die 2. Division deployirt die Kolonne — 
Rechts und links um — Marsch — wurde die Bewegung gleichzeitig 
begonnen. 

Mit dem Marsch in Front, der sehr viel geübt werden sollte, 
um Ruhe und Richtung in eine Linie von mehreren Bataillonen zu 
bringen, dem Abbrechen beim Treffen auf Hindernisse, den Direktions- 
veränderungen der Bataillonsfront, bei welchen die Mitte den Schritt 
beibehielt, der innere Flügel denselben verkürzte, der schwenkende 
beschleunigte, dem schrägen Marsch des Bataillons, dem Halten und 
Finrichten, wobei die Fahne und die Guides auf die einzunehmende 
Linie vorgingen, beschäftigen wir uns hier näher nicht, ebensowenig 
mit dem nach „Rechtsumkehrt" erfolgenden Retiriren des Bataillons 
und dem Flankenmarsch desselben in Reihen. — Das Durchziehen 
eines 1., im Retiriren befindlichen Treffens durch ein 2., das dazu 
seine Pelotons in Sektionen doubliren läfst, während das 1. in Reihen- 
kolonne durch die Lücken geht, soll häufiger geübt werden. Das 
Bataillon des 1. Treffens macht 100 Schritt hinter dem 2. Halt und 
marschirt links auf, während das 2. durch Deployiren die Linie her- 
stellt. Das Durchziehen kann auch nach vorwärts im Angriff geschehen, 
um das 1. Treffen abzulösen. Das 2. Treffen wird dann dicht an das 
1. herangekommen, die Sektionen doubliren, das 1. sich in Reihen 
durchziehen, auf dem befohlenen Abstand Halt machen und die Linie 
formiren, was das 2. Treffen durch Deployiren im Geschwindschritt 
schon ausgeführt haben wird. 

Im 13. Artikel des V. Teils finden wir die „colonne d'attaque." 
Dieselbe ist eine Doppelkolonne, bei welcher die Pelotons sich mit 
Sektionsabstand hinter den beiden Pelotons der Mitte formiren. 
Kommandos: Colonne d'attaque — Par peloton de droite et de gauche 
sur le centre en colonne — Bataillon ä droite et a gauche — 
Pas accelere — Marche — oder 4. und 5. Peloton blieben stehen, die 
rechts vom 4. stehenden machten links um, schwenkten mit der Tete 
halblinks, marschirtcn geradeaus, bogen parallel mit dem 4. auf 
Sektionsabstand ein und machten Front. Die links des 5. Pelotons 
stehenden verfuhren umgekehrt, jede Seite der Doppelkolonne machte 
ein Halbbataillon aus. Das Gi enadierpeloton formirte sich mit Sektions- 
abstand hinter der Mitte der Kolonne, konnte aber auch vor dieselbe 
genommen werden. - Das Deployiren aus der colonne d'attaque er- 
folgte, wie bei der „Masse" im Geschwindschritt, es ist aber, sagt 



Digitized by Google 



180 



Aua den Exerzir-Vornchriftcn der ersten Republik 



das Reglement, bei der geringen Tiefe dieser Kolonne nicht nötig, die- 
selbe erst zur Masse aufschließen zu hissen, „da diese Kolonne niemals 
anders als mit Bataillons statthaben soll". Hält der Bataillons- 
kommandeur es für nötig, während des Deployirens das Feuer be- 
ginnen zu lassen, so beginnen das 4. und 5. Peloton Gliederfeuer, 
die anderen ebenso, wenn sie deployirt sind. 

Aus der Bataillonsschule ist endlich noch das Sammeln (RaUiement) 
zu nennen, das ein auseinander gekommenes Bataillon auf das Trommel- 
signal, „Fahnentrupp" um das Fahnenpeloton vereinigen soll. 

Deutlicher noch als die Bataillonsschule zeigt uns der folgende 
Teil schon durch seine Beziehung „Evolutions de ligne," dafs die 
Gedanken der Lineartaktik die leitenden waren und die Richtigkeit 
des oben angezogenen Ausspruchs Jomini's im 2. Anhang zu „Precis 
de l'art de guerre." 

Den „Linien-Evolutionen" legt das Reglement im Allgemeinen 
8 Bataillone zu Grunde, bemerkt aber dabei, dafs die gegebenen Regeln 
ebenso auf ein Regiment, eine Brigade, sowie auf eine beliebige Ziffer 
von Bataillonen anwendbar seien. Sollte eine oder mehrere Brigaden 
in „Linie" manöveriren, so erhielten die Bataillone durchgehende 
Nummern vom rechten zum linken Flügel. Der kommandirende General 
hatte keinen bestimmten Platz, hielt sich aber bei Kolonnenformationen 
gewöhnlich an der Tete auf, um dieselben nach seinen Absichten zu 
leiten. Bei entwickelter Linie stellen sich die Brigadechefs 50 Schritt 
hinter der Mitte ihrer Brigaden auf, bei Kolonnen auf der Richtungs- 
seite in dor Höhe der Mitte ihrer Brigaden. Sollen alle Bataillone 
der Linie dieselbe Bewegung ausführen, so wird der kommandirende 
General dem Bataillon, das ihm zunächst steht, die Hauptkommandos 
zurufen, die sich auf diese Bewegung beziehen und der Chef des 
Bataillons diese Kommandos wiederholen, die übrigen Bataillonschefs 
nehmen die Kommandos ab, lassen dann die „Vorbereitungsbewegungen, 
welche der Hauptbewegung vorangehen müssen" von ihren Bataillonen 
ausführen (überwacht von den Brigade- und Regimentschefs, die sonst 
als stumme Zuschauer zu figuriren scheinen), dann beginnt auf Kom- 
mando des Chefs die Hauptbewegung. Hat ein Bataillonschef das 
Kommando nicht verstanden, so macht er nach, was die anderen 
Bataillone vollziehen. Stehen fremde Truppen mit französischen in 
einer Linie, so werden die fremden Bataillonschefs das Hauptkommando 
in französischer Sprache geben, dann in der eigenen wiederholen. 
Wird eine Linie in mehrere Kolonnen gebrochen, so fungiren die 
ältesten Offiziere derselben als Führer. 

Bezüglich des Feuers in diesen grofsen Verbänden bemerken 
wir nur, dafs das Bataillonsfeuer bei den ungraden Bataillonen 



Digitized by Google 



und des ernten Kaiserreichs. 



181 



anfangen sollte, die graden erst dann zu feuern hatten, wenn in den 
ungraden wieder einige Gewehre geladen waren, Halbbataillons- und 
Peloton-, wie Gliederfeuer nach dem, was in der Bataillonsschule 
vorgeschrieben war, stattfanden. Der kommandirende General befahl 
allemal den Beginn des Feuers und das Stopfen desselben durch 
einen Trommelwirbel, wieder ein Beweis dafür, dafs man die ganze 
lange Linie von Bataillonen als eine Einheit betrachtete. Im Übrigen 
begegnen wir in diesem Teile des Reglements später auch dem Feuer 
im Avanciren und Retiriren (die uns aber nicht die Überzeugung 
verschaffen können, dafs man das Bataillon als Einheit ansah). Das 
Feuer im Avanciren wurde von den ungraden und graden Bataillonen 
abwechselnd abgegeben. Der kommandirende General gab dazu die 
Kommandos: „Bataillonsfeuer im Avanciren — Ungrade Bataillone 
chargirt. u Die Chefs der ungraden Bataillone: n l. Bataillon— Geschwind- 
schritt." Die ungraden Bataillone sollten im Geschwindschritt gl eich - 
mäfsig dazu 30 Schritt vorwärts marschiren, dann halten, feuern, 
laden und im Schnellschritt bis in die Höhe der in der Vorwärts- 
bewegung gebliebenen graden Bataillone vorrücken, woselbst wieder 
der gewöhnliche Schritt angenommen wurde. Sobald die ungraden 
Bataillone auf der Höhe der graden angekommen waren, gingen die 
letzteren im Geschwindschritt 30 Schritt vor und verfuhren wie vorher 
die ungraden. Auf diese Weise soll fortgefahren werden. Wir haben 
also Salven der einzelnen vorgehenden Bataillone zu ver- 
zeichnen. Wenn der kommandirende General durch Trommelwirbel 
das Aufhören des Feuers im Avanciren anordnete, formirtc Alles wieder 
die Linie im gewöhnlichen Schritt. Die Bemerkungen zu diesem Ver- 
fahren betonen besonders die Notwendigkeit des Geradeausmarschirens 
der Bataillone, damit nicht die Front gestört werde und der Gleich- 
mäfsigkeit der Ausführung seitens aller ungraden und graden Bataillone. 
Analog wird das Feuer im Retiriren abgegeben. Grundzug: Salven- 
feuer der Hälfte der in einem Treffen stehenden Bataillone 
gleichzeitig, darauf der anderen Hälfte. 

Bei den Artikeln, welche das Abschwenken mit Pelotons und die 
Entwicklung der Linie aus dieser Kolonne behandeln, weisen wir nur 
darauf hin, dafs die einzelnen Bataillone in offener Peloton-Kolonne 
einen Abstand von Peloton-Front und 8 Klaftern von einander halten 
sollten. 

Künstlich und umständlich erscheint der Übergang aus der Linie 
in die geschlossene Kolonne, wobei man immer für richtiges Ab- 
marschiren nach der Bataillons-Nummer sorgte, ebenso künst- 
. lieh die Entwickelung der Linie aus einer solchen langen Kolonne 
von Bataillons- Massen (wohlgemerkt, die Bataillone nicht in der 



Digitized by Google 



182 Aus den Excrzir- Vorschriften der ersten Republik 

colonne double oder colonne d'attaque). Soll eine Linie von 
8 Bataillonen auf das IV. Bataillon — den rechten Flügel vorn (man 
konnte auch den linken Flügel vorn nehmen) — in geschlossener 
Kolonne mit Divisionen die Kolonne formiren, so vollzog das 
IV. Bataillon die Formation der colonne serree auf die 2. Division 
von rechts im Geschwindschritt oder im gewöhnlichen Schritt. Die 
Bataillone rechts von den vierten machen links um, ihre IV. Division 
tritt, die Tete halb rechts drehend, in verkürztem Schritt an, die III., 
IL, I. und Grenadiere setzen sich mit halb rechts gedrehter Tete im 
gewöhnlichen Schrittmafs vor dieselbe. Dann marschiren die in Masse 
mit 3 Schritt Abstand zwischen den Divisionen formirten Bataillone 
so vorwärts, dafs ihre IV. Division 6 Schritt vor der I. Division des 
IV., III., IL Bataillons parallel mit dessen Front einrückt und Front 
macht. Die Bataillone links vom IV., also das V., VI., VII., VIII. 
verfahren, mit halbrechts ausbiegend, analog, so dafs sie, mit 6 Schritt 
Abstand von Queue zu Tete, hinter das IY\ Bataillon gelangen. In 
ähnlicher Weise kann man diese tiefe Kolonne mit kleinen Abständen, 
den linken Flügel vorgezogen, formiren. Die Ausführung dieser 
Formation auf eine der Flügel-Divisionen, Grenadiere des I. 
oder 4. des VIII. Bataillons, beanspruchte natürlich noch längere Zeit 
und wurde noch schwerfälliger. Nicht sdestoweniggr bezeichnet das 
Reglement als Vorteile dieser Formation, dafs sie den Bataillonen 
während der Bewegung ihre volle Stärke erhalte, da jedes derselben 
eine besondere Masse ausmache, andererseits die wenigste Zeit erfordere, 
da jedes Bataillon auf dem kürzesten Wege seine Stelle in der Kolonne 
erreiche. Wir werden bei diesen tiefen Kolonnen in Divisions-Massen 
wieder an Jomini's Satz erinnert. — Für Bewegungen im Wirkungs- 
kreis des feindlichen Geschützes kann man diese Kolonne wohl kaum 
als verwendbar bezeichnen, zumal, wenn man sich die Entwicklung 
derselben zur Linie näher betrachtet. Diese mufste zweifellos auf 
genügende Entfernung vom Gegner erfolgen, da sonst wohl das ganze 
Deployiren in Frage gestellt werden konnte. Die für das Deployiren 
vorgeschriebenen Bewegungen überzeugen uns wieder, das man die 
8 oder mehr Bataillone als ein unzertrennbares Ganze zu 
betrachten gewohnt war. Selbst bei einer in Peloton-Kolonne 
mit ganzer Distanz marschirenden Kolonne von mehreren Bataillonen 
wird statt des Aufmarsches vorwärts vielfach das Deployiren empfohlen. 
Der kommandirende General soll dazu zunächst auf Sektions- Abstand 
aufschliefsen, darauf die Divisionen formiren, diese zur colonne serree 
aufrücken lassen — wenn er es nicht gerade vorzieht, mit Pelotons 
zu deployiren. Die Richtung der Tete mufs dabei senkrecht zu der 
zu entwickelnden Linie laufen. Wir haben also eine aus der Peloton- 



Digitized by Google 



und de« ersten Kaiserreich«. 



183 



Kolonne mit ganzer Distanz formirte Anzahl von auf 6 Schritt 
hinter einander geschichteten Bataillonen in Masse vor uns, 
die nun nach dem Reglement auf jedes Bataillon die Linie entwickeln 
— bataillonsweise in Masse deployiren — kann. Soll auf das 
IV. Bataillon deployirt werden, so marschirt dieses geradeaus, sobald 
die Bataillone, die vor ihm sind und mit rechts um sich auf die 
Strecke einer Divisionsbreite 4- 6 Schritt, die sie vom Nebenbataillon 
haben sollen, herausgezogen und seine Front frei gemacht haben. 
Das IV. Bataillon rückt auf die durch die Jalonneurs bezeichnete 
Linie vor und hält. Die Bataillone über demselben gewinnen mit 
rechts um, die unter demselben mit links um, im Reihenmarsch in 
der colonne serree die Abstände, machen Front und gehen auf die 
Höhe des stehenden IV. Bataillons vor. Man hat dann also eine 
Linie von 8 Bataillonen in colonne serree mit 6 Schritt 
Zwischenraum. Zum Kampfeinsatz mufste diese Linie von Bataillons- 
massen noch zur Linie deployiren, was nach dem Reglement auf jede 
Division vollzogen werden konnte. Dasselbe führt ein Deployiren auf 
die 2. (Toten-) Division des 4. Bataillons vor, welches von dem 
kommandirenden General benachrichtigt wird, ehe derselbe das 
Kommando giebt: „Sur la seconde division du quatrieme bataillon — 
deployez les masses." Nach den Vorbereitungskommandos der 
Bataillons-Kommandeure über und unter dem IV. Batl.: „rechts- bezw. 
links um" gab der kommandirende General das Ausführungs-Kommando: 
„marche" oder „Geschwindschritt marchc", worauf sich rechts 3, links 
4 Bataillons-Massen in Reihen parallel zur Frontlinie weiter bewegten, 
später divisionsweise hielten, Front machten und, mit 8 Klaftern Ab- 
stand von Bataillon zu Bataillon, in die Linie rückten, welche das 
unterdefs deployirte IV. Bataillon bezeichnete. Eine Entwickelungs- 
bewegung im feindlichen Feuer kann man die näher beschriebene 
wohl kaum nennen, dennoch ist dieselbe 1812 wiederholt angewendet 
worden. 

Bei Kolonnen aus 2 bis höchstens 4 Bataillonen konnte man das 
Deployiren mit Bataillonen zur Massen-Linie unterlassen und sofort 
zur Linie deployiren. Will der kommandirende General aus einer 
Kolonne von Bataillonen in geschlossener Masse Front rückwärts de- 
ployiren lassen, so wird Kontremarsch ausgeführt und dann so wie 
vorhin verfahren. Einem Deployiren — Front nach der linken 
Flanke — mufste erst eine Schwenkung mit den dazu in Reihen ge- 
setzten Bataillons-Massen vorausgehen, analog wie dies für das 
Bataillon in Masse angegeben worden ist. Bei einer Tiefe von 
8 Bataillonen mufs man dies eine lange währende Evolution nennen. 

Über den Marsch in Kolonne mit ganzer Distanz und das Ein- 



Digitized by Google 



184 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



schwenken rechts und links zur Linie ist Besonderes nicht zu sagen, 
bezüglich der „Kolonne auf dem Marsch" nur, dafs dieselbe ihre 
Front nur dann vermindern soll, wenn das Gelände, Engwege u. s. w., 
dies fordern, und dann die Kommandos zum Abbrechen nacheinander 
an derselben Stelle zu geben seien. In Betreff der Direktions -Ver- 
änderungen einer Kolonne mit ganzer Distanz und der Wurfmanöver 
sei bezüglich der letzteren nur darauf hingewiesen, dafs die Gewinnung 
der genauesten Distanz nochmals scharf betont wird. Das Schliefsen 
der Kolonne mit ganzer Distanz auf Sektions- Abstand oder Abstand 
der Masse (3 Schritt) erfolgte nach den für die Bataillons-Schule ge- 
gebenen Kegeln, der Abstand von Bataillon zu Bataillon betrug im 
ersteren Fall Peloton-Breite, im letzteren Fall t> Schritt. Lber die 
Änderung der Direktion einer in Masse geschlossenen Kolonne sprachen 
wir oben schon beim Deployiren nach einer Flanke. Auch bei 
mehreren Bataillonen formirte man aus der Peloton-Kolonne im Halten 
die Kolonne in Divisionen, auch hier konnte in der Inversion ein- 
geschwenkt, auch liier successives Einschwenken mit Pelotons (was 
natürlich lange dauerte) ebenso wie der Aufmarsch aus der Kolonne 
mit ganzer Distanz vorwärts (wobei die hinteren Bataillone mit der 
Tete halblinks schwenken, diagonal sich auf ihren rechten Flügel in 
der Linie dirigiren, hinter demselben angekommen, die Tete halbrechts 
schwenken und dann aufmarschiren liefsen) geübt werden. Umständlicher 
noch als diese Bewegung ist die Entwickelung der Linie rückwärts 
aus derselben Kolonne. Dasselbe läfst sich von den Formationen 
sagen, die durch Vereinigung zweier Bewegungen entstehen, wie z. B. 
dio Entwickelung der Linie einer in Kolonno mit ganzer Distanz 
marschirenden Anzahl von Bntaillonen auf eine der inneren Abteilungen, 
wobei die dieser Abteilung vorhergehenden Bataillone dem Gegner 
einige Zeit den Rücken kehren, eine Rückwärtsbewegung, die folgenden 
eine Vorwärtsbewegung machen mufsten. — Die Entwickelung von 
Kolonnen auf halber Distanz erfolgt nach den bei der Bataillonsschule 
angegebenen Regeln. 

Dem „Marsch en bataille u , dem Frontmarsch einer langen Iinie 
von Bataillonen, wobei ein Bataillon die Richtung übernahm, sowie 
dem dabei zu verwendenden umfangreichen Apparat von Guides, 
Adjutanten, Fahnen u. s. w. ist ein langes Kapitel gewidmet, welches 
als das Wesentlichste das Beibehalten der Zwischenräume und des 
Gleichschrittes bezeichnet, wenn der Marsch gelingen soll. Front- 
Veränderungen einer Linie von mehreren Bataillonen erfolgen durch 
successives Einrücken der Bataillone, die nach Vollzug der nötigen 
Schwenkung geradeaus vormarschiren. Als Vorteile dieser Ausführung 
von Direktionsveränderungen nennt das Reglement: die Leichtigkeit, 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



185 



die Linie, ohne sie zu zerstückeln, parallel mit der Front des Feindes 
aufzustellen, den Umstand, dafs die en echelons marschirenden Bataillone 
sich gegenseitig schützen und im Notfalle vermittelst einer Direktions- 
veränderung eine andere Front annehmen können, endlich, dafs die 
deployirten Bataillone der feindlichen Artillerie weniger tiefe Ziele 
bieten, als Bataillone in Kolonne. Wird es notwendig, vor Vollendung 
der Bewegung dem Feinde entgegenzutreten, so hängen sich die 
Bataillone, die noch nicht eingerückt sind, im Haken in der Flanke 
an. — Beachtenswert für den Charakter des Reglements und das 
Festhalten an möglichster Ent Wickelung ohne Inversion sind auch die 
Winke für das Durchziehen durch ein Defilec. Ein Ausscheiden von 
Bataillonen, die im Sinne einer Arrieregarde den Schutz des Zurück- 
ziehens durch den Engweg übernehmen, ist im Reglement nicht vor- 
gesehen. Das Durchziehen erfolgt meist in Doppelsektions-, oder wenn 
dies thunlich, in Peloton-Kolonne, indem sich diese Kolonnen zweier 
Nebenbataillone, oder der Flügelbataillone nebeneinander setzten und 
nach dem Durchschreiten des Engweges dann rechts, bezw. links 
schwenkten, um baldigst die Linie herzustellen, deren Ganzes als 
Einheit galt. 

Auch bei 2 Treffen in Linie, die eine Frontveränderung vor- 
nehmen, sehen wir in der Hauptsache nur die Pelotonkolonne, Teten- 
schwenkungen, Diagonalmarsch, Einschwenken oder Aufmarsch ver- 
wenden, wenn die Frontveränderung auf die Mitte erfolgt unter Rück- 
wärtsbewegung des einen, Vorwärtsbewegung des anderen Teiles der 
Bataillone. Sollte das rechte Flügelpeloton des 1. Treffens das Pivot 
bilden und eine zu der bisherigen senkrechten Front eingenommen 
werden, den linken Flügel vorgezogen, so setzt der kommandirende 
General das rechte Flügelpeloton an, nach dem sich das 1. Bataillon 
richtet, die übrigen Bataillone schwenken mit Pelotons rechts, drehen 
die Tete halblinks, marschiren auf der Diagonale, dann hinter dem 
Punkt, den ihr rechter Flügel erreichen soll, geradeaus, wie das Flügel- 
peloton auch bleibt, während die übrigen mit halblinks- und später 
halbrechtsschwenken in die Linie einrücken. Im 2. Treffen wird die 
Frontveränderung dann auf das 2. Bataillon vollzogen, das 1. mufs 
eine Bewegung rückwärts machen, die übrigen verfahren analog den- 
jenigen des 1. Treffens. Dabei schiefsen 2 Bataillone 2. Treffens rechts 
über, umgekehrt bei Frontveränderungen links. Die Bemerkungen zu 
diesen Bewegungen machen es dem Führer des 1. Treffens zur Pflicht, 
das Ausführungs-Kommando erst dann zu geben, wenn das 2. Treffen 
bereit ist, das die Hauptbewegung zugleich mit dem 1. beginnen soll. 
Bei schräger Front wird im 2. Treffen dieselbe Richtungsabteilung 
bestimmt, wie im 1. Der Beibehaltung der Parallelität und der Ab- 



Digitized by Google 



18ß 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



stände beider Treffen wird die gröfste Bedeutung beigelegt. Da bei 
schrägen Fronten die Abstände der Treffen sich umsomehr verringern, 
jo offener der Winkel ist, den die beiden Fronten miteinander bilden, 
so mufs das 2. Treffen meist eine Iiückwärtsbewegung machen, um 
den richtigen Abstand zu erreichen. Im feindlichen Feuer wohl nicht 
besonders zu empfehlen. Dafs man auf das Vordermannhalten der 
Treffen auch nach Frontveränderungen Wert legte, geht daraus hervor, 
dafs überschiefsende Bataillone des 2. Treffens in das 1. vorgenommen 
werden sollten, wenn eine Flankenbewegung des ganzen 2. Treffens 
zur Gewinnung des Vordermanns zu gefahrlich erschien. 

Kommen wir nun zu den Echelons, so nimmt das Reglement 
dabei 2 Fälle an, Bilden der Echelons zu einer feindlichen, 
der eigenen parallelen Linie und Echelons, die aus einer 
zur feindlichen gewinkelten eigenen Linie parallel zu 
ersterer vorgehen sollen. Die Echelons hatten entweder Re- 
giments oder Brigadestärke, der Abstand derselben von einander betrug 
normal 100 Schritt, konnte aber auch vergröfsert, oder verkleinert 
werden. Im ersteren Falle, dem des Vorgehens aus einer zur feind- 
lichen parallelen Linie, waren die Bewegungen sehr einfach. Das 
erste Echelon trat an, die anderen folgten, zur Gewinnung des vor- 
geschriebenen Abstandes die Schritte zählend, mit ihrem äufseren 
Flügel auf den inneren des vorderen Echelons (bezw. 8 Klafter Zwischen- 
raum von diesem) scharf eingerichtet, so dafs beim Haltenbleiben der 
vorderen Echelons durch geradlinigen Vormarsch die starre, geschlossene 
Linie wieder hergestellt werden konnte. Im 2. Fall vollzogen die 
Echelons eine Frontveränderung durch Abschwenken mit Pelotons 
halbrechts bezw. halblinks und Wiedereinschwenken in die neue Linie, 
dabei schoben sich die äufseren Flügel der hinteren Echelons mehr 
oder weniger, je nach dem Grad der Frontveränderung, hinter die 
inneren der vorderen. Im Übrigen verfuhr man wie im ersten Falle. 
Auch das Zurückgehen konnte echelonweise vollzogen werden. — Eine 
andere Art, in Staffeln zu retiriren war der Rückzug „en 
echiquier", wobei zunächst die graden Bataillone Kehrt machten, 
100 Schritt zurückgingen, dann Front machten, worauf die ungraden 
Bataillone ebenso verfuhren. In den Bemerkungen zu dem Vorgehen 
in Echelons aus einer zur feindlichen gewinkelten Front parallel zu 
dieser findet sich der Hinweis darauf, dafs es auch hier nicht schwer 
sei, die Linie herzustellen, ein Beweis dafür, dafs dem staflelweisen 
Vorgehen nicht der Gedanke des Angriffes in Staffeln zu Grunde lag, 
man vielmehr mit dieser Bewegung nur die Vorbereitung des Über- 
gangs zur entwickelten Linie beabsichtigte. Wir kommen auf diese 
Frage bei der allgemeinen Betrachtung über das Reglement von 1791 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



187 



noch zurück. — Hier sei noch kurz auf die Artikel 13 und 14 des 
V. Teiles, die den Schlufs der „Linien-Evolutionen" bilden, hingewiesen. 
Artikel 13 beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Durchziehen der 
Treffen. Das zurückgehende 1. Treffen formirte 60 Schritt von dem 
2. angekommen, Reihenkolonnen durch Rechts- und Linksum, zog sich 
durch das seine Sektionen hintereinander schiebende II. im Geschwind- 
schritt durch, machte auf dem befohlenen Abstand hinter demselben 
Front. Soll das 2. Treffen vorwärts das 1. ablösen, so formirt es, 
auf 50 Schritt von diesem angekommen, je 2 Sektionen hintereinander, 
des 1. macht rechts um, schwenkt im Geschwindschritt mit der Tete, 
geht durch das 2. durch, das sofort die 2. Sektionen deployiren läfst, 
während das 1. Treffen mit den Teten linksschwenkt und Front macht, 
sobald es 100 Schritt hinter dem 2. angekommen ist. Wieder ein 
Beweis für den linearen Charakter der Taktik. — In dem „Vor- 
kehrungen gegen Kavallerie" behandelnden Artikel 14 treffen wir zum 
ersten Male auf die Bezeichnung „Tirailleur", aber nur in dem 
Sinne von „Flankeur", unmittelbaren Schutz gegen einzelne Reiter- 
trupps. Das Reglement nimmt eine Kolonne von 4 Bataillonen in 
Pelotons mit ganzer Distanz im offenen Lande marschirend an, die 
von „Husaren und Kavallerie geneckt' 1 werden könnte. Eine solche 
Kolonne schliefst auf Sektionsdistanz auf, läfst im Halten zu Divisionen 
deployiren, und wieder auf Sektionsabstand aufschliefsen, die hinteren 
Bataillone haben dann von den vorderen je 1 V» Pelotonbreite Abstand, 
auf der Höhe dieses Abstandes marschiren rechts und links die Re- 
gimentsgeschütze, gefolgt von ihren Munitionswagen. Der komman- 
dirende Chef setzt dann die Kolonne im ordinairen oder Marschschritt 
wieder in Bewegung und kann, wenn er es für nötig hält, einige 
Leute aus den 3. Gliedern der Divisionen heraustreten und 15 bis 
20 Schritt seitwärts der Kolonne marschiren lassen, die nach Belieben 
auf einzelne Reiter schiefsen. Die Regimentsgeschütze marschiren 
innerhalb dieser Leute. So soll die Kolonne ihren Marsch fortsetzen, 
bis der Chef merkt, dafs der Gegner sich mit „grofser Macht nähert", 
dann läfst er die Tirailleurs wieder eintreten, Halt machen und das 
Carree formiren, wozu die vorderen und hinteren beiden Divisionen 
auf 1 Schritt aufschliefsen, die übrigen mit Sektionen rechts und links 
schwenken, die Regimentsgeschütze sich vor den durch die Munitions- 
wagen, eventuell auch durch die Grenadiere geschlossenen Zwischen- 
räumen aufstellen, die Führer eintreten. Auf Kommando beginnt das 
Gliederfeuer der äufseren Sektionen und das der Regimentsgeschütze. 
Reitet der Gegner dennoch an, so schliefsen die inneren Sektionen 
dicht auf, die äufseren feuern weiter, bis der Gegner dicht heran ist 
und fällen dann das Bajonet, während die inneren ihren Schufs auf 



Digitized by Google 



188 



Änderungen in dem französischen Exerzirreglement 



den dicht vor den Mündungen befindlichen Feind abgeben und dann 
auch das Gewehr fällen. — Ein einzelnes, von feindlicher Kavallerie 
bedachtes Bataillon forinirt Divisionsmasse mit Sektionsabstand, lälst 
einen Teil der Sektionen rechts und links einschwenken, die letzte 
Divisision Kehrt machen. (Fortsetzung folgt.) 



XV. 

Änderungen in dem französischen Exerzirreglement 

für die Infanterie. 

Von 

Hauptmann Petermann (13. A.-K.). 



Das französische Exerzirregelement für die Infanterie vom 
3. Januar 1889, welches in den Jahrbüchern s. Zt. (Juli-, August-, 
September- und November-Heft 1889) besprochen wurde, hat vor 
Kurzem in den Vorschriften über das Gefecht (II. Teil, Abschnitt III 
und IV) wesentliche und wichtige Änderungen erfahren, die wir in 
Nachstehendem ihrem hauptsächlichen Inhalte nach wiedergeben. 

Regeln für die Anwendung der Fenerarten. 

Ziffer 36. Im Angriff verlangsamt ein vorzeitiges Schiefsen die 
Vorwärtsbewegung und führt zu nutzloser Munitionsverschwendung; 
daher ist das Feuer möglichst spät zu eröffnen. In der Verteidigung 
ist im Hinblick auf die leichte Munitionsergänzung ein starkes Feuer 
gegen den Angreifer zu entfalten, sobald Treffergebnisse erwartet 
werden können. In allen Fällen ist das Feuer nach den verfügbaren 
Patronen einzurichten und ein hinreichender Vorrat für die Entscheidung 
zurückzubehalten. Die Wirkung des Feuers ist mehr in der Genauigkeit 
als in der Schnelligkeit seiner Abgabe zu suchen. 

Ziffer 37. Der Bataillonskommandeur bezeichnet seinen Offizieren 
den zu beschiefsenden Gegner bezw. den unter Feuer zu nehmenden 
Teil der feindlichen Linie. Die Kompagniechefs bestimmen die mit 
Patronen zu belegenden Punkte, die Feuerart, den Patronenverbrauch, 
das Visir, den Beginn und das Ende des Feuers und werden hierin 
von den Zugführern etc. unterstützt. 

Ziffer 38. Im Gefecht läfst man Ziel aufsitzen. Geschlosseue 



Digitized by Google 



für die Infanterie. 



ISO 



stehende oder marschirende Abteilungen werden unter 600 Meter mit 
dem 400-Meter-Visir, Kavallerie unter 800 Meter mit dorn 600-Meter- 
Visir beschossen. 

Ziffer 3iJ. Durch das Salvenfeuer wird der Einflufs der Führer 
auf die Truppe erhalten, die Vereinigung des Feuers auf einen Punkt 
sowie das Einschiefsen erleichtert und der Munitionsverbrauch leicht 
geregelt. Das Salvenfcuer soll möglichst lange angewendet und da- 
durch dem willkürlichen Schiefsen (Schützenfeuer) vorgebeugt werden. 
Die Salven sind so lange als möglich halbzugsweise (par section), auf 
dichte, rasch erscheinende Ziele auch zugsweise (par pelotons) 
abzugeben. Nach Wegnahme einer Stellung dienen die Salven zur 
Verfolgung des Feindes und zur Wiedergewinnung der Herrschaft 
über die eigenen Leute. 

Ziffer 40. Die Feuergrenzen hängen ab von den Entfernungen, 
der Gröfse und Stellung des Ziels, der Geschicklichkeit und dem 
inneren Wert der Truppe, sowie von der Menge der verfügbaren 
Munition. Im Allgemeinen werden folgende Feuergrenzen gegeben: 
800 Meter gegen eine geschlossene Sektion (escouade), 1000 Meter 
gegen eine Truppe von doppelter Breite, 1200 Meter gegen einen ge- 
schlossenen Halbzug oder zwei Geschütze (section), 1500 Meter gegen 
breitere Linien, Zugs- oder Komgagniekolonnen, sowie gegen Artillerie 
oder Kavallerie, '2000 Meter gegen Marschkolonnen oder versammelte 
Truppen. Diese Grenzen sind nach Lage der Verhältnisse verschiebbar. 

Ziffer 41. Das Schützenfeuer (feux a volonte) ist schwieriger 
zu leiten, als das Salvenfeuer und eignet sich weniger zur Vereinigung 
und Beherrschung des Feuers. Es wird auf nahe Entfernungen ab- 
gegeben, wann die selbst beschossene Truppe zum Salvenfeuer nicht 
mehr die nötige Ruhe besitzt. 

Ziffer 42. Das Schnellfeuer unter Benutzung des Gewehrs als 
Einzellader wird in Augenblicken der Entscheidung angewendet. 

Ziffer 43. Von der Mehrladevorrichtung wird nur auf An- 
ordnung der Offiziere Gebrauch gemacht. Vor Beginn des Gefechtes 
und während desselben bei jeder Gelegenheit ist das Magazin zu füllen. 

Bemerkungen: Die Anklänge vorerwähnter ,, Regeln für die 
Anwendung der Feuerarten'' an die deutschen Vorschriften sind un- 
verkennbar, wenn französischerseits auch die Feuergrenzen weiter 
hinausgeschoben sind und das Salvenfeucr als Hauptfeuerart angeschen 
wird. Gerade in diesen beiden Abweichungen aber erfährt eine 
Schwäche der Franzosen einen deutlichen Ausdruck. Es erscheint 
fraglich, ob bei den weitgesteckten Feuergrenzen das empfohlene 
Haushalten mit der Munition, und mit dem Salvenfcuer die erstrebte 
Schiel'sgenauigkeit vereinbar ist. Das Schiefsen auf weite Entfernungen 



Digitized by Google 



190 



Änderungen in dem französischen Exerzirreglemeut 



nach Mafsgabe des weittragenden Gewehrs entspricht der Lebhaftigkeit 
der Franzosen, welcher andererseits durch das Salvenfeuer die nötigen 
Fesseln angelegt werden sollen. Durch die Bestimmung der Ziffer 41 
weifs ein künftiger Gegner der Franzosen genau, wann bei denselben 
die Führung bezw. die Feuerleitung im Gefecht versagt, nämlich in 
dem Augenblick, in welchem das Salvenfeuer aufhört und das Schützen- 
feuer beginnt. Hiermit wird im Ernsfalle zu rechnen sein. 

Die Aufklärer (Gefechtspatrouillen) der Infanterie. Das rauch- 
lose Pulver, die Treffgenauigkeit, die Durchschlagskraft und die Feuer- 
schnelligkeit der jetzigen Gewehre machen einen gedeckten Gegner 
unsichtbarer und die unter Feuer gehaltenen Strecken gefährlicher. 
Infolge dessen ist die Erkundung der feindlichen Stellungen für die 
Kavallerie äufserst schwierig geworden. Dagegen werden gut geschulte 
Aufklärer der Infanterie (Gefechtspatrouillon) unter Ausnutzung der 
Bodenbeschaffenheit sich nahe an den Feind heranschleichen und 
ziemlich genaue Nachrichten bringen können behufs Vermeidung von 
Überraschungen. Es ist daher notwendig, dafs jeder Infanterie- 
truppenteil seine Aufklärer besitzt. Nachstehende Vorschriften be- 
zwecken, diesen Dienstzweig in seinem allgemeinen Rahmen zu be- 
stimmen. 

Ziffer 1. Bei jeder Kompagnie werden zwei Mann in jeder 
Sektion (escouade), — sonach 16 Mann bei Friedens- und 32 Mann 
bei Kriegsstärke, — für den Aufklärungsdienst besonders ausgebildet. 
Diese Leute müssen ein scharfes Auge haben, aufgeweckt, gute Schützen 
gute Marschirer und sonst tüchtig sein. Der Bataillonskommandeur 
oder, sofern die Kompagnie selbstständig auftritt, der Kompagniechef 
bestimmt die Zahl der jeweils zu verwendenden Aufklärer und den 
Offizier oder Unteroffizier, welcher sie zu führen hat. 

Ziffer 2. Grundsätzlich dienen die Aufklärer je ihrer Kompagnie. 
Ihre bataillonsweise Verwendung bildet die Ausnahme. 

Ziffer 3. Der Abstand der Aufklärer von der zu deckenden 
Truppe hängt ab vom Feinde, von dem besonderen Auftrage und von 
den Gelände- etc. Verhältnissen. 

Ziffer 4. Die Aufklärer bleiben in beständiger Verbindung mit 
ihrer Kompagnie durch alle möglichen Mittel, unter Umständen durch 
Verbindungsleute, welche der Kompagniechef nach und nach absendet. 

Ziffer 5. Die Aufklärer von zwei Kompagnien sollen sich gegen- 
seitig unterstützen. 

Ziffer 6. Innerhalb der Kompagnie werden den Aufklärern alle 
möglichen Erleichterungen gewährt. 

Ziffer 7. In den Pässen wird über die Ausbildung als Aufklärer 
ein besonderer Vermerk gemacht. 



Digitized by Google 



für die Infanterie. 



191 



Ziffer 8. Ein Offizier, welchem drei Unteroffiziere beigegeben 
sind, besorgt im Anschlufs an die allgemeine Unterweisung der Mann- 
schaften die besondere Ausbildung der Aufklärer der Kompagnie. Er 
lehrt sie die grofsen Entfernungen und die Stärke entfernter Truppen 
schätzen. Er übt sie auf ihre Aufgabe im Gefecht ein, vorzugehen, 
ohne eine gewisse Grenze zu überschreiten, sich an den Feind heran- 
zuschleichen und seine Verteidigungsarbeiten zu erkunden. Endlich 
unterweist er die Aufklärer im Meldewesen. — Diese Übungen werden 
in wechselndem Geländo vorgenommen. — Der Bataillonskommandeur 
richtet ein scharfes Augenmerk auf die Ausbildung seiner Aufklärer. 

Bemerkungen. Der Gedanke und die Absicht, welche diesen 
neuen Bestimmungen über den Gefechts-Aufklärungsdienst zu Grunde 
liegen, entsprechen ohne Zweifel den thatsächlichen Verhältnissen 
und Bedürfnissen; ob aber in der angegebenen Weise der Zweck 
erreicht wird, ist eine offene Frage. Zunächst erregt die grofse Zahl 
der Aufklärer Bedenken, da dem Bataillon bei ausgiebiger Ver- 
wendung dieser Leute über 100 Gewehre im Gefecht mehr oder 
weniger entzogen werden. Sodann erscheint die rechtzeitige und 
sichere Bedienung der Truppe bei der langsamen Bewegung der Auf- 
klärer zweifelhaft. Bis die Meldungen der Letzteren eintreffen, ist 
der Truppenführer meist selbst im Stande, die Verhältnisse des Feindes 
richtiger zu beurteilen. Der Beginn des Gefechtes selbst ward in den 
meisten Fällen erst die volle Aufklärung über die wirkliche Sachlage 
bringen. Einem aufmerksamen Verteidiger wird das Herankommen 
der Aufklärer nicht entgehen, er wird Mafsnahmen treffen, dafs die 
meisten derselben nicht mehr zurückkehren. 

Gefecht der Kompagnie. 

Ziffer 1. Im Bataillonsverbande ist die Kompagnie auf beiden 
Seiten durch andere Truppen gesichert, ihre Thätigkeit ist gerade 
nach vorwärts gerichtet, rückwärts wird sie durch andere Kompagnien 
unterstützt, sie kann daher mit allen ihren Teilen ohne Ablenkung 
an der Entscheidung mitwirken. — Die selbstständig auftretende 
Kompagnie kann in der Front und nach den Flanken zu kämpfen 
haben; sie soll sich bis zur Entscheidung einen Teil ihrer Reserve 
als letzte Hilfe zurückhalten. Die Kampfesweise der Kompagnie ist 
beim Angriff und in der Verteidigung verschieden; in jedem Falle ist 
aber der feste Wille, zu siegen, die erste Gewähr für den Erfolg. 

Angriff. 

Ziffer 2. — „Nur der Angriff' kann Erfolge erringen." Dieser 
Grundsatz mufs der militärischen Erziehung als Grundlage und bei 
allen Übungen als Leitstern dienen. 

Jahrbücher für die Deutsche Armee und JUrine. Bd. VIIIC. 2. 13 



Digitized by Google 



lyo Änderungen in dem französischen Exerzirreglement 



Ziffer 3. Jede Truppe, welche gegen den Feind niarschirt, deckt 
sich durch Aufklärer. 

Ziffer 4. Die Gefechtsfront der Kompagnie hängt von ihrer 
Stärke und ihrer taktischen Stellung ah. Eine Kompagnie mit 200 Ge- 
wehren nimmt ungefähr eine Frontausdehnung von 150 Metern ein. — 

1. Die Kompagnie im Bataillonsverband. 

Ziffer 5. Vorgehen der Aufklärer. — Gemäfs dem Befehl des 
Bataillonskommandeurs bezeichnet der Komgagniechef die vor- 
zuschickenden Aufklärer und steigt ab. Die Aufklärer halten sich 
in dem Gefechtsbereich ihrer Kompagnie, gehen entweder in kleinen 
Trupps oder aufgelöst unentwegt gegen den Angriffsgegenstand vor. 
In ebenem, freiem Gelände wird der Abstand zwischen Aufklärer und 
Kompagnie nicht unter 5(H) Meter betragen dürfen. Sie bezeichnen 
die Übergangspunkte , die zu Halten geeigneten Stellen und werfen 
die Aufklärer des Feindes zurück. In bedecktem und durchschnittenem 
Gelände gehen sie bis an die Stelle vor, welche ihnen der Kompagnie- 
chef bezeichnet hat. Konnte diese Stelle nicht bestimmt werden, so 
gehen die Aufklärer nicht so nahe an die feindliche Infanterie heran, 
dafs ihre Lage gefährlich werden, oder ihre Kompagnie sich nicht 
mit ihnen vereinigen könnte, aber doch so nahe, um die Stellungen 
der feindlichen Artillerie und Infanterie erkennen und ihre Feuerabgabe 
beunruhigen zu können. In diesem Augenblick besetzen sie das Ge- 
lände, einige Leute werden entsandt, um die Erkundung der feind- 
lichen Stellung zu vervollständigen. Die Aufklärer erwarten das 
Herankommen ihrer Kompagnie und suchen durch ihr Feuer das 
Einrücken derselben in die Gefechts-Linie zu erleichtern. Der Führer 
der Aufklärer sammelt die Meldungen einschliefslich der auf das 
Schiefsen der Artillerie Bezug habenden, prüft sie nach Möglichkeit 
und giebt sie weiter. Der Kompagniechef hält sich mit demselben 
in Verbindung. 

Ziffer G. Die Aufgabe der Aufklärer ist abgeschlossen, sobald 
sie wieder mit der Komgagnie vereinigt sind. 

Ziffer 7. Vormarsch der Kompagnie. — In bedecktem und durch- 
schnittenem Gelände läfst der Kompagniechef seine Truppe diejenigen 
Formationen annehmen, welche dieselbe dem Blicke und dem Feuer 
des Feindes am meisten entziehen. 

Ziffer 8. Sobald die Kompagnie die Aufklärer erreicht, läfst 
der Kompagniechef dieselbe entweder ganz oder teilweise in die Ge- 
fcchtslinie einrücken, wobei nicht aus den Augen verloren werden 
darf, dafs von vornherein möglichst viele Gewehre in Thätigkeit ge- 
bracht werden müssen, um sich die Feuerüberlegenheit zu sichern. 



Digitized by Google 



für die Infanterie. 



193 



Keinesfalls läfst der Kompagniechef einen Teil seiner Truppe zurück, 
wenn derselbe nicht gedeckt ist. 

Ziffer 9. Die Kompagnie geht rasch vor. Sobald sie zur Er- 
widerung des feindlichen Feuers gezwungen wird, geht sie von Deckung 
zu Deckung und sucht sich recht nahe der feindlichen Linie ein- 
zunisten, um dieselbe durch ihr Feuer niederzukämpfen und dann 
zum Sturm zu schreiten. 

Ziffer 10. Wenn sich das Gefecht auf ebenem und freiem Ge- 
lände abspielt, so richtet sich der Kompagniechef nach folgenden 
allgemeinen Vorschriften. Während des Vormarsches befindet sich die 
Kompagnie im Flankenmarsch in Halbzügen oder besser in Zügen, 
je mit so grofsen Seitenabständen als sie die Gefechtsfront der 
Kompagnie zuläfst. 

Ziffer 11. Erleidet die Kompagnie in dieser Gliederung zu 
starke Verluste, - auf 1300 Meter von der feindlichen Infanterie, 
so bildet der Kompagniechef die Linie mit geöffneten Rotten oder in 
einem Gliede. Zur Erleichterung des Marsches und des Salvenfeuers 
bleiben einige Schritte Abstand zwischen den Halbzügen. 

Ziffer 12. Die Kompagnie geht in dieser Ordnung vor, erreicht 
die Linie der Aufklärer und sucht weiter Raum zu gewinnen. Die 
Richtung ist nach der Mitte. 

Ziffer 13. Sobald ohne Feuer nicht mehr weiter vorzukommen 
ist, nimmt der Kompagniechef kräftig das Feuergefecht auf. Er be- 
zeichnet den Angriffs-Gegenstand, das Feuer beginnt auf der ganzen 
Linie und womöglich mit Halbzugssalven. 

Ziffer 14. Alsdann geht die ganze Kompagnie von Stellung zu 
Stellung vor; Feuer und Vormarsch wechseln ab, die Leute drängen 
sich nach der Mitte zusammen. 

Ziffer 15. Der Kampf wird in dieser Weise entweder lediglich 
mit den Kräften der Kompagirie oder mit Hilfe der Unterstützungs- 
kompagnien weitergeführt. 

Ziffer 16. Etwa 400 Meter vom Feinde wird das Bajonnctt 
aufgepflanzt und zum Schnellfeuer auf der ganzen Linie übergegangen. 

Ziffer 17. Hält der Feind seine Stellung, so macht die Kompagnie 
einen oder mehrere Sprünge, je nach der Ermüdung der Mannschaften 
und den Schwierigkeiten des Geländes. Jedem Sprunge folgt un- 
mittelbar ein kurzes Schnellfeuer. Wenn auf 300 Meter der Feind 
noch widersteht, rücken neue Reserven in die Linie ein, die Kompagnie 
nimmt rasch eine letzte Stellung, feuert aus dem Magazin und stürzt 
sich unter hinreifsender Anfeuerung der Offiziere und Unteroffiziere, 
welche sich an die Spitze setzen und mit Hilfe der Truppen zweiter 
Linie zum Sturm mit dem Rufe: Vorwärts, zum Bajonnett! (en avant! 

13* 



Digitized by Google 



1 94 



Änderungen in dem französischen Exerzirreglement 



ä la bai'onnette!). Dieser letzte Teil des Kampfes mufs mit gröfster 
Kraft durchgeführt werden. 

Ziffer 18. Auch zögert der Kompagniechef nicht, ohne die 
Mitwirkung der Rückhaltstruppc (reserve) den Angriff auszuführen, 
wenn es ihm möglich ist, die feindliche Stellung durch einen kühnen 
Streich zu nehmen. 

Ziffer Ii*. Gelingt der Angriff, so nimmt die Kompagnie eine 
günstige Stellung ein, um den Feind durch Feuer zu verfolgen. — 
Auf gegebenen Refehl wird die Kompagnie gesammelt. 

Ziffer 20. Mifslingt der Angriff, so sammelt der Kompagniechef 
die Kompagnie so rasch als möglich und bereitet die Erneuerung des 
Angriffs vor; denn das Vorgehen ist immer vorzuziehen, indem der 
Rückzug, wenn er auch noch so schnell ausgeführt wird, die gröfsten 
Verluste bringt. Die Sammlung geschieht möglichst halbzugsweise 
(par section). Hei Vermischung der Verbände sammeln sich die Leute 
unter dem nächsten Offizier oder Unteroffizier. 

Ziffer 21. Der Kompagniechef ist an keinen bestimmten Platz 
gebunden; er wacht Uber die Einhaltung der Marschrichtung und 
hält sich während des Gefechtes- an dem für die Leitung günstigsten 
Punkte auf. Ihm stehen ein Unteroffizier und zwei Mann zur Ver- 
fügung, um seine Befehle zu erteilen und dem Bataillonskommandeur 
sein Munitionsbedürfnifs zu melden. — Sobald die Kompagnie ge- 
öffnete Rotten oder ein Glied bildet, begeben sich die Halbzugsführer 
vor ihre Halbzüge und leiten den Vormarsch. Mit Beginn des Feuers 
treten sie hinter die Mitte. 

2. Die selbstständige Kompagnie. 

Ziffer 22. Die Kompagnie kämpft im Allgemeinen im Bataillons- 
verband. Ist sie aber selbstständig, so schickt der Kompagniechef 
seine Aufklärer vor, giebt seine Befehle und wirft seine Halbzüge 
nach Bedürfnifs ins Gefecht. Er wacht über die Sicherheit der Flanken 
und hält immer eine Reserve für alle Fälle oder zum Sturme zurück. 
— Er richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen für das Gefecht 
der Kompagnie im Bataillonsverbande. 

Bemerkungen. Zu Ziffer 4. Die Gefechtsfront einer Kriegs- 
kompagnie ist mit 150 Metern zu grofs bemessen. Dieser Mafsstab 
führt bei gröfseren Verbänden zu Ausdehnungen, welchen die nötige 
Tiefe fehlt, um die Gefechtskraft der vorderen Linie frisch zu erhalten. 

Zu Ziffer 5- 22. Es ist zwar wohl denkbar, dafs sich der 
Angriff in der geschilderten Weise unter Umständen einmal durch- 
führen läfst; es ist aber andererseits unrichtig, eine Gefechtshandlung, 
welche sich in jedem einzelnen Falle unter dem Einflüsse anderer 



Digitized by Google 



fiir die Infanterie. 



195 



Verhältnisse und Kräfte vollzieht, bis in die kleinste Einzelnheit in 
starre reglementarische Formen bannen zu wollen. Dieser Fehler des 
französischen Reglements, den Angriff zu schematisiren, kann im 
Ernstfall nicht ohne bedenkliche Folgen bleiben. Wird nämlich die 
Infanterie eines ganzen Heeres auf eine und dieselbe Art der Durch- 
führung des Angriffs ohne jeden Spielraum gewissermaßen gedrillt, 
so entsteht naturgemäfs ein allgemeiner Glaube an die Unfehlbarkeit 
dieses Rezepts. Erweist sich nun aber im ersten wirklichen Geschofs- 
regen der regleraentarische Angriff als undurchführbar und die ein- 
gelebte Form als nicht stichhaltig, so schwindet im Handumdrehen 
das Vertrauen der Truppe in die Führung und hiermit zugleich die 
Disziplin. — Wenn die Franzosen auch Manches mit Geschick aus 
dem deutschen Exerzirreglement in das ihrige herübergenommen haben, 
so ist ihnen zu unserer Befriedigung doch die Hauptsache nicht ge- 
glückt, nämlich den Geist unseres Reglements zu übertragen. Der 
Geist allein ist es, welcher die todten Formen belebt, und wer im 
nächsten Kriege die Überlegenheit des Geistes besitzt, ist überhaupt 
überlegen. — 

Die Verteidigung. 

Ziffer 23. Die Stärke der Verteidigung beruht hauptsächlich 
auf dem Feuer und der einsichtigen Ausnutzung des Geländes. Grund- 
sätzlich wird der Gedanke einer passiven Verteidigung durchaus ver- 
worfen. Die aktive Verteidigung, die einzige welche man in Betracht 
zieht, soll in der Wahl des Geländes und in der abwartenden Stellung 
nur einen Kräftezuwachs und das Mittel suchen, das Gefecht in eine 
Stellung zu lenken, welche sie kennt, um den Feind am sichersten 
und unter den günstigsten Bedingungen zu schlagen. 

1. Die Kompagnie im Bataillonsverbande. 

Ziffer 24. Die Front der Kompagnie im Bataillonsverbande 
kann bis zu 200 Meter betragen, ohne dafs es nötig ist, dieselbe in 
ihrer ganzen Länge gleichmäfsig stark zu besetzen. 

Ziffer 25. Wenn der Kompagniechef den Befehl zur Besetzung 
einer Verteidigungsstellung erhält, führt er die Kompagnie an den 
bezeichneten Platz und schickt Auf klärungspatrouillen zur Beobachtung 
des Feindes vor. Diese Patrouillen vereinigen sich mit denjenigen 
der Nachbarkompagnien. 

Ziffer 26. Der Kompagniechef ergänzt und vermehrt mit allen 
möglichen Mitteln den Patronenvorrat. Alsdann schreitet er zur Er- 
kundung der Vorteile, welche die Stellung hinsichtlich des Angriffs 
und der Verteidigung darbietet, zur Erkundung der Verteidigungslinie 



Digitized by Google 



196 



Änderungen in dem französischen Exerzirreglement 



und der Annäherungswege zu derselben, der Verbindungslinien nach 
vorwärts und rückwärts, der Sammelplätze und der Rückzugslinie. 

Ziffer 27. Nach beendeter Erkundung bezeichnet der Kompagnie- 
chef jeder Abteilung die einzunehmende Stellung, sowie die auszu- 
führenden Verteidigungsarbeiten : Verhaue, Schützengräben, Deckungen ; 
Verschanzungen etc. Jeder Abteilungsführer erforscht sofort nicht 
nur das Gelände vor sich, sondern auch dasjenige vor den Neben- 
abteilungen, bezeichnet die Entfernungen und giebt sie seinen Unter- 
gebenen an. 

Ziffer 28. Wenn das Gefecht nicht sofort begonnen werden 
soll, so sendet der Kompagniechef nur die zur Beobachtung des Ge- 
ländes und zur Ausführung der Arbeiten nötige Zahl Leute vor und 
läfst die Kompagnie, der Sicht des Feindes entzogen, in der ihm be- 
zeichneten Wartestellung. 

Ziffer 29. — Bei Annäherung des Feindes melden die Patrouillen 
Stärke, Mafsnahmen, Angriffsrichtung desselben dem Kompagniechef; 
ihr erster Widerstand kann den Feind zur Entwicklung und zur 
Enthüllung seiner Absichten zwingen. Der Kompagniechef trifft hier- 
nach seine letzten Mafsregeln. Sobald der Angriff beginnt, läfst der 
Kompagniechef die Stellung besetzen. Er verwendet seine Truppe in 
der Verteidigungslinie, wie es die Erleichterung des Feuers und die 
Gefechtslage erheischen. Um sich die Feuerüberlegenheit von vorn- 
herein zu sichern, kann der Kompagniechef die ganze Kompagnie in 
vorderer Linie verwenden; eine etwa zurückgehaltene Abteilung mufs, 
in Schützengräben etc. gedeckt, sehr nahe an der Verteidigungslinie 
sein. Um die Feuerabgabe und den Übergang zum Angriff zu er- 
leichtern, läfst er Zwischenräume in der Verteidigungslinie. 

Ziffer 30. Sobald das Feuer wirksam sein kann, wird es mit 
Halbzugssalven eröffnet. Seine Heftigkeit richtet sich nach den Ent- 
fernungen und der Wichtigkeit des Zieles. Kleinere Abteilungen 
können zur Beschiefsung der Rückhaltstruppen des Feindes bestimmt 
werden, während die übrigen Teile der Kompagnie sich gegen die 
feindliche Schützenlinie wenden. 

Ziffer 31. Sobald der Angreifer seine Linie behufs Erlangung 
der Feuerüberlegenheit verstärkt, wird die Verteidigung mit Unter- 
stützung der noch verfügbaren Halbzüge oder der Reservekompagnien 
des Bataillons fortgesetzt. Die Gegenstöfse werden durch die Reserve- 
kompagnien ausgeführt. 

Ziffer 32. Mißlingt der Angriff, so verfolgt der Verteidiger den 
Feind durch Feuer und ergreift kräftig die Offensive. Gelingt der 
Angriff, so zieht sich die Kompagnie unter dem Schutze des Feuers 



Digitized by Googl 



für die Infanterie. 



197 



der geschlossen gebliebenen Abteilungen zurück und sammelt sieb an 
vorher erkundeter und vom Bataillons-Kommandeur bezeichneter Stelle. 

Ziffer 33. Sofern nicht anders befohlen, verläfst man die 
Stellung nur in äufserster Not nach heftigster Verteidigung. 

2. Die selbstständige Kompagnie. 

Ziffer 34. Der Kompagniechef sendet Patrouillen in Front und 
Flanke ab, hält seine Kompagnie, der Sicht des Feindes entzogen, 
zurück und botreibt die Erkundung. Alsdann giebt er seine Befehle, 
bestimmt die Abteilung, welche die Verteidigungslinie einzunehmen 
hat, bezeichnet die auszuführenden Arbeiten und die zur Flanken- 
deckung zu treffenden Mafsnahmen. Zur Ausführung eines Gegen- 
angriffs oder zur Deckung des Rückzuges hält er sich immer eine 
Reserve zurück. 

Bemerkungen. Wie der Angriff, so ist auch die Verteidigung 
durch vorstehende Bestimmungen in die Schablone gezwängt. Den 
Kompagniechefs ist auf diese Weise das Geschäft sehr leicht gemacht, 
sie verfahren Punkt um Punkt nach der Vorschrift und lassen im 
Übrigen dem Gange der Dinge ihren Lauf. Von der geistigen Ver- 
arbeitung des Gefechtsgedankens, welche das deutsche Reglement von 
den Führern verlangt, ist im französischen Heere keine Rede. An 
der Hand des französischen Reglements vermag vielmehr jeder Laie 
ein Gefecht durchzuführen, freilich nur auf dem Excrzirplatz und ohne 
wirklichen Gegner. Im Ernstfälle wird sich bald zeigen, dafs die Er- 
eignisse mächtiger sind, als der Buchstabe der Vorschrift. 

Gefecht des Bataillons. 

Angriff. 

Ziffer 1. Die Gefechtsgliederung des Bataillons besteht in der 
durch eine oder mehrere Kompagnien gebildeten Gefechtslinie und in 
der Reserve, welche aus den übrigen Kompagnien gebildet wird. 

Ziffer 2. Die Front des Bataillons hängt von dem Gefechts- 
gegenstand und der taktischen Lage ab. — Die Gefechtslinie des im 
Regiments -Verbände kämpfenden Bataillons umfafst im Allgemeinen 
zwei Kompagnien und die Frontlänge des Bataillons mit 800 Gewehren 
beträgt ungefähr 300 Meter ausschliefslich der Hälfte des Zwischen- 
raumes bis zur nächsten taktischen Einheit. 

1. Das Bataillon im Regimentsverbande. 

Der Angriff wird in der Regel durch Artillerie und unter Um- 
ständen durch das Feuer einer Infanterieabteilung aus günstiger 
Stellung vorbereitet. 



Digitized by Google 



108 Änderungen in dem franzosischen Exerzirreglement 



Ziffer 3. Sobald der Bataillons-Kommandeur den Befehl zum 
Angriff erhalten hat, versammelt er die Kompagniechefs, den Führer 
der Aufklärer, womöglich auch die übrigen Offiziere und bestimmt 
die Kompagnien für die Gefechtslinie, die Zahl der Aufklärer, die 
Verbindungsleute, er bezeichnet ferner den AngrifFsgegenstand und 
den Platz für den Flaggenträger. 

In Ziffer 4 — 13 wird der Gang des Angriffs in ganz ähnlicher 
und gleichermaßen eingehender schematischer Weise vorgeschrieben, 
wie dies oben für die Kompagnie angegeben ist. Neu ist nur die 
Bestimmung, dafs die Kompagnien zweiter Linie der vorderen Gefechts- 
linie auf 400 — 500 Meter zu folgen haben. Wenn die Reserve- 
kompagnien keine Deckung finden können, so bleiben sie etwa 300 Meter 
hinter den Flügeln der Gefechtslinie. 

Ziffer 14. Während des Vormarsches und des Gefechtes über- 
wacht der Bataillons-Kommandeur von dem geeignetsten Punkte aus, 
ohne sich in Einzelheiten zu mischen, den Gang der Dinge und ver- 
leiht dem Angriff immer wachsende Kraft bis zum Entscheidungs- 
augenblicke. Vermittelst besonders ausgewählter Leute hält er sich 
mit den Kompagniechefs in Verbindung, läfst ihnen aber volle Freiheit 
in Ausnutzung ihrer Streitkräfte etc. 

Ziffer 15. Für jede Kompagnie der Gefechtslinie regelt der 
Kompagniechef den Vormarsch in der ihm zugewiesenen Zone, bestimmt 
die Länge der Sprünge, die Richtung und die Lebhaftigkeit des Feuers. 
Das ersprießliche Zusammenwirken der Kompagnien ist eine wesent- 
liche Pflicht, welche die militärische Ehre der Kompagniechefs „ver- 
pfändet." 

Ziffer 16. Der Munitionsersatz etc. ist Sache des Bataillons- 
Kommandeurs. 

In Ziffer 17 ist bestimmt, dafs die berittenen Offiziere absitzen, 
sobald die Aufklärer vorgeschickt werden. 

In Ziffer 18 ist das hinhaltende Gefecht besprochen. 

2. Das selbstständige Bataillon. 

Den bisherigen Vorschriften tritt folgender Satz hinzu: Während 
das Bataillon den Feind in der Front bedrängt, kann es einen Teil 
seiner Kräfte zu einem Flankenangriff verwenden, welcher selbst der 
Hauptangriff werden kann. Beide Angriffe müssen gleichzeitig und 
im Entscheidungsaugenblick mit gleicher Kraft durchgeführt werden. 

Verteidigung. 

Der Abschnitt über das Bataillon im Regimentsverband erhält 
nachstehende Änderungen: Zwei Kompagnien bilden in der Regel die 



Digitized by Googl 



für die Infanterie. 



10«.» 



Gefechtslinie, welche bis zu 400 Meter ausgedehnt werden kann. — 
In Ermangelung von Deckungen nehmen die Reserven dio geeignetste 
Gliederung an und werden meistens hinter den Fügein oder hinter 
den Zwischenräumen der Gcfechtslinie aufgestellt. — Nach Mafsgabe 
der Annäherung des Feindes und der Heftigkeit seines Feuers ver- 
stärkt ein Teil der Reserve die Gefechtslinie. — 

In dem Abschnitt über das selbstständige Bataillon tritt folgende 
Änderung ein: Die Gefechtslinie mufs von vorn herein genügend 
stark besetzt werden; man verwendet dazu in der Regel eine Kompagnie, 
zwei Kompagnien werden zurückgehalten, decken die Flanken u. s. w. 
Die vierte Kompagnie bleibt in Reserve. Ein Teil dieser Kompagnie 
dient in der Regel zur Ausführung von Gegenstöfsen oder zur Be- 
drohung der feindlichen Flanken. — 

Bemerkungen. Die Beurteilung der Bestimmungen über das 
Gefecht der Kompagnie greift auch bezüglich des Gefechtes des 
Bataillons Platz. Die Selbstständigkeit und die freie Entschlufsfassung 
der Bataillonskommandeure sind durch die ins Einzelne gehenden 
Vorschriften auf das denbar kleinste Mafs beschränkt, eine Gefechts- 
übung verläuft wie die andere, für die Bethätigung hervoragender 
Führereigenschaften ist kein Raum gegeben, Alles vollzieht sich im 
Zwange starrer Formen, welche in der Hitze des Gefechts zur un- 
kenntlichen Schlacke zusammenschmelzen werden. — 6. 



XYI. 

Zur Geschichte 
der Adjustirung der österreichischen Armee. 

Von 

A. Dittrich, k. k. Landwehrhauptmann. 

(Sclilufs.) 



Die dem Ende des siebenjährigen Krieges folgenden Änderungen 
waren umso bedeutender und zahlreicher, als Kaiser Josef II. schon 
1765 die Leitung der Militärangelegenheiten übernahm und ver- 
schiedene schon längst beabsichtigte Änderungen nur wegen des 
Krieges nicht hatten ausgeführt werden können. Leider wurden diese 
Änderungen nicht immer nach einem einheitlichen System angeordnet 



Digitized by Google 



•200 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 

und oft wurde eine Neuerung, bevor sie noch erprobt worden war, 
durch eine entgegengesetzte Einrichtung verdrängt. Jedes Jahr brachte 
eine Reihe mehr minder bedeutender Reformen, von denen hier nur 
die wichtigsten angeführt werden können. Zudem waren sehr viele 
dieser Reformen nichts weniger als zweckmäfsig, was freilich nicht 
dem in allen andern Dingen seiner Zeit voraneilenden Monarchen, als 
den barocken Anschauungen seiner Zeitgenossen, die auch anderwärts 
im Unschönen und Unzweckmäfsigen Grofses leisteten, beizumessen war. 

Die Kleidung wurde noch enger und steifer, die Kopfbedeckung 
schwerer und das Riemenzeug breiter gemacht. Die Offiziere aller 
Truppengattungen erhielten Stiefel, die nur bei den ungarischen Re- 
gimentern nicht über die Knie reichten. Die Haarlocken an den 
Schläfen wurden abgeschafft und es wurde die „Frisur mit Puder 
und Schmiere und geradem Zopf — dessen Länge und Stärke genau 
vorgeschrieben war — eingeführt. 

Von weit gröfserer Bedeutung dagegen war es, dafs die Beschaffung 
der Montur und aller Ausrüstungsgegenstände den Obersten entzogen 
und den neuerrichteten Montur-Koinmissionen übertragen wurde. Alle 
Bekleidungsstücke mufsten in diesen Anstalten genau nach den von 
dem Hofkriegsrate genehmigten Mustern hergestellt werden. Da bisher 
viele Regimenter Aufschläge von gleicher Farbe hatten, letztere aber 
von den Inhabern nach Belieben geändert wurden, so wurde nun die 
Farbe der Aufschläge und Westen der Infanterie, Grenzer und der 
„deutschen Kavallerie" (Kürassiere und Dragoner) genau bestimmt. 
Bei den anderen Truppen war dieses schon früher geschehen. Je 
zwei Regimenter erhielten gleichfarbige Aufschläge und unterschieden 
sich von einander durch weifse und gelbe Knöpfe. Man nannte diese 
zwei Regimenter Gegen-Regimenter und die ungarischen Regimenter 
welche die gleichen Farben trugen, die Neben-Regimenter. Im Laufe 
der Zeit haben jedoch viele Regimenter die damals bestimmte Farbe 
der Aufschläge wiederholt geändert. 

Die deutsche und ungarische Infanterie, die Grenzer und einige 
kleinere Truppenkorps erhielten statt der Hüte Casquets von starkem 
Leder und vorn mit einem Messingschild und einem weifsen Bande 
geziert oder auch (bei den Grenzern) von „gesteiftem" schwarzen 
Filz. Die Bagage der Mannschaft war bisher entweder auf Wagen 
mitgeführt oder in sehr verschiedenartigen „Brodbcuteln" und „Schnapp- 
säcken" getragen worden. Nun wurden Tornister aus Kalbfell ein- 
geführt, die an einem breiten Riemen über die Schulter gehängt ge- 
tragen wurden. Die Hüte der Kürassiere und Dragoner wurden mit 
aufrecht stehenden Federstutzen geziert. 

Die Artillerie, die Pontonniere und die einige Jahre später von 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 201 

der Artillerie ganz getrennten Mineure wurden in ihrer Bekleidung 
nur wenig geändert, nur erhielten sie rückwärts aufgestülpte Hüte 
mit einem kleinen Federstutz, nach einigen Jahren aber ähnlich ge- 
staltete Casquets ohne alle Verzierung. Die früher und später wieder- 
holt errichteten, aber immer wieder aufgelösten Pioniere waren ähnlich 
gekleidet, nur trugen sie wie noch gegenwärtig hechtgraue Röcke 
mit grünen Aufschlägen. 

Die mit grünen Röcken bekleideten Dragoner wurden inCheveaux- 
legers umgewandelt und erhielten statt der Hüte Casquets, die mit 
einem Federstutze geziert waren. Diese Waffengattung wurde übrigens 
wiederholt schon früher genannt und wurden später noch mehrmals 
Dragoner in Cheveauxlegers und diese wieder in Dragoner umgewandelt. 
Josef II. pflegte mit Vorliebe die grüne Uniform seines Cheveauxlegcrs- 
Regimenta zu tragen. Die sehr verschiedenartige Adjustirung der 
Husaren-Regimenter wurde insoweit geregelt, dafs jedes Regiment 
leicht unterschieden werden konnte. Doch gab es noch dunkel- und 
lichtblaue, hell- und dunkelgrüne Dolmans, sowie blaue und rote Hosen. 
An Stelle des Kaipaks trat ein schwerer mit Quasten und einem Feder- 
stutz gezierter Tschako ohne Schirm. Die „Frisur" war wie bei den 
anderen Truppen, nur wurde in den Zopf eine Bleirolle eingelegt. 
Nach einigen Jahren wurden wieder Kaipaks eingeführt. 

Schon vor 1740 war bei jedem Regimente der Kürassiere oder 
Dragoner eine Karabinier- oder Grenadier- Kompagnie errichtet 
worden. Erstere waren wie die Kürassiere adjustirt, nur hatten sie 
Kamaschen, krumme Säbel und längere Gewehre. Die Grenadiere 
zu Pferd dagegen trugen hohe Bärenmützen und waren sonst ganz 
wie die Dragoner des Regiments bekleidet und bewaffnet. Diese 
Karabinier- und Grenadier-Kompagnien wurden 1768 in zwei Karabinier- 
Regimenter zusammen gezogen, welche die Elite der Kavallerie bilden 
sollten und ähnlich wie die Kürassiere, jedoch mit bordirten Hüten 
bekleidet waren. Wie übereifrig man bei den Änderungen vorging, 
ist daraus zu ersehen, dafs die schon festgestellten Vorschriften über 
die Bekleidung und Organisation dieser Regimenter, ehe dieselben 
noch „aufgerichtet" waren, wiederholt geändert wurden, wie auch in 
der Folge die Organisation vielfache Wandlungen erfuhr, bis endlich 
1798 beide Regimenter in Kürassiere umgewandelt und die ihnen bei- 
gegebenen Cheveauxlegers (jedes Regiment hatte zwei Eskadronen 
derselben) in ein drittes Kürassier-Regiment vereinigt wurden. 

In die Zeit von 1760 bis 1767 fiel auch die Errichtung der 
ungarischen, der Arcieren- und der Trabanten-Leibgarde. 
Letztere Beiden waron sehr reich und zwar mit goldbetrefsten Röcken 
nach dem Muster der Uniformen der Dragoneroffiziere gekleidet, wo- 



Digitized by l^oOQle 



202 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 

gegen die ungarischen Gardisten silbervorschniirte Dolmans und Bein- 
kleider und statt der Pelze auf dem Rücken Tiger- oder Leoparden- 
felle trugen. Diese Uniformen der Garden erhielten sich, von dem 
wiederholt wechselnden Schnitt abgesehen, im Wesentlichen bis 1850. 

Das Sponton kam nun auch dort, wo es sich noch erhalten hatte, 
in Wegfall. Die Generale und Offiziere behielten jedoch die Rohre, 
welche nun auch den Feldwebeln, Wachtmeistern und Feuerwerkern 
zugestanden, jedoch von denselben an einem Riemen getragen wurden. 
Die „Feldscheere" hatten bisher die Montur jenes Truppenkörpers ge- 
tragen, dessen Mannschaftstande sie angehörten. Sie erhielten nun 
meergrüne Röcke mit roten Aufschlägen, gelbe Lederhosen, 
Hüte und kurze Säbel. Die Regimentschirurgen (damals im Range 
der Unteroffiziere) durften silberbetrefste Hüte und rote Westen tragen. 
An Stelle dieses unschönen Anzuges traten zwei Jahrzehnte später 
lichtblaue Röcke mit schwarzen Aufschlägen und rote Westen. 

Zu den Elementen, welche zur Ergänzung der Truppen heran- 
gezogen wurden, gesellte sich nach der Erwerbung Galiziens noch das 
polnische. Doch wurden vorerst die in dem Lande ausgehobenen 
Rekruten in die bestehenden Truppen eingereiht und auch die später 
errichteten galizischen Regimenter unterschieden sich im Äufserlichen 
nicht von den anderen Regimentern. 

Auch nachdem Kaiser Josef die Alleinregierung übernommen 
hatte, widmete er mit gleichem Eifer seine Aufmerksamkeit der Armee, 
doch wurde auch jetzt, da sich verschiedene gegenwirkende Einflüsse 
geltend machten, hinsichtlich der Bekleidung kein einheitliches System 
durchgeführt. So gab schon der blofse Versuch, die wallonische und 
ungarische Infanterie analog den deutschen Regimentern zu bekleiden, 
den Ständen dieser Länder Anlafs zu Klagen und Befürchtungen der 
beabsichtigten Beschränkung ihrer Selbstständigkeit, so dafs manche 
schon angeordnete Neuerung wieder zurückgenommen wurde. Bei 
den wallonischen Regimentern hatten sich übrigens diese Ver- 
schiedenheiten auf einige Verzierungen der Rabatten und die Farben 
derselben beschränkt. Letztere und bei manchen Truppen auch die 
Farben der Röcke wurden übrigens sehr oft geändert und es gab 
z. B. Dragoner-Regimenter, welche von 1756 bis 1800 die Farben der 
Röcke fünfmal wechselten. 

Die Errichtung verschiedener neuer Truppengattungen und 
Offizierskorps vermehrte noch die Mannigfaltigkeit der Uniformen. 
So war zwar schon 1776 ein „Militär-Fuhrwesen" errichtet worden, 
doch war dasselbe wenig zahlreich und unzweckmäßig orgnnisirt. 
Noch im bairischen Erb folgekriege wurden die Fuhr- und Stück- 
knechte von den Provinzen auf Kriegsdauor gestellt. Sie hatten 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. »203 

häufig keine Montur und unterstanden den Truppen, welchen sie eben 
zugeteilt waren. Nun erhielten sie Monturen, welche sich dem Schnitt 
des Anzuges der Landleute näherten, jedoch durch farbige Aufschläge 
und Metallknöpfe kenntlich gemacht waren. Die Kopfbedeckung war 
ein einfacher Hut und es waren nur die Unteroffiziere mit kurzen 
Säbeln bewaffnet. Die Fuhrknechte waren blols mit schweren Peitschen 
versehen. Häufig wurde das Fuhrwesen — sammt den Pferden — 
von eigenen Unternehmern, die dann die Mannschaft nach ihrem Be- 
lieben kleideten, beigestellt, wie z. B. ein Baron Wimm er wiederholt 
ein Korps von 1500—2000 Mann, die grüne r Spenser a mit roten 
Aufschlägen trugen, errichtete. Ks war eine Rückkehr zu dem Ge- 
brauche früherer Zeiten. Die Farbe der Röcke wurde wiederholt ge- 
ändert und war grau, dunkelblau und dunkelblau, meist gelb „egalisirt". 

Die Ingenieure, welche früher gewöhnlich die Uniform eines 
Regiments, später eine weifse Uniform mit Goldstickerei trugen, 
wurden jetzt so wie die Mineure und die 1700 errichteten Sappeure 
gekleidet. Sie erhielten lichtblaue Röcke mit kirschroten Sammt- 
aufschlägen und dergleichen Westen, weifse Hosen und Strümpfe. 
Ähnlich war es mit den Offizieren des General-Quartiermeisterstabes, 
die bis dahin auf den Stand eines Regiments gezählt hatten. Die- 
selben erhielten grüne Röcke mit schwarzen Sammtaufschlägen und 
rotem Futter und rote Westen. Im Laufe der Zeit vielfach um- 
gestaltet erinnert doch die gegenwärtige Uniform an die damalige, 
indem die grünen Waffenröcke der Generalstabsoffiziere mit schwarzen 
Aufschlägen und rotem Vorstofs versehen sind. 

Das Bombardier-Korps war wie die andere Artillerie gekleidet 
(1784), nur waren auf den Kopfbedeckungen und dem Riemenzeug 
messingene Bomben angebracht und erhielten die später wieder ein- 
geführten Hüte goldene Tressen. 

Die Bekleidung der 1782 errichteten galizischen Nobelgarde 
war nach polnischem Schnitt gestaltet und wurde die Farbe wieder- 
holt geändert. Schon nach neun Jahren wurde diese Garde wieder 
aufgelöst. Ebenso vielfache Änderungen erfuhr der Anzug mehrerer 
kleinerer Truppenkörper, von denen einige bald wieder aufgelöst 
wurden, wie die Grenzaufsiehtsorgane in Galizien (damals zur Armee 
gehörend) und die verschiedenen beim Beginn eines Krieges errichteten 
Freikorps, die gewöhnlich ganz nach dem Belieben der Provinzstände 
oder Stadtmagistrate bekleidet wurden. Auch das Personal der 
Montur- Kommissionen, die Militär-Polizei und die Mannschaft der 
neuerrichteten Militär-Gestüte erhielten andere Monturen. 

Gröfsere Bedeutung hatte die Aufstellung der Ulanen, die zuerst 
ein „Pulk 1 *, dann ein „Korps polnischer Reiterei" bildeten, dann 



Digitized by Google 



1 



204 Zur Geschieht« der Adjustirung der österreichischen Armee. 

eskadronsweise den Cheveauxlegers zugeteilt und erst unter Leopold IL 
in ein Regiment vereinigt wurden. Ebenso wie bei der Organisation 
wurde auch bei der Ausrüstung und Bekleidung der Ulanen über- 
hastend und ohne bestimmtes System vorgegangen, ja sogar den 
Ulanen zeitweise die Piken genommen und ihnen blos die „polnische* 
Uniform belassen. Letztere aber war ganz eigentümlich beschaffen. 
Denn die untere Hälfte des Anzuges war ungarisch, die Weste 
deutsch und nur die Mütze und der Rock nach polnischem Muster 
angeordnet. Die Aufzählung des Wechsels der Farben binnen den 
ersten 7 Jahren würde nur ermüden. Erst 1790 erhielten die Ulanen 
grasgrüne Kurtkas, weifse ungarische Hosen, gelbe und grüne Czapkas 
und wieder Piken, doch blieb es den Obersten anheimgestellt, die 
Mannschaft bei passenden Gelegenheiten wieder mit — Karabinern 
zu versehen! 

Im Ganzen war jedoch die Adjustirung, wie sie zur Zeit Kaiser 
Josefs bestand, wohl „sehr knapp u , jedoch nicht unschön, ja bei 
den Offizieren mancher Truppen etwas stutzerhaft und doch minder 
kostspielig als vordem. Die Röcke der Offiziere der Infanterie, 
Artillerie, Ingenieure u. s. w. glichen beinahe den vor etwa 50 Jahren 
modern gewesenen sogenannten „Quäckern u (Fracks mit breiten 
Schöfsen) und hatten gestickte Knopflöcher. Dazu kamen „gefältelte u 
Manchetton und ein gestickter Busenstreif. Die Röcke durften auch 
offen getragen werden. Die Generale trugen zu ihrer wenig ge- 
änderten Uniform Hüte mit drei aufgeschlagenen Krempen von mäfsiger 
Gröfse und ohne alle Verzierung. Die Kavallerie behielt die bisherigen 
Hüte, doch erhielt vorübergehend ein Teil der Kürassiere Blechhauben. 
Die Hüte der Offiziere waren betrefst. 

Auch während der kurzen Regierung Leopold 's II. fehlte es nicht 
an Änderungen und wurde Manches auf den Stand gebracht, auf 
welchem es sich zehn Jahre vorher befunden hatte. Bei der Mann- 
schaft der Infanterie verblieben die Casquets, die Offiziere jedoch er- 
hielten die nur auf zwei Seiten aufgestülpten, queraufgesetzten Hüte, 
wie sie damals in den meisten Armeen getragen wurden. Die Farben 
der Uniformen wurden nur bei einem Teile der Kavallerie geändert. 

Der nun folgende wechselvolle Krieg bot keine Zeit, um sich viel 
mit der Adjustirung zu befassen, liefs aber die Mängel derselben er- 
kennen. Daher waren die nach 1798 angeordneten Änderungen, die 
aber nicht durchaus zweckmäfsig waren, desto umfangreicher. Die 
Fufstruppen erhielten nun durchaus Mäntel von grauem Tuch (ein 
Teil derselben hatte bisher keine gehabt!) und statt der Casquets 
(deren Form gleich der der „ Korsehüte u wiederholt geändert wordeu war) 
Raupenhelme mit Messingschild. Die zahlreichen Freibataillone 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 205 

wurden teils aufgelöst, teils in leichte Bataillone umgewandelt und 
so wie die Infanterie, jedoch mit grünen oder hechtgrauen Röcken 
bekleidet. Die roten und grauen Beinkleider der ungarischen Infanterie 
und der Grenzer wurden durch lichtblaue mit gelber Verschnürung 
ersetzt. Die Grenadiere behielten die hohe Biirenmütze mit Messing- 
schild, trugen aber aufser der Parade ein schmuckloses, helmartiges 
Casquet und später einen r Dreispitz". Der gemeine Infanterist legte 
den Säbel ab und wurde dieser nur von den Grenadieren, den Spiel- 
leuten und den Unteroffizieren getragen. 

Die Karabi niere wurden in Kürassiere und die Cheveauxlegers 
in leichte Dragoner (nach 4 Jahren jedoch wieder in Cheveauxlegers) 
umgewandelt und entsprechend adjustirt. Sie erhielten Helme mit 
hohen Kämmen und Messingschilden, sowie Stiefel, die wie bei den 
Offizieren der Fufstruppen nur bis an das Knie reichten. Nur die 
Kürassiere behielten noch durch eine Zeit ihre grofsen Stiefel. Die 
Husaren, Ulanen und die Offiziere der ungarischen Infanterie behielten 
die mit einer Schnur gezierten ungarischen Halbstiefel. 

Die Mannschaft der Artillerie bekam wieder die Korsehüte, die 
sie schon früher gehabt hatte, nur wurde die eine, den Hutkopf über- 
ragende Krempe links gotragen. Der Hut war vorn mit einer Rose 
von "Wolle und einem Federstutz, bei den Feuerwerkern, Unteroffizieren 
und Bombardieren mit einer breiten oder schmalen Goldtresse geziert. 
Der Oberfeuerwerker trug die Uniform der Offiziere, jedoch mit 
seidenen Abzeichen. Der Hut der Offiziere war der vorgeschriebene 
queraufgesetzte Zweispitz mit einem Federstutz und bei den Stabs- 
offizieren (in späterer Zeit) mit einer breiten Goldtresse geziert. Die 
Regimenter und Korps der Artillerie unterschieden sich durch Nummern 
oder Buchstaben auf den Knöpfen. 

Die Sappeure, Mineure und Pontonniere, welche einige Zeit vorher 
wieder den Korsehut, aber mit rückwärts aufgestülpter Krempe er- 
halten hatten, trugen ihn jetzt wie die Artilleristen, nur waren die 
Tressen von Silber. Die Unteroffiziere und Kadetten trugen ein 
wollenes (seidenes) Portepee von der Gröfse und Form des für die 
Offiziere vorgeschriebenen. 

Im Schnitt der Uniformen war eine noch gröfsere Verkürzung 
eingetreten und reichte der Rock vorn nicht ganz bis zum Ende der 
Brust, die Schöfse waren bei den Offizieren länger und schmäler als 
bei der Mannschaft und sah nur bei den Artillerie- und Genie- 
Offizieren der Rand der hoch- oder kirschroten Weste etwas vor. Aus 
dem Kamisol war endlich ein „I^eibel", d. h. eine Weste ohne Ärmel 
geworden und erhielt nun die Mannschaft für den Arbeits- oder Stall- 
dienst Zwilchkittel. Die Kopfbodeckung für den kleinen Dienst blieb 



Digitized by Google 



206 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 

„dem Belieben der Obersten anheimgestellt." Auch die Offiziere 
trugen Mützen von verschiedener Gestalt und Farbe. Aus dem 
„Roquelor" der Offiziere der Fufstruppen und der deutschen Kavallerie 
war ein „Kaputrock" geworden und bestand bezüglich der Mäntel 
keine Vorschrift. Die Schöfse der Kollete der Kürassiere, Dragoner 
und Cheveauxlegers und der IJlanenkurtka waren noch kürzer und 
die Dolmans und Pelze der Husaren reichten vorn und rückwärts nur 
bis zur Taille. 

Auch die Uniform der Generale wurde genau geregelt. Es gab 
eine Kampagne-, kleine und grolse Gala- Uniform. Erstere bestand in 
einem hechtgrauen Kaput mit roten goldbordirten Aufschlägen, welcher 
über einen gleichfarbigen Rock oder über die Gala-Uniform getragen 
werden konnte, dem mit einer breiten Tresse und einem heilgrünen 
Federstutz gezirten, anfänglich quer und später schräg aufgesetzten 
Hut, goldener Feldbinde, grauen oder schwarzen Beinkleidern, Knie- 
stiefeln und Schleppdegen. In Gala wurde ein weifser Rock mit 
weifsem Kragen und roten Aufschlägen, rote Beinkleider und der vor- 
beschriebene Hut getragen. Die grofse Gala war durch den in über- 
reicher Weise mit Stickerei und Tressen bedeckten Rock unterschieden. 
Die Schabrake war rot und mit goldenen Tressen und Stickerei reich 
geziert. 

Noch weit reicher, aber geschmackvoller war die ungarische 
Generalsuniform, zu deren Tragen jedoch nur der Palatin von Ungarn, 
der Bai von Kroatien und jene Generale berechtigt waren, welche 
Oberste eines Husaren-Regiments gewesen waren. Auch die Obersten 
der Ulanen hatten bis 1820 das Recht, bei ihrer Beförderung zum 
General diese Uniform sich anzuschaffen. Dieselbe, aus einem roten 
Dolman und roten Hosen, einem weifsen Pelz mit Zobelbesatz, Alles 
mit Borten und Schnüren reich bedeckt, aus einem goldenen Leib- 
gürtel (statt der Feldbinde) und einem Kaipak von Edelmarder mit 
Goldbehänge, rotem Sack und hohem weifsen Reiherbusch bestehend, 
hat sich von dem wiederholt geänderten Schnitt und den Verzierungen 
abgesehen, bis jetzt erhalten. Das Merkwürdige dabei ist, dafs der 
General in deutscher Uniform die ungarischen Farben (weifs, 
rot, grün), jener in ungarischer Gala die österreichischen 
Farben (rot, weifs) trägt! Die erst in späterer Zeit eingeführte 
Kampagne-Uniform war ein einfacher, nur mit fünf schmalen Schnüren 
besetzter, hechtgrauer Dolman, zu welchem graue Beinkleider und 
ein Tschako mit hellgrünem Federbusch getragen wurden. Doch 
durften sich diese Generale auch der Kampagne-Uniform der anderen 
Generale bedienen. Die General- Adjutanten trugen grüne Röcke und 
die Feldbinde über die Schulter gehängt und waren im Übrigen wie 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 207 

die anderen Generale uniforrairt. Nur die „ungarischen" Generale, 
die Husaren- und Ulanen-Offiziere trugen Schnurrbarte, wogegen alle 
anderen Offiziere und Generale, sowie die Mannschaft der Artillerie, 
der technischen Truppen, der Marine und des 4. Cheveauxlegers- 
Regiments (bei diesem zur besonderen Auszeichnung) nur kurze 
Backenbärte tragen durften. 

Mehrere erst in den nächsten Jahren angeordnete Änderungen 
dienten nur zur Vervollständigung und dürfen nicht als einer neuen 
Adjustirungsperiode angehörend betrachtet werden. So z. B. wurden 
die Tornister nicht mehr herabhängend, sondern auf dem Rücken, 
Patrontaschen und Seitengewehre an zwei Riemen über die Schultern 
hängend getragen. Bei den Fufstruppen erhielt jede Kompagnie zwei 
mit Schurzfell und Werkzeug ausgerüstete „Zimmerleute" und die 
Hautboisten der Infanterie und Artillerie bekamen Röcke, die nach 
Art der Dolmans mit Schnüren und Quasten von der Aufschlagfarbe 
geziert waren. 

An Stelle der bisherigen, mehr zu den Dienern zählenden so- 
genannten „Schweizer" wurde 1802 die Hofburg wache, deren 
Gemeine Unteroffizierrang hatten, errichtet. Sie trug hecbtgraue 
Röcke mit schwarzen Aufschlägen, goldbetrefste Hüte, Säbel und leichte 
Gewehre Drei Jahre später wurden die Zöpfe abgeschafft. Bei der 
Artillerie geschah dieses erst 1808. 

In eben diesem Jahre wurden die ersten Jägerbataillone errichtet. 
Dieselben waren hechtgrau und grün montirt, hatten Korsehüte 
(die Offiziere den Zweispitz) mit hängendem Federbusch und schwarzes 
Riemzeug. Letzteres wurde auch bei den Grenzern, den Sappeuren, 
Mineuren, und Pionieren eingeführt. Die damals errichteten Land- 
wehren waren sehr verschieden, in den deutschen Provinzen meistens 
sehr einfach gekleidet. Die niederösterreichisehe Landwehr z. B. war 
für den Felddienst mit langen grauen Röcken (die die Mäntel er- 
setzten) mit blauen Aufscldägen, weifsen oder grauen Hosen, 
Kamasehen, einfachen Korsehüten und schwarzem Riemzeug aus- 
gerüstet. Die den Infanterie -Regimentern angereihten Landwehr- 
bataillone wurden, wenn die Vorräte reichten, so wie erstere bekleidet. 
Die ungarische Insurrektion war sehr willkürlich, jedoch durchaus 
national bekleidet, nur die bei den Husaren-Regimentern errichteten 
Veliten-Divisionen trugen die Montur des betreffenden Regiments. 
Das zu ebon dieser Zeit errichtete Artillerie- Handlanger- Korps 
war wie die Artillerie gekleidet, jedoch so wie das früher bestandene 
und 1802 in die Artillerie eingereihte Artillerie- Füsilier-Bataillon 
mit Gewehren bewaffnet. 

Nach 1809 wurden bei der Infanterie an Stelle der Heime für 

Jahrbücher fUr die Deutsche Armee und Marine. Bd. VII1C, 2. 14 



Digitized by Google 



208 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Arme*. 

die Offiziere und Mannschaft Ts chakos eingeführt. Dieselben waren 
oben viel breiter, mit einer wollenen Rose und einer Kokarde von 
Messing, sowie bei den Offizieren und Unteroffizieren mit goldenen 
und wollenen Borten geziert. Nur die Stabsoffiziere, auch jene der 
Grenadiere, trugen goldbetreßte Hüte (ohne Federbusch), welche nun- 
mehr schräg aufgesetzt wurden. 

Zugleich wurde für die Offiziere eine eigene Kampagne-Uniform 
vorgeschrieben. Dieselbe glicb bei den Fufstruppen der Parade- 
Uniform, nur war das weifse Tuch durch schwarz-graues ersetzt 
und konnte auch der ebenfalls schwarzgraue Kaputrock statt des 
Rockes getragen werden. Bei der Kavallerie vertraten einfache Spenser 
die Stelle der Kurtka oder des Dolmans, während die Offiziere der 
Kürassiere und Dragoner keine derartige Uniform, sondern nur einen 
Kaputrock von der Farbe der Uniform trugen. Bei den Husaren war 
der Tschako in veränderter Form eingeführt worden. Derselbe war 
mit Schnüren und Quasten, [bei den Offizieren und Stabsoffizieren 
mit Borten) sowie mit einem Federstutz geziert und bei mehreren 
Regimentern mit farbigem Tuch überzogen und mit einem Schirm 
versehen. 

Diese Uniformirung der Armee blieb nun durch längere Zeit in 
ihren Grundzügen unverändert und kamen aufser der Neuaufstellung 
und Umwandlung einiger Korps in dem nächsten Vierteljahrhundert 
nur wenig Änderungen vor. Die in den wiedergewonnenen Provinzen 
aufgestellten Regimenter wurden nach dem Muster der bestehenden 
Regimenter ihrer Art, das Feuerwerks-Korps (Raketeurs) anfänglich 
grün mit roten Aufschlägen und Tschakos, bald aber wie die übrige 
Artillerie bekleidet. Letztere erhielt für kurze Zeit rehfarbene Kaput- 
röcke und Zweispitze, bald aber wieder die frühere Montur. 

Kaiser Franz war in Bezug auf die Uniform ein Freund des 
Bestehenden und trug selbst bis an sein Lebensende auch in Zivil- 
kleidern hohe Stiefel, daher die von verschiedener Seite befürwortete 
Einführung neuer Uniformen, namentlich der Pantalons, bei dem 
Monarchen kein Gehör fand. Nur wurden den berittenen Offizieren 
schwarze Reithosen, die beiderseits mit einer Reihe von Metallknöpfen 
besetzt wnren, zugestanden. Eine versuchweise nur bei einigen 
Bataillonen und Eskadrons durchgeführte neue Adjustirung wurde 
sofort beseitigt, da nicht nur der Kaiser, sondern auch die allgemeine 
Stimme der Armee dagegen war. Man wollte wissen, dafs der 
damalige Hofkriegsratspräsident Prinz H oh enz ollern die Abneigung 
des Kaisers gegen derlei Neuerungen kennend und — teilend, einem 
Vorschlage zugestimmt habe, dessen Ausführung alle ferneren Reform- 
pläne für lange Zeit unmöglich machen mufste. Noch ist zu be- 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 201) 

merken, dafs in dieser Periode Portepees von gleicher Gröfse für die 
Generale und alle Offiziere, sowie für Stabsoffiziere und Offiziere die 
gleiche Feldbinde (bei den Husaren und Ulanen ein Gürtel) von Seide 
vorgeschrieben wurden. 

Desto unifassender waren die nach dem Tode des gedachten 
Monarchen durchgeführten Änderungen. Allerdings kann man den 
Verlauf, den die Entwicklung der Uniformirung der österreichischen 
Armee bis dahin genommen hatte, in mehrere Perioden teilen. Aber 
diese Perioden waren nicht scharf abgegrenzt, es wurde nach keiner 
einheitlichen Idee vorgegangen und es wurden immer nur einige 
Truppen von den angeordneten Neuerungen betroffen. Die in der 
Zeit von 1837—1839 herausgegebene Adjustirungsvorschrift 
dagegen umfafste alle Truppen und alle Angehörigen der- 
selben. 

Bei tlen Husaren wurde nur wenig geändert, nur der Schnitt der 
Uniform und die Y T erschnürung wurde gefälliger. Die „ papagei- 
grünen a Dolmans und hellroten Hosen zweier Regimenter waren 
schon früher abgeschafft worden, so dafs es jetzt nur Husaren mit 
licht-, kornblum- und dunkelblauen Dolmans und Hosen, mit dunkel- 
grünen Dolmans und roten Hosen, so mit schwarzen, roten, grünen 
und hellblauen Tschakos gab. Die sehr reiche Y'ersehnürung war bei 
den Offizieren von Gold oder Silber, bei der Mannschaft von schwarz 
und gelber Wolle. Die Husaren - Offiziere a. D. trugen kirschrote 
Uniformen. 

Die Farbe der Röcke wurde nur bei der Artillerie und dem 
Fuhrwesen geändert, indem erstere braune Röcke mit roten, letzteres 
ebenfalls braune Röcke mit blauen Aufschlägen erhielt. Der Rock 
oder richtiger der Frack bekam einen vorn weiter hinabreichenden 
Leib, die Schofse waren etwas länger und der Kragen etwas niedriger 
als früher. Der Tschako war etwas kleiner, bei den Offizieren 
cylindrisch und nur bei der Mannschaft der Infanterie oben noch etwas 
breiter. Auch die Helme und Czapken waren etwas niedriger. Die 
Bärenmützen der Grenadiere verloren das Messingschild und sahen 
mehr einem hohen Kaipak ähnlich. Statt dieser sehr kostspieligen, 
jedoch nicht übermäfsig schweren Kopfbedeckung trugen die Offiziere 
zum kleinen Dienst Hüte, die Grenadiere hohe Mützen aus Wachstuch 
oder ein ledernes Käppi. Bei den Mineuren, Sappeuren, Pontonnieren 
trat für Offiziere und Mannschaft der Tschako mit aufrechtstehendem 
Rofshaarbusch und einem vergoldeten Emblem an die Stelle des 
Hutes, der nur von den Stabsoffizieren dieser Truppen und von den 
Ingenieuren getragen wurde und mit einem hängenden Federbuscli 
geziert war. Dieser Hut wurde nun „gerade aufgesetzt", so dafs eine 

14* 



Digitized by Google 



210 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



Spitze nach vorn, die andere nach rückwärts gerichtet war. Die 
Mannschaft des Fuhrwesens und der Gestüte trug den Tschako, wo- 
gegen die Offiziere Hüte mit Federbüschen erhielten. Auch die 
Artillerie behielt die Hüte. 

Den Jägern und Pionieren wurden die hechtgrauen Röcke und 
Hosen belassen. Die ungarische Generalsunifonn wurde wenig geändert, 
der Galaanzug der anderen Generale aber bedeutend vereinfacht, in- 
dem die Stickereien an den Nähten des weifsen Rockes entfielen und 
nur die roten Ärmelaufschläge mit breiten Tressen oder Stickerei be- 
setzt waren und der weifse Kragen ohne jede Verzierung blieb. Der 
hechtgraue Kaputrock, sowie der hechtgraue Kampagnerock hatte auch 
einen mit Tressen besetzten roten Kragen. 

Die bedeutendste Änderung aber war der Wegfall der hohen 
Stiefel und engen Hosen, sowie der langen Kamaschen, an deren 
Stolle Halbstiefel, kurze Kamaschen und — Pantalons traten. Nur 
die ungarischen Truppen behielten die mit Schnüren besetzten engen 
Hosen und ihre Offiziere die Tschismen, während die Mannschaft des 
Fuhrwesens hohe Stiefel und Schuhe erhielt. Diese Pantalons waren 
bei der „deutschen" Infanterie, den Kürassieren, Dragonern, einem 
Teile der Chevcauxlegers, bei der Artillerie und dem Fuhrwesen 
lichtblau, bei den technischen Truppen, Ulanen, den „grünen 4 ' 
Chevcauxlegers, Jägern, Pontonnieren und Pionieren von der Farbe 
der Röcke und beim Generalstabe, bei den Ingenieuren u. dgl. „mohren- 
grau" (schwarzgrau) und bei der Mannschaft mit einem Vorstoß, bei 
den Offizieren mit goldenen oder silbernen Tressen, bei der Mannschaft 
der Artillerie mit roten Tuchstreifen besetzt. Die Mannschaft der 
Kavallerie trug einen Lederbesatz an den Hosen, aufserdem aber eine 
weite, lichtgraue „Überzughose". 

Die Pantalons der Generale (in Gala rot, zur Parade mohren- 
grau) waren an den Nähten mit zwei goldenen Tressen besetzt. Die 
Ulanen auch deren Offiziere — trugen grüne Pantalons mit roten 
Streifen. Sie waren aufser den Leibgarden die einzige Truppe, welche 
Epaulets (für alle Offiziere gleich), Fangschnüre und (roten) Brust- 
revers trug. 

Ferner wurde für alle Offiziere eine Kampagne-Uniform eingeführt. 
Dieselbe bestand bei der Kavallerie aus einem Spenser mit einem 
Kragen von Plüsch (bei den Husaren der früher beschriebene Kampagne- 
Dolman), mohrengrauen Pantalons und (bei den Dragonern) weifsen 
Kaputröckcn. Bei der Infanterie war Rock, Kaputrock und Pautalon 
mohrengrau, ebenso bei den Jägern, bei den anderen Truppen die 
beiden ersteren von der Farbe des Rockes und nur von bequemerer 
Form, das Beinkleid aber mohrengrau. Auch wurde eine Mütze aus 



Zur Geschichte der AdjuHtirung der österreichischen Armee. 211 

schwarzem Tuch eingeführt, welche für alle Offiziere gleich und nur 
durch die dem betreffenden Truppenkörper eigentümlichen Knöpfe 
gekennzeichnet war. 

Zu eben dieser Zeit wurde die sehr elegant mit roten Kollets, 
Epaulets, goldenem Brustrevers, silbernem Raupenhelm und weifsen 
Pantalons ausgestattete italienische adelige Leibgarde errichtet. 
An der Kleidung der übrigen Garden wurde wenig geändert. Doch 
erhielten dieselben auch eine dem Anzüge der übrigen Offiziere sich 
nähernde „Hausuniform". 

Der Degen wurde von den Generalen und Infanterie-Offizieren 
an einer Steck-, von den Stabsoffizieren gleich dem Säbel an einer 
Hängekoppel getragen. 

Es war die nunmehrige Adjustirung der österreichi sehen Armee 
unbedingt eine einheitlichere und geschmackvollere, ja elegante, aber 
dabei kostspielig und unzweckmäßig. Der Offizier mufste drei- bis 
viererlei verschiedene Anzüge (manche Stücke davon mindestens 
doppelt) und, da in den grofsen Städten auch das Tragen von Zivil- 
kleidern eingeführt war, auch diese haben. Die Uniform war elegant 
und eben darum nur für den Frieden geeignet, eine wahre Salon- 
uniform. Und die Kampagne -Uniform der Infanterie- und Jäger- 
Offiziere machte dieselbe in ihren schwarzen Röcken oder Kaputröcken 
neben der lichten Montur ihrer Mannschaft zu einem nicht zu ver- 
fehlenden Ziel für die feindlichen Schützen! Dazu war die Uniform 
wenige Jahre nach ihrer Einführung bereits antiquirt, da in Preufsen 
und mehreren deutschen Staaten sowie in Frankreich bereits der 
Waffenrock zur Herrschaft gelangt war. So war es begreiflich, dafs 
von mehreren Seiten (auch vom F. M. Gr. Radetzky) noch vor dem 
Jahre 1848 eine mehr oder minder bedeutende Änderung der Uniformen 
und namentlich die Einführung des Waffenrockes empfohlen wurde. 

Die grofsen Ereignisse des gedachten Jahres trugen zur Erfüllung 
dieser Wünsche in ganz eigenthümlicher Weise bei. Der Krieg in 
Itaüen und Ungarn und selbst die Kämpfe in den Hauptstädten der 
Monarchie zeigten nur zu deutlich, wie wenig sich die schönen Uniformen 
für den Kampf und das Feldleben eigneten. Dazu kam, dafs in vielen 
Orten die Truppen ohne Mitnahme ihrer Bagage auf den Allarmplatz 
rückten und letztere eine Beute der Aufständischen wurde, so dafs 
Offiziere und Soldaten oft nur die Kleider hatten, welche sie bei ge- 
wöhnlichen Ausrückungen anlegten. Die vorhandenen Vorräte wurden 
für die im Innern der Monarchie neu aufgestellten Truppen, in Ungarn 
von dem dortigen Ministerium zur Ausrüstung der Honvedtruppen 
verwendet und war von der Kriegsverwaltung nicht leicht eine Ab- 
hilfe zu erwarten. Die Armee mufste sich selbst helfen, wo die 



Digitized by Google 



212 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 



spärlich eintreffenden Beihilfen nicht ausreichten! In Italien wurden 
manche Truppen, namentlich die Freiwilligen-Bataillone mit den den 
feindlichen Truppen und Insurgenten abgenommenen Vorräten be- 
kleidet, übrigens war Material spater käuflich und im Requisitions- 
wege zu erlangen und konnte dasselbe zur Herstellung neuer Uniformen 
und Monturen verwendet werden. Und so begab sich der gewifs 
seltene Fall, dafs die Armee Radetzky's — oder wenigstens die 
Offiziere derselben — sich selbst eine Adjustirung entwarf und die- 
selbe durchführte und dafs das von der „italienischen Armee" ge- 
gebene Beispiel, ehe noch bestimmte Weisungen ergangen waren (in 
Wien war die Revolution ausgebrochen und der Kriegsminister er- 
mordet worden!) bereits in den meisten Provinzen von den Offizieren 
nachgeahmt wurde. In Ungarn und namentlich in der Militärgrenze 
war die Mannschaft vieler Truppenköq>er nur mit dem Anzüge, den 
sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatten, bekleidet. Nach beendigtem 
Kriege aber war die Neugestaltung eines bedeutenden Teiles der 
Armee (namentlich der ungarischen Regimenter) und die Errichtung 
einiger Truppengattungen, welche der Armee bisher gefehlt hatten, 
notwendig. 

Eine abermalige gründliche Umänderung des Uniformwesens war 
also nicht nur erwünscht, sondern auch geboten und sie war um so 
leichter durchzuführen, als die Vorräte fast gänzlich aufgebraucht 
worden waren. Der rege Anteil, welchen der oberste Kriegsherr an 
der Sache nahm, half zur raschen Durchführung des schwierigen 
Werkes und Anfang 1851 war die Adjustirungsvorschrift für die ganze 
Armee entworfen worden. Die neue Adjustirung war nicht nur einfacher, 
sondern auch schön, bequem und für den Krieg jedenfalls verwendbarer 
als die frühere. Ihre Grundzüge waren die Einführung des Waffen - 
rockes, der Ulanka und des Attila, des Paletots für die Offiziere 
und eines bequemeren Mantels für die Mannschaft, sowie die Ab- 
schaffung der Kampagne -Uniform bei den Offizieren. Der Offizier 
konnte fortan denselben Rock bei der Parade, beim Spaziergange und 
im Felde tragen. Nur die Generale behielten Uniformen „en Campagne" 
und „en Gala". 

Der Offizier der Fufstruppen erhielt einen weifsen (braunen) 
Waffenrock und blaue Pantalons mit weifsem (braunen) „Passepoil 1 * 
und unterschieden sich die Offiziere der ungarischen Regimenter und 
der Grenzer nur durch die schon zur Zeit Kaiser Josefs eingeführten 
goldenen oder silbernen Litzen auf den Ärmelaufachlägen. Die 
Mannschaft dieser Regimenter behielt die verschnürten ungarischen 
Beinkleider. Der Tschako wurde netter und nach oben zu sich „etwas 
verjüngend u gestaltet und nunmehr auch von den Stabsoffizieren ge- 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjuatirung der österreichischen Armee. 213 

tragen. Die Grenadiere wurden im folgenden Jahre zu ihren Regi- 
mentern eingeteilt und erhielten dann ebenfalls Tschakos. Die Jäger 
behielten ihre Hüte und die hechtgraue Farbe der Waffonröcke und 
Hosen. 

Die Artillerie bekam dunkelbraune Waffenröeke, lichtblaue 
Pantalons mit rotem Passepoil und Tschakos. Für den kleinen Dienst 
und im Felde bekamen die Offiziere graue, bis zu den Knien mit 
Leder besetzte „Reithosen", welche auch von den Offizieren der 
Kavallerie und des Fuhrwesens getragen wurden. Die aus den 
Sappeuren und Mineuren gebildeten Genie-Regimenter und die Pioniere 
(mit welchen die Pontonniere schon 1843 vereinigt worden waren) 
erhielten Waffenröcke und Beinkleider in den bisherigen Farben und 
den Tschako der Infanterie. Die Ingenieure und Gencralstabs-Offiziere 
erhielten blaue und grüne Waffenröeke, graue Beinkleider und Hüte, 
bei ersteren mit schwarzen, bei letzteren mit hellgrünen Federbüsehen. 

Die Kurtka der Ulanen wurde durch die Ulanka ersetzt, an der 
übrigen Adjustirung aber wenig geändert. Die Helme verloren die 
Raupen und erhielten eine gefälligere und bequemere Form. Die 
Kürassiere und Dragoner erhielten Waffenröcke von weifser Farbe 
und blaue Pantalons, die Cheveauxlegers weifse und grüne Röcke mit 
blauen und grünen Beinkleidern. Bald darauf erhielten sämmtliche 
Cheveauxlegers grüne Röcke und einige Monate später wurden 
diese Regimenter bis auf das 4., welches die Uniform beibehielt und 
ein Dragoner-Regiment wurde, in Ulanen umgewandelt, so dafs die 
österreichische Kavallerie nur noch aus Kürassieren, Dragonern, Ulanen 
und Husaren bestand. Über dem Rocke konnte ein Spenser mit um- 
geschlagenem Kragen oder die Winter-Ulanka (bei den Offizieren mit 
einem Kragen von rotem Felber) getragen worden. Der Mantel war 
bei der ganzen Kavallerie weifs. 

Die gröfste Umgestaltung erfuhr der Anzug der Husaren. Der 
Attila und der Pelz waren vom mit nur fünf Schnüren (bei den 
Offizieren von Gold) besetzt und waren die Beinkleider von derselben 
Farbe. Sechs Regimenter waren dunkel-, sechs lichtblau mit roten, 
grünen und weifsen Tschakos und gelben oder weifsen Knöpfen ad- 
justirt. Die Husaren-Offiziere a. D. behielten die kirschrote Uniform, 
die nach der neuen Form umgestaltet wurde. 

Der Galarock der Generale erhielt einen roten Kragen mit breiter 
Goldtresse und blieb das Übrige ziemlich ungeändert. Der Paletot war 
rot gefüttert und wurden zur Kampagne graue Beinkleider mit breiten 
roten Streifen getragen. Die Generale mit ungarischer Uniform trugen 
in Gala roten Attila, weifsen Pelz, rote Beinkleider und Kaipak, als 
Kampagne-Uniform einen hechtgrauen reich verschnürten Attila und 



Digitized by Google 



214 Zur Geschichte der Adjiwtirung der österreichischen Armee. 

dergleichen Pelz, der aber nur umgehängt getragen wurde, graue 
Beinkleider mit roten Streifen und einen reich verzierten Tschako. 
Der Mantel war weifs. 

Ein Hauptfehler aller früheren Adjustirungen war, dafs die ver- 
schiedenen Chargengrade ungenügend oder garnicht kenntlich waren, 
denn selbst bei jenen Truppen, welche den Tschako trugen, konnte 
man den Lieutenant nicht von dem Oberlieutenant, bei den übrigen 
Truppen auch nicht von dem Hauptmann oder Rittmeister unter- 
scheiden. Der Major trug dieselbe Uniform wie der Oberst und der 
Rock des Feuerwerkers glich jenem seines Hauptmanns. Der Unter- 
offizier aber unterschied sich bei mehreren Truppen nur durch den 
Stock oder das Rohr von der übrigen Mannschaft. Diesem Übelstande 
wurde nun gründlich abgeholfen. Gleich nach den Märztagen 1848 
wurden die Röhre und Stöcke (der Gebrauch der letzteren jedoch 
erst *20 Jahre später!) abgeschafft und an deren Stelle als Grad- 
abzeichen vorläufig Litzen von weifser Wolle eingeführt. Die Offiziere 
und Stabsoffiziere hatten je nach den Knöpfen silberne oder goldene 
Litzen, an deren Stelle bei Einführung der neuen Uniform Sterne 
traten. Diese Abzeichen bestehen noch jetzt und tragen der Gefreite, 
der Lieutenant, der Major und der General-Major je einen Stern, die 
folgenden Chargen zwei oder drei Sterne auf dem Rockkragen. Der 
Feldmarschall hat auf dem Kragen und den Aufschlägen keine Tressen 
und Sterne, sondern eine Goldstickerei. 

Von den zu dieser Zeit neuerrichteten Korps verdienen die 
Sanitätstruppe und die Gendarmerie besondere Erwähnung. 
Erstere hatte dunkelgrüne Röcke, graue Beinkleider und Tschako und 
schwarzes Riemenzeug. — Aus den Resten der unter der französischen 
Herrschaft bestandenen Gendarmerie in Italien war daselbst zuerst 
eine Abteilung und 1820 ein Regiment errichtet und mit grünen 
Fracks und Sturmhüten bekleidet worden. Im Jahre 1848 löste sich 
dieses Regiment beinahe auf. Es wurden nun 1850 in der ganzen 
Monarchie lfi Gendarmerie -Regimenter aufgestellt. Die Gendarmen 
trugen grüne Röcke mit rosenrotem Vorstofs, Epaulets, Fangschnüren 
und Unteroffiziersabzeichen, weifses Riemzeug, graue Beinkleider, 
Pickelhauben (die Berittenen mit Rofshaarbusch) und Gewehre mit 
grünen Tragriemen. Nach dem Muster dieser Gendarmen war die 
Leibgarde-Gendarmerie errichtet worden, nur waren Fangschnüre 
und Epaulets von Gold und wurden zu Pferde weifse Hosen und 
Kourier8tiefel getragen. 

Auch die Uniform der anderen Garden wurde und zwar sehr 
effektvoll umgestaltet. Die Farben wurden beibehalten, aber die 
Waffenröcke eingeführt. Die Arcieren- Garde erhielt süberne Helme 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der östcrreichiHchen Armee. 



215 



mit weifsen Rofshaarbüschen, die Trabanten-Garde und llofburgwacho 
Pickelhauben mit weifsen und schwarzen Büschen. Die 1848 auf- 
gelösten ungarischen und italienischen Leibgarden wurden nicht wieder 
errichtet. 

Das Tragen der Zivilkleider wurde nur bei Reisen ins Ausland 
und den Offizieren des Ruhestandes gestattet. 

Es war wie schon bemerkt die neueüniformirung der österreichischen 
Armee eine parademäfsige und jedenfalls zweekmäfsiger als die frühere. 
Da in den südlichen Garnisonen der Anzug der Offiziere im Sommer 
zu unbequem war, so wurde 1857 das Tragen von Waffenröcken aus 
Zwilch (Kittel) gestattet. 

Dennoch erwies sich die Bekleidung der Armee im Feldzuge 1855) 
als ungenügend, wenn auch die Nachteile wahrscheinlich sehr über- 
trieben wurden und man die Erschöpfung der Truppen weniger der 
mangelhaften Verpflegung und anderen näher liegenden Ursachen als 
dem warmen Waffenrock und schweren Gepäck (die übrigens beide 
sehr bald abgelegt wurden), sowie der schweren Kopfbedeckung und 
der beengenden Halsbinde zuschrieb. So befand sich denn unter den 
nach dem Kriege durchgeführten Reformen in erster Linie auch eine 
Änderung der Adjustirung, wobei auf möglichste Erleichterung und 
Ersparung gesehen wurde. 

Die Kürassiere legten die Kürasse ab, worin Österreich that- 
sächlich den anderon Armeen voranging und wurden die kostspieligen 
und weithin sichtbaren Schabraken der Offiziere abgeschafft. Die 
Röcke der Fufstruppen und der Artillerie erhielten statt des stehenden 
einen umgelegten Kragen und statt zwei Knopfreihen nur eine Bei 
mehreren Truppen wurde eine Art Blouse oder wenigstens für die 
Mannschaft eine Weste mit Ärmel eingeführt. Der Mantel wurde 
nicht mehr gerollt getragen, sondern nach dem 1840 abgesehenen 
russischen Vorbilde auf dem Marsche über diese Weste oder den Rock 
angezogen. Die Feldbinde hing von der Schulter zur Hüfte hinab 
und markirte also den Offizier in recht auffälliger Weise, was 18G4 
sehr fühlbar empfunden und deshalb abgeschafft wurde. 

Dagegen erhielt die Artillerie Beinkleider mit breiten roten Streifen, 
Tschakos mit Rofshaarbüschen und die Offiziere aulser der Feibinde 
Kartouchen. Vier Dragoner-Regimentor wurden in Kürassioro (ohne 
Kürafs) umgewandelt, zwei aufgelöst und zwei grün adjustirt. Die 
Husaren erhielten an Stelle des Tschako eine Kutsma (niedriger Kaipak 
ohne Schirm) und eine angeblich nationale, jedoch schon vor 200 Jahren 
bei deutschen Truppen übliche Halsbinde mit Fransen. Die Regimenter 
der Freiwilligen Husaren und Ulanen waren in ganz abweichender 
Weise adjustirt worden. Letztere waren mit Litewka und Pumphosen 



Digitized by Google 



21() Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 

von lichtblauor Farbo, oiner niedrigen polnischen Mütze ohne Schirm 
und braunem Mantel bekleidet. Überhaupt wurde bei den Ulanen in 
den nächsten Jahren Manches geändert und wurden 1865 die seidenen 
Fähnchen an den Picken abgeschafft. Bei der Generalität, dem General- 
und Geniestabe, den Ärzten u. s. w. wurde fast Nichts geändert. 

Es war natürlich, dafs boi der gänzlichen Umgestaltung der Armee, 
welche das Jahr 18GG nach sich zog, auch das Äufsere der letzteren 
gänzlich verändert wurde. Es war aber diese Umformung bei der 
beabsichtigten Dreiteilung der Armee (stehendes Heer, österreichische 
und ungarische Landwehr) ein schwieriges Werk, da man die nationalen 
Traditionen und Neigungen in noch höherem Mafse als früher berück- 
sichtigen zu müssen glaubte und dennoch eine möglichste Gleich- 
förmigkeit erzielen wollte. Nach einigen sehr unbefriedigend aus- 
gefallenen Versuchen kam eine neue, wegen Unvollkommenheiten 
allerdings schon viefach abgeänderte, aber in ihren Grundzügen noch 
jetzt bestehende Adjustirung zur Einführung. Im Allgemeinen waren 
Einfachheit, möglichste Ersparung der Kosten, Erleichterung des Ge- 
wichtes, Bequemlichkeit und Vermeidung der allzu auffälligen Farben, 
sowie möglichste Gleichförmigkeit trotz Beibehaltung der „historischen 
Eigentümlichkeiten" die Ziele, welche man angestrebt, jedoch nicht 
immer erreicht hatte. Mit Ausnahme der Generalität und der Garden, 
bei welchen nur der Schnitt der Uniform etwas geändert worden war, 
hatte die Armee ihr parademäfsiges Aussehen und so manche ihrer 
sie von den Truppen anderer Staaten unterscheidenden Eigentümlich- 
keiten verloren. 

Das „historischo Weifs" verblieb nur bei der Gala-Uniform der 
Generale und wurde bei der Infanterie durch die dunkelblaue, bei 
der Kavallerie durch die lichtblaue Farbe ersetzt. Da die Miltärgrenze 
partienweise dem ungarischen Gebiete einverleibt wurde und die Auf- 
lösung der Grenz-Regimenter nach einigen Jahren beendet war, blieben 
nur der Artillerie und dem Fuhrwesen (gegenwärtig Traintruppe) die 
braunen Röcke und bei den Ulanen und Dragonern mufste die 
grüne Farbe der lichtblauen Platz machen. Die weifsen Mäntel 
der Kavallerie wurden durch dunkelbraune, die „russisch"-grauen 
Mäntel der übrigon Trappen durch blaugraue ersetzt. Die gloiche 
Farbe erhielten die Boinkleider, welche von der Mannschaft einiger 
Truppengattungen, sowie als Kommodanzug einiger Offiziere getragen 
wurden. Der Rock mit einem ganz niedrigen Stehkragen und bei 
der Infanterie der Tschako wurden nur zur Parade getragen und war 
die dunkelblaue (bei der Artillerie braune) Blouse oder ein gleich- 
farbiges Ärmelleibel und die Feldkappe der für Märsche und den 
Felddienst vorgeschriebene Anzug. Die Jäger behielten die hecht- 



Digitized by Google 



Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. '211 

grauen Röcke und Hosen, ebenso die Pioniere. Auch der blaue Anzug 
der Genietruppen wurde beibehalten. 

Auch die verschiedenfarbigen Aufschläge der Infanterie beliofs 
man und wurde deren Zahl noch vermehrt, als 1883 die Errichtung 
von 22 neuen Regimentern erfolgte. Die Beinkleider der Artillerie, 
des Fuhrwesens und der Infanterie waren lichtblau, doch waren bei 
den beiden ersteren so wie bei der Kavallerie Stiefelhosen eingeführt. 
Auf dem Marsche und im Felde wurden auch für die Generale und 
Stabsoffiziere Stiefelhosen vorgeschrieben. 

Es gab nunmehr drei Gattungen Kavallerie, Dragoner, Husaren 
und Ulanen, welche sämratlich — bis auf 8 Husaren-Regimenter mit 
dunkelblauen Pelzen — lichtblaue Röcke, die nach Husaronart über 
die Schulter gehängt getragen wurden, und — rote Hosen erhielten. 
Die dunkelblaue Blouse war auch hier das Hauptstück und es hatten 
die Husaren (mit Ausnahme der Offiziere) bis vor einigen Jahren gar 
keine Attilas. Zu dieser Zeit wurden bei den Dragonern und Ulanen 
die Blousen abgeschafft und Winterröcke mit Pelzbesatz eingeführt. 
Da übrigens die Adjustirung ohnedem den Lesern als hinlänglich be- 
kannt angenommen werden darf, so erscheint die Anführung von 
Details überflüssig. Aber es war auch die Bekleidung beider Land- 
wehren festzustellen. In Ungarn war man bald fertig. 

Hier gab es nur Infanterie und Husaren. Für Beide wurden 
dunkelblaue Attilas mit roten (bei den Offizieren goldenen) Schnüren, 
rote Hosen und rote mit dem ungarischen Wappen gezierte Tschakos 
eingeführt. Ein kroatisches Ulanen-Regiment wurde sehr bald in ein 
Husaren-Regiment umgewandelt. An dieser Adjustirung wurde seither 
festgehalten. Nur wurden klugerweise die roten Hosen der Infanterie 
durch blaue ersetzt. 

Anders war es bei der österreichischen Landwehr, die in Infanterie, 
Schützen, Tiroler Landesschützen, dalmatinische Landwehr, Dragoner, 
Ulanen und berittene Schützen in Tirol und Dalmatien sich gliedert. 
Tschako oder Hut und Waffenrock waren bei den Fufstruppen nur 
für die Offiziere vorgeschrieben und war die Mannschaft mit blau- 
grauen Kappen und Hosen, dunkelblauen, hechtgrauen, braunen 
und blauen Blousen und Ärmelwesten mit roten und grünen Auf- 
schlägen bekleidet und namentlich die dalmatinische Landwehr sehr 
national kostümirt. Die Ulanen und Dragoner glichen jenen des 
stehenden Heeres und die berittenen Schützen mit geringen Ab- 
weichungen der Fufstruppe der Landwehr von Tirol und Dalmatien. 
Nach und nach erhielten jedoch sämratliche Fufstruppen die bisherige 
Adjustirung der Schützen, nämlich hechtgraue Waffenröcke und 
Blousen, was auch hinsichtlich der berittenen Schützen geschah. 



Digitized by Google 



2]8 Zur Geschichte der Adjiwtirung der österreichwehen Armee. 

Auch die Landsturm-Truppen — wenigstens die Auszug-Bataillone — 
durften, soweit die Vorräte ausreichen in gleicher Weise bekleidet 
werden. So ist also bei den beiden Landwehren eine Gleichförmigkeit, 
wie sie bisher nicht zu finden war, hergestellt. 

Indessen beschäftigt man sich schon seit längerer Zeit mit einer 
durchgreifenden Umgestaltung der Adjustirung auch des stehenden 
Heeres und sind bereits sehr verschiedene Muster vorgelegt worden. 
Gewichtige Stimmen haben auf das Beispiel der österreichischen 
Landwehr hingewiesen und die Annahme der hechtgrauen, als einer 
sehr dauerhaften, für den Felddienst besonders praktischen und der 
österreichischen Armee eigentümlichen Farbe empfohlen. Es mufs 
bemerkt werden, dafs diese Idee schon einmal und zwar kurz vor 
Einführung der gegenwärtigen Adjustirung auftauchte, aber ob ihrer 
nichts weniger als geschickten Inangriffnahme scheiterte. 

Ein Bataillon eines damals (1868) in Wien garnisonirenden 
Infanterie-Regiments wurde nach diesem Vorschlage bekleidet. Der 
Anzug bestand in einer hechtgrauen Blouse mit orangegelbem 
Kragenbesatz, einer blaugrauen Kappe, einem rohledernen Leib- 
riemen zum Tragen des Bajonnetts und der Patronentasche, einem 
Tornister aus meist rotbraunem Kalbfell oder grauer Leinwand 
und ziemlich weiten krapp roten Hosen. Dazu kam noch bei einigen 
Leuten die aus hochroten Quasten und Schnüren bestehende Schützen- 
auszeichnung auf der Brust. Zu dieser an sich höchst unzweckmäfsigen 
und das Auge beleidigenden Farbenzusammenstellung gesellte sich die 
mangelhafte Qualität der eingelieferten Stoffe, so dafs die Monturen 
schon nach kurzer Tragzeit ein noch fragwürdigeres Aussehen bekamen. 

Vielleicht ist man bei einem neuerlichen Versuche mit der Aus- 
wahl und Zusammenstellung der Farben glücklicher und es könnte 
dann die schon wiederholt, aber vergebens angestrebte Gleichförmig- 
keit der Bekleidung der österreichischen Armee zu Stande kommen. 
Freilich würde sich dann die ungarische Landwehr in noch auf- 
fälligerer Weise von den übrigen Truppen unterscheiden. — Noch 
ist bis jetzt nichts entschieden worden, doch kann schon die nächste 
Zeit eine grofse Umwandlung bringen! 



Digitized by Google 



XVII. 



Die Wiener Ausstellungen*). 



Wohl selten sind zu gleicher Zeit und an demselben Orte so viele 
Ausstellungen veranstaltet worden, als es in diesem Jahre in Wien 
der Fall war. Da ist in erster Linie die „internationale Kunst- 
ausstellung", hochinteressant für Künstler, Kunstkenner und auch 
für den Laien. Ähnliches gilt von der in dem österreichischen Museum 
für Kunst und Industrie etablirten „Ausstellung der bei dem 
jüngst abgehaltenen Karoussol getragenen prachtvollen 
Kostüme". Die Namen der Persönlichkeiten, von welchen diese 
Kostüme getragen wurden, verleihen denselben eine erhöhte Bedeutung. 
Dann die „Ausstellung der Wiener Möbelindustrie" in den 
Räumen der Gartenbaugesellschaft. Ferner die (von Privatunter- 
nehmern geleitete) „ethnologisch-zoologische Ausstellung der 
Lappländer" im Prater und ab und zu die nur wenige Tage 
währenden „Pferde-", „Geflügel-", „Hunde-" und andere Aus- 
stellungen. 

Die bedeutendsten, aber auch die einzigen für den Militär ein 
besonderes Interesse besitzenden Ausstellungen sind jedoch die in dem 
k. k. Belvedere und jene in der Rotunde (Weltausstellung 1873) im 
Prater. Erstere enthält die von dem Erzherzog Franz Ferdinand 
de Este auf seiner am 15. Dezember 1892 von Triest angetretenen, 
ein Jahr währenden Reise um die Erde erworbenen Gegenstände. 
Sie ist nicht nur durch ihre grofse Reichhaltigkeit — Dank den von 
diesem Prinzen aus seinem reichen Privatbesitze aufgewendeten be- 
deutenden Mitteln — sondern durch die sinnvolle und übersichtliche 
Anordnung und den geradezu mustergiltig verfafsten Katalog beachtens- 
wert. Die eine in siebzehn Sälen untergebrachte Abteilung zeigt von 
Menschenhand gefertigte Gegenstände aus den von dem Erzherzog 
durchreisten Ländern und von auf der untersten Stufe stehenden 
Völkern wie von den eine uralte Kultur besitzenden Indiern, Chinesen 
und Japanern herstammend, Alles genau nach der bei der Reise ein- 

. *) Die Ausstellungen sind am 1. Juli d. J. geschlossen worden. 



Digitized by Google 



220 



Die Wiener Ausstellungen. 



gehaltenen Route geordnet. Es sind nahezu 18 000 Objekte. Hier 
finden sich zuerst Erinnerungen an Aden und den afrikanischen Stamm 
der Somali, Ceylon, Nepal und Vorderindien, sowie aus Persien und 
Afghanistan, dann Benares, Jopore, Kaschmir, den Himalayastaaten 
und Hinterindion. Die verschiedensten Haus-, Jagd- und Fiseherei- 
geräte, Kleidungsstücke und Stoffe, Musikinstrumente, Gefäfse, Er- 
zeugnisse der darstellenden Kunst, an Ort und Stelle aufgenommene 
bildliche Darstellungen, aber auch kostbare Schmucksachen, Reitzeuge 
und namentlich ebenso solid ausgeführte als reich verzierte Waffen 
älterer und neuester Zeit sind in reichster Auswahl zu sehen. Die 
aus Annam und Tonkin stammenden Stücke (darunter die zierlichsten 
Nippsachen und sehr künstlich gefertigte Marionetten) beweisen, dafs 
diese Länder der ihnen aufgenötigten französischen Zivilisation nicht 
gar so dringend bedurften. Sehr gut sind auch die Molukken, 
namentlich Java und die bei Sumatra gelegene Insel Nias vertreten. 

Der zehnte Saal birgt ein Modell des Rammkreuzers „Kaiserin 
Elisabeth ', auf welchem die Tour von Tricst bis Yokohama gemacht 
wurde und als belehrende Beigabe eine Sammlung von Detailkarten, 
Plänen und Photographien der ganzen Reiseroute. 

Von Australien finden sich Gegenstände aus Neu-Kaledonien und 
von den Salomonsinseln , Neu-Guinea, den Bismarck -Inseln u. s. w. 
Überreich ist die Sammlung an Stücken aus China und Japan, darunter 
nicht nur Porzellane, Lack-, Flecht- und Schnitzwaren sondern auch 
herrliche, alle europäischen Erzeugnisse dieser Art übertreffenden 
Bronzen und Erzeugnisse der bereits sehr entwickelten Waffenindustrie 
Japans. Auch Nordamerika ist nicht vergessen. 

Die zweite Abteilung, die zoologische Sammlung, befindet sich im 
Erdgeschofs und enthält Sehenswürdigkeiten, welche in manchem 
renommirten zoologischen Museum vergeblich gesucht werden. Die 
ganze Sammlung zeichnet sich nicht nur durch ihre grofse Reich- 
haltigkeit und die wohlbedachte Einreihung der ausgestellen Gegen- 
stände, sondern auch dadurch von andern Ausstellungen sehr vorteil- 
haft aus, dafs sie eben nur Das enthält, was ihr Titel besagt! Da 
sind keine fremden Objekte, auch wenn dieselben zur Ausfüllung des 
Raumes und zur gröfseren Anlockung des schaulustigen Publikums 
beitragen könnten, eingereiht und namentlich Keiner jener professions- 
mäfsigen Ausstellungsbeschicker, die aus gewerblichen oder andern 
Rücksichten fast bei jeder Ausstellung, dieselbe mag welch immer 
für einen Namen haben, mit ihren zuweilen recht fragwürdigen Ob- 
jekten zu erscheinen pflegen, zugelassen worden. Eben darum erfreute 
sieh aber diese Ausstellung nur eines verhältnifsmäfsig wenig zahl- 
reichen und zum grofsen Teil der vornehmen und gelehrten Welt 



Digitized by Google 



Die Wiener Ausstellungen. 



221 



angehörenden Besuches, und eben darum sind die Berichte vieler 
Wiener Zeitungen wohl sehr anerkennend, aber auch ziemlich kurz 
abgefafst. Der Wien besuchende Fremde aber wird gewiis den Be- 
such dieser wahrhaft sehenswerten Ausstellung nicht versäumen. 

Ganz anders verhält es sich mit der Ausstellung in der Rotunde. 
Dieselbe steht unter dem Protektorate des Gründers der vorberührten, 
nämlich des Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich- Este, 
und führt den Titel: „Internationale Ausstellung für Volks- 
ernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrs- 
mittel in Verbindung mit einer Sportausstellung." In den 
Zeitungen findet man öfter: „Ausstellung für Volksernährung und 
Armeeverpflegung etc. u Und es ist dieses ganz passend, da etc. 
noch mehr bedeuten kann, da die Ausstellung noch weit mehr enthält, 
als selbst der erwähnte langatmige Titel besagt. Es mufs jedoch 
gleich bemerkt werden, dafs man auf eine gröfsere Zahl von Aus- 
stellern gerechnet haben mag oder dafs wenigstens ein Teil der an- 
gemeldeten Aussteller bis jetzt sich nicht eingefunden hat, da noch 
viele Lücken zu bemerken und manche Wände blos mit Annoncen, 
bildlichen Darstellungen von Fabriken u. dgl. bedeckt sind. Auch 
haben viele Staaten die Ausstellung gar nicht oder wenigstens die 
Hauptzweige derselben nicht beschickt, so dafs die Bezeichnung 
„international" nur in beschränktem Sinne genommen werden 
darf. Auch ist die Anordnung keineswegs sehr übersichtlich, da 
weder alle in dasselbe Fach einschlägigen Objekte, noch die von einem 
Lande eingesendeten Gegenstände beisammen sind, was freilich den 
Raumverhältnissen und der Nachahmung des bei früheren Aus- 
stellungen an diesem Orte beliebten Modus beigemessen werden darf. 
Auch sind viele Gegenstände — eben von den gedachten Allerwelts- 
Ausstellern zu finden, welche Objekte weder mit dem Titel der Aus- 
stellung, noch mit irgend einer Gattung des Sports in Verbindung zu 
bringen sind. 

Würde man die Ausstellung blos auf „Volksernährung und 
Armeeverpflegung" und allenfalls auf „Rettungswesen" beschränkt 
haben, so würde das, was davon vorhanden ist, einen imponirenden 
Eindruck üben. (Das „Verkehrswesen" ist nur in einigen Zweigen 
und auch da nur unvollständig vertreten.) Demungeachtet würde 
man Unrecht thun, wenn man die hohe Bedeutung der Ausstellung 
bestreiten wollte. Aber es wird das Auge des Beschauers durch die 
vielen nicht hierher gehörigen Gegenstände und durch die ganze An- 
ordnung beirrt, und selbst nach wiederholten längeren Besuchen ist 
es schwierig, einen Überblick über die Entwicklung des einen oder 
anderen Zweiges der Ausstellung, z. B. der „Armeeverpflegung" zu 



uigii 



Die Wiener Ausstellungen. 



gewinnen. Selbst die „Sportausstellung" — die aber auch nicht an 
einem Orte vereinigt ist — würde für sich allein einen grösseren 
Effekt erzielen. Bei der unbestreitbaren Reichhaltigkeit der Aus- 
stellung gestattet der dem Verfasser zugemessene Raum keine detaillirte 
Aufzählung der ausgestellten Gegenstände, und es sollen daher die 
verschiedenen Fächer in ganz allgemeinen Zügen skizzirt werden. 

Die für den Militär das meiste Interesse bietende „Armee Ver- 
pflegung 4 ' wird sowohl von den betreffenden Staatsanstalten als 
von zahlreichen Privatunternehmern (deren Namen schon der Kürze 
wegen und um nicht in den Verdacht einer beabsichtigten Reklame 
zu kommen nicht angeführt werden) repräsentirt. In vielen Fällen 
steht dieselbe jedoch mit den Gegenständen der „Volksernährung 44 in 
so innigem Zusammenhango, dafs beide nur schwer von einander zu 
trennen sind. Leider konnte auch hier nicht alles an einem Orte 
vereinigt werden. Das interessanteste befindet sich vor dem West- 
portal der Rotunde und in dieser selbst. Hier sieht man die von 
dem k. u. k. Verpflegungsmagazin erbauten Garnisons- und Feld-Back- 
öfen, welche periodenweiso in Betrieb gesetzt werden, und eine bedeutende 
Zahl von Brod- oder Zwiebackportionen (5000—6000 bei verstärktem 
Betriebe nahezu das Doppelte) in einer Heizung herstellen können. 
Dann fahrbare und zerlegbare Feldbacköfen, teils bereits eingeführt, 
teils von verschiedenen Erfindern projektirt, Kochherde und Koch- 
apparate für ganz kleine Abteilungen bis für 500 Mann, zerlegbare 
Feldküchen, ein vollständig eingerichtetes Offiziers-Menagezimmer. Die 
Konserven, welche sowohl von den k. und k. Verpfiegsmagazinen als 
von zahlreichen Privatunternehmern ausgestellt wurden, imponiren 
durch ihre Vielfältigkeit und die Masse der aufgestapelten Waare. 
So ist beim Nordportal ein förmliches Blockhaus von Konservenbüchsen 
von einem Lieferanten errichtet worden. Ebenso finden sich Proben 
verschiedener Gattungen von konservirtem Fleisch (ohne Verpackung). 
Hierher dürfen auch die von einigen Bahnen und Waggonfabriken 
ausgestellten Fleischtransport-Waggons gerechnet werden, sowie Kühl- 
und Ventilirapparate für Proviantmagazine. Küchen, Spitäler und 
andere Räumlichkeiten. Komprimirte Fourage wurde nebst den dazu 
erforderlichen Pressen nach verschiedenen Systemen ausgestellt. 

Die Nachführung des Proviants für eine Armee ist zum grofsen 
Teile auf die von den Einwohnern beigestellten Wagen angewiesen 
und es ist die Kenntnifs der Leistungsfähigkeit dieser Fuhrwerke für 
die Intendcnz von ungeheurer Wichtigkeit. Die Zusammenstellung 
der in den verschiedenen Teilen der Monarchie üblichen Fuhrwerke 
war daher eine glückliche Idee. Diese Sammlung ist — obwohl 
keineswegs vollständig — bei der grofsen Verschiedenheit der Länder 



Digitized by Google 



Die Wiener Ausstellungen. 



223 



und Völker Österreich -Ungarns im hohen Grade interessant, zeigt 
aber auch, dafs bei der geringen Tragfähigkeit der Fuhrwerke in 
mehreren Provinzen und den schlechten Wegen daselbst der Armee- 
train aus viel mehr Fuhrwerken bestehen würde, als bisher an- 
genommen wurde. 

Hand in Hand mit der Armeeverpflegung geht — wie bemerkt — 
die „Volksernährung". Die Lebensmittelausstellung, wie diese 
Abteilung auch genannt wird, kann in einem so produktenreichen 
Staate nur sehr reichhaltig sein und man findet darum auch die ver- 
schiedensten Artikel von den auch dem Proletarier unentbehrlichen 
Lebensmitteln bis zu den ausgesuchtesten Delikatessen und Näschereien, 
Getränke aller Art, sowie auch Mineralwässer, allerhand Gesundheits- 
(auch Schönheits- !) Mittel u. s. w. Auch die Erzeugung und Auf- 
bewahrung vieler derartiger Artikel ist dargestellt. Besonders reich 
ist die ungarische Abteilung dieses Zweiges der Ausstellung. Leider 
aber hat das hohe magyarische Selbstgefühl der Aussteller (auch die 
deutschen Firmen!) getrieben, auf ihren Objekten und den Etiketten 
derselben nur die magyarische Sprache zu gebrauchen, was für die 
Mehrzahl der Besucher nicht sonderlich bequem ist. 

Besonders gut vertreten ist das „Rettungswesen" in allen 
semen Zweigen und dürfen damit auch die Gegenstände des Sanitäts- 
wesens (welches im Titel der Ausstellung nicht vorkommt) verbunden 
werden. Nicht nur haben die freiwilligen Rettungsgesellschaften von 
Wien und dessen früheren Vororten, sowie einiger anderen Städte ihre 
Fuhrwerke und Apparate, sondern auch die Spitalsverwaltungen, 
Kliniken, Arzte und Mechaniker, dann die k. und k. Sanitätstruppe 
die verschiedensten teils schon im Gebrauch befindlichen, teils von 
ihnen projektirten Kranken-Transportmitel, Bandagen und Instrumente 
ausgestellt. Auch das Feuerlöschwesen ist gut vertreten und haben 
die Berufs- und freiwilligen Feuerwehren ihre Löschapparate, Requisiten, 
Ausrüstung und Bekleidung, sowie die verschiedenen Rettungsapparate 
eingesendet und wird die Anwendung einiger dieser Gegenstände 
(ebenso bei dem übrigen Rettun gswesen) in anschaulicher Weise durch 
die dabei befindlichen lebensgrofsen Puppen dargestellt. 

Bedenkt man, wie ausgedehnt der Begriff „Verkehrswesen" 
ist, so kann man dasselbe nicht als besonders umfangreich, geschweige 
denn vollständig vertreten anerkennen. Es ist vielleicht erst nach- 
träglich in das Programm der Ausstellung anfgenommen worden und 
man findet fast nur jene Aussteller, die bei keiner Ausstellung fehlen. 
Etliche Eisenbahnwaggons (auch für Krankentransport), die für den 
Verkehr in der Aussellung selbst gelegten kurzen Geleisestrecken 
(Feldeisenbahn) sind fast Alles, was in Bezug auf Eisenbahnwesen 

Jahrbücher fttr die Doutsche Armee nnd Marine. Bd. YlUC, 2. 15 



Digitized by Google 



Die Wiener Aufteilungen. 



geboten wird. Dann sind einige Modelle der neuesten Schiffstypen 
des österreichischen Lloyd und der Donau -Dampfschifffahrt zu be- 
merken. Die Erzeugnisse der Wiener Wagenfabrikanten sind ihres 
alten Rufes würdig. Auch auswärtige Firmen haben Einiges ausgestellt, 
doch steht das Ganze an Zahl und Verschiedenheit dem bei ver- 
schiedenen anderen Ausstellungen Gebotenen weit nach. Dagegen ist 
das neueste Verkehrsmittel, das Fahrrad, durch ziemlich viele und 
schöne Exemplare vertreten. Es scheint dasselbe vielleicht zu der 
Sportabteilung gerechnet zu werden und ähnlich mag es sich mit den 
Schneeschuhen verhalten, obgleich wir auch diese den Verkehrsmitteln 
zuzählen. 

Nun noch die „Sportabteilung"! Wie vielerlei Arten des Sports 
auf der Ausstellung vertreten sind, ist schwer zu bestimmen. Einzelne 
Gegenstände sind von jeder Gattung zu finden, vollständig aber ist 
keine. Die Ausstellungsräume müfsten mindestens doppelt so grofs 
sein und hat man die Sache wahrscheinlich nur deshalb in die Aus- 
stellung aufgenommen, um dieselbe reichhaltiger zu machen. Da 
eigentlich jede Sache als Gegenstand des Sports betrachtet werden 
kann, so ist schwer zu bestimmen, welche Objekte zur „Sportausstellung" 
gehören. 

Dagegen sind auf der Ausstellung einige Fächer vertreten, welche 
in dem Titel nicht enthalten sind, aber für sich allein der Ausstellung 
Bedeutung und Anziehungskraft verleihen würden. Hierher gehört 
vorerst die Waffenfabrikation. Freilich sind es auch hier nur 
einige Fabriken (namentlich Loewe) und Firmen, welche ausgestellt 
haben, aber die vorhandenen Stücke sind durchaus beachtenswert. 
Auch die Fechtapparato verdienen Erwähnung. 

Die „Heeresausrüstung" ist in hervorragender Weise vertreten 
und es haben zahlreiche mit der Herstellung derselben sich befassende 
Firmen die Ausstellung beschickt und in der glänzendsten Weise ihre 
Leistungsfähigkeit dargethan, so dafs die Mitteilung, es werde die 
Heeresverwaltung in noch ausgedehnterer Weise als bisher die Aus- 
rüstung der Truppen von Privatunternehmern herstellen lassen, nicht un- 
begründet erscheint. Die üniformirung aller Chargengrade, Generalität, 
Offiziere und Mannschaft und aller Truppengattungen des stehenden 
Heeres und beider Landwehren sind ausgestellt. Man sieht weit über 
hundert lebensgrofse Puppen — ein Teil derselben zu Pferd als In- 
fanteristen, Jäger, Feld- und Festungsartilleristen, Pioniere, Dragoner, 
Husaren, Ulanen, Train- und Sanitätssoldaten, bosnische Infanteristen, 
Infanteristen, Landesschützen, Dragoner, Ulanen, sowie berittene 
Tiroler und dalmatiner Schützen der österreichischen und Infanteristen 
und Husaren der ungarischen Landwehr im Feld- und Paradeanzuge 



Digitized by Google 



Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 



2*25 



und sämmtliche Stücke der Ausrüstung genau nach der Vorschrift, aus 
solidem Material und zu billigen Preisen hergestellt. Desgleichen ge- 
sattelte und angeschirrte Pferde der Kavallerie, Artillerie und der 
Traintruppe. Auch einige projektirte Uniformen und Monturen, sowie 
mehrere Systeme tragbarer Zelte befinden sich unter den ausgestellten 
Gegenständen. Mehrere Veterinäre haben Hufbeschläge vorgelegt. 

Gleich neben der Briefmarken-Sammlung befindet sich eine von 
einem militärischen Spezial-Comitr, Buchhändlern und dem k. und k. 
Kriegs- Archiv (Abteilung des Reichskriegsministeriums), sowie von dem 
k. spanischen Kriegsministerium veranstaltete Ausstellung. Dieselbe 
enthält alte Drucke, Karten, Pläne, Zeichnungen und viele Adjustirungs- 
bilder — meist aus der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts. 
Hervorzuheben sind die von dem Kriegs-Archiv ausgestellten Objekte, 
zumeist alte Drucke und Urkunden, die sich auf die Verpflegung der 
Truppen beziehen, darunter eine von dem Herzog von „Mechlen- 
burg" (Wallen stein) erlassene Verordnung über die Geld- und 
Proviantgebüren seiner Offiziere und Soldaten. Auch ein „Feuerwerks- 
buch" aus dem fünfzehnten Jahrhundert (Sammlung des verstorbenen 
F. Z. M. v. Hauslab V) ist zu bemerken. 

Eine entsprechende Anordnung würde der Ausstellung nur zum 
Vorteile gereicht und dem Besucher einen leichteren Überblick gewährt 
haben. Unbedingt sind viele Gegenstände ausgestellt worden, welche 
nicht hierher gehören und den Blick des Beschauers beirren. Aber 
trotz Alledem war die Ausstellung sehenswert und bot dem Militär 
viel Interessantes und Belehrendes. D . . . . h. 



XYIII. 

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen, 



1. In den Handschriftensammlungen der Kgl. Bibliothek (Manusc. 
bor. fol. 309) fand ich folgenden nicht uninteressanten : „Extrakt des 
Berlinischen Zeughauses -Bestandes, d. 20. Dezember 1767": 

„80 501 Infanterie- Gewehre, davon 12 100 grofse, 2« 667 mittlere, 
39739 österreichische. 13(574 ordinäre Dragonerflinten; 327 gezogene 
Dragonerflinten. 13 000 Reuter-Karabiner. 7382 lange Husaren- 
Karabiner; 5613 kurze Husaren-Karabiner, 219 gezogene Husaren- 

15* 



Digitized by Google 



22t; Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 

Karabiner. 671 Jiigerbüchsen. 40 000 Pistolen. 16 000 Dragoner- 
Degen, 14 000 Reuter -Degen, 20 (XX) Husaren -Säbel, 293 Espontons, 
1207 Kurz-Gewehre, 957 Piken vor Grenadier -Unteroffiziere, 199 In- 
fanterie-Trommeln, 75 Dragoner-Trommeln." — über den Bestand an 
Geschützen macht der „Extrakt" keine Angaben. Bemerkenswert sind 
die hier namhaft gemachten gezogenen Dragonerflinten, bezw. Husaren- 
Karabiner. Bei den Dragoner- und Husaren- Regimentern wurde nämlich, 
was wenig bekannt sein dürfte, ein Teil der Mannschaft mit gezogenen 
Handfeuerwaffen ausgerüstet und auch im Schiefscn nach der 
Scheibe mit diesen ausgebildet. Es dies um so auffälliger, als die 
Infanterie den letzteren Dienstzweig überhaupt damals nicht kannte, 
dagegen um so eifriger im Feuer (d. h. mit Platzpatronen) exerzirte. 

Schbg. 

2. Preise von Rekruten in fridericianischer Zeit, über die- 
selben giebt folgendes Schreiben des Königs an den Generalmajor von 
Nassau, Chef eines Dragoner-Regiments (im Jahre 1806 Nr. 11), Aus- 
kunft: „Mein lieber General -Major von Nassau. Da zeithero unter 
denen Regimentern zum Öfteren ein Zweifel, auch wohl ein Disput 
entstanden, wie hoch ein Kerl nach seiner differenten Gröfse zu rechnen, 
wenn solchen ein Offizier dem anderen bezahlen soll, alsfs setze ich 
hierdurch ein vor allemahl nachstehende Taxe fest und will, dafs vor 
einen Mann von 6 Fufs 300 Thlr., von 5 Fufs 11 Zoll und darüber 
200 Thlr., von 5 Fufs 10 Zoll 150Thlr., von 5 Fufs 9 Zoll 100 Thlr., 
von 5 Fufs H Zoll 40 Thlr., von 5 Fufs 7 Zoll 20 bis 24 Thlr., von 
5 Fufs 6 Zoll 16 Thlr. jedesmahl gerechnet und soviel und nicht mehr 
bezahlet werden, auch vorgenannte Taxe überall ein beständiges 
Privilegium regulativum bleiben soll. — Ihr habet solches denen 
Kapitäns Eures Regimentes bekannt zu machen. — Berlin den 
29. Januar 1744. Friderich." Schbg. 

3. Eine gleiche Uniform für die Generale aller Truppen- 
gattungen wurde in Frankreich am 1. Februar 1744 unter König 
Ludwig XIV. durch den Kriegsminister Graf d'Argenson eingeführt. 
Bis dahin hatten sie sich beliebig gekleidet und meist wohl die Uni- 
form eines der Regimenter getragen, deren Chefs sie waren. In der 
betreffenden, von der „Revuo de cavalerie" in ihrem Februarhefte 
1893 abgedruckten Verfügung ist gesagt worden, dafs die An- 
ordnung erfolge, damit Jedermann die Träger der Uniform kenne und 
ihnen gebührende Ehrfurcht und Unterordnung bezeuge; es ward dabei 
befohlen, dafs sämmtliche Generallieutenants und Marechaux de Camp 
im Felde die Uniform anlegen sollten. Sie bestand in einem Rocke 
von königsblauem Tuche mit Besatz von Goldtressen, letzterer für die 
beiden Grade mit dem Unterschiede, dafs die Generallieutenants auf 



Digitized by Googl 



Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 



227 



Armein und Taschen eine doppelte, die Marechaux de Camp eine 
einfache Tresse hatten; von den übrigen Kleidungsstücken ist in dem 
königlichen Befehle nicht die Rede. — Gegen diese Anordnung orhob 
Einsprache der Graf Bercheny, General-Inspekteur der Husaren. Er 
wollte seinen Schnurrock nicht missen. In einem aus Diedenhofen, 
15. März 1744 datirten Schreiben an den Minister bittet er, ihm die 
ungarische Tracht zu belassen und begründet sein Gesuch damit, dafs 
er sagt „alle ankommenden ungarischen Überläufer verlangen in meinem 
Regiment zu dienen, weil ich der Einzige von ihrem Volke bin, den 
sie kennen, und weil die Gnaden, mit denen man mich hier überhäuft 
hat, mir einen Namen gemacht haben. Die Liebe zum Vaterlande ist 
ein allen Menschen gemeinsamer Zug; ein auf ungarischer Art ge- 
kleideter französischer General stellt eine Neuheit dar, welche zu 
gleicher Zeit die französischen Husaren erfreut und die ungarischen 
herüberzieht." Mit der Bitte, ihm seine Tracht zu belassen, vereinigt 
Bercheny mit möglichster Unbefangenheit eine zweite, dahingehend, 
dafs der König ihm gleichzeitig den Orden des heiligen Ludwig ver- 
leihen möchte. Er meint, wenn er sein ungarisches Kleid mit der 
Stickerei dieses Ordens, welche an Stelle des Sterns auf Leibrock und 
Mantel getragen wurde, schmücken dürfte, so würde man bis zu den 
Grenzen Siebenbürgens von ihm sprechen und er würde, wenn er den 
Orden erhielte, gern auf die mit der Verleihung verbundene Pension 
von 2000 Livres verzichten, es käme ihm nur darauf an, einer Aus- 
zeichnung teilhaftig zu werden, welche den König nichts koste und 
der gesammten gegenwärtig in Frankreich einen eigenen Stand bildenden 
ungarischen Nation unendlich schmeicheln würde. Das Gesuch um 
Beibehaltung der ungarischen Tracht wurde genehmigt ; daneben aber 
wurde Bercheny aufgegeben, sich die Uniform eines Marcchal de Camp 
zu beschaffen und dieselbe anzulegen, sobald er sich nicht bei seinen 
Husaren befände. Mit der Erlangung des Ludwigs-Ordens möge er 
sich noch gedulden; der Minister würde ihm denselben seiner Zeit 
verschaffen. Es geschah in der That. aber erst am 25. August 1753, 
daneben erhielt Bercheny eine Pension von 6000 Livres. Am 15. März 
1758 wurde er Marschall von Frankreich. 14. 



Digitized by l^oOQle 



XIX. 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



I. Ausländische Zeitschriften. 
Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. (XLVIII. Bd. 
7. Heft.) 1894. Die mobilen Belagerungs-Batteriegruppen (Hptm. Miksch). 

— Die Lehrthätigkeit des Infanterie- Hauptmanns. Besprechungen, gehalten 
mit den Kompagnie - Kommandanten (Major Ktfvess von Kövcsshäza). 

Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Uenie- 
wesens. 1894. (6. Heft.) Die Küstenbefestigung (Oberstlt. Frh. v. Lcithner). 

— Ubersicht der Versuche auf dem Gebiete des Artillerie- und Waffen- 
wesens. (Hptm. Haam). 

Armeen latt. (Österreich.) Nr. 21: Friedensthätigkcit und Kriegs- 
tüchtigkeit der Kavallerie. — Feldbacköfen mit Fahrgestellen. — Die 
Nähr- und Wehr -Ausstellung. — Der Lagerfestungsduscl auf dem Gotthard 
als Symptom. (Von Ingenieur Studer in Zürich). Nr. 22: Unser rauch- 
schwaches Geschützpulver. — ,,Der Angriff der Infanterie/' ein Auszug 
aus dem Skugarewski'schen Werke dieses Titels. Nr. 23: Der Sieg des 
Kladno'schen Kanonenmetalls. — Zum Studium des Verpflegswesens im 
Kriege vom optischen Standpunkte. Nr. 24: Die Theresianische Militär- 
akademie. — Die Nähr- und Wehrausstellung. 

Militär -Zeitung. (Ost erreich.) Nr. 19: Eine Strafsenscene. — 
Die Ausstellung in der Rotunde. — Durchschlagskraft des französischen 
Lebel- Gewehres. (Aus Mil.-W.- Blatt). Nr. 20: Zur Versorgung der 
Offizierswittwen und -Waisen. — Die königlich - ungarische Landwehr- 
Kavallerie. Nr. 21: Special-Fechtkurse. — Ein Wintermanöver. — Die 
Ausstellung in der Rotunde. Nr. 22: Die freiwillige Sanitatspflege des 
Deutschen Ritterordens. - Die ,.Neustädter. u — Die Ausstellung in der 
Rotunde. 

Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 627: Die blaue Hose. — Die 
Untoroffiziersfrage in Russland. — Die Putz'sche Prefshafer- Packung. 
Nr. 628: Russland und Bulgarien. — Das russische Manöver-Programm 1894. 
Nr. 629: Ein altes Lied und altes Leid. Bezieht sich auf die Ab- 
fassung der Qualifikations-Berichtc. Nr. 631: Ein türkisch -bulgarisches 
Reich? — Unsere Militär-Badeanstalten. Nr. 632: Die neue Ausrüstung 
der Infanterie- und Jäger- Pioniere. Nr. 633: Die Kavallerie des Heeres 
und der Landwehren. — Osterreich-LTngarn im neuesten Löbell (Jahres- 
berichte); die Berichterstattung wird stark bemängelt, es werden zahlreiche 
Unrichtigkeiten nachgewiesen. Nr. 634: Was wurde 1866 in Italien 



Digitized by Google 



Fmschau in der Militar-Litteratur. 



229 



unterlassen und worin gefehlt? (Bezieht sich auf die neuerdings erschienene 
Schrift „Betrachtungen über den Feldzug 1866 in Italien") — Das 
französische Heeres-Sanitätswesen. Nr. 635: Die nationale Verschiedenheit 
des öster. -ungar. Heeres. — Was wurde 1866 in Italien unterlassen etc. 
(Schlufs). Nr. 636:* Von unseren Militärärzten. — Die Kurden-Kavallerie 
„Hamidie.'' Nr. 637: Die neuen organischen Bestimmungen tür die 
Militär-Sanität. — Die russischen Plastun-Bataillone (Kosaken zu Fufs). 

Le gpectateur militaire. (15. Mai.) Die Ecole polytechnique. (Feierte 
am 11. März ihr 100 jähriges Jubiläum). — Die Bedeutung der Zahl. - 
Verschiedene Bemerkungen über das neue (Infanterie ) Exerzir-Reglement. 

— Der alte Armee-Etat (Forts.). — (1. Juni) Abrüstung und Rüstungen. 

— Die Bedeutung der Zahl (Schlafs). — Der alte Armee-Etat (Forts.). 

Revue d* Infanterie. (Juni.) Nr. 89: Geschichte der Infanterie in 
Frankreich (Forts.). — Gesundheitspflege der europäischen Kolonial- 
Truppen (Eorts.). — Die bedrohte Grenze (Forts.). — Das Militärsanitäts- 
wesen 1870. 

Revue de Cavalerie. (Mai 1894.) Die Verwendung der Kavallerie 
bei den letzten deutschen Kaisermanövern. (Scharfe Kritik derselben, 
besonders wird der Kavallerie mangelhafter Aufklämngs- und Sicherungs- 
dienst vorgeworfen). — Die italienische Kavallerie (Forts.). — Die 
Kavalleriemanöver von Blere (Schlufs). — Verstärkung und Kemontirung 
der Kavallerie bei der Grofsen Armee 1806—1807 (Forts.). — Plaudereien 
über Vollblut: das englische Vollblutpferd in der Armee. Jahrestag 
des Gefechts von San Pablo des 1. Regts. Chasseurs d'Afrique. 

Revue d'Artillerie. (Juni.) Allgemeiner Überbück über die 
Artillerie der Gegenwart; Denkschrift für den internationalen Ingenieur- 
Kongrefs auf der Ausstellung von Chicago, von Art. -Kap. Moch. — Das 
russische 3 Liniengewehr M/1891. — Rückblick auf die wichtigsten von der 
österreichischen Artillerie ausgeführten Versuche in den Jahren 1891 u. 1892. 

Revue de l'Intendance militaire. (März-April.) Der Zucker 
und die Zucker-Industrie (Forts.). — Über die Requisitionen während der 
Vendee-Kriege. — Über die civile Verantwortlichkeit der Armeelieferanten. 

Revue militaire universelle. (Juni.) Der Sezessionskrieg (Forts.). 
Xachtmärsche und Nachtoperationen (Forts.). — Technische Betrachtungen 
über die Umwandlungen der neueren Bewaffnung und ihre Verwendung 
im Gefecht. (Aus d. Italien, übers.). — Die französische Kavallerie von 
1800 bis 1815 (Schlufs). — Die Verpflegung der Armeen Friedrichs d. Gr. 
und Napoleons (Schlufs). 

Revue du cercle militaire. Nr. 21: Die Befestigungen des Gotthard 
(Anzug aus „Mitteilungen über Gegenstände d. Art.- und Genie- Wesens"). 

— Studie über Seetaktik. — Die Kasaken im XVI. Jahrhundert 
Nr. 22: Das italienische Gewehr M/1891 und die neue Schiefsvorschrift. 

— Studie über Seetaktik (Forts.). — Die Kasaken im XVI. Jahrhundert 
(Forts.). — Der Dowe'sche Panzer. Nr. 23: Der Schneeschuh und 
das Schneeschuhläufer-Korps in Schweden-Norwegen. — Das italienische 
Gewehr M/1891 und die neue Schiefsvorschrift. — Studie über Seetaktik 



Digitized by Google 



230 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



(Forts.). Hr. 24: Aus den Colonien: L'Etat-tampon du Mekong. - Die 
Schweizer-Armee 1893. — Studie über Seetaktik (Forts.). — 

L'Avenir militaire. Nr. 1895: Die alte Armee. — Die hundert- 
jährige Jubelfeier der „Ecole polytechnique." Kr. 1896: Artillerie der 
selbstständigen Kavallerie. Die Umwandlung von 28 Pontonnier-Kompagnien 
und 7 reitenden, an der Grenze dislozirten reitenden Batterien in fahrende 
Batterien wird streng getadelt. — Die Kongo-Konvention. Das Vorgehen 
der Engländer wird scharf verurteilt und zu energischen Schritten gegen- 
über England aufgefordert. Nr. 1897: Die Pontonniere und die Genie- 
truppe. General Cosseron de Villenoisy befürwortet hier ein Pontonnier- 
Regiment mit eben so viel Kompagnien als es Armeekorps giebt. Nr. 1898: 
Skelett-Batterien. Dem Kriegsminister wird empfohlen, vor Neu- 
formation von Batterien den geringen Etat der bestehenden Batterien zu 
beachten. Eine besonders günstig situirte Abteilung von 3 Batterien hat, 
nach Abzug der Abkommandirten, nur 128 Unteroffiziere und Mannschaften 
zum Dienst. — Die Armee des unabhängigen Kongo-Staates. Kr. 1899 : 
Budget der Schiffs-Konstruktionen. Im Jahre 1894 werden 52 neue Schiffe 
vollendet und in Dienst gestellt; 11 hofft man im Jahre 1895 zu vollenden, 
an der Vollendung von 16 anderen wird gearbeitet, 7 werden neu in 
Angriff genommen (!!). Kr. 1901: Das Pontonnier- Wesen und der Senat. 

Le Progres militaire. Kr. 1415: Unser Generalstab. Eine Vor 
minderung seiner Stärke wird befürwortet; das Patent zum Generalstabs- 
offizier hatten zu Anfang 1894 insgesammt 1322 Offiziere der aktiven 
Armee. — Unsere Feld-Artillerie. Das in Vorschlag gebrachte neue Ge- 
schütz hat 75 mm Kaliber, wiegt 500, Laffete mit Bremse 550 Kilo. Die 
Anfangsgeschwindigkeit soll, obwohl das Geschofs schwerer ist wie das 
des 90 mm Kalibers, eine bei Weitem gröfsore sein. — Kriegsbudget. VI. 
Nr. 1416: Unsere Schutztruppen. Behandelt besonders die Effektiv- 
stärken des an der Ostgrenze stehenden 6. und 7. Korps, die, da die 
Kompagnien 200 Köpfe zahlen, ausrücken können, ohne Reservisten abzu- 
warten. — Das Kriegsbudget. VII. Kr. 1417: Die neue Felddienstordnung. 
Wird gelobt; sie lehnt sich stark an die diesseitigen Vorschriften an, be- 
sonders bezüglich des Sicherheitsdienstes. — Kriegsbudget. VIII. Kr. 1418: 
„Combattre de pres"; eine Lanze für den Nahkampf. — Das Kriegs- 
budget. IX (Schluß). Kr. 1419: Die Militärverwaltung. — Die Kavallerie 
und das Dekret vom 11. Mai. (Behandelt die Zusätze zur neuen Feld- 
dienstordnung, die eine grofse Verbesserung desselben seien). Kr. 1420: 
Die reitende Artillerie und die Kavallerie. Kr. 1421: Der Krieg und 
Probe- Requisitionen (von Pferden); bezieht sich auf einen geplanten 
Mobilmachungs -Versuch. Kr. 1422: Unsere Streitkräfte und die Mobil- 
machung (Polemik gegen d. Aufsatz im Journal d. sc. m. „le nombre 1 *). 

L» France militaire. Kr. 3038: Die Fahnen. Der Maire von 
Avignon hat veranlafst, dafs die Fahnen der aufzulösenden beiden Pontonn.- 
Rgt. (das 1. steht in A., das 2. in Angers) in den Dom der Invaliden 
kommen. Verfasser hält es für rationeller, sie den Genie-Regim., welche 
den Dienst übernehmen, zu überweisen. Kr. 3039: Der kriegerische Geist. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



2:u 



Bezieht sich auf die allgem. Entwaffnung. Nr. 3041: Die teilweise Re- 
organisation der Artiii. u. des Genies. Gegnerische Ansichten von General 
Tricoche. Nr. 3043: Subdivisions - Schulen. Nr. 3044: Forts, der An- 
sichten von Tricoche in Nr. 3041. Nr. 3045: Die Rekrutirung der 
Offiziere in Frankreich. Von Oberst F. Robert. Nr. 3046: Verrat? 
Bezieht sich auf die „Turpinade." Nr. 3047: Forts, der Ansichten von 
Tricoche in Nr. 3041, 44. — Das neue Exerzir-Reglement der Infanterie. 
Tit. I. II. Nr. 3048: Unsere Unteroffiziere von Oberst F. Robert Nr. 3049: 
Die unabhängige Kavallerie. — Die Fufsjäger. - Militär-Telegraphie. 
Exerz.-Regl. der Infant. Tit. III. 

La lielgique militaire. Nr. 1206: Betrachtungen über die Truppen- 
verwendung bei den Manövern. — Der Entwurf einer Schiefsvorschrift für 
die Infanterie. Nr. 1207: Die Belgier am Kongo. — Die Infanterie- 
Taktik 1893. (Übers, des bez. Berichtes im neuesten Jahrgange der 
„Loebell'schen Jahresberichte k '). Nr. 1208: Die Kriegskunst auf der Ant- 
werpener Weltausstellung 1894 (Forts.). Nr. 1209: Vaterland! (Appell 
an den Patriotismus und entsprechende Erziehung der Jugend. — Unsere 
Helden. 

Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Mai.) 
Die Infanterie-Gewehr-Patrone, von Oberstlt. Rubin. — Betrachtungen über 
das Verhalten der drei Waffen im russisch-türkischen Kriege 1877/78, von 
Major Habicht (Forts.). — Einiges über die grofsen deutschen Manöver 
im vorigen Jahre, abgehalten bei Metz und bei Karlsruhe (Schlufs). — 
General v. Scherff und das deutsche Exerzir-Reglement für die Infanterie. 

— Rufslands Welirmacht (Forts.). 

Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 5: 
Der gegenwartige Stand der Schweiz. Landsturmfrage. — Contralverband 
der schweizerischen Artillerievereine. 

Revue militaire suisse. (Juni.) Die Maxim-Mitrailleusc bei unserer 
Kavallerie. — Militär-Reorganisation; Vorschläge des Oberst- Divisionär 
Meister. — Die Geniewaffe und der Militargesetzentwurf. Beiheft: Gesetz 
über die Truppen-Organisation (Entwurf). 

Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 21: Über selbst- 
ständige Kavallerie und Divisions-Kavallerie. Nr. 22: Die Teilung des 
6. französischen Armeekorps. Nr. 23: Neues Uber den Dowe'schen Panzer. 

— Militärisches aus Italien. Nr. 24: Die Wirkung der neuen klein- 
kalibrigen Geschosse. (Der bekannte Vortrag des Generalstabsarztes 
Prof. v. Coler auf dem medizin. Kongrefs in Rom). 

Army and Navy Gazette. Nr. 1791: Das neue Programm der 
Kriegs- A kademie. Besprechung der dadurch eingetretenen Neuerung, dafs 
den mathematischen Wissenschaftenein erhöhterWert gegenüber den geschicht- 
lichen, taktischen und sprachlichen Kenntnissen beigelegt ist. — Bazaine 
und Mac-Mahon. Eine Entgegnung auf den Aufsatz des Colonel Turner, 
der einen Vergleich zwischen beiden Marschällen zieht. Nr. 1792: 
Probleme der Kavallerie. Der Verfasser sucht nachzuweisen, dafs 
die Belastung des Pferdes durch den kriegsmafsig ausgerüsteten Kavalleristen 



Digitized by L^ooQle 



232 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



zu schwer ist, und macht Vorschläge zur Erleichterung der Ausrüstung. — 
Taktische Studien. Vortrag des Lieut. Col. Henderson, Lehrer an der 
Kriegsakademie, der die Grundsätze, nach denen der Offizier das Studium 
der Taktik betreiben soll, festsetzt. — Die Wirkung kleinkali briger 
Geschosse. Ein Militärarzt behauptet, dafs die Versuche der Durch- 
schlagskraft an Pferdeleichen sich nicht mit der Wirkung an lel>enden 
Menschen vergleichen lassen. Alle Verwundungen würden einen sehr 
günstigen Verlauf nehmen. — Die Alhambra-Neuigkeit. Die Wirkung 
des Dowe'schen Panzers als Schutzmittel wird besprochen. Nr. 1793: Die 
Armee im Jahre 1893. Der nunmehr erschienene officielle Bericht über 
das Heerwesen im vergangenen .Jahre wird mitgeteilt. Er enthält die 
Angaben über die Stärke, die Hekrutirung, die Entlassung und Desertionen 
(letztere 4800 Mann), die Armee-Reserve, die Miliz, die Volunteers und 
schliefslich allgemeine statistische Notizen. - Geschichte des schottischen 
Hochland-Regiments Black-Watch. (42. und 73. Linien-Regiment.) 
Das Regiment ist eins der ältesten und angesehensten der Armee, die 
Errichtung fällt in das Jahr 17*29. — Die Teilung Afrikas. Eine 
geographisch-politische Betrachtung über die Erwerbung grofser Länder- 
gebiete in Afrika seitens der europäischen Mächte ohne wirkliche Besitz- 
ergreifung. Als Beispiel wird die Erwerbung des Sudan angezogen, der 
sich auch jetzt noch in den Händen fanatischer Eingeborener befindet. 

Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 185: 
Der Volkskrieg an der Loire. Eine kritische Betrachtung des Major 
Weshan über das Werk des Hauptmann Honig. 

Journal of the United Service Institution of India. Nr. 115 : 
Der Korpsgeist, ein Hülfsinittel der Disziplin. Der Unterschied 
zwischen dem wahren Korpsgeist und dem Geiste, der nur Folge der An- 
gehörigkeit zu einem bestimmten bevorzugten Truppenteil ist und zur 
Uberhebung führt, wird besprochen. — Kasaken -Schwärme. Betrach- 
tungen über die Kampfart der Kasaken in aufgelöster Ordnung gegenüber 
geschlossenen Kavallerie-Massen. 

Kussischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine mili- 
tärische Nachrichten: Nr. 86: Kurzer Auszug aus den Berichten über 
die Übungen der Praporschtschiks der Reserve im Jahre 1892. Es waren 
diejenigen Praporschtschiks (Vizefeldwebel) der Reserve, welche im 
Jahre 1892 zu theser Charge befördert worden waren, zu einer sechs- 
wöchentlichen Übung einberufen; bei der Infanterie und Kavallerie be- 
standen die Übungen in Schiefsen, Kompagnie- (Eskadrons-)Exerziren, 
Feldwachtdienst, Entfernungsschätzen Eingraben mit dem kleinen Spaten 
und Felddienst; bei der Artillerie und den Ingenieuren war dement- 
sprechend die Ausbildung eine möglichst feldmäfsige, die Ergebnisse 
waren in allen Ausbildungszweigen, mit Ausnahme der taktischen Übungen, 
zufriedenstellende. Nr. 106 u. 107: Beschreibung der Ausrüstuugs- 
gegenstände für die Mannschaften der Garde-Infanterie. Die 
Garde-Infanterie hat eine neue Ausrüstung erhalten, welche aus Tornister, 
Stiefeltasche, Zwiebacksack, Mantelriemen , hölzerner Feldflasche, Becher. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär- Literatur. 



Spatenfutteral und Patronenbehälter beateht. Der weiche, viereckige 
Tornister wird aus schwarzem, wasserdichten Segeltuch gefertigt; er hat 
die Form einer länglichen Tasche, deren Seitenwände nach vorn abge- 
schrägt sind, mit abgerundeten Ecken; in den Tornister werden gepackt: 
2 Hemden, Unterhosen, 2 Paar Fufslappen, 1 Handtuch, 1 Paar Fausthand- 
schuhe, Gewehrzubehör in einem Sackchen, Putz -Utensilien in einem 
Säckchen, ein messingener, verzinnter Trinkbecher und ein Paar Stiefel 
im Stiefelsack. Auch letzterer ist aus wasserdichtem, naturfarbenen Segel- 
tuch gefertigt. An der linken Querseite des Tornisters wird durch zwei 
Schnallriemen die Zeltbahn mit Stock befestigt; die an der rechten Seite 
de» Tornisters vorhandenen Schnallriemen bleiben für den Notfall frei. 
An den Leibriemen werden angehängt: der Spaten im Futteral, die 
Patronentaschen und der Zwiebacksack mit 5 Pfund Zwieback; der 
Zwiebacksack besteht aus zwei einzelnen, in einander gesteckten Säcken, 
der äufserc aus wasserdichtem Segeltuch , der innere aus Fabrik- 
Leinwand. Der Spaten wird hierbei an der linken Seite, der Zwieback- 
sack an der rechten Seite, die Patronentaschen in der Mitte, nahe dem 
Leibriemenschlols, angebracht. Die hölzerne Feldflasche wird über die 
rechte Schulter gehängt, der gerollte Mantel wird, oberhalb des Tornisters, 
über der rechten Schulter getragen, das Kochgeschirr wird auf dem ge- 
rollten Mantel, bei angezogenem Mantel an der linken Seite des 
Tornisters befestigt. Nr. 109: Verordnung über die Kennen im 
Gebiete des Don- Heeres. Zur Hebung der Pferdezucht im Don-Heere 
werden jährliche Kennen eingerichtet, für welche zu Preisen aus dem 
Hceres-Kapital 1500 Rubel ausgesetzt werden; es werden Pferde aller 
Racen, mit Ausnahme von englischen Vollblutpferden, welche sich im Besitz 
von Bewohnern des Don-Gebiets befinden und in letzterem aufgezogen 
sind, zugelassen. Es werden zwei Rennen geritten; bei dem ersten 
(Preis 1000 Rubel) Entfernung 10 Werst, bei dem zweiten (Preis 
500 Rubel) Entfernung 5 Werst. Kr. 111 — 113: Änderungen und 
Krgänzungen der die Organisation der Bezirksstäbe betreffen den 
Bestimmungen. Das Wesentlichste dieser Anordnungen besteht darin, 
dafs die Chefs der Stäbe der Militärbezirke, welche bisher im Range eines 
Divisions-Kommandeurs standen, Rang und Rechte eines kommandirenden 
Generals erhalten haben, wodurch Unzuträglichkeiten, welche sich in den 
dienstlichen Beziehungen der Stabschefs der Militär- Bezirke zu den Korps- 
Kommandeuren ergeben hatten, l>eseitigt werden sollen. Aus dem gleichen 
Grunde hat bereits der Stabschef eines Armee - Koi ps Divisions- 
Kommandeurs-, der einer Division Regiments- Kommandeurs-Rang. 

Gröfsere Aufsätze: Nr. 86 — 90: Arbeiten der Chargen des 
Korps der Militär- Topographen. Arbeiten in Transbai kalien in dem 
der sibirischen Eisenbahn vorliegenden Gelände. Nr. 95: Das Früh- 
jahrs - Hundertwerst - Rennen. Am 1. Mai (a. St.) fand zwischen 
Zarskoje Sselo und Petersburg das zweite Hundertwerst-Rennen in diesem 
Jahre statt, an welchem 12 Offiziere teilnahmen. Der Sieger legte die 
Strecke in 6 Stunden, 7 Minuten, d. h. 18 Werst (19 km) in der Stunde, 



Digitized by Google 



234 



Umschau in der Militär - Litteratur. 



zurück; die ersten 3 Pferde brauchten weniger als 6'/ 2 »Stunde, das vierte 
Pferd 6 Stunden, 34 Minuten. Auch bei diesem Distanzritt, wie bei 
allen ähnlichen Gelegenheiton, zeigte sich die Überlegenheit des Blut- 
pferdes über das Steppenpferd; an Ausdauer fehlt es letzterem nicht, da- 
gegen auf kurzen Strecken an Schnelligkeit. Nr. 97 u. 98: Die Sommer- 
übungen der Truppen. Nr. 102: Ausflüge der Jagdkommandos 
der 23. Infanterie-Di vision. Nr. 110: Die Entwicklung der Seemacht 
der europaischen Grofsmächte zu Beginn des Jahres 1894. 

Russisches Ingenieur-Journal. März 1894. Nr. 3 Verteidigung 
von Landfcstungen. — Eine Küstenbatterie für 12 (»zeitige schwere und 
8 Schnellfeuergeschütze. — Die Beschäftigungen in den Pontonnicr- 
Batailloncn. — Zwei Typen von Wachttürmen. — Unterseeische Minen 
und Militä'r-Feld-Telegraphen auf der letzten Edinburger elektrischen Aus- 
stellung. — Vermischtes: Das befestigte Rumänien. — Einige Worte 
über das Oftizier-Korps der rumänischen Armee. — Das Ingenieur-Korps 
der serbischen Armee. — Eisenbahn- und Luftschiffer-Truppen in «1er 
deutschen Armee u. s. w. 

Wajennüj Ssbornik. 1894. Mai. Versuch einer Untersuchung über 
die Frage der Taktik der Massen-Heere. II. — Die Friedens-Manöver 
und ihre Bedeutung. IV. — Das moralische Element vor Sewastopol. IV. 
— Die Befehlsfülirung im Gefecht. Verf. kommt zu dem Ergebnifs, dais 
eine bestimmte Form des Befehles, welche sowohl für Offensive als auch 
für Defensive genügt, für die Befehlserteilung im Gefecht notwendig sei. 
Ein Beispiel, wie er es auch der R. Gefechts- Instruktion beigefügt wissen 
will, wird von ihm aufgestellt. Dasselbe enthält: 1. Ort der Befehls- 
Ausgabe und Zeit derselben, 2. Nachrichten über den Feind, 3. Auftrag, 
4. Sicherung der Flanken, 5. Ort des Artillerie-Parkes, 6. Ort des Haupt- 
Verband-Platzes, 7. die Bagage der 2. Staffel, 8. besondere Anordnungen, 
9. Aufenthalt des Kommandirenden während des Gefechtes. — Einige 
Worte über die Frage der besonderen Bildung der Ingenieur-Truppen. — 
Uber das Wesen des Offizierkorps der deutschen Armee. V. — Die Ein- 
richtung der Instruktoren der Lehr-Kommandos, bezw. Übungen der Grenz- 
wache wurde 1886 bei Einführung der, aus Anlafs der beabsichtigten Ver- 
wendung dieser Truppe im Kriege, notwendig gewordenen Sommer- 
Übungen getroffen. Damals befanden sich eine grofse Anzahl von Offizieren 
in der Grenzwache, welche durch ihre lange Abwesenheit aus der Front, 
oder durch ihre Unkenntnifs der Verhältnisse der berittenen Waffen nicht 
in der Lage waren, diese Übungen zu leiten. Diese Lage hat sich aber 
nunmehr zum Bessern geändert und ergeht hier aus der Truppe der 
"Wunsch, dafs die Unterstellung der einzelnen Sotnien etc. zum Zwecke 
ihrer militärischen Sommerausbildung unter besonders hierzu bestimmten 
Offizieren die Autorität der Kompagnie- bezw. Sotnien -Kommandanten 
schädigen mül'ste, welche doch meist die Charge des Stabsoffiziers be- 
kleideten. 

Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 185: Durch Befehl des Chefs der 
Grenzwache vom 30. 3.(11.4.) 94, des Finanzministers Witte, dessen Bild 



Digitized by Googl 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



235 



ebenso wie dasjenige des Kommandeurs des selbstständigen Korps der 
Grenzwache, Generallieutenant Swinjin, demselben beigefügt wird, ist eine 
All. Verfugung mitgeteilt, welche einen gewissen Abschlufs der veränderten 
rein militärischen Organisation der Grenzwache bildet, — S. M. der Kaiser 
hat derselben ein besonderes Truppen- Kirchenfest (chramowoi prasdnik) 
verliehen, welches am 21. November zu feiern ist und bei welchem S. M. 
eine kombinirte Kompagnie der Truppe besichtigen wird. — Aus den 
Bemerkungen des Oberkommandirenden des Militär-Bezirks Kijew, Generals 
Dragomiroff, während seiner Truppen-Inspizirungen vom 24. 1. bis 17. 3. 94. 
Unter denselben werden auch einige recht abfallige der Öffentlichkeit über- 
geben. — Der taktische Wert der Plastunen (Kasaken zu Fufs). Kr. 186: 
Die Ausrüstung der Infanterie mit Schanzzeug. — Die Instruktoren der 
Lehr-Kommandos der Grenzwache. 

Rivista militare Italiana. 16. April. Die Zone von Asmara. 
(Historisch-militärische Skizze). — Diegrofsen deutschen Manöver 1893. 
(Forts). Enthalt auch lesenswerte kritische Bemerkungen. — Sieg und 
Niederlage. (Scharte, aber berechtigte Kritik des gleichnamigen 
Aslib'schen Buches). — 1. Mal Die Offizierehe. (Beurteilt den Grund- 
gedanken der Mocenni'schen Vorlage günstig). — Die grofsen deutschen 
Manöver 1893. (Forts.). 

Esercito Italiano. Nr. 62: Offiziere und Beamte. (Gestützt 
auf parlamentarische Dokumente wird nachgewiesen, dafs in 8 Jahren von 
1883—1891 die Zahl der Zivilbeamten um 10 347, die Ausgabe für die- 
selben um fast 22V 4 Millionen gewachsen ist, die Vermehrung derselben 
so viel kostet wie 2 Armeekorps, bei der Armee seit 1892 Ver- 
minderung der Ausgaben eintrat, bei den Zivilbeamten nicht, es also nicht 
angebracht ist, vorher andere Ressorts zu beschneiden, ehe man auch durch- 
aus unzulässige Abstriche am Kriegsbudget vornimmt). — Für Heran- 
bildung und Beförderung der Generalstabsoffiziere wurden neue 
Bestimmungen erlassen. — Nr. 63: Die Zahl der nationalen Schiefs- 
vereine beträgt heute 734 gegenüber 476 im Jahre 1883, die Zahl der 
Mitglieder 129 403, zahlende Mitglieder waren 98 480, für Schiefsstände 
sind ausgegeben worden total 8246769 Lire, davon 8 / 5 vom Staat, x / s von den 
Provinzen beigesteuert. Der Staat hat aber auch noch weitere 1 585 000 Lire 
beigetragen. General Mocenni hat den Preis der Patrone auf 0,03 Lire herab- 
gesetzt. Nr. 64: Das neue russische Dreilinien-Gewehr. Nr. 65: 
In der Kolonie Eritrea ist eine Reform der Gerichte eingetreten. Nr. 66: 
Im Bereich des V. Korps finden gröfsere Übungen der 4. Kavalleriebrigade 
(Regimenter Genua, Lucca) und einer reitenden Abteilung zu 2 Batterien, 
sowie der 5. Kavalleriebrigade (Regimenter Savoia und Lodi und einer 
7 cm Batterie des 8. Regiments) zwischen Etsch und Chiese, bezw. in der 
Umgebung von Pordenone statt. — Für die Übungen in den Alpen und 
den Sperrforts ist die Brotportion um l / 3 erhöht worden. — Die Bahn- 
linie Rom— Viterbo und die Zweiglinie Capranica — Ronciglione des Mittel- 
meernetzes wurden dem Verkehr Übergeben. 



Digitized by Google 



23(5 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



Revista cientifico-militar. (Spanien.) Nr. 10: Konflikt von 
Melilla. III. Brief. - Die Gesundheit des Soldaten. XVI. Brief. 

Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien.) Nr. 6: Der 
internationale Eisen bahnkongrefs. 

Revista militar. (Portugal.) Nr. 10: Kurze Studien über 
die moderne Taktik. 

Krigsyetenskaps - Akademien» -Handlingar. (Schweden.) Mai. 
Befehlsübertragung bei der Infanterie. 

Militaire Spectator. (Holland). Nr. 6: Kriegsgeschichtliche 
Studie über die Verteidigung der batavischen Republik 1799. 
(Forts.). — Völkerrecht und Kriegsbrauch. 

II. Bücher. 

Der Krieg der Vendee gegen die Französische Republik 1793 bis 
1796 von A. von Boguslawski, Generallieutenant z. D. Mit 
Karten und Plänen. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 7,50 M. 
Vom Verlauf dieses Krieges hatte ich offen gestanden bisher nur eine 
sehr undeutliche Vorstellung, und ich meine, dafs dies deu meisten unserer 
Leser ebenso gehen wird. Es liegt dies daran, dafs es an einem uach der 
militärischen Seite hin befriedigenden Werke über diesen merkwürdigsten 
aller Volkskriege fehlte. Die französische, besonders die Memoircn-Litteratur, 
weist zwar zahlreiche Schriften über denselben auf, von denen der 
Herr Verfasser über 30 namhaft macht, desto spärlicher aber sind die 
deutschen Quellwerke über diesen Krieg. In Betracht zu ziehen wären 
nur die (hier nicht genannten) Werke von „Schwidorp, der Kampf der 
Vendee und Bretagne gegen die französische Republik 44 , dann „der Kampf 
im westlichen Frankreich 44 , endlich das ins Deutsche übersetzte, die Ge- 
sammtheit der Ereignisse behandelnde Buch von „Mortonval, die Kriege 
in der Vendee 1792 — 179 6. 44 Der bewährten Feder Boguslawski's war es 
aber vorbehalten, eine kriegsgcschichtlich allen Ansprüchen genügende 
und zugleich militärisch lehrhafte Darstellung desselben mit vorliegendem 
Buche zu liefern. — v. B. sagt sehr treffend, „die Kenntmfs des Vendee- 
Krieges sei besonders nutzbringend für die Gegenwart, denn er lehre uns, 
dafs da, wo der Schutz der geordneten Heeresgewalt aufhöre, jeder Staats- 
bürger die Waffe in die Hand nehmen soll, um Familie, Gesellschaft und 
Religion nötigenfalls zu verteidigen 14 , femer, „dafs für ein Volksheer die 
gemeinsamen Interessen der Stände, das Vortrauen derselben zu einander, 
den dauernden Kitt abgeben und dafs, wo dieser schwindet oder gar in 
Hafs und Feindschaft übergeht, die strengste äufsere Disziplin nicht den 
allmählichen Zersetzungsprozefs aufhalten kann. 44 — Das Studium dieses 
Krieges ist besonders geeignet, in dem schon lange andauernden Meinungs- 
streit über den Wert oder Unwert improvisirter Volksbewaffnungen, National- 
garden-, Freiwilligen- und Miliz-Formationen aller Art endgültige Auf- 
klärung zu schaffen. Insofern ist das B!-Werk nicht allein für den Offizier, 
sondern auch für die Gebildeten aller Stände, insonderheit Politiker und 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



237 



Parlamentarier von hohem Werte. Reizvoll und fesselnd ist überdies das 
Studium dieses Krieges, welcher Eigentümlichkeiten zeigt, wie sie seit 
Erfindung des Schiefspulvers höchst selten geworden sind, so das rücksichts- 
lose Einsetzen der Person nicht nur der niederen, sondern auch der 
höheren Führer. Betrachtet man die Thaten und das Geschick derselben, 
so glaubt man ein Heldengedicht zu lesen. Aber auch die Gesammt- 
leistung dieses kleinen, nicht 1 Million Menschen zahlenden Volksteiles, 
sein furchtbares Schicksal, die Thätigkeit der „H'iUönkolonnen", die alle 
Gräuel des dreifsigjährigen Krieges hinter sich lassen, die Auswanderung 
eines grofsen Teiles der Bevölkerung zusammen mit der Armee des Auf- 
standes; auf der anderen Seite das tragische Ende vieler republikanischen 
Führer auf dem Schaffot, wohin sie durch die Angebereien aus der Hefe 
emporgekommener Verleumder geschleppt wurden, alle Schrecken, Grofs- 
Thaten und Nichtswürdigkeiten der Revolution und des Bürgerkrieges auf 
einem engen Schauplatz zusammengedrängt, zeigen uns das erschütterndste 
Gemälde, welches jemals die Parteileidenschaft im bürgerlichen Zwiste hervor- 
gebracht hat. 

Es ist unmöglich, vom Verlaufe dieses 4jährigen Kampfes hier eine 
auch nur annähernde Vorstellung zu geben; einige Andeutungen mögen 
genügen, Verfasser teilt sein Werk in drei Abschnitte. Im I. giebt er 
zunächst eine höchst plastische Schilderung der geographischen Gestaltung 
dieses seltsamen Landes, dann eine solche seiner Bevölkerung und seines 
Kulturzustandes, die Ursachen der Gährung und der Losbruch des Kampfes. 
Trefflich gelungen ist ferner die Charakteristik der bedeutendsten Führer: 
Elbe«, Bonchamps, Charette, Lescure, Larochejaquelein, Cathelineau (eine 
Volksheldengestalt wie Ziska und Hofer) und Stofflet. Daran schliefst 
ein Kapitel über die eigenartige Fechtweise und Organisation der Vend^er, 
sodann die Darstellung der drei Unterwerfungsversuche, deren letzter mit 
der für die Royalisten unglücklichen Schlacht von Oholet am 17. Oktober 
1793 endete. Mit derselben war zugleich auch der grofse Krieg in der 
Vendee beendet, nicht aber der Kampf überhaupt, welcher sich noch 
3 fernere Jahre hinzog. Der II. Abschnitt schildert den Krieg der Vend^er 
nördlich der Loire, in Verbindung mit den Chouans der Bretagne, die 
Niederlage bei le Maus, den Untergang der „Grofsen Armee" bei Savenay ; 
der III. den Krieg südlich der Loire (die Kleine VendtSe) bis zur Her- 
stellung des Friedens. — An 500 000 Menschen haben ihr Leben eingebüfst 
in diesem 4jährigen mörderischen Bürgerkriege, der von Seiten der 
republikanischen Truppen mit einer geradezu bestialischen Grausamkeit 
geführt wurde. Wurde doch sogar von einem Heerführer der Vorschlag 
gemacht, um des Aufstandes Herr zu werden, die Brunnen des unglücklichen 
Landes mit Arsenik zu vergiften. In wohlthuendem Gegensatze zur Haltung 
der jakobinischen Generale steht das Auftreten der später zu höherer 
Berühmtheit gelangten Generale Kleber und Hoche; letzterer wurde nach 
dem Sturze von Robespierre und des Schreckenregiments Oberbefehlshaber 
der republikanischen Armee und handelte nach drei Gesichtspunkten: 
Mannszucht der Truppen, Milde gegen die Einwohner, Strenge und Un- 



Digitized by Google 



23* 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



ermüdlichkcit in den Operationen. — Mit gleich bleibendem Interesse habe 
ich das tüchtige Buch gelesen und versichere, dafs ich demselben über 
diesen (von Napoleon so genannten) „guerre des geants" reichste Belehrung 
zu verdanken habe. Sch. 

Die Schlacht von Orleans am 3. und 4. Dezember 1870. Von Kunz, 
Major a. D. Mit einer Übersichtskarte und zwei Plänen in Stein- 
druck, Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 5 M. 

Die vorliegende Schrift ist das 5. Heft der „Einzeldarstellungen von 
Schlachten aus dem Kriege Deutschlands gegen die französische Republik." 
Wir haben es hier inhaltlich mit der Fortsetzung der Arbeit dessell>en 
Verfassers zu thun: „Die Schlacht von Loigny- Poupry," der wir im 
Januarheft unserer Jahrbücher Worte wärmster Anerkennung spenden 
konnten. Die Fortsetzung des Kampfes dazumal war eine kriegerische 
Handlung von höchster Bedeutung, deren taktische Würdigung kaum 
besser geschehen konnte, als sie Major Kunz einmal wieder geleistet hat. 
Dafs die Gefechtsstatistik dabei eine wesentliche Rolle spielt, versteht sich 
von selbst; nur möchten wir es als entschieden zu weitgehend bezeichnen, 
wenn die Prozentsätze der Verluste etc. auf 4, selbst 6 Dezimalstellen aus- 
gerechnet werden (S. 10: Gefechtsverlust des IX. Armeekorps betrug 
21,8527 Prozent, der des X. A.-K. 26,351896 Prozent u. s. w.!). Den Höhe- 
punkt der Kunz'schen Arbeiten bilden jedesmal die taktischen „Betrach- 
tungen," die auch in vorliegender Schrift meistens unbedingte Zustimmung 
finden werden; es lohnt sieh also, diesen Urteilen eifrig nachzusinnen. So 
möge denn auch das Studium dieser französischen Nachhut-Gefechte reichen 
Nutzen bringen. Das Kartenwerk ist zu loben. 34. 

Gesichtspunkte und Beispiele für die Abhaltung: von taktischen 
ITbungsritten von Münzenmaier, k. württb. Major im General- 
stabe des III. Armeekorps. Mit 2 Generalstabskarten. Zweite 
Ausgabe. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 2,80 M. 

Nachdem der Verfasser im I. Teile seiner 120 Seiten umfassenden 
Schrift den Zweck der taktischen Übungsritte, nämlich „die allgemeinen 
Grundsätze der Truppen tührung an geeigneten Beispielen zur praktischen 
Anwendung zu bringen, u sowie die Mittel und Wege zu diesem Zwecke 
in sachgemäfser Weise besprochen hat, behandelt er im II. Teile die 
Leitung der Übungsritte, um im III. Teile an zwei Beispielen den Gang 
und die Art der Ausführung der Übungsritte unter Beigabe zweier Karten 
zu veranschaulichen. In dem ersten Beispiele treten sich zwei Abteilungen 
aller Waffen, in dem zweiten zwei feindliche Kavallerieabteilungen gegen- 
über. Ein drittes Beispiel enthält nur die Aufgabe zu einer Vor- Übung 
mit einer gemischten Abteilung ohne Gegner. — Wenn mm auch gegen 
einzelne Punkte der beiden ersten Teile der SchritY Einwendungen gemacht 
werden könnten und die Ausdrucksweise nicht überall richtig und klar ist, so 
mufs doch die Arbeit im allgemeinen als eine anregende, beachtenswerte 
und lehrreiche bezeichnet werden, indem namentlich die Beispiele nicht 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



239 



nur den Leitern solcher Übungsritte willkommene Vorbilder bieten, sondern 
auch für jeden Teilnehmer an einem Übungsritte dadurch nützlich sein 
können, dafs sie ihn auf die zu erwartenden Aufgaben und Fragen vor- 
bereiten. Aus diesen Gründen hat die Schrift, wie ihr Erscheinen in 
zweiter Ausgabe zeigt, schon viele Freunde im Heere erworl»en, und im 
Hinblick auf das ausschlaggebende Gewicht, welches die Überlegenheit 
der Führung im nächsten Kriege haben wird, wünschen wir, dafs diese 
Sclu-ift sich zur Förderung und Ausbildung der Führer im Heere stets 
weiter verbreiten möge. P. 

Taktische Übungen am Fufse der Vogesen, Von Vi sc her, Haupt 
mann a la suite des 8. Wrtb. Infanterie - Regiments Nr. 126, Grofs- 
herzog Friedrich von Baden. — Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. 
Preis 2 M. 

Das 91 Seiten umfassende Buch bespricht in 6 Abschnitten unter Bezug- 
nahme auf die Vorschriften (Felddienst-Ordnung, Exerzir-Reglements bezw. 
Schiefsvorschriften) an einem sehr geschickt gewählten Beispiele Märsche 
und Sicherheitsdienst auf dem Marsche, Unterkunft und Verpflegung, Relais, 
Vorposten, Ubergang aus der Ruhe zum Marsch und Versammlung vor 
dem Feinde, Verteidigung und Angriff. Jeder Absclinitt gliedert sich in 
Ubungsbeispiel, Lehren und Aufgaben. Das Beispiel enthält die Ereignisse, 
Befehle u. s. w. ; in den Lehren sind die sich anschliefsenden Betrachtungen 
und Folgerungen enthalten und die Aufgaben geben zahlreiche Einzeln- 
aufträge, teilweise unter angenommener Veränderung der Sachlage und 
bereichem auf diese Weise den Inhalt der Schrift in bedeutendem Mafse. 
Obgleich Letzterer ein vorwiegend lehrhaftes Gepräge trägt, so ist der 
m Stoff doch in recht anregender Art behandelt. Verfasser übersetzt die Vor- 
schriften gewissermafsen in die Wirklichkeit, giebt ihnen Fleisch und Blut, 
macht sie lebendig, und dies bildet den eigentlichen Reiz der Schrift. 
Daher vermögen nicht nur der Kriegsschüler und der jüngere Offizier, für 
welche das Buch in erster Linie nützlich werden kann, aus demselben zu 
lernen, ihre Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen, sondern auch der 
reifere Offizier wird es mit Vorteil und Interesse lesen und nicht, ohne 
mannichfache Anregungen empfangen zu haben, aus der Hand legen. 0 bschon 
die Arbeit mancherlei sprachliche Mängel (unrichtige Redewendungen, 
grammatikalische und syntaktische Fehler, sowie zahlreiche, leicht ver- 
meidbare Fremdwörter) enthält, kann dieselbe als Förderungsmittel für die 
Ausbildung der Trappenführer den Offizieren des Heeres dennoch warm 
empfohlen werden. P. 

Moltke's tactical Problems from 1858 to 1882. Edited by the pmssian 
grand general staff. With 27 plans, 9 sketch maps and 2 sketches in 
the text. Authorised translation by Karl von Donat. London 1894. 
W. H. Allen u. Co. 
Der Herausgeber dieses Werkes ist durch seine litterarischen Arbeiten 

auf dem Gebiete der Taktik schon zur Genüge und rühmlichst bekannt. 

Jahrbücher für die Deutsche Anne« uu.l Marine. Bd. V1IIC, 2. l(j 



Digitized by Google 



240 



Umschau in der Militär - Literatur. 



Als vormaliger preufsicher Offizier ist er eine besonders geeignete Per- 
sönlichkeit, um das vom Grofsen Generalstabe im Jahre 1892 heraus- 
gegebene Werk: „Moltke's taktische Aufgaben aus den Jahren 1858 bis 
1882" in das Englische zu übertragen. Die Übersetzung ist eine fliefsende 
und mit dem Original in jeder Hinsicht sich deckend. In einem kurzen 
Anhange werden einige für den englischen Leser wichtige Einzelheiten 
über die taktischen Einheiten der deutschen Armee und deren Stärke ge- 
geben, sodann ein Wörterbuch zu den auf den Karten und im Texte vor- 
kommenden deutschen Ausdrücken, endlich eine Erklärung der Rand- 
bemerkungen auf den Plänen. Die Ausstattung ist, wie wir dies an 
englischen Werken gewöhnt sind, eine vornehme, ja vorzugliche zu nennen. 

2. 

Applications de la fortiflcation passagere par V. Deguise, capitaine 
commandant du gönie, professeur de fortiflcation ä l'ecole d'application 
de rartillerie et du genie. Bruxelles, P. Weissenbruch 1894. 115 S. 
Grofsoktav nebst Atlas von 3 Doppelblättern und 1 Plan. 
Das vorliegende Buch bildet den zweiten Teil der fortiflcation passagere, 
welche im vergangenen Jahre erschienen und hier besprochen worden ist 
(Band LXXXVII Heft 2); der auf */s des ersten Bandes beschränkte Um- 
fang beruht nicht auf einer gedrängteren Behandlung des Stoffes, sondern 
auf der auffallenden Vernachlässigung dessen, was man in diesem zweiten 
Bande erwarten mufste, wenn er der gründlichen Durcharbeitung der 
Elemente der Feldbefestigung, wie der erste Band sie bietet, ebenbürtig 
zur Seite treten wollte, nämlich die Anwendung der Feldbefestigung auf 
einzelne charakteristische Fälle. Wenn auch zur Zeit allgemein anerkannt 
wird, dafs unsere Armeen in viel höherem Grade als je zuvor die Mittel 
der Feldbefestigung werden heranziehen müssen, so ist damit noch lange 
nicht gesagt, dafs unsere Truppen und Truppenfuhrer auch ohne weiteres 
im Stande sind, eine zweckentsprechende Anwendung davon zu machen. 
Mit der Erkenntnifs, dafs jede dem Feinde sichtbare oder von ihm richtig 
vermutete fortiflkatorischo Anlage zu unserem Verderben gereicht, daft auf 
der Täuschung desselben, auf dem gänzlichen Zusammenfliefsen unserer 
Verstärkungen mit dem Gelände die Stärke der Befestigung beruht, wird 
die Befestigungsarbeit zur Höhe einer schwer zu erlernenden Kunst er- 
hoben, welche Studium und Übung seitens aller beteiligten Organe zur 
dringenden Notwendigkeit macht. — Eine Schrift, welche sich mit der 
Anwendung der Feldbefestigung beschäftigt, hat deshalb nicht dem Bedürfnifs 
Genüge geleistet, wenn sie allgemeine Gesichtspunkte strategischer und 
taktischer Natur abhandelt und dann hinzufügt: ,je nach Umständen und 
Ortlichkeit wird man Blo«khäuscr oder Schützengräben, Schanzen oder 
verstärkte Waldparzellen etc. anwenden" — alles das steht viel kürzer 
und eindringlicher in offiziellen Büchern, wie z. B. in der Deutschen Feld- 
befestigungsvorschrift; sondern sie wird ihre Aufgabe in der Anleitung der 
Truppenführer behufs Anpassung der Formen an das Gelände zu suchen 
haben. Der Weg, den Verdy du Vernois für die angewandte Taktik ein- 
geschlagen hat, ist allein hier am Platze und zweckdienlich: am einzelnen 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



241 



Beispiel in gegebenem Terrain und unter bestimmten strategischen und 
taktischen Bedingungen zeigen, wie man zu verfahren hat, was man als 
vorteilhaft aufzuführen, was man zu vermeiden hat. Daran kann jeder 
Offizier in seiner Stellung lernen, wogegen er das Buch Deguise's aus der 
Hand legen wird mit dem Urteil: „Einzelnes ist ja ganz interessant, aber 
im Allgemeinen habe ich das Alles schon gewufst." Das Wissen ist ja 
überall vorhanden, aber das Köunen anzubahnen, dazu genügen keine 
Katheterbetrachtungen. — Am Schlufs des ersten Teils „Schlachtfeld- 
befestigung' 4 bringt allerdings der Verfasser ein Beispiel: die Befestigung 
einiger Gehöfte und eines Gehölzes auf dem Flügel einer Stellung, dar- 
gestellt auf einem Plan, welcher weder Vorterraiu noch Seitenterrain ent- 
hält, und einer Arbeitertabelle. Sonst kein Wort. Das genügt in keiner 
Weise. Der zweite Teil „Etappen posten, Brückenköpfe und Gebirgs- 
posten" charakterisirt sich dadurch, dafs die letzteren — ein so dankbarer 
Stoff für die vorliegende Aufgabe — in 14 Zeilen allgemeinsten bekanntesten 
Inhalts erledigt sind. Das dritte Kapitel r Cernirungsstellungen a bringt 
wieder am Schlufs ein Beispiel, aber in derselben Dürftigkeit der Ausführung, 
wie das ersterwähnte. Wenn selbst der Autor es nicht für nötig erachtet, 
auch nur ein einziges Wort über die Idee seiner Befestigung, über die 
Gründe, welche ihn im speziellen geleitet haben, zu verlieren, wie will er 
vom Leser verlangen, dafs dieser in langer mühsamer Arbeit sich diese 
erst hcrausstudirt, um einen praktischen Gewinn davon zu haben? Ich 
bin Überzeugt, dafs die meisten Leser diese Beispiele kaum mit einem 
Blicke würdigen. Von Einzelheiten sei erwähnt, dafs der Verfasser auf 
dem Schlachtfelde von horizontalen Deckungen gar keinen Gebrauch macht, 
bei der C'ernirungsstellung auch nur in sehr vereinzelten Fällen. Es beruht 
dies, wie es scheint, auf der Meinung, dafs der Infanterist derlei schwierige 
Arbeit nicht ausführen könne. Wir Deutschen sind darin anderer Ansicht. 
Er braucht sie, deshalb wird er's lernen. 49. 

Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts, vom Jahre 1828 bis 
1885. Nach autenthischen Quellen bearbeitet. 38.— 41. Lieferung. 
Preis einer Lieferung 2,60 M., für Nicht-Subskribenten das Doppelte. 
Leipzig, Wien, Iglau. Verlag von Paul Bäuerle. 
Die vorliegenden Lieferungen dieses stetig fortsclireitendcn Lieferungs- 
werkes enthalten folgende Pläne mit begleitendem Texte: 1. Deutsch- 
dänischer Krieg 1848 — 50. — Nr. 6. Der Sturm auf Friedrichstadt 
am 4. Oktober 1850; dazu 1 Plan (1:9000) und 1 Skizze (1:530 000). 
2. Russisch-türkischer Krieg 1828 — 29. — Nr. 5: Die Erstürmung von 
Kars am 5. Juli 1828; dazu 1 Plan (1 : 28 000) und 1 Skizze (1 : 1 500 000). 
— Nr. 6: Die Erstürmung von Achaltzik am 27. August 1828; dazu 
1 Plan (1 : 20 000) und 1 Skizze (1 : 1 500 000). — Nr. 7: Die Schlacht 
bei Kainly am 1. Juli 1829; dazu 1 Plan (1:37 000) und 1 Skizze 
(1:1500000). — Deutsch-dänischer Krieg 1848— 50. Nr. 1 : Kom- 
pendiöse Darstellung des Verlaufs des Krieges (1 Übersichtskarte und 1 Skizze 
auf 2 Kartenseiten, nebst 12 Seiten Text. — Deutsch-dänischer Krieg 

16* 



Digitized by Google 



242 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



1864. Nr. 7: Die Vorgänge und Kämpfe bei Düppel, vom Beginne der 
Einschliefsung bis zum Falle der dänischen Düppel-Stellung, 12. Februar 
bis 18. April. (2 Pläne und 3 Skizzen auf 5 Kartenseiten, nebst 18 Seiten 
Text). Die Pläne und Skizzen sind mit derjenigen Sorgfalt und Über- 
sichtlichkeit ausgeführt, die wir an diesem trefflichen Werke gewöhnt sind. 
Der begleitende Text enthält eine kompendiöse, aber für den kriegs- 
geschichtlichen Bedarf völlig ausreichende Darstellung des Verlaufes der 
genannten Ereignisse. Offizier-Bibliotheken dürfte dieser Schlachtenatlas 
nahezu unentbehrlich sein. Wir lenken gern aufs Neue die Aufmerksamkeit 
auf denselben und wünschen ihm gedeihlichen Fortgang. 3. 

Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden. Von H. Graf v. S ch w e i n i t z , 

Pr.-Lieutenant. Berlin 1894. Verlag von H. Walther. Preis 4 M. 

Der Herr Verfasser war etwa 1 Jahr lang Chef der deutschen Anti- 
sklaverei-Unternehmungen am Viktoria-See und berichtet in höchst fesselnder 
Weise über seine Erlebnisse und Erfahrungen im deutschen Ostafrika. 
Von Bagamojo führte ihn sein Weg über Mpapua, Kipiri, Tabora (wo er 
durch einen Schufs in die Brust verwundet wurde) an das Südufer des 
Sees, den Ukumbi-Golf, in das Land der Wassiba- Sultane. Fünf Tage 
verbrachte er auf dem Kagera-Nil, diesen bis zu seiner Mündung in den 
See befahrend, dann der noch nicht von Europäern besuchten Insel Ukerewe 
einen Besuch erstattend, bei welcher Gelegenheit er abermals verwundet 
wurde. Er gründete dann die Peterswerft auf dieser Insel und kehrte, 
mit Vermeidung von Tabora, ziemlich auf demselben Wege nach Bagamojo 
zurück. Des Verfassers freimütige Urteile über die Sklaven- und die 
Araber-Frage, die Karawancnstrafse und die Karawanen Verhältnisse, Kaiser- 
liche Stationen und unsere Kolonialpolitik sind sehr beachtenswert. Er 
bekennt sich zu der Ansicht, dafs die Kaiserlichen Militärstationen mit 
amtlichen Charakter in einfache Stationen ohne einen solchen umzuwandeln 
seien, und dafs zu dem von den Missionsstationen besetzten Systeme tiber- 
gegangen werden müsse: ,,Die Militärstationen werden stets eine Quelle 
von endlosen Verwickelungen sein, ebenso wie das übliche Tribut einziehen, 
mag es auch noch so gering sein." Es ist bemerkenswert, solch ein Urteil 
aus dem Munde eines Offiziers zu hören und giebt es zu denken. — Mit 
inniger Anteilnahme haben wir an der Hand dieser Aufzeichnungen den 
an Entbehrungen, Strapazen und Gefechten reichen Weg des tapferen und 
sich so taktvoll und schnell in den ihm gänzlich fremden Verhältnissen 
zurecht findenden jungen Offiziers vorfolgt und können Jedem, der sich 
für Gegenwart und Zukunft unseres Kolonialreiches interessirt. diese Schrift 
nur auf das Wärmste empfehlen. 4. 

Das Russische Drei-Linien-Gewehr und seine Schufsleistungen. Zweite 
vollständig umgearbeitete Auflage mit Zeichnungen im Text und 
einer Zeichentafel. Von Frh. v. Tettau, Pr.-Lieutenant. Hannover 
1894. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Preis 00 M. 

Am Ende vorigen Jahres hatte der Herr Verfasser bereits eine Be- 



Digitized by Google 



Umschau in der MUitar-Litteratur. 



243 



Schreibung des neuen russischen Gewelirs herausgegeben, aber ohne 
Zeichnungen, da es richtige damals noch nicht gab. Solche sind nun der 
vorliegenden zweiten Auflage seiner Schrift, welche im Übrigen gänzlich 
umgearbeitet ist, beigegeben worden. Verfasser hat die neuesten offiziellen 
Quellen benutzt, nämlich die „Kussische Schiefsvorschrift vom Jahre 1893"; 
„Zeichnungen des Drei-Linien-Gewehrs", herausgegeben von der russischen 
Offizier -Schiefs- Schule, 1894, 2. Auflage, und „das Drei -Linien -Gewehr 
M. 1891 und seine Munition (Oruscheiny Sbornik, Waffen -Sammler) Nr. 3, 
1893); es haben folglich die vor Kurzem befoldenen Abänderungen des 
Gewehres (Laufmantel u. s. w.) noch in den Zeichnungen Berücksichtigung 
gefunden. Hierdurch unterscheidet sich die Tettau'sche Arbeit von der im 
Junihefte der „Jahrbücher" (S. 380) besprochenen österreichischen Broschüre 
über das russische Drei-Linien-Gewehr. Zum Schlufs zieht der Verfasser 
einen für uns besonders wichtigen Vergleich zwischen dem russischen und 
dem deutschen Gewehre und kommt zu dem ziffermäfsig nachgewiesenen 
Ergebnifs, dals die Treffgenauigkeit des deutschen Gewehrs eine bedeutend 
gröfsere ist, denn die Seitenstreuung ist beim russischen Gewehr fast 
doppelt so grofs als bei dem deutschen. Immerhin besitzt die russische 
Armee in ihrem neuen Magazingewehr eine vortreffliche Kriegswaffe, welche 
bezüglich ihrer Konstruktion keiner Waffe einer anderen Armee nachstehen 
dürfte und in ihrer Leistungsfähigkeit im Allgemeinen den an eine moderne 
Kriegswaffe zu stellenden Anforderungen durchaus entspricht. — Einer 
besonderen Empfehlung bedarf diese neueste Arbeit des fleifsigen Herrn 
Verfassers, welche den Vorzug unbedingter Zuverlässigkeit für sich in 
Anspruch nehmen darf, bei der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht. 1. 

D. Jose Boado y Castro Capitan de Artilleria. Los fusiles modernos 
en Austria-Hungaria. Estudios y experiencias. Detaillirte Be- 
schreibung der grofsen Waffen (armas largas), welche augenblicklich 
in den Dienst eingestellt sind, besonders für Infanterie und Kavallerie. 
Barcelona 1883. Druck von Henrich y Ca., Kommandit-Gesellschaft, 
Nachfolger von N. Ramirez y Ca. 
Das vorliegende Werk, welches 152 Seiten in Quart mit 9 Tabellen, 
57 Holzschnitten im Text und 5 Tafeln mit 123 Abbildungen umfaßt, er- 
öffnet den Reigen einer Anzahl rühmlicher Arbeiten über die Bewaffnung 
der verschiedenen Staaten mit Gewehren und Karabinern. Die einzelnen 
Arbeiten sollen vollständig von einander unabhängig sein. Sie enthalten 
eine eingehende Beschreibung der neuen regleraentarischen Waffen und 
aller seit Annahme der Hinterladung eingeführten anderen Waffen, die 
ballistischen Eigenschaften derselben, die kurze Beschreibung einer Anzahl 
projektirter und im Versuch befindlich gewesener Waffen der verschiedenen 
Nationen. Hinzugefügt werden sollen Mitteilungen über die neuen Pulver- 
arten und die neuesten Fortschritte der tragbaren Feuerwaffen. — Wir 
finden im vorliegenden "Werke die umgeänderte Waffe, die Gewehre des 
Systems Werndl , Karabiner und Pistole desgl., Karabiner System Fruwirth, 
Repetirwaffen von Kropatschek, Studien und Versuche behufs Annahme 



Digitized by Google 



244 



Umschau in der Militär Litteratur. 



eines Repetir-Gewehres, Mannlicher Gewehr M/1886 und 1888, Rcpetir- 
Karabiner M/90, Rcpetir-Gewehr M/88. 90, endlich im Anhang Zimmer- 
Gewehr und -Karabiner, rauchloses Pulver M/90 von Schwab und Munitious- 
Ausrüstung. — Das Werk ist nicht blos seinem Inhalte nach vorzüglich zu 
nennen, sondern hat auch eine Ausstattung in Papier, Druck und bildlichen 
Darstellungen, wie sie bei uns nicht vorkommt. Man kann mit Recht 
auf die weiteren Arbeiten, von denen eine auch die Handfeuerwaffen 
Spaniens behandeln wird, gespannt sein. 12. 

Handbuch für den Sehwimmunterricht zum Gebrauch an Militär- 
Schwimmanstalten. Mit zehn Abbildungen im Text. Von 
R. v. Bartsch, Lieutenant Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. 
Preis 50 Pf. 

Der Verfasser giebt nicht nur den Schwimmlehrern Anhaltspunkte 
für eine erfolgreiche Gestaltung des Unterrichts, sondern auch Mittel und 
Wege an, wie Unglücksfalle vermieden werden können. Das Schriftchen 
ist sehr brauchbar für besagten Zweck. 4. 

Über den Nutzen statistischer, volkswirtschaftlicher und völker- 
rechtlicher Kenntnisse für den Berufsoffizier. Von Dr. H. Groh- 
ns ann, Major a. D. München 1894. J. Schweitzer Verlag. Preis 80 Pfg. 

Der Herr Verfasser stellt die Behauptung auf, dafs der Nutzen der 
in dem Titel beregten Kenntnisse sich auf dem Gebiete der Verwaltung 
des Heeres, dessen Organisation und Formation, sowie in der Operation mit 
demselben zeigen würde. Er sucht dabei nachzuweisen, dafs dieser Nutzen nur 
dann zu erreichen wäre, wenn nicht allein der an der Spitze der Verwaltung 
stehende höhere Offizier, sondern auch der junge, der Rekruten-Offizier, diese 
Kenntnisse besäfse. Die Mifsgriffe in der Behandlung der Untergebenen 
seien zum grofsen Teile auf eine Unkenntnifs jener Verhältnisse zurück- 
zuführen. Es liegt zweifellos viel Wahrheit darin, dafs es recht wünschens- 
wert wäre, wenn jeder Offizier in Besitz jener Kenntnisse wäre, es ist aber 
aufserordentlich schwer, eine praktische Lösung dieser Frage herbeizufuhren. 
In einem kurzen Schlufssatze wird der Vorschlag gemacht, die wirtschaft- 
lichen Umrisse und das Verständnifs statistischer Zahlen dem geschichtlichen 
und mathematischen Unterricht in den höheren Klassen der Kadetten- 
anstalten anzuschliefsen, während die Kriegsschulen den Erwerb der not- 
wendigsten völkerrechtlichen Kenntnisse zu bieten hätten. „Dadurch wäre 
dann denjenigen Berufsoffizieren, welche die Kriegsakademie nicht be- 
suchen, die nötige Anregung und Vorkenntnifs zu eigenen statistischen, 
wirtschaftlichen und völkerrechtlichen Studien geboten, während die Kriegs- 
akademie, durch obligatorischen Unterricht in diesen Wissenschaften, den 
Kadettenanstalten und Kriegsschulen das nötige Lehrerpersonal ausbilden 
könnte." In wieweit dieser Vorschlag praktisch durchführbar sein wird, 
ohne die vielen anderen Hülfswissenschaften des Offiziers für seinen Beruf, 
als z. B. Sprachen, technische Kenntnisse etc. zu sehr zu beeinflussen, lassen 
wir dahingestellt. Der Herr Verfasser hat seine Grundsätze in geistvoller 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



245 



und anregender Form entwickelt, möge die Schrift recht zahlreiche Leser 
in Offizierkreisen finden, dann wird sie ihren Zweck erfüllen und gewüs 
manchen auf das bisher nicht beachtete Studium der beregten Wissen- 
schaften hinleitcn. 10. 

Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache an den 
Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der Königlichen 
General-Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens ver- 
faßt. Dritte, neu durchgearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin 
1894. E. S. Mittler & S. Preis 1,60 M., gebd. 2 M. 

Von dem bei den Königlichen Kriegsschulen in Gebrauch befindlichen 
Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache ist vor Kurzem 
eine dritte Auflage erschienen. Der Leitfaden ermöglicht bei sachgemäfser 
Durcharbeitung dem Lernenden, nicht nur jeden russischen Schriftsteller 
zu lesen, sondern sich auch weiter selbstständig in der Kenntnüs der 
Russischen Sprache fortzuarbeiten, weshalb derselbe auch weiteren Kreisen 
zu empfehlen ist. 2. 

III. Seewesen. 

Marine-Rundschau. Heft 6. Über die Verwendung von Filtrir- 
apparaten für Schiffe bei Landungen. Von Dr. Davids, Marine-Stabsarzt. 
— Der Untergang der „Amazone." Von W. Admiralitätsrat Koch. 
Angesichts der noch lebenden Angehörigen der mit dem Schiffe verun- 
glückten Besatzung dürfte es opportun gewesen sein, die Ver- 
öffentlichung der Katastrophe noch hinauszuschieben. Wir unterlassen es 
daher, weiter auf den Artikel einzugehen. Nur soviel sei gesagt „dafs 
das Schiff in jeder Beziehung seefähig war!" — Eine Informations- 
reise auf Schnelldampfern. Von Maschinen-Ingenieur Eggert. — Mit- 
teilungen aus fremden Marinen. England. Noch einiges über den 
Torpedobootsjäger „Hörnet." (Mit zwei Figuren, Wasserrohrkessel, im 
Text). — Probefahrten des Kreuzers II. Klasse „Hermione"; (The Naval 
and inilitary Record vom 17. 5. 94 entnommen). — Stapellegung neuer 
Schlachtschiffe in Chatham. — Vereinigte Staaten von Nordamerika. 
Nach „Le Yacht" vom 12. 5. 94 sind die Etats für Schiffsneubauten um 
42500000 Mark gekürzt worden. Die Dampfer mit Walfischdecktyps 
(whalebacks) zur Verwendung als Hülfskreuzer sind von der Kommission 
wenig günstig beurteilt worden. — Nach „Le Yacht" vom 28. 4. 94 ist 
ein Schnellladegeschütz von 20 cm Kaliber in den Werken zu Elswick 
fertig gestellt worden. Es vermag 4 bis 5 Schüsse in der Minute abzu- 
geben. Die Gesammtlänge des Geschützes beträgt 40 Kaliber; die Seele hat 
eine Länge von ungefähr 35 Kalibern. — Personalnachrichten und Mit- 
teilungen aus den Marinestationen. 

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. 
Heft V. Allgemeines über die Stürme des Stillen Oceans. Von C. Knipping. 
- Die elektrische Beleuchtung des Gedney Fahrwassers. Einlauf von New- 
York. Von Korvetten-Kapitän z. D. Darmer. Der Nutzen der elektrischen 



Digitized by Google 



24G 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



Beleuchtung obiger Hafeneinfahrt ist für die Schifffahrt nicht hoch genug 
anzuschlagen. Ihr Wert ist durch die wachsende Zahl der Schiffe, welche 
in den letzten vier Jahren den so erleuchteten Seeweg bei Nacht befahren, 
am besten bezeichnet, — Taifun -Ankerplatze in den Gewässern von 
Hongkong. — Über den Sturm vom 22. bis 26. März 1894 im Nord- 
Atlantischen Ocean. Beiheft II. Die Küste von Annam. Aus dem 
neuesten französischen Segelhandbuch. Übersezt von Kapt.-Lieut. a. D. 
Wislicenus. 

Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. VI. Die 

elektrischen Scheinwerfer zur See. Von J. Heinz. Die Arbeit enthält 
noch einen vom französischen Linienschiffslieutenant Boyer veröffentlichten 
Vorschlag, das elektrische Licht zur Vermeidung von Schiffszusaramen- 
stÖfsen zu benutzen. — Elektrische Geschützanlagen. (Mit einer grofsen 
Anzahl höchst lehrreicher Textbilder). Von G. Schwaada, k. u. k. Marine- 
Artillerie-Ingcnieur. Der englische Torpedobootszerstörer „Hörnet" nebst 
Skizze, mit seiner mittleren Geschwindigkeit von 28,02 Knoten, wohl das 
schnellste Fahrzeug sämtlicher Kriegsmarinen. — Die Firma Normand & Co. 
in Hävre hat z. Zt. für die französische Marine das Torpedoboot ,,Forban" 
auf Stapel, welches eine Fahrgeschwindigkeit von 30 Knoten erreichen 
soll. — Die neuen französischen Schlachtschiffe „Charlemagne" und 
„Saint Louis", vom Ober -Werft -Direktor Mr. Thibaudier zu Rochefort 
konstruirt, sind mit ihren Seiten-, Ober- und Zwischendeckszeichnungen, 
der „Yacht" entnommen, beigefügt. Die Schiffe haben drei Triple- Ex- 
pansions-Maschinen mit 4 Cylindern. Mit 10 Knoten Fahrt und 680 Tons 
Kohlen an Bord vermögen sie gegen 4000 Seemeilen zu dampfen. Die 
Schiffe fuhren je zwei Unterwasser-Lancierrohre vorne und achter und sechs 
Lancierrohre über Wasser. Vergleicht man diese mit den bereits fertigen 
französischen Schiffen, so fallt es sofort auf, dafs sie mit Bezug auf 
Kaliber und Zahl der Geschütze eine gewisse Verminderung erfahren 
haben. Denn während der „ Admiral-Baudin"-Typ drei 37 cm, vier 
16 cm und acht 14 cm, der „Marceau"-Typ vier 34 cm und zehn 14cm 
hat, füliren obige beiden neuen Schiffe nur vier 30 cm und acht 14 cm 
Geschütze. Der vordere Turm steht 8,5 m, der hintere 6,5 m über der 
Wasserlinie. — Das Torpedobootswesen und die mobile Ktisten- 
verteidigung in Frankreich. (Aus der Zeitschrift „Le Yacht" ent- 
nommen) Der Artikel umfasst: die Beschreibung der Torpedoboote, 
deren Maschinen, Kessel und Armirung etc.; die mobile Küsten Verteidigung; 
das Personal; ein Blick in die Zukunft; über die Wirksamkeit der Torpedo- 
waffe und Schlufsfolgerungcn. — Vorschrift für die Entwässerung der 
Dampfrohrleitungen auf den deutschen Kriegsschiffen. — Vorschriften der 
englischen Admiralität über das Schliefscn der wasserdichten Thüren auf 
Kriegsschiffen. — Die Armirung der englischen Auxiliar-Kreuzcr. — Die 
Subvention der englischen Dampfschiffe-Gesellschaften. 

Army and Navy Gazette. Nr. 1788: Vom 21. 4. 94. In einem 
längeren Artikel wird „die französische Flotte" mit Bezug auf die zur 
Untersuchung event. Unregelmäfsigkeiten in der Marineabgeordneten-Extra- 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



247 



Parlaments-Kommission besprochen. — Das Blatt bringt ferner eine Anzahl 
bemerkenswerte Äufserungcn über den Panzerschutz von Kriegsschiffen 
sowohl aus den Parlamentssitzungen wie auch aus der Times von Sir 
Edward Reed, langjähriger Chef-Konstrukteur in der englischen Admiralität. 
— Das italienische Marine - Budget pro 1894/95 (99 877 897 Lire) und die 
Verhandlungen über dasselbe in der Italienischen Kammer. — Die Neu- 
armirung und der Ausbau der Festungswerke von Cherbourg. — Nr. 1789: 
In einem längeren Artikel wird das Gewicht und die Art des Panzers 
der verschiedenen neueren englischen Panzerschiffe besprochen. So beträgt 
z. B. das Gewicht des Panzers vom „Trafalgar" 4400 Tons, bei einem 
Deplacement von 12 500 Tons, das Panzergewicht des 14 200 Tons grofsen 
„Royal Sovereign" 4550 Tons etc. — Verschiedene Ansichten über die 
Verteidigung des britischen Reichs: ob eine starke Flotte dies allein er- 
möglicht oder ob auch gegen eine Invasion Englands seitens der Armee 
mehr geschehen mufs? — Die Schiefversuche bei Gävres gegen die Panzer- 
platten aus den französischen Werken von Chätillon-Commentry, Saint 
Etienne (beide Harveyized) und Creuzot (speziell Stahl). — Das italienische 
Marine-Budget in der Kammer. — Die französische Presse ereifert sich, 
dafs die Regierung dem englischen Militär-Attache 1 die Erlaubnifs zur Be- 
sichtigung von Toulon gestattet hat. — Den englischen Werften ist die 
grö&te Geheimhaltung der Pläne und Zeichnungen der neuen Schiffe be- 
fohlen worden. — Nr. 1790: Ein längerer Artikel über die französische 
mobile Küstenverteidigung. — Angriff der Regierung im Hause der Lords 
durch Lord Hood of Avalon bezüglich des Marine-Budgets und der neuen 
Schiffsbauten. — Die Verordnungen der Admiralität für die Kommandanten 
der Schiffe, welche Torpedoboote zweiter Klasse mitrühren. — Die Fest- 
lichkeiten für den Admiral Erben, den Kapitän Mahan und die Offiziere 
des Nordamerikanischen Kreuzers „Chicago" in London. — Kapitän 
Mahan, von einem Reporter interviewed, sprach sich dahin aus, dafs der 
Kern jeder Schlachtflotte aus Panzerschiffen bestehen müsse etc. etc. 
Es ist dies durchaus nichts Neues. — 

Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 194: Marine- 
Preisaufgabe : Die best angewandte Taktik zur Krafteutwickclung vor- 
handener Schiffe und Waffen (Geschütz, Sporn und Torpedo), welche 
Flotten, Gruppen und einzelne Schiffe in der Schlacht beobachten sollten. 
Von Commander F. C, D. Sturder R. N. Am Schlüte eine Tafel A.: Die 
verschiedenen Spornangriffe im Kriege; bei Lissa 1866, Chili und Peru 
21.5. 79 und 8. 10. 79. Tafel B.: Die Attacken einzelner Schiffe. C: Flotten- 
angriffe. D.: Ansichten über die verschiedenen Angriffsformationen. Be- 
merkungen einzelner Seeoffiziere über Tafel B., C. und D. Es ist eine 
fleifsige und wohl durchdachte Arbeit. — Schiefsversuche gegen Panzer- 
platten in Pola, welche für die im Bau befindlichen 3 Panzerfahrzeuge in 
Ostereich-Ungarn zur Auswahl standen. Lieferanten waren: Vickers&Cammel 
aus England; Krupp und die Dillinger Hütte aus Deutschland, Wilkowitz&Co. 
aus Osterreich. — Eine Invasion Frankreichs (aus der Times übernommen). 
Erörterung in der französischen Kammer. Die beantragte Küsten verteidigung 



Digitized by Google 



1 



248 Umschau in der Miütar-Litteratur. 

bezieht sich 1. auf die Verteidigung von Cotentin (bei Cherbourg) und Corsika, 
beide der Marine allein unterstellt. 2. Arsenal und Stadt Cherbourg mit 
Caen durch eine Eisenbahn zu verbinden. 3. Strategische Eisenbahnen 
nach Hague, Barfleur etc. — Mitteilungen. England: Probefahrten 
der Kanonenboote: „Hazard" und „Antelope", „Sharpshooter u . — Schieü»- 
versuche mit den Geschützen an Bord der „Re pulse 41 . — Unter der Uber- 
schrift: „A useful return made up 15. Decbr. 93" wurde im Februar dieses 
Jahres dem englischen Parlament eine Liste der in England, Frankreich, 
Kufsland, Deutschland, Italien und Österreich-Ungarn fertigen, im Bau be- 
griffenen und zum Bauen beabsichtigten Panzerschiffe und Kreuzer etc. von 
der englischen Admiralität vorgelegt. Ganz interessantes Schriftstück. — 
Angabe der Dimensionen des von Mr. Normand in Havre für die französische 
Marine zu erbauenden Hochsee - Torpedobootes „Forban". — Notizen über 
die Probefahrten des Kreuzers der Nordamerikanischen Marine „Columbia", 
mit einer Photographie des Schiffes. 

Army and Navy Journal. Nr. 36: Bericht des Lieutenants Beehler 
an den Sekretär der Nordamerikanischen Marine über die 29tägige Ver- 
wendung des von ihm erfundenen „ Solarometers' 4 an Bord der Nord- 
deutschen Lloyd-Dampfer, wo mit demselben sowohl bei der Ortsbestimmung 
der Schiffe auf hoher See, wie bezüglich der Variationsbestimmnng der 
Kompasse etc. sehr günstige Resultate erzielt worden sind. — Schiefe- 
versuche mit Sterlings 12 zölligen Panzerdurchschlags-Geschossen etc. — 
Vorschläge der Bureau-Chefs im Marine-Departement in Washington: die 
Cellulose (Kork etc.) zum Schutz der vitalsten Teile der beiden im Bau 
befindlichen Fahrzeuge „Machias" und „Castine" zu verwenden. — Das 
Marine-Departement in Washington beabsichtigt, die Schotten und Wassertanks 
der Torpedoboote aus Aluminium herzustellen. Nr. 37: Der Eigentümer des 
New -York Herald läfst sich bei Herrcshoff in Bristol R. J. eine Yacht bauen, 
welche schneller sein mufs als die gegenwärtig schnellste „Vigilant". — 
Die Vorlagen des Sekretärs der Nordamerikanischen Marine bezüglich der 
Augmentation des Seeoffizier-Personals für den Kongrefs. — Das Zer- 
springen einer lOzölligen Woodbridge Draht-Kanone beim zwanzigsten 
Schufs. Nr. 38: In Folge der vom Kongrefs beim Marine-Etat gemachten 
Abstriche haben Neu- und Reparaturbauten auf der Werft zu Portsmouth 
N. H. aufgehört und sind 150 Beamte entlassen worden. — Effekt der 
kleinkalibrigen Geschosse nebst Zeichnungen von 17 verschiedeneu Ge- 
schossen. — Längere Abhandlung über den letzten Bürgerkrieg in Chili. 

— Eine ganze Anzahl Schiefijversuche mit den verschiedenen Schnellfeuer- 
geschütz-Typen, sowie gegen Panzerplatten und mit schweren Geschofs- 
arten. Nr. 39: Bericht über den Schiefsversuch gegen eine Panzerplatte 
des amerikanischen Schlachtschiffes „Massachusetts" aus dem Carnegie- 
Eisenwerk; eine 6 zöllige gebogene Harveyized-Platte von 21 Fufs 8 Zoll 
lang und 5 Fufs S l j 2 Zoll breit. Widerstandsfähigkeit äufserst günstig. — 
Die Probefahrten mit dem Panzerfahrzeug „Marblohead" in Nord-Amerika. 

— Die Veröffentlichungen der „Pilot-Chart" des Nord-Atlantischen Ozeans 
pro Monat Mai 1894 durch das Hydrographische Amt in AVashington. 



Digitized by Google 



Umschau in der MilitÄr - Litteratur. 



249 



In der Karte ist auch der Weg, den der Cyclon im März vorigen Jahres 
genommen hat, enthalten. — Die Probefahrten mit dem Kreuzer „Columbia". 

Revue maritime et coloniale. Nr. 392: Chronik des französischen 
Kriegshafens Lorient von 1803 bis 1809. Von M. Lallemand. — Die 
Naphtaheizung und das Torpedoboot Nr. 104 S. Abhandlung über dies 
Thema. Von M. Cuniberti, Ingenieur. (Ubersetzt aus d. Italienischen.) — 
Obock (Hafen im Golf von Aden) und Abessinien (Schluls). Von 
M. Alvarez. — Ausführliche Beschreibung des nordamerikanischen Kreuzers 
„Columbia 44 (in Frankreich „Croisseur de Course 44 , in Amerika auch „Pirate 44 
genannt), scheint eins der vollkommensten Schiffe dieser Klasse der Gegen- 
wart zu sein. Schnelligkeit 23 Knoten; Deplacement 7356 Tons; Länge 
in der Wasserlinie 125 m 54 cm, Breite 17 m 67 cm, vollbeladener Tiefgang 
7 m 74cm, Armirung ein 20cm, zwei 15 cm Hinterlader; acht 10 cm 
Schnellfeuer-, zwölf Hotchkiss-, vier Gatlingkanonen und 6 Torpedorohre 
von 0,375 m Durchmesser, davon 2 unter Wasser. Maschinen von 
11 000 Pferdekräften mit 3 Schrauben. Panzerdeck. Dem Engineering v. 
4. 1. 94 entnommen und übersetzt von H. Lesquivil. — Einfluß* der Be- 
herrschung des Meeres auf die Geschichte (1660 — 1783). Von Kapitän 
A. T. Mahan. Chronique. Budget der englischen Marine pro 1894/95. 

— Schiffskonstruktionen und Panzerungen in England und Nord-Amerika. 

— Schiefs versuche gegen Panzerplatten in Nord- Amerika. — England: 
Das neue Konstruktionsprogramm für die neu zu erbauenden Schiffe der 
englischen Flotte. (Dem Broad arrow vom 17. März 94 entnommen). — 
Die Hochseefischerei der verschiedenen Küstenländer. 

La Marine de France. Nr. 60: Die Frage bezüglich der Neu- 
fundland-Bank und der Banc d'Arguin. Von Kontre-Admiral Reveillere. 
Kap Blanc, Baie du Levrier, Banc d'Arguin. Von Admiral O'Neill. — 
Corsica nur fünf Stunden von Frankreich. Von einem Corsicaner See- 
mann. — Der maritime Vierbund im Mittelmeer (England, Deutschland, 
Italien und Österreich-Ungarn). Von Keliff. — Die Schifffalirt zwischen 
Paris, Rouen und Hävre. Von Cabestan. — Chronique: Schluls der 
Berichte von Admiral Vallon, bezüglich des französischen Panzerschiffes 
„Magenta." — Das Projekt des französischen Marine-Budgets pro 1895. — 
Die Frage der Entpanzerung. — Ouganda und Zanzibar. — Yachting. — 
Chronique der Handelsmarine. Kr. 61: Kommando und Verwaltung in 
der Marine (französischen). Von Truth. — Fischerei am Kap Blanc. 
Von Kontre-Admiral Reveillere. — Die Untersuchung - Kommission in 
Toulon. — Die Navigirung auf der Seine zwischen Paris, Rouen und 
Hävre. Von Cabestan. — Chronique: Die parlamentarische Untersuchungs- 
Kommission. — Frago der Entpanzerung. — Der Hafen von Bordeaux. 

— Die französischen Häfen und ihr Schutz. — Die deutsche Konkurrenz 
bei den transoceanischen Fahrten. — Flufsregulirungen in Preufsen. — 
Umformirung der Compound-Maschinen in dreifache Expansionsmaschinen. 

— Eine Nordpol-Expedition. Hr. 62 : Das Erforschen des besten Typ eines 
Schlachtschiffes. — Der Kanal zwischen dem atlantischen Ocean und dem 
Mittelmeer. Von Kontre-Admiral Galache. — Unsere Panzerschiffe 



Digitized by Google 



250 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



(die französischen) beurteilt durch die Admiralität. Das Journal „La 
Justice" veröffentlicht d. d. Paris im Septbr. 1892 verschiedene officielle 
Depeschen des Marine-Ministers Mr. Burdeau an Mr. Korn, Direktor des 
Marine-Konstruktios-Bureaus in Cherbourg, den Kontre-Admiral Barrera; 
den Vice-Admiral Lespes etc. — Chronique: Die Seetaktik. Von 
M. Weil. Unterzeichnet J. Carthan. — Die Frage des Entpanzerns. 
Ein Briet' von Mr. ,. Emile Gautier" vom Journal ,,Le Figaro 4 ' an Mr. Paul 
Fontin, Direktor des Journal „La Marine de France," das obige Thema 
betreffend. — Une escadre en trompe — Toeil. Unter diesem Titel bringt 
das Journal einen Artikel von einem seiner Abonnenten aus Cherhourg. 
— Das englische Mittelmeer-Geschwader auf der Besuchsfahrt an den 

• • mm 

Küsten Österreich -Ungarns. — Das Tournee des deutschen Ubungs-Ge- 
schwaders. — Die militärischen Interessen des deutschen Reiches und der 
Elbe-Weser-Rhein-Kanal. — Die französische Handelsmarine. 

Rivista marittima. Nr. V: Strategie zur See. Von D. Bonamico. 
Interessante Abhandlung über dies Thema. — Uber elektrische Ventilatoren 
(Forts.). Von Dott. L. Pasqualini. — Die Torpedoboote im Kampfe der 
Flotte (Geschwader). Von M. Caprioni. — Verwaltung bezüglich des 
Königlichen Flottenpersouals. Von Francesco Pages, Sektions-Chef im 
Marine-Ministerium. — Briefe an den Direktor. Uber Landungen. Von 
C. Avallone. — Mitteilungen. Frankreich: Notizen und Bemerkungen 
über diu Kriegsschiffe: „Duquesne", „Coetlogon", „Fleurus", „Suchet" und 
die Torpedoboote „Lansquenet" und „Averse". Sodann Detailaufzeichnungen 
über den Typ „Charlcniagne." England. Mitteilungen über die Konstruktion 
der neuen Kriegsschiffe; Kanonenboot „Halcyon"; Probefahrten des Kanonen- 
bootes „Hazard". — Berichte über die mit den Torpedojägern „Havock" 
und „Hörnet" gemachten Erfahrungen (Zeichnung des Hörnet). Artillerie: 
Spezifikation des Patents Nr. 228 637. Vom 15. 3. 93 der französischen 
Gesellschaft Schneider & Comp, bezüglich eines Härtungsverfahrens von 
Panzerplatten mit oder ohne Beimischung von Ammoniac-Gasen. Mit drei 
Tafeln Zeichnungen. — Ein Supplementband zu Nr. V. Sammlung der 
Schriften von Signor William Froude. F. R. S. über den Widerstand der 
Schiffsbewegung gegen die Wellen. Von Nabor Soliani. 

IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 

1. v. LöbclPs Jahresberichte über die Veränderungen und 
Fortschritte im Militärwesen. XX. Jahrgang 1893. Unter Mitwirkung 
mehrerer Offiziere. Herausgegeben von Th. v. Jarotzky, General- 
lieutenant z. D. Berlin. E. S. Mittler & S. Preis 9,50 M., gebd. 11 M. 

2. Garnisonbeschreibungen, vom Standpunkte der Gesundheits- 
pflege aus aufgestellt. Herausgegeben von der Medizinal-Abtcilung des 
Königlich Preufsischen Kriegsministeriums. Beschreibung der Garnison 
Cassel, vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus aufgestellt. Mit 
2 Karten, 56 Tafeln und 1 Abbildung im Text. Berlin 1893. E. S. Mittlcr&S. 
Preis 8 M. 

3. Geschichte des Feldzuges 1814 gegen Frankreich unter be- 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



'251 



sonderer Berücksichtigung dor Anteilnnhtne der königlich württembergischen 
Truppen. Von Fritz v. Hiller, Oberst. Herausgegehen von der Württem- 
bergischen Kommission für Landesgeschichte. Stuttgart 1893. Verlag von 
W. Kohlhammer. 

4. y. Dossow's Anleitung zur Anfertigung von militar-schrift- 
Hchen Arbeiten, als Meldungen, Rapporte u. s. w. , nebst vielen er- 
läuternden Beispielen und einem Anhange. Vierzehnte Auflage. Nach 
den neuesten Bestimmungen umgearbeitet von Th., Bat. -Adjutant, und L„ 
Zahlmeister. Berlin 1894. Verlag der Liebel'schen Buchhandlung. Preis 1 M. 

5. Kriegserinnerungen aus 1870/71. Soldatengeschichten von 
O.Elster. Berlin. Verlag der Liebel'schen Buchhandlung. Preis IM. 

6. Deutsche Kriegertugend in alter und neuer Zeit. Der Jugend 
und dem Heere [gewidmet von Paul von Schmidt, Generalmajor z. D. 
Berlin 1894. Verlag der Liebeleien Buchhandlung. Preis 2,50, in 
Partien 2,10 M. 

7. Die Erziehung des Soldaten. Den Kameraden gewidmet von 
Paul von Schmidt, Generalmajor z. D. Berlin 1894. Verlag der 
liebel'schen Buchhandlung. Preis 2.50 M. 

8. Kriegserinnerungen eines Feldzugsfreiwilligen aus den Jahren 
1870 und 1871. Von Karl Zeitz. Illustrirt von K. Starcke- Weimar. 
Zweite Auflage. Lieferung 1. Preis 50 Pfg. Altenburg 1894. Verlag 
von Stephan Geibel. 

9. Nachtrag zur Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine 
für das Jahr 1894. (Abgeschlossen 20. Mai 1894). Redigirt im Marine- 
Kabinet. Berlin. E. S. Mittler & S. 

10. Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches. Nebst den 
Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichtes, des Reichsgerichts und der 
Seeämter. Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister. Von Dr. jur. 
W. E. Knitschky. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin 1894. 
J. Guttentag, Verlagsbuchhanlung. Preis 3,80 M. 

11. Gaston Routier. Guillaume II u Londres et l'union franco- 
russe. Quatricme Edition. Paris 1894. Librairie H. Le Soudier. 

12. Der Patrouillendienst bei der Infanterie (Jäger ) Truppe mit 
besonderer Berücksichtigung des Meldedienstes. Von E. v. Garger, k. u. k. 
Oberstlieutenant. Mit einer Skizzentafel. Trient 1894. Im Selbstverlage 
des Verfassers. 

13. Beitrage zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. 

I- Offizier-Felddienst-Übungen. Von Litzmann, Oberstlieutenant a 1. s. d. 
Generalstabes. Mit 1 Kroki, 1 Skizze und Blatt Kosel d. Karte d. deutschen 
Reiches. Zweite, durchgesehene Auflage. Leipzig 1894. Verlag von 
6. Lang. Preis 3 M. 

14. Dictionnaire militaire. Encyelopadie des sciences militaires, 
redigee par un comit6 d'officiers de toutes armes. 1. livraison. — A — 
Armee. Paris-Nancy 1894. Librairie militaire. Berger -Levrault et Oie. 
Preis 3 fres. 

15. Colonel R. Henry. L'Esprit de la Guerre moderne d'apres 



Digitized by Google 



252 



Umschau in der Militär- Litte ratur. 



les grands capitaines et les philosophes. t)euxieme e*dition. Paris-Nancy 
1894. Librairie militaire Berger-Levrault et Cie. Preis 7,50 frcs. 

16. Anleitung zur ersten Hilfeleistung bei plötzlichen Unfällen, 
für Lazarethgehilfen, Heildiener etc. Unter Mitwirkung von Dr. med« 
L. Mehler. Herausgegeben von J. Hess. 26 Abbildungen. Frankfurt a. M. 
Verlag von H. Bechhold. Preis 1,80 M. 

17. Der Kapitulant. Ein Hand- und Nachschlagebuch für jüngere 
Unteroffiziere etc. Von von Wenckstern. Zweite, umgearbeitete und bis 
zur Neuzeit ergänzte Auflage, bearbeitet von von Scriba, Pr. -Lieutenant. 
Minden und Leipzig 1894. Verlag von W. Köhler. Preis 1,50 M. 

18. Feldhauptmann Seyfried Schweppermann. Eine biographische 
Studie von A. von Gey so, Pr.-Lieutenant. Berlin 1894. E. S. Mittler & 3. 
Preis 50 Pfg. 

19. Der Dienst des deutschen Apothekers im Heere und in der 
Marine. Bearbeitet von Dr. Salz mann, Korps-Stabsapotheker des Garde- 
korps. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3 M. 

20. Winke über die Ausbildung der Eskadron im Felddienst. 

Nebst zahlreichen Beispielen für taktische Aufgaben und Übungsritte. Von 
Rau, Major. Hierzu eine Übersichtskarte in Steindruck (M.-St. 1 : 100 000). 
Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 2 M. 

21. Handbuch für den Kavallerie-Unteroffizier im Felddienst, 
Von Rau, Major. Mit Skizze im Text. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. 
Preis 1 M. 

22. Das Russische Drei -Linien-Gewehr und seine Schurs- 
leistungen. Zweite, vollständig umgearbeitete Auflage, mit Zeichnungen 
im Text und einer Zeichentafcl, von Frhr. von Tettau, Prem.- Lieutenant. 
Hannover 1894. Helwingschc Verlagsbuchhandlung. Preis 1 M. 



Kroll's Bnchdrnckerel, Berlin S., Sebutiinstraaae 7«. 



Digitized by Google 



äfr *}£ '"if' ^ 'i- /*s, ite. zk\ fk\ ^ ^ «fe ^ ^ ; 



Q£>- £2 ^ ^ £2^2^ 



JULIUS EWEST 

Weingrosshandlung 

Hoflieferant Sr, Majestät des Kaisers und Königs. 
Behrenstr. 26 Ä, BERLIN W., Behrenstr. 26 Ä 

Ecke Friedrichttr. 
FILIALES: 

Genthin erstr. 7, Ecke der Lützowstr. 
W. Potudamerstr. 63. 

— Telephon: Ast I, 2089. — 

Grorsses Lager 





WH 



Bordeaux-, Rhein- und Moselweinen 

der besten Jahrgange. 

Alte Port-, Sherry- u. Madeira-Weine. 

Champagner und Cognacs 

der renommirtesten Häuser. 

r^=^ Restaurant I. Ranges nnd Weinprobirstnbe. 




S2i 



1-' - 



Dittmar s Möbel-Fabrik 

Berlin C, Molkenmarkt 6. 

Gegründet 1836. 

Eigene Tischlerei. — Eigene Malerei. — Eigene Bildhauerei. 
Eigene Tapeziererei. — Eigene Werkstatt für Draperien. 



Kunstgewerbliches Etablissement für einfach bürgerliche, wie reiche 

Wohnungs - Einrichtungen 

besonders in den Preisen von Mk. 1000 bis Mk. 10,000. 



Vertragsmässig Lieferant des 
Waarenhauses für Deutsche Beamte. 



I 



Werkräume und 



ne stehen jederzeit zur gefl. Besichtigung offen. 



Hit Mustern! bnm, KoMtennnnehlng, Vonckllfen, Stoffproben, wie 
*llrm. wm da« sehwlerige CiesehKft 
w, rd kostenfrei bereitwilligst gedient. 



Digitized by Google 



A. Hefter, 



Königi. Hoflieferant, Leipzigerstrasse 98. 

Potsdamerstr.115. Sclilosspl.il. Kommandantenstr.52. 

Rayonner Bla8CH-Schillken zum RoheSSdl von 3 Pfd. an, Rm. 1,50 
per Pfund, im Ganzen, sehr mild gesalzen, vorzüglich sich haltend und an Feinheit 
Geschmack dem so beliebten Lachsneisch durchaus gleichkommend. 



im 



vorzügliche Schinken zum Kochen in Burgunder von 4 Pfund 

an per Pfund Rm. 1.20. 

Feinste Gothaer Cervelatwurst 1 D i on per Pfd. in 

Braunschweig. Hettwnrat u. Salami j Km - 1|ÄV ganzen Würsten. 

Feinste Thüringer Zungenwurst und Blutwurst. — Alle Sorten Leber- 
wurst. — Feine Ijeberwurst, Rm. l,ÄO per Pfund. 

Zum Warmesien deutsche Reichswurst, Janenche und die beliebten 
Wiener und Breslauer Würstchen, täglich dreimal frisch. 



r x. *i- »i» t *r ~r ~r -r t *•.- ~r ~r ~r ~r r v *r »r »r *»* 



Prämiiert mit der 




goldenen Medaille. 



5 > 



1889. 

Lager 

von feuer- nnd diebessicheren Ueldschränkeii in verschiedenen Konstruktionen. 
Eintuauerschr&nke. Kassetten, höchst elegant mit Vorrichtung zum An- und Los- 
schliessen mit Geheimboden. Kopierpressen in Guss- und Schmiede-Eisen empfiehlt die 
Fabrik patentierter Geldschränke, Kassetten, Kopierpressen, Pressen n. Schlösser jed. Art 

E. Palm, BERLIN 0., Holzmarktstrasse 5. 

Illustrierte Prelitcourante gratln nnd fr»neo. 

_ ^ m j m ^ „r, „V -V V. ~'~ - , ~ -*« •** „•« «I« V* -V >| 



Berlin 

Permanentes 




■5 

! 




R. W. Picht, 

Goldschmied und Juwelier, 

Berlin SW. 

Friedrich • Strasse 215, 

zwischen Koch- and Puttkjunerstr 

Femsprech - Anschluss 
Amt 6, No. 1936. 

Nur solide und ge- 
schmackvoll gearbeitete 
Goldwaaren. 

Orotti iMger. Eigene Wtrkslllttt. 
Billig lU Preist. fttparaturen sttt* pünkt- 
lich, gut und billig, InMitut für galwnUch* 

Vergoldung und Vtrtilberung MC. 
Gravirungtn in Sehri/I und Monogra 



Ankauf von Juwelen, 
Gold und Silber. 



Digitized by LjOOQIc 



XX. 



Eine Heldengestalt 
aus der Zeit des dreifsigjährigen Krieges. 

Von 

Major G h. 



Nicht in gleichem Mafse, wie der einzelne Mensch in besseren 
Tagen sich gerne vorausgegangener Prüfungen und überstandener 
Kämpfe erinnert, um in unmittelbarem Vergleiche von Vergangenheit 
und Gegenwart die Befriedigung über letztere zu erhöhen, ist dieser 
Zug der Erinnerung im staatlichen und politischen Leben vertreten. 
Hier begnügt sich die Allgemeinheit meist, die Verhältnisse, wie sie 
die Gegenwart bietet, hinzunehmen oder zu bekämpfen, und nur die 
Blicke Einzelner tauchen in die Vergangenheit zurück, um aus dem 
Werdeprozefs des Bestehenden den richtigen Mafsstab für die Be- 
urteilung der Gegenwart und für ihre Hinüberführung in eine glück- 
liche Zukunft abzuleiten. So kommt es, dafs selbst die wichtigsten 
Momente und Perioden der Geschichte eines Volkes -— wert als 
Marksteine derselben und als Wegweiser für die Gegenwart bezeichnet 
zu werden — nur noch in allgemeinen Umrissen in der Erinnerung 
der breiten Menge haften, in ihren Einzelheiten aber mehr der Ver- 
gessenheit anheimgegeben sind, als dies vom Standpunkte der Pietät 
und des unanfechtbaren Satzes, dafs die richtige Beurteilung der 
Gegenwart auf der Kenntnifs der Vergangenheit beruht, gerechtfertigt 
erscheint. Und das Los dieser Ereignisse teilen meist auch die mit 
ihnen verflochtenen Männer, wie sehr dieselben auch als Leuchten 
ihres Stammes, ihres Volkes, ihres Berufes hervorgetreten sein mögen. 
Die Menge kennt und nennt vielleicht auch ihre Namen, ihres Wesens 
und ihrer Werke erinnert sie sich mehr oder minder nur noch in 
dunklen Zügen. 

Einen der zahlreichen Beweise hierfür bildet der in der Geschichte 
Deutschlands so bedeutungsvolle dreifsigjährige Krieg und die mit den 
Ereignissen desselben auf's engste vereinigte Gestalt des General- 

Jaurbocher ftr die Deuteche Armee und Marine. Bd. VHIC, 3. 17 



Digitized by Google 



254 Eine Heldengestalt au» der Zeit des dreißigjährigen Krieges. 

feldniarschalls Gottfried Heinrich Grafen zu Pappenheim. 
Wie jener eine geschichtliche Periode bildet, welche noch mancher 
Aufklärung bedarf, so lebt auch Pappenheim mehr in der Nennung 
seines Namens, als in der allgemeineren Kenntnifs seiner Leistungen 
fort. Hat sich doch bis jetzt nur ein einziger Biograph (Hafs — 
Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim. Leipzig 1855) gefunden, 
der sich mit dem Charakter und der geschichtlichen Bedeutung 
Pappenheims eingehender beschäftigte und dieselben einer gründlichen 
Darstellung für wert hielt. Zur weiteren Verbreitung der Kenntnife 
von Pappenheims Leistungen hat zudem auch diese Veröffentlichung 
nur wenig beizutragen vermocht. Umsomehr legt der dreihundertste 
Jahrestag von Pappenheims Geburt es nahe, die Erinnerung an einen 
Mann wachzurufen, dessen Bedeutung als Mensch und als Truppen- 
führer sich die Abstammung aus einem der ältesten und hervor- 
ragendsten deutschen Adelsgeschlechter zugestellt, um ihn weit über 
den Wert der blofsen Namenskennung zu erheben. 

Zu Pappenheim an der Altmühl in Bayern, in dem noch heute 
im Besitze seiner Familie befindlichen alten Schlosse, am 29. Mai 
151)4 geboren, teilte Gottfried Heinrich zu Pappenheim das 
gleiche Geburtsjahr mit dem Könige Gustav Adolf von Schweden, 
mit dessen Geschicken sich auch im späteren Leben Pappenheims 
zahlreiche Berührungspunkte finden. Sein Vater, der Reichserbmarsihall 
Veit zu Pappenheim, ein berühmter Astrolog, deutete des Sohnes 
künftigen Kriegsruhm aus einem der Stirne desselben anhaftenden, 
später allerdings verschwundenen und nur noch in Momenten des 
Zornes hervorgetretenen Muttermal, zwei gekreuzten roten Schwertern, 
wie sie die PappenhemVschen Reichsmarschälle im Wappen führten. 
Nach dem Tode seines Vaters (1600) reichte die Mutter Pappenheims, 
eine Tochter des Freiherrn von Preysing, Pflegers zu Reichenhall, 
dem Statthalter von Österreich ob der Enns, Grafen von Herberstorff, 
die Hand, der in der Folge nicht wenig zu der Entwickelung der 
weiteren Lebensgeschichte des jungen Pappenheim, insbesondere zu 
seinen nahen Beziehungen zum Kaiserhofe beitrug. Zunächst war 
Pappenheira zu akademischen Studien bestimmt, die er auf der damals 
weitberühmten Hochschule zu Altdorf (1608) begann, auf der Universität 
Tübingen beendete und dann durch Reisen in den Niederlanden, 
Frankreich, Spanien und Italien und durch die hierbei gewonnenen 
umfangreichen Sprachkenntnisse bereicherte. Im Jahre 1614 trat 
Pappenheim zur katholischen Kirche über und wurde gleichzeitig zum 
kaiserlichen Reichshofrat ernannt. Welche Beweggründe diesen 
Religionswechsel veranlagten und inwieweit der Stiefvater Pappen- 
heims, welcher ebenfalls die protestantische Religion mit der katholischen 



Digitized by Google 



Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreifsigjahrigen Krieges. 



255 



vertauscht hatte, hierbei Einflufs ausübte, läfst sich kaum noch fest- 
stellen, — soviel aber ist gewils, dafs die Überzeugungstreue, mit der 
Pappenheini seinem gewühlten Glauben anhing, die Richtschnur für 
sein ganzes künftiges Leben bildete. 

Dem lebendigen Geiste Pappenheinis entsprach die für ihn in 
Aussicht genommene höhere Beamten -Laufbahn nur wenig; sein 
thatenfrischer Sinn strebte nach kriegerischen Erfolgen. Die Teil- 
nahme an den Kämpfen des Königs Sigismund von Polen gegen den 
falschen Demetrius in Rufsland gewährte ihm jedoch ebenfalls keine 
Befriedigung und so entschlofs er sich, in den Dienst des Bayern- 
herzogs Maximilian, des Hauptes der katholischen Liga, zu treten, 
dessen Beziehungen zum Kaiserhause und zur katholischen Kirche 
dem jungen Pappenheim Gewähr dafür boten, dafs er sein künftiges 
Wirken mit voller Überzeugungstreue den eigenen Idealen widmen 
könne. 

So finden wir beim Ausbruch des dreifsigjährigen Krieges Pappen- 
heim, dessen Thätigkeit und Geschicke von nun ab mit den Ereignissen 
dieses Krieges Hand in Hand gingen, als Oberstlieutenant der Kavallerie 
in dem von Tilly befehligten, zur Hilfe des Kaisers eilenden Heere 
der Liga. Schon auf dem Marsche nach Böhmen zum „Obristen über 
1000 Mann Kavallerie" befördert, zeichnete er sich in der Schlacht 
am weifsen Berge bei Prag durch eine mit grofsera Geschicke und 
seltener Tapferkeit durchgeführte Attacke gegen feindliche Artillerie 
aus und trug dadurch wesentlich zum Siege der Kaiserlichen bei. 
Freilich zahlte er diese Waffenthat mit mehr als zwanzig Hieb- und 
Stichwunden, aber schon im Jahre 16*21 sehen wir ihn — kaum 
genesen — wieder beim Heere Tillys, in dessen Reihen er, bald als 
Oberst der Infanterie, bald als solcher der Kavallerie aufgeführt, den 
Mansfelder in der Pfalz und am Überrhein bekämpfen half. Dennoch 
scheint er auch hier keine Befriedigung seines militärischen Ehrgeizes 
gefunden zu haben, denn im .Januar 1 1**22 erbat er seine Entlassung 
und scheint die Absicht des Eintrittes in kaiserliche Dienste gehabt 
zu haben, mit der es wohl auch zusammenhängt, dafs er auf dem 
Reichstage zu Regensburg vom Kaiser Ferdinand II. persönlich den 
Ritterschlag empfing und ein Regiment Kürassiere — die berühmten 
Pappenheimer — verliehen erhielt. Schon im September l(i*22 wandte 
er sich jedoch wieder der ligistischon Armee zu, fand hier aber keine 
seinem Thatendrange entsprechende Verwendung und führte nun 1G25, 
abermals seinen Abschied nehmend, ein im Lande ob der Enns ge- 
worbenes Korps für die spanische Sache nach Italien, wo er durch 
die fast einjährige Verteidigung der verschanzten Position bei Riva 
am Comersee seinen eigentlichen Waffenruhm begründete. 

17* 



Digitized by Google 



256 Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. 

Beim Friedensschlufs 1626 wieder in den Dienst des Bayerniursten 
zurücktretend, erbot sich Pappenheim zur Niederwerfung des Aufstandes 
der protestantischen Bauern in Österreich ob der Enns und löste diese 
Aufgabe trotz der schwierigen Gestaltung der Sachlage mit einer so 
durchgreifenden, in seinem Glaubenseifer begründeten Energie, dafs 
schon anfangs 1627 der Aufstand niedergekämpft war, aber auch 
Oberösterreich verarmt und verwüstet dalag und die Bauern noch 
lange das Andenken des „leidigen Teufels", wie sie Pappenheim 
nannten, in Trauerliedem lebendig erhielten. 

Nach einem vorübergehenden Zuge gegen den alten Markgrafen 
von Baden-Durlach fand der zur ligistischen Armee zurückgekehrte 
Pappenheim im niedersächsischen Kriege, wo es die weitere Zurück- 
drängung des Königs von Dänemark galt, das Feld seiner nächsten 
Thätigkeit. Zunächst waren es die Belagerung von Wolfenbüttel, dann 
aber auch verschiedene Rekognoszirungen, so der Plätze Glückstadt 
und Krempe, dann der unteren Elbe und der Häfen an der Xord- 
und Ostsee, bei welchen Pappenheini Gelegenheit fand, sein in Italien 
hinsichtlich des Festungskrieges erlangtes Wissen zu verwerten. 
Nebenbei aber liefs der schleppende Gang des Krieges Pappenheim 
Zeit, unter Verwertung seiner früher gewonnenen juristischen Kennt- 
nisse und angestachelt durch einen vom Kaiserlichen Obergeneral 
Wallenstein noch geschürten Ehrgeiz ein bedenkliches Intriguenspiel 
gegen den Herzog von Braunschweig -Wolfenbüttel einzuleiten, das 
kein geringeres Ziel hatte, als die Entsetzung des Herzogs und die 
eigene Erlangung des Fürstentums Wolfenbüttel. Als der Kurfürst 
von Bayern auf Veranlassung Tillys diese Aspirationen des inzwischen 
(1628) zum ligistischen General-Feldzeugmeister ernannten und vom 
Kaiser in den Reichsgrafenstand erhobenen Pappenheim durchkreuzte, 
dachte letzterer an den Übertritt in spanische Dienste. Die be- 
züglichen Verhandlungen zerschlugen sich jedoch und Pappenheim 
war genötigt, in sein Hauptquartier Gardelegen zurückzukehren. 
Seine Beziehungen zu Tüly hatten aber zu Gunsten einer gröfseren 
Annäherung an Wallenstein eine tiefgehende Beeinträchtigung er- 
fahren. 

Diesem Verhiiltnifs ist es wohl auch zuzuschreiben, dafs sich 
Wallenstein bei der folgenden Belagerung von Magdeburg die Unter- 
stützung Pappenheinis von Tilly ausbat. Die Aufhebung der Blockade 
liefs es nicht zur Ausführung der von Pappenheim gegen Magdeburg 
vorgeschlagenen Mafsnahnien kommen und so schied er auch von 
diesem Schauplätze unbefriedigt und mit einem um so gröfseren Groll 
gegen diese „hochmütige" Stadt im Herzen. Die Erfolge, welche die 
Holländer 1629 gegen die Spanier errangen, lenkten jedoch seinen 



Digitized by Google 



Eine Heldengestalt au« der Zeit de» dreifsigjährigen Krieges. 257 

Geist bald auf ein anderes Gebiet. Er entwarf einen Plan zur Unter- 
drückung Hollands, den er dem Könige von Spanien einsandte. 
Letzterer hätte nun thatsächlich gerne den ligistischen General zur 
Ausfuhrung dieses Planes gewonnen, allein nun boten sich für Pappen- 
heini mit der Invasion des Königs Gustav Adolf von Schweden in 
Norddeutschland neue fesselnde Aufgaben im Dienste der Liga. 

So lenkte er sein nächstes Augenmerk darauf, den Plan des 
Sehwedenkönig8, sich mit der Unterstützung des Herzogs von Lauen- 
burg und der die Fahne des Aufstandes erhebenden Stadt Magdeburg 
zunächst an der unteren Elbe festzusetzen, sofort mit der ganzen, 
ihm eigenen Energie zu bekämpfen. Er schlug vor allem den Herzog 
von Lauenburg, sperrte die Verbindung des Schwedenkönigs mit 
Magdeburg und erbat sich, nunmehr (1630) zum ligistischen und bald 
darauf zum kaiserlichen Feldmarschall befördert, von Tilly die Auf- 
gabe, das gehafste Magdeburg zu züchtigen. Eine Reihe von 
Schwierigkeiten, die sich Pappenheim bei der Belagerung Magdeburgs 
entgegen stellten, zwang allerdings später auch Tilly, zur Unter- 
stützung seines Unterfeldherrn herbeizueilen. Dennoch ist die am 
20. Mai 1631 erfolgte Erstürmung der Stadt ebensosehr Pappenheims 
ausschliefsliches Werk, als es nach den neuesten Forschungen un- 
berechtigt ist, wenn auch die durch Brnnd erfolgte Zerstörung Magde- 
burgs Pappenheim zur Last gelegt wird. 

Die Erfolge Gustav Adolfs waren freilich durch den Fall Magde- 
burgs und durch dessen Behauptung als Sperrposten der Elbe nur 
verschoben. Über Tilly und Pappenheim hinweg brachte derselbe 
seine Beziehungen zu Bernhard von Weimar, Wilhelm von Hessen 
und Kurfürst Johann Georg von Sachsen zum Abschlufs. Am 17. Sep- 
tember 1631 kam es, durch eine verfrühte und höchst bedenkliche 
Kavallerie-Attacke Pappenheims hervorgerufen, auf der Ebene von 
Leipzig zur Schlacht, die Tilly gerne bis zum Eintreffen der erwarteten 
Verstärkungen verschoben hätte. Und damit entfällt ein Hauptteil 
der Schuld, den für die ligistischen Waffen unglücklichen Ausgang 
dieses Tages veranlafst zu haben, auf das einer sorgfältigen Abwägung 
der Verhältnisse stets abholde Ungestüm Pappenheims. Wenn er 
auch in der Schlacht selbst Wunder der Tapferkeit verrichtete und 
nachher sowohl durch seinen geschickten Rückzug als durch die Art, 
wie er im Rücken des siegreich an den Rhein und in Oberdeutschland 
vordringenden Schwedenkönigs operirte, unsere volle Bewunderung 
verdient, so zeigte er sich doch überall mehr als wagelustiger Kavallerie- 
führer und Beherrscher des kleinen Krieges denn als sorgsam wägender 
Feldherr. Auch der Entsatz Magdeburgs gegen ein schwedisches 
Belagerungs-Korps unter Baner, den Pappenheim in den letzten 



Digitized by Google 



258 Eine Heldengestalt au« der Zeit de» dreifsigjährigen Krieges. 

Dezembertagen 1631 zu Wege brachte, sowie die Unternehmungen, welche 
er nach Schleifung der Festungswerke Magdeburgs gegen die Generale 
Tott und Baudissin, den Fürsten Wilhelm von Hessen und Georg von 
Lüneburg ausführte, seine Behauptung in der Stellung an der Weser 
zeigen ihn in diesem Lichte eines thatendürstigen, ruhelos verwegenen 
oder — wie ihn der Chronist nennt — eines „fanatischen Kriegs- 
mannes". Von Stade bis nahe an Kassel, von Hildesheim bis nach 
Mastricht gingen seine kampfsuchenden Hin- und Herzüge; denn nicht 
zufrieden mit den Aufgaben, die ihm die Fortschritte seiner Gegner 
in Deutschland brachten, hatto er auch der Infantin von Spanien 
eigenmächtig noch seinen Degen und seine Truppen zur Verfügung 
gegen die Holländer angeboten, um dann — von den Spaniern im 
Stiche gelassen — bei dem vergebliehen Sturme auf das verschanzte 
Lager des Üraniers vor Mastrieht (17. August 1632) wohl die bitterste 
Enttäuschung seines Lebens zu erfahren. 

Überdies konnte er sich, nun nach Deutschland zurückkehrend, 
überzeugen, wie sehr sein eigenmächtiger Zug gegen Holland die 
ligistischen Erfolge beeinträchtigt und jene der Gegner gefördert hatte, 
so dafs nicht allein beim Kurfürsten Maximilian und den übrigen 
ligistischen Fürsten, sondern ;iuch bei dem wieder restituirten und 
nach Tillys Tode zu Pappenheim in das Verhältnifs eines Vorgesetzten 
getretenen Wallenstein eine höchst ungnädige Stimmung gegen ihn 
Platz gegriffen hatte. Wie nach der Schlacht von Leipzig suchte 
Pappenheim nun auch liier wieder durch erhöhte, geradezu staunens- 
werte Thätigkeit an der Weser und in Westfalen seinen Fehler gut 
zu inachen, so dafs er nicht allein die inzwischen bedrohten Plätze 
rettete, sondern als positiven Gewinn sogar die längst ersehnte Ein- 
nahme von Hildesheim erzwang. Eine nachhaltige Lehre aus seinen 
bisherigen Mifsgriffen zog er jedoch auch jetzt noch nicht. Statt 
dem Befehle, zur Verstärkung des von Gustav Adolf vor Nürnberg 
festgehaltenen Friedländers herbeizueilen, Folge zu leisten, schien es 
seinem eigenmächtigen und nun durch längere Selbstständigkeit ver- 
wöhnten Charakter angemessener, sich mit Gegenplänen und Vor- 
schlägen zu befassen. Erst dem wiederholten strengen Befehle des 
nunmehr nach Kursachsen eilenden und den König von Schweden 
nach sich ziehenden Wallenstein gelang es, Pappenheim endlich zum 
Anschlufs an die kaiserlich-ligistische Hauptarmee zwischen Leipzig 
und Merseburg (4. November 1632) zu bestimmen. Es war der 
Todeszug Pappenheims. In der Schlacht von Lützen am 16. November 
1632 gegen 2 Uhr Nachmittags, zu derselben Zeit und nahe dem Orte, 
wo auch Gustav Adolf fiel, wurde er bei Durchführung einer glänzenden 
Reiter-Attacke tötiieh verwundet und hauchte am nächsten Morgen, 



Digitized by Google 



Eine Heldengestalt aus der Zeit de« dreißigjährigen Kriege«. 259 

erst 38 Jahre alt, auf der Pleifsenburg zu Leipzig sein Leben aus. 
Wallenstein hat ihn nachher im Kloster Strasow zu Prag mit hohen 
Ehren begraben lassen und übernahm auch die Sorge für seine dem 
gräflich Öttingen'schen Geschlechte entstammende Wittwe aus zweiter 
Ehe sowie für seinen vierzehnjährigen Solin aus erster Ehe. 

Was Pappenheim in seinem fanatischen Glaubenseifer und un- 
ersättlichen Thatendrange während des beklagenswerten blutigen 
Religionskrieges geleistet, das bezeugen sowohl seine Parteigenossen 
wie seine Gegner. Erstere erkannten an, dafs es ihm niemand in 
der Verfolgung der Feinde Ihrer Römisch-Kaiserlichen Majestät und 
der katholischen Kirche gleich gethan habe, letztere bezeichneten ihn 
als Erzfeind, als Pest und Fluch des menschlichen Geschlechtes, dem 
das Odium des Glaubensverfolgers, des erklärten Vorkämpfers pa- 
pistischer Geistesknechtschaft, des Anhängers und Kampfgenossen 
der spanischen Tyrannen anhafte. Wie aber auch die von Pappen- 
heim eingeschlagenen Wege beurteilt werden mögen, — die Aner- 
kennung kann ihm nicht versagt werden, dafs sein ganzes Leben, 
Handeln und Wirken von seiner inneren Überzeugung und von Idealen 
geleitet war, die ihm als die edelsten erschienen. Das Streben, 
Kaiser und Reich zum höchsten Ansehen zu bringen, — ein Ziel, 
das ihm nur durch möglichste Kräftigung der katholischen Kirche 
erreichbar schien, beherrschte alle seine Handlungen und so verdient 
die Thatkraft, welcho er aus dieser Überzeugung zu entwickeln wufste, 
die vollste Bewunderung. Und wenn auch sein verwegenes Ungestüm, 
sein sanguinisches Temperament, seine Neigung zu Eigenmächtigkeiten 
und ein mafsloser persönlicher Ehrgeiz Pappenheim der Eigenschaften 
beraubten, welche man vom Oberbefehlshaber einer gröfseren Armee 
fordert, so hat er doch als brillanter Truppenführer in zahlreichen 
glänzenden Unternehmungen und durch eine bewundernswerte per- 
sönliche Tapferkeit das Anrecht darauf erworben, seinen Namen für 
alle Zeiten mit ruhmvollen Zügen in der Kriegsgeschichte niedergelegt 
zu sehen. Mit grofsen Vorzügen aber auch mit nicht geringen Fehlern 
ausgestattet, überzeugungstreu, kraftstrotzend und durch und durch 
originell bleibt er ungeachtet der letzteren eine der interessantesten 
Erscheinungen des dreifsigj ährigen Krieges. 



Digitized by Google 



260 



Die Verteidigung des Klosters Labischin 



XXI. 

Die Verteidigung des Klosters Labischin 
am 29. September 1794. 



Ein trüber Himmel lagert über den Schauplätzen der Kriege, in 
denen um die Wende des achtzehnten und des neunzehnten Jahr- 
hunderts Preufsens Heere fochten, dichte Nebel verhüllen das Firmament, 
an welchem zu des Grofsen Königs Zeiten hell die Siegessonne geglänzt 
hatte, nur selten durchbricht ein Lichtstrahl ihren Schleier. Je länger 
es dauert, desto drohender wird der Anblick. Immer düsterer erscheint 
der Horizont, immer schwärzer ballen die Wolken sich zusammen. 
Auf den Feldern von Jena und von Auerstedt kommt das Gewitter 
zum Ausbruche. Vernichtend wirken die Blitze, die es entsendet, hier 
folgen einander Schlag auf Schlag und erst acht Monate später ver- 
hallt im fernen Osten der Donner, der sie begleitet. Schwer ist der 
Schaden, welchen das Unwetter angerichtet hat und fraglich erscheint, 
ob der zerstörte Bau hergestellt werden kann, ob die geknickte Saat 
sich wieder erheben, der entlaubte Baum seine Blätterpracht von 
neuem entfalten wird. 

Aber wenig mehr als ein Jahrfünft war verstrichen, da gab die 
Weltgeschichte Antwort auf die Frage. An Rufslands Grenzen, wo 
sie niedergegangen war, stieg Preufsens Sonne glänzend wieder auf. 
In immer schönerem Lichte leuchtete sie dem Siegeszuge, welcher 
die schwarz-weifsen Banner zweimal in des Feindes Hauptstadt führte. 
Die Truppen, denen das Vaterland die errungenen Triumphe dankte, 
waren andere geworden, eine neue Kampfesweise hatte die Formen 
der alten Armee ersetzt, eine gesundere Politik die Staatskunst von 1806 
verdrängt, ein frischer Geist war eingezogen in Heer und Volk — 
die Offiziere waren grofsenteils die früheren. Von den alten Generalen 
gab es nur noch wenige, aber solche, die tüchtig waren an Leib und 
Seele und die sich seit zwanzig Jahren bewährt hatten ; die Lieutenants 
der Kriege von 171)2 bis 1794 gegen Neufranken und Polen, die 
Hauptleute von 1806 und 1807 waren in höhere Führerstellen auf- 
gestiegen ; sie erfüllten ganz die Erwartungen, zu denen ihre Haltung 
in jenen Tagen des Niederganges berechtigt hatte. Sie waren die 



Digitized by Googl 



am 29. September 1794. 



IV. 1 



Sterne gewesen, deren Lichtstrahlen damals zuweilen den Wolken- 
schleier durchbrochen hatten, deren Leuchten schon zu jener Zeit 
hoffen liefs, dafs auch die Sonne einstmals wieder scheinen werde. 

Zu diesen Sternen gehören zwei Offiziere, deren Ruhmesthat und 
deren Schicksal viel Ähnlichkeit mit einander haben. Beide waren 
junge Lieutenants, einem jeden von ihnen war die Aufgabe gestellt, 
fern von anderen Truppen, ganz auf die eigene Einsicht und auf die 
eigene Kraft angewiesen, mit einer Handvoll Leute ein festes Haus 
gegen grofse Übermacht zu verteidigen. Beide erlagen ehrenvoll, auf 
des Einen wie auf des Anderen Entschliofsungen und Verhalten hatte 
des nämlichen Vorgesetzten Befehl bestimmenden Einflufs geübt. 

Die beiden Lieutenants waren Jakob Ludwig von Gauvain und 
Friedrich Wilhelm Beyer; der Vorgesetzte, welcher jenen in den Tod, 
diesen in die Gefangenschaft sandte, war der Husarenoberst von 
Szekely, eine der widerwärtigsten Erscheinungen in der Geschichte 
des preufsischen Offizierkorps, schmutzig an Leib und Seele, habgierig, 
prahlerisch, herrisch seinen Untergebenen gegenüber, die Gefahr 
scheuend, aber tapfer im Gefechte, allgemein verachtet und dennoch 
bei seinem Kriegsherrn eines gewissen Ansehens sich erfreuend. 

Wie er Gauvain mit ehrenkränkenden Worten anwies, Schlofs 
Goldenfels bei Stromberg am linken Rheinufer zu verteidigen, bis ihm 
das Schnupftuch in der Tasche brenne, wie er ihn dann seinem 
Schicksale überliefs und wie Gauvain am 20. März 1793, nachdem er 
den ihm anvertrauten Posten mit 2 Unteroffizieren und 35 Füsilieren 
einen halben Tag lang gegen mehrere Hundert Franzosen behauptet 
hatte, tapfer kämpfend fiel, ist neuerlich zum ehrenvollen Andenken 
der Geopferten in Nr. 21 des Militär -Wochenblattes vom 15. März 
1893 eingehend erzählt worden. Hier soll im Hinblick auf die be- 
vorstehende hundertjährige Wiederkehr des Tages der Ruhmesthat 
berichtet werden, wie am 29. September 1794 durch seine tapfere 
Verteidigung des Klosters Labischin in Polen Beyer gleichen 
Anspruch auf anerkennendes Gedächtnifs erwarb. 

Es handelte sich um die Bekämpfung des im März jenes Jahres 
im damals noch bestehenden Königreiche Polen und in den von 
diesem an die teilenden Grofsmächte Rufsland, Österreich und Preufsen 
abgetretenen Gebieten ausgebrochenen Aufstandes, welcher einen be- 
denklichen Umfang erhalten und grofse Erfolge gehabt hatte. Der 
Sommerfeldzug war ungünstig verlaufen. Die von Preufsen und Russen 
unternommene Belagerung von Warschau hatte aufgegeben werden 
müssen, König Friedrich Wilhelm IL, welcher selbst zu Felde gezogen 
war, hatte mifsmutig den Kriegsschauplatz verlassen und Taddäus 
Kosciuszko, der Generalissimus der bewaffneten Nationalmacht, unter- 



Digitized by Google 



262 



Die Verteidigung des Klostere lAbischin 



nahm sofort der Insurrektion durch Entsendung regclmäfsiger Truppen 
in die verschiedenen Landesteile Halt und neue Nahrung zu geben. 
Nach Grofspolen, worunter aufser dem eigentlichen, die Woiwod- 
schaften Posen, Kaiisch, Sierads, Wielun und Lentschitz umfassenden 
Grofspolen auch das Land Kujawien zu verstehen ist, entsandte er 
zu diesem Zwecke den Generalmajor Dombrowski, einen aus kur- 
sächsischen Diensten in das polnische Heer übergetretenen Offizier, 
welcher später unter dem Namen Dombrowski als Führer der Polnischen 
Legion im Dienste der französischen Republik und des ersten Napoleon, 
vermeintlich für seines Vaterlandes Befreiung kämpfend, sich einen 
hochangesehenen Ruf erwarb. Aus dem Lager von Mokotow erhielt 
dieser am 0. September von Kosciuszko den Befehl, nach Grofspolen 
aufzubrechen, wo die Insurgenten dringend nach Hilfe verlangten; 
ihre Führer fürchteten, dafs die Aufgestandenen auseinander laufen 
würden, wenn sie nicht bald Unterstützung durch regelmäfsiges Militär 
erhielten ; die Aufhebung der Belagerung von Warschau, meinten sie, 
würde ihnen die gesammten preufsischcn Truppen in das Land bringen 
und an einen nachhaltigen Widerstand sei nicht zu denken, wenn 
nicht ganz andere Kräfte zu Gebote ständen, als zur Zeit vorhanden 
wären. Dombrowski erhielt zu diesem Ende umfassende Vollmachten, 
die Truppenmacht aber, welche er befehligte, zählte nur 1100 Mann 
Infanterie, 900 Reiter und an Geschützen 6 Sechs- und 6 Dreipfünder; 
dazu stiefsen unterwegs 400 Mann Infanterie, meist Rekruten, nebst 
2 sechs- und 2 dreipfundigen Geschützen und die 600 Pferde starke 
Kavalleriebrigade des Generals Madalinski, welcher sich Dombrowski 
freiwillig unterordnete. Die gegenüberstehenden Preufsen, deren 
Kommando nach des Königs Abreise der wegen seiner Befehlsführung 
hart angegriffene und für die Mifscrfolge allein verantwortlich gemachte 
Generallieutenant Graf Schwerin übernahm, war freilich 53 000 Mann 
stark, aber sie war über weite Landstriche zersplittert und leicht 
gelang es Dombrowski, ihre Linien zu durchbrechen. 

Am 10. September aus dem Walde von Bielanie abmarschirt, 
überschritt dieser bei Kamionna die dort in die Weichsel mündende 
Bzurra, hob einzelne Posten auf, erbeutete Magazine und organisirte 
so viel als möglich die Insurgenten. Es waren dies tapfere und 
willige junge Leute, aber unausgebildet, mangelhaft bewaffnet und 
ausgerüstet, von den Vornehmeren unter ihnen befehligt, aber weder 
Vorgesetzte noch Untergebene waren bis dahin je zuvor Soldaten 
gewesen. Am 25. machte Dombrowski mit dem Hauptteile seiner Truppen 
in Gnesen halt. Er hatte noch keinen Entschlufs gefafet, wohin er 
sich wenden solle. Es handelte sich um Posen oder Bromberg. Die 
Nachrichten, welche er einzog, bestimmten ihn, sich für die letztere 



Digitized by Google 



am 29. September 1794. 



26^ 



Richtung zu entscheiden. Der Weg dahin führte über Labischin, 
wohin am '25. Oberst von Szekely, welcher mit dem Füsilierbataillon 
Hinrichs, einem Depotbataillon und drei Schwadronen in Inowrazlaw, 
30 km südwestlich von Labischin, stand, den Lieutenant Beyer mit 
40 Füsilieren und 10 Husaren entsandt hatte, um den Feind zu 
beobachten und Nachrichten über dessen Vorhaben einzuziehen. Beyer, 
ein junger Offizier, welcher im Jahre 1770 in Preufsen geboren, 
1784 in den Dienst getreten, am 2. Oktober 1787 Fähnrich beim 
Garnisonbataillon Nr. 1 Bose und im Januar 1791 Sekondelieutenant 
geworden war, erwies sich als einsichtig und brav und zeigte sich 
der ihm gestellten Aufgabe ganz gewachsen. Zu den Schwierigkeiten 
ihrer Bewältigung trug der Umstand bei, dafs die Bevölkerung fast 
durchweg polnisch gesinnt war. Erst kurze Zeit gehörten die Einwohner 
des Städtchens Labischin dem preufsischen Staate an, und Beyer 
mufste befürchten, dafs von Allem, was ihn betraf, dem Feinde alsbald 
Mitteilungen gemacht werden würden. Es war mithin von Wichtigkeit 
die Bürger von Labischin möglichst lange im Unklaren über die Stärke 
semer Abteilung und sein Vorhaben zu halten. Er wählte daher 
für sein Einrücken die Nachtzeit, liefs die Füsiliere in grofeen Abständen 
marschiren und die Husaren mehrmals durch die Strafsen reiten. 
Dann unterrichtete er sich, so gut es in der Dunkelheit anging, über 
die Örtlichkeit. 

Die Stadt liegt auf dem linken Ufer der in bruchigen Ufern 
fliefsenden Netze, auf dem anderen Ufer lag ihr gegenüber hart am 
Flusse auf einer Anhöhe ein massives, mit einer Kirchhofmauer um- 
gebenes Kloster. Da die Anmarschlinie des Feindes über Labischin 
führte und das Kloster nach Lage und Bauart die für die Verteidigung 
am meisten geeignete Örtlichkeit war, so ergab sich von selbst, dafs 
dieses sofort besetzt wurde. Die Mönche, naturgemäfs des Ein- 
verständnisses mit dem Gegner verdächtig, erhielten strenge Weisung, 
sich nicht aus dem Bereiche ihres Eigentumes zu entfernen, es wurden 
Posten ausgesetzt und Streifreiter entsandt. Weitere Nachrichten 
suchte Beyer durch Vermittelung des Stadtpredigers und des Bürger- 
meisters zu erhalten, welche ihm als Deutschgesinnte bezeichnet waren. 
Auf ihre Veranlassung machten zwei gleichdenkende Bürger sich auf 
den Weg, um Kundschaft einzuziehen. Am folgenden Tage, dem '27., 
kam einer von ihnen mit der Nachricht zurück, dafs der Feind im 
Anmärsche, aber noch acht Meilen entfernt sei. Die Meidung ward 
mit dem Beifügen an Szekely weiter gegeben, dafs das Kommando 
sich im Falle eines feindlichen Angriffes auf das Aufserste wehren 
verde. Szekely schenkte der Meldung keinen Glauben und begnügte 
sich, sie in Empfang zu nehmen, obgleich er einsehen mufste, dafs 



Digitized by Google 



Die Verteidigung des Klosters Labiachin 



die Besatzung, wenn sio wirklich angegriffen würde und er ihr nicht 
Hilfe brächte, sich nutzlos opfern würde. 

In der Nacht zum 28. brachte der zweite von den ausgesandten 
Bürgern die Kundschaft zurück, dafs der im Anmärsche auf Labischin 
befindliche Feind Szekely in Inowrazlaw anzugreifen gedenke und ihn 
aufzuheben hoffe. Der Bürger ging mit seiner Nachricht selbst weiter 
und setzte Szekely in Kenntnifs; dieser glaubte ihm aber, durch 
einen von Dombrowski besser bezahlten jüdischen Doppelspion getäuscht, 
ebensowenig, überliefs daher Beyer seinem Schicksale, schalt ihn lcich- 
glaubig und warf ihm vor, falsche Meldungen gemacht zu haben, er 
glaubte namentlich nicht, dafs reguläre Truppen in Grofspolen seien, 
sondern hielt die Gegner lediglich für Insurgenten. Der Regierung 
zu Bromberg versicherte er, dafs sie ganz ruhig sein könne, nur dem 
Eingreifen Beyers, welcher, als er erfuhr was Szekely geraten hatte, 
jener Behörde Mitteilung von den Ergebnissen seiner eigenen Er- 
kundungen machte, war es zu danken, dafs von dort die Kassen und 
die wichtigsten Papiere fortgeschafft und in Sicherheit gebracht wurden. 
Beyer's Szekely gegenüber gethane Äufserung, dafs er im Falle eines 
feindlichen Angriffes sich bis auf den letzten Mann zu vertoidigen 
gedenke, war keine leere Redensart gewesen. Sobald er von der 
Annäherung der Polen Nachricht erhielt, bereitete er sich zu ihrem 
Empfange vor. Er liefs die über den Flufs führenden Brücken ab- 
brechen und eine dem Kloster gegenüber befindliche Furt durch 
hineingelegte Eggen und ähnliche Gegenstände ungangbar machen, 
verstärkte die schwache Kirchhofmauer durch Erdanschüttungen, liefe 
Schiefsvorrichtungen dahinter anbringon und richtete die Klosterkirche 
zum letzten Zufluchtsorte für die Besatzung ein, indem er die Thüren 
verrammeln liefs und aus dem Hochaltare ein Reduit machte. l T m 
die Zahl der Verteidiger gröfser erscheinen zu lassen als sie wirklich 
war und dio Geschosse der Angreifer auf falsche Ziele abzulenken, 
wurden hinter der Kirchhofmauer und etwas über diese hinausragend 
Hüte angebracht, die in ihrer Gestalt den Hüten der Füsiliere 
glichen. Es fehlte aber an Kräften und an Mitteln, um die Annäherungs- 
hindernisse so herzustellen, dafs sie zu wesentlichem Aufenthalte 
hätten nötigen können und vor allem fehlte es an Mannschaft zur 
Besetzung der Gefechtsstellung. Szekely, in seinem Unglauben be- 
harrend, rührte sich nicht. 

Mittlerweile blieb die polnische Hauptmacht von Gnesen über 
Rogowo und Znin im Marsche auf Labischin. Ebendahin ging von 
Tremessin aus über Gasawa der General Madalinski, welcher aufser 
über seine Kavalleriebrigadc über 100 Jäger und zwei Geschütze ver- 
fügte. Es waren dies die Truppen, welche am Morgen des 29. Sep- 



Digitized by Google 



am 29. September 1794. 



265 



tember vor dem Städtchen Labischin anlangten; die Seitenabteilung 
hatte sich vor das Hauptkorps geschoben und bildete nunmehr dessen 
Vorhut. Von den Husarenpatrouillen, welche Beyer ausgesandt hatte, 
war eine in die Hände der Polen geraten, mit einer zweiten erschienen 
diese gleichzeitig in den Strafsen der Stadt, die übrigen Reiter wurden 
an Szekely mit der Meldung gesandt, dafs der Feind nun thatsächlich 
angekommen sei. Mit grofsem Geschrei war dieser aus dem vor der 
Stadt gelegenen Walde vorgebrochen, hatte aber zunächst an der 
Netze, wo sich nicht sofort ein Übergang bot, Halt gemacht. Ein 
Trompeter ritt durch den Flufs und forderte im Namen des Generals 
Dombrowski zur Übergabe auf. Als er aber abschläglich beschieden 
war, versuchten die Polen den Übergang. Zuerst mittelst der Furt 
Sic erwies sich als ungangbar. Eine Anzahl durch zwei Offiziere 
geführter Jäger, die zu je zweien ein Pferd bestiegen hatten, ritt in 
den Flufs, die hineingeworfenen Gegenstände hinderten sie aber am 
Fortkommen, die preufsischen Kugeln schlugen unter ihnen ein und 
trugen dazu bei, sie zum Aufgeben des Versuches zu veranlassen 

Die Aufforderung zur Übergabe des Postens wurde nun wieder- 
holt. Sie ward dadurch verlockender gemacht, dafs Beyer gestattet 
sein sollte, die Stellung noch vierundzwanzig Stunden zu behaupten 
und dann frei abzuziehen. Es war eine Falle, denn, wenn der Vor- 
schlag angenommen wäre, so hätte dem Feinde freigestanden, seinen 
Marsch fortzusetzen und daran sollte er verhindert werden. Beyer, 
dies durchschauend und die Verhältnisse richtig beurteilend, antwortete, 
dafs er lieber für König und Vaterland sterben als ohne Not nur 
einen Schritt weichen werde. 

Nun machten die Polen Ernst. Die beiden Geschütze fuhren 
auf und richteten ihr Feuer gegen die Kirchhofmauer. Sie konnte 
den Geschossen nicht widerstehen und lag bald in Trümmern ; gleich- 
zeitig machten die Jäger sich an das Werk, die Brücken wieder in 
Stand zu setzen. Mittlerweile aber liefsen sie deutschgesinnte Bürger, 
mit Äxten versehen, in aufgefundenen Kähnen über den Flufs setzen 
und die Besatzung zum dritten Male auffordern sich zu ergeben. 
Dieses Mal geschah es unter dem Hinzufügen der Drohung, dafs, 
wenn der Widerstand fortgesetzt werden würde, die Verteidiger nicht 
nach Kriegsgebrauch behandelt, sondern mit Äxten in Stücke gehauen 
werden sollten. Die Antwort waren Flintenschüsse, durch welche 
drei Bürger getödtet sein sollen ; die übrigen kehrten schleunigst um. 

Die Vorbereitungen zum Angriffe waren beendet. Die Polen 
schritten zum Sturme. Ein wirksames Geschütz- und Gewehrfeuer 
leitete ihn ein. Da die Kirchhofmauer nicht mehr zu halten war, 
zogen sich die noch kampffähigen Verteidiger in die Kirche zurück 



Digitized by Google 



26V» 



Die Verteidigung des Klosters Labischin 



und postirten sich am Hochaltar. Die Angreifer sprengten die Thüren 
und stürzten ihnen nach. Zwischen sie hindurch aber drängte sich 
der Major von Zablocki, der Adjutant des Generals Dombrowski, und 
forderte Beyer mehrmals auf die Waffen zu strecken. Dieser hatte 
bereits fünfundzwanzig Mann an Todten und Verwundeten verloren. 
Von seinen vierzig Füsilieren waren nur noch elf übrig und diese 
hatten ihren Schiefsbedarf fast vollständig verfeuert. Beyer blieb 
nichts übrig als der Aufforderung zu entsprechen, Zablocki aber 
mufste die Gefangenen zunächst vor seinen eigenen Leuten schützen, 
die erbittert durch den Widerstand der schwachen Besatzung und die 
erlittenen Verluste von Pardon nichts wissen und die Füsiliere nieder- 
machen wollten. Mit seinem eigenen Säbel fing er die Hiebe auf, 
welche dem feindlichen Offizier galten, der selbst an der rechten Hand 
verwundet war. Das Dazwischentreten der höheren Führer machte 
dem Auftritte ein Ende. General Dombrowski selbst, welcher mittler- 
weile eingetroffen war, erschien auf dem Kampfplatze und sprach 
Beyer seine volle Anerkennung seiner mannhaften Gegenwehr aus und 
die gefangenen Preufsen hatten sich fortan der besten Behandlung 
zu erfreuen, sehr ungleich derjenigen, welche den Verteidigern der 
Burg Goldenfels von Seiten der Sansculotten zuteil geworden war. 

Die Sieger mufsten sich bald auf einen neuen Kampf rüsten. 
Szekely war inzwischen die Sachlage klar geworden, er brach um 
Mittag von Inowrazlaw auf, traf gegen Mitternacht vor Labischin ein, 
griff sofort an, wurde aber abgewiesen und zog in der Frühe des 
30. September nach Bromberg ab. Dombrowski folgte am 1. Oktober 
Am 2. kam es dort zum Gefechte. Die Stadt wurde genommen, 
Szekely erhielt eine schwere Wunde. Vier Tage später sühnte ein 
ehrlicher Soldatentod seine Schuld. 

Über die Verluste, welche die Polen bei Labischin erlitten, ist 
nichts bekannt geworden. General Dombrowski sagt in seinem dem 
Generallissimus am 1. Oktober aus Labischin erstatteten Rapporte, 
dafs der Oberst Leszczynski von der Kalischer Konföderation und ein 
Towarczys verwundet seien. Dafs Leszczyuski, welcher demnächst 
seiner Wunde erlag, eine solche erhalten hatte, war nicht todt- 
zuschweigen. Die Unrichtigkeit der Meldung über den anderweiten 
Verlust liegt auf der Hand. Bei einem erbitterten Gefechte, welches 
die gedeckt stehenden Verteidiger so bedeutende Opfer kostete wie 
oben nachgewiesen sind, konnten die Angreifer unmöglich ohne 
mindestens ebenso grofse Einbufsen davonkommen. Übrigens beziffert 
Dombrowski auch die preufsischen Verluste wie die Stärke seiner Gegner 
zu niedrig, indem er schreibt, dem Feinde seien zwei Mann getödtet 
und der Offizier habe sich mit achtzehn Mann ergeben. 



Digitized by Google 



am 29. September 1794. 



207 



Es bleibt uns nur noch übrig, der späteren Schicksale Beyers zu 
gedenken. Zunächst lohnte die Verleihung des Ordens pour le mcrite 
seine That. Es war ein wirkliches Verdienst, welches er sich erworben 
hatte. In richtiger Würdigung der Verhältnisse hatte er den Feind 
sieben Stunden lang aufgehalten und hatte Szekely, welchem endlich 
die Augen aufgegangen waren, in den Stand gesetzt, die ihm zweck- 
dienlich erscheinenden Mafsregeln zu ergreifen, den Behörden in 
Bromberg hatte er Zeit verschafft, in Sicherheit zu bringen, was sie 
vor der Besitznahme durch die Polen retten wollten. Aber mehr 
noch und Höheres hat er gethan. Er hatte in schwerer Zeit ein 
leuchtendes Beispiel von zielbewufster Thatkraft und opferfreudiger 
Tapferkeit gegeben und hatte gezeigt, was ein tüchtiger Offizier auch unter 
ungünstigen Umständen und mit unzulänglichen Mitteln leisten kann, 
wenn er Kopf und Herz an den rechten Stellen trägt. 1801 wurde Beyer 
der Adelsstand verliehen, am 23. Februar 1805 wurde er zum Premier- 
lieutenant befördert. In dem unglücklichen Feldzuge des folgenden Jahres 
focht er bei Halle, Lychen, Waren, Kyritz und Lübeck, wurde durch die 
Kapitulation von Ratkau Kriegsgefangener und von fernerer Teilnahme 
am Kriege ausgeschlossen. Als nach dem Frieden von Tilsit aus der 
alten Armee ein neues Heer erstand, waren Beyers Dienste unvergessen. 
Aus den Verteidigern von Kolberg wurde das Leib-Infanterie-Regiment 
gebildet. Zur Vollständigkeit desselben fehlten einige ältere Hauptleute. 
Es wurde Umschau gehalten nach solchen, welche durch frühere Aus- 
zeichnung den Anspruch erworben hätten, in diese Truppe eingereiht zu 
werden, welcher anzugehören allein schon fiir eine Ehre galt. Zu den Er- 
korenen gehörte der Kapitän von Beyer, welcher als ältester Kapitän 
Chef der Grenadierkompagnie ward. Unter den Kompagniechefs 
gab es nur zwei, welche den Verdienstorden nicht besafsen. Am 
2. September 1807 war Beyer Kapitän geworden, am 13. Juni 1810 
wurde er zum Major befördert. Den Ereignissen des Feldzuges 1812 
mufste er fern bleiben, da nur die Musketierbataillone ausrückten 
und das Grenadierbataillon nicht mobil gemacht wurde. Als der 
Krieg von 1813 ausbrach, war er Kommandeur des 2. Bataillons. 
Voll Begeisterung und ganz durchdrungen von der Bedeutung der 
bevorstehenden Ereignisse zog er in den Kampf. Die Regiments- 
geschichte schreibt darüber: 

Wiederholt hatte der brave Major von Beyer, der Held von 
Labischin, die Offiziere des 2. Bataillons vor die Front gerufen und 
eine seiner originellen Ansprachen gehalten: „Dies ist ein heiliger 
Krieg, meine Herren, hier giebt es kein Rückwärts! Man mufs alle 
Brücken dahin als abgebrochen betrachten." Da kam plötzlich der 
Befehl zum Abmärsche nach Leipzig. „Mir nicht gefällt" antwortete 



Digitized by Google 



268 Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 

betrübt der Major und mufste für heute doch noch die Brücken be- 
nutzen. 

Es war am Morgen des 2. Mai, eines Sonntages. Die Brücken 
waren die, welche über die Elster und Pleifse von Iindenau auf das 
Schlachtfeld von Grofs-Görschen führten. Aber unthätig mufste Beyer 
für dieses Mal zusehen, wie das 1. Bataillon reiche Lorbeeren erntete. 
Er selbst sollte deren am 19. Mai im Treffen bei Königswartha -Weifsig 
pflücken. Es waren die letzten. Im blutigen Ringen zerschmetterte 
eine Kugel ihm die linke Kniescheibe. Damit war seiner soldatischen 
Laufbahn ein Ziel gesetzt, für den ausübenden Dienst war er dauernd 
unbrauchbar. Am 27. Juli 1813 ward er mit dem Charakter als 
Oberstlieutenant auf Wartegeld gesetzt, im November erfolgte seine 
Ernennung zum Postmeister zu Stargard in Pommern, mit der Er- 
laubnifs, die Regimentsuniform weiter tragen zu dürfen. Daneben 
blieb er noch lange als Bataillonsführer bei der Landwehr zweiten 
Aufgebotes in Verwendung und am 12. Februar 1829 erhielt er den 
Charakter als Oberst. Am 19. Mai 1830 ist er zu Stargard gestorben. 

Aber seine Ruhmesthat ist unvergessen. Möge die Erinnerung 
an den Tag von Labischin immerdar lebendig bleiben im preufsisclien, 
im deutschen Heere und möge der tapfere Beyer für alle Zeiten ein 
leuchtendes Vorbild sein für Alle, so nach ihm in ähnliche Lagen 
kommen. 14 



XXII. 

Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik 
und des ersten Kaiserreichs. 

(Fortsetzung.) 



So viel über das Reglement von 1791. Die Aufnahme der colonne 
serree und colonne d'attaque in dasselbe, wie gesagt eine Konzession 
an die sogenannte französische Schule der „perpendikulären Ordnung 4 
ist keineswegs als ein Abgohen von der Lineartaktik zu betrachten; 
dafs dieselben eine taktische Revolution bedeuten könnten, 
blieb den Kämpfen der Revolution und des Kaiserreichs zu 
beweisen überlassen. Der Charakter der Lineartaktik, aber nicht 
jener einfachen, mit welcher der grofse König seine Schlachten 
gewann, sondern jener, die in den Evolutionen das Schwer- 
gewicht suchte, tritt uns in nahezu allen Anordnungen des 



Digitized by Googl 



und des ersten Kaiserreichs. 



269 



französischen Reglements entgegen: 2 zusammenhängende Treffen, 
ängstlichste Wahrung des Zusammenhangs der Linien, peinlichste 
Ordnung im Marsch und in der Entwickelung, um jeden Zeitverlust 
zu ersparen, genaueste Marschdisposition, ängstlichstes Innehalten 
der Zwischenräume und Abstände im Marsch, wie ein Vorgehen mit 
Echelons, maschinenmäfsige Präzision in den Bewegungen auch langer 
entwickelter Linien, die Treffen ein Ganzes in der Hand der Führer, 
keinerlei Selbstständigkeit der Unterabteilungen, Regiments- und 
Brigadekommandeure in gröfscren Verbänden nur Kontroleure der 
Exaktheit der Richtung und Bewegungen, geometrische künstliche 
Spielereien sind dabei vielfach an die Stelle der einfachen Bewegungen 
getreten. Dem Charakter der Lineartaktik entsprach das ununter- 
brochene Vorgehen unter „Feuer mit Bataillons im Avanciron" nach 
vollzogenem Aufmarsche, die Verwendung der Kavallerie auf den 
Flügeln allein, das gleichzeitige Vorrücken von Fronten von 30 bis 
40 Bataillonen voll entwickelt mit einem Riesenapparate von Guiden, 
Jalonneurs, Fahnenpelotons, nachdem mit denselben Mitteln angesichts 
des Feindes ein peinlich genaues Einrichten stattgefunden hatte; 
eine Künstelei, die Friedrich d. Gr. niemals angewendet haben würde, 
mufs man es nennen, wenn man erst parallel dem Gegner auf- 
marschiren und dann durch eine Reihe von Evolutionen sich wieder 
von demselben entfernen w r ollte, um ihm dann in die Flanke zu rücken. 
Man übersah vollkommen, dafs schon der grofse König in seinen 
späteren Kriegen eine Grenadier- Avantgarde vor den Angriffsflügel 
schob und mit starker Artillerie ausstattete, diese kürzere, schneller 
zu entwickelnde Linie die Hauptarbeit übernahm und unter ihrem 
Schutze die langen Linien beider Treffen sich vorwärts bewegten. 
Eine dicht am Feinde unausführbare Künstelei mufs man auch die 
Methode der Frontveränderungon der langen Linien nennen. Als ob 
man im Wirkungsbereiche des Gegners, wenn es gilt, einer Mafsnahme 
desselben entgegenzutreten, Zeit und Ruhe hätte, in der Schreibtafol 
den Winkel und die Zahl von beiden Treffen zu durchmessenden 
Schritte zu berechnen, den ganzen Aufbau von Jalonneurs, Guiden, 
Fahnen, Adjutanten zu vollziehen, ja selbst einen Teil der Treffen 
eine Bewegung mit dem Rücken nach dem Feinde machen zu lassen 
— als ob nicht ein entschlossener Gegner mit einem kräftigen Gegen- 
stofse das ganze Gebäude umwerfen könnte, das doch nur kampfbereit, 
wenn es als Ganzes in starrer Linienform fest gefügt war. Hierzu 
kam, dafs das ganze System auf der genauesten Richtung des 
I. Treffens beruhte und diese doch bei Weitem nicht überall aus- 
fuhrbar war. Solche Front Veränderungen waren Paradestücke, aber 
keine Bewegungen für den Kampf. In der Ordonnanz von 1791 be- 

J*hrbUchcr für die DeuUcbe Armee und JUrine. Bd. VUIC, 3. iy 



Digitized by Google 



270 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



stand zwischen den beiden Treffen keine weitere Verbindung, als 
die Parallelität derselben. Man mufs es als wunderbar und un- 
begreiflich betrachten, dafs dieselben Gedanken in dem Reglement 
von 1831 wiederkehren, nachdem man dieselben während der ganzen 
Periode der Rcvolutions- und Kaiserkriege als unhaltbar erkannt 
hatte, allein schon, sobald man das Gelände in Rechnung zog. 
Schon 182C> hatte General Morand in seiner Schrift „L'armee selon 
la Charte" eine radikale Änderung der „Evolutions de ligne u gefordert 
und diese Ansicht wie folgt begründet: Les manoeuvres actuelles (des Reg- 
lements 171)1) nepeuvcnt, sans grand danger etre faites devant l'ennemi. 
En les employant, il arrivera ce qui est arrive cent fois, le massacre 
des bataillons. Ces manoeuvres sont funestes aussi, parce que 
leur ctude distrait de letude veritablement guerriere: clles sont telle- 
ment confuses, qu'un officicr qui parvient ä les faire executcr avec 
quelque precision passe pour un hommo habile." General Morand 
schöpft aus den Erfahrungen der Rcvolutions- und Kaiserkriege, er 
vorsucht den Grundsatz höchstmöglicher Beweglichkeit, die Verfasser 
der Ordonnanz von 1831 versichern in ihrem Berichte, dafs sie an 
dem Geist und Plan des Reglements von 1791 nichts Wesentliches 
geändert hätten. 

Das waren die Formen und Grundsätze, mit denen die Infanterie 
Frankreichs in die Revolutionskriege eintrat, nicht die alte Infanterie, 
wenn wir so sagen dürfen, d. h. die durch unausgesetzte Schulung 
und schärfste Disziplin herangebildete, nicht die der durch eine kaum 
glaubliche Präzision der Bewegungen fast zu Maschinen gewordenen 
kleinen Heere, sondern gewaltige, schlecht disziplinirte Massen mit 
keiner oder doch der kaum oberflächlichen Ausbildung der levee en 
masse. „Au lieu de ces forces balancees commo par une Convention 
tacite entre les differents etats suivant leur etendue et les ressources 
de leur gouvernement. seule garantie possible de leur securite et de 
leur disposition mutuelle a maintenir cet equilibre — la nation rat 
toute entiere preeipitee dans le feu de la guerre (M. Dumas). — Wie 
vor der französischen Revolution — ja in dem Reglement, mit dem 
die Truppen dieser Revolution in die Kämpfe eintraten und auch bei 
den Gegnern, mit denen die Franzosen zusammenstiefsen — das 
Extrem der Einseitigkeit herrschte, so in derselben zunächst 
das der Formlosigkeit. Der Versuch der preufsischen Bataillone 
bei Saalfeld, Tirailleure vorzuwerfen, scheiternd an der Unmöglichkeit, 
dieselben auseinander zu bringen, und das Streben der Franzosen in den 
Koalitionskriegen, Truppen von ungenügender Schulung und Disziplin 
in den Formen der Lineartaktik zum Schlagen einzusetzen, sind 
charakteristische Gegensätze. Mangelnde Schulung und Disziplin, 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



271 



ungebundenes Streben nach Freiheit und Ungestüm des französischen 
Charakters, die voll zum Ausdruck kamen, Selbsterhaltungstrieb auf 
der einen, die vorwärts treibende Furcht vor der Guillotine auf der 
anderen Seite liefsen aus den in Linie entwickelten Bataillonen lockere 
Schwärme entstehen, die — „eine Eigenart von Menschen, nicht 
Glieder einer festen Kette, wie die darum in mechanischem Zusammen- 
hang sich vorwärts schiebende Linie" enthaltend — des Zwanges 
entledigt, im Selbsterhaltungstriebe Deckungen des Geländes suchten. 
„Outre cela la nature des contrees, oü Ton combattait, les Vosges, 
les Alpes, les Pyrenees et le terrain coupe de la Vendee rendait ce 
Systeme seul applicable (Jomini). So entstand empirisch die Gelände- 
benutzung, ebenso eine Kräftesammlung an einem oder mehreren 
Punkten. An den Deckungen des Geländes, die nun nicht mehr, wie 
in der Lineartaktik Hindernisse, sondern Schutz waren, ballten 
sich die Schwärme zusammen. Die Kräfteverteilung wurde so eine 
mehr willkürliche. Von der Führung nicht beeinflufst trat sie 
naturgemäfs nicht immer dort ein, wo sie der Leitung erwünscht sein 
mufste. Sollte die Leitung aber überhaupt einen Zweck haben, so 
durfte die Kräfteverteilung nicht dem Zufall überlassen bleiben. Die 
Mifserfolge, die das neue noch ungeordnete System gegen das alte bei 
Pirmasens, Neerwinden u. s. w. erlitt, wiesen deutlich darauf hin. Sie 
zeigten auch noch eine andere Schattenseite — die nachteiligen Folgen 
des Einsetzens der ganzen Kraft in einer einzigen Schwarmlinie, 
wenn der Gegner abweichend von den Gepflogenheiten der Linear- 
taktik, nicht Alles in einem Treffen zur Wirkung brachte, sondern 
hinter demselben eine starke Feuer- und Stofskraft zurückhielt, die 
durch das Durchbrechen des I. Treffen, das fast immer gelang, ab- 
genutzte Stofskraft der Schwarmlinie nicht nur eine dünne, „im Banne 
der Einheit 41 liegende Linie aufzurollen fand. Steigerung des Einflusses 
der Leitung, Kräftesammlung dort, wo diese wollte, Intakterhaltung 
der Stofskraft der hinter einem I. Treffen auftretenden Truppenkörper 
mufste angestrebt werden. Naturgemäfs mufste das Streben nach 
Kräftesammlung in einer taktischen Form Ausdruck finden. Die lange 
unlenkbare Schwarmlinie konnte dies unmöglich sein. — Verzichten 
wollte man auf diese aber auch nicht, da sie in Bezug auf Ausnutzung 
des Geländes und der Feuerwaffen unbestreitbare und eigentümliche 
Vorzüge aufwies. Es erklärt sich leicht, dafs der 1. Linie des neuen 
Systems eine andere Aufgabe zufiel, als in dem fridericianischen — 
sie war nicht Feuer- und Stofstreffen zugleich, sie bereitete vor, 
ermüdete den Gegner, belästigte ihn überall, um so festzustellen, wo 
seine Schwäche lag und ob er Kräfte zurückgehalten hatte. Was die 
Schwarmlinie vorbereitete, mufste ein Sto fs treffen ausnutzen, der 

18* 



Digitized by Google 



272 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Schwerpunkt des Kräfteeinsatzes rückte im Vergleich zur Lineartaktik 
weiter rückwärts. Von hier kam der Impuls, wenn die Schwarmlinie 
im Vorgehen stockte, oder ihr Nachdruck zu verleihen war, die 
Gliederung nach der Tiefe begann ihre Bedeutung zu zeigen. Man 
darf Moreau, Kleber, Macdonald, Jourdan und Lefevre als die Männer 
bezeichnen, die bestrebt waren, der Leitung ihren Einflufs wieder zu 
schaffen. Die Form, die man für die möglichst intakt in der Hand der 
Führung zu bewahrenden Truppen wählte, mufste einen festen Rahmen 
mit solcher Bewegungsflihigkeit darstellen, dafs man nicht nur schnell 
und rechtzeitig den Punkt erreichte, wo sie eingreifen sollten, sondern 
auch die Gliederung rasch herstellte, die für die beabsichtigte Gefeehts- 
thätigkeit die zweckmäfsigste war. Die lange Linie war, wie gesagt, 
erst recht in wechselndem Gelände dazu nicht geeignet, ganz ab- 
gesehen davon, dafs die ungenügende Übung des Ersatzmaterials die 
lineare Ordnung allein schon verwerten lassen mufste. „Le plus 
habile tacticien serait fort embarrasse de conduire 40 ou 50 bataillons 
deployes sur 2 ou 3 rangs, a travers un terrain de 1000 a 1200 m, 
en conservant assez d 'ordre pour aborder, avec quelques chauces de 
succes, un ennemi en position, dont le front serait battu par 
rartillerie et la mousqueterie. Quant ä moi, n'ayant jamais rien 
vu executer de pareil a la guerre, je considere la chose comme im- 
possible — . . . Napoleon adressa toujours ä ses marechaux la re- 
commaudation suivante: Enlevez bien vos troupes, et abordez ri- 
goureusement l'ennemi. Or je demande le moyen de bien enlever 40 
ou 50 bataillons avec ensemble, et d'aborder un ennemi devant lequel 
ils arriveront poletonnes, decousus, alors que le chef n'aura plus 
d'action sur ses soldats" (Joinini). Man griff zurück auf die Kolonne 
(von Dumouriez schon bei Jemappes angewendet), die Bewegung, 
Ordnung und Führung auch ungeübterer Truppen erleichterte. 
Künstliches durfte die Form nicht haben, die tägliche Marschkolonne 
entsprach dieser Rücksicht, sie sicherte auch die Bewegungsschnelligkeit 
und indem man ihre Tiefe durch Nebeneinanderstellung von gleichen 
Stücken veränderte, erleichterte man auch den Übergang zur Gefechts- 
form, das bei den gelassenen Zwischenräumen mögliche Deployiren. 
„Schon hierfür", sagt Rüstow, „ergab sich aber die Notwendigkeit 
der Einübung." Diese fand, nach demselben Autor, in der Armee, 
die verständige Generale führten, auch statt. „Die Carnot'sche 
Organisation — Halbbrigade zu 1 Linien-, 2 Volontär-Bataillone zu 
je 4 Kompagnien, Brigade und 2 Halbbrigaden, Division (meist) aus 
2 Brigaden, 2 schweren Kavallerie-Regimentern, 1—2 Batterien — 
wurde zur That. Das Wenige, was die Leute vom Exerziren wufsten, 
der Hang zum Tirailliren und auf der andern Seite die Führung, die 



Digitized by Googl 



und de» ersten Kaiserreich«. 



273 



nach Kraft strebte, bilden die Faktoren, aus welchen sich die Ver- 
bindung des Tirailleurgefechtes mit der Kolonne ergab." Nach Rüstow 
gingen aus den Kolonnen die Tirailleure hervor, ihre Kette wurde die 
Normalform für das Feuergefecht, wie die Kolonne die normale 
Gefechtsform für geschlossene Bataillone, die Quelle der Verstärkungen 
für die Kette, die Trägerin der Stofskraft und die Form für das 
Bringen der Masse auf den entscheidenden Punkt. Nach der „Geschichte 
der Infanterie" war die Halbbrigade Treffeneinheit, die Gliederung 
der Brigaden eine troffenweise. Zunächst löst sich die Halbbrigade 
des I. Treffens noch ganz auf — das kommt übrigens auch später noch 
vor, z. B. Marmonts Vorgehen auf das Ober- Frauendorfer Gehölz 
in der Schlacht von Dresden und Napoleon sagt selbst: „dans un 
jour de grande bataille une ligno passe toute entiere aux tirailleurs et 
quelquefois meme deux fois: il faut relever les tirailleurs toutes les 
deux heures, parce qu'ils sont fatigucs, parce que leurs fusils se de- 
rangent et s'encrassent." 

Es bedurfte noch reichlicher Erfahrung, ehe man zur durchgehenden 
Anwendung der Kolonnenlinie gelangte, d. h. die Bataillone in Kolonne 
mit Entwickelungsraum nebeneinander stellte. Woiter als bis zum 
Bilden der Pelotonkolonne aus der Linie und umgekehrt reichte zu- 
nächst die Exerzirkunst der Revolutionssoldaten nicht und das De- 
ployiren der aus 27 Pelotons bestehenden, hinter dem I. Treffen sich 
bewegenden Halbbrigado nimmt lange Zeit in Anspruch. Schneller 
gelangto man zur Entwickelung, wenn man, das Tetenbataillon gerade- 
aus bleiben lassend, das 2. und 3. Bataillon in Pelotonkolonne oder 
auch in Masse rechts bezw. links herauszog, also die Kolonnenlinie 
bilden liefs und deployirte. Der Übergang bahnt sich erst ganz all- 
mählich an. Bei der Freiheit in der Wahl der Formen, die Napoleon 
seinen Unterführern in den meisten Fällen liefs, sehen wir die lineare 
Ordnung verhältnifsmäfsig spät noch in einzelnen Fällen von diesen 
angewendet, der Grund liegt darin, dafs Führer, die zum ersten Male 
ein höheres Kommando erhielten, Fingerzeige für ihr Verhalten in 
dem Reglement von 1701 suchten, da ein geschriebenes anderes nicht 
bestand. Mass<*na wendete häufiger die lineare Ordnung der Ordonnanz 
an, andere Generale traten mit derselben bei Eylau und Heilsberg 
und vereinzelt auch auf anderen Schlachtfeldern an, man hütete sich 
aber wohl, dieselbe in bedecktem, coupirtem, hügeligem oder gebirgigem 
Gelände zu benutzen — ihr Schauplatz war die reine Ebene, wo die 
Führer der Divisionen jeden Mann zu übersehen vermochten. Die 
verschiedenen Kriegsschauplätze wirken auf die Wahl der Formen 
mächtig ein. Rüstow schält aus den Kriegen in Italien und Deutsch- 
land bis 1800 zwei Schlachtordnungen heraus. Nach ihm bewegt 



Digitized by Google 



274 



Au» '\*n E.x^rzir-V-.r-chrir'-n <i<*r er*tro Kepn -'Ss. 



Napoleon in Italien vorn ein f.-t ausschli-Mich in Schwärmen fechtend« 
'Irenen und dahinter d--i<-h tiefe in Marschkolonnen jesenichtete 
Bataillone und erzielt damit in dem von relativ wenij Kommunikationen 
durchzogenen Lande und einem zersplitterten, taktisch schwerfälligen 
Feinde i/e^enüber auch taktische Erf'd_ r e. Die Skizze, die uns Rüstow 
von der Formation der Infanterie für den Kampf triebt, vorn eine 
Schwarmlinie und dahinter Kolonnen von 3 — 4 dicht hintereinander 
geschichteten Bataillonen, widerspricht übrürens den von General 
Kenard „Consid'-rations sur la ta- tique de rinfanterie* gebrachten 
Baten. Nach diesen wendete Napoleon hinter den Tirailleurs am 
Tau'liamento. wie später bei Friedland und Montmirail. folgende 
Formation an : 

1 Bat ZZZZ l Bataillon. ZZZZ 1 Bat. 

Dieselbe Quelle nennt die später bei Almonacid gebrauchte 
Formation, bei welcher hinter den Tirailleurs die entwickelte 
nicht durch einzelne Bataillone, sondern durch drei 
geschichtete Bataillone in Kolonne unterstützt würde, schon eine 
Verirrung von den richtigen Grundsätzen. General Renard ist es 
auch, der uns Desaix's Truppen in der Aufgabe, die Kolonne Zach 
bei Marengo aufzuhalten, wie folgt, darstellt (von der Tirailleur-Ent- 
wickelung abgesehen). 



Zach. 



-L 



9. leichtes 
Inf.- Regt. 



± 



9.1.Inf.-R. 



1 



I 



30. Linien-Regt. 



1 



1 



30. L. Inf.-Regt. 



-L 



59.L.-Rgt. 
A 



I 



59. L. Inf.- 



Digitized by Googl 



und des ersten Kaiserreich». 



275 



Durchweg war also das Gewaltstofssystem mit tiefen Kolonnen 
doch nicht *an der Tagesordnung ; dafs es stellenweise von Napoleon 
in Italien angewendet wurde, steht aber aufser Zweifel. Hier sei 
auch gleich darauf hingewiesen, dafs uns Marengo und Friedland die 
Anwendung von Echelons im Grofsen vorführen, ersteres mit, letzteres 
ohne Erfolg, ersteres im Angriff, letzteres in der Verteidigung und 
dafs die Urteile M. Dumas' und Jomini's spezioll über Marengo weit 
auseinander gehen. Während der Erstere „die schräge Schlacht- 
ordnung in Echelons, der linke Flügel vor, die zweckmäfsigste Dis- 
position für das Terrain, in welchem er sich ungedeckt in der Reich- 
weite des Feindes befand ..." das Refusiren des rechten Flügels 
als die Rettung der Schlacht bezeichnet, lesen wir in Jomini „Precis 
de l'art de guerre" „On a pretendu que Tordre de bataille echelonne 
sur la gauche, adopte par le premier consul suffisait pour reinedier 
aux desavantages de cet etat des choses et pouvait lui procurer 
quelques chances de succes. Nous sommes loin de partager cette 
opinion. Un ordre pareil est parfait pour cxecuter une retraite ou 
pour marcher ä l'attaque, lorsqu'on renforce essentiellement le point 
oü Ton veut frapper, mais recevoir le combat sur place avec des 
ochelons aussi eloignes, c'est s'exposer a faire ecraser son corps 
successivement. Jamais cette verite ne fut pas demontree mieux qu'ä 
Marengo." Man mitfs Jomini, der die Staffeln der ganzen Schlacht- 
ordnung, die strategischen, wenn wir so sagen dürfen, meint, hier 
beipflichten; zu dem Fehler der excentrischen, eine Kräftcsammlung 
nicht erlaubenden Operationen vor der Schlacht kam in der Anlage 
der hinzu, dafs gegen den Grundsatz, die Hauptkrüfte auf einen 
Punkt zu bringen, verstofsen wurde. Mit taktischen Staffeln hat 
Napoleon, wie der Vorstofs auf die Pratzener Höhen, Lannes' Vor- 
gehen auf Kloswitz bei Jena, das der Divisionen Compans, Desaix, 
Friant gegen die Bagration-Schanzo bei Borodino, sämmtlich vom 
rechten Hügel, beweisen, mehr Glück gehabt. 

Die mehr methodische Kriegführung Moreaus und das weniger 
Bewegungshindernisse bietende Land, in welchem er operirte, zeitigten 
die 2. von Rüstow angedeutete Schlachtordnung. Der Wunsch, gegen 
Zufälle des Gefechtes gesichert zu sein, führte dazu, den in einer 
Kolonnenlinie mit Entwicklungszwischenraum vorgehenden — aber 
durch diese Abstände zum Deployiren, Direktionsändern, zum Über- 
winden oder Umgehen von Terrainhindernissen und zur Durchführung 
einer Bajonnet- Attacke befähigten Bataillonen des I. Treffens ein 
gleichformirtes II. folgen zu lassen, dessen Bataillone auf die Zwischen- 
räume des I. gerichtet, Sicherheit gegen den Durchbruch gewährten. 
Vor das I. noch ein aus Teilen der Bataillone des I., oder aus 



Digitized by Google 



27f> 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



leichten Truppen gebildetes, zum Tirailleurgefecht bestimmtes Vortreffen 
schiebend, hatte man es zwar in etwa in der Hand, das Mafs der 
Auflösung zu bestimmen, ganz aber nicht, namentlich w r enn leichte 
Truppen nicht vorhanden waren. Die Rücksicht auf Kräfte-Sammlung 
mufs man als bescheiden bezeichnen, die Napoleon in Italien zu der 
Forderung veranlafste, dafs wenigstens die Grenadiere, 119 des 
Bataillons, geschlossen bleiben sollten. Die Verhältnisse in Italien 
konnten nicht mafsgebend sein für anderes Land, andere Gegner 
andere taktische Formen, andere Kampfes weise waren geboten, um 
„Massen auf den entscheidenden Punkt" zu bringen. Das 1796 in 
Deutschland angewendete taktische System wurde, dem Bewegungskriege 
angepafat, die Grundlage für die taktische Entwicklung der von 1805 
bis nach Asponi reichenden Glanzperiode der napoleonischen Kampfes- 
weise. 

„II y avait beaueoup k refaire" sagt M. Dumas von der Zeit, wo 
Napoleon als Kaiser begann, die grofsen Armeen zusammenzuschweifsen 
und das, was die Revolution im Kleinen geschaffen, unter Beibehalt der 
allgemeinen Grundsätze auf die „Masse" zu übertragen, die methodische 
Durchbildung, die Einheitlichkeit der Schulung zu bewirken, die im 
Allgemeinen bis nach Aspern vorhielt und wie M. Dumas richtig 
bemerkt, den Oberfeldherrn der Einmischung in die Details überhebt. 
Viele in der Feldpraxis gebildete Offiziere bedurften der Zurückfuhrung 
zu den Elementen der Taktik, um sie ihren Leuten beibringen zu 
können, die durch den häufigen Wechsel in der Organisation der 
Waffen geschaffene Verwirrung in Formen und Anwendung derselben, 
die „anarchie de principe" (M. Dumas) mufste verschwinden. Ein 
abgerundetes, vollendetes Ganze war es also nicht, was Napoleon auf 
taktischem Gebiete vorfand, unverkennbare Vorzüge vor der früheren 
linearen Taktik aber hatte es zweifellos. Verschiedene Kampfesformen 
sind an die Stelle der ausschliefslich verwendeten Linie getreten, die 
Kolonnen für das Manövriren und den Stöfs, die Linie zum unmittelbaren 
Massengebrauch der Waffen, das zerstreute Gefecht für die Feuer- 
ausnutzung. Sehr viel beweglicher und manövrirfähiger geworden, 
waren die Truppen befähigt, in jedem Gliede zu schlagen. Die 
revolutionär wirkende Ausnutzung des Geländes, möglich geworden 
durch die gröfsere Flüssigkeit der Formen, gab dem Gefecht längere 
Dauer, einen zäheren, weniger chocartigen Charakter. Hindernisse 
in der Lineartaktik wurden die Bedeckungen des Bodens neuer Schutz. 
Ausnutzung und Überwindung des Geländes beschränkten einesteils 
die Wahl des Angriffspunktes weit weniger als in der Lineartaktik, 
liefsen ihn andererseits aber auch nicht wie in dieser, sofort erkennen. 
Der Einleitungskampf klärte oft erst auf über den schwachen Punkt 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



277 



des Gegners, zumal Geländebenutzung manchmal doch auch die Mafs- 
nahmen des Verteidigers dem Auge dos Angreifers entzog. „On s'engagc 
partout, alors on voit u sagt Naj>oleon und bezeichnet damit treffend 
die neue Lnge. Schon aus diesem Satze geht hervor, dafs der sofortige 
Einsatz der Vollkraft ausgeschlossen, dem Kampfe statt des Choc's 
längere Dauer zu verleihen, das Zurückhalten frischer Abteilungen 
in der Hand der Führung zur schnellen Herstellung einer Ungleichheit 
in der Kräfte- Verteilung erforderlich war. Weiterentwicklung des 
Systems, wie wir es 171>G in Deutsclüand gesehen, ohne Änderung 
reichte dazu nicht aus, die Breitenentwicklung der Brigaden, die 
ihrerseits Treffen aus je einer Halbbrigade bildeten, begünstigte viel 
eher die Gleichmäfsigkeit des Kräfteeinsatzes, während Napoleon, 
in logischer Folge des strategischen Grundsatzes „die Hauptmassen 
auf den entscheidenden Schauplatz und auf diesem in die entscheidende 
Richtung" auch auf dem Kampffelde „Massen Wirkung" anstrebte. 
Massen waren also zurück zu halten, die Lasten des Kampfes zunächst 
Körpern zu übertragen, die stark genug und taktisch so gegliedert 
waren, dafs sie dies so lange, wenn auch bis zu Schlacken ausbrennend, 
vermochten, bis die Leitung sich über die „Schwäche" des Gegners 
klar geworden und die „Massen Wirkung" vorbereitet war. Die bisherige 
strategische Einheit, die Division, erschien Napoleon, da sie als 
zusammengehaltene Masse nicht die erforderliche zormalmende Stofs- 
kraft, für die zähen, langen Kämpfo in der Front nicht die nötige 
Selbstständigkeit und Verbrauchsdauer — Alles dies für die gröfseren 
Verhältnisse betrachtet — besafs, hierzu als Werkzeug nicht geeignet. 
Zudem drängte die mit der Vergröfserung der Heere und Vermehrung 
der Divisionen verbundenen Gefahr der Zersplitterung, die Napoleon 
sehr wohl empfand, und die Schwierigkeit der Leitung zu vieler, der 
Oberleitung unmittelbar unterstellten Heeresteile gebieterisch auf die 
Vereinigung der Divisionen zu höheren Kommandoverbänden hin. 
Jourdan's Meuse- und Sambre-Armee, Moreau's Rheinarmee (1800), 
Brünes italienische Armee hatten schon Armee-Korps aufgewiesen, 
aber taktisch zweckmäfsig organisirte und gegliederte Körper im Sinne 
der Napoleonischen Korps waren das nicht. Diese wurden als Kriegs- 
instrument, — nicht als dauernder Friedensverband, wozu sie aber 
zweifellos bei längerer Friedenszeit wohl geworden wären — von 
Napoleon dann geschaffen, als er, die Gowalt in seiner Hand vereinigend, 
auch die Kräfte -Verteilung im Grofsen selbstständig anordnen konnte. 
In den gro&en Lagern St. Omer, St. Ambleteuse, Boulogne, Zeister- 
Haide wurde dann auch die andere Vorbedingung erfüllt, die sich aus 
dem Grundsatz des strategischen Massengebrauchs der Kräfte für den 
taktischen ergab, Formen für einen längeren Kampf in der Front, 



Digitized by Google 



278 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



wie für Bewegungen in Masse nach dem entscheidenden Punkte und 
schnelle Entwicklung dort wurden erprobt und durch Schulung den 
Truppen anerzogen. — 

Wir haben oben schon auf General Fay's Ausspruch bezüglich der 
Übungslager hingewiesen und einige Sätze aus M. Dumas' Werk beweisen 
uns das Gleiche, dafs nämlich Napoleon die Ordonnanz von 1791 definitiv 
nicht änderte, sondern als Zusätze zu derselben nur Spezial-Instruktionen 
erliefs, die scheinbar nicht erhalten worden sind. Jedenfalls sind wir 
in Bezug auf die Übungen in den genannten Lagern auf die Angaben 
angewiesen, die sich in den Memoiren der verschiedenen Marschälle 
finden. Führen wir aber zunächst M. Dumas' Sätze an: „Bonaparte, 
dont l'esprit juste avait saisi tout l'avantage de la tactique francaise, 
n'y introduisit aueune innovation; on ne saurait donner ce nom ä 
diverses applications de manoeuvres, qu'il rendit plus usuelles et 
plus promptes, telles quo les changements de front et de direction 
en masse, les deploioments , les feux de bataillon en avancant et les 
formations de carre contre les charges de cavalerie. Ces applications 
des moyens donnes par l'ordonnance furent prescrites par une 
instruetion particuliere; il n'y out point d'autres changements." 
Marmont spricht sich in seinen Memoiren über den Zustand der 
Truppen bei Beginn des Feldzuges 1805 wie folgt aus: „der 18 monat- 
liche Aufenthalt in den Lagern hatte ihnen eine Gleichraäfsigkeit und 
ein Ensemble gegeben, wie sie selten vorkommen." Von Ney wissen 
wir, dafs er im Lager von Boulogne besonders Frontveränderungen 
mit Bataillonen in Masse gründlich durchübte und in seinem Korps 
„tout mouvement processionel" bei den Manövern ausdrücklich verbot. 
Marmont berichtet über die von ihm kommandirtenTruppen(22 Bataillone, 
12 Eskadrons, 60 Geschütze) im Zeister Lager, dafs der 1. Monat dem 
Detail-Dienst gewidmet, dann wöchentlich 3 mal in der Bataillons- 
schule, 3 mal Divisions-Manöver geübt wurden, das in 3 Divisionen 
eingeteilte Korps jeden Sonntag manövrirte und alle 14 Tage grofse 
Manöver und Exerzitien im Feuer stattfanden, für die Artillerie ein 
Polygon vorhanden und für die Kavallerie, aufser der Teilnahme an 
den Manövern, noch besondere Exerzirtago befohlen waren. Geübt 
wurden die Entwicklung der Divisionen aus der Marschkolonne zu 
2 oder 3 Treffen in Bataillons-Kolonnen, das Einfädeln aus der Gefechts- 
in die Marsch-Formation, das Vor- und Zurückgehen in Schlacht- 
ordnung, die Deployements zur Linie, Angriffsbewegungen in Ver- 
bindung mit Artillerie und Kavallerie, Bewegungen gröfserer Massen 
in zusammengezogenen Kolonnen, so z. B. ganzer Divisionen. Zweifellos 
kamen auch Exerzir-Kunststückehen vor, die für den Ernstfall, in der 
Schlacht, oder für den Anmarsch zur Schlacht, nicht brauchbar waren. 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreich». 



270 



Grundeinheit für die Entwickelung gröfserer Heereskürper wurde das 
Bataillon in Kolonne, — aber nicht in der tiefen, 9 Pelotons hinter- 
einander schichtenden Marschkolonne, sondern in Angriffskolonne, 
welche, bei doppelter Breite, nur die halbe Tiefe aufwies, 2 Pelotons = 
1 Divisions -Breite und 4 (ohne Grenadiere), später nach 1808, als 
Napoleon die Zahl der Kompagnien auf G verminderte, nur 3 Pelotons- 
tiefen, eine Formation, die ohne Verminderung der Beweglichkeit 
rascheres Deployiren erlaubte und sofort auch mehr Feuerwaffen in 
Thätigkeit zu setzen gestattete. Es bestand ein Unterschied zwischen 
Marsch- und Gefeehts-Formation, der Übergang aus der einen zur 
anderen erforderte Evolutionen. Bei der Entwickelung aus der Marsch- 
kolonne zur Gefechtsformation schlössen die Divisionen zur Masse 
auf, die Bataillone in Kolonne mit Divisionsbreite, die ganze Masse 
nicht mehr als 70—80 Schritt Frontbreite und 800 Schritt Tiefe. Bei 
3 Divisionen hintereinander zogen sich in dieser Masse die beiden 
hinteren neben die vordere heraus, zerlegten sich in Brigademasson 
und diese in Bataillonskolonnen in 2 — 3 Treffen für den Kampf. 
Benutzte das Korps eine Strafse, so hatte es der Korps-Kommandeur 
in der Hand, die Divisionen auch treffen weise hinter einander zu 
verwenden, bei 2 Strafsen ergab sich von selbst die flügelweise 
Gliederung. Damit kommen wir auf die Frage der treffenweisen 
oder flügelweisen Gliederung bei Napoleon. Treffenweise Glioderung 
finden wir bei Napoleon bei Waterloo, Davout bei Auerstedt und Neu- 
siedel, Ney bei Friedland und Wagram; bei Waterloo verliefs die 
Armee Napoleons ihre Biwaks in so vielen Kolonnen, als dieselbe 
Divisionen hatte und jede der letzteren entwickelte sich in 2 Treffen 
in der Reichweite des feindlichen Feuers. Flügelweise finden 
wir die Divisionen bei Austerlitz geordnet. Die Correspondance militaire 
bietet Anhaltspunkte für ein Urteil über Napoleons Denken bezüglich 
der flügel weisen Ordnung. Nach M. Dumas schreibt Napoleon am 
26. 11. 1805 an Soult und Bernadotte von Brünn aus wie folgt: 
„Gegen die Russen hat nachstehende Ordre de bataille in Anwendung 
zu kommen. Jede Infanterie-Brigade stellt ihr 1. Regiment in ent- 
wickelter Linie im ersten, das 2. Regiment in geschlossener Divisions- 
Kolonne im zweiten Treffen auf, das 1. Bataillon des 2. Treffens rechts 
rückwärts des 1. Bataillons des im Vortreffen stehenden 1. Regiments, 
das 2. Bataillon links rückwärts des 2. Bataillons (die Infanterie- 
Regimenter hatten nur 2 Bataillone), die Artillerie in den Intervallen 
der beiden im ersten Treffen in entwickelter Linie aufgestellten 
Bataillone, einige Geschütze am rechten und linken Flügel. Wenn 
die Division fünf Infanterie-Regimenter haben sollte, so hat das 5. Re- 
giment 100 Schritt rückwärts des 2. Treffens die Reserve zu bilden. 



Digitized by Google 



280 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Hinter jeder Brigade hat wenigstens eine Division Kavallerie zu stehen, 
um durch das Intervalle vorbrechen und den Feind verfolgen zu können, 
wenn er geworfen ist und die Kosaken inr Schach zu halten. In dieser 
Schlachtordnung befinden Sie sich in der Lage, dem Feind das Front- 
feuer entgegenzustellen und haben geschlossene Kolonnen, um dessen 
Angriffe zurückzuweisen. u — M. Dumas' äufsert sich bezüglich der 
für Austerlitz befohlenen Gliederung: In dieser Formation hatte man 
Feuer, Linie und geschlossene Kolonne um den Feind entgegenzutreten. 



1 1 1 1 



Gliederung bei Austerlitz. 
•|> *|. «|« *|* *|- «j- *|* «|« 

J . L 



1 1 1 1 



2. Regt. 



1. Regt. 




5. Regiment. 



Nach der Correspondance militaire schrieb Napoleon am 29. Sep- 
tember 180(> von Mainz aus an Soult: „Nehmen Sie als Prinzip bei 
allen Schlachtformationen an, dafs ein und dieselbe Infanterie- 
Division, mag sie nun in 2 oder 3 Treffen sieh aufstellen, immer den 
rechten Hügel, die andere das Zentrum und endlich die 3. Division 
den linken Flügel aller 3 Waffen einnimmt. Sie haben bei Austerlitz 
den Vorteil dieser Formation wahrgenommen. Der Divisions- General 
befindet sich in der Mitte seiner Division und kann jederzeit disponiren." 
Demnach wissen wir bestimmt, dafs die Brigaden in der Division 
vielfach flügelweise gegliedert wurden, eine andere Frage ist, ob die 
Gliederung der Brigaden selbst eine treffenweise oder flügelweise 
war. Treffenweise war sie bei Jena „für die Marschälle ist die Ordre 
de bataille im Allgemeinen, sich in 2 Treffen zu gliedern, ohne Rücksicht 
auf das von der leichten Infanterie zu bildende Vortreffen, — mit 
Abständen von 100 Toisen." Brigade Claparede ging aber flügel- 
weis o gegliedert auf Kloswitz vor — und so scheint dies auch häufiger 
gewesen zu sein, da Napoleon im Allgemeinen seinen Unterführern 
die Wahl der Gliederung — bei Austerlitz und Waterloo schreibt er 
sie vor — und Formen überliefs. Aus einem weiteren Briefe Napoleons 
an Soult (Correspondance militaire) heben wir folgende Stelle hervor: 
„Les troupes y sont autant que possible formees par divisions, 
brigades et regiments aecoles parce qu'il est avantageux que les 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



281 



commandenients s'etendent en profondeur: les generaux sont plus sürs 
de leurs Operations dont il embrassent mieux l'objet que s'ils avaient 
un front trop etendu; et en outre ils trouvent dans Celles de leurs 
troupes, qui sont echelonnees en arricre de leur premiere 
ligne les renforts et les soutiens qui leur sont necessaires." 

Aus den uns vorliegenden Daten und speziell aus den Berichten 
über Schlachten und Gefechte lassen sich im Allgemeinen 2 ge- 
bräuchliche Kampfgliederungen für die Division herausschälen. Von 
den beiden flügelweise geordneten Brigaden der Division hatte jede 
ein Regiment mit 3 (oder auch wohl 2) Bataillonen im I. Treffen, in 
entwickelter Linie oder auch in Angriffskolonnen mit Entwickclungs- 
zwischenräumen 200 — 250 Schritt hinter den aus den Voltigeur- 
kompagnien der 6 Bataillone I. Treffens gebildeten Plänklern, im 

II. Treffen das 2. Regiment in Kolonnenlinie, etwa 250 — 300 Schritt 
vom I. Treffen entfernt. Nahezu ebenso schildert uns auch Thyr in 
seiner „Taktik" die Normalform einer französischen Division für den 
Angriff bis zur Schlacht von Aspern, er läfst nur die 3 Bataillone 

1. Treffens jeder Brigade gewöhnlich in Angriffskolonnen formirt er- 
scheinen, die Frontausdehnung der Division mit den in den Zwischen- 
räumen der geschlossenen Teile verwendeten Batterien (2 ä 6 Geschütze) 
nicht über 1200 m im II. Treffen, auf den Zwischenräumen des I. die 

2. Regimenter der Brigaden in Angriffskolonnen, im III. Treffen ein 
eventuelles 5. Regiment in Angriffskolonnen ohne Entwicklungsraum 
in Regimentsmasse. Eine andere ist die flügelweise auch in den 
Brigaden, so zwar, dafs jede Brigade von jedem ihrer Regimenter (zu 
2 Bataillonen) 1 Bataillon ein I., eins ein II. Treffen hatte, bezw. die 
2. Brigade nur 1 Regiment in 2 Treffen umsetzte, das andere ein 

III. Treffen zur Verfügung des Divisionskommandeurs liefs. Letzteres 
scheint allerdings seltener eingetreten zu sein. In den genannten 
Formationen haben wir, wie wiederholt bemerkt werden soll, von dem 
Vortreffen aus leichten Truppen bezw. Tirailleurs abgesehen. Wollte 
man bei der erston der oben näher beschriebenen, gebräuchlichen 
Ordnungen die Tirailleure noch verstärken, so setzte man die 3. Glieder 
der 6 Bataillone I. Treffens ein, mit Ausnahme der Grenadiere, die 
in besondere Bataillone, je stellenweise sogar eine bosondere Division 
(Oudinot) vereinigt als Reserve zurückgehalten wurden, in sehr 
dringenden Fällen warf man noch die Voltigeurkompagnien desll. Treffens 
in die Tirailleurlinie, aber nur dann, wenn der Fülirer der Division 
methodisch verfuhr, häufiger löste man dann das ganze I. Treffen in 
Tirailleurs auf, wie dies, nach seinem oben angeführten Satze, Napoleon 
ja auch für zulässig hielt. Wenn man sich die Voltigeurkompagnien 
im zerstreuten Gefecht, die Grenadiere als Reserve verwendet denkt, 



282 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



so blieb von den Bataillonen zu 6 Kompaguien, wie sie noch 1808 
bestanden, in Angriffskolonnen mit 2 Pelotons Frontbreite nur ein 
G gliederiger Körper übrig. Im Vormarsch folgte das I. Treffen den 
Tirailleurs, welche nicht mehr als 140 Schritt in der Minute machen 
und jedenfalls nicht anhaltend laufon sollten, als Unterstützung und 
löste sich eventuell nach und nach bis auf kleine geschlossene Ab- 
teilungen, die 100 Schritt von den Schützen abblieben, auf, während 
das II. Treffen in Bataillonskolonnen nachrückte, wie oben bemerkt 
mit 200 - 300 Schritt Abstand. Die Bataillone II. Treffens hatten 
Entwicklungszwischenraum ; man betrachtet die colonne d attaque als 
die beste Angriffsformation, weil man aus ihr auch nach beiden Seiten 
aufmarschiren imd Frontfeuer abgeben konnte ; wie uns Duhesme ver- 
sichert, versprachen sich die Generale des 1. Kaiserreichs von den 
Bataillonskolonnen immer die gröfstc Wirkung, so zwar, dafs sie mit 
ihnen oft deployirte, feuernde und unerschütterte Linien des Gegners 
ohne Feuervorbereitung angriffen (Oudinots Grenadiere ein von 
dichten Schützenschwärmen besotztes Gehölz im Gefecht von Hollabrunn 
in Bataillonskolonnen ,,sans coup ferir" angreifend). Jomini, Precis 
de l'art de guerre' - sagt unter „Höhere Taktik" ungefähr Folgendes: 
Für den Angriff gegen eine Stellung ist zunächst Erschütterung der- 
selben durch überlegenes Artilleriefeuer erforderlich, dann Inunordnung- 
bringen des Gegners durch einen Iteiterangriff, endlich Vorgehen von 
Infantcriemassen , denen Tirailleurs voraufgehen und deren Flanken 
durch Reiterei geschützt sind. Beachtet man dabei, dafs Jomini aus- 
spricht, Infanterie- und Geschützfeuer spielten in der Verteidigung eine 
gröfsere Rolle und seien in erster Linie deren natürliche Waffen, so 
kommt man, zumal wenn man auch in der Praxis nachblättert, doch 
zu der Überzeugung, dafs die Feuerwaffennatur im Infanteriegewehr 
überwogen wird vom Stofscharakter. Darauf weist schon die Kolonne 
zum Stöfs hin, jene Kolonne, „die nur feuern soll, wenn der Gegner 
sie selbst angreift (Foucart Campagne de Pologne, Anhang); das Vor- 
herrschen der Absicht, den Gegner durch Feuer niederzuringen — 
was Napoleon nie in dem Mafse, wie heute uns gelungen ist — hat 
immer die natürliche Folge, die Massen zu gliedern, flacher, mehr 
Feuerwaffen in Thätigkeit bringen zu gestalten, die Stofstaktik dagegen 
zu massiren, tief zu stellen. Auf die Extreme in dieser Beziehung 
1809 und 181 5 kommen wir noch zurück. In den besten Zeiten finden 
wir in den napoleonischen Kriegen Beispiele dafür, dafs Regimenter 
und Brigaden ,,sans coup ferir" auf den Feind marschiren. — Tirailleur- 
gefechte ohne unterstützendes und ausnutzendes Nachrücken von 
Massen wurden als halbe Mafsnahmen betrachtet, die nicht zu 
einem Resultate führten. (In der That war ja auch die Verbindung 



Digitized by Google 



uud des ersten Kaiserreichs. 



'283 



des Tirailleurgefechtes mit der geschlossenen Formation das Wesent- 
liche der neuen Taktik, so lange dieselbe in vernünftigen Bahnen 
blieb und die Extreme vermied.) Die Treffen sollten der Angriffs- 
bewegung der Tirailleurs so rasch als möglich folgen und diu Punkte 
des Schlachtfeldes besetzen, welche diese in ihre Gewalt gebracht. 
Ein häufigeres Ablösen der Tirailleurs bezeichnete Napoleon, wie schon 
bemerkt, wegen Gewehr-Reinigung, Erschöpfung und Munitionsersatz 
als wünschenswert. Die Einteilung des Kampfes erfolgte im All- 
gemeinen so, dafs die Generale, für welche bestimmte Vorschriften 
über die Verwendung der einzelnen Waffen unter den verschiedenen 
Verhältnissen nicht bestanden, im Kampfgelände angelangt, ihre 
Truppenkörper möglichst schnell, unter strenger Beobachtung der 
vorgeschriebenen Intervalle aufmarschiren, während dieses Aufmarsches 
die leichte Infanterie, ganz oder teilweise, als Deckungstreffen vorwärts 
rücken liefsen, um aufgelöst die Bedeckungen und Unebenheiten des 
Geländes zu besetzen, die eigene Front zu verschleiern, den Gegner 
überall zu belasten und die Feuerwirkung seiner Batterien herab- 
zumindern. Die Einleitung des Gefechtes erfolgte meist durch Tirailleur- 
feuer und Kanonade, die Tirailleure schössen vor Allem auch auf die 
Bedienungsmannschaften der feindlichen Batterien, während die vor- 
gezogene eigene Artillerie der Divisionen besonders die Truppen des 
Gegners unter Feuer nahm, die Massenziele boten oder im Vorstofs 
gegen die in der Entwiekelung begriffenen eigenen Truppen begriffen 
waren. Die Schützenlinie war nicht die Hauptkampfform der Infanterie, 
sie war nicht die Trägerin der Entscheidung, sie hatte auch nicht den Zweck, 
diese herbeizuführen, sie war, wenn wir so sagen dürfen, nicht ihrer 
selbst wegen da, sondern als Schutz, als Schleier und Hülle für die 
Träger der Entscheidung, die Bataillonskolonnen, deren Stöfs sie vor- 
arbeitete, indem ihr Feuer den Gegner ermüdete, die mit Salven 
gegen die Tirailleurs feuernden Linien, die damit nichts ausrichteten 
(Jena), in etwa ratlos machte, deren Aufmerksamkeit auf die vordere 
Linie beschränkte. Die Entscheidung fiel durch das Bajonett, wenigstens 
durch die Drohung der Kolonnen, dasselbe zu benutzen, ausgesprochen 
durch den Anmarsch gegen den Feind. Wenn man sich die Ver- 
hältnisse reiflich überlegt, so kommt man auch zu der Überzeugung, 
dafs ein so totales Niederringen des Gegners durch Feuer, wie heute, bei 
Napoleon auch nicht nötig war; die kleineren, auch durch Feuer nicht so 
vernichtend wie heute durch Feuer beherrschten Strecken, die bei der 
damaligen geringen Tragweite der Waffen von deren Aufmarschraum 
bis an den Gegner zu durchschreiten waren, forderten, so lange 
man kleinere, nicht zu tiefe Kolonnen verwendete, nicht so gewaltige 
Opfer, dafs es einer Natur von der Gewaltthätigkeit Napoleons nicht 



Digitized by Google 



28-1 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



möglich gewesen wäre, das abgekürzte Verfahren manchmal zu wählen 
und die Stofs-Kolonncn dicht hinter den Tirailleurs folgen zu lassen. 
— Beim Angriff auf Örtliehkeiton bereitete Artillerie den Massen- 
stofs der Kolonnen vor, denen dichte Tirailleurschwärme vorausgingen 
und die ihn dann tambour battant führten. 

Die oben als gebräuchlich bezeichneten Kampfgliederungen wurden 
allerdings häufig durch andere ersetzt. „Napoleon laissant am 
marechaux d'ordinaire la latitude le plus entiere pour leurs combi- 
naisons particulicres et los marechaux prenant leurs dispositions, 
eommc ils l'entendaient" (General Renard „Considerations sur la 
tactique"). Bei Eylau ging die Division St. Hilaire zur Umfassung 
des feindlichen linken Flügels zwischen Serpallen und Sousgarten in 
entwickelter Front vor, auf den Hügeln der Linie waren aber 
Bataillonskolonnen mit Pelotondistanz angehängt, die 3 Divisionen 
des Korps Üavout marschirton in Staffeln gegen Serpallen. Bei 
Fuentes d'Onoro (1811) geschah der Angriff auf das Dorf Pozzo Bello 
seitens des I. Treffens in folgender Ordnung: 

! 



also von 5 Bataillonen 2 in Linie eingerahmt durch 3 in Bataillons- 
kolonne. An der Moskowa war die Gliederung für den Angriff auf 
die grofso Batterie (am Nachmittage des 7. 9. 1812) nach den Berichten 
wohl derart, dafs jede Brigade 1 Regiment im I. Treffen, davon 
1 Bataillon in Linie, das andere auf dem äufseren Flügel in Kolonne 
hatte das 2. Regiment im II. Treffen in Angriffskolonne mit Ent- 
wickelungsraum, auf den äufseren Flügeln je ein Bataillon debordirend. 



1 



Regt. 1. 

Regt. 2. 



I. Brigade. 



General von Tolls Denkwürdigkeiten beschreiben uns die eigentümliche 
Formation, in welcher die Division Leduc dem Korps Davout beim 
Angriffe auf die Bagration-Schanze zu Hülfe eilte. Dieselbe hatte 
3 Treffen von je einem Regiment in zusammengezogenen Bataillons- 
kolonnen, dahinter ein 4., in welchem 2 Bataillone in deployirter 
Linie, eins dicht auf das andere aufgeschlossen standen, während 
eine Nebendivision (Compans) sämmtliche Voltigeurkompagnien auf- 
löste und mit den Bataillons-Kolonnen in 2 Treffen folgte. Im Anhange 
zu Foucarts Campagne de Fologne stoisen wir noch auf ein anderes 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. O85 

Bild. In jedem Treffen, lesen wir dort, waren dio Bataillone meist 
in geschlossener Kolonne formirt, entweder „par division" oder „par 
peloton", je nach der Natur des Geländes. Die Brigade im I. Treffen 
nahm gewöhnlich 3 Bataillone in die 1. Linie und hielt 1 in Reserve. 
Sie sendete ihre Voltigeurs voraus und wurde von ihnen flankirt . . . 
— Man habe, fährt Foucart fort, auch die Möglichkeit, bei Terrain- 
bedeckungen, wie z. B. in Wäldern (1 Brigade Morand's bei Golymin), 
die in „colonne serree par division" formirten Bataillone in der Mitte 
durchzuteilen, so dafs man Kolonnen von Pelotonsfront und 4 Pelotons 
Tiefe erhielt. 

Bei Almonacid, sagt General Renard, wich man von der ver- 
nünftigen perpendiculären Ordnung schon ab. Man hatte dort statt 
einer Unterstützung durch einzelne getrennte Bataillone in Kolonne 
schon eine entwickelte Linie, in deren Mitte und auf deren Flügeln 
sich tief geschichtete Massen von je 3 Bataillonen dicht hinter einander 
in folgender Form befanden: 



1 



Hier war, bemerkt wieder General Renard in „Considerations sur la 
tactique de l'infanterie" wenigstens noch eine Verbindung zwischen 
den Kolonnen, aber es dauerte nicht lange, so griff man mit isolirten 
Massenkolonnen von riesiger Breite und Tiefe an. Ein Beispiel 
krasser Art hierfür haben wir, wie schon bemerkt, bei Wagram, das 
monströseste bei Waterloo. — Ein Rückgreifen auf die perpendieuläre 
Ordnung der französischen Schule mufs man auch in den schrägen 
Ca r res sehen, die man einst gegen Kavallerie anwendete und zwar 
in folgender Form: 

o^-o-^-o 

Bei Leipzig wiesen 6 Bataillone junge Garde unter Napoleons 
Augen die Attacken russischer und österreichischer Kavallerie ab. 
Nach Rocquancourt: „Cours complet d'act et d'histoire militaire", Tome 
III. p. 199 und 477 wurde das Carre bei Auerstädt von der Division 
Gudin und ebenso von mehreren Divisionen bei Lützen als Angriffs- 
form angewendet. Dafs man dabei die Rücksicht auf starke Fcuer- 

J.hrbUcher fUr die Deatache Armee und Marine. Bd. VUIC, 3. 19 



Digitized by Google 



'28(5 



Au« den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



entwicklung besonders im Auge gehabt hätte, kann nicht wohl behauptet 
werden. Die Absicht des Gewaltstofses verdrängt die der Feuer- 
vorbereitung, die man entweder allein der Artillerie überläfst, die sie 
vollkommen nicht durchzuführen vermag, oder auf welche man stellen- 
weise überhaupt verzichtet. 

Ehe wir uns mit den Ausgeburten der „Massirung" von Wagram 
und Waterloo näher beschäftigen, die Rüstow in seiner „Geschichte 
der Infanterie" damit erklärt, dafs der Kaiser bereits zu sehr 
Kaiser geworden, um sich an einer freien geistigen Leistung 
genügen zu lassen, da er die Schicksale der Schlacht schon 
mechanisch bestimmen wollte, die freie Bewegung, das 
Lebenselement der neuen Infanterie-Taktik, absolut durch 
die Masse ersetzen zu können glaubte", seien erst noch einige 
Fragen von Bedeutung gestreift, zunächst die, wie es der Führung 
möglich wurde, durch Haushalten mit den zunächst eingesetzten 
Kräften einen Überschufs sich in der Hand zu bewahren. „La Solution 
des questions qui y touchent depend de bien des circonstances. On 
ne peut et on ne doit prescrire rien d'absolu. D n'y a point d'ordre 
naturel de bataille. Tout ce que Ton prescrivait lh - dessus serait 
plus nuisible qu'utile" (Napoleon) und „En general l'ordre de bataille 
n'offre pas un aspect uniforme: rclativement mince sur les points 
(jui doivent aborder l'ennemi pour maintenir ses troupes sur leurs 
positions il est au contraire tres profond sur ceux, qui ont ä faire 
l'attaque principale" (Nap. Corr. militaire). In diesen Sätzen linden 
wir das ganze Prinzip verzeichnet. Gouvion St. Cyr's Memoiren fuhren 
dasselbe nach Napoleons Äufserungen noch etwas weiter aus ,,11 
ne faut aecorder la preference ä aueun genre d'attaque et agir 
selon les circonstances, il faut aborder Tennemi avec le plus de 
moyens possible. Apres avoir engagc les Corps les plus ä proximitc 
de Tenncmi, on doit les laisser faire, sans trop s'inquietor de leurs 
bonnes ou de leurs mauvaises chances; seulcment, il faut avoir bien 
soin de ne pas ceder trop facilement aux demandes de secours de 
la part de leurs chofs". „Et il" (Napoleon) fährt St. Cyr fort, „ajoutait 
que ce n'etait que vers la fin de la journce, quand il s'apcrcevait 
quo rennemi fatigue avait mis on jeu la plus grande partie de ses 
moyens, quil ramassait ce qu'il avait pu conserver en reserve pour 
lancer sur le champ de bataille une forte masse d'infanterie, de 
cavalerie et d'artillerie, que Tennemi ne l'ayant pas prevu, il faisait 
ce qu'il appclait un „evenement", et que par ce moyen il avait 
presquo toujours obtenu la vietoire." Napoleons Ausspruch, wer nach 
Regeln handelt, handelt nicht nach den Umständen, ist bekannt, von 
einem Schema in der Lösung der oben gestellten Frage ist bei Napoleon 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreich». 



287 



auch keine Rcdo, immerhin läfst sich der Weg zur Erzielung eines 
Kraftüberschusses für das „evenoment" aber doch in einigen Strichen 
andeuten, schon nacli der, von St. Cyr wiedergegebenen Äufserung 
Napoleons. Dank der Verbindung des zerstreuten Gefechts mit der 
Kolonne war das Bataillon, die kleinste Einheit in der Lage, dem 
Feuer der Schwannlinie den Stöfs folgen zu lassen, für sich selbst 
einige Zeit lang ein Gefecht zu führen, demselben einige Dauer zu 
geben, in dem es nicht sofort als unselbstständiger Teil einer 
zusammenhängenden Linie seine Vollkraft chocartig einsetzte. 
Die Ausnutzung des Geländes trat als weiterer Faktor zur Ennöglichung 
verlängerter Kampfcsdauer hinzu. Weit längere Dauer vermochte 
natürlich die in 2 bezw. Treffen (mit Vortreffen) gegliederte Brigade 
ihrem Kampf zu geben, sie hatte in sich die Elemente, Unterstützung 
nach vorn zu bringen, wenn die dort eingesetzten Kräfte zusammen- 
zubrechen drohten, ein allmählicher Kräfteeinsatz war durch die 
Gliederung nach der Tiefe ermöglicht, das „Wann" des Einsetzens 
der Unterstützung lag in der Hand der Führung. Deutlicher noch 
tritt die Verlängerung des Kampfes bei der Division hervor, die, wenn 
sie 5 Regimenter hatte, nicht nur über ein Vortreffen, 2 weitere Treffen, 
sondern auch noeh über eine Reserve verfügte und bei welcher die 
Beigabe von Artillerie nach derselben Richtung hinwirkte. Während 
bei der Lineartaktik der Zusammenhang der Linie eine Hauptbedingung 
des Ersatzes bildete (Clausewitz bekannter Satz! Schnitt man eine 
solche Linien in der Mitte entzwei etc.), Lücken, die entstanden, durch 
das II. Treffen ausgefüllt werden mußten, der Ersatz des ersten, mit 
ganzer Kraft geführten Stofses meist über das Schicksal der Schlacht 
entschied, erlaubten die Zwischenräume zwischen Einheiten des neuen 
taktischen Systems eine allmähliche Nutzbarmachung des II. Treffens 
und der Reserve, dadurch eine stete Krafterneuening, soweit die 
frischen Kräfte reichten, damit eine Verlängerung der Kampfesdauer 
durch allmählichen Kraftgebrauch, um so mehr, als auch die „Ver- 
mählung" der Taktik mit dem Boden die Zähigkeit des Ringens noch 
erhöhte. Das Armeekorps, nach Art der Armee mit allen Waffen 
ausgestattet, war, bei zweckmäfsiger Ausnutzung seiner Tirailleure und 
seiner Artillerie, bei Wahl eines dem Kampfcharakter entsprechenden 
Geländes, nach der Tiefe gegliedert und nicht seine Kräfte in einer 
starren Linie unverhüllt dem Gegner zeigend, zweifellos im Stande, 
den Gegner über seine wirkliche Stärke längere Zeit in Zweifel zu 
halten und wenn er sie erkannte, vergingen Stunden, ehe er seine 
ganze Überlegenheit zur Vollwirkung bringen konnte, das Armeekorps 
brach auch dann nicht auf den ersten Anhieb zusammen. Da die 
Schlacht zu einer Sammlung von Teilgcfechten wurde, nicht durch 

19* 



Digitized by Google 



28S 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



einen Stöfs entschieden wurde, so besafs das nach der Tiefe gegliederte 
Anneekoqis in sicli selbst die Elemente, Partialerfolge innerhalb seines 
Rahmens auszunutzen, so betrat, dank den Zwischenräumen, die Platz 
zum Durchziehen gewährten, die Korpskavallerie als neuer Faktor die 
Kampfesbühne. Auf der Fähigkeit der selbstständigen Körper, in 
der Schlachtfront, wie auf dem Marsche eine Zeitlang sich überlassen 
zu bleiben, und auf dem Umstände, dafs, wenn selbst ein solcher 
selbstständiger Teil eine Schlappe erlitt, seine I. und selbst II. Linie 
durchbrochen wurde, damit nicht das ganze Gebäude zusammenfiel 
— wie bei Störung des Zusammenhangs der Linie — sondern nur ein 
Faktor aus der Rechnung ausschied und ein anderer an seine Stelle 
treten konnte — baut sich Napoleons System der „Ökonomie der 
Kräfte" auf. Nur mit einem Teile der Kräfte verwickelt Napoleon 
den Gegner in einen hinhaltenden Kampf, diesen Teil iäfet er in 
stundenlangem Ringen bis zu Schlacke ausbrennen (schlagende Bei- 
spiele hierfür Ney und Davout vor Zentrum und russischem linken 
Flügel bei Borodino, rechte Flügeldivision bei Austerlitz, Massena bei 
Wagram), auf die Bitten der Unterführer um Unterstützung wird meist 
nicht gehört, den andern Teil spart er auf. Wiederholte Vorstöfsc 
halten den Gegner in seinen Positionen fest, verschaffen den rückwärtigen 
Korps Zeit heranzurücken, nach vorwärts aufzuschliefsen den in die 
Flanke und den Rücken des Verteidigers entsendeten sich zum um- 
fassenden Angriff zu entwickeln und in die Aktion einzutreten, be- 
deutende feindliche Kräfte werden mit relativ geringer eigener be- 
schäftigt, ermüdet, bezw. abgestofsen, der Gegner zum Einsatz seiner 
ganzen Kraft vorzeitig verleitet (er hat dies sogar 1815 bei Blücher 
[Lignv] noch verstanden), ist dann des Feindes Schwäche erkannt, 
hat derselbe seine Kraft verbraucht, so beginnt Napoleon mit den 
durch verständige Wirtschaft ersparten Reserven, man möchte sagen 
eine neue, freilich kürzer währende Schlacht. Durch die Reserven, 
in deren Gebrauch wie Gewinnung Napoleon sich zweifellos meist als 
Meister zeigt, hat er es in der Hand, die Ungleichheit in der Kräfte- 
verteilung in gesteigerter Potenz hervorzubringen, den Sieg durch 
lokale Überlegenheit an seine Fahnen zu fesseln. Den Überschufs 
sammelt er, in Massonform gegossen, in seiner Hand, das „debouche 
en masse" kann erfolgen, er kann den Angriffspunkt, wenn Ver- 
schiebungen beim Gegner, oder Felder seiner Unterführer dies nötig 
machen (Wechsel des Angriffsplans bei Borodino), selbst im Laufe des 
Gefechts noch ändern. Der Massenstofs erfolgt aber erst dann, wenn 
der Kaiser sich durch eigene Erkundung von der Lage der Dinge 
überzeugt hat, wenn er den Gegner nicht nur gebunden, zu solchen 
Maßnahmen verleitet, sondern auch Vorkehrungen getroffen hat, die 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreich«. 



281) 



diesen hindern, den Hauptangriff zu stören (eine der Aufgaben der 
Hundertkanonenbatterie bei Wagram war, das Zentrum der Österreicher 
in der Vorwärtsbewegung und der Übereinstimmung des Handelns mit 
dem rechten Flügel zu hemmen) der Massenangriff wird durcli Artillerie- 
masscii) oft auch durch Einsetzen von Reitermassen vorbereitet „Er 
bedenke, dafs man den Sieg in der Regel durch Anwendung materieller 
Kraft erreichen mufs" (Jomini). Zur Herbeiführung des „evenements" 
setzte er, wenn nötig den letzten Mann ein, „die Generale, welche 
frische Truppen für den Tag nach der Schlacht aufbewahren, werden 
gewöhnlich geschlagen. Man mufs, wenn es nötig ist, den letzten 
Mann in das Gefecht bringen, da man am Tage nach einem voll- 
ständigen Siege keine Hindernisse mehr zu überwinden hat; die Meinung 
allein sichert neue Triumphe 1 ' (Nap.). Gegen diese Wahrheit verstöfst 
Napoleon selbst allerdings bei Borodino , wo er 20 000 Mann Garden 
nicht einzusetzen wagt, obwohl er sich klar sein mufste, das als Lohn 
die Vernichtung des feindlichen Heeres winkte. Das Einsetzen der 
Reserven zeigt Massenbewegung auf gedrängtestem Raum, die Meister- 
schaft im Ansetzen des Massenstosses ist unverkennbar. Fast immer 
gelingt es, denselben frontal und doch Hankirend gegen die empfind- 
lichsten Punkte des Gegners unter sorgfältiger Berechnung der Zeit, 
Berücksichtigung des erkundeten Geländes und der Hindernisse, die 
eintreten könnten, zu führen. Zuweilen irrt allerdings der kluge 
Rechner auch, so ist am ersten Tage bei Wagram der Kalkül der 
Zeit ein falscher, da er Macdonald in der Annahme zum Stöfs gegen 
das Zentrum des Gegners ansetzte, dals die österreichische Armee den 
Aufmarsch noch nicht vollendet habe, Macdonald wufsto das Schicksal 
seiner Kolonnen im Voraus. Auch in Bezug auf die erforderliche Dauer 
der Vorbereitung durch Feuer und auf den Grad der Erschütterung 
beim Gegner täuscht sich der grofse Korse zuweilen, so bei Wagram 
und bei dem Massenstofse, den er bei Belle- Alliance gegen das Zentrum 
führt. Die Extreme in Bezug auf mangelnde Feuervorbereitung, auf 
die erwartete Wirkung des mechanischen Stofses der „gros paquets" 
finden wir von 1809 ab. Zweifellos war Napoleon in dem Streben, 
die Massen der Reserve nicht nur schnell zu verschieben , sondern 
auch am Einsatzpunkte rasch in die für den Kampf zweckmäfsigste 
Form überzuführen, nicht immer besonders glücklich. Unent- 
wickelt und in Formationen, die für das Gefecht gradezu un- 
brauchbar waren, da sie ein Minimum von Feuerleistung lieferten, 
die Artillerie in ihnen furchtbare Verwirrung anrichten, ein gelungener 
Reiterangriff auf ihre Flanken sie zum Stutzen bringen mufste, ganz 
abgesehen davon, dafs ein Versuch, im heftigen Feuer des Gegners 
sich noch zu entwickeln, wie er gegen Befehl aber wegen der moralischen 



Digitized by Google 



2IK) 



Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik 



Wirkung der Massenverluste leicht denkbar war, nur zum Verderben 
gereichen konnte, sehen wir die Massen öfter zum Stofse angesetzt 
und in das Feuer geraten. Derartige Entwickelungsversuche finden 
wir 1811 bei Albuera, wo französische Regimenter in Divisionskolonnen 
auf Pistolenschufsweite an die unerschütterten englischen Linien heran- 
gekommen, durch Massenverluste vcranlafst, das Feuer erwidern., d. h. 
sich entwickeln wollten und nicht konnten. Es war ein grober Irrtum 
Napoleons, das Artilleriefeuer zur Vorbereitung für ausreichend zu 
halten, den Gegner so zu erschüttern, dafs der mechanische Stöfs seiner 
in grofse Massen zusainmengefafsten, verschlechterten Infanterie un- 
weigerlich die Entscheidung geben müsse. AVenn der Gegner das 
Gelände benutzte, so konnte Artillericfeucr erst recht nicht aus- 
reichen, gegen Tirailleure war es damals wenig wirksam, die Be- 
urteilung, wie weit der Gegner niedergerungen, war sehr schwierig, 
wenn nicht unmöglich. „Ein Irrtum in dieser Beziehung konnte nur 
durch gefechtsbereite Infanterie ausgeglichen werden, gefechtsbereit 
konnte man die verschiedenen Divisionsmassen nicht nennen." Hei 
AV agram arbeitete die Hundertkanonenbatterie dem Angriffe Macdonald's 
nicht genügend vor. Die berüchtigte Kolonne wurde aus 8 Bataillonen 
in deployirtcr Linie mit Divisions-Abstand hinter einander (24 Glieder', 
auf deren Flügeln sich je G Bataillone in eolonne serree hinter einander 
geschichtet (72 Glieder) anhängten, gebildet. Die Vorwärtsbewegung 
war langsam und schwerfällig ,,ce n'est qu a peine qu'clle se fit jour 
h travers le ehamp de bataille." Das Feuer eines österreichischen 
Treffens hemmte die Vorwärtsbewegung „La cavalerie de la garde et 
les cuirassiers de Nansouty, puis les divisions Dureillo et Pacthod, 
au prix de sanglants sacrifiecs avaient du la degager des etreintes 
qui plusieurs fois faillirent la detruire. „Bientot la redou table 
eolonne se trouve reduite ä moins de 1500hommes, isolee, ex- 
posee sur les flancs eile est forcee de s'arreter a portee de 
Süssenbrunn, la moindre charge pouvait Faneantir u (Pelet). En 
etudiant. fahrt General Renard fort, la bataille de AV agram, on reste 
convaineu que si cette massc informe de troupes a pu exercer 
moralement quelque inlluence sur rennend, cette inrluence a ete nulle 
materiollemcnt. Elle n'avance que grace aux sueecs obtenus aux villages 
de Wagram et Neusiedel par Oudinot et Davout et surtout grace 
aux efforts des divisions Durutte, Pacthod, SeiTas, AVrede, Reille, sou- 
tenues par toute Tartillerie de la garde, le cavalerie do Walther et 
Nansouty, qui rentourerent et la protegerent pendant toute l'action." 
Auch die Formation der jungen Garde bei Dresden, die 8 Bataillone 
der Division neben einander in Kolonnen ohne Entwicklungsbüro, 
darf man wohl nicht besonders zweckmäfsig nennen. Verwerfliche 1, 



Digitized by Google 



und des ersten Kaiserreichs. 



291 



noch als die Müsse bei Wagram war, nach den sehr trüben Erfahrungen, 
die man in Spanien gemacht hatte, die „monströse Masse" bei Waterloo. 
Nach Jomini formirten Neys 4 Divisionen für den Angriff auf die 
Linie La Haye Sainte-Papelotte 4 Kolonnen von je S oder 12 hinter 
einander mit (J Schritt Abstand folgenden Bataillone in Linie (also 
24 oder 36 Glieder). Napoleon lief's, durch die Meldung von dem 
Eintreffen der Bülow'schen Spitze nervös noch mehr gereizt, der 
Artillerie nicht einmal Zeit vorzuwirkcn, er will das englische Centrum 
schleunigst abthun, der Angriff der Masse aber brach im Feuer der 
dünnen englichen Linien zusammen, umfassende Angriffe mit dem 
Bajonett machten ihm den Garaus. Napoleon ist neben andern hier 
auch ein Rechenfehler in der Zeit vorzuwerfen, die er für nötig hielt, 
mit den Engländern fortig zu werden. Wissend — nach Marmonts 
Eingeständnifs durch einen aufgefangenen Brief Blüchers, — dafs 
Blücher am 1 8. nicht vor 4 Uhr Nachmittags eintreffen konnte, begann er 
den Kampf gegen die Englander erst um 1 1 Uhr Vormittags. Zu spät 
trat er in den „Vollkampf 4 ' ein. — Der Wille zur Entscheidung durch 
zurückgehaltene Truppen fand in der Bildung der auch mit Kavallerie 
und Artillerie reichlieh ausgestatteten Kaisergarde seinen organi- 
satorischen Ausdruck. Wir haben früher schon gesehen, dafs nach 
und nach die Stärke dieser Garden zu derjenigen einer „Armee" 
anwuchs. Die Hauptreserve findet ihren Platz gewöhnlich hinter der 
Mitte der fechtenden Linien, die Formation ist entweder in Divisions- 
massen, oder schon Gliederung, die Artillerie vor der Front (Garden 
bei Austerlitz und Jena). Über den Aufenthalt des Führers in der 
Schlacht äufsert sich Napoleon (Corr. milit. 76, p. 391, note XXVII) 
„Le general en chef so place de manierc a voir la plus grande partie 
possible du champ de bataiile et en memo temps le point, sur lequel 
est dirigee Tattaque principale et oü doit so produire la crise de la 
bataiile. 11 rapproche la reserve generale de ce point et fait eclairer 
au loin les flancs de l'armeo." (Letzteres wurde u. A. bei Pultusk 
gründlich versäumt). 

Wir haben die Exerzir- und Manöverirvorschriften für die Infanterie 
sehr eingehend behandelt, weil der Wechsel in der Taktik derselben 
bestimmend einwirkte auch auf diejenigen der anderen Waffen und 
weil eben die in der Kampfesweise der Hauptmasse eingetretene 
Revolution eine der durchgreifendsten genannt werden mufs von allen, 
welche die Kriegsgeschichte kennt. Fortsetzung folgt. 



Digitized by Google 



202 



Per Sjx)rn (die Ramme) im Gefecht 



xxra. 

Der Sporn (die Ramme) im Gefecht und bei 

Schiffs-Kollisionen. 

Der Untergang der „Viktoria 44 auf der Höhe von Tripolis infolge 
des unbeabsichtigten Rammstofses des „Camperdown" verfehlte nicht, 
in England noch mehr wie anderwärts, von Neuem die Aufmerksamkeit 
auf den Sporn und seine Wirkung zu lenken, und die umfassenden 
Daten, welche ein Mitglied des United States Naval Instituts, Mr. W. 
Laird Glowes, in dieser Hinsicht sammelte und in einem Vortrage in 
der „Royal Service Institution" produzirte, sowie namentlich auch die 
Diskussion, welche sich diesem Vortrage anschlofs, erscheinen von 
derartigem Interesse, dafs ihre Wiedergabe*) in den folgenden Zeilen 
vielleicht nicht unwillkommen ist. 

Der genannte Fachmann bemerkte in der Einleitung seines Vor- 
trages, tlafs in vielen hohen und niederen Seeoffizierskreisen, nicht 
nur in England, sondern auch anderwärts sehr sanguinische Ansichten 
über die Zukunft des Sporns in der Seekriegführung gehegt würden; 
damit sei jedoch keineswegs gesagt, dafs alle Marine-Offiziere in dem- 
selben Mafse an die Wirksamkeit dieser Waffe glaubten. Allein er 
kenne viele und darunter Offiziere von grofser See-Erfahrenheit, welche 
äufserten, dafs bei einer geringen Überlegenheit an Schnelligkeit und 
guter Handhabung ein Schiff ohne besondere Schwierigkeit ein anderes 
zu rammen vermöge, selbst wenn das andere unter voller Herrschaft 
seiner Führung stände und völligen Raum zum Manövriren in See 
habe. Diese Ansicht über das Rammen habe sich, wenn auch in un- 
bestimmter Weise betreffs der Ausführung, in weiten Kreisen gebildet, 
und die Zalü derjenigen, die sie teilen, dürfte sich in letzter Zeit 
und besonders seit dem Schicksal der „Viktoria 44 vermehrt haben. 
Mr. Laird Glowes verzichtet zunächst darauf, seine eigenen Ansichten 
und Theorien über die Verwendung des Sporns zu entwickeln; allein 
er bringt eine Sammlung von Thatsachon zur Kenntnifs, welche 
sämmtlich auf gewisse Folgerungen hinweisen, welche diese That- 
sachen einem gewissenhaften und vorurteilsfreien Beurteiler der neueren 
und älteren Geschichte der Flotten nahelegen. Er giebt eine detaillirte 
Übersicht von 74 Fällen der versuchten Anwendung des Sporns in 

*) Mit ffütiger Zustimmung des Herausgebers des Journals of the Royal 
United Service Institution. 



Digitized by Google 



und lwi Schills-Kollisionen. 



293 



der modernen Seekriegfuhrung. Die Übersicht enthält alle Fälle seit 
dem Beginn des amerikanischen Sezessionskrieges, über die er sich 
Kenntnifs zu schaffen vermochte. Sie bildet daher keine Übersicht 
einzelner besonders ausgewählter Heispiele, obgleich sie nicht sämmt- 
üche Fälle enthält. In der ersten Spalte derselben sind die Fälle zur 
Erleichterung späterer Bezugnahme numerirt. Die 2. enthält das 
Datum. In der 3. ist angegeben, ob der Schauplatz des Vorfalls in 
engen Gewässern (N) stattfand, wo ein Manövriren schwierig, wo nicht 
unmöglich war, oder an Stellen, welche einen entsprechenden Raum 
auf See boten (S). Die 4. Spalte enthält den Namen des rammenden 
Schiffes, die 5. den Namen des gerammten, die 6. den Zustand des 
rammenden Schiffes nach Ausführung oder Mifslingen des Ramm- 
manövers. U bezeichnet durch das Ramm - Manöver unverletzte 
Schiffe, D. A. leichte oder mäfsige Beschädigung, S. Da schwere Be- 
schädigung, im Stande, die unmittelbare Gefcchtsthätigkeit stark zu 
beeinträchtigen. R Verfehlen des Ziels und auf den Strand laufen. 
S Sinken in Folge des Zusammenstofses. Die 7. Spalte enthält, ob das 
zu rammende Schiff unter Dampf war (S) oder vor Anker (A) oder 
infolge eines Unfalls an den Maschinen oder dem Steuerapparat un- 
beweglich war. Die 8. Spalte giebt den Zustand des zu rammen 
beabsichtigten Schiffes in Folge dieses Versuchs an; Da bezeichnet leichte 
oder mäfsige Beschädigung. S Da schwere Beschädigung, Di gefechts- 
unfähig gemacht, und S gesunken. 



P^inzelheiten bei Rammversuchen im Gefecht 
in den Jahren 1861—1879. 



L 


% 

Datum 


3. 

Beschaf- 
fenheit 

der 
örtlich- 
keit 


4. 

Kämmendes Schiff 


6. 

Gerammt«« Schiff 


6. 

N sch- 
lieriger 
Zustand 
de« ram- 
menden 
Schiffe* 


7. 

Vor- 
herige 
Situation 
dea ge- 
rammten 
Schiffe« 


8. 

Nach- 
herijrer 
ZuflUnd 
de« ge- 
rammten 
Schiffe« 


1 


Okt. 11., 1861 


N. 


Manassas 


Richtnond 


S. Da. 


A. 


Da. 


2 


Febr. 10., 1862 


X 


Commodore Pcrry 


Sea Bird 


ü. 


A. 


S. 


3 


März 8., 1862 


s. 


Virginia 


Cumherland 


Da. 


A. 


S. 


4 


Marz 9., 1862 


s. 


Monitor 


Virginia 


ü. 


S. 


ü. 


5 


März 9., 1862 


s. 


Virginia 


Monitor 


Da. 


S. 


u. 


6 


Apr. 24., 1862 


N. 


Manassas 


Pensacola 


U. 


s. 


ü. 


7 


Apr. 24., 1862 


X. 


Manassas 


Mississippi 


ü. 


s. 


S. Da. 


- 


Apr. 24., 1862 


N. 


Manassas 


Brooklyn 


U. 


s. 


S.Da. 


9 


Apr. 24., 1862 


N. 


Governor Moore 


Varuna 


u. 


s. 


S. Da. 


10 


Apr. 24., 1862 


X. 


Stonewall .Jackson 


Varuna 


u. 


s. 


S. 


11 


Mai 10.. 1862 


N. 


General Bragg 


Cincinnati 


u. 


s. 


S. Da. 


12 


Mai 10., 1862 


X. 


General Price 


Cincinuati 


ü. 


s. 


S. 


13 


Mai 10., 1862 


N. 


General van Dorn 


Mound City 


u. 


s. 


Di. 



Digitized by Google 



2 ( .)4 r>er Sporn (die Rauime) im Gefecht 



1. 


2. 
Datum 


3. 

Beschaf- 
ft^ ii h< i i t 

• ; . t 
Ürtluli- 


4. 

lUmuieiidi s Schiff 


ö. 

0»*ram:ute.s Schiff 


6. 

Ii a< 11- 

heriger 
Zustand 
des rftio- 
m«-ndcn 


7. 

▼ DT* 

herige 
Miamlion 
dei g«- 
ninmt» t 
.•»cnin>» 


1 

.llClr* 

h*ri»?: 
r»ai»trr. 

.Schlf • ; 


14 

X** 


Juni 6 186° 


V 
a . 


^Ut?». U Ol Ult, "l» BM 


T ,A V * *^ 1 1 


1' 


Q 
c 




15 


.luni 6 1862 


x 




V^UC^lI Ul LI IC »» COL 


r 


o. 


Di 


16 


.luni 6 1862 

Hill V/>« 4wv/M 


V 

.> . 


Vi m i i pp tri n 1 


\l nn n Vi* n 

-ttJ UIllXl tu 


IT 




r 


17 


Juni 6 1862 


V 


l*rir*p 


AI nn 5i rr*li 




s. 


u 


18 


Juni 6 1862 

t f Hill v_/ . % i V ^» 


\' 

11 • 


Alf* nii r*i * Ii 


] \ on n i'Pirn n i 

XJV. tH.ll l u 




s 


s. 


19 

X t.f 


.In Ii 18 186'* 


\ 


*Vl KUXl^tlo 


1 1 l'i) T W 1 1 > i k f 


n 


o. 


r 


4, 0 


Juli l> ° 186° 

*J Lltl MM.f XOUm 


N 
- N • 




A vir oitc'iu 


IT 


A 


Da. 


•>1 


Juli 186° 

' ' Uli 1 CT» J m 


V 

i> . 


v^ui i ii v> ct>i 




1 'tl. 


A 


Da 

* i* 


22 


Jan 1 1863 


N 


Hill nit Ljtiiixj 


Kl V* All l'i t v 
XJil > \_M1 \_ 1 L^ 


Da 


s 


Da. 


23 


Jan 1 1863 

1 ' Ulli X , ^ X «,7V f* J 


V 


ft. o 1 1 1 1 1 n r* 

11 l_"lt Lllllt- 


M 'i vvipf T «ii n« 

XX (II 1 ICl XJilJlt? 


« 


s 


Da. 


24 


Jan 1 1863 

• ' Uli« X . t AUV'U 


v 


T-i:lv*nii r 1 ifv 


1 i :i r vi i * t T . ;i n o 

XX dl 1 IKr l' Xj<IH\, 


1H 


s 


r».i. 


25 


.lau 31 1863 


< 


Tv ov cf n 1 1 14 Ssf iii o 
Iii )otUllU Otttlv 


P;ilnn^ttA ^tiitx» 

1 clllill l lf O Lt» L'V 


Da 

X 'ix , 


s 


F. 


20 

MV 1 


Kohr "4 1863 


i> . 


f^iiAnii rxf flio WTi»cfr 


1 IlUlciHUlii 






Da 


27 

M 1 


Fehr 9 4 1863 

1 IUI. — AOIW 


V 

»\ . 


v v tu u 


jiuuaiiuiii 


Uli. 


s 


II 

• 


28 


F«>br 21 1863 


N 


» y k, i j i } 


Tndi ,p iTiAl'J 

lmiitinuirt 


TT 
u . 


s 


Da. 


29 

Mt/ 


Fchr 24 1863 

X (_ Ml • m^ . « 1 lA/u 


V 

Ä i . 


v^UtHJl» Ul III*.' Y* t'Sl 


lillllciUUlci 


TT 
u . 


s 


U. 


30 


Fohr °4 1K63 

X -L l 'l • m7 . • X (_7V/(J 


IM 


V^llccll Ul lllt >> lol 


1 11 1 1 1 O 11 nl Q 

XxlLLliLl IUI«« 


TJ 


s 


F. 


31 


F<>hr 24 1863 


V 
IN . 


v^u* t u ui viiv >> cai 


liii'liinnln 
lIlUltLXlUUt 


TT 
U . 


s 


Da. 


Om 


Fnhr 'M 1863 


V 
IN . 


Wohl» 

> 1 t: IJ U 


IIlLllällUld 


TT 


s 


s 

• 


33 


Okt 7 1863 


V 


n P 1 1 1 1< o f f 
>> jlLIHlat It 


Flnvida 

i IUI JUti 


T* 

L . 


A 


Da. 


34 


Nov 9 1863 




ii ijJlltill 


Flln nnrl A nnp 


Da 




Da. 


35 


\nr 18 1861 


V 

*1 * 


Alliomarlo 


M iami 
«'i i (&nit 


IT. 


s. 


Da. 


36 


Aur 18 1864 


V 

i.1 . 


VlnoniJirlp 


SouthHcld 

uyuuuiv. i\* 


n 


s. 


S. 


37 


Anr 18 1H64 


V 
11 . 


A 1 1 to in i vi r» 

• llül IJlltl 1 v 


A 1 1 1 in l 


n 


s 


F. 


38 


*»1 (11 % *■ Ovl 


V 
.1 




A 1 l^fllYl 1 1*1 1> 
-V 1 UL Ultll 1 L 


S Da 


s 


Da. 


39 


Mai 5 1864 

*'1*U <J • « IÜU1 


V 

1.1 • 


\ 1 KfiTri nrl o 

-VI Ml. IlldX H. 


AI :i tnliP-spt f 


P 


s 


u. 


40 


5 1*64 


o. 


4 1. IH. oriL L.- 


Hartford 

J X(ll L1U1 V4 


IT 


s. 


r. 


41 






*>1UI1UI1^«I Ilt Iii 


X CIl-COftL'-l 


V 
y • 


s 


F. 


42 

*ZM 


\„(t f> 1864 


o. 


V/Dul l/l. \J 


TpTlP^-sPP 
x nitijovv 


r 

L- • 


s. 


F. 




Am» 1864 


o. 


\ I r*tl '"^ ?• < f 1 1 ml *l 
»»lUllUIiL^clllvlii 


1 Of iPU^PA 

1 C Ilvoöcl 


Da 

X- r tt . 




Da. 


44 


Am» 1 1S64 


O. 




x L I1L ftöl C- 


Da 




Da. 






C2 


1 IUI HUI 11 


Trt*»*i nie c ort 


TT 
L . 


s 


[' 

V. * 


46 

'1U 


Tnni 11 186 r » 
O Ulli i 1 .< loUvJ 


iN . 


A mn '/An i a 
iAIiltlAUIltIJS 




TT 


s 

- - 


s 

k. . 


47 


Juni 11 1865 

(J Ulli X X . j HJW 


V 

Li . 


A innymifie 
Xxiiiiiü.uiiiia 


Salto 


Da 


s. 


s. 


48 


Inni 1 1 lKfVi 

• 'Ulli 11,^ 1 'JUtl 


V 


i V Iii HZ \Ji 1 <l> 


Alirnnp7 dp Olitida 
Jim < jiivA v./iiiiix«\ 


Da 

UiX. 




s. 


49 


Juli 20 1866 


s 


Tlv7 Fprdin;inil C 1 iir 

Iii 4> • A V 1 1 VtH 


He d'ltalia 

A%^ -* A V'tillU 


LT. 


s. 


F. 


50 


Juli 20 1866 


s 


V ,1*7 T^O Vi \ 1 II Q II i 1 I 'il V 
XJJ L i ' mitwill V^<» I 


F'iilnvf Vll 






Da. 


51 


Juli 20., 1866 


S. 


Krz.Fcrdinaml Car 


Ke d'ltalia 


u. 


L'n. 


S. 


52 


Juli 20., 1866 


s. 


Ancona 


Erz.Fordinand Max 


u. 


s. 


F. 


53 


Juli 20, 1866 


s. 


Kaiser 


Re (U Portogallo 


S. Da. 


s. 


S. Da. 


54 


Juli 20., 1866 


s. 


Affonclatore 


Kaiser 


U. 


s. 


F. 


55 


Juli 20., 1806 


s. 


Ke di Portogallo 


Schwarzenberg 


U. 


s. 


F. 


56 


Juli 20., 1866 


s. 


Maria Pia 


P 


u. 


s. 


F. 


57 


Aug. 19., 1867 


s. 


Izzedin 


Arcadion 


u. 


Un. 


S. Da 



Digitized by Google 



und bei Schiffe-Kollisionen. 



1 


2. 
I um 


si. 

!!• v !u!'- 
f.'uh«»it 

der 
Ort Ii, )■- 

k>-d 


4. 

]{ i3i in * rul t s St/ h ] fT" 


5. 

i » c ra tti tut r 1 k Sr h i !T 


N,rl- 

Zn.-tant) 
ili'-. r.'un- 
m.-ti'lotj 
Schiff« 


7. 

Vor- 

licriiji! 

situ.aitii) 

mir. roten 
Schiffee 


h. 

Nsub- 
liiriir«.'! 
Zustand 

rk-S k"- 

ruiumUn 
ScuiftVs 


58 


Nov. 9., 1869 




Bouvet 


Meteor 


U. 


s. 


Ha. 


59 


Mai 1*9., 1S77 


s. 


lluasear 


Shali 


L". 


s. 


U. 


60 


Mai 21.. 1S79 


s. 


Hua.sear 


Ksmeralda 


V 


s. 


U. 


61 


Mai 21.. 1879 


s. 


Huasear 


Ksuh ralda 


U. 


8. 


ü. 


02 


Mai 21., 187'.) 


s. 


Hiui'i ar 


Esmeralda 


Da. 


Un. 


s. 


63 


Mai 21., 1879 




lnde|>endeneia 


\>\ aduti^a 


U. 


S. 


U. 


64 


Mai 21., 1879 




Independeneia 


( 'ovadun^a 


ü. 




U. 


65 


Mai 21., 1879 


s. 


Indq-nuleneia 


Cuvadon<ra 


Ji. A. 


s. 


L". 


6*3 


Juli 10., 1879 


s. 


Huasear 


Ma^el laues 


u. 


s. 


r. 


67 


Juli 10.. 1879 


s. 


Huasear 


Ma^tl laues 


I * 


s. 


u. 


68 


Juli 10., 1879 




Iliias* 'ar 


\[ a< f c\ la n» ■ s 






n. 


69 


Juli 10., 1879 


s. 


Huasear 


Magellanes 


u. 


s. 


u. 


70 


Okt. 8.. 1879 


s. 


Huasear 


t oehrane 


V. 


s. 


r. 


n 


Okt. 8., 1879 


s. 


Cochrane 


Huasear 


l\ 


s. 


r. 


72 


Okt. 8.. 1879 


s. 


Coel.rane 


Huasear 


r. 


s. 


u. 


73 


Okt. 8., 1879 




IluaM ar 


Blauen Enealda 






u. 


74 


Okt 8., 1879 


s. 


Coelirane 


Huasear 


r. 


vi, 





Vor der Zusammenstellung der Resultate werden folgende Er- 
läuterungen zu einer Anzahl der Fälle gegeben: 

ad 3. Bei der ,, Virginia" brach in diesem Falle der Sporn ab 
und verminderte derart ihre Gefechtstüchtigkeit für das Gefecht am 
folgenden Tage, ad 1 u. 5. Die „Virginia" hatte an diesem Tage 
nur eine Geschwindigkeit von etwa 5 Knoten. Der ..Monitor" war 
wonig schneller, ad lf>. Die „Queen of the West" lief auf den Strand, 
uni das Sinken zu verhindern, ad 20. Der „Essex" war sehr langsam. 
Der „Arkansas", obgleich unbeweglich am Hinterteil, hatte sich mit 
dem Bug freigemacht und war im Stande, sein Vorderteil zu wenden, 
um dem Angriffe zu begegnen, ad 24. Die „Bayou City" war im 
Stande, die „Ilamet Lano" zu entern und gefangen zu nehmen, ad 25. 
Es herrscht einiger Zweifel, ob der Gegner des „Keystone State", der 
„Palmctto State" oder die „Chicora" war. Der „Keystone State" 
wurde beim Herankommen beschädigt und thatsäehlich durch Granat- 
feuer abgewiesen, ad 2<i. Der „Indianola" wurde ein Boot an ihrer 
Backbord-Seite zerschmettert, Dasselbe wurde entfernt und versenkt, 
ad 27. Der „Webb" und die „Indianola" rammten einander am Bug. 
Her Sporn des ersteren wurde beschädigt, ad 28. Der „Indianola" 
wurde ein Boot an der Steuerbordseite zerschmettert. Dasselbe war 
zusammengedrückt und sank, ad 31 und 32. Die Zusaramenstöfsc 



Digitized by Google 



29« 



Der .Sporn (die Ramme) im Gefecht 



erfolgten gleichzeitig. Die „Queen of the West" rammte an der Steuer- 
bordseite und der „Webb" am Hinterteil, ad 33. Der Zusammenstofe 
erfolgte vor Bahia in neutralen Gewässern. Die „Florida'' streifte an 
der Steuerbordseite an, verlor die Sehanzbekleidung und ihre Haupt- 
und Mittel-Rone, war jedoch nicht erheblich beschädigt, obgleich sie 
sieh ergab, ad 34. Der „Niphon" und die „Ella and Anna" rammten 
einander am Bug. Die letztere verlor ihr Bugspriet und ihren Schnabel 
und wurde geentert und genommen, ad 35, 36 und 37. Der „Miami 44 
und „Southrield 44 . wurden gegen einander geschleudert, der erstere an 
die Steuerbordseite des letzteren. Im Falle 35 wurde der „Miami 44 am 
Backbord-Bug gestreift. Im Falle 36 wurde der „Southfield" stark am 
Steuerbordbug gestreift und sank, als er sich losmachte. Im Falle 37 
entkam der „Miami", als er sich losmachte, ad 38. Der „Sassacus 44 , 
welcher zum Rammen nicht eingerichtet war, traf rechtwinkelig und 
mit einiger Geschwindigkeit gerade hinter dem (beam) Baum, be- 
schädigte sich jetloch selbst mehr wie den Gegner, ad 43. Der 
„Monongahela" verlor den Sporn. Zu 50. Der „Palestro" verlor den 
mittleren Toppmast und die Gaffel mit der Flagge, ad 51. Der 
österreichische offizielle Bericht sagt: Inzwischen hatte es den An- 
schein, als ob das Steuer des „Re dTtalia" woggeschossen sei, denn 
von diesem Moment ab lag derselbe isolirt inmitten verschiedener der 
kaiserlichen Panzerschiffe. Kontre-Admiral Tcgethoff verfehlte nicht, 
die kritische Situation des „Re dTtalia" zu bemerken, dessen Be- 
wegungen in Folge der Beschädigung seines Steuers auf vorwärtige 
und rückwärtige beschränkt waren. Der „Re dTtalia" ging mit voller 
Geschwindigkeit vor, um wo möglich den Stöfs zu vermeiden, oder 
seine Gewalt abzuschwächen, allein ein österreichisches Panzerschiff 
sperrte seinen Weg. Dann ging er mit voller Geschwindigkeit rück- 
wärts. Dies zeigt, bemerkt Mr. Clowes, ohne Frage, dafs derselbe 
sich zur Zeit, wie er den Stöfs erhielt, nicht in der Gewalt seiner 
Führung befand. Der Stöfs brachte alle zu Fall, die sich auf dem 
„Erzherzog Ferdinand and Max" befanden. Der Sporn drong 6 Fufs 
C> engl. Zoll ein; das Flaggschiff hatte bei demselben eine Ge- 
schwindigkeit von 11,5 Knoten. Der an der Backbordseite getroffene 
„Re dTtalia'- rollte 25° nach Steuerbord, dann noch schwerer nach 
Backbord und sank fast unmittelbar darauf in eine Tiefe von 200 Faden, 
ad 53. Der „Kaiser" war ein hölzernes Linien-Schlachtschiff, der 
„Re di Portogallo" ein Panzerschiff. Der erstere lief mit voller 
Geschwindigkeit und erhielt einen leicht streifenden Stöfs am Baum 
(beam). Er verlor das Bugspriet, Schnabel, Vordermast und Schlot 
und wurde stark beschädigt. Das Panzerschiff war ebenfalls be- 
trächtlich havarirt. ad 50. Der Gegner der „Maria Pia", den dieselbe 



Digitized by Google 



und bei Schifls-Kollisionen. 297 



nicht traf, war ein österreichiches Holzschiff, ad 57. Beide Schiffe waren 
eiserne Raddampfer; der „Izzedin" hatte eine Geschwindigkeit von 
J 5,5 und der „Arcadion" eine solche von 15 Knoten. Der letztere 
wurde erst dann gerammt, als er den Gebrauch des einen Itades 
durch das Geschützfeuer verloren hatte. Der Stöfs beschädigte ihn 
so stark, dafs er auf den Strand lief und verbrannt wurde, um ihn 
vor der Wegnahme zu retten, ad 58. Der „Bouvet", der im Stande 
war, 10 Knoten zu laufen, traf den „Meteor", der nur 6 Knoten er- 
reichte, mit einem streifenden Stöfs am Backbordbug unter einem 
Winkel von 5° und beschädigte den Backbord entlang streifend, das 
Oberdeck des „Meteor" und warf 2 Geschütze um, die fertig zum 
Feuern vorgebracht waren, ad 60, 61 und 62. Der „Huascar" 
dampfte bei dieser Gelegenheit mit etwa 8 Knoten. Dem offiziellen 
amerikanischen Bericht zu Folge (War Series Nr. 11) feuerte er 
wenigstens 40Schufs aus seinen beiden 300 Pfündern auf die „Esmeralda". 
Von diesen traf nur einer den Gegner, jedoch der eine drang durch 
die Schiffswand, krepirte im Maschinenraum und tödtete sämmtliche 
Mannschaften und beschädigte überdies die Maschinen. Der Kampf 
war der bravourvollste, der je in der modernen Kriegsgeschichte unter- 
nommen wurde. Bei dem ersten Zusammenstofs sprang Kapitän Prat, 
gefolgt von einem Mann der „Esmeralda", welche in diesem Moment 
fast bewegungslos war, an Bord des „Huascar". Beide wurden an 
Deck des „Huascar" niedergeschossen. Beim zweiten Zusammenstofs 
sprang Lieutenant Serrano, der nächste im Kommando, an Deck und 
wurde ebenfalls erschossen. Beim 3. Zusammenstofs sank die kleine 
hölzerne chilenische Schaluppe, unfähig sich zu bewegen, jedoch noch 
feuernd, mit fliegenden Wimpeln auf den Grund, ad 65. Der 
,,Covadonga" ein altes Kanonenboot, war nicht im Stande, 5 Knoten 
zu laufen; die „Indcpendencia", ein Panzerschiff erreichte beinahe 
12 Knoten. Der „Covadonga" wich nichts desto weniger allen 3 Stöfsen 
aus und plazirte sich, gut gehandhabt, so dafs die „Indepondencia" 
ihn zum 3. Male verfehlte und da sie im selben Moment ihren Steuer- 
mann verlor, auf den Strand lief, wo sie verbrannt wurde, um sie 
der Wegnahme zu entziehen, ad 71, 72 und 74. Diese Versuche 
mifslangen sämmtlich obgleich der „Cochrane" bei Beginn des Gefechts 
12 Knoten gegenüber den 10 des „Huascar" zu leisten vermochte. 
Nach dem Fall 73 wurde der „Huascar" zum Teil unlenksam. 

Die folgende Zusammenstellung der Resultate der gewollten und 
beabsichtigten Rammstöfse in den vorerwähnten 74 Fällen ist sehr 
charakteristisch. 

Die Resultate waren, was die zu rammen beabsichtigten Schiffe 
betrifft, die folgenden: 



Digitized by Google 



298 



Der Sporn (die Ramme) im Gefecht 



Vorherige Situation 
de» 

xu rammenden Schiff.« 


Go- 
siniml- 
h.it .Ui 
Falle 


Wirkung auf das zu rammen 
ver«uchte Schiff 


Null 


leicht 
be- 
»chadiift 


schwer 

be- 
schädigt 


jft-f.'chts- 
unfshif 
gemacht 




TT»»!*»»* F)ninr^r in 

Unter Dampf in schmalen Gewässern 


32 
32 
4 

C 


2G 
9 
1 


5 
9 

•l 


1 

3 
1 


2 


9 

2 
2 


74 


36 


18 


5 


2 


13 


Die Resultate hei den rammenden Schiffen waren: 




Wirkung bei dem zu rammen 
verbuchenden Schiff 


Null 


leicht 
1., - 


»chwei 
be- 


^efechl'- 
unfahi^ 


1 

ge- 
sunken 


56 


13 


3 


1 


1 



Ks geht hieraus hervor, Uafs bei 42 der 74 angeführten Ramm- 
versuchen bei einem oder beiden Schiffen Beschädigungen irgend einer 
Art stattfanden. Bei 21 dieser 42 Fülle wirksamer Zusammenstöfse 
erlitt das rammende Schiff keine erwähnenswerte Beschädigung, allein 
in 7 Fällen beschädigte sich das rammende Schiff ungefähr ebenso 
stark wie das gerammte, und in 7 anderen Fällen verletzte sieb das- 
selbe sogar schwerer wie den Gegner. In keinem Falle sanken beide, 
das rammende und das gerammte Schiff. Alle diese Fälle ereigneten 
sich, bevor sich der automobile Torpedo irgend wie zu einer voll- 
kommenen Kriegswaffe entwickelt hatte, und die meisten derselben 
vor der Einführung schwerer Hinterladungsgeschütze und leichter 
Schnellfeuerkanonen. Allein auf Grund der Verhältnisse, welche gegen 
Knde 187i) vorlagen, seitdem kein Rammen im Gefecht vorkam, und 
auf Grund der Ergebnisse der 74 Fälle, bemerkt Mr. Howes, könne 
man wohl sagen, dafs die wahrscheinlichen Resultate unter den 
früheren Verhältnissen bei 100 Rammversuehen sich wie folgt ver- 
teilten: 

A. Wenn beide Schiffe Raum in See hatten und in der Gewalt 
der Führung waren: Ergebnisse der 32 Fälle: 4, 5, 25, 34, 40 — 4.3, 
49, 50, 52—50, 5S-G1 und (13—73. 

1. Wirkung beim angegriffenen Schiff: Gesunken: kein Schiff", — 
schwer beschädigt: 3,125, — leicht beschädigt: 15,(125, — unbeschädigt: 
81,250. 



Digitized by Google 



und bei Sdüffs-KollLsionen. 2t>i) 



2. Wirkung beim Angreifer: Verhängnisvoll beschädigt (auf den 
Strand gelaufen): 3,125, — schwer beschädigt: 3,125, — leicht be- 
schädigt: 15,025, - unbeschädigt: 78,125. 

B. Wenn beide Schiffe sich in schmalen Gewässern, jedoch in 
der Gewalt der Führung befanden: Ergebnisse bei den 32 Fällen: 
6-19, 22-24, 26-32, 35-35) und 40—48. 

1. Wirkung beim Angegriffenen : Gesunken: 28,125, — gefechts- 
unfähig gemacht: 0,250, — schwer beschädigt: i),375, - leicht be- 
schädigt: 28,125, — unbeschädigt: 28,125. 

2. Wirkung beim Angreifer: Gesunken: 3,125, — schwer beschädigt: 
3,125, — leicht beschädigt: 15,025, — unbeschädigt: 78,125. 

Die offenbar hieraus hervorgehenden Folgerungen scheinen in 
gewisser Hinsicht bemerkenswert. Die eine ist diejenige, dafs, wenn 
2 Schiffe Raum in See haben und sich völlig in der Gewalt ihrer 
Befehlshaber befinden, es thatsächlich gefährlicher ist, zu rammen, 
als dem Rammenstofs zu entgehen zu versuchen, und dal's es 
unter diesen Verhältnissen faktisch aussichtslos ist, an ein wirksames 
Rammen zu denken, da kein beglaubigter Fall der Durchführung 
dieser Operation existirt, obgleich dieselbe wenigstens 32 mal versucht 
wurde. Eine andere Folgerung ist die, dafs unter solchen Ver- 
hältnissen der Rammende dieselbe Gefahr wie der Gerammte läuft, 
ungefährliche Havarien zu erhalten, und eine fernere, dafs die Gefahren 
beim Rammen dieselben in offener See wie in engen Gewässern sind. 
Die völlige Übereinstimmung von A (2) und Ii (2) ist in der That 
eine überraschende. Es drängen sich die Fragen auf, ob der Wert 
des Sporns als einer Angriffswaffo durch die Fortschritte der letzten 
15 Jahre modifizirt worden ist, Werden die Kapitäne geneigter oder 
weniger geneigt sein, ihn heute anzuwenden, wo, je näher der Feind 
herankommt, seine Schnellfeuergeschütze um so wirksamer sein werden, 
und wo die Wirkungen der Torpedos innerhalb eines Schufsbereichs 
von 800 Yards zu besorgen sind? Und warum, bemerkt Mr. Glowes, 
sollten die Kapitäne versucht sein, den Sporn überhaupt zu gebrauchen, 
wenn ein Torpedo, dem weit weniger leicht auszuweichen ist, und 
dessen Verwendung dem ihn Abfeuernden wenig oder keine Gefahr 
bringt, die erforderlichen Dienste thut. Man könne zugeben, dafs ein 
Kapitän, der vorher seinen Gegner durch Geschützfeuer kampfunfähig 
gemacht hat, mit begründeter Wahrscheinlichkeit auf Erfolg, rammen 
könne; allein, wenn er dies thue, laufe er nicht nur Gefahr, das 
eigene Schiff zu beschädigen und auf Torpedos zu treffen und nutz- 
losen Verlust an Menschenleben zu verursachen, sondern schlage er 
ein Verfahren ein, welches verhältnifsmäfsig gelinge Chance dafür 
bietet, dafs der Gegner, der durch eine andere Aktion überwältigt 



Digitized by Google 



Der Sporn (die Ramme) im Gefecht 



und genommen werden kann, den Seestreitkräften des eigenen Landes 
hinzugefügt zu weiden vermag. Und Alles in Allem sei ein Triumph 
nur ein halber, wenn man nicht auch etwas davon aufzuweisen habe. 
Eins von den wenigen Dingen, die dazu beitragen könnten, Grofs- 
britannien mit den Schrecknissen eines Seekrieges zu versöhnen, 
würde jedoch dns Schauspiel des Einbringens eines fremden Schlacht- 
schiffes nacli Spithead oder Plymouth Sound mit dem weifsen Wimpel 
über der fremden Flagge sein. Dieser Anblick würde das ganze Reich 
selbst in Stunden des Unglücks begeistern. Schon aus diesen Gründen 
scheine es unklug, den Gegner zu vernichten, wenn man sich seiner 
bemächtigen könne; auch sei es kaum anzunehmen, dafs ein bewegungs- 
unfähig gemachtes Schiff nicht überwältigt und durch das Zusammen- 
wirken von Geschütz- und Torpedo-Feuer zur Übergabe gezwungen 
werde. Unter den 74 Beispielen der beabsichtigten Verwendung des 
Sporns sei nur bei 15 Fällen der Verlust von Schiffen einschliefslich 
der rammenden erzielt worden. Allein der im Gefecht und im Frieden 
unabsichtlich gebrauchte Sporn sei weit verhängnifsvoller geworden; 
es genüge auf die Beschädigungen im Fall des „Jron Duke u , des 
„Vanguard", des „König Wilhelm", des „Grofsen Kurfürsten", des 
„Camperdown" und der „Victoria", des „Osprey", der „Amazone", des 
„Ajax", der „Devastation" und viele andere in Friedenszeiten erfolgte 
hinzuweisen, und k 2 — 3 Beispiele seiner gefährlichen Wirkung auf 
befreundete Schiffe im Gefecht zu erwähnen. In der Schlacht von 
Memphis am (>. Juni 18(>2 rammten die konföderirten Schiffe „Beau- 
regard" und „Priee" unabsichtlich einander, und das letztere mutete 
auf den Strand laufen, um das Sinken zu vermeiden. In der Schlacht 
von Mobile am 5. August 1K64 rammte der „Lackawanna" unabsichtlich 
seinen Gefährten, den „Hartford", Admiral Farraguls Flaggschiff, und 
brachte ihn beinahe zum Sinken, und bald darauf vermochte der 
„Ossopee" das Rammen des „Tenessee", nachdem derselbe sich bereits 
ergeben hatte, nicht zu vermeiden. An dem grofsen Tage von Lissa 
rammte die „Ancona" aus Zufall ihren Gefährten, den „Varese", und 
der „San Martino" die „Maria Pia". Die „Ancona" und „Maria Pia" 
erlitten nur leichte Beschädigungen, allein der „San Martino" verbog den 
Sporn und erhielt ein Leck. 

Nach Ansicht Mr. Glowes bestehen die IJauptlehren der Ver- 
gangenheit betreffs des Sporns in erster Linie darin, dafs das Bemühen, 
ein Schiff, das Raum in See hat und in der Gewalt seines Befehls- 
habers ist, wirksam zu rammen, aussichtslos ist, selbst wenn dasselbe 
eine beträchtlich geringere Geschwindigkeit hat; zweitens, dafs ein 
Schiff, welches nicht geopfert werden dürfe, niemals aus freien Stücken 
zum Rammen verwendet werden darf, und drittens, dafs für Ranun- 



Digitized by Google 



und bei Schifls-Kollisionen. 



301 



zwecke ein kleines Schiff ebenso gut ist wie ein grofses. Ob die 
letztere Folgerung darauf hinweist, dafs England, im Hinblick auf 
gewisse Eventualitäten, gut thun würde, einige sehr schnelle, nur zum 
Rammen bestimmte, nicht besonders kostspielige Schiffe zu bauen, 
läfst Mr. Clowes dahingestellt, und erwartet darüber die Ansichten 
der kompetenten Fachmänner zu hören. 

Auf die Ausfuhrungen des Vortragenden entgegnete der Vorsitzende, 
Vize-Admiral Nicholson, etwa das Folgende: Der höchst interessante 
Vortrag müsse allerseits durch das Resultat der Ziffern, die von 
Mr. Clowes beigebracht würden, überrascht haben. Seine Lehren 
seien höchst instruktive, allein die Erörterung einiger wichtiger Momente 
im Verein mit der Rammfrage sei notwendig, und es scheine ihm, 
dsfs, ob der Sporn eine wirksame Waffe sei oder nicht, aufserhalb 
dieser Frage liege. Nicht nur die Marine-Offiziere, sondern auch die 
Leiter der Flotte und die Flottenkonstrukteure erwarteten viel vom 
Sporn; denn jedes Schiff von einiger Konstruktionsstärke werde mit 
einem Sporn versehen und selbstverständlich für den Gebrauch des- 
selben. Die Frage liege daher so: Da der Sporn als Angriffswaffe 
gegeben sei und daher dazu verpflichte, seinen regelrechten Gebrauch 
so gut wie denjenigen des Torpedos und der Geschütze zu fördern, 
so handele es sich darum, welchen relativen Wert man diesem Angriffs- 
mittel zuzuerkennen habe und ob die mit ihm versehenen grofsen 
Schiffe sich in erster Linie des Sporns, des Torpedos oder der Ge- 
schütze bedienen müfsten. Selbstverständlich müfste der Sporn als 
das letzte Hülfsmittol betrachtet werden. Niemand werde so thöricht 
sein, den Sporn früh im Gefecht anzuwenden, und es sei sehr zu be- 
zweifeln, ob, trotz allem, was hier über diesen Gegenstand bemerkt 
worden sei, der Sporn in einer einzigen Aktion, mit Ausnahme, um 
damit den Gnadenstofs zu geben, wirksam verwandt worden sei. 
Allein es gebe andere Verhältnisse, unter denen der Spora mit grofser 
Wirkung angewandt werden könne. Jedermann kenne die Verwirrung, 
welche in einem allgemeinen Gefecht einträte, nachdem 1—2 Gänge 
gemacht seien. Bei Lissa kamen 7—8 beabsichtigte Rammversuche 
und eine grofse Anzahl unbeabsichtigter Kollisionen vor. Plötzlich 
schiefse ein feindliches Schiff aus dem dicken Pulverdampfe hervor 
und kreuze den Bug eines Gegners mit seiner ganzen ihm zugewandten 
Breitseite. Da bliebe nur eins übrig, man könne weder stoppen noch 
zurückgehen, und es sei besser, sich ein Herz zu fassen und den 
Sporn zu gebrauchen. Unter solchen Verhältnissen des Gewirrs eines 
Gefechts werde der Sporn wahrscheinlich seine gröfste Wirkung ent- 
wickeln, d. h. während der plötzlichen und unvorhergesehenen Wechsel- 
fälle eines allgemeinen Kampfes. Die Vervollkommnung des Torpedos 

JihrbUch« für die DeoUche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 3. 20 



Digitized by Google 



302 



Der Sporn (die Ramnie) im Gefeeüt 



sei jedoch so grofs und die Geschützwirkung so stark, dafs bei diesen 
zufälligen Verhältnissen die Tauglichkeit zu rammen keine sehr wirk- 
same oder mächtige Eigenschaft sei, und sicher werde ihre Anwendung 
eine dem Zufall überlassene sein. Er stelle daher die Frage, ob man 
im Hinblick auf die Ereignisse der letzten .Jahre mit der Konstruktion 
des Sporns der englischen Schiffe zufrieden sein könne. Der be- 
klagenswerte Unfall des Verlustes der „Victoria" sei jedermann bekannt. 
Die Schiffe liefen nicht mit grofser Geschwindigkeit, allein der „Camper- 
down u entkam nur mit knapper Not. Kurz darauf passirte ein Kreuzer 
2. Klasse von 4000 Tonnen, der „Förth a , den Kanal an einem nebelieei! 
Tage, voraussichtlich nicht mit übermäfsiger Geschwindigkeit und stiek 
zufällig mit einem schwer beladenen Kohlenschiff zusammen. Man 
konnte mit Sicherheit annehmen, dafs der Kreuzer 2. Klasse von 
4000 Tonnen wie ein Messer durch das schwere Kohlenschiff schneiden 
würde; allein der „Forth u mufste mit schwer beschädigtem Bug nach 
Plymouth gehen. Auf 3 Momente müsse er hinweisen: 1. Ob es 
nicht möglich sei, den Sporn der Schiffe von solchem Material und 
mit solchem Geschick zu konstruiren, dafs er im Stande sei, einen 
der schweren im Gefecht vorkommenden Stöfse ohne materielle Be- 
schädigung auszuhalten. 2. Wenn es nicht möglich sei, ob es nicht 
geratener sei, den Sporn nicht als einen Teil der Hauptkonstruktion 
des Schiffes herzustellen, selbst wenn eine Kollision erfolge und der 
Sporn unglücklicherweise abbreche, der eigentliche Bau des Schiffs 
intakt bleibe, und 3. ob, wenn es für wünschenswert erachtet werde, 
diese Vorsichtsmafsregel bei zu erbauenden Schiffen zu treffen, es 
nicht auch wünschenswert sei, die ganze Frage aufs ernsteste zu er- 
wägen und womöglich den Sporn schon erbauter Schiffe zu verstärken, 
so dafs die Offiziere, wenn sie sich veranlafst sähen, diese Waffe zu 
gebrauchen, nicht zugleich befürchten müfsten, Gefahr zu laufen, die 
Schiffe, welche das Land ihrer Obhut anvertraut habe, zu opfern. 

Lieutenant W. Baden Powell fügt den Ausführungen Vize-Admirals 
Nicholson die folgenden Bemerkungen hinzu: Was den Punkt, dafs 
der Sporn, wenn er seine Arbeit verrichtet habe und beschädigt sei, 
unverletzt aus dem gegnerischen Schiffe gezogen werden könne, betreffe, 
so sei er der Ansicht, dafs eine sehr ernste Gefahr für das Schiff 
mit Rücksicht darauf entstehen werde, dafs der Sporn, wenn er nicht 
herausgezogen werde,' weil der Stöfs in irgend einem Winkel zu dem 
anderen Schiff erfolge, nach Backbord oder Steuerbord geknickt würde, 
und obgleich er seine Arbeit verrichtete, das Schiff thatsächlich mit 
verbogenen Bug (with a bow rudder hard over) lassen würde und 
dasselbe nachher nur im Kreise laufen würde, bis es in ein Trocken- 
dock gebracht sei. Somit bestände das einzige, was für den Sporn 



Digitized by Google 



und bei Schifls-Kollisionen. 



:$0:$ 



nach den Erfahrungen des Verlustes der „Victoria" und der Beschädigung 
des „Camperdown" ins Auge zu fassen sei, darin, darauf zu halten 
dafs der Sporn solide genug konstruirt sei, um sich nicht vom Schiffe 
zu trennen, nicht zu verbieten und das Schiff nicht durch den 
Zusammenhalt mit dem gerammten Schiffe zu beschädigen. Er habe 
am Admiralitäts-Court beträchtliche Erfahrungen über unbeabsichtigtes 
Rammen gesammelt. Die Arbeit, mit der er beschäftigt gewesen sei, 
habe Kollisionen betroffen, und es kämen alljährlich hunderte von 
Kollisionen vor, bei denen Handels- und einige Kriegsschiffe mit 
anderen Schiffen zusammenstiefsen und sie mit dem Schnabel 
trafen. In fast keinem Falle seien dii«se Handelsschiffe in der Absicht, 
zu rammen, konstruirt, allein sie seien alle in der Voraussetzung 
konstruirt, vielleicht eines Tages an die Wand eines Docks oder Schiffs 
zu stofsen und sich dabei in einem Mafse zu beschädigen, dafs sie 
in die Gefahr gerieten, zu sinken. Sie seien sämmtlich heute mit 
möglichst leistungsfähigen wasserdichten Verschlagen (bulkheads) ver- 
sehen, die ein Kompartiment bei Kollisionen bildeten, und jedes Jahr 
seien hunderte von Schiffen nach schweren Zusammenstößen in der 
Lage, selbst hunderte von Meilen weit, einen Hafen anzulaufen, obgleich 
ihr Bug völlig zusammmengedrückt und defomirt sei, einfach vermöge 
des starken Kollisionsverschlages, welcher das Wasser verhindere, ins 
Schiff weiter einzudringen. Er könne nur mit gebührender Achtung 
vor den Männern, die in der Admiralität und auf den Schiffswerften 
Kchiffspläne entwürfen, erklären, dafs er es nicht völlig auf der Höhe 
der Zeit halte, dafs Ihrer Majestät Schiffe, wie der ,, Camperdown", so 
faltig von einem sehr schwachen Zusammenstofs mit der „Victoria" 
litten. Wenn der Camperdown volle Geschwindigkeit gehabt und die 
Kreitseite der „Victoria" in voller Fahrt getroffen hätte, würde sich die 
Havarie desselben auf einen weit gröfseren Teil, auf einen Bug oder 
vielleicht beide erstreckt haben, und es sei höchst wahrscheinlich, dafs 
der „Camperdown" mit der „Victoria" zugleich verloren gewesen wäre. 
Kr sei der Ansicht, dafs, wenn die Absicht festgestellt sei, den Sporn 
als Waffe zu gebrauchen, es der erste Grundsatz des Schiffs- Architekten 
sein müsse, dafür zu sorgen, dafs der Bau des Schiffsbugs, entweder 
durch Verschlage und stringers oder durch eine Art von längsseitiger 
Verstärkung aufsen Schiffs in Art der Rippen so stark gemacht würde, 
dafs Nichts auf der Erde oder im Wasser den Sporn zu verbiegen 
oder zu verdrehen oder den Bug in einer die Sicherheit des Schiffs 
beeinträchtigenden Weise zu beschädigen im Stande sei. Er glaube, 
dafs, bis dieser Grundsatz vollständig in den Schiffsbau der Flotte 
angeführt sei, die Schiffskapitäne, wie der Vortragende und Admiral 
Nicholson bemerkt hätten, den Sporn nur als das letzte Mittel an- 

20» 



Digitized by Google 



304 



Der Si>orn (die Ramme) im Gefecht 



wenden würden, so dafs er es für eine reine Frage des zukünftigen 
Sohiffsbaues halte, von der der Sporn abhinge, wenn er überhaupt 
angewandt werden solle. 

Der Herausgeber des Journal of the R. Un. S. L, in welchem 
die Diskussion erschien, bemerkt hierzu, dafs die Diskussion den 
Gegenstand mehr als eine Frage, wie im Sinne einer gleichzeitigen 
Aktion zwischen 2 Schiffen behandele, allein der Sporn und die Bug- 
Konstruktion, die hiervon abhingen, müfsten gestatten, das Rammen 
gegen andere feindliche Schiffe zu wiederholen. Bei der Entfernung 
des nächsten Trockendocks von G oder mehr Tagen müfste die Bug- 
konstruktion absolut sicher sein, da anderenfalls der Sporn nie an- 
gewandt werden würde, am wenigstens, wenn ein Schufs im locker 
sitze. In einem solchen Falle könne der Rammbug, der die schlechteste 
Bugform, um die See rasch nach vorwärts zu durchschneiden, bü«fe, 
ganz aufgegeben werden. 

Kapitän Curtis führt an: Im Krimkriege sei der „Recruit" von 
Malta nach Corfu mit einem doppelten Steuer, einem Steuer an jedem 
Ende, gegangen, allein das Steuer war nicht am Bug befestigt, offenbar 
wandte es das Schiff nie von seinem Laufe ab, obgleich dies erst 
entdeckt wurde, als dasselbe bei Corfu ankerte. Dies beweise, dafs 
dns Bugsteuer sehr geringe Einwirkung auf ein vorwärts gehendes 
Schiff haben werde. Er habe stets geglaubt, dafs je gröfser die Ge- 
schwindigkeit sei, mit der man einen Körper treffe, dies um so besser 
für den betreffenden Körper sei. Admiral Boys bemerkt betreffs des 
„Camperdown", es werde allgemein geglaubt, dafs der „Camperdown" 
in grofser Gefahr war, der „Victoria" in Folge des Zusammenstofses 
auf den Grund zu folgen, und dies war der Fall. Allein sie bestand 
nicht in Folge der Beschädigung an seinem eigenen Sporn, derselbe 
war unverletzt; sie lag darin, dafs die wasserdichten Thüren nicht 
geschlossen waren. Wenn dieselben rechtzeitig geschlossen worden 
wären, wie dies im Gefecht geschehen wäre, so würde bis auf das 
Vollwerden der vordersten Kompartiments ein verhältnifsmäfsig geringes 
Risiko für den „Camperdown" bestanden haben. Betreffs eines be- 
weglichen Sporns, von dem ebenfalls berichtet worden sei, sei er der 
Ansicht, dafs eine derartige Anordnung unpraktisch sei. Er würde 
nie bei einem Zusammenstofs Stand halten und ein Schiff an der 
Stelle schwächen, wo dasselbe am stärksten sein müsse. Der Vor- 
sitzende, Admiral Sir R. Vesey Hamilton, schliefst sich den Aus- 
führungen Admiral Nicholson^ an und bemerkt, dafs dieselbe täglich 
bei jeder Regatta und zwar bei den Galeeren und Flachboot-Rennen 
illustrirt würde. Die Schwierigkeit für die Galeere das Flachboot zu 
fangen, sei sehr grofs, thatsächlich sei es fast unmöglich, wenn das 



Digitized by Google 



und bei Schifft- Kollisionen. 



305 



Flachboot richtig gehandhabt werde. Das kurze Schiff sei daher 
sehr im Vorteil. Die Thatsache, dafs der Sporn eines grofsen Schiffes, 
wie der „Förth", bei einem kleinen Kohlenschiff abbrach, zeige eine 
radikale Unrichtigkeit in der Konstruktion des jetzigen Sporns; er sei 
der Ansicht, dafs man keinen besseren Sporn haben könne als einen 
senkrechten graden Stamm, der für alle praktischen Zwecke aus- 
reiche. Für das rammende Schiff seien bei seiner Anwendung sehr 
wenig Beschädigungen zu fürchten. Er stimme völlig mit dem, was 
Lieutenant Baden Poorell, besonders betreffs der wasserdichten Thüren 
und der Kollisionsverschläge bemerke , überein und verweise auf das 
Beispiel der „Arizona'', die bei einer Geschwindigkeit von 15 Knoten 
in einen Eisberg rannte und, liinter den Kollisionsverschlägen völlig 
unbeschädigt, wieder zurückging. Hätte sie 8 Knoten statt 15 gehabt, 
so wäre sie beschädigt worden. In diesem Falle, wie beim Geschütz- 
feuer, komme das Zeit-Element in Betracht, selbst wenn es nur den 
Teil einer Sekunde betrage, und die „Ancona" wurde durch ihre 
grofse Geschwindigkeit gerottet. Die Lehre sei, wenn man ramme, 
mit der gröfsten Geschwindigkeit zu rammen. Der Vorsitzende gab 
alsdann die folgende Erläuterung zu dem Falle des „Albemarle 4 ', 
welche bei wiederholten Versuchen, sie zu rammen, unbeschädigt blieb. 
Die „Albemarle" war ein improvisirtes, mit 2 Geschützen armirtes 
UamnischifT. Sie wurde von 8 hölzernen Schiffen angegriffen, die den 
speziellen Befehl hatten, sie zu rammen und in den Grund zu bohren. 
Die „Albemarle" wurde früh an jenem Tage im Geschütz kampf- 
unfähig gemacht, sie focht während des ganzen Gefechts mit einem 
Geschütz und obgleich sie wiederholt von den 8 Schiffen gerammt 
*urde und dieselben versuchten Netze um sie zu legen, um ihre 
Schraube zum Stillstand zu bringen, erfocht sie einen glorreichen 
Sieg und kehrte zurück, ohne einen Mann verloren zu haben. Bei 
ihren Gegnern waren dagegen viele Verwundete, Todte und Verbrannte. 

Eine Folgerung, zu welcher der Vorsitzende gelangt sei, sei die, 
dafs, wenn zwei Schiffe einander rammten, es sicher gefährlicher sei, 
der Rammende wie der Gerammte zu sein. Nach seiner Auffassung 
würde es sehr dreist sein, ein Schiff zu rammen zu versuchen, bevor 
aian sicher sei, dafs seine Torpedos sämmtlich verfeuert seien. Es 
sei eine wertvolle Eigenschaft des Torpedos, dafs er als Anti-Rammer 
wirke. Niemand werde gern nahe an ein Schiff heran gehen, das 
Torpedos führe, da sein Schiff, bevor er auf Ramm-Distanz gelange, 
in die Luft gesprengt sein könne. Ferner komme die Frage in Be- 
tracht, ob man nicht lieber den Gegner in Besitz nehmen als ihn 
versenken solle, er sei ebenfalls der Ansicht, dafs Nichts den 
kriegerischen Sinn der Nation mehr anregen werde, wie der Anblick 
^es gefangenen Feindes. 



Digitized by Google 



30<> 



Der Sporn (die Ramme) im Gefecht 



Das bekannte Parlamentsmitglied Arnold Forster äufserte sich 
alsdann zu dem Gegenstande wie folgt: Er habe die Zahlen des 
Vortragenden gelesen und bekenne, dafs es ihm nicht ganz klar ge- 
worden sei, wozu seine Folgerungen gelangten, ob es sicher oder un- 
sicher sei, zu rammen. Der Vortragende habe jedoch mit einer 
Emfehlung geschlossen, der er völlig beistimme, nämlich der, dafs die 
Verwendung des Sporns, imi ein wirksames Kriegsmittel zu bilden, 
möglichst besonders dazu bestimmten Schiffen übertragen werden 
solle. Allein er sei durch die gegebenen Zahlen nicht über- 
zeugt, dafs das Endresultat dem Sporn ungünstig sei, da er in den 
Tabellen bemerke, dafs bei 70 Prozent der Fälle, in welchen Schilfe 
in sehmalen Gewässern rammten, das gerammte Schiffe mehr 
oder weniger ernst beschädigt wurde. Natürlich sei er mit vielen 
der Fälle vertraut, jedoch nicht mit allen, und eine groi* 
Anzahl seien Fälle, die HolzschifTe beträfen, und nach den ihm k 
Teil gewordenen Informationen sei er überzeugt, dafs das Problem, 
ein Holzschiff zu rammen, ein völlig verscliiedenes von dem, wenn 
ein eisernes Schiff gerammt werde, sei. Die Frage, welches Schir 
beschädigt werde, gestalte sich weit schwieriger, wenn man ihr näher 
träte, wie sie äufserlich erscheine. Er habe versucht, die Ansichter. 
wissenschaftlicher .Mathematiker darüber zu erfahren, was das mathe- 
matische Resultat sein müsse, wenn ein schweres Schiff ein anderes 
bei voller Fahrtgeschwindigkeit ramme, allein er habe keine bestimmte 
Antwort erhalten. Die Frage sei in Folge von Momenten, die nur ein 
erfahrener Schiffsbaumeister beurteilen könne, verwickelt, besonder» 
betreffs des Widerstandes, den die verschiedenen Arten des Materials 
dem Eindringen des Sporns entgegen stellen. Wenn man - teste 
Körper habe, könne man die Frage mathematisch, ohne auf irgend 
eine Formel Bezug zu nehmen, ausarbeiten und eine positive Folgerung 
gewinnen. Allein sicher sei, soweit seine Ermittelungen bei Fallen 
des modernen Krieges reichten, das Ergebnifs gegen den Sporn nicht 
so bedenklich, als der Vortragende es annehmen lasse. Er habe eine 
Photographie des Bugs der „Arizona" gesehen, und sieher könne nichts 
eine vollkommenere Illustration zu dem, was aus einem Sporn eines 
Schiffes wie dieses werde, geben. Ein Eisberg sei jedoch ein völlig 
unbeweglicher Körper. Die „ Arizona u stiefs auf einen solchen bei 
15 Knoten Geschwindigkeit. Ihr Bug wurde eingedrückt und die 
Stahlplatten verbogen und beschädigt, allein trotzdem lief das Sellin* 
noch 700 Meilen und wurde in Halifax gedockt. Dasselbe wurde 
nicht aufser Stand gesetzt, unter Dampf zu gehen, oder wie an- 
zunehmen war. Teil an einem Gefecht zu nehmen, wenn es ein 
Kriegsschiff gewesen wäre. Er habe auch den „Northainpton" gesehen. 



Digitized by Goog 



und bei ^hiftVKollisionen. 



307 



nachdem er im Kanal von einer Signalbarke gerammt worden war. 
Die Segelbarke kam unbeschädigt davon, durch die Seite des „North- 
ampton" konnte man hingegen einen Karren fahren, jedenfalls war 
sein Rifs grofs genug dazu. Der Stöfs wurde durch die Panzerplatte 
aufgehalten. Das Schnitzwerk des Figurenkopfs der Barke drang auf 
das Deck des „Northanipton". Aus den Fällen, in welchen Schiffe wie 
der „Grofse Kurfürst" und der „Vanguard" sanken, gehe dieselbe Lehre 
hervor. Das waren besonders niarkirto Fälle, wo ein Schiff ein 
anderes, ohne Schaden zu nehmen, rammte. In dem Falle des „ Belle- 
rophon" sank ein Dampfer an der nordanierikanischen Küste bei der 
blofsen Berührung mit dem Sporn. Natürlich könne der Fall des 
„Förth" als ein entgegengesetztes Beispiel gelten. Der „Förth" sei in 
keiner Weise als Kammschiff konstruirt und könnte daher nicht als 
ein Rammschiff in eigentlichem Sinne betrachtet werden. Thatsächlich 
traf derselbe den Dampfer an der Verbindung zweier Kompartiments, 
und verursachte der Stöfs zweifellos schwere Beschädigung; allein es 
frage sich, ob sich dadurch das Problem, welches betreffs eines eigens 
für Rammzwecke gebauten Schiffes vorliege, löse. Rammen sei nichts 
Neues. Die Kriegsschiffe der alten Zeit waren eigens konstruirte 
Rammschiffe. Die Schiffe der Römer und später die Galeeren der 
Venetianer waren eigens mit dem Sporn versehen, und es lag nie 
ein Grund vor, zu bezweifeln, dafs bei den alten Seeschlachten ein 
erfolgreicher Stöfs dem gerammten Schiffe absolut verhängnifsvoll 
wurde. Dies war die Folge davon, dafs der Sporn besonders konstruirt 
war. Was den Fall des „Camperdown" betreffe, so sei er bemüht 
gewesen, die Umrisse des Sporns des „Camperdown" zu ermitteln, 
mid er könne als Thatsache versichern, dafs die Beschädigung dos 
* Camperdown" keine Beschädigung seines Sporns war. Wenn man 
die Umrisse des „Camperdown" und der „Victoria" vorgleiche, werde 
man finden, dafs es deren Bau nach unmöglich war, das, was erfolgte, 
zu vermeiden, namentlich, dafs der „Camperdown", als er die „Victoria" 
traf, dieselbe nicht nur mit dem Sporn traf, sondern der Linie des 
Schiffes unterhalb des Schnabels des „Camperdown" folgend, in Be- 
rührung mit dem Panzer und mit der schweren Deckplatte der 
„Victoria" geriet. Die Beschädigung erfolgte hauptsächlich an den 
oberen Teilen des „Camperdown" und in keiner Weise am Sporn 
selbst. Ein sehr bemerkenswerter Fall des Rammens in geringem 
Grade ereignete sich bald darauf in Portsmouth Harbour, und fast 
gleichzeitig war von der den Torpedobooten gegebenen besonderen 
Form, dem spornförmigen Bug die Rode; diese Form scheine jedoch 
jetzt aufgegeben zu sein. Man habe gesagt, dafs es lächerlich sei, 
anzunehmen, das ein Torpedoboot einem in See gehenden Schiffe 



Digitized by Google 



308 



Der Sporn (die Ramme) im Gefecht 



irgend eine Beschädigung als Kammer beibringen sollte. Mr. Forster 
glaubt nicht, dafs dieselben für diesen Zweck berechnet seien, allein 
es sei seltsam, dafs gerade am Tage vorher der „Trafalgar" zufallig 
von einem Torpedoboot gerammt wurde und dafs dessen scharfer 
Schnabel gerade durch die dünne Platte des „Trafalgar" drang, so 
dafs derselbe ins Dock gehen mufste und thatsächlich nicht im Stande 
gewesen wäre, an einem Gefecht teilzunehmen. Das sichere Resultat 
seiner Beobachtungen sei, dafs der Sporn nicht notwendigerweise eine 
gefährliche Waffe für das Schiff, welches ihn führt, bildet. Er habe 
jüngst eine Photographie des „Achilles" gesehen, der durch Zufall 
im mittelländischen Meere gerammt wurde, welche an dessen Seite 
eine scharf und glatt ausgeschnittene Höhlung zeigte, die das Schiff 
effektiv aufser Gefecht gesetzt haben würde; allein für das rammende 
Schiff entstand nicht die entsprechende Gefahr. Es folge nun die 
Frage, ob es für den Kapitän ratsam sei, den Sporn vorzugsweise 
vor jeder anderen Waffe zu gebrauchen. Hier scheine es ihm, und 
was der Vortragende geäufsert habe, bestätige seine Ansicht, dafs, da 
man grofse, enorme Summen kostende Schiffe mit mächtiger Armirung 
und schwerem Panzer besäfse, es eine Thorheit des befehligenden 
Offiziers sein würde, bei Beginn oder in irgend einer Periode des Gefechts 
den Sporn zu gebrauchen, wenn der Gegner nicht bewegungsunfähig 
gemacht sei, und zwar aus dem Grunde, da der Gebrauch des Sporns 
die Thatsache in sich schlösse, dafs man sich im wirksamen Torpedo- 
bereich befinde. Man gebe eine Million L. für ein Schiff aus, welche« 
von einem Torpedo getroffen werden könne und sicherlich zerstört 
würde, wenn es in den Bereich von 600 Yards gelange. Jeder Vor- 
zug, dem man dem Schiffe an Geschwindigkeit, Panzerung, Mannszucht 
und Geschützausrüstung gebe, werde in dem Moment neutralisirt, 
wenn man innerhalb einer Entfernung von 500 Yards von einem 
Themseschlepper gelange, gerade so, als wenn derselbe ein Schiff von 
derselben Gröfse und Stärke wäre, vorausgesetzt, dafs der Schlepper 
einen Whitehead-Torpedo mit Erfolg abfeuere. Er sei daher der 
Ansicht, dafs kein mächtigeres Schiff vom Sporn Gebrauch machen 
solle wie als letztes Hülfsmittel. Dies eliminire jedoch die Erwägung 
der Frage nicht, ob es geraten sei oder nicht, Schiffe speziell für den 
Sporn und für Rammzwecke zu bauen. Nach allem, was er gelesen 
und gehört habe, neige er sehr zu der Meinung, dafs es sehr vor- 
teilhaft sein werde, Schiffe für diese Zwecke zu bauen. Er kenne 
den „Polyphemus" und wie derselbe seine Dienste bei seinen drei 
Indienststellungen geleistet hätte, sehr wohl. Er wolle nicht behaupten, 
dafs mit dem ,,l'ol\ pheraus" das letzte Wort im Schiffsbau dieser 
Gattung gesprochen sei, allein er glaube, dafs kein Marine-Oltwwr 



Digitized by Googl 



und bei Hchiffs-Kolüaionen. 



einen Moment anstehen werde, zu sagen, dafs SchiflFe, welche dem 
Geschützfeuer ein verhältnifsmäfsig kleines Ziel bieten und ihre Struktur 
nach dazu prädestinirt scheinen, den Sporn mit gröfstmöglichster 
Wirkung zu führen und die eine grofse Geschwindigkeit besitzen, und 
nur dann eingreifen, wenn ihre Dienste voraussichtlich wirksam sind, 
die formidabelsten Kriegswerkzeuge sind, die konstruirt werden können. 
Da Alles in Allem, zugegeben, dafs das rammende Schiff nicht sinkt, 
und selbst, dafs es sinkt, es thatsächlich absolut sicher sei, dafs ein 
gut gegebener Stöfs mit dem Sporn die Zerstörung des angegriffenen 
Kriegsschiffs zur Folge habe. Sir Forster unterstützt die Ansicht des Vor- 
tragenden daher insoweit, als sie sich hierauf bezieht, und ist der Ansicht, 
dafs auf den Sporn als eine Waffe der Flotte nicht verzichtet werden 
dürfe, wenn dieselbe in der besten und wissenschaftlichsten Weise 
konstruirt werde; allein er tritt jeder Ermutigung, die kostbaren 
Schiffe der britischen Flotte für Rammzwecke zu verwenden, entgegen, 
da dieselben in ihrer gegenwärtigen Gestalt für diesen Zweck nicht 
geeignet seien. Mr. E. Rupert Ilicks äufsorte hierauf: Betreffs der 
Frage des Rammens sei er unbedingt der Ansicht des Vorredners, 
dafs Schiffe besonders für diesen Zweck konstruirt worden müfsten 
und besonders, dafs sie den erwähnten Anforderungen entsprächen. 
Im Falle des „Caraperdown" würde seiner Ansicht nach dessen Be- 
schädigung, welche den Bug und das Dock betraf, nicht vorgekommen, 
sein, wenn sich ein solides Stahlstück über dem Bug befunden hätte 
und den 2. Stöfs auffing. 

Admiral Boys bemerkt: Er wünsche einiges zudem, was Sir 
K. Forster geäufsert, und von dem er wünsche, dafs es nicht derart, 
wie derselbe es hingestellt, in die Öffentlichkeit gelange, hinzuzufügen. 
Sir Forster scheine anzudeuten, dafs ein Schiff, welches von einem 
Torpedo getroffen sei, notwendiger Weise vernichtet werde. Dom 
könne er keineswegs zustimmen. Bei seinen experimentalen Erfahrungen 
hinsichtlich der Torpedos sei er der Ansicht, dafs, wenn ein grofses 
Schiff von einem oder mehreren Torpedos getroffen sei, daraus 
keineswegs folge, dafs dasselbe unbedingt vernichtot werde. 

Mr. Arnold Forster erwidert hierauf: Er habe hervorzuheben 
gewünscht, dafs ein grofses Schiff von einem kleineren vernichtet 
werden könne, und dafs der von einem kleineren Schiff abgefeuerte 
Torpedo ebenso wirksam sei, wie dasselbe von einem grofsen Schiff 
abgefeuerte Projektil. Wenn er den Gegenstand stärker betont habe, 
so gebe er zu, denselben etwas übertrieben zu haben. 

Lieutenant W. C. Crutschley bemerkt, dafs aus dem Vortrage 
der Eindruck hervorzugehen scheine, dafs gröfsere Geschwindigkeit 
nicht die Gewalt verleihe, ein langsames Schiff zu rammen. Der 



Digitized by Google 



310 



Der Sporn (die Ramme) im Gefecht 



Streit habe sich hauptsächlich auf die Annahme erstreckt, dafs sich 
2 Schiffe von ungleicher Gröfse einander gegenüber befänden; allein, 
bevor ein richtiger Schlufs gezogen werden könne, müfsten Schiffe 
von gleicher Gröfse und Handlichkeit einander gegenüber gestellt 
werden, wenn gröfsere Geschwindigkeit den Vorteil gewähren solle. 
Denn 2 Schiffe gegen einander zu führen, um zu rammen, würde 
ebensoviel Geschicklichkeit im Gefecht, wie die zweier Ziegenböcke im 
Grünen erfordern. Der Sporn als Waffe würde als letztes Ilülfsmittel 
dienen, und alsdann werde es vor Allem auf überlegene Geschwindigkeit 
ankommen. 

Major Blacker äufsert: Betreffs der Torpedofrage sei gesagt worden, 
dafs die Furcht, von einem Torpedo getroffen zu werden, ein Schiff 
davon abhalten werde, ein anderes zu rammen. Allein es frage sich, 
ob andererseits irgend wie befürchtet werde, dafs ein Torpedo im Rok 
in Folge eines ihn treffenden Schusses explodire und faktisch das ihn 
rammende Schiff beschädige. Nur unter Wasser gehende Torpedos 
könnten daher gebraucht und dieselben könnten nicht immer in der 
erforderlichen Richtung gehalten werden. 

Commodore Berkeley hält mit voller Geschwindigkeit gegen den 
Feind zu laufen, für das sicherste für ein Schiff, welches mit einem 
Torpedo angegriffen werden könne. Er habe einem derartigen Versuch 
beim „Polyphemus" beigewohnt; derselbe lief etwa 7 Knoten. Zwei 
Torpedos wurden innerhalb 3 Linien von seinem Bug abgefeuert und 
beide gingen wenige Fufs an dem Schiff vorbei, da sie durch die Bug- 
welle abgelenkt wurden. Es scheine daher am besten, mit voller Ge- 
schwindigkeit gegen den Gegner zu laufen, vom Geschützfeuer Gebrauch 
zu machen und wenn die Gelegenheit sich böte, vom Torpedo, und 
auf jede Weise vom Sporn Gebrauch zu machen. Die Frage sei 
natürlich, ob man sich auf seine Waffe verlassen könne und in dieser 
Hinsicht müsse man denen, die die Kontrakte abschlössen, nicht sich 
selbst vertrauen. 

Mr. Laird Clowes äufserte zum Schlufs: Er bedauere, dafs die 
Diskussion sich nicht noch, wie er gehofft, weiter erstreckt habe, und 
er fürchte, dafs dies der Fall sei, weil er mit seinen eigenen Ansichten 
zurückgehalten habe, allein er wolle dieselben nunmehr bestimmt 
aussprechen. Admiral Nicholson habe einige sehr lehrreiche und ein- 
leuchtende Bemerkungen gemacht. Er habe von der allgemeinen 
Anwendung des Sporns bei Schlachtschiffen gesprochen. Es sei eine 
interessante, diesen Gegenstand berührende Thatsache, dafs das letzte 
in der Vollendung begriffene französische Schlachtschiff, der „Brennus 4 , 
keinen Sporn habe, sondern einen senkrecht stehenden Bug. ^ er 
Fall des „Förth" sei als zu gewissen Folgerungen führend zitirt worden. 



Digitized by Googl 



und bei Schiffs-KolÜBionen. 



311 



Er habe zuerst beabsichtigt, in seinem Vortrage die Wirkung des 
Sporns bei dem rammenden und dem gerammten Schiff, bei Zufällen 
und im Gefecht, im Einzelnen zu erwägen, allein er habe gefunden, 
dafs diese Art der Behandlung des Stoffes zu viel Zeit beansprucht 
haben würde. Er habe unlängst bei Toulon einen sehr interessanten 
Fall bei der Aktion eines rammenden Schiffes bei einem unfreiwilligen 
Rammen gesehen. Es war der des französischen Kreuzers „Cecille". 
Derselbe besitze natürlich keinen Sporn mit Ausnahme in dem Sinne, 
wie der „Förth 14 einen besafs. Er hat nur einen zum Raramen ge- 
formten Bug, der zu einem avant ä plage (Uferbug), wie die Franzosen 
es nennen, erweitert ist. Das »Schiff hatte ein Handelsschiff gerammt 
und die Kollision hatte einen höchst ungewöhnlichen Effekt auf seinen 
Bug. Der ganze Bug war fast rechtwinkelig backbordwärts gebogen, 
Nichts bis auf die Nieten hatte nachgegeben. Er war aufserordentlich 
gut gearbeitet, die Platten waren sämmtlich intakt, allein fast alle Nieten 
waren abgesprengt. Es sei nutzlos, den Fall, dafs Kriegsschiffe 
Handelsschiffe oder dafs Handelsschiffe Eisberge rammen, als in irgend 
einer realen Beziehung zu der Frage der Verwendung des Sporns im 
Kriege anzuführen, da, wie der unglückliche Fall des ,,Caraperdown u 
und der „Victoria" zeige, ein grofser Teil der Beschädigung, die das 
rammende Schiff in solchen Fällen erleidet, durch die messerartige 
Wirkung des Panzerdecks des gerammten Sclriffs erfolge und weder 
Eisberge noch Handelsschiffe Panzerdecks hätten. Was den auf- 
zuklappenden Sporn (dropping) betreffe, so wisse er nicht, ob es je 
versucht worden sei, ein Schiff mit einem Sporn zu bauen, der in See 
ohne Beschädigung der anstofsenden Struktur aufgeklappt werden 
könnte. Der „Shammon" habe einen abnehmbaren, aber keinen auf- 
klappbaren Sporn. In dem Falle des „Merriniac" verlor dieses Schiff 
seinen Sporn, allein dasselbe beschädigte sich dabei nicht derart, um 
sich nicht am folgenden Tage darauf vorzubereiten, den „Monitor 4 * 
mit seinem ungepanzerten Bug zu rammen. Verschiedene Redner 
schienen es für eine Frage der Stärke und Konstruktion zu halten, 
ob der Sporn gebraucht werden solle oder nicht. Er beabsichtige, 
seine Folgerungen später auseinander zu setzen, allein er sei der An- 
sicht, dafs, wenn überhaupt eine Folgerung gezogen werden könne, 
so sei es die hinsichlich der Thatsache, dafs, ob man nun einen 
schwachen oder einen starken Sporn habe, man denselben so lange 
nicht wirksam gebrauchen könne, als der Gegner Raum in See habe 
und in der vollen Gewalt der Führung sei. üb ein senkrecht stehender 
Schiffsschnabel, selbst wenn er so stark gemacht werde, um es zu 
rechtfertigen, ein Schiff damit zu rammen, weniger wie der scharfe 
Sporn leiden würde, wisse er nicht. Er möchte jedoch annehmen, dafs 



Digitized by Google 



312 



Der Sporn (die Ramme) im Ciefecht 



er nicht weniger litte, weil er in der Regel die einwärtige Fall- 
Linie (tumblinghome) des Bugs der modernen Schiffe sich weit unter 
der Wasserlinie fortsetze und daher danach strebe, nach oben zu 
reifson und das Panzerdeck des gerammten Schiffs zu heben, und 
derart, indem sie die Beschädigung des Gegners verstärke, die Schnitt- 
wirkung seines Decks sehr verringere. Bei einem senkrecht stehenden 
Buge würde kein irgend derartiger Effekt auf das Panzerdeck hervor- 
gerufen, welches den Schiffsschnabel fast rechtwinkelig schneiden und 
nicht nach oben gebogen werden würde. Er sei der Ansicht, dafs 
die Frage, ob der Sporn bei ermäfsigter oder bei voller Geschwindig- 
keit gebraucht werden solle, der sorgfältigsten Erwägung bedürfe. 
Er glaube, dafs in dem Falle des „Erzherzog Ferdinand" das Schiff 
mit voller Geschwindigkeit rammte und dafs dieselbe thatsächlich erst 
im Moment des Zusammenstofses verringert wurde. Es bilde sich 
in der britischen Flotte eine Schule, welche mit voller Geschwindig- 
keit rammen wolle, obgleich noch vor 2—3 Jahren, als die Frage 
des Rammens mit voller Geschwindigkeit an dieser Stelle vorgebracht 
wurde, niemand zu ihren Gunsten sprach. Die Wichtigkeit, wenigstens 
mit beträchtlicher Geschwindigkeit zu rammen, zeige sich bei dem 
Gefecht des „Huascar" mit der „Esmeralda". Die „Esnioralda" hatte 
thatsächlich gar keine Geschwindigkeit und konnte nicht entkommen, 
allein der Kapitän des „ Huascar u war bestrebt, sein eigenes Schilf 
zu sichern und versuchte mit einer Geschwindigkeit von nur 3 Knoten 
zu rammen. In 2 Fällen vermied die „Esmeralda", obgleich sie sich 
kaum bewegen konnte, den Stöfs, und als der Kapitän des „Huascar 14 
sie zuletzt rammte, mufste er mit Geschwindigkeit rammen. Mr. Arnold 
Forster wünsche seine Folgerungen zu erfahren und er werde sie ihm 
geben. Er bemerke, dafs er nicht mit meinen Prozentsätzen über- 
einstimme und zitire Fälle zufalligen Rammens gegen dieselben. Er, 
Clowes, sei nicht der Ansicht, dafs man die beiden Arten von Fällen 
zusammenwerfen dürfe. In den Fällen des zufälligen Rammens seien 
die Verhältnisse auf Seiten des rammenden ebenso verschiedenartige 
wie auf der des gerammten Schiffes. Mr. Forster sage, dafs es in 
dem Falle des zufälligen Ramniens etwas ungewöhnliches für das 
rammende Schlachtschiff sei, sich selbst zu beschädigen; allein man 
müsse berücksichtigen, dafs es sich in diesen Fällen gelegentlichen 
Rammens im Allgemeinen ereigne, dafs, obgleich genügende Ver- 
anlassung zur Beschädigung des gerammten Schiffs vorhanden sei, 
der Stöfs unter so geringer Geschwindigkeit und unter solchen Um- 
ständen erfolge, dafs kaum zu erwarten sei, dafs ein besonders vor- 
bereitetes Schiff sich irgend beträchtlichen Schaden zufügen werde. 
Im Gefecht jedoch müsse beabsichtigtes Rammen mit grofser Ge- 



Digitized by Google 



und bei SchinVKollisionen. 



313 



schwindigkeit erfolgen oder es werde fast unmöglich, überhaupt irgend 
einen Erfolg zu erzielen. Das Moment der überlegenen Geschwindig- 
keit sei von verschiedenen Rednern als ein solches erachtet worden, 
welches in den Stand setze, den Gegner zu rammen. Ohne Zweifel 
müfste es der Theorie nach so sein, und wenn ein Schiff zurückgehe 
und ein anderes mit gröfserer Geschwindigkeit an dasselbe heran- 
komme, könne man von dem letzteren annehmen, dafs es im Stande 
sei, zu rammen; allein die Erfahrung zeige, dafs dies fast unmöglich 
sei, bevor das erstere Schiff dem andern die Gewalt über sich selbst 
entreifse oder wenn die Schiffe sich in engen Gewässern befänden, 
was ziemlich auf dasselbe herauskomme. Eine Bemerkung Kapitän 
Berkeleys erinnere ihn daran, dafs er im Jahre 1885 einem ähnlichen 
Experiment beigewohnt habe. Seiner Erinnerung nach seien die 
Torpedos nicht von einem Punkte vorwärts des ^Polyphemus", sondern 
von beiden Seiten abgefeuert worden, als derselbe in Berehaven ein- 
lief. Die Torpedos wurden durch dessen Bugwelle abgelenkt, allein 
selbstverständlich werde die Einwirkung der Bugwelle auf einen 
Torpedo, der rechtwinklig zum Schiffe heranlaufe, verschieden von 
derjenigen auf einen Torpedo sein, der von vorn komme, und die 
heutigen Torpedos seien zweifellos in jeder Beziehung sehr verschieden 
von den Torpedos des Jnhres 1885. Er wundere sich, dafs die Auf- 
merksamkeit nicht auf den einen Punkt gelenkt worden sei, was das 
Resultat bei dem rammenden Schiffe sein werde, wenn dasselbe zu- 
fällig einen scharfen Torpedo in diesem Moment in seinem Bugrohr 
habe. Dieser Punkt scheine ihm der Erwägung wert. Seine all- 
gemeinen Folgerungen, soweit er dieselben in der Geschwindigkeit 
formuliren könne, seien diese: 1. dafs der Versuch zu rammen für 
das zu rammende Schiff nicht gefährlich sei, wenn dasselbe Raum in 
See und Gewalt über sich habe, 2. dafs der Versuch zu rammen im 
Gefecht stets für den Rammer gefährlich ist, jedoch in der Regel für 
den Gerammten nur dann, wenn die Schiffe sich in engen Gewässern 
befinden oder das zu rammende Schiff keine Gewalt über sich habe. 
Allein selbst wenn das gerammte keine Gewalt über sich habe, sei 
das Rammen, überdies dem Rammer gefährlich, thatsächlich unnötig, 
da es im Allgemeinen andere Mittel gebe, um mit einem Schiff, das 
weder zu steuern noch unter Dampf zu gehen vermöge, fertig zu 
werden. Dasselbe müsse sicher zur Prise werden. Die nächste 
Folgerung sei diejenige, da der Spora bei zufälligem Rammen notorisch 
gefährlich sei, und da derselbe sich bei absichtlichem Rammen nicht 
annähernd so gefährlich erwies, so sei derselbe daher, wenigstens der 
hervorstehende Sporn, eine gefährlichere Waffe für den Freund wie 
für den Feind, und besser darauf zu verzichten. Dio 4. Folgerung 



Digitized by Google 



314 Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 

sei die, dafs überlegene Geschwindigkeit beabsichtigtem Raininen 
keinen Erfolg verleiht. Er verzichte darauf, bemerkt Mr. Glowes, 
seine Ansicht über den Bau besonderer zum Rammen bestimmter 
Schiffe auszusprechen. Allein es sei zu berücksichtigen, dafs im 
Auslande Schiffe speziell für diesen Zweck und keinen anderen gebaut 
würden, üb Schiffe, wie der „Katahdin", der eine Geschwindigkeit 
von nur 17 Knoten erreiche, im Stande sein würden, im Rammen 
viel zu leisten, bezweifele er sehr; allein andere Mächte bauten Schiffe 
für diesen Zweck und dies sei ein Gegenstand, der in England in 
Erwägung gezogen werden müsse. Der Vorsitzende schlofs hierauf 
die Sitzung mit seinem lebhaften Dank für den ausgezeichneten Vor- 
trag Mr. Glowes und bemerkt, dafs er glaube, dafs niemand eine 
Vorstellung davon gehabt habe, dafs so viele Fälle des Rammens 
vorgekommen seien, wie der Vortragende angeführt habe. 29. 



XXIV. 

Die strategische Bedeutung der kanadischen 

Pacific-Bahn. 

Nachdem die englische Admiralität die Ablösungs- Transporte 
für ihre Marine- Stationen an der Westküste von Amerika bisher 
stets auf dem Wege über die Landenge von Panama oder um 
das Kap Horn, für die chinesische Station Hong-Kong dagegen durch 
den Suez-Kanal befördert hatte, ist im Herbst des Vorjahres von der 
genannten Behörde zum ersten Male anders verfügt und, in Stelle 
der erstgenannten beiden Linien, die Eisenbahnfahrt von Vancouver 
nach Halifax und der Seeweg von hier nach Plymouth gewählt worden. 
Abgesehen von den ungünstigen klimatischen Einflüssen in Panama 
und von den Gefahren für die Schifffahrt am Kap Horn, welche da- 
durch vermieden wurden, ist dieser letzteren Linie gegenüber eine 
Zeitersparnifs von etwa 4 Wochen dadurch erreicht worden, denn die 
Überfahrt von Vancouver bis Plymouth hat nur 20 Tage gedauert, 
wovon trotz 24 stündiger Verspätung nur 8 Tage auf die Eisenbahn- 
fahrt und 12 Tage auf die Seereise entfallen. Man nimmt indessen 
an, dafs die ganze Reise mit Hilfe eines neueren Schnelldampfers und 
wenn kein Aufenthalt eintritt, in 12 bis 13 Tagen zurückgelegt werden 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



315 



kann. Von Vancouver nach Yokohama legen die Dampfer der englischen 
Emprefs-Line die Entfernung in 11 Tagen, bis Shangai in 14 und bis 
Hong-Kong in weiteren 5 Tagen zurück. 

Diese Thatsache ist wohl geeignet, erneut die Aufmerksamkeit 
auf die strategische Bedeutung dieses Überlandweges für den Verkehr 
Englands nicht allein mit seinen pacitischen Marine-Stationen, sondern 
auch mit ganz Ost-Asien, selbst mit Australien und unter Umständen 
sogar mit Ostindien zu lenken. Hatte doch schon ein englischer 
Staatsmann, Lord Lytton, anläßlich des Seapoy-Aufstandes im Jahre 
1858 die erste Anregung zum Bau dieser Eisenbahn gegeben. Damals 
trat diese Frage indessen zunächst wieder in den Hintergrund, weil 
das allgemeine Interesse sich einem neuen näher liegenden Projekte, 
dem Bau des Suez-Kanals zuwandte. Drohende Verwicklungen mit 
den Vereinigten Staaten von Nord- Amerika liefsen den Plan einer 
strategischen Eisenbahn zwischen Halifax und Quebek wieder auf- 
nehmen und, obgleich die Differenzen zwischen beiden Mächten friedlich 
beigelegt wurden, die heutige staatliche interkoloniale Eisenbahn in 
den Jahren 1876 bis 1878 zu Ende führen. 

Inzwischen war der Suez-Kanal fertig gestellt worden und England 
an der Weiterführung der kanadischen Bahn wenig interessirt, aber 
die wachsende Bedeutung der westlichen Landesteile und der Umstand, 
dafs der am meisten westlich gelegene Staat Britisch Kolumbia nur 
unter der Bedingung der 1867 gegründeten Dominion of Kanada bei- 
trat, dafs diese Bahn gebaut werde, vermochte die inzwischen ein- 
gesetzte kanadische Regierung den Bahnbau über Montreal, Winnipeg 
nach Vancouver weiterzuführen und statt, wie geplant, am 1. Mai 18 ( J2, 
schon am 17. November 1885 dem Betrieb zu übergeben, mit alleiniger 
Ausnahme einer Strecke am Nordufer des „Oberen Sees u , der vor- 
läufig noch per Dampfboot überschritten wird. 

Wenn nun die neuerliche Verlegung der offiziellen Etappenstrafse 
für die englischen Transporte nach pacifischen Stationen vom Isthmus 
von Panama beziehungsweise von der Schifffahrtstrafsc um das Kap 
Horn nach Kanada von anderer Seite auf eine Bewegung unter den 
französischen Kanadiern für den Anschlufs an die nordamerikanische 
Union zurückgeführt wird, so möchten wir dem entgegenhalten, dafs 
diese Bewegung schon seit Jahrzehnten besteht, ohne bisher besondere 
Mafsnahmen der englischen Regierung veranlafst zu haben, dafs es 
daher wohl näher liegt die eigentliche Ursache zunächst in dem end- 
gültigen Scheitern des Panama-Unternehmens, ferner in der grofsen 
^eitersparnifs, in sanitären Rücksichten, in der gröfseren Sicherheit 
dieses Weges und, in dem Umstände zu suchen, dafs der Weg über 
das neutrale Gebiet des Isthmus von Panama nur im Frieden offen ist. 



Digitized by Google 



316 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



Ob andererseits die kanadische Pacific-Bahn auch für den Kriegsfall 
genügende Sicherheit bietet, werden wir im weiteren Verlauf unserer 
Besprechung erörtern. 

Die genannte Bahn erreicht in Quebek den Anschluß an die 
interkoloniale Bahn und läuft über Ottawa nach Montreal, dem Mittel- 
punkte des kanadischen Schienen -Netzes, soll später dem Nordrande 
des oberen Sees folgen und kreuzt den Red River unter seiner Ein- 
mündung in den Winnipeg-See, worauf sie sich den Felsengebirgen 
zuwendet, diese überschreitet und im Thale des Frazer Flusses, bei 
Vancouver und dem gleichnamigen Sunde, den stillen Ocean erreicht. 

Beide Linien die staatliche interkoloniale und die kanadische 
Pacific-Bahn durchmessen zusammen eine Strecke von 6432 km, wovon 
auf die Linien, Halifax -Quebek 1408 km, Quebek-Montreal 375 km, 
Montreal— Winnipeg 2278 km, Winnipeg — Vancouver 2271 km ent- 
fallen, welche der Eisenbahnzug in nicht mehr als 7 Tagen zurücklegt 
Wenn wir hiemach die abgelegene und gefährliche Fahrstrafse und das 
Cap Horn ganz aufser Betracht lassen, verbleiben den Engländern in 
Zukunft immer noch 3 Etappenstrafsen für die Verbindung mit Ost- 
asien und Indien in folgenden Entfernungen: 1. Liverpool— Kanada- 
Yokohama = 19 250 km, 2. Southampton- -Suez— Kalkutta = 13 964 km, 

3. Liverpool— Kapstadt— Kalkutta = 21 073 km. 

Fügen wir der Vollständigkeit halber noch hinzu, dafs die Ent- 
fernungen zwischen: 1. Yokohama und Shangai 1852 km, 2. Shangai 
und Hong-Kong 1481 km, 3. Hong-Kong und Singapore 2778 km, 

4. Singapore und Kalkutta 2860 km betragen, so läfst sich die Länge 
des Weges bis zu jeder einzelnen der zwischen Yokohama und Kalkutta 
gelegenen englischen Marine-Positionen leicht berechnen. Es ergiebt 
sich daraus, dafs der Weg über Kanada nach Yokohama zwar nur 
wenig kürzer als über Suez ist, dagegen die Zeitdauer der Reise durch 
die Benutzung der Eisenbahn nicht nur ganz erheblich abgekürzt 
wird, sondern dafs auf dieser Route manche Gefahren vermieden 
werden, welche die Überfahrt in der Strafse von Malakka und im 
chinesischen Meere drohen. Weniger günstig gestaltet sich auf jener 
Linie die Verbindung mit den übrigen ostasiatischen Stationen, bei 
weitem am ungünstigsten mit Englands wichtigsten Kolonialbesitz, 
mit Indien. Von Bedeutung ist sie daher nur für den Verkehr mit 
den Marine-Positionen des nördlichen Teiles des stillen Oceans und 
für die Vertretung dortiger britischer Interessen, namentlich Rufsland 
gegenüber. Ob sie für den Kriegsfall die nötige Sicherheit bietet, 
werden wir später erörtern, es sei nur schon jetzt darauf hingewiesen, 
dafs hierauf vor allem Andern das gröfste Gewicht zu legen ist, weil 
der ungestörte Verkehr mit seinen zahlreichen überseeischen Besitzungen 
eine Lebensfrage für das britische Reich ist. 



Digitized by GoOgl 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



317 



Es dürfte bekannt sein, dafs eine längere Unterbrechung dieser 
Verbindungen für das Mutterland die furchtbarste Notlage, Hungers- 
not und Stillstand der Mehrzahl aller industriellen Betriebe nach sich 
ziehen würde. 

Aus dem früher Gesagten ergiebt sich an der Hand der Karte, dafs 
der Weg über Suez für Englands Verbindung mit Indien und den Ländern 
des südöstlichen Asiens der kürzeste, daher für die Verteidigung 
dieses Besitzes der wichtigste ist. Aber auch dieser ist ini Kriegsfalle 
nicht immer oder doch nicht mit Sicherheit zu passiren. Dagegen 
ist der Weg über Kanada nach Indien so erheblieh weiter als beide 
Fahrstrafsen über Suez und Kapstadt, dafs dieser Unterschied auch 
nicht annähernd durch die schnellere Eisenbahnfahrt über Kanada 
wieder eingebracht werden kann, zumal wenn es sich nicht um die 
Beförderung von Truppen, sondern von Armee-Material handelt. 

Für die Sicherheit der 3 Linien im Kriegsfalle ist in erster Linie die 
Stellung der europäischen Seemächte und der Vereinigten Staaten 
von Amerika zu England, beziehungsweise deren Gruppirung, von ent- 
scheidender Bedeutung. Rufsland steht der letzteren Macht am Bosporus, 
in Central- und Ost-Asien nach wie vor feindlich gegenüber, es begünstigt 
die Annäherung Frankreichs und sucht die Fühlung mit den Vereinigten 
Staaten herzustellen. Frankreich vermag weder den Verlust seines 
Einflusses in Ägypten zu verschmerzen noch kann es im Interesse 
seines afrikanischen und asiatischen Besitzes die englische Herrschaft 
über das Mittelmeer auf die Dauer ertragen; in bedrohlicher Weise 
verstärkt es seine Positionen in Tunis, welche dadurch eine stete 
Gefahr für das benachbarte Malta mit der englischen Fahrstrafse nach 
Indien enthalten. Gemeinsam mit Rufsland voranlafste es die Pforte 
zu erneutem Drängen auf die endliche Räumung Ägyptens und ist 
gleich jenem unausgesetzt bemüht, seine Kriegsflotte zu verstärken. 
Auf Amerika werden wir später noch Gelegenheit haben zurück- 
zukommen. Es ist aus seiner abwartenden Haltung noch nicht 
herausgetreten, doch weisen die Zustände auf dem amerikanischen 
Kontinent, in Westindien und Ost-Asien die Kongrefs-Regierung in 
den Gegensatz zu England. Eine Wandlung in der Politik Amerikas 
bereitet sich augenscheinlich vor. 

Andererseits ist nach den im Vorjahr im Parlament abgegebenen 
Erklärungen des englischen Unterstaats-Sekretärs des Auswärtigen, 
Sir James Fergusson, nicht mehr daran zweifeln, dafs Italien an der 
Seite Englands für Aufrechterhaltung des Status quo im Mittelmeere 
eintreten wird, dennoch ist in einem unerwartet ausbrechenden Kriege 
bei der grofsen Kriegsbereitschaft der verhältnifsniäfsig starken 
französischen Mittelmeer-Flotte der Fall denkbar, dafs dieselbe so 

Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. V1IIC, 3. 21 



Digitized by Google 



318 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn 



grofse Vorteile erringen könnte, dafs England trotz seiner Mittelmeer- 
Positionen in Gibraltar, La Valetta und demnächst auch Cypern, für 
längere Zeit nicht in der Lage wäre, die Verbindung über Suez sicher- 
stellen zu können. Stellt doch ein englischer Seemann, Lord Charles 
Beresford, sogar die Behauptung auf, dafs der Suez-Kanal mittelst 
Dynamitsprengungen unschwer gesperrt werden könne. Er empfiehlt 
in Folge dessen den Weg um das Kap der guten Hoffnung als den 
nach wie vor einzig sicheren. Immerhin könnte auch diese Linie in 
ihrer Verlängerung über Indien hinaus, nach Ostasien, dereinst gefährdet 
erscheinen, sobald die Franzosen sich in Tonkin genügend befestigt 
haben werden. Vorläufig ist zudem von Seiten Englands für die 
Befestigung seiner Positionen in Singapore nur wenig, in Hong-Kong 
erat in neuerer Zeit mehr geschehen, Port Hamilton sogar vor einig«] 
Jahren an Korea zurückgegeben worden. Bei der wachsenden Bedeutung 
dieses Teiles des stillen Oceans verschliefst man sich in England deu 
begangenen Fehler nicht länger und wird in Folge dessen neuerdings 
für die Erwerbung der Insel Tsu Schima in der Strafse von Korea 
Stimmung gemacht. Bei der Aufmerksamkeit, mit der Rufsland die 
Zustände in den ostasiatischen Gewässern verfolgt und die Weiter- 
entwickelung seines dortigen Kriegshafens Wladiwostok betreibt, ist es 
indessen kaum wahrscheinlich, dafs England hier so leicht zum Ziele 
gelangen möchte. 

Günstiger liegen die Verhältnisse an der Fahrstrafse um des Kap 
der guten Hoffnung. Keine Macht, selbst im Verein mit einer ver- 
bündeten, wird in absehbarer Zeit in der Lage sein, England die Be- 
herrschung des atlantischen und indischen Oceans streitig zu machen. 
Grofsbritannien hat es sogar nicht einmal für nötig erachtet, in diesen 
Meeren befestigte Marine-Positionen anzulegen und beschränkt sich 
neben den Wasserstationen in Sierra Leone, Ascension, St. Helena, 
Mauritius und Mombassa auf die erst in neuerer Zeit wieder ver- 
stärkten Befestigungs-Anlagen von Colombo auf Ceylon. 

Es bleibt noch ein 3. Weg nach Ostasien, der unter Umständen 
ebenfalls die Verbindung mit Indien und Australien vermitteln könnte, 
d. i. derjenige über Kanada. Hier kommen für die Fahrt von Liverpool 
nach der Ostküste von Kanada 3 Linien, je 1 um die Nord- und die 
Südspitze der Insel Neufundland zur Hudsons Bay und weiter auf dem 
St. Lorenz-Strome nach Quebek und eine dritte nach Halifax in Frage, 
welche annähernd die gleiche Entfernung, von etwa 3478 km, besitzen, 
Nur die beiden letztgenannten Linien sind von Wert, weil auf der 
nördlichen die SchifTfahrt während eines grofsen Teiles des Jahres 
durch Eisberge und Eisschollen gefährdet wird, welche durch den 
Polarstrom dorthin getrieben werden. Die beiden anderen Linien 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



319 



würden annähernd gleichwertig sein, wenn die Fahrt auf dem Lorenz- 
Strome nicht durch Treibeis erschwert, zeitweise sogar ganz unter- 
brochen würde, wogegen die Verbindung mit Halifax stets ganz un- 
gehindert ist. 

Die Endpunkte dieser beiden Linien, Quebek und Halifax, sind 
ersteres schwach, letzteres stark befestigt und zugleich die einzige 
Stadt Kanadas, wo sich noch eine Besatzung des englischen stehenden 
Heeres vorfindet. Ohno selbst befestigt zu sein deckt die Insel Neu- 
fundland durch dichte Nebel und das angrenzende schwierige Fahr- 
wasser dio Einfahrt in den St. Lorenz- Strom und ist der weitere Aus- 
bau der Stadtbefestigung wohl aus diesem Grunde unterblieben. 
Wichtiger als diese Linie ist, wie schon bemerkt, die Fahrstrafse über 
Halifax, dessen Befestigungen gegen die Seeseite noch im Vorjahr 
durch 2 Werke an der Hafen -Einfahrt vermehrt sind, wogegen die 
Stadt nach der Landseite vollständig offen ist. 

Für Quebek ist, bis auf Anlage einiger Batterien bei Point Lewis 
auf dem rechten Ufer des St. Lorenz-Stromes seit Anfang dieses Jahr- 
hunderts wenig geschehen, eino Vernachlässigung, welche um so 
schwerer ins Gewicht fällt, als der stromaufwärts seeartig sich er- 
weiternde Flufs zwischen Quebek und Montreal durch den Richelieu- 
Kanal mit dem Charaplain-See rosp. dem Hudson und durch diesen 
mit dem atlantischen Ocean in Verbindung steht. Die Torpedoboote 
der amerikanischen Kriegsmarine sind daher wohl in der Lage, die 
Wasserstrafse nach Quebek sperren zu können. 

Eingleisig und nur auf einer verhältnifsmäfsig kurzen Strecke in 
sehr fragwürdiger Weise durch die grofsen Seen gegen die amerikanische 
Grenze gedeckt, zieht die kanadische Pacific-Bahn von Quebek in ge- 
ringer Entfernung von dieser letzteren über Ottawa und Winnipeg 
den Felsengebirgen und dem stillen Ocean zu. Einer der am meisten 
gefährdeten Punkte ist das nicht unw ichtige Winnipeg am Red River, 
nahe seiner Einmündung in den Winnipeg-See. Eine Anzahl Forts, 
zum Teil im Norden der Eisenbahn, dienen nicht dem Schutz dieser 
letzteren gegen die amerikanische Grenze, sondern dem Schutze des 
Landes gegen die Indianer. 

Ebenso ist auch der westliche Endpunkt der Bahnlinie, am stillen 
Ocean noch in keiner Weise gesichert; noch mehr, die Engländer haben 
sich sogar, trotz der wachsenden Bedeutung des britischen Kolumbiens, 
noch nicht einmal für einen bestimmten Stützpunkt an diesem Meere 
entschieden. Alles spricht dafür, dafs die Engländer der Sicherheit 
ihres dortigen Besitzes nicht allzusehr vertrauen und gröfsere Auf- 
wendungen scheuen. Hat sich doch auch das englische Kapital, dem 

21* 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



Bau der Pacific-Bahn gegenüber, von Haus aus durchaus ablehnend 
verhalten. 

Neben dem grofsen Vorzuge Endstation der Eisenbahn zu sein, 
besitzt Vancouver einen guten Hafen, zu dem die Georgia-Strafse einen 
sicheren Zugang bildet, an deren beiden den Engländern gehörigen 
Ufern erst kürzlich Batterien erbaut wurden. Ein anderer wesentlicher 
Vorzug mufs endlich darin erblickt werden, dafs die nächsten Um- 
gebungen von Vancouver dem Bau von Verteidigungs- Werken nicht 
ungünstig sind. 

Man bat daher den Vorschlag gemacht, an der etwa 15 km weit 
in das Festland einschneidenden durchschnittlich 3 km breiter Barrard- 
Bucht, an deren südlichem Ufer Vancouver gelegen ist, eine Marine- 
Station zu erichten. Von anderer Seite wird indessen die grofse Nähe 
der amerikanischen Grenze — nur 32 km — gegen dieses Projekt 
ins Treffen geführt. 

Mehr Hilfsquellen als Vancouver besitzen die beiden benachbarten 
Hafen-Plätze Victoria und Esquimalt auf der Insel Vancouver durch 
ihre gröfsere Einwohnerzahl, besser entwickelte Marine-Einrichtungen 
und Schienenwege, welche sie mit den besten Massenlagern des pa- 
cifischen Küstengebietes, mit denjenigen von Nanaimo, verbinden. 
Beide Orte liegen aber in geringer Entfernung von der Juan de Fuca- 
und der Haro-Strafse, von denen ein Teil den Amerikanern gehört. 
Diese entfalten daselbst in neuester Zeit eine erstaunliche Thätigkeit, 
überdies sind im amerikanischen Marine-Budget für das Jahr 1891/92 
700 000 Dollar zum Bau von Werftanlagen in Port ürchard am 
Puget-Sund, südlich und nicht sehr weit von Vancouver entfernt, 
ausgeworfen, deren Aufgabe es sein dürfte, nicht allein die Fint- 
wickelung der amerikanischen Marine auf dem stillen Ozean zu fördern, 
sondern auch die Engländer zu überwachen und ihren Marine-Anlagen 
bei Vancouver das Gegengewicht zu halten. 

Wie wir bereits erwähnt haben, ist für den Grenzschutz Kanadas 
gegen die Vereinigten Staaten nichts geschehen; vom englischen 
stehenden Heere befinden sich nur schwache Abteilungen in Halifax, 
die Landes -Verteidigung liegt somit ganz in Händen der Miliz, welche 
in 12 Militär-Bezirken in 4 Alters-Klassen 78 774 Mann im Alter von 
18 bis 60 Jahren aufstellt, deren taktischer Wert naturgemäfs nur 
ein sehr fragwürdiger sein kann, welche aber ohnehin kaum in der 
Lage sein dürften, den Massen-Milizen der Vereinigten Staaten gegen- 
über das Feld zu behaupten, zumal auf Verstärkungen aus dem 
Mutterlande nicht zu rechnen ist, weil England jeden dort überhaupt 
entbehrlichen Mann auf dem asiatischen Kriegsschauplatze nötiger 
gebrauchen wird. Immerhin würde der Endpunkt der kanadischen 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 321 



Pacific-Bahn, selbst noch so stark befestigt, in erster Linie nur als 
Marine-Station und so lange für England wertvoll sein, als keine 
kriegerischen Verwickelungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika 
zu befürchten sind. Dieser Macht gegenüber und angesichts der 
politischen Zustände in Kanada vermag England seinen kanadischen 
Besitz nur zur See, auf seine nicht auf dem amerikanischen Festlande, 
aber in der Nähe seiner Küsten gelegenen Marine-Stationen gestützt, 
zu verteidigen. Hierher gehören im atlantischen Ocean die englischen 
Marine-Stationen auf den Bermudas-Inseln, Kingston auf Jamaika 
und St. Lucie, im stillen Ozean fehlen sie dagegen und lassen Eng- 
lands Aussichten, sich in einem grofsen Kriege an diesem Meere den 
Amerikanern gegenüber behaupten zu können, sehr gering erscheinen. 

Nach allem würde also diese 3. Bahnstrafse nach Ost-Asien, selbst 
nach Australien und Indien nur so lange ungefährdet sein, als Eng- 
land die ihm bis jetzt von keiner Macht bestrittene Herrschaft über 
den nördlichen Teil des atlantischen und paeifischen Occans behauptet 
und die Sicherheit des Überlandweges von Halifax nach Vancouver 
nicht durch Verwickelungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika 
in Frage gestellt wird. Dafs diese letzteren aber leicht eintreten 
können, ergiebt sich aus den politischen Zuständen in Kanada, auf 
welche wir noch näher eingehen werden, aus den zwischen England 
und Amerika seit lange schwebenden Fischereifragen, vor allen Dingen 
aus der von dem Präsidenten James Monroe am 2. Dezember 1823 
aufgestellten Doctrin: „Amerika für die Amerikaner!" Diese Parole 
ist nicht ohne Einflufs auf die Ablösung der südamerikanischen 
Kolonien von Spanien und auf die Zertrümmerung des mexikanischen 
Kaiserthrones geblieben, sie wird auch den Anschluis Kanadas an 
die nordamerikanische Union zeitigen, sobald die Gelegenheit günstig 
ist. Dafs dieser Zeitpunkt aber für nicht so fern erachtet wird, 
darauf deutet in den letzten Jahren die Thätigkeit in den Vereinigten 
Staaten auf allen militärischen Gebieten, vor allen Dingen der Küsten- 
Befestigung und des Schiffbaues behufs Gründung einer starken Flotte. 

Um den strategischen Wert oder Unwert der kanadischen Pacific- 
Bahn würdigen zu können, ist es nötig, die politische Lage in den 
Dominions of Kanada und die Stellung der Vereinigten Staaten zu 
England flüchtig zu streifen. 

Erhoffte Bedeutung ftir England hat die kanadische Pacific-Bahn 
erst wieder erhalten, nachdem das Panama-Kanal-Unternehmcn des 
Herrn von Lesseps nicht ohne Schuld der Amerikaner endgültig zu 
Grabe getragen und auf seinen Trümmern das bereits früher erwogene 
Projekt einer Nicaragua-Kanal-Linie mit amerikanischen wieder auf- 
gebaut worden und mit anerkennenswerter Energie derartig in die 



Diqitized by Goo 



322 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn 



Wege geleitet ist, dafs die Vorarbeiten bereits ziemlich weit vor- 
geschritten sind. Vorbedingung dieses Unternehmens ist, dafs der 
Kanal unter amerikanischen Schutz gestellt wird. Den Engländern 
ist dadurch von Haus aus jede Aussicht genommen, hier dieselbe 
Stellung zu erringen, welche sie beim Suez-Kanal durch geschickte 
Finanz-Operationen erworben, welche sie bei dem Panama-Unternehmen 
bis zuletzt nicht für unerreichbar hielten. 

Allerdings verhält sich die amerikanische Regierung dem Nica- 
ragua-Kanal-Unternehmen gegenüber vorläufig noch mehr oder weniger 
abwartend, doch bietet dasselbe, sofern es zu einem glücklichen Ende 
gefuhrt wird, spezioll für Nord-Amerika zu viele merkantile und 
strategische Vorteile, um die dortige Regierung nicht endlich doch 
noch zu veranlassen, aus ihrer Reserve herauszutreten. 

Bei dem Bestreben der Vereinigten Staaten an den Gestaden des 
stillen Oceans, insbesondere auch in Ostasien, zu merkantilen Zwecken 
festen Fufs zu fassen, würde eine Wasserstrafse durch Nicaragua unter 
amerikanischem Schutze und Verwaltung für Amerika von unberechen- 
barem Werte sein, denn abgesehen von handelspolitischen Vorteilen 
durch Abkürzung der Fahrstrasse nach den grofsen Handels-Emporien 
der amerikanischen Westküste, setzt sich Amerika durch seine Kon- 
kurrenz in Ostasien in erster Linie im Gegensatz zu England, es wird 
dadurch in diesen Breiten der Bundesgenosse Rufslands, dem es auf 
solche Weise den vollen Kaufpreis für das abgetretene Alaska zahlt. 

Eine Wasserstrafse durch Nicaragua ist wertlos, so lange sie 
durch die englischen Marine-Stationen vor der Ostküste Nord-Amerikas 
und auf den Antillen beherrscht wird. Die Übernahme dieser Linie 
durch die amerikanische Regierung mufs also ebenfalls zum Zusammen- 
stofs mit England führen. Es macht dieses auch die Zurück haltung 
der ersteren erklärlich, so lange ihre Vorbereitungen auf militärischem 
Gebiete noch nicht weiter gediehen sind. 

Es hegt nahe, dafs die Engländer nach dem Zusammenbruche 
des Panama-Unternehmens, als eine Weiterführung desselben oder ein 
dominirender Einflufs auf die neue Linie aussichtslos war, sich eine 
andere direkte Verbindungslinie mit Ost-Asien eröffneten, indem sie 
zu der schon von Lord Lytton empfohlenen kanadischen Linie zurück- 
kehrten, zumal die politische Lage in den Dominions of Kanada, von 
wo England die früher in Hamilton, Toronto, Montreal, Quebek und 
St. John bestandenen Garnisonen im Jahre 1870 zurückgezogen und 
nur eine verhältnifsmäfsig schwache Truppen-Abteilung zurückgelassen, 
eine gröfsere Machtentfaltung, wenn auch nur im Durchgangsverkehr, 
wünschenswert gemacht hatte. 

Seit dem 1. Juli 1867 ist Kanada keine englische Kron-Kolonie 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 323 

mehr, sondern eine eigene Kolonial -Macht, eine Vereinigung der 
7 Provinzen und 4 Territorien: Neu -Schottland, Neu-Braunschweig, 
Prinz Edward-Insel, Quebek, Ontario, Manitoba und Britisch Columbia 
beziehungsweise Assiboia, Ahabasca, Saskatehewan und Alberta. 

Nur der kleinste Teil der Bevölkerung ist national englisch, und 
mit jedem Jahr gestaltet sich das Verhältnifs für das Mutterland 
ungünstiger. Selbst Engländer und Schotten zusammengezählt stehen 
nur in der Zahl von Millionen Seelen einer starken Million Franzosen 
und einer kleinen Million Iren gegenüber. Mit Vorliebe führen die 
Franzosen noch immer die französischen Farben — der Trikolore — 
bedienen sie sich der französischen Sprache und nicht selten geben 
sie vor, kein Englich zu verstehen. Die in Kanada lebenden 200 000 
Deutschen halten sich gleich den neuerdings in grofser Zahl ein- 
wandernden Skandinaviern den nationalen Kämpfen fern. Dagegen 
weifs sich, wie in den Vereinigten Staaten das irische Elemont, durch 
seine politische Zügellosigkeit, wie durch seinen katholischen Eifer 
hervorzuthun und Einflufs zu erringen. Zu England steht es wie in 
der Heimat in schroffem Gegensatz. 

Vor Zeiten bildete in Kanada das altfranzösische Element dasjenige 
der Ruhe und Loyalität. Wesentlich seiner Treue hatte, während des 
nordamerikanischen Revolutionskrieges, England die Behauptung seiner 
kanadischen Herrschaft zu verdanken. Die national-englische Be- 
völkerung sympatisirte dazumal mit den Virginiem, aber die Zeiten 
haben sich geändert und. der Eintritt Kanadas in den Weltverkehr — 
durch die interoceanische Bahn — vollendet, was die verworrenen 
und ärgerlichen Verfassungsstreitigkeiten resp. die innerprovinziellen 
Kämpfe von 1820 bis 1807 zu thun übrig gelassen haben. Wie das 
irische blickt auch das französische Element nach Süden, und der in 
den Vereinigten Staaten geradezu rapide Aufschwung des Katholieismus 
büdet in dieser Richtung einen weiteren Ansporn. Sind hier doch 
allein unter dem Pontifikat Leo XIII. 2 Bistümer zu Erzbistümern 
erhoben und 22 Bistümer neu gegründet worden. 

Von der Gesinnung der unteren Volkssclücht gab in den 80 er 
Jahren der Aufstand des französischen Halbindianers Louis Rid ein 
beredtes Zeugnifs. Nachdem er bereits 1869 bis 70 in Manitoba die 
Fahne der Empörung entfaltet, wurde der im Jahre 1885 erneut 
erregte Aufstand durch den jetzigen Lord Wolseley niegergeschlagen, 
Louis Rid hingerichtet. 

Seitdem nun Rufsland am 11. November 1867, um seine Interessen- 
Gemeinschaft mit Amerika ins rechte Licht zu stellen, seinen Anteil 
an Alaska an die Vereinigten Staaten verkauft hat und die Dominions 
of Kanada nunmehr von 2 Seiten durch die grofse westliche Republik 



Digitized by Google 



324 L>ie strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 

umspannt werden, machen dort die genannten Parteien aus ihren 
Bestrebungen, die Verschmelzung mit dem nordamerikanischen Freistaat 
herbeizuführen, schon längst kein Geheimnifs mehr. Treten kriegerische 
Verwickelungen ein, von denen England in mehr wie einem Weltteile 
nicht unberührt bleiben kann, dann dürfte auch die kanadische 
Frage der Lösung entgegenreifen. 

Wir haben bereits hervorgehoben, dafs seit Mitte der 80 er Jahre 
sich in den Vereinigten Staaten eine auffällige Rührigkeit auf allen 
militärischen Gebieten geltend gemacht hat, welche in erster Linie 
der Landes -Verteidigung und zwar der Küstenbefestigung und der 
Schaffung einer Kriegsflotte zu gute gekommen ist. 

Bis vor 10 Jahren bestand diese letztere nur aus einer ver- 
hält nifsmäfsig kleinen Zahl veralteter Fahrzeuge mit geringer Fahr- 
geschwindigkeit und schwacher Armirung, wie sie zum grofsen Teil 
bereits am Sezessions-Kriege Teil genommen hatten. Selbst die Monitor? 
waren noch mit glatten Geschützen ausgerüstet. Zuerst im Jahre 
1883, vorzugsweise aber seit dem Jahre 1885 wurde mit vermehrten 
Mitteln die Schaffung einer neuen Flotte in Angriff genommen. Da 
man aber von dem Grundsatze ausging, sich vom Auslande gänzlich 
unabhängig zu machen und die amerikanische Industrie hinsichtlich 
des Schiffsbaues und der Waffenfabrikation, sowie aller Hilfezweige 
noch wenig entwickelt war, so mufstc schon aus diesem Grunde 
längere Zeit vergehen, bevor eine Flotte geschaffen werden konnte, 
welche, selbst wenn das nötige Personal zur Bemannung derselben 
zur Verfügung gestanden hätte, der Aufgabe, die amerikanischen 
Küsten gegen eine europäische Flotte zu verteidigen, gewachsen ge- 
wesen sein würde. Seit don Bürgerkriegen war aber auch die Handels- 
marine sehr zurückgegangen, der bei weitem gröfste Teil der ameri- 
kanischen Ein- und Ausfuhr fuhr unter fremder Flagge — im Jahre 
1S89 noch 8ti,25% — s ° dafs auch der Mangel an seetüchtiger 
Mannschaft der schnellen Entwickelung der Marine hindernd entgegen- 
trat. So erübrigte denn nun in erster Linie die Küstenbefestigung 
und die Fabrikation schwerer Goschützrohre in Angriff zu nehmen, 
beim Schiffbau ein entsprechend langsames Tempo einzuschlagen. 
Bei New -York, Boston, Philadelphia, Washington, Hampton Roads, 
Charleston, New- Orleans und San Francisco wurden unter ausgedehnter 
Verwendung von Panzerbauten, schwerer Geschütze für Hohl- und 
Dynamit-Geschosse, auch Torpedo-Stationen, umfangreiche Befestigungs- 
Anlagen erbaut, zugleich bedeutende Mittel für die Erweiterung der 
Staatswerften und der zugehörigen Maschinen -Werkstätten, Geschütz- 
Giefsereien und Eisenwerke bewilligt. 

Zur Prüfung der Landes -Verteidigungs- Frage wurde ferner un 



Digitized by Google 



Die strategische Bedeutung der kanadischen Paeific-Bahn. ;VJ5 

Jahre 1890 eine Kommission (Naval Policy Board) ernannt, um zu 
beraten, welche Ziele mittelst der Kriegsflotte zu verfolgen, wie und 
in welcher Stärke sie dementsprechend zusammenzusetzen sei. 

Die in Amerika zur Zeit herrschende Ansicht über die politische 
Lage des Landes gelangt in dem von dieser Kommission der Regierung 
eingereichten Bericht so klar zum Ausdruck, dafs es angezeigt sein 
dürfte, denselben auszugsweise wiederzugeben. 

Zunächst spricht sich der Bericht über die günstige politische 
Lage Amerikas aus und kommt zu dem Schlüsse, dafs nicht leicht 
ein Staat unabhängiger und selbstständiger dastehen könne, es fehle 
dagegen nicht an Anzeichen, dafs in nicht zu langer Zeit Änderungen 
eintreten könnten, welche Amerika zu den verschiedensten Nationen 
in allen Weltteilen, vor allen Dingen zu den nächsten Nachbarn, 
in einen scharfen Gegensatz der Interessen setzen würden. Der 
Bericht fährt dann wörtlich fort: „Es sind ferner die Schwierigkeiten 
in Kanada, welche in den Vereinigten Staaten ein empfindliches Mifs- 
trauen gegen seinen Mangel an Kriegsbereitschaft erweckt haben, 
welches durch die weitere Entwickelung der Landmacht iii keiner 
Weise gehoben werden kann. Dem Bewufstsein, dafs der atlantische 
und paeifische Ocean einer feindlichen Invasions-Armee ein unüber- 
windliches Hindernifs entgegenstellen, steht die bedauerliche Thatsachc 
gegenüber, dafs die langgestreckten Küsten Amerikes jedem Gegner, 
der in der Lage ist, sie zur See angreifen zu können, eine starke 
Versuchung sind. Amerika hat nur einen Angriff von der Seeseite 
zu fürchten und es handelt sich darum, einem solchen zu begegnen." 

Der Bericht berührt hiernach die Unzulänglichkeit der maritimen 
Streitkräfte Amerikas fremden Seemächten gegenüber und berechnet, 
dafs der Geldwert der Ein- und Ausfuhr des Landes auf dem Seewege 
etwa (> Milliarden Mark beträgt und dafs der Geldwert des Küsten- 
handels mindestens dieselbe Höhe erreicht, wogegen der Schaden, der 
durch eine Blockade herbeigeführt werden würde, sich überhaupt 
nicht annähernd feststellen liefse. Von der Ansicht ausgehend, dal's schon 
eine 3 monatliche Blockade New-Yorks in ihren Folgen mehr Unheil an- 
richten würde, als ein Bombardement der Stadt, gelangt die Kommission 
zu dem Schlüsse, dafs mit gröfstmöglicher Eile dahin zu streben sei, 
eine Kriegsflotte zu schaffen, welche nach Zahl und Bauart ihrer 
Schiffe im Stande sein müfste, jeder Seemacht der Welt gegenüber 
den amerikanischen Handel zu schützen, die Blockade seiner Häfen 
zu verhindern. 

Den in dieser Richtung angestellten Berechnungen wurden durch- 
gehends die für einen Krieg mit England unter günstigon Verhältnissen 
verfügbaren Stärke -Verhältnisse der onglischen Kriegsflotte zu Grunde 



Digitized by Google 



32G 



Die Htrategwche Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 



gelegt und der Neubau von 92 Kriegsschiffen in Zeit von 13 Jahren 
beantragt, auch besonderes Gewicht darauf gelegt, dafs die amerikanische 
Flotte im Stande sein müsse, sofort bei Ausbruch eines Krieges aus- 
zulaufen, um eines Teils in gröfsercr Entfernung von der Küste zu 
operiren, anderen Teils um innerhalb einer Entfernung von 1000 See- 
meilen von der Küste alle feindlichen Marine- und Kohlen-Stationen 
zu zerstören und die eigenen Häfen offen zu erhalten, während einzelnen 
besonders schnellen geschützten Kreuzern für weite Fahrt, sogenannte 
Commerce Destroyers, die Aufgabe zufiele, auf allen Meeren durch 
Vernichtung seiner Handelsschiffe und Kreuzer jeder Art dem Gegner 
möglichst viel Abbruch zu thun. Vorzugsweise sollte sie hiernach 
aus einer kleinen Zahl von Schlachtschiffen für weite Fahrt, einer 
gröfseren Zahl für kurze Fahrt, Kreuzern einschliefsbch der Handels- 
zerstörer und Rammschiffen bestehen, zu denen noch, über die oben- 
genannte Zahl von 92 Schiffen hinaus, 100 Torpedo-Boote binzutreteo 
sollten. 

Wenn nun auch die Kongrefs- Regierung diesem Antrage vorläufig 
nur teilweise zugestimmt und nur eine verhältnifsmäfsig geringe Zahl 
von Schiffen in Auftrag gegeben, so hat sie sich doch hinsichtlich 
der Klasse der Schiffe die in dem Berichte niedergelegten Grundsätze 
zu eigen gemacht und damit gewissermafsen den Landes -Verteidigungs- 
plan genehmigt. Es erscheint somit nicht unwahrscheinlich, dafs auch 
derFlottengriindungsplan in seinem ganzen Umfange, wenngleich nicht in 
so kurzer Zeit, zur Durchführung gelangen ward. Ganz abgesehen von 
finanziellen Rücksichten ist in dieser Richtung jedenfalls die für diese Auf- 
gabe ungenügende Entwickelung der amerikanischen Industrie be- 
stimmend gewesen, da dieser, wie wir schon früher angeführt haben, 
ohnehin noch nicht die genügende Erfahrung im Entwerfen und Bauen 
von Kriegsfahrzeugen, noch in der Fabrikation von schweren Geschützen 
und Panzerplatten zur Seite steht, deren Anfertigung aber unabhängig 
vom Auslande durchgeführt werden soll. Auch ist es kaum wahr- 
scheinlich, dafs die vorhandenen Werften und Geschützgiefeereien 
dieser Aufgabe gewachsen sein werden. Für ihre Erweiterung sind 
daher bedeutende Geldmittel bewilligt worden. Keinen falls würde 
aber ein ausreichendes Personal zur Bemannung der Schiffe in so 
kurzer Zeit zu beschaffen sein. 

Wenn wir bei den militärischen Mafsnahmen der Vereinigten 
Staaten etwas länger verweilt haben, so geschah es, weil sie schlagender 
als alles Andere die Wandlungen zum Ausdruck bringen, welche sich 
in der Politik Amerikas vorbereiten, weil sie darauf schliefsen lassen, 
dafs diese Macht den Moment nahen sieht, wo auch sie ein ent- 
scheidendes Wort in den schwobenden Fragen mitzureden hat. 



Digitized by Google 



Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 



327 



Es liegt durchaus kein Grund zu der Annahme vor, dai's die 
Vereinigten Staaten sich gewaltsam in den Besitz Kanadas setzen 
werden, sie dürfen geduldig ihre Zeit abwarten, denn es ist mehr 
wie wahrscheinlich, dafs bei dem ersten Kanonenschufs, der in Europa 
oder Zentral-Asien fällt, sofern dieser Krieg England in Mitleidenschaft 
zieht, der Anschlufs der Dominions of Kanada an den erstgenannten 
Freistaat sich ohne dessen Zuthun vollzieht; dafs dieser aber gewillt 
ist, den neuen Besitz mit allen Mitteln zu behaupten, dafür bürgen 
seine Vorbereitungen für die Landes -Verteidigung. 

Darum, wir wiederholen es, ist der strategische Wert der 
kanadischen Pacific-Bahn für England nur ein sehr geringer. Im 
Frieden nur für die Verbindung mit Vancouver und Yokohama, allen- 
falls noch für Shanghai von Wert, bedingt diese Etappenstrafse für 
alle übrigen Marine-Positionen einen Umweg, für die meisten auch 
einen Verlust an Zeit, trotz der Benutzung der Eisenbahn auf dem 
Überlandwege. Für den Kriegsfall kann sie aber nur dann in Frage 
kommen, wenn zuverlässige Garantien für die Haltung Amerikas vor- 
liegen, eine Bedingung, auf deren Erfüllung in dem nächsten grofsen 
Kriege Englands keinenfalls zu rechnen ist. 44. 



XXV. 

Das russische Drei -Linien -Gewehr 
und seine Verwendung. 

Die Umbewaffnung der russischen Armee schreitet ununterbrochen 
vorwärts, und der Zeitpunkt ist nicht mehr fem, an welchem die 
ganze Armee einheitlich mit dem neuen kleinkalibrigen Magazingewehr 
bewaffnet sein wird. Als letzte der grofsen europäischen Armeen hat 
die russische sich zur Annahme eines Magazingewehres entschlossen, 
und es hat schwere Kämpfe gekostet, bevor dieser Entschlufs Ver- 
wirklichung finden konnte. 

Als Hauptkämpfor gegen ein Magazingewehr war General Drago- 
mirow mit der ganzen Macht seiner Autorität in die Schranken getreten 
da seiner Überzeugung nach, eine Erhöhung der Schiefsgeschwindigkeit 
unbedingt eine Verminderung der Treffgenauigkeit zur Folge haben 
müsse. „Keinem Zweifel unterliegt jene physische Thatsache, dafs der 



Digitized by Google 



328 



Da« russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 



Mensch, je mehr er zur Erreichung irgend eines, namentlich eines 
Gefechts-Zwecks, auf das Werkzeug hofft, um so weniger sich selbst ver- 
traut .... Wovon hängt ein erfolgreiches Schielsen ab? Von Treff- 
genauigkeit und Schnelligkeit. Was ist wichtiger: Treffgenauigkeit oder 
Schnelligkeit? Darüber kann kein Zweifel bestehen. Befinden sich 
diese Begriffe in Übereinstimmung oder in .Widerspruch zu ein- 
ander, d. h. wächst oder verringert sich die Treffgenauigkeit mit zu- 
nehmender Feuergeschwindigkeit? Sie befinden sich in Widerspruch, 
d. h. die ideale Feuergeschwindigkeit schliefst die Treffgenauigkeit, 
die ideale Treffgenauigkeit die Feuergeschwindigkeit völlig aus. 
Kin schnelles Schicfsen ist im Grunde ein Unding; seinen Eigenschaften 
nach kann der Mensch von einer solchen Beschleunigung keinen 
Gebrauch machen, denn er vermag nicht in gleichem Mafsc schneller 
die Entfernung zu schätzen, das Visir zu stellen, zu zielen. Indessen 
ist die Verführung, von dieser Schnelligkeit Gebrauch zu machen, 
grofs, und das Geknalle beginnt. Die Grundlage aber für jede Feuer- 
Taktik mufs ein möglichstes Sparen der Patronen bilden, d. h. ein 
Schicfsen nur bei wirklicher und grofser Treffwahrscheinlichkeit, ohne 
jemals darauf zu rechnen, dafs die Kugel von selbst ihr Ziel findet. 
So ist es gewesen, und so wird es stets sein, und, um so mehr, je 
gröfser die Treffgenauigkeit einer Waffe ist. Eine Treffwirkung durch 
Schiefsgeschwindigkeit erzielen zu wollen, hätte man allenfalls damals 
können, als man auf 300 Schritt nicht sicher war, ein dreistöckiges 
Haus zu treffen; da inufste man allerdings unwillkürlich auf den Gedanken 
kommen, die mangelnde Qualität der Schüsse durch ihre Quantität zu 
ersetzen. Jetzt aber müfste doch wohl ein Jeder einsehen, dafs, wenn 
das Geschofs nicht trifft, dieses nicht Schuld der Waffe, sondern 
Schuld des Schützen ist, indem er nicht die nötige Aufmerksamkeit 
auf dasjenige verwendet, was den Schufs sicher macht, und was 
seinem Wesen nach nicht übereilt sein darf, da es grofse Aufmerksamkeit, 
Genauigkeit, Umsicht und Ruhe erfordert. Wälde das Ziel, schätze 
die Entfernung, stelle das Visir und ziele, indem du Wind und Be- 
leuchtung in Rechnung ziehst; und dann drücke so ab, dafs du gut 
abkommst. Ist das Ziel verschwunden, so setze ab und schiefse nicht auf 
gut Glück. Allerdings, Vergnügen ist wenig dabei; noch weniger 
Befriedigung des thierischen unüberlegten Instinkts der Selbsterhaltung, 
es wird vielmehr beständige Gedankenarbeit, Selbstbeherrschung, 
furchtbar viel Selbstbeherrschung, und das von dem letzten Soldaten 
verlangt. Ja, so zehn Schufs in ein paar Sekunden zu verknallen, 
das macht Spafs! Ob sie treffen, oder nicht, was thut das! Wir 
verschiefsen viel, irgend etwas davon wird schon treffen! Sehr 
wenig trifft, manchmal auch garnichts . . . Daher ist, unserer 



Digitized by Google 



Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 



320 



festen Überzeugung nach, alles, was den Soldaten geneigt macht, sich 
zu beeilen, schädlich und unsinnig. Uns scheint es, dafs jegliches 
lebhafte Feuer aus der Friedensausbildung, sowohl beim Schiefsen, 
als auch bei den Felddienstübungen, auszuschliefsen ist. Vor Allem 
und hauptsächlich mufs der Soldat in dem Gedanken bestärkt werden, 
dafs das schnelle Laden nur dazu notwendig ist, damit ihm mehr 
Zeit zum Zielen verbleibt, durchaus aber nicht dazu, um mehr 
Patronen zu verschiefsen. Fast täglich mufs er daran erinnert werden, 
dafs er Patronen sparen mufs. So mufs er erzogen sein, dafs er jede 
Kugel, bevor er sie verschiefst, als einen Dukaten, und zwar als seinen 
letzten ansieht. „Sei wie ein Jude auf die Kugel . . . spare eine 
Kugel drei Tage, ja selbst während des ganzen Feldzuges auf, wenn 
du keine Verwendung für sie hast; schiefse langsam, aber sicher ! u 
. . . Das Ideal des Schützen ist, dafs nicht eine Kugel verloren 
gehe; dafs er mit sich nicht 80 Patronen, sondern 80 Tote trage. 
Furchtbar ist es, sich auch nur eine einzige Kompagnie vorzustellen, 
in welcher ein jeder Mann von seinen 80 Patronen auch nur mit 20 
trifft: wahrlich, eine solche Kompagnie würde 3200 Mann, d. h. ein 
Regiment zu vier Bataillonen, aufser Gefecht setzen . . . Wir müssen 
mehr an der Genauigkeit wie an der Geschwindigkeit arbeiten, 
darin liegt mehr Berechnung ... Üb ein Krieg zum Ruin führt, oder 
nicht, das ist im Voraus nicht zu sagen. Die ewigen Umbewaffnungcn 
aber führen sicher zum Ruin . . . Ein Magazin-Soldat (d. h. ein durch 
seine Belastung nicht zu Boden gedrückter, ein disziplinirter und 
nicht erschöpfter Soldat) ist besser, als das beste Magazin-Gewehr . . u 

Mit diesen und anderen Gründen hat General Dragomirow jahre- 
lang, und anfänglich mit Erfolg, gegen Einführung eines Magazin- 
Gewehrs angekämpft, und wenn er auch schliefslich in diesem Kampfe 
unterlegen ist, so ist es doch von Interesse, sich seine Ansichten zu 
vergegenwärtigen, da es bekannt ist, welche Wichtigkeit man in der 
russischen Armee den Anschauungen dieses Generals beimifst. Der 
Ausspruch Ssuworows „Die Kugel geht fehl, das Bajonett fehlt nicht; 
die Kugel ist eine Thörin, das Bajonett aber ist ein braver Bursche" 
ist von Dragomirow zu neuem Leben erweckt worden, und dem- 
entsprechend sucht man auch in der Gefechtsausbildung den Bajonett- 
kampf als das zu erreichende Ziel in den Vordergrund zu stellen. 
In gewisser Beziehung hat man diesen Anschauungen auch bei Ein- 
führung des neuen Gewehrs Rechnung getragen. 

Es würde zu weit gehen, hier eine eingehende Beschreibung des 
Gewehrs zu geben; in Bezug hierauf verweisen wir auf eine vor 
Kurzem erschienene kleine Schrift, welche eine Bekanntmachung mit 



Digitized by Google 



Das russische Drei- Linien-Gewehr und seine Verwendung. 



dem neuen russischen Gewehr bis in die Einzelheiten ermöglicht*). 
Es seien hier nur die charakteristischen Merkmale des Gewehrs, 
namentlich diejenigen Punkte erwähnt, in welchen es sich von unserem 
deutschen Gewehr unterscheidet. 

Das Gewehr ist ein Magazingewehr mit Packetladung; das 
Magazin hat die gleiche Lage, wie beim deutschen Gewehr, d. h. es 
liegt unter der Patroneneinlage der Kammerhülse. Das Kaliber des 
Gewehrs beträgt drei Linien = 7,G*2 mm; das Gewehr wiegt mit Bajonett: 
4,3 kg, ohne Bajonett: 4,0 kg. 

In seinem äufseren Ansehen unterscheidet sich das russische 
Gewehr von dem unsrigen vor Allem dadurch, dafs es ein Bajonett 
hat, welches bei der Infanterie stets aufgepflanzt getragen wird; hierin 
liegt eines der Zugeständnisse, welche von den Ssuworow'schen Über- 
lieferungen von dem „wackeren Burschen" gemacht hat; sogar das 
Dragoner-Gewehr hat ein Bajonett, mit dem Unterschiede allerdings, 
dafs dieses für gewöhnlich in einem Futteral an der Säbelscheide 
getragen und erst beim Absitzen zum Fufsgefecht aufgepflanzt wird. 
Ferner ist das russische Gewehr bis dicht an die Mündung des Laufes 
geschäftet. Einen Laufmantel hatte das anfängliche Modell des Gewehrs 
überhaupt nicht ; in Folge dessen stellte es sich bald heraus, dafs sich, 
nach andauerndem lebhaften Schiefsen, der Lauf derartig erhitzte, 
dafs es unmöglich war, ihn mit der Hand zu umfassen; um diesem 
Cbclstande abzuhelfen, hat man nachträglich dem Gewehr eine Art 
von hölzernen Laufmantel, oder richtiger „Laufbelag'* gegeben; 
dieser Laufbelag ist ein langes muldenförmiges Stück Holz, das oben 
auf den Lauf gelegt und mit seinen messingenen Endstücken unter 
dem Ober- und Unterring befestigt wird; der ganze Lauf ist also vom 
Visir bis dicht an die Mündung ringsum von Holz umgeben; 
dieser Laufbelag erfüllt nur den einen Zweck, die Handhabung des 
erhitzten Gewehrs zu erleichtern, dagegen bietet er selbstredend dem 
Lauf keinen Schutz gegen die Einwirkungen des Schaftes. Das Visir 
ist, wie auch dasjenige des alten Berdan-Gewehrs, ein Treppen- und 
Leiter- Visir und gestattet ein Schiefsen bis auf 2700 Schritt (1920 nu 

Das Schlofs des russischen Gewehrs hat grofse Ähnlichkeit 
mit demjenigen des deutschen Gewehrs, auch ist das Zusammenwirken 
der Schlofsteüe fast genau das gleiche; nur finden wir beim russischen 
Gewehr einen Schlofsteil mehr, nämlich die „Verbindungsleiste'S 
welche die Verbindung des Verschlufskopfs mit der Kammer und dem 



*) Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Schufslcistungen: zweite 
Auflage, mit Zeichnungen im Text und einer Zeichentafel; von Frh. v. Tetta» ? 
Prem. -Lt., komm. z. Generalstabe. Hannover, Hehving, 1894. 



Digitized by Google 



Da« russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 331 



Schlöfschen bewirkt; es kann ferner bei dem russischen Gewehr garnicht 
vorkommen, dafs aus Unachtsamkeit ohne aufgesetzten Verschlufskopf 
geschossen wird. Die Sicherung des Gewehrs wird dadurch bewirkt, 
dafs das Schlöfschen zurückgezogen und dann links gedreht wird, 
wobei es mit einem Sicherungs-Ansatz in eine Ausfräsung am Kammer- 
boden eintritt. 

Das Magazin wird, ebenfalls wie bei unserm Gewehr, mit fünf 
Patronen geladen, und doch finden wir gerade hier, beim Laden des 
Gewehrs, eine wesentliche Abweichung von der Handhabung des 
deutschen Gewehrs. Der Patronenrahmen ist nämlich nur wenig über 
1 cm hoch und umschlicfst nur den untersten Teil der Patronenhülsen ; 
beim Laden nun legt sich der Daumen der rechten Hand vor dem Rahmen 
auf die oberste Patrone und drückt die Patronen in das Magazin 
herunter; der Rahmen dagegen wird nicht mit eingeladen, sondern, 
nachdem die Patronen im Magazin verschwunden sind, fortgeworfen; 
hierdurch nun wieder ist es ermöglicht worden, dem Zubringer des 
Magazins eine solche Form zu geben, dafs er, nach ausgeschossenem 
Magazin, die untere Öffnung der Kammerhülse vollständig ausfüllt, 
so dafs das Gewehr in gleicher Weise als Einzellader, wie als 
Mehrlader verwandt werden kann. Auch hierin kann man ein 
Zugeständnifs an die Gegner der Magazingewehre erblicken. 

Dieses sind im Grofsen und Ganzen die charakterischen Eigen- 
tümlichkeiten in der Einrichtung des Gewehrs. Wenden wir uns 
jetzt zu seiner Leistungsfähigkeit, so schon wir, dafs letztere im 
Allgemeinen den an ein modernes Gewehr zu stellenden Anforderungen 
entspricht. 

Die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beträgt, wie beim 
deutschen Gewehr, 620 m. 

Die Einfallwinkel sind auf Entfernungen bis 1000 m die gleichen, 
auf weiteren Entfernungen aber gröfsere, als beim deutschen Gewehr; 
dementsprechend ist auch die Gesammtschufsweito des ersteren 
eine geringere (bei einem Erhöhungswinkel von 31° 3(>' — 3057 m, 
während die deutsche Schiefsvorschrift bei einem ungefähr gleichen 
Erhöhungswinkel die Schufsweite auf 4000 m angiebt). 

Die Flughöhen sind für die gleichen Entfernungen bei beiden 
Gewehren ziemlich die gleichen; da aber das niedrigste Visir des 
russischen Gewehrs auf 284 m (400 Schritt) Kernschufs hat, so sind 
die Flughöhen bei diesem Visir durchschnittlich um 0,1 m gröfsere 
als beim Standvisir des deutschen Gewehrs. 

Die Gröfse der bestrichenen Räume ist beim russischen und 
deutschen Gewehr ebenfalls ungefähr die gleiche, nur in einem 
Punkte ist die Leistungsfähigkeit des russischen Gewehrs derjenigen 



Digitized by Google 



332 



Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 



des deutschen weit unterlegen, und zwar bez. der Treffgenauigkeit; 
die Seitenstreuung ist beim russischen Gewehr fast doppelt so grofs, 
als beim deutschen Gewehr, so beträgt sie z. B. auf 500 m — 106 cm 
(beim deutschen Gew. 53 cm); die Höhenstreuung ist auf den nahen Ent- 
fernungen ebenfalls eine weit gröfsere (auf 150 m — 34 cm; beim 
deutschen Gewehr 17 cm), gleicht sich aber auf den weiteren Ent- 
fernungen aus (auf 500 m — russ.: 115 cm, deutsch.: 102 cm). 

Die scharfe Patrone ist ebenfalls der deutschen sehr ähnlich, 
nur hat sie einen Patronenboden mit Krempe; ihr Gewicht beträgt 
20,2 gr. — Das Geschofs (14 gr.) besteht aus Hartblei und ist in einen 
Mantel von Melchior gepresst, die Pulverladung beträgt 2,22 gr. rauch- 
losen Pyroxylin-Pulvers. 

Was nun die Verwendung des Gewehrs betrifft, so geht durch 
die ganze russische Schiefsvorschrift das Bestreben, der Salve den Vor- 
zug vor dem Schützenfeuer zu geben. Es hcifst dort u. A.: 
. . . „Massenfeuer, von Abteilungen in der Stärke von V» Kompagnie, ist 
namentlich als Salvenfeuer abzugeben . . . u ferner: „. . . Die Feuerpausen 
geben die Möglichkeit, beim Erscheinen eines neuen Zieles alle Gewehre 
auf dieses Ziel zu richten und Salven anzuwenden, welche wirk- 
samer als Schützenfeuer sind . . Dementsprechend wird auch 
bei der Schiefsausbildung grofses Gewicht auf Salvenschiefsen gelegt; 
so schiefst die Infanterie, abgesehen von gefechtsmäfsigen Schiefs- 
übungen, auf dem Scheibenstande 5 Salven in ausgeschwärmten 
Zügen auf Entfernungen zwischen 570 und 850 m, 5 Salven in Halb- 
kompagnien in Linie auf Entf. zwischen 850 und 1300 m, und 10 Salven 
in Kompagnien in Linie auf Entf. zwischen 1420 und 1850 m; die 
Kavallerie schiefst 5 Salven in ausgeschwärmten Zügen, 10 Salven 
aus Eskadrons in Linie, auf Entf. zwischen 1400 und 1700 m. Da- 
gegen ist die Ausbildung im Einzeln-Schulschiefsen eine sehr schwache, 
im Einzeln -Gefeehtssehiefsen überhaupt nicht vorhanden und im 
Abteilungsschiefsen eine sehr wenig gefechtsgemäfse. 

In Bezug auf die Feuergeschwindigkeit sind die Mannschaften 
so zu erziehen, dafs nicht mehr als 2—3 Schilfs von jedem Mann 
in der Minute abgegeben werden, wenn es erforderlich ist, das Feuer 
ununterbrochen zu unterhalten. Aulser Salve und Schützenfeuer 
kennt die russische Vorschrift keine weiteren Feuerarten. Das Ver- 
fahren, etwaige Schätzungsfehler auf weiten Entfernungen durch Wahl 
von zwei um 100 m auseinanderbiegenden Visirstellungen einigermafsen 
auszugleichen kennt die russische Vorschrift nicht. 

Dagegen wird grofses Gewicht auf das „ Entfernungsschätzen 
nach dem Augen mafs u gelegt. Offiziere und 20 Mann von jeder 
Kompagnie und Eskadron sind im Entfernungsschätzen bis zu 



Digitized by Google 



Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 



333 



3000 Schritt zu üben. Die Übungen im Entfernungsschätzen finden 
in unbekanntem Gelände statt; bei der Infanterie sowohl als auch 
bei der Kavallerie haben jährlich mindestens 9 solcher Übungen statt- 
zufinden; bei jeder Übung hat jeder Mann mindestens 4 Entfernungen 
zu schätzen. Aufserdem sind alle Offiziere im Schätzen von Ent- 
fernungen bis zu 3000 Schritt vermittelst des Entfernungsmessers 
zu üben. — Man beschränkt sich also in Rufsland darauf, nur wenige 
Leute, diese aber gründlich im Entfernungsschätzen auszubilden. Sehr 
zweckmäfsig erscheint die Bestimmung, dafs die Übungen in un- 
bekanntem Gelände, und nicht etwa, wie es so häufig bei uns geschieht, 
auf dem nach allen Richtungen hin bekannten Exerzirplatz stattfinden. 
Bemerkenswert ist es ferner, dafs die Ausbildung der Offiziere im 
Entfernungsschätzen unter Leitung des Bataillons-Kommandeurs statt- 
findet, während bei uns leider für die Übung der Offiziere im Eni* 
fernungsschätzen, namentlich auf weiten Entfernungen, im Allgemeinen 
recht wenig geschieht. 

Dieses sind die Grundzüge für die Verwendung des neuen 
russischen Gewehrs. In ihm besitzt die russische Armee eine treff- 
liche kriegsgemäl'se Waffe, und wenn ihre Verwendung auch mit den 
bei uns herrschenden Anschauungen vielfach in Widerspruch steht, 
so darf man auch nicht vergessen, dafs die russische Armee mit 
anderen Bedingungen, vor allen Dingen mit einem anders gearteten 
Menschenmaterial zu rechnen hat. Jedenfalls steht die russische 
Armee, nach vollendeter Umbewaffnung, in Bezug auf die Leistungs- 
fähigkeit ihres Gewehrs — hinter keiner anderen Armee zurück. 42. 



XXVI, 

Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen. 

1. Ein militari sehen Erinnerungszeichen ans dem Jahre 1793. 

Im vorigen Jahrhundert war es Sitte, das Andenken an hervorragende 
Waffenthat durch Medaillen zu verherrlichen, welcne den an derartigen 
Ereignissen besonders ruhmvoll Beteiligten zur Erinnerung verliehen 
wurden. Wir erinnern an die Molwitzer, Soorer und Leuthener, dann 
die Colberger Medaille, zur Erinnerung der Verteidigung von Colberg 
gegen die Russen 1700. Der Nachfolger Friedrichs des Grofsen, 

Jihxbttcher fttr die LHuUche Arme« und Marine. Bd. VUIC, 3. 22 



Digitized by Google 



Kleine heeresgeachichtliche Mitteilungen. 



Friedrich Wilhelm II., hat diesen Brauch beibehalten. — Eine in 
meinem Besitz befindliche, aus dem Nachlasse meines Urgroßvaters 
stammonde Medaille ist zum Andenken an die Eroberung von Mainz 
geschlagen worden. Dieselbe ist von feinem Silber in Gröfse eines 
Thalers. Die Vorderseite zeigt das wohlgetroffene Brustbild (Profil) 
des Königs in der Uniform jener Zeit, am Rande die Inschrift: 
„Friedr. Wilh. II. Selbstverteidiger Des Deutschen Reiches/ 
— Die Kehrseite zeigt das belagerte Mainz, über dessen Thürmen der 
Blitze schleudernde preufsische Adler schwebt. Am Rande die In- 
schrift: „Mainz von den Franzosen befreit", am unteren Teile 
in wagerechter Schrift die Worte: „Mit Deutschen Truppen be- 
setzt d. 2-2. July 1793." Der vormalige Besitzer dieser Medaille ist 
der 1812 gestorbene Major Zorn der Artillerie, mein Urgrofsvater, 
der sich als Pr .-Lieutenant bei der Belagerung von Mainz den Ordea 
pour le merito erwarb. Sek. 

2. Die Kommandeure der Regimenter zur Zeit Friedrich 
Wilhelms betrachteten gewissermafsen ihre Regimenter als eine Do- 
mäne, für deren Abtretung, beim Wechsel des Chefs, der Nachfolger dem 
Vorgänger eine bestimmte Summe bezahlen mufste. — Das Abkommen, 
welches der Oberst v. Bornstädt vom Regiment „Grenadiere zu Pferde- 
des General v. Dertt'linger (im Jahre I H()(i Dragoner-Regiment Nr. 3), 
am 21. März 1715 mit seinem Nachfolger, Truchsefs Graf zu Wald- 
burg, traf, bezog sich auf Zahlung von 300 Dukaten, nebst baarer 
Bezahlung der Kompagnie-Schulden, „welche sich jedennoch über 
800 bis 900 Thaler Courant nicht erstrecken werden," in 6 Tagen 
nach Sicht dieses Kontraktes. 

(v. Hagen, Gesch. des neumärk. Drag.-Regts. Nr. 3). 

3. Das Ausehen der preußischen Offiziere zur Zeit 
Friedrichs d. Gr. war auch im Auslande ein sehr grofses, wie folgender 
Vorfall beweist. Der Kommandeur des Regiments Gensdarmes, Oberst 
v. Schwerin, schreibt am 5. August 17(>2 an den König: „Ks hat der 
Burggraf zu Nim wegen, Baron v. Linden, seinen Vetter, Namens Baron 
v. Deelen, in Begleitung eines holländischen Kapitäns anhero geschicket 
und mich gebeten, Ew. Kgl. Majestät unterthänigst zu bitten, diesen 
v. D. als Kornet beim Regiment Gensdarmes zu playiren. Da dieser 
Mensch von sehr vornehmer Familie, auch von sehr gutem Vermögen, 
dabei eine holländische Kompagnie ausgeschlagen hat, um das Glück 
zu haben, Ew. Kgl. Majestät zu dienen, so bitte ich u. s. w. 

(Leben des Gen.-Feldm. D. G. v. Natzmer. S. 447.) Sch. 



Digitized by Google 



XXVII. 

Umschau auf militärtechnischem Gebiet. 



Die Welt-Ausstellung von Antwerpen 1894. 

Die Ausstellung enthält eine grofse Zahl von militärisch wich- 
tigen Objekten, auf welche wir einen allgemeinen Blick werfen wollen. 
Wir werden dann unter den passenden Aufschriften noch Einzelheiten 
ergänzungsweise hinzufügen. 

Als Staatswesen haben sich nur das Königreich Belgien und 
der mit demselben innig verwachsene unabhängige Kongo Staat be- 
teiligt. Belgien präsentirt so ziemlich sein ganzes Armee -Material, 
zum Teil auch seine Armee-Geschichte, die Kartographie und die 
dem Interesse des Heeres dienende Litteratur. Besonderes Neues 
wird im Allgemeinen nicht geboten. Der Kongostaat stellt uns sein 
lebendes Material in prächtigen Exemplaren vor und u. a. in Nach- 
bildung die Transportweise der in dem unwegsamen Lande allein 
denkbaren Artillerie. 

Von der Privat-Industrio der verschiedenen Länder haben 
Kriegs-Material aufser Belgien Frankreich, Österreich, Deutschland, Eng- 
land ausgestellt; eine Spur von Beteiligung zeigen auch die Niederlande. 
Von England haben sich drei Firmen durch Ausstellung von Schiffs- 
Modellen beteiligt, Armstrong, Mitchell and Co. in New Castle 
o/T., Fairfield Shipsbuilding and Engineering Co. in Glasgow und 
James and George Thomson (Limit.) Clydebank. Armstrong 
hat das in dem Mittelmeer untergegangene Schlachtschiff „Victoria" 
(10 510 t), sowie den argentinischen Kreuzer „25 de Mayo" (3180 t) 
und den japanischen Kreuzer „Yoshino" (2800 t), Fairfield die 
russische Kaiser -Yacht „Livadia" (11 802 t), Thomson das englische 
Schlachtschiff „Ramillies" (14 300 t) und den spanischen Panzerkreuzer 
„Reina Regente" (5600 t) vorgeführt. An Schiffs -Modellen zeigt der 
Vulkan in Stettin das Panzerschiff I. Kl. „Brandenburg" (10 000 t), 
den Aviso „Comet" (1)75 t), beide 1803 vom Stapel, sowie das bereits 

22* 



Digitized by Google 



336 



Umschau auf miütartechnischem Gebiet, 



1883 abgelaufene chinesische Turinschiff „Ting-Yuen" (7350 t), die 
„Nederlandsehe Stoomboot Maatschappij " zu Feijenvord bei 
Rotterdam das Modell des Kriegsdampfers „Java" der Kolonial-Marine 
(1300 t, 1885 abgelaufen). 

Armstrong bietet das Modell des früher erwähnten konischen 
Schrauben -Verschlusses und eine Verschwind-Laffete mit Sehutzschirm 
für Landbefestigung. 

Von Deutschland sind aufser dem „Vulkan" noch die 
„Deutsche Metallpatronenfabrik Karlsruhe" mit zahlreichen 
Mustern von Messinghülsen für Gewehr- und Geschütz-Patronen sowie 
von Mantelgeschossen (v. a. Umschau Dez. 1892). und Polte, Armatur- 
und Patrononfabrik in Magdeburg -Sudenburg mit Metallpatronen 
und deren Teilen sowie mit Geschütz- Patronenhülsen vertreten (tägliche 
Leistung 200 000 Gewohr-Patronen, 1000 Granatzünder). Die Geschütz- 
Industrie Deutschlands hat sich gänzlich fern gehalten. 

Von der belgischen Privat -Industrie sind die Firma Henri 
Pieper, mechanische Waffenfabrik zu Lüttich, die National- 
Waffonfabrik in Herstal, die „Societe anonyme pour la 
fabrication des cartouches et projectiles" zu Anderlecht 
(Brüssel) und St. Etienne (Frankreich) auf dem Gebiete der Hand- 
feuerwaffen bezw. deren Munition, John Cockerill in Seraing durch 
Geschütz-Industrie, die Maas-Gesellschaft (Societe anonyme des 
atelier8 de construetion de la Meuse) durch Panzerplatten, Panzer- 
türme und Panzergeschosse vertreten. Mit der belgischen Kriegskunst- 
Ausstellung ist noch die „Maxim Nordenfeit Guns and Ammunitions 
Company" (limited), ferner die Societe anonyme de la Poudrerie de 
Wetteren in enger Verbindung. 

Österreich (nicht das auf der Ausstellung ostentativ geschiedene 
Königreich Ungarn) hat zunächst auf dem Gebiet der Patronen- 
erzeugung eine sehr reichhaltige Ausstellung der Firma Arthur 
Krupp, Berndorf (Nieder -Österreich) — „Berndorfer Metallwaaren- 
Fabrik", enthaltend Patronenhülsen für Geschütze und Gewehre, 
Nickelmantelgeschosse. Es ist bisher wenig von der umfassenden 
Fabrikation dieses Etablissements auf genanntem Gebiete bekannt ge- 
worden. Dasselbe hat sein Absatzgebiet nicht blofs in Österreich, sondern 
zählt auch das deutsche Reich und namhafte deutsche Industriefirmen 
zu seinen Abnehmern. Für Schweden lieferte dasselbe 8 und 6,5 mm 
Nickelmantelgeschosse, letztere zu dem kürzlich «angenommenen Mauser- 
Gewohr M/93. Die ausgestellten Messing-Patronenhülsen gehen bis 
zum 15 cm Kaliber hinauf; es sollen indefs noch gröfsere Kaliber ge- 
fertigt werden. Der Inhaber der Firma Arthur Krupp (Vetter von 



Digitized by Google 



Umschau auf militärtechnischem Gebiet. 



337 



Fried. Alfred Krupp in Essen) ist einer der Vicepräsidenten der 
österreichischen Ausstellungs-Komniission. 

Die Firma E. Skoda, Gufsstahlhütte, Maschinen-, Stahl- und 
Waffen-Industrie zu Pilsen (Böhmen) hat zwei Schnellfeuerkanonen 
von 47 mm und 37 mm eigener Konstruktion ausgestellt, dieselben 
funktioniren ausgezeichnet. Ferner sieht man hier die für Festungen 
eingeführte Mitraillcuse M/93 vom 8 mm Kaliber, Konstruktion von 
Erzherzog Karl Salvator und Major Ritter von Dormus (vergl. Umschau 
März 1894). Als Rückstofslader gestattet sie nicht den Gang des 
Mechanismus ohne wirkliches Schiefsen getreu wiederzugeben. E. Skoda 
ist sowohl in Klasse 21 (Metall-Industrie) als 23 (Motoren etc.) und 
58 (Schiffsbau etc.) vertreten. Aufscr den genannten Erzeugnissen 
findet man noch diverse Munitions-Sorten und Schiffsschrauben. 

Isaac Mautner & Sohn, Baumwollspinnerei etc. in Böhmen, 
Hauptsitz Wien, Lieferanten für die k. k. Landwehr und k. ung. 
Ilonveds, haben verschiedene Konstruktionen von Militär-Zelten aus- 
gestellt. Darunter befindet sich das aus 4 Mänteln besonderer Kon- 
struktion hergestellte verlängerte Zelt für 4 Mann, zugleich sieht man 
die Trageweisc des Mantels an einer Puppe. 

Am hervorragendsten ist (aufser Belgien) die private Kriegs- 
Industrie von Frankreich vertreten. Wir finden 1. Schneider 
et Cie., Forges, Acieries et Ateliers de coustruetion au Creusot 
(Saone et Loire), 2. Compagnio des Hauts-Fourneaux, Forges et Acieries 
de la Marine et des Chemins de fer ä St. Chamo nd (Loire), 3. Societe 
anonyme des Forges et Chantiers de la Mediterranee in Marseille, 
La Seyne, Le Havre, Graville mit dem Materiel d'Artillerie 
Canet; 4. Forges de Chätillon-Commentry in Montlucon (Allier); 
5. Compagnie Francaisc des Mctaux, Paris; 6. Brunon, 
Maitre de Forges ä Rive-de- Gier; 7. Societe Francaisc des Armes 
portatives, St. Denis -Paris mit dem Fusil Daudeteau (6,5 mm). 
Von den Firmen 1. bis 6. ist 3. lediglich mit Artillerie-Konstruktionen 
vertreten, die übrigen 5 haben auch andere Objekte der Metallurgie, 
die bei 5. und 6. vorwalten, bei 1., 2. und 4. sind Panzer-Kon- 
struktionen vertreten, die bei 4. sogar vorwiegen. Die Werke Creusot 
und St. Chamond haben Konstruktionen von Schnellfeuer- Feld- 
geschützen mit beschränktem Rücklauf ausgestellt, die wir mit den 
entsprechenden Konstruktionen von J. Cockerill in Seraing unter 
besonderer Aufschrift (S. 346 etc. Feldgeschütze mit beschränktem 
Rücklauf und Schnellfeuergeschütze) betrachten werden. 

Schneider et Cie (Creusot) hat in Kl. 19 die Nachbildung 
einer Panzerplatte von 27 cm Stärke, welche mit 4 Schufs aus der 
1 5,24 cm Kanone mit einem Geschofs von 45,3 kg und 632,4 m Auf- 



Digitized by Google 



338 



Umschau auf militartechnischem Gebiet, 



tretY-Geschwindigkeit belegt gewesen ist. In gehärtetem Nickelstahl 
sind 2 Platten von 7,2 und von 2 cm ausgestellt, welche als Masken 
dienen sollen. Die erste ist mit 35 Schüfe aus der 6,5 cm Schnellfeuer- 
Kanone (4 kg Geschofsgewicht, 435 m Geschwindigkeit), die letztere 
mit 61 Schufs aus der 3,7 cm Schnellfeuer-Kanone (0,5 kg, 350 m) 
belegt gewesen. Beide haben ein günstiges Verhalten gezeigt In 
Klasse 57 ist die Stahlbrücke System Morand (Rhone bei Lyon), die 
zerlegbare Kisenbahnbrüeke System des Generals Marcille, Spannung 
45 m, ferner die Feldbrücke des Oborstlieuts. Pfund ausgestellt. Die letzte 
ist 1,2 m breit, für Infantere in Reihen (2gliedrig), Kavallerie zu 
Einem abgesessen; 21,10 m Lange wiegen 1530 kg. — Die beiden 
schweren Geschütze: 15 cm Schnellfeuer-Kanonen L/45 und 27 cm 
Kanone L/30, System Schneider, erstere für Marine- und Küsten-, 
letztere für Küsten - Artillerie (für China geliefert) sind nur in 
photographischer Abbildung ausgestellt. Erstere soll dem Geschofs 
von 40 kg mit 16 kg Pulver BN 820 m Geschwindigkeit verleihen. 
Die letztere hat ein Rohrgewicht von 26,75 t, Geschofs 216 kg, Ladung 
82 kg Pulver PB, Geschwindigkeit 600 m, 12 Mann Bedienung. Wir 
finden ferner in Modellen: Panzerturm für Festungen zu zwei 15 cm 
Kanonen in Laffeten mit hydraulischer Bremse und Ausrenn- Vorrichtung 
(Rücklauf 15 cm), 20 Stück für Bukarest geliefert; Panzerturra für 
Küstenbefestigung zu 2—24 cm Kanonen; hydraulische TurmlafTete 
für die 30 cm Kanone. Für Marine-Zwecke: Lancier-Rohr für Schwarz- 
kopf-Torpedos (35,55 cm) auf Central- Pivot -Laffete (Muster der für 
Japan gelieferten); Torpedoboot von 36 m Länge der französischen 
Marine in Modell (21 Knoten); Maschinen für Panzerschiffe und für 
Torpedoboote. 

Von den Werken von St. Chamond bemerken wir hier zunächst 
die Vers ch wind laffete mit hydraulischer Bremse und mit einer auf 
Schienen laufenden eisernen Bettung. Die Konstruktion soll der 
mobilen Verteidigung unter Benutzung von Bahngeleisen dienen, die 
Anregung ist von den 1870 konstruirten gepanzerten Waggons bezw. 
Trains ausgegangen, welche Oberst de Reffye entworfen hatte. Die 
Gesellschaft hat die Idee allmählich weiter ausgebildet. Das Geschütz 
ist die 12 cm Kanone L/30 (20 kg Geschofsgewicht, 600 m Ge- 
schwindigkeit); die Bettung läuft auf einem Geleise von 1,5 m Breite, 
beim Schiefsen ist die Feststellung durch 4 bewegliche Klammern zu 
bewirken. Das Rohr hat in der Feuerstellung eine Höhe von 2,75 m 
über dem Boden und sinkt beim Laden auf 1,1m. Gewicht des Rohres 
1705 kg, der Laffete 8340 kg, Elevationsfähigkeit von + 25° bis — 10°. 
— Eine entsprechend hohe Deckung ist vorausgesetzt. 

Für eine 27,5 cm Kanone ist der Schrauben-Verschlufs System 



Digitized by Google 



Umschau auf militärtechnischem Gebiet. 



339 



Da nuancier ausgestellt, der eine grofse Leichtigkeit der Handhabung 
mit vollständiger Sicherheit bietet. Wir finden ferner die hydraulische 
Bremse für Belagerungs- und Festungs - Geschütze in ge- 
wöhnlichen Räderlaffeten; sie stimmt mit der Bremse der nieder- 
ländischen Artillerie für 15 cm Kanonen überein. 

Der Verschwindturm für 12 cm Haubitzen hat eine vertikale 
Bewegung. Von Panzertürmen finden wir ferner 3 Modelle: Dreh- 
turm für 2 15 cm Kanonen — belgischer Typus, desgl. rumänischer 
Typus, Verschwindturm für 2 15 cm Kanonen mit oscillirender 
Bewegung. 

Von Panzerplatten sind drei verschiedene Exemplare vertreten: 
a) Platte von Feineisen (fer fin), Länge 2,1 m, Höhe 1,07 m, Stärke 
20 cm. b) Platte en AF „qualite speciale", Länge 2,1 m, Höhe 1,48 in, 
Stärke 25 cm; das Metall ist Stahl mit Zusatz von Nickel und Chrom, 
c) Platte wie b), Länge 1,8 m, Höhe 1 m, Stärke 4 cm. d) Platte in 
weichem Gufsstahl für Panzerdeck, Länge 1,6 m, Breite 1,05 m, 
Stärke 3 cm. 

Sämmtliche 4 Platten sind unter den ihrem Gebrauch ent- 
sprechenden Verhältnissen beschossen. 

Die Platte ad a) ist für Panzertürme in Landbefestigungen be- 
stimmt. Sie sollte den Beweis liefern, dafs Platten in Eisen für diesen 
Zweck am geeignetsten sind. Es haben drei Schufs-Serion nach- 
einander stattgefunden, die beiden ersten hatten eine mehr theoretische 
Bedeutung, die dritte fand unter den Verhältnissen statt, welche dor 
Wirklichkeit entsprechen, man gab der Platte eine Neigung, welche 
mit der gekrümmten Form derselben korrespondirt, so dafs ein Auf- 
treffwinkel von 30 0 entstand. Die Geschwindigkeit des Geschosses 
betrug 470 m (15,5 cm Kaliber, Stahl vollgeschofs von besonderer Härte, 
Gewicht 41 kg). Die Eindringungstiefe beim 1. Schufs betrug 3,2 cm, 
sie vergröfsorte sich durch 5 aufeinandergesetzte Schüsse zu 7,6 cm. 
Die Widerstandsfähigkeit erschien danach als eine mehr als ausreichende, 
da ein derartiger Fall in Wirklichkeit nicht leicht denkbar ist. Hierzu 
kommt, dafs bei den gewöhnlich angenommenen Schufs-Entfernungen 
von 1000 m eine Auftreffgeschwindigkeit wie die zur Anwendung ge- 
langte, schon ein kaum noch hinreichend transportfähiges Geschütz be- 
dingt. — Die Gesellschaft ist auf diesem Woge zu der Ansicht ge- 
langt, dafs das angewandte Eisen bei seiner grofsen Biegsamkeit und 
faserigen Struktur für den in Rede stehenden Zweck allen Stahlarten 
vorzuziehen ist. 

Die Platte ad b), für Marine bestimmt, widersteht Geschofs- 
gesch windigkeiten, welche um 20 % gröfser sind, als diejenigen, bei 
denen gewöhnliche Stahlplatten gleicher Stärke durchschlagen werden. 



Digitized by Google 



340 



Umschau auf militartechnischem Gebiet. 



Man ging mit 15,5 cm Geschossen von 41 kg bis zu Geschwindigkeiten 
von 675 m bezw. lobcndiger Kraft von 911 mt, die Eindringungstiefe 
erreichte dann erst 26,8 cm, während sie bei 622 m bezw. 774 mt nicht 
ganz 25 cm betragen. — Die Platte dieses Materials soll, wie wir aus 
guter Quelle vernommen, kürzlich in Ochta bei einem Wettbewerb 
mit zwei Firmen von Sheffield den Sieg davongetragen haben. 

Die Platte ad c) ist für schwache Panzerungen bestimmt, sie zeigt 
dementsprechend beim Beschiefsen mit 12 cm Granaten von 18 kg 
und 148 bis 210 m Auftreffgeschwindigkeit ein günstiges Verhalten. 
Das Gleiche gilt für die Platte ad d), welche mit dem 8 cm Kaliber 
(Geschofs 5 kg, Auftreffgeschwindigkeit 185 m) beschossen worden ist. 

Von Panzer-Granaten in Chromstahl waren 7 verschiedene 
Kaliber, die an fremde Mächte geliefert sind, ausgestellt: 13%, 9 und 
6zöllige für England, 12 und llzölligc für RuMand, 10 und Bzöllige 
für Amerika. Drei ausgestellte 15 cm Granaten hatten zum Beschiefsen 
von Stahlplatten gedient. An Sprenggranaten waren 21, 15 und 
8,7 cm vertreten (15 cm für Spanien, 8,7 cm für Rumänien). 

Vom System Canet zeigte die Ausstellung: 32 cm Kanone L/40, 
10 cm Schnellfeucrkanone L/80 (1013 m Geschofsgeschwindigkeit), desgl. 
15 cm L 48, 12 cm L 26 Belag.- und Fest.- Artiii., ferner in Modellen 
15 cm L/26 Fest.- und Küsten- Artiii. in Verschwindlaffete, Laffete mit 
kreisförmigem Rahmen für 14 cm Schiffskanonen, 12 cm L/43 in 
Central-Pivot-Laffete, Verschlüsse für grofse Kaliber, dgl. Schnellfeuer- 
Feldgeschütze ; Torpedo-Lanzierrohr mit Vorwendung von Pulver. Wir 
kommen auf das System Canet in nächster Umschau zurück, indem 
wir uns des vom Vertreter Kapitän Malengreau zur Verfügung ge- 
stellten Katalogs bedienen. 

Die Werke von Chatillon-Commentry hatten einen Panzer- 
turm für die 21 cm Haubitze aufgestellt. Verschiedene Konstruktionen 
waren in Modellen vorhanden, die sehr an diejenigen des Grusonwerk 
erinnerten. Von artilleristischem Material waren besonders Geschosse 
vertreten. Die beiden anderen Firmen mit artilleristischen Gegen- 
ständen lassen wir weg. 

Die K. Belgische Kriegskunst-Ausstellung 
(Section de l'Art militaire). 

Im sogenannten Militär-Park hat die Pontonnier-Kompagnie der 
Artillerie ihr Transport-Material, sowie eine Ponton-Brücke mit darunter 
angebrachter Lautbrücke zur Anschauung gebracht. Die Pontonnier- 
Kompagnie des Genies führt eine zerlegbare Stahlbrücke des Systems 
Eiffel, zum Überschreiten der Scheide und Rupei vor, welche den 
Niveau-Veränderungen durch Ebbe und Flut sclbstthätig Rechnung 



Digitized by Google 



Umschau auf militärtechni»chem Gebiet. 



341 



trägt. Das Genie-Regiment veranschaulicht die Überbrückung eines 
trockenen Festungs-Grabens behufs gewaltsamen Angriffs unter Be- 
nutzung der fliegenden Brücke des Systems des Obersten Stoops. Die 
Eisenbahn-Kompagnie des Genie-Regiments zeigt einen für Sanitäts- 
Züge eingerichteten Waggon III. Kl. (nach Entwurf des Genie-Kapitäns 
Simonis). Eine Lazareth-Baracke System Doecker ist von der Kopen- 
hagener Firma Christoph & Unmack ausgestellt. 

Die im Ausstellungs-Gebäude vorgeführten Gegenstände ge- 
hören sämmtlich der Klasse (»2: Kriegswaffen, Befestigungskunst, 
Ausrüstung, Transport-Material, Militär-Topographie u. -Geographie etc. 
an. Als Kriegswaffen finden wir zunächst Gewehr und Karabiner 
M/89 (Staats -Gcwehrfabrik Lüttich), Munitions-Gegenstände von der 
Feuerwcrksschule Antwerpen und von der Patronen-Fabrik Anderlecht 
(8. oben). Von der Artillerie-Direktion des Kriegs-Ministeriums 
sind ausgestellt: 7,5 cm und 8,7 cm Feldgeschütze System Krupp, 
21cm Stahl-Mörser desgl., 24 cm Lang- und Hartgufs-Granaten, Fahr- 
zeuge für Feld- und Festungs-Artillerie. Von der Geschützgiefserei 
Lütt ich: 15 cm C/90 in Räderlaffete mit hydraulischer Bremse, desgl. 
12 cm Kanone C/89, 21 cm Haubitze C/91 für Panzerkuppeln in 
Schlittenlaffete, 15 cm Haubitze C/90 in Räderlaffete, 15 cm Mörser 
C 90 in Laffete ohne Rücklauf, 8,7 cm Mörser zur nahen Verteidigung 
(6,8 kg Granatgewicht); die Blöcke zu den Röhren sind von J. Cockerill 
in Martin-Siemensstahl geliefert, von der Geschützgiesserei fertig gestellt; 
5,7 cm Schnellfeuerkanone System Nordenfeit auf Bockpivotlaffete. 
Die Fahrzeuge der Feld-Artillerie, Hebezeug für 3,6 t Last, Feld- 
beobachtungsleiter hat das Arsenal von Antwerpen ausgestellt. 
Die Artillerie-Schiefsschule in B ras chaet führt Walzeisenplatten 
von 25 und von 20 cm Stärke vor, welche mit 15 cm bezw. 12 cm Hart- 
gufs-Granaten beschossen sind, ferner den tragbaren Entfernungsmesser 
und den Gasdruckmesser von Leboulenge. Die Feuerwerksschule 
Antwerpen produzirt Patronenhülsen und Kartätschgeschosse für 
5,7 cm Schnellfeuerkanonen, Zünder, Schlagröhren, das elektrische 
Klepsyder von Loboutengc. 

Von der Gesellschaft der Maaswerke finden wir beschossene 
Panzerplatten in Stahl und in Hartgufseisen, Hartgufs - Geschosse, 
Verschwindturm, elastischen Schartenverschluls für 2—12 cm Kanonen 
in Panzertürmen. 

Die Maxim- Nordenfelt-Kanonen und Munitions -Aktien- 
Gesellschaft hat die Maxim-Mitrailleuse (22,67 kg Totalgewicht), 
5,7 cm Schnellfeuerkanone und die halbselbstthätige 6,5 cm Schnell- 
feuerkanone L/50 mit Panzerschild ausgestellt. Die Pulverfabrik 
in Wetteren zeigt verschiedene rauchlose Pulversorten. 



Digitized by Google 



342 



CmschRU auf mihtärtechnischera Gebiet. 



Von der Hundworks-Kompagnie des Genies ist der Ballon 
Argus von 984 cbm Rauminhalt, sowie ein Gas -Transportwagen fiir 
284 cbm Gas unter 200 Atmosphären Druck ausgestellt. 

Die zahlreichen und interessanten sonstigen Objekte, welche zum 
Teil auch unserm Thema ferner liegen, müssen wir Mangels Raum 
übergehen. 

Handfeuerwaffen. 

Am 23. April d. J. ist seitens des Königl. Italienischen 
Kriegs-Ministeriums eine Vorschrift über die Waffen und 
das Schielsen für die mit dem Gewehr Mod. 1801 bewaffneten 
Infanterie- Truppen teile ausgegeben worden (Istruzione sulle Armi 
c sul Tiro pei Corpi di Fanteria armati di fucili Mod. 1891). Die 
Schiefsvorschrift enthält einen allgemeinen Eingang und zerfällt 
weiterhin in vier Teile: I. Notizen für die Schieislehrer. II. Ab- 
richtung der Rekruten. III. Scheibenschiefsen der alten Leute. IV. 
Schätzen der Entfernung. Der I. Teil, welcher hier allein in 
Betracht kommt, betrachtet im 2. Kapitel das Gewehr Mod. 185H, 
im 3. Kapitel die Revolver- Pistole Mod. 1889, im 4. Kapitel das 
Schiefsen mit der Pistole, im 5. Materialien, Schiefsstände, Signal- 
methoden, im 6. endlich die jährlich zur Ausbildung bestimmte 
Munition. 

Das Gewehr Mod. 1891 (fucile Mod. 1891) ist Mehrlader, hat 
ein festes Mittelschafts-Magazin für 6 Patronen (serbatoio centrale 
fisso capace di sei cartucce) und einen Verschlulscylinder mit fort- 
schreitender und drehender Bewegung. Einschliefslich des Gewehr- 
rieraens, aber ohne Säbel -Bajonett, ist das Gewicht 3,82 kg, mit 
Bajonett 4,16 kg. Die Länge ohne Bajonett ist 1,29 m, mit Bajonett 
1,59 m. Die Teile sind: der Lauf, das Schlofs und der Mechanismus 
zum Laden, der Schaft, der Beschlag, der Stock, das Säbel-Bajonett. 
Der Lauf ist ein äufserlich gebräuntes Stahlrohr mit vier Zügen von 
progressivem Drall (das erste Gewehr, bei dem ein solcher vorkommt). 
Das Kaliber ist 6,5 mm. Das Quadranten -Visir umfafst den Fufs 
mit den beiden Backen, davon der rechte die Einteilung für die 
geraden (600 — 2000), der linke für die ungeraden Entfernungen 
(700—1900 Meter) enthält, die Visirklappe mit dem Einschnitt, die 
Aufsatzwelle und die Aufsatzfeder. Die Feder hält die Visirklappe 
in der jedesmaligen Einkerbung fest, die auf der rechten Backe an- 
gebracht ist. Ein fester Einschnitt am Visirfufs dient für 300 m und 
beim Scheibenschiefsen überhaupt für kleinere Entfernungen als 400 m, 
die Klappe liegt dann nach vorn auf dem Lauf. In richtiger La#e 
nach hinten entspricht dev Einschnitt der Klappe der Entfernung von 



Digitized by Google 



Umschau auf militartechniwhein Gebiet. 



343 



450 Meter, diese Stellung dient im Kriege für alle Entfernungen bis 
einschliefslich 500 Meter. Das Schlofs und der Mechanismus zum 
Laden besteht aus dem Verschluiscy linder, den Schlofsteilen , der 
Auswerfevorrichtung, dem Vorschlufskopf, dem Magazin. Die An- 
ordnung ist im Allgemeinen eine ähnliche wie bei Gewehr 88. Es 
kann sowohl das Magazin allein, als der Lauf allein, als beides 
zugleich Patronen enthalten. Ist das Gewehr ungeladen und abgedrückt, 
so wird es behufs Ladens in einem Griff gespannt und geöffnet, dann 
werden die sechs Patronen, die nach der Anordnung der Mannlicher- 
Gewehre durch einen Rahmen vereinigt sind, mit letzterem in das 
Magazin eingesetzt. Das unmittelbare Einlegen einer Patrone in den 
Lauf darf nur unter besonderen Verhältnissen und mit besonderen 
Vorsichtsmafsregeln stattfinden. Nach dem Einfuhren des Rahmens 
findet das Schliefsen des Gewehres statt, wobei eine Patrone in den 
Lauf tritt. Das Abdrücken geschieht in 2 Tempos, es scheint darnach 
ein Druckpunkt vorhanden zu sein. Das Weitere ist ähnlich wie 
beim Gewehr 88; ein Einzelladen ist auch bei Mod. Ol in der Regel 
ausgeschlossen. Eine Sicherung ist ebenfalls vorhanden. Der Schaft 
ist ohne Teilung, der Beschlag dient zum Zusammenhalten der ver- 
schiedenen Teile der Waffe und zur Verstärkung. Der Stock von 
Stahl ist zum Reinigen des Laufes bestimmt, wenn andere Mittel 
fehlen; seine Verwendung im Frieden kann also nur eine Ausnahme 
bilden. Das Säbel-Bajonett wiegt ohne Scheide 0,340 kg, mit Scheide 
0,460 kg, die Klinge desselben ist 30 cm lang. Die scharfe Patrone 
hat ein Gewicht von 22 g. Die Hülse hat ähnlich wie bei Gewehr 
88 eine Eindrehung für die Kralle der Auswerfe- Vorrichtung. Das 
Geschofs hat den Kern von Blei und den Mantel von Nickelkupfer 
(80 % Kupfer, 20 % Nickel) und wiegt 10,5 g. Die Ladung von 
Ballistit beträgt 1,95 g. Sechs Patronen sind in einem Rahmen 
(caricatore) vereinigt, drei Rahmen bilden ein Packet, dessen Umhüllung 
eine Schachtel von starkem Papier ist. Das Packet wiegt 470 g. Im 
Frieden ist jeder Mann mit 5 Packeten (90 Patronen), im Kriege mit 
9 Packeten (162 Patronen) ausgerüstet. Von den 9 Packeten sind 5 im 
Tornister, 2 in der Patronentasche und in einer besonderen Patronen- 
tasche 2 geöffnete Packete, also 6 Rahmen oder 36 Patronen. Unter- 
offiziere, Spielleute und Sappeurc haben im Kriege nur 7 Packete. 
Für polizeiliche Zwecke und Wachdienst besteht eine Kartäsch-Patrone 
mit 1,5 g Ladung und 10 Segmenten von Hartblei als Geschofs. 
Auiserdem giebt es eine Manöver- und eine Exerzierpatrone. Zum Gewehr 
gehört ein Gewehrriemen. Zubchörstücke sind das Oelfläschchen, der 
Schraubenzieher, der aus Haaren geflochtene Strick (scovolino di 
crini), der Messingstock, wovon jede Kompagnie 20 hat, ist das 



Digitized by Google 



:H4 



Umschau auf mihtartechntechem Gebiet. 



normale Reinigungsmittel im Frieden. Jede Korporalschaft ist mit 
einigen Ersatzstücken versehen. Zur Ausbildung sind für jeden 
Subaltern-Offizier jährlich 96, für jeden Mann der Truppe 150 scharfe 
Patronen, für die Alpenjäger 108 bezw. 160, aufserdem 84 bezw. 90 
Manöver-Patronen für jeden Mann ausgeworfen. 

Nach dem „Esercito italiano u Nr. 54 stellt sich der Wert des 
Gewehres Mod. 91 zu dem bisherigen Mod.70. 87 (Vetterli- Vitali) wie 
folgt. Auf Entfernungen von 300 bis 1500 m sind bei Abgabe einer 
gleichen Schufszahl 100 neue Gewehre hinsichtlich der Treffergebnisse 
ebenso leistungsfähig als 130 alte. Bei gleicher Zeitdauer des Schiefsens 
sind im Einzelfeuer 100 neue Gewehre soviel wert wie 165 alte. 
Bei gleichem Gewicht der verschossenen Munition sind im Schnellfeuer 
100 neue Gewehre mit 175 alten gleichwertig. Bekanntlich ist das 
alte Gewehr ebenfalls ein Mehrlader, dessen Schattenseiten fast 
lediglich in den Konsequenzen des großen Kalibors (10,35 mm) be- 
stehen. Die Schiefsvorschrift führt uns zugleich in die Verhältnisse 
ein, welchen der Gebrauch eines so kleinkalibrigen Gewehrs unterliegt. 

Vorstehendes diene zur Berichtigung und Ergänzung der früher 
gemachten Angaben aus verschiedenen Quellen, welche sich danach 
meist als nicht zuverlässig erwiesen haben. 

Der Revolver Mod. 188!) (Pistola a rotaziono) ist für 6 Schufs 
eingerichtet, Metallpatrone mit Centrai-Zündung, kontinuirlicher und 
unterbrochener Gang zulässig. Der Hahn geht, nachdem er den 
Schlag auf das Zündhütchen der Patrone ausgeübt, selbstthätig in die 
gewöhnliche Stellung zurück. Die Teile sind Lauf (Kaliber 10,35 mm, 
4 Züge von 25 cm Drall), Walze, Walzenachse, Stock mit Tragering, 
Dreh-Mechanismus und Vorrichtung zum Abfeuern, Sclilofskasten. 
Gewicht 910 g, ganze Länge 23,5 cm, Lauflänge 11,45 cm, Gewicht 
der Patrone 17 g, Geschofs (Blei mit Messingmantel) 11,35 g, Ladung 
0,6 g Ballistit, Messinghiilse mit Rand. 

Hinsichtlich der Umänderung des Lebel-Gewehrs in Frankreich 
enthält die kürzlich erschienene Neu- Ausgabe der amtlichen „Instruktion 
über die Bewaffnung, Munition, Schiefsstände und das Material der 
Infanterie" die Bestätigung unserer von Anfang bis zu Ende geäufserten 
Zweifel (v. Umschau Dez. 1893, März, Juni 1894) an der vielfach be- 
haupteten Änderung zur Packetladung. Die Änderung ist in der 
That hauptsächlich am Verschlufs, ohne den Grundcharakter der 
Waffe zu ändern und nur zum Zweck, den Schützen gegen den 
rückwärts gerichteten Feuerstrahl zu sichern, wenn die Patronenhülse 
hinten reifst. Das Mil. W. Bl. Nr. 68 enthält eine eingehende Schilderung 
der Änderungen des M. 1886/M. 93, auf die wir hinweisen. Nach der 
Instruktion existirt auch neben der Patrone M. 1886 eine Patrone 



Digitized by Google 



Umschau auf militartechnischem Gebiet. 



345 



M. 1880 M., bei dieser ist der Boden der Hülse verstärkt, der Zündsatz 
von 3 cgr auf 4 cgr vermehrt, Ladung 2,75 g (bei M. 1886 2,8 g), 
Pulver BF., Geschofs wie bisher 15 g, Patrone 29 g Gewicht, 75 mm 
lang. — Wie das Kasten-Magazin, erweist sich auch die vielfach 
koiportirte Verminderung des Geschofsgewichts auf 1 3,5 g als eine 
derjenigen — Zeitungs-Enten, welche sich eines kaum dagewesenen 
Absatz-Gebietes erfreut haben. 

Über die Umformungen des englischen Repetier-Gewehrs, 
welche seit seiner Annahme stattgefunden, sind vielfach unrichtige 
Angaben verbreitet. Wir benutzen zur folgenden Richtigstellung die 
offiziellen: „Regulations for Musketry Instruction. Lee-Metford Rifle 
and Carbine 1894, u sowie das „Handbook for the Lee-Metford Rifle 
1894," beide mit zahlreichen Abbildungen versehen. Das ursprüngliche 
Muster, Mark I, existirt als solches nicht mehr, dieselben sind 
sämmtlich in Mark I* (mit dem „Stern") umgearbeitet. Die Änderungen 
an letzterem Muster beziehen sich auf das Visir und einige unwichtige 
Einzelheiten. Das neueste Muster, Mark II, neben welchem Mark I* 
noch längere Zeit herlaufen wird, hat ein geringeres Gesammtgewicht 
(um 6 Unzen [oz] = 1 70 g) und ein verändertes Magazin (weiter und 
von dünnerer Wandung), welches 10 Patronen in 2 Reihen (columns) 
aufnimmt, während dasselbe bei Muster I* 8 Patronen in „zigzag 
column" enthält. Bei Muster I* ist ein langer Stock, bei II ein 
kurzer; zwei der letzteren zusammengeschraubt, dienen dazu, eine 
festgeklemmte Patronenhülse zu beseitigen. Die weniger wichtig er- 
scheinenden Unterschiede behalten wir einer späteren Arbeit vor. 

Bei beiden Gewehren wird das Magazin mit einzelnen Patronen 
geladen (letztere sind zu 10 in einem Packet) und dann abgesperrt; 
die Regel ist Einzelfeuer. Zum Entladen wird das Magazin aus dem 
Gewehr genommen und dann leer wieder eingesetzt. 

Das Gewicht von Muster I* ist 4,3655 kg, von Muster II 4,1954 kg, 
das Bajonett (ohne Scheide) wiegt 0,425 kg. Die Gewichte mit Bajonett 
sind danach 4,79 bezw. 4,02 kg. Die Länge des Gewehrs ohne Bajonett 
ist 49,5" = 1,257 m, mit Bajonett 61,5"= 1,562 m. Der Lauf ist 
30,197" = 767 mm lang. Das Kaliber ist 0,303" = 7,696 mm. Die 
Züge, 7 an der Zahl, des Systems Metford haben Linksdrall und 
eine Dralllänge von 25,4 cm gleich 33 Kaliber; Tiefe ist 0,004" 
= 0,102 mm, Breite der Felder (width of lands) 0,023" = 0,5841 mm. 

Die Teile des Gewehrs sind Lauf (barrel), Schaft (stock), mit 
Stock (rod), Versehluis und Schlofs (bolt), Verschlufs- Gehäuse mit 
Magazin und Abzug (body), Schwertbajonett, Bajonett-Scheide, dazu 
Handschutz, Zubehörstücke. Der Verschlufscylinder hat drehende und 
fortschreitende Bewegung. 



Digitized by Google 



346 



Umschau auf militärtechnischem Ctebiet. 



Die Visirung besteht aus dem Nah- und dem Fern-Visir; das 
erstere ist ein Leiter -Visir, welches bis 1800 yards= 1646 m reicht, 
mit Einteilung bis 50 yards = 45,7 m. Bei niedergelegter Leiter lassen 
sich die Stellungen für '200, 300, 400, 500 yards = 1 83, 274. 366, 
457 m erzeugen. Das Korn hat die gewöhnliche Stellung. Das Fern- 
Visir (links angebracht) hat hinten ein Diopter, in der Mitte des 
Gewehrs ein Zifferblatt (dial) mit Zeiger, dessen Spitze zum Ziele 
dient; Entfernungen 1600 bis 2900 yards = 1463 bis 2652 m. 

Für den Karabiner ist nach „Musketry Instruction" bisher 
kein Muster genehmigt. Die Kavallerie führt noch durchweg Einlader 
(Martini -Henry). 

Die Patrone hat 30 grain — 1,044 g Cordit (Kordeit!) in 60 dünnen 
Fäden. Das Geschofs wiegt 215 grain = 13,9 g. Es besteht aus dem 
Geschofskern von 98 % Bl e ^ 2 % Antimon und dem Mantel von 80 0 
Kupfer, 20 % Nickel. Nahe dem Boden ist äufserlich eine Rinne 
zur Befestigung der Patronenhülse. Der Durchmesser des Geschosses 
ist 0,311" = 7,9 mm. Der Teil des Geschosses, welcher in der 
Patronenhülse steckt, ist mit Bienenwachs überzogen. Die Patronen- 
hülse ist aus Messing gezogen (70 % Kupfer, 30 % Zink). Auf der 
Ijadung Hegt als Vorschlag eine gefirnifste Holzscheibe. Ein Packet 
von 10 Patronen wiegt 9 5 /s ° 7 - = 272,87 g. — Vorstehende Patrone 
ist mit r Mark I. Cordite" bezeichnet. Die Patrone „Mark II. Black 
powder" ist, bis auf die Ladung, fast ganz entsprechend eingerichtet. 

Die Totalsehufs weite des Gewehrs ist bei der Cordit -Patrone 
3650 yards = 3336 m. Die Derivation beträgt auf 3000 yards = 2743 m 
gegen 70 yards = 64 m. Auf 3500 yards = 3200 m dringen die 
Geschosse 3 bis 4" = 7,6 — 10,2 cm in den Boden und prallen nicht 
mehr ab. 

Diese authentischen Angaben mögen für's erste zur Richtigstellung 
früherer, der Militär -Litteratur entnommenen Mitteilungen genügen, 
inbesondere auch der in Band 91 S. 342 dem Wiener Armee-Blatt 
entnommenen, die ebenso falsch waren, als die Mitteil, dieses Blattes 
über Änderungen am Lebel- Gewehr. 

Den übrigen auf einer gröfscren technischen Reise gesammelten 
Stoff betreffend Handfeuerwaffen müssen wir aus Raummangel für eine 
spätere Umschau aufsparen. 

Feldgeschütze mit beschränktem Rücklauf 
und Schnellfeuergeschütze. 

Während man sich in den festländischen Artillerien bisher damit 
begnügt hat, die Verminderung des Rücklaufs durch die gewöhnliche 
oder die selbstthätige Fahrbremse hervorzubringen, hat die englische 



Digitized by Google 



Umschau auf militartechnischem Gebiet. 



: J >47 



Artillerie bereits Ausgangs des vorigen Jahrzehnts in der 12 Pfunde r 
Feldlaffete Muster II (Field Carriage Breech Loading 12 -pr 
Mark II) aufser der selbstthätigen Fahrbremse, die hydraulische 
Bremse mit schneckenförmiger Roaktionsfeder zur Verminderung des 
Rückstofses auf den Laffetenkörper und zugleich zur Beschränkung 
des Rücklaufes zu Hülfe genommen. Es ist dies wohl in erster Linie 
eine Folge des grofsen Ladungs-Verhältnisses gewesen. Das nur 7 Ctr. 
= 355,6 kg schwere Rohr (Kaliber 3" = 7,62 cm) verfeuert mit 
4 Pfund gleich 1,814 kg Ladung S Pulver (Selected Pebble Powder) 
ein Geschofs von 12,5 Pfund gleich 5,67 kg. Das Ladungs-Verhältnifs 
ist also fast V 3 und die Geschwindigkeit des Geschosses erreicht den 
hohen Betrag von 521 m. 

Die Laffete hat als Hauptteile das kastenförmige Untergestell 
mit der Hohl- Achse, die beiden Doppelspeichen-Räder, die Rohrbettung, 
die Obor-Laffete, den Rieht- und den Brems-Mechanismus. Die Zapfen 
des Rohrs ruhen in der Rohrbettung, das Boden-Ende ist mit einem 
Schlitten verbunden, welcher zusammen mit der Bettung in einer 
Führung gleitet, die am oberen Teile der Oberlaffete angebracht ist. 
Letztore ist um die Laffeten- Achse vertikal drehbar und hinten durch 
die Vertikalschraube der Richtmaschino unterstützt. 

Die hydraulische Bremse ist mit der Oberlaffete durch Zapfen 
verbunden und die Kolbenstange der ersteren mit dem hinteren Rohr- 
teil in Verbindung. Das Rohr hat dadurch eine selbstständige 
Rückwärtsbewegung um 4" = 10,16 cm. Die Kolbenstange überragt 
den Bremscylindor nach vorn und hinten und ist der vordere Theil 
mit einer Schneckenfeder verbunden, welche das Rohr nach seiner 
Rückwärtsbewegung wieder in die Feuerstellung vorschiebt. Die 
Einrichtung der hydraulischen Bremse ist der Art, dafs während 
des Rückstofses ein stets gleichmäfsiger Druck bleibt. Die Richt- 
maschinc erlaubt aufser der Höhenrichtung eine feine Seitenverschiebung 
des Rohrs um ca. 4 Grad. Die Fahrbremse von sehr komplizirtem 
Mechanismus erlaubt das Anziehen mittelst eines Handhebels aufser 
der selbstthätigen Feststellung durch die Rückwärtsbewegung der 
Laffete. Die Elcvationsfähigkeit geht von -f 15 bis — 5 Grad. Das 
Gesammtgewicht der unbeiadenen Laffete und Protze ist 22 Ctr. 
30 Pfund = 1131,4 kg, der Laffete allein 11 Ctr. 46 V« Pfund = 580 kg, 
Laffete mit Rohr 18 Ctr. 46 , / 2 Pfund = 935,7 kg, unbeladenes Geschütz 
29 Ctr. 30 Pfund = 1487 kg. Ausrüstung 32 Schufs. Über die Be- 
lastungs-Verhältnifse des beladenen Geschützes stehen uns augenblick- 
lich keine authentischen Angaben zur Verfügung. 

Ein Draht-Zwölfpfünder (Wire Gun) für Cordit-Ladung ist im Ver- 
such, die Laffete hat bei einem Exemplar, welches wir im Lager von 



Digitized by Google 



Umschau auf militürtechnischem Gebiet. 



Aldershot flüchtig gesehen, jene Einrichtungen zur Rücklauf-Beschrän- 
kung nicht, das Rohrgewicht soll hier G Ctr. gleich 304,8 kg betragen. 

Das Problem einer Feldlaffete mit beschränktem oder gänz- 
lich aufgehobenem Rücklauf zur Verwendung eines Schnell- 
feuer-Geschützrohrs beschäftigt gegenwärtig die artilleristischen 
Etablissements in verschiedenen Ländern und allem Anscheine nach 
auch die Artillerie-Versuchs-Kommissionen der Staaten. 

Über die Konstruktionen des Grus on werk, bei welchen die selbst- 
thätige Nabenreibungs-Bremse in Anwendung gekommen ist, haben 
wir im 78. Bd. berichtet, desgl. über die Rücklauf hemmung bei den 
(3 cm Schnelllade-Feldkanonen L/30 und L/38 von Krupp im 86. Bd. 
Ältere Konstruktionen des Grusonwerk, über welche indefs Nichts 
veröffentlicht ist, hatten bereits die Vorrichtung zum Eingraben des 
Laffetenschwanzes in Form einer Schneide bezw. Säge. Sie ist nicht 
denkbar ohne eingelegte federnde Wirkung. Die Fr. milit. schrieb im 
Sommer vorigen Jahres (v. Umschau von Sept. 1893, Bd. 88) von 
einer Boche de Crosse des Obersten de Bange und der Beche 
d'essieu (Ankerbremse, v. Wille „Die kommenden Feldgeschütze 1 *) des 
Rittmeister Louis de Place. Die letztere ist originell, hat aber bis 
jetzt keine ernstere Beachtung gefunden. Bei beiden Konstruktionen 
ist eine elastische Einlage zu Hülfe genommen. In Bezug auf die 
Beche de Crosse hat jedenfalls das Grusonwerk die Priorität der Kr- 
findung in Anspruch zu nehmen. 

In der Umschau vom Dez. 1893 (Bd. 89) berichteten wir nach 
der „Revue de l'armee beige u Mai 1893 über eine nach dem Ent- 
würfe der Gesellschaft Nordenfeit (Paris) seitens der Werke von 
J. Cockerill (Seraing) hergestellte 7,5 cm Schnellfeuerkanone, bei 
deren geteilter Laffete eine Reibungsbremse mit Zahnwerk und rück- 
wirkender Feder, der Radschuh und die Beche de Crosse zur Anwendung 
gekommen waren. Die Versuche waren in Bezug auf Erhaltung der 
Rohrlage noch nicht zufriedenstellend gewesen. 

Die Antwerpener Welt-Ausstellung 1894 zeigt drei ver- 
schiedene Konstruktionen von Schnellfeuergeschützen mit Aufhebung 
des Rückläufe. 

Schneider &Cie. aus Creusot hatte eine Schnellfeuer-Feldkanone 
von 75 mm L/33,3 und eine desgl. Feldhaubitze von 120 nun L/12,5 
ausgestellt. Bei beiden war die Laffete geteilt und mit einer hydrau- 
lischen Bremse des Systems Schneider, sowie mit der Beche de Crosse 
und dem Radschuh versehen. Die Kanone hatte eine Feuerhöhe von 
nur ca. 80 cm und lag das Rohr in der Laffete versenkt. Das Haubitz- 
Rohr lag etwa 1 m hoch. Geschofsgewicht 6,5 bezw\ 20 kg, Ladung 
1 kg bezw. 0,8 kg Pulver BN, Geschofsgeschwindigkeit 580 m bezw. 



Digitized by Google 



Umschau auf militärtechniachem Gebiet. 



- 

349 



300 m. Weitere Angaben sind im Katalog nicht gemacht. Die 
Kombination der 3 Faktoren der Rücklaufsbeschränknng bietet Nichts 
besonderes. 

Die Stahlwerke der Marine von St. Chamond, welche das Problem 
eines Schnellfeuer-Feldgeschützes seit mehreren Jahren verfolgen, hatten 
einen ihrer neuesten Typen (nicht den allerneueston!) nach Antwerpen 
gesandt. Es ist die 7,5 cm Kanone System Darmancier (Affut 
et Canon de Campagne ä tir rapide Syst. D.). Das ausgestellte Rohr 
ist 24,5 Kaliber lang und vermag Geschosse von 6 kg mit 500 m 
Geschwindigkeit zu verfeuern. Der Verschlufs hat die Schraube mit 
unterbrochenen Gewinden. Die Teile sind: Verschlufsschraube, Ver- 
schlufsthür (volet), die Kurbel mit Getriebe (levier-manoeuvre et son 
pignon a tenons), der Schlagbolzen (percuteur) mit Spannhebel und 
Abzug, der Auswerfer. Die Handhabung des Verschlusses erfordert 
nur eine einfache Drehung der Kurbel. Eine Sicherung ist vor- 
handen. 

Das Rohr ruht mit seinen Zapfen in einem Schlitten (Corps d'affüt 
en fer forge); unter der Gegenwirkung einer hydraulischen Bremse 
von gleichmäfsigem Widerstand gleitet es beim Schiefsen zurück und 
wird durch eine Spiralfeder, welche den Stöfs aufnimmt, wieder in 
die Feuerstellung vorgeführt. Die Laffete hat eine sogenannte „Beche 
d'essieu", sie hängt pendelartig von der Achse nach abwärts und 
endet am Boden mit einer gezahnten Platte. Nach rückwärts steht 
sie durch Ketten mit den Laffetonwänden in Verbindung. Bei dem 
ausgestellten Geschütz berührten die Zahnspitzon den Boden und die 
Räder standen mit ihrer unteren Fläche ca. 1 5 cm höher auf bogen- 
förmig ausgeschnittenen Unterlagen. Gelenkstangen, von welchen die 
Beschreibung spricht, dienen wahrscheinlich zum Aufklappen beim 
Transport. Die Vorrichtung wird als biegsam bezeichnet und soll 
einen Drehzapfen für die Seitenrichtung haben. Sie scheint sich 
danach durchzubiegen, da sonst die Räder schweben müfsten, letztere 
sollen aber in jedem Falle den Boden berühren. Durch den Rück- 
stofs arbeitet sie sich alsbald ähnlich einer Harke in den Boden ein, 
der Drehzapfen gestattet dann noch Richtungs -Veränderungen. Es 
hat den Anschein, als ob das ausgestellte Muster nicht mit der Be- 
schreibung (die uns erst viel später zukam) völlig übereinstimme, 
letztere bezieht sich jedenfalls auf ein späteres Muster. Die Höhen- 
richtraaschine hegt an der rechten Seite, man handhabt sie mittelst 
eines Kurbelrades. Gröfsere Veränderungen kann der Richtmeister 
unmittelbar mit der Hand vornehmen. Eine vorhandene Fahrbremse 
hat mit der Rücklaufhemmung nichts zu thun. Das ausgestellte 
Modell soll einen Rücklauf von 10 bis 35 cm haben, ein neueres hat 

Jahrbacher ftr die Deutsche Armee uud Marine. Bd. VLUC, 3. 23 



Digitized by Google 



Umschau auf militiirtechnisohem Gebiet. 



nach 10 Schufs eine gesammte . Rückwärtsbewegung von 8 bis 10 cm 
gezeigt. Das Springen nach vorwärts im Moment des Schusses soll 
fast Null sein. — Eine gänzliche Aufhebung des Rücklaufs bei Feld- 
geschützen, sodafs kein Nachrichten mehr nötig wäre, ist nach den 
bei der Gesellschaft vertretenen Ansichten unmöglich. 

Nach dem Katalog giebt es 2 Modelle vom Material von 7,5 cm. 





Leichtes 
Oechlitz 


Schwert* 




kg 


C 


6 




m 


520 


600 




kg 


345 


415 




kg 


835 


920 


Gewicht der ausgerüsteten Protze mit 36 Schufs 


kg 


650 


675 


Gewicht des heladenen Fahrzeugs 


kg 


1485 


1605 



Die für das ausgestellte Geschütz angegebenen Werte stimmen 
mit keinem der beiden überein. 

Das dritte der ausgestellten Schnellfeuer -Feldgeschütze ist in der 
Ausstellung der Gesellschaft John Cockerill (Seraing) in der 
Maschinenhalle zu sehen. Es ist eine Fortbildung des vorher erwähnten 
Nordenfelt- Geschützes von 7,5 cm, an welcher der artilleristische Leiter 
der Gesellschaft J. Cockerill, Major de Schrijwer, einen wesentlichen 
Anteil hat. Die Konstruktion ist eine der vollkommensten der Art und 
hat auf der Austeilung das gerechtfertigte Aufsehen der Sachverständigen 
der verschiedenen Nationen erregt. Wir geben heute nur kurze 
Andeutungen, da wir hoffen dürfen, demnächst in den Besitz einer 
eingehenderen Darstellung zu gelangen. Das Rohr ist in einem Stück 
aus Martin - Siemens - Stahl hergestellt, die Versehluisschraube hat 
2 Unterbrechungen und eine sehr einfache Bewegung, die Sicherheit 
des Verschlusses ist eine sehr grofse; das Geschütz hat Perkussions- 
zündung und Auswerfer- Vorrichtung. Das Rohr mit senkrechtem 
Drehzapfen ruht auf einem Schlitten mit Reibungsbremse und Puffer 
und hat eine unabhängige Seitendrehung um 3 Grad nach rechts bezv. 
links. Eine 2. Bremsvorrichtung besteht in einem Zahnrad mit Kette 
und gegenwirkender Spiralfeder. Die dritte ist der Radschuh und 
eine vierte wird durch die am Laffetenschwanz angebrachte „Beche" 
vorgestellt. Die Protze enthält 48 Schufs, welche in 8 einzeln ab- 
nehmbaren Kasten aus Aluminium verpackt sind, die durch Leder- 
riemen festgehalten werden. Sie hat Federung und Sitze für 3 Mann. 
Das Geschofs wiegt 5 kg und erhält mit rauchlosem Pulver eine Ge- 
schwindigkeit von 470 m. Das Gesammtgewicht des Geschützes ist 
1697 kg; pro Pferd ist die Zuglast 283 kg. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



351 



Kavallerie - Geschütze. 

England ist s. Z. mit der Annahme von Maxim-Mitrailleusen 
des Gewehrkalibers (7,7 mm) für die Kavallerie vorangegangen. Nach 
dem betreffenden Handbuch von 1893 ruht das Geschütz in einer 
zweispännigen Karrenlaffete, welche zugleich Munition aufnimmt. Die 
Schweiz hat tragbare Maxim-Mitrailleusen für Kavallerie eingeführt 
(v. Bd. 89, S. 358). In Antwerpen 1894 figurirt ein tragbares Ka- 
vallerie-Schnellfeuergeschütz von 47 mm (v. a. Bd. 91, S. 356) nach 
Entwurf von Nordenfeit, durch J. Cockerill ausgeführt (Traggewicht 
pro Pferd 200 kg incl. 8 Patronen). — Manöver- Versuche mit Ka- 
vallerie-Handfeuergeschützen in Deutschland wurden in politischen 
Blättern angekündigt, aber amtlich dementirt. 

J. Schott. 



XXVIII. 

Umschau in der Militär -Litteratur, 

I. Ausländische Zeitschriften. 

Streif leur's österreichische militärische Zeitschrift. (Juli.) 
Strategische und taktische Rückblicke auf die Scldacht bei Custoza 1866 
(Oberst Maschko). — Betrachtungen über die militärische Ausnützung 
der Eisenbahnen in den bisherigen Kriegen. — Erleichterung des Infanterie- 
gepäcks. 

Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. XLIX. Bd. 1. Heft. 
Kartographische Studien. Von G. Bancalari, k. u. k. Oberst. — Militärische 
und technische Mitteilungen. 

Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 25: Der 24. Juni; handelt von der 
Enthüllung zweier Gedenktafeln auf dem Schlaclitfelde von Custoza. — 
Die Tauern-Predilbahnlinie vorn militärischen Standpunkte. — Konservirungs- 
salz für Fleisch. Nr. 26: Der Arzt als Kommandant. — Der sanitäre 
Auf klärungsdienst im Felde. — Die Nähr- und Wehr- Ausstellung. Nr. 27: 
Der Russisch -Türkische Krieg 1877/78 in Europa (Besprechung des Springer- 
schen Werkes). Nr. 28: Die neue Prüfungsvorschrift für Militär-Intendanten 
— Die Entwickelung der zerstreuten Fechtart. 

Militär Zeitung. (Österreich.) Nr. 23: Die neue Organisation der 
Militarsanität. — Erinnerungsfeier an die Schlacht von Melegnano. Nr. 24: 
Die Brotverpflegung im Felde. — Das bulgarische Heer. 

Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 638: Gerechtigkeit und Milde; 
behandelt die kläglichen Pensionssätze der Militärpensionäre, sowie deren 

23* 



Digitized by Google 



352 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



Wittwen und Waisen. — Die Reorganisation in der Militärsanität. — Die 
russischen Plastuni-Bataillonc. Hr. 639: .,Unser Feldzug vor 100 Jahren* 4 ; 
Erinnerung an den Eeldzug von 1794, mit Benutzung der „Mitteilungen 
des k. u. k. Kriegsarchivs. 44 — Politische ( )ftiziersduelle. Kr. 640: Offene 
Fragen betreffs der organischen Bestimmungen über die Militärärzte. Hr. 641 ! 
Nach Carnot's Tod. — Offene Fragen etc. (Sehluis). Nr. 642: Ein türkisch- 
bulgarisches Trutz- und Schutzbündnifs? — Unsere tapferen „Carler 44 ; be- 
zieht sieh auf die Feier des Tages von Trautenau, dem Ehrentage des 
Inf.-Regiments Erzherzog Carl Nr. 3. Nr. 643: Der deutsche Unteroffizier. 
Nr. 646: Zur Systemisirung aktiver Landwehrärzte. Nr. 647: Betrachtungen 
anläfslich der neuen deutschen Beschwerde-Ordnung. 

Journal des sciences militaire*. (Juni 1894.) „Dcrnier eflbrr 
(Forts.). — Bemerkungen über das Feuer und das Verhalten der Infanterie 
im Gefecht. — Ein Apparat zu praktischer Darstellung der Infanterie- 
Feuerwirkung auf geneigtem Gelände. — Der Feldzug 1814 (Forts.). - 
Die Schiefsausbildung in Frankreich und Deutschland. — Die Siege* 
Zuversicht bei grofsen Feldherrn (Forts.). 

Reyue de Cavalerie. (Juni.) Die Divisions- Eskadron auf dem 
Marsche, auf Vorposten und im Gefecht. — Die italienische Kavallerie 
(Forts). — Die Kavallerie -Verstärkungen und die Kemontirung bei der 
Grofsen Armee 1806-1807. — Über Armee-Rennen (Forts.). — Die 
russischen Pferde. 

Revue militaire universelle. (l.Juli.) Der Sezessionskrieg (Forts.). 
Nachtmärsche und Nachtoperationen (Forts.). — Technische Betrachtungen 
über die Umwandlung der modernen Bewaffnung und ihre Verwendung 
im Gefecht. (Aus d. Italien, übers.; Forts.). — Von der intellektuellen 
Arbeit des Offiziers. — Die Offizierkorps der bedeutendsten europäischen 
Armeen. 

Reyue du cercle militaire. Nr. 26: Aus den Kolonien: Die Grenzen 
von Kamerun (Mit Karte). — Eine Studie über Seetaktik (Forts.). — Die 
schweizerische Armee 1893 (Forts.). — Nr. 26: Die schweizerische Armee 
1893. — Eine Studie über Seetaktik (Schlufs). Nr. 27: Die Schnellfeuer- 
kanonen. — Aus den Kolonien: Kongo und Nil (Forts.). 

I/Avenir militaire. Nr. 1903: Übel angebrachte Ersparnisse; handelt 
von der dem Kriegsminister zu Teil gewordenen Weisung, 15 Millionen 
am Militärbudget zu sparen. — Die Einberufung der Reserve Kavallerie- 
Regimenter. Nr. 1904: Artikel 5 des Rekrutirungs Gesetzes. Nr. 1905: 
Der Präsident. Carnot. Warm empfundener Nachruf für denselben. Nr. 1906: 
Präsident Casimir Perier. — Das Infanteriefeuer. Nr. 1907: Massen-Manöver. 

- Das Infanteriefeuer (Forts.). Nr. 1908: Die „Alte Armee"; dieselbe 
wird, in disziplinarer Hinsicht, der jetzigen als weit überlegen bezeichnet. 

— Das Exerzir- Reglement der Infanterie vom 15. April 1894. Nr. 1909: 
Französische Politik im äufsersten Orient. 

Le Progres militaire. Nr. 1423: Nochmals die beiden Artillerien. — 
Die Civilanstellungen (der Unteroffiziere); Liste derselben. Am 1. Januar 
waren 323 Unteroffiziere versorgt, 317 blieben noch uuangestellt. Nr. 1424: 



Digitized by Google 



Umschau in der Miütar-Litteratur. 



353 



Übungslager; solche nach deutschem Muster werden empfohlen. Nr. 1425: 
Der Mobilisimngs -Versuch (ein solcher mit 2 Reserve-Kavallerieregimentern); 
es ergiebt sich, dafs 10 Tage nötig sind, um solche marschfähig zu formiren. 
Nr. 1426: Die Aufgabe der Kavallerie. Nr. 1427: Die Reserve-Kavallerie- 
Rcgimenter. — Rechenschaftsbericht über die Rekrutirung der Armee 1893. 
Das Rekrutcn-Kontingnent beziffert sich auf 212 700 Mann, die Zahl der 
Wieder-Anwerbungen betragt 4545, diejenige der Analphabeten 6,43 Prozent 
des Kontingentes. Nr. 1428: Die Hierarchie der Waffengattungen. Nr. 1429: 
Unsere Reglements (bezieht sich auf einen Aufsatz des Journal des sciences 
militaires, von General Philibert). 

La Franc© militaire. Nr. 3056: Die Remontirung der Offiziere. 
Nr. 3056: Die Armee-Kavallerie; behandelt deren Verwendung im Felde. 
Nr. 3059: Unsere Unteroffiziere; handelt von den Vorbildungsschulen für 
dieselben. Nr. 3063: Afrikanische Bataillone. Die Kolonial-Truppen der 
Vergangenheit; geschichtlicher Rückblick. Nr. 3064: Das Reitwesen in 
der Armee. Nr. 3065: Diese mit Trauerrand erschienene Nummer ist fast 
ausschliefslich mit Nachrichten über die Ermordung Carnot's gefüllt. Nr. 3066 : 
Die Reserve-Offiziere. Nr. 3067 : Der neue Präsident der Republik ; wird 
sympatisch begrüfst. Nr. 3069: Die Militärschule der Artillerie und des 
Genie. Nr. 3070: Die Reserve-Offiziere. Nr. 3071: Zwieback-Zubereitung. 
Nr. 3074: Die Kriegsflotten. Nr. 3075: Die befestigte Enceinte von Paris. 
Nr. 3076: Die polytechnische Schule und die Armee. — Die Reserve- 
Kavallerie. 

La Belgique militaire. Nr. 1210: Unsere Ilelden (Forts.). — Die 
Kriegskunst auf der Antwerpener Welt-Ausstellung 1894. Nr. 1211: Die 
Kriegskunst auf der Antwerpener Welt-Ausstellung (Forts.). — Remontirung 
im Mobilmachungsfalle. Nr. 1212: Die Kriegskunst auf der Antwerpener 
Welt- Ausstellung (Forts.). — Organische Zusammensetzung der Festungs- 
Artillerie. 

Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (J n n i.) 

Die Luftschifferkompagnio des Entwurfes zur Neuorganisation des Bundes- 
heeres. — Die Geniewaffe im Entwurf zur Neuorganisation des Bundes- 
heeres. — Betrachtungen über das Verhalten der drei Waffen im russisch- 
türkischen Kriege 1877/78 (Forts.). — General v. Scherff und das deutsche 
Exerzirreglement für die Infanterie (Schluß). — Rufslands Wehrmacht 
(Schlüte). 

Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Juni.) 
Die flüchtigen Feldbefestigungsarbeiten. — Preisaufgaben der schweizerischen 
Offiziersgesellschaft für 1895. — Vorschrift über die Verpackung der Not- 
portionen durch die Truppen. — Bändigung bösartiger Pferde. 

Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 25: Zur Re- 
organisation der Kavallerie, Vortrag des Gen.-Stabs-Oberstlts. Markwalder. 
Nr. 26: General de Gallifet. — Beitrag zu dem Artikel über die Wirkung 
der neuen Geschosse. Nr. 27: Zur Reorganisationsfrage. 

Army and Navy Gazette. Nr. 1794: Die Gemischte Ver- 
teidigungs-Kommission. Zur Beseitigung der schon seit Jahren be- 



Digitized by Google 



r»4 



Umschau in der Mihtir-Litteratur. 



stehenden Klage, dafs Heer und Flotte bei der I^andesverteidigung uicht 
nach gleichen Grundsätzen liandeln, ist vom Kriegsininisterium eine 
Kommission beider ernannt, die die schwebenden Fragen erledigen soll. 
Die Kommission zählt 4 der höchsten Offiziere der Flotte und ebenso viele 
des Heeres, mit zugeteilten Sekretären etc. Man setzt grofise Hoff- 
nungen auf die Thätigkeit dieser Kommission. — Die Anstellung aus- 
gedienter Soldaten. Bericht über die Thätigkeit der „nationalen 
Vereinigung 44 , den ausgedienten Soldaten Erwerbsquellen im bürgerlichen 
Leben zu verschaffen; von 17 278 Mann, welche im vorigen Jahre aus 
der Armee ausschieden, sind 3886 durch die Vereinigung angestellt. — 
Eintrittsprüfungen für die Armee. Die Vorschriften zur Aufnahme- 
prüfung in Sandhurst und in Woolwich sind in vielen Punkten geändert. — 
Russische Winterübungen. Mitteilungen über die im Februar d. J. 
stattgehabten Manöver und Zeltlager von Detachements an der "Weichsel 
bei einer Kälte von —5 bis 12 C. Hr. 1796: Heeres- Budget für Indien. 
Bericht des General Brakenbury über die notwendig gewordenen Mehr- 
ausgaben für das Indische Heer. Nr. 1796: Waterloo. Die Wiederkehr 
des Jahrestages der Schlacht giebt Veranlassung zu einer Betrachtung über 
den Charakter und die Leistungen Wellingtons. — Die Reorganisation 
der Indischen Armee besteht wesentlich darin, daü* mit dem 1. Oktober 
d. J. das Indische Präsidial-Kommaudo eingeht und ein gesondertes Armee- 
Kommando für Indien eingesetzt wird. 

The Journal of the Royal United Service Institution. Hr. 196: 
Ansichten über Küsten-Verteidigung. Der Oberstlieutenant Joulyn 
stellt in einem Vortrage die Grundsätze der Verwendung der Artillerie der 
Küsten -Verteidigung zusammen. Die Einteilung soll aus Gruppen von 
zwei und mehreren Geschützen bestehen, zwei Gruppen und mehr bilden ein 
Fort, zwei und mehr Forts bilden einen Abschnitt. Für jede dieser Ab- 
teilungen giebt er Vorschriften zur Anlage und Leitung durch die Führung. 
— Schnellfeuer-Geschütze in Verbindung mit Kavallerie. An- 
knüpfend an Beispiele aus den vorjährigen Manövern bei Idstone werden 
der Transport, die Munition, die Ziele, die Deckung und das Personal für 
die den selbstständigen Kavallerie - Abteilungen zugeteilten Schnellfeuer- 
oder MaschinengCHchütze erörtert. Ebenso wird ein Blick auf aufscr- 
englische Armeen geworfen, von donen nur die Schweiz eine dauernde 
Zuteilung von Schnellfeuer-Geschützen kennt. 

Russischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine mili- 
tärische Nachrichten. Hr. U4: Bei der Schwarzenmeer-Flotten-Division 
wird zum 1. Januar 95 eine achte Flotten-Equipage mit der Nr. 35 formirt. 
Hr. 116: Die Verwaltungen der neugebildeten Reserve-Infanterie-Brigaden 
Nr. 50, 56, 58—61 sind im April und Mai dieses Jahres formirt worden. 
Hr. 118: Bestimmungen über den Austrag von Streitigkeiten im 
Offizier-Korps. Hr. 119: Kurze Beschreibung der Bekleidung und 
Ausrüstung der Offiziere und Mannschaften der Festungs-lnfanterie- 
Regimenter und Bataillone. — Die Einberufung der Rekruten 
in den finnländischen Gouvernements im Jahre 1893; aus dieser 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



Übersicht geht hervor, dafs von sämmtlichen Dienstpflichtigen Finnlands 
57,4 °/ 0 völlig dienstuntauglich waren, während 2,3% wegen zeitiger 
Dienstuntauglichkeit zurückgestellt werden raufsten; hierbei ist zu bemerken, 
dafs der Prozentsatz der Dienstuntauglichen in Finnland von Jahr zu 
Jahr ein höherer wird. Nr. 125: Die Übungen der Katniks der 
Opoltschenic (Reichswehr) im europäischen Kufsland und im 
Kaukasus im Jahre 1893; es waren zu einer vierwöchentlichen Übung 
alle Mannschaften einberufen, welche in den Jahren 1890 und 1892 der 
Opoltschenie überwiesen worden waren; in Folge der Cholera-Epidemie 
mußten in einigen Bezirken die Übungen ausfallen; an der vollen Übung 
nahmeu 313 240 Mann teil; bemerkenswert ist, dafs sich fast 10% a H° r 
Übungspflichtigen ohne gesetzlichen Grund von der Übung drückten. 

Gröfsere Aufsätze: Nr. 119: Die Jagdkommandos des Militär- 
Bezirks Omsk. In den asiatischen Militärbezirken spielen die Jagd- 
Kommandos, in Folge der Eigcnartikcit der ganzen Verhältnisse, eine weit 
gröfsere Rolle, als in Europa. Im Militärbezirk Omsk waren von jeder 
Kompagnie anstatt 4, 8 Mann dem Jagd -Kommando zugeteilt. Aus 
ihren Übungen wird insofern ein praktischer Nutzen gezogen, als sie zur 
Erkundung von unbekannten Pfaden und Gebirgspässen verwandt werden, 
welche im Kriege für die Truppen in Frage kommen können. Nr. 121: 
Flufs-Kriegfahrzeuge (Angaben über die österreichische und rumänische 
Donau-Flotille). Nr. 123, 124, 129: Material zur Statistik des Gebiets 
Ssamarkand. 

Wajennüj Ssbornik. (Mai.) Versuch einer Untersuchung der 
Taktik der Massen beere. II. — Ausführung der Marsch-Manöver durch die 
Massenheere. — Die Friedens-Manöver und ihre Bedeutung. IV. — Das 
moralische Element vor Sewastopol. IV. — Zur Frage der Gliederung der 
Artillerie in Fufs-, reitende und Festungs-Artillerie. — Die Verteidigung 
des Schipka. II. Der Dienst und das Leben der Artillerie auf dem 
Schipka. II. — Uber das Wesen des deutschen Offizierkorps. V. 
Verf. bespricht das kameradschaftliche Leben im Offizierkorps in sehr ein- 
gehender und im allgemeinen zutreffender Weise. — Nekrolog des lang- 
jährigen Redakteurs des „Wajennüj Ssbornik'" und des „Russischen Invaliden," 
General d. I. Lawrentjeff. — Über die Verpflegung der französischen Truppen 
im Kriege. — (Juni.) Das Gefecht bei Oltenitza am 23. Oktober a. St. 1853. 

— Der Infanterie Angriff. I. — Die Kavallerie auf dem Gefechtsfelde. — 
Über die Versorgung der Truppen und Parks mit Munition (mit Skizze). 

— Die Befestigungskunst im Kampfe mit der heutigen Artillerie. — Die 
Verteidigung des Schipka. (Die Artillerie, ihr Dienst und ihr Leben.) III. 

— Über das Wesen des deutschen Offizcrkorps. (Forts ). 

Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 187: Abbildung sämmtlicher 
Offiziere des Stabes des Garde-Korps und des Militär-Bezirks St. Petersburg. 

— Von den mitgeteilten Verordnungen aus den Militär-Bezirken 
verdient besonderes Interesse als bezeichnend für die fast unbegrenzte 
Öffentlichkeit in Mitteilungen der militärischen Presse der „Befehl Nr. 57 
des Militärbezirks Kijew u (General Dragomirow), in welchem es u. a. heifst: 



Digitized by Google 



35f» 



Umschau in der Militär- Litteratur. 



„Oberst ... des n ton Dragoner-Regiments hat dem Chef des Haupt- 
stabes während seiner Beurlaubung in St Petersburg eine Eingabe in rein 
persönlichen Angelegenheiten ohne die vorgeschriebene Genehmigung seines 
nächsten Vorgesetzten tiberreicht und ist dafür von mir mit einer Woche 
Arrest auf der Hauptwache bestraft worden." — Die Ausrüstung der 
Infanterie mit Schanzzeug. — Die Militär-IIeil-Anstalt in Ciechocienek 
(Gouvernement Warschau) mit verschiedenen Illustrationen. Mit der dorrigen 
Saline ist ein Soolbad verbunden, welches von der Armee viel benutzt wird. 
Nr. 188: Aus den Verfügungen in den Militär-Bezirken. (In einem 
Befehl des Kommandircnden des Mil.-Bez. Odessa wird daraufhingewiesen, 
wie unverhältnifsmäfsig grofs die Zahl der oft für nicht unmittelbar mit 
dem Zweck des Soldaten in Zusammenhang stehenden Verwendungen 
außerhalb der Front Abkommandirten sei. — Scharmützol mit den Kunloji 
in den Bergen am Ararat und am Agrydagh. — Die MUitär-IIeil- Anstalt 
in Ciechocienek. (Schlafs). Unter den Illustrationen befindet sich auch 
das Bild einer Gruppe von Offizieren der nahen Thorner Garnison und 
einiger Russischer Kameraden. Nr. 189: Scharmützel mit den Kurden in 
den Bergen am Ararat und am Agrydagh. (Schluß). — Die französischen 
Bataillons-Küchen des Systems Malan. — Biographie und Bild des Feld- 
marschalls Blücher. Nr. 190: Eine Heise in die Krym auf Velocipeden. 
(Von einem Teil der Odessaer Junkerschulc unternommen). — Ein Denk- 
mal für Skobeleff im Artillerie-Lager bei Orany. Nr. 191: Winter-Übungen. 

— Vom Posten auf dem Pamir mit Original-Aufnahmen der Befestigung, 
von Gruppen von Offizieren und Eingebomen u. s. w. — Notizen aus den 
Grenz- Bezirken. — Die Ergänzung der Armee. — Der Einzug Napoleons I. 
in Grenoble im Jahre 1815. (Auf Grund der Arbeiten Henry Houssayes: 
„1815 und die erste Restauration." ,,1815, la premiere restauration, le 
retour de Pilo d'Elbe, les cents jours."). Nr. 192: Der Dowe'sche Panzer. 

— Aus den Verfügungen des Hauptstabes und der Militär-Bezirke. 

Riyista militure Italiana. 16. Mai. Die Zone von Asmara 
(Forts.). Historisch-politisch-militärischc Abhandlung von grofsem Interesse 
(Mit einer recht guten Karte). l.Juni. Die Zone von Asmara (Forts.). — Die 
grofsen deutschen Manöver 1893 (Forts.). Betrachtungen erstrecken 
sich sehr eingehend und richtig auf Verpflegung, Zeltausrüstung, Munitions- 
nachschub. 16. Juni. Die Zone von Asmara (Forts.). — Über die 
Zweckmäfsigkcit der Verteidigung des Innern von Örtlichkeiten 
(Hält hartnäckige Verteidigung des Dorf-Innern auch bei der neuen Munition 
[Brisanz] der Artillerie für durchführbar). — Vom Geist der Offensive 
(Sehr beachtenswert). 

Esercito Italiano. Nr. 67: Das permanente Heer und seine 
Aufgabe in Italien (Aufserordentlich bedeutende Rede des Senntors 
Annibale Ferrero im Senate). Nr. 68: Einberufungen von Leuten 
des Beurlaubtenstandes zu Übungen. Einbeordert werden vom 
26./7.— 9./8. die Leute I. Kategorie Jahrgang 1868 aller Distrikte, soweit 
sio den Grenadieren angehören, die Leute I. Kategorie desselben Jahrgangs 
der Infanterie, Bersaglieri der Distrikte, die bei den Unruhen Reservisten 



Digitized by Google 



Umschau in der lülitär-Litteratur. 



357 



nicht lieferten, I. Kategorie Jahrgangs 1867 einer Anzahl von Distrikten, 
Offiziere di complemento Jahrgangs 1868 der Grenadiere, Bcrsaglieri, In- 
fanterie. Nr. 69: Für Einbeorderungen ist die Vereinfachung eingetreten, 
dafs die Urlauber und auch die Rekruten sich nicht mehr erst zu den 
Sitzen der Hauptverwaltung ihrer Bezirke zu begeben brauchen, sondern 
von den Ortsvorstehem sofort zu den Militärdistrikten instradirt werden, 
wodurch man Umwege und Kosten erspart. Nr. 72: DieD urc lisch nitts- 
stärke der Kavallerie-Regimenter an Pferden betrug 1893 799—846, total 
waren 20 375 Pferde der Kavallerie, 10 783 der Artillerie, Summa 31158 
vorhanden, gegenüber 30 986 im Jahre 1892. Nr. 73: Nach den Nachrichten, 
dio über die Arbeiten der von General Mocenni unter Vorsitz des Generals 
Cosenz ernannten Kommission von Generalen zur Beratung von weiteren 
Ersparnissen verlauten, werden Ersparnisse in der Hauptsache durch um- 
fassende Dezentralisation der Verwaltung angestrebt werden. 

Revista militar. (Portugal.) Nr. 11: Die Majorsprüfungen. 
— Völkerrecht (bezieht sich auf den Konflikt mit Brasilien). 

Krigsvetenskaps-Akademiens-Handlingar. (Schweden.) 9. u. 
10. Heft. Befehls- und Meldungsliberbringung bei der In- 
fanterie. 

Norsk Militaert Tidsskrift. (Norwegen.) 5. Heft. Sanitäts- 
zustand in der Armee. 



II. Bücher. 

Kriegslehren in kriegsgeschichtlichen Beispielen der Neuzeit. Von 

W. von Scherff, Geueral der Infanterie z. D. Erstes Heft: Be- 
trachtungen über die Schlacht von Colombey-Nouilly mit 2 Planen 
in Steindruck. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 3,25 M. 

Die vorliegende Studie ist in hohem Grade geeignet, die wichtige 
Frage von Neuem zu beleuchten, wie der Angriff der Infanterie sich in 
Zukunft gestalten werde. General von Scherff vertritt den Standpunkt 
festerer Reglement&risirung des Angriflsverfahrcns, bleibt uns aber leider 
die Antwort auf die Frage schuldig, welches denn nun die erwünschteste 
Form für dieses Verfahren sei. Und zweifellos ist dies auch die schwierigere 
der beiden Seiten — wir möchten sie die Schattenseite des Normalverfahrens 
nennen. Denn wir sind darüber einig, dafs das Auftragverfahren leichter 
dazu führt, die Einzelkä'mpfe zu vermehren und mit ihnen die Erfolge in 
Frage zu stellen, dafs der bestimmte Befehl sicherlich mehr dazu geeignet 
ist, die entwickelten Kräfte fest in der Hand zu halten und damit zu ein- 
heitlichem Einsetzen zu bringen. Wir sind des Herrn Verfassers Ansicht' 
dafs immer mehr sich ein festeres Fügen der Verbände zu gemeinsamem 
Handeln als notwendig herausstellt und können den im Exerzir-Reglement 
vorgesehenen Fall eines Vorreilsens des Angriffs durch Schützen nur als 
einen regleinentarischen Fehler bezeichnen. Denn soweit darf die Selbst- 
ständigkeit der vorn kämpfenden Unterführer nur in Ausnahmefällen gehen — 



Digitized by Google 



358 



Umschau in der Militär - Litteratur. 



es wird fast nie ein ganzer, sondern fast immer ein partieller Erfolg sein, 
der hier errungen wird, fast niemals wird der Moment aber so gewählt 
werden können, wie es die Sehlachtenleitung will und schon aus diesem 
Grunde sind wir für ein schärferes „Reglementarisiren" des Angriffs Verfahrens. 
An Stelle des Auftrages trete der bestimmte Befehl, der für das Angriffs- 
verfahren eigentlich nur dreierlei Art sein kann: 1. kläre auf, d. h. engagire 
dich nur bis zu einem gewissen Grade, 2. halte das Gefecht hin, oder 
3. reifse vor, verstärke, greife an. 

Der Befehl bezeichne das Objekt genau und ich bin der Meinung, der 
Unterführer habe noch immer Freiheit des Handelns genug, die Führung 
aber die Leitung der Gcsammthandlung dabei nicht verloren. Wir müssen 
dem Herrn Verfasser zugestehen, dafs der Führer heutzutage eigentlich 
machtlos dasteht, wenn nach seinen Aufträgen nicht gehandelt wird: diese 
gehen eben zu weit. - Nun aber die Form für das Angriffs verfahren! 
Zunächst möchten wir behaupten, dafs wir auch in unseren jetzigen Dienst- 
vorschriften einen Anhalt fiir dieses Verfahren finden, uns sehr wohl 
konstruiren können. In dieser Hinsicht werden die Abschnitte der F.-O. 
über Schiedsrichter, der S.-V. über Feuerwirkung und des K.-Ii. über (las 
Gefecht noch garnicht genügend studirt. Das nennen wir auch „theoretisches 
Studium", das aber vor starrer Form schützt. Und gegen diese ist es, 
gegen die in der Armee sich so Viele verwahren. Eine Schematisiruag 
des Angriffes sollte nicht nur verboten sein, sondern vor Allem auch nicht 
geduldet werden — sie dürfte höchstens über die freie Ebene und auf die 
Entfernung unter 400 m überhaupt in Frage kommen weil die un- 
glaublichsten und unmöglichsten Phantasiegehilde heut zu Tage auf den 
Übungsplätzen zu sehen sind. 

Nur überschätze man doch ja nicht den Wert solch einheitlichen An- 
griffes, der nur zu leicht dazu führt, dafs jede Selbsttätigkeit unterbunden 
wird, mir noch auf direkten Befehl gehandelt werden darf, denn es wird 
ja „Alles" befohlen. Und hierzu können wir durch oin Normalverfahreii, 
durch feste Formen nur zu leicht kommen. Der Unterführer weife iu> 
Voraus schon, dafs er zu diesem oder jenem Zeitpunkte „normal" so und 
so zu handeln hat, kommt aber der Gegner ihm in die Quere, so ist die 
ganze Norm und Form eitel Seifenblase und ratlos steht der zur Form 
Erzogene den Ereignissen gegenüber. 

Das von dem Herrn Verfasser gewählte und so eingehend behandelte 
Beispiel dürfte für seine Absicht, cino festere Reglementarisirung 
als dringend erforderlich zu erweisen, besonders geeignet sein. Die 
Momente, welche in der Schlacht von Colombey-Nouilly die Gefechtsführung 
erschwerten und die Kampfesordnung lösten, sind aber nicht nur darin zu 
suchen, dafs die Kampfformen nicht mehr die richtigen waren, dafs man 
verzettelt die auf dem Schlachtfelde erscheinenden Kräfte dem Gegner 
entgegenwarf, sondern die obere Leitung war sich von vorn herein darüber 
nicht völlig klar, was die erste Armee am 14. August eigentlich sollte; „denn 
es kam fiir die französischen Streitkräfte an diesem Tage nur darauf an, jedes 
Zusammentreffen mit dem Feinde überhaupt zu vermeiden." 1 Eine „Be- 



Digitized by Googl 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



35!) 



obachtung u , wie sie für den Fall des „Stehenbleibens" der Franzosen an- 
geordnet war, mufste unter allen Umständen zum Kampfe fuhren und so 
wurden die Truppen nach und nach in einen von der Heeresverwaltung 
nicht beabsichtigten Kampf verwickelt. — Wenn wir in mancher Hinsicht 
dem Herrn Verfasser auch beipflichten, dafs es wünschenswert sei, Formen 
zu finden, welche ein Vortragen des Angriffes erleichtern, möchten wir 
andererseits aber doch betonen, wie schwer es ist, solche Formen zu finden, 
ohne in ein Schematisircn zu verfallen. Und letzteres soll doch wahrlich 
nicht gewollt sein, wenigstens sind wir nicht im Stande, ihm das Wort zu 
reden. 

Was haben unsere westlichen Nachbarn mit ihrem Normal verfall ron 
erreicht? Für Viele ist es ein mit Wonne ergriffenes Rettungstau — für 
sie ist es auf alle Fälle anwendbar. Und welche Gefahr liegt doch hierin! 
Soviele Gefechte, soviele verschiedene Arten des Angriffsverfahrens, d. h. 
so vielfach verschieden wird der Angreifer seine Feuerüberlegenheit herbei- 
zuführen versuchen. Hierin gipfelt das, was wir für unser Angriffsverfahren 
— für die KampfTorm — benötigen und mit der Art, wie der Angreifer 
bis zur Hauptfcuerstellung vorgeht, wie er seine Verstärkungen nach- und 
hereinführt, sollte man hauptsächlich rechnen. Lassen sich hierfür aber 
wohl jemals ein für alle Mal geltende Formen finden? Wir meinen, dafs 
das unmöglich sei und sehen den weiteren Ausführungen des Herrn Ver- 
fassers, wie derselbe sich die erwünschte KampfTorm denkt, gespannt ent- 
gegen 5 möchten sie uns nur nicht in ein Schema hineinzwängen! 63. 

Der zweite punische Krieg (die Jahre 219 und 218 mit Ausnahme des 
Alpenüberganges). Ein Versuch von Josef Fuchs. Professor in 
Wr.-Neustadt. — 1894. In Kommission bei Karl Blumrich, Wr.- 
Ncustadt. 

Hannibals Thaten, die wiederholten Siege desselben über Korn, mit 
einem Heer, welches er aus Spanien durch Gallien über die Alpen führte, 
um von Ober-Italien aus die siegesgewohnten Römer anzugreifen, haben mit 
Recht die Bewunderung der Mit- und Nachwelt wachgerufen. Es ist dem 
Herrn Verfasser vollkommen zuzustimmen, dafs zwar die letzten Kriege 
in strategisch-taktischer Beziehung die vornehmste Quelle der Belehrung 
sind, dafs aber dennoch der zweite punische Krieg für die Kriegsgeschichte 
von grofser Bedeutung ist und bleiben wird. — Die Litteratur hat aller- 
dings ausgezeichnete Werke über den zweiten punischen Krieg aufzuweisen, 
welche der Herr Verfasser auch gewissenhaft anführt. Dennoch hat das 
vorliegende Werkchen (120 Seiten stark), dessen Sprache eine fließende 
und gewählte ist, seine Berechtigung. Der Herr Verfasser hat sich nämlich 
was bisher nicht mit vielem Glück geschehen ist, zur Aufgabe 
gemacht, die Begebenheiten der Kriegsjahre 219 und 218, vom Auf- 
bruch Hannibals aus Spanien bis zur Schlacht an der Trebia, unter 
sorgfältiger und kritischer Benutzung der Quellen, namentlich der Werke 
des Griechen Polybius und des Römers Livius, nach strategisch-taktischen 
Gesichtspunkten zu beleuchten. 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär - Litteratur. 



Das Wcrkclien wird vom llcrm Verfasser in bescheidener Weise als 
„Versuch'* bezeichnet Wiewohl einzelne Ausführungen gegen die Dar- 
stellung Mommsens nicht überzeugend sind, können wir doch den Versuch 
als im allgemeinen gelungen bezeichnen. Es ist zu wünschen, dafs der 
Herr Verfasser auch den Alpenübergang, dann den weiteren Verlauf des 
Krieges bis zu dem für Carthago verhängnifsvollen Friedensschlufs einer 
gleichen Behandlung unterziehen möge. 45. 

Beiträge zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. I. Offizier 
Felddienst-Ühungen. Von Litzina nn, Oberstlieutenant. Mit 1 Kroki, 
1 Skizze und Blatt Cosel der Karte des deutschen Reiches. Zweite 
durchgesehene Auflage. Leipzig 1893. Verlag von G. Lang. Preis 3 M. 

Die erste Auflage dieses auf die applikatorische Methode gestützten 
Handbuches erschien im vorigen Jahre. Es hat an dieser Stelle eine 
ebenso eingehende wie anerkennende Besprechung gefunden (Vergl. Jahr- 
bücher, Dezember 1893, S. 376). Wir können uus deshalb damit begnügen, 
auf das Erscheinen dieser zweiten, sorgfältig überarbeiteten Auflage hiermit 
nochmals die Aufmerksamkeit unserer Leser zu richten. Es gehört zu 
denjenigen Werken, welche nicht flüchtig gelesen, sondern gründlich 
studirt sein wollen. Wer diese Mühe scheut, der lege es wieder aus der 
Hand. Sicher ist aber, dafs die auf das Studium desselben verwendete Zeit 
und Mühe einem Jedem reiche Früchte tragen wird. 4. 

1. Deutsche Kriegertugend in alter und neuer Zeit. Der Jugend 
und dem Heere gewidmet von Paul v. Schmidt, Generalmajor z. D. 
Preis 2,50, in Partien 2,10 M. 2. Die Erziehung des Soldaten. 
Den Kameraden gewidmet von Paul v. Schmidt, Generalmajor z. 1). 
Preis 2,50 M. Berlin 1894. Verlag der Lieberschen Buchhandlung. 

Der unermüdlichen Feder des Herrn Verfassers verdanken wir aber- 
mals zwei Schriften, deren Beachtung wir allen denen, die mit der Truppen- 
ausbildung zu thun haben, dringend empfehlen. P. v. Schmidt hat die 
seltene Gabe, ethische Stoffe in fesselnder und wahrhaft volkstümlicher 
Weise zu behandeln; er wird hierin durch eine staunenswerte Belescnheit 
wirksamst unterstützt. — Die erstgenannte Schrift: „Deutsche Krieger- 
tugend in alter und neuer Zeit* behandelt folgende Themata: Gottes- 
furcht und Demut; Liebe zu König und Vaterland; Treue und Selbst- 
verleugnung; Heilighaltung der Fahne; Gehorsam und Pflichttreue; Kriegs- 
fertigkeit; Mut und Tapferkeit; Kaltblütigkeit, Geistesgegenwart, Ausdauer; 
Entschlossenheit, Verwegenheit, Siegeszuversicht ; Todesmut und Freudigkeit 
im Sterben; Soldatenehre und Mannszucht; Kameradschaft und Edelmut; 
Frohmut und Humor. — Man sieht, dafs die Grenzen der „Deutschen 
Kriegertugend " sehr weit gesteckt sind. Über die einzelnen Themata aus 
dem Stegreif und wirklich zum Gemüt zu sprechen, ist eine Gabe, die 
sehr wenige besitzen. Wir können darum nur raten, an der Hand dieses 
gediegenen Werkes den wichtigen Stoff gründlich zu durchdenken und 
sind überzeugt, dafs ein in diesem Sinne gehaltener Vortrag (welcher am 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär-Liüeratur. 



»Gl 



Besten in der Hand des Kompagnie-Chefs liegen sollte) von der segens- 
reichsten erziehlichen Wirkung sein wird. Die überaus zahlreichen, ein- 
gestreuten Beispiele aus der Heeresgeschichte, namentlich der neuesten 
Zeit, sind sehr geschickt gewählt und werden das Verständnis des Vortrages 
erleichtern helfen. 

Die zweite Schrift, „Die Erziehung des Soldaten", ist ausschliefslich 
zum Studium für den Offizier, älteren und jüngeren gleicher Mafsen, be- 
stimmt. Sic bezweckt, zum Nachdenken über das hohe, zu erreichende 
Ziel anzuregen, nämlich ,.auf dem Grunde der Gottesfurcht, Königstreue 
und Vaterlandsliebe die zur Fahne einberufenen jungen Männer zu recht- 
schaffenen, unverzagten, pflicht- und ehrliebenden Soldaten heranzubilden." 
Wahrlich ein Ziel, „des Schweifscs des Edlen wert." Die drei Abschnitte 
dieser Schrift behandeln 1. die Ziele der Erziehung, 2. die Erzieher 
(Offiziere und Unteroffiziere), 3. die Mittel der Erziehung, nämlich die 
Ausbildung, den Dienstunterricht, die Behandlung des Soldaten, die Be- 
strafung, die Belohnung, vaterländische und Regimentsgeschichte, Gesang 
und Musik, Gedenktafeln und Merksprüche, kameradschaftliche Gesellig- 
keit, Mannschafts-Bibliotheken, Feier von Gedenktagen und Festen, religiöse 
Einwirkung, militärische Jugenderziehung. — Gewifs ist, wie im Schlufs- 
worte gesagt wird, „die Erziehung des Soldaten eine der wichtigsten 
nationalen Aufgaben," denn sie fördert die geistigen Hebel, die 
denn doch die Hauptsache sind und bleiben, trotz aller organisatorischen, 
taktischen und technischen Fortschritte, deren sich die Heeresleitung in 
neuester Zeit mit Recht berühmen darf. Der Herr Verfasser hat uns mit 
seinen warmherzigen, überall das Richtige treffenden Worten so recht aus 
der Seele gesprochen. Wir halten uns verpflichtet, den Kameraden auch 
diese Schrift um des edlen und hohen Zweckes wegen an das Herz zu 
legen. 2. 



Militärärztlicher Dienstunterricht für einjährig-freiwillige Ärzte 
und Unterärzte sowie für Sanitätsoffiziere des Beurlaubten- 
standes. Zweite, vermehrte Auflage. Von Dr. Kowalk, Stabsarzt. 
Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M., gebd. 5 M. 

Von dem in den Kreisen der einjährig-freiwilligen Arzte und Unter- 
ärzte bereits bestens bekannten, von Stabsarzt Dr. Kowalk bearbeiteten 
„Militärärztlichen Dienstunterricht" ist eine zweite, vermehrte Auflage er- 
schienen. Infolge der neuergangenen Dienstvorschriften hat diese zweite 
Auflage sehr zahlreiche Ergänzungen und Änderungen erfahren, auch fanden 
die für das XII. (Königlich Sächsische) und das XIII. (Königlich Württem- 
bergische) Armeekorps abweichenden Bestimmungen Berücksichtigung, so 
dafs das Handbuch nunmehr allen Sanitätsoffiztcr-Dienstthuern der ge- 
sammten deutschen Armee den militärärztlichen Dienst erleichtern und 
fördern wird. 4. 



Digitized by Google 



302 



Umschau in der Militär - Literatur. 



Garnisonbeschreibungen vom Standpunkt der Gesundheitspflege 
aus aufgestellt. Herausgepeben von der Medizinal-Abteilung des 
Königlichen Kriegsministeriums. Erster Band: Beschreibung der 
Garnison Cassel. Mit 2 Karten, 56 Tafeln und 1 Abbildung im 
Text. Berlin 1893. E. S. Mittler & Sohn. Preis 8 M. 
Als ein sehr anerkennenswertes Unternehmen ist es zu bezeichnen, 
dafs seitens der Medizinal-Abteilung des Königlichen Kriegsministeriums 
eine Bearbeitung der sämmtlichen Standorte nach einem einheitlichen Plan 
vom Gesichtspunkte der Gesundheitspflege vorgenommen worden ist und. daß 
Se. Excellenz, der Herr Kriegsminister, die Veröffentlichung derselben 
genehmigt hat. Indem hierdurch nicht allein allen Sanitatsoffizieren einer 
Garnison, — insbesondere den neu in eine solche versetzten — die 
Möglichkeit gewährt wird, sicli über Gesundheits- und Krankheitsverhaltnisse 
ihres Ortes, über die hygienischen Zustände ihrer Garnison und Garnison- 
anstalten, über das Klima etc. in kürzester Zeit zu orientiren, wird das 
solcher Gestalt niedergelegte Material durch die Veröffentlichung auch 
weiteren Kreisen zugänglich gemacht. 

Bei der Bearbeitung vorliegenden Werkes sind in erster Linie die 
Sanitäts-Offiziere der bezüglichen Garnisonen thätig gewesen, doch habeu 
die Aufzeichnungen gleichfalls den Königlichen Sanitätsämtern und der 
Königlichen Intendantur vorgelegen, wie denn auch die betreffenden 
städtischen Behörden einen reichen statistischen Beitrag für den allgemeinen 
Teil geliefert haben. Desgleichen hat das meteorologische Institut bei der 
Erörterung Über klimatische Verhältnisse ein reiches Zahlenmaterial sowie 
wertvolle wissenschaftliche Beobachtungen zur Verfügung gestellt. 

Mit der Garnison Cassel ist das erste derartige Werk der Öffentlichkeit 
tibergeben worden und eine Durchsicht desselben überzeugt uns, mit welcher 
Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit hierbei verfahren worden ist. — In 
162 Seiten Text wird die geographische Lage der Stadt und ihrer Umgebung, 
desgleichen werden ihre geologischen Verhältnisse und das Klima behandelt 
und letzteres durch eingehende Tabellen über Luftdruck, Temperatur, 
Niederschläge, Windstärke und "Windrichtungen etc. erläutert, welche den 
täglichen Aufzeichnungen zu verdanken sind, die der dortige Gewerbeschul- 
Oberlehrer Dr. Möhl vom Januar 1863 bis auf den heutigen Tag in 
gewissenhaftester Weise gemacht hat. — Diesem schliefsen sich die Kapitel 
über die Beschreibung der Stadt, über Wasserversorgung, Beseitigung der 
Abfallstoffe sowie über die wichtigsten städtischen Anlagen, Schlachthaus, 
öffentliche Krankenhäuser, Kirchhöfe etc. an. — Der II. Teil behandelt 
die Garnison-Anstalten, die Kasernen, die Kriegsschule etc. und mit besonders 
anerkennenswerter Gründlichkeit die sehr zweckmäfsigen Einrichtungen 
des neuen Garnison-Lazareths, welche wohl dem dortigen bewährten Vor- 
stande und Garnison-Arzt zu danken sind und die volle Beachtung auch 
weiterer Kreise verdienen! — Der III. Teil behandelt Statistisches der 
Civil- und Militärbevölkerung nebst einer Betrachtung über die in der 
Stadt vorherrschenden Krankheitserscheinungen, und nachweisbar statt- 
gehabten En- und Epidemien, wodurch die erfreuliche Wahrnehmung einer 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär - Literatur. 



30.3 



fortschreitenden Besserung der Krankheits- und Sterblichkeitsverhältnisse 
erbracht ist. — Nebst einem Anhang sind dem Werk Karten von der 
Stadt und ihrer Umgebung sowie zahlreiche vorzügliche Photographien und 
Grundrisse aller Garnison-Anstalten beigefügt, welche im Verein mit dem 
Text wohl geeignet sind, ein durchaus anschauliches Bild aller einschlägigen 
Verhältnisse zu geben. 

Es erscheint sonach die Hoffnung gerechtfertigt, dafs das Werk in 
jeder Beziehung dem angestrebten Zweck entsprechen wird, neben Förderung 
der Armee-Interessen auch weiteren Kreisen in hygienischen Fragen Nutzen 
zu scliaffen. Möchte es bei allen hierbei interessirten Behörden und 
Persönlichkeiten die gebührende Beachtung finden! v. M. 

Kriegserinnerungen aus 1870/71. Soldatengeaehichten von O. Elster. 
Berlin. Verlag der Liebelschen Buchhandlung. Preis 1 M. 

Die Zahl der Kriegserinnerungen und Soldatengeschichten ist schon 
eine ubergrofse, man wundert sich fast, dafe davon immer noch neue auf 
dem Büchermarkte erscheinen. Aber nicht alles, was uns als „Soldaten- 
geschichten" aufgetischt wird, verdient diesen Namen. Zu den letzteren, 
welche es wert sind, dafs wir sie unseren Mannschaften in die Hand 
geben, damit sie lernen, wie es im Kriege hergeht, rechnen diese 11 an- 
spruchslosen, sehr fesselnden Geschichten. Der Verfasser besitzt eine 
Erzähler-Gabe, wie wir sie an Winterfeld und Tanera gewöhnt sind. Ich 
habe diese Blätter, welche ich Soldaten-Bibliotheken nur empfehlen kann, 
mit wahrem Vergnügen gelesen. 3. 

Über die Pferdezucht in den Vereinigten Staaten von Amerika. 

Von Burchard von Oeningen, Landstallmeister. Preis 1 M. 
Uippologische Gedanken von einem Freunde des Vollblutpferdes. 
Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 40 Pfg. 

Die Vereinigten Staaten von Amerika besitzen in selten glücklicher 
Vereinigung dio wichtigsten Bedingungen für eine ausgedehnte Pferde- und 
Viehzucht. Sind schon die grofsen, vorzüglichen Weideflächen auf kalk- 
haltigem Boden der billigen Aufzucht brauchbarer Pferde denkbar günstig, 
so erlaubt vollends das milde Klima selbst in den nördlichen Staaten einen 
Weidegang von sieben Monaten. Kein Wunder, dafs dieses früher fast 
pferdelosc Land heute unter den pferdezüchtenden Ländern eine ganz her- 
vorragende Stelle einnimmt. In diesem Werke stellt der Verfasser die 
Ergebnisse seiner 3*/ 2 monatliehen Studienreise durch die in der Pferdezucht 
sich besonders auszeichnenden Länder der Vereinigten Staaten von Amerika 
zusammen. Nach einer kurzen allgemeinen Charakteristik der nord- 
amerikanisehen Pferde- und Zuchtverhältnisse in Kentucky, Tennessee, 
Kalifornien und Montana schildert er die Traberzucht, die Trabrennen — 
ein nationaler Sport Nordamerikas — und den Training des Trabers, sowie 
die Vollblutzucht, den Training des Rennpferdes und die Rennpropositionen. 
Es folgen Beschreibungen der gröfsten Gestüte und der auf der Ausstellung 
in Chicago vertretenen Pferdeklassen. Indem der Verfasser die ameri- 



Digitized by Google 



364 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



kanische und unsere Pferdezucht vergleicht und die Gründe für den Rück- 
gang der Leistungsfähigkeit unserer Remonten erörtert, weist er zugleich 
auf die Gefahren hin, welche durch das schnelle Fortschreiten und Ge- 
deihen der nordamerikanischen Pferdezucht für unsere einheimischen 
Zuchten erwachsen müssen, falls wir diesen nicht durch energische Mafs- 
regeln aufzuhelfen bestrebt sind. 

In der zweiten, im gleichen Verlage anonym erschienenen Schrift: 
Hippologische Gedanken von einem Freunde des Vollblutpferdes 
wird den Feinden der Rennbahn und des Vollblutpferdes und ihren haltlosen 
Zeit-, Gewicht- und Distanzkritiken entgegentreten und geschildert, wie 
der wahre Sportingscharakter sich nur auf wirkliche Leistungen beruft, wie 
nicht nur Fleifs und Kenntnisse nötig sind, um sich ganz in ein Pferd 
hineinzudenken, sondern vor allem Liebe zum Pferde. Der Verfasser hebt 
hervor, dafs sich der Charakter des Menschen, ja sogar der Typus jedes 
Volksstammes auffallend richtig im Umgange mit Pferden erkennen lasse, 
und dafs ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen der Art des Reitens 
und dem Charakter des Reiters ersichtlich sei. Die Ausführungen geben 
zu geistreichen Betrachtungen Veranlassung. 3. 

Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preußischen Armee und 
des XIII. (Württembergischen) Armeekorps für 1894. Nach 
dem Stande vom 20. Mai 1894. Preis 7,50 M. 1277 S. 
Die diesjährige Rangliste ist um 137 Seiten stärker als die vorjährige. 
Es ist dies vornehmlich darin begründet, dals das XIII. Armeekorps zum 
ersten Malo in derselben erscheint. Naturgemäfs wird die Rangliste von 
Jalir zu Jahr stärker und damit unhandlicher. Es legt dieses den Wunsch 
nahe, entweder das Buch zu teilen, oder durch sparsamen Druck, was wohl 
möglich, am Räume zu gewinnen. Das XIII. A.-K. ist als ein Ganzes 
gesondert hinter den preussischen Offizieren des Beurlaubtenstandes auf- 
geführt, während die Anciennitätslisie für sämmtliche preussischen und 
württembergischen Generale und Stabsoffiziere eine gemeinsame ist und 
sich wiederum an alter Stelle, nämlich vor dem alphabetischen Verzeichniis 
der Standorte, befindet. Von wichtigen Neuerungen seien erwähnt die 
Schiefsplatzverwaltungen Thorn und Wahn, der Truppenübungsplatz Döbcrta 
und ein Artilleriedcpot in Brandenburg a. H. 9 Divisionen, 22 Infanterie-, 
7 Kavallerie-, 6 Fcldartillerie-Brigaden haben seit dorn Erscheinen der 
kleinen Rangliste (Herbst v. J.) den Kommandeur gewechselt, ferner 
36 Regiments-Kommandeure der Infanterie, 12 der Kavallerie, 10 der Feld-, 
5 der Fufsartillerie. — Die ältesten Gencrallieutenants sind 4, die ältesten 
Generalmajore etwas über 3, die ältesten Obersten der Infanterie, Kavallerie 
und Feld-Artillerie 3*/ 2 i der Ingenieure etwas über 3 Jahre in ihrer Stellung, 
wohl ein Beweis dafür, dafs das Avancement ein recht günstiges für die 
oberen Chargen war. Die Zahl der 25jährigen Dienstkreuze in den Chargen 
der Hauptleute und Rittmeister ist bedeutend zurückgegangen, bei der 
Infanterie per Regiment durchschnittlich 2 — 3, bei einigen (Garde-) 
Regimentern kein», bei wenigen (Linien-) Regimentern bis zu 4 und 5, 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär- Litte ratur. 



entsprechend bei den anderen Waffen. Die Verjüngung des Offizierkorps 
hat folglich wesentliche Fortschritte gemacht. Dies wird um so ersichtlicher, 
wenn man eine Rangliste Älterer Zeit zu Rate ziehet. In derjenigen des 
Jahres 1839 (welche beiläufig nur 434 Seiten kleineren Formates zählt) 
findet man nur wenige Hauptleute oder Rittmeister ohne das 25jährige 
Dienstkreuz, dagegen zahlreiche Premierlieutenants und bei mehreren 
Kavallerie - Regimentern selbst einige Sekon de -Lieutenants im Besitze 
desselben. Der Vergleich mit der »guten, alten Zeit" fällt somit in dieser 
Hinsicht nicht zu deren Gunsten aus. 3. 

Dictionnaire militaire. Encyclope^lie des sciences militaircs, r6dige*e par 
un comite* d'officiers de toutes armes. 1. Livraison. A— Arm6*e. 
Paris-Nancy 1894. Librairie militaire Berger-Levrault et Cie. Preis 3 fr. 

Wer immer in der Lage ist, sich mit der französischen Militär-Litteratur 
zu beschäftigen, der wird häufig genug in Verlegenheit sein (selbst bei 
genauester Kenntnifs der französischen Umgangssprache), wie er diesen oder 
jenen Ausdruck gut übersetzen solle. Bei dem schnellen Fortschreiten der 
Technik lassen zudem alle Lexika ohne Ausnahme im Stich; die Werke 
von Coster nnd Ribbentrop sind gänzlich veraltet. Wir begrüfsen deshalb 
das vorliegende Werk, dessen erste Lieferung uns zuging, mit besonderer 
Freude. Dasselbe ist einerseits eine Militär-Encyclopädie in der Art wie 
das Poten'sche „Handwörterbuch der gesammten Militärwissenschaften" 
(doch ohne Illustrationen), und giebt als solche gründlichste Auskunft über 
alle hier einschlägigen Themata, andererseits ein mehrsprachiges wirkliches 
Lexikon, welches jeden militärtechnischen Ausdruck in deutscher, englischer, 
italienischer, spanischer und russischer Sprache wiedergiebt (aber anstatt der 
russischen Schriftzeichen lateinische). Zum Beispiel: Affiöt. — All.: Lafette; 
angl.: Carriage; it.: Affusto; esp.: Curenna; rass.: Lafet. — Das Werk ist in 
dieser Beziehung wirklich einzig in seiner Art. Mit welcher Gründlichkeit 
die einzelnen Artikel bearbeitet sind, erhellt z. B. daraus, dafs der Titel 
„Administration" 10 Seiten (Folio - Format) füllt und auch selir genaue 
Angaben über die Heeresverwaltung der Grofsmächte in sich schliefst. 
Wir gestehen, dafs wir das Maafs der Sachkenntnifs und den Fleifs, mit 
welchem die einzelnen Aufsätze gearbeitet sind, geradezu bewundern. — 
Das Werk wird, wenn es fertig gestellt sein wird, ein höchst willkommenes 
Hülfsmittel für alle militärwissenschaftlichen Studien werden. Wir wünschen 
ihm deshalb eine recht baldige Fortsetzung und Vollendung, der wir 
mit Ungeduld entgegen sehen. 1. 

Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches. Nebst den Entscheidungen 
des Reichsoberhandelsgerichts, des Reichsgerichts und der Seeämter. 
Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von Dr. jur. 
W. E. Knitschky. Zweite verm. u. verbess. Auflage. Berlin 1894. 
J. Guttentag, Verlagsbuchhdlg. Preis 3,80 M. 

Man kann dieses schon in zweiter Auflage vorliegende Handbuch zu 
den schlechthin unentbehrlichen für alle maritimen Verhältnisse zählen. 

Jahrbücher Air die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIUC, 3. 24 



Digitized by Google 



3ßi; 



Umschau in der Militär-Litteratur. 



Es enthält Alles, was dem Seemann auf dem Gebiete der Seegesetzgebung 
zu wissen not thut. — Der erste Teil (A), „Öffentliches Scerccht" 
hat folgende Kapitel: I. Zuständigeit des Reiches in Seeschifffahrts- 
angelegenheiten. II. Nationalität, Flagge. Registrirung und Vermessung der 
Seeschiffe. III. Verhältnisse der Seeleute, und zwar 1. Befähigung zur 
Führung der Schiffe, 2. Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, 3. Unfall- 
versicherung. IV. Gesetzliche Obüegenheiten der Rheder und Schiffer. 
V. Polizeiliche und strafrechtliche Vorschriften. VI. Untersuchung von 
Seeunfällen. VII. Einrichtungen im Interesse der SchinTahrt. VIII. Prisen- 
gerichtsbarkeit. — Der zweite Teil (B) behandelt das „Privatrecht". 
— Das dem Werke angehängte Sachregister ist für den Handgebrauch 
sehr wichtig und erleichtert die schnelle Auffindung jeden Titels. Der 
Preis des 710 Seiten zählenden "Werkes ist ein sehr niedrig bemessener. 
Einer weiteren Anpreisung bedarf dieser durchaus zuverlässige Ratgebor 
meines Erachtens nicht; er empfiehlt sich selbst. 4. 



III. Seewesen. 

Marine-Rundschau. Heft 7. Über Heiz- und Beleuchtungsanlagen 
an Bord von Schiffen und ihren Wert in gesundheitlicher Beziehung. Von 
Marinestabsarzt Dr. Dirksen. — Eine Informationsreise auf Schnelldampfern. 
Von Maschinen-Ingenieur Eggert (Schlufs). — Die Ergebnisse der Probe- 
fahrten S. M. Panzerschiffes „Wörth". Das Schiff hat bei einer Länge von 
108 ra, einer gröfsten Breite von 19,5 m und einem mittleren Tiefgange 
von 7,43 m ein Deplacement von etwa 10 040 Tonnen, ist mit einem 
Panzergürtel (aus Nickelstahl) in der Wasserlinie umgeben, welcher, mitt- 
schiffs 400 mm stark, sich nach den Schifisenden auf 300 mm verjüngt 
und aufserdem ein über das ganze Schiff reichendes Panzerdeck, dessen 
Stärke in der Mitte 60 mm, an den Seiten dagegen 65 mm beträgt. Die 
Maschinen des Schiffes sollten 9000 Pferdekräfte indiziren. Die Armirung 
besteht aus: vier 28cm-Kanonen L/40, zwei 28 cm-Kanonen L/35, sechs 
10,5 cm-Schnelladekanonen L/35, acht 8,8 cm-Schnelladekanonen L/30, zwei 
6 cm-Bootskanonen und acht 8 mm -Maschinenge wehren. Die 28 cm-Ge- 
schütze sind zu je zweien auf gemeinschaftlicher Drehscheibe in drei in der 
Mittschiffslinie hintereinander aufgestellten Barbettetürmen von 300 mm 
Panzerstärke untergebracht. Die Torpedoarmirung besteht aus 6 Torpedo- 
rohren. Die gröfste Geschwindigkeit mit dem Schiff bei 111 Um- 
drehungen der Maschinen betrug 17,2 Seemeilen, während nur 15 bis 
16 Seemeilen verlangt worden waren. Im Übrigen hat sich das Schiff 
sehr gut bewährt. Mitteilungen aus fremden Marinen. England: 
Schiefsversuch des Torpedobootsjägers „Havock." — Das englische Schlacht- 
schiff I. Klasse „Hood", eines der acht Panzerschiffe, die auf Grund des 
Flottenbauplanes von 1890 erbaut sind, befindet sich seit etwa einem Jahre 
zu Probefahrten im Dienst. Die erzielten angeführten Resultate mit dem- 
selben sind der französischen Zeitschrift „Le Yacht" vom 2. 6. 94 ent- 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Literatur. 



3(>7 



nomraen. — Frankreich: Probefahrten der Hochseetorpedoboote „Tour- 
nante" und „Argonaute", welche Fahrzeuge in Nantes von der Gesellschaft 
„Forges et Chantiers de la MediterraneV 4 auf ihrer Werft in Graville 
erbaut sind und eine Maximal-Geschwindigkeit von 24,6 bis 25,1 Knoten 
erreicht haben. — Chile: Erprobung des neuen Kreuzers „Bianca Encalada", 
von Armstrong erbaut. — Rufsland (Sebastopol als Schiffswerft). Die 
Entwickelung der russischen Seemacht im Schwarzen Meere ist in den 
letzten 5-6 Jahren so bedeutend gewesen, dafs die Werft von Nikolajeff 
den gesteigerten Anforderungen nicht mehr zu genügen vermochte. Die 
russische Regierung hat daher den Plan gefaßt, in Sebastopol eine neue 
grofse Werft anzulegen und den Hafen zur Flottenstation zu machen. Die 
Ausführung der hierzu erforderlichen Arbeiten wird mit Eifer betrieben. 
Die Anlage der grofsen Docks und Hellinge ist soweit gediehen, dafs die 
Behörden hoffen, schon im Laufe der nächsten zwölf Monate zwei stattliche 
Panzerschiffe und drei Kreuzer auf Stapel stellen zu können, die demnächst 
die Schwarze-Meer-Flottc verstärken sollen. — William's mittelst Keilnaht 
hergestellte Stahlrohre. (Mit Skizzen im Text.) — Eine Eisenbahn- 
Batterie. Am 19. Mai d. J. hat vor einer Gesellschaft militärischer Sach- 
verständiger in Newhaven die Vorführung eines gepanzerten, als fahrbare 
Batterie zur Küstenverteidigung verwendbaren Eisenbahnzuges stattgefunden. 

Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. 
Heft VI. Prinz Heinrich der Seefahrer. Die „Royal Geographical Society" 
zu London feierte am 5. März d. J. die 500jährige Wiederkehr des Geburts- 
tages Prinz Heinrichs des Seefahrers, des Vaters der maritimen Entdeckungs- 
reisen und der modernen geographischen Forschung. (Aus „Geographical 
Journal," Maiheft 1894). — Uber eine neue Methode, die harmonischen 
Konstanten der Gezeiten abzuleiten. Von Admiralitätsrat Professor 
Dr. Borgen. — Versuche über das Glätten der See durch Seifenwasser, 
ausgeführt von S.M. Schiffen „Marie", „Baden", „Sachsen", „König Wilhelm" 
u. a. Die Berichte der betreffenden Schiffskommandanten sind beigefügt. 

Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. VH 1894. 
Die nautischen Instrumente Josef Resscls. Von E. Gclcich. (Vergleiche 
auch Ressel und seine Ansprüche auf die Erfindung der Schiffsschraube, 
in „Unsere Zeit," Band 7, 1863.) — Elektrische Geschützanlagen. Von 
G. Schwanda, k. u. k. Marine-Artillerie-Ingenieur. (Mit einer Anzahl Text- 
zeichnungen.)— Toulon und die französische Mittelmeerflotto. Von Wm.Laird 
Clowes. Übersetzt aus Lord Brassey's „Naval Annual." (Mit zwei Plänen). 
— Tafeln zur vereinfachten Berechnung der Mittags- und Mitternachts- 
verbesserung. — Von der englischen Kriegsmarine: Artillerie-Schicss- 
proben auf dem Torpedobootsjäger „Havock" unter Dampf, nebst Bericht 
über den Ausfall der Schiessübung. — Die Namen für die neuen Schlacht- 
schiffe. — Ersatz der gegenwärtigen Tender durch Torpedo-Kanonenboote. — 
Reparatur des ehemaligen Flaggschiff Nelsons „Foudroy ant." — Von der 
italienischen Kriegsmarine: Probefahrten des Panzerschlachtschiffes 
„Sardegna." Dasselbe erreichte mit natürlichem Zuge eine Geschwindigkeit 
von 19,8 Knoten. Ferner wurden mit dem Schiffe Vergleichsversuche 

24* 



Digitized by Google 



3G8 



Umschau in der Militär- Li tteratur. 



zwischen Kohlenheizung und der nach dem System Cuniberti eingerichteten 
Petroleumheizung vorgenommen, welche zu Gunsten der letzteren ausfielen. 
— Die Probefahrten mit dem Panzerdeckkreuzer „Umbria'- haben eine 
Geschwindigkeit von 18 bezw. 20 Knoten ergeben. — Im Schiffbau- Bureau 
zu La Spezia wird ein neuer Torpedobootstyp von grosser Schnelligkeit 
(28 Knoten) studirt. Auch sollen Torpedobootsjäger nach dem Typ des 
englischen .,Havock u gebaut werden. — Von der Kriegsmarine der Ver- 
einigten Staaten Nordamerika^: Vorproben mit dem Panzerschiff 
„Indiana" ausgeführt, ergaben eine Geschwindigkeit von 14,8 Knoten, doch 
hofft man eine solche bis zu 16,5 Knoten zu erreichen. — Wie verlautet, 
ist noch immer nicht festgestellt, in welcher Weise die bei den Kanonen- 
booten „Machiäs" und „Castine 44 zu Tage getretenen Stabilitätsmängel 
gehoben werden sollen. — Nach der „Army and Navy Gazette" soll die 
spanische Marine ein Schlachtschiff „Carlos V. 4 ' von 9235 Tons und eine 
ganze Anzahl Kreuzer im Bau haben. — Versuche mit Cordite. Vor der Ab- 
fahrt der Kanalflotte von England haben: „Royal Sovereign 44 , „Empress 
oflndia 4 ', „Resolution" und „Repulse 4 * Cordite-Patronen als Ubungs- 
munition für die 15 cm Schnellfeuerkanonen erhalten. — Zalinski's pneu- 
matische Torpedokanono. Ein Exemplar dieser Waffe wurde zur Vornahme 
von Schiefsversuchen auf Dale Point bei Milford Häven aufgestellt. — 
Army and Navy Gazette. Nr. 1791: Naval tactics. Zwei Preis 
Schriften „on the tactics best adopted for developing the power of existiug 
ships and weapons (gun, ram and Torpedo), die eine vom Commander 
F. C. D. Sturder R. N., welchem die Preis-Medaille zuerkannt, und die 
andere vom Lieutenant Sommmerset A. G. Calthorpe. In der Beurteilung 
der beiden Preisschriften hebt die Gazette hervor, dafs beide Verfasser in 
dem relativen Wert der drei Waffen für Panzerschiffe übereinstimmen, indem 
sie das Geschütz voranstellen, dann den Torpedo, wenn er aus Rohren 
unter Wasser gefeuert wird, und den Sporn zuletzt in Betracht ziehen. 
Unter Berücksichtigung dieser Reihenfolge der drei Waffen, sollte die 
Flottentaktik und die Bewegungen von Geschwadern wie von einzelnen 
Schiffen ausgeführt werden etc. Am Schlufs des Artikels heilst es: Be- 
züglich der Zusammensetzung einer Flotte verlangt Commander Sturder 
für jedes Schlachtschiff einen Kreuzer und einen Torpedoboot-Zerstörer als 
Begleitschiffe, während Lieutenant Calthorpe für 16 Schlachtschiffe : 6 Kreuzer 
erster, 10 Kreuzer zweiter Klasse und 10 Torpedoboote notwendig hält 
In der letzten Nummer brachte die Gazette die von der französischen 
Marine beabsichtigte Personalvermehrung, in der heutigen bringt sie die 
Zusammensetzung der diesjährigen französischen Geschwader. Hr. 1792: 
., Naval Policy 14 ; spricht die Befürchtung aus, dafs die englische Mach** 
Stellung im Mittelmeere nicht allein durch die französische Flotte, sondern 
auch durch die Stationirung eines russischen Geschwaders im Hafen von 
Porös, und durch die Augmentation der russischen Schwarzen-Meer-Flotte, 
die im gegebenen Moment den Bosporos und die Dardanellen forciren 
würde, noch mehr wie sonst gefährdet würde etc. — Unter dem Titel 
„Alhambra Novelty 44 wird die schufssichere Brustplatte des Herrn Dowe, 



Digitized by Google 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



die in den Alhambra-Räunien auch von englischen Fachleuten geprüft 
worden ist, besprochen. — Ferner wird unter der Überschrift: „Lord 
Wolseley and the Navy" in Briefform die Broschüre des amerikanischen 
Kapitän z. See Mahan: „Influence of sea power on History" besprochen. — In 
der Pariser Ausgabe des „New-York-Herald 44 findet sich ein Telegramm, 
nach welchem am 18. Mai beim Schieisversuch gegen eine Harveyized 
18 zöllige Panzerplatte für das amerikanische Schlachtscliiff „Indiana 4 * mit 
12 zölligen Carpenter-Geschossen, die Platte nach dem zweiten Schufs voll- 
ständig zertrümmert worden sei. Nr. 1793: „Lines of defence by sea 
and land 44 ; ein längerer Artikel mit Bezug auf die Broschüre des 
amerikanischen Kapitäns z. See Mahan. — „Influence of sea power 
on history. 44 — Auseinandersetzungen in Briefform über: „Portsmouth 
harbour, 4 ' „Lord Wolseley and the Navy, 44 „Herrn Dowe's bullet-proof 
clothing. 44 — Andere Artikel: „Wasser-Karneval in Malta; der glorious 
erste Juni, an welchem Tage 1794 der englische Admiral Lord Howe die 
französische Flotte unter Admiral Villaret schlug. 

Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 195: 
England: Die Angaben der Dimensionen, des Tonnengehalts, der 
Maschinenkraft und Armirung der beiden neuen Panzerkreuzer „Powerfull 14 
und „Terrible 4 *; ferner die Details über den Ausfall der Schiefsvereuche 
mit den Geschützen des erster Klasse Schlachtschiffes „Barfleur. 44 — 
Maschinenproben mit dem Torpedo-Kanonenboot „Sharpshooter' 4 , das mit 
Belleville-Kessel ausgerüstet ist. — Frankreich: Die Verteilung der 
Geschwader für dies Jahr. — Eine Skizze des Batterie-Kreuzers „Duqucsne. 44 

— Die Probefahrten mit dem Batterie-Kreuzer „TcuroHe 4 * etc. 

Anny and Navy Journal. Nr. 40: Das Blatt behauptet, dafs der 
projektirtc Schiffahrtskanal Bordeaux-Narbonne, welcher die Bucht von 
Biscaya mit dem Mittelmeere verbinden soll, sich in den Vordergrund zu 
drängen beginnt; auch bringt das Journal Bemerkungen über den militärischen 
Wert des Unternehmen» aus der Militär-Zeitung. Die französische Mittelraeer- 
Flotte würde durch diesen Kanal von den nördlichen Iläfen her verstärkt 
werden können, ohne Gibraltar zu passiren etc. — Das hydrographische 
Amt in Washington beabsichtigt in kürzester Frist einen neuen Versuch 
mit Flaschenposten anderer Form zur Erforschung der Strömung im 
Atlantischen Ocean zu machen. — Mitteilungen über Schiefsversuche auf 
Sandy Hook Proving Ground aus 6 Pfänder Schnellfeuer-Kanonen vom 
System Driggs-Schroeder, the Sponscl und Maxim-Nordenfelt. Die Geschütze 
des erstgenannten Systems scheinen die besten Resultate geliefert zu haben. 

— Zusammenstellung der Schiefsversuche gegen Nickel - Stahlplatten 
von 1891 bis Juni 1893. — Versuchsresultate der Gewehrtypen in den 
verschiedenen Armeen, sowie über rauchschwaches Pulver. Auch Dowe's 
kugelfester Anzug wird besprochen. — Bericht über einen Schiefsversuch 
gegen eine 18 zöllige Harvcyized Panzerplatte, die sich bis auf 8 Zoll ver- 
jüngte, aus einer Gruppe für das Panzerschiff „Indiana 44 von den Bethlehem- 
Eisenwerken geliefert. — 



Digitized by Google 



370 



Umschau in der Militär- Literatur. 



Revue Maritime et Coloniale. Nr. 393: Ökonomische Fragen der 
lndicator-Diagrammc (Schlufs). — Drei Kapitel über die Theorie der 
Woolf sehen Dampfmaschine. — Einflufs der Seeherrschaft auf die Geschichte 
der Jahre 1668—1783 (Forts.). Es ist dies ein in letzter Zeit und besondere 
bei dem Besuch des amerikanischen Kreuzers „Chicago", Kapt. Mahon 
(Admiral Erben) in London, und auf den, den amerikanischen Seeoffizieren 
gegebenen Festlichkeiten viol besprochenes Buch, welches allerdings grofses 
Interesse bietet. — Der Hafen und die äufserst leistungsfähige Privat -Werft 
von La Scyno bei Toulon. Von Vinson, Sous-Commissaire de la Marine. 

— Statistik der Schiffbrüche und anderer Seeunfalle an den französischen 
Küsten für das Jahr 1892. Bericht an den Marine-Minister. — Chronique. 
Die Fabrikation dos Cordite in der der englischen Regierung gehörenden 
Pulverfabrik zu Waltham Abbey. - Die Versuche mit schweren Schnell- 
feuerkanonen in Elswick, dem Broa<l Arrow vom 31. Marz 1894 entnommen. 

— Schiefsversuche mit dem neuen Gewehr für die nordamerikanische Marine. 

— Das neue Schiffs-Konstruktions-Programm für die englische Marine. — 
Über Geschwindigkeitsmessungen der Schiffe in der englischen Marine. 
Vortrag des Chief of Constructions der englischen Admiralität W. H. White. — 
Offizielle Probefahrt mit dem „Hörnet". — Beschreibung der Torpedo- 
Kanonenboote „Harrier" und „Hajord" der englischen Marine. — Der 
russische Kriegshafen von Libau und seine strategische Bedeutung; den 
Jahrbüchern für Armee und Marine entnommen. 

La Marine de France. Hr. 63: Die Extra-Parlaments-Untersuchungs- 
Kommission de M. Clemenceau. — Paris als Seestadt. Von Cabestan. — 
Das Bcschiefsen des brasilianischen revolutionären Fahrzeuges „Aquidaban" 
durch vier Torpedoboote der Regierung in der Nacht vom 15. und 16. April 
1894. — Heizversuche mit Üoaks und Kohlen zur Ermittelung der gröfsten 
Heizkraft der beiden Materialion (in Baltimore). — Absatz der französischen 
Kohlen nach Rufsland. — Die Deutschen in Samoa. Nr. 64: Der See- 
und der Küstenkrieg. Von Keliff. — Die französische Marine im Jahre 

1894. — Ein interessanter Versuch betreffend die Aluminium -Yacht 
„Vendencsse" des Grafen Jean de Chabannes. Nr. 60: Der französische 
Postdienst zur See. Von Keliff. — Das französische Marine-Budget pro 

1895. — Die französische Marine im Frühjahr 1894. Von H. F. (Schlufs). 

— Die Unthätigkeit unserer Marine-Artillerie. — Praktische Exerzitien. 
Von Sailor. — Die vom Ingenieur Mosber in Xcw-York erbaute Dampf- 
Yacht „Xorwood" hat bei der ersten Probefahrt 29 Knoten Geschwindig- 
keit erreicht. — Das erste Panzerschiff, die „Galere Santa -Anna", soll 
(im Jahre 1530) nach einem Vortrage dos Kapitän Vindon in der archäo- 
logischen Gesellschaft in London in Nizza erbaut und mit der Eskadre 
Kaiser Carls V. gegen Tunis entsandt worden sein. — Die russische Re- 
gierung beabsichtigt, solche Vorkehrungen zu treffen, um im Hafen von 
Wladiwostok stets eine eisfreie Passage zu haben. 

Rivista Marittima. Nr. VI. 1894. Die Lebensgeschichte Sir 
Walther Raleigh s; geboren 1552 in Hayes bei Bodley (Devonshirc); eng- 
lischer Admiral. Hingerichtet am 29. Oktober 1618. Von Carlo Scgre- 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär - Litteratur. 



371 



Englischen und amerikanischen Quellen entnommen. — Betrachtungen über 
die erste Aufgabe bei den italienischen Flottenmanövern (D. ßonamico). 
— Die Subventionen für unsere Handelsflotte. — Über die Verwaltung 
des Materials in den See-Arsenalen. — Organisation der Verwaltung des 
Matrosen-Korps der italienischen Marine. — Berichte an denDirektor. 
Der Gebrauch des Öls zur Beruhigung der Wellen. — Über Verwaltung 
der königlich italienischen Flotten -Equipagen. — Mitteilungen und 
Notizen. Frankreich: Über das Marine-Budget und über das Übungs- 
geschwader pro 1895. — Übungsfahrten der Kreuzer „Duquesne", 
„Ooetlogon" und „Ibervillc". — Notizen bezüglich der Kohlenübernahme 
an Bord der Schiffe. — Deutschland: Bemerkungen über das Marine- 
Budget 1894/95. — England: Angaben über die neuen Schiffstypen 
„Majestic" und „Renown"; ferner über die Änderungen des „Repulsc". — 
Benennung der neuen Kreuzer zweiter Klasse. — Konstruktion der neuen 
Kanonen- und Torpedobootsjäger. — Italien: Maschinenproben des Panzer- 
schiffes „Sardegna" nebst Zeichnung der Seitenansicht des Schiffes. — 
Rufsland: Angaben über das Torpedoboot „Sestroriezk" und die Volontär- 
Flotte. — Spanien: Mitteilungen und Angaben über die im Bau begriffenen 
Panzerschiffe, Kreuzer etc. — Nordamerika: Die gepanzerten Kreuzer 
„New -York" und „Columbia". 

IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher. 

1. Geschichte des Garde-Jäger-Bataillons. 1744 bis 1894. Nebst 
einom Anhang: Die 1. Kompagnie des 1. Reserve-Jäger- Bataillons im Feld- 
zuge 1870/71. Im Auftrage des Bataillons bearbeitet von von Rentzell, 
Major. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit zwei Bildnissen, sechs Unifonn- 
büdern, Karten und Plänen. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 
10 Mk. 

2. Mitteilungen des K. und K. Kriegs-Archivs. Herausgegeben 
von der Direction des K. und K. Kriegs- Archivs. Neue Folge. VIII. Bd. 
Mit einer Tafel. Wien 1894. Verlag von L. W. Seidel & Sohn. 

3. Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts, vom Jahre 
1828 bis 1885. 40. und 41. Lieferung. Leipzig, Wien, Iglau. Verlag von 
P. Bäuerle. Preis einer Lieferung für Subscribenten 2,60 Mk., für Nicht- 
Subscribenten das Doppelte. 

4. Die beständige Befestigung und der Festungskrieg. Nach 
den neuesten Quellen bearbeitet. I. Band. Allgemeiner Teil. Hierzu 
10 Tafeln. Von Ernst Frh. von Leithner. II. Band. Fortifikatorische 
Konstruktionen und Entwürfe. Hierzu 8 Tafeln. Von mehreren K. u. K. 
Offizieren. — Zweite Auflage. Wien 1894. Im Selbstverlage durch die 
Redaktion der „Mitteilungen." In Kommission bei R. v. Waldheim ( W ienll. 
Taborstr. 52.) 



Digitized by Google 



372 



Umschau in der Militar-Litteratur. 



5. Die Anforderungen der Strategie und Taktik an die Eisen- 
bahnen. Zwei Vorträge von Miles Ferrarius. Berlin 1894. Verlag 
von R. Eisenschmidt. Preis 80 Pfg. 

6. Zur Frage des Militär-Strafverfahrens in Deutschland und 
Österreich- Ungarn. Von Cleinow, Generalmajor z. D. Berlin 1894. 
Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 1 Mk. 

7. Graine d'Epinards. Deux ans a l'Ecole de guerre. P&r 

Henri Delorne. Paris 1893. Calmann - Levy, öditeur. Preis 3,50 frcs. 

8. Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preufsischen Armee 

und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1894. Mit 
den Anciennitäts-Listen der Generalität und der Stabsoffiziere, Nach dein 
Stande vom 20. Mai 1894. Berlin E. S. Mittler & Sohn. Preis 7,50 Mk. 

9. La science du point d'honncur. Par A. Croabbon, avocat. 
1 T partie. Paris 1894. Librairios-Imprimeries rcunies. 

10. Handbuch der Seeschifffahrtskunde. Von R. Dittmer, 
Kapitän zur See z. D. Leipzig 1894. J. J. Weber. Preis 5,50 Mk. 
gbd. 7 Mk. 

11. Taschenbuch zum Gehrauche bei taktischen Ausarbeitungen, 
Kriegsspielen, taktischen Übungsritten, Manövern und im Felde. 

Von F. Rohr, Oberstlieutenant im k. u. k. Gcneralstabs - Korps. Mit 
3 Beilagen, 4 Skizzen-Tafeln und zahlreichen Figuren im Texte. Dritte 
vermehrte und verbesserte Auflage. Wien u. Leipzig 1894. W. Braumüller. 

12. Uni formen künde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung 
der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem 
Texte versehen von R. Knötcl. Band V. Heft 4, 5 u. 6. Rathenow 1894. 
Verlag von M. Babenzien. Preis jedes Heftes 1,50 Mk. 

13. Feldmarschall Moltke. Erster Teil: Lehr- und Wanderjahre. 
Von Max Jähns. Berlin 1894. Ernst Hofmann & Co. 

14. Rangliste von Beamten der Kaiserlich Deutschen Marine. 

Abgesehlossen im Mai 1894. Zusammengestellt nach amtlichen Quellen. 
Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 2 Mk., gbd. 2,50 Mk. 

15. Die Reise S.M. Schiffes „Zrinyi" nach Ost-Asien. 1890-1891. 
Verfaist im Auftrage des k. und k. Reichs - Kriegsministeriums etc. von 
J. Frh. von Benko, k. u. k. Fregatten - Kapitän d. R. Mit einer Reise- 
skizze und 8 lithographischen Tafeln. Wien 1894. Verlag von Carl 
Gerollt Sohn. Preis 6 Mk. 

16. Explosionen der Dampfleitungen auf Schiffen und die Mittel, 
um ihren verheerenden Wirkungen zu begegnen. Vortrag gehalten im 
Verein Deutscher Maschinen-Ingenieure am 24. April 1894 von H. Gurlt, 



Digitized by Google 



Umschau in der Militär -Litteratur. 



373 



Geh. Admiralitatarat. Sonderabdruck aus „Glasers Annalen für Gewerbe 
und Bauwesen." Berlin 1894. Verlag von F. C. Glaser. 

17. Die Organisation der technischen Waffe. Von ü. Vorwerg, 
Hauptmann a. D. Wannbrunn 1894. Selbstverlag des 'Verfassers. 

18. La question d'Orient et la defense de Constantinople. 

(Avec deux croquis.) Edition a part de la „Internationale Revue über die 
gesammten Anneen und Flotten." Dresde 1894. Friese u. von Puttkaramcr. 

19. Sign es conventioneis et Lecture des cartes francaises et 
etrangeres. Par Le C l H. de Ville-D'Avray. Paris 1894. Librairie le 
Soudier. Preis 3,50 fres. 



Kroll's Buchdruckerci, Berlin S., Sebastianstraase 7ö. 



Digitized by Google 




JULIUS EWEST 

• Weingrosshandlung . 

Hoflieferant Sr. Majestät des Kaisers und Königs. 

Behrenstr. 26A, BERLIN W., Behrenstr. 26 A 

Ecke Krirdrichstr 

PILI ALE Vi 
Genthinerstr. 7, Ecke der Liitzowstr. 
W. Potsdamern tr. 63. 

Telephon: Amt I, 2089. ■ 

Grolles Lager 




ton 



Bordeaux-, Rhein- und Moselweinen 

der besten Jahrgänge. 

Alte Port-, Sherry- u. Madeira- Weine. 

Champagner und Oognacs 

der renommirtesten Häuser. 

Restaurant I. Ranges und Weinprobirstube. *3&=^ 

t'^'il'X' l ■ • 1 ■ • - 1 - > • I • ■ -I. ■ • - I- • - ejiael.*.« •• 1 • ■ • l • cil»äl«x- 1." c-X k :<?l»>l5<i5sc 
f vT/ vfr vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ vT/ *-T/ vT/ vT/ vf/ vT/ vT/ vT-' '-T/ vT.' vT/ vr/ t*/ vT/ vT/ 



1 Sc 



Dittmar' s MSbel-Fabrik 

Berlin €., Molkenmarkt 6. 



Gegründet 1836. 

Eigene Tischlerei. — Eigene Malerei. — Eigene Bildhauerei. 
Eigene Tapeziererei. — Eigene Werkstatt für Draperlen. 



Kunstgewerbliches Etablissement flir einfach bürgerliche, wie reiche 

Wohnungs - Einrichtungen 

besonders in den Preisen von Mk. 1000 bis Mk. 10,000. 

Vertragsmässig Lieferant des 
Waarenhauses für Deutsche Beamte. 



Werkräume und Magazine stehen jederzeit zur gefl. Besichtigung offen. 



Hit Slagteralbum, Koatenantichlaff, Vorschlagen, HtofTproben, frie 
Allem, wm da« achwlerlge (xeftrhaft den Mttbolkaufens erleichtern kann, 
wird kostenfrei bereit wllllfSjl gedient.