MONATSHEFTE
FÜR POLITIK UND
WEHRMACHT
[AUCH ORGAN
DER...
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Jahrbücher
für die
deutsche Armee und Marine.
Verantwortlich geleitet
von
E. Sehnaekenburg
Oberstlieutenant a. L>.
■
Zweiuiidneuuzigster Band.
Juli bis September 1894.
BERLIN W.8.
Verlag von A. Bath*
Möhren- Strasse 1t».
1894.
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Inhalts- Verzeichnifs
So. 274. Heft 1. JulL Soiu
1. Militär -touristische Wahrnehmungen im Sandschak Novibazar,
in Montenegro und in der Krivosije. Von J. Bau mann, k. h.
Hauptmann 1
II. Die neuen Vorschriften für die Ausbildung der schweizerischen
Reiterei . , , , , , , , , , , . , , , , , , , , , , 43
III. Frankreichs Grenzschutz. Von Gral' von Haslingen, Major . 61
IV. Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik und des ersten
KiiispiToir.hs 68
V. Zur Geseluchte der Adjustirung der österreichischen Armee.
Von A. Dittrich, k. k. I.andwehrhauptmann 77
VI. Zwei reitend«- Batterien in Not . . , . . . , . , , , , , 9J
VII. Friedrich der Grofse und General Chasot 92
VIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 97
XIX. Umschau in der Militar-Litteratur:
L Auslandische Zeitschriften . ! . s . s . s , s , J&
IL Bücher 107
HL Seewesen , , 119
IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 125
No. 276. Heft 2. August.
X. über die Wehrverfassung von Stift und Stadt Osnabrück in
früherer Zeit. Von Dr. F. Philippi 127
XI. Der verhangnifsvolle Minenkrater bei Petersburg. Eine Episode
aus dem Sezessionskriege. Von J. Scheibert, Major z. D. ♦ . 130
XII. Frankreichs Grenzschutz. Von Graf von Haslingen, Major.
(Scldufe.) 145
XIII. Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine 162
XIV. Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik und des ersten
Kaiserreichs. (Fortsetzung.) 109
XV. Änderungen in dem französischen Exerzirreglement für die In -
fanterie. Von Hauptmann Petermann (13. A.-K.) 188
XVI. Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. Von
A. Pitt rieh, k. k. Landwehrhauptmann. (Schlufs.) 199
XVII. Die Wiener Ausstellungen 219
XVIII. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 225
Stils
XIX. Umschau in der Militär- Litteratur:
1. Ausländische Zeitschriften 228
Tl. Bucher 236
III. Seewesen 245
IV. Verzeichnifs der zur Besprechung eingegangenen Bücher 250
No. 87g. Heft 1 September.
XX. Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Von Major G h 253
XXI. Die Verteidigung des Klosters habischin am 29. September 1794 260
XXII. Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik und des ersten
Kaiserreichs. (Fortsetzung.) 268
XXIII. Der Sporn (die Ramme) im Gefecht, und bei Schiffs-Kollisionen 262
XXIV. Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific- Balm . . . 314
XXV. Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung . . . 327
XXVI. Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen 333
XXVII. Umschau auf iiiilitilrtechnischem Geb iet- 335
XXVIII. Umschau in der Militiir-Uittenitiir:
L Ausländische Zeitschriften . , , , , , , , , , , 351
II. Btlchpr 357
in. SftftwoBftn 366
IV. Verzeichniia der zur Besprechung eingegangenen Bücher 371
uigmzea Dy ^.oogie
L
Militär -touristische Wahrnehmungen im Sandschak
Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije,
Von
J. Baumann, k. b. Hauptmann.
Im Südosten von Bosnien, zwischen Serbien, Albanien und Monte-
negro liegt der Sandschak Novibazar, eine türkische Provinz, auch
Alt-Serbien genannt. Unweit der Südgrenzc hatte am 15. Juni 1389
eine wichtige Entscheidung stattgefunden, die Schlacht von Kossovo
polje, d. L die Schlacht auf dem Amselfelde, durch welche das grofse
Serbenroich in Trümmer ging, die Osmanen aber Herren des süd-
östlichen Europas wurden. 200 000 Serben waren 300 000 Türken
gegenübergestanden. 1453 kam dann Konstantinopel in die Hände
der Türken, 1459 Serbien, 1463 Bosnien, 1483 Herzegovina und 1592
Albanien; bald zitterten selbst die grofsen christlichen Staaten vor
den asiatischen Eindringlingen.
Nach der Schlacht auf dem Amselfelde flüchtete sich ein Teil
der versprengten Serben in eine unzugängliche Gebirgswildnifs und
erhielt sich dort bis auf den heutigen Tag unabhängig. Es sind die
Montenegriner. Diesem seltsamen, tapferen Völklein, bei uns unter
dem Namen „Kopfabschneider" und ., Hammeldiebe" bekannt, galt
während eines Urlaubs mein Besuch. Von den vielen Wahrnehmungen,
die ich unterwegs machen konnte, und welche mehr oder weniger auf
das Militärwesen Bezug haben, möchte ich Einiges erzählen. Ich
mufs aber gleich vorausschickend bemerken, dafs ich nicht darauf
ausgegangen bin, wichtige Einrichtungen oder gar Geheimgehaltenes
in Erfahrung zu bringen, so dafs ich eigentlich über keine wichtige
Entdeckung berichten kann. Nur über harmlose Kleinigkeiten will
ich plaudern. Dieses Bekenntnifs dürfte vielleicht manchen strengen
Beurteiler veranlassen, meine Wahrnehmungen zu überschlagen. —
Jahrbücher fttr die DeuUche Armee und Marine. Bd. VU1C, 1. 1
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Militür-touritttuK'he Wahrnehmungen im Sandschak
Im Sandschak Xovibazar.
Ich nalira den Weg von Agram durch Bosnien nach dem Sand-
schak Novibazar; im Besonderen über Banjaluka, Jaize, Sarajevo und
Gorazda nach Plevljc. Überall traten die segensvollen Folgen der
Okkupation deutlich vor die Augen, so namentlich die prächtigen
Strafsen, die Telegraphen, Posten und Schulen. Freilich manch
weifses Grabmal steht auch unweit des Weges und erinnert an die
Opfer, welche die Unternehmung gekostet hat. Das Land gilt als
vollkommen beruhigt, vielleicht nur infolgo der strengen Mafsregeln,
welche in den unruhigeren Abschnitten, namentlich im Süden angeordnet
sind. Die Eingeborenen, — Christen, Orthodoxe und Muhamedaner — ,
werden zum Militärdienste herangezogen und in eigene Regimenter
eingestellt. Sie tragen eine den nationalen Verhältnissen angepaßte
Uniform mit Pumphose und Fez. Um sich etwas Kultur oder „Schliff"
anzueignen, garnLsoniren sio je ein Jahr in den gröfseren Städten
Österreich-Ungarns. Die Bosniaken sind schöne und grofs gewachsene
Leute, sehr gute Soldaten, willig und bedürfnifslos, vorzügliche
Marschirer, haben aber sehr ungern das schwere Gepäck auf dem
Rücken. Die Männer tragen nämlich hier zu Lande keine Lasten;
dies obliegt den Weibern.
Im Allgemeinen werden die grofsen Opfer, welche Österreich für
das Land schon gebracht hat, von der Bevölkerung nicht gewürdigt.
Diese hat nicht das Bodürfnifs, ihre Lage kulturell zu verbessern.
Die Muhamedaner, namentlich der besitzreiche Feudal-Adel, bisher
uneingeschränkt und die Verordnungen der Pforte mifsachtend, schieden
natürlich ungern und im Aufstande unterlegen aus den bisherigen
ihnen so bequemen Verhältnissen. Die Christen, Raja oder Heerde
genannt, bisher besitzlos und von den Türken trotz aller Fermane
unglaublich geknechtet, hatten gehofft, dafs nach der Okkupation den
Türken die Ländereien genommen und ihnen zugewiesen würden.
Das konnte natürlich nicht geschehen. Hingegen erschienen, wie in
jedem geordneten Staatshaushalte auch in Bosnien Konskription,
Steuern und andere Lasten, Tabaksmonopol u. dergl. Heute sind sie
vielleicht unzufriedener wie die Türken. Alle zusammen, Christen,
Orthodoxe und Muhamedaner, sind zurückhaltend und schweigsam,
die guten Landstriche lange nicht genügend ausnützend und die
Segnungen der Kultur in Geduld über sich ergehen lassend. Wie
könnte man auch verlangen, dafs all das, was türkische Mißwirtschaft,
hier namentlich die unbotmäfsigen Bcgs und Agas in vier langen
Jahrhunderten verbrochen haben, in vier kurzen Lustren völlig aus-
gemerzt wurde.
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
3
Über die unerhörten Mißverhältnisse zwischen Christen und den
Türken, über die von den letzteren verübten Repressalien und Grausam-
keiten, (über 200 000 Christen flüchteten auf österreichisches Gebiet
und muisten hier für 10 Millionen Gulden erhalten werden), über
das öftere Einschreiten der Grofsmächte, die Fenuans der Pforte,
welche die geforderte Gleichstellung und Sicherheit der Christen be-
fahlen, die Renitenz des bosnischen Adels und der bosnisch-türkischen
Beamten, welche völlig anarchistische Zustände herbeiführten, giebt
das österreichische Generalstabswerk, welches die Okkupation Bosniens
behandoit, in seiner Einleitung und in dem Kapitel: die Ereignisse
von 1875—78 eingehende Aufschlüsse (53 Seiten).
Mit Zustimmung der Mächte im Berliner Vertrag d. d. 13. Juli
1878 und mit ausdrücklicher Billigung der Pforte begann Österreich-
Ungarn am "29. Juli 1878 die Okkupation, die sich freilich viel schwieriger
gestaltete, als man sich dieselbe trotz der umsichtigsten Mafsregeln er-
wartet hatte. Über die Art und Weise des Aufstandes, die Führer
der Insurrektion, die von Seite der regulären Truppen erhaltenen
Unterstützungen u. dergl. kann man nichts erfahren. Selbst Herren,
welche das Vertrauen und die Liebe ihrer bosnischen Diener durch
jahrelange milde Behandlung gewonnen haben, erhalten auf dies-
bezügliche Fragen die stets gleichmäfsig lautende Antwort: „Gospodine
— Herr, das habe ich Alles ganz vergessen." —
Indem ich beinahe ständig die österreichische Militärpost benutzte,
erreichte ich über Gorazda — Cajnica die südöstliche Grenze von Bosnien.
Hier führt die Strafse durch einen dunklen hohen Tannenwald steil
aufwärts zum Metalka-Sattel (1380m). Diese Wälder im Südosten
Bosniens, namentlich nordwärts der erwähnten Strafse, sollen noch
eigentliche Urwälder sein, von keiner Axt berührt und das unbestrittene
Gebiet von Wölfen, Bären, Luchsen und Wildkatzen. Oben auf dem
Sattel steht der türkische Schlagbaum. Ein recht bescheiden gekleideter
Beamter des Padischah verlangt den Pafs und 20 Piaster Gebühren
für das Visum; wir sind demnach auf türkischem Boden. Setzen wir
dann die Fahrt fort, so bemerken wir Mancherlei, was unser Interesse
in Anspruch nimmt. Häufig begegnen uns österreichische Doppel-
Patrouillen und zwar dies- und jenseits des Sattels. Osterreichische
Soldaten sind beschäftigt, Felsen loszusprengen und auf die Strafse
herunter zu schaffen; Pioniere klopfen am Wegrande Steine, wie wir
es in Bosnien öfters von Bosniaken gesehen haben. Andere Soldaten
fällen Bäume und bringen dieselben als Bauholz in die Garnisonen
oder brennen daraus in kunstgerechten Meilern Kuhlen. Ich mufs
noch einmal daran erinnern, dafs wir Bosnien bereits verlassen haben,
und uns in der türkischen Provinz Novibazar befinden. Zum Vcr-
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Militär-touri&tische Wahrnehmungen im Sandschak
ständnifs ist der Wortlaut des Artikels XXV des Berliner Vertrages
notwendig. Derselbe lautet: „Die Provinzen Bosnien und Herzegovina
sollen von Österreich besetzt und verwaltet werden. Da die österreichisch-
ungarische Regierung es nicht wünscht, sich mit der Verwaltung des
Sandschaks von Novibazar zu befassen, wird die ottomanische Regierung
auch fortfahren, dort in Kraft zu sein. Nichtsdestoweniger behält
sich Österreich-Ungarn, um den Bestand des neuen politischen Staates,
ebenso wie die Freiheit und Sicherheit der Kommunikationswege zu
sichern, das Recht vor, Garnisonen zu halten und militärische und
Handelsstrafsen zu besetzen im ganzen Umfange dieses Teiles des
alten Vilajets von Bosnien." Von diesen Gesichtspunkten ausgehend
hat Österreich drei wichtige Punkte des Sandschaks, nämlich Priboj,
Prjepolje und Plevlje mit starken Garnisonen belegt.
Österreich-Ungarn sind durch die Okkupation und die Verwaltung
von Bosnien und Herzegovina natürlich ganz beträchtliche Ausgaben
erwachsen, die zu den Einnahmen bislang in unrichtigem Verhältnisse
standen. Erst im letzten Jahre sollen die Ausgaben durch die Ein-
nahmen gedeckt worden sein, wobei allerdings noch die Militärlast von
Österreich- Ungarn getragen wird. Es liegt nahe, dafs man trachtet,
die Kosten, welche durch die starke Besatzung entstehen, zu verringern,
ja, das Militär soll indirekt und direkt mithelfen, Ersparungen zu
machen. Zwei Beispiele hierfür: Ein gutes Heer braucht, um zur
Verwendung kommen zu können, auch gute Strafsen. 1878 waren
die Wege in so unsagbar schlechtem Zustande, dafs dem XIII. Korps
schliefslich Pionierkompagnien zugeteilt werden mufsten, die alle
vollauf zu thun hatten. Die Ungangbarkeit des Landes und die daraus
folgende Schwierigkeit, die Etappen zu behaupten, brachten es mit
sich, dafs die 82 000 Mann des Ausmarsches in recht mifsliche Ver-
hältnisse gerieten und dann auf 262 000 Mann vermehrt wurden, —
auf den ersten Anblick eine ungeheure Menschenmasse, weil es sich
nur um die Bezwingung eines Aufstandes handelte. (Der Feldzug
kostete der österreichischen Armee an Toten und Vermifsten 47 Offiziere
und 1171 Mann. Über die grausamen Verstümmelungen der in
Feindeshand Gefallenen wurden mir traurige Beispiele erzählt). Um
die Strafsen ohne allzu beträchtliche Kosten in guten Stand zu setzen,
ist in Bosnien jeder Kopf gesetzlich verpflichtet, eine bestimmte An-
zahl Tage durch Steinklopfen zu frohnen. Ein fanatischer Arbeiter
ist der Bosniake nicht, wie ich gar oft zu sehen Gelegenheit hatte,
aber die Steine werden geklopft. Die Bcsatzungstruppen im Sandschak
Novibazar benötigen aus gleichen Gründen gute Strafsen. Die Türken
haben aber kein Interesse hierfür, eher das Gegenteil. Kosten können
für türkisches Gebiet nicht verrechnet werden, so bleibt den öster-
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
reichischen Garnisonen nur ein Ausweg, sich das Notwendige und
Wünschenswerte selber zu schaffen, ohne dafs Ausgaben entstehen.
Darum tragen die Lasttierkolonnen Stämme, Steine und Kalk, Soldaten
fällen Holz zu Baustämmen und Wintervorrat, sägen Bretter, zimmern
Tische, bauen und vergrüfsern Schuppen und Kasernen, brennen
Kohlen für den strengen Winter, und Pioniere klopfen Steine, um die
neuerbauten Strafsen in brauchbarem Zustande zu erhalten.
In ganz Bosnien, der Herzegovina und im besetzten Teile des
Sandschakes Novibazar ist die Post in den Händen dos Militärs,
wodurch die Beamtengehälter, ferner der Ankauf und Unterhalt von
Postpferden erspart werden. Ks ist eine ganz bedeutende Anzahl
Pferde nach den verschiedenen Richtungen in Verwendung. Da es
sich beinahe meist um recht beträchtliche Strecken handelt, — man fährt
im Sommer gewöhnlich von Morgens 5 Uhr bis Abends 8 Uhr, — sind
viele Relais notwendig. Immerhin sind die Strecken für die Pferde
noch ziemlich grofs und durch die vielfachen und langen Steigungen
anstrengend. Man benötigt also gute Pferde und für dieselben eine
ausgiebige Futterzulage. Bei der Beschirrung sah ich verschiedene,
oft augenscheinlich die ältesten Muster in Gebrauch. Die Postwagen,
eigens als solche konstruirt, sind ganz leichte einfache Fuhrwerke,
seitwärts und oben mit Leinwandschutz versehen. Man nimmt nur
Kolli bis zu 15 Kilo. Der Wagen hat vorne zwei Plätze für den
Trainkutscher und Kondukteur, innen zwei für allenfallsige Passagiero,
rückwärts einen oder zwei Plätze für die Infanteriebedeckung. Der
Trainsoldat führt einen Karabiner, der Kondukteur, in der Regel ein
Feldwebel, einen Revolver, der Infanterist sein Gewehr. Die Bedeckung
wird im Wechsel kommandirt und erhält für den Tag 30 Kr. Zulage.
Aufserdem besorgen in verschiedenen Abschnitten, namentlich in der
Herzegovina und im Süden sehr zahlreiche Patrouillen und ausgestellte
Posten, welche auf den Höhen rechts und links die Strafsen in ihrer
ganzen Ausdehnung beobachten, die Postsicherung. Es sind dies sehr
umfangreiche Mafsregeln, welche viele Mannschaften fordern. Man
sagte mir, dafs nirgends eine gewaltsame Unternehmung gegen die
Post zu gewärtigen sei. Wohl kamen wir einmal an einem Grab-
steine vorüber, wobei mich der Kondukteur aufmerksam machte, dafs
hier zwei Überfallene Patrouillen begraben lägen; aber das ist schon
wieder mehrere Jahre her. In der strengen Durchführung der oben
angedeuteten Mafsregeln liegt wohl die Garantie der Sicherheit. -
Der Kondukteur hat ein Posthorn umhängen und mufs in Orten, in
denen sich Posten befinden, blasen oder für Aufserachtlassung dieser
Vorschrift 50 Kr. Strafe zahlen. Die Feldwebel bliesen Alle ganz
leidlich. Ich fuhr meist allein. Einmal nahm den 2. Platz ein Unter-
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
uffizier ein, welcher die Garnison wechselte, und einmal ein einberufener
Rekrut, der bei der Abfahrt laut heulte; erst allmählig linderte sich
sein Schmerz bis zum leisen Schluchzen; den Rest der Fahrt nahm
ihn ein wohlthuender tiefer, wohlmotivirter Schlaf gefangen. Im
Winter werden die Verhältnisse oft recht schwierig, wie mir später
ein Soldat in der Herzego\ina erzählte. Bei recht tiefem Schnee
kommen Wagen und Schlitten nicht mehr fort, und packt man dann
die Poststücke auf Lasttiere. Bleiben auch diese stecken, giebt man
die notwendigste Post kräftigen Soldaten in den Tornister, aber ganze
Züge, oft bis zu 50 Mann, müssen mit, um den Weg gangbar zu
machen. Mitunter liegt an der Strafse eine Quelle, welche die Pioniere,
welche die Strafse bauten, gefafst haben. Die Quellen tragen Alle
einen in Stein gehauenen Namen, wohl den einer holden Angebeteten,
den der Bauleiter so verewigen wollte. Eine Quelle trug die schöne
Bezeichnung: „Kako si ti? u „Wie gehts Dir? u , welches die landes-
übliche Grufsformel bildet.
Plevlje, türkisch Taslidza, liegt in einem weiten kahlen, reiz-
losen, von nackten, mittelhohen Bergen umstarrten und sonnendurch-
glühten Kessel. Es ist ein gröfserer, ausgedehnter Ort mit echt
türkischem Aussehen. Die Häuser mit den holzvergitterten Fenstern
sind schlecht gebaut; nur der untere Teil besteht aus ungebrannten
Ziegeln, der obere aus lehmverkloidetem Flechtwerke. Merkwürdig-
keiten enthält die Stadt nicht, aber wie alle türkischen Orte einen
ausgedehnten Bazar. Auf der Westseite der Stadt, auf einem sich
ganz sanft verflachenden Abhänge befindet sich das Österreichische
Lager mit Baracken, Stallungen, Remisen, Magazinen und einem
Offizierskasino, das ein Garten umgiebt. Alle diese Garnisonen, wo-
möglich auch alle die vorgeschobenen Posten, bestehen aus gemischten
Waffen, um erforderlichenfalls allein operiren zu können. So liegt
beispielsweise in Plevlje ein Infanterie -Regiment (44), 2 Gebirgs-
batterien, 1 Zug Pioniere und 1 Zug einer Lasttierkolonne. Ein be-
festigter Punkt auf der Höhe schützt das Lager. Entsprechend ist
die Stärke der Türken, welche am entgegengesetzten Stadtende ihre
etwas defekt aussehenden Kasernenräumlichkeiten besitzen, nämlich
3 Bataillone Infanterie, einige Batterien und einige Schwadronen
Tscherkessen-Kavallerie. Der für das österreichische Lager benötigte
Platz ist nicht mehr ausreichend. Da der Raum seinerzeit gefordert
und genau festgesetzt worden ist, scheut man sich heute um eine
Vergröfserung nachzusuchen. Man hilft sich, indem man beispiels-
weise den Platz für die Wacho von Privaten mietet.
Das Hotelwesen im Okkupationsgebiete hat teilweise die Landes-
verwaltung in die Hand genommen, indem sie an mehreren wichtigen
Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Punkten ärarische Gasthöfe erbauen liefs und durch ein offizielles
Organ beaufsichtigen läfst. Wo gröfsero Garnisonen liegen, finden
die Wirte guto Einnahmen. In kleineren Orten sind die Offiziere oft
ausschliefslich auf ihre Kasinos angewiesen. Hier in Plevlje hat die
Garnisonsverwaltung für neu ankommende oder durchreisende Offiziere
in einer Baracke ein paar einfache Fremdenzimmer eingerichtet.
Gerne erhielt ich hier Aufnahme. Zur eventuellen Einkehr dient noch
ein ganz gutes Gasthaus, in welchem auch ein Teil der Offiziere
Abends zuspricht. Dort steht auch ein Billard, dessen Transport
100 11. kostete; die Türken verlangten weitere 100 fl. Zoll.
Ich suchte zunächst Fühlung mit den Offizieren und meldete
mich auf der Brigadekanzlei. Der Brigade- Adjutant, ein Generalstabs-
ofnzier, sowie ein Kreis von den Offizieren verschiedener Waffen,
mit denen ich in nähere Berührung kam, bezeugten die herzlichste
Kameradschaft und waren mir auf alle Weise zur Erreichung meiner
Wünsche behilflich. Ich hatte später in der Hcrzegovina, dann im
südlichen Dalmatien und in der Krivosije noch öfter Gelegenheit, in
den Kreisen der österreichischen Kameraden zu verkehren. Man ist
darauf angewiesen, weil eine Unterkunft ohne ihro Vermittlung meist
ausgeschlossen ist. Überall fand ich die gleiche ungezwungene, liebens-
würdige Kameradschaft. Stets war ein kleinerer oder gröfserer Kreis
von jüngeren und älteren Kameraden zu meiner Verfügung. Auch
der Ton gefiel mir wohl, der in den Offizierskreisen Regel zu sein
scheint. Ich bemerkte nichts von der Unbescheidenheit, die manches-
mal der Jugend eigentümlich ist, und gerne vor Fremden ihr ganzes
Sein auszukramen pflegt. Im Umgang behandelten mich, den deutschen
Waffenbruder, die Altersgenossen wie der Ihrigen Einen. In den
verschiedenen dienstlichen Gesprächen hielten sie durchaus nicht
zurück, zeigten trotz der lokalen Ausnahmsstellung keine Gcheimnifs-
krämerei und zogen mich bei mancher Besprechung bei. Ich mufs
allerdings auch beifügen, dafs ich, da ich nicht im Auftrage reiste,
auch den Takt besafs, nie Fragen zu stellen, deren Beantwortung
einem gewissenhaften Offiziere bei aller Liebenswürdigkeit schwer
fallen müfste. Die gegenseitigen Gagenverhältnisse, der nervus rerum,
wurden öfters berührt. Die Gagen der Lieutenants sind ungefähr
den unsrigen gleich, die der Hauptlcutc in Österreich etwas, die der
Hauptleute 1. Klasse und der Stabsoffiziere beträchtlich geringer.
Da die Garnisonen in den Grenzdistrikten operationsfiihiger sein müssen,
als anderswo, existiren auch darauf bezügliche Bestimmungen; so
können die Frauen ihren Männern nicht folgen und bleiben in Österreich
zurück ; hingegen werden Zulagen gegeben. Die Regimenter verbleiben
3 Jahre im Okkupationsgebiete und wechseln daselbst jährlich die
Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
Garnison. Die Garnisonen besetzen im Wechsel die vorgeschriebenen
Posten, Zwischenstationen, Forts und dergl., oft Aufenthalte der trost-
losesten Art. Da hier Lieutenants oft wochenlang und länger ganz
allein sind und sich mit Niemand in ein Gespräch einlassen können,
die Mannschaften im Wechsel Alle ausgegeben werden, ist viel Pflicht-
treue und Thätigkeit notwendig, um über die Langeweile wegzu-
kommen.
In Plevlje herrscht zwischen der türkischen und österreichischen
Garnison das beste Einvernehmen. Dies wird wohl hauptsächlich
durch das taktvolle Benehmen der Österreicher erreicht. Es steht
aber auch an der Spitze der Türken ein Pascha, der für die einflufs-
reiche Stelle vorzüglich geeignet ist, und dem jeder österreichische
Offizier in jeder Hinsicht das gröfste Lob spricht. Diese einsichtsvolle
Oberleitung ist jedenfalls auch Ursache, dafs die Soldaten des Padischah
auf der Strafse nach türkischen Begriffen musterhaft, nach unseren
Begriffen ganz gut erscheinen. Wer türkisches Militär anderswo ge-
sehen hat, — ich will nicht weiter ausholen und nur das nahe Scutari
nennen, die albanesischo Hauptstadt, die ich einige Wochen später
betrat — , weifs dies zu würdigen. In Scutari trug die sehr zahl-
reiche Garnison überaus abgetragene Uniformen, die den blauen
Grundcharakter des Tuches nicht mehr ahnen liefsen und meist wie
fadenscheiniger, hellgrauer Zwilch aussahen. Unter den vielen Soldaten
gewahrte ich dort keine fünf, welche die gleiche Fufsbekleidung
trugen. Man sah hochschäftige Stiefel, Bundschuhe, Stiefietten, Haus-
schuhe, Opanken und Anderes, oft Verschiedenheiten am selben Mann.
Hingegen hatte ein vom Exerziren einrückendes Tabor-Bataillon gleich -
mäfsig Opanken. Es scheint, dafs die ärarische Fufsbekleidung, die
Opanken, aufser Dienst geschont werden mufs und nicht getragen
werden darf. Auf die diesen Ländern eigentümliche Fufsbekleidung
der Opanken werde ich noch zurückkommen. Noch ein paar Kleinig-
keiten aus Scutari. An der Spitze des genannten Bataillons ritt ein
Bimbaschi (Major) mit gezogenem Säbel. Seiner Schimmelstute folgte
ein reizendes, aber müdes Füllen, welches sichtlich die Bataillons-
übungen noch nicht lange mitmachte. Einige Minuten später — ich
war auf dem Wege zum entlegenen Bazar — begegnete mir ein
Hauptmann. Er hatte dort zwei Besen erworben, die er sichtlieh
wohlbefriedigt von dem gelungenen Kaufe unter dem Arme heimtrug.
Das Kastell, welches die Höhe von Scutari beherrscht, macht teilweise
einen ruinösen Eindruck. Über die Ursache erzählte man mir Folgendes:
Der frühere Pascha, ein Mann der Aufklärung, hatte von der wunder-
baren Wirkung eines Blitzableiters gehört und liefs auf dem Pulver-
magazine der Festung einen solchen anbringen, aber, wahrscheinlich
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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aus Sparsamkeit, nur die Auffangstangen. Beim nächsten Gewitter
stellte er sich ans Fenster, um die Wirkung seiner Einrichtung zu
beobachten. Er brauchte nicht lange zu warten, denn einer der ersten
Blitze schlug in das Magazin, dafs es in Trümmer ging. Der Schaden
wurde nur auf das notdürftigste wieder ausgebessert. —
In Plevlje machen die österreichischen Offiziere beim Pascha
Besuch und werden dann und wann als Gäste geladen. Bei diesen
Anlässen liefs dor Pascha anfangs türkische Gerichte vorsetzen, was
jedenfalls sehr interessant war. Seitdem aber hierbei Mehrere bei
offener Tafel unwohl wurden, Andere sich nur noch durch rasche
Flucht retten konnten, der vorsichtige Rest der Geladenen aber offen-
bar hungrig aufstand, läfst der verständige Pascha nur mehr fränkisch
kochen.
Ich hatte im Offizierskasino mit den Kameraden gespeist. Es
waren vielleicht 80 Herren, auch die Stabsoffiziere beteiligen sich am
Mittagstische, da ja die Frauen fehlen und kein eigener Haushalt ge-
führt werden kann. Unverheiratete Hauptleute haben in Österreich
ohnedies die Verpflichtung, an der Offiziersmenage Teil zu nehmen.
In der Küche schalten Köcho. Betreffs der Getränke machte ich
beinahe im ganzen Okkupationsgebiete eine für die Kameraden
bedauernswerte Beobachtung. Die Weine in Bosnien sind schlecht,
besser in der Herzegovina, gut in Dalmatien. Das Bier, meist von
Dreher in Wien oder von Pilsen ist teuer, der Schoppon kostet
10—12 Kr. Die österreichische Garnison zahlt an der türkischen
Grenze keinen Zoll.
Am Nachmittage zeigten mir die Kameraden ihre Kasernen-
lokalitäten, Stallungen, Magazine, die Gebirgsbatterien u. dergl. Alle
Pferde sind vom bosnischen Landschlage, unglaublich klein und un-
ansehnlich. Auch die Offiziere reiten ganz kleine Pferde, selbst Reiter
von gröfserem Körpergewichte. Diese Pferde sind eben für Gebirgs-
land bestimmt, und ihre Leistungen auf steilen Wegen auf- und ab-
wärts, im Klettern und in Bezug auf Sicherheit und Tragvermögen
unschätzbar. Die Pferdepreise bezeichnete man mir als sehr niedrig.
Für ein gutes Pferd zahlt man nicht den dritten Teil von dem, was
man bei uns für ein mittleres Reitpferd geben mufs. Als Tragtiere
für die Batterien und Kolonnen nimmt man natürlich gedrungene
Pferde, denn die Last, welche man ihnen zumuten mufs, ist nicht
unbedeutend; es hat schon der Packsattel ein ganz ansehnliches
Gewicht. Ein Lasttier trägt durchschnittlich 100 kg. Für das
Geschütz sind 2 Pferde notwendig; das Rohr wiegt 89 kg. Ich hatte
in der Folge noch oft Gelegenheit, mich an der Leistungsfähigkeit
dieser Art Pferde zu erfreuen. Ich kann mich nicht erinnern, dafs
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
bei meinem dreiwöchentlichen Ritte über die Karstgebirge auf oft
haarsträubenden Wegen eines meiner Pferde auch nur einmal einen
Fehltritt gemacht hätte. Dabei Iäfst man ihnen auf- und abwärts
völlig den Zügel, um sie in keiner Weise am Klettern zu behindern.
Die Pferde suchen mit bewunderungswertem Instinkte immer den
günstigsten Aufstieg und biegen hierbei möglichst aus, um die grofsen
Steigungen zu vermeiden. Bei ganz schwierigen Passagen bleiben sie
stehen, überlegen längere Zeit und nehmen dann oft alle Kraft auf-
bietend und stöhnend den Felsen. Ks ist bekannt, dafs alle Gebirgs-
pferde am äufseren Rande des Saumwcgcs gehen. Für einen ängst-
lichen Reiter erweckt es gerade kein angenehmes Gefühl, wenn er
mit halbem Körper über tiefen Abgründen schwebt. Diese Gewohnheit
rührt davon her, dafs stark und breit beladene Pferde, wenn sie die
Mitte des Weges halten, meist an den Felswänden der inneren Seite
anstreifen. Beim landesüblichen Beschläge verwendet man Eisen-
platten, welche die ganze Hufsohle bedecken und nur eine kleine
Öffnung besitzen. Man heftet sie mit Nägeln auf, welche stark vor-
stehen. Derlei Eisen sind in dem endlosen, scharfen und spitzen
Gestein notwendig; die Nägel verhindern das Gleiten. Selbst auf
glatten, steilen Felsplatten konnten sich die Pferde ganz gut fest-
halten. — Hier in Plevlje, wie jedenfalls auch in den anderen
Garnisonen, finden auch Hunde zu Militärzwecken Verwendung und
zwar nicht allein beim Vorposten dienst, sondern namentlich auch zum
Überbringen von Depeschen und Meldungen.
Später gingen wir durch die Stadt zu den türkischen Kasernen.
Es war Freitag, d. i. muhamedanischer Feiertag und die Bazarstrafse
stark bosucht. Viele türkische Soldaten grüfsten die österreichischen
Offiziere, manche nicht; ähnlich verhielten sich auch die türkischen
Offiziere, von denen die meisten einen „Kommifseindruck" machten.
Sie wohnen in den Kasernen, bekommen die Verpflegung in natura
und den geringen Sold meist etwas stark postnumerando, in der Regel
nur in Quittungen, die der Wechsler mit beträchtlichen Abzügen ein-
löst. Der türkische Grufs hat etwas Scheues, die Soldaten blicken
den zu Beehrenden nicht an. Einige wenige von den Offizieren gehen
mit dem Fortschritt, der von Konstantinopel aus langsam bis zu den
Provinzen vordringt, und tragen im Äufsern mehr Propretät und in
ganz vereinzelten Fällen sogar Geschmack und Eleganz zur Schau.
Von den Letzteren ist freilich mancher Hassan Effendi erst im Mannes-
alter beschnitten worden und hat ehedem vielleicht in Lübeck den
Namen Jakob Meier getragen. Ähnliches kann man beim Durch-
blättern der türkischen Kriegsgeschichte nicht selten herauslesen. Ein
gewaltiger, robuster Major begegnete uns, der die Grüfse ziemlich
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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herablassend entgegennahm. Mein Gewährsmann erzählte, er sei ehe-
dem Pfeifenstopfer des Sultans gewesen und habe sich bei Plewna
wirklich hervorgethan. Bald brachte er's, der nicht lesen und schreiben
kann, zum Bimbaschi, und jüngst sei noch, um die Ehren voll zu
machen, eine Tochter des Sultans für seinen Harem angekommen —
Allah alehbar! Ein anderer noch junger türkischer Offizier in tadel-
loser Uniform und feingeschniggelt fiel ebenfalls auf. Ks war der Ober-
arzt, ein Spaniole, d. i. spanischer Jude. Er ist sehr erfinderisch im
Monturschnitt, trägt und kleidet sich beinahe täglich anders, oft in
ganz phantastischen, ordonnanzwidrigen Anzügen, weifs sich nach oben
sehr wichtig zu machen, besitzt grofsc Orden, weil er die Cholera
durch eine besondere Erfindung von der Garnison femgehalten und
kümmert sich um alles mögliche, nur nicht um — die Kranken. Ein
Teil der türkischen Offiziere trägt österreichische Portepees, weil sie
ihnen besser gefallen, und weil es als „fesch" gilt. Als wir uns den
Kasernen näherten, war die Zeit des Aksams, des Abendgebetes,
welches täglich vor Anbruch der Dunkelheit im Kasernenhofe statt-
findet. Zu hunderten kamen die Soldaten in gröfseren und kleineren
Trupps von einem in der Nähe der Kaserne gelegenen, weiten Plane
heran. Dort hatten sie harmlose Kinderspiele aufgeführt, gesungen,
mit den Händen geklatscht, oder auch nur zugesehen. Der Orient
kennt keine Wirtshäuser nach unseren süddeutschen Begriffen. Tanz-
musiken mit obligaten Eifersuchtsscenen und darauf folgender Prügelei
existiren nicht. Der Umgang mit dem schönen Geschlechte ist un-
möglich, es giebt keine idyllischen Ausflüge zu Zweien, keine Soldaten-
bräute, keine gefühlvollen Köchinnen. Da noch dazu die Baarschaft
in der Tasche selten einige Paras (Pfennige) übersteigt, wo soll nun
der türkische Soldat seine Kurzweil hernehmen? Es bleiben ihm nur
harmlose Spaziergänge, kindliche Spiele und das süfse Nichtsthun.
Ich gebe der Erwägung anheim, welche Fülle von Einträgen dem
türkischen Strafbuchc durch diese Art Sonntagsfeier offenbar erspart
bleiben. Der türkische Soldat kennt nicht Trunkenheit, Rohheit,
Rauflust, unbotmäfsiges Reden, Widersetzlichkeit, Ausbleiben, Aus-
steigen und Syphilis.
Beim Aksam stehen die Kompagnien in Linie hintereinander still;
die Musik spielt. Der dienstthuende Offizier geht alle Reihen entlang
und zeigt das Siegel des Grofsherrn, das Alle grüfsen. Ich glaube,
es hat Jeder das Recht, hierbei zur Beschwerde herauszutreten. Die
Sultanshymne wird von sämmtlichen Anwesenden mit dem dreimaligen
lauten Rufe: Padischah schok joschu! — Lang lebe der Padischah! —
unterbrochen. Dann marschiren die Kompagnien in die Kasernen.
In Scutari spielten den ganzen Abend die Musiken, und vom frühesten
12 Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandachak
Morgen au ertönten unaufhörlich Signale. Diese Signale werden mit
hohen Trompeten auffallend gut und schön geblasen. Die Türken
haben an allen Kasernen einen grofsen Reichtum von Doppelposten;
dieselben präsentirten vor den österreichischen Offizieren, wobei der
linke Posten ein lautes Kommando gab. Die Kasernen sind eng be-
legt, die langen Räume nicht gerade malproper, aber die einfachen
Lagerstätten auf dem Boden dicht nebeneinander. Da und dort brannte
neben den Betten ein kleines Feuer, an dem sie Kaffee machten.
Sehr wohnlich war es in dem grofsen Zimmer der Musiker, welche
auch ihre Instrumente um den Schellenbaum zu einer malerischen
Trophäe zusammengehängt hatten. Vor einer Stallbaracke waren eben
an 50 Tscherkessenreiter aufgesessen, um zu nächtlichen Streifereien
abzureiten. Wie die Infanteristen tragen sie die Munition in einem
Patronengürtel um den Leib, Stück an Stück. Viele der kleinen un-
ansehnlichen Pferde hatten einen Strick an den Beinen, welcher den
Vorderfufs mit dem Hinterfufs der gleichen Seite auf Schrittlänge ver-
band. So ritten sie ab. Wie ich erwartet hatte, mufsten die ge-
fesselten Pferde Pafs gehen. Der Strick hat auch wirklich den Zweck,
den Pferden das Pafsgehen gewaltsam beizubringen. Die nicht ge-
fesselten Pferde waren wahrscheinlich in der Dressur schon weiter
fortgeschritten. Die Stallungen selber zeichnen sich durch grofee
Einfachheit aus. Nicht die Spur einer schlechten Streu, ganz einfach,
weil — gar keine vorhanden ist. Jedes Pferd hat in seinem ziemlich
breiten Stande eine flache Grube in dem dunklen Stallboden. Auf
diese Weise entgeht den Türken allerdings die Wohlthat des Dünger-
fonds. Übrigens müssen auch die Österreicher darauf verzichten, und
für die Wegfuhr des Düngers Zahlungen leisten.
Eine recht wackelige Uolzstiege fuhrto hinauf zur Lazarethbaracke
des geschniggclten Doktors. Der Apotheker, der nur schon unterwegs
vorgestellt worden war, ein recht manierlicher und hochanständiger
junger Mann von etwa 25 Jahren mit dem Range eines Hauptmannes,
machte die Honneurs. Erst mufsten wir in sein Wohnzimmer, das
gleich am Eingange lag. Es war ein so kleiner Raum, dafs ein Teil
der Gäste auf dem Bette Platz nehmen mufste. Selbstverständlich
wurden Cigaretten gereicht, Cognak eingeschenkt und Kaffee gekocht;
dann führte er uns in seine Apotheke, wo die Etiketten in türkischer
und französischer Sprache aufgeklebt waren. Ein Blick durchs Fenster
zeigte uns die zalüreichen Kranken, die recht eng nebeneinander auf
dem Boden lagen. Der feine Doktor kommt nie ins Lazareth, alle
Kuren nimmt der Apotheker vor. Wer es machen kann, geht ver-
trauensvoll zu den Ärzten ins österreichische Lager und läfst sich
dort kuriren. Inschallah!
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Den Abend verbrachten wir in dem schon erwähnten Gasthause,
das nur Offiziere und Militärbeamte frequentiren. Von den letzteren
wäre noch der Vertreter einer Kategorie zu nennen: Hoch würden,
der Militärkurat. Alle diese Garnisonen mit Stäben haben ihren
Militärgeistlichen. Dieselben verkehren ständig im Offizierskreise und
pflegen als jüngere Herren keinen Spafs zu verderben. Ich habe
mehrere dieser Hochwürden kennen gelernt. Sie wnren sehr gefällig
und schienen mit dem Offizierkorps ziemlich verwachsen zu sein.
Dem Herren in Plevlje verdanke ich manche beachtenswerte Mitteilung.
Von Zeit zu Zeit mufs er seine Schäflein heimsuchen. So ritt er
jüngst zu einem Posten, wohin 50 Kilometer schlechten Weges sind.
Er traf daselbst 4 Katholiken; von diesen sprach der eine deutsch,
der zweite ungarisch, der dritte böhmisch und der vierte serbisch,
und da soll er Jedem etwas Trostvolles für seine arme Seele sagen.
Am anderen Morgen lag ich noch auf meinem einfachen aber
guten Lager. Leise öffnete sich die Thüre und herein schlich der
mir zugeteilte Bursche, ich glaube ein Ungar. Er trug etwas in der
vorsichtig geschlossenen Faust, trat dann ganz nahe an mein Lager heran,
schaute mir lange ins Gesicht und als ich endlich mit den Augen
zwinkerte, hob er an: „Hab ich einen Knopf erschlagen," „„So, einen
Knopf, lafs sehen!"" Als er die umfangreiche Rechte öffnete, war sie
erfüllt mit einer Menge von kleinen und grofsen beinernen Knopfteilen.
,,„Ja das ist ja nicht blos ein Knopf, das sind ja mehrere, ich glaube
gar alle?"" „Ja hab ich mehrere erschlagen." „„Ja hast du denn
das nicht gemerkt, wie der eine zersprungen ist?"" „Hab ich gemeint,
ist nicht möglich, müssen alle von Eisen sein." Das war fatal, ich
sollte nämlich heute meine Aufwartung beim Pascha machen, ich
hatte nur den einen Rock, den ich neu mit auf die Reise genommen.
„„So schau halt, dafs ich rasch andere Knöpfe bekomme!"" ,,Das ist
eben der T . . ." polterte der Ungar, „dafs man hier keine Knöpfe
haben kann." Sollte ich grollen oder lachen, jedenfalls waren die
Knöpfe zerschlagen und die Naivität des Burschen eine Charakteristik
seiner Nationalität. Mit Zuhülfenahme der mir bekannt gewordenen
Militärbeamten gelang es mit grofser Mühe, wenigstens eine Knopf-
Reihe meiner vorderen Rockfront, in besuchsmäfsigen Stand zu bringen.
Um 10 Uhr ging ich mit dem liebenswürdigen Brigade-Adjutanten
zum Pascha, der am anderen Stadtende ein sich einfach präsentirendes
Haus bewohnt. Er war zu Hause und nahm an. Ein Ordonnanz-
offizier geleitete uns in ein kleines Empfangszimmer. In einem Glas-
schranke standen einige Reihen Bücher. Nicht aus Neugierde, sondern
aus Interesse überflog ich rasch die aufgedruckten Titel. Es waren
meist französische Geschichtswerke, wie die Geschichte der Türkei,
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Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandschak
die der Gironde und die vom ersten Napoleon. Pascha Suleinian
Haki (— die österreichischen Offiziere tituliren ihn mit Exellenz — )
ist ein Mann von grofser Figur. Er ist anscheinend ein offener und
biederer Charakter und gab sich in der französischen Konversation
ungemein natürlich und einfach. Nach türkischer Sitte liefs er Kaffee
und Cigarettcn bringen, wobei der übliche Höflichkeitsaustausch
erfolgte. Der Pascha erkundigte sich nach dem Befinden der höheren
Offiziere der österreichischen Garnison, und als er erfahren, dafs am
folgenden Tage der österreichische Brigadegeneral aus Urlaub zurück-
kehren würde, erklärte er, dafs er ihm entgegenfahren werde. Dann
sprachen wir von meiner Angelegenheit und meiner Absicht, von
Plcvlje nach Montenegro reisen zu wollen. Ware die Reise ausfuhrbar,
so würde ich, wenn notwendig, um Schutz ersuchen. Der Pascha
meinte, die Gegend wäre schlimm, aber er würde sorgen, dafs ich
die Reise ausführen könnte. Sofort gab er seinem Polizeioffizier
Itrakim den Auftrag, Umschau und Umfrage nach Pferden und etwa
vorhandenen wegkundigen Führern zu halten und mir das Ergebnils
im Laufe des Nachmittags mitzuteilen. Beim Weggehen geleitete
uns der Pascha, nachdem er für die österreichischen Kommandeure
noch die besten Empfehlungen mitgegeben, bis an die Hausthüre.
Nachmittags traf Itrakim mit zwei Individuen im österreichischen
Lager ein. Der Eine von den Zweien sprach etwas deutsch, würde
mir also unter den ganz fremden Menschen ein grofser Behelf ge-
wesen sein, hatte aber keine Pferde; es wäre also noch ein Pferde-
besitzer notwendig gewesen. Der Andere, ein langer, alter, auffallend
häfslicher Kerl, dem der bosnische Schopf hinten unter dem Fez
hervorhing, sprach nur serbisch, hatte aber zwei Pferde. Da ich
nicht gewillt war, mit grofsem Gefolge zu reisen, nahm ich den
Letzteren, den Serben Simeon Jovanovic und zwar akkordirto ich mit
ihm bis zur montenegrinischen Hauptstadt. Ich hatte in der Folge
meine Wahl nicht zu bereuen, Simeon fand sich in den Gebirgswüsten
Scliluchten, Bergpfaden und steinigen Hochebenen Montenegros voll-
kommen zurecht. Er war ein aufmerksamer und verständiger Führer
ohne üble Gewohnheiten, eine ehrliche Haut, die an den nächsten
7 Marschtagen meine vollste Zufriedenheit erwarb. Freilich, ver-
ständigen konnten wir uns, namentlich anfangs, beinahe garnicht, und
ich mufste ihm meine Tour und die mutmafslichen Nachtquartiere
noch vor der Abreise auseinandersetzen lassen. Die österreichischen
Kameraden waren dann noch auf die liebenswürdigste Weise für
meine Ausrüstung besorgt. Sie brachten Konserven, die sie noch
vom letzten Manöver in Vorrat hatten, ein Trainrittmeister lieferte
ein Menagegeschirr, das mir treffliche Dienste leistete, weil ich täg-
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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lieh für meinen irdischen Menschen selber kochen mufste, und ein
Beamter riet zu einer ausgemusterten ärarischen Decke, welche ich
dann das Pfund zu 44 Kr. erwarb. Um mich gegen mögliche un-
vorhergesehene Schwierigkeiten von Seite der montenegrinischen
Bevölkerung zu sichern, schickte ich noch auf Anraten der Konsulats-
vertretung ein Telegramm an den Deutschland vertretenden öster-
reichischen Ministerresidenten in Cetinje, worin ich meinen Weg mit-
teilte mit der Bitte, die montenegrinische Regierung davon verständigen
zu wollen.
Am anderen Morgen stand mein Pferd rechtzeitig vor meiner
Wohnung, auch ein Zaptieh, d. i. ein berittener türkischer Gensdarm,
der mich begleiten sollte. Die Kameraden hatten einen Feldwebel
geschickt, der slavisch verstand, um noch allenfallsige Wünsche zwischen
mir, Führer und Begleitung zu vermitteln. Nachdem schliefslich das
Gepäck umsichtig befestigt worden war, ritten wir ab. Die Pferde
hatten bosnische Sättel, auf denen man recht gut sitzt; ich habe
mich nie trotz der sehr langen Märsche, auf denen man nur Schritt
reiten kann, aufgeritten. Später mufste ich mich freilich auch mit
Somars behelfen, das sind einfache grofse Ilolzgestello, wie sie beim
Volke üblich sind. Etwa eine halbe Stunde aufserhalb Plevlje führt
eine Brücke über einen Flufs. Hier erwartete mich der Polizeioffizier
Itrakim, um im Auftrage des Pascha meine richtige Abreise zu kon-
troliren. Gleichzeitig meldeten sich 5 Nizams, türkische reguläre
Infanteristen, welche mich zu der eine gute Tagereise entfernten
montenegrinischen Grenze geleiten sollten. Ich hätte diese starke
Eskorte nicht für notwendig gehalten, aber der Pascha mufste sein
Territorium besser kennen.
Der Weg führte durch den Abschnitt, welchen die Tara und der
Sim einschliefsen. Die unwegsamen Karstplateaus zwischen Tara
und der Lim mit ihren schwierigen Gebirgsübergängen und den vielen
von Urwäldern eingerahmten Felsschluchten bildeten von jeher einen
Tummelplatz für beutelustige Elemente; so ähnlieh drückt sich das
österreichische Generalstabswerk aus. Namentlicli aber seit den letzten
Kriegsereignissen auf der Balkanhalbinsel waren diese Grenzdistrikte
der einzige mögliche Aufenthalt für die vielen Unzufriedenen aus
Serbien, Albanien, Montenegro, Herzego vina und Bosnien. Wurden
diese Freibeuter in dem einen Lande über die Grenze gejagt, machten
sie das Nachbarland unsicher. In dem erwähnten Dreiecke fühlten
sie sich noch am wohlsten. Es wird nämlich im Osten von einem
Berglande begrenzt, das keinem Vertreter der Ordnung den Eintritt
erlaubt, das, zur Türkei gehörend, keinen türkischen Beamten oder
Soldaten innerhalb seiner Grenzen duldet. Es sind die Gebiete von
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IG
Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
Plava und Gusinje, welche der Stamm der Malissoren bewohnt. Der
Berliner Kongrefs hatte den lange gewünschten Bezirk den Monte-
negrinern zugesprochen, aber die unbotniäfsigen, wilden Bewohner
leisteten erfolgreichen Widerstand, und es blieb den Großmächten
kein anderer Ausweg, als dieses Danaergeschenk wieder zurück-
zuziehen und die Montenegriner durch den Küstenstrich von Dulcigno
zu entschädigen. Türkische Soldaten, welche vor einigen Jahren
eine nahe gelegene Grenzfestung verproviantiren sollten, waren ge-
zwungen, diesen Bezirk zu vermeiden, und auf grofsen Umwegen
durch Montenegro zu ziehen, und einen türkischen Pascha, der unlängst
mit starkem Geleite vom Sandschak nach Sculari in Albanien reiste,
hielten sie eine Zeitlang gefangen. Meine ursprüngliche Idee, dem
LimHusse aufwärts zu folgen und Montenegro an seiner Ostgrenze
zu betreten, hatte ich in Berücksichtigung der erwähnten Vorfälle
aufgegeben, denn mit diesen Nord-Albancsen ist wirklich nicht gut
Kirschen essen.
Die 5 Nizams musterten mich neugierig und sprangen dann,
nachdem das ganze zu 8 Köpfen angewachsene Detachement in einem
kleinen hölzernon Han einen Kaffee genommen hatte, munter voraus.
Sie trugen die türkische Uniform, welche durch den langen Gebrauch
längst die Farbe verloren hatte, ein Gewehr, aber an der Seite keinen
Yatagan, um den Leib den Patronengürtel mit reicher Munition,
einen Brotsack und als Fufsbokleidung die Opanken. Opanken sind
für steinige Gebirgsländer wohl die beste Fufsbekleidung. Die seitwärts
umgebogene Sohle ist eine ungegerbte Kalbshaut, die in neuem
Zustande an der Aussenseito noch die Haare zeigt, und mit einem
Geflechte von gedrehten Riemchen am Fufse gut befestigt wird. Vor
dem ersten Gebrauche ist es notwendig, die Opanken im nassen
Zustande dem Fufse anzupassen. Für den Ungewohnten wird das
Gehen mit Opanken schwer fallen, weil Absätze fehlen und die Haut
dünn ist. Wer Opanken benutzt, trägt in der Regel dicke wollene
Fulssocken. Auch in Serbien ist das Militär mit Opanken bekleidet.
In Montenegro trägt Alles Opanken, nur die Würdenträger bedienen
sich des langschäftigen Russenstiefels. Es ist überraschend, mit welcher
Leichtigkeit und Behendigkeit die Montenegriner sich auf den steinigsten
Pfaden bewegen können. Wo ich mit meinen guten oftbewährten
Bergschuhen unbeholfen von Stein zu Stein taumelte, gingen die
Montenegriner, mitleidig mein Schuhwerk betrachtend, wie auf einem
Parquett. Die Opanken sind auch ein billiges Kleidungsstück und
können deswegen leicht erneut werden. In ganz Montenegro konnte
ich kein fertiges Paar auftreiben, weil man nur ein Stück Haut kauft,
und dann die Weiber den Schuh fertig machen. Erst in Mostar
erwarb ich ein gutes fertiges Paar um 80 Kr.
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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In den ersten Stunden begegneten uns viele Tscherkessen, welche
ihre Pferdlein schwer mit Holz und Reisig beladen hatten und daneben
hergingen. Ich denke, dafs sie zu jenen gehörten, welche Nachts auf
Streife waren und nun die Gelegenheit benützten, Holz heimzubringen.
Die fünf Nizams, kleine Leute mit runden Formen, trugen einen
groisen Humor zur Schau. Sie sangen, sprangen und machten manchen
Schnickschnack. Einmal plänkelten sie, das Felsengelände regelrecht
ausnützend, ein anderesmal. als ich um die Ecke bog, standen sie in
Reih und Glied und übten Gewehrgriffe, offenbar aus lauter Übermut.
Sie waren auch aufmerksam, boten mir Cigaretten an und bewarben
sich im Wechsel mein Pferd fuhren zu dürfen, da ich meist zu Fufs
ging. Oft waren sie soweit voraus, dafs ich sie lange nicht mehr sah.
Lauten Jubel erregte es, wenn wir um einen Felsen bogen, und sich
auf der steinigen Öde ein wilder Birnbaum zeigte; das war eine will-
kommene Beute. Ich will des Kuriosums halber die Namen der
braven Leute anführen: Sie hiefsen: Ibrahim, Redjeb, Ali Mustapha
und Subeimon. Der Zaptieh, Namens Hassan, war ernster und auch
beträchtlich älter. Ich weifs, dafs man in der türkischen Armee der
Schiefsausbildung zur Zeit ein gröfseres Augenmerk widmet, und dafs
eine systematische Schiefsvorschrift erschienen ist, aber Augenzeugen
erzählten mir, dafs diese Ausbildung zum Teil noch recht primitiv
gehandhabt wird. Der Mann erhält eine Anzahl Patronen und soll
sich damit im Schiefsen üben. Der Eine schiefst auf einen Baum,
der Andere auf einen Spatzen, der Dritte auf einen Stein und der
Vierte auf ein altes Fez, das man in die Luft geworfen.
Gegen Abend erreichten wir ein unendlich tief eingerissenes Flufs-
thal, die Tara, den Grenzflufs, zu dem wir beinahe 2 Stunden lang
hinabstiegen; jenseits erhoben sich mauergleich die Berge Montenegros.
Hier waren die Nizams an ihrem Ziele, sie verfolgten aber noch
meinen Flufsübergang, der freilich originell war. Einige türkische
Soldaten, die in einer benachbarten Kula auf Grenzposten waren, waren
noch dazu gekommen. Man hatte schon in Plevlje die Besorgnifs
ausgesprochen, es möchten sich an der Grenze Schwierigkeiten er-
geben. Auf dieser Seite beständen zwischen Türken und Montene-
grinern gespannte Verhältnisse. Letztere liefsen Niemand durch, und
der einzige Ubergang sei abgebrochen. Wir waren auf der Stelle, wo
auf der Karte Nefertara steht. Hier sollte ich eigentlich übernachten,
aber weitum lagen nur einige elende Schuppen. Man rief in lang-
gezogenen Tönen über den Flufs, und alsbald erschien aus einer ver-
borgenen Felsenbucht ein Flofs mit einem dürftig gekleideten Monte-
negriner, der dann die Überfahrt besorgte. Das Hofs bestand aus
5 leichten Balken, die auf einer Seite fächerförmig auseinander gingen.
J»hrbUcher für die Dontache Armee und Marine. Bd. VIUC, 1. 2
18
Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
Ich war neugierig, wie man dio Pferde hinüberbringen würde. Das
verlief sehr einfach: Simeon nahm ihnen das Gepäck ab und jagte
sie in das Wasser. Wirklich schwammen sie wie Pudel durch den
ziemlich breiten, aber ruhigen Flufs, erkletterten das Felsenufer,
schüttelten das Wasser ab und begannen die wenigen Grashalme ab-
zufressen. Bald war Alles in Ordnung. Der Zaptieh gab mir noch
einige hundert Schritte das Geleite, dann war er sicher, seinen Auftrag
richtig erfüllt zu haben und kehrte um, nachdem ich ihm noch
eine freiwillige Entschädigung eingehändigt hatte. Auch den armen
Teufeln von Soldaten hatte ich etwas zukommen lassen. — Ich war
in Montenegro.
In Montenegro.
Die Montenegriner sind ein Soldatenvolk in des Wortes vollster
Bedeutung. Seit der Schlacht auf dem Amselfelde 1389 haben sie
den Türken durch eine beinahe ununterbrochene Reihe von Fehden,
Schlachten und grofsen Kriegszügen Widerstand geleistet. Immer
wieder kamen neue Heere unter den gefürchtetsten Heerführern und
oft von allen Seiten heranmarscliirt, von Bosnien, der Herzegovina,
vom Sandschak Novibazar und von Albanien, um sich beinahe aus-
schliesslich Niederlagen zu holen. Es ist unglaublich, welche Massen
gegen das kleine Volk aufgeboten wurden, ohne je ihr Ziel zu er-
reichen. Heute ist Montenegro unabhängiger als zuvor, und es ist
nicht ausgeschlossen, dafs es noch einmal eine gröfsere Rolle spielen
wird. In den südlichen Slavenländern, in denen der Traum von einem
grofsen Serbenreiche spukt, nennt man als einen der drei Thron-
Kandidaten auch den Fürsten Nikola.*)
Jeder Montenegriner ist Soldat und zwar mit solcher Leidenschaft,
dafs selbst hochbejahrte Greise, die keine Verpflichtung mehr haben,
noch gerne die Waffen nehmen und mitziehen, wenn es gegen die
Türken geht. Alle Männer sind schlanke sehnige Gestalten. Nie sah
ich einen gebrechlichen Alten; im Gegenteile, als Häupter zahlreich
gewordener Familien geuiefsen sie grofses Ansehen, sind sehr würde-
voll und führen in der Familie ohne Einschränkung das Szepter.
Gleich am ersten Abende, den ich auf montenegrinischem Boden ver-
brachte, fand ich, da jede andere Unterkunft völlig ermangelte, bei
einer vielköpfigen Hirtenfamilie gastfreundliche Aufnahme. Mir wurden
alle Ehrungen zu Teil, welches das Gastrecht vorschreibt Mein
*) Die Sadslaven (Serben, Kroaten, Slovenen, Ulyrier, Montenegriner etc.
sind gegen 7 Millionen stark und machen etwa den 11. Teil der grofsen Slaven-
masse aus, welche zwischen 70 und 80 Millionen zählt.
Novibazar, in Montenegro und in der Krivoßije.
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Platz war die Ecke gegenüber dem Feuer, das in der Mitte des
Raumes auf dem Boden angeschürt war. Mir zur Linken safs der
Hausälteste, und dann kamen rechts und links, augenscheinlich streng
nach Alter und Rang, die Söhne und Schwiegersöhne. Gegenüber,
als nicht mitzählend, safsen Weiber und Töchter. Letztere besorgten
auch jegliche Bedienung. Das Wort führte der Alte, Niemand redete,
der nicht gefragt war, Jüngere sprachen überhaupt nicht. Auch bei
der Abendmahlzeit nahmen nur die Alteren, welche eigens aufgefordert
wurden aus der gemeinschaftlichen Schüssel. Von dem Kaffee, der
mir zu Ehren zubereitet worden war, teilte der Hausälteste im Wechsel
diesem und jenem eines der kleinen Täfschen zu. Dabei safs er neben
mir auf einer Art Lehnstuhl, dessen Holzsitz nur eine Handbreit vom
Boden abstand, nicht wie ein Flirte, sondern mit seinem grauen,
martialischen Schnurrbarte wie ein alter Militär, den die vielen Töchter
wie einen Fürsten bedienten. Er kommandirte aber auch, er gab das
Zeichen zum Händewaschen, zum Abendessen und später zum all-
gemeinen Aufbruch. Da mich mein Führer Simeon irrtümlicherweise
für einen „rufs capitano" ausgegeben hatte, mufsto ich mir von all
den vielen Männern die intimste Begrüfsungsform gefallen lassen.
Als ich später den „rufs" in „prufs capitano" korrigirt hatte, sank
mein Ansehen beträchtlich. Von den intimen Begrüfsungen, die z. B.
beim Zubettegehen und Aufstehen stattfanden, blieb ich fortan aus-
geschlossen, nur die Weiber und Töchter külsten nach wie vor äufserst
devot meine Hände.
Am anderen Morgen, einem Sonntage, nötigte mich Simeon zu
einem gröfseren Umwege. Es sei notwendig, bedeutete er mir, dafs
er mich zunächst zu einem Kapetan brächte. Ich fand dort eine
Anzahl prächtiger Männer versammelt, die meist eine Anzahl Ehren-
zeichen auf der Brust trugen, montenegrinische und russische. Die
Männer waren zurückhaltend und unfreundlich. Es entspann sich
eine längere Debatte darüber, ob sie mich nicht wieder über die
Grenze zurückjagen sollten. Ich erklärte, dafs ich zu ihrem Knes
(Fürsten) unterwegs wäre, zeigte dann Pafs und meine Photographie
in Uniform. Nur das Letztere schien den Ausschlag gegeben zu haben,
und der Älteste erklärte mich als „dobro gospodine" (guter Herr);
einem Teile der Jüngeren konnte ich aber trotz meiner gewaltsamen
Versuche keine Freundlichkeit abnötigen.
Als ich meinen Weg fortsetzte, begegneten mir viele junge Leute,
die mit dem Gewehre auf dem Rücken die Berge herabsprangen. Sie
waren auf dem Wege zum Kapetan, bei dem die Jugend alle Sonntage
exerzirt. Die Geschulteren versammeln sich zum gleichen Zwecke nur
ein paar mal im Jahre. Geschlossenes Exerziren findet nur im ge-
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Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandsschak
ringen Unifange statt, dagegen versteht Jeder gut, init Gewohr und
Revolver umzugehen. Alle haben das Werndl-Gewehr und den Armee-
revolver System Gafser von 11 mm. Für die Reserve sind noch grofse
Vorräte an erbeuteten Knika- und Henry Martini-Gewehren in den
Magazinen. Den Revolver trägt jeder Montenegriner, Fürst und Hirte,
Kaufmann, Lehrer und Geistlicher ohne Ausnahme im Gürtel und
zwar ständig, im Freien, auf dem Markte, in der Kirche und im
Gasthause, wo ein solches existirt. Dieser Zusatz ist notwendig, denn
ein Gasthaus giebt es nur in der Hauptstadt; in den übrigen Städten
sind es nur Lokandas der allcrdürftigsten Art. In einem Lande, wo
jeder Einzelne so von der Soldatenwürde durchdrungen ist, kommt
man natürlich immer wieder auf das Militärwesen zu sprechen. Die
wichtigeren Wahrnehmungen will ich später zusammenfassen, vorher
aber noch einige unbedeutende, immerhin charakteristische Züge an-
führen.
Auf einem Saumwege im Gebirge kam mir eine gröfsere Schaf-
heerde entgegen. Der Mann, der sie leitete, hatte einen Säbel in
Stahlscheide umgeschnallt. Als ich fragte, erfuhr ich, dafs dies ein
„Offizier" wäre. Der Offizier kommandirt eine Kompagnie. Jeder
kann Offizier werden; die Stelle wird nicht bezahlt, ist aber sehr
gesucht. Nur die höheren Offiziere erhalten eine geringe Ent-
schädigung. — Im Kloster Ostrog hoch oben auf dem wilden Gebirge
zwischen Niksic und Spuc, den alten türkischen Zwingburgen, machte
mich bei Tisch der Archimandrit aufmerksam, dafs der Mann, welcher
uns barfufs bediente, ein „Desecar" wäre, ein Befehlshaber über
Zehn. Es sind dies die Unterführer der Offiziere in der Kompagnie.
— Als ich in V irbazar, einem kleinen Marktstädtchen am Scutari-See,
über den Platz schlenderte, lud mich ein gut gekleideter Montenegriner,
der auf der Stufe vor einem Kramladen safs, und den alle respektvoll
grüfsten, ein, neben ihm Platz zu nehmen. Es war ein „Brigadio",
wie man mir auf Befragen mitteilte. Die hier in Betracht kommende
Brigade ist eine der grüfsten, weil bei Virbazar die reiche, gut
bevölkerte Crmnica-Ebene beginnt. Der Brigadio musterte meine
Schuhe und erklärte, sie seien schlecht. Ich mufste auf die inzwischen
gewonnenen Erfahrungen hin seiner Ansicht unbedingt recht geben.
Als ich ein anderes Mal in einer Sturmnacht mit vielen Montenegrinern,
die gleich mir in einem kleinen Han Schutz gesucht hatten, am Feuer
safs, gingen ihre Heldenlieder, von der einsaitigen Gusla begleitet,
von Mund zu Munde. Die ganze Geschichte des Landes — eine
Kriegsgeschichte — ist in den Liedern erhalten. Man zeigte mir einen
jungen Maim, dessen Familie 50 Gewehrträger stellte. Sein Grofs-
vater hatte einem türkischen Aga drunten an der Tusina mit dem
Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Handschar den Kopf vom Rumpfe getrennt. Die Montenegriner waren
in allen Kriegen grausam. Das Kopfabschneiden aber lernten sie
von ihrem Erbfeinde, den Türken, der diese Barbarensitte von Asien
herübergebracht hatte. Da die Montenegriner in der Regel selber
das Nötigste entbehrten, konnten sie keine Gefangenen ernähren.
Nach dem Tilsiter Frieden 1807 liefs der französische Marschall
Marmont den montenegrinischen Vladika Petar ( — bis Danilo war
der Fürst auch geistliches Oberhaupt — ) zu einer Besprechung
kommen, und warf ihm unter Anderem vor, dafs die Montenegriner
gleich wilden Barbaren ihren Gefangenen den Kopf abschnitten. Petar
erwiderte: „Allerdings thun sie dies ihren rachsüchtigen Feinden,
aber niemals ihren legitimen Königen auf offenem Marktplatze gleich
wie die Franzosen". Übrigens ist diese Unsitte bei den Montenegrinern
aufgegeben. Im letzten Feldzuge gegen die Türken haben nur noch
Letztere einzelne Montenegriner durch Abschneiden der Köpfe, Ohren
oder Nasen verstümmelt, wie man nach den Ostrog-Kärapfen an Toten
wahrnahm. Hingegen haben die Montenegriner einem ausgestellten
Protokolle zufolge 9000 Gefangene unversehrt zurückgegeben, die
Türken nicht einen einzigen Mann. Um die Verwundeten nicht in
die Hände der grausamen Feinde gelangen zu lasson, gaben ihnen
die Freunde in der Regel den Gnadenstofs, jetzt pflegen sie den
6. Revolverschufs für das Äufserste aufzuheben. Man nennt die
Montenegriner Hammeldiebe. Während bei uns manches Schaf auf
unrechtmäfsige Weise abhanden kommen mag, wird in Montenegro
weder ein Hammel, noch irgend etwas Anderes gestohlen. Diebstahl
ist hier zu Lande beinahe vollkommen ausgeschlossen. In früheren
Zeiten bestand der Fehdekrieg mit dem Erbfeinde meist in Beute-
zügen. Man suchte, dem Nachbar zu schaden, wo man konnte. Kein
Schaden war nachhaltiger, als wenn man ihm den Lebensunterhalt,
die Heerden, wegnahm. Freilich, wenn man von der „Ceta" noch
einige Köpfe mit heimbrachte, war es um so ruhmvoller. Heute steht
auf Diebstahl die Prügelstrafe, welche so entehrend wirkt, dafs sich
kein Montenegriner findet, der die Strafe austeilt, sondern es werden
Zigeuner hierzu verwendet. Wer die entehrende Strafe erlitten, wird
von seinen Verwandten verleugnet, kann sich im Lande nicht mehr
halten und mufs auswärts gehen. Fürst Nikola, mehr noch seine
Vorgänger Danilo und Petar, sind hierin so strenge vorgegangen, dafs
es heute vielleicht kein Land in Europa giebt, das für den
Reisenden und sein Eigentum so sicher ist, wie Montenegro. Das
klingt seltsam, ist aber nicht allein von mir auf den einsamen Streifereien,
die ich durch das ganze Land unternommen habe, erprobt worden,
sondern die wenigen Reisenden, welche das Land bisher eingehend
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Militär-tonrfctinche Wahrnehmungen im Sandachak
begingen, darunter recht furchtsame Männer der Wissenschaft, stimmen
mit mir völlig überein. Nirgends ist für den Reisendon ein Revolver
überflüssiger, als in Montenegro.
Manche Militärpflichtige desertiren vom österreichischen Okku-
pationsgebiete auf montenegrinischen Boden. Da aber Crnagora ihre
Kinder selber nur notdürftig zu ernähren vermag, bringt man die
militärmüden Fremdlinge meist wieder über die Grenze. Ausnahmen
gestattet man sich mit Handwerkern, namentlich Schmieden, da man
es bislang in Montenegro als unwürdig erachtete, für Andere zu
arbeiten. Erst in neuester Zeit ist auch hierin ein Anlauf zur
Besserung gemacht worden. In Podgorica übernachtete ich in der
Locanda des Ivo Carevic. Er sprach deutsch und war, wie ich erfuhr,
früher ein österreichischer Gendarmerie-Wachtmeister, Namens Johann
Kaiser, der mit einer grölseren Summe durchgegangen ist.
Ein Montenegriner ging einmal längere Zeit mit mir meinen Weg.
Er trug, wie ich auch bei Anderen öfters wahrgenommen, vier Ordens-
auszeichnungen auf der Brust, zwei montenegrinische und zwei russische
Als ich aufmerksam wurde, dafs ihm ein Finger fehlte, bedeutete er
mir, dafs ihn ein Türke weggeschossen. Auch an der Rippengegend
liels er mir zwei harte Stellen fühlen, wo ihn Kugeln getroffen. Es
war ein sehr steiler und glatter Abstieg; mühsam und vorsichtig suchte
ich die Steinplatten ohne Schaden zu überwinden. Dom Montenegriner
nüt seinen Opanken gelang dies mit Leichtigkeit. Die Montenegriner
sind vorzügliche Marschirer. Ich weifs nicht, ob sie in dieser
Fertigkeit von einem anderen Volke übertroffen werden können.
20 Stunden ununterbrochener Wanderung gehört nicht zu den Selten-
heiten. Entfernungen, zu welchen andere, gute Marschirer 3—4 Tage
brauchen, werden oft in einem Tage zurückgelegt. Wenn ein Monte-
negriner eine Entfernung auf 3 Stunden angiebt, darf man ganz sicher 5
rechnen. Alle meine Führer und Pferdeknechte, die mit mir den ganzen
Tag über auf schlechten Wegen unterwegs waren, traten, sobald wir gegen
Abend das Ziel erreicht hatten, unverzüglich noch den Heimweg an.
Einem hohen türkischen Würdenträger, der im vergangenen Jahre
am Hofe des Fürsten weilte, gab man dort auf die Frage, wer im
Kriege zur ersten Linie gehöre, die Antwort: „Wer in einem Tage
1 20 Kilometer zurücklegen und dann noch ein Treffen liefern könne,
gehöre in die erste Linie." In Wirklichkeit bilden 20 000 ausgewählte
tapfere das erste, 1 7 000 weitere Krieger das zweite Aufgebot.
Die Montenegriner haben keine eigene Uniform, hingegen ist die
Nationaltracht, die Alle gleichmäfsig tragen, eine praktische und
kleidsame Kriegerkleidung. Zu dieser Tracht gehört: eine rote Weste
mit schwarzer Verzierung (Camadan), eine kurze Jacke, ebenfalls
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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rot und schwarz (Jelek), eine dunkelblaue weite Hose, weifse dick-
wollene Strümpfe (Tokotenice), rückwärts durch viele Messinghaften
zusammengehalten, Opanken mit kurzen Socken (Carape), auf dem
Kopfe die kleine Capa, schwarz und rot, die auf dem oberen Deckel
den goldenen Namenszug des Fürsten enthält, um den Leib eine
Schärpe (Pas), und darüber den Waffengürtel (Kolan.) Vornehme
und Würdenträger tragen noch einen langen, vorne offenen, grünen
oder weifsen Rock (Gunj), darüber oft eine reichgestickte Weste und
dazu hohe Schaftstiefel. Als Überwurf dient ein gefranzter Plaid (Struka),
der rechts und links lang herunterhängt, seltener ein grober Mantel
mit Kapuze (Kapanica). Wohlhabende lassen sich an den Armec-
revolver einen silbergetriebenen Griff anbringen. Zur Kriegsausrüstung
gehört ausser dem Werndl-Gewehr noch der traditionelle Handschar
für den Nahekampf, der ebenfalls in den Gürtel gesteckt wird. Früher
hatte man in diesem Kolan ein ganzes Arsenal, wie man in Albanien
heute noch sehen kann. Offiziere tragen den österreichischen Infanterie-
schleppsäbol, höhere Kommandeure meist einen reich ausgestatteten
Türkensäbel, häufig ein vererbtes Beutestück. Weiteren Luxus in der
Tracht wie die goldgestickten Camadans wurden vom Fürsten Nikola
verboten, da sich Viele überschuldeten, und dürfen nur mehr an
Wochentagen ausgetragen werden. Alle Rangabzeichen bestehen in
Emblemen oder Wappen, welche goldgestickt oder aus Gold, Silber
oder Messingblech am schwarzen Rande der Kapa getragen werden.
Als ich im Orte Savniki nächtigte, traf auch ein Engländer mit
Zelten, Dienerschaft, Koch und Militärbedeckung ein, um den eine
Tagreise entfernten Durmitor zu besteigen. Als er die Anwesenheit
eines zweiten Fremden erfuhr, machte er mir seinen Besuch und lud
mich zum Abendessen ein. Hierbei war ein Leibgardist des Fürsten
anwesend, den mir der Engländer als Offizier vorstellte. Das war er
nun wohl nicht, aber ein sehr anständiger junger Mann, der mich
wiederholt fragte, ob er mir keine militärische Bedeckung anbieten
dürfe und wie viel Mann, ich solle nur irgend eine Zahl nennen,
Da Alle Soldat sind, ist die Kommandirung mit keiner Schwierigkeit
verbunden. Nachdem ich jedoch die abgelegeneren Gegenden allein
gemacht hatte, lehnte ich auch hier dankend das Gefolge ab. Zweifels-
ohne wären aber die meisten Ortseinwohner sehr gerne mit nur auf
Abenteuer ausgezogen.
Das Land ist in Nahias (Bezirke) geteilt, diese wieder in Plemenas
(Stämme). Jeder Stamm stellt eine gewisse Anzahl Cetas (Kompagnien)
auf. An der Spitze einer Nahia steht ein Vojvode (Kriegsfiihror), an
der Spitze einer Plemena ein Kapetan. Die taktische Einheit ist die
Ceta, welche ein Stotinjar (Offizier) kommandirt. Unter diesem stehen
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Bandschak
4 Vodnici (Zugführer), 8 Desecarci (Führer von 10 Mann), der Bar-
jaktar (Fahnenträger), 5 Fahnengardisten, ein Trompeter und 88 Mann,
zusammen 100 Köpfe. G — 10 Oetas bilden ein Bataillon unter dem
Kommando eines „Kommandirs", dem ein „Pod-Kommandir" an der
Seite steht, sein Stellvertreter, der auch Adjutantendienste verrichtet.
Etwa 6 Bataillone bilden eine Brigade unter einem „Brigadir". Die
Stärke der Brigaden ist ungleich, weil man die verschieden bevölkerten
Stämme nicht zerreifsen wi\\. Einige Brigaden haben auch muha-
medanische Bataillone, die sich aus den neu erworbenen Landstrichen
formiren, doch will man sich auf dieselben nicht besonders verlassen.
Ein stehendes Heer ist eigentlich nicht vorhanden, nur eine Leibgarde
(Pcrjnniks) von 100 Mann, welcho der Fürst aus den bemittelten
Familien des Landes auswählt. Es gilt als Ehrensache, ein Farailien-
glied bei den Perjaniks zu haben. Ihre Anzahl bei Hofe ist nicht
bedeutend, jeden Monat wird gewechselt. Auch die Ordonnanzoffiziere
aus den besten Familien des Landes kehren jeden 2. Monat zu den
Ihrigen zurück.
Cetinje besitzt ein Arsenal; hier ist eine Anzahl von musterhaft
gehaltenen Gebirgs-, Feld- und Festungsgeschützen aufgestellt und ein
Vorrat an Gewehren. Aufser einer grofsen Anzahl von türkischen
Fahnen und einzelnen Heerbannern ist auch eine grofse Monge
türkischer Orden aufgehängt, die man gefallenen Türken abgenommen.
Ein weiteres Magazin befindet sich in Spuc. Montenegro hat nebst
einer Anzahl erbeuteter Kanonen, 6 Gebirgsbatterien zu je 4 Ge-
schützen , 3 Feldbatterien zu je acht 0 cm Geschützen und einige
schwere Festungsrohre. 2 Batterien sollen von Österreich geschenkt
sein. Es ist ferner die Ausrüstung zu einer erst im Kriege zu for-
mirenden 100 Mann starken Sanitäts- Abteilung vorhanden. Bisher
oblag die Pflege der Verwundeten beinahe ausschliefslich den Weibern,
welche den Männern in den Krieg folgten. Der Montenegriner trägt
aufser der Munition nichts. Für die Verpflegung und das nötigste
Gepäck sorgten bisher ebenfalls die Weiber, welche dem Heere nach-
zogen. In der Neuzeit hat man auch die vorhandenen Saumtiere
gezählt, um damit im Kriege die notwendigsten Trains bilden zu
können. Einer Einrichtung mufs noch gedacht werden: Der Fürst
hat seit 3 Jahren wieder eine Musikkapelle von 3<> Mann, die gar
nicht schlecht ist. Man kann die Kapelle erst würdigen, wenn man
ihre Geschichte kennt, welche mir der Kapellmeister Wimmer, ein
liebenswürdiger Deutschböhme erzählt hat. Als er die Kapellmeister-
stelle erhielt, glaubte er die Reste einer früheren Kapelle zu finden,
und war sehr wenig erbaut, als man ihm 3C> Hirten zuwies, die nicht
nur kein Instrument spielen konnten, sondern noch gar keines gesehen
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivowje. 25
hatten. Wimmer ging aber an die Riesenarbeit und lehrte ihnen die
Noten und Jedem ein Instrument. Während icli in Cetinje war,
feierte man gerade den Geburtstag des Fürsten. Bei der Abends statt-
findenden Serenade spielte die Kapelle ein Potpourri aus dem Vogel-
händler, die ungarischen Tänze von Brahms und eine Rhapsodie von
Liszt und zwar ganz wacker. In vorgerückter Stunde liefs der Fürst
2 ganze am Spiefse gebratene Hammel verteilen, welche von den er-
müdet auf dem Boden sitzenden Musikern wohl verdient waren.
Montenegro mit einer Einwohnerzahl von etwa 250 000 Köpfen
vermag, da jeder vom 17. — (10. Jahre kriegspflichtig ist, eine Armee
von 50 000, im äufsersten Falle sogar von (50 0(X) Mann aufzustellen.
Die heutige Kampfweise weicht von der früherer Zeiten wohl ein
wenig ab. Bei Beginn des letzten Krieges mit der Türkei 1876—1878
versuchten die Oberführer, ihre zum Teil in St. Cyr erworbenen
theoretischen Kenntnisse zu verwerten und disponirten ganz strategisch.
Es zeigte sich aber bald Unsicherheit und Ängstlichkeit, namentlich
wenn sich der Gegner anders verhielt, als man erwartet hatte. Den
Montenegrinern sagte auch das lange Hin- und Herschicfsen nicht
zu. In der ersten gröfscren Schlacht bei Vucidol (Herzegovina)
sprangen erst Einige, dann Mehrere, dann ganze Bataillone den Hand-
schar schwingend und den Revolver in der Linken vor, um sich auf
den Feind zu werfen. Ohne einen Befohl abzuwarten, folgte ein
Bataillon dem anderen. Bataillone, die kunstgerecht in die Reserve
gestellt worden waren, liefsen sich nicht mehr halten und gingen im
Laufschritt durch, dahin, wo sie schiefsen hörten. So hatten sie's in
alter Zeit gemacht, auch hier war im Handumdrehen durch die un-
gewöhnliche Tapferkeit die Schlacht glänzend gewonnen. Es ist immer
dieselbe Kampfweise, erst läfst man sich den Gegner in mühsamen
Angriffen abmühen, dann stürzen Alle Mann für Mann in den Feind
und wüten im Handgemenge; der Rest des Gegners, welcher ent-
rinnt, flutet zurück wie eine Herde versprengter Schafe. Unzählige
Male wurden kleine und grofse Heere der Türken seit einem halben
Jahrtausend immer wieder zurückgetrieben. Und wenn dieselben Er-
folge hatton, umstellte man die in dem armen Lande halb Ver-
schmachteten in den öden Wüsteneien und Felsdefileen, und der End-
erfolg gehörte sicher den Montenegrinern. Kein Türkenheer hat noch
ein Lorbeerreis aus Montenegro heimgebracht. Die berühmtesten
Türkenfcldherrcn holten sich in den Bergen der Crnagora die Un-
gnade des Kriegsherrn und Kriegsgerichte. So war es im Kriegsjahre
1877, an dessen harte Kämpfe mich noch Patronenhülsen auf den
Ostrog-Bergen erinnerten, so war es in früheren Jahrhunderten, wo
Montenegro allein ein vorgeschobenes, unbezwingliches Bollwerk bildete
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2G
Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
gegon die unabsehbar zu den Christenländern heranrückenden Tiirken-
lieere. Mag man viel an den Montenegrinern aussetzen, die Tapferkeit,
die jeden Einzelnen ohne Ausnahme beseelt, ist bewundernswert. Wie
sehr man den Mangel dieser Kriegertugend vorachtet, zeigt ein altes,
noch unter Danilo 1855 erneutes Gesetz: „Wer sich irgendwie feige
erweist, darf nie mehr Waffen tragen, mufs eine Weiberschürze um-
binden und wird von Weibern aus dem Lande gejagt." Niemand
erinnert sich, dafs diese Mafsregel je notwendig gewesen. Die Bei-
spiele aufsergewöhnlicher Tapferkeit leben im Liede fort, ihre Anzahl
ist unermefslich. Im Jahre 1853 verteidigten 22 Helden das kleine
Bergkloster Ostrog gegen 10 000 Türken i) Tage lang, bis dann Ersatz
herankam und die Türken vertrieb.
Ich habe mir öfters die Frage vorgelegt, waruin sind die Monte-
negriner so gute Soldaten? Wie alle Bergvölker hängen sie mit
unendlicher Liebe an ihren rauhen Bergen. Verlieren sie diese Heimat,
so haben sie keine andere mehr zu erhoffen und fallen der Vernichtung
anheim. Eine glorreiche Geschichte, durch Lieder verherrlicht und
Allen bekannt, erfüllt die Phantasie der Knaben und begeistert die
Jünglinge und Männer; Jeder möchte es den besungenen Helden
gleich thun. Meist nur die Heimat verteidigend, kennen sie die Wege
und Stege, die unzugänglichen Berge und Schluchten, beinahe jeden
Stein und Fels. Dabei sind sie gute Schützen, unerreichte Fufsgänger
und Bergsteiger, an die höchste Bedürfnifslosigkeit gewöhnt und durch
kein Gepäck beschwert. Angst und Feigheit existiren nicht; im
Kriege des Jahres 1802 sollen 2 Mann zurückgeblieben sein.
Ich kann es mir nicht versagen, aus der reichen Kriegsgeschichte
ein Beispiel herauszugreifen, die Otägige Schlacht am Bergo
Ostrog im Jahre 1877, ein durch die Eigenartigkeit und die er-
reichten Resultate einzig dastehendes Ereignifs. Meine Hauptquelle
ist Spiridion Gopcevic*), ein im Auslande lebender litterarisch frucht-
barer Montenegriner, der angeblich auch die türkischen Quellen ein-
gehend benutzt hat. Er läfst in der That beiden Parteien Gerechtigkeit
widerfahren. Unangenehm fällt ein scharfer Sarkasmus auf, dem er
gegen einige montenegrinische Heerführer die Zügel läfst, und der in
einer bedauernswerten Spottsucht gegen den Fürsten Nikola gipfelt.
Irgend eine erlittene Zurücksetzung läfst sich dutzend Male zwischen
den Zeilen lesen.
Montenegro war vor dem Berliner Vertrage im Norden und
Süden durch die weit vorgeschobenen türkischen Festungen Niksic
und Spuc buchstäblich eingeschnürt und jeder freien Bewegung be-
*) Spiridion Gopcevic, der turko-montenegrinische Feldzug 1876—1878.
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivorije.
27
raubt. Die beiden Festungen liegen etwa 35 Kilometer auseinander.
Eine Stunde südlich von Xiksic versperrt ein wilder Bergkolofs, der
Ostrog, den Weitermarsch. Man ist gezwungen, einen sich an den
Ostrog anschliefsendon Felsrücken, die Planinica, zu erklimmen, um
das jenseits gelegene Thal der Zeta zu erreichen. Auch dieser Flufs,
der ebenfalls von Niksic kommt, kann diesen Felsriegel nicht durch-
brechen und sucht sich, wie es im Karstgebirge häufig ist, unter-
irdisch den Weg, um jenseits wieder zum Vorschein zu kommen.
Rechts und links begleiten dann den Flufs steile zerrissene Fclsberge ;
erst bei Danilograd erweitert sich das Thal, um dann die kleine Ebene
von Spuc zu bilden.
Sulejman Pascha, ein kühner, rücksichtsloser Führer, der im
nächsten Jahre den Schipka-Pafs gegen die Russen verteidigte, brach
am 17. Juni 1877 von Niksic auf, um gegen Süden in das Herz
Montenegros vorzudringen. Er hatte eines der besten Heere, welche
die Pforte je gegen Montenegro geschickt hatte, zum Teile Gardo-
regimenter; 25000 Mann Infanterie, 30 Geschütze und 5000 mit Proviant
und Munition beladene Pferde. Ein zweites Heer, 21 000 Mann stark
mit 36 Kanonen, welches Ali Saib Pascha bei Spuc konzentrirt hatte,
sollte ihm entgegenziehen. Ein drittes Heer von 19 000 Mann und
24 Geschützen unter Mehamed Ali Pascha hatte den Auftrag, von
Osten heranzurücken und die Unternehmung zu unterstützen. Diese
3 Heere mit zusammen G5 000 Mann und 96 Geschützen wollten in der
Zeta-Ebene nördlich Danilograd zusammenstofsen und dann gemeinsam
gegen Cetinje marschiren. Ein Mifslingen schien ausgeschlossen. Die
Montenegriner waren mit Zuziehung der Hilfstruppen aus Herzegowina
und Kuciland 25 800 Mann stark. Die Nordarmee unter Sulejman-
Pascha dringt kühn vorwärts und gewinnt die Höhen der Planinica.
An den nächsten Tagen werden auch die Ostrogdefileen überwunden,
freilich mit unsäglichen Schwierigkeiten; indem je 6000 Mann zu
beiden Seiten des Zeta-Thales die Höhen erklimmen und dann auf
den steil abfallenden, überaus zerklüfteten Felsketten den Vormarsch
zu erzwingen suchen. Namentlich setzt es auf der linken Flanke,
auf dem Ostrog-Berge, wohin Sulejman schliefslich 10000 Mann beordert
hatte, die heftigsten Kämpfe mit wechselndem Ausgange. Das kleine
Felsenklostor mit dem Leibe des hl. Basilius war diesmal unbesetzt
und geriet in türkische Hände. Das stattliche Kloster Pod- Ostrog
ging in Flammen auf. Es ist wieder glänzender aus den Trümmern
erstanden und hat mir gastfreundlichste Aufnahme gewährt. Diese
ersten 4 Tage hatten den Türken 7000 Mann, beinahe den 3. Teil,
gekostet. Sulejman hatte aber jetzt das schwierigste Gelände hinter
sich, auch war es ihm gelungen, die montenegrinische Armee in zwei
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
Teile zu spalten. Trotzdem kam eine ganz unerwartete Wendung.
Plötzlich tauchten Montenogriner im Rücken auf und nahmen und
besetzten den Planinica- Rücken; damit war die Verbindung mit Niksic
abgeschnitten. Montenegriner zeigten sich ferner in der rechten und
linken Flanke. Sulejman erkannte das Bedenkliche der Situation und
wollte um jeden Preis die Verbindung mit Niksic wiederherstellen.
Am 5. Tage kämpfte er nach beiden Seiten, nach Süden und Norden
und liefs mehrmals die Planinica stürmen, im Handgemenge sind aber
die Montenegriner immer überlegen. Von vier Seiten eingeschlossen,
ahnte Sulejman eine Katastrophe. Gerne hätte er nun, auf den
Siegespreis verzichtend, die Rückwärtsbewegung eingeleitet, hatte er
doch in 5 Tagen ohnedies nur 3 Wegstunden zurückgelegt. Ebensoweit
war noch nach Spuc. Der Kriegsrat der Montenegriner beschlofs aber,
Sulejman für keinen Fall entschlüpfen zu lassen, im Gegenteile die
Türken zum langsamen Durchzug durch das verlassene Montenegro
zu zwingen. Aber nicht den guten Thalweg längst der Zeta sollten
sie einschlagen dürfen, man wollte sie nötigen, bei der abnormen
Sommerhitze über die unwegsamsten Höhen zu steigen. Von allen
Seiten umschwärmt, wollte man sie lange in den Felsenpässen halten,
um sie ohne grofso eigene Verluste möglichst aufzureiben. Das war
ein seltsamer Kriegsplan und erinnert etwas an die Taktik der Russen
im Jahre 1812, welche vor und hinter Napoleon das eigene Land zur
Wüste machten. Da Sulejman auch am C». Tage den Rückweg ver-
sperrt fand, beschlofs er den Durchbruch südwärts nach Albanien.
Beide Teile vermieden aber an diesem Tage wegen Erschöpfung einen
ernstlichen Kampf. Dagegen dauerte am 7. Tage die Schlacht wieder
von früh bis abend, man liefs jedoch die Türken nur 3 Kilometer
weit vorrücken. Von den vier türkischen Brigaden des Sulejman
suchte eine den Vormarsch zu erzwingen, eine deckte die Flanken,
eine dritte die in die Mitte verbrachten Verwundeten und Trains, und
die vierte den Rücken. Es war ein gräßlicher Tag und die Hitze
unerträglich, 58° R. in der Sonne, wie berichtet wird; dazu gab es kein
Wasser auf den glühenden Kalkschrofen, die Pferde stürzten vor Durst
und Erschöpfung. Da Sulejman die auf dem Ostrog verwundet ge-
fangenen Montenegriner hatte in Stücke hauen lassen, fürchtete er
Gleiches und schleppte 5500 Verwundete mit sich. Am 8. Tage kam
es bei Danilograd sogar zur offenen Feldschlacht, in der die Monte-
negriner wieder Sieger blieben. Die Türken warfen sich jetzt gegen
die nahe albanesische Grenze, wo sie V/ 2 Stunden von Spuc endlich
auf die türkische Südarmee stiefsen, die unbegreif lieherweise nicht
rechtzeitig zum Stelldichein gekommen war. Aber nun war ja Alles
gut. Da erfuhr Sulejman zu seinem Entsetzen, dafs die Südarmee
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Novibazar, iu Montenegro und in der Krivosije.
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des Ali Saib Pascha, ebenfalls völlig erschöpft, auf die Hilfe der Nord-
armee gerechnet hatte. Die Südarmec war nämlich in drei Schlachten
unterlegen und zur Hälfte aufgerieben. Am 9. Tage zogen sich beide
Heere, auf 3 Seiten verfolgt, in den Schutz der Festungsseschütze von
Spuc zurück, am 10. Tage aber suchten sie das Weite und marschirten
gegen Podgorica in Albanien. Der Ostarmee war es gar nicht möglich
geworden, zu erscheinen, sie hatte in einer Schlacht und drei Ge-
fechten 6500 Mann verloren.
Die Verluste der Türken in diesen 9 Gefeehtstagen waren ent-
setzlich. Man fand im Ostrog-Gebirge viele Löcher, Höhlen und Ver-
tiefungen mit Toten angefüllt. Die Luft war durch die vielen toten
Menschen und Pferde bei der herrschenden grofsen Hitze bis hinauf
zu den Berghöhen verpestet und ungesund geworden. Man fand Tote
ohne Wunden, die also offenbar der ungewöhnlichen Hitze, dem Hunger
und der Erschöpfung erlogen sind. Die Montenegriner bestatteten
allein an 7000 gefallene Türken. Von den Ihrigen fanden sie viele
ohne Kopf, manche ohne Nasen und Ohren, ein Beweis, dafs in dem
Racenhafs die vererbten Greuel noch nicht ganz ausgerottet sind.
Die türkische Nordarmee hatte einen Verlust von 500 Offizieren und
15 000 Mann (an Toten und Verwundeten); nur 9000 waren heil
entkommen. Die Montenegriner zählten 600 Tote und 1750 Verwundete
bei der 1 3 600 Mann starken Nordarmee.
In der Schlacht bei Danilograd war den Montenegrinern auch
die grof9e türkische Kriegskasse in die Hände gefallen. Mit begreiflicher
Ungeduld öffnete man die Kiste und fand sie bis oben mit Papier-
geld angefüllt. Als man die Scheine näher besichtigte, waren es nur
Zettel, auf denen verzeichnet war, seit wieviel Monaten jedem türkischen
Soldaten der Sold nicht ausbezahlt worden. Das war eine grausame
Enttäuschung für die armen Montenegriner. Aufser dieser fatalen
Kriegskasse hatten die Montenegriner aber noch 3 Kanonen, 7 Fahnen,
G000 Flinten, 6000 Pistolen, 4000 Yatagans und eine grofse Menge
Munition und Proviant erbeutet.
Während des Krieges 1876—78 sind die Türken in 12 Schlachten
und in 60 gröfseren und kleineren Gefechten unterlegen, nur in drei
Gefechten mufsten die Montenegriner vor der Übermacht zurück-
weichen. Der Krieg kostete den Türken 105 000 Mann an Toten,
Verwundeten und Gefangenen, aufserdem weitere 50 000 Mann von
an Krankheit Gestorbenen, Vermifsten und Desertirten; ferner ver-
loren sie an 8000 Pferde und Maultiere, 176 Geschütze, 4 Kriegs-
schiffe, 168 Fahnen und enorme Vorräte an Munition und Proviant.
Diese entsetzlichen Verluste standen wohl in keinem Verhältnisse zu
den Gebietsstrichen, welche die Pforte von Montenegro erstreiten
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MUitär-touristfeche Wahrnehmungen im Sandschak
wollte. Die Montenegriner bezahlten ihre Erfolge und Trophäen nüt
dem Verluste von 9500 Mann, von denen jedoch die Hälfte wieder
hergestellt worden konnte. —
Wer wollte es den Montenegrinern verargen, wenn sie auf solche
Erfolge stolz sind und, die Arbeit gerne Anderen überlassend, den
Kriegerstolz offen zur Schau tragen; sie betracbten den Kampf als
des Mannes schönstes und einzig würdiges Ziel.
Es seien noch folgende Bemerkungen gestattet: Früher wurde
zwischen Montenegrinern und Türken nie ein förmlicher Friede ge-
schlossen, sondern es herrschte 400 Jahre lang ein ununterbrochener
Krieg, welcher sich oft Jahrzehnte lang auf die gegenseitigen kleineren
Raubzüge, die auf eigene Faust geführt wurden, beschränkte, bis endlich
wieder die Türken mit gröfseren Heeresmassen heranzogen. Dann
entstand ein Feldzug, in welchem die Türken regelmäfsig Niederlagen
erlitten.
In keinem Lande vollzieht sich die Mobilmachung so einfach,
wie in Montenegro. Trifft vom nächsten Telegraphenamte ein reitender
Bote mit dem diesbezüglichen Befehle ein, so sammelt der Desecar
seine 10 Mann, um auf den Sammelplatz der Kompagnie zu marschiren.
Vorbereitungen hat der Montenegriner nicht zu treffen. Er geht in
sein Haus, nimmt das Gewehr von der Wand, steckt den Handschar
und Patronen in den Gürtel, einige Dutzend Zwiebel und Kartoffel
nebst einigen Laiben Brot in die Torba (Brotsack), küfst Weib und
Kind und macht sich so etwa eine Stunde, nachdem der Befohl ein-
getroffen ist, auf den Weg. Hat er Vieh, so wird dieses von seinem
Weibe oder seiner Schwester mitgetrieben. Die Weiber sorgen beinahe
ausschliefslich für die Heeresbedürfnisse, für die Verwundeten und
den Munitionsersatz. Im letzten Kriege bestand der Trofs aus etwa
8000 meist von Weibern geführten Tragtieren und Pferden. Dazu
kamen Heerden mitgetriebenen Scldachtviehes. Der Trofs war oft
sehr störend, da er sich noch ohne jede Organisation befand. Zwei
Mann jeder Kompagnie trugen die Verwundeten aus dem Schufs-
bereiche, dann nahmen die Weiber die Verwundeten in Empfang.
W f em es die Mittel erlauben, verpflegt sich auch im Kriege selbst,
nur die Annen erhalten Staatsrationen. Wie erwähnt, wird nur an
Offiziere geringer Sold bezahlt. So orhalten ein Brigadier jährlich
400 fl., ein Kommandir 40 fl. und ein Subalternoffizier 12 fl.
Die Montenegriner sind unglaublich abgehärtet. Der einzige in
Montenegro befindliche Arzt — der Leibarzt des Fürsten — hat
beinahe nie etwas zu thun. Bei der Rückwärtsbewegung von Navesinje
1876 blieb während eines ununterbrochenen Marsches von 14 Stundon
über Stock und Stein, in der glühendsten Sonnenhitze und ohne
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Speise und Trank von der ganzen 10 000 Mann starken Armee nicht
ein Einziger liegen.
Wenn sich auch die montenegrinische Kampfweise den modernen
Anforderungen angepafst hat, so haben die Montenegriner doch mit
Recht viel von ihrer erprobten Taktik beibehalten. Die Kommandanten
geben in der Schlacht nur die allgemeinen Dispositionen, z. B. ob
diese oder jene Stellung zu besetzen und zu behaupten sei, wohin
man marschiren, ob man angreifen oder den Angriff" des Feindes
abwarten soll. Das „Wie" überläfst der Kommandant dem Belieben
seiner Leute. Er weifs, dafs der natürliche Instinkt seiner Montenegriner
für den Gebirgskrieg entwickelt genug sei, um erwarten zu können,
Jeder werde das Zweckentsprechende ausführen. Auch die Subaltern-
offiziere geben zur Ausführung in der Regel keine weiteren Befehle,
sondern trachten vor allen Dingen darnach, der Kompagnie ein
leuchtendes Vorbild an Tapferkeit zu sein.
Im ersten Teile des Krieges 1K7G/78 war beinahe keine Artillerie
in Verwendung; sie war in schlechtem Zustaude. Man hatte gezogene
Gebirgsgeschütze, konnte sie aber nicht recht bedienen und verwerten.
Artillerie pafste nicht recht in die gewohnte Taktik. Im Verlaufe
des Krieges kam eine Anzahl guter Hinterladergeschütze (meist
Krupp'sche) in die Hände der Montenegriner. Ein russischer Oberst
Filipenko traf ein, um die montenegrinische Artillerie zu organisiren
und Instruktion zu erteilen. Während der Otägigen Schlacht am
Ostrog-Berge leistete die Artillerie schon sehr gute Dienste. In der
Folge gelang es, eine Reihe von Forts, von befestigten Punkten, und
sogar mehrere Festungen zu belagern, zu beschiefsen und wegzunehmen.
So gelang es, vor Niksic in 4 Tagen 6 Forts zur Übergabe zu zwingen.
Da sich aber die leichten Geschütze gegen die Stadt selber nicht
recht ausreichend erwiesen, erbat sich Fürst Nikolaus vom Zaren
einige Belagerungsgeschütze. Diese langten mit griechischen Schiffen
vor Castellasta, dem südlichsten Küstenorte Dalmatiens, an und wurden
dann in aller Stille ausgeschifft, mit unendlicher Mühe vermittelst
Stangen über die Berge getragen und bis Niksic geschafft. Nach
10 Wochen mufste sich die unter Skender Beg recht tapfer verteidigte
Festung bedingungslos ergeben. Antivari mit gewaltigen Bollwerken,
die noch von den Venetianern stammen, ergab sich ebenfalls nach
2 Monaten; die ganze Stadt war buchstäblich in Trümmer geschossen;
heute noch ist sie ein eigentümliches Ruinenfeld, wie mich der Augen-
schein lehrte. Während der Belagerung mufste man sich auch noch
6, später 10 türkische Kriegschiffe, die an der Meeresküste auftauchten,
durch erfolgreiche Beschiefsung vom Leibe halten.
Der Feldgottesdienst wird durch die Popen gehalten, welche
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandschak
sonst gleich den Andern in Reih und Glied kämpfen und bisweilen
Offiziersstellen bekleiden. Zum Gottesdienst legen sie die Waffen ab
und ziehen über die gewöhnliche Kriegerkleidung die kirchlichen
Gewänder. Ein Pope soll aber kein Blut vorgiefsen, tbut er es
dennoch, so kann er nicht mehr Messe lesen; darum haben sie in
früheren Jahren die Feinde mit Knütteln erschlagen. Der frühere
Kriegsminister Plamenac war ehedem Pope.
Die Einkünfte des Landes sind gering, vielleicht 500 000 M.;
dazu kommen aber einige Subventionen, über deren gegenwärtigen
Umfang ich nichts Verlässiges in Erfahrung bringen konnte. Rulsland
schickt seit vielen Jahren „zur Unterstützung der Kirchen und
Schulen" jährlich 40 000 Rubel. Napoleon III. zahlte bis zu seinem
Sturze „zur Unterstützung der Zivilisationsbestrebungen" jährlich 50 000
Francs. Österreich war seit 18GG zur Zahlung von 20 000 fl. verpflichtet.
In dem Kriegsjahre 18GG hatte nähmlich Österreich Grund zur
Befürchtung, Italien werde in Dalmatien landen und die Bocche de
Cattaro wegnehmen. In einem Vertrage versprach Montenegro, jede
italienische Landung in der Bocche mit Waffengewalt verhindern zu
wollen. In der That nahm dann die italienische Flotte die Richtung
nach Lissa.
Wenn wir von Montenegro scheiden, blicken wir mit Wohlgefallen
auf das kleine tapfere Völklein von 250 000 Köpfen, wünschen ihm
alles Gute für die Zukunft und rufen ihm ein herzliches Zivio
Crnagora! zu.
In der Krivosije.
Von den Bergwällen, welche die Westgrenze bilden, namentlich
aber vom heiligen Lovcen, dem Wahrzeichen Montenegros, das sich
der Dichterfürst Petar als letzte Ruhostätte ausgewählt, schauen die
Montenegriner sehnsuchtsvoll hinunter zur dunkelblauen Bocche
de Cattaro, jenem eigenartigen Meeresarmc, der sich einem viel-
teiligen Gebirgssee gleich in das Herz der Berge hineinzieht. Auf
den öden Felsen stehend schauen sie das seit Jahrhunderten erstrebte
Meor und jene Idealbucht, die von oben ein wunderbares Bild bietet,
wie ein in der Sonne glänzender Smaragd. Wie oft mag bei solchem
Anblicke ihr Herz geklopft haben. Zu wiederholten Malen sind sie
in Kriegszeiten über den begehrenswerten Landstrich hergefallen und
haben ihn mit den Waffen zu dem ihrigen gemacht; jedoch der Be-
schlufs der Grofsmächte zwang sie immer wieder, darauf Verzicht zu
leisten, wie nach dem Pariser Frieden 1814. Es hiefse auch Österreich
einen Fufs amputiren, sollte es die Bocche verlieren. Nie und nimmer
wird den Montenegrinern diese unschätzbare Meerbucht zugesprochen
werden.
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Im Norden der Bocche, begrenzt im Osten von Montenegro, im
Westen von dem hier nur 3 Kilometer breiten Dalmatien (richtiger
von dem ganz schmalen Streifen der Sutorina), liegt ein wildes Land,
von allen Karstlandschaften wohl das rauheste, die Krivosije. Es
ist ein überaus unwegsames I«md, Holz und Wasser fehlen beinahe
überall und finden sich nur an wenigen geschützten Stellen. Und
doch hat auch dieses Land seine Bevölkerung, 3700 Seelen sagt man,
rauh wie das Land und unbotmäfsig. Diese Bewohner haben sich
von jeher durch rohe Sitten, ungebändigten Sinn, durch Blutfehde
und Raubzüge hervorgethan. Als Österreich im Jahre 1869 die Aus-
hebung anordnete, widersetzten sich die Krivosianer. Man griff zu
den Waffen, scheute sich aber mit Rücksicht auf die erforderlichen
grofsen Opfer an Geld und Menschen, die Unterwerfung durchzusetzen
und begnügte sich mit einem Kompromisse. 1881 erregte der Ver-
such, die Bewohner zum Landwehrdienste heranzuziehen, einen neuen
Aufstand. Diesmal glaubte man es der Würde des Staates schuldig
zu sein, die Handvoll Leute zu Paaren zu treiben. Es wurde eine
verhältnifsmäfsig grofse Truppenmacht aufgeboten, der auch die völlige
Unterdrückung des Aufstandes gelang. Man hatte aber die Unter-
nehmung gegen den eigenartigen Abschnitt wohl vorbereitet und die
Maßnahmen für Verpflegung und Ausrüstung so umsichtig getroffen, dafs
die Verluste an Menschenleben nur gering wurden. Die Strapazen,
welche die Truppen zu ertragen hatten, waren außerordentlich. Viele
der Aufständischen wurden versprengt, und da sie flüchtig gingen
und sich nicht unterwarfen, in contumaciam verurteilt, manche zum
Tode. In Montenegro geht es ihnen oft nicht zum besten, mancher
kehrt verstohlen heim, verfällt aber dem strengen Gesetze. Um den
Besitz dieser wüden Krivosije zu sichern, hat Osterreich mustergiltige
Saumwege und Hochstraßen hergestellt, welche ohne beschwerliche
Steigung zu den Höhen hinaufführen und dann über das gleichsam
im wildesten Stucme erstarrte steinerne Meer hinweggehen.
Cattaro am Ende der Bocche gelegen, ist ein winkeliger Ort mit
mancherlei altertümlichen Gebäuden aus besseren Tagen. Ich fand
im Kameradenkreise die liebenswürdigste Aufnahme und mancherlei
Belehrung. Cattaro ist die Basis für die Besetzung der Krivosije.
Im Osten steigen entsetzliche Felswände beinaho senkrecht empor.
Droben liegt Montenegro. Österreich hat eine Kunststrafso ersten
Ranges gebaut, welche in unzähligen Windungen emporführt. Keinem
Montenegriner würde es einfallen, diesen bequemen, aber natürlich
weiteren Weg zu gehen; ohne Ausnahme wählen sie, die Weiber oft
mit schweren Lasten auf dem Rücken, aber dabei strickend, spinnend
und schäkernd, den alten Weg, der nicht mehr im Stande gehalten
J.hibUcher nir die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 1. 3
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Militar-touristiBche Wahrnehmungen im Sandschak
wird. Nicht mit Geröll, sondern mit grofsen Steinen übersät und
dabei stellenweise sehr steil wird er jedem Nicht-Montenegriner zur
Qual. Auch ich habe vom Lovcenberge nach Cattaro absteigend, von
einem Montenegriner beraten, den alten Weg genommen, bin aber
auf meinen zahlreichen Hochtouren nie einen ahnlich beschwerlichen
und lästig fallenden Weg gegangen. Indem er aber für die zahlreich
zum Markte nach Cattaro kommenden und davon heimkehrenden
Montenegriner keinerlei Schwierigkeit bietet, war mir die Tour eine
Belehrung, indem sie neuerdings die Leistungsfähigkeit der Bewohner
im Marschiren und Bergsteigen auf schlechten Wegen vor Augen führte.
Um die Krivosije aufzusuchen, fuhr ich mit einem Kanaldampfer
nach Risano, einem gröfsereu Orte an einer nördlichen Einbuchtung.
Unterwegs sprechen viele verlassene Prachtbauten und grofse Kirchen
ohne Dächer von der früheren Bedeutung des Landstriches. Auf der
Bocche verkehrt zu Garnisonszwecken auch ein eigener Militär-Propeller.
In Risano mietete ich ein Pferd. Die österreichischen Offiziere, die
von hier aus öfters in die Krivosije hinaufreiten , haben, um das
lästige Aushandeln zu sparen, einen Kontrakt mit einem Ortseinwohner
abgeschlossen, der ihnen zu festgestellten Preisen Pferde vermittelt.
Ich hatte eine angenehme Begleitung, indem ein Oberarzt, den ich
schon in Cattaro kennen gelernt hatte, den gleichen Weg verfolgte.
Risano ist Garnison und enthält die Staramabteilungen für die in
Krivosije nötigen Detachirungen. Ich lernte z. B. einen Artillerie-
hauptmann kennen, der die ganze Batterie ausgegeben hatte. Seine
Chargen und Mannschaften waren in den verschiedenen Objekten ver-
teilt. Alle 8 oder 14 Tage hat er Gelegenheit, bei seinen detachirten
Abteilungen nachzusehen. Bei den zahlreichen, befestigten Anlagen
ist die Genie-Objekts-Direktion in Risano ein mit Arbeit reich be-
dachter Posten. In allen diesen Orten entfalten auch die Intendantur-
bcamten ihre reiche Thätigkeit, da die Verpflegung in den exponirten
Punkten nicht so geordnet und regelmäfsig sein kann, wie im Mutter-
lande und vielfach von den Marktzufuhren und Gelegenheitskäufen
abhängt. Ich machte auch die Bekanntschaft eines tüchtigen und
liebenswürdigen Hauptmanns, den ich falschlich der Intendantur zu-
teilte. Er besafs nämlich nur einen Arm, war aber aktiv und hatte
den Arm im Duell verloren. Ein Major desselben Bataillons soll
ebenfalls nur einen Arm haben, verlor aber den anderen im Kriege.
Wir sprachen vom Duellwesen und man sagte mir, dafs Säbelduelle
zwischen Kameraden ziemlich häufig vorkämen. Mein Begleiter, der
Arzt, erklärte sich für einen friedfertigen Menschen und hatte doch
schon sechs Säbelaffairen hinter sich. Ich erwähne diesen Punkt,
weil bei uns Duelle zwischen Kameraden selten sind. In diesen
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Garnisonstädten sind die Kasernenlokalitäten ziemlich dürftig. Vielfach
ist die Militär- Verwaltung angewiesen, passende Gebäulichkeiten zu
mieten. Offizierskasinos und Marodehäuser sind in der Regel ge-
mietet. Bei Ermangelung jeglicher Unterkunft liefs mir der gefällige
Garnisonsarzt von Risano im Marodehaus ein Militärbett aufschlagen.
Grofs ist allenthalben die Anzahl jener blutsaugenden Tierchen, die
dem noch nicht daran gewöhnten Fremdling die ganze Nachtruhe be-
nehmen können. Auch Skorpionen sind in der Krivosije nicht selten.
Ein Kamerad erzählte, dafs er in seinem Bette schon drei Stücke
vorgefunden habe, doch sei noch Niemand gestochen worden. Auch
die recht giftige ITornviper kommt zahlreich vor.
Hat man auf den Serpentinwegen spielend die Höhen erreicht,
so liegen die Karstfelder vor den Augen des Beobachters. Von dem
Grade der Gesteinszerklüftung kann nur der Augenschein eine richtige
Vorstellung geben. Überall zeigt sich ein Gewirr von kleinen und
grofsen Felsblöcken, unten verwachsend, oben auseinanderstehend,
alle zerzackt und zerrissen, — wohl ein mühsames Feld für militärische
Operationen.
Die Grenzlinie Cattaro — Dragalj — letzteres in der Nordostecke
der Krivosije — ist 25 Kilometer lang, Risano— Dragalj beträgt die
Hälfte. Zur Sicherung dieser Linie sind 16 Objekte: Forts, Defensiv-
kasernen und kleinere befestigte Posten erbaut und durch gute Wege
mit einander verbunden. Treffliehe Hochstrafsen, Musterbeispiele
menschlicher Kunstfertigkeit und unermüdlichen Fleifses, führen durch
die steinigen Einsenkungen, an den zerrissenen Felshängen hin und
über die mauergleich aufgetürmten Bergrücken hinweg, dafs die
Wanderung zum Spaziergange wird. Das sind insbesondere die Wege
1. von Risano über Crkvice in das Hochfeld von Dragalj, 2. von
Risano über Ledenice nach Dragalj, 3. der prächtige Weg von Crkvice
um das Haupt des Veli-vrh (vrh=Berg) herum zum Barackenlager
von Grkovac, — durchweg in 1000 m Sechöhe. Diese Arbeiten, von
Pionieren ausgeführt, haben viel Geld und Mühe gekostet. Als Bei-
spiel diene : An der zuletzt genannten Strafse — sie ist auf der Karte
nicht eingezeichnet — las ich auf einer von den Pionieren an-
gebrachten Tafel, dafs zur Ausführung einer bezeichneten Wegstrecke
20 000 Bohrschüsse, 1350 Kilo Dynamit, 400 Kilo Pulver und
117 Kilometer Zündschnur notwendig gewesen waren (1887). „Und
wie lang ist diese Strecke?" fragte ich, ,,„Etwa zwei Kilometer"".
Von den meisten Objekten tragen die Geschütze weit hinein in
montenegrinisches Gebiet. Immer wieder mufste ich fragen: „Ist ein
solcher Aufwand dem kleinen Montenegro gegenüber notwendig ?"
„„Ja, Montenegro ist eine russische Enklave."" Im Falle eines
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Militär-touristische Wahrnehmungen im Sandsckak
gröfseren Konfliktes zwischen Österreich und Rufsland kann hier
Montenegro unendlichen Schaden thun. Cattaro z. B. liegt beinahe
wehrlos am Fufso der steilen Lo\cen-Berge und kann beinahe schon
durch losgelassene Felstrümmer vernichtet werden. Die Wegnahme
der Bocche wäre für die herabstürmenden Montenegriner eine Kleinig-
keit. Würde die Zufahrt in diesen Idealhafen, der vielleicht sämmt-
liche Kriegsschiffe der Welt aufnehmen könnte, für die russische
Kriegsmarine frei, könnten die Folgen unabsehbar werden. Österreich-
Ungarn hat sich die Frage wohl überlegt und ist zu dem Entschlüsse
gelangt, hier kein Opfer an Geld und Mühen zu scheuen.
Der Zugang in die Objekte und Kasernen, letztere sind zur Ver-
teidigung eingerichtet, kann natürlich Fremden nicht gestattet werden.
Das Zusammenleben der wenigen Offiziere daselbst ist kameradschaft-
lich, beinahe familiär, aber auch reich an Entsagung. Es hat viele
Ähnlichkeit mit dem Dasein von Mönchen, welche lern der Welt in
strenger Abgeschiedenheit leben. Spärlich gelangen Nachrichten in
die Fansamkeit, die Post kommt in der Regel nur einmal in der
Woche. Wenige Bücher, nur allmählig sich mehrend, helfen über
die langen Abende hinweg. Auch der Dienst bringt nicht immer die
nötige Abwechselung, da die abexerzirten Mannschaften meist ständig
im Patrouillendienste unterwegs sind. In dieser ständigen felddicnst-
mäfsigen Verwendung sehe ich einen grofsen Gewinn für die Aus-
bildung. Der Soldat lernt die ganze Nachbarschaft des Geländes, in
welchem er mutmafslieh zu fechten hat, auf das genaueste kennen,
er eignet sich zum Teile die für solches Bergland unschätzbaren
Eigenschaften der Eingeborenen (Zusehen nennen sie die Österreicher)
an, er wird gewandt und findig, sogar ausdauernd, und die Höhen-
unterschiede schätzt er schliefslich gering. Häufig bitten Soldaten,
erzählten die Offiziere, auf einige Stunden einen „Sprung" nach Risano
oder Cattaro machen zu dürfen. Die Mannschaften sind nicht ungern
in diesen abgelegenen Winkeln der Monarchie. Der eigenartige
Militärdienst, der durch die mannigfachen Arbeiten, die den Truppen
obliegen, oft recht abwechselungsreich wird, sagtJVielen mehr zu, als
das gleichmäfsige, anstrengende Gamisonsleben. Die Zulage ist nicht
unbeträchtlich, auch wird täglich Abendsuppe gereicht. Die Soldaten
machen einen wohlgenährten Eindruck. Die Abteilungen in diesen
Teilen der Monarchie müssen sich im feldmarschmäfsigen Zustande
erhalten, das ist der Grund, warum die Offiziersfrauen, selbst wenn
sie heroisch den Gatten in diese Unwirtlichkeit folgen wollten, nicht
folgen können. Dafs alle 3 Jahre Garnisonswechsel stattfindet, wurde
an anderer Stelle schon erwähnt. Bei dem völligen Mangel an Privat-
verkehr mufs natürlich auch Verzicht geleistet werden auf den Uui-
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
37
gang mit besseren Familien. Lebensgefährtinnen finden sich wohl
auch nicht. Würde Gott Amor dennoch das Unwahrscheinliche er-
möglichen, bestände die Kaution jedenfalls in Ölbäumen, die in guten
Jahren nicht selten 10 fl. pro Baum Erträgnifs liefern.
Von Crkovice aus machte ich mit Kameraden einen längeren
Spaziergang auf dem Wege, welcher um den Veli-vrh herum zur
Hochstrafse führt. Wir traten in manche Karsthöhle, deren Eingang
wohl nur durch Zufall entdeckt wurde und nur dem Kundigen sichtbar
ist. Innen bieten diese Höhlen oft einen hohen, durch Spalten er-
hellten und wohlverborgcnen Raum, der Hunderte aufnehmen kann.
Jedenfalls kennen die Landesbewohner und die tagelang herum-
streifenden Hirten noch eine Anzahl weiterer Höhlen, welche den
Soldaten unbekannt sind. Es liegt auf der Hand, wie solche unsicht-
bare Verstecke eine Insurrektion begünstigen. Die Begleiter führten
mich auch zu anderen unterirdischen Hohlräumen, die unzugänglich
sind. Das späte Auffallen der hinabgeworfenen Steine liefs auf be-
deutende Tiefe schliefsen. So lehrt überall der Augenschein, dafs
der Karstboden auch nach abwärts zerrissen und zerwühlt ist und
grofse und kleinere Höhlungen enthält.
Manches erzählten mir meine angenehmen Führer von der Un-
wirtlichkeit des Winters. Diese Wege, welche hoch über alle Felsen
hin wegführen, sind dann oft nur mit der äufsersten Anstrengung
passirbar. Wenn die Bora weht, der eisige, überaus heftige Wind
aus Norden, liegt die Gefahr nahe, dafs Reiter an den exponirten
Stellen und Ecken in die Tiefe gefegt werden. Man geht dann zu
Fufs, ja man ist gezwungen, wenn der Weg z. B. an Geldtagen not-
wendig wird, sich hier niederzuwerfen und langsam auf allen Vieren
über die gefährdete Stelle hinwegzukriechen. Es kommt vor, dafs
Patrouillen und ganze Züge, die unterwegs sind, im Schnee stecken
bleiben. Notschüsse machen aufmerksam und Abteilungen, die mit
den nötigen Arbeitsgeräten versehen sind, müssen sie buchstäblich
herausschaufeln und die Halberfrorenen heimschaffen. Im Winter
zeigen sich auch die hungrigen Wölfe in nächster Nähe. Da sie stets
in Rudeln auftreten, werden sie Einzelnen leicht gefährlich. Ver-
gangenen Winter hatte sich in Crkovice eine Jagdgesellschaft eingefunden,
um am nächsten Tage auf die in der Nähe streifenden Wölfe zu
jagen. Nachts kam ein kleiner Rudel von 4 Stücken. Der ein-
geschüchterte Aulsenposten hielt sich still. Die Wölfe übersetzten
die Mauer, was wegen des angewehten Schnees möglich war, durch-
schnupperten den Kasernenhof und kehrten, da sie nichts vorfanden,
auf demselben Wege zurück. Etwa 50 Schritte von der Kaserne
frafsen sie den grofsen Hund eines Fleischers von der Kette weg und
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JliUtär-touriatische Wahrnehmungen im Sandschak
suchten dann das Weite. Jetzt erst machte der Posten Lärm, die
Jäger, welche die Verfolgung aufnahmen, mufsten aber dieselbe wegen
der schwierigen Schneeverhältnisse bald wieder aufgeben. Ein Gendarm
wurde ebenfalls im vergangenen Winter von Wölfen überfallen und
bis auf die Stiefel aufgefressen.
Auch der Sommer bringt in den Karstgegenden einen uns weniger
bekannten Feind, — den Wassermangel. Wenn der Soldat auf langen
mühsamen Märschen den Durst nicht stillen kann, leidet seine Leistungs-
fähigkeit unendlich, und er wird schliefslich unverwendbar. Wenn
der Mann sich tagelang schwerbepackt zwischen den glühenden Steinen
und Felsen fechtend oder marschirend bewegt hat, verlangt er nach
W r nsscr; der mitgeführte Wein wird verschmäht; kann der Durst nicht
mit Wasser gestillt werden, bleiben die Konserven von Vielen un-
berührt. Ich machte eine ähnliche Erfahrung: Bei dem ziemlich an-
strengenden Marsche von Cetinje über den Lovcen nach Cattaro hatte
ich Montenegriner Rotwein bei mir. Dieser derbe Wein war nicht
im Stande meinen Durst zu stillen; er erregte im Gegenteile einen
Ekel, der mir auf Wochen vor jedem Rotwein blieb. Um nun dem
Wassermangel möglichst abzuhelfen, legt man in allen Objekten, bei
allen Ortschaften und wo sich die Lage hierfür günstig erweist,
Cisternen an. Auf grofsen schiefen Ebenen wird das Wasser der
atmosphärischen Niederschläge aufgefangen und in die Reservoirs ge-
leitet. Dort filtrirt es sich krystallhell, bleibt sehr frisch und wohl-
schmeckeud. Es giebt Cisternen mit 600 000 Liter und selbst darüber.
Leider sind die Eingeborenen in der Reinhaltung dieser Wasserräume
nicht sorgfältig genug. Auch die Garnisonen machten unangenehme
Erfahrungen. So sind in mehreren Cisternen W r asserläuse entstanden,
angeblich weil beim Geschützreinigen Fett und andere Bestandteile
in die Reservoirs gekommen sind. Diese Tierchen vermehren sich
unglaublich. Man konnte das Wasser nur filtrirt und mit Widerwillen
trinken. Selbstverständlich war man auf Abhilfe bedacht und schickte
höheren Orts zur Vertilgung der unlieben Wasserbewohner Aale.
Diese verunreinigen nun allerdings solber das Wasser, vertilgen aber
die Milliarden der anderen ungebetenen Gäste. In ein Fort gelangte
eines Tages eine Sendung lebender Aale. Da kein Schreiben beilag,
war man über die seltsamen Ankömmlinge sehr erstaunt. Da auch
die nächsten Tage keine Aufklärung brachten, gab der Kommandant,
ein Unteroffizien, die kräftigen Fische in die Küche, wo sie in den
einfachen Küchenzettel eine angenehme Abwechslung brachten. Am
nächsten Tage lief ein verspätetes Schreiben ein, welches die hoho
Aufgabe der Aale darlegte. Selbstverständlich blieb die Verant-
wortung nicht erspart, aber die Fische waren vergessen. — Das
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Novibasar, in Montenegro und in der Krivosije.
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Fleisch läfst man gerne von Privaten liefern, was grofse Vorteile
bietet. So kostet das Kilo Rindfleisch in der Krivosije nur 35 Kreuzer.
Das ist nur möglich, sagte man mir, wenn der Schlächter geschmuggelte
Waare kauft. Der Schmuggel vom westlichen Montenegro nach Dal-
matien wird allerdings auf eine schwunghafte Weise betrieben, und
von 3000 geschmuggelten Tieren gelangen nur etwa 300 in die Hände
der Grenzer. Selbst, wenn das Letztere stattfindet, bekommen die
Schmuggler den Vorteil meist auf ihre Seite. Wird ein Montenegriner
beispielsweise beim Hammelschmuggel entdeckt, läfst er natürlich seine
Tiere im Stich und sucht hinter den Felsen das Weite. Der Hammel
wird vom Finanzer konfiszirt, heruntergebracht und kommt dann auf
dem Markte zur öffentlichen Versteigerung. Der ehemalige Eigen-
tümer ist aber unter dem steigernden Publikum. Da sich Jedermann
hütet, dem Geschädigten seinen Hammel wegzusteigern , erwirbt ihn
derselbe wieder etwa um 1 fl. Der Zoll hätte 1 fl. 50 Kr. betragen,
somit gewinnt der Montenegriner 50 Kr. Montenegro versieht auch
Malta mit Schlachttieren, ähnlich, wie sich Gibraltar von Tanger aus
verproviantirt. Das Federvieh ist billig; ein Huhn kostet 10 Kr., eine
Ente 20 Kr. Während meines Aufenthaltes auf der Höhe war eine
Depesche eingelaufen: „Diensttelegramm; dringend; 16 Paar Hühnor
sind eingetroffen, das Paar zu 18 Kr. Wie viel wollt Ihr?" Es ist
für den Menagemeister (Offizier) eine wichtige Aufgabe, durch Rührigkeit
und Erfindungsgabe den eintönigen Küchenzettel etwas abwechslungs-
reich zu gestalten. Alle Objekte stehen durch optische Telegraphen
miteinander in Verbindung. Eine oberirdische Leitung hat natürlich
keinen Wert für den Ernstfall. Eine nicht auffindbare unterirdische
Leitung würde ich für unmöglich halten, man sagte mir aber, dafs
im laufenden Jahre eine solche gelegt werden wird. Österreich hat
eine Anzahl Signal-Abteilungen und macht vielfach Gobranch davon.
Auf kleine Entfernungen vermögen die Mannschaften mit 2 Fähnchen
rasch und deutlich zu signalisiren. Von Objekt zu Objekt verständigt
man sich durch „Schubern' 1 . Eine Fensterfüllung kann durch ein
rotes-, und weifses Feld bedeckt werden. Indem man dieselbe rasch
zeigt und wieder verschwinden läfst erhält man bei verschiedener
Aufeinanderfolge ein Alphabet. Auf grofse Entfernungen beobachtet
man hierbei durch Fernrohre, und ist das Ablesen bis auf 10 Kilo-
meter möglich. Deutlicher ist das Schubern bei Nacht, wo das rote
Feld durch ein Licht ersetzt wird. Als ich nachts auf dem Heimwege
begriffen war, sah ich auf allen Höhen auftauchende kürzer oder
länger verbleibende und wieder verschwindende Lichter. Die Auf-
einanderfolge dieser roten, gleichsam zuckenden Lichterscheinungen
war eine verschiedene; es wurde geschubert. Die Telegramme müssen
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Militär- touristische Wahrnehmungen im Sandschak
aber von Objekt zu Objekt gehen. Will man beispielsweise von
Crkovice nach Cattaro telegraphiren, hat die Depesche 7 Stationen zu
durchlaufen und braucht hierzu, wenn es nicht viel Worte sind, etwa
2 Stunden.
Von einzelnen Stellen der Hochstrafse, mehr noch vom Veli-
vrh (1277 m) oder dem Goli-vrh (1311 m) bei Ledenico erschließt
sich ein umfassender Ausblick auf die ganze Krivosijo und weit hinein
nach Montenegro, das wie eine Karte daliegt. Da ist im Nordwesten
der Orjen (1895 m), über den die herzegovinische Grenze hinweggeht,
im Norden das Becken von Dragalj, darüber hinweg das montenegrinische
Becken von Grahovo. Im Norden erkannte ich in der Crnagora
manchen Bekannten, an welchem ich in der letzten Woche vorüber-
gegangen, wie den Vojnik (1989 m) und namentlich den Durmitor
(2525 m), Montenegros höchste Erhebung; auch der ostwärts im Kuci-
lande gelegene Kom (2048 m) ist sichtbar. Am interessantesten
bleibt aber immer die nächste Umgebung wegen der eigenartigen
wilden und zerrissenen Karstformationen. Eine zutreffende Schilderung
ist, wie schon erwähnt, nicht gut möglich.
Ich hatte viel gesehen und gelernt, hoch droben in der unwirtlichen
Krivosije» Die Sonne war schon in der Adria untergetaucht, als ich
mich auf den Heimweg nach Risano machte. Rasch wurde es dunkel,
eine stockfinstere Nacht, die kein Mond erhellte, nur die aufzuckenden
Lichter der Telegraphenleute nahmen die Augen gefangen. Der Weg
zur Not noch sichtbar, verlangte alle Aufmerksamkeit, zumal als die
vielen Serpentinen begannen. Ich war mutterseelenallein in der
schwarzen Wildnifs. Manche Gestalten huschten mit ihren Opanken
geräuschlos an mir vorüber, Zusehen, die mir aber nicht die geringste
Furcht einflöfsten, weil ich wufste, dafs in dem gegenwärtigen
Zustande des Landes jedes feindselige Auftreten völlig ausgeschlossen
ist. Den Abend verbrachte ich im Kasino von Risano.
Sehr interessant ist ein Blick auf die zugehörigen österreichischen
Generalstabskarten: Blatt Cattaro und Blatt Trebinjc— Risano
in 1:75 000. Die Karte verlangt gute Augen; bei schlechter Be-
leuchtung wird sie niebt lesbar sein. Mit aufserordentlichem Fleifse
und grofsem Geschicke ist die Eigenart des Geländes dargestellt.
Bergstriche in Verbindung mit Niveaukurven von 100 zu 100 m
erleichtern das Ablesen der Höhenverhältiüsse. Das aufmerksame
Auge sieht mit Staunen die Verworrenheit und planlose Gestaltung
der Felsformationen. Es ist ein unentwirrbares Chaos, das bedeckt ist
mit Hunderten und Tausenden von kleineren und gröfseren Dolinen.
Wer sich für die Darstellung reinsten Karstcharakters interessirt,
betrachte die Nordwestecke von Blatt Trebinje— Risano (Zone 35,
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Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
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col. 19) und die Südwestecke von Blatt Trnovo (Zone 31, col. 19).
In dem letzt bezeichneten Abschnitte haben die Manöver 1893 eines
Teiles der Okkupationstruppen stattgefunden. Dafs diese Übungen
ungewöhnlich reich an Strapazen waren, glaubt man gerne, wenn
man auch nur oberflächlich die Karte besieht. Da die Wasser-
verhältnisse hier zu Lande einen der wichtigsten Faktoren ausmachen,
müssen sie auf der Karte mit gröfster Genauigkeit vorgetragen werden.
Jede Quelle, jeder Brunnen, jede Cisterne ist dargestellt, gleichzeitig
auch, ob sie mehr oder minder sehr ergiebig ist. Auch die bekannten
Höhlen werden verzeichnet und aufserdem noch vermerkt, wenn sie Wasser
enthalten. Betrachtet man die grofsen Becken der Bocche de Cattaro,
so kann man entnehmen, dafs von Cattaro bis zur Ausfahrt an der
Punta d'Ostro eine Strecke von 30 Kilometer zu durchfahren ist,
durchweg geschlossenes und gesichertes Hafenwasser. Eigentlich sind
es vier aneinandergereihte Seebecken, die von Bergen umgeben sind;
darum ist auch der Vergleich mit dem Vierwaldstädter See nicht
so unzutreffend. Die zahlreich eingezeichneten Wassertiefen nennen
durchschnittlich 20 — 40 m und in den hintersten Winkeln, wie bei
Risano und Cattaro noch 10 m. Nur bei Castelnuovo verflacht die
Bucht, offenbar, weil die Sutorina Schwemmland zuführt. Eino
weitere wichtige Entdeckung machte ich auf der Karte. Ich habe
mich bei meinen Wanderungen durch Montenegro einiger Blätter der
Karte von Mitteleuropa 1 : 300 000 bedient. Besseres war nicht
erhältlich. Sie erwies sich aber in den abgelegenen und noch wenig
begangenen Gebieten Nordmontenegros als ein ziemliches Phantasie-
gebilde. Auf den beiden oben bezeichneten Blättern befindet sich
nun noch ein beträchtliches Stück von Montenegro „entworfen und
gezeichnet im Landesbeschreibungsbureau des k. und k. Generalstabes
1893". Montenegro wird also im Auftrage begangen und bereist.
Ob es sich nur auf die Grenzgebiete bezieht oder auf ganz Montenegro,
konnte ich nicht erfahren. Ich möchte aber das Letztere wünschen.
Das montenegrinische Gelände macht, weil es nicht mit der minutiösen
Genauigkeit wie auf dem österreichischen Gebiete eingezeichnet werden
konnte, einen sehr übersichtlichen Eindruck, ist mit Weglassung der Berg-
striche geschummert und zeigt braune Niveaukurven von 100 zu 100 m.
Auch die mehr oder weniger ergiebigen Quellen, Brunnen und
Cisternen sind mit Zeichen eingetragen. Gestrichelte Linien zeigen
die Saumwege und sind die begangenen oder auf Grund genauer
Daten eingezeichneten stärker ausgezogen. Eine sehr reichliche Anzahl
von Höhenpunkten werden durch die unten beigedruckte Legende als
ziemlich verlässig bezeichnet. Hingegen sind die russischen Trian-
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42 Militär- touristische Wahrnehmungen im Ssndschak
gulirungspunkte, der Karte von Rowinski entnommen, nur mehr
wenig verwertet worden. —
Ich habe während meiner Urlaubsreise, die mich mit den eigen-
tümlichen Verhältnissen in den Garnisonen Südbosniens, der Herze-
govina und der Krivosije vertraut machte, gesehen, mit welcher Hin-
gebung und welchem Fleifse die österreichischen Kameraden in den
meist neu gewonnenen Provinzen ihrem Berufe leben, welche Summe
von Entbehrung und Entsagung, welch erhöhtes Pflichtgefühl dort
notwendig sind, um bei dem harten Tagewerke nicht zu erlahmen.
Ich habe mit Freude empfunden, dafs sie den deutschen Waffenbruder
mit aufrichtiger und herzlicher Kameradschaft wie einen der ihrigen
aufnehmen. Ich hatte das Gefühl, dafs man ihnen durch einen Besuch
wirklich Freude macht, und dafs sie einen Unterschied zwischen
österreichischen und deutschen Kameraden nicht kennen und nicht
zeigen. Ich glaube im Sinne der neugewonnenen Freunde zu handeln,
wenn ich die Aufmerksamkeit meiner deutschen Berufsgenossen auf
jene Provinzen lenke, die eine reiche Kriegsgeschichte besitzen und
dem Besucher so viele seltsame und fremdartige Zustände zeigen, da
die Kultur dort teilweise noch in der Kindheit liegt, und der Orient
stellenweise noch weit überwiegt. Trinksprüche und Abschiedsworte
der Tischältesten gaben immer wieder dem Gefühle Ausdruck, dafs
die Armeen der befreundeten Nachbarstaaten nicht allein durch Ver-
träge verbunden, sondern durch Geschichte, Abstammung und Interesse,
vornehmlich aber durch gleichartige Ziele und Sympatie zusammen-
gehören, im Frieden sowohl, und wenn der Ernst gilt, Schulter an
Schulter, gegen die gemeinsamen Feinde, die den frei gewählten
Freundschaftsbund mit Neid und Mifsgunst scheel betrachten. Gleich-
sam in Erwiderung dieser warm empfundenen Begrülsung, die mir
von unseren Nachbarn zu teil geworden, seien schliefslich die Worte
gestattet, welche mir der Ausdruck des Dankes einmal in den Mund
gelegt: „ Mit grofsem Interesse zogs mich in die Lande, welche
die österreichische Armee mit so unerhörter Anstrengung und so
reichen Opfern, aber auch mit beispielloser Bravour der Monarchie
erworben hat. Ich sah auf meinen Wegen die zerrissenen Felsen,
die zerklüfteten Höhen und unwegsamen Berge, welche sie erstürmt,
die Städte und Ortschaften, damals von muhamedanischen Glaubens-
eiferern besetzt, die sie genommen hat. Ich stand mit nassen Augen
vor den weifsen Denkmälern, unter denen die Getreuen, die Gefallenen
die letzte Ruhe im Schofse der Mutter Erde gefunden. Ich sah aber
auch die reichen, eben reifenden Früchte der zivilisatorischen Unter-
nehmung, die Segnungen, welche man dem armen Lande zugeführt.
Ein wunderbares Strafsennetz führt über die früher kaum zugänglichen
Novibazar, in Montenegro und in der Krivosije.
43
Höhen und verbindet die entlegensten Orte; Posten und Telegraphen
heben den Verkehr; Schulen für die Jugend und die landesüblichen
Fertigkeiten in Handwerk und Kunstgewerbe bringen Bildung und
Wohlstand unter die vor kurzem noch so unwissende Bevölkerung.
Während ich die Kameraden als Soldat um die glänzenden Waffen-
erfolgc beneiden möchte, beglückwünsche ich sie zu den grofsen
Erfolgen des Friedens. Ich rechne es mir zur hohen Ehre an, mit
so trefflichen Repräsentanten der schönen und tapferen österreichischen
Armee bekannt geworden zu sein. Trachten wir darnach, dafs wir
uns immer noch besser kennen lernen, dafs wir die Eigenschaften und
Eigenheiten, die im Osten und Westen, im Süden und Norden, den
mannigfachen Namenstraditionen entsprechend, vorwalten, verstehen
und brüderlich milde beurteilen. Stets begleite das Waffenglück die
österreichischen uns verbündeten Fahnen! Das wünschen mit mir
alle deutschen Kameraden!"
IL
Die neuen Vorschriften für die Ausbildung der
schweizerischen Keiterei.
Die schweizerische Reiterei hat gegen Ende des vorigen Jahres
eine neue Vorschrift über ihre Ausbildung erhalten, w r elche zwar
vorläufig nur die Teile über die Ausbildung zu Fufs, die Ausbildung
zum Gefecht und die Grundsätze für das taktische Auftreten der
Kavallerie enthält. Bei den eigenartigen Verhältnissen, wae sie für
die schweizerische Kavallerie bestehen, welche naturgemäfs auch ihren
Einflufs auf die Ausbildung und die taktische Verwendung ausüben,
glauben wir annehmen zu dürfen, dafs die in diesen „Vorschriften"
ausgesprochenen Grundsätze auch ein weiteres militärisches Interesse
besitzen.
Die schweizerische Kavallerie besteht aus 24 Schwadronen
Dragoner, aus denen 8 Regimenter gebildet und die zu vier Brigaden
zusammengestellt werden. Jede Schwadron hat eine Stärke von
5 Offizieren (davon 1 Pferdearzt), 119 Unteroffizieren und Soldaten,
124 Reit- und 8 Zugpferden, sowie 3 Fuhrwerken. Aufserdem werden
12 Guidenkompagnien aufgestellt, welche eine gesetzliche Stärke von
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44
Die neuen Vorschriften fflr die Ausbildung
nur 2 Offizieren, 41 Unteroffizieren und Soldaten mit 45 Pferden
haben, die jedoch nach und nach auf den Effektivbestand der
Dragonerschwadronen gebracht werden sollen. Es hängt dies mit der
Organisation der Armeekorps zusammen, durch welche die Dragoner-
regimenter den Divisionen weggenommen werden, um als Korps-
kavallcrie verwendet zu werden. Es verblieben dadurch den Divisionen
nur noch die Guidenkompagnien, welche bis dahin hauptsächlich zum
Ordonnanzdienst verwendet wurden. Uber ihre Verwendung als
„Divisionskavallerie" sind nun in den „Vorschriften" ebenfalls ent-
sprechende Weisungen enthalten. Als Bewaffnung führen die Dragoner
aufser dem Säbel noch den Repetirkarabiner, die Guiden den Revolver.
Aufserdem soll jedes Kavallerieregiment noch 3 Maximmaschinen-
geschütze erhalten.
Die Ausbildung des schweizerischen Kavalleristen erfolgt in
Rekrutenschulen, die mit einem Vorkursus zusammen 80 Tage Dauer
haben. Jeder Kavallerist nimmt sein Pferd gegen Bezahlung der
Hälfte des Schätzungswertes nach Beendigung der Rekrutenschule
sammt Bewaffnung und Ausrüstung mit nach Hause. Alljährlich hat
derselbe einen Wiederholungskursus von 12 Tagen Dauer (Einrückungs-
und Entlassungstag inbegriffen) zu bestehen. Nach 10 Dienstjahren
geht das Pferd vollständig in den Besitz des Soldaten über und tritt
derselbe in die Landwehr, in welcher er aufser zu Musterungen u s. w.
nicht mehr einzurücken hat. Über den Ersatz abgehender Pferde
bestehen besondere Vorschriften.
Es ist klar, dafs für die Ausbildung dieser reinen Milizkavallerie,
die mit Ausnahme des Waffenchefs und 12 Instruktionsoffizieren kein
stehendes Kadre besitzt, besondere Wege eingeschlagen werden müssen,
um eine brauchbare Truppe aufstellen zu können. Es wird deshalb
in den „Vorschriften" grofses Gewicht darauf gelegt, dafs nur das
getrieben werde, was man im Felde wirklich braucht, dieses aber
gründlich und unter Anspannung aller Kräfte.
Die Soldatenschule, besonders aber die Ausbildung mit den
Waffen ist hauptsächlich als Einzelnausbildung zu betreiben, da jede
Massenarbeit nur Scheinresultate zu Tage fördert. Die Instruktions-
abteilungen sollen daher klein sein. Handelt es sich um die Ein-
übung neuer Bewegungen und Griffe, so soll der Unterrichtende zuerst
dio Sache erklären und vormachen, dann seine Leute probiren lassen;
haben diese sich etwas zurecht gefunden, so nimmt er sie einzeln,
einen nach dem andern vor, währenddem die andern für sich weiter-
üben und früher Erlerntes wiederholen. Auf diese Art werden die
Leute rascher und besser als durch ein gedankenloses und er-
müdendes Abteilungsdrillen ausgebildet. Nur gelegentlich und gewisser-
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der schweizerischen Reiterei.
45
mafsen zur Prüfung wird während der Detailausbildung im Ganzen
exerzirt.
In der Soldatenschule wird vor allem gefordert, dafs der Soldat,
nachdem einmal das Kommando „Achtung!" gegeben ist, in absoluter
Unbeweglichkeit verharre bis zum Befehl „Ruhen!". Kein äufseres
Ereignifs darf diese Unbeweglichkeit stören. „Eine Truppe, welche
diese Bedingung nicht erfüllt, ist als nicht ausgebildet zu betrachten."
Bei den Marschübungen ist jeder Einzelne genau zu beobachten. Auf
das Kommando „Halt!" darf nicht sofort der Befehl „Ruhen!" folgen,
immer soll zuerst die Haltung des Mannes neuerdings nachgesehen
und korrigirt werden. Auch beim Abteilungsexerziren soll in erster
Linie auf die Haltung des einzelnen Mannes, dann erst auf Richtung
u. s. w. gesehen werden; nachlässige Leute werden aus dem Gliede
herausgenommen und einzeln exerzirt. Damit die Leute gewandt und
flink und nicht steif werden, ist das Exerziren durch Freiübungen,
einem gelegentlichen Wettlauf oder Nehmen von Hindernissen, zu
unterbrechen. Öfter ist auch in zerstreuter Ordnung zu exerziren;
es sollen die Leute dadurch gewöhnt werden, auf Zurufe und Befehle
ihrer Vorgesetzten auch dann zu achten, wenn sie nicht in Reihe
und Glied stehen. Recht häufig ist, als Vorbereitung auf das Exerziren
zu Pferde, das Erstellen der zweigliedrigen Linie auf das Kommando
„Appell" zu üben.
Die Ausbildung mit dem Säbel ist frühzeitig, schon in den
ersten Wochen der Rekrutenschulen zu beginnen. Sie wird am besten
damit eingeleitet, dafs man die Leute anweist, mit ganzer Armeskraft
und unter Loslassung aller Gelenke freigewählte Hiebe nach allen
Richtungen zu schlagen. Erst nachdem der Mann Vertrauen zu seiner
blanken Waffe gewonnen hat, wird zur Einübung der vorschrifts-
mäfsigen Hiebe übergegangen. Die Hiebe und Stiche sind nicht nur
in kräftiger, sondern auch in rascher Ausführung zu fordern; die Leute
sollen im Stande sein, schnell nacheinander mehrere scharfe Hiebe und
Stiche auszuführen. „Unsere Soldaten müssen wissen, dafs sie im
Gefecht nicht durch Pariren der feindlichen Angriffe, sondern durch
energischen Gegenangriff sich verteidigen sollen."
Die Ausbildung mit dem Karabiner verfolgt den einzigen
Zweck, den einzelnen Mann zum Schützen zu erziehen; in der ganzen
Abteilung wird erst mit ausgebildeten Soldaten gearbeitet. Es kommt
ganz besonders in diesem Ausbildungszweig darauf an, dafs der Mann
reichliche Gelegenheit erhält, das ihm vom Lehrer Gezeigte so lange,
für sich und zwanglos zu üben, bis er darin einige Gewandtheit er-
langt hat.
Auf die in den ersten Kapiteln des die Ausbildung behandelnden
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40 Die neuen Vorschriften für die Auabildung
Teils enthaltenen Formationen, die Gangarten, die Bewegungen u. s. w.
gehen wir hier nicht näher ein, sondern beschranken uns darauf,
Einiges aus dem Kapitel über die Methode der Ausbildung anzuführen.
Sobald man mit der Reitausbildung soweit gekommen ist, dafs
die Rekruten sieh auf den Pferden nicht mehr steif machen, sich
nicht mehr an den Zügeln festhalten und dabei entschlossen sind,
ihre Pferde zu beherrschen und in jener Richtung und Gangart gehen
zu machen, welche sie wollen, so darf mit den das Exorziren des
Zuges und der Schwadron vorbereitenden Übungen begonnen werden.
Diese Übungen gehören noch zur Reitausbildung, sie sind daher von
den Reitklassen gesondert vorzunehmen und es inufs der Instmirende
gerade so gut wie in der Reitbahn, den einzelnen Rekruten durch
Korrigiren und Anleiten als Reiter weiterbilden.
Der Zweck der vorbereitenden Übungen ist: 1. Mann und Pferd
im Freien an ein gleichmäfsiges Tempo im Trab und Galopp zu ge-
wöhnen; 2. den Mann zu lehren, für sich allein geradeaus zu reiten,
sein Pferd zu wenden und zu pariren; 3. allmählig in die beim
Exerziren des Zuges und der Schwadron vorkommenden Übungen
überzuleiten.
Damit der Rekrut in dem Bewufstsein, sein Pferd zu beherrschen,
beim Hinauskommen ins Freie nicht erschüttert werde, ist mit diesen
Übungen nie mit vollkommen frischen Pferden zu beginnen, auch
mufs dafür gesorgt werden, dafs die Pferde nicht durch Schiefseu u. s. w.
aufgeregt werden. Es sind folgende Übungen vorzunehmen: 1. Tempo-
Reiten im Trab und Galopp auf einem grofsen Viereck (später z. B.
auf der Peripherie dos Exerzirplatzes) mit kleinen Abständen be-
ginnend, welche allmählig so vergrössert werden, dafs jeder Reiter
sein Pferd selbstständig im Tempo erhalten mufs; 2. Reiten in ge-
schlossener und geöffneter Linie, wobei die Zwischenräume immer
mehr zu vergröfsern sind, mit der Linie sind kleinere und grössere
Direktionsveränderungen vorzunehmen. Aufmärsche aus der Kolonne
zu Einem und Wiederabmarschiren in die Kolonne zu Einem während
der Bowegung; 3. Einzelreiten, wobei jeder Reiter in befohlener
Gangart sein Pferd herumtummelt; 4. Sammeln.
Alle diese Übungen sollen mit peinlicher Sorgfalt betrieben
werden und ist darauf viel Zeit zu verwenden. Die Leichtigkeit, mit
welcher nachher Zug und Schwadron einexerzirt werden, lohnt
reichlich alle Mühe und Zeitaufwand. Als Zeichen, dafs nun zum
Exerziren im Zug und in der Schwadron übergegangen werden kann,
ist anzusehen: 1. Dafs die Reitklassen auf grofse Strecken und im
wechselnden Gelände in eingliedriger geschlossener Linie ruhig traben
und Direktionsverändemngen ausführen; 2. dafs die Reitklassen in
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der schweizerischen Reiterei
47
eingliedriger geöffneter Linie auf lange Strecken unter Ausführung
von Direktionsveriinderungen ruhig und gleichmäfsig galoppiren ; 3. dafs
die Rekruten aus der trabenden Kolonne zu Einem im scharfen
Galopp regelrecht zur geschlossenen eingliedrigen Linie aufmarschiren
und 4. aus der trabenden, eingliedrigen geschlossenen Linie mit grofsen
Abständen im Galopp in die Kolonne zu Einem abmarschiren können.
Mit dem Zug und der Schwadron sind jene Bewewungen besonders
sorgfaltig und gründlich cinzuexerziren, welche vor dem Feinde zur
Ausfuhrung kommen; es sind das die Linien- und Kolonnenbewegmigen,
der Aufmarsch und das Sammeln. Weniger wichtig ist das Ab-
marschiren und die Übergänge aus der Marsch- in die Rottenkolonne
und umgekehrt.
Besonders notwendig ist es, dafs der Zug lerne, in Iinie seinem
Führer in allen Direktionsveränderungen und durch jedes Gelände
aufmerksam und geschmeidig zu folgen und dafs er lerne, aus der
Kolonne auf das Zeichen des Kommandanten rasch zur Linie auf-
zumarschiren. Die gleiche Forderung gilt sinngemäfs für die in Linie,
Zugs- oder Marschkolonne formirte Schwadron.
Das rasche Erstellen der Linie nach jeder Richtung aus der
Kolonne oder aus der in Unordnung befindlichen Truppe, die Ent-
wicklung aus dem Defilee sind Dinge, die auch von gröfsem Körpern
in der Vollkommenheit geleistet werden müssen.
Gemäfs den nachstehend angeführten Vorschriften für die Aus-
führung der Attacke und dem Grundsatze entsprechend, dafs man nie
mehr verlangen soll, als man wirklich und erfahrungsgemäfs erreichen
kann, braucht der Frontgalopp der geschlossenen Schwadron nur
dann geübt und gezeigt werden, wenn die Truppe alle vorstehend
geforderten Evolutionen und Bewegungen in durchaus befriedigender
Weise ausführt. Dagegen wird der rasche Ubergang zur eingliedrigen
Linie und der Galopp auf lange Strecken in dieser Formation in
guter Ausführung verlangt.
Bis zur Erreichung eines gewissen Grades der Sicherheit und
Vollkommenheit in all diesen Übungen ist die genaue, vorschriftsmäfsige
Ausführung der Bewegungen Selbstzweck ; solange wird ausschliefslich
exerzirt, erst dann kann zum Manövriren übergegangen, d. h. die
Anwendung der verschiedenen Formen und Bewegungen zur Lösung
von Gefechtsaufgaben gezeigt werden. Immerhin ist es, in der Absicht,
das allgemeine Interesse wach zu halten, gestattet, sobald eine
Bewegung genügend einexerzirt ist, ausschliefslich deren Anwendung
im Gefecht zu üben.
Vor der Ausführung wird die Aufgabe kurz erklärt; an die Aus-
führung schliefst sich eine knappe Kritik. Mifslungene Übungen
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Die neuen Vorschriften für die Ausbildung
werden wiederholt auch dann, wenn dadurch viel Zeit verloren geht.
Es steigert die Aufmerksamkeit und Gewandtheit der Mannschaft und
der Führer, wenn nicht nur auf dem Exerzirplatz, sondern auch auf
Märschen oder bei der Heimkehr vom Felddienste (gelegentlich
unerwartet und ohne vorherige Ankündigung) derartige Übungen vor-
genommen, die Truppen zur Manövrir- und Gefechtsformation über-
geführt und darin bewegt werden. Beim Exerziren, wie beim Defiliren
wird stets englisch getrabt.
Es wird die geschlossene und geöffnete Attacke unterschieden.
Für die Durchführung der geschlossenen Attacke sind folgende Vor-
schriften mafsgebend. 1. Die Linie wird erst erstellt, wenn nur noch
geradeaus geritten werden mufs. 2. Es soll getrabt werden bis zum
„Marsch — Marsch!", dadurch wird die Geschlossenheit und Wucht
der Attacke gesichert. Nur die Möglichkeit, den Feind zu überraschen,
oder die Notwendigkeit, eine Feuerzone rasch zu durcheilen, rechtfertigt
ein längeres Galloppiren. 3. Kurz vor dem Einbrüche in den Feind
wird das Kommando „Marsch — Marsch!" erteilt. Alles stürzt sich
mit erhobenen Säbeln unter schallendem Hurrahruf im raschesten
Rosseslauf auf den Feind.
Die Form der geöffneten Attacke ist die eingliedrige, geöffnete
Linie. Die Schwärmattacke wird gegen jede Waffe überall da
angewendet, wo der Feind überrascht werden kann. Sie ist die
gewöhnliche Attackenform gegen Infanterie und Artillerie. Der
Schwärmattacke geht immer die Erstellung der zweigliedrigen ge-
schlossenen Linie voraus. Die Glieder dürfen sich nicht zu w T eit Öffnen,
vor allem aber soll die Attacke keine Tiefe haben. Gegen Infanterie
soll die Staffelattacke angewendet werden.
Bei der Verfolgung sollen so rasch als möglich geschlossene
Abteilungen gebildet werden. Der Rückzug erfolgt stets in raschester
Gangart.
Für die Einübung der Attacke gelten folgende Vorschriften:
Jedem auch schon dem ersten Üben der Attacke soll eine einfache
taktische Situation zu Grunde gelogt werden. Es ist hierzu der
Exerzirplatz in seiner ganzen Ausdehnung und überdies seine Um-
gebung und die auf denselben ausmündenden Strafsen zu verwenden,
so dafs Heranmarsch, Entwickelung und Anreiten natürlich zur Dar-
stellung kommen. Jedesmal soll ein klar und bestimmt erkennbarer
Gegner vorhanden sein, gegen welchen angeritten wird.
Für die geschlossene Attacke soll der aufzustellende Gegner eine
Kavallerie-Abteilung sein, die sich ebenfalls bewegt, manövrirt und
schliefslich zur Attacke anreitet. Am erspriefsiiehsten ist es, wenn
zwei annähernd gleich starke Gegner gegen einander vorreiten; nur
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der schweizerischen Reiterei.
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im Notfall wird der Gegner durch eine ganz schwache, in eingliedriger
Linie reitende Abteilung dargestellt. Ist die Ausbildung von Führer
und Mannschaft genügend weit vorgeschritten, so kann das Eingreifen
eines neuen Gegners während der Aktion durch einzelne, mit Flaggen
versehene Leute markirt werden.
Die Führung soll sich von Anfang an daran gewöhnen, durch
geschicktes Manövriren für den Erfolg der Attacke zu sorgen.
Bei der Einübung der Attacke wird bis auf 20 Schritt an den
Gegner herangeritten und dann auf Kommando stillgehalten; jeder
Mann bleibt auf dem Platze halten, wo er sein Pferd zum Stehen ge-
bracht hat. Nachdem vom übenden Offizier oder dem beaufsichtigenden
Vorgesetzten festgestellt wurde, wie die Truppe auf den Gegner stiefs,
wie sie dabei geschlossen war und in welcher Verfassung sie sich
befand, erteilt er das Kommando: „Zum Handgemenge auseinander!
— Marsch!" worauf die Leute, Hiebe und Stiche ausführend, durch-
einander reiten.
Jeder Attacke soll das Üben von Verfolgung und Rückzug folgen ;
beide geschehen immer in schärfster Gangart und auf gröfsere Strecken.
Es mufs dabei den Leuten zur zweiten Natur gemacht werden, sich
auf den Zuruf der Offiziere oder auf das Signal sofort hinter ihren
Führern zu sammeln.
Rücksicht auf Schonung der Pferde darf nie dazu ver-
anlassen, bei der Einübung des Gefechtes langsam und
energielos zureiten; mufs geschont werden, so ist es besser,
das Kavalleriegefecht nicht üben zu lassen.
Die offene (Schwerin-) Attacke wird am besten in Form eines
Angriffes gegen Infanterie odor Artillerie geübt. Es ist dabei immer
eine lange Strecke im Galopp zurückzulegen.
Es soll diese Attacke stets gegen einen schiefsenden
Gegner (abgesessene Reiter) oder gegen Zielpetarden geritten
werden. Die feuernde Linie ist dabei allemal zu durch-
reiten, erst nachher wird hinter der gegnerischen Linie gesammelt.
Das Feuergefecht wird in Verbindung mit dem Exerziren zu
Pferde erst dann geübt, nachdem Führer und Mannschaften im
Mechanismus desselben gründlich ausgebildet worden sind. Es ist
immer ein Gelände zu wählen, in dem eine natürliche Aufstellung der
Schützen sich von selbst ergiebt und wo die Pferdekolonnen ent-
sprechend gedeckt werden können. Der Heimmarsch von Felddienst-
und Marschübungen wird hierfür reichliche Gelegenheit bieten. Den
Abschlufs dieses Ausbildungszweiges bilden die gefechtsmäfsigen Schiefs-
übungen mit scharfen Patronen gegen feldmäfsige Ziele.
Den Grundsätzen für das taktische Auftreten der Reiterei ent-
Jahrbacher Dir die Deutsch« Armee and Marine Bd. V111C, 1. 4
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Die neuen Vorschriften für die Ausbildung
nehmen wir Folgendes: Ein Teil der zur Verfügung stehenden
Kavallerieeinheiten wird schwadronsweise den zusammengesetzten
Hocresteilen (Divisionen und Armeekorps) zugeteilt, — diese Kavallerie
heifst Divisionskavallerie. Der andere, gröfsere Teil wird in gröfsere
Körper vereinigt und ist bestimmt, vor der Front und auf den Flanken
der Armee als selbstständige Kavallerie zu wirken.
Der selbstständigen Kavallerie fallen folgende Aufgaben zu: 1. die
Aufklärung im Grofsen und die gewaltsame Aufklärung; 2. die Ver-
hinderung der feindlichen Aufklärung; 3. das Besetzen oder das Fest-
halten von strategisch oder taktisch wichtigen Punkten oder Ab-
schnitten; 4. die Störung des feindlichen Vormarsches und der Ent-
wickelung der feindlichen Kräfte; 5. der Flankenschutz des Heeres
oder von Heeresteilen, die Beunruhigung der feindlichen Flanken, die
Bethätigung am allgemeinen Angriff; G. die Verfolgung des Feindes
oder die Deckung des Rückzuges. Die Kavallerie ist zur Lösung
dieser Aufgaben entweder als Ganzes unter einheitlichem Kommando
vereinigt oder dann in Brigaden und Regimenter geteilt.
Wird die Kavallerie bei einer vorläufigen Grenzbesetzung
schwadronsweise auf einzelne Detachements verteilt, so handelt sie
den für die Divisionskavallerie aufgestellten Grundsätzen entsprechend.
Die an Zahl schwache Kavallerie kann nicht, wie die Kavallerie-
Divisionen der grofsen Nachbarheere, dazu verwendet werden, allein
die Mobilisirung und den Aufmarsch des Heeres zu decken. Sie wird
möglichst vereint in jenen Grenzzonen zur Verwendung gelangen,
welche der Feind vermutlich zunächst für den Vormarsch seiner
Hauptkräfte wählt. Sie wird sich dabei in der Regel auf
Detachements der Feldarmee oder auf Territorialtruppen
stützen können.
Die allgemeinen Vorschriften über die Aufklärung durch die selbst-
ständige Kavallerie und die Offizierspatrouillen entsprechen dem auch
in den andern Armeen Üblichen.
Über den Vormarsch der selbstständigen Kavallerie werden
folgende Anhaltspunkte gegeben: „Alle Verhältnisse gebieten uns,
die vorhandenen Kräfte zusammenzuhalten, Detachirungen dürfen nur
vorgenommen werden, wo dringende Notwendigkeit dies rechtfertigt.
Es kommt immer nur darauf an, dafs wir nur an einer, an der be-
deutungsvollsten Stelle stark seien. Daraus ergiebt sich, dafs in der
Regel auch stärkere Kolonnen nur eine Strafse zum Vormarsch be-
nutzen und zwar diejenige, welche natürlich auf das beabsichtigte
Marschziel hinführt. Unser Vorgehen erfolgt immer sprungweise, von
einem bedeutenden Geländeabschnitt zum andern." — „Alle Ver-
hältnisse verbieten es unserer Kavallerie, die feindlichen Kavallerie-
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der schweizerischen Reiterei.
51
körper zum entscheidenden Reitergefecht in hierfür geeignetem Ge-
lände aufzusuchen. Die zahlreichen Flufs- und Berglinien, welche
unser Land durchziehen, setzen uns dagegen in die Möglichkeit, selbst
einer bedeutend überlegenen Kavallerie mit Erfolg entgegentreten zu
können."
„Wir sind im Stande, die feindliche Kavallerie so lange auf-
zuhalten, dafs deren Zwecke (Störung unserer Vorbereitungen, gewalt-
same Aufklärung) vereitelt werden. Bedingung dafür ist, dafs wir
unsere Beweglichkeit und unsere Vertrautheit mit dem Gelände so
auszunützen verstehen, dafs wir stets vor dem Feinde wichtige Gelände-
abschnitte erreichen und dort so aufzutreten wissen, dafs die Über-
legenheit des Feindes durch die ihm ungünstige Bodengestaltung aus-
geglichen wird. Die Unternehmungslust und Energie des Feindss mufs
gelähmt, er mufs ermüdet, zu Detachirungen veranlafst und dadurch
geschwächt werden. Zähes Festhalten günstiger Stellungen, recht-
zeitiges Verschwinden, Hinterhalte und Überfälle sind die Mittel, mit
denen wir den Feind bekämpfen. Vorhandene Territorialtruppen, welche
wir mit Nebenaufgaben betrauen, können dabei wertvolle Dienste
leisten."
In der Regel sendet jede schwadronsstarke oder gröfsere Kavallerie-
truppe, welche gegen den Feind vorgeht, eine kleinere, selbstständigo
Patrouille zum Aufsuchen des Feindes voraus. Aufserdem sendet zur
direkten Sicherung die Schwadron oder das Regiment einen Zug als
Ausspähertruppe, die Brigade und stärkere Körper eine Vorhuts-
schwadron voraus.
Die Ausspähertruppe reitet etwa 1 km vor der Spitze des Gros
und richtet gewöhnlich ihr Vorgehen nach demjenigen des Gros.
Der Zugführer mit 6 Mann und 1 Unteroffizier reitet als Spitze
sprungweise von Geländeabschnitt zu Geländeabschnitt seinem Zuge
vor; er trabt oder hält. Da, wo die Nähe des Feindes es nötig macht,
verwendet er die ihm beigegebenen Reiter zum Absuchen des Geländes
bis auf 500 m zu jeder Seite der Marschstrafse. Mit der Sicherung
der Hanken beauftragt er, wo' die Bodengestaltung dies verlangt,
ca. 3 — 5 Maim starke, von einem Unteroffizier geführte Seiten-
patrouillen, welche, dem Ausspähertrupp entnommen, in der Höhe
der Spitze auf Seitenwegen oder querfeldein ebenfalls sprungweise
vorgehen. Die Verbindung zwischen der Spitze und den Seiten-
patrouillen mufs eine möglichst stete sein; sie wird von beiden Seiten
gesucht und unterhalten.
Der Ausspähertrupp soll eine Front von 3km decken.
Mufs eine gröfsere Breite als 3 km gesichert werden, so geschieht
dies durch weitere aus dem Gros abzusendeude Unteroffizierspatrouillen.
4*
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Die neuen Vorschriften für die Ausbildung
Es ist darauf zu halten, dafs auch zwischen diesen Seitenpatrouillen
und der zu sichernden Truppe wenigstens zeitweise Verbindung ge-
schaffen wird. Der Schwadronschef, welcher den Ausspähertrupp ab-
gegeben hat, reitet in der Regel bei demselben.
Vorhutschwadronen senden einen Ausspähertrupp voraus; sie
gehen ebenfalls sprungweise von Abschnitt zu Abschnitt vor. Bei
besonderer Bedeutung oder Gestaltung des Geländes darf der Abstand
der Vorhutschwadron vom Gros bis 5 km betragen. Eine Vorhut-
sehwadron kann eine Breite von etwa 10 km sichern.
Sobald angehalten wird, schliefst der Ausspähertrupp auf die
Spitze auf. Wird der Marsch unterbrochen, um Kantonnement oder
Biwak zu beziehen, so sind Vorposten aulzustellen ; gewöhnlich werden
die Marschsicherungsorgane mit dieser Aufgabe betraut.
Die Spitze, welche den Ausspähertrupp heranzieht, wird zur die
Hauptstrafse sichernden Feldwache, die wenn nötig auf 6 — 10 Mann
zu verstärkenden Seitenpatrouillen werden zu Unteroffizierspostcn.
Wenn nötig, werden vom Gros aus weitere Feldwachen u. s. w. gestellt.
Feldwachen und Unteroffiziersposten beschränken sich in der
Regel auf die Aufstellung nur eines Doppelpostens zu Fufs in ihrer
unmittelbaren Nähe. Da, wo keine Augenverbindung besteht und bei
Nacht wird die Verbindung zwischen Feldwache und Unteroffiziers-
posten durch patrouillirende Reiter erhalten. Alles ist abgesessen
mit Ausnahme einiger Meldereiter. Das Gros lagert im Biwak oder
in Kantonnements, die zur Verteidigung eingerichtet sind und an
deren Ausgängen Schildwachen stehen.
Oft macht das Gelände die Aufstellung von eigentlichen Vorposten
überflüssig, so z. B. bei Aufstellung an Engnissen, Flufslinien u. s. w.
Man kann sich dann darauf beschränken, alle gegen die Kantonnements
hinführenden Wege durch 3 — 5 km weit vorgeschobene, versteckt auf-
gestellte, kleine, 3 — 5 Mann starke Unteroffizierspatrouillen zu beob-
achten, während die dahinter liegenden Kantonnements zur Verteidigung
sorgfältig hergerichtet werden. Besonders stärkere Kavalleriekörper
werden auf diese W r eise unter dem Schutz weniger, weit vorn kan-
tonnirender Schwadronen bei grofser Schonung ihrer Kräfte ruhen
können. Die beste Sicherung besteht darin, dafs der Feind durch
Patrouillen stets fort beobachtet wird.
Sowie auf Grund der erhaltenen Meldungen ein Zusammenstofs
mit dem Gegner wahrscheinlich wird, setzt der Führer seine Truppe
in Gefechtsbereitschaft. Vor allem andern beruht der Erfolg des
Kavallerieangriffs darauf, dafs der Feind in für ihn ungünstigen Ver-
hältnissen überrascht wird. Alles, was die Überraschung ermöglicht,
ist daher Hauptsache, alles andere, sogar die Stärke des Gegners, die
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der schweizerischen Reiterei.
53
Formation, in welcher er sich befindet und allenfalls auch die eigene
Formation darf dem gegenüber als nebensächlich angesehen werden.
Mufs ein Gegner angegriffen werden, welcher durch das Gelände
oder durch seine Aufklärungsorgane gegen Überraschung geschützt
ist, so sind es das richtige Ansetzen der Attacke in Bezug auf Richtung
und Formation und besonders die vom Führer auf die ganze Truppe
übergegangene rücksichtslose Energie der Ausführung, welche den
Erfolg sichern.
Der Entschlufs des Kavallerieführers beruht auf der Erwägung
folgender Faktoren:
1. „Ob die Bekämpfung des Gegners für die Lösung der erhaltenen
Aufgabe geboten oder im allgemeinen Interesse begründet ist. Jeder
KavalleriefUhrer, ganz besonders in unseren Verhältnissen, handelt
pflichtvergessen, wenn er die Attacke als Selbstzweck behandelt, wenn
er angreift, nur aus Lust an kühnem Wagen, in der Hoffnung, sich
Lorbeeren zu pflücken. Nie aber darf er abwarten, bis er zur Attacke
gezwungen wird, immer mufs er selbst die Initiative ergreifen, denn
in ihr liegt die Hoffnung des Sieges auch gegen überlegene Gegner."
2. „Wie die Truppe am besten an den Gegner heranzubringen
ist. Nur in Ausnahmefällen ist genügend Zeit vorhanden, die Truppe
hinter einer Deckung stehen zu lassen, um nach sorgfaltiger Re-
kognoszirung den richtigen Weg zum Vormarsch zu bestimmen. In
der Regel mufs gleichzeitig mit dem Entschlufs zum Vorgehen auch
die Wahl des Weges getroffen sein, auf welchem vorgegangen werden
soll. Dieser Weg soll rasches Vorgehen gestatten, gleichzeitig soll
dem Feind die Annäherung verborgen bleiben. Die Bodengestaltung
unseres Landes begünstigt letzteres in hohem Mafse, sie birgt aber
gleichzeitig die Gefahr, sich zu verreiten, d. h. unerwartet an Hindernisse
zu gelangen. Nur eine grofse Gewohnheit unserer Kavallerieführer,
unser Gelände zu beurteilen, macht sie ihrer Aufgabe gewachsen, ge-
währt ihnen aber auch eine nicht zu raubende Überlegenheit über
jene Gegner, welche die Bodengestaltung unseres Landes nicht ge-
wöhnt sind."
3. „Wie der Gogner zu bekämpfen ist, ob in der Attacke zu
Pferde, oder durch das Feuergefecht zu Fufs oder durch beide ge-
meinsam." Die Erwägungen, welche den in rascher Folge zu fassenden
Entschlüssen vorangehen, dürfen niemals bis zur einer ängstlichen Ab-
wägung aller möglichen, allenfalls eintretenden Eventualitäten, Vorteile
und Gefahren herabsinken. Die einfache Klarheit und Sicherheit,
mit welcher die Entschlüsse gefafst sind, treten in der Ausführung
zu Tage. Alle Künsteleien, sowie hastiges Vorwärtsstreben und Drauf-
gehen sind untrügliche Kennzeichen von Entschlüssen, zu welchen
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54
Die neuen Vorschriften für die Ausbildung
nicht die Erwägung der Möglichkeit eines Erfolges, sondern die Er-
wägung der Möglichkeit eines Nichterfolgos geführt hat.
Sowie der Angriff beginnt, giebt es keine Abänderung des Ent-
schlusses mehr. Die Erkenntnifs, unrichtig gedacht und entscheidende
Faktoren nicht in Berechnung gezogen zu haben, soll jetzt nur noch
der Ansporn sein, den gefafsten Entschluß mit verstärkter Energie
und Rücksichtslosigkeit durchzuführen.
Das Feuergefecht ist nur in demjenigen Gelände zur Anwendung
zu bringen, dessen Gestaltung und Bedeckung hierzu berechtigt, in
welchem eine verhältnifsmäfsig geringe Feuerkraft Bedeutendes zu
leisten im Stande ist. ,,Die Bodengestaltung unseres Landes, die Ge-
wohnheit unserer Leute, sich in derselben zurecht zufinden, die als
Regel anzunehmende numerische und auch qualitative Überlegenheit
unseres Gegners werden unserer Kavallerie die häufige, fast vor-
wiegende Verwendung des Feuergefechts vorschreiben."
Darunter darf aber der offensive Geist nicht leiden.
Bei der kombinirten Aktion sucht entweder eine zu Pferde an-
greifende Abteilung durch verstellten Rückzug in einen durch ab-
gesessene Kavallerie vorbereiteten Hinterhalt zu locken, oder ein Teil
der Kräfte hält den Feind durch Karabinerfeuer auf, während die
Hauptmasse zu Pferde dessen Flanke und Rücken anfällt.
Hält der Feind eine Stellung besetzt, so wird man besser auf
den direkten Angriff verzichten und die Front nur beschäftigen,
während die Hauptkräfte in raschem, ausholenden Ritte die Stellung
umgehen, um deren Flanke und Rücken überraschend anzugreifen.
Erhält die Kavallerie den Auftrag, eine ausgedehnte Linie (z. B.
Flufslinie) zu halten, so werden die wichtigsten Ubergangspunkte von
schwachen Abteilungen besetzt, welchen die Aufgabe zufällt, den Feind
möglichst lange aufzuhalten. Alles Übrige wird an zentraler Stelle
zusammengehalten, in der Absicht, den Gegner da anzufallen, wo er
den Übergang erzwingen will.
Falsch ist es, wenn der Kommandant einer gröfseren Kavallerie-
truppe diese bis zum Zusammenstofs führen will; vom Augenblicke
an, wo die Attacke angesetzt ist, handelt jeder Schwadronschef selbst-
ständig, er wählt sich sein Attackenobjekt und zwar stöfst er immer
dahin, von woher dem Gehngen der ganzen Aktion die gröfste Ge-
fahr droht.
Das Reitergefecht verläuft so schnell, dafs unerwartet ein-
tretenden Ereignissen nicht durch Ausgabe neuer Befehle entgegen-
getreten werden kann, nur das verantwortungsfreudige, rasche,
energische und zielbewufste Handeln auch des niederen Führers bringt
den Sieg. Selbst ein einziger Zug, welcher todesmutig, festgoschlossen
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der schweizerischen Reiterei.
55
und wuchtig in das Handgemengo oder in die verfolgondon Massen
hineinstöfst, kann Entscheidung bringen oder dio Geschicke wenden.
- Im Gefechte in Verbindung mit anderen Waffen handelt die Kavallerie
nach den Weisungen des Kommandirenden , wenn nötig aus eigener
Initiative.
Infanterie ist nur anzugreifen, wenn sie erschüttert erscheint
oder in ihrer Aufmerksamkeit anderweitig gefesselt ist. Der Angriff
erfolgt immer in Staffeln.
Beim Angriff gegen Artillerie sollen den dio Batterie
attackirenden Einheiten immer Abteilungen folgen, welche bestimmt
sind, den zur Rettung der Artillerie herbeieilenden feindlichen Truppen
sich entgegenzuwerfen.
Kavalleriegefechte sind eher zu vermeiden; sie ergeben sich nur,
wenn die Unternehmungen feindlicher Kavallerie verhindert werden
müssen. Zum Angriff gegen Kavallerie wird grundsätzlich die ganze
Kraft von vornherein eingesetzt, selbst dann, wenn gröfsere Verbände
anfanglich in Treffen gegliedert anreiten.
Der Kavallerieführer darf im Gefecht die Beweglichkeit seiner
Truppe nicht durch einen grofsen Sicherungsapparat einschränken.
Wenige kleine Unteroffizierspatrouillen sichern die Flanke, in der
Front beobachtet eine Offizierspatrouille oder der Führer selbst. Es
ist dem Kavalleriefiihrer nicht gestattet, von sich aus und ohne höheren
Befehl weit ausgreifende Aktionen, welche ihn aufser Fühlung mit den
anderen Truppen bringen, zn unternehmen.
Für die Verfolgung des geschlagenen Feindes soll die Kavallerie
ihre ganze Kraft einsetzen, falsch aber wäre es, wenn dio Kavallerie
an dem Gefechte sich aus dem Grunde nicht beteiligen würde, weil
sie ihre Kräfte für die Verfolgung sparen möchte.
Für die Deckung des Rückzuges mufs die Kavallerie bereit
sein, sich aufzuopfern. Sie soll sich von den Flanken aus den vor-
dringenden feindlichen Truppen entgegenwerfen, durch Hinterhalte und
durch Besetzung von Defileen dem Feinde Aufenthalt bereiten.
Die Fähigkeit, auch in Augenblicken der Aufregung klar und
richtig zu überlegen, das Gesammtinteresse im Auge zu behalten,
mufs dem Kavallerieführer natürlich sein; sie bewahrt ihn vor zweck-
und ziellosem Herumreiten auf dem Gefechtsfelde und nutzlosem Auf-
opfern seiner Truppe, aber auch vor schimpflicher Unthätigkeit.
Den Einheiten der Divisionskavallcrie fallen folgende Aufgaben zu:
L für die Heereskörper, denen sie zugeteilt sind, die engere taktische
Aufklärung zu besorgen. 2. Die infanteristische Sicherung zu unter-
stützen bezw. der Infanterie die Sorge um die Sicherung abzunehmen.
3. Die nötigen Ordonnanzreiter zu stellen.
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56
Die neuen Vorschriften für die Auabildung
Bedarf die Division zur Lösung einer ihr zugewiesenen Aufgabe
weiterer Nachrichten als diejenigen, welche sie von höherer Stelle
oder von vor ihrer Front operirender selbstständiger Kavallerie erhielt,
so verschafft sie sich solche durch ihrer Divisionskavallerie entnommene
Patrouillen. Weil die selbstständige Kavallerie die Aufklärung im
Grofsen besorgt, so ist das Nachrichtenbedürfnifs der Division in der
Regel nach Raum und Objekt ziemlich beschränkt; es genügt daher
das Absenden weniger, sehr oft einer einzigen Patrouille.
Mehr als zwei Offizierspatrouillen kann die Divisionskavallerie
kaum abgeben. Richtungen von sekundärer Wichtigkeit sind deshalb
durch Unteroffizierspatrouillen aufzuklären, oft können sie auch ganz
aufser Acht gelassen werden, da es ja immer auf das Wesentliche,
die Hauptsache ankommt.
Alle zur Aufklärung vorgesandten Patrouillen sind vom Divisions-
kommandeur oder dessen Stabschef persönlich eingehend über die
Nachrichten, die man von ihnen erhalten will, zu instruiren.
Auf dem Marsche ist der, nach Abgabe der nötigen Patrouillen
und Ordonnanzen verfügbare Teil der Divisionskavallerie jeweilen der
Avantgarde zuzuteilen, gleichviel ob die selbstständige Kavallerie sich
vor der Front befindet oder nicht. Diese Reiterabteilung bildet einen
integrirenden Teil der Avantgarde, sie reitet derselben sprungweise
vor, ohno sich von ihr auf mehr als höchstens 11 Kilometer zu
entfernen. Sie sichert durch Versenden einer Spitze und von Sciton-
patrouillen eine Front von ca. 3 Kilometern und befreit dadurch die
Infanterie von der Sorge um die Detailabsuchung des
Geländes.
Hat der Avantgarden-Kommandant eine breitere Front zu sichern,
so erteilt er dem Kommando der Divisionskavallerie Auftrag zur Ab-
sendung fernerer Patrouillen auf weiter seitwärts laufende Parallel-
strafsen.
Selbstständigen Seitenkolonnen werden vom Avantgardenkommando
(bezw. Divisionskommando) kleinere Reitertmpps beigegeben, welche
dort in ähnlicher Weise den Sicherungsdienst besorgen.
Diese Sicherung ist durchaus unabhängig von der Aufklärung,
sie bewegt sich in engem Anschlufs an das Vorgehen der infanteristischen
Kolonnenspitzen .
Stofsen die Kavalleriespitzen auf den Feind, so bleiben sie stehen,
melden und beobachten.
Nachdem die Gefechtsentwickelung der Avantgarde begonnen hat,
sammelt in der Regel der Kommandant der Divisionskavallerie seine
Truppe und tritt dann zur direkten Verfügung des Divisionskommandos.
Während des Gefechts beruht die Sicherung auf ausgiebiger
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der schweizerischen Reiterei.
57
Aufklärung nach den Flanken evont. dem Rücken des auf-
marschircnden oder in Stellung befindlichen Feindes. Soweit nicht
Dragonerregimenter dafür sorgen, betraut der Divisionskommandant
mit dieser Aufgabe Patrouillen, welche er der nun sich bei ihm
sammelnden Guidenkompagnie entnimmt. Ebenso läfst er die im
Laufe der Aktion nötig werdenden Rekognoszirungon durch rasch
vorprellende Guidenpatrouillen ausführen.
Es versteht sich von selbst, dafs während der Nacht die Kräfte
der Guiden nach dem anstrengenden Tagesdienst geschont werden
müssen. Es beschränkt sich daher die Mitwirkung dieser Truppe im
Vorpostendienst auf die Abgabe weniger Ordonnanzreiter an das
Vorpostengros und an einige besonders wichtige Feldwachen — und
auf 2 — 3 Unteroffizierspatrouillen, welche auf zur ausgedehnten
Beobachtung besonders geeignete Punkte vorgeschoben werden. —
Die gröfste Sparsamkeit ist auch hier geboten, — es können aber
schon wenig Reiter die Funktion des Vorpostendienstes durch rasches
Überbringen von Meldungen und Befehlen unverhältnifsmäfsig er-
leichtern.
Sofern der Division andere Kavallerie zur Verfügung steht, so
ist die Divisionskavallerie von diesem Dienste gänzlich zu entlasten.
Soll im Dienste, welchen die Guiden in der Aufklärung und in
der Sicherung leisten, die für die Erhaltung der Kräfte durchaus
nötige Ablösung eintreten, so mufs in der Zuteilung von Ordonnanzen
an die Stäbe äufserst sparsam verfahren werden.
Die Schaffung der Radfahrcrabteilungen verfolgte besonders den
Zweck, die Divisionskavallerie vom Ordonnanzdienst zu entlasten.
Die einer Division zugeteilte Kavallerie soll nur folgende Ordonnanzen
abgeben: 1. An den Divisionsstab 5 Reiter; 2. an das Kommando der
Avantgarde 3 Reiter; 3. an das Kommando der Vorhut 3 Reiter;
4. an die Kommandanten von Flankendetachements, je nach Bc-
dürfnifs 2 — 4 Reiter; 5. an das Kommando der Vorposten 7 — 20 Reiter.
Die letztere Zahl hängt ab von der Isolirtheit der Division, d. h. ob
dieselbe sich ganz allein befindet oder an einem Hügel oder voraus
und an bedeutungsvollen Linien gegen den Feind.
An Trainkolonnen sind nur bei dringendem Bedürfhisse einzelne
Reiter abzugeben, indem dort in der Regel Berittene (Trainunter-
offfziere und Trompeter) in genügender Zahl vorhanden sind.
Diese Ordonnanzen, mit Ausnahme derjenigen des Divisionsstabes,
treten jeweilen, nachdem der betreffende Führer seine Funktion be-
endet hat, wieder zur Kompagnie zurück. Sie und ihre Pferde werden
bei den Truppenteilen verpflegt, denen sie zugeteilt sind.
58
Die neuen Vorschriften filr die Ausbildung
Die Verwendung der Guiden als Stabswache ist im Manöver
untersagt.
Den taktischen Grundsätzen für das Feuergefecht entnehmen wir
folgendes: „In unserem Gelände bietet sich der Kavallerie sowohl im
Dienste vor der Front der Armee, als im Gefechte der drei Waffen
vielfach Gelegenheit, ihre vorzügliche Feuerwaffe zur Geltung zu
bringen. In günstigen Stellungen können selbst schwache Kräfte
einen überlegenen Feind lange aufhalten. Eine gut gedeckte, lange,
dünne, mit rauchschwachem Pulver feuernde Linie abgesessener Schützen
ist auf ihre Stärke und Waffengattung schwer zu beurteilen. Bei
allen derartigen Unternehmungen darf nie vergessen werden, dafs das
Element der Kavallerie deren Beweglichkeit ist."
Die Kavallerie mufs es verstehen, schnell heranzureiten, plötzlich
zu erscheinen und rasch zu verschwinden, um an anderer Stelle
neuerdings aufzutreten. Einer Entscheidung soll dabei in der Regel
ausgewichen werden. Im Allgemeinen wird demnach, besonders gegen
Infanterie, auf grofso Distanzen gefeuert, immer aber soll das Feuer
ein kräftiges und geeignet sein, einen bedeutenden moralischen Ein-
druck hervorzubringen. Nur gegen anreitende Kavallerie ist das
Feuer möglichst lange aufzusparen, um dann um so vernichtender
zu wirken.
Ein Nähren des Feuergefechts durch anfänglich zurückgehaltene
Abteilungen ist nicht in Aussicht zu nehmen; gewöhnlich wird gleich
von Anfang an die ganze verfügbare Feuerkraft eingesetzt.
Das Feuergefecht wird in der Regel in einer Stellung geführt,
ist daher defensiv. Mufs ausnahmsweise eine vom Feinde besetzte
Stellung angegriffen werden, so wird die feindliche Front durch eine
schwache Abteilung beschäftigt, während die Hauptkraft rasch und
unbemerkt in dessen Flanke geführt wird, um von dort aus nach
kurzem Magazinfeuer zum überraschenden Angriff vorzubrechen.
Es sollen zum Feuergefecht immer soviel Schützen als möglich
absitzen. Sollen aber die Handpferde beweglich bleiben, so darf nur
in der Kolonne zu Dreien abgesessen werden.
Der Kommandant behält einige Ordonnanzen zu Pferde bei sich,
er sorgt durch ausgiebige Aufklärung nach der Flanke dafür, dafs er
von jeder ihm drohenden Gefahr zeitig benachrichtigt wird; hierin
liegt die beste Sicherung der Handpferde.
Erscheinen die Handpferde nicht genügend geschützt, so mufs,
um feindliche, gegen die rferdekolonne gerichtete Handstreiche ab-
zuwehren und den zurückgehenden Schützen das Aufsitzen und Weg-
reiten zu ermöglichen, eine kleine Reserve zu Pferde zurückbehalten
werden.
der schweizerischen Reiterei.
59
Gelingt es einem Feinde, überraschend gegen ein Biwak oder
Kantonnement vorzudringen, so eilt jeder Führer mit dem nächsten,
zusammengerafften oder sich sammelnden Trupp dem Feinde ent-
gegen, besetzt eine geeignete Stellung und eröffnet das Feuer. Ist
der Feind schon in ein Dorf eingebrochen, so werden die Thüren der
Häuser geschlossen und aus den Fenstern und Gärten wird ein leb-
haftes Feuer auf den Feind eröffnet. An ein Satteln der Pferde und
ein Sammeln geschlossener Abteilungen ist in diesem Falle nicht zu
denken.
Jedes Kavallerieregiment soll mit 3 Maschinengewehren (voraus-
sichtlich System Maxim) ausgerüstet werden, um die Feuerkraft der
Kavallerie, wo es notwendig ist, zu vermehren. Diese Gewehre bieten
ein sehr kleines Ziel, sie finden in jedem Gelände Deckung, so dafs
der Feind die Richtung, aus welcher das Feuer kommt, nur schwer
feststellen kann. Die Feuerwirkung ist, wenn die Fntfernung richtig
erkannt ist, eine vernichtende. Die Waffe begünstigt demnach das
überraschende Auftreten der Kavallerie, den Feuerüberfall.
„Sowohl der selbstständigcn Kavallerie vor der Front als der
Kavallerie im Gefecht der drei Waffen wird damit ein Kampfelement
zugeführt, welches geeignet ist, die Gefechtskraft der Reiterei, besonders
in unserem Gelände sehr bedeutend zu vermehren; gröfsere Unter-
nehmungslust, kühneres Wagen sollen die Folgen hiervon sein. Nie
aber darf die Kavallerie sich in ihren Unternehmungen durch die
Rücksicht auf ihre Maschinengewehre beeinflussen lassen; in der
Lösung jeder Aufgabe sollen diese Maschinengewehre immer nur als
willkommenes Hilfsmittel, nie als Hauptwaffe in Berücksichtigung ge-
zogen werden. Kino Kavallerie, welche zur Bedeckung ihrer Maschinen-
gewehre herabsinkt, hat aufgehört, Kavallerie zu sein."
Die jedem Regimente zugeteilten drei Maschinengewehre bilden
im Regimente eine selbstständige Abteilung. Diese Abteilung kann
(als Ganzes oder geteilt) einzelnen mit besonderen Aufgaben betrauten
Schwadronen oder Zügen beigegeben werden. Wenn immer möglich,
sind stets zwei Gewehre nebeneinander, nie eins für sich allein zur
Thätigkeit zu bringen.
Der Kavallerieführer weist dem Führer der Maschinengewehr-
Abteilung die ihm in der Gesammtaktion zukommende Aufgabe zu,
er befiehlt ihm, wann und wo er Stellung zu nehmen und welche
Ziele er zu beschiefsen hat. Können aus irgend einem Grunde diesem
Offizier keine Befehle erteilt werden, so ist er verpflichtet, selbst-
ständig im Interesse des Ganzen zu handeln.
Damit dieser Offizier jederzeit über die Sachlage und das Gelände
unterrichtet sei, so reitet er, sobald ein Zusammenstofs mit dem Feinde
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60
Die neuen Vorschriften für die Ausbildung
wahrscheinlich wird, mit dem Regimentskommandanten. Die Maschinen-
gewehre folgen am Schlufs der Kolonne und werden bei Bedarf in
rascher Gangart vorgezogen.
Für die Verwendung dieser Waffen gelten folgende Fingerzeige:
Will oder soll eine gröfsere Kavallerieabteilung eine vorgelegene
Stellung oder ein Defilee in Besitz nehmen, so kann eine Abteilung
Maschinengewehre unter schwacher Bedeckung rasch vorgesandt werden,
um den Punkt zu halten, bis das Gros der Kavallerie nachgekommen ist.
In einer von abgesessener Kavallerie besetzten Stellung werden
die Gewehre so aufgestellt, dafs sie durch Fernfeuor die Annäherung
des Feindes zu erschweren und dessen Entwickelung zu stören ira
Stande sind. Im Verlaufe des Gefechts sollen sie den Punkt, gegen
welchen der Feind seinen entscheidenden Angriff richtet, durch kon-
zentrisches Feuer schützen können.
Beim Abbrechen des Gefechtes wird es oft möglich sein, den
Rückzug und das Aufsitzen der Schützen durch das Feuer der
Maschinengewehre, welche eine, einem feindlichen Überfall nicht aus-
gesetzte Stellung besetzt halten, zu decken.
Soll Kavallerie eine ausgedehnte Liuie (Flufs-, Berglinie) halten,
so werden die wichtigsten Übergangsstellen durch von wenig Mannschaft
geschützte Maschinengewehre gedeckt, während die Hauptkräfte ver-
einigt bleiben.
Ähnlich wird selbstständige Kavallerie, welche die Nacht über
ruht, die wichtigsten, in die Vorpostenlinien führenden Annähcrungs-
linien des Feindes und Defileen mit Maschinengewehren besetzen.
Vielfach bietet sich Gelegenheit, die Aktion zu Pferde mit der
Verwendung der Maschinengewehre zu vereinigen, dem Feinde ge-
fährliche Hinterhalte zu legen, ihn anzufallen, währond die Maschinen-
gewehre ihn mit Feuer überschütten.
Im eigentlichen Reitergefecht können die Maschinen-
gewehre nur selten zur Verwendung kommen. Diese Waffen
finden dann besser weiter rückwärts, an Punkten Aufstellung, an
welchen im Falle eines Mifserfolges der vorfolgende Feind aufgehalten,
die fliehende Truppe gesammelt werden kann.
Der im Verbände der Armee oder von Heeresteilen kämpfenden
Kavallerie können die Maschinengewehre selbst dann ein Feld der
Thätigkeit schaffen, wenn das Gelände der Verwendung der Reiter-
waffe nicht günstig ist. In jeder Phase des Gefechtes, beim Aufhalten
der feindlichen Avantgarden, beim Schutze des eigenen Aufmarsches,
gegen feindliche Umgehungskolonnen und im Augenblicke der Ent-
scheidung bieten sich Ziele, deron Beschiefsung grofsen Erfolg ver-
spricht.
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der schweizerischen Reiterei.
61
Endlich befähigt diese Waffe die Kavallerie noch mehr als bisher
zur Verfolgung und zur Deckung des Rückzuges, besonders wenn es
gelingt, überraschend von der Flanke aus gegen feindliche Massen
aufzutreten.
„Ein geschickter Reiterführer kann selbst mit einer schwachen,
aber beweglichen, mit Maschinengewehren ausgerüsteten Truppe in
unserm Gelände Grofses leisten. Er wird nie davor zurückschrecken,
seine Maschinengewehre zu opfern, wenn es gilt, damit einen ent-
scheidenden Erfolg zu erringen oder seine Truppe zu retten."
Den Abschlufs bilden kurze Angaben über die Pionierarbeiten.
Die von Herrn Oberst Wille, dem verdienstreichen Waffenchef der
Kavallerie, ausgearbeiteten „Vorschriften" werden den schweizerischen
Kavallerieoffiziren für die Ausbildung und den Felddienst stets gute
Dienste leisten. 3(5.
Frankreichs Grenzschutz,
Von
Graf von Harlingen, Major.
I. Die „Alpes maritimes".
Es gehört fast zu den Lebensbedingungen der Franzosen, seit
den für sie so schmerzlichen Ereignissen des deutsch-französischen
Krieges, ab und an die chinesische Mauer, mit der sie sich nach
Osten hin vor fremder Offensive zu schützen meinen, auf ihre Dauer-
haftigkeit zu prüfen. Ein gewisses Behagen erfüllt sie, wenn sie
konstatiren konnten, dafs alle Pforten geschlossen und dafs trotz der
grofsen Kaserne (Metz) einer Gefahr schnell zu begegnen sei. Man
richtete schon 1873 und 74 die besondere Aufmerksamkeit auf jene
Tunkte der Nordostgrenze, durch welche feindliche Invasionen ermöglicht
werden konnten und schlofs die Pässe im Jura und die in Savoyen.
Hiermit glaubte der „conseil superieur de la defense" genug gethan
zu haben, besonders, da von Italien her lange keine Gefahr drohte.
Seitdem man aber auch dort militärisch regsamer geworden ist,
seitdem wiederholt italienische Manöver sich im Gebiet der südlichen
Alpenregionen abspielten, wendete sich der Blick der Franzosen mehr
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02
Frankreich« Grenzschutz.
und mehr auch auf diesen Teil der Grenze, er schweifte hinüber nach
Italiens Flotte, nach seinem eigenen Küstenschutze und dem seiner
Inseln.
Gewifs ist diese Umschau nicht unberechtigt — sie gab den Anlafs
zu Gesetzentwürfen, welche wesentliche Änderungen bedingen in den
Ressortverhiiltnissen, sie hat aber auch für uns einen nicht unbedeutenden
militärischen Wert.
Wenn wir zunächst die Verteidigung der Alpen und im Besonderen
diejenige des Departements der „Alpes-Maritimes" besprechen, so
bezeichnet die öffentliche Meinung in Frankreich diesen Teil der Grenze
geradezu als den wunden Punkt, seine Achillesferse. Wir wollen
uns nicht damit beschäftigen, das zu erweisen, oder zu widerlegen,
sondern die Thatsachen reden lassen. Als König Humbert im Oktober
v. J. den Manövern der Alpentruppen beiwohnte, glaubten die Franzosen
allen Ernstes, die Italiener würden ihr Gebiet betreten, man schrie,
wie stets bei solchen Gelegenheiten, die Truppen hätten ungenügende
Effektivstärken, man entblöfse diesen Teil der Grenze völlig, man
müsse die Bevölkerung beruhigen, indem das System der Verteidigung
geändert werde. Demgegenüber betonten dio Fachblätter, die Italiener
würden nicht weit kommen, wollten sie hier vorgehen; immerhin sei
es gut und nützlich, die Bewohner dieser Gebirgslandschaften mit der
Art, wie hier die Verteidigung geführt werden solle, rechtzeitig
vertraut zu machen, damit sie nicht von den Ereignissen überrascht
würden. Vor Allem sollte man nicht daraus, dafs bestimmte Punkte
absichtlich dem Feinde preisgegeben würden, auf eine Niederlage
schliefsen ; die demnächstige Entscheidungsschlacht (falls sie gewonnen)
werde Alles wieder gut machen.
Erst seit fünf bis sechs Jahren hat man thatsächlich sein Augen-
merk auf den Grenzteil zwischen Briangon und Nizza gerichtet
und letzteren Ort zum Mittelpunkt der Verteidigung bestimmt. Von
Nizza, das zu einem verschanzten Lager erweitert wurde, ging
weiterhin gegen die Grenze der eigentliche Grenzschutz aus, der dem
eindringenden Gegner Schritt für Schritt den Boden streitig machen
sollte. Hierdurch werde Zeit gewonnen, um eine Feldarmee in der
Provence zu versammeln, nach dem Var zu dirigiren und so dio
italienische Armee zwischen zwei Feuer zu bringen.
Infolgedessen wurde die Umgebung von Nizza zwischen Monaco
und le Paillon, welche auf etwa 6 km im Norden der Stadt eine durch-
schnittliche Höhe von G50 m erreicht, mit Werken gekrönt und zwar
denjenigen von la Tcte-de-Chien, la Forma, la Itevere und la Drette,
auf der anderen Seite von lo Paillon sperrt ein Werk die Strafse von
Tenda und die von Saint Martin-Santosque. Wären diese Werke
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Frankreichs Grenzschutz.
63
wirklich fertig und armirt, so liefse sich nichts gegen sie einwenden ;
aber die Arbeiten sind zwar begonnen, schleichen aber nur langsam
vorwärts.
Wenn wir uns weiter die bewegliche Verteidigung betrachten, so
handelt es sich hier nicht darum, Italien angreifen zu wollen. Wollte
man das, so war es richtig sich in Besitz der dominirenden Höhen zu
setzen; anderenfalls konnte es doch wohl nur darauf ankommen, dem
Gegner das Passiren der Thäler zu verwehren. Diese also waren zu
schliefsen, nicht aber die Höhen daneben zu besetzen, von denen aus
die Thalsohle nur an einigen wenigen Stellen eingesehen werden kann.
Alle dominirenden Höhen zu verteidigen ist zudem unmöglich; die
Verteidigung würde, auf jedem Punkte zu schwach, sich zersplittern,
jeder Zusammenhang unter den einzelnen Abteilungen, ja die Möglichkeit
gegenseitiger Unterstützung würde fehlen. Der Angreifer findet überall
Gelegenheit, solche Positionen zu umgehen, und wäre es auch nur
auf Saumpfaden. Aus diesen Gründen also erscheint es vorteilhafter,
die Aufstellung dort zu wählen, wo mehrere solcher Thäler sich ver-
einigen; da wird sich schon eine Möglichkeit finden, dem Gegner das
weitere Vordringen zu verwehren; denn er kann doch auch nur weiter
vorwärts in dem Thale, das durch die Vereinigung der Nebenthäler
sich bildete. Nur ist darauf zu achten, dafs die eigenen Flanken ge-
schützt sind; fast immer wird es möglich sein, sich rechtzeitig zurück-
zuziehen in eine im Voraus rekognoscirte Stellung. Wenn von einer
beweglichen Verteidigung die Rede ist, kann es sich zweifellos nicht
um Truppen handeln, die an einen bestimmten Punkt gebunden, in
Kasernen und Baracken untergebracht sind, noch viel weniger aber
um Befestigungen, welche irgendwie den Charakter permanenter tragen:
man mufs „tout porter ä la semeile de ses souliers." —
Auch wird der Verteidiger von keiner bestimmten Front reden
können und sagen, der Feind komme von Osten oder Norden her;
ferner mufs er dafür Sorge tragen, die Zahl der Wege eher zu ver-
ringern als zu mehren, denn jeder derselben kommt dem Angreifer
zu Gute. Diese Grundsätze sind anscheinend bei dem beweglichen
Teil der Verteidigung der Südalpengrenze nicht voll berücksichtigt
worden, und doch wäre hierzu vollauf Gelegenheit gewesen. Denn
die Thäler der Tince, der Vesubie, des Paillon und sogar das obere
Thal der Hoya vereinigen sich sämmtlich gegen Nizza hin und während
die Hoya zulefzt die Grenze verläfst und sich mehr gegen Südosten
wendet, zieht die Hauptstrafse von Tenda über Sospel und l'Escareme
direkt auf Nizza weiter. Der Abschnitt von der Tinee oder dem Var
bis zum Meere hin, war konzentrisch auf das verschanzte Lager von
Nizza zu basiren, von dem aus in alle die vorgenannten Thäler be-
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64
Frankreich» Grenzschutz.
wegliche Teile der Verteidigung vorzutreiben waren, die durchaus nicht
allzustark zu sein brauchen, denn der Verteidiger kennt Weg und
Steg und besonders alle Sclilupfwinkel, um sich dem Angreifer noch
rechtzeitig zu entziehen.
An Stelle dessen haben die Franzosen die vorderste Verteidigungs-
linie auf die Höhen gelegt, welche das rechte Ufer der Roya be-
gleiten: 1' Aution, le Yentabron, le col de Brouis, dann Sospel; diese
Linie zieht sich südlich weiter auf le Barbonnet, le mont Agel und
la Tete -de- Chien. Als zweite Verteidigungslinie wählten sie die
Niederung von Turini, den Kamm von Peira-Cara, Rocaillon und die
Anhöhen von Escareme. Einzelne dieser Punkte sind von Bataillonen
besetzt, späterhin erbaute man Verteidigungsbaracken und jetzt ver-
langen die Verteidiger von Nizza die Zuteilung von Artillerie. Da
die Front der ganzen Verteidigung nach Osten hin liegt, so kann als
Rückzugslinie nicht Nizza, sondern die Var- und Tinee-Linie angesehen
werden. Da aber kein auch nur annähernd praktikabler Weg von
Ost nach West führt, wird seitens der Verteidigungskommission
dringend die Anlage solcher für notwendig gehalten, besonders von
Escareme über Saint-Blaise auf Saint Martin du Var und von Turbie
über Tourette auf Aspremont.
Die öffentliche Meinung glaubt, dafs die vorerwähnten Massnahmen
lediglich auf ein Übereinkommen zwischen dem kommandirenden
General des 14. Korps und dem früheren „Ministre civil de la guerre"
zurückzuführen seien, dafs der Generalstab, wie der „eonseil superieur
de la guerre" davon keine Ahnung gehabt hätten. Das ist jedenfalls
sicher, dafs kein mit dem Gebirgskriege vertrauter Infanterist die
Zuteilung von „batteries montees" wünschen wird; auch würde er
nicht dafür sein, einige Geschütz-Epaulements durch Infanterie be-
wachen zu lassen. Sehr bezeichnend ist in dieser Beziehung eines
alten französischen Generals Ausspruch bei der Diskussion des Budgets
des Genies ,,Ich beantrage 30 % Reduktion der Arbeiten des Genies."
In dieser Hinsicht ist ein dreifacher Felder begangen:
1. Mit dem Augenblicke, wo sich die Verteidigung durch Unter-
kunftsbauten und Befestigungswerke an den Boden festklammerte, hörte
sie auf, beweglich zu sein; ihre Frontausdehnung ist nicht mehr von
den Streitkräften abhängig, welche man ev. zur Verfügung hat. Die
Verteidigungsfront ist vielmehr gerade diejenige, welche zur Besetzung
geringfügige Kräfte erfordert ; fehlen diese, auf weitem Räume verstreut,
so ist die Verteidigung aufs Spiel gesetzt.
*2. Mit dem Augenblick, wo die Front der Verteidigung gegen
Osten gewendet wurde, erhielt sie von Nizza bis PAution die viel zu
grofse Ausdehnung von 30 km. Sie entbehrt vor Allein der Tiefe,
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Frankreichs Grenzschutz.
65
wendet die linke Flanke dem Feinde zu und kann, wenn auch auf
Saumpfaden, umgangen werden, sobald die Angreifer die Engpässe
der oberen Vesubie, den von Fenetre, von Cereze und Fremamortc
benutzen. Wie in Algier sollten die Verteidiger doch auch hier be-
herzigen, dafs, wo eine Ziege klettern kann, auch ein Mensch im
Stande ist zu passiren und also auch ein Saumtier.
3. Wenn dem Drängen nach besserer Verbindung von Ost nach
West hin nachgegeben wird, so schwächt sich der Verteidiger dadurch
selbst; die Wege, welche die Thalsohlen begleiten, sind leicht zu be-
herrschen; diejenigen, welche den Kämmen folgen oder sie über-
schreiten, haben ebensoviel starke wie schwache Punkte und um
diese letzteren Wege kann es sich füglich hier nur handeln.
Der französische Oberst F. Robert, ancien Chef dYtat major du
17. corps, dessen Feder wir in obigen Betrachtungen nach der „France
militaire" im Allgemeinen gefolgt sind, giebt dafür, dafs dieser dritte
Punkt richtig sei, folgendes Beispiel.
Er erzählt, dafs er 1881 gelegentlich einer Reise nach Lothringen
Metz besucht habe, das Thal der Nied, Boulay, dann Bouzonville
(Busendorf) und über Diedenhofen zurückgekehrt sei.
In Diedenhofen fand Oberst Robert bei einem Spaziergange in Ent-
fernung von drei km westlich der Stadt eine Erhebung, welche nach der
Karte um 160 — 170 m die Stadt überhöhte, die Höhen von Guentrange.
Er hatte bestimmt angenommen, dafs die Deutschon diesen wichtigen
Punkt, den Schlüssel zur Stadt, mit einem Fort gekrönt haben würden,
fand aber zu seinem Erstaunen diese Annahme nicht bestätigt. Es
war die ganze Gegend wie verlassen und selbst die auf seiner Karte
verzeichneten zahlreichen Wege, welche von der Stadt herkamen,
waren nicht zu finden. Auf Befragen bei den Einwohnern wurde ihm
geantwortet, die Wege wären nach und nach sämmtlich eingegangen,
so dafs die Bebauung sehr erschwert sei. Und da auch die Gehölze
urbar gemacht worden waren, welche den Kamm jener Erhebung
einst bedeckten, so wurde dem Franzosen klar, warum die Deutschen
zu solchen Mafsnahmen geschritten seien. Hätten sie auf den Höhen
von Guentrange ein Fort etablirt, so würde dasselbe unzweifelhaft
von dem um 100 m überhöhenden linken Moselufer her, im Besonderen
vom Signal von Beuvange her anzugreifen gewesen sein und das Fort
wäre nicht zu halten gewesen. Dafür wären sie, so berichtet Oberst
Robert an seine Kameraden „du ministere" weiter, nun aber in der
Lage, indem sie die fraglichen Höhen unter das Feuer ihrer eigenen
Batterien nähmen, dem Gegner es zu verwehren, dort einen Belagerungs-
Park zu etabliren.
Oberst Robert hat dann auch noch weiter die Grenze von Verdun
Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. VMC, 1. 5
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Frankreichs Grenzschutz.
bis Epinal besichtigt und findet, dafs dort doch nicht Alles zum Besten
stehe. Während er in Metz die Deutschen in Waffen starrend fand,
fehlte es auf französischer Seite an Personal und Material. Er ist
erfreut, dafs nun endlich seinem Wunsche nachgekommen ist, in
Verdun, Toul und Epinal je eine Division versammelt zu sehen.
Ähnliches erhofft er auch für die Südostgrenze. Eine Division
in Nizza mit voller Artillerie und allem jenen Material, das zu einem
verschanzten Lager erforderlich ist. Das ist nun allerdings zunächst
noch ein frommer Wunsch; denn in Nizza stellt allerdings der Stab
des Armeekorps, zwei Bataillone „chasseurs a pied" (6. und 7.), ein
Bataillon Eufsartillerie (1.'?.), Inf.-Keg. 55 in Nizza und Signe (fast
100 km Luftlinie) und Inf.-Iteg. 112 in dem nahe bei Nizza gelegenen
Antibes. Die nächste Feldartillerie (zwei Regimenter) liegt in Nimes.
Da nun einmal die Auf enwerke von Nizza angelegt werden
sollen, müssen sie auch ausgebaut und annirt werden; die äufsere
Verteidigung sollte aber möglichst beweglich sein und sich hinsichtlich
Entfernung und Frontausdehnung lediglich nach dem Effektivstande
der hierfür bestimmten Truppen richten*).
Der event. Rückzug dieser vorgeschobenen Teile der Verteidigung
würde konzentrisch auf das verschanzte Lager von Nizza hingehen;
dadurch werden die Verbindungslinien für den Gegner immer schwieriger
und entfernen sich in einem Lande, das an sich arm ist, immer mehr
von der Heimat, mit der auch keine Eisenbahn ihn mehr verbindet.
Allerdings wird die Bevölkerung auf die Eigenart des Krieges hin-
zuführen sein. Die vom General Ferron bereits als gesundheitswidrig
bezeichneten Baracken oder Kasernements und alle aufserhalb des
verschanzten Lagere aufgeführten Erdwerke für Batterien etc. sind
aufzugeben. Die französischen Grenztruppen würden sich demnach
ebenso verhalten wie die italienischen: während der guten Jahreszeit
werden sie in den Dörfern bei den Bewohnern derselben untergebracht,
im Winter kehren sie in ihre Garnisonen zurück.
Zum Schlufs möchte Oberst Robert das Ober- Kommando über
Gebirgstruppen nieht ausschliefslich den Offizieren der Artillerie und
des Genies anvertraut wissen. Er meint, der Gcbirgskrieg sei Spezialität
des Infanteristen und wenn irgendwo, so passe für ihn der Ausspruch:
,,in pedite robur."
Zwei Momente sind es, welche wir noch an der Hand vorstehender
Erwägungen betrachten wollen. Das eine, dafs wir für eine Haupt-
*) Die Peputirten dieser Gegend behaupten, dafs Anfang Oktober 1893
die Infanterie -Regimenter mir 550 Mann, die Alpen-Hataillone nur 230 Mann
stark gewesen seien.
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Frankreichs Grenzschutz.
07
Verteidigung hinter den Alpen eintreten. Für eine solche spricht
auch Clausewitz (Lehre vom Kriege IG, Kapitel). Er sagt unter
Anderem: „Verteilte sie (die Verteidigung) sich in den hohen Alpen,
so würde sie von jedem entschlossenen Gegner überwunden werden,
ohne auch nur die Alternative eines Sieges oder einer Niederlage zu
haben, während sie in der Ebene von Turin die Chancen jeder anderen
Armee haben würde." (Es ist hier eine Verteidigung auf italienischer
Seite angenommen, die in Wirklichkeit, selbst auch für die vor-
geschobenen Teile ein Hineinziehen des Gegners ins Land beabsichtigt.
Für den hier besprochenen Fall gelten naturgemäfs die nämlichen
Grundsätze).
Über die eigentliche Verteidigung sagt Clausewitz im 17. Kapitel
weiter: „Zwei Hauptelemente kommen darin vor, nämlich erstens die
Verteidigung steiler Abhänge, zweitens enger Thäler. Diese letztere
nur, die oft, ja meistens die gröfsere Wirksamkeit im Widerstände
gewährt, läfst sich mit der Aufstellung auf dem Höhenrücken nicht
wohl vereinigen, denn es ist oft die Besetzung des Thaies selbst
erforderlich, und zwar mehr bei seinem Austritte aus der Gebirgs-
masse, als bei seinem Ursprung, weil es dort tiefer eingeschnitten ist.
Aufserdem bildet diese Thalverteidigung ein Mittel, Gebirgsgegenden
auch dann zu verteidigen, wenn auf dem Rücken selbst gar keine
Aufstellung genommen werden kann; sie spielt also gewöhnlich eine
umso gröfsere Rolle, je höher und unwegsamer die Masse des Gebirges
ist." Und weiterhin: „Niemals finden wir die Heere auf dem Haupt-
rücken, immer an dem Abhänge, bald höh r, bald tiefer aufgestellt etc."
Und: „In den Feldzügen von 1799 und 1800 haben die Hauptposten
der Franzosen wie der Österreicher jederzeit in den Thälern selbst
gestanden, nicht blofs quer über dieselben, um sie zu sperren, sondern
auch ihrer Länge nach, während die Rücken entweder garnicht oder
nur mit wenigen einzelnen Posten besetzt waren. . . „Will man
nun durchaus Streitkräfte im Gebirge hubon, um Herr desselben
zu sein, so bleibt nichts Anderes übrig, als sie in den Thälern auf-
zustellen. Auf den ersten Blick erscheint dies fehlerhaft, weil man
nach den gewöhnlichen theoretischen Vorstellungen sagen würde:
Die Höhen beherrschen die Thäler. Allein so ist es nicht; die Rücken
sind nur auf wenigen Wegen und Pfaden zugänglich und mit seltener
Ausnahme nur für Fufsvolk, weil die Fahrstrafsen den Thälern folgen.
Der Feind könnte also nur auf einzelnen Punkten mit Infanterie
erscheinen; für ein wirksames Flintenfeuer ist aber bei diesen Gebirgs-
massen (wir möchten hier einflechten „auch jetzt noch") die Ent-
fernung zu grofs und so steht man denn im Thale weniger gefährlich,
als es das Ansehen hat. Aber freilich ist eine solche Thalverteidigung
5*
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08
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
einer anderen grofsen Gefahr ausgesetzt, nämlich der, abgeschnitten
zu werden . . ."; „keine dieser Verteidigungsstellungen im Thale,"
fährt Clausewitz fort, „verteidigt die Ausmündung eines solchen
Gebirgspfades im Thal, der Feind bringt also nach und nach über-
legene Massen herunter, breitet sich dann aus und sprengt die dünne
und von dem Augenblick an sehr schwache Linie etc "
Darum redeten wir weiter vorn der Aufstellung an solchen
Stellen das Wort, an welchen das Zusammentreffen mehrerer Thäler dem
Verteidiger gestattet, der Gefahr, abgeschnitten zu werden, zu begegnen.
Zum Schlufs kommen wir in unserer heutigen Betrachtung der
Verhältnisse au der Südostgrenze Frankreichs auch darauf zurück,
dafs das gefürchtete Vorgehen einer italienischen Armee durch den
Süden Frankreichs kaum jemals zur Ausführung kommen wird.
Clausewitz hält die „schon oft versuchte Idee eines solchen Angriffs
für einen entschiedenen Fehler" und vergleicht sie damit, als wolle man
ein Gewehr an der Spitzo seines Bajonets von der Erde aufheben.
Erfurt, Februar 1894. (Schlufs folgt.)
IV.
Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik
und des ersten Kaiserreichs.
Man darf es als eine merkwürdige Erscheinung bezeichnen, dafs
selbst über das Jahr 1831 hinaus die Reglements des französischen
Heeres in viel weniger ausreichendem Mafse die Folgerungen aus der
neuen Taktik ziehen, welche die Revolution und das erste Kaiserreich
geboren hatte, als z. B. das Reglement von 181*2 für die preufsische
Infanterie, dessen geistiger Vater Scharnhorst genannt werden mufs.
Die Ordonnanz von 1831 kann man als den „historischen Niederschlag"
der napoleonischen Taktik nicht betrachten, sie änderte das Reglement
von 1791 nur unwesentlich und dieses letztere konnte naturgemäfs die
Früchte der taktischen Erfahrungen und Grundsätze, welche die Kriege
der Revolution und des I. Kaiserreichs reiften, nicht enthalten. Lehnte
sich dies Reglement doch eng an die Lineartaktik, besser gesagt an
die komplizirten und künstlichen Manöver an, die Friedrich d. Gr. in
Potsdam nach dem 7jährigen Kriege ausfuhren liefe und denen Guibert
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und des ersten Kaiserreichs.
69
im Kampfe mit der sogenannten französischen, durch Mcnil Durand,
Broglie und Maizeroy vertretenen Schule der „perpendikulären Ordnung"
den Sieg verschafft hatte. Und doch läfst sich für dieses Nicht-
beachten oder unzureichende Beachten der eigenen Erfahrungen eine
Erklärung finden. Napoleon hat kein offizielles Reglement für die
Infanterie hinterlassen, offiziell beruhten Bewegungen und Kampf der-
selben auf dem Reglement von 1791, welches ja allerdings als
Konzession an die französische Schule die „colonne serree" und die
„colonne d'attaque" enthielt, die Praxis aber hat mit diesem Reglement
völlig gebrochen. Für die Kavallerie hatte die Ordonnanz vom
22. Septbr. 1804, die als provisorisch bezeichnet wurde, einige
Änderungen des Reglements von 1788 gebracht. Bei der Artillerie
haben wir die Zeit von 1800 bis 1809 als Übergangs-Stadium zu be-
trachten, sowohl in Bezug anf Organisation, als auf Reglement.
Einzelne bemerkenswerte Zeitpunkte treten in derselben hervor, so
z. B. die Ordonnanz von 1805 betreffend die Massenverwendung der
Waffe. Das Reglement vom 15. Oktober 1809 schuf ein Definitivum.
In Bezug auf Manöveriren mit gröfseren Truppenkörpern mufsten die
Veränderungen, die mit dem Erscheinen Napoleons an mafsgebendor
Stelle die Gefechts-Methode der Revolution erfuhr, die Bestimmungen
des Reglements von 1791 durchbrechen. Liefen doch die von Napoleon
angenommenen Grundsätze denjenigen des genannten, sich an die
Lineartaktik anlehnenden Reglements genau entgegen. Zur Heraus-
gabe offizieller Reglements liefsen die ununterbrochenen Kriege nicht
kommen. Ungeschrieben pflanzten sich die taktischen Formen, wie
sie die Praxis herausgebildet, durch Tradition fort. Die beiden
Restaurationen von 1814 und 1815 verwischten mit dem Ausscheiden
einer grofsen Zahl, ja fast aller erfahrenen Offiziere aus dem Heere,
auch die taktische Tradition, zumal Hafs gegen die Revolution und
das Kaiserreich eifrig bemüht waren, das zu zerstören, was beide ge-
schaffen. Natürlich hatto auch der ununterbrochene Wechsel in der
Gliederung und Zusammensetzung des Heeres einen weitreichenden
Einflufs auf die Schwierigkeit, die Erfahrungen in der neuen Kampfes-
weise in Reglements niederzulegen. Das Ausland, vor Allem Preufsen,
eilte Frankreich darin weit voraus.
Be8timmungsgemäfs lag auch den Übungen in den Lagern von
Boulogne, Utrecht, Compiegne, St. Malo und Bayonne das Reglement
von 1791 zu Grunde. General Foy belehrt uns aber: „Le rcglement
de 1791 resta pour les subalternes le Ii vre de la loi, mais los chefs
s'aecoutumerent ä en varier l'application suivant les besoins de la
guerre." Napoleon liefs den Führern seiner höheren Einheiten im
Allgemeinen auch völlig freie Hand in der Wahl der Formen, die sie
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70
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
nach den Umständen für die zweckmäfsigsten hielton, selten nur gab
er bindende Vorschriften. So entstand denn eine Mischung aus dem,
w as das Reglement von 1701 vorschrieb, den Ansichten der französischen
„ocole perpendiculaire" und dem, was die Revolutionskämpfe geboren,
freie Kombinationen, die sich durch Überlieferungen fortpflanzten, mit
dem Schwinden der kaiserlichen Armee in Frankreich aber aufhörten,
während zweifellos das preufsische Reglement von 1812 als der ab-
geklärte historische Niederschlag der herrschenden taktischen An-
sichten betrachtet werden darf.
Schon die ersten Kämpfe der Revolution mufsten das an das
Linearsystem sich anlehnende Reglement von 1701 in die Brüche
gehen lassen; die Vorbedingungen, welche die Anwendung dieses
Reglements gebieterisch stellte, waren in den Massen der Revolution
nicht erfüllt. Mit der Lineartaktik war in der Praxis sofort auf
Nimmerwiedersehen gebrochen, nicht mit Überlegung, nicht in ziel-
bewufster Absicht zunächst — denn in der Manöver-Instruktion des
Inspekteurs der Rheinarmee vom Jahre 1800 finden wir fast nur An-
klänge an die Grundsätze des Reglements von 1791 und die meisten
Formen desselben — sondern durch den Zwang. Wir haben in unserem
Aufsatze „Zur Strategie und Taktik Napoleons'' in diesen Blättern
(Juli bis Septbr. 1885) schon eingehend beleuchtet, wie Napoleon, als
er don Stab des Oborfeldhcrrn ergriff, den Übergang zur neuen
Kampfesweise bereits vollzogen vorfand, wie seine ordnende Handmanches
Formlose in festere Rahmen zu fügen, die empirisch entwickelte
Taktik weiter auszubauen hatto, wie neue organische Rahmen ihm
ermöglichten, den strategischen Grundsatz der Bewegung von Massen
in entscheidender Richtung zum Schlage auch in das Taktische zu
übersetzen. Wir werden auf das dort Gesagte vielfach zurückkommen
müssen und weisen auf diesen Umstand hin, damit man uns nicht
des Tlagiats zeihe.
Betrachten wir aber zunächst die Organisation des Instruments,
wie sie sich entwickelte, um so mehr, als wir oben als einen der
Gründe für das Nichtbestehen von Reglements, welche die taktischen
Grundsätze und Formen der Kämpfe des Kaiserreichs festlegten, den
häufigen Wechsel in der Organisation genannt haben. „Die grofsen
Feldschlachten schreiben sich von 1805 her," sagt Jomini mit Recht.
Eine nach den neuen Prinzipien geleitete führt uns Carnot allerdings
bei Wattignies schon vor, da sich dort der Grundsatz der örtlichen
Massenüberlegenheit mit neuen, von den friedericianischen ver-
schiedenen Mitteln klar ausspricht. Die übrigen Schlacht en der Re-
volutionszeit zeigen uns in der Periode von 1793 bis 1795 fast überall
Kräftezersplitterung, statt Kräftesammlung, von bewufster Ökonomie
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und des ersten Kaiserreichs.
71
der Kräfte kann kaum geredet werden. Selbst Napoleons erste
Schlachten tragen noch den Charakter von Sammlungen von Gefechten,
auf deren Gang er in geringerem Mafse eingewirkt, als er wünschte
und wünschen mufsto. Bassano zeigt uns gröfsere Zersplitterung auf
Napoleons, als auf Alvinzi's Seite, über Caldiero liifst sich kaum
Besseres sagen, Marengo war eine Schlacht ohne Disposition. Bestand
auch die Auflösung, die in den ersten Kämpfen der Revolution sich
zeigte und die Sammlung eines Mehrs von Kraft auf einem Punkte
der Schlachtlinie rein dem Zufall überliels — jene Auflösung, die man
als eine Folge der Kurzsichtigkeit betrachten mufs, welche auf absolut
verschiedener Grundlage dasselbe taktische System aufbauen, für un-
geschulte undisziplinirte Horden die Satzungen der Lineartaktik des
Reglements von 1791 gelten lassen wollte — schon nicht mehr, als
Napoleon an die maßgebende Stelle gelangte, so war das zu ver-
wendende Instrument für die Leitung doch noch zu wenig handlich,
der Gedanke des Zusammenarbeitens auf ein Ziel, des Richtens des
„Kraftkomplexes" auf einen Punkt den Führern der selbstständigen
Einheiten noch zu wenig zur Gewohnheit geworden. Mit dem Konsulat
aus der bis dahin vorhandenen chaotischen Verwirrung in Bezug auf
Etats heraustretend, wurde das Heer doch nur vorübergehend in einen
festen Rahmen von Einheiten gefafst. Derselbe erwies sich bei den
grofsen Kriegen bald als zu eng und eine ganze Reihe von Büdungen
und Bestimmungen „ad hoc" ergänzte denselben je nach den ob-
waltenden Verhältnissen so zwar, dafs mau wohl von gewissen Prinzipien
sprechen kann, die genaue Feststellung der jedesmaligen Organisation
und Stärke aber aufserst schwierig genannt werden mufs. Wir greifen
einen Moment heraus, über den wir bestimmte Angaben besitzen und
der auch insofern von Interesse ist, als mit demselben die grofsen
Kriege des Kaisers Napoleon in Europa beginnen, das Jahr, in welchem
die grofsen Übungen in den Lagern einen gewissen Abschlufs erreichen
und von dem sich, nach Jomini, die grofsen Feldschlachten her-
schreiben, 1805, um dann die bis 1814 eingetretenen wichtigsten
Veränderungen zu streifen. 1805 war die kaiserliche Armee,
mit dem Gesetz vom 20. August 1798, welches, wenn das Vaterland
in Gefahr, jeden waffenfähigen Franzosen für kriegsdienstpflichtig er-
klärte, sonst aber eine unbestimmte Anzahl von Bürgern im Alter von
20 bis 25 Jahren durch Konskription zum Dienst einberief, falls die
Freiwilligen nicht ausreichten, als Grundlage des Ergänzungsmodus
(aber von Napoleon in den meisten Fällen als nicht bindend be-
trachtet), wie folgt zusammengesetzt:
10 Batailone, 9 Eskadrons Garden, 28 Legionen Gendarmerie zu
Fufs und zu Pferde, 10 Regimenter Veteranen.
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72
Aus den Exerrir- Vorschriften der ersten Republik
112 Regimenter Linien -Infanterie (nach Sicard: „Histoire des
Institutions inilitaires des Francais", 90, da 22 vacant waren, von diesen
90 Regimentern 19 zu 4, 71 zu 3 Bataillonen) meist zu 3 Bataillonen
mit einer Grenadier-, einer Voltigeur-Kompagnie (1804 auch für die
Linien-Infanterie mit vorzugsweiser Bestimmung für das zerstreute
Gefecht errichtet), 8 Füsilier-Kompagnien. Voltigeure und Füsiliere
zu je 123, Grenadiere zu 83 Köpfen, sodafs die 1802 festgesetzte
Stärke von 1092 Mann pro Bataillon schon nicht mehr existirte.
Carnot hatte in seiner Halb-Brigade der Grenadier-Kompagnie 63, den
8 Füsilier-Kompagnien je 89 Mann gegeben, die neue Taktik, welche
die Bestimmung des Bataillons änderte, hatte die Vermehrung des
Bestandes desselben 1802 veranlafst.
31 (nach Sicard 2 7) leichte Infanterie-Regimenter zu je 3 Bataillonen
mit je einer Karabinier-, 9 Jäger- Kompagnien zu 83, bezw. 123 Mann,
also 1190 Köpfe pro Bataillon. Sicard giebt auch noch 12 Reserve-
Grenadier-Bataillone an.
Kavallerie. 2 Regimenter Karabiniers zu 4 Eskadrons, 12 Re-
gimenter Kürassiere (1803 — 4 und 5 geschaffen) zu 4 Eskadrons mit
je 173 Köpfen. Karabiniers und Kürassiere bildeten die schwere
Kavallerie.
30 Dragoner-, 24 Chasseurs-, 10 Husaren-Regimenter zu je 4 Es-
kadrons a 232 Mann als leichte Kavallerie. Nach Sicard „Histoire
des Institutions etc." sind diese Etats-Ziffern nicht ganz zutreffend.
Er giebt 1805 für alle Kavallerie- Regimenter 4 Eskadrons ä 2 Kom-
pagnien, die Stärke der Kompagnie auf 3 Offiziere, 97 Mann, 101 Pferde,
für die Eskadron also 6 Offiziere, 194 Mann, 202 Pferde, für das Re-
giment mit Stab 820 Mann, 831 Pferde an.
Artillerie. 8 Regimenter fahrende Artillerie der Linie mit
176 Kompagnien (nach Sicard), deren Kopfstärke zunächst 94 Mann
betrug, 1807 aber auf die volle von 120 Köpfen kam und von denen
jede eine Batterie zu 6 Geschützen besetzte. 6 Regimenter reitende
Artillerie der Linie mit zusammen 37 Kompagnien (ä 3 Offiziere
105 Köpfe, im Kriege gleiche Mannschafts-Stärke, 105 Pferde), die je
eine Batterie zu G Geschützen besetzten, 2 Kompagnien der Garde
mit 4 Offizieren, 64 Mann, 32 Pferden im Frieden, 4 Offizieren, 96 Mann.
96 Pferden im Kriege.
8 Artillerie-Train-Bataillone der Linie, 4 Kompagnien der Garde.
1801 wurde der Artillerie -Train in 8 Bataillonen ä 2 Kompagnien
durch den I. Konsul geschaffen und zu je einem Bataillon mit je
160 Zug- und 20 Reit-Pferden den 8 Artillerie -Schulen zugeteilt, die
diese Bespannung den einzelnen Kompagnien nacheinander zur
Schulung der Leute im Reit- und Fahr-Dienst überliefsen. So wurden
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und des ersten Kaiserreichs.
73
die Fuhrknechte, die bis zum I. Konsulat die Geschütze gefahren
hatten, überflüssig und die Möglichkeit geboten, mit den ausgebildeten,
nur durch Soldaten besetzten Batterien auch zu manövriren. Mit
dem I. Konsulat Bonaparto's begann für die französische Artillerie ja
überhaupt ein Übergangs-Stadium, das zu einer zweckmäfsigen Ver-
teilung der in Parks zusammengehaltenen Geschützmassen im richtigen
Verhältnifs zur Kombattantenzahl und 1803 auch zur Abschaffung
des Systems Gribeauval führte. Von 1803 ab finden wir in der
Artillerie der Feld -Armeen 6Pfünder mit 6 Kaliber langen Rohren,
kurze 6Pfündcr, kurze und lange 12 Pfünder, 8- und 6zöllige Hau-
bitzen, Schufsweite zwischen 900 und 1 200 Meter Maximal, wirksamste
Entfernung zwischen 400 und 700 m. Bezüglich der Infanterie-
Bewaffnung sei hier auch gleich kurz erwähnt, dafs das Gewehr 1777
auf 114 m Kernschufs hatte, man bis 130 m auf gute Wirkung rechnete,
zweckmäfsige Schäftung und geschweifter Kolben das Zielen mit dem
erleichterten und im Kaliber verkleinerten Gewehr erlaubten, der
Mann 50 Patronen bei sich trug und das Gewehr als denjenigen der
übrigen Mächte überlegen betrachtet werden konnte. Total finden
wir 1805: 439 Bataillone mit 463 000 Köpfen, 78 Kavallerie-Regimenter
(71 000 Köpfe), 176 fahrende, 39 reitende Batterien, ohne die Bundes-
Kontingente und die italienischen Truppen.
Sicard giebt die Stärke der Artillerie auf Kriegsfufs zu 1817
Offizieren, 52 885 Mann, 22 137 Pferde an, wobei die Pferde des
Artillerie-Trains eingerechnet sind. Bleiben wir zunächst bei dieser
Waffe, so sind, abgesehen von den Etablissements der Artillerie, die
nach der territorialen Zunahme Frankreichs wuchsen, folgende Ver-
mehrungen zu verzeichnen: am 1. November 1805 Formation der
Artillerie-Train-Bataillone 9, 10 und 11, am 15. April 1806 Vermehrung
der Artillerie der Garde auf 6 Kompagnien in einem Regiment, am
9. April 1807 1 neues Train-Batl, welches die Nr. 13 erhielt. Genau
1 Jahr später kam die Artillerie der Garde auf 6 Kompagnien zu
Fufs und 4 reitende, der 22. August 1808 schuf ein weiteres Artillerie-
Train-Bataillon. Gleichzeitig wurden die Bataillone verdoppelt und
zwar auf 26 zu je 109 Köpfen. Anfangs 1809 umfafste die Artillerie
09022 Mann und 38 156 Pferde, die Gliederung blieb unverändert.
Von 1809 bis 1813 trat eine sehr bedeutende, aber nicht genau
kontrolirbare Vermehrung der Artillerie ein. 1812 zählte dieselbe
87 722 Mann und 50423 Pferde. 1813 vermehrte man die fahrendo
Artillerie um 64 (darunter 10 für die Garde), die reitende um 7
(darunter 2 für die Garde) Kompagnien — die .Verschlechterung der
Infanterie veranlagte Napoleon zu dieser bedeutenden Verstärkung
der Artillerie — schuf ein 3. Pontonnier-Bataillon und brachte den
74
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Bestand auf 103 442 Mann, 58 170 Pferde, eine Ziffer, die das
normale Verhältnifs der Artillerie zu deji übrigen Waffen
bedeutend überstieg. 1814 weisen die offiziellen Angaben in der
Garde 20 fahrende, G reitende Batterien, je 1 Pontonnier- und Veteranen-
Kompagnie, 2 Train-Regimenter, bei der Linie 1) fahrende, 0 reitende
Regimenter, 3 Pontonnier-, 27 Train-Bataillone, aufserdem Artillerie-
Arbeiter, 19 Kannonier- Veteranen-, 33 Kannonier-Besatzungs-, 145
Kannonier- Küsten-Kompagnien auf. Grundlegend für die Schulung war
das Reglement vom 15. Oktober 1809.
Der Kavallerie treten 1800 4 Eskadrons Eclaireurs hinzu. Durch
dasselbe Dekret sollten die Infanterie-Regimenter durchweg die gleiche
Bataillons-Ziffer (3 und 1. Depot) und Kompagnie-Ziffer erhalten, bei
einer Mobilmachung das 3. und Depot-Bataillon, die Grenadier- und
Voltigeur-Kompagnien ergänzen und das Regiment mit 3 Bataillonen
und 18 Kompagnien, 2100 Mann stark, ausrücken. Eine Durchführung
dieses Plans fand jedoch nicht statt. Im Übrigen bedarf es nur eines
Blickes in Foucart: „Campagne de Prusse" und „Cavalerie pendant
la Campagne de Prusse" um zu konstatiren, dafs auch zu Beginn des
Feldzuges 1800 die Etats der Infanterie-Regimenter aufserordentlich
verschiedene waren. Wir finden Divisionen zu 3 Regimentern, die
höhere Etats-Stärken aufweisen, als solche zu 4 Regimentern, z. B.
I. Division VII. Korps mit 4 Regimentern und 6697 Köpfen, die
II. Division mit 3 Regimentern und 7134 Köpfen. Die Divisionen zu
4 Regimentern schwanken zwischen 8650 und 10 080 Köpfen, auch
waren Divisionen zu 5 Regimentern vertreten. Während des Krieges
traten daneben zahlreiche Formationen auf, die in den organischen
Rahmen nicht vorgesehen waren, Marschregimenter, polnische Legion,
unberittene Dragoner-Abteilungen u. s. w.
Durch Dekret vom 10. Mai 1807 erhielten die Kürassier- und
Karabinier-Regimcnter eine 5. Eskadron und 1040 Mann, 1050 Pferde.
Dasselbe Dekret brachte die Dragoner-, Chasseur- und Husaren-
Regimenter auf 1000 Mann, 1055 Pferde. In demselben Jahre er-
richtete man das 13. Kürassier-Regiment. Dieses behielt auch 1809
seine 5. Eskadron, während ein Dekret vom 24.12.1809 dieselbe
(ebenso wie die 9. (Depot-) Kompagnie bei den Husaren und Chassours)
bei den übrigen Kürassier- und den Karabinier-Regimentern wieder ab-
schaffte. 1810 kamen endlich die 10 ersten Kürassier-, die Dragoner-,
Husaren- und Chasscur-Regimenter auf gleichen Etat (960 Mann.
800 Pferde). Am 25.11.1811 befahl Napoleon, jeder Kürassier-
Division ein Regiment Chevauleger-lanciers zuzuteilen, diese erhielten
im Februar 1812 als Gegengewicht zu der rechts zu tragenden Lanze
einen Karabiner, die Kürassiere ein Mousqueton, das rechts am Sattel
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und des ersten Kaiserreich».
75
getragen werden sollte. Beide Waffen waren mit Bajonet versehen.
Ein Senats-Konsult vom 3. 4. 1813 schuf 4 aus Freiwilligen, die sich
selbst ausrüsteten und beritten machten, bestehende Regimenter Garde
d'honneur & cheval (in Versailles, Metz, Tours und Lyon), jedes zu
10 Eskadrons a 2 Kompagnien. 1813 belief sich die französische
Kavallerie auf 4 Regimenter Gardes d'honneur, 2 Karabinier-,
13 Kürassier-, '24 Dragoner-, 9 Chevauleger-lanciers-, 23 Chasseur-,
13 Husaren-, zusammen 93 Regimenter, zu denen noch 10 fremde kamen,
75 000 Köpfe ohne die Kavallerie der Garde. Diese zählte je 1 Regiment
Grenadiers a cheval, Dragoner, Chasseurs a cheval, 3 Chevauleger-
Lancier-Regimenter, die Mameluken und die Gendarmerie d'elite, total
8400 Mann. Einzelne Kavallerie-Regimenter weisen dabei 8 Eskadrons
auf. — Für die Linien-Infanterie- und leichten Regimenter ordnete
ein Dekret vom 18. 2. 1808 eine neue Organisation an. Sie sollten
je einen Stab und 5 Bataillone, darunter je 4 Feldbataillone zu
6 Kompagnien, das Depotbataillon 4 Chasseur- oder Füsilierkompagnien
erhalten und das Regiment aus 108 Offizieren, 38G2 Köpfen, die
Kompagnie aus 3 Offizieren, 140 Mann bestehen. Das Feldbataillon
hätte also 850 Köpfe enthalten. Indem Napoleon die Zahl der
Kompagnien im Bataillon verminderte, die Kopfstärke derselben aber
erhöhte, verringerte er die Tiefe der Gefechtskolonnen in Divisionen
und gewann aufserdem Kadres an Offizieren und Unteroffizieren für
die Vermehrung der Heeresteile in Spanien. — Ein Dekret vom
7. Juli 1808 wandelte eine Anzahl von provisorischen Bataillonen in
8 definitive Regimenter um, AVeichsellegion und Gebirgsjäger traten
hinzu. Von 1808 — 1811 wurden im Ganzen 13 neue Regimenter
formirt, 1812 und 1813 folgten mit den Mitteln der Aushebung des
Jahrganges 1812 (120 000 Köpfe) und einer 2. von 150 000 Mann
weitere Neubildungen (u. A. 23 neue Regimenter), so dafs Sicard für
die ersten Monate des Jahres 1813 den Bestand der französischen
und fremden Infanterie-Formationen auf 7G0 000 Köpfe schätzt und
folgende Gliederung angiebt: 120 Linien-, 32 leichte Infanterie-Re-
gimenter Franzosen, 4 schweizer-, 1 spanisches, f> Kroaten-, 1 illyrisches,
4 Fremden-Regimenter, 1 Bataillon des Fürsten von Neufchatel,
1 Fremdenbataillon, 1 portugiesische, 1 Weichsellegion zu 3 bezw.
4 Regimentern, Kolonialbataillone, Gebirgsjäger, Pionier-Kompagnien
und Reserve-Kompagnien der Departements. — Am 3. 4. 1813 wurden
10 000 Gardes d'honneur, 80 000 Mann des I. Aufgebots der National-
garde, 90 000 Mann des Jahrgangs 1814, total 180 000 Köpfe auf-
geboten, am 24. 8. mufsten die 24 Departements des Südens weitere
30 000 Mann für die spanischen Heerteile liefern, ein Senats-Konsult
vom 9. 10. 1813 stellte aus den Jahrgängen 1814 und 1815
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Aua den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
280 000 Konskribirte, ein anderer vom 15. 11. weitere 300 000 Mann
zur Verfügung des Kriegsniinisteriums, so dafs die Armee in einem
Jahre von der Bevölkerung 790 000 Mann an Neucinstellungen fordorte.
Hierzu kam noch, dafs ein Dekret vom 15. 1. 1814 die Bildung von
Freiwilligen-Regimentern aus den Arbeitern der Manufakturen von
Amiens, Rouen, Paris anordnete.
Zu den aufgeführten Formationen sind noch die Garden hinzu-
zurechnen, deren Anwachsen zu den verschiedenen Zeiten wir hier
nicht weiter verfolgen können. Wir stellen nach Sicard nur fest,
dafs dieselben Ende 1813 an Infanterie zählten: 2 Grenadier- Regimenter
zu Fufs mit 3200, 1 Grenadicr-Füsilier-Regiment mit 1600, 1 Lehr-
bataülon mit 9000, 19 Grenadier-Tirailleur-Regimenter mit 30 400,
1 Grenadier-Flanqueur-Regiment mit 1850, 2 Regimenter Chasseurs
ä pied 3200, 1 Regiment Chasseur-Füsiliere 1600, 19 Voltigeur-
Regimenter 30 400, 1 Chasseur-Flanqueur-Regiment 1850, 1 Pupillen-
Regiment 1600, Vetcranenkompagnie 200 Mann. Alte und junge
Garde, nach Sicard, zusammen 102 706 Köpfe — ein Heerteil für
sich, dessen Ansatz wohl geeignet war, die Entscheidung im Sinne
der Schlachtleitung herbeizuführen.
Das Material der Garde- Artillerie giebt Sicard an auf
4 reitende Batterien, die den Kavallerie-Regimentern zugeteilt waren
mit 24 Geschützen, 2 fahrende Batterien für die beiden Infanteriekorps
der alten Garde mit 18, 4 12Pfünder-Batterien, welche die Reserve
bildeten mit 32 Geschützen, zusammen 72 Geschütze. Aufserdem
mufste aber die Linien-Artillerie für den Dienst der Garde liefern
68 Geschütze, so dafs für die Garden total 140 Geschütze verfügbar
waren.
Die Kriege von 1809 — 1814 zeigen uns die verschiedensten
Änderungen in den organischen Verbänden, die Infanterie-Regimenter
steigen stellenweise auf 6 — 8 Bataillone, die Kavallerie-Regimenter
auf 6 — 8 Eskadrons, die Artillerie-Regimenter auf 30 Batterien.
1812 haben die französischen Infanterie-Regimonter eine Stärke, die
zwischen 3 und 9 Bataillonen schwankt, die Bataillone 700—900 Köpfe.
Um nur 2 Korps zu nennen, so enthält das L (Davout) die 4. Division
(Desaix) mit 13, die 5. mit 23 Bataillonen und umfafste im Ganzen
5 Divisionen, 2 leichte Kavallerie-Brigaden, 88 Bataillone, 16 Eskadrons,
172 Geschütze, 72000 Köpfe, eine kleine Armee für sich, während das II.,
gleichfalls nur aus französischen Truppen zusammengesetzte Korps in
3 Divisionen (15, 17 und 19 Bataillone), 2 leichte Kavallerie-Brigaden,
51 Bataillone, 21 Eskadrons, 114 Geschütze, 37 000 Mann, also nur
etwas mehr als die Hälfte zälilte. 1814 traten auch die Regiments-
geschütze, (4), die, vorübergehend nach Aspern wieder aufgetaucht,
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und de« ersten Kaiserreich».
77
1810 verschwunden waren, wieder auf, die Divisionen erscheinen mit
einer fahrenden Batterie zu 8, einer reitenden zu 6 Geschützen,
Summa 14 ausgestattet, hei den Korps ist eine Artillerie-Reserve zu
2 fahrenden Batterien mit IG Geschützen vorhanden, die Kavallerie-
Divisionen finden wir gleichinäfsig mit 4 reitenden Batterien, 24 Ge-
schützen versehen. — — Von der Einteilung der Division in der
Revolutionszeit, die jeder ein Dragoner- und ein leichtes Kavallerie-
Regiment, sowie gewöhnlich 2 Batterien ä 6 Geschütze zuwies, weil
man eben die Division als operative Einheit ansah, war Napoleon,
wie wir hier gleich kurz bemerken wollen, schon vor seinem ersten
grossen Feldzuge in Deutschland abgegangen, Kavallerie erhielten die
Divisionen nur bei Entsendungen auf Zeit, sonst kannte man nur
Korpskavallerie und größere Reitermassen, Reservekavallerie.
18. (Fortsetzung folgt.)
V.
Zur Geschichte
der Adjustirung der österreichischen Armee.
Von
A. Dittrichj k. k. Landwehrhauptmann.
Zu allen Zeiten und bei allen Völkern war es das Bestreben der
Krieger, ihren Stand auch äufserlich kennbar zu machen und sich
nicht blos durch das Tragen der Waffen, sondern auch durch die
Kleidung und verschiedene Zierden von den andern Mitbürgern zu
unterscheiden. Dort, wo sich jeder Mann als Krieger betrachtete,
trugen nur die unmittelbar zum Kampfe Aufgerufenen die Waffen und
das Gewand des Kriegers und legten selbe nach der Rückkehr wieder
ab. Nur der bereits enrollirte Römer durfte das Sagum, das Kriegs-
kleid, anlegen, während der griechische Bürger, sobald der Krieg
begonnen hatte, nur bei gewissen Festen und in Volksversammlungen
unbewaffnet erschien. Der Indianer pflegt noch jetzt, wenn er in
den Kampf zieht, seinen Leib in anderer als der gewöhnlichen Weise
zu bemalen. Oder es gingen bei Völkern, die sich im steten Kriegs-
zustände befanden, alle Männer bewaffnet, zum Unterschiede von
den Unfreien, Unmündigen und Kriegsuntauglichen.
78
Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
Als aber die allgemeine Waffenpflicht mehr und mehr aufser
Geltung kam und nur ein gewisser Teil der Bevölkerung zum Kriegs-
dienste herangezogen wurde, begannen diese Krieger, welchen Namen
sie immer führen mochten, auch in friedlichen Zeiten ihre Waffen
und ihren kriegerischen Anzug beizubehalten. Wenn der Letztere
schon ursprünglich bei den verschiedenen Völkern verschieden war,
so veränderte er sich im Laufe der Zeit aus verschiedenen Ursachen,
unter denen die Mode nicht den letzten Hang einnahm. Es lag nahe,
dafs mit der zunehmenden Macht der Fürsten und der Errichtung der
stehenden Heere schon der leichteren Erhaltung der Disziplin wegen
eine Gleichförmigkeit des Anzuges der Krieger angestrebt wurde. So
entstand die Uniform, welche im Laufe der Zeit durch Zweck-
mäfsigkeiterücksichten, die Nachahmung fremder Beispiele und durch
Laune mannigfache Änderungen erfuhr. Obgleich nur eine Aufserlichkeit,
ist doch die Uniform häufig ein sicherer Anhaltspunkt zur Beurteilung
der übrigen Verhältnisse einer Armee und die Darstellung der Ent-
wicklung der Adjustirung einer Armee darf immerhin als ein
Beitrag zur Geschichte dieser Armee selbst betrachtet werden.
Die Geschichte der Adjustirung der gegenwärtigen „österreichisch-
ungarischen" (früher einfach „österreichischen" und noch früher —
obgleich nicht richtig kaiserlichen") Armee ist schon darum merk-
würdiger als die mancher andern, weil die Monarchie aus so vielen
verschiedenartigen Teilen, von denen mehrere früher ihr selbstständigos
Kriegswesen hatten, besteht und weil von den verschiedenen fremden
Kriegsheeren, mit welchen Österreich als Verbündeter oder als Feind
in Berührung gekommen war, so Manches entlehnt wurde und nationale,
politische und finanzielle Ursachen auf die Gestaltung des Heeres und
mittelbar auf dessen äufsere Ausstattung in gröfserem Mafse als
anderwärts Einflufs nahmen.
Obgleich von einer Uniform keine Ilede war, konnte man doch
in dem kaiserlichen Heer, lange bevor es ein stehendes wurde, wenn
nicht die einzelnen Regimenter, so doch die gröfseren Heerhaufen (die
Armee-Korps unserer Zeit) durch ihre Tracht von einander unter-
scheiden. Denn es fanden sich fast immer Miete- oder Hilfstruppen
auch aus den damals nicht zu Österreich gehörigen Provinzen bei
dem kaiserlichen Heere. Und da diese Truppen zumeist ihre nationale
Bekleidung und Bewaffnung hatten und selten von einander getrennt
wurden, so waren wenigstens die Hauptteile des Heeres leicht zu kennen
und konnte die Marsch- und Lagerordnung gut gehandhabt werden.
Übrigens finden sich schon in früher Zeit Beispiele einer ziemlich
gleichraäfsigen Bekleidung und Ausrüstung österreichischer, ungarischer
und böhmischer Truppen.
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Zur Geschichte der Adjiistirung der österreichischen Armee.
79
Einige der ungarischen Oligarchien im 14. Jahrhundert hatten
ganz gleichmäfsig gekleidete Banderieo und unter den Söldnerschaaren,
die irn 15. Jahrhundert in Osterreich und Ungarn kämpften, sollen
einige gleiche Waffen und Farben gehabt haben. Von grölserer Be-
deutung aber war die „schwarze Legion u des Königs Mathias Cor-
vinus, die zugleich die erste stehende Truppe in den Ländern der
heutigen österreichisch-ungarischen Monarchie war, aber bald nach
dem Tode dieses Königs wegen ihrer Unbotmäfsigkeit aufgelöst
werden mufste.
Die Versuche Maximilians I., die Äußerlichkeit seiner Lands-
knechte und Kyrisser etwas gleichmälsiger zu gestalten, blieben, wenn
überhaupt die Nachricht davon begründet ist, ohne Erfolg. Im Gegen-
teile wurde in der Folge der Anzug dieser Truppen immer abenteuer-
licher und buntscheckiger und konnte mit Mühe wenigstens einige
Gleichheit hinsichtlich der Bewaffnung erzielt werden. Die Leute
mufsten dieselbe bekanntlich selbst mitbringen. Auch die aus den
nichtdeutschen Ländern Angeworbenen (die Kontingente dieser
Länder behielten die nationale Kleidung noch bei) traten zuweilen
bei den Landsknechten ein und kleideten sich dann wie dieso.
Desto bemerkenswerter ist jenes Regiment, welches von den
deutschen Tuchwebern zu dem Heere Karls V. gestellt wurde und
dessen Mannschaft ganz gleichförmig mit dem roten sogenannten
„Waffentuch", dem Vorläufer des heutigen „kugelsicheren Stoffes"
bekleidet war. Von Österreich und namentlich von Wien wurde ein
bedeutendes Kontingent dieser „Blutmänner" gestellt. In der folgenden
Zeit aber wird höchstens hie und da von den gleichgekleideten Leib-
wachen einiger Vornehmen berichtet. Da diese Trabanten zu dem
unmittelbaren Gefolge, ja zu den Dienern zählten, so war hier weniger
von einer Uniform, als von einer Livree die Rede. Bei der Kleidung
der Soldaten selbst aber herrschte nur die Mode und zwar bis gegen
das Ende des 16. Jahrhunderts eine oft lächerliche Mode. Es war
eine nichts weniger als kriegerische, sondern stutzerhafte und höchst
unzweckmäfsige Kleidung.
Auch die nationale Kleidung wurde immer seltener und erhielt
sich hauptsächlich nur bei den Croaten und Ungarn, die häufig mit
einander verwechselt wurden, sowie bei den in den österreichischen
Gebirgsländern angeworbenen kleinen Schiitzenabteilungen. Auch die
nicht selten in dein kaiserliehen Heere vorkommenden Kasaken und
Albanesen — erstere in Polen, letztere nicht nur in Albanien, sondern
auch in Dalmatien und Bosnien geworben, waren durch ihre Kleidung
leichter von den anderen Truppen zu unterscheiden, als es bei den
wallonischen, italienischen und spanischen Regimentern der kaiserlichen
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Zur Geschichte der Adjiwürung der (Vsterreich wehen Armee.
Armee der Fall war. Übrigens konnte man bei allen diesen Truppen
nicht von einer Gleichheit, sondern nur von einer Ähnlichkeit
der Kleidnng und Ausrüstung der einzelnen Krieger sprechen. Auf
aus jener Zeit stammenden Abbildungen sieht man „Hufsaren" in
einer der heutigen ziemlich ähnlichen Kleidung, jedoch tragen Einige
Brustharnisch und Sturmhaube, Andere dagegen einen Kaipak und
ein Panzerhemd, oder blos eine kleine Metallplatte auf der Brust.
Die Waffen sind ein kurzer breiter Säbel ohne Spitze, ein Panzer-
stecher, ein Faustrohr und zuweilen eine leichte bewimpelte Pike.
Die Anführer tragen volle Rüsung, aber häufig statt des Helmes
einen Hut oder Kaipak. Die „Haiduken" unter welchem Namen das
ungarische Fufsvolk schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
tri
vorkommt, waren „gleich den Bauern gekleidet", nur trugen sie wie
die Husaren einen kurzen Pelz oder Mantel um die Schultern gehängt.
Sie waren mit Säbeln und kurzen Feuerrohren oder mit Spiefsen be-
waffnet. Die Farben der Kleidung waren jedoch sehr verschieden
und nur die Offiziere trugen zuweilen zur Unterscheidung ein leichtes
rotes Wollkleid über dem Panzer.
Da auch die Fahnen nicht immer gleich, sondern mit dem Wappen
einer Provinz oder des „Werbeherrn" versehen waren, so mufsten von
Fall zu Fall besondere Abzeichen bestimmt werden, um die Zusammen-
gehörigkeit der Trupoen des ganzen Heeres, oder der Mannschaft der
einzelnen Regimenter zu erkennen. Für ersteren Zweck dienten die
Feldbinden der Offiziere. Die Bestimmung der Farbe hing hier von
dem Feldherrn ab, wogegen die Obersten eigene Abzeichen (ein Band,
eine Schleife und dergl. auf den Kleidern oder Hüten) bestimmen
durften.
Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts änderte sich die Mode in
sehr vorteilhafter Weise. Die Kleidung wurde zweckmafsiger, geschmack-
voller und erhielt ein wirklich kriegerisches Ansehen. Obwohl sich
auch jetzt Jeder nach Belieben kleiden konnte und „in guten Zeiten",
d. h. nach gemachter reicher Beute) der gemeine Soldat oft einen
weit prunktvolleren Anzug als sein Hauptmann trug, so finden sich
doch schon seit dem Beginn des dreifsigj ährigen Krieges Spuren einer
gleichmäfsigen Adjustirung bei einzelnen Truppen und Anordnungen
hinsichtlich einer gleichen Ausrüstung. Freilich war erstere gewöhnlich
in Folge einer Übereinkunft oder aus anderen Ursachen von den An-
gehörigen des betreffenden Regiments eingeführt worden. So z. B.
trugen Offiziere und Reiter eines schlesischen Arkebusier-Regiments
grüne Wämmser und blaue oder violette Hosen, die lombardischen
Kürassiere des Grafen Pompejo aber braune Kollets und grüne
Hoson. Graf Bouquoy befahl, dafe die Kürassiere und Pikeniere
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Zur Geschichte der Ädjustirung der österreichischen Armee.
81
nur schwarze Rüstungen tragen durften und es wurde später die
schwarze Farbe auch bei den Rüstungen und Brustharnischen der
Generale und Offiziere eingeführt.
Später erfolgten wiederholt Bestimmungen über die von dem
Manne mitzuführendc Schulszahl, Kaliber der Musketen, Länge der
Piken und andere Dinge. Der Herzog von Friedland befahl, dafs
fortan von den Offizieren nur rote Feldbinden getragen werden
sollten. Dieser Befehl wurde von Gallas erneuert und erhielten sich
die roten Feldbinden bis in die Zeit Leopolds I, wogegen bei den
Offizieren der Infanterie und bei den Arkebusieren noch häufig blanke
Harnische zu finden waren. Die bekannte Erzählung Fr. v. Schillers
von dem Offizier, welcher auf das von Wallen st ein erlassene Verbot
der roten Feldbinden seine Feldbinde herabrifs und mit Füfsen trat,
wofür er von dem Herzog befördert wurde, dürfte also in Bezug auf
die Farbe einer Berichtigung bedürfen. Es existirt wahrscheinlich
kein Bild des Herzogs von Friedland, auf welchem derselbe der
Sitte jener Zeit entsprechend im vollständigen Harnisch dargestellt
worden wäre. Im Gefechte trug dieser Feldherr über einem Seiden-
wamms ein Lederkoller, bei der Musterung der Truppen und über-
haupt bei militärischen Feierlichkeiten aber mit Vorliebe einen weifsen
mit Gold gestickten Rock (über diesen wohl auch ein dunkles
Koller) und rote Hosen. Es ist dieses nicht sehr bekannt, aber
schon darum merkwürdig, weil dieser Anzng die Hauptfarben der
heutigen Gala- Uniform der österreichischen Generale besafs! Auch
die andern Generale trugen häufig rote Beinkleider und wenn sie keine
volle Rüstung trugen, lederfarbige Röcke mit langen Schöfsen und
breitkrämpige, zuweilen mit Federn geschmückte Hüte. Ihre Rüstung
bestand, auch als jene der Kürassiere schon bedeutend erleichtert
worden war, noch durch lange Zeit aus Brust- und Rückenharnisch,
Arm- und Beinschienen, sowie einem meist offenen Helm. Manche
trugen blos ein Panzerhemd unter oder auch über dem Rocke. Nach
und nach fiel jedoch ein Stück der Rüstung nach dem andern hinweg
und es verblieben noch die Kürasse, bis auch diese unter der Re-
gierung der Kaiserin Maria Theresia von den Generalen abgelegt
wurden. Wenn sich Portraits aus weit späterer Zeit finden, auf
welchen die Generale mit einem Kürafs erscheinen, so waren dieselben
entweder Inhaber eines Kürassierregiments oder sie hatten die Be-
willigung zum weiteren Tragen der bisherigen Uniform erhalten. So
wurde auch von mehreren Generalen (Colloredo, Ferraris u. A.)
nach Abschaffung der Zöpfe um deren Beibehaltung gebeten.
Im weiteren Verlaufe des dreifsiggährigen Krieges näherte sich
die Kleidung der Soldaten immer mehr der Uniformirung und es
MrlücW fttr die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 1. 6
8'2
Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
wurde die Sache nur dadurch erschwert, dafs die Soldaten, die noch
immer selbst für ihre Bekleidung sorgen mulsten, bei dem häufigen
Soldmangel und der immer magerer werdenden Beute aufser Stande
waren, sich neue Kleider anzuschaffen, sowie dafs sehr häufig die bei
WafVenstreekungen ganzer Truppen gemachten Gefangenen ohne
Weiteres „untergestellt", d. h. einer Truppe eingereiht wurden. Wie
indessen bei den Schweden und ihren Verbündeten der graue schwedische
Pelz und bläuliche Röcke sich eingebürgert, so kam auch bei der
kaiserlichen Infanterie und bei den Dragonern, die um 1630 an die
Stelle der Arkebusiere traten, ein ziemlieh langer gelber (eigentlich
leder- oder drapfarbener) Rock mit weiten Ärmeln ziemlich all-
gemein in Gebrauch. Aufschläge und Kragen von einer anderen
Farbe waren nicht üblich, wohl aber Achselwülste (zum leichteren
Tragen des Gewehrs) und Bandschleifen und andere Zier bei den
Trompetern und Tambouren, die überhaupt sehr auffällig herausgeputzt
waren. Dazu kamen ziemlich faltige, häufig dunkel- oder krapprote,
violette oder blaue Hosen, breitkrämpige Hüte, bei dem Fufsvolke
Strümpfe oder Kamaschen und bei den Reitern Stiefel mit langen,
ziemlich weichen und oben weiten Schäften. Das Schwärzen der
Stiefel wurde erst später üblich.
Die damals noch ganz zunftmäfsig organisirton Artilleristen trugen
nur ausnahmsweise Brustharnische und Sturmhauben, sondern ge-
wöhnlich Wämmser, Kniehosen und Barette oder Hüte mit schmäleren
Krampen. Die blaue Farbe scheint bei ihnen beliebt gewesen zu sein.
Die Ungarn und Croaten waren so wie früher gekleidet, nur war bei
ihnen der Panzer noch seltener geworden, dafür aber führten die
unberittenen Croaten aufser dem Gewehr auch noch Handschar, Messer
oder Dolche und die berittenen Säbel, Gewehr und eine oder zwei
Pistolen. Die Gleichförmigkeit der Bewaffnung wurde dadurch be-
fördert, dafs dieselbe in der letzten Zeit des Krieges meistens von
der Regierung oder von dem das Regiment Errichtenden beigestellt
wurde.
Ein bedeutender Teil der Armee wurde auch nach dem Kriege
im Sold behalten. Doch hat die Absicht, stehende Truppen zu halten,
jedenfalls schon im Beginn des Krieges bestanden, wie aus dem be-
kannten Privilegium der Dampierre-Kürassiere, dafs „das Regiment
niemals aufgelöst werden solle", zu vermuten ist. Aufser dem Wunsche,
die Disziplin leichter zu handhaben und der Truppe mehr Ansehen
zu verschaffen, mufstc auch das Beispiel der anderen Staaten darauf
hinwirken, diese stehenden Truppen gleiehmäfsig auszurüsten und zu
bekleiden Anfänglich sollte Solches auf eigene Kosten der Soldaten
geschehen, dann wurde ihnen die Montur gegen Soldabzüge und von
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 88
1697 an als Gebühr mit bestimmter Dauerzeit für jedes Stück geliefert.
In der Schlacht bei St. Gotthard waren die meisten Truppen bereits
gleichmäßig gekleidet.
Die Farbe und Form des bisherigen, ziemlich zweckmäfsigcn
und bequemen Anzuges wurde ziemlich unverändert beibehalten. Die
Röcke waren jedoch mit einem Stoff von anderer Farbe gefüttert.
Da die ziemlich langen Ärmel bei der Handhabung des Gewehrs oder
Säbels umgestülpt wurden, so bildeten sich sehr bald die Aufschläge
heraus, denen dann die Kragen folgten. Die Verminderung der Zahl
der Piken bei der Infanterie ermöglichte eine noch gröfsere Gleich-
förmigkeit der Kleidung. Doch blieb nur das Bestehen der Uniform
überhaupt von der Regierung bestimmt, während die Details ganz
von den Inhabern, ja von den Obersten der Regimenter abhingen und
war die Gleichförmigkeit des Anzuges der Regimenter derselben Waffen-
gattung mehr einer stillschweigenden Übereinstimmung oder der Tradition
beizumessen.
Durch den Einflufs der in grofser Zahl in der Armee dienenden
deutschen und französischen Offiziere kam jedoch an Stelle der gelben
die hellgraue und selbst die weifse Farbe in Aufnahme und wurde
nach 1G70 der Anzug trotz seiner Einfachheit auffälliger und parade-
mäfsiger, bei den Offizieren aber kostspieliger, da Tressen und Stickereien
in sehr reichlichem Mafse angebracht wurden. Auch wurden die bisher
sehr unbestimmt abgegrenzten Chargengrade genau geregelt und auch
bestimmte Gradabzeichen eingeführt. Dieselben bestanden in
Tressen, Ringkragen, hauptsächlich aber in dem Obergewehr und der
Verzierung desselben und dein Stock oder Rohr. Die Feldwebel,
Wachtmeister und Korporale trugen einfache Stöcke (später aus-
schliefslich von Haselholz) ohne Knopf .in einem Riemen. Der Fähnrich
hatte kein Gewehr, sondern nebst dem Degen einen langen sogenannten
Springstock, mit welchem er vor der Front die anbefohlenen Gewehr-
griffe ..vormachen" mufste. Der Lieutenant hatte einen Degen, einen
Rohrstock ohne Knopf und eine einfache Hellebarde (aus welcher
später das kürzere und leichtere Sponton wurde) ohne alle Verzierung.
Die Hellebardo des Hauptmanns war mit seidenen, silberdurchwirkten
Fransen oder einer dergleichen Quaste und sein etwas dünnerer Stock
mit einem Beinknopfo versehen. Der Obristwaehtmcistcr hatte einen
Stock mit dickem silbernen Knopf und einem Kcttchen daran, der
Oberstlieutenant einen dünneren Rohrstock ohne Kettchen; und seine
Hellebarde war entweder mit golddurchwirkton seidenen Fransen besetzt
oder es war die Spitze teilweise vergoldet. Der Oberst endlich hatte
an seinem Rohr einen goldenen Knopf, sowie an der Hellebarde
6*
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Zur Geschichte der Adjußtirung der österreichischen Armee.
Silberfransen und eine ganz vergoldete Spitze. Das Rohr oder der
Stock wurde auch aufser Dienst getragen.
Kurz vor dem Beginne des grofsen Türkenkrieges (1G83) durfte
bei der ganzen österreichischen Armoo die Einführung der Uniform
als feststehend angenommen werden, wenn auch dieselbe durch
keine besondere Vorschrift begründet, sondern nur „allgemein ge-
bräuchlich" war.
Die- Infanterie trug nun meist perlgraue, hie und da auch
weifse Rücke mit langen Schöfsen, welche während des Marsches
vorn und rückwärts aufgeschlagen und zusammengehaftelt wurden,
unter diesem Rock das Kamisol — eine Weste mit Ärmeln und kurzen
Schöfsen, weifse, bereits ziemlich enge Tuch- oder Lederhosen,
bis über die Kniee reichende Strümpfe oder Kamaschen und geschwärzte
Schuhe. Die Krampen des niederen Hutes wurden bei manchen
Regimentern schon aufgestülpt getragen. Das Kamisol konnte auch
ohne Rock getragen werden. Dagegen kamen die Stülphandschuhe^
welche früher von der ganzen Mannschaft getragen worden waren,
bei den Musketieren fast überall in Wegfall und wurden dieselben
nur von den Ober- und Unteroffizieren, sowie von den Pikenieren
(bei diesen aus Büffelleder) getragen.
Die Kürassiere waren mit braunen Röcken und weifsen
Kamisols von gleichem Schnitt, aber auch mit weifsen Mänteln,
roten Hosen und Stiefeln mit hohen, steifen Schäften bekleidet Als
Kopfbedeckung diente eine Sturmhaube oder ein durch ein eisernes
Kreuz oder eine Schale „hiebfest gefütterter" Hut und auch der
Kürafs wurde zuweilen durch ein Büffelkoller ersetzt.
Weit ungleichförmiger war die Bekleidung der Dragoner. Es
gab Regimenter mit grünen, blauen und roten Röcken und
weifsen oder blauen Kamisols. Die Hosen waren meist weifs, die
Mäntel und Stiefel wie bei den Kürassieren, dio Hüte wie bei der
Infanterie. Die Dragoner trugen auch rote oder weifse Achsel-
schnüre, in welche sich mit der Zeit die „Fouragierleinen," welche
die Dragoner ursprüglich gehabt hatten, verwandelt hatten. Sie
führten gleich den Kürassieren Pallasche, zwei Pistolen und einen
langen Karabiner, der aber doch kürzer als das vordem eingeführt
gewesene Gewehr war.
Die Artilleristen waren nach dem Schnitt der Infanterie,
jedoch meist dunkelblau, dunkelbraun oder schwarzgrau gekleidet und
es trug der Büchsenmeister nebst dem Degen einen mit einer eisernen
Spitze versehenen langen Zündstock. Übrigens scheinen die Artilleristen
gewöhnlich ihre Kleidung selbst beschafft zu haben. Die Ingenieure,
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
85
wenn sie sich nicht im Stande eines Regiments befanden, scheinen
volle Freiheit in der Wahl ihrer Kleidung gehabt zu haben.
Obgleich Ungarn noch keine stehende Truppen hatte, da Fufs-
gänger und Reiter erst im Bedarfsfalle angeworben oder aufgeboten
und nach dem Kriege sogleich wieder entlassen wurden, so erschienen
doch die einzelnen Korps und Kompagnien (die Bezeichnung „Regiment"
war sehr selten) ziemlich gleichförmig — freilich ganz nach dem
Belieben ihrer Chefs — gekleidet.
So trugen dieHaiduken blaue, gelb oder rot verschnürte Attillas,
rote Hosen, weilae Mäntel, rote Leibgürtel, braune Schnürschuhe
und eigentümlich gestaltete graue Filzkappen. Sie waren mit Gewehr
und Säbel und aufserdem mit einem Beilstock bewaffnet. Die Croaten,
unter denen man damals nur die aus der nachmaligen Militärgrenze
aufgebotenen Fufsgängor verstand, waren in ihrer — nach den ver-
schiedenen Bezirken sehr verschiedenen Landestracht gekleidet. Auf-
fallig waren die von vielen getragenen Mäntel von roter oder einer
anderen grellen Farbe. Ihre Kopfbedeckung waren niedere Hüte mit
sehr breiten Krampen oder kleine rote Kappen (die Vorläufer des
heutigen Fez).
Die Hufsaren erschienen in braunen, blauen, grünen oder roten
Attilas oder Dobians, die mit Schnüren von verschiedener Farbe
weit oder eng benäht waren, fast immer in blauen Hosen, gelben
oder roten Tschismen (ungarischen Halbstiefeln), bunten Leibgürteln,
niederen Kaipaks und weifsen Mänteln oder kurzen Pelzen. Sie
«aren mit schweren, krummen Säbeln — deren Griff nur eine
Parirstange hatte, zwei Pistolen und zuweilen mit einem Karabiner
bewaffnet. Die kurze Pike war bei ihnen fast ganz aufser Gebrauch
gekommen. Erst 1088 wurde das erste Regiment, das anfänglich
k'anz rot bekleidet war, und 170*2 das erste ungarische Infanterie-
regiment bleibend errichtet.
Die Generale hatten reich mit Gold gestickte Röcke von Farbe
und Schnitt wie bei der Infanterie, darunter gestickte lange Westen,
einen Brustharnisch, Reiterstiofel, meist weifse oder gelbe Hosen und
Hüte, deren breiteKrämpen etwas aufgeschlagen und häufig mit Schnüren
oder Tressen, auch wohl mit einem Besatz von Federn geziert waren-
Hie Feld binden, bei den Generalen von Gold, bei den Offizieren je
nach dem Range aus gelber Seide oder Wolle mit oder ohne Gold-
stickerei, wurden um die Hüften getragen. Häufig trugen die Generale
die Uniform ihrer Regimenter, bei Hoffesten aber einen ihrer Uniform
ähnlichen Gala-Anzug mit Strümpfen und Schuhen oder, wenn die
Etiquette es verlangte, das entsprechende Hofkostüni. Die Haare
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
durften lang getragen werden und bald wurden bei den Generalen
und höheren Offizieren die Allongcperrücken üblich.
Die fast ununterbrochen währenden Kriege beschäftigten die
oberste Leitung des österreichischen Heerwesens zu sehr mit anderen
Dingen, als dafs dieselbe die so wünschenswerte Regelung der Be-
kleidung der Truppen in die Hand genommen hätte.
Indessen feldte es doch schon in dor nächsten Zeit nicht an ver-
schiedenen Änderungen, unter denen die Errichtung der Grenadiere
und die gänzliche Abschaffung der Piken die bedeutendsten waren.
Die Vergrößerung des Ländergebiets forderte auch eine Vennehrung
der Armee und die von verschiedenen ausländischen Fürsten erriebteten
und ausgerüsteten und von Osterreich übernommenen Regimenter
brachten Störung in die kaum erzielte Gleichförmigkeit. Dennoch
dauerte es ziemlich lange, bis man sich zu einem entschlossenen Auf-
treten entschlofs und die Rechte der Proprietäre etwas beschränkte.
Auch mochte bei einigen mafsgebenden Persönlichkeiten (z. B. Her-
mann von Baden, Rüdiger Starhemberg und Fürst Mannsfeld)
aus Liebe zum Althergebrachten eine Abneigung gegen jede Änderung
bestehen, was bei den unbestreitbaren Verdiensten dieser Männer von
um so gröi'serer Bedeutung war, so dafs erst, als Prinz Kugenius
die oberste Leitung erlangte, das Reformwerk begonnen werden konnte.
Und auch da ging es ziemlich langsam und erst 1720, also nach dem
Ende der grofsen Türken- und Franzosenkriege, erschien das von
Carl VI. genehmigte ,,Regulament", worin aber nicht die Farbe der
Montur, sondern nur die Gattung des Stoffes und die Form
anbefohlen wurde. Für die Kavallerie wurde 1720 bestimmt, wie es
mit der „Regimentsuniform" zu halten und dafs das Tuch von der
nämlicben Gattung und Farbe zu nehmen sei, „wie es das Regiment
immer zu haben pflege". In einem bald darauf erschienenen Er-
gänzungsreglement, den „Observationspunkten" des F. M. Gr. Kheven-
h iiiler waren sehr eingehende Bestimmungen über die Adjustirung
enthalten, jedoch auch nur für die Kavallerie.
Bei den Kürassieren waren die Lederkoller und Helme bereits ab-
geschafft und teilweise schon weifse Röcke eingeführt worden. Die
Dragoner, welche jetzt ausdrücklich wieder als berittene Infanterie
bezeichnet wurden, hatten zumeist rote Röcke mit schwarzen, blauen
oder grünen Aufschlägen, blaue Kamisols und Hosen, dann mit
schmalen Silbertressen besetzte Hüte und weifse Mäntel mit rotem
Futter (bei den Offizieren) und Kragen, hohe Reiterstiefel, Pallasche,
Pistolen und Flinten. Letztere waren kurz vorher mit Bajonetten
versehen worden. Die langen Haare wurden entweder rückwärts mit
einem Bande zusammengebunden oder in ein Netz gesteckt. Der während
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
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einer kurzen Zeit abgeschaffte Schnurrbart wurde 1705 wieder ein-
geführt.
Die Grenadiere, von denen ursprünglich jeder Infanterie-
kompagnie 8 Mann zugeteilt wurden (HJ70), waren zuerst wie die
Musketiere bekleidet und unterschieden sich von diesen nur durch die
ihrer Dienstleistung entsprechende Ausrüstung. Sie wurden 1701 in
Kompagnien zusammengezogen und erhielten spitzige, jedoch mäfsig
hohe Blechmützen, die jedoch bald durch ähnlich gestaltete aus
Bärenfell ersetzt wurden. Da die langen und blos mit Hafteln zu-
sammengehaltenen RockschöTsc oft hinderlich waren, so wurden 17^5
zuerst bei don Grenadieren die umgeschlagenen Schofsränder bleibend,
angeheftet und so wurde der eigentliche! Uniformrock goschaffen.
Zwei Jahre spätor bestimmte endlich ein kaiserlicher Erlafs in
eingehender Weise die Bekleidung der sämmtlichen „Regimenter zu
Kufe* 4 . Dieselben sollen „gleichmäfsig montirt werden und zwar die
Röcke von gutem perlfarbigen Tuch" in der gehörigen Länge und
Weite, „damit die Mannschaft, weil sie mit keinem Mantel versehen
ist, sich und das Gewehr damit genugsam bedecken möge". Dagegen
durften die Aufschläge, die Kamisols und Hosen von einer „dem
Obersten beliebigen Farbe" sein, doch mufsten die ersteren nach altem
Gebrauche mit Knöpfen versehen und so gemacht werden, um sie
herabzuziehen und „die Hände und das Gewehr bei Kälto und Regen
bedecken zu können". Auch die Dragoner erhielten bald darauf
ähnliche Röcke. Bei den Husaren waren schon früher die Säbel-
taschen und die auf dem Rücken hängenden Pelze üblich geworden,
auf der linken Schläfe waren die Haare in einen Zopf geflochten.
Bei der ungarischen Infanterie war der Hut, jedocli anfänglich anders
gestülpt als bei den übrigen Truppen, eingeführt worden.
Die spärlichen Anfänge der technischen Truppen, nämlich Mincure
und Pontonniere, hatten blaue Röcke und auch die Artillerie erschien
gleichmäfsiger als vordem gekleidet.
Diese im Ganzen nicht unschöne und jedenfalls bequeme Ad-
justirung erfuhr in und nach dem österreichischen Erbfolgekriege eine
bedeutende Änderung. Teils aus Ersparungsrücksichten, mehr aber
in Nachahmung der Monturen der fremden Armeen wurden die ein-
zelnen Stücke enger und die Kopfbedeckungen schwerer gemacht,
besonders aber dio Uniformen der Offiziere in „bemerkbarerer Weise"
ausgestattet. Das Portepee, aller Wahrscheinlichkeit nach die Quaste,
die man von der allmälig abgeschafften Hellebarde und dem diese
ersetzenden Sponton, besonders als dieses zu Pferde nicht mehr go-
führt wurde, auf den Degen übertragen hatte, wurde nun für alle
Offiziere, jedoch jo nach dem Grade in verschiedener Gröfse eingeführt.
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88
Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
Zugleich aber wurde für die Infanterie und Grenadiere, sowie für die
Kürassiere und die meisten Dragoner-Regimenter, dann für den Gala-
Anzug der Generalität statt des perl- oder elfenbeinfarbigen das
weifse Tuch eingeführt. Da die Truppen mehrerer anderer Armeen
schon weit früher weifs montirt waren und es bis zum Beginn dieses
Jahrhunderts blieben, so darf die Phrase von dem „historischen weifsen
Kock" nicht ausscliliefslich für die österreichische Armee, sondern
nur auf ihre Bekleidung bis zum letzten Drittel unseres Jahrhunderts
gelten.
Die Röcke der Infanterie, Grenadiere und Dragoner er-
hielten Rabatten, breite Aufschläge und waren die letzteren nur mehr
zur Zierde aufsen mit Knöpfen besetzt. Der Rockkragen war sehr
schmal und meistens von der Farbe des Rockes. Dagegen erhielt die
Mannschaft Achselklappen von mäfsiger Breite*). Die Beinkleider,
die Westen und Kamaschen der Infanterie, sowie der Grenadiere
waren weifs, wogegen die Dragoner zum Teile grüne Röcke und
Westen erhielten. Doch wurden für die Mannschaft der Infanterie
später die weifsen Kamaschen nur zur Parade, sonst aber schwarze
vorgeschrieben. Die Hüte wurden nun auch bei der ungarischen
Infanterie eingeführt und erhielt die letztere bald nach dem Kriege
weifse Röcke, welche vorn statt der Rabatten mit breiten Tuchlitzen
(ähnlich den „Brandenburgs") benäht waren.
Die Umformen der Generale wurden noch reicher gestickt als
bisher getragen. Generale, welche ein ungarischos Regiment kommandirt
hatten, erhiolten eine besondere Uniform, welche aus reich ver-
schnürtem Dolman, Pelz und Hosen — jedoch damals durchaus von
weifsom Tuch und einem Kaipak mit einer Reiherfeder bestand. Der
Ilaarbcutel war durch den Zopf ersetzt worden, indem man zuerst
das rückwärts herabhängende Haar der Längo nach einfach mit einem
Band umwickelte, dann aber geflochten hatte. An beiden Schläfen
befanden sich zwei wagerechte Haarlocken.
Es ist wiederholt bemerkt worden, dafs einem gröfseren Kriege
eine neue Organisation der Armee zu folgen, bei einem Regierungs-
wechsel aber eine Änderung der Adjustirung stattzufinden pflege.
Letztere Änderung trat aber in Österreich häutig auch nach einem
Kriege, zumal nach einem unglücklich geführten ein. Ks war Solches
nicht ungerechtfertigt, wenn auch - besonders in der Neuzeit — •
die Einwirkung einer mangelhaften Adjustirung oft weit übertrieben
dargestellt wurde. Die nach 1748 anbefohlenen Änderungen waren
*) Die Achselklappen hiefsen „Dragoner' 4 und werden auch jetzt selbst
amtlich „Achseldragoner" oder kurzweg „Dragoner" genannt.
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
80
bedeutend und wären, da sie für notwendig erkannt wurden, ver-
mutlich schon früher durchgeführt worden, wenn die Verhältnisse es
gestattet hätten. Sie standen mit der Umgestaltung des ganzen Heeros-
wesens in enger Verbindung und fanden zum Teil erst kurz vor
Beginn des siebenjährigen Krieges ihren Abschlufs.
Die Artillerie, von dem Fürsten Liechtenstein in höchst
zweckmässiger Weise umgestaltet, erhielt eine neue Bekleidung, welche
in reh farbigen Röcken mit roten Kragen und Aufschlägen, weifsen
Hosen und rehfarbenen Kamaschen bestand. Die letzteren wurden
später durch schwarze Kamaschen, bei den Offizieren durch hohe
Stiefel ersetzt. Der Hut war bei dor Mannschaft mit einem weifsen
Bande, dagegen schon bei den Unteroffizieren mit einer schmalen
Goldtresse, bei den Offizieren mit einer breiteren geziert. Die lange
Weste war bei den Offizieren und Feuerwerkern rot, bei den andern
Unteroffizieren und den Kanonieren rehfarbig.
Die noch zur Artillerie gerechneten Mineure und die Pon-
tonniere waren in ähnlicher Weise, nur mit blauen Röcken be-
kleidet und waren die Westen und Aufschläge kirsch- und liehtrot.
Auch bei den anderen Truppen erhielten die Röcke Kragen von der
Farbe der Aufschläge, teils stehend, teils umgeschlagen und von ver-
schiedener Breite. Die Generale trugen wieder die seit längerer Zeit
nicht mehr üblich gowesenen roten Hosen. Die Grenadiere erhielten
höhere als die bisherigen Mützen und legten die grofsen Granaten-
taschen, sowie die Dragoner die Achselschnüre ab.
Die bedeutendste Änderung aber erfuhr die Bekleidung der
Croaten oder der Greuzer, wie sie fortan genannt wurden. Ohne
das Verdienst der sich 1741 für ihre Königin erhebenden Ungarn zu
bestreiten, mufs man doch zugestehen, dufs mindestens die Hälfte der
in der ersten Zeit marschbereit gemachten Truppen in dem Gebiete
der Militärgrenze und wohl auch in Serbien und Bosnien gesammelt
worden war. Diese Truppen erschienen in ihrer Landestracht, welche
bei der Längenausdehnung des Grenzgebietes und der religiösen und
sprachlichen Verschieden lieit seiner Bewohner sehr verschieden war,
so dafs Viele gleich dem Historiker Pelz el die aus den verschiedenen
Bezirken (nach welchen später die Regimenter benannt wurden)
stammenden Korps, welche an Kopfzahl drei bis fünf Bataillonen .
gleichkamen und die in den „unteren Gegenden" gesammelten Frei-
korps, z. B. die Likaner, Warasdiner und Peterwardeiner oder
die Maroscher, Theifser und Slavonier für ebenso viele „Völker-
schaften" hielten. Und doch waren os nur die in diesen Bezirken
seit alter Zeit wehrpHichtigen und waffengeübten, doch vom Staate
nicht bekleidete Milizen und von den Magnaten dieses oder jenes
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90
Zur Geschichte der Adjtwtirung der österreichischen Armee.
Konritats in der üblichen Weise geworben und nach Willkür bekleidete
Freiwillige der verschiedensten Nationalität! Anders stand es mit
den vielgenannten Panduren.
Frh. v. der Trenk, dem fünf der gröfsten Herrschaften in
Slavonien gehörten, unterhielt zur Sicherung dieses, viele Quadrat-
meilen umfassenden, aber durch Räuber oft heimgesuchten Besitzes
eine Menge bewaffneter Diener, die ihn, von der Ausrüstung abgesehen,
sehr wenig kosteten und — wie die bewaffneten Leibdiener anderer
Edelleute und die Polizisten der Städte und Komitato - „Panduren"
genannt wurden. Auch heute ist diese Benennung nicht selten, nur
sind die Haiduken, Panduren oder Trabanten der Städte, Komitate
und Magnaten jetzt immer als „Husaren" gekleidet. Nur so ist er-
klärlich, dafs Trenk schon drei Wochen, nachdem er sich zur Auf-
stellung eines Korps von 1000 Mann erboten hatte, dasselbe voll-
ständig organisirt, bekleidet und bewaffnet nach Wien führen konnte.
Er liefs erst jetzt auf seinen Gütern werben und konnte, da es ihm
nicht an Zulauf fehlte und die Ausrüstung vorrätig war, sein Korps
bald nahezu verdreifachen.
Diese Panduren trugen anfänglich blaue, später grüne Dolmans,
blaue enge Hoson und Opanken (die bei den Südslaven gebräuchlichen
Schuhe) oder Schnürschuhe, den Fez (Offiziere einen Kaipak) und einen
weiten blutroten Mantel mit Kapuze und waren mit Waffen in über-
reichlicher Weise ausgerüstet. Sio sahen also ebenso aus, wie die
„Rotmäntler" welche in den Franzosenkriegen, oder die „Seressaner",
welche 1848 von sich reden machten und sich nur durch braune
Röcke von den Panduren unterschieden. Die Seressaner erhielten
sich als die „Gendarmerie" der Militärgronze bis zu deron Auflösung.
Das Pandurenkorps kam nach Trenk s Entfernung unter andere
Kommandanten und behielt seine Kleidung bei, bis es 1756 in ein
reguläres Infanterie-Regiment umgewandelt und dementsprechend aus-
gerüstet wurde.
Aus den Grenzern wurdon dagegen successive eigene Grenz-
Regimentor formirt, die zumeist nach den Hauptorten der Bezirke,
denen sie angehörten, benannt wurden. Die Montur war dem Schnitt
nach jonor der ungarischen Infanterie gleich, nur waren die Röcke
dunkelbraun und dio Beinkleider von Leder oder hanfgrauem Tuch.
Die bei den Kompagnien eingeteilten „Scharfschützen" waren durch
Schnüre und Quasten ausgezeichnet. In der Hoimat vorrichteten die
Grenzer den Wachtdienst auf dem Kordon und die meisten anderen
Dienste in dor sogenannten „Hausmontur", d. h in ihrer bäuerlichen
Kleidung. (Schlufs folgt).
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Zwei reitende Batterien in Not.
5U
VI.
Zwei reitende Batterien in Not.
"Während des sogenannten Dahlgreen Raids (im März 18<>4)
machte, um die Aufmerksamkeit der Konfnderirten von der Sicherung
Richmonds abzulenken, General Cüstor der Nord-Armee einen zweiten
J?aid von Culpeper nach der Albimarle County.
Kapitän Moorman, der die zwei Batterien der reitenden Artillerie
Stuarts führte, hatte mit seiner Abteilung im Walde in der Nähe von
Charlottesville (östlich der Aleghanis) ein Lager bezogen, als ein
Offizier ihm die Nachricht brachte, dafs feindliche Kavallerie (Güsters
Brigade) im Anmärsche sei. Moorman liefs in aller Stille das Lager
allarmiren und stellte wegen der grofsen Nähe der feindlichen An-
marsch-Kolonne sofort per Batterie zwei, also 4, Geschütze auf und
liefs sie Feuer geben, um für die Fahrer die Zeit zu gewinnen, die
loso weidenden Pferde einzufangen, anzuschirren und die Batterien
zu bespannen. Die fahrbar gemachten Geschütze und Wagen wurden
sofort zurückgeschickt, während Moorman, um seine isolirte Lage
zu verheimlichen, einen Teil der Bedienungsmannschaften in der Front
ausschwärmen liefs, doch war diese Schützenlinie ganz ungefährlich,
da sie aufser mit oinigen Pistolen gänzlich unbewaffnet war.
Sie hielten den Feind in der That einige Zeit auf, wurden dann
aber bald zurückgetrieben. Dem Kommandeur blieb nun in seiner
Verlegenheit nichts übrig, als mit allen übrigen Bedienungsmann-
schaften Kavallerie zu „markiren", indem sie sich in möglichster
Breite auf den Flügeln der Batterie zeigen mnfsten, nachdem die
4 Geschütze in besserer Stellung rückwärts aufgestellt worden waren.
Der Feind hielt sich aber glücklicher Weise damit auf, das verlassene
Lager anzuzünden, wobei ein stehen gebliebener Munitionswagen in
die Luft flog. Dieses brachte Verwirrung und Irrtümer hervor, indem
ein Teil der feindlichon Kavallerie glaubte, dafs dort auch noch
Geschütze ständen und in Folge dessen nun ihre eigenen Kameraden
anpirschte und beschofs, so dafs fast ein regelrechtes Gefecht ent-
stand. Diesen Augenblick benutzten die beiden Batterie-Chefs Moor-
man's, um mit ihren „markirenden" Schwadronen einen reollen,
energischen Angriff auf die Parteien zu machen. Da diese nicht
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<>-2
Friedrich der Grote und General Chasot.
wufsten, wio ihnen geschah, zogen sie sich eiligst nach dem Rapidan
zurück. Moorman meint in seinem Berichte, dafs dio Feinde bis
zum Schlufs wohl nicht bemerkt hätten, was eigentlich los gewesen
sei. Dieses bestätigen die offiziellen Berichte Güsters. Moorman
aber hatte durch seino Geistesgegenwart und seinen „pluck" nicht
nur die Geschütze gerettet, sondern auch dem Raid sichtlichen Abbruch
gethan. 26.
VII.
Friedrich der Grofse und General Chasot.
Unter diesem Titel erschien im vorigen Jahre eine Schrift*),
welche im Januarhefte 1894 der „Jahrbücher" (S. 117 ff.) eine Be-
sprechung fand. Verfasser dieser Schrift nannte die Memoiren Chasot' s
(welche nicht mehr vorhanden sind und vor 100 Jahren von einem
Lübecker Gelehrten, Namens Kröger, der sie eingesehen hat, zu einer
„Vorlesung" benutzt wurden) eine authentische Ergänzung der
fridericianischen „Histoire de mon temps" und die erwähnte „Vor-
lesung" „ein historisches Donkmal ersten Ranges". Verfasser
meinte fernor, es sei rätselhaft, „wie eine so überaus kostbare Hand-
schrift (nämlich dio von Kröger zu Papier gebrachte „Vorlesung")
fast ein Jahrhundert hindurch habe verborgen bleiben können," ferner:
„ein günstiger Stern habe ihn zum glücklichen Finder gemacht, und
er hoffe mit seiner archivalischen Entdeckung der Welt eino obonso
lehrreiche wie interessante Gabe darzubringen."
Ich habe in meiner Besprechung darzulegen gesucht, dafs ein
wissenschaftlicher Wert der Krögerschen Vorlesung und deren
Bearbeitung nicht beizumessen sei und weifs mich in diosem Urteile
eins mit den genauesten Keimern der fridericianischen Zeit und ver-
schiedenen Fachgelohrton von Ruf.
Im April d. J. erschien eine Streitschrift desselben Verfassers,
betitelt: „Abwehr einiger gegen meine Schrift „Friedrich der Grofse
und General Chasot" erhobener Einwendungen." Dieselbe wendete
sich hauptsächlich gegen meine Besprechung, dann gegen diejenige
der „Täglichen Rundschau" und endlich gegen einen Artikel des
*) Friedrich der Grofse und General Chasot. Nach der bisher
ungedruckten Handschrift eines Zeitgenossen. Von K. Th. Gaedertz. Bremen
1893. C. Ed. Müllers Verlagsbuchhandlung.
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Friedrich der Grofue und General Chasot.
93
Mi 1.- Wochenblattes aus der Feder des General v. Albedyll. — Diese
Streitschrift war jedoch in oinem Ton gehalten, welcher deren litte-
rarische Berücksichtigung meinerseits vollkommen ausschlofs. Zu einer
Erwiderung hatte ich um so weniger einen Anlaß), als es dem Verfasser
nicht gelungen war, auch nur eine meiner rein sachlichen Ein-
wendungen zu entkräften.
Vor Kurzem hat nun mein Urteil über die G.'sche Arbeit eine
überraschende Bestätigung und Ergänzung gefunden durch eine Mit-
teilung der Zeitschrift: „Lübeckische Blätter," Nr. 37, den 9. Mai
d. J., welche wir hiermit zur Kenntniis unserer Leser bringen. —
Die genannten Blätter schreiben: „Karl Theoder Graedertz:
Friedrich der Grofse und General Chasot." — „Die unter
diesem Titel veröffentlichten drei Vorträge, welche im Jahre 1799
der hiesige Gerichtsprokurator M. E. Kröger über den General Chasot
in der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit gehalten
bat, bezeichnet der oben genannto Herausgeber als seine archivalische
Entdeckung. — Es hat sich deshalb die Anschauung verbreitet, dafs
in diesen Vorträgen eine bisher völlig unbekannte Quelle durch
selbstständigo Nachforschungen an's Tageslicht gezogen worden sei.
Einer solchen Auffassung gegenüber verdient indefs hervorgehoben
zu werden, dafs die erwähnten Vorträge nicht nur in dem von jeher
wohlgeordneten Archive der Gesellschaft für jedes Mitglied zum
Entleihen bereit liegen, sondern auch ihre Existenz durch das zuerst
1848 veröffentlichte, dann 1889 neugedruckte und fortgeführte Ver-
zeichnifs der in der Gesollschaft gehaltenen Vorträge und Vorlesungen,
das sich in den Händen der 800 Mitglieder befindet, eine längst
bekannte war.
Auf Seite 15 des letzteren heifst es:
1797. Dezb. 5| T , ... ,
(Leben unseres jungst verstorbenen
^ J Kommandanten Graf von Chasot *
Der beigefügte Stern (*) weist darauf hin, dafs diese Vorträge
im Archiv der Gesellschaft aufbewahrt werden. Sollte also nicht
dies der „günstige Stern" gewesen sein, der den Autor „zum glück-
lichen Finder machte"? (S. 5). Ebenso wenig wie die erste Kenntniis
der älteren Vorträge kommt dem Herausgeber die erste Benutzung
zu. — Neu ist allerdings die Wertschätzung der Krögor'schen Hand-
schrift als ein historisches Material. Doch ist die bisherige abfällige
Beurteilung des Inhalts dieser Geschichtsquelle, zum Teil von be-
rufenster Seite, wenig geeignet, für des Herausgebers Auffassung zu
erwärmen."
Soweit die „Lübeckischen Blätter".
Konzept
M. E. Kroeger.
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94
Friedrich der Grofee und General Chasot.
Zur Charakteristik der Beziehungen Friedrich's zu
Chasot im höheren Lebensalter haben wir noch Einiges beizubringen
und verweisen unsere Leser auf den Schriftwechsel Beider, enthalten
in den „Oeuvres de Frederic le Grand a (tome 25. S. 293 ff.). — Herr
Gaedertz sagt in seiner Schrift (S. 74 1: „Mit eigener Hand lud ihn
Friedrich II. im Jahr 1780 ein, den Winter bei ihm in Berlin und
Potsdam zu verleben und seine beiden Sühne, die der König von
Frankreich, den einen in seinem siebenzehnten und den anderen in
seinem sechszehnten Jahre zu Kapitänen bei der Kavallerie betordert
hatte und die soeben aus Frankreich gekommen waren, mitzubringen.
Die jungen Chasots wufsten die Gunst Friedrichs so sehr zu ge-
winnen, dafs der Vater auf dessen Befehl an den Kriegsminister,
Herrn von Montbarrey, schreiben mufste, um zu erfahren, ob der
König von Frankreich wohl geneigt sein möchte, sie ihm in seine
Dienste zu überlassen ü u. s. w.
Thatsächlich hat jedoch Chasot den König um Aufnahme seiner
Söhne in den Verband der preufsischen Armee wiederholt gebeten.
Friedrich war von dieser wiederholten Bittstellung nichts weniger
als erbaut; denn am 31. Oktober 1779 schreibt er an Chasot: „Wenn
Ihre Söhne im französischen Dienste untergebracht sind, so rate ich
Ihnen, sie daselbst zu lassen, denn Sie werden wohl wissen, dafs
es unmöglich ist, sie bei ihrer Ankunft als Kapitäns der Kavallerie
in meiner Armee anzunehmen u. s. w. u — - Aber Chasot beruhigte
sich bei diesem Bescheide nicht, er bat abermals, worauf ihm der
König erwiderte id. d. Potsdam, 22. Februar 1780}: „Ich kann Ihnen
meine Verlegenheit über das Anerbieten Ihrer beiden Söhne nicht
verhehlen, zumal es in einer Weise geschieht, welche mich äufserst
empfindlich berührt. Wenn ich nur der Bewegung meines Herzens
folgen wollte, würde ich es annehmen und sie sofort anstellen. Aber
da sie schon den Kapitäns-Titel im französischen Dienste führen und
doch nicht einen niederen Grad annehmen können, so erlauben die
in meiner Armee üblichen Grundsätze mir es durchaus nicht, sie in
derselben Eigenschaft aufzunehmen. Wenn ich selbst in Anbetracht
der väterlichen Verdienste eine Ausnahme von der Regel machen
und den Widerwillen überwinden wollte, meine alten und ver-
dienten Offiziere zu übergehen, so würde doch der vollzählige Etat
des Kapitän-Korps ein neues Hindernifs bieten. Es scheint mir folglich
mehr ihren Interessen zu entsprochen, dieselben im französischen
Dienste zu lassen, wo sie. gemäfs dem Schreiben des Prinzen
von Montbarrey, sicherlich ihr Glück machen werden" ....
Darauf bittet Chasot in einem Schreiben vom selben Tage zum
dritten Male. Der König erwidert etwas ungehalten am 23. Fe-
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Friedrich der Große und General Chasot.
95
bruar 1780: „In Ihrem Schreiben vom gestrigen Tage bitten Sie
abermals um Anstellung Ihrer Sühne in meinem Dienste, auf welche
Weise es auch sei; ich will Ihnen erwidern, dafs ich augenblicklich
keine Vakanz habe, Sie müssen sich jedenfalls gedulden, bis eine
Stelle für dieselben offen wird. Nehmen Sie, wenn Sie wollen, in-
dessen Ihre beiden Söhne mit sich nach Lübeck. Ich werde Sie
benachrichtigen, wenn sich die Gelegenheit zu ihrer Verwendung
bieten wird." — Diese Gelegenheit fand sich glücklicher Weise bald,
denn am 27. März 1780 wurden beide als Lieutenants in zwei
Kürassier-Regimentern angestellt.
Gaedertz sagt in seiner Schrift (S. 74), dafs Chasot bei seinem
letzten Besuche in Potsdam im Jahre 1784 „auf die ausgezeichnetste
Weise behandelt wurde". Ich will nicht in Abrede stellen, dafs dies
geschehen und der gütige König seinen Gast mit allerhand Liebens-
würdigkeiten und Geschenken in reichem Malso bedacht hat, doch
darf nicht unerwähnt bleiben, wie er in einem Briefe an den Prinzen
Heinrich vom 2. Februar 1784 (vergl. Oeuvres, tome 2G S. 501) über
ihn urteilt. Er schreibt daselbst:
„Chasot ist von Lübeck hier eingetroffen, er spricht nur vom
Essen, von Champagnerwein, Rheinwein, Madeira und Ungarwein,
sowie von dem Prunk der Herren Kaufleute der Lübecker Börse,
von dem grofsen Trave-Flufse, vom städtischen Hafen und von seinem
Garten, dessen denselben verzierende Bäume, Stauden, Pflanzen,
Gemüse und Gräser er genau aufzählt u. s. w. u — Aus dem schneidigen
Reiteroffizier von Hohenfriedberg war ersichtlich ein etwas ober-
flächlicher und in der Unterhaltung wenig anziehender Genusses-
mensch geworden. Das fühlte der König und machte ihn in seiner
sarkastischen Weise zur Zielscheibe seines Spottes.
Zum Schlusso sei noch ein, Herrn G. wohl unbekanntes Schreiben
des Königs an Chasot erwähnt, welches zur That von Hohenfriedberg
in direkter Beziehung steht.
Folgendes sei voraus geschickt. Wir wissen, dafs der König in
seiner ersten Siegesfreudo Chasot für sein tapferes Verhalten in der
Schlacht mit verschiedenen Gnadenbeweisen bedachte. Er verlieh ihm
u. A. ein mit kriegerischen Emblemen verziertes, die Zahl der vom
Regiment erbeuteten Fahnen enthaltendes Wappen, desgleichen ein
ähnliches dem in den Grafenstand erhobenen General v. Gessler.
Wenig bekannt dürfte es sein, dafs der König, wie zwei nicht voll-
zogene Entwürfe zu dem dem Regimento für seine tapfere That ver-
liehenen „Gnadenbriofe" darthun, die Absicht hatte, a llen Offizieren,
„welche bei dieser ruhmwürdigen Aktion gewesen," ein ebensolches,
mit Fahnen und Kanonen geziertes Wappen zu verleihen. Diese auf
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Friedrich der Grofse und General Cha»ot.
Pergament geschriebenen Entwürfe, welche ebenso wie der „Gnaden-
brief" das Datum des 11. Juni tragen, wurden, beiläufig bemerkt,
vor etwa '20 Jahren im Privatbesitz aufgefunden und sind in das
Eigentum des Kürassier - Regiments Königin, vormalig Baireuth-
Dragoner - Regiments, übergegangen. — Femer war der Name
Chasot's sowohl in den „Lettres d'un officier prussien", als auch in
der ersten Ausgabe der r Histoire de mon temps a vom Jahre 1740
rühmend besonders erwähnt, in der zweiten aber, nachdem der König
den wahren Thatbestand näher kennen gelernt hatte, gestrichen
worden. Es wurden daselbst nur Ge ssler und Schwerin nament-
lich erwähnt; aulserdem sagt der Körnig: „une infinite d'officiers que
leur grand nombre nous empeche de nommer, s'y firent un noru
imniortel." Von diesen ist einer Chasot, also auch einer der
„Caesaren" von Ilolienfriedberg, keineswegs aber r der eigentliche
Sieger bei Hohenfriedberg a , wie Herr G. in seiner Schrift (S. 6)
ihn zu nennen beliebt. — Der König hat doch zweifellos, indem
er Chasot's Namen in der Ausgabe von 1775 fortliefs, nur der
Gerechtigkeit dio Ehre geben wollen, wie er ja auch Schmettau's
Namen, der in den r Lettres a und in dem ^Gnadenbriefe" genannt
wird, nicht mehr erwähnte, nachdem dio Offiziere des Regiments am
2'2. Juni 1745 im Lager von Wahlitz einstimmig zu Protokoll er-
klärt hatten, es habe niemand den Generalmajor Graf Schinettau bei
der Attacke gesehen.
Chasot scheint aber an dem Glauben fest gehalten zu haben,
dafs ihm ein höherer Anteil an den Lorbeeren des Tages von
Hohenfriedberg gebühre, als ihm der König zugestehen wollte, denn
er bittet 1780 um dio Erlaubnifs, seinem Namen den von „Hohen-
friedberg" hinzufügen zu dürfen. Der König erteilt dem eitlen Mann
die trockene Antwort: ..Ich kann Ihnen diese Gunst nicht bewilligen,
sonst würde ich genötigt sein, diesen Titel allen Offizieren des
Regiments Baireuth zu gewähren, welche am Siege jenes Tages be-
teiligt waren, was nicht angeht." */
Damit dürfte m. E. die Chasot-Legende bezüglich Hohenfriedberg
als abgethan zu betrachten sein. Dafs Chasot's, in erster Linie der
Selbstverhorrlichung dienende Memoiren durch dio Auslassungen
der zweiten Ausgabe der „Histoire de mon temps u veranlafst worden
sind, sagt er selbst, aber auch der obige abfällige Bescheid dürfte
ein Übriges dazu beigetragen haben. E. Schnackenburg.
*) Vergl.: „Die militärische Thfltigkcit Friedrichs des Grolsen im Jahre 1780. u
Von A. v. Tayson, Major im Gencrulstube. S. 10.
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Till.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
1. Eine Mate- und Stammliste aus dem Jahre 1759, nämlich
diejenige der Kompagnie v. Viereck des K. Pr. Regiments Gensdarmes
(in der Stammliste von 1806 als Nr. 10 der Kiirassierregimenter
aufgeführt) vom Januar 1759, giebt an eine Sollstärke der Kompagnie
von 75 Köpfen (je 2 Kompagnien bildeten zu jener Zeit eine Eskadron).
Von dieser Zahl war ein Mann in der Gröfse von 12 Zoll (5 Fufs
12 Zoll, also 6 Fufs) 1 von 11 Zoll, die kleinsten von 5 Zoll. Von
den Mannschaften waren 39 Inländer, 36 Ausländer. Ein Mann war
60 Jahr alt, 4 von 50 und mehr, 19 von 40 und mehr, 17 von 30 und
mehr; also 41 über 30 Jahre alt! Beinahe der dritte Mann war ein
Mecklenburger, wie der Chef selbst. Sch.
2. Hohes Alter fridericiaiüscher Soldaten. Im Jahre 1788 waren
im Regiment Garde du corps noch einige Mannschaften von den im
Jahre 1756 nach der Kapitulation von Pirna „untergesteckten"
sächsischen Trabanten in Reih und Glied, also nach 32 jähriger Dienst-
zeit. Es hatten an der Schacht bei Leuthen noch Teil genommen :
3 Utffz., 1 Trompeter, 14 Gardes du corps; an der Sehlacht bei Zorndorf:
7 Utffz.. 1 Trompeter, 22 Gardes du corps, am Einmarsch vom Feld-
znge, im Jahre 1763: 15 Utffz., 1 Trompeter, 56 Gardes du corps.
Bei der Leib- Eskadron diente 1788 ein 65 Jahre alter Unteroffizier,
der 1741 in den Dienst getreten und 1744 zu den Garde du corps
versetzt worden war. Sch.
3. Der Held von Saragossa. Das Verdienst, die Seele der
heldenmütigen Verteidigung von Saragossa gegen die Franzosen im
Winter 1808/9 gewesen zu sein, wird in den Denkwürdigkeiten des
Generals Marbot (Paris 1891, II 118) einem Belgier in spanischen
Diensten, dem General Le Clement de Saint-Marcq, zugeschrieben.
Der Umstand, dafs diese Behauptung im Widerspruch mit der allgemein
verbreiteten und für richtig gehaltenen Ansicht steht, dafs der Ruhm
diese Rolle gespielt zu haben dem spanischen Generalkapitän Don
Jose Palafox gebühre, verbunden mit der durch mannigfache Wider-
legungen als keineswegs zweifellos erwiesenen Glaubenswürdigkeit der
Aufzeichnungen des französischen Schriftstellers, hat den belgischen
Jahrbücher fUr die DcuUcho Armeo und Marine. Bd. VIUC, l. 7
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98
Kleine heereBgeschichtliche Mitteilungen.
Generallieutenant Wauwermans veranlafst, der Frage n«äher zu treten
und namentlich in Spanien selbst Erkundigungen über den Sachverhalt
einzuziehen. Er wendeto sich zu diesem /wecke an den in Saragossa
lebenden Artilleriegeneral Mario de la Sala, welcher die Belagerung
zum Gegenstand eines eingehenden Studiums gemacht hat, und ver-
öffentlichte in der Revue de Tarmee beige vom Januar 1893 die von
diesem ihm gegebene ausführliche Antwort. Sie bestätigt in einem
gewissen Grade Marbots Behauptung, indem sie berichtet, dafs
Saint Marcq, an die Spitze einer der vier Divisionen gestellt, in welche
die Besatzungstruppen gegliedert waren, sich vom ersten Tage der
Belagerung bis zuui letzten bewunderungswert benommen habe und
mehrere Beispiele seines Wohlverhaltens anführt. Gegen das Ende
der Belagerung, als Palafox auf dem Krankenbette und General
O'Neylle, der Zweite im Kommando, im Sterben lag, habe er den
Oberbefehl übernommen und während der Beratungen über die Not-
wendigkeit die Stadt zu übergeben, habe er dafür gestimmt, dafs man
versuchen solle, sich durchzuschlagen. Wenn daher Saint-Marcq auch
nicht, wie General Marbot behauptet, die Seele der glorreichen Ver-
teidigung gewesen ist, und das Verdienst, seine Landsleute zum
Widerstande bis auf das Äußerste bewogen zu haben dem General-
kapitän von Aragon nicht bestritten werden darf, so ist doch bei der
geringen militärischen Begabung, welche Don Jose Palafox in seiner
ganzen kriegerischen Laufbahn bethätigt hat, sehr wahrscheinlich,
dafs Saint-Marcq, abgesehen von seinen Leistungen an der Spitze der
ihm unterstellten Division und als Höchstkommandirender in den
letzten Tagen des Kampfes, auf die Verteidigungsanordnungen grölseren
Einflufs geäufsert hat, als bisher bekannt war. General Sala äufsert
sich über diesen Punkt nicht; dafs die damaligen Zeitgenossen mehr
geneigt gewesen sein werden, den Namen ihres Landsmannes Palafox
zu verherrlichen als dessen Ruhm zu Gunsten eines Ausländers zu
verkleinern, ist erklärlich, zumal es sich um die stolzen Spanier
handelt; Saint-Marcq hatte übrigens von Jugend an in spanischen
Diensten gestanden. 1762 in Belgien geboren, war er 1776 in die
Wallonengarde getreten und in der Zeit bis zum Jahre 1808 zum
Brigadier aufgerückt. Er schlofs sich damals der nationalen Partei
an, ging nach Valencia, trug in hervorragender Weise zum Entsätze
von Saragossa, bei dessen erster Belagerung durch den General
Lefebvre-Desnuettes bei und focht dann in der Schlacht von Tudela,
deren unglücklicher Ausgang die zweite Belagerung von Saragossa
durch den Marschall Lannes ermöglichte. Die Übergabe der Stadt
brachte Saint-Marcq in französische Gefangenschaft, aus welcher er
erst auf Grund des am 11. Dezember 1813 zu Valeneay abgeschlossenen
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Umschau in der Militär- Litteratur.
09
Übereinkommens aus Nancy zurückkehrte. Der absolutistischen Partei
angehörend, war er später Höchstkommandirender in Aragon, verliefs
1830 den Dienst und starb im folgenden Jahre zu Madrid. 14.
Umschau in der Militär -Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften.
Streffleur's österreichische militärische Zeitschrift. (Juni.)
Strategie zur Zeit Napoleons I. und in unserer Zeit. Aus dem Russischen
von St. Sarkotic, k. u. k. Hauptmann im Generalstabskorps. (N.B. Dieser
interessante Aufsatz füllt das ganze Heft.)
Organ der militarwissenschaftlicheii Vereine. (XLVIIf. Bd.
6. Heft.) Der Kriegsblind. — Der Uberfall des Obersten Ph. Frh. von
Vukassovich bei Dego 179G. Eine kriegsgeschichtliche Skizze von P. K. —
Über Wasserfiltration (Regt.-Arzt Dr. Schöter).
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Uenie-
wesens. (5. lieft.) Die Küstenbefestigung, von Oberstlt. Leithner. —
Über mechanische Zeitzünder, von Hauptm. Pnngher.
Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 18: Das Mai-Avancement. — Schriften
des Erzherzogs Karl. — Militärisches aus der Schweiz. Nr. 19: Die Nähr-
und Wehr- Ausstellung. — Das Gefecht von Sain-Lagta. — Zum Studium
des Exerzir-Reglements. Nr. 20: Die Auflassung des Stabsoffiziers- Kurses.
— Die Nähr- und Wehr - Ausstellung. — Zum Studium des Exerzir-
Keglements (Schlufs).
Militär- Zeitung. (Österreich.) Nr. 16: Zum Kapitel: Soldaten-
inifshandlungen. — Das Mai-Avancement. Es avancirten 3 F.-M.-Lt. zu
Feldzugmeistern bezw. Generalen der Kav., 18 Generalmajore zu Feld-M.-Lts.,
42 Oberste zu Generalmajors, 83 Majore zu Oberstlieutenants u. s. w. Nr. 17:
Artilleristische Streiflichter. — Die Rekrutirung der italienischen Armee.
Nr. 18: Die Auflassung des Stabsoffizierskurses. — Fcuerübung mit 80 Feld-
geschützen.
Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 619: Der Reserveoffizier als Berufs-
soldat; es wird eine bessere Ausbildung derselben, auch in Bezug auf die
Charaktereigenschaften des Offiziers befürwortet (sehr lesenswerter Aufsatz!).
Nr. 620: Die Selbstmorde im Heere. — Das Avancement im preussischen
Offizierkorps. Nr. 621: Zum Wiegenfeste unserer Kriegsmarine (Erinnerung
an das Gefecht bei Helgoland am 9. Mai 18(54). Über die russischen Jagd-
Kommanden. Nr. 622: Über Befehlstechnik. — Ein Distanzritt (im nörd-
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Umschau in der Militär- Litteratur.
liehen Bosnien; von 9 Offiz. und 9 UnterofT. der Brigade-Equitation ; es
wurden in 8 Tagen (einschl. Rasttag) 569 km zurückgelegt. Nr. 623: Zwei
Deccnnien in Galizien. — Einheimische und Ausländer im bulgarischen
Heere. Nr. 624: Die Agonie des Stabsoffizierskurses. Nr. 625: Die Kriegs-
munition im Dienste der öffentlichen Sicherheit; es werden als Friedens
taschenmunition kurztragende Kartätsch-Patronen mit geringerer Durch-
schlagskraft in Vorschlag gebracht. Nr. 626: Die neue Feldgeschütz-
ladung. — Lieferungen von Kriegsmaterial nach der Türkei.
Journal des seiences militaires, (Mai 1894.) „Dernicr efforf,
von General Philibert (Schlufs); dieser Aufsatz handelt von den Grofsen
Manövern. — Disziplin, Subordination und äufsere Zeichen der Hoch-
achtung, von General Dragomirow (aus dem Russ. übers). — Das 6. Korps
und die Schutztruppen. — Die Thätigkeit der deutschen Kavallerie-
Divisionen vom 8. August bis 1. September 1870. — Formation und
Märsche der grofsen taktischen Einheiten der Infanterie bei Aussicht auf
den Kampf. — Der Feldzug 1814 (Forts.). — Die Siegeszuversicht grofser
Feldherren (Forts.).
Le spectateur inilitaire. (1. Mai 1894.) Das alte und das neue Regle-
ment. — Die Memoiren von Constant, erstem Kammerdiener des Kaisers
(Napoleon I.); Besprechung dieses bei Garnier-frerc erschienenen Werkes,
welches über das Privatleben des Kaisers sehr interessante Aufschlüsse giebt.
Revue d'Infanterie. Nr.89: (Mai.) Geschichte der Infanterie in Frank-
reich (Forts.). — Die Gesundheitspflege der europäischen Kolonialtruppen
(Forts.). Die bedrohete Grenze (Forts.). - Der Militär-Sanitätsdienst 1870.
Revue de Cavalerie. (April.) Die Kavallerie-Avantgarden. — Die
italienische Kavallerie (Forts.). — Das Parolebuch eines Kavallerieregiments
(15. Chasseurs) während des Krieges in Spanien (Schlufs). — Die Kavallerie-
manöver von Blero (Forts.). • — Die Gangarten des Pferdes, entwickelt durch
die experimentale Methode (Forts.). — Ein Wort über die Kavallerie-
Offiziere der Reserve und Landwehr. — Die reiterlichen Zerstreuungen in
der Armee.
Revue d* Artillerie. (Mai.) Geometrische Studie über die Beringung
mit Stahldrähten. — Die Expedition von 1830 und die Eroberung von
Algier durch die Franzosen, Organisation und Thätigkeit der Artillerie des
Expeditions-Korps (Schlufs). — Anmerkungen über die Veränderungen des
Exerzir-Reglcments der deutschen Feld-Artillerie.
Revue militaire universelle. Nr. 26: (Mai.) Der Sezessionskrieg
(Forts.). — Xachtmärsche und Nachtoperationen (Forts ). — Die Verpflegung
der Armeen Friedrichs d. Gr. und Napoleons (Forts.). — Die französische
Kavallerie von 1800 bis 1815 (Forts.). — Der Riff-Krieg (Forts.).
Revue du cercle inilitaire. Nr. 17: Das deutsche Kriegspulver. —
Gegenwärtiger Standpunkt und militärische Bedeutung der Luttschiffahrt.
— Die Reorganisation der schweizerischen Armee (Schlufs). — Formosa
und die Pescadores (Forts.). — Nr. 18: Die irregulären Truppen der
chinesischen Armee: Die Tapfereu. — Dio Batterie-Leiter; behandelt die
Konstruktion eines 3,70 m hohen leiterartigen uud transportabelen Ob-
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Umschau in der Mihtär-Litteratur.
101
servatoriums für den Batteriechef. — Formosa und die Pcseadores (Schlufs).
Nr. 19: Die Marsch-Boussole. (Mit Kroki.) — Die irregulären Truppen der
chinesischen Armee (Forts.). — Nr. 20: Hemorograph (Photograph. Apparat)
des Kommandanten Blain. — Das Thätigkeitsfeld der Milit. Velozipcdistcn.
— Die irregulären Truppen der chinesischen Armee (Schlufs).
I/Arenir militaire. Nr. 1888: Die Ergänzung der Kriegsakademie
(Ecole de guerre). — Die Wiederanwerbung des Soldaten. — Die „Non
Valeurs"; beliandelt den Mifsbrauch, der mit Abkommandirten, Ordonnanzen
etc. getrieben wird. — Das Kriegs-Budget für 1895 beziffert sich auf
648 085 805 Frcs., 14 432 714 Frcs. mehr als im Vorjahre. Nr. 1889:
Unsere Reserve-Offiziere ; Vorschläge zu deren besserer Ausbildung. Nr. 1890:
Unsere Reserve-Offiziere (Forts.). Nr. 1891: General Ferro n: geb.
10. Sept. 1830; f 6. Mai 1894 in Folge Sturzes mit dem Pferde. Von Mai
1887 bis März 1889 Kriegsminister, dann kommandirender General d.
18. Armeekorps (Toulouse), seit 1893 Kommandeur der Alpen-Armee.
Hr. 1893: Neue artilleristische Formationen. Die Artillerie zählt gegen-
wärtig 38 Regimenter und 16 Bataillone, im Ganzen 580 Batterien (Feld-
n nd Festungs- Artillerie!). — Die Telegraphie bei den Armeen. — Das
Hinwegfeuern über Truppen. Nr. 1894: Wähler oder Soldaten? Wendet
sich mit Schärfe gegen den Vorschlag, den Soldaten das Wahlrecht zu
geben.
Le Progres militaire. Nr. 1408: Berichte der Vorgesetzten und der
Untergebenen. Behandelt den Fall Fenöon. Dieser Beamte im Kriegs-
Ministerium ist bekanntlich des Anarchismus überfuhrt worden; man habe
es an der nötigen Überwachung von Seiten der Zentral -Verwaltung fehlen
hissen. Nr. 1409: Das Kriegsbudget. I. Die Effektivstärke dos Land-
lieeres wird 1895 ein 3Iehr aufweisen von 230 Offizieren und 34 597 Mann;
mit dieser Vermehrung sollen das 6. und 7., an der Ostgrenze stehende
Korps auf einen höheren Etat gebracht werden (200 Gewehre per Kompagnie,
d. h. völlig kriegsbereit. Im Falle des Krieges sollen sie marschbereit sein,
ohne das Eintreffen der Reservisten abzuwarten!). Nr. 1410: Das Exe rz ir-
Reglement der Infanterie. Scharfe Kritik der neuesten Veränderungen
desselben. — Das Kriegsbudget. II. Nr. 1412: Das KriegsbudgeL III.
— Die Befestigungen von Nancy. IV. Nr. 1413: Die Mobilmachung der
Reserve- Kavallerie. — Das Kriegsbudget. IV. - Die Befestigungen von
Nancy (Schlufs). Nr. 1414: Das Oberkommando. Pr. befürwortet, die
Armeekorps schon im Frieden zu Armeen zu vereinigen und diese einem
ständigen Oberkommando zu unterstellen. — Das Kriegsbudget. V.
La France militaire. Nr. 3012: Budget 1895. I. Nr. 3013: Unsere
Feldgeschütze. Warnt vor Beunruhigung wegen etwaiger Fortschritte in
Deutschland und anderen Nachbarstaaten. Die Schaufel- und andere Bremsen
haben sich nicht bewährt. (Von General Tricoche). Nr. 3017: Die Re-
krutirung der Offiziere in Frankreich. Von Oberst Roberts. Nr. 3020:
Die Poly technische Schule. (Forts.). Nr. 3021: Die reitende Artillerie.
Gegen die Umwandlung von 7 reit. Batterien in fahrende. Nr. 3023 :
Rekrutirung der Offiz. in der Schule von St. Cyr. Nr. 3024; Kolonial-
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Umschau in der Militär- Litteratur.
truppen. Nr. 3026: Rekrut, der Off. in der Schule von St. Cyr. Nr. 3028:
Dasselbe. Nr. 3029: Nachtdienst. Nr. 3031: Rekrutirung der Offiziere in
Frankreich. Offiziere, welche ans der Truppe hervorgehen. Nr. 3033:
Nachtdienst hei der Kavallerie. Nr. 3035: Teilweise Reorganisation der
Artiii. und des Genies. Nr. 3036: Die Rekrutirung der Offiziere in Frank-
reich. Nr. 3037: Uesen e-Kavallerie-Regimenter.
Revue de Parmee beige. (März- April 1894.) Die deutsch-russischen
und die österreichisch -russischen Grenzen. — Die spauische Armee 1893.
— Die Weltausstellung in Antwerpen. — Egypten und das rote Meer iu
ihrer strategischen Bedeutung (Ubersetzung des so betitelten Aufsatzes der
„Jahrbücher", Februar 1893). — Uber die Revision unserer Artillerie-
Verwendung auf dem Schlachtfelde. — Nachtmarsche und Nacht-Operationen.
La Belgique militaire. Nr. 1202: Pontonnicrc. — Die Militär-
pensionen. Nr. 1203: Die Reitkunst in der belgischen Armee. Nr. 1204:
Die Kriegskunst auf der Weltausstellung von Antwerpen 1894.
Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (April.)
Reorganisation des Bundesheeres; Abanderungs - Antrag zu dem bundes-
rätlichen Entwurf betreffend die Organisation des Bundesheeres, gestellt
vom Obcrstdivisiona'r Meister, als Mitglied der nationalrätlichen Kommission.
— Betrachtungen über das Verhalten der drei Waffen im russisch-türkischen
Kriege 1877/ 78. — Einiges über die grofsen deutschen Manöver im vorigen
Jahre, abgehalten bei Metz und bei Karlsruhe. — Rufslands Wehrmacht.
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (April.)
Zur Reorganisation der Geniewaffe. — Zur Sicherung des Gotthard. —
Österreichische Mitrailleuse M. 1893. (Schluß*). — Auszug aus dem Bericht
des eidgenössischen Militärdepartements über die Geschäftsführung vom
Jahre 1893.
Revue militaire suisse. Die Genietruppe und der Heeresgesetz-
Entwurf. — Der Heeresgesetz -Entwurf (Vortrag von 01>erst de la Rive).
— Studie über Dienst und Organisation des Genies in der Schweizer-Armee.
Militär-Luftschiftfahrt.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitiiitg. Nr. 17: Die Entlastung
und Uniformsveränderung der deutschen Infanterie. Nr. 18: Die belgischen
Heeresreformpläne. — Nr. 19: Der französische Konflikt mit Madagaskar.
Nr. 20: Die Frühjahrsrevue der Garnison von Paris.
Army and Navy Gazette. Nr. 1786: Angriff oder Verteidigung.
Nach allgemeiner Betrachtung beider Kaniplärten in früheren Kriegen und
in denen der Zukunft wird den moralischen Faktoren der entscheidende
Wert zugesprochen. — Die Examen für die Majors. Eine neu er-
sehienene Verordnung für dieses wird mitgeteilt und kritisch besprochen. —
Pferde im Kriege. Ein englischer Veterinärarzt weist nach, dafs die
Pferdeverluste in Winterkriegen, wie 1812 und in der Krim nicht Folge
der Kälte, sondern der schlechten Ernährung waren. — Die Gepäck-
erleichterung der deutschen Infanterie. — Fahrräder in «1er
Armee. Die Notwendigkeit derselben auch für Kavallerie wird nach-
gewiesen. Nr. 1787: Die höheren Sanitätsoffiziere. Die ungünstigen
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Umschau in der Militär - Litteratur.
Avancements -Verhältnisse derselben werden besprochen. - Lokomotiven
auf Landstrafsen. Der Oberstlieutenant Templer stellt in einem Vor-
trage die Behauptung auf, derartige Lokomotiven seien jetzt so vervollkommnet
worden, dafs sie mit Vorteil für Heerestransporte in Krieg und Frieden ver-
wandt werden können. — Die Armee-Rcmonten. Die Schwierigkeit
des Pferde-Ersatzes in fast allen Armeen sei Folge der nicht genügend
ausgebildeten Pferdezucht zu Heereszwecken. Nr. 1789: Moltke als
Lehrer der Taktik. Die Verdienste Moltkes als Taktiklehrer werden
nach seinen jetzt in englischer Sprache erschienenen taktischen Aufgaben,
sowie deu auf jenen fufsenden Schriften von Verdy du Vernois in an-
erkennender Weise besprochen. — Die nächtlichen Unternehmungen
in Aldershot wurden in grö fiterem Mafsstabe in der Weise geübt, dafs
drei getrennt aufgestellte Brigaden den Befehl zum Vormarsch in dunkler
Nacht nach dem Kompafs und bestimmter Entfernung antreten mufsten.
Die Vereinigung der Truppen fand in richtiger Weise, etwa 500 m vor
der feindlichen Stellung statt. — Geschichte de|s Walisischen In-
fanterie-Regiments. (41. und 69. der Linie.) Errichtet 1719. Nr. 1790:
Die Uniform der Königin. Der Aufsatz spricht für Hebung des
Ansehens der Uniformen, besonders gegen das allzu ausgedehnte Tragen
von Civilkleidern seitens der Offiziere. Nr. 1788: Die Ausbildung der
Offiziere der Voluntoers beschränkte sich bis jetzt lediglich auf
praktisches Gebiet, auf Exerziren. Die Einrichtung eines Unterrichtskursus
über Taktik wird als dringend notwendig hingestellt. — Die Finanz-
verhältnisse Italiens und die Armee. Unter Angabe der seit dem
Jalire 1870 für Heerwesen erforderlich gewesenen Ausgaben wird die Un-
möglichkeit nachzuweisen gesucht, in dieser Weise fortzufahren.
Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 194:
Manöver in Irland. Bericht über den Verlauf derselben mit kritischen
Bemerkungen.
Journal of the United Service Institution of India. Nr. 113:
Die Kämpfe der Matabele und Zulus gegen die Einwanderer
im Kaplande 1836 — 39. — Schutzmittel gegen moderne Waffen.
Aus dem Französischen übersetzt. Anknüpfend an die Erfindung des
Dowe'schen Panzers wird die Durchschlagskraft der modernen Gewelire
erörtert, besonderer Wert wird der Erzeugung dicker Rauchwolken bei-
gelegt. Nr. 114: Die Schwimmübungen der 1. donischen Kasaken-
Di vision an der Weichsel. Uericht Uber die vom 23— 27. Juli vorigen
Jahres stattgehabten Übungen im Durchschwimmen der ca 600 m breiten
und rasch fließenden Weichsel. — Die „Lava" der Kasaken wird
deren Angriff in regellos aufgelösten Schwärmen und Vereinigung auf
einen bestimmten Angriffspunkt genannt. Diese Kampfart wird eingehend
erörtert und aus der eigenartigen Ausbildung vou Reiter und Pferd ab-
geleitet.
Russischer Invalide. Nr. 82: Auf Grund früher erlassener Befehle
sind das 2. Reiter-Regiment des transbaikalischen Kasaken -Heeres am
1. Februar, die 4. kaukasische Reserve-Brigade am 16. März d. J. formirt
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Uli
Umschau in der Militär- Litteratur.
worden. Nr. 85 — 89: Abänderungen und Ergänzungen der
Paragraphen der Schiefsvorschrift vom Jahre 1893. Seit Heraus-
gahe der neuen Schiefsvorschrift für das Drei-Linien-Gewehr sind einige
Abänderungen erforderlich geworden; diese betreffen die eigentliche Schiefs-
vorschrift nur insofern, als ihr eine Beilage, betr. das Anschiefsen der
Gewehre, hinzugefügt worden ist; die anfängliche Voraussetzung nämlich,
dafs die Gewehre den Truppen von den Fabriken angeschossen übergeben
werden sollten, hat sich uicht verwirklichen lassen, so dafs es sich als not-
wendig herausgestellt hat, die Gewehre hei der Truppe anzuschiefsen. —
Der grüfste Teil der Änderungen und Ergänzungen betrifft den zweiten
Teil der Schiefsvorschrift, d. h. die Beschreibung des Gewehrs, indem
es notwendig geworden ist, an dem ursprünglich den Truppen übergebenen
Modell einige Änderungen vorzunehmen. Die wesentlichsten dieser
Änderungen bestehen in Folgendem: 1. Das russische Drei-Linien-Gewehr
hat keinen Laufmantel; da es sich aber herausgestellt hat, dafs die Er-
hitzung des Gewehrs beim Schiefsen eine so starke ist, dafs ein Umfassen
des Laufes mit der Hand unmöglich wird, so hat man dem neuen Modell
des Gewehrs einen „Laufbelag" (sstwolnaja nakladka) hinzugefügt, ein
muldenförmiges langes Stück Holz, welches oben auf den Lauf gelegt und
mit seinen messingenen Endstücken zwischen Uber- und Unterring befestigt
wird; dieser Laufbelag ersetzt den Mantel des deutschen Gewehrs natürlich
nur insoweit, als er die Handhabung des Gewehrs erleichtert; 2. dem
ursprünglichen Modell des Gewehrs war zum Reinigen des Laufes ein
Wischstrick beigegeben, während der kurze Stock nur zum Reinigen des
Patronenlagers diente; da sich aber die Wischstricke in Rufsland ebenso-
wenig wie bei uns bewährt haben, so sind sie wieder abgeschafft worden;
an ihre Stelle tritt in der Garnison ein Wischstrick aus Kupferdraht; ziun
Reinigen aber des Gewehrs im Kriege und im Manöver wird der kurze
Stock des Gewehrs verwandt, welchem man zu diesem Zwecke eine solche
Einrichtung gegeben hat, dafs mehrere Stöcke zusammengeschraubt werden
können; auf das Ende eines solchen zusammengeschraubten Stockes wird
der Wischer aufgescliraubt, eiu kleiner Metallschaft, dessen unteres
messingenes Ende mit Schlitzen zum Befestigen von Werg u. s. w. ver-
sehen ist; dieses messingene Endstück des Wischers ist drehbar befestigt,
so dafs es beim Durchziehen des Stockes durch den Lauf den Windungen
der Züge folgen kann. In das Kopfende des zusammengesetzten Stockes
wird ein Ring zur besseren Handhabung eingeschraubt; 3. die Einteilung
des Visirrahmens ist insofern geändert worden, dafs die Entfernung
1250 Sehr, in Wegfall gekommen ist, und dafs die langen Visirmarken auf
«lern Rahmen immer den vollen Hunderten Schritt, die kurzen, welche sich
unmittelbar unter jenen befinden, den Entfernungen 1350, 1450 u. s. w.
entsprechen. Alle übrigen Änderungen sind völlig unwesentlicher Natur.
Erwähnt sei hier, dafs der „Invalide" dieser Tage die Verabschiedung
des Gen.-Lts. Rittich, Kom. der 35. Inf.-Div. in Rjasan, veröffentlicht;
es ist in Rufsland ein äufserst selten vorkommender Fall, dafs ein Divisions-
Kommandeur, falls es nicht seine Gesundheit dringend erfordert, was dann
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Umschau in der Militär -Litteratur.
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jedesmal in der betreffenden Kabinets-Ordre besonders ausgedrückt wird,
verabschiedet wird. Man inufs daher den Grund für die Verabschiedung
des Generals in seiner schriftstellerischen Thiitigkeit suchen (vergl. Aufsatz
in den „Jahrbüchern", März 1894 „Das russische Offizier-Korps nach dem
Urteile eines russischen Generals") ; man ist ja in Rufsland in dieser Be-
ziehung aufserst tolerant, General Kittich aber ist in seiner Offenheit denn
doch wohl zu weit gegangen.
Gröfsere Aufsätze: Nr. 80: Der Platz der Artillerie unter
den anderen Waffengattungen; Inhalt eines über dieses Thema von
dem Kapitän des Gcneralstabes Sswjazki in der Nikolai-Akademie gehaltenen
Vortrages. Die Ansichten des Vortragenden lassen sich in seinen Schluß-
worten zusammenfassen: „Viele sehen in dem Triumph der Artillerie einen
Triumph der Technik über die Herrschaft des Geistes. Das ist ein grofser
Irrtum. Auch bei der Artillerie führt den Kampf der Mensch und nicht
die Kanone, aber nur ein besser bewaffneter Mensch. Der Artillerist
ißt kein Maschinist, er war es nie und wird es nimmer sein."
Hr. 81: Vorschrift für die Sommerübungen — für die Trappen des
Militärbezirks Kasan; betrifft namentlich die durch Einführung des neuen
Gewehrs und des rauchlosen Pulvers erforderlich werdenden Änderungen
in der Gefechtsleitung.
Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 183: Die Ochotniki der 1. Garde-
Infanterie -Division mit einem Bilde des von dem vereinigten Jagd-
Kommando dieser Division umgebenen Grolsfürsten-Thronfolgcrs. Aus dem
Artikel geht hervor, dafs von dem Kommandirenden des Garde-Korps ein
sehr grofses Gewicht auf die Ausbildung der Ochotniki gelegt wird. Eine
besondere Kommission hat die Ausbildung derselben zu prüfen, wobei ein
sehr eingehendes, nicht weniger als 22 verschiedene Punkte enthaltendes
Programm zu Grunde gelegt ist. Der Gang einer solchen Prüfung, welche
unter dem Vorsitze des Oberst Daniloff, vom Leib-Garde-Jäger-Regiment
vom 20. 5. bis 2. 6. v. J. abgehalten wurde, wird eingehend beschrieben. —
Über die Garnison Ardahan und das Leben daselbst. Enthält zu-
gleich die Beschreibung eines im Winter 1893 von dort nach Acbalzych
Seitens mehrerer Offiziere der 3. Batterie der 38. Artillerie- Brigade unter-
nommenen Rittes über das mit Schnee bedeckte Gebirge. — Eine Expedition
zur Erforschung der Verhältnisse an der Grenze von Buchara mit Afghanistan,
unter Leitung des Generalmajors Ussoff. — Aus dem Leben auf der Grenz-
wache. Die angehaltene Kontrebande. — Nr. 184: Bilder und Biographien
der Generallieutenants von Winterfeld und von dem Knesebeck, Komman-
danten von Königsberg. — Der Kompagniechef als Leiter der Kompagnie-
Verwaltung. — Wie soll man Kriegs- Wissenschaften studiren? (Nach der
Methode des Generals Leer, welche in einer soeben erschienenen Broschüre
dieses in Rufsland besonders hochgeschätzten Lehrers der Nicolai- Akademie
entwickelt wurde).
Russisches Artillerie -Journal. Nr. 2 (1894): Der Einfluß» der
Drehbewegung der Erde auf die Gcschofsbahn. — Zur Erwiderung auf den
Aufsatz: „Von der Schätzung des Artillcriefeuers. u — Neues Material der
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Umschau in der Militär -Litteratur.
deutschen Feld-Artillerie. — Der Dienst der deutschen Belagerungs- Artillerie
heim Angriff der Festungen. — Die Entstehung der stickstoffhaltigen Salze
in der Natur.
Rivista militare Italiana. 1. Marz. Agordat. Gefechtsbericht.
Unser Infanterie-Exerzir-Reglement und das französische.
16. März. Unser Infanterie-Exerzir-Reglement und das fran-
zösische (Forts). (Beachtenswerter Aufsatz besonders auch bezüglich
dessen, was über die Selbstständigkeit der Unterführer gesagt wird). Das
Gefechtsschiefsen der Infanterie (Schlufs). 1. April. Napoleon
in don neuesten Publikationen (Forts.), die die Memoiren Macdoualds,
Landrieux' Schriften, Yigo Roussillon berührt. Die grofsen deutschen
Manöver 1893.
Esercito Italiano. Nr. 46: Verteilung der Artillerie-Regie-
menter auf die Schiefsplätze und Dauer der Schiefsübungen.
Nr. 47: Die Kommission für die Beratung des Gesetzentwurfes betreffend
die Offizierehon hat die Summe von 10 000 Lire, deren Sicherstellung
der Entwurf des Ministers bei Verheiratung im Alter zwischen 25 und
33 Jahren fordert, als zu niedrig betrachtet und verlangt eine Rente von
1200 Lire für Subalternoffiziere über 35, von 1500 für solche unter
35 Jahren. Nr. 48: Aus der Beratung des unterdefs genehmigten Marine-
budgets sei auf Admiral Morin's Erklärung verwiesen, dafs er in diesem
Jahre zwar Abstriche ohne Schädigung der Flottenkraft habe annehmen
können, in Zukunft aber nicht mehr. Organische Reformen, die er beab-
sichtige, könnten nicht sofort, sondern erst allmählig Resultate liefern. Er
beabsichtige Dezentralisation, Vereinfachung der Verwaltung, sei ein ent-
schiedener Gegner der Zersplitterung der Kräfte behufs Küstenverteidigung,
die am besten durch eine Kontre-Offensive bewirkt werde. Das Arsenal
von Neapel soll zu einem grofsen industriellen Etablissement werden. —
Der Bericht Rais über das mit grofser Majorität jetzt genehmigte Kriegs-
budget lehnt größere Ersparnisse zum Nutzen des Schatzes ab, wohl
aber lassen sich Ersparnisse erzielen durch organische Reformen, diese aber
müssen dem Kriegsbudget zu Gute kommen. Italiens Bewohner tragen
eine geringere Last für Wehrkraftszwecke pro Kopf als diejenigen Frank-
reichs und Deutschlands, wollte man in Italien nur in demselben Ver-
hältnils zur Bevölkerung Aufwendungen machen, wie in der Schweiz, so
müfste man 600 Millionen ausgeben. Plötzlich durchgreifende organische
Reformen würden die Wehrkraft in einen Zustand absoluter Kraftlosigkeit
versetzen und die gewünschten Ersparnisse nicht ergeben. Die Vorschläge
der Kommission zur Erzielung von Ersparnissen durch organische Reformen
decken sich mit denen, die der Kriegsminister beabsichtigt.
Rivista di artiglieria o genio. (April.) Das Pferd der Maremmen
in den Feldbatterien. — Regel für die Bestimmung der Ladung beim Steil-
feuer mit feststehender Elevation. — Anwendung der Elektrizität auf
Sicherheit und Dienstbetrieb der Eisenbahnen.
Revista cientiflco-militar. (S panien.) Nr. 8: Der Streitfall vou
Me.lilla. I. Brief. — Ausbildung des Soldaten der deutschen Infanterie.
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Umschau in der Militär -Litteratur.
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Nr. 9: Melilla. II. Brief. — Die Gesundheit des Soldaten. XVI. Brief.
Getränke. Wasser. — Ausbildung in den Arbeiten der Feldbefestigung. —
Die Franzosen im Sudan.
Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien.) Nr. IX: Mefs-
instrumente und ihre Verwendung im Ingeniourdienst.
Reyista militar. (Portugal.) Nr. 7: Selbstständige Patrouillen
der Infanterie. Kurze Studien über moderne Taktik.
KrigSYetenskaps-Akadeiniens-Handl i n gar. (Schweden.) 7. He f t.
Leitung und Kritik bei kleinen Übungen.
Mililaire Spectator. (Holland.) Nr. 5: Erinnerungen an die
Kdi-Expedition 1890. Die Keserve-Kadres der Infanterie und
Festung»- Artillerie.
II. Bücher.
Untersuchungen über die Taktik der Zukunft, entwickelt aus der
neueren Kriegsgeschichte. Vierte vollständig umgearbeitete und
vermehrte Auflage der „Zwei Brigaden". Von Fritz Hoenig.
Berlin 1894. Ii. Felix. Preis 7,50 M.
Mit obigem Werk liegt uns eine wesentliche Umarbeitung der früheren
Auflagen der ,.Zwei Brigaden" des Herrn Verfassers vor. Wenn schon
die zweite und dritte Auflage eine solche im Vergleich zur ersten darstellten,
da hier bereits die Einflüsse in Berücksichtigung gezogen wurden, die das
Kleinkalibergewehr, das rauchschwache Pulver und die gestiegene Geschofs-
wirkung der Artillerie auf die Taktik ausüben müssen, so weist diese
vierte Auflage einen weiteren Ausbau nach dieser Richtung auf, indem die
Vorgänge in Chile sowie die praktischen Friedensversuche und neueren
theoretischen Studien hierin noch weiter aufklärend gewirkt und bereits in
Reglements und Vorschriften Ausdruck gefunden haben. So sehen wir be-
sonders im III. Teil des Buches einige ganz neue Kapitel, welche hoch-
wichtige Fragen der modernen Taktik behandeln.
Wiewohl der 1. Teil schon viel besprochen ist, welcher den Angriff
der 28. Infanterie-Brigade in der Schlacht von Königgrätz und den der
«58. Brigade in der Schlucht von Vionville schildert, so ist es doch nötig,
hier noch einmal darauf zurückzukommen, da das vortreffliche Werk sich
hauptsächlich auf diese Vorgänge aufbaut. Indem Verfasser nämlich diese
kriegsgeschichtlichen Ereignisse, denen er persönlich beiwohnte, nicht allein
nach den eigenen Eindrücken darstellt, sondern sie auch vermöge des ihm
innewohnenden geläuterten Urteils auf Grund eingehendsten Quellenstudiums
vorführt nnd kritisch beleuchtet, knüpft er an dieses Material taktische und
psychologische Betrachtungen, welche er im II. und III. Teil verweitet.
Unter Berücksichtigung auch weiterer kriegsgeschichtlicher Ereignisse unter-
nimmt er hier eine Untersuchung über Wesen und Form unserer Zukunfts-
taktik, wobei er in der Hauptsache den Kampf in der rangirten Schlacht
in's Auge fafst.
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Umschau in der Militär -Litteratur.
Bezüglich dos ersten Teils mufs vor allen Dingen hervorgehoben
wenlen, dafs wir wohl selten in einem kriegsgeschichtlichen Werk, zu
Folge oben erwähnter Umstände, einer so lebenswarmen, fesselnden Dar-
stellung aller charakteristischen Vorgänge oft bis in die kleinsten Details
begegnen werden, wie sie uns hier vorgeführt ist. Wir sehen die Helden-
gestalten persönlich vor uns, wir sehen sie handeln und hören sie sprechen !
Wir glauben die Schlacht mit zu erleben und können uns, — worauf es dem
Verfasser vor allen Dingen ankommt, — in den Geist der Truppe versetzen und
die Vorgänge auch psychologisch ergründen ! Das so in klassischer Form vor-
geführte Schlachten bild wirkt wie die Lektüre eines Epos und mufs auch
jeden Laien fesseln und begeistern! Bei der Beurteilung der Entschlüsse
und Aktionen übt Verfasser eine milde, wohlwollende Kritik, trägt allen
mitsprechenden Umständen und dem damaligen Stand unserer taktischen
Anschauungen und dementsprechenden Ausbildungsgrade gebührende
Rechnung, zieht aber andrerseits, wo wirkliche Versehen und falsche An-
schauungen vorlagen, in klaren folgerichtigen Schlüssen die Lehren daraus,
wie etwa damals anders hätte gehandelt werden müssen, bezugsweise, wie
nunmehr bei verbesserter Bewaffnung zu verfahren sein würde.
In demselben Sinne ist der II. Teil: „Psychologie und Taktik", sowie
der III. Teil: „Taktische Folgerungen" abgefafst, indem wir auch hier
keiner schulmeisterlichen Theorie begegnen, sondern worin er mit demselben
wannen Herzen, wie einst als Soldat in der Schlacht, mit dem Menschen
rechnet und das Psychologische der Frage obcnanstellt. Bei seinen Unter-
suchungen über die Taktik geht er von der Natur des Durchschnittssoldaten
aus, bei welchem der natürliche Selbsterhaltungstrieb in schwierigen Gefechts-
lagen nur selten durch innere moralische Kraft paralysirt wird und verlangt
mit Kecht von der Erziehung im Frieden sowie von der Tnktik, dafs sie
diesem Faktor Rechnung tragen müssen. In Berücksichtigung der chirur-
gischen und ballistischen Versuchsergebnisse neuester Zeit sowie des Ein-
flusses des rauchschwachen Pulvers auf Übersichtlichkeit des Geländes
und somit auf die Befehlserteilung hält er eine Befohlsführung bis
hinein in's Gefecht durch die höhere Führung für ausgeschlossen, ver-
langt daher, — ,,da nur eine geführte Truppe siegen kann, 4 ' — mehr
Unterführer und stellt erhöhte Anforderungen an ihre Initiative und
Umsicht. Andrerseits erkennt er die Notwendigkeit der einheitlichen
Leitung des Gefechts bis in das letzte Stadium an und verlangt daher, m i t
Verwerfung eines sogenannten Normalangriffs, eine Reglemen-
tarisirung der Wechselwirkung zwischen höherer und niederer Führung,
also eine Beschränkung der durch das Reglement 88—89 und seiner An-
hänger (General von Schliehting etc.) gezeitigten Willkür der Unterführer!
Er führt aus, wie wir durch dieses Reglement aus einem Extrem in
das andere gekommen sind. Während früher alle Befugnisse bei der höheren
Führung lagen, verlege das neue Reglement die Kampfdurchführung
lediglich auf die Unterführer, wodurch die höhere Führung zu kurz komme
und jede Möglichkeit eines einheitlichen Verfahrens preisgegelfen sei. Auf-
marsch, Entwicklung und Kampfdurchführuug seien drei verschiedene, sich
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Umschau in der Militär - Literatur.
109
nach Zeit und Raum folgende Stadien, für welche gewisse reglementarische
Festsetzungen bestehen müssen, um heim Angriff' von Massen Einheitlichkeit
im Verfahren erzielen zu können. In Anbetracht des Umstandes, dafs
der Schützenmassenkampf jetzt die allein mögliche Fechtweise sei, könne
das jetzt beliebte Auftragsverfahren für die Organisation desselben nicht
als Regel aufrecht erhalten werden, es müsse überhaupt mit dem Befehls-
verfahren Hand in Hand gehen. Wie einerseits das weittragende Gewehr
einen frühzeitigen Aufmarsch und frühe Gefechtsentwickelung sowie die
Bildung starker einreihiger Schützenschwarme, desgleichen das frühzeitige
Eingreifen einer von vornherein starken Artillerie verlange, so sei doch
für die nachfolgenden Unterstützungstruppen sowie besonders für die Re-
serven so lange wie irgend möglich die geschlossene Ordnung aus moralischen
Gründen beizubehalten, andernfalls die Anwendung einreihiger, geöffneter
Linien zu empfehlen. Das Feuer der Schützen will Verfasser, wenn nicht
dringende Umstände ein Fernfeuer rechtfertigen, möglichst erst auf 600 m
eröffnet wissen und es bis 400 m in der Bewegung herantragen. Hier
sei das Feuergefecht durch Artillerie und Infanterie mit Nachdruck zu er-
greifen, um die Feuerüberlegenheit zu erlangen. Ist diese erreicht, dann
würde sich die Entscheidung in der Zukunft nur wenig von der früherer
Zeiten unterscheiden. Es würde in vielen Fällen sehr wohl möglich sein,
dafs im späteren Stadium des Kampfes, auch im freien Gelände, kleine
geschlossene Abteilungen herangebracht werden können, weil beim Gegner
die Gefechtskraft von Stunde zu Stunde abnimmt. Alsdann könne eine
verhältnifsmäfsig kleine, geschlossene Truppe eine Entscheidung geben,
welche niemals zu erschiefsen gewesen wäre.
Es würde zu weit führen, hier auf weitere Details einzugehen und all
die Motive zu erläutern, welche die Untersuchung zu vorstehend skizzirten
Resultaten geführt haben. Desgleichen können die Betrachtungen über
die höhere Truppenführung nur flüchtig gestreift werden, welche unter
anderem im III. Teil die folgenden neu hinzugekommenen Kapitel ent-
halten: „Von der Raumausdehnung in der Schlacht", Über die „Ver-
teidigung'', und die „Orts- und Waldgefechte 4 '. Auch in diesen Unter-
suchungen, zu welchen alle nur erdenklichen Beispiele aus den modernen
Kriegen herangezogen sind, wird als vorwiegende Ursache für bisherige
gröfsere oder geringere Mifserfolge eine mangelhafte Erkundung und nicht
hinreichende Vorbereitung des Angriffs durch die Artillerie erkannt und
beides daher auf das Dringendste empfohlen. — Uberall begegnen wir auch
hier, — und das ist es, was das Buch so wertvoll macht, — demselben
gediegenen und klaren Urteil, welches ebensowohl auf reichen kriegswissen-
schaftlichen Studien als ganz besonders auf praktischen Kriegserfahrungen
basirt und neben allen technischen Erwägungen die psychologischen oben
anstellt.
Wenn man auch bei einigen Kapiteln vielleicht den Wunsch hegen
möchte, der Autor hätte sich etwas kürzer fassen und bestimmter ausdrücken
können, so gelangt man zu seiner Rechtfertigung doch bald zu der Uber-
zeugung, daß} es wohl sein Bestreben gewesen ist, allen nur denkbaren
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Umschau in der Militar-Littcratur.
Einwendungen gegenüber Stellung zu nehmen und andererseits keine, festen
Nonnen geben zu wollen. Seinem Grundsatz getreu, dafs der Buchstabe
den Geist nicht tödten soll, will er vor allen Dingen den Leser zum Nach-
denken anregen und den Soldaten dabin erziehen, dafs er bei möglichster
Bindung an die höhere Führung es lerne, in konkreten Fällen die sach-
gemäfseste Form für sein Handeln selbstständig zu wählen.
Möchte das vortreffliche Buch in diesem Sinne segensreich auf die
Armee wirken! v. M.
Geschichte des 1. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 31. Ver-
fallt von Max G ott schal ck, Generalmajor z D. Nebst einem
Verzeichniis säuimtlicher Offiziere, Arzte und Zahlmeister, welche seit
der Gründung in demselben gedient haben, zusammengestellt von
11 ans von Ahlefeld, Lieutenant und Adjutant im Regiment. Berlin
1894, E. S. Mittler & Sohn. Preis 12,50 M.
Das Regiment ist aus der russisch-deutschen Legion hervorgegangen.
Durch die im Februar 1813 zu Mitau in Kurland begonnene Bildung eines
dritten Bataillons der Infanterie dieser Truppe wurde der Grund zu seinem
Bestehen gelegt. Als ein vollständiges Regiment nahm es noch in diesem
und in den ersten Monaten des nächsten Jahres an den kriegerischen
Freismissen an der Niederelbe, in Holstein und in den Niederlanden Teil.
Dann erfolgte die Übernahme der Legion in den preußischen Dienst.
Oberst von Stülpnagel, welchem die letztere hauptsächlich verdankte, dafs
ihr Schicksal sich in dieser der Mehrzahl ihrer Angehörigen am meisten
zusagenden Weise gestaltete, wurde der erste Kommandeur des nunmehrigen
31. Infanterie-Regiments, welches durch tapferes Verhalten bei Ligny und bei
Wavre sich seine, anderen neuerrichteten Truppenteilen nicht gewährten
Fahnen verdiente. Als der Feldzug zu Ende war, wurde es nach Thüringen
verlegt. Erfurt ward Stabsgarnison und ist es bis zum abermaligen Kriege
gegen Frankreich geblieben. Die ruhige Friedensarbeit, welche hier anhob,
wurde durch kriegerische Thatigkeit zuerst in den Sturmjahren 1848 und
1849 unterbrochen. Das Füsilierbataillon focht in Schleswig-Holstein und in
Baden, hier im Verein mit dem 1. Bataillon; auch gegen innere Feinde gab es
Kämpfe zu bestehen; für die Füsiliere in Berlin, für die anderen daheim.
Hervorragenden Anteil hatte das Regiment an den glänzenden Erfolgen
des Feldzuges vom Jahre 1866, das Nachtgefecht von Podol, das blutige
Ringen von Königgrätz und das Gefecht bei Blumenau, sind die Merksteine
seiner Siegesbahn von der Elbe bis zur Donau. Minder vom Schicksal
begünstigt war es im Kriege gegen Frankreich. Nur einmal wurde seine
Kampfestüchtigkeit auf eine schwere Probe gestellt. Es geschah bei
Beaumont nm 30. August 1870. Sie wurde glänzend bestanden. Dann
ging es gen Paris. Das Regiment erhielt seinen Platz im Norden der Stadt,
westlich von Saint-Denis ; von den ernstlich gemeinten Ausfallsversuchen
der Besatzung richtete sich keiner gegen die in der Einschliefsungslinie
ihm angewiesene Stellung, doch gab es auch hier manche Gelegenheit,
Mut und Tapferkeit und andere Soldatontugenden zu bekunden. Als der
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Umschau in der Militär-Litteratur.
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Friede geschlossen war, rückte das Regiment in seine neue Garnison Altona,
in welche es seit dieser Zeit verbliehen ist. — General Gottschalck, ein
alter Einunddreifsiger, hat die Schicksale und Erlebnisse des Regiments,
in dessen Reihen er zwanzig Jahre gestanden und in welchem er 1866
wie 1870 gefochten hat, vorzüglich geschildert. Neben kriegsgeschichtlicher
bietet er taktische Belehrung in reichem Mafse, wie es in der Natur der
Verhaltnisse besondere bei Darstellung der Teilnahme des Regiments an
den Ereignissen des Jahres 1866 liegt. Als Nachtgefecht gehört der Kampf
von Podol zu denjenigen, welche als Beispiel für solche eine hervorragende
Rolle spielen, die Schilderung der Ereignisse am Tage von Königgrätz —
gekennzeichnet durch die Überschriften „Bis zum Überschreiten der Bistritz^,
-Überschreiten der Bistritz", „Ausharren im 11 ola- Walde", „Vorgehen aus
dem Hola-Walde" — ist in hohem Grade spannend und anschaulich, und
von hohem Interesse sind die eigentümlichen Verhaltnisse vor und während
des Gefechtes von Blumenau-Prefsburg. Selbsterlebnisse und zahlreiche
Aufzeichnungen von Mitkämpfern haben den Verfasser in den Stand gesetzt,
Darstellungen dor Vorgänge bieten zu können, welche den Leser vollständig
in den Kreis der Augenzeugen versetzen. — Überhaupt haben ihm reiche
Quellen zu Gebote gestanden. Für die ersten Anfange dos Regiments lag
die vorzügliche Geschichte der russisch-deutschen Legion vor, welche der
damalige Hauptmann von Quistorp geschrieben hat, auch über manche
andere Perioden waren Mitteilungen durch den Druck bereits früher ver-
öffentlicht oder als Handschriften vorhanden und über die Teilnahme am
Kriege 1870/71 hatte General Gottschalck selbst eine Schrift herausgegeben.
Am dunkelsten waren die Zustände, welche während des Foldzuges von
1815 bestanden hatten, aber auch hier gelang es, Licht zu schaffen, indem
Premierlieutenant von Estorff. ebenfalls ein früherer Regimentsangehöriger,
ans Berliner Archiven für verloren Gehaltenes zu Tage forderte. Aufserdem
ist natürlich die sonstige kriegsgeschichtliche Litteratur zu Rate gezogen.
Weniger eingehend sind die Friedensverhältnisse geschildert, die ab und
an wohl eingehender hätten behandelt werden können. Es hat die nahe-
liegende Gefahr vermieden werden sollen, Heeresgeschichte zu schreien
und dieses Streben hat ab und an dazu geführt, die durch allgemein geltende
Anordnungen bedingten Sondereinrichtungen unbeachtet zu lassen. So bei
der Schilderung der Friedensjahre zwischen den Kriegen von 1866 und
von 1870/71. Es ist gesagt, dafs fleifsig gearbeitet wurde. Von Interesse
wäre gewesen, zu erfahren, wie dies geschah. Eine reiche Beigabe von
Karten erleichtert das Studium des vortrefflichen Buches. Das vom
Lieutenant von Ahlefeld zusammengestellte Verzeiehnifs der Offiziere etc.
ist eine sehr sorgsame Arbeit. Sie wird viel Mühe gemacht haben, ist
aber auch in seltenem Grade gelungen. 14.
Braune Husaren. Geschichte des braunen Husaren-Regiments der
fridericianischen Armee 1742—1807 und des jetzigen Husaren -
Regiments von Schill (1. Schlesischen) Nr. 4 1807—1893. Von Iis.
Frh. von Wechmar, Rittmeister etc. 3 Teile in 1 Bande. Berlin
1893. Paul Leist. Preis 12,50 M.
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Eine sehr gut geschriebene Regiments-Geschichte! Der Verfasser, wohl
ein Nachkomme des dritten Chefs der braunen Husaren 1746 — 57, hat die
Geschichte der fridericianischen Husaren mit der des Husaren-Regiments
v. Schill zwar in einem Buche zusammengestellt, dabei sie aber durchaus
von einander getrennt gehalten; beides mit voller Berechtigung, denn die
erstere der letzteren vorauszuschicken, erscheint nicht blofs wegen der ihnen
beiden gemeinsamen und in der Armee einzig dastehenden Farbe der
Uniform zulässig, sondern deswegen, weil 8 Offiziere und die Mannschaften
einer Schwadron des alten Husaren-Regiments Plefs in das durch A. K. O.
vom 5. Dezember 1808 neu gebildete 1. Schlesische Husaren-Regiment als
4. Schwadron übergetreten sind. Die Geschichte des fridericianischen.
Regiments einfach in die des jetzigen zu übernehmen, war dagegen nicht
angängig, weil die 3. Husaren-Brigade, zu welcher ersteres durch A. K. O.
vom 30. Januar 1807 neu formirt worden war. im Oktober d. J. aufgelöst
und die unter dem 16. Oktober gebildete neue Husaren-Brigade — dem-
nächst Oberschlesisehes Husaren-Regiment genannt — aüfser den oben er-
wähnten Resten der Plefs-Husaren aus zu vielen verschiedenen anderen
Bestandteilen zusammengesetzt wurde und weil unter dem 5. Dezember 1808
das Oberschlesische mit dein Niederschlesischen Husaren-Regiment zu einem
einzigen, dem nunmehrigen 1. Schlesischcn Husaren-Regiment, verschmolzen
worden ist. — Da der geschichtliche Zusammenhang des jetzigen brauuen
Husaren-Regiments mit dem fridericianischen nachgewiesen ist, so erscheint
es dem mit der Geschichte des letzteren Vertrauten in hohem Grade ver-
wunderlich, dafs bei der durch A. K. O. vom 27. Januar 1889 verfügten
Namensverleihung dem Regiment nicht der Name seines ihm 28 Jahre
vorstehenden Chefs von Werner (1757 — 85), unter dem es im siebenjährigen
Kriege unzählige Ruhmesthaten vollbracht und hohe kriegerische Ehren
eingeheimst hat, erteilt worden ist. Den einzigen Zusammenhang, in dem
Ferdinand v. Schill zu dem nach ihm benannten Regiment sich befunden
hat, besteht darin, dafs er, als noch nicht 15jähriger Jüngling, bei dem in
der Nähe seiner väterlichen Besitzung Niedcr-Sodow in Schlesien garni-
sonirenden damaligen Husaren-Regiment von Groeling (Nr. 6), dem alten
brauneu, im Oktober 1790 als Fahnenjunker „eingeschrieben 44 wurde.
Noch bevor er zur Einstellung gelangte, wurde er in das Bayreuth-Dragoner-
Regiment übernommen. Er hat thatsächlich nie im 4. Husaren-Regiment
Dienste geleistet*). Da das von ihm gebildete 2. Brandenburgische Husaren -
Regiment nach seinem Untergänge aus der Armee gestrichen wurde und
seine Überbleibsel in Ulanen-Regimenter übertraten, so dürfte es unseres
Erachtens angemessener gewesen sein — wenn doch in einem Husaren -
Regiment Schills Name verewigt werden sollte — mit demselben eines der
neu formirten Regimenter zu ehren und den braunen Husaren den Namen
ihres berühmten Chefs Werner zu geben!
*) Übrigens bat Schill, welcher in der Kab.-Ordre, die dem Regimente seinen
Namen verleibt, als Ohcrstlieutenant v. Schill bezeichnet wird, niemals diese
Charge bekleidet, er ist als Major im Jahre 1809 in Stralsund kämpfend gefallen.
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Umschau in der Militär- Li tteratur.
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Das 1. Bucli enthält die Gründung des braunen Husaren-Regiments
Anfangs 1741 und seine Beteiligung an den schlesischen Kriegen. Für sie
und die ersten Jahre des 7jährigen Krieges scheinen die Quellen etwas
dürftig zu fliefsen. Prag, Kollin, Breslau, Leuthen, Hochkirch, Görlitz,
Uandshut, Torgau waren hohe Ehrentage fiir das Regiment; eine der
kühnsten Thaten desselben, eingehend und klar dargestellt, ist die Ent-
setzung Kolbergs durch Werner am 18. September 1760. Bei der Dar-
stellung dieses Krieges vermißt man zuweilen die Klarstellung des Zu-
sammenhangs der Thaten des Regiments mit den Begebenheiten des Feld-
zuges, ein Mangel, der spater nicht hervortritt. Nach der Schlacht bei
Torgau fand das Regiment in Pommern bis zum Juli 1762 gegen die
Bussen Verwendung; am Schluß des Krieges kämpfte es mit Auszeichnung
bei Reichenbach, im Feldzug 1778 beim Überfall von Glomnitz. Den
Rlieinfeldzug 1792 — 95 machte das Regiment größtenteils bei der Avant-
Garde des Prinzen Hohenlohe mit; interessante Angaben bietet ein Nekrolog
über den damaligen Major v. Erichsen des Regiments. 1806 nahm ein
Bataillon des Regiments bei Saalfeld an der unglücklichen Attacke Teil,
in deren Folge Prinz Louis Ferdinand den Tod fand. Bei Jena verfiel es
dem allgemeinen Unheil, vermochte aber auf dem Rückzug als Seiten-
deckung über Genthin und Stettin die Weichsel, um 300 Mann geschwächt,
zu gewinnen und den Feldzug 1807 in Preußen mitzumachen.
Das 2. Buch beginnt mit der Neubildung der braunen Husaren 1807 — 9,
unter Darstellung der Schwierigkeiten der Friedensjahre. Die 1. und
3. Schwadron wurden dem Hilfskorps zugeteilt, das Preußen 1812 dem
Frankenkaiser gegen Rußland stellte. Sehr charakteristisch ist das „Cir-
eulair", welches der zum Kommandeur des Regiments ernannte Major
v. Blücher an die zurückgebliebene 2. und 4. Schw. behufs ihrer Mobil-
machung erließ. Im Beginn der Befreiungsskriege bildeten diese beiden mit
den ebenfalls zurückgebliebenen 3. und 4. Schw. des 2. Schlesischen Husaren-
Regiments zusammen das „kombinirte Schi. Hus.-Rgt." der oberschlosischeu
Brigade Zieten. Es fand als Avant-Garden-Kavallerie des Blüchersehen
Korps in Thüringen in der Zeit vor Vereinigung der Napolconischen
Hauptarmee mit dem Vizekönig von Italien im Aufklärungsdienst ein reiches
Feld der Thätigkeit. Hierbei will es uns bedünken, als hätte die Arbeit
manchmal mehr ins Einzelne gehen können. Die Wirksamkeit der beiden
Blücherschen Schwadronen und des freiwilligen Jäger-Detachements vor
Zietens Front bis zur Schlacht von Gr.-Görechen ist auf drei Seiten erledigt,
während das Kriegs-Archiv des Generalstabes darüber eine Fülle von
Material bietet, welches eine Darstellung bis ins Einzelne — - dem jungen
Offizier für die Verhältnisse des Aufklärungsdienstes sehr lehrreich —
ermöglicht haben würde. Von den Tagen vom 26. April bis 2. Mai, über
welche ausführliche Meldungen des Majors v. Engelhardt vorliegen uud in
denen das Zusammenwirken des Major v. Blücher mit dem Kasaken-
fuhrer Baron Löwenstern — der irrtümlich immer Löwenstein genannt
wird und vor dem Waffenstillstand nicht Oberst, sondern, wie auch
Laroche, erst Major war — stattfand, wird kein Wort erwähnt. Unseres
J»hrbUcber Hlr die Deutsche Armee und Marine. Bd. V1IIC , 1. 8
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Umschau in der Milkar-Litteratur.
Erachtens können Regiments - Geschichten nicht genug ins Einzelne
gehen, da dieses gerade für die Mitglieder des Truppenteils das Wissens-
werteste und Belehrendste ist. Regiments - Geschichten sind die ge-
eignetsten Werke, um nach dieser Richtung hin die reichen, im Kriegs-
Archiv vergrabenen Schätze zum Vorteil der Armee zu verwerten. —
Wiihrend der Befreiungskriege war das Regiment in zahlreichen
Schlachten und Gefechten thätig, zum Einbauen kam es nur bei Dresden,
Leipzig. Chauipaubert und Bolle- Alliance ; bei Kulm, Laon und Nanteuil
(1815) eroberte es Geschütze, bei Peterswalde (1813) wurde sein Kommandeur
Blücher durch Hinterlist und Verrätcrci seines Gegners gefangen. — Die
Behandlung der folgenden Friedensperiode zeugt von fleifsigem Akten-
studium des Verfassers. Während der Friedeuszeit fand das Regiment bei
den Polenaufständen 1830/31, 1816 und 1848 Verwendung; namentlich
die Darstellung des letzten enthält fesselnde Einzelheiten. Im Feldzuge
1866 gehörte es zur Avantgarde des 6. Armeekorps, gelangte aber nur bei
Königgrätz zur Thätigkeit. das Unglück wollte es, dafs, als das Regiment
nach langem Ausharren im Grauatfeuer, endlich am Nachmittag des 3. Juli
feindliche Artillerie attackiren konnte, es in einen nicht bemerkten Hohlweg
stürzte. Im Verbände der 2. Kavallerie-Division deckte das Regiment im
Feldzuge 1870 — 71 beim Vormarsch der kronprinzlichen Armee den äussersten
linken Flügel; erst während der Einschliefsung von Paris fand es in einigen
kleinen Scharmützeln Gelegenheit, mit dem Feinde handgemein zu werden.
Vom 7. Okt. aber ab begleitete die Division den General v. d. Tann nach
Orleans und beteiligte sich an dem Loire-Feldzuge, eine an Strapazen
im Marsch- und Vorpostendienst und kleinen, oft mit Verlusten für da»
Regiment verbundenen Unternehmungen reiche Periode des Krieges. Am
4. Dezember beim Vormarsch auf Ormes gelang es der 1. Schwadron, eine
feindliche reitende Batterie, die auf einer Waldblöfse abgeprotzt war, zu
überraschen und gefangen zu nehmen. (X. B. Für den Krieg 1870/71 ist
zum grofsen Teil das Buch des Majors B. Poten „Braune Husaren in
Frankreich' 4 benutzt worden). — Die Anlagen umfassen die Stammlisten
des alten und des neuen Regiments, ferner die Ranglisten von 1743 — 1893,
von 10 zu 10 Jahr, von 1820 ab alle 5 Jahze vollständig, für die Zwischen-
jahre die Veränderungen jahrgangsweise aufgeführt, aufserdem die Kriegs-
Rangli»teu der Feklzüge 1866 und 1870/71 einschliefslich der Unteroffiziere,
ferner die Verlustlisten, die Listen der Dekorirten aus den Befreiungskriegen
uud den neueren Feldzügen, endlich die beim Regiment bestehenden Fonds.
Die Kartenbeilagen sind dadurch besonders übersichtlich , dafs fast nur Orte
aufgenommen wurden, die in der Regimentsgeschichte vorkommen. An Ab-
bildungen bringt das Buch : in Phototypicn die bekannte Schaarwächter'sche
Aufnahme Kaiser Wilhelms II. in Husaren-Uniform mit umgehängtem Pelz
und das Bild des langjährigen jetzigen Chefs Grolsfürsten Michael Nico-
lajewitsch von Rui'sland, ferner in trefflichem Farbendruck die Bildnisse
der Regiments-Chefs von Wechmar, v. Werner und Graf Zieten, sowie
eine Tafel mit den jetzigen Uniformen. — Ausstattung an Papier, Druck,
Einband würdig und vornehm nach jeder Richtung! Fs.
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Die Königlich Preufsische Garde-Artillerie, iiisbesondere Geschichte
des 1. Ganle-Feldartillerie-Regiments und des 2. Garde-Feldartillerie-
Regiinents. Auf dienstliche Veranlassung verfafst von Beutner
Major. Zweiter Band. Mit 6 Bildnissen, 3 Gesammtbildem der
Kommandeure, einem Bild der 1870 gefallenen Offiziere, 2 Uniform-
bildern, 9 Karten und Skizzen. Berlin 1894. E. 8. Mittler & S.
Preis 12,50 M.
Der erste Band dieser Regiinentsgeschichte erschien bereits vor mehreren
Jahren; er behandelte die Zeit der glatten Geschütze, während der vor-
liegende zweite Band die Zeit der gezogeneu Geschütze und der mit ihrer
Hülfe für Preußen und Deutschland errungenen grofsen Erfolge bringt.
Welchen hervorragenden Anteil die Garde- Artillerie an den drei Kriegen
genommen hat, das wissen wir aus den Blättern der Geschichte, aber die
für den Soldaten so wissenswerten Einzelheiten dieser Beteiligung erfahren
wir nun erst durch diesen (ohne den 164 Seiten füllenden Anhang)
331 Druckseiten beanspruchenden stattlichen Band. Der erste Abschnitt
behandelt die Teilnahme von zwei Batterien (3. 6pfündige und 4ptündige
Vereuchs-Batterie) am dänischen Kriege 1864. Der zweite behandelt im
I. Kapitel die Friedenszeit von 1864 bis 1866. Am 16. Juni 1864 wurde
die Garde-Artilleric-Brigadc, welche bisher nur ein Regiment, aus 5 Ab-
teilungen bestehend, dargestellt hatte, zu einer aus zwei Regimentern
(Garde- Feld- und Garde- Festungsartillerie-Regiment) umfassenden Brigade
erhoben. Erster Kommandeur des Feld-Regiments war der auch durch
seine artilleristischen Schriften rühmlichst bekannte Prinz zu Hohenlohe —
Ingeltingen. Im II. Kapitel findet der Feldzug in Böhmen 1866 eine licht-
volle Darstellung. Soor, Skaliz, Schweinschädel, Köuiginhof, vor Allem
aber Königgrätz bezeichnen den Siegeszug der Garde-Artillerie, welcher
dieselbe bis vor die Thore Wiens führte. Das III. Kapitel ist der „Friedens-
zeit 1866 bis 1870" gewidmet. In diese fällt das völlige Ausscheiden der
glatteu Zwölfpfünder, nachdem die Haubitz-Batterien schon 1865 aus der
Feld- Artillerie ausgeschieden worden waren. Die Neubewaffnung und Neil-
Ordnung erreichte im Jahre 1867 ihren Abschluß. Jetzt besafs die
preufsische Artillerie die besten Geschütze aller europäischen Heere; mit
welchem Erfolge sie ihre Aufgabe als Hauptfeuerwaffe des Heeres gelöst
hat, schildert das IV. Kapitel: „Der deutsch-französische Krieg 1870/71".
— Zur Zweiten Armee gehörig, hat die Garde-Feldartillerie an den Schlachten
von St. Privat (eine reitende Batterie auch an der von Mars la Tour),
Sedan, dann an der Belagerung von Paris den glänzendsten Anteil ge-
nommen. 9 Offiziere, 1 Fähnrich, sowie 133 Unteroffiziere und Mann-
schaften starben während des Feldzuges den Heldentod, 15 Offiziere erwarben
das eiserne Kreuz I. Klasse, 116 das II. Klasse am schwarzen Bande, ferner
169 Unteroffiziere und Mannschaften. — Der dritte Abschnitt behandelt
„die Garde-Feldartillcric-Brigade 1872 bis 1893/ In Folge der allgemeinen
Neuordnung der Feldartillerie vom Jahre 1872 wurde statt des Garde-
Feldartillerie-Regiments eine Gardc-Feldartillerie-Brigade errichtet; das
Garde-Fufsartillerie-Regiment schied aus dem Brigadeverbande aus. Die
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Umschau in der Militär- Litteratur.
Garde-Feldartillerie-Brigade urnfafste künftig 2 Regimenter, das Regiment
Korps-Artillerie und das Regiment Divisions-Artillerie, für welche am 7. Mai
1874 die Bezeichnungen 1. und 2. Gardc-Feldartillerie-Reginicnt festgestellt
wurden. Die Geschichte der beiden Regimenter findet deragemäfs von
1872 ab eine gesonderte Darstellung in den beiden Kapiteln dieses Ab-
schnittes. Beim Regierungsantritt Sr. Majestät des Kaisers und Königs
Wilhelm II. ernannte sich derselbe zum Chef des 1. Garde-Feldartillerie-
Regiments und die 1. Batterie desselben zu seiner Leib-Batterie. Das
2. Gardc-Feldartillerie-Regiment hat seit vorigem Herbst zur Hälfte in
Potsdam Garnison erhalten und wird nach Fertigstellung der neuen Kasernen
ganz nach dort tibersiedeln. — Im „Anhange" enthalten die Beilagen eine
übersichtliche Darstellung der Neuordnungen der Feldartillerie 1863 bis
1893, die Batterien im Abteilungs -Verbände der Garde -Artillerie 1863 bis
1893, die Liste der Brigadiers, Brigade-, Regiments- und Abteiluugs-
kommandeure von 1816 bis 1893, dann die Batterien beider Regimenter
(Benennungen, Feldzüge, Verluste. Dekorationen, Chefs), eine Liste der
1870/71 dekorirten Offiziere, 14 Ranglisten aus der Zeit von 1864 bis 1893,
ein Verzeichnifs der Offiziere der Garde-Artillerie 1816 bis 1872, dann
1872 bis 1893, endlich ein mit wichtigen biographischen Notizen ausgestattetes
alphabetisches Inhalts -Verzeichnifs der Offizien*. — Der Quellennachweis
hat 403 (!) Nummern, ein Beweis, welche Mühe der Verfasser auf die Her-
stellung dieser in jeder Beziehung mustergültigen Regiments-Geschichte
verwendet hat. Die Ausstattung desselben mit Bildnissen und Plänen ist
eine treffliche und entspricht dem gediegenen Inhalte. 1.
1. Erinnerungen aus meiner Dienstzeit von R. Berendt, General-
major z. D. 2. Fünfzig Jahre aus meinem Leben von R. Frh.
v. Strombeck, Generalmajor z. D. — Leipzig 1894. Fr. Wilh.
Grunow. Preis je 1,60 M.
Der Verfasser der „Erinnerungen" schildert in höchst fesselnder
Weise seine militärische Laufbahn, vom Tage seines Eintrittes bei der
6. Artilleriebrigade im Jahre 1851 bis zu seiner Verabschiedung im Jahro
1888. Ihm eignet in hohem Grado die Erzähler-Gabe, auch fehlt ihm nicht
eine humoristische Ader, welche besondere bei der Schilderung seiner ersten
Dienstjahre in Breslau zu Tage tritt und an Hackländer'sche Schreibweise
erinnert. Den Feldzug 1866 hat der Verfasser als Führer einer Munitions-
kolonne mitgemacht, wir erfahren hier einmal, wie es hinter der Front
hergeht im Kriege, an dem er im Verbände des V. Armeekorps Teil nahm.
1870 finden wir ihn an der Spitze einer Feldbattcrie des hannoverschen
Feld-Art. -Regts. Nr. 10 in der Schlacht von Mars la Tour, dann bei
Beaune la Rolande, Orleans, le Maus. Mit dem eisernen Kreuze 1. und
2. Klasse geschmückt kehrt er heim, um sodann zur Fufs-Artillerie versetzt
zu werden, bei welcher er als Kommandeur des Regiments Gcueralfeld-
zeugmeister seine Laufbahn beschlofs. —
Der Verfasser der „Fünfzig Jahre" begegnet uns nicht zum ersten
Male auf litterarischem Pfade. Seine Kriegs-Tagebücher sind bereits vor
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Umschau in der Militär -Literatur.
117
mehreren Jahren im Zernin sehen Verlage erschienen. Er hezweckt mit
der Veröffentlichung dieser Aufzeichnungen, welche er seiner Gattin ge-
widmet hat, Belehrung junger Kameraden und eine Unterhaltung für Wohl-
gesinnte. Verfasser giebt dem Leser eine vollkommene Selbstbiographie,
von den Tagen der Kindheit und des Kadettenkorps, bis zu denen seines
jetzigen Ruhestandes. Die ersten 7 Jahre seiner Dienstzeit stand er beim
7. Kürassier-Regiment in Halberstadt und weifs sehr drastisch den damaligen
Dienstbetrieb eines preufsischen Kavallerie-Regiments zu schildern. Der
Unterschied des „Sonst" und des „Jetzt" ist augenfällig, nicht zum Nach-
teil des letzteren. Im Jahre 1860 zum 11. Ulanen-Regiment versetzt, war
v. St. an den drei Feldzügen 1864, 66, 70/71 mit Auszeichnung beteiligt.
Er giebt aber hier nur Bruchstücke aus seinen, wie schon bemerkt, ander-
weitig veröffentlichten Tagebüchern. Sehr anziehend ist auch die Dar-
stellung des Lebens in den kleinen Kavallerie-Garnisonen und der mannig-
fachen Berührung mit fürstlichen Persönlichkeiten. 1892 wurde v. St.
znm Kommandeur der 9. Ulanen ernannt , dann im Frühjahr 1888 zum
Kommandanten von Glatz, aus welcher Stellung er, nach Beförderung zum
General, sich 1892 in das Privatleben zurückzog.
Reiche Belehrung Uber das Soldatenleben im Kriege und im Frieden
wird namentlich der jüngere Offizier aus den lebenswahr und frisch ge-
schriebenen Schriften dieser beiden alten Offiziere schöpfen können. Allen
denen aber, die, wie Schreiber dieses, in allen drei Feldzügen als Front-
offizier „mit dabei" war, wird die Lektüre dieser Aufzeichnungen manch
liebe Erinnerung an Freud' und Leid unseres Staudes in der vergangenen
großen Zeit iu das Gedächtnifs zurückrufen. 1.
Sicilia. In deposito presse i Fratelli Bocca Librai di S. M. II Re
dTtalia. Fircnze— Torino Roma. 1894. Pagine 374. Prezzo lire 3,50.
Der Inhalt dieses Werkes erfüllt in höchst befriedigender Weise alles
Dasjenige, was dessen ungenannter Verfasser — zweifellos ein im Norden
Italiens beheimateter hochgebildeter italienischer Offizier — in der Vorrede
verspricht. Vergangenheit und Gegenwart der Insel Sizilien und hierauf
begründete Ausblicke auf die Zukunft derselben bilden den Inhalt des
trefflichen Werkes. — 14 der im Ganzen 23 Abschnitte des "Werkes sind
der reichen und höchst wechselvollen Geschichte Siziliens von den ältesten
Zeiten bis zum heutigen Tage gewidmet. In den folgenden 9 Abschnitten
werden das Land, die Bevölkerung, die ökonomischen und die Kultur-
Verhältnisse, dann die Leiden — il Malandrinaggio, la Mafia, e l'Omerta — ,
hierauf die soziale Bewegung — i Fasci — . die Verteidigung und
schliefslich die Zukunft der Königin unter den Inseln Italiens und des
mittelländischen Meeres betrachtet. Geradezu fesselnd wirken die Abschnitte
15 und 22, welche sich mit der Beschreibung des Landes und der Ver-
teidigung desselben beschäftigen. — Nicht nur die Ursachen der vielen
Leiden, von welchen Sizilien heimgesucht war und leider noch immer ist,
werden klar und eingehend dargelegt, sondern auch die Mittel zur Linderung
dieser Leiden in eine ebenso gründliche wie höchst verständige Erwägung
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Umschau in der Militär -Litteratur.
genommen. — Das Werk, für welches wir nur die Beigabe einer Karte
der Insel zu wünschen hätten, verdient vor Allem die Beachtung der zur
Regierung Siziliens berufenen Persönlichkeiten, kann aber auch, obwohl
dasselbe kein Untcrhaltungs- oder Reisebuch sein will, allen Denjenigen,
welche sich Über die schöne Insel belehren oder gar dieselbe bereisen
wollen, bestens empfohlen werden. 32.
Taschenbuch für Offiziere und Offiziersaspiranten des Beurlaubten-
standes der Armee. Herausgegeben von A. von Gey so, Pr.-
Lieutenant und Bezirks-Adjutant. Berlin 1894. K. S. Mittler & S.
Preis 75 Pfg.
Ein praktisches Bücholchen, welches auf Grund der neuesten Ver-
ordnungen und Gesetze Alles enthält, was der Offizier des Beurlaubtenstandcs
in Bezug auf sein dienstliches Verhaltnifs zu wissen nötig hat. Es enthält
folgende Abschnitte: Wehrpflicht und Dienstpflicht. — Ergänzung der
Offiziere und Übungen der Offiziersaspiranten. — Offizierwahl und Offizier-
vorschlag. — Das Offizierkorps und dessen Versammlungen. — Dienst-
verhältnisse der Offiziere: 1. Zurückstellung hinter die letzte Jahresklasse;
2. Auswanderung und Urlaub; 3. Anzug; 4. Militärische Kontrolle und
Kontrollversammlungen; 5. Übungen, Beförderungen. Versetzungen; 6. Ver-
abschiedung; 7. Heirat. — Orden und Ehrenzeichen. — Gesuche und
Beschwerden. — Rechts- und Disziplinarverhältuisse. — Ehrengerichte. —
Pensionirung und Versorgung. — Gebührnisse. — Offizier-Unterstützungs-
fonds. — Geschäfts- und Schriftverkehr. — Das Büchelchen enthält in
handlichem Taschenformat und gut gebunden 60 Seiten und wird seinem
Zwecke gut entsprechen. 4.
Uniformenkunde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung der
militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem
Texte versehen von R. Knötcl. Band V. Heft 1 — 3. Rathenow
1894. M. Babenzien. Preis jeden Heftes 1,50 M.
Heft 1: Danzig: Bürgermilitär. 1740. — England: 2. Nord-Britisches
Dragoner-Regt., 3. Dragoner-Regt. 1815. — Preufsen: Regt. v. Glasenapp
(1806 v. Kuhnheim Nr. 1), Regt v. d. Marwitz (1806 Herzog v. Braunschweig
Nr. 21), Regt. v. Arnim (1806 v. Kleist Nr. 5). 1729. — Bayern; 2. kombi-
nirtes Inf.-Regt. des Kgl. Bayerischen Expeditions-Korps für Griechenland.
1832—1835. — Frankreich: v. Gschray'sches Freikorps. 1747. Heft 2:
Preufsen: v. Gschray'sches Freikorps. 1761. v. Favrat'sches Freikorps
(Die schwarze Brigade) 1763. — Hannover: Offizier der Garde du Corps.
Offizier vom Leib-Kürassier Regiment 1830. — England: Offizier und
Scliarfschütz vom 95. Regiment (Riflc-Korps). Scharfschütz vom 60. Regt.
1813. — Osterreich- Ungarn: Dragoner-Regimenter. 1762. Heft 3: Schwä-
bischer Kreis : Grenadiere vom Landgräflich Fürstenbergischen Schwäbischen
Kreis-Regimente. 1735.— Hannover: Garde-Husaren. 1830. — Frankreich:
Ordonnanz-Gendarm. Mameluk. 1806. - Nassau: Reitende Jäger. 1806.
1807. 1810. — Frankreich: Bataillon des Fürsten von Neuenburg. 1810. 3.
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Umschau in der Militär-Litteratur.
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Die Bein- und Huf leiden der Pferde, ihre Entstehung, Verhütung und
arzneilose Heilung, nebst einem Anhange über arzneilose Heilung
von Druckschäden und Wunden. Von Spohr, Oberst a. D. 5. ver-
mehrte u. verbesserte Auflage. Berlin 1894. Verlag von R. Wilhelmi.
Preis 3 M.
Das Erscheinen einer 5. Auflage dieses Buches liefert den Beweis,
dafs dasselbe weite Verbreitung und begründete Anerkennung in beteiligten
Kreisen gefunden hat. Hinzugefügt ist dieser Auflage die naturgemäfse
Heilung bezw. Rückbildung völlig ausgebildeter Rehhufe. Das Buch wird,
wenn bei Behandlung erkrankter Pferde die hier dargelegte Methode in
Anwendung kommt, zweifellos viele Besitzer von Pferden vor grofsem
Schaden bewahren. 4.
Der Kriegshund, dessen Dressur und Verwendung. Von Ernst von Otto-
Kreckwitz in München. München 1894. Verlag und Druck von
J. Schön.
Verfasser ist Redakteur der Zeitschrift „Hunde-Sport und Jagd", man
wird ihm folglich in der hier einschlagigen Frage ein sachkundiges Urteil
zutrauen dürfen. Er ist der Ansicht, dafs bisher kein Hund die Eigen-
schaften, welche man von einem Kriegshunde verlange — Intelligenz, Gehör,
Nase, Ausdauer, Geschwindigkeit, Wachsamkeit, Scharfe, Temperament,
Unempfindlichkeit gegen schlechtes Terrain und rauhes Wetter — vereine.
Es scheine somit geboten, durch Kreuzung der Rassen eine neue herzustellen,
am meisten noch entspreche eine englische Rasse, der Airedale Terrier,
allen Anforderungen. Des Weiteren wird über Pflege des Hundes, die
Vorschule, die Dressur zum praktischen Dienste, ferner Über Zuchtstationen
hier ein sehr wertvolles Material beigebracht, dessen Studium wir allen
denjenigen dringend raten können, die mit der Pflege und Dressur von
Kriegshunden betraut sind. Die bisher erzielten Resultate sind auffallend
gering; soll da Wandel geschaffen werden, so mufs für Verbesserung der
Rasse, dann bessere Dressur mehr geschehen wie bisher. Die kleine
Schrift verdient, wie gesagt, volle Beachtung. 4.
III. Seewesen.
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie. HeftlV.
1894. Die Hydrographie der Formosa-Strafse in ihrer Bedeutung für die
praktische Scbifffahrt. Von Kontre-Admiral S. Makaroff, nebst Bemerkungen
von Dr. G. Schott. (Hierzu 1 Tafel). — Treibeis in südlichen Breiten. Von
L. E. Dinklage. — Staubfalle im Passatgebieto des Nordatlantischen Ozeans.
— Zur Lehre von der Wellenberuhigung (Dr. G. Meyer). — Verhalten
des grofsen Sturmes vom 7. bis 12. Februar d. J. in Rußland. — Der
Sturm vom 22. bis 26. März d. J. auf dem Nordatlantischen Ozeau. (Der
Weser-Zeitung entnommen). — Notizen zum Segelhandbuch „West-lndia-
Pilot u Vol. I u. H. Aus dem Reisebericht S. M. S. ,,Stosch", Kommandant
Kapitän z. See Rittmeyer. — Notizen über Proviantvorräte für Schiff-
brüchige auf unbewohnten Inseln.
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Umschau in der Mffltar-Iitteratur.
Marine-Rundschau. Heft 5. S. M. S. „Danzig". Von Wirkl.
Admiralitätsrat Koch. — Über Bleivergiftung an Bord von Kriegsschiffen.
Von Marinestabsarzt Dr. Eduard Dirksen (Schlufs). — Mitteilungen aus
fremden Marinen. England. Der Torpedobootsjäger I. Klasse „Dryad",
ein neuer Typ dieser Klasse, nach welchem noch vier andere Fahrzeuge:
„Halcyon", „Harrier 14 , „Hussard" und „Hazard" gebaut werden. Der
Schiffskörper besteht ganz aus Stahl. — Bei einem Deplacement von
1070 Tons köunen die Fahrzeuge 104 Tons Kohlen an Bord nehmen
(Le Yacht vom 31.3.94.). — Das ungeschützte Torpedokanonenboot „Halcyon"
ist eines der fünf Fahrzeuge gleichen Typs, die auf Grund des „Naval
Defence Acts" vom Jahre 1889 erbaut worden sind. 1070 Tons Deplacemont.
Schiffskörper wiegt 555 Tons. Geschwindigkeit 17 bis 19 Knoten. —
Probefahrten des Torpedobootsjägers „Hörnet", welcher eine mittlere Ge-
schwindigkeit von 27,313 Knoten erreicht haben soll. (Nach der „Time*"
vom 23. 3. 94.) — Frankreich. Die neuen Hochsecpanzer: „Charlemagne",
„Saint Louis" und „Henri IV.", welche noch im Laufe dieses Jahres auf
Stapel gesetzt werden sollen. Rufsland. Der neue Kreuzer I. Klasse
„Russia" auf der Staatswerft in Petersburg im Bau. Nord-Amerika.
Das Schlachtschiff „Indiana". — Umbau der Kreuzer III. Klasse „Machias"
und „Castine".
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. V. 1894.
Über Bergungsarbeiten gesunkener oder gestrandeter Schiffe. (Mit Benutzung
der Berichte der Kommandanten S. M. Schiffe „Gigant" und „Triton".) — Die
Zeitschrift „The Nautical Magazine" bringt im Februarhefte, wie alljährlich,
eine Besprechung der im abgelaufenen Jahre vorgekommenen Unfälle
britischer Handelsfahrzeugc. Diese Zusammenstellung zeigt, dafs eine relativ
bedeutende Zahl von Unfällen auf die Trunkenheit etc. der betreffenden
Schiffsführer etc. zurückzuführen ist. Der Artikel ist ßachlich geschrieben
und höchst interessant. — Beschiefsung einer 270 Millimeter Camrael- Platte
zu Pola nebst Textskizzen. — Die russische Kriegsmarine, dem Februar-
heft des „Journal ofthe Royal United Service Institution' 4 entnommen. Nach der
„Army and Navy Gazette" wäre die Wahl des Hafeus für die russische
Flotte im Mittelmeer auf Porös gefallen. — Das neue französische Küsten-
vertcidigungs-Reglcincnt ; der Zeitschrift „La Marine de France" entnommen.
— Beschreibung der Acelcs-Mitrailleuse. — Canets elektrische Turmgeschütz-
Anlage; mit einem Blatt Zeichnungen. — Neue englische Geschütz -
montimngen ; (aus dein Broad Aorrow). — Die Verwendung der französischen
Marine-Reservisten zur Küstenverteidigung. — Die Erprobung der In-
stallirungen der Turmgeschütze des englischen Schlachtschiffes „Revcnge"
am 8. Januar 1894 auf dor Rhede von Portsmouth. (Dem „Engineering" ent-
nommen.) — Angaben bezüglich der neuen französischen Schlachtschiffe
„Charlemagne" und „Saint Louis", ersteres wird in Brest, letzteres ia
Lorient gebaut. — Von den englischen Torpedobootszerstörern, von denen
sich 32 auf Privatwerften im Bau befinden, werden demnächst 14 in Chatam
ausgerüstet. Die Namen derselben sind genannt. (Der United Service Gazette
entnommen.) — Vergleichende Zusammenstellung über den Flottenbestand
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Umschau in der Militär -Litteratur.
121
mehrerer europäischer Seemachte. Ein von Mr. Gourlet am 12. Februar
er. erschienener Parlamentsbericht. — Das englische Marine-Budget pro
1894/95.
Army and Navy Gazette. Hr. 1786: Unsere strategischen Basen
zur See. Unter diesem Titel werden eine Anzahl Artikel des „United
Service Magazine": „Naval requirements for India, — ün Command of the
Sea, — Our naval Bases" etc. besprochen. — Eine Erhöhung des Etats
der Lieutenants und Unterlieutenants z. S. wird warm befürwortet. — Be-
merkungen über die englische Marine-Reserve. — Admiral Colomb und
das Retirement-Committee erscheint in Buchform und ist eine Erwiderung
des Admiral Colomb auf das Lord Sadelcy Circulair über dies Thema. —
Lord Brassey'ß Naval Annual wird im Monat Mai erscheinen. Es werden :
der Fortschritt in der englischen Marine; die Fortschritte der fremden
Marinen, von Mrs. Emile Weyl; die britischen und fremden Flottenmanöver,
von J. R. Thursfield und W. L. Clowes; die strategische Situation im
Mittelmeer, von P. H. Colomb etc. besprochen. — Zwei wertvolle Publikationen
for die Navigation und Ortsbestimmung auf hoher See, von Goodwin und
Johnson werden angekündigt. — Uber das Stationiren der Signalposten
im Gefecht. — Napoleons Reise nach St. Helena; aus dem Tagebuche des
Admirals Sir George Cockburn. — Ein längerer Artikel über den stra-
tegischen Wert der Insel Lundy im Bristol-Kanal. — Nr. 1786: The uavy
estimates (die Diskussion des Marine-Etats pro 1894/95 im Unterhause). —
Die Erziehung der See-Offiziere. — Die englische Admiralität scheint mit
den grofsen englischen transatlantischen Dampfschiffs- Gesellschaften ein
Akommen getroffen zu haben, im Falle eines Krieges 28 der schnellsten
Schiffe der letzteren sofort zur Disposition zu haben, für welche den be-
treffenden Gesellschaften eine bestimmte Summe Subsidien gezahlt wird.
— Die Details der drei neuesten französischen Schlachtschiffe „Charlemagne w ,
„Saint Louis" und „Henri Quatre", deren Pläne von M. Thibaudier, Direktor
des Arsenals von Rochefort, entworfen sind, werden eingehend besprochen.
Sie werden sämmtlich dreifache Expansions-Maschinen und drei Schrauben
erhalten. — Ein Vortrag des Professor V. Horsley über den Zerstörungs-
Effekt der Geschosse. — Liste der auf den verschiedenen Stationen der
Erde verteilten englischen Kriegsschiffe.
Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 193: Der
Sporn (die Ramme) im Gefecht und bei Kollisionen. Vortrag von W. Laird
Clowes, vom Nordamerikanischen Marine -Institut; Mitglied des Kings
College etc. Höchst interessant und besonders die Diskussion, welche sich
daran ßchlofs. Eine Liste von 74 Fällen nebst Erläuterungen ist aufgeführt,
wo ein Rammen der Schiffe im Gefecht stattgefunden hat. — Elektrische
Erleuchrungs-Projekte für die Küsten-Verteidigung. (Übersetzt aus der
„Rivista Marittima"). — Von den Mitteilungen sind hervorzuheben: die
offiziellen Berichte über die Probefahrten des Torpedobootes Nr. 93; des
neuen französischen Panzerschiffes „Revenge" und die mit demselben aus-
geführten Schieisübungen aus den schweren Geschützen. — Der beabsichtigte
Bau eines neuen Wellenbrechers bei Portland. — Die neue Moole bei
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Umschau in der Militär-Litteratur.
Gibraltar. — Die in Frankreich im Bau und in der Ausrüstung befind-
lichen Kriegsschiffe. — Die Zeichnungen des französischen Panzerschiffes
„Magenta" von 1 0 500 Tons Deplacement und Maschinen von 12 000 Pferdekraft.
Army and Navy Journal. Kr. 32: Verhandlungen über die Un-
regelmässigkeiten in der Carnegie Steel Comp, bei Lieferungen von Panzer-
platten für die Nordamerikanische Flotte. — Das Aluminium-Boot „Jules
Davoust" ist von der französischen Regierung zu hydrographischen Zwecken
nach dem Niger entsandt worden; es wiegt etwa 4400 Pfd., hat 11 Tons
Deplacement , Tiefgang 15 Zoll und ist mit zwei Hotchkiss-Schnellfeuer-
Kanonen armirt. — Nach Erklärung des Chef Constructcurs der engl.
Admiralität in der „Royal United servicc Institution 44 würde ein Panzerschiff
wie „Royal Sovercign" auf einer englischen Regierungswerft excl. Annirung
für 3 800 000 $ hergestellt werden, während ein ähnliches in Frankreich,
Rufsland und Amerika 4 500 000 bis 5 500 000 $ kosten würde. — Die
neuen Stahltrossen für die amerikanischen Kriegsschiffe sollen in Zukunft
aus Aluminium gefertigt werden. Es sind bereits umfassende Versuche
mit solchen angestellt worden. — Schiefsversuche mit zwei 1000 pfündigen
Wheeler-Sterling-Granaten zur Küsten Verteidigung; ferner Schiefsversuche
gegen 12 und 13zöllige Harvegizednickel - Stahlplatten der Carnegie Steel
Comp. — Beschreibung einer starken amerikanischen Baggermaschine. —
Nr. 33: Verschiedene Schiefsversuche gegen Panzerplatten und schwere
Granaten. — Der Versuch einer 5 zölligen Belagerungslaffete nach dem
Muster Raskzoff (Verschwindelaffete). — Eine Zusammenstellung der Aus-
gaben der Machte des Dreibundes sowie Frankreichs und Rufslands. —
Nr. 34: Kongressverhandlungen über den Marine-Etat. — Die Erprobung
der neuen „Krag- Jörgensen 4 ' Büchsen. — Neues Salut - Reglement den
britischen Schiffen gegenüber. — Ein interessanter Artikel: „British armor
and Ordnance 44 wird von dem Londoner „Engineer 44 veröffentlicht. — Ein
Supplementblatt zum Army and Naval Journal v. 21. 4. 94 bringt eine
interessante Diskussion in der british Institution of Naval Architects be-
züglich eines Artikels von Kapt. "W. H. Jaques, late of the U. S. Navy, über
das Thema: „the detachable Ram or the submarine Gun as a Substitute
for the Ram 44 .
Revue maritime et coloniale. Nr. 391: Studie bezüglich der Kriegs-
marine. Von M. Pestich. Die angeführten Zusammenstöfse von Schiffen
sind ganz interessant. — Bemerkungen über das Eisbrechen in Flufs-
mündungen etc. Von M. M. Dibos. — Japan im Mittelalter. Von M.
E. Bertin. — Abock (Hafen am Golf von Aden) und Habessinicn. Von
M. Alvarez. — Die Marine während der Unabhängigkeits-Kriege in Süd-
Amerika (Schlufs). Von M. Chabaud-Arnault. — Vocabularium der Pulver-
sorten und Explosivstoffe (Forts.). Aus der Rivista marittima übers.
Mitteilungen: Budget der russischen Marine pro 1894. — Konstruktionen
von Schiffen der russischen Flotte. — Konstruktions-Progamm der Admiralität
pro 1894/95. — Artilleristische Versuche an Bord des englischen Panzer-
schiffes „Centurion 44 . — Details über den englischen Kreuzer I. Kl. „Theseus 44
und das Kanonenboot I. Kl. „Speedy 44 . — Nord-Amerika: Kreuzer I. Kl.
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Umschau in der Militar-Litteratur.
123
..Olympia". Probefahrten mit dem Kreuzer I. Kl. „Marblehead". —
Italien : Versuche mit dem Kontre-Torpilleur „ Arethusa". — Die Hochsee-
Fischerei Frankreichs. —
La Marine de France. Nr. 56: Frankreichs Politik im Mittelmeer.
Von KeJiff. Ein Artikel, der über die Absichten Frankreichs keinen
Zweifel läfst. — Der Dienst im Maschinenraum nnd die Verantwortlichkeit
für denselben. Von d'Arthaud. Der Artikel schliefst mit den Worten:
Der Kommandant des Schiffes sollte noch mehr als der erste Maschinist
die Verantwortlichkeit für die Maschine tragen (?). — Nachrichten: Eng-
land: Das englische Marine-Budget pro 1894/95 und das Konstruktions-
Programm. — Die englischen Auxiliar-Kreuzer der Handelsflotte. — Die
Probefahrt des Torpedojägers „Hörnet". — Spanien: Die Bauten für die
spanische Marine. — Frankreich: Unter der Uberschrift „Biserta" wird zu-
gegeben, dafs die am Hafen und am Kanal auszuführenden Arbeiten noch im
Laufe dieses Jahres fertig werden dürften. — Nr. 57: Warum bringt man die
Panzerplatten nicht vertikal an? Von Kommandant Montechaut. Der
französische Panzer „Magenta" ist hierbei als Vorbild genommen. — Die
französische Marine pro 1894, deren Verwendung und Verteilung für die
verschiedenen Stationen. Nachrichten: Der Feldzug gegen die junge
Schule. England: Die Frage über die submarine Artillerie verhandelt
vor dem „Institute of Navel Architecte". — Über das Wettscgeln (Yachting).
— Die französische Handelsmarine. — Die französischen Häfen an der
tunesischen Küste, wobei auch Biserta besprochen wird. — Die neuen
amerikanischen transatlantischen Dampfer und Errichtung eines Semaphors
auf Kap Spartel. — Nr. 58: Die Torpedoboote im Frieden. — Die
parlamentarische Untersucliungs-Kommission bezüglich der Marine-Aus-
kunft des Direktors der Küstenverteidigung zu Toulon, Kapitän Vidal
(Forts.). — Die Navigirung auf der Seine zwischen Paris, Konen und Havre
(Forts.). — Mitteilungen aus der Handelsmarine. Die deutsche und
die französische Flagge in der Levante etc. — Nr. 59: Die Reform in
unseren Schiffskonstruktionen. Von X; ein Schreiben über dies Thema
an den Direktor der „Marine de France", um die Aufmerksamkeit der
Extra-Parlaments-Kommission auf die Konstruktion der drei neuen Panzer-
schiffe: „Charlemagne", „Saint Louis" und „Henri IV." zu richten. —
Offener Brief an den Kommandanten der „Magenta". Uber Raicing und
Cruising. Von G. de Wailly. —
Riyista marittima. Nr. IV: Landungen. Von C. Airaghi. — Matteo
da Bergamo (sein ungedruckter Brief über dio ersten Handelsbeziehungen
mit Ostindien im XVI. Jahrhundert). Von A. Zeri. — Vom alten zum
neuen Kontinent und umgekehrt (meteorologische Notizen). Von P. Parenti.
Mit einer Wegkarte des Victor Emanuel, des Vespucci nnd des Corsari
Vf >n Gibraltar nach Nordamerika und zurück; nebst 5 Tafeln über die
Bahn eines Wirbelsturmes am 23. und 24. August 1893 nebst bezüglichen
barometrischen Aufzeichnungen. — Organisation der Königlichen Flotten-
mannBcbaften. Von Adolfo Bonucci. Kommissar I. Klasse, — Mit-
teilungen. Frankreich: Notizen Über den Typ eines neuen Panzer-
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Umschau in der Militär-Litteratur.
scluffes „Charlcmagne", die Torpedoboote „Lansquenct", „Averne", die
Kreuzer „Latouchc", „TnSville", „Coitlogon" und „Duquesne", sowie Panzer-
schiff „Jemappes", über die Havarien des „Bayard", „Temeraire" (Torpedo-
boot) und über den Panzer „Magenta" nebst Zeichnung. — Deutschland:
Katastrophe auf der „Brandenburg 14 . — England: Notizen über „Talbot"
und „Astraea"; Probefahrt des „Hörnet". — Kufsland: Notizen über
die Panzerschiffe „Petropovlesk", „Poltava", „Sewastopol", „Paris" und
Torpedoboote. — Supplement: Zusammenstellung der Flotten der
europaischen Seestaaten.
Bücher.
Traite d'nrtillerie ä l'usagc des offlciers de marine. ParE. Nicol,
Lieutenant de vaisseau. Berger - Levranlt et Cie., editeurs. Paris-
Nancy 1894. Preis 6 fres.
Unter diesem Titel ist aus der Feder des Herrn Ernest Nicol ein Buch
von 349 Seiten Umfang mit einer grofsen Anzahl Textbildern erschienen,
dessen interessanter Inhalt namentlich in Seeoffizierskreisen Beachtung ver-
dient. Der Verfasser sagt in der Einleitung, dafs seine Aufzeichnungen
gewissermafsen eine Ergänzung des Artillerie-Kursus der französischen
Marine-Schule seien. Er führt dem Leser in fafslicher Weise alle Lehren
und Regeln der Artillerie -Wissenschaft in Theorie und Praxis vor Augen,
soweit solche einem Seeoffizier nötig sind, um die ihm unterstellte Artillerie,
sei es an Bord eines Schiffes, auf hoher See, im Gefecht, zur Küsten-
verteidigung oder selbst am Lande wirklich verwerten und ausnützen zu
können. Es werden Fragen über Geschütze und Geschosse, über Auf-
stellung der ersteren, Laffeten, die Durchschlagskraft und Widerstands-
fähigkeit der Geschosse und der Panzerplatten, das Messen der Distance,
Zielen, Feuern und Treffen etc. der schweren Schiffsgeschütze, sowie der
Schncllfeuerkanonen etc. bei ruhig liegendem Schiffe, wie bei gleichzeitiger
Bewegung der Zielobjekte u. s. w. in anregender Weise besprochen. Dann
bringt Verfasser im dritten Teil die historische Entwicklung der Panzer-
schiffe und der gezogenen Geschütze, soweit sich dieselben auf die
französische Marine beziehen; bespricht die Aufgaben der einzelnen SchifTs-
klassen, die verschiedenen Systeme der Geschützemplacements auf den
Panzerschiffen. Sodann entwickelt er seine Ansichten über die Aufgaben
und den Wert der Kreuzer, der Torpedokreuzer, der Torpedo-Avisos, der
Torpedojäger, der Torpedoboote etc. Mit einem Worte, das Buch ist höchst
anschaulich und voller Verständnifs für die Aufgaben und deren Durch-
führung geschrieben und kann den militärischen und maritimen Kreisen
nur empfohlen werden. 19.
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Umschau in der Militar-Litteratur.
125
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher.
1. Kriegslehren in kriegsgeschichtliehen Beispielen der Neu-
reit. Von W. von Scherff, General der Inf. z. D. Erstes Heft: Be-
trachtungen über die Schlacht von Colombey-Nouilly. Mit zwei Plänen
in Steindruck. Berlin 1894. Preis 3,25 M.
2. Organisation des colonies francaises et des pays de pro«
tectorat par Ed. Petit, professeur a l'Ecole coloniale. Prefacc de
M. R. de Mouy. Tome preniier. Organisation politique, administrative et
tinauciere. Garde et defense des colonies. Paris-Nancy 1894. Berger-
Levrault et Cie. Preis 12 frcs.
3. Taschenbuch für Offiziere und Offlzieraspiranten des
Beurlaubtenstandes der Armee. Herausgegeben von A. von Gey so,
Premierlieutenant und Bezirksadjutant. Berlin 1894. E. S. Mittler & S.
Preis 75 Pfg.
4. Der zweite punische Krieg und seine Quellen Polybius und
Livius nach strategisch-taktischen Gesichtspunkten beleuchtet.
Die Jahre 219 und 218, mit Ausschlufs des Alpenüberganges. Ein Versuch
von J. Fuchs, k. k. Professor in Wr.-Neustadt. Wiener-Neustadt 1894.
C. Blumrich.
5. Uniformenkunde. Lose Blatter zur Geschichte der Entwickelung
der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem
Texte versehen von R. Knötel. Band V. Heft 3. Rathenow 1894. Verlag
von M. Babenzien. Preis 1,50 M.
6. Bibliotheque du Marin. Traite d'artillerie a l'usage des
offlciers de marine. Par ErnestNicol, lieutenant de vaisseau. Paris-
Nancy 1894. Berger-Lcvrault et Cie., editeurs. Preis 6 frcs.
7. Los Fusiles modernos en Austria-Uungria. Estudios y cx-
periencias. Jose Boado y Castro. Barcelona 1893. Impreuta de Henrich
y Compa.
8. Hippologische Gedanken. Von einem Freunde des Vollblut-
pferdes. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 40 Pfg.
9. Über die Pferdezucht in den Vereinigten Staaten von
Amerika. Von Burchard von Öftingen, Landstallmeister. Berlin
1894. E. S. Mittler & S. Preis 1 M.
10. Ein Beitrag zum Feldgeschütz der Zukunft. Berlin 1894.
E. S. Mittler & S. Preis 75 Pfg.
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Umschau in der Militär- Litteratur.
11. Handbuch für den Schwimmunterricht, zum Gebrauch an
Militär-Schwimmanstalten. Von K. von Bartsch, Sek. -Lieutenant. Mit
zehn Abbildungen im Text. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 50 Pfg.
12. Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache
an den Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der Kgl. General-
Inspektion des Militä'r-Erziehungs- und Bildungswesens verfafst. Dritte
neu durchgearbeitete, und vermehrte Auflage. Berlin 1894. E. S. Mittler & S.
Preis 1,60 M„ geb. 2 M.
13. Militärärztlicher Dienstunterricht für einjährig-freiwillige
Arzte und Unterärzte, sowie für Sanitätsoffiziere des Beurlaubtenstandes.
Bearbeitet von Dr. Ko walk, Stabsarzt. Zweite vermehrte Auflage. Berlin
1894. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M., geb. 5 M.
14. La Question de Nancy et la defense nationale. Conference
faite ä Nancy le dimanche 18 mars 1894 par Charles Malo. Paris-Nancy
1894. Berger- Levrault et Cie. Preis 1 Ire.
Ergänzung zum Junihefte.
In der Tabelle S. 346 347 über die jetzigen Handfeuerwaffen ist die Länge
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X.
Über die Wehrverfassimg von Stift und Stadt
Osnabrück in früherer Zeit*).
Von
Dr. F. Philippi.
Es ist eine weit verbreitete, auch von den Gebildeten der Nation
vielfach geteilte Anschauung, dafs die allgemeine Wehrpflicht, wie sie
bei uns besteht, eine vollkommene Neuschöpfung sei, ausgedacht unter
dem Drucke der französischen Gewaltherrschaft von den grofsen Heeres-
organisatoren Preufsens. Und doch ist diese Einrichtung nur eine
Ausgestaltung uralter deutscher Organisationen, modifizirt unter Be-
rücksichtigung der Lehren, welche jahrhundertelange Erfahrungen ge-
geben haben.
In unserem Fürstentum konnte allerdings die Anschauung, dafs
die allgemeine Wehrpflicht etwas vollkommen Neues sei, um so eher
Platz greifen, als dieselbe erst vor 25 Jahren hier eingeführt worden
ist, nachdem 50 Jahre lang mit den alten Verhältnissen, wie sie noch
aus dem Mittelalter stammten, vollkommen gebrochen war. Aber die
preufsische Heeresorganisation hat auch ein vollkommen neues Element
in sich, welches meines Erachtens gerade ihre Stärke ausmacht, die
glückliche Verbindung des stehenden Heeres mit dem Milizheere.
Ist doch unser stehendes Heer in Wirklichkeit nur der augenblicklich
vollkommen in Dienst gestellte Teil der Miliz, die Miliz aber oder,
wie wir es nennen, Reserve und Landwehr, nichts weiter als der Ersatz
des stehcndon Heeres, seine für Eriedenszeiten beurlaubten älteren
Jahrgänge.
Wenn wir die Entwickelung der deutschen Heeresverfassung im
Allgemeinen und der Wehr Verfassung unseres Landes im Besonderen
*) Dieser Aufsatz wurde zuerst in den „Mitteilungen des Vereins für
Geschichte und Landeskunde von Osnabrück" veröffentlicht. Wir bringen den-
selben seines interessanten Inhaltes wegen, mit gütiger Erlaubnils des Herrn
Verfassers, zur Kenntnifs unserer Leser.
J»brbOcber für die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 2. 9
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128
Über die Wehrverfasaung von Stift und Stadt
uns vergegenwärtigen, so finden wir, dafs der Urzustand eine reine
Mi Hz Organisation war, später stehende Heere in den verschiedensten
Formen und in . stets wachsendem Umfange neben der Miliz geschaffen
wurden und schliefslich das Landaufgebot derartig in den Hintergrund
drängten, dafs uns Nachlebenden fast jede Kunde von seinem Vor-
handensein geschwunden ist, obwohl dasselbe rechtlich bestand bis zur
französischen Zeit. Das Interessanteste dabei aber ist, dafs schon
lange vor der Durchfuhrung unserer jetzigen Organisation einsichts-
volle Staats- und Kriegsmänner bemüht gewesen sind, eine Verbindung
zwischen dem stehenden Heere und dem Landaufgebot herzustellen,
freilich meist ohne jeden oder wenistens ohne nachhaltigen Erfolg.
Erst unserem Jahrhunderte war es vorbehalten, bei den Heeres-
organisatoren dem Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen, dafs nur
eine im Frieden stets gepflegte und energisch aufrecht erhaltene
Organisation der gesammten waffenfähigen Mannschaft des Volkes es
ermöglicht, im Falle der Not die Massen schnell und sicher bereit
zu stellen und dafs die Einübung dieser Mannschaften genügend nur
in der Schule des stehenden Heeres ausgeführt werden kann.
Es kann nun nicht in der Absicht liegen, hier eine Darstellung
der Entwicklung des deutschen Heerwesens im Ganzen zu geben, die-
selbe kann vielmehr nur in ihren Hauptzügen angedeutet werden,
um in diesen Rahmen das einzufügen, was die besondere Geschichte
der Wehrfassung unseres Stiftes und unserer Stadt Interessantes bietet.
In den ältesten Zeiten, aus welchen Griechen und Römer uns
Kunde von den alten Deutschen geben, wurden Fehden der einzelnen
Stämme unter einander, wie Kriege gegen gemeinsame Feinde, mit
dem ganzen Aufgebote geführt. Die häufige Wiederkehr dieser
kriegerischen Unternehmungen bot genügende Gelegenheit zur Erlernung
des Waffenhandwerks, zur Aneignung reicher Kriegserfahrung. Der
Waffendienst aber war eine Ehrenpflicht und ein Ehrenrecht der Freien
bei allen deutschen Stämmen. Diese Anschauungen und Einrichtungen
erhielten sich bei Franken und Sachsen jahrhundertelang bis in die
Zeiten Karls des Grofsen und die Verpflichtung der Franken, dem
Aufgebote des Königs auch zu auswärtigen Feldzügen Folge zu leisten,
wurde nach der Eroberung Sachsens auch auf diese Völkerschaften
ausgedehnt. Aber gerade die vielfachen grofsen Unternehmungen
dieses Begründers des alten deutschen Reiches liefsen die Heerbann-
pflicht bald als eine lästige Pflicht, ja schliefslich als eine schwere
wirtschaftliche Gefahr für das Land erscheinen. Karl führte daher
eine bei der Gröfse des Gebietes zunächst ungefährliche Beschränkung
der Dienstpflicht für Unternehmungen aufscr Landes ein. Diese
Minderung des Heerbanns scheint aber dennoch verhängnisvoll ge-
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Osnabrück in früherer Zeit.
129
worden zu sein; denn während das Landaufgebot in der kräftigen
Hand des zielbewufsten Karl sich als ein vorzügliches Werkzeug zur
Durchführung auch auswärtiger Unternehmungen erwies, genügte es
doch unter seinen schwächeren Nachkommen nicht einmal mehr zur
Abweisung von feindlichen Angriffen im eigenen Lande.
Erst die Ausbildung einer neuen, freilich in der früheren Zeit
im Keime schon sich entwickelten Organisation, die Ausbildung des
Lehnwesens gab den Königen wieder eine Waffe in die Hand, um
nicht nur die Feinde aus dem Lande hinausschlagen, sondern auch
auswärtige Unternehmungen mit Erfolg durchführen zu können. Die
Lehnsmannschaft kann man fuglich in ihren frühesten Entwickelungs-
stadien als eine Art von stehendem Heere bezeichnen; sie stellte eine
technisch vorzüglich ausgebildete, leicht mobilisirbare Reitertruppe dar.
Diese Vorzüge erhielt sich jedoch das Lehnsaufgebot nicht lange; je
mehr die Lehnsleute sich in erbliche Grundbesitzer verwandelten, um
so gröfser wurde ihre Selbstständigkeit und Unbotmäfsigkeit, um so
schwieriger und langsamer im Notfalle ihre Mobilisirung; naturgemäfs
nahm damit auch ihre Kriegstüchtigkeit ab.
Daneben erhielt sich aber die alte Verpflichtung für das Land-
volk, dem Aufgebote zu folgen, fort, wenn auch in beschränktem Mafse;
diese Beschränkung bestand in den meisten Gegenden und auch bei
uns darin, dals die Bauern nur innerhalb der enger oder weiter
gesteckten Grenzen des heimischen Bezirks und meist auch nur auf
ganz kurze Zeit dem Waffenrufe Gehorsam zu leisten schuldig waren.
Freilich erweiterte sich der Kreis der Pflichtigen dadurch, dals nicht
nur der Freie, sondern jeder Grundbesitzer, auch der Hörige und
Pächter in unserem Fürstentume dem Aufgebote zu folgen gehalten
waren. In dieser Form hat sich denn die Landwehr rechtlich erhalten,
bis die grofeen Umwälzungen unseres Jahrhunderts auch dieses alt-
ehrwürdige Institut zu den Toten geworfen haben. Auf seine Organisation
im Einzelnen werde ich noch kurz zurückkommen, nachdem ich das ganz
neue Element erwähnt habe, welches in die deutsche Geschichte zu
der Zeit eintritt, als die Lehnsmannschaft schon anfängt zu versagen:
ich meine die Städte. Die Verpflichtung ihrer Einwohnerschaft zum
Kriegsdienste ging hervor aus der Verpflichtung der Landbevölkerung,
aber sie war, was die Ausdehnung der Heeresfolge anlangt, oft noch
eingeschränkter, als die der Landbevölkerung; denn sie ging ge-
wöhnlich nicht über den Umkreis des Stadtgebietes, oft nicht über
die Mauern der Stadt selbst hinaus. Dagegen gestattete das Nahe-
zusammenwohnen der Bürger, das leichter flüssige Kapital in der
Stadt, eine schnelle Mobilisirung, häufigere Übung, bessere, gleich-
mäfsigere Ausrüstung und straffere Organisation. Da nun die Bürger
9*
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130
Über die Wehrverfaasung von Stift und Stadt
im Interesse des Landes und im eigenen Interesse oft über ihre Ver-
pflichtung hinaus weitere Züge mitmachten, so sind die gröfseren
Fehden und Schlachten, welche in der Geschichte unseres Hochstiftes
während des Mittelalters zu verzeichnen sind, hauptsächlich durch die
Ritterschaft und die Bürger ausgefochten worden.
Und das Aufgebot der Bürger war stark und stattlich: noch im
15. Jahrhundert zogen die reicheren Mitglieder der Gemeinde, der
sogenannten Wehr, zu Rofs, wie die Ritter in den Streit. Die Zünfte
folgten als Fufstruppen unter der Führung ihrer Gildemeister. Zur
Rüstung, welcher jeder Gildebruder bedarf zum Nutzen der Stadt,
gehörten beim Krameramte 1457 Krebs (krevet) Brustharnisch, Hand-
schuhe, Schild und Helm (iseren hoet).
Ein Ehrentag der Osnabrücker war der 4. November 1308, der
Tag der Schlacht auf dem Haler Felde. Gegen den mit den Grafen
von der Mark. Jülich, Arnsberg, Rietberg, Waldeck und vielen Herren
verbündeten Bischof Konrad von Münster ritt Bischof Ludwig von
Osnabrück an der Spitze seiner Ritter und Bürger auf die früher
schon oft mit Blut getränkte, nach altdeutschem Brauche von den
Kämpfenden vorher verabredete Wahlstatt. Seine Mannen hatten
weifse Gewänder über die Wehr gezogen. Schon wankte die Schlacht-
ordnung der Osnabrücker, da der Bischof todeswund zusammen-
gebrochen war. Der streitbare Greis hatte sich mit dem jugendlichen
Grafen Engelbert von der Mark in einen Zweikampf eingelassen und
ihn bewältigt. Ein zu seiner Hülfe herbeistürzender Lehnsmann ver-
wechselte die Kämpfenden, weil dem Bischöfe sein weifses Gewand
abgerissen war, und hieb auf den eigenen Herrn unwissend ein; da
rückten die Osnabrücker Bürger — allen voran die Pelzer — auf den
Plan und warfen die Münsterschen in die Flucht. Zum Andenken
an den teuer erkauften Sieg wurde die jetzt niedergelegte, dem heiligen
Georg, dem Patrone der Ritter, geweihte Kapelle gestiftet und jährlich
in allen Kirchen eine Messe für die Seelen der in der Schlacht Ge-
fallenen angeordnet und begabt. Erst die Reformation hat dieser
Feier ein Ende gemacht.
Eine der bedeutendsten Thaten des städtischen Aufgebotes allein
ist die Aufhebung des räuberischen Grafen Johannes von Hoya in
Fürstenau und seine Einbringung in den Bucks-Turm im Jahre 1441,
wo er sieben Jahre in schwerem Gewahrsam gehalten wurde. Doch
fehlte es auch nicht an Mifserfolgen; die schlimmste Schlappe war
wohl die Niederlage an der Mindischen Grenze, am Holzhäuser Bache,
im Jahre 1361. Sie endete mit der Gefangennahme von G2 der
reichsten Bürger; das Lösegeld, was einzelne zahlen mufsten, ging
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Osnabrück in früherer Zeit,
131
weit über die Summen hinaus, welche gemeinhin von Rittern in
gleichen Fällen gefordert wurden.
Obwohl nun bei der Erzählung von Kriegsereignissen dieser Jahr-
hunderte meist nur von Rittern und Bürgern die Rede ist, so wurde
doch damals grofser Wert darauf gelegt, auch die Landbevölkerung
wehrhaft zu erhalten. Schon der Umstand, dafs zum Heergewedde
des Bauern, d. h. zu seiner nächsten Erbschaft ein Pferd mit Sattel
und Zaum, Schwert, Stiefel und Sporn gehören, läfst darauf schließen,
dafs sowohl Herr, wie Höriger, es als eine Ehrenpflicht des Hofbesitzers
ansahen, wehrhaft zu sein. Dasselbe geht aus den sogenannten Land-
rechten hervor. Nach ihnen soll nur der Mann zum Landrechte
zugelassen werden, „welcher seinem Herrn als wehrhafter Mann im
Felde nachziehen kann." Wio strenge die Obrigkeit darauf hielt,
den Landmann zur Landesverteidigung geschickt zu erhalten, beweist
ein von Bischof Engelbert im Jahre 1312 erlassenes Statut, welches
verbietet, den Colonen, d. h. den eigentlichen Bebauern der Höfe, bei
der Erbteilung die Waffen zu nehmen und bestimmt, dafs sich dieselben
zum Schutze des Stiftes mit gehöriger Wehr versehen sollten.
Die Organisation dieses Bauernaufgebots war folgende: Ihr Unter-
führer war in den einzelnen Gemeinden, der Bauerschaft, der ur-
sprünglich von den Bauergenossen selbst gewählte Bauermeister oder
Bauerrichter. Er war veqiflichtet, die Einwohner seiner Bauerschaft,
wenn der Aufruf durch Sturmläuten, den sogenannten „Glockenschlag"
oder sonstwie erfolgte, zum Sitze des Landgerichtes zu führen, wo
der Gograf über die gesammelten Trupps den Befehl übernahm.
Schon diese Verknüpfung mit dem Gerichtswesen läfst erkennen, dafs
in jenen Zeiten die Bauern seltener zur eigentlichen Kriegführung
aufgeboten wurden; meist geschah es zur sogenannten „Nachjagd",
wenn es galt, Verbrecher, Räuber und Mordbrenner innerhalb des
engbegrenzten Gebiets zu fangen, oder, was wohl häufiger vorkam,
zu vertreiben und so Nachbargebiete damit zu beglücken.
Diese alten Organisationen der Miliz wurden in den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters, je mehr die Feuerwaffen zur Anwendung
kamen, und je mehr Söldner, welche den Krieg als Handwerk betrieben,
angenommen wurden, in den Hintergrund gedrängt.
Am ehesten gab das scheinbar festest gefugte Institut der Lehns-
mannschaft nach. 1599 scheint dieselbe zum letzten Male aufgeboten
worden oder richtiger zum Anritt avertirt worden zu sein, nachdem
sie schon viele Jahre vorher wirkliche Kriegsdienste nicht mehr
geleistet hatte.
Die städtische Milizorganisation hielt sich etwas länger: Bei der
Belagerung von 1553 bewährte sie sich noch vollkommen, aber schon
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132
Ober die Wehrverfassuug von Stift und Stadt
am Ausgange des Jahrhunderts mufste sie den neuen Verhältnissen
entsprechend umgebildet werden. Die alte, so zu sagen, politische
Einteilung fiel weg, Fahnen und Rotten nach dem Muster der Lands-
knechtshaufen traten an ihre Stelle. Die Zuteilung zu den Fahnen
geschah nach den Wohnplätzen der Bürger; jeder Fahne wurde ein
Teil des Stadtwalls, dem ihre Zugehörigen zunächst wohnten, zur
Verteidigung zugewiesen. Später 1620 wurde dann noch aus jungen
unternehmenden Gesellen eine sogenannte Freifahne gebildet zum
Ausfallsdienst und besonderen Unternehmungen. Trotz dieser Neu-
ordnung der Verhältnisse, bei denen vor Allem die Verteidigung der
Stadt ins Auge gefafst, auf gröfsere Unternehmungen aufserhalb
aber schon so gut wie Verzicht geleistet war, gewann das Bürger-
aufgebot seine alte Kraft nicht wieder. 1626 fügte man sich, als
Kanonen auf dem Gertrudenberge aufgefahren wurden, den An-
forderungen der Dänen und 1633 übergab man allerdings nach langer
Gegenwehr, aber doch, ehe ein Sturm die Festungswerke gründlich
erschüttert hatte, die Stadt den Schweden.
Hatte in diesen letztgenannten Fällen die Sympathie mit den
Feinden das ihrige dazu beigetragen, den Widerstand abzukürzen, so
stählte in einem anderen Falle die Antipathie der Bürger gegen den
eigenen Landesherrn ihren Mut. Als es immer klarer wurde, dafs
auf dem Friedenskongresse in Münster ein Befehl des Kaisers zum
Abbruche der Zwingburg, welche Bischof Franz Wilhelm die Bürger
sich selbst zu bauen genötigt hatte, der Petersburg, nicht zu erwirken
war, entschlofs sich der energische Bürgermeister Gerhard Schepeler
kurz und schleifte die Citadelle eigenmächtig unter dem Schutze des
städtischen Aufgebotes im Jahre 1647.
Nach dem dreifsigjährigen Kriege aber in den folgenden Friedens-
jahren löfste sich die Stadtmiliz um so mehr auf, als die Fürstbischöfe
anfingen, der Stadt das Besatzungsrecht streitig zu machen und
zunächst auf Grund besonderer Verträge eine kleine ständige Besatzung
fürstlichen geworbenen Militärs hineinlegten. Dadurch verloren die
Bürger die Wehrhaftigkeit, der Waffendienst den Nimbus des Ehren-
rechts und der Ehrenpflicht und die städtischen Soldaten wurden
Stadtsoldaten in des Wortes übelster Bedeutung. Ihr Dienst beschränkte
sich darauf, auf der Hauptwache am Rathause den Ratsherrn die
Honneurs zu erweisen und an den Thoren die Beitreibung der städtischen
Eingangssteuer zu beaufsichtigen und zu unterstützen. Daher fand
während des siebenjährigen Krieges, als 1762 die Stadt von ihrer
ständigen Besatzung entblöfst war, ein französisches Streifkorps von
200 Mann ungehinderten Eingang in die Stadt, plünderte und erhob
hohe Kontributionen. Die Bürger rührten sich nicht, sondern fügten
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Osnabrück iu früherer Zeit,
133
sich, des Waffendienstes völlig entwöhnt, der geringen Zahl der Feinde.
Ebenso wenig war in den französischen Kriegsläuften am Anfange dieses
Jahrhunderts von einer Verteidigung der Stadt die Rede, obwohl die
ausgedehnten starken Befestigungswerke noch bestanden und einzelne
Bastionen sogar noch mit Kanonen armirt waren.
Zäher, aber nicht lebensfähiger, als das Stadtaufgebot erwies sich
die Wehrverfassung des flachen Landes gegenüber den Änderungen
im Heerwesen. Es hatte das wohl weniger darin seinen Grund, dafs
die Landbevölkerung an sich kriegerischer war, als die Bürgerschaft,
sondern darin, dafs ländliche Verhältnisse sich überhaupt nicht so
rasch und so vollständig ändern, wie städtische.
Als in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die feindlichen
Parteien der Niederländer und Spanier vom eigentlichen Kriegs-
schauplatze aus Raub- und Plünderungszüge in die Nachbargebiete
unternahmen, blieb auch unser Fürstentum nicht verschont. Zur
Abweisung dieser streifenden Parteien aber erwies sich das Landes-
aufgebot als gänzlich ungenügend. Der einzige gröfsere Versuch,
welchen man damit machte, endete kläglich mit dem berüchtigten
Blutbade im Jahre 1587. 800 Bauern hatte man zusammengebracht;
als aber der Feind anrückte, schreckten die Führer, selbst keine
gedienten Kriegsleute, vor energischem Vorgehen zurück. Da wurden
die ungeordneten, ungeübten und schlecht geführten Schaaren an
einem Sonntage überfallen, ihrer 300 getödtet, die übrigen versprengt.
Obwohl diese und ähnliche Erfahrungen in kleinerom Mafsstabe
zur Genüge erwiesen, dafs mit dem Landaufgebote in seiner alten
Verfassung Nichts gegen Streifer, geschweige denn gegen gröfsere
Hecresmassen auszurichten war, so fehlte es doch an Geld, um Berufs-
soldaten anzuwerben und selbst, wenn das Geld aufzubringen gewesen
wäre, so konnten doch auch thatkräftige Bischöfe, die mafsgebenden
ständischen Faktoren, das Kapitel, die Ritterschaft und die Städte,
nicht auch nur zu den allernotwendigsten Bewilligungen bewegen.
Man kam über schwächliche Versuche, wodurch die Lage des Landes
eher verschlimmert, als verbessert wurde, nicht hinaus. Der im Anfange
seiner Regierung sehr energisch auftretende Bischof Philipp Sigismund
bestrebte sich dadurch dem Landaufgebote einen Halt zu geben, dafs
man in jedes Kirchspiel einige gediente Soldaten als Kern der übrigen
Mannschaft legte, aber auch diese an sich wohl überlegte Mafsregel kam
nur mangelhaft zur Ausführung, weil die damit verbundenen Kosten den
Ständen auf die Dauer unerschwinglich schienen. lieber verehrte
man den Führern der Eindringlinge kostbare Pferde, schöne Pokale
oder Geldgeschenke, ohne sich damit dauernd Ruhe zu schaffen.
1H09 freilich schien man sich aufzuraffen, man beschlofs eine
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134
Üt>cr die Wehrverfaming von StiR und Stadt
allgemeine Musterung des I/andvolks, wozu die Vollerben mit Feuer-
gewehr, die Halberben mit Hellebarden, Kötter aber mit Spiefsen
gerüstot erscheinen sollten; auch waren regclmäfsige Übungen für
dieses so ausgerüstete Aufgebot beabsichtigt. Aber auch bei dieser
Mafsregel kam man über Versuche nicht hinaus; es fehlte die Energie
des Willens, um den Plan nicht nur durchzuführen, sondern auch
das Geschaffene lebenskräftig zu erhalten. Dazu wäre vor Allem die
Annahme erprobter Führer für die einzelnen Abteilungen notwendig
gewesen, welchen im Frieden die Kinübung, im Kriegsfälle die Führung
zu übertragen gewesen wäre. Das in jener Zeit in anderen Ländern
angewendete, freilich auch nicht immer erfolgreiche Auskunftsmittel,
dafs man kriegserfahrene Adelige des Landes als llauptleute ver-
pflichtete und besoldete oder ältere Kriegsleute durch Wartegelder
für den Notfall sich sicherte, scheint man, wohl auch w r egen der Kosten,
in unserem Fürstentume nicht angewandt zu haben.
Jedenfalls erfüllte das Landaufgebot, als der dreifsigjährige Krieg
das Land überflutete, seine Aufgabe in keiner Weise. Wehrlos war
das Fürstentum den Dänen, Kaiserlichen und Schweden preisgegeben.
Grofse Summen mufsten an Kontributionen gezahlt werden, um
Plünderungen abzuwehren, nicht zu rechnen die zahlreichen Ver-
ehrungen, welche fortgesetzt den Führern gespendet werden mufsten.
Erst die Spätzeit des dreifsigj ährigen Krieges verschaffte dem Lande
einige Erleichterung, weil der Stadt als Sitz des Friedenskongresses
Neutralität gewährt wurde.
Aber trotz dieses mangelhaften Erfolges und obwohl man das
17. Jahrhundert mit mehr Recht, wie jedes andere, als das Jahrhundert
der stehenden Heere bezeichnen kann, gab man die Versuche, den
Landsturm kampffähig zu organisiren, in unserem Fürstentume nicht
auf. Man glaubte, diesen Zweck nun dadurch erreichen zu können,
dafs man in jedem Kirchspiele die Chargen der Führer, Fähnriche,
Korporale und Trommler je einem Bauern übertrug. Diese Chargen
hafteten schliefslich manchen Höfen erblich an und wurden um so
lieber vom Sohne nach dem Tode des Vaters übernommen, als mit
dieser Bedienung die Befreiung von anderen Steuern und Lasten ver-
bunden war. Wenn nun auch nicht verkannt werden kann, dafs der
Gedanke, die Chargen der für den Ernstfall zu schaffenden Kadres
schon im Frieden zu bestimmen, gut war, so war er doch bei der
Organisation unseres Fürstentums nur gar zu unvollkommen in die
That übersetzt, weil man die Stellen beliebig einzelnen Bauern über-
gab, ohne Sorge dafür zu tragen, dafs die Inhaber auch die genügenden
Kenntnisse und die genügende Übung besafsen und sich erhielten.
Wie mit den Führern aber, so stand es auch mit der Mannschaft.
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Osnabrück in früherer Zeit,
135
Die allerdings vorgeschriebene Einübung derselben ist auch weder
gründlich ausgeführt noch energisch festgehalten worden. Bei den
Musterungen in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts fehlten massen-
haft die Pflichtigen; die Erschienenen benahmen sich unbotmäfsig
und die Führcrstellen waren größtenteils unbesetzt, weil die Be-
soldung zu gering war und die Kriegstüchtigen und Kriegsgeübten es
vorzogen, sich anwerben zu lassen. In etwas späterer Zeit war man
wenigstens bestrebt, die Übung in der Handhabung der Feuerwaffen
zu fördern, und Bischof Franz Wilhelm versuchte sich zu diesem
Zwecke der Schützenfeste zu bedienen. Er ordnete nämlich 1657 an,
dafs in nllen Gemeinden jährlich unter der Aufsicht der Beamten
Vogelschiefsen stattfinden sollten, wozu jeder Bauer mit seinem Gewehr
zu erscheinen gehalten war. Wenn diese Verordnung auch in den
Landstädten und Flecken ausgeführt wurde und sich seit jener Zeit
vielfach in Übung erhalten hat, oder vielmehr als alter Brauch wieder
in Aufnahme gekommen ist, so hat sie doch in den ländlichen Kirch-
spielen kaum festen Fufs gefafst. Man empfand sie als Zwang und
nicht ohne Schuld der beaufsichtigenden Beamten kamen diese Feste
bald in Mifskredit. Schon kurz nach dem Erlafs der Verfügung liefen
zahlreiche Beschwerden ein ; Strafen wurden verhängt, ohne zu fruchten,
und auch diese gut gemeinte Mafsregel fiel der Vergessenheit anheim,
ehe sie sich segensreich hatte erweisen können.
Nicht besser ging es mit den Bestrebungen des ersten weltlichen
Bischofs aus dem Hause Hannover, Ernst August I., der bald nach
seinem Regierungsantritt eine Reorganisation des Landaufgebots ver-
suchte. Diese Neuschöpfung war der sogenannte „Aussehufs", welcher
hauptsächlich zum Wachdienst innerhalb Landes verwendet werden
sollte. Jeder, zehnte Mann des Landsturms sollte montirt und be-
waffnet werden, auch Unteroffiziere und Offiziere wurden angestellt.
Um die Mannschaft einzuüben und in Übung zu erhalten, sollte jeden
Sonntag Nachmittag exerzirt werden. Führer und Mannschaften er-
hielten einen geringen Sold. Da aber gleich bei der ersten Einführung
der Mafsregel die Stände Schwierigkeiten machten und als Gegen-
leistung für Bewilligungen Abstellung von allerlei Beschwerden ver-
langten, so scheint auch diese Organisation nur mangelhaft zur Durch-
führung gelangt und nach sehr kurzem Bestände wegen Geldmangeis
wieder aufgelöst worden zu sein.
Während des 18. Jahrhunderts trat dann die Miliz nur noch in
Aktion, um bei gröfseren Volksversammlungen, wie sie Hinrichtungen,
Märkte und Prozessionen mit sich bringen, die Ordnung aufrecht zu
erhalten, für Kriegszwecke scheint sie nicht mehr in Bewegung gesetzt
worden zu sein.
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1311
Der verhiingnifsvolle Miuenkrater bei Petersburg.
Krst in der französischen Zeit wurde dem Bürger und Bauer
wieder die Verpflichtung zu wirklichem Kriegsdienste auch aufser
Landes auferlegt, in der nur unter heftigem Widerstreben der Be-
völkerung durchgeführten sogenannten Konskription. Doch war das
zum Glück nur eine kurze Episode und bald darauf trat das Aufgebot
des Osnabrücker Landsturms als geschlossenes Kadre in den Befreiungs-
kriegen auf und zeichnete sich besonders in der Schlacht von Waterloo
— freilich unter englischem Führer — ruhmreich aus. Ein patriotischer
Bürger liefs zum Andenken an diese Heldenthat das alte Hegerthor
zu dem jetzigen monumentalen Bau des Waterloothores umformen.
Aber dann folgte auch bei uns, wie überall in Deutschland, nach
jenen grofsen Tagen der Rückschlag. Dem Namen nach ward auch
im Königreiche Hannover die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, aber
die Möglichkeit der Stellvertretung und die vielfältigen Befreiungen
nahmen dieser Einrichtung ihre sittliche Kraft; es galt nicht als eine
Ehre Soldat zu sein, sondern, wer eben die Mittel dazu besafs, kaufte
sich von der lästigen Verpflichtung los. Die sogenannten höheren
Stände aber, insbesondere die Beamteu, waren gesetzlich vom Dienste
befreit. Das hannoversche Heer war daher nicht in dem Sinne ein
Volksheer wie das preufsische. sondern eine Mischung von Miliz und
stehendem Heere, dessen beste und zuvorlässigste Bestandteile die
alten Trouppiers, geschäftsmäfsig aus Erwerbsrücksichten dienende
Mannschaften, bildeten. Die Einverleibung Hannovers und mit ihm
unseres Fürstentums in Preulsen und das deutsche Reich führte dann
den urdeutschen Zustand des Volksheeres zurück.
XL
Der verhängnifsvolle Minenkrater bei Petersburg.
Eine Episode aus dem Sezessionskriege.
Von
J. Scheibert, Major z. D.
Die Haupt-Armee der konföderirten Staaten unter ihrem grofsen
Führer, General R. E. Leo, hatte sich zur Verteidigung der Haupt-
stadt bekanntlich in dem in aller Eile befestigten Lager um Richmond-
Petersburg gesammolt, dessen Frontausdehnung so grofs war, dafs auf
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Der verhängni fsvolle Minenkrater bei Petersburg.
137
je 2 m Front noch nicht ein Verteidiger kam. Trotzdem wehrte der
General Lee, der ungern in jenes Lager gegangen war, dessen Be-
festigungslinien die Schwungkraft seiner Führerschaft lähmten, alle
Angriffe mit Erfolg blutig ab, besonders den ersten Versuch Grants,
die Linien mit stürmender Hand zu nehmen.
Nachdem mehrere Monate vergeblich gekämpft war, kam man
auf Seiten des Angreifers auf den Gedanken, die mangelnde taktische
Kraft durch die technische Überlegenheit der Nordländer zu besiegen
und mittelst einer kolossalen Mine gewaltsam eine Öffnung in den
feindlichen Linien zu Wege zu bringen.
Es gelang. Nachdem man eine Schutzgallerie von 172 m Länge
bis etwa unter die Werke der Konfbderirten vorgestofsen hatte, wurde
eine in mehreren Öfen liegende Mine von 80 Centner Pulver gesprengt
und eine Öffnung von 5 — 600 m in der Linie hervorgebracht, während
der Krater selbst eine Öffnung von 70 zu 20 m zeigte. Zwei Kanonen
der Belagerten und über 200 Verteidiger wurden durch die furchtbare Ex-
plosion in die Luft geschleudert. Während anfänglich grofse Bestürzung
im ganzen Lager der Verteidiger, der Konfbderirten, herrschte, gingen
die Föderirten, welche vorher mehrere Divisionen bereit gestellt hatten,
um die Vorteile der gesprengten Öffnung sofort auszunutzen, vorwärts,
um in die Werke einzudringen. Die Sache nahm aber allmählich
eine andere Wendung; die Konföderirten erholten sich sehr bald von
dem ersten Schrecken, konzentrirten ihre rückwärtigen Geschütze und
ihr Gewehrfeuer gegen den Krater, um das Ausbrechen der Truppen
aus demselben zu verhindern und gingen, wie später gezeigt werden
wird, schliefslich gegen denselben sogar zur Offensive über. Die Nord-
länder wurden dagegen durch eine, man möchte sagen magnetische,
Anziehungskraft in den Krater gezogen, zu dessen Besetzung 1 Bataillon
vollständig ausgereicht hätte.
Schon bald nach der Sprengung zogen zwei Divisionen — wir
werden später sehen, weshalb — in den Krater, und als derselbe
schon vollgepfropft war, stiegen noch die sämmtlichcn Leute einer
Neger- Division in denselben hinein. Die Sache war um so ungemütlicher,
als bekanntlich der Boden jeder Minenhöhlung weich ist und voll
mephitischer, ja betäubender Dünste steckt. Hier lagen nun noch
die durch die Explosion der Mine zerstümmelten Leichen, Räder,
Stücke festen Lehmbodens auf der Erde herum, während Verwundete
und Tote sich anzuhäufen begannen.
Je mehr die Verteidiger sich von dem ersten Schrecken erholten,
desto mehr Geschütze und Haubitzen zogen sie heran, welche immer
sicherer in den Menschenhaufen schössen, und desto mehr Scharf-
schützen legten sie dem Krater gegenüber, so dafs jeder, der nur den
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138 Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg.
Kopf über den Rand desselben lünweghielt, sofort rückwärts über
taumelte. Dabei war das Gedränge so dicht, dafs einer sich vor dem
andern nicht bewegen konnte. Niemand aber wagte, den Krater zu
verlassen, weil er dann noch einmal unter dem feindlichen Feuer
Spiefsruten laufen muiste. Von 4 bis gegen 8 Uhr dauerte dieser
Zustand, bis der schnell benachrichtigte General R. E. Lee 2 Brigaden
von Mahone's Division in Bewegung setzte, um vorläufig die in der
Front stehende Division des Generals B. R. Johnson zu verstärken,
später die feindliche Linie anzugreifen.
Möge einer der Leute, ein Virginier, welcher in dieser Brigade
sich befand, das Weitere beschreiben, da gerade die Details, die der
Geschichtsschreiber übersehen mufs, dem Bilde erst Reiz geben und
den Leser mitten in die schreckliche Wirklichkeit versetzen.
„Wir mufsten," erzählt jener, „ehe wir vorgingen, das Gepäck
ablegen, eine Mafsregel, die uns allen zeigte, dafs ernste Arbeit vor
uns lag. Nach einigen Hin- und Hermarschiren, um des Feindes Sicht
zu entgehen, wozu wir deckende Hohlwege ausnutzten, kamen wir —
Mahone's Virginia-Brigade, etwa 800 Mann stark — in die Nähe des
Juden-Kirchhofs, hielten dort an der Landstrafse und machten regi-
menterweise Kontremarsch (eine noch bis 1 8(14 bei uns gebräuchliche
Evolution), so dafs unsere linken Flügel vorn marschirten. Am Kirch-
hof stand General Mahone mit den Generalen Bcauregard und Johnson.
Es mochte etwa 8 1 2 Uhr sein. Der Feind war also seit 4 Stunden
im Besitze des Kraters, doch wagte er sich nicht aus der Deckung
heraus, da unsere Schützen im Süden 150 Schritt, im Norden
200 Schritt vor seinen Linien lagen und scharf feuerten. General
Mahone ging gebückt durch einen unserer bisherigen Schützengräben
vor und sah von einem kleinen Hügel aus, dals die Masse des Feindes
— da auch rückwärts und seitwärts des Kraters alles besetzt war —
für seine zwei zusammengeschmolzenen Brigadon zu stark sei, und
schickte deshalb einen Adjutanten zurück, um nun auch die III., die Ala-
bama-Brigade, zu holen. Unsere Brigade marschirte inzwischen in
einer deckenden Mulde in Schlachtordnung auf. (Dieses war bekannt-
lich in den amerikanischen Armeen erforderlich, da deren taktische
Durchbildung nicht ausreichte, um im Feuerbereiche aufcumarschiren.)
Unser (>. Virginien-Regiment stand mit den Schützen auf dem
rechten, das 12. auf dem linken Flügel und in der Mitte die 16., 41.
und tU. Virginien-Reginienter. Nachdem dies geschehen, kletterten
wir den Abhang des Grundes hinauf und legten uns, um nicht ge-
sehen zu werden, nieder, etwa 200 Schritt vor den feindlichen Linien.
Oberst Weisiger, der unsere Brigade führte, liefs uns bedeuten, dafs
wir nicht eher schiefsen sollten, als bis wir am Feinde seien! Als
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Der verhängnifsvolle Minenkrnter bei Petersburg. 13*)
dieses geschehen, sprang unser Hauptmann Jones vor die Front und
sagte eindringlichen aber ruhigen Tones: „Leute, ihr habt den Befehl,
unsere alten Werke zu stürmen und wieder zu erobern. Die Feinde
liegen nur 100 Schritt vor uns und können also nur eine Salve ab-
geben, bis wir an die Werke kommen. Beim Kommando „Vorwärts!"
erinnere ich, dafs jeder aufspringt und im Laufschritt laut jellend sich
auf die Werke stürzt. Thue jeder seine Pflicht!"
Diese kurze Ansprache unter so ernsten Umständen war äufserst
eindrucksvoll und wohl dazu angethan, Alle zu veranlassen, ihr Bestes
zu thun. Ich werde jene Ansprache und die Art, in der sie gegeben
wurde, niemals wieder vergessen.
Hauptmann Jones berichtet, dafs er durch folgende Worte, dio
General Mahone an die Führer richtete, angefeuert sei: „Der Feind
hat unsere Werke inne. Unsere Linie ist die einzige Barriere, die
ihn abhält, in Petersburg einzudringen. Auf uns ruht daher die
schwere Verpflichtung, den Feind aus den von ihm in Besitz ge-
nommenen Werken zu vertreiben und unsere Linien wieder herzu-
stellen. Wir müssen diese Position im Sturme nehmen und werden
diesen so oft wiederholen, als noch ein Mann am Leben ist. Alles
aber hängt von dem gleichzeitigen Ansetzen, sowie von der
kräftigen und vereinten Durchführung aller Bewegungon ab!" Jones
hat später erzählt, dafs er wirklich geglaubt habe, dafs nur 100 Schritte
im Feuer zu durchschreiten seien, und dafs dieses ein Glück gewesen
sei, weil alle Leute es ihm ebenfalls geglaubt hätten. Erst 20 Jahre
später, als er den Ort noch einmal untersucht hat, hätte er sich
überzeugt, dafs die Entfernung in der That 200 Schritt gewesen sei.
„Sobald das Kommando „Vorwärts ! u gegeben war," erzählt unser
Virginier weiter, „sprangen wir alle auf und liefen unter tüchtigem
Jellen mit aufgepflanzten Bajonetten den Werken zu.
Als wir loslegten, war die Linie etwa 150 Schritt lang; da aber
die Scharfschützen auf unserem rechten Flügel mehr dem Krater zu-
steuerten, der etwas zur Rechten lag, so verlängerte sich die Linie
etwa um das Doppelte, und dio Reihen öffneten sich demgemäfs.
Dennoch habe ich kein anregenderes Kriegsbild gesehen, als diesen
kraftvollen Angriff von lauter Veteranen, von denen jeder die Wichtig-
keit genau kannte, sobald wie möglich mit dem Feinde handgemein
zu werden, und wufste, dafs jeder kleinste Aufenthalt fatale Folgen
haben würde. Mit fliegenden Fahnen unaufhaltsam stürmten daher
die 800 Mann gegen eine hier etwa 10 fache Ubermacht an, (die aber
ihre Kampfkraft nicht zum Austrag bringen konnte)."
Ein föderirter Offizier sagt in seinen Aussagen über diesen Moment
folgendes: „Unsere 2. Brigade hatte kaum ihre Köpfe über die Brust-
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140 Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg.
wehren erhoben, als der Ruf erscholl: „Die Rebellen greifen an; hier
kommen sie schon!" Indem ich nach vorne hinausblickte, sah ich
eine lange, graue Linie in vorzüglicher Haltung in vollem Laufe aus
dem Grunde herauskommen und auf uns zueilen. Ihre Linke war
nahe an den Blockhäusern, und ihre Linie reichte rechts so weit man
sehen konnte in den Rauch hinein. Sie kamen immer näher und
zwar in Windeseile. Wir sahen, dafs der Anlauf gerade auf unsere
Brigade zuging."
Als ich, berichtet unser Virginier dazu, an einem kleinen (unseren
früheren) Traversengraben ankam, sah ich zu meinem Erstaunen einen
Negersoldaten liegen, der sich langsam aufrichtete. Es war der erste
Farbige, den ich in Uniform sah, denn wir wufsten noch nicht, dafs
wir von Negern angegriffen werden sollten. Ich konnte ihn erschiefsen,
doch ich mochte nicht! Als ich weiter ging, sah ich den ganzen
Schützengraben so vollgepfropft von Weifsen und Schwarzen, deren
Augen vor Todesangst rollten, dafs sie sich vor einander kaum rühren
konnten. Einer dieser angsterfüllten schwarzen Helden hatte in seinen
zitternden Händen eine wundervolle seidene Plagge, die er unsicher
flattern liefs. Ich hätte in diesen Haufen hineinschiefsen können, aber
es hatte keinen Zweck! Ich sah zugleich, dafs viele der Feinde in
ihre alten Stellungen zurückliefen und dafs man dicht hinter mir in
unseren Brustwehren Schutz suchte, was ich an den Käppis bemerkte,
die hier und da hinter denselben hervorlugten. Ich schofs nur in
den Haufen derjenigen hinein, welche in ihr Lager zurückflohen. Als
ich allein weiter vordrang, stand mir in einem Graben plötzlich ein
Neger gegenüber, mit fertig gemachter Muskete mich angreifend.
Ich war in dem Augenblicke in einer fatalen Lage. Das Gewehr
war abgeschossen, mein Bajonnet hatte ich bei Wildernefs verloren,
auch konnte ich den Mann nicht mit dem Kolben angreifen, da der
Graben dazu zu eng war und kehrt machen durfte ich erst recht nicht ;
da bemerkte ich rechts neben mir einen Abzugsgraben, in welchen
ich mich mit einer geschickten Volte hineinschwang und mein Gewehr
mit einer Geschwindigkeit lud, wie dies wohl ein Vorderlader niemals
erlebt hat. Meine Situation war trotzdem keine glänzende, denn
nicht 5 Schritt von mir war der ganze Graben mit Feinden gespickt.
Um die Lage noch verzwickter zu machen, entdeckte ich zu meinen
Füfsen einen schon grauhaarigen Neger, der schrecklich an zu jammern
fing: „Master, schlagen Sie mich nicht todt! schlagen Sie mich nicht
todt! ich will zeitlebens Ihr Sklave sein!" weil er glaubte, dafs der
Schufs, den ich so eilig hinunterstiefs, ihm gelte. „Alter Mann, sagte
ich zu ihm, ich will Sie nicht todtschlagen, obgleich Sie es verdienten."
Nach dieser beruhigenden Erklärung wandte er sich um und begann
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Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg.
141
sich um einen in den letzten Zügen liegenden konföderirten Soldaten
zu bemühen, der offenbar bei der Minen-Explosion verunglückt und
schrecklich zugerichtet war. Er fächelte dem Sterbenden, wohl in der
Absicht so eifrig zu, um sich bei den nachkommenden Konföderirten
zu „insinuiren". —
Glücklicher Weise kamen jetzt einige Kameraden meiner Kompagnie
mir in den Graben nachgesprungen. Als ich diese Gelegenheit wahr-
nehmen wollte, um meinem schwarzen Gegner den Schufs zu appliziren
und aus meinem Loche heraustrat, war jener verschwunden. Wir
standen nun in der Nähe von Gräben, deren andere Seite geradezu
von Feinden wimmelte, was man an den Bajonetten und Käppis sehen
konnte, die hinter den Schutzwehren hervorblickten. Wenn einer
oder der andere feuerte ging Staub in die Höhe, so nahe hielten sie
die Musketen an die Brustwehr.
Wir berieten nun, was wir zu thun hätten, ob wir in dieser ge-
fährlichen Lage bleiben, oder auf unsere Linien zurückfallen sollten.
Letzteres konnte einesteils noch gefährlicher sein, oder gar das böse
Beispiel für andere geben. Wir beschlossen deshalb zu bleiben wo
wir waren, und von wo aus wir gelegentlich Schüsse auf die seitwärts
sichtbaren Feinde gaben.
Als wir nach einiger Zeit übereingekommen waren, uns den
Graben entlang zu schleichen, um etwa enfilirendes Feuer auf die
dicht besetzten Brustwehren hinter uns zu geben, sahen wir, wie
unsere übrigen Leute in hellen Haufen zu uns in die Gräben kamen
und sofort auch gegen den Krater anstürmten. Sie hatten kein Mit-
leid mit den Negern, die alle unter ihren Bajonetten fielen. Der
Graben war in Folge dessen dicht mit Toten besät. Die Wut darüber,
dafs man Neger gegen uns kämpfen liefs, war eine zu grofse! Doch
der Krater kam noch immer nicht in unsere Hände, auch südlich
desselben waren noch Verschanzungen vom Feindo besetzt.
Um diese Werke zu nehmen, wurde nun Wrights Georgia-Brigade
vorgeschickt; doch war das feindliche Feuer ein so heftiges, dafs die
Linien der Brigade sich seitlich öffneten und in den schon von uns
genommenen Verschanzungen und Gräben Schutz suchten. Wir er-
hielten in Folge dessen den Befehl, die besetzten Werke mit einem
solchen Feuer zu überschütten, dafs niemand mehr wagen könnte,
seinen Kopf über die Brustwehr zu halten. Da wir Gewehr und
Munition die Menge fanden, so wurde dieser Befehl so strikte befolgt,
dafs bald nichts mehr über den Boden hervorlugte. Trotz dieser
Vorsichtsmafsregel mifslang auch der zweite um 11 L T hr gemachte
Anlauf der Georgier zum Sturme, sie suchten wieder Schutz hinter
den eigenen Werken.
142 Der verhöngnifsvolle Minenkrater bei Petersburg.
Um 1 Uhr erhielten wir wieder den Befehl, die feindlichen Werke
unter Feuer zu nehmen, und gleich darauf stürmte die Alabama-
Brigade mit tapferem Mute vor, die Werke und den Krater im ersten
Anlaufe nehmend. Unmassen von Gefangenen, oft von dem Feuer
ihrer eigenen Batterien beschossen, strömten aus den gestürmten
Werken zu uns hinüber.
Wie es im Krater selbst aussah, davon erzählt ein Augenzeuge
der Verteidiger, ein Offizier der Föderirten, folgendes:
„Wir waren die letzten, die in den Krater sprangen. Überall
starrten uns die Bajonette unserer eigenen Soldaten entgegen. Der
ganze Kraterrand war von unseren Leuten dicht besetzt, die so schnell
feuerten, als sie konnten. Auch der Feind gab heftiges Feuer ab,
und unsere Leute fielen, meist durch den Kopf geschossen, in dichter
Reihe herab, indem die Getroffenen rückwärts den Abhang in die
Tiefe des Kraters hinunter rollten, so dafs dort unten die Haufen der
Toten vier bis fünf Mann hoch aufgeschichtet lagen. Das Geschrei
der Verwundeten, welche von den I^eichnamen gedrückt wurden, war
fürchterlich. Plötzlich erhielten wir auch von der Seite Flankenfeuer
und General Bartlett befahl daher, zum Schutze eine Traverse zu
bauen. Doch ging die Sache sehr langsam! Da rief jemand: „Baut
doch die Leichen auf!" Und bald war aus Schwarzen und Weifsen,
Rebellen und Yankees eine Brustwehr aufgerichtet. Unter diesem
Schutze wurde dann an der Traverse weiter gearbeitet. Bald fehlte
Munition, so dafs alle Leichen nach Patronen abgesucht wurden, auch
mangelte in der fürchterlichen Hitze das Wasser.
Wenn auch zwei weitere Sturmversuche der Konfbderirten ab-
geschlagen wurden, so beschütteten uns doch die Batterien mit Granaten
und bewarfen uns mit Schmutz; die Mörser der Feinde hatten sich
bald so eingeschossen, dafs jeder Wurf mitten in die vollgepfropfte
Höhle fiel. Alle, welche versuchten, rückwärts zu fliehen, kehrten
um, weil das Feuer der Gegner von allen Seiten auf sie hernieder-
prasselte, die Meisten zusammenschiefsend.
Nun kamen zwar Patronen an, aber unsere weüsen Truppen
waren völlig erschöpft und gebrochen. Sic verliefscn die Brustwehr,
setzten sich nieder und liefsen sich weder durch Zureden noch
Drohungen zur Besetzung der Linien bewegen. Vergebens sagten
wir ihnen, dafs alle, die mit Negern vereint kämpften, von den Feinden
niedergestochen und nicht als Gefangene behandelt werden würden;
nichts machte auf diese Leute mehr Eindruck! Nur noch die Neger
und einige Offiziere hielten von jetzt ab das Feuer aufrecht.
Einige Indianer von Mishigans Scharfschützen leisteten dagegen
treffliche Dienste. Vier von ihnen, die tödlich verwundet waren,
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Der verhängnisvolle Minenkrater bei Petersburg. HM
zogen ihre Blousen über die Kopfe, sangen den Kriegsgesang und
fielen dann tod nieder. Dann wurde versucht, einen Ausgang nach
unserer Seite hin durch zu graben. Bald jedoch hatten die Kon-
föderirten auch hierauf sich eingeschossen, und Niemand wagte mehr
eine Hand an den Spaten zu legen. Alle Leute, die ich zu der Arbeit
um mich gesammelt hatte, fielen bis auf den Sergeanten. Die Truppen
waren schliefslich so apatisch und gleichgültig geworden , dafs selbst
der Tod ihrer Nebenleute, sie nicht mehr anregte. Um 1 Uhr, als
unsere Schützen all ihre Munition verschossen hatten, gelang der An-
sturm der Feinde. Sie wurden Herr des schrecklichen Kraters." —
Eine furchtbare Arbeit war nun zu thun, fährt unser Virginier
fort, nämlich die Unmassen Todter zu beerdigen. Wir stellten dazu
die Neger-Gefangenen an und legten Hunderte in grofse Gräber.
Im ersten Morgengrauen bot der Krater einen gräfslichen An-
blick, als die Begräbnifsarbeit unter den verstümmelten Leichen
langsam vorwärts ging. Es hätte auf mich einen noch fürchterlicheren
Eindruck gemacht, wenn nicht ein humoristisches Intermezzo die all-
gemeine Heiterkeit erregt hätte. Unser Adjutant Smith, ein gesunder
Junge, war fest eingeschlafen ; zwei Neger hielten ihn im Halbdunkel
für todt, ergriffen ihn bei den Beinen und zogen ihn auf der Erde
laug. Unter dieser Behandlung erwachte er und fluchte so laut, dafs
die Neger ihn von sich warfen und zum Tode erschreckt davon liefen,
was trotz der schrecklichen Lage Alles zum Lachen brachte. Soweit
der Bericht des konföderirten Augenzeugen. —
Was nun die Zahl der in die konföderirten Werke und den Krater
eingedrungenen Unionisten anbetrifft, so waren nach den eidlichen
Berichten des Oberstlieutenant Loriny vom Burnsider Stabe, die er
vor dem Komite abgab, hineinmarscliirt: „Zuerst Lesslies Division,
und zwar direkt in den Krater und dessen unmittelbar angehängte
Linien; ferner Potters Division, die zwar rechts anschliefsen sollte,
aber auch grofsenteils in den Krater stieg; ebenso ging Wilcox's Division,
der 4 Regimenter fehlten, staffelweise meist in den Krater hinein."
Das macht etwa 6000 Mann und zusammen mit Fcrrero's Neger-Division,
die 4300 Mann stark war, über 10 000 Mann, die zum gröfsten Teile
sich in der engen Schlucht zusammendrängten. Das bestätigt auch
General Ord, der zugleich noch einen zweiten Grund für die An-
ziehungskraft dieses Hüllenschlundes giebt, indem er sagt:
„Das Gelände vor der Front und zur Linken der Mine war sumpfig,
bedeckt mit Bäumen und Büschen. Keine Vorbereitungen waren ge-
troffen, die Truppen rechts oder links vorbeigehen zu lassen. Heraus
konnten sie nur durch einen engen Schützengraben, so dafs der lang-
same Prozefs 10 — 1*2000 Mann durch diesen engen Raum zu zwängen
Jahrbücher ftlr die Deutsche Armee und Mariut>. Bd. Villi'., 2. IQ
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144
Der verhängnifsvolle Minenkrater bei Petersburg.
dem Feinde volle Mufse gab, Vorbereitungen zum Widerstande zu
treffen. Alles dieses machte Aufenthalt." General Furner (Divisions-
Kommandeur im 18. Korps Ord) sagt:
„Etwa um 7 Uhr sprang ich auf den diesseitigen Rand des Kraters,
um zu sehen, was los sei. Unmittelbar vor mir lag die gesprengte
Höhlung. In und aufserhalb derselbon herrschte Verwirrung. Die
Leute legten sich in ihr nieder, um Deckung gegen das Feuer zu ge-
winnen, das um diese Zeit äufserst scharf war. Ich dachte, das
(voraufgegangene) Korps sei hinter dem Krater aufmarschirt und
gegen die feindliche Stellung gegangen, aber es lag noch in dem-
selben .... Der Krater war ganz gefüllt, und zwar mit mehr Leuten,
als er fassen konnte, welche aufserdem rund herum lagen und so gut
als möglich Deckung suchten, alles bunt durch einander. Ich sah
auch zu meiner Verwunderung, dafs zur Entlastung der Lage kein
Angriff auf den (von den Konföderirten besetzten) Kirchhofshügel ge-
macht wurde, und frug deshalb einige Offiziere, weshalb das nicht
geschehe? Sie antworteten, ein Anlauf dazu wäre versucht worden,
aber mifsglückt. Ich sagte; „Ihr müfst euch hier verbauen, Truppen
sind ja mehr wie genug dazu vorhanden, die stehen sich ja gegenseitig
im Wege!" Während ich noch so sprach, erschien die Spitze der
Neger-Division auf dem Kraterrande und begann in diese Masse noch
hineinzusteigen. „Wozu sind diese Menschen noch hergeschickt", rief
ich aus, „das heifst doch nur neue Verwirrung in die alte bringen!**
Die Schwarzen fielen buchstäblich in den Krater hinein, auf ihre
Hände und Kniee, und wurde das Gedränge so dicht, dafs Niemand
mehr gehen konnte. Indem ich sah, dafs ich bald selbst in der
Masse stecken bleiben würde, und keine Kontrolle über diese Leute
hatte, sagte ich zu deren Offizieren: „Wenn Sie mich hier heraus-
schaffen, werde ich mit meiner Division rechts herausmarschiren und
Eure rechte Flanke decken!" Mit diesem Vorsatze ging ich aus dem
Krater heraus, als ich den Kommandirenden, General Ord, antraf, der
vor der Front meiner Division stand. Ich sagte; „Herr General,
wenn nicht eine starke Bewegung gegen den Kirchhofshügel gemacht
wird, ist es geradezu Mord noch mehr Leute hierher zusenden. Jene
Neger-Division durfte niemals hinein; aber es scheint eine wahre
Wut zu herrschen, dort hinein zu kriechen! Vielleicht könnten die
Leute wenigstens vorwärts gehen, um meiner Division Platz zum
Durchmarschiren zu machen!"
Als es Goneral Furner später gelang vorzugehen, traf der Angriff der
Brigade Mahones auf seine Division, worauf eine so allgemeine Flucht,
ja Panik entstand, dafs sämmtliche Führer mit fortgerissen — , oder
wie General Carr sagt, der eine andere Division des 18. Korps dort
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Frankreichs Grenzschutz.
H5
kommandirte, — „von der zurückflüchtenden Masse in die Höhe ge-
hoben und etwa 15 Schritt fortgetragen wurden".
General Ord berichtet vor demselben Komite:
„Die Leute hatten etwa Vi Kilometer weit durch einen langen
engen Graben zu marschiron, ehe sie in unser äufserstes Aufsenwerk
kamen; von dort aus gingen sie in den Krater und wurden daselbst
in eine Höhle gestopft, in der sie völlig hülflos waren. Sie waren
dort von demselben Nutzen, als hätte man sie alle in einen tiefen
Brunnen gesteckt."
Von den Einzelthaten, die der Virginier weiter erzählt, möge
keine Notiz genommen, nur erwähnt werden, dafs er im höchsten
Grade begeistert von dem Betragen seiner Führer, des Generals
Mahone, dessen Adjutanten Kaptän Girardey und seines Obersten
Weisiger spricht.
Nach der Katastrophe wurde ein Waffenstillstand geschlossen,
um die Todten begraben zu können. Die Verluste der Konföderirten
betrugen 1200, die der Unionisten wurden auf 5000 angegeben. Von
den Unionisten konnte man in diesem Falle wörtlich sagen: „Wer
andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!"
XII.
Frankreichs Grenzschutz.
Von
Graf von Haslingen, Major.
(Schhifs.)
n. Küsten und Inseln.
Zwei Gesetzentwürfe sind vor Kurzem der französischen Deputirten-
kammer von dem Deputirten Edouard Lockroy vorgelegt worden; der
eine betrifft die Verteidigung des französischen Küstengebietes, der
zweite im Besonderen diejenige der Halbinsel Cotentin, Corsica's und
der übrigen Inseln des französischen Uferlandes. Fast gleichzeitig
mit dieser Vorlage ging an die Kammer ein auch von vielen Generalen
unterzeichneter Entwurf von 49 Deputirten ein, der darauf hinausläuft,
dem Marineminister den Schutz der Halbinsel Cotentin und der
Insel Corsica anzuvertrauen.
Wir glauben, dafs die Motive für die vorerwähnten Gesetzentwürfe
10*
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Frankreichs Grenzschutz.
eine Reihe auch für uns wichtiger und interessanter Momente
enthalton. - Die äufsere Veranlassung zu jenen Entwürfen dürften
auch hier wieder wie bei der kürzlich besprochenen Anregung zur
Verstärkung der Alpengrenze, die vorjährigen Manöver — hier die
der Flotten — gegeben haben.
Wenn die Halbinsel Cotentin als direkt bedroht angesehen wird,
so geht man von der Ansicht aus, dafs es der einzige Punkt an der
England zugewendeten Küste ist, der bei nicht genügender Verteidigung
leicht zum Stützpunkte für eine englische Kanalflotte werden könnte.
Das letzte englische Flottenmanöver spielte sich allerdings im Georgs-
Kanale und in der Irischen See ab, aber seine Gesammtanlage war
doch auch so, dafs die Front statt Ost — West mit leichter Drehung
gegen Frankreich sich wenden liefs. Auch die italienische Marine
hat im vergangenen Jahre ihre Manöver so abgehalten, dafs man in
Frankreich zu besorgen begann, es könne Corsica bedroht sein.
Die Betrachtung der „Motive" wird uns den Beweis erbringen,
dafs es nicht nur England und Italien sind, welchen Frankreich
gegenüber seine Küsten und Inseln schützen zu müssen glaubt, sondern
Deutschland wird mit in den Kreis der Betrachtungen hineingezogen
und auch seine Streitkräfte werden mit auf die Wagschale gelehrt.
Indem wir im Allgemeinen den Motiven der drei Entwürfe folgen,
heben wir hervor, dafs entgegen den Gepflogenheiten in Deutschland
und Italien die Verteidigung des Küstengebietes in Frankreich gleich-
zeitig dem Kriegs- und Marineminister zufallt. Es können im Falle
des Krieges nach dem Dekret vom 13. Mai 1890 Offiziere des Land-
heeres solchen der Marine unterstellt werden, ebenso wie es sich
ereignen kann, dafs Generale Flottillen befehligen. Durch die Be-
stimmungen wird einerseits die Autorität des Kricgsrninisters als
oberste Behörde aufrecht erhalten, andererseits aber die Sorge fiir
die Verteidigung der Küsten etc. den Marineoffizieren übertragen.
M. Lockroy sagt darum, man teile dadurch die Verantwortlichkeit,
das aber bedeute weiter nichts als sie überhaupt aufheben und nur
Unordnung werde die Folge sein. Das „concourir chacun avec ses
moyens ä la garde et la defense du littoral" ist ein schlimmes Ding,
wenn nicht bereits im Frieden Jedem genau vorgeschrieben ist, in
wieweit er mitzuhelfen hat. Keinenfalls erscheint es aber günstig,
wenn, wie augenblicklich in Frankreich, erst mit dem Ausbruche eines
Krieges sich die Ressortverhältnisse verschieben. Am Tage der Mobil-
machung, d. h. wenn der Kriegsminister füglich doch mehr als sonst
zu thun hat, wenn der Feind zu Wasser oder zu Lande die Grenze
bedroht, soll er den dann erst unter seine Befehle tretenden Marine-
Präfekten „Lettres de service speciales" senden und sich mit seinem
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Frankreich» Grenzschutz.
147
Kollegen von der Marine auseinandersetzen. Dabei wechseln diese
Marine-Präfekten zum Teil und dio gesamnite Verwaltung geht in
andere Bahnen über, in einem Augenblicke, wo es gerade erst recht
notwendig wäre, in genau bekannten weiter zu arbeiten. Es verbleiben
diese Beamten aber thatsiiehlich unter beiden Ressorts, denn ein
Dekret vom 21. April besagt, sie unterstünden auch weiterhin in Allem,
was „regarde la defense mobile" dem Marineminister.
Wenn wir in dieser Hinsicht Umschau in anderen Grofsstaaten
halten, so kommt vor Allem England in Frage. Dort aber liegen
die Verhältnisse bekanntlich ganz anders. Im Vertrauen auf seine
Flotte und im Speziellen auf das Kanalgcschwader, hat England nur
sehr geringe Vorkehrungen zum Schutze der eigenen Küsten getroffen.
Dort spielt das Kriegsdepartement aber nicht die Rolle, wie anderswo.
Dem Marine-Amt wird vielmehr die Verteidigung des Landes zufallen
und hierbei dürfte die englische Armee füglich nichts anderes sein
als die „reserve supreme" der Verteidigung. M. Lockroy sagt nicht
mit Unrecht: „La vraie et Ton peut dire, la seule armee chargee de de-
fendre la grandeur et Tinviolabilite de la Grande-Bretagne, c'est la Hotte."
— Trotzdem besitzen die Engländer eine besondere Truppe, welche den
Schutz der Küste zu versehen hat, die sich aus altgedienten Marine-
leuten zusammensetzt und von dem Marineminister ressortirt. Die
geringe Stärke dieser coast-guards (100 Offiziere und 4000 Mann)
lässt sie mehr als ein Gendarmeriekorps erscheinen denn als eine
Schutztruppe.
In Italien werden die Batterien, welche am Ufer zum Schutze
der Rheden angelegt sind, von Marineoffizieren befehligt. Da während
der letzten Manöver Offiziere des Landheeres, welche auf Schiffe zu
schiefsen hatten, wiederholt eigene für feindliche und Kauffahrer für
Kriegsschiffe gehalten haben sollen, werden dort den Artillerieoffizieren
des Landheeres zu diesem Zwecke „officiers Consultants" von der
Marine beigegeben werden.
Auch in Deutschland ist die Verteidigung des Küstengebietes
dem Marineminister übertragen und führt der französische Deputirte
Tür die Richtigkeit dieser Mafsregel das Zeugnifs des Feldmarschalls
Grafen Moltke an, der sich hierüber im Jahre 1*86 in der Landes-
verteidigungskommission etwa wie folgt äufserte:
1. Die Küstenverteidigung wird in der Annahme organisirt, dafs
der feindliche Angriff durch Truppen erfolgt, welche über das Meer
herangeführt und unter dem Schutze von Schlachtschiffen debarquirt
werden. Die Marineoffiziere allein sind im Stande, die schwachen
Stellen des feindlichen Geschwaders richtig zu erkennen und demäfs
zu handeln; sie allein vermögen die Tragweite der Bewegungen der
angreifenden Flotte und deren Zweck zu entdecken.
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14s
Frankreichs Grenzschutz.
2. Alle Verteidigungsanlagen an der Küste, auch Laffeten,
Kanonen etc. sind ähnliche, wenn nicht sogar die nämlichen, wie die
im Gebrauche der Flotte befindlichen; die Handhabung dieser Kriegs-
werkzeuge erfordert ein Personal, das die Marine allein mit Aussicht
auf Erfolg heranbilden kann.
3. Das Richten der Geschütze, welche auf bewegliche und oft
sogar sich in grofser Geschwindigkeit fortbewegende Ziele feuern
sollen, ähnelt weit mehr den Methoden, welche man an Bord gebraucht,
als denen der Landartillerie.
4. Es mufs enge Anlehnung stattfinden zwischen der Batterie-
fuhrung und den Mafsnahmcn der maritimen Verteidigung etc.
Aus diesen Gründen spricht sich der Feldmarschall bestimmter da-
hin aus, dafs das Personal notwendigerweise der Marine angehören und
auch von einem Marineoffizier befehligt werden müsse.
Es könnte nun die Frage aufgeworfen werden, ob denn dem
französischen Marineminister auch Kräfte genug zur Verfügung stehen
würden für den angestrebten Zweck, ohne Beihülfe des Landheeres
das Küstengebiet zu verteidigen. Von den „Motiven" wird diese
Frage bejaht. Es werden 100 000 Mann herausgerechnet, indem man
hierbei noch von den Zollwächterbrigaden absieht. Etwa 80000 Mann
werden der Schifferbevölkerung entnommen, d. h. dem Teile, der an
den Küsten sein Gewerbe treibt und die ohne Weiteres heranzuziehen
sein werden, während aufserdem 12 000 Fischer als auf Hochsee- oder
überseeischer Fischerei begriffen, also länger als 6 Monate abwesend
betrachtet werden. Bisher hat man aber in Frankreich auf diese
Hülfsquellen an Menschenmaterial nicht zurückgegriffen. Es würden
noch jetzt, wie 1870, dreiviertel des gesammten Personals der Marine
im Kriegsfalle nicht zur Einziehung gelangen. Im Jahre 1870 erliefs
der Marineminister aus Bordeaux unterm 23. Januar eine Aufforderung,
dafs in Anbetracht der traurigen Lage des I^andes sich einige bisher
vom Dienst befreite Klassen stellen möchten. Hiervon sind besonders
ausgenommen die „patrons de bateau", welche nur nachzuweisen
hatten, dafs sie wirklich Eigentümer eines solchen Bootes gewesen
seien, als das sie vom Dienen ausnehmende Dekret vom 10. 8. 70
erlassen worden war. Also selbst zu einer Zeit, wo der Feind das
Vaterland überflutet, die stehende Armee vernichtet oder gefangen
ist, wo man Männer über 40 Jahr, gleichviel ob verheiratet, Witwer
mit oder ohne Kinder, zu den Fahnen rief, nimmt man die Küsten-
bevölkerung aus; und auch jetzt noch soll nicht genügend für den
Küstenschutz geschehen, denn es wird der Verwaltung vorgeworfen,
nachweislich seien 100 000 Mann in Cherburg, Brest, Lorient, Roche-
fort und Toulon auszurüsten, der Bedarf aber thatsächlich im Jahre
1893 nur für 33 700 Mann vorhanden gewesen.
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Frankreichs Grenzschutz.
149
Das Verlangen einer Teilung der Arbeit durch Zuweisung der
Verteidigung der Küsten und Inseln an die Marine ist seinerzeit von
Boulanger schroff abgewiesen worden ; er, wie viele Andere befürchteten,
dafs die Stellung des Marineministers eine allzu einflufsreiche werden
möchte. Richtig ist, was Kapitän Bittolo. Kommandant des „Re
Umberto", als Berichterstatter des letzten italienischen Marine-Budgets
in der Kammer sagte: es komme gerade bei der Marine darauf an,
alles Material und Personal beim Beginne der Feindseligkeiten ver-
fügbar zu haben; denn die feindliche Flotte werde der eigenen keine
Zeit lassen, in Ruhe mobil zu machen, zudem gehe die Einziehung
der Seeleute bekanntlich langsamer wie die der Landarmee. Darum
sei es notwendig, der Flotte schon in Friedenszeiten einen festen
Stamm zu schaffen; er rechnet unter anderem hierzu das notwendige
Personal zur Sperrung der Häfen, die eventuell überraschend vom
Gegner angegriffen werden können; die Mannschaften zur Bedienung
der der Marine überwiesenen Geschütze in den Strandbatterien und
Forts, das Personal, um etwaigen Handstreichen etc. zu begegnen
und solches für die Arsenale, Hospitale und Magazine. Auch zur
dauernden Einübung der Seezeichen müsse Mannschaft schon im
Frieden verfügbar sein.
Bittolo bringt in Anschlag für Schiffsbesatzung im Frieden
wie im Kriege die gleiche Zahl, beansprucht für die Marine-
garnisonen im Frieden 2240, im Kriege 6095 Mann, für den übrigen
Dienst im Frieden 3712, im Kriege 5882 Mann. Gerade für die
französische Marine mufs es darauf ankommen, die Mobilisirung der
feindlichen im Keime zu ersticken. Wenn Italien im Kriege 30000 Mann
für Marinozwecke benötigt und davon im Frieden bereits s / i hält,
so kann Frankreich doch in demselben Mafse vorgehen.
Natürlicherweise ist es damit nicht allein gemacht, denn Schiffe
und deren Ausrüstung bleiben dennoch die erste Frage, und wenn
der Admiral Bourgeois sagt, „les escadres sont devenues la premiero
ligne de defense des cötes u , so sieht Admiral Vallon das Heil in
Kreuzern bei einem Kampfe im Mittelländischen Meere, wo man den
grofsen Schiffen ausweichen werde „pour aller brüler nos cötes u und
auf hoher See können die Herren solcher Schlachtschiffe nicht genug
haben, denn „sur l'Ocean elles seront ecrasces par le nombre."
Gemäfs Artikel 1 und 2 des Projektes wird die Verteidigung des
Küstengebietes „sans restriction d'aucunc sorte u dem Marineminister
zugewiesen. Ferner wird das gesammte Küstenland in „secteurs"
eingeteilt, wie solche bisher nur im Kriege vorgesehen waren und
innerhalb seines Abschnittes ist jeder Marinebefehlshaber für die
Vorbereitung der maritimen Verteidigung der Küste, Iiiifen, Rheden,
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150
Frankreichs Grenzschutz.
Arsenale etc. allein verantwortlich. Das Personal soll ergänzt werden
aus den Leuten, welche im aktiven Dienste der Flotte sind, sich
augenblicklich aber an Land befinden, den bislang noch für die Marine
Ausgehobenen, welche ihre aktive Dienstzeit beendet haben, den Zoll-
wächtern und aus Freiwilligen, deren sich jetzt bereits mehr als nötig
melden sollen. Man hofft auf diese Weise nur im Notfalle auf
Rekruten zurückgreifen zu müssen. Die bisherige Einrichtung der
„fusilicrs de Lorient u , welche dem Staate jährlich eine Million kostet,
wird aufgehoben, indem alle besonderen Formationen, wie Strand-
wächter etc. militärisch und seemännisch ausgebildet werden und
zwar in Zukunft in den Depots der Flotten-Equipage.
Gewifs hat dieser Vorschlag aufserordentlich viel für sich, wenn
auch unmittelbar darauf derjenige eingebracht worden ist, Cotentin
und Corsica noch besonders zu schützen. Zwei Punkte des Küsten-
gebietes sind es nämlich, deren Lage gegenüber Ländern mit mächtigen
Flotten die Besorgnifs einflöfst, dafs nicht genügend für ihre Ver-
teidigung geschehe. Man wolle, so führt der Entwurf aus, doch ja
nicht etwa Contentin mit Gibraltar vergleichen und aus Corsica ein
zweites Malta machen. Wenn man auch das Gebiet des Mittel-
ländischen Meeres wenigstens während der ersten Tage einer Mobil-
machung hinreichend gegen feindliche Unternehmungen durch das
permanente dort stationirte Geschwader, das durch eine fast gleich
starke Reserveflotte beinahe verdoppelt werden könne, decke, so sei
das auf dem Küstenstriche von Dünkirchen bis Bayonne doch anders.
Denn, abgesehen von den maritimen Verteidigungsanlagen der Arsenale
und einigen wenigen Werken in der Nähe der grofsen Handelscentren,
sei diese lange Küste nur verteidigt durch die Torpedos von Cherburg,
Brest, Lorient und Rochefort und durch ein Geschwader, „peu nom-
breuse, composeo de batimonts disparates et tous surannes". Man
denke in Frankreich, so sagen die Motive, beim Beginne eines Krieges
nur an die Ereignisse an der Ostgrenze und mache es sich garnicht
genügend klar, welche Bedeutung es haben müsse, wenn der Gegner
auf Havre oder Dünkirchen die Hand legt und welchen Einflufs das
auf die Ereignisse haben könne.
Unter den hier in Frage kommenden Punkten ist es vornehmlich
die Halbinsel Cotentin, welche unser Interesse erheischt. Sic ist
derjenige Teil des Departements de la Manche, der sich nördlich einer
Linie von der Bucht von Veys nach Portbail bis zum Meere hin aus-
dehnt. Die Ost- und Westküste ist im allgemeinen flach; die Nord-
seite hingegen, den Winden ausgesetzt und felsig, hat in ihrer Mitte
etwa eine Bucht, an welcher Cherburg liegt. Von der Wasserseite
her ist Cherburg gut verteidigt, vom Lande her aber nicht in dem-
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Frankreichs Grenzschutz.
151
selben Mafse. Die die Stadt umschliefsenden Höhen sind mcht wohl
in die Verteidigung mit hineinzuziehen; denn die näheren Erhebungen
gestatten kein Feuer nach irgend einer Richtung auf weite Ent-
fernungen und sind andererseits durch die in jener Gegend eigen-
tümliche Art der Bebauung gehindert. Es würde nur eine Art
Guerillakrieg entstehen; Parteigänger könnten dem Angreifer wohl
Verluste beifügen, ihn aber auf die Dauer nicht davon abhalten, sein
Ziel zu erreichen. Im Süden bildet die Douve, welche von Norden
her die Halbinsel durchfliefst und in die Bai von Veys mündet, einen
Abschnitt, welcher durch Überschwemmungen verstärkt werden kann.
Westlich schliefst sich eine weniger starke Linie, die des Ollondc, an.
Immerhin ist diese, unter dem Namen „lignes de Carentan" bekannte
Stellung, falls dieselbe noch durch Feldwerke verstärkt wird, für einen
Feind, der auf Cotentin landet , Cherburg im Rücken angreift, von
gröfsester Bedeutung. Von hier aus würde er sogar im Stande sein,
Streifzüge nach der Normandie und Ile de France zu unternehmen,
ja sogar die Hauptstadt zu bedrohen. Hierzu kommt noch, dafs die
Küstenformation dem Angreifer gestattet, sowohl an der Ost- wie an
der Westküste zu landen. Die „Motive" besprechen eingehend, wo
dies am besten stattfinden könnte und sind der Meinung, dafs keines
der jetzigen Werke in der Lage sein werde, eine Landung zu hindern.
Die vielen Kriege Englands mit Frankreich haben den Beweis er-
bracht, dafs der Angreifer stets durch den Cotentin vorging, selbst
wenn er Calais im Besitz hatte. So 1135, 1293 und als sie 1415
durch Verrat in die Hände der Engländer kam, bleb sie über 30 Jahre
in deren Besitz. Auch Vauban erkannte die Wichtigkeit der Halb-
insel und hielt Cherburg für den Schlüssel, der den Feinden Frankreichs
die gefährlichste Pforte verschliefse. Auf seine Veranlassung fand
der Ausbau Cherburgs statt, nachdem gegen seinen Willen aus Furcht
vor den Engländern die seitherigen Festungswerke völlig niedergelegt
worden waren.
Über Cherburg spricht sich Vauban folgendermafsen aus. Der
Platz liegt 70 Lieues von Calais, 80 von Quessant, den beiden End-
punkten der Manche, 21 Lieues von der Insel Wight, 28 von Portsmouth,
einem der bedeutendsten englischen Hafen, 23 von HA vre, 13 von
Jersey, 15 von Guernesey, 10 von Aurigny entfernt. Diese drei Inseln
sind englisch und ohne es nur zu ahnen, kann, so führt Vauban
weiter aus, der Feind bei den vielen äufserst günstigen Landungs-
plätzen, deren mindestens fünf den Inseln gerade gegenüber liegen,
innerhalb weniger Stunden so bedeutende Truppenmassen auf Cotentin
landen, dafs er nicht wieder von dort zu verdrängen ist. Dabei be-
darf er bei der Eigenart des Geländes keine Kavallerie. Hierzu
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152
Frankreich* Grenzschutz.
kommt noch, dafs er nicht nötig hat, seine Streitkräfte zu teilen, wie
Frankreich, das stets ein Mittelmeergeschwader zu halten gezwungen
ist. Es ist somit möglich, auf die leichteste Weise die auf Cotentin
gelandete Invasions-Armee mit Waffen, Munition und Zufuhr aller
Art fortlaufend zu versorgen. Aus diesem Allen zieht Vauban die
Schlüsse, dafs der Feind, sobald er gelandet ist, die Belagerung von
Cherburg beginnen werde; dafs er festen Fufs auf Cotentin setzen
werde und die weite Entfernung der französischen Heere ihm stets
die Zeit geben wird, weiter zu thun, was er will. Dem Einwände,
die Festung sei nicht zu unterstützen, begegnete Vauban auf das Ent-
schiedenste, brachte es auch dahin, dafs von Neuem riesige Arbeiten
begonnen wurden, die aber von Grund auf zerstört wurden, als der
englische Admiral Howe 1758 die Stadt einnahm. Als Dumouriez
später dafür eintrat, Cotentin vor einer erneuten Landung der Engländer
zu schützen, schrieb Ludwig XVI. eigenhändig an den Rand des be-
treffenden Schriftstückes: „Dumouriez, commandant de Cherbourg." —
„Und", fragen nun die Deputirten von heute, welche den vorliegenden
Gesetzentwurf einbringen, „ist es denn seitdem besser geworden?"
Man antwortet mit „Nein". Alle Marinepräfekten hätten, so sagt
man, auf die vorhandenen Übelstände hingewiesen; die Antworten
seien höchstens Versetzungen gewesen, meistens wäre gar keine Ant-
wort erfolgt. Man will, darauf zielen alle Pläne hinaus, Cherburg
zum Hafenplatz für eine permanente Flotte machen, welche im Stande
sei, allen Bewegungen des Feindes rechtzeitig zu begegnen, man müsse
aber die Festung nicht nur zu Wasser, sondern auch von der Land-
seite her unneinnehmbar machen. Man hat eingewendet, es sei nicht
so ganz einfach, gröfsere Truppenmengen auszuschiffen. Und doch
haben die Engländer 1 882 mit etwa 200 Schiffen und einem Gehalt
von 400 000 Tonnen ohne den geringsten Unfall in Alexandrien
40 000 Mann aller W'affen — - 2 Divisionen — gelandet.
Die Deputirten stellen nun die Fragen auf: 1. Was hat man
denn eigentlich gothan, um die Landung zu verhindern? 2. Hat man
im Voraus Batterien gebaut? 3. Sind die Regimenter von Cherburg,
wie die an der Ostgrenze bereits auf dem Kriegsetat? 4. Hat man
in die schon so oft geforderte Verstärkung des Geschwaders gewilligt V
5. Sind endlich die schon lange vorgesehenen und bereits vom Genie
tracirten Befestigungen ausgeführt? 6. Sind die strategischen Bahn-
strecken Cherburg-Basfleur und Cherburg-Beaumont fertig?
Cherburg steht mit Caen nur durch eine einzige Eisenbahnlinie
in Zusammenhang, das englische Arsenal von Portsmouth hat dagegen
seine Verbindung mit dem übrigen England durch fünf verschiedene
Schienenwege. 1891 erbat der Admiral Lespes, Namens der Kommission
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Frankreich» Grenzschutz.
153
der Verteidigung von Cherburg ein zweites Geleise für die Strecke
von Sottevast nach Caen und führt aus, welchen Vorteil dies für die
Mobilmachung der Truppen, für die Verpflegung des Platzes und „la
liaison de la place avec lcs troupes de Tinterieur" haben würde.
Die Truppen, welche im Ernstfalle Cotentin verteidigen sollen, stehen
zum grossesten Teile in Rennes. Erst 22 Tage nach der Kriegs-
erklärung sind diese kampfbereit, während vier Stunden nach erfolgter
Kriegserklärung bereits 40 000 Mann an 3 verschiedenen Stellen —
ungehindert — landen können und, einmal im Besitz der Höhen von
Saint- Mere-Eglise, Carentan, die Wiedernahme von Cherburg und
des Cotentin unmöglich machen; denn ein Manöveriren von Artillerie
und Kavallerie in den Sumpfgegenden von Chef du Pont und Carentan
ist ausgeschlossen.
In einer Studie nimmt man als mögliche Feinde Englands das
vereinigte Frankreich und Rufsland an. Dabei wird Englands Flotte
als um Vs stärker als die vereinigten seiner G egener berechnet Es
soll darnach haben: 80 Schlachtschiffe, 133 Kreuzer, 10 Panzer, speziell
zur Zerstörung der feindlichen Torpedos, 50 Schiffe nach dem Type
Howe und 127 Torpedos.
Es würde mit einem Kostenauf wände von 23 Millionen Pfund
Sterling innerhalb dreizehn Jahren eine neue Mole in Gibraltar an-
legen, die alte verlängern , 88 neue Schiffe und 30 Torpedos bauen,
sowie die Munitionsvorräte auf das grofsartigste ergänzen. England
würde Lemnos oder eine andere entsprechend günstige Insel von der
Türkei fordern. — Das sind nun natürlich Zukunftsträume der
Engländer, aber sie geben den Franzosen doch zu denken und diese
meinen, das dann zum zweiten Gibraltar umgeschaffene Cherburg
werde vom Feinde, einmal in Besitz genommen, wie ein „nid a bombes"
betrachtet werden.
Doch kehren wir von diesen Phantasiegebilden zur Wirklichkeit
zurück, so hat nach Berechnung des Lord Brassey im „naval annual
1893" die Armee 172 000 Mann unter den Waffen, von denen aller-
dings 94 000 aufserhalb Verwendung haben! Durch Einziehung der
Beurlaubten und Reserven würden aber doch immerhin 113 000 Mann
aufzustellen sein, zu denen etwa 50 000 Freiwillige, Milizen etc. kämen.
Diese Truppen würden allerdings des inneren Zusammenhaltes er-
mangeln. Da England aber eine feindliche Invasion nicht zu fürchten
hat, könnte es für Unternehmungen nach aufserhalb immerhin formiren:
48 Bataillone Infant, a 1000 Mann oder 48 000 Mann; 40 Batterien
ä 6 Geschütze oder 240 Geschütze. 3 Kav.-Regimenter mit in Summa:
etwa 1000 Pferden. Genie und Belagerungs- Artillerie würden dem
Exp.-Korps möglichst reichlich mitzugeben sein, da es sich handelt
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Frankreichs Grenzschutz.
um die Belagerung von Cherburg und des Fort de la Hougue und um
die Verteidigung der Linien von Carentan. Daher würden mindestens
15 Genie-Kompagnien und ebensoviel Batterien Belagerungsartillerie
mitzufuhren sein. —
Das würden in Summa 60 000 Mann und 5000 Pferde ergeben,
deren Transport, besonders, wo es sich um so kurze Strecken handelt,
durchaus gesichert erscheint. Denn von den 5 grofsen ,,Indian-troop-
ships" werden 3 als disponibel, die anderen beiden auf Transporten
nach auswärts im Mobilmachungsfalle angenommen. Da jedes Schiff
2000 Mann fasst, so können mit diesen 3 schon 6000 Mann befördert
werden. Von den 5 „troop-ships", werden ebenfalls zwei auf der
Fahrt angenommen, die 3 restirenden können jedes 1500 Mann bergen,
oder in Summa 4500 Mann, bezw. 6 Batterien etc. Aufserdein stehen
noch 23 Kreuzer unmittelbar zur Verfügung, die den Kompagnien
Cunard Peninsulaire et Orientale, Inman und White-Star gehören und
dazu bestimmt sind, armirt zu werden und dem Feinde Abbruch zu
thun. Da jeder derselben 2000 Mann fafst, so sind in Summa auf
ihnen 46 000 Mann unterzubringen und das übrige Material würde auf
anderen Transportdampfern leicht überzufuhren sein. Aufserdem
würde noch eine grofse Zahl Privatschiffe sich zur Verfügung stellen,
so dafs der Transport unschwer zu bewerkstelligen sein würde.
Da in einem Kriege Englands gegen die vereinigten russisch-
französischen Machtmittel Deutschland auf Seite des ersteren an-
genommen wird, so rechnen die Franzosen darauf, dafs auch deutsche
Truppen sich an der Invasion der Engländer beteiligen werden. Sie
meinen, 30 000 Mann Infanterie, Kav., Art. und Genie, 120 Geschütze
und 2 — 3000 Pferde würden wohl seitens Deutschlands hierfür ver-
fügbar zu machen sein. Folgen wir hier ihren Ausführungen. Wenn
auch Deutschland keine Transportflotte wie die Engländer besitzt, so
rechnen die Franzosen doch darauf, dafs unter Zuhülfenahme von
Schiffen des Norddeutschen Lloyd und der grofsen Hamburger Ge-
sellschaften Deutschland im Stande sein werde, sich mit seinem
Truppenkorps nach Verlauf von 14 Tagen mit dem englischen zu ver-
einigen und seine Transportflotte durch fi Schlachtschiffe, 6 Kreuzer
und 4 Torpedoboote begleiten zu lassen. Dabei wird angenommen,
dafs der direkte Weg durch den Pas do Calais durch französische Schiffe
gesperrt sei, dafs also die deutsche Flotte den grofsen Umweg um
Schottland herum zu machen haben werde. Von den Engländern wird
erwartet, dafs die Truppen nach dem siebenten Tage verladen sind
und sich zu gemeinsamer Aktion an einem Punkt der Südküste Englands
z. B. Portland oder Spithead vereinigen. Diese Vereinigung würde
am zehnten Tage stattfinden, die feindliche Flotte also am elften
Tage in Sicht der französischen Küste sein können.
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Frankreichs Grenzschutz.
155
Die englische Flotte allein kann bereits am fünften Tage mit
1 2 Panzerschiffen, 5 Kreuzern, 2 Küstenkreuzem, 1 Kreuzer 3. Klasse
und 1 Aviso in See gehen; ihr würden nach der „Navylist" von
Portsmouth, Devonport, Chatam, Sharness und Pembroke her gleich-
zeitig folgen können aus der zweiten Linie (Steam reserve) weitere
4 Panzer, 1 Panzerkreuzer, 12 Kreuzer 2. und 3. Klasse und 9 Avisos;
zur selben Zeit würden auch in den ersten drei Orten in Summa
27 Torpedoboote mobil sein. Aus der Steam reserve würde sich die
Flotte in den nächsten 8 Tagen noch weiterhin so ergänzen, dafs sie
am dreizehnten Tage zählte: 26 Panzerschiffe (Schlachtschiffe), 7 ge-
panzerte Kreuzer, 22 Kreuzer (1., 2. und 3. Klasse), 16 Avisos und
etwa 30 Torpedoboote.
Nach französischer Ansicht seien die englischen Streitkräfte,
welche bereits nach 5 Tagen in See gehen können, allein schon den
französischen derartig überlegen, dafs sich diese auf einen Kampf
garnicht einlassen könnten, sondern froh sein müfsten, Brest oder
Cherburg zu gewinnen; damit aber würde den Deutschen der Weg
durch den Pas de Calais nicht mehr streitig gemacht werden können. Die
Franzosen gehen somit von der Ansicht aus, sie seien nicht im Stande,
den vereinigten Flotten die Stirn zu bieten und geben zu, dafs es
denselben, den Engländern von Westen, den Deutschen von Osten
her, thatsächlich gelingt, auf dem Cotentin festen Fufs zu fassen.
Die ersteren dringen durch das Thal des Ollonde vor, die Deutschen
gewinnen von Saint Marcouf aus die Linien von Carentan. Sollte
der Kommandant von Cherburg seine Kräfte teilen und eine Landung
zu hindern zu versuchen, so dürfte er jedenfalls mit einem Teil seiner
Macht irgendwo erscheinen und froh sein, denselben noch rechtzeitig
unter die Werke der Fostung zurückzuführen. Er würde zu wirklich
durchgreifenden Mafsregeln einer Armee von 100 000 Mann benötigen
Dabei ist es aufserordentlich schwer für den Verteidiger, den wahren
Landungspunkt rechtzeitig zu entdecken, denn der Angreifer wird
kleinere Abteilungan vorausschicken, welche den Verteidiger irre leiten
und unter ihrem Schutze wird die Landung vor sich gehen, wobei
die schweren Schiffsgeschütze sehr bald die leichteren des Verteidigers
zum Schweigen bringen werden. Denn aufser in den Befestigungen von
Cherburg selbst und denen von la Hougue befindet sich nicht ein
schweres Geschütz auf Cotentin.
Wohin nun zielen nun die Wünsche der Deputirten bei dem
Gesetzentwurf? Es solle den reichen Hafenstädten an der „Manche"
ein gröfserer Schutz gewährt werden, während der Teil der Küste
von St. Malo bis zur Mündung der Loire weit weniger gefährdet sei.
Nach dem Budget von 1894 hat Dünkirchen 1 altes Kanonenboot
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15f,
Frankreichs Grenzschutz.
und einige Torpedoboote in Reserve. Calais, Dieppe, Havre, St. Malo sind
ohne Schiffe, während für alle diese Punkte schnelllaufende Avisos
und Torpedoboote gefordert werden. In Cherburg liegen 37 Torpedo-
boote, von denen aber nur 8 armirt sind.
Wir sind den Ausführungen der „Motive" ziemlich eingehend
gefolgt, wenn auch das Bestreben, absolut zu erweisen, dafs Frankreichs
Macht zur See in der Manche der Englands unterlegen sei, diese
fachmännischen Erläuterungen vielfach trübt. Wenn aber der Wunsch
um dringende Abhülfe ein so allgemeiner ist, wie in diesem Falle
und wenn derselbe besonders von den Marineoffizieren aus den Reihen
der Deputirten, wie geschehen, besonders warm unterstützt wird,
kann ihm eine Berechtigung, wie wir nachzuweisen versuchten, füglich
nicht abgesprochen werden.
Anders ist es, ob wir den politischen Kombinationen beitreten
wollen, wie sie hier aufgestellt wurden, ob wir vor Allem Deutschland
diejenige Rolle zumuten, welche in den „Motiven" von ihm gefordert
wird. — Wir glauben nicht fehl zu greifen, wenn wir meinen, Deutsch-
land habe bei einem Kriege mit Frankreich kaum die Absicht, mittelst
eines Transportes zur See auf die französischen Küsten zu wirken;
jedenfalls wird es sich hierbei niemals von England gewissermafeen
an das Gängelband nehmen lassen, wie es in den „Motiven" beliebt
wird. Aber auch, wenn wir mit England allein rechnen, bleiben die
Verhältnisse im Allgemeinen zu Frankreichs Ungunsten — wenigstens
in der Manche. —
Im Jahre 1892 fand vor Cherburg ein Manöver der 39. Brigade
unter Hinzuziehung einer Marine-Brigade statt. Es waren in Summa
10 Bataillone (davon 4 von der Marineinfanterie), 4 Batterien und
2 Eskadrons dort versammelt. Die Generalidee nahm an, dafs der
Feind thatsächlich auf Cotentin gelandet sei und auf Cherburg
marschire. Die Verteidigung stellte sich südlich der Festung bei
Briquebec auf, der Angreifer ging von St. Sauveur sur Douve her vor
und drängte den Gegner immer mehr auf den Platz zurück. Später
wurde von dem verstärkten Angreifer die Einschliefeung der Festung
von der Landseite her durchgeführt. Leider kam es in diesem
Manöver nicht zu einem Kampfe gegen landende Truppen oder zu
einem solchen um die vielbesprochenen Linien von Carentan. Jeden-
falls hat dieses Manöver den Beweis erbracht, dafs die Verteidigung
mit dem Augenblicke lahm gelegt ist, sobald der Angreifer jene Linien
in Händen hat, da sich selbst die numerische Überlegenheit in dem
tiefdurchschnittenen Gelände des Cotentin nicht für den Verteidiger
nutzbar macht.
Der zweite Punkt, welcher nach Ansicht der Deputirten für
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Frankreich» Grenzschutz.
157
den Schutz der französischen Küsten in Frage kommt, und zwar für
das Mittelländische Meer, ist die Insel Corsica.
Zwischen Algier und Marseille, Toulon und Biserta gelegen, bildet
Corsica das Bindeglied zwischen den Küstengebieten der Languedoc und
Provence und denen des französischen Afrika. Genauer südlich von
Genua und la Spezia, westlich von Elba und Civita Vecchia, nord-
westlich von Neapel und nördlich von Maddalena. Durch die Befestigungs-
anlagen von Genua wollte man italienischerseits die Stadt vor den
Gefahren eines Bombardements schützen, die Einnahme des Hafens
auf alle Fälle hindern und die benachbarten Uforlandschaften, sowie
die Schiffswerften von St. Pier d' Arena und Sestri-Ponente decken.
Gegenwärtig umfassen die Verteidigungsanlagen der Wasserfront allein
schon 11 gepanzerte Batterien, die zwischen der alten Mole und der
Mündung des Bisagno staffeiförmig angelegt sind, aufserdem das
Fort von San Benigno, das 60 m über dem Meere emporsteigt. Die
Landseite ist durch ein verschanztes Lager befestigt, das durch die
Forts von Belvedere, Crocetta, Begato, Sperone, Castellacio und San
Martino rlankirt wird.
La Spezia ist das italienische Haupt- Arsenal und als der Mittel-
punkt der Verteidigung des Tyrrhenischen Meeres zu betrachten.
Es liegt an einem zwischen zwei bergigen Höhen von 400 — 500 m
Höhe tief eingeschnittenen Meerbusen. Diese Höhen ziehen von Nord-
west nach Südost. Die Insel Palmaria bildet die Verlängerung dieser
Höhen, von denen sie durch den schmalen Kanal von Porto -Venere
getrennt ist. Die Anhöhen umgeben die vorgenannte Bai, die eine
Breite von 8 km von der Insel Tino bis zum Kap Corno und eine
Tiefe von 12 km hat. Das Arsenal liegt am Westrande des Hafens.
Die Werftanlagen liegen bei San Bartolomeo, die Magazine in der
kleinen Bucht von Panigaglia. Nach Allem hat Spezia eine maritime
Bedeutung, welche der von Toulon nahekommt.
Die auf Elba zum Schutze der Rheden angelegten Befestigungen
von Porto-Ferrajo und Porto-Longone sind neuerdings vervollkommnet
worden.
Die weiterhin am Mont Argentario liegenden Häfen von San Stefano
mit 2 Batterien und von Porto -Ercole, durch drei Forts geschützt,
liegen noch im Bereich Corsika's, während die weiter südlich gelegenen
Anlagen von Civita- Vecchia, Gaeta, Neapel hier aufser Betracht bleiben
können.
Nur das an der Nordspitze von Sardinien gelegene la Maddalena
ist als strategisch wichtiger Punkt im Hinblick auf die Insel Corsica
zu betrachten. Das Hafenbecken ist durch die Inseln Caprera und
Maddalena auf der einen und durch den Küstensaum von Sardinien
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Frankreichs Grenzschutz.
auf der anderen Seite eingeschlossen und hat zwei je einen km hreite
Ausgänge auf die hohe See hin und zwar nach Maestro und Sciroeeo
hin. Der Hafen von Maddalena kann eine zahlreiche Flotte auf-
nehmen.
Die in nächster Nähe Corsikas gelegenen italienischen Hafenplätze
wurden vorstehend flüchtig gezeichnet, um die Wichtigkeit der Insel
als Schutz des französischen Küstengebietes noch mehr in die Augen
treten zu lassen.
Folgen wir auch hier wieder den Ausführungen der „Motive", die
sich zum grossesten Teil auf das Urteil erfahrener Seeleute basiren,
wie des Admiral Aube und auf eine Schrift, betitelt: „marine de France".
Hiernach haben die Engländer, während ihres kurzen Besitzes der
Insel bereits den strategischen Wert Corsiea's voll erkannt und aller-
hand Projekte aufgestellt, um aus Corsica ein Malta des Westens zu
machen. 1864 schon spricht der Fregatten-Kapitän Salot des Noyers
sich äufserst günstig über die Verteidigungsfähigkeit der Insel aus.
Besonders Porto- Vecchio sei leicht zu verteidigen und gestatte in
seinem inneren Hafen auch grofsen Schilfen vor Anker zu gehen.
Auch liefse sich dieser Hafen noch tiefer ausbaggern und würde er
dann bei den ihn umgebenden Berghöhen, bei der Leichtigkeit, Quais
anzulegen, für den Kriegsfall von gröfsestem Wert werden. 18G8
schlug der capitaine de vaisseau Cuneo d'Ornano der französischen
Regierung vor, an der Mündung der Gravone bei Ajaccio drei grofse
Docks anzulegen. Aber dieser Plan kam nicht zur Ausführung,
während die Italiener inzwischen das weiter oben beschriebene Madda-
lena anlegten.
Als Admiral Aube 1886 Marineminister wurde, erhielt er die
Mittel bewilligt, um die Anlage eines Kriogshafens in Porto- Vecchio
auszuführen — er wollte dasselbe dem neuaufbliihenden Maddalena
gegenüberstellen; mit dem Sturze des Ministeriums Goblet trat aber
auch der Admiral Aube zurück und mit ihm verfiel sein Projekt.
Trotzdem hofft ein grofser Teil der französischen Marine noch immer
auf die Verwirklichung der Pläne des Admirals Aube. Nach der
Broschüre: ,,les guerres navales de demain" sollte gerade Corsica der
Gegenstand besonderer Sorge für die franz. Marineverwaltung sein.
Bislang ist aber nur wenig geschehen; in Bastia und Ajaccio wurden
Torpedoboote stationirt und bei Bonifacio eine Batterie von 6 Ge-
schützen zu 19 cm aber ohne permanente Bedienungsmannschaft;
aufserdem finden sich auf der Insel nur einige schwache, ganz ver-
altete Befestigungsanlagen aus der Zeit Paolis oder Napoleon 's I., die
kaum den Namen solcher verdienen. Zum wenigsten sollte man auf
dem Kap Pertusata, auf den Inseln Larezzi und Kavallo Batterien
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Frankreichs Grenzschutz.
159
aufführen, und dadurch die Meerenge von Bonifacio und damit
Maddalena zu beherrschen.
Wie bei Besprechung der Verhältnisse in der Manche gehen die
„Motive" auch bei denen des Mittelländischen Meeres von dem Augen-
blick der Kriegserklärung aus. Wenn der Telegraph die Kriegserklärung
von Berlin nach Paris überbringt (etwas Anderes nehmen die Franzosen
garnicht an) wird auch von Rom nach Maddalena der Drahtbefehl
gehen, die Feindseligkeiten zu beginnen. Die in verschanzten Lagern
bereits vereinigten italienischen Truppen (diese Voraussetzung ist
wohl etwas gewagt) werden auf Transportfahrzeugen aller Art binnen
Kurzem auf Corsica landen. Die in Maddalena versammelte Flotte
wird leichten Spieles das kaum verteidigte Bonifacio gewinnen.
Gleichzeitig wird auch von Porto Ferrajo her Bastia ohne ernsten
Widerstand in die Hände der Italiener fallen und dann wird die
italienische Flotte, froh ihres leichten Sieges, sich nach Maddalena
zurückziehen oder zu neuen Heldenthaten eilen.
Was nun thut inzwischen das französische Mittelmeergeschwader?
Wenn das auf der Rhede von Toulon und sonst in der Nähe liegende
französische Geschwader von dem Beginne der Feindseligkeiten
Kenntnifs erhält, wird es nicht mehr in der Lage sein, die Italiener
am Betreten Corsica's zu hindern und auch das italienische Geschwader
kaum auf hoher See antreffen. Das Reservegeschwader wird in diesem
Zeitpunkt kaum mehr haben leisten können als damit zu beginnen,
seine Schiffe in den Dienst zu stellen. Also mit dem Beginn des
Krieges geht bereits die wichtigste Insel des Mittelmeeres in Feindeshand
über — allerdings ein wenig ermutigender Anfang. Es wird Frankreich
vorgeworfen, wie unrecht es sei, das ihm seit länger als einem Jahr-
hundert treuergebene Corsica wissentlich so dem Feinde preiszugeben,
es habe dieselbe Verpflichtung gegen seine Corsicaner wie Deutschland
gegen die Bewohner von Helgoland, China gegen Formosa etc.
Die Verteidigung Corsica's zerfällt nach Ansicht der Deputirten
in Maßnahmen, welche unverzüglich auszuführen seien und solche,
zu deren Durchführung gröfsere Geldmittel und Zeit erforderlich wären.
Der erste Teil würde umfassen: 1. Die Verfügung, durch welche
die Insel in permanenten und selbstständigen Verteidigungszustand
versetzt wird. 2. Die ungesäumte Verstärkung der Garnison, welche
mindestens auf eine aktive Brigade zu bringen wäre (jetzt steht nur
ein Regiment — Nr. 61 — in Bastia und Ajaccio). 3. Die sofortige
Armirungr aller vorhandenen Batterien. 4. Zuteilung von Feldartillerie
an die Besatzung. 5. Zur Vermehrung der beweglichen Verteidigung
die Überweisung von mindestens 5 Kreuzern und einer gröfseren
Jahrbücher fttr die Deutsche Arme« und Marine. Bd. YIIIC, 2. H
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160
Frankreichs Grenzschutz.
Anzahl Torpedoboote, die in Bastia, Ajaccio, Porto- Vecchio und Bonifacio
zu Stationiren wären.
Der zweite Teil beträfe: 1. Die Mobilisirung der Insel. Es
befindet sich eine grofse Anzahl Wehrpflichtiger auf Corsica; doch
erfordert ihre Einkleidung und Bewaffnung zu viel Zeit; sie wurden
bisher zu diesem Zwecke erst auf das Festland geschickt, auch sind
sie niemals militärisch ausgebildet und für den Dienst erzogen worden,
den sie im Ernstfalle zu verrichten haben. Also wird vorgeschlagen,
dafs der Marine-Kommandant die etwa 2—3000 Mann, welche ein-
berufen werden könnten, an mehreren Punkten zusammenzieht, wo
sie mobil gemacht würden. In Rogliano, Ajaccio und Bonifacio
würden Depots anzulegen sein, wie ein solches bereits in Bastia
besteht. Das würde natürlich bedeutende Ausgaben erfordern, aber
man hält den Vorschlag doch für praktisch. 2. Anlage von Telegraphen-
und Telephonlinien durch die Insel. 3. Anlage neuer Wege und
strategischer Bahnlinien. 4. Anlage eines grofsen Kriegshafens in
Porto-Vecchio. Projekt des vorerwähnten Admiral Aube. 5. Ver-
vollständigung der Verteidigungsanlagen von Bonifacio durch Anlage
neuer Batterien und Dämme, (i. Anlage eines verschanzten Lagers
im südlichen Teile der Insel.
Wir haben seither die Lage Corsica's hauptsächlich unter dem
Gesichtspunkte betrachtet, wie sie einem Angriffe von der italienischen
Küste her gewachsen sei. Einen noch gröfseren Wert hat die Insel
aber für französische gegen England gerichtete Unternehmungen,
welche zur Basis die Linie Toulon, Porto-Vecchio, Biserta und Tunis
haben. Durch den Besitz eines Teiles von Egypten, Cyperns,
Malta's und Gibraltars ist England Herrin des Mittelmeeres und
kann den Flotten anderer Länder den Ein- bezw. Austritt aus dem-
selben verwehren. Die erwähnte Linie teilt das Mittelländische Meer
in zwei Teile und wenn die Küsten der Provence wie die Corsica's
und Biserta befestigt sind, würde Frankreich ein gewichtiges Wort
auch England gegenüber mitzusprechen haben.
Allerdings wird der Hafen von Biserta 11 Millionen und die
auf Corsica erforderlichen Verteidigungsanlagen 20 Millionen erfordern
und doch, so meinen die Franzosen, stehe diese Ausgabe durchaus
im Verhältnifs mit der Wichtigkeit der Linie, welche dadurch Frank-
reich in die Hände bekomme.
Der Schutz der kleinen Inseln, Quessant, Belle-Ile, Noirmoutiers,
Yeu an der Loiremündung, Re, 016ron gegenüber von Rochefort, die
Ilyerischen Inseln und von Lcrins im Mitteimeere, wie Tabarka,
Karkenah und Djerbah an der Küste von Tunis — wird am sichersten
durch eine grofse Zahl rascher Kreuzer bewirkt, wie ja die erste
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<
Frankreich« Grenzschutz.
Bedingung an einen guten Küstenschutz ein sorgsames und weit vor-
geschobenes Wachtsystem ist. Der Admiral Reveillere nennt die
Kreuzer die „cavalerie legere de marine. u Sie stehen mit den Signal-
stationen in engster Verbindung und hieraus allein schon erhellt, dafs
diese ebenfalls unter dem Befehle der Marine stehen müssen, letztere
also allein die volle Verantwortlichkeit zu tragen haben wird für den
Küstenschutz.
Aus den Manövern 1889 im Mittelmeere wollen die Franzosen
die Lehre gezogen haben, dafs ihre Flotte nicht im Stande sei, die
Küste vor einem italienischen Geschwader wirksam zu schützen und
meinen, dafs die Gründe hierfür nach wie vor beständen.
Auch weiterhin wird, wie der Admiral Jaureguiberry gelegentlich
sagt, das Meer die entscheidungsvollsten Kämpfe aufweisen und ein
anderer französischer Seeoffizier schliefst seine Studie „essaisur la Strategie
navale" mit den Worten: „Qu'on ne s'y trompe pas; dans le drame
de la prochaine guerre, le premier et le cinquieme acte seront joues
par la marine. C'est eile, qui apparaitra au lever du rideau. C'est
eile, qui prononcera le mot de la fin. Son action sera decisive."
Wenn auch übertrieben, liegt hierin doch viel Wahres, besondere
was den Beginn des Krieges anlangt. Wir möchten daher auch
unsererseits diese Betrachtung mit der der „France militaire" vom
6. März 1894 entlehnten Zusammenstellung der maritimen Streitkräfte
der europäischen Grofsmächte schliefsen und blicken mit Stolz dabei
auf das auch in dieser Beziehung gedeihlich fortschreitende Deutschland.
England
Frank-
reich
Deutsch-
land
Eng-
land
Italien
Öster-
reich
D .._ t 31. 12. 93 vollendet
Panzerschiffe ) . „
1.-3. Kl. l lm . B ^. iq / ' •
l projektirt 94 . . .
38
7
24
10
3
14
8
1
-
4
8
3
14
3
2
8
Panzerschiffe
(gardes cötes)
und Kreuzer
1.-3. Kl.
31. 12. 93 vollendet
im Bau ....
projektirt 94 . .
130
14
59
17
8
40
1
1
26
5
1
IS
9
2
10
5
Sa:
189
121
65
50
48
23
31. 12. 93 vollendet
168
83
55
38
32
18
b.
im Bau ....
21
27
8
13
12
5
c.
projektirt 94 . . .
11
2
4
4
a+b =
189
110
63
46
44
23
Erfurt, März 1894.
11*
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Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
In Frankreich sind bekanntlich die in der dortigen Marine
herrschenden Zustände seit längerer Zeit ein Gegenstand, der die
öffentliche Meinung in lebhafter Weise beschäftigt, und auch die Auf-
merksamkeit des Auslandes auf sich gelenkt hat.
Hervorgerufen wurde dieser Zweifel an der Leistungsfähigkeit und
Kriegstüchtigkeit der Flotte durch einen Racheakt des früheren radikalen
Führers C lerne nee au. Als dieser bei den allgemeinen Wahlen im
verflossenen Spätherbst aus der parlamentarischen Arena hinausgedrängt
worden war, nahm er seine Revanche mittels der Enthüllungen über
gewisse Mißstände in den Proviantmagazinen des grofsen Touloner
Arsenals, des Hauptseemagazins der Republik. Cleinenceau's Anklagen
verursachten grofsen Lärm. Die Radikalen verlangten eine par-
lamentarische Enquete, ähnlich jener gegen die Panama-Skandale.
Sie mochten hierbei auf eine Reihe von Zwischenfällen rechnen, die
sich hätten sensationell aufbauschen und zu erfolgreichen Angriffen
auf das Ministerium verwerten lassen. Als Wortführer in der Kammer
fungirte Lokroy. Die Darlegungen Lokroy's gipfelten im Wesentlichen
in der Behauptung, dafs die französische Flotte das bei ihrer neuesten
Verstärkung und Vermehrung angestrebte Ziel, den vereinigten Flotten
der Dreibundsmächte überlegen zu sein, nicht erreiche, sondern dafs
sie denselben, sowohl was die Stärke, als die Zahl und artilleristische
Armirung ihrer Schiffe betreffe, nicht gewachsen sei. Die Küsten-
verteidigung Frankreichs sei überdies eine unzureichende und seine
Häfen schlecht geschützt; seine Torpedoboote vermöchten das Meer
nicht zu halten. Die Zahl und Stärko der französischen Kreuzer sei
eine ungenügende. Mit einem Maximum von Anstrengungen und Ver-
teidigungsvorkehrungen habe Frankreich ein Minimum von Resultaten
erreicht, da "das Marinebudget Lücken offen lasse, durch welche sich
die bewilligten Mittel verflüchtigten. Die an Zuverlässigkeit und
Bravour ausgezeichnete Körperschaft der Marine habe in Folge der
Nichtachtung der parlamentarischen Kontrolle und des Mangels an be-
stimmt begrenzter Verantwortlichkeit Alles kompromittirt. Die Inter-
pellation lenkte ferner die Aufmerksamkeit der Kammer auf die 50 000
jungen Leute, die im Mobilmachungsfalle durch den Kriegsminister
nicht zur Einberufung gelangen könnten, da sie für die Marine ein-
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Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
163
geschrieben seien, und da der Marineminister sie ebenso wenig ver-
wenden könne, weil er nur 30 000 Seelente zu bewaffnen und aus-
zurüsten im Stande sei. Sie gingen daher der nationalen Verteidigung
in Folge eines rein administrativen Fehlers verloren.
Der Interpellant behauptet ferner*), dafs die französische Küsten-
verteidigung auf verschiedenen wichtigen Punkten, wie z. B. auf
der Halbinsel Cotentin am Kanal bei Cherburg und in Corsica
grofse Lücken zeige. Die Küste der Normandie sei nicht nur über-
haupt, wie z. B. die Häfen von Havre, Dieppe und Rouen einem
Bombardement preisgegeben, sondern auch gegen eine Landung nicht
geschützt. England besitze genügend Schiffe und Truppen, um diese
Eventualität ins Auge zu fassen, und würde, wenn die Küste einmal
von ihnen genommen sei, die Mittel finden, sich vermöge der Linien
von Carentan dort zu halten. Cherburg sei so schlecht verteidigt,
dafs hohe Beamte dieses Küstenplatzes ihre Entlassung gegeben hätten,
um der Verantwortlichkeit für denselben enthoben zu sein. Corsica
entbehre ebenfaUs der erforderlichen Verteidigungsvorkehrungen, ob-
gleich der Ruin der Insel den Ruin des französischen Einflusses im
Mittelmeer zur Folge haben würde. Italien könne plötzlich ein Heer
von 15 000 Mann an die Bai von Santa Manza an der Südostspitze
Corsicas werfen. Der Admiral Aube habe dort die Herstellung eines
Zufluchtshafens bei Porto- Vecchio prüfen lassen und einen maritimen
Gouverneur von Corsica kreirt. Man habe diese Mafsregel jedoch,
als er nicht mehr im Amte war, mifsgünstig beurteilt, weil man ihm
den Ruf eines weitblickenden Seemannes nicht gegönnt habe. Die
französischen Schiffskonstruktionen seien mangelhaft. Die Probe -
versuche der Schiffe entsprächen fast nie den Bedingungen der ab-
geschlossenen Kontrakte. Einige Versuche hätten 18 Monate gedauert.
Der „Jean Bart" habe bei den semigen die vorgeschriebene Ge-
schwindigkeit von 18 Knoten nie erreicht, und sich in Befürchtung
eines Unglücks mit lfi begnügen müssen u. s. w.
In Frankreich und besonders im gesetzgebenden Körper rief die
Enthüllung Lokroy's Sensation und Bestürzung hervor. Das französische
Marine-Ministerium sträubte sich anfänglich begreiflicher Weise gegen
das Eingreifen einer besonderen Untersuchungs-Kommission, und auch
von anderen Seiten wurde im Hinblick auf die vielen, früher bereits
stattgehabten derartigen Untersuchungen und deren negatives Resultat
ein Erfolg dieser Mafsregel bezweifelt.
Es trat darauf eine aus 33 Mitgliedern bestehende, aufser-
parlamentarische Kommission zur Untersuchung und Abstellung aller
*) Anm. d. L. Man beachte auch den vorstehenden Aufsatz Nr. XII
„Frankreichs Grenzschutz."
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164
Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
dieser Mängel und Übelstände im Januar d. J. zusammen und begann
sofort ihre Arbeiten. Im März wurde ein Ausschufs dieser Kommission
nach Toulon entsendet, um dort an Ort und Stelle die nötigen Er-
mittelungen anzustellen.
Aufser um die Details von Verwaltungsfragen, handelte es sich
namentlich um die Feststeilung der Brauchbarkeit des neuen Panzers
„Magenta", in Bezug auf seine Stabilität, Fahrgeschwindigkeit und
Manövrirfähigkeit. Die Ermittelungen ergaben etwa folgendes. Bei
einer Geschwindigkeit von 18 Vi Knoten vollzog das Schiff eine
Direktionsveränderung um 180° in drei Minuten, und hatte nicht
mehr wie 2 — 3° seitlicher Neigung. Die „Marine de France" bemerkte
jedoch über die Stabilität des „Magenta" folgendes: Der „Magenta" ist
aus Mangel an Stabilität dem Kentern ausgesetzt. Die Seitenneigung
des ,, Magenta" wird zweifellos 20° aufweisen, wenn er die Schwenkung
überhaupt auszuführen vermag. Vor Anker vermag man ihm 5° seit-
licher Neigung zu geben, indem man die Geschütze einer seiner Seiten
umdreht, ein Manöver, welches während eines Kampfes notwendig
werden kann. In See zeigt es bei 15 Knoten Geschwindigkeit eine
seitliche Neigung von 8° bei völlig ruhigem Wetter, wenn man ihn
wenden will. Der genannte Untersuchungsausschufs ist vor einiger
Zeit nach Paris zurückgekehrt, um der Marine-Kommission Bericht
zu erstatten. In der ersten Sitzung ergriff Lokroy, der Urheber der
Enquete, das Wort, um mit sehr ernsten Worten die Lage zu resümiren,
wie sie sich auf Grund der angestellten Ermittelungen darstelle. Der
Eifer und die Redlichkeit des gesammten Personals sei unanfechtbar;
nichtsdestoweniger herrsche in der Verwaltung eine beklagenswerte
Unordnung. Eine schnelle Mobilisirung der Flottenmacht sei unaus-
führbar; die Reserve-Torpedoboote könnten aus Mangel an Mannschaft
nicht mit Besatzung versehen werden, auch seien dieselben in Folge
ihrer Bauart häufigen Havarien ausgesetzt. Nach den eigenen An-
gaben des Direktors der submarinen Verteidigung der südlichen Häfen
Frankreichs, Kapitän zur See Vi dal, seien für die mobile Verteidigung
Toulons 51 Torpedoboote vorhanden, von denen 4 als Schutzböte dienen,
während 7 andere in Dienst, der Rest sich in Reserve befindet. Bei
einer Mobilisirung würde eine gewisse Zahl dieser Böte nach Corsica,
Algier, Tunis, Villefranche, Ciotat, Marseille u. s. w. ent-
sendet werden, so dafs für Toulon selbst keine grofse Zahl bleiben
würde. Was die 40 in Reserve befindlichen Böte anbetrifft, so seien
dieselben keineswegs kriegsbereit zu nennen, da sie weder Kohlen,
Vorräte, Geschütze, Munition noch Torpedos an Bord hätten. Alles
läge in den Magazinen und Depots. Auch der Zustand der Böte sei
kein seefähiger. Im Ganzen seien von den 40 Reservebooten nur 5
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Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
K55
in wirklich setuereitem Zustande befunden, alle übrigen wären mehr
oder weniger reparaturbedürftig. Kapitän Vidal setze wenig Vertrauen
in die unter seinem Befehl stehenden Böte und führe die Unzu-
verlässigkeit derselben auf die ganz mangelhafte und leichte Bauart
zurück. Wenn diese Mängel sich schon bei den Böten in Reserve
zeigten, so würden sie noch in weit höherem Mafse bei ihrer Indienst*
Stellung hervortreten.
Dann sprach sich der Admiral Vallon, der als technischer Sach-
verständiger zur Kommission gehörte, über die groben Fehler aus,
die bei dem Bau des Panzers „Magenta" von den Konstrukteuren
begangen worden wären. Er erklärte, das Schiff sei in seiner heutigen
Verfassung ganlicht zu gebrauchen, und knüpfte daran die Forderung,
dals solche Panzerschiffe nicht mehr gebaut würden.
Erhoben sich nun zwar diesem Urteil gegenüber andere Stimmen,
welche erst noch die Ansicht der Schiffsprüfungskominission abwarten
wollten, so geht doch aus der bisher zu Tage geforderten Auskunft
deutlich hervor, dafs es ohne einige Reformen im System der Ver-
waltung nicht abgehen wird. Bei der Langsamkeit, mit der Unter-
suchungskommissionen in Frankreich arbeiten, wird es vermutlich
noch einige Zeit dauern, bis eine Entscheidung fallen wird. Immerhin
darf man, nachdem was vorangegangen, gespannt sein, wie diese Ent-
scheidung ausfallen wird.
Trotz dieser Vorwürfe und Anklagen, die ihre Be-
rechtigung in gewissem Grade haben mögen, darf man sich
dennoch im Ausland nicht der Vorstellung hingeben, dafs
es mit der Kriegsmarine Frankreichs nicht weit her sei. In
dem geschäftlichen Betriebe mögen Mifsstände vorhanden sein, deren
Beseitigung sich übrigens die Regierung angelegen sein läfst. Die
französische Marine verfügt aber über ein ausgezeichnetes Personal
an Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften. Das Material der-
selben steht durchaus auf der Höhe der Zeit und, was von der gröfsten
Wichtigkeit ist, die Organisation der Marine hat, Dank der grofsen
bewilligten Mittel, so auf den Kriegsfall zugeschnitten werden können,
dafs bei Ausspruch der Kriegserklärung stets das neueste und beste
Flottenmaterial vollständig kriegsbereit sich im Dienst befindet. Dafür
spricht unter anderem die Thatsache, dafs das schwimmende Material
selbst, in Frankreich in den letzten Jahren eine stetige Vermehrung
und Verbesserung erfahren hat. Ja, wenn man die grofsen An-
strengungen, die das Land zur Vergröfserung und zur Ausrüstung
seiner FlottenmacUt gemacht hat, beobachtet, so scheint es, als ob
es das gesteckte Ziel, nämlich bis zum Jahre 1904 eine der
englischen Seemacht ebenbürtige Streitkraft auf dem Meere
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166
Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
zu haben, erreichen wird. Ein Blick auf die in jüngster Zeit auf
diesem Gebiet entfaltete Thätigkeit wird das nähere darlegen.
Von bereits in früheren Jahren angefangenen Schiffen waren im
Jahre 1893 im Bau beßndlich 10 Panzerschiffe, 14 Kreuzer und 20
bis 30 kleinere Fahrzeuge.
Die Panzerschiffe gehören zwei verschiedenen Gruppen an; die
eine besteht aus sechs grofsen, die andere aus vier kleinen Schiffen.
Die erste Reihe enthält den „Brennus" von 10 5)83 Tonnen, welcher
in Lorient für die Probefahrten ausgerüstet wird; den „Charles
Martel" von 11 881 Tonnen am 28. August in Brest; den „Jaure-
guiberry" in La Seyne am 27. Oktober vom Stapel gelaufen; den
„Lazare Carnot" von 12 008 Tonnen, der demnächst in Toulon zu
Wasser gelassen werden soll; den „Massena" von 11 924 Tonnen,
welcher in Saint Nazaire Takelage erhält; endlich den „Bouvet"
von 12 205 Tonnen, welcher in Lorient gebaut wird und noch wenig
vorgeschritten ist.
Die zweite Gruppe umfasst vier Schiffe, welche an Stelle von
Küstenpanzern des Typs „Indomptable", die in die Klasse der Panzer-
schlachtschiffe überführt wurden, getreten sind. Der „Jemappes"
und „Valmy" sind niedrige Schiffe nach Art des „Furieux"; der
„Bouvines" und „Trehouart" von je 6610 Tonnen, haben ein
etwas verändertes Bauprogramm erhalten, so dafs sie auch als Ge-
schwaderpanzer Verwendung finden können. Alle vier Schiffe befinden
sich im Wasser; „Jemappes" ist bereits von seinem Bauort Saint
Nazaire zu den Probefahrten nach Brest überführt. „Valmy" und
„Bouvines" werden ihre Probefahrten erst im Sommer, der „Trehouart"
nicht vor dem Winter dieses Jahres beginnen. Mit diesen Schiffen
soll das Panzergeschwader in der Nordsee verstärkt werden.
Von den 14 neuen Kreuzern, die noch im Bau, bezw. in der
Ausrüstung begriffen sind, sind sechs erster Klasse, sechs zweiter
Klasse und einer dritter Klasse, sowie ein Torpedokreuzer. Von den
übrigen im Bau befindlichen Schiffen sind noch zu nennen zwei Aviso-
Torpedoboote, sechs Hochsee-Torpedoboote, zwei unterseeische Boote
und 20 bis 25 Torpedoboote erster Klasse. Mit den Hochsee-Torpedo-
booten hat man wie es scheint, keine günstigen Erfahrungen gemacht,
denn dieselben mufsten wegen schwerer Havarien gleich wieder in das
Dock gebracht werden. Die unterseeischen Fahrzeuge haben nach dem,
was man darüber hört, ebenso nicht die Aussicht gewährt, dafs man
ihnen bestimmte Kriegsleistungen zumuten kann.
Auch das Marinebudget für 1894 kann alt» ein Kennzeichen
für das Streben nach systematischer Verstärkung der Flottenmacht
angesehen werden. Dasselbe ist diesmal auf einen Betrag von 217
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Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
107
Millionen Mark berechnet. Der Hauptanteil davon entfällt auf die
Indienststellung und auf den Neubau von Schiffen.
Das französische aktive Mittelnieergesch wader nebst dem
sogenannten Reservegeschwader soll zunächst in größerer Schlag-
fertigkeit aufgestellt werden. Abgesehen von den Torpedoboots-
Flottilien der mobilen Verteidigung an der Südküste von Frankreich,
in Corsica, Algier und Tunis wird die französische Marineleitung
darnach im Mittelmeer jederzeit über eine schlagfertige Hochseeflotte
von 1 5 Schlachtschiffen verfügen, welche die stärkste vorhandene ein-
heitliche Streitmacht zur See darstellt.
Im Falle des Ausbruchs eines Krieges würde diese Überlegenheit
zur See bei schneller und kräftiger Ausnutzung zu grofsen Erfolgen
führen können, wie zur Besetzung wichtiger seestrategischer Positionen,
zur Okkupation Egyptens und Isolirung der dortigen ca. 5000 Mann
englischer Truppen, Sperrung des Suezkanals und einer zeitweiligen
Unterbrechung des Seeweges zwischen England und Ostindien. Letzteres
würde dadurch von Bedeutung sein, dafs die indische Armee im
Kriegsfalle einer möglichst baldigen bedeutenden Verstärkung durch
engliche Truppen bedarf.
Das französische Nordgeschwader wird nach dem vorjährigen Etat
seinen Bestand beibehalten. Aufserdem aber sollen im laufenden
Jahre 58 Torpedoboote, im Ganzen 62 gegen 53, also 9 Boote mehr
ständig im Dienst oder dienstbereit gehalten werden. Bedeutend
gröfsero Mittel als im Vorjahr und überhaupt gröfsere als je zuvor,
sind diesmal für Schiffsbauten ausgeworfen worden. Hier läfst sich
das planmäfsige Vorgehen am besten erkennen.
Auf den Stapel gelegt werden drei Schlachtschiffe (,,Charlemagnc",
„Henry IV.", „Saint Louis") ferner fünf Kreuzer 2. Klasse, ein Kreuzer
3. Klasse, ein Hochseetorpedoboot, achtzehn Torpedoboote und ein Aviso.
Hier verdient die grofse Fahrgeschwindigkeit, die von allen diesen
Schiffen verlangt wird, und die selbst bei den schweren Schlacht-
schiffen 18 Knoten betragen soll, hervorgehoben zu werden. Mit
vollstem Recht wird auf diese so lange verkannte und vernachlässigte
Eigenschaft grofses Gewicht gelegt, denn unter Anderem erleichtert
sie einesteils schnelles überraschendes Auftreten an dem Orte wo ge-
schlagen werden soll, und andererseits ermöglicht sie es im Gefecht,
dem Gegner das Gesetz zu geben; ihr wohnen fast alle Vorteile der
Bugseite aus der Zeit der Segelschifffahrt bei.
Eine Verstärkung bilden auch die Schnellfeuerkanonen, die von
dem Kaliber von 16 cm, einschliefslich abwärts zur Verwendung kommen,
und die zahlreichen Geschütze der artilleristischen Armirung.
Als ein bedeutsamer Fortschritt in der französischen Marine gilt
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1(}8 Die Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
allgemein auch die Beseitigung des Dualismus, der bisher in der
Küstenverteidigung des Landes bestand, und im Fall einer Mobil-
machung eine unglückliche Verz wickung zwischen Heeres- und Marine-
verwaltung zur Folge hatte. Durch ein Dekret des Präsidenten der
Republik ist nunmehr Klarheit bezüglich der Wirkungskreise beider
Ressorts geschaffen. Seit März d. J. ist nämlich die französische
Küste in 19 statt bisher in 17 Abschnitte geteilt, die nach den Haupt-
häfen heifsen: Dünkirchen, Abbeville, Havre, Cherbourg, Saint Malo,
Saint Brieuc, Brest, Lorient, Saint Nazaire, Sables d'Olonnc, Rochefort,
Royan (Gironde), Bayonne, Perpignan, Cette, Marseille, T oulon, Antibes
und Nizza. Jeder Abschnitt wird von einem General oder Stabs-
offizier befehligt, und zwar die zunächst fremden Grenzen liegenden,
also Dünkirchen, Bayonne, Perpignan und Nizza sowie aufserdem
Antibes und Marseille von Offizieren der Armee, die übrigen 13 von
Offizieren der Marinetruppen ; jedoch soll jeder Abschnittskommandeur
einen dem anderen Zweige der Wehrkraft angehörigen Stabsoffizier
als Berater zur Seite haben. Die Abschnitte mit Ausnahme der sechs
zuletzt genannten sind den in den fünf Kriegshäfen residirenden Marine-
Stationschefs unterstellt, von denen in allen seemännischen Beziehungen
Jeder die Aufsicht über Alles, was zur Küstenverteidigung gehört, einschl.
der dem Kiegsministerium angehörigen Gegenstände auszuüben hat. Den
territorialen Militärbefehlshabern ist der Abschnittskomraandeur nicht
unterstellt, er hat aber die Verpflichtung, ihnen von jeder die Küsten-
verteidigung betreffenden Mitteilung Abschrift zuzustellen. Wenn er
jedoch seine Streitkräfte nicht für ausreichend hält, sondern eine
Verstärkung von mehr als drei Bataillonen zu verlangen sich genötigt
sieht, so tritt er bezüglich aller Operationen am Lande unter den
Befehl des kommandirenden Generals des betreffenden Armeekorps-
bezirks. Marseille nimmt eine Ausnahmestellung ein, indem es dem
dort residirenden kommandirenden General des 15. Armeekorps auch
hinsichtlich der Küsten Verteidigung untergeordnet ist. In gleicher
Weise unterstehen Corsica, Algier und Tunis, die jedes einen besonderen
Abschnitt für sich bilden, dem Gouverneur der Insel bezw. dem
kommandirenden Genoral des 19. Armeekorps; sie sind die Vorgesetzten
der dort stationirton Marinebefehlshaber.
Zu Übungszwecken ist es dem Kriegs- und Marineministerium
anheimgegeben, Küstenverteidigungsmanöver am Lande untereinander
zu vereinbaren.
Aus den vorstehenden kurzen Angaben erhellt, dafs die französische
Regierung ungeachtet der grofsen Ausgaben für die französische Armee,
auch die Marine mit reichen Mitteln personoll und materiell
systematisch fördert. Dafs dies namentlich in den letzten Jahren mit
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Dei Angriffe gegen die französische Kriegsmarine.
U59
gröfserem Eifer und immer zunehmenden Geldaufwand geschieht, zeugt
davon, dafs der hohe militärische Wert der Flotte für den Landkrieg
dort richtig erkannt wird. Mit Rücksicht darauf sind auch die über-
seeischen Stationen durchweg nur schwach, ja unzulänglich besetzt,
um in Bedarfsfall Alles sofort in den heimischen Gewässern zur Hand
zu haben. Man ist sich eben in allen Kreisen Frankreichs
darüber klar, dafs eine starke und kriegsbereite Flotte für
die Weltstellung und die Weltaufgaben einer europäischen
Grofsmacht unerläfslich ist und man scheut keine Ausgaben,
um dies Ziel in würdiger Weise zu erreichen. «7.
XIV.
Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Eepublik
und des ersten Kaiserreichs,
(Fortsetzung.)
I. Die Infanterie.
Kommen w r ir nun zu den Reglements und zwar zunächst zu
demjenigen von 1791 für die Infanterie, das wie schon oben ge-
sagt, während der ganzen Zeit der Kämpfe des Kaiserreichs offiziell
das geltende blieb, in der Praxis aber an unzähligen Stellen durch-
löchert wurde. Sicard „Atlas de l'histoire des institutions militaires
des Francais" S. 187 verzeichnet als Formationen der Infanterie für
die Zeit von 1791 — 1825 nur das Bataillon in Linie, die colonne serree
und die colonne d'attaque, sowie die Übergänge aus der Linie in diese
Kolonnen und umgekehrt durch Ployiren bezw. Deployiren. Der
Inhalt des genannten Reglements wird damit natürlich bei weitem
nicht erschöpft und sind auch die Zeichnungen im Sicard'schen Atlas
insofern nicht zutreffend, als derselbe das Bataillon zu 8 Kompagnien,
1 Grenadier-, 1 Voltigeur-, 0 Füsilier -Kompagnien darstellt, während
das Reglement von 1791 mit 9 Kompagnien rechnet, darunter
1 Grenadiere, und die Voltigeurs, wie schon oben kurz bemerkt, für
die Linieninfanterie 1804 erst geschaffen wurden. Sicard scheint die
Formationen darstellen zu wollen, die am meisten verwendet wurden,
er bietet uns kein Bild der Kampfgliederung eines Bataillons mit
Tirailleur-Entwickelung. Dieselbe Erscheinung tritt uns auch im
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170
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Reglement 1701 und in den „Planches relatives au reglement concernant
l'exercice et les manoeuvres de l'infanterie", das 1804 in Paris er-
schienen ist, entgegen, dieselbe finden wir im Reglement von 1791.
Nur Tafel XL als Illustration zu den Bestimmungen des Reglements
S. 475 — 79 spricht einmal das Wort „Tirailleur" aus und zeigt uns
4 in offenem Gelände in Divisionskolonnen vorgehende Bataillone, die
zum Schutze gegen Kavallerie einzelne Leute aus den dritten Gliedern als
Tirailleurs in die Flanken nehmen. Diese „Tirailleurs" können aber
nur als eine Art von Gefechtspatrouillen oder als Seitendeckung be-
trachtet werden. — Jomini spricht in seiner „Deuxieme appendice"
zu „Precis de l'art de guerre" „Sur la formation des troupes pour
le combat" das Folgende aus: ,,La celebre ordonnance des manoeuvres
de 1791 fixait Tordre deploye comme le seul ordre de bataiile, eile
8emblait n'admettre la colonne double, sur le eentre de chaque
bataillon que pour les combats partiels et ceci ne s'appliquait guere
qu'a Tattaque de postes isoles, d'un village, d'un bois, d'un petit
retranchement. Les colonnes par bataillon en masse ne semblaient
destinees, qu'a rassembler ou serrer de longues colonnes en marche
afin de les faire ensuite mieux deployer." Jomini weist hier auf
„Planche XXX de l'ordonnance" hin, auf die wir später noch näher
einzugehen haben werden. Seine Sätze bestätigen, was wir oben
schon ausgesprochen, dafs das Reglement von 1791 auf der Grund-
lage der Lineartaktik beruhte, bei welcher in der Hauptsache das
Peloton noch die Grundeinheit der Schlachtordnung der ganzen Armee,
das Bataillon kein Gefechtskörper an sich, sondern nur ein Teil des
grofsen, erst die Kampfmöglichkeit bietenden Ganzen, war.
Das Reglement von 1791 und auch die „Planches" führen uns
zunächst ein Regiment zu 2 Bataillonen in Linie vor, das I. Bataillon
immer auf dem rechten des II., mit 8 Toisen (Klafter) Abstand von dem
I. auf dem linken Flügel, der Oberst 30 Schritt hinter dem Zwischenraum
beider Bataillone, die Bataillonskommandeure, auf die Fahne gerichtet
20 Schritt hinter den Schliefsenden ihrer Bataillone, die Kapitäns auf
dem rechten Flügel des ersten Glieder ihrer Pelotons, Lieutenant und
Souslieutenant in der Reihe der 2 Schritt hinter dem3.Gliede schliefsenden
Unteroffiziere ihres Pelotons. Jede Kompagnie bildet ein Peloton,
die Bataillone erscheinen mit 9 Pelotons, beim I. Bataillon steht das
Grenadierpeloton auf dem rechten Flügel, beim II. auf dem linken
(Einrahmungskompagnien), beim Exerziren des Regiments wurden die
Grenadierpelotons auf einem Flügel vereinigt. Jedes Peloton zerfällt
in 2 Sektionen und ist dreigliedrig rangirt, in das 1. Glied stellte
man % der gröfsten, in das 2. 7 3 der kleinsten, in das 3. das
übrige Drittel der Leute der Kompagnie nach der Gröfse von rechts
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und de« ersten Kaiserreichs.
171
rangirt. Je 2 Pelotons bilden eine Division, die Grenadiere rechneten
dabei aber nicht mit, das Bataillon hatte also 4 Divisionen und die
Grenadiere. Auf dem linken Flügel des 4. Pelotons stand die Fahnen-
sektion, bestehend aus 8 in 3 Glieder rangirten Korporal -Fouriers
und dem Fahnenträger, Sergeant-major, der sehr sorgfältig auszuwählen
war, da er für die Gleichmäfsigkeit des Schrittes und die Direktion
beim Vormarsch in Linie verantwortlich war. Der Gliederabstand
betrug von Tornister zu Brust 1 Fufs. Jedes Bataillon zerfiel in
2 Halbbataillone, Grenadiere 1. — 4. Peloton bildeten das 1., 5. — 8.
Füsilierpeloton das 2. Halbbataillon.
Hier sei auch gleich darauf hingewiesen, dafs die 3gliedrige
Rangirung bis 1813 beibehalten wurde. St. Cyr berichtet uns in
seinen Memoiren, dafs Napoleon bei einer Unterhaltung, die er am
8. September 1813 in Dohna mit ihm hatte, über die 3gliedrige Auf-
stellung sich, wie folgt, aussprach: „Cet ordre est mauvais, rinfanterie
ne doit se ranger que sur 2 rangs puisque le fusil ne peut tirer que
sur cet ordre." Napoleon wartete nicht einmal den Frieden ab, ehe
er eine Änderung befahl, 5 Tage vor der Schlacht von Leipzig befahl
er von Düben aus: ,, Metter sur l'ordre du jour de l'armee, que
l'Empereur ordonne qu'a dater d'aujourdhui rinfanterie se ränge sur
2 rangs, Sa Majestee rcgardant le feu et lcs bayonnets du 3eme rang
comme de nul eflet." Leipzig wurde schon mit 2gliedriger
Aufstellung durchgefochten. St. Cyr und Marmont teilten
Napoleons Ansicht. Man würde übrigens irren, wenn man aus dem
Befehle des Kaisers schliefsen wollte, dafs bis dahin bei allen Feuer-
arten das 3. Glied mitgefeuert habe. Wir kommen darauf später
noch zurück. Napoleon zog auch gleich die Konsequenzen für die
Widerstandskraft aus der 2gliedrigen Aufstellung. Er sagt: „En
rangeant rinfanterie sur 2 rangs il faut que Ton place uno reserve
ä 12toises derricre les flancs." Die 2 gliedrige Rangirung schien ihm
nicht Stöfs- und Widerstandskraft genug zu bieten. Auch für die
colonne par division (2 Pelotons Front) ordnete Napoleon 1813 die
2 gliedrige Rangirung an (wodurch die Tiefe dieser Bataillonsmassen
verringert wurde), die Jomini schon 1807 vorgeschlagen haben will.
Titel 1 des Reglements giebt ferner Anordnungen für den Unter-
richt der Regimenter, der Offiziere und Unteroffiziere. Für den all-
gemeinen Unterricht der Offiziere, Unteroffiziere und Leute wird der
Oberst verantwortlich gemacht. Bezüglich des Unterrichts der Offiziere
finden wir ausgesprochen, dafs er, alles begreifend, was in der
Soldaten-, Peloton-, und Bataillons- Schule enthalten ist, nur durch
Verbindung der Theorie mit der Praxis nutzbar gemacht werden kann,
daher neben den Waftenübungen auf dem Felde, theoretischer Unter-
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172
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
rieht stattzufinden habe. Der Regiments-Kommandeur soll daher bei
sich oder dem Stabsoffizier jeden Bataillons die Offiziere häufiger zu-
sammenberufen, um ihnen die 3 Schulen zu erklären, die jeder Offizier
kommandiren können mufs. Die Stabsoffiziere hatten die Offiziere
häufiger im Marschiren, Schrittmafs und Schrittcadence, sowie in der
Haltung unter Gewehr zu üben. Der Unterricht der Unteroffiziere
umfafste die Soldaten- und Peloton-Schule, verantwortlich für denselben
waren die adjudants majore und adjudants, er begann mit demjenigen
der Feldwebel und der '2 verständigsten Unteroffiziere der Kompagnie,
die dann die weiteren Unteroffiziere der Kompagnie ausbildeten.
Diese Ausbildung umfafste zunächst nur die Soldatenschule, die Unter-
offiziere jeden Bataillons wurden dann in ein Peloton zu 3 Gliedern
formirt und durch die adjudants majore und adjudants in der Peloton-
Schule exerzirt. Nebenher ging theoretischer Unterricht, der un-
unterbrochen fortgesetzt wurde. Die Fahnen-Pelotons und die Haupt-
führer (guides generaux) hatte der Regiments-Koramandeur häufiger
im Marsch zu üben.
Die Soldatenschule (Titel 2 des Reglements), an welcher die jungen
Offiziere unter Befehl der adjudants majore, die für die Genauigkeit der-
selben dem Regiments-Kommandeur verantwortlich blieben, mindestens
6 Monate teilnehmen sollten, zerfällt in 3 Teile zu 4 Lectionen. Der
1. Teil umfafst das, was der Soldat ohne Gewehr und möglichst
einzeln lernen mufs, Stellung, Wendungen, Grundsätze des ordinären
und des schrägen Schrittes, der 2.: Stellung unter Gewehr, Ladungs-
arten, Feuer (3 Mann zusammen), der 3. : Frontmarech, Schrittarten,
Flankenmarech, Richtung, Schwenkungen, Direktions- Veränderungen
(5 bis 9 Mann). Wir heben aus der Soldatenschule nur Einiges
hervor. Der ordinäre und beschleunigte Schritt, letzterer 100 in der
Minute, erstercr 76, sollten 2 Fufs lang sein, die cadence des ordinären
hatte auch der schräge Schritt (pas oblique). Bei der Chargirung
unterschied man diejenige in 12 Tempos, die kurze Chargirung (charge
preeipite) in 4 Tempos und geschwinde Chargirung (charge ä volonte).
Beim Feuer unterschied das Reglement gerades und schräges
Feuer, Peloton- Feuer, das 1. Glied knieend, das 2. und 3. durch die-
selbe Lücke haltend, auf Kommando abgegeben, und Glieder feuer
(feu de deux rangs — Peloton — armes — Commencement du feu).
Das Gliederfeuer wird durch die beiden ersten stehenden Glieder ab-
gegeben, das 3. Glied ladet dio Gewehre des 2., welches nach Abfeuern
dieses Gewehres, dasselbe zum 2. Schufs wieder ladet und abfeuert
und dann erst sein Gewehr vom 3. Glied zurücknimmt. Nachdem das
1. Feuer durch ist, feuern die Leute des 1. und 2. Gliedes nicht mehr
gleichzeitig, sondern jeder so schnell er kann. Auf einen Trommel-
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und des ersten Kaiserreichs.
173
wirbel hin stellt jeder Mann das Feuer ein, den Hahn in Ruh, ladet
vollends und schultert. Erwähnt sei noch, dafs der schräge Schritt
nicht im Schnellschritt gemacht werden, beim Schnellschritt sehr auf
die cadence gesehen und um diese zu erhalten eventl. eine Zeit lang
auf der Stelle getreten werden soll. — Die Pelotons-Schule, die
der Bataillons-Schule vorausgeht, berühren wir gleichfalls nur in soweit,
als sie für die späteren Betrachtungen Wert hat. Sie zerfällt in
6 Lectionen zu 5 Übungen. Lection 1 umfafst das Gliederöffnen und
-schliefsen, Richtungen, Wendungen und Griffe. Das Peloton wird
immer 3gliedrig formirt, nur bei weniger als 12 Rotten bei Übungen
in der 3. bis 6. Lection auch 2gliedrig. Bei Übungen über die
Peloton-Schule hinaus brachte man die Rottenzahl durch Ausgleichen
der einzelnen Pelotons auf 12. Lection 2 behandelt in 5 Übungen
die Chargirungsarten, grades, schräges, Glieder-Feuer und
Feuern rückwärts. Bei der kurzen, wie bei der geschwinden Char-
girung gilt das in der Soldatenschule Bemerkte. Da die geschwinde
Chargirung die in Schlachten und Gefechten meist übliche, so mufs
sie dem Soldaten am geläufigsten sein und derselbe durch Übung
dahin gebracht sein, dafs er wenigstens 3 bis 4 Schufs mit
Genauigkeit in der Minute abgeben kann. Das Gliederfeuer
beginnt bei der ersten Rotte des rechten Flügels, die zweite schlägt
erst an, wenn die erste abgefeuert und Pulver auf die Pfanne schüttet
und so fort bis zum linken Flügel, aber nur einmal, dann — feu a
volonte. Beim Feuer rückwärts kniet das zum 1. gewordene 3. Glied
nieder. Beim Peloton-Feuer wird der Lehrer, so sagt das Reglement
in Nr. 66, das Glied, das niederfällt, gewöhnen, horizontal zu zielen,
die stehend feuernden Glieder, die Mündung des Gewehrs beim Zielen
ein wenig niedriger zu halten. Vor dem Kommando „Feuer" soll
dem Mann Zeit gelassen werden zu zielen. Damit die Richtung der
Glieder beim Feuern nicht leidet, dürfen die Leute die Absätze nicht
von der Stelle bringen. — Die Reihenfolge der Anordnungen des
Reglements etwas ändernd, bringen wir hier auch gleich die Finger-
zeige für das Schiefsen nach der Scheibe. Zu diesem Zwecke
läfet man pro Bataillon 1 oder mehrere Scheiben verfertigen, jede
5Vj Fufs hoch und 2 Fufs breit. Die Mitte der Scheibe soll mit
einem 3 Zoll breiten Strich von abstechender Farbe in die Quer be-
zeichnet werden, ebenso der oberste Teil der Scheibe. Auf dieses
Ziel sollte auf 300 dann auf 600, zuletzt auf 900 Schuh Entfernung
das Schiefsen stattfinden. Auf 300 und 600 Schuh wurde auf den
mittleren Strich, auf 900 Schuh , auf den oberen gezielt. Die Leute
schössen erst einzeln ohne, dann nach Kommando. Sie sollten den
Gewehrkolben gut an die rechte Schulter ansetzen, das Gewehr mit
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174
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
der linken Hand gut unterstützen, den Lauf so schnell wie möglich
von der Schwanzschraube bis zur Mündung auf den Strich richten,
auf das Kommando „Feuer" den Finger stark an den Abzug legen
und nach dem Abfeuern noch einige Zeit im Anschlag bleiben. In
dieser Schule sollten jährlich alle Korporale, Grenadiere und Füsiliere
mit dem gröfsten Teil der für die Exerzitien bestimmten Munition
geübt und die besten Schützen jeder Kompagnie ausgezeichnet werden,
Die Rekruten hatten zuerst blind und mit Pulver zu schiefsen, dann
jährlich mit aller Sorgfalt nach der Scheibe. — Gegenüber diesen
sehr bestimmten Verordnungen des Reglements von 1791, dem Aus-
spruche Napoleons „L'arme a feu est tout, le reste ce n'est rien"
und seinem Befehl bezüglich der Voltigeure, dafs dieselben im schnellen
und richtigen Feuern geübt werden sollten, mufs man die Sätze in
Marmonts Memoiren besonders beachten, die berichten, Napoleon habe
während des Waffenstillstands 1813 Wettschiefsen nach der Scheibe
angeordnet und für jeden Mann 2 Schufs ausgeworfen (Ordre Napoleons
d. d. Dresden 28. 6. 1813). „Dies Schiefsen nach der Scheibe
bildete eine bis dahin im französischen Heere nie besonders
beachtete Übung." Auch berichtet derselbe Marschall, die Un-
•geschicklichkeit des 2. Gliedes im Anschlage habe bei den Leuten des
1. Gliedes sehr viele Verwundungen der linken Hand verursacht, so
zwar, dafs Napoleon an Selbstverstümmelungen geglaubt habe.
Die Lectionen 3 bis 5 der Peloton-Schule enthalten einfache
Bewegungen: Frontmarsch, Schrägmarsch, auf der Stelle treten, Über-
gang aus dem ordinären in den Geschwindschritt auch pas de Charge
zu 120 in der Minute, Frontmarsch mit dem 3. Gliede vorn, Flanken-
marsch mit rechts und links um, Tetenschwenkungen mit Rotten,
Frontmachen aus dem Reihenmarsch, Aufmarsch in das Peloton und
in Sektionen mit ganzem Abstand aus dem Reihen marsch. Der Auf-
marsch erfolgte, wenn man im Marsch war, im Geschwindschritt, nach
dem Einrücken in die Linie wurde der Schritt des geradeaus gebliebenen
Unteroffiziers angenommen; und zwar wurde, wenn der rechte Flügel
vorn links, im andern Falle rechts aufmarschirt. Weiter finden wir
Abschwenken mit Sektionen aus dem Halten, Marsch in Kolonne,
wobei besonders auf die Abstände geachtet wurde, Hakenschwenkungen,
Einschwenken der Sektions-Kolonne nach rechts oder links, je nach
dem die 2. oder 1. Sektion vorne, Abbrechen und Aufmarschiren der
Flügelrotten, welches besonders bei langen Kolonnen in Eng-Wegen
als wichtig bezeichnet wurde, da keinesfalls eine Verlängerung der
Kolonne eintreten sollte. Auch das Marschiren in Kolonnen in Feld-
schritt (pas de route), wobei die Glieder 3 Schritt Abstand von einander
nahmen und die Leute das Gewehr beliebig trugen, nur darauf
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und des ersten Kaiserreichs.
175
achtend, die Mündung so hoch zu halten, dafs Unfälle ausgeschlossen
waren, sollte geübt werden. Dabei wurde die Schrittlänge von 2 Fuis
beibehalten, das Tempo sollte zunächst 7(5 in der Minute betragen,
in der Bataillons- Schule aber auf 88 bis 90 steigen und dies für den
Marsch das normale sein, wenn Strafsen und Gelände dies erlaubten.
— Das Abbrechen mit Sektionen rechts geschah so, dafs die 2. Sektion
auf der Stelle trat und sich dann mit halbrechts hinter die erste setzte,
der Aufmarsch aus der Sektions- in die Peloton-Kolonne derart, dafs
die vordere Sektien durch halbrechts oder halblinks die Front der
geradeausbleibenden folgenden frei machte, darauf kurz trat, bis
diese eingerückt war. Bei Abbrechen in Sektionen, wenn mehrere
Pelotons vorhanden waren, sollten die geradeausbleibenden Sektionen
flott vorwärts marschiren, wenn sie dabei auch auf die abbrechenden
vorderen dicht aufrückten, damit unter keinen Umständen der Abstand
verloren ginge. Lect. 4 enthält dann noch den Kontremarsch und
das Flügelverändern, Lect. 5 das successive Einschwenken der Sektions-
Kolonne nach der Flanke, endlich allgemeine Bemerkungen über die
Peloton -Schule, in denen gesagt wird, dafs der Regiments- oder
Bataillons-Kommandeur, wenn die Kompagnien en detail in der Peloton-
Schule exerzirt würden, die Lectionen angeben und durch einen
Trommelwirbel den Moment bezeichnen lassen soll, in welchem alle
gleichzeitig zu beginnen hätten.
Die Bataillons-Sehule hat sowohl den Unterricht einzelner
Bataillone zum Gegenstand, als auch die Vorbereitung derselben auf
alle Fälle, die in einer Linie von mehreren Bataillonen' 1 vorkommen
können und da die Harmonie der Bewegungen im Grofsen sowohl
vom besonderen Unterricht der einzelnen Bataillone, als von der
Gleichmäfsigkeit der Kommandos, der Grundsätze und Ausführungs-
mittel abhängt, so sollen die Bataillons-Chefs sich buchstäblich
nach dem richten, was das Reglement vorschreibt und weder etwas
zusetzen, noch fortlassen. Die Bataillons -Schule zerfiel in 5 Teile,
deren erster sich mit dem öffnen der Glieder und den verschiedenen
Feuerarten im Halten beschäftigt. Betreffs des Feuers finden wir
hier einiges Neue. Peloton- und Glieder- Feuer sollen immer nur
geradeaus abgegeben werden. Bataillons- und Halbbataillons-Feuer
geradeaus und schräg. Das Peloton-Feuer wird abwechselnd durch
die ersten und zweiten Pelotons jeder Division vollzogen, wie wenn
die Division für sich allein wäre. — Das 1. Peloton feuert zuerst, der
Chef des 2. giebt sein Kommando nicht eher, als bis 1 oder 2 Ge-
wehre des ersten Pelotons wieder geladen sind. Rechnet man
die Feuergeschwindigkeit zu 3 Schufs in der Minute, so hatte das
zweite Peloton also etwa 7 3 Minute zu warten, ehe es, nach dem
Jahrbücher für die DeuUche Arme« und Marine, iid. Villi', 2. 12
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171»
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Feuern des ersten, seinen Behufs abgab. Ebenso hatte der Bataillons-
chef beim Halbbataillonsfeuer zu verfahren und auch beim Bataillons-
feuer sollte diese Regel zwischen geraden und ungeraden Pelotons
beachtet werden. Das Gliederfeuer begann bei allen Pelotons
gleichzeitig.
II. Teil: Übergang aus der Schlachtordnung in die „ ordre en
colonne, u zur Kolonne in Pelotons durch Abschwenken rechts oder
links, rechts oder links rückwärts, letzteres durch einen Flankenmarsch
in Reihen und Frontmachen. Von der letzteren Bewegung wird ge-
sagt, dafs sie bei Mangel an Raum zum Abschwenken mit festem
Flügel und auch dann angewendet werden soll, wenn man durch das
Abschwenken die Grundlinie der bisherigen Front nicht überschreiten
wolle.
Artikel 3 beschäftigt sich mit dem Bilden der geschlossenen
Kolonnen (plover). das sowohl Pelotons-, als Divisions-Weise
auf die Abteilung vom rechten oder linken Flügel, oder auf jede
andere Abteilung des Bataillons, den rechten oder linken Flügel vorn,
ausgeführt werden kann. Um auf die Division des Zentrums, den
rechten Flügel vorgezogen, die geschlossene Kolonne in Divisionen
zu formiren, machten die Grenadiere und die 1. Division links um
und setzten sich, mit der Tete rechts ausbiegend, mit 3 Schritt Ab-
stand vor die stehenbleibende 2., die 3. und 4. Division machten rechts
um, bogen rechts aus, dann, nach Gewinnung eines Abstanden von
3 Schritt vom 3. Glicde der vorstehenden Division, mit der Tete wieder
links ein und machten Front. Analog verfuhr man, wenn man den
linken Flügel vorn haben wollte. Sollte die r colonne serree par
division" auf den rechten Flügel, die Grenadiere, gebildet werden, so
machten alle übrigen Divisionen rechts um, bogen mit der Tete rechts
aus und setzten sich, mit 3 Schritt Abstand vom 3. zum 1. Glied,
hinter die Grenadiere. Wie die Formation hinter eine stehen bleibende
Division, so konnte dieselbe auch vor eine solche erfolgen. Nach dem
Reglement war das Ployiren des Bataillons in Divisions-Kolonne auch
mit ganzer Distanz oder mit Sektions-Distanz möglich und zwar im
ordinären Schritt sowohl, als im Geschwindschritt. Damit hätten wir
als geöffnete Kolonnen: Sektions-, Pelotons-, Divisions-Kolonne
mit ganzer, als halbgeöffnete Kolonnen Pelotons-, Divisions-, und
die später zu besprechende Angriffs-Kolonne mit Sektions-Abstand,
als geschlossene Kolonnen Peloton- und Divisions-Kolonnen mit
3 Schritt Abstand („colonne serree" oder „masse").
Der 3. Teil bringt zunächst den Marsch in Kolonnen in ganzer
Distanz. Die Zeichnungen dazu lassen uns das Bataillon in Peloton-
Kolonne mit ganzem Abstand erkennen und bringen Tetenschwenkungen
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und de« ersten Kaiserreich«.
und ihre Ausführung. Das Reglement sagt in den Bemerkungen
zum Marsch in Kolonnen, dafs, obwohl der unkadenzirte Sehritt ge-
wöhnlich der der Kolonnen auf dem Marsche sei und am häufigsten
auch in den „Linien-Evolutionen" angewendet werde, da er dem
Soldaten die gröfste Bequemlichkeit verschaffe, zu grofsen Bewegungen,
wie auch auf unebenem Gelände der dienlichste sei, man doch beim
Exerziren mit Bataillonen den „pas de route" nur zum Marsch auf
den Exerzirplatz und zurück gebrauchen solle, oder um dem
Mechanismus der Bewegungen in der „colonne de route u zu lehren,
sonst aber darnach streben müsse, die Leute im kadenzirten Schritt
zu befestigen. Sei letzteres geschehen, so könne auch zuweilen im
Geschwindschritt marschirt werden. Für die Kolonne auf dem Marsch
wie bei dem Manöveriren wird als Grundsatz hingestellt, dafs die
Tiefe der Kolonne niemals gröfser sein dürfe, als der Raum, den die
Linie einnehmen würde. Das müsse auch dann erreicht werden, wenn
eine marschirende Kolonne, auf Engwege treffend, in Sektionen ab-
bräche, bezw. die Front der Sektionen durch Abbrechen der Flügel-
rotten noch verkleinere. Im letzteren Fall schlössen die Glieder in
der Marschkolonne auf einen Fufs auf und ging man aus dem Feld-
schritt zum kadenzirten über. Nach dem Wiederaufmarsch der ab-
gebrochenen Rotten wurde im Feldschritt weiter marschirt. Häufige
Übungen dieser Bewegungen empfiehlt das Reglement dringend, da
der Unterricht in der Marschkolonne der wichtigste von allen sei,
besonders eine Verlängerung der Marschkolonne vermieden werden müsse,
da dieselbe sonst aufser Stande, einem unerwarteten Angriff zu wider-
stehen, der Marscli länger dauere und die Truppen ermüde. Auf
guten Strafsen oder auf ebenem Land wurden 88 bis DO, bis
zum Regiment und der Brigade aufwärts im Notfalle sogar
100, auf schlechten Strafsen, Sturzacker, Sandboden und
im Gebirge 76 Schritt in der Minute verlangt. Die Ge-
schwindigkeit der Kolonne bestimmte der Führer. Eine Verkleinerung
der Abstände war, wenn die Tete auf schwieriges Gelände stiefs, zu-
lässig, die Distanzen regelten sich dann später von selbst, die folgenden
Abteilungen durften nicht gleichzeitig mit der Tete den Schritt ver-
langsamen, sie behielten ihr Schrittmafs bei, bis sie selbst auf die
schwierige Strecke trafen. Wird, so sagt das Reglement, eine Kolonne,
die zu kleine Abstände hat, genötigt, nach der Flanke hin Front zu
machen, so ist es weniger schlimm, einige ausfallende Rotten als
Reserve hinter die Linie zu stellen, als umgekehrt, bei zu grofsem
Abstand, Lücken entstehen zu sehen. Eine Verlängerung der Kolonne
wird erst dann als unabweisbar bezeichnet, wenn die Frontbreite der
Marschformation weniger als f> Mann aufweisen darf. Mufs ein Eng-
12*
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178
Aus den Exorzir- Vorschriften der ersten Republik
weg in Reihen durchschritten werden, so sind nach dem Passiren
desselben sofort Sektionen zu fonniren. — Aus den Bestimmungen
betreffend die Direktionsveränderungen der Kolonnen mit ganzer
Distanz ist nur das über die sogenannten „Wurfmanöver" (Prompte
raanoeuvre par le flanc droit — gouche) Gesagte anzudeuten, die an-
gewendet wurden, um baldigst die ganze Kolonne in dieselbe Richtung
zu bringen. Das l. oft auch das 2. Peloton noch — wurde dazu be-
nachrichtigt, in die neue Direktion zu schwenken, die übrigen machten
rechts oder links um, gelangten im Geschwindschritt mit Peloton-
abstand hinter die vorderen und nahmen dort deren Tempo an. Das
Aufschliefsen in der Peloton- oder Divisionskolonne mit ganzer Distanz
auf Sektionsabstand oder zur Masse (3 Schritt Abstand), auch der
Marsch auf Sektionsabstand oder in Masse, sowie die Direktions-
veränderungen einer Kolonne in Pelotons mit Sektionsabstand sind
einfacher Natur. Die „Masse" macht vor einer Frontveränderung
rechts oder links um, schwenkt mit den Teten der einzelnen Reihen-
kolonnen auf einen kleineren oder gröfseren Bogen, hält und macht
Front. Durch diese Bewegung, sagt das Reglement, kann man einer
jeden Kolonne, welche Anzahl von Bataillonen sie auch enthalten
mag, alle möglichen Direktionen geben. — Aus der geschlossenen
Pelotonkolonne (3 Schritt Abstand) konnte durch Deployiren im Halten
die Kolonne in Divisionen hergestellt werden. Diese Bewegung bildete
nach dem Reglement das Element aller Deployements und sollte
auf das Genaueste geübt werden.
Von Interesse sind auch die Arten, auf welche man aus der
Kolonne mit ganzer Distanz die Linie herstellte; durch Schwenken
mit Pelotons nach der Richtungsseite, links, wenn der rechte Flügel
voran und umgekehrt durch Einschwenken nach der der Richtungsseite
abgekehrten, wobei Inversion entstand, indem das 1. Peloton auf den
linken Flügel kam, eventuell durch successives Einschwenken, wenn
die Inversion vermieden werden sollte, nach vorn durch halbe
Schwenkung der Pelotons, Marsch geradeaus und wieder halbe
Schwenkung, endlich nach rückwärts, was sehr viel umständlicher
war. Dasselbe ist von der Herstellung der Linie durch zusammen-
gesetzte Bewegungen zu sagen. Eine Kolonne mit halber Distanz
nahm entweder ihre Distanz von vorn und schwenkte dann ohne
Inversion ein, oder schwenkte successive ein nach vorwärts, indem man
Distanz nahm und wie bei ganzem Abstand verfuhr, oder aber indem
man zur Masse aufschlofs und dann deployirte.
Der 5. Abschnitt beschäftigt sich mit dem Deployiren ge-
schlossener Kolonnen und beginnt mit dem Hinweis darauf, dafs
die oben beschriebene Mafsnahme mit Leichtigkeit die Frontveränderung
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und des ersten Kaiserreichs.
170
jeder Masse erlaube und das Dcployiren immer winkelrccht sein
könne. Die geschlossene Masse kann sich zur Linie entwickeln nach
vorn durch Deployiren, nach rückwärts durch Kontremarsch und
Deployiren, nach den Flanken durch Frontveränderung und Deployiren.
Auf das Kommando: Auf die 2. Division deployirt die Kolonne —
Rechts und links um — Marsch — wurde die Bewegung gleichzeitig
begonnen.
Mit dem Marsch in Front, der sehr viel geübt werden sollte,
um Ruhe und Richtung in eine Linie von mehreren Bataillonen zu
bringen, dem Abbrechen beim Treffen auf Hindernisse, den Direktions-
veränderungen der Bataillonsfront, bei welchen die Mitte den Schritt
beibehielt, der innere Flügel denselben verkürzte, der schwenkende
beschleunigte, dem schrägen Marsch des Bataillons, dem Halten und
Finrichten, wobei die Fahne und die Guides auf die einzunehmende
Linie vorgingen, beschäftigen wir uns hier näher nicht, ebensowenig
mit dem nach „Rechtsumkehrt" erfolgenden Retiriren des Bataillons
und dem Flankenmarsch desselben in Reihen. — Das Durchziehen
eines 1., im Retiriren befindlichen Treffens durch ein 2., das dazu
seine Pelotons in Sektionen doubliren läfst, während das 1. in Reihen-
kolonne durch die Lücken geht, soll häufiger geübt werden. Das
Bataillon des 1. Treffens macht 100 Schritt hinter dem 2. Halt und
marschirt links auf, während das 2. durch Deployiren die Linie her-
stellt. Das Durchziehen kann auch nach vorwärts im Angriff geschehen,
um das 1. Treffen abzulösen. Das 2. Treffen wird dann dicht an das
1. herangekommen, die Sektionen doubliren, das 1. sich in Reihen
durchziehen, auf dem befohlenen Abstand Halt machen und die Linie
formiren, was das 2. Treffen durch Deployiren im Geschwindschritt
schon ausgeführt haben wird.
Im 13. Artikel des V. Teils finden wir die „colonne d'attaque."
Dieselbe ist eine Doppelkolonne, bei welcher die Pelotons sich mit
Sektionsabstand hinter den beiden Pelotons der Mitte formiren.
Kommandos: Colonne d'attaque — Par peloton de droite et de gauche
sur le centre en colonne — Bataillon ä droite et a gauche —
Pas accelere — Marche — oder 4. und 5. Peloton blieben stehen, die
rechts vom 4. stehenden machten links um, schwenkten mit der Tete
halblinks, marschirtcn geradeaus, bogen parallel mit dem 4. auf
Sektionsabstand ein und machten Front. Die links des 5. Pelotons
stehenden verfuhren umgekehrt, jede Seite der Doppelkolonne machte
ein Halbbataillon aus. Das Gi enadierpeloton formirte sich mit Sektions-
abstand hinter der Mitte der Kolonne, konnte aber auch vor dieselbe
genommen werden. - Das Deployiren aus der colonne d'attaque er-
folgte, wie bei der „Masse" im Geschwindschritt, es ist aber, sagt
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180
Aua den Exerzir-Vornchriftcn der ersten Republik
das Reglement, bei der geringen Tiefe dieser Kolonne nicht nötig, die-
selbe erst zur Masse aufschließen zu hissen, „da diese Kolonne niemals
anders als mit Bataillons statthaben soll". Hält der Bataillons-
kommandeur es für nötig, während des Deployirens das Feuer be-
ginnen zu lassen, so beginnen das 4. und 5. Peloton Gliederfeuer,
die anderen ebenso, wenn sie deployirt sind.
Aus der Bataillonsschule ist endlich noch das Sammeln (RaUiement)
zu nennen, das ein auseinander gekommenes Bataillon auf das Trommel-
signal, „Fahnentrupp" um das Fahnenpeloton vereinigen soll.
Deutlicher noch als die Bataillonsschule zeigt uns der folgende
Teil schon durch seine Beziehung „Evolutions de ligne," dafs die
Gedanken der Lineartaktik die leitenden waren und die Richtigkeit
des oben angezogenen Ausspruchs Jomini's im 2. Anhang zu „Precis
de l'art de guerre."
Den „Linien-Evolutionen" legt das Reglement im Allgemeinen
8 Bataillone zu Grunde, bemerkt aber dabei, dafs die gegebenen Regeln
ebenso auf ein Regiment, eine Brigade, sowie auf eine beliebige Ziffer
von Bataillonen anwendbar seien. Sollte eine oder mehrere Brigaden
in „Linie" manöveriren, so erhielten die Bataillone durchgehende
Nummern vom rechten zum linken Flügel. Der kommandirende General
hatte keinen bestimmten Platz, hielt sich aber bei Kolonnenformationen
gewöhnlich an der Tete auf, um dieselben nach seinen Absichten zu
leiten. Bei entwickelter Linie stellen sich die Brigadechefs 50 Schritt
hinter der Mitte ihrer Brigaden auf, bei Kolonnen auf der Richtungs-
seite in dor Höhe der Mitte ihrer Brigaden. Sollen alle Bataillone
der Linie dieselbe Bewegung ausführen, so wird der kommandirende
General dem Bataillon, das ihm zunächst steht, die Hauptkommandos
zurufen, die sich auf diese Bewegung beziehen und der Chef des
Bataillons diese Kommandos wiederholen, die übrigen Bataillonschefs
nehmen die Kommandos ab, lassen dann die „Vorbereitungsbewegungen,
welche der Hauptbewegung vorangehen müssen" von ihren Bataillonen
ausführen (überwacht von den Brigade- und Regimentschefs, die sonst
als stumme Zuschauer zu figuriren scheinen), dann beginnt auf Kom-
mando des Chefs die Hauptbewegung. Hat ein Bataillonschef das
Kommando nicht verstanden, so macht er nach, was die anderen
Bataillone vollziehen. Stehen fremde Truppen mit französischen in
einer Linie, so werden die fremden Bataillonschefs das Hauptkommando
in französischer Sprache geben, dann in der eigenen wiederholen.
Wird eine Linie in mehrere Kolonnen gebrochen, so fungiren die
ältesten Offiziere derselben als Führer.
Bezüglich des Feuers in diesen grofsen Verbänden bemerken
wir nur, dafs das Bataillonsfeuer bei den ungraden Bataillonen
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und des ernten Kaiserreichs.
181
anfangen sollte, die graden erst dann zu feuern hatten, wenn in den
ungraden wieder einige Gewehre geladen waren, Halbbataillons- und
Peloton-, wie Gliederfeuer nach dem, was in der Bataillonsschule
vorgeschrieben war, stattfanden. Der kommandirende General befahl
allemal den Beginn des Feuers und das Stopfen desselben durch
einen Trommelwirbel, wieder ein Beweis dafür, dafs man die ganze
lange Linie von Bataillonen als eine Einheit betrachtete. Im Übrigen
begegnen wir in diesem Teile des Reglements später auch dem Feuer
im Avanciren und Retiriren (die uns aber nicht die Überzeugung
verschaffen können, dafs man das Bataillon als Einheit ansah). Das
Feuer im Avanciren wurde von den ungraden und graden Bataillonen
abwechselnd abgegeben. Der kommandirende General gab dazu die
Kommandos: „Bataillonsfeuer im Avanciren — Ungrade Bataillone
chargirt. u Die Chefs der ungraden Bataillone: n l. Bataillon— Geschwind-
schritt." Die ungraden Bataillone sollten im Geschwindschritt gl eich -
mäfsig dazu 30 Schritt vorwärts marschiren, dann halten, feuern,
laden und im Schnellschritt bis in die Höhe der in der Vorwärts-
bewegung gebliebenen graden Bataillone vorrücken, woselbst wieder
der gewöhnliche Schritt angenommen wurde. Sobald die ungraden
Bataillone auf der Höhe der graden angekommen waren, gingen die
letzteren im Geschwindschritt 30 Schritt vor und verfuhren wie vorher
die ungraden. Auf diese Weise soll fortgefahren werden. Wir haben
also Salven der einzelnen vorgehenden Bataillone zu ver-
zeichnen. Wenn der kommandirende General durch Trommelwirbel
das Aufhören des Feuers im Avanciren anordnete, formirtc Alles wieder
die Linie im gewöhnlichen Schritt. Die Bemerkungen zu diesem Ver-
fahren betonen besonders die Notwendigkeit des Geradeausmarschirens
der Bataillone, damit nicht die Front gestört werde und der Gleich-
mäfsigkeit der Ausführung seitens aller ungraden und graden Bataillone.
Analog wird das Feuer im Retiriren abgegeben. Grundzug: Salven-
feuer der Hälfte der in einem Treffen stehenden Bataillone
gleichzeitig, darauf der anderen Hälfte.
Bei den Artikeln, welche das Abschwenken mit Pelotons und die
Entwicklung der Linie aus dieser Kolonne behandeln, weisen wir nur
darauf hin, dafs die einzelnen Bataillone in offener Peloton-Kolonne
einen Abstand von Peloton-Front und 8 Klaftern von einander halten
sollten.
Künstlich und umständlich erscheint der Übergang aus der Linie
in die geschlossene Kolonne, wobei man immer für richtiges Ab-
marschiren nach der Bataillons-Nummer sorgte, ebenso künst-
. lieh die Entwickelung der Linie aus einer solchen langen Kolonne
von Bataillons- Massen (wohlgemerkt, die Bataillone nicht in der
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182 Aus den Excrzir- Vorschriften der ersten Republik
colonne double oder colonne d'attaque). Soll eine Linie von
8 Bataillonen auf das IV. Bataillon — den rechten Flügel vorn (man
konnte auch den linken Flügel vorn nehmen) — in geschlossener
Kolonne mit Divisionen die Kolonne formiren, so vollzog das
IV. Bataillon die Formation der colonne serree auf die 2. Division
von rechts im Geschwindschritt oder im gewöhnlichen Schritt. Die
Bataillone rechts von den vierten machen links um, ihre IV. Division
tritt, die Tete halb rechts drehend, in verkürztem Schritt an, die III.,
IL, I. und Grenadiere setzen sich mit halb rechts gedrehter Tete im
gewöhnlichen Schrittmafs vor dieselbe. Dann marschiren die in Masse
mit 3 Schritt Abstand zwischen den Divisionen formirten Bataillone
so vorwärts, dafs ihre IV. Division 6 Schritt vor der I. Division des
IV., III., IL Bataillons parallel mit dessen Front einrückt und Front
macht. Die Bataillone links vom IV., also das V., VI., VII., VIII.
verfahren, mit halbrechts ausbiegend, analog, so dafs sie, mit 6 Schritt
Abstand von Queue zu Tete, hinter das IY\ Bataillon gelangen. In
ähnlicher Weise kann man diese tiefe Kolonne mit kleinen Abständen,
den linken Flügel vorgezogen, formiren. Die Ausführung dieser
Formation auf eine der Flügel-Divisionen, Grenadiere des I.
oder 4. des VIII. Bataillons, beanspruchte natürlich noch längere Zeit
und wurde noch schwerfälliger. Nicht sdestoweniggr bezeichnet das
Reglement als Vorteile dieser Formation, dafs sie den Bataillonen
während der Bewegung ihre volle Stärke erhalte, da jedes derselben
eine besondere Masse ausmache, andererseits die wenigste Zeit erfordere,
da jedes Bataillon auf dem kürzesten Wege seine Stelle in der Kolonne
erreiche. Wir werden bei diesen tiefen Kolonnen in Divisions-Massen
wieder an Jomini's Satz erinnert. — Für Bewegungen im Wirkungs-
kreis des feindlichen Geschützes kann man diese Kolonne wohl kaum
als verwendbar bezeichnen, zumal, wenn man sich die Entwicklung
derselben zur Linie näher betrachtet. Diese mufste zweifellos auf
genügende Entfernung vom Gegner erfolgen, da sonst wohl das ganze
Deployiren in Frage gestellt werden konnte. Die für das Deployiren
vorgeschriebenen Bewegungen überzeugen uns wieder, das man die
8 oder mehr Bataillone als ein unzertrennbares Ganze zu
betrachten gewohnt war. Selbst bei einer in Peloton-Kolonne
mit ganzer Distanz marschirenden Kolonne von mehreren Bataillonen
wird statt des Aufmarsches vorwärts vielfach das Deployiren empfohlen.
Der kommandirende General soll dazu zunächst auf Sektions- Abstand
aufschliefsen, darauf die Divisionen formiren, diese zur colonne serree
aufrücken lassen — wenn er es nicht gerade vorzieht, mit Pelotons
zu deployiren. Die Richtung der Tete mufs dabei senkrecht zu der
zu entwickelnden Linie laufen. Wir haben also eine aus der Peloton-
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und de« ersten Kaiserreich«.
183
Kolonne mit ganzer Distanz formirte Anzahl von auf 6 Schritt
hinter einander geschichteten Bataillonen in Masse vor uns,
die nun nach dem Reglement auf jedes Bataillon die Linie entwickeln
— bataillonsweise in Masse deployiren — kann. Soll auf das
IV. Bataillon deployirt werden, so marschirt dieses geradeaus, sobald
die Bataillone, die vor ihm sind und mit rechts um sich auf die
Strecke einer Divisionsbreite 4- 6 Schritt, die sie vom Nebenbataillon
haben sollen, herausgezogen und seine Front frei gemacht haben.
Das IV. Bataillon rückt auf die durch die Jalonneurs bezeichnete
Linie vor und hält. Die Bataillone über demselben gewinnen mit
rechts um, die unter demselben mit links um, im Reihenmarsch in
der colonne serree die Abstände, machen Front und gehen auf die
Höhe des stehenden IV. Bataillons vor. Man hat dann also eine
Linie von 8 Bataillonen in colonne serree mit 6 Schritt
Zwischenraum. Zum Kampfeinsatz mufste diese Linie von Bataillons-
massen noch zur Linie deployiren, was nach dem Reglement auf jede
Division vollzogen werden konnte. Dasselbe führt ein Deployiren auf
die 2. (Toten-) Division des 4. Bataillons vor, welches von dem
kommandirenden General benachrichtigt wird, ehe derselbe das
Kommando giebt: „Sur la seconde division du quatrieme bataillon —
deployez les masses." Nach den Vorbereitungskommandos der
Bataillons-Kommandeure über und unter dem IV. Batl.: „rechts- bezw.
links um" gab der kommandirende General das Ausführungs-Kommando:
„marche" oder „Geschwindschritt marchc", worauf sich rechts 3, links
4 Bataillons-Massen in Reihen parallel zur Frontlinie weiter bewegten,
später divisionsweise hielten, Front machten und, mit 8 Klaftern Ab-
stand von Bataillon zu Bataillon, in die Linie rückten, welche das
unterdefs deployirte IV. Bataillon bezeichnete. Eine Entwickelungs-
bewegung im feindlichen Feuer kann man die näher beschriebene
wohl kaum nennen, dennoch ist dieselbe 1812 wiederholt angewendet
worden.
Bei Kolonnen aus 2 bis höchstens 4 Bataillonen konnte man das
Deployiren mit Bataillonen zur Massen-Linie unterlassen und sofort
zur Linie deployiren. Will der kommandirende General aus einer
Kolonne von Bataillonen in geschlossener Masse Front rückwärts de-
ployiren lassen, so wird Kontremarsch ausgeführt und dann so wie
vorhin verfahren. Einem Deployiren — Front nach der linken
Flanke — mufste erst eine Schwenkung mit den dazu in Reihen ge-
setzten Bataillons-Massen vorausgehen, analog wie dies für das
Bataillon in Masse angegeben worden ist. Bei einer Tiefe von
8 Bataillonen mufs man dies eine lange währende Evolution nennen.
Über den Marsch in Kolonne mit ganzer Distanz und das Ein-
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184
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
schwenken rechts und links zur Linie ist Besonderes nicht zu sagen,
bezüglich der „Kolonne auf dem Marsch" nur, dafs dieselbe ihre
Front nur dann vermindern soll, wenn das Gelände, Engwege u. s. w.,
dies fordern, und dann die Kommandos zum Abbrechen nacheinander
an derselben Stelle zu geben seien. In Betreff der Direktions -Ver-
änderungen einer Kolonne mit ganzer Distanz und der Wurfmanöver
sei bezüglich der letzteren nur darauf hingewiesen, dafs die Gewinnung
der genauesten Distanz nochmals scharf betont wird. Das Schliefsen
der Kolonne mit ganzer Distanz auf Sektions- Abstand oder Abstand
der Masse (3 Schritt) erfolgte nach den für die Bataillons-Schule ge-
gebenen Kegeln, der Abstand von Bataillon zu Bataillon betrug im
ersteren Fall Peloton-Breite, im letzteren Fall t> Schritt. Lber die
Änderung der Direktion einer in Masse geschlossenen Kolonne sprachen
wir oben schon beim Deployiren nach einer Flanke. Auch bei
mehreren Bataillonen formirte man aus der Peloton-Kolonne im Halten
die Kolonne in Divisionen, auch hier konnte in der Inversion ein-
geschwenkt, auch liier successives Einschwenken mit Pelotons (was
natürlich lange dauerte) ebenso wie der Aufmarsch aus der Kolonne
mit ganzer Distanz vorwärts (wobei die hinteren Bataillone mit der
Tete halblinks schwenken, diagonal sich auf ihren rechten Flügel in
der Linie dirigiren, hinter demselben angekommen, die Tete halbrechts
schwenken und dann aufmarschiren liefsen) geübt werden. Umständlicher
noch als diese Bewegung ist die Entwickelung der Linie rückwärts
aus derselben Kolonne. Dasselbe läfst sich von den Formationen
sagen, die durch Vereinigung zweier Bewegungen entstehen, wie z. B.
dio Entwickelung der Linie einer in Kolonno mit ganzer Distanz
marschirenden Anzahl von Bntaillonen auf eine der inneren Abteilungen,
wobei die dieser Abteilung vorhergehenden Bataillone dem Gegner
einige Zeit den Rücken kehren, eine Rückwärtsbewegung, die folgenden
eine Vorwärtsbewegung machen mufsten. — Die Entwickelung von
Kolonnen auf halber Distanz erfolgt nach den bei der Bataillonsschule
angegebenen Regeln.
Dem „Marsch en bataille u , dem Frontmarsch einer langen Iinie
von Bataillonen, wobei ein Bataillon die Richtung übernahm, sowie
dem dabei zu verwendenden umfangreichen Apparat von Guides,
Adjutanten, Fahnen u. s. w. ist ein langes Kapitel gewidmet, welches
als das Wesentlichste das Beibehalten der Zwischenräume und des
Gleichschrittes bezeichnet, wenn der Marsch gelingen soll. Front-
Veränderungen einer Linie von mehreren Bataillonen erfolgen durch
successives Einrücken der Bataillone, die nach Vollzug der nötigen
Schwenkung geradeaus vormarschiren. Als Vorteile dieser Ausführung
von Direktionsveränderungen nennt das Reglement: die Leichtigkeit,
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und des ersten Kaiserreichs.
185
die Linie, ohne sie zu zerstückeln, parallel mit der Front des Feindes
aufzustellen, den Umstand, dafs die en echelons marschirenden Bataillone
sich gegenseitig schützen und im Notfalle vermittelst einer Direktions-
veränderung eine andere Front annehmen können, endlich, dafs die
deployirten Bataillone der feindlichen Artillerie weniger tiefe Ziele
bieten, als Bataillone in Kolonne. Wird es notwendig, vor Vollendung
der Bewegung dem Feinde entgegenzutreten, so hängen sich die
Bataillone, die noch nicht eingerückt sind, im Haken in der Flanke
an. — Beachtenswert für den Charakter des Reglements und das
Festhalten an möglichster Ent Wickelung ohne Inversion sind auch die
Winke für das Durchziehen durch ein Defilec. Ein Ausscheiden von
Bataillonen, die im Sinne einer Arrieregarde den Schutz des Zurück-
ziehens durch den Engweg übernehmen, ist im Reglement nicht vor-
gesehen. Das Durchziehen erfolgt meist in Doppelsektions-, oder wenn
dies thunlich, in Peloton-Kolonne, indem sich diese Kolonnen zweier
Nebenbataillone, oder der Flügelbataillone nebeneinander setzten und
nach dem Durchschreiten des Engweges dann rechts, bezw. links
schwenkten, um baldigst die Linie herzustellen, deren Ganzes als
Einheit galt.
Auch bei 2 Treffen in Linie, die eine Frontveränderung vor-
nehmen, sehen wir in der Hauptsache nur die Pelotonkolonne, Teten-
schwenkungen, Diagonalmarsch, Einschwenken oder Aufmarsch ver-
wenden, wenn die Frontveränderung auf die Mitte erfolgt unter Rück-
wärtsbewegung des einen, Vorwärtsbewegung des anderen Teiles der
Bataillone. Sollte das rechte Flügelpeloton des 1. Treffens das Pivot
bilden und eine zu der bisherigen senkrechten Front eingenommen
werden, den linken Flügel vorgezogen, so setzt der kommandirende
General das rechte Flügelpeloton an, nach dem sich das 1. Bataillon
richtet, die übrigen Bataillone schwenken mit Pelotons rechts, drehen
die Tete halblinks, marschiren auf der Diagonale, dann hinter dem
Punkt, den ihr rechter Flügel erreichen soll, geradeaus, wie das Flügel-
peloton auch bleibt, während die übrigen mit halblinks- und später
halbrechtsschwenken in die Linie einrücken. Im 2. Treffen wird die
Frontveränderung dann auf das 2. Bataillon vollzogen, das 1. mufs
eine Bewegung rückwärts machen, die übrigen verfahren analog den-
jenigen des 1. Treffens. Dabei schiefsen 2 Bataillone 2. Treffens rechts
über, umgekehrt bei Frontveränderungen links. Die Bemerkungen zu
diesen Bewegungen machen es dem Führer des 1. Treffens zur Pflicht,
das Ausführungs-Kommando erst dann zu geben, wenn das 2. Treffen
bereit ist, das die Hauptbewegung zugleich mit dem 1. beginnen soll.
Bei schräger Front wird im 2. Treffen dieselbe Richtungsabteilung
bestimmt, wie im 1. Der Beibehaltung der Parallelität und der Ab-
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18ß
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
stände beider Treffen wird die gröfste Bedeutung beigelegt. Da bei
schrägen Fronten die Abstände der Treffen sich umsomehr verringern,
jo offener der Winkel ist, den die beiden Fronten miteinander bilden,
so mufs das 2. Treffen meist eine Iiückwärtsbewegung machen, um
den richtigen Abstand zu erreichen. Im feindlichen Feuer wohl nicht
besonders zu empfehlen. Dafs man auf das Vordermannhalten der
Treffen auch nach Frontveränderungen Wert legte, geht daraus hervor,
dafs überschiefsende Bataillone des 2. Treffens in das 1. vorgenommen
werden sollten, wenn eine Flankenbewegung des ganzen 2. Treffens
zur Gewinnung des Vordermanns zu gefahrlich erschien.
Kommen wir nun zu den Echelons, so nimmt das Reglement
dabei 2 Fälle an, Bilden der Echelons zu einer feindlichen,
der eigenen parallelen Linie und Echelons, die aus einer
zur feindlichen gewinkelten eigenen Linie parallel zu
ersterer vorgehen sollen. Die Echelons hatten entweder Re-
giments oder Brigadestärke, der Abstand derselben von einander betrug
normal 100 Schritt, konnte aber auch vergröfsert, oder verkleinert
werden. Im ersteren Falle, dem des Vorgehens aus einer zur feind-
lichen parallelen Linie, waren die Bewegungen sehr einfach. Das
erste Echelon trat an, die anderen folgten, zur Gewinnung des vor-
geschriebenen Abstandes die Schritte zählend, mit ihrem äufseren
Flügel auf den inneren des vorderen Echelons (bezw. 8 Klafter Zwischen-
raum von diesem) scharf eingerichtet, so dafs beim Haltenbleiben der
vorderen Echelons durch geradlinigen Vormarsch die starre, geschlossene
Linie wieder hergestellt werden konnte. Im 2. Fall vollzogen die
Echelons eine Frontveränderung durch Abschwenken mit Pelotons
halbrechts bezw. halblinks und Wiedereinschwenken in die neue Linie,
dabei schoben sich die äufseren Flügel der hinteren Echelons mehr
oder weniger, je nach dem Grad der Frontveränderung, hinter die
inneren der vorderen. Im Übrigen verfuhr man wie im ersten Falle.
Auch das Zurückgehen konnte echelonweise vollzogen werden. — Eine
andere Art, in Staffeln zu retiriren war der Rückzug „en
echiquier", wobei zunächst die graden Bataillone Kehrt machten,
100 Schritt zurückgingen, dann Front machten, worauf die ungraden
Bataillone ebenso verfuhren. In den Bemerkungen zu dem Vorgehen
in Echelons aus einer zur feindlichen gewinkelten Front parallel zu
dieser findet sich der Hinweis darauf, dafs es auch hier nicht schwer
sei, die Linie herzustellen, ein Beweis dafür, dafs dem staflelweisen
Vorgehen nicht der Gedanke des Angriffes in Staffeln zu Grunde lag,
man vielmehr mit dieser Bewegung nur die Vorbereitung des Über-
gangs zur entwickelten Linie beabsichtigte. Wir kommen auf diese
Frage bei der allgemeinen Betrachtung über das Reglement von 1791
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und des ersten Kaiserreichs.
187
noch zurück. — Hier sei noch kurz auf die Artikel 13 und 14 des
V. Teiles, die den Schlufs der „Linien-Evolutionen" bilden, hingewiesen.
Artikel 13 beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Durchziehen der
Treffen. Das zurückgehende 1. Treffen formirte 60 Schritt von dem
2. angekommen, Reihenkolonnen durch Rechts- und Linksum, zog sich
durch das seine Sektionen hintereinander schiebende II. im Geschwind-
schritt durch, machte auf dem befohlenen Abstand hinter demselben
Front. Soll das 2. Treffen vorwärts das 1. ablösen, so formirt es,
auf 50 Schritt von diesem angekommen, je 2 Sektionen hintereinander,
des 1. macht rechts um, schwenkt im Geschwindschritt mit der Tete,
geht durch das 2. durch, das sofort die 2. Sektionen deployiren läfst,
während das 1. Treffen mit den Teten linksschwenkt und Front macht,
sobald es 100 Schritt hinter dem 2. angekommen ist. Wieder ein
Beweis für den linearen Charakter der Taktik. — In dem „Vor-
kehrungen gegen Kavallerie" behandelnden Artikel 14 treffen wir zum
ersten Male auf die Bezeichnung „Tirailleur", aber nur in dem
Sinne von „Flankeur", unmittelbaren Schutz gegen einzelne Reiter-
trupps. Das Reglement nimmt eine Kolonne von 4 Bataillonen in
Pelotons mit ganzer Distanz im offenen Lande marschirend an, die
von „Husaren und Kavallerie geneckt' 1 werden könnte. Eine solche
Kolonne schliefst auf Sektionsdistanz auf, läfst im Halten zu Divisionen
deployiren, und wieder auf Sektionsabstand aufschliefsen, die hinteren
Bataillone haben dann von den vorderen je 1 V» Pelotonbreite Abstand,
auf der Höhe dieses Abstandes marschiren rechts und links die Re-
gimentsgeschütze, gefolgt von ihren Munitionswagen. Der komman-
dirende Chef setzt dann die Kolonne im ordinairen oder Marschschritt
wieder in Bewegung und kann, wenn er es für nötig hält, einige
Leute aus den 3. Gliedern der Divisionen heraustreten und 15 bis
20 Schritt seitwärts der Kolonne marschiren lassen, die nach Belieben
auf einzelne Reiter schiefsen. Die Regimentsgeschütze marschiren
innerhalb dieser Leute. So soll die Kolonne ihren Marsch fortsetzen,
bis der Chef merkt, dafs der Gegner sich mit „grofser Macht nähert",
dann läfst er die Tirailleurs wieder eintreten, Halt machen und das
Carree formiren, wozu die vorderen und hinteren beiden Divisionen
auf 1 Schritt aufschliefsen, die übrigen mit Sektionen rechts und links
schwenken, die Regimentsgeschütze sich vor den durch die Munitions-
wagen, eventuell auch durch die Grenadiere geschlossenen Zwischen-
räumen aufstellen, die Führer eintreten. Auf Kommando beginnt das
Gliederfeuer der äufseren Sektionen und das der Regimentsgeschütze.
Reitet der Gegner dennoch an, so schliefsen die inneren Sektionen
dicht auf, die äufseren feuern weiter, bis der Gegner dicht heran ist
und fällen dann das Bajonet, während die inneren ihren Schufs auf
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188
Änderungen in dem französischen Exerzirreglement
den dicht vor den Mündungen befindlichen Feind abgeben und dann
auch das Gewehr fällen. — Ein einzelnes, von feindlicher Kavallerie
bedachtes Bataillon forinirt Divisionsmasse mit Sektionsabstand, lälst
einen Teil der Sektionen rechts und links einschwenken, die letzte
Divisision Kehrt machen. (Fortsetzung folgt.)
XV.
Änderungen in dem französischen Exerzirreglement
für die Infanterie.
Von
Hauptmann Petermann (13. A.-K.).
Das französische Exerzirregelement für die Infanterie vom
3. Januar 1889, welches in den Jahrbüchern s. Zt. (Juli-, August-,
September- und November-Heft 1889) besprochen wurde, hat vor
Kurzem in den Vorschriften über das Gefecht (II. Teil, Abschnitt III
und IV) wesentliche und wichtige Änderungen erfahren, die wir in
Nachstehendem ihrem hauptsächlichen Inhalte nach wiedergeben.
Regeln für die Anwendung der Fenerarten.
Ziffer 36. Im Angriff verlangsamt ein vorzeitiges Schiefsen die
Vorwärtsbewegung und führt zu nutzloser Munitionsverschwendung;
daher ist das Feuer möglichst spät zu eröffnen. In der Verteidigung
ist im Hinblick auf die leichte Munitionsergänzung ein starkes Feuer
gegen den Angreifer zu entfalten, sobald Treffergebnisse erwartet
werden können. In allen Fällen ist das Feuer nach den verfügbaren
Patronen einzurichten und ein hinreichender Vorrat für die Entscheidung
zurückzubehalten. Die Wirkung des Feuers ist mehr in der Genauigkeit
als in der Schnelligkeit seiner Abgabe zu suchen.
Ziffer 37. Der Bataillonskommandeur bezeichnet seinen Offizieren
den zu beschiefsenden Gegner bezw. den unter Feuer zu nehmenden
Teil der feindlichen Linie. Die Kompagniechefs bestimmen die mit
Patronen zu belegenden Punkte, die Feuerart, den Patronenverbrauch,
das Visir, den Beginn und das Ende des Feuers und werden hierin
von den Zugführern etc. unterstützt.
Ziffer 38. Im Gefecht läfst man Ziel aufsitzen. Geschlosseue
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für die Infanterie.
ISO
stehende oder marschirende Abteilungen werden unter 600 Meter mit
dem 400-Meter-Visir, Kavallerie unter 800 Meter mit dorn 600-Meter-
Visir beschossen.
Ziffer 3iJ. Durch das Salvenfeuer wird der Einflufs der Führer
auf die Truppe erhalten, die Vereinigung des Feuers auf einen Punkt
sowie das Einschiefsen erleichtert und der Munitionsverbrauch leicht
geregelt. Das Salvenfcuer soll möglichst lange angewendet und da-
durch dem willkürlichen Schiefsen (Schützenfeuer) vorgebeugt werden.
Die Salven sind so lange als möglich halbzugsweise (par section), auf
dichte, rasch erscheinende Ziele auch zugsweise (par pelotons)
abzugeben. Nach Wegnahme einer Stellung dienen die Salven zur
Verfolgung des Feindes und zur Wiedergewinnung der Herrschaft
über die eigenen Leute.
Ziffer 40. Die Feuergrenzen hängen ab von den Entfernungen,
der Gröfse und Stellung des Ziels, der Geschicklichkeit und dem
inneren Wert der Truppe, sowie von der Menge der verfügbaren
Munition. Im Allgemeinen werden folgende Feuergrenzen gegeben:
800 Meter gegen eine geschlossene Sektion (escouade), 1000 Meter
gegen eine Truppe von doppelter Breite, 1200 Meter gegen einen ge-
schlossenen Halbzug oder zwei Geschütze (section), 1500 Meter gegen
breitere Linien, Zugs- oder Komgagniekolonnen, sowie gegen Artillerie
oder Kavallerie, '2000 Meter gegen Marschkolonnen oder versammelte
Truppen. Diese Grenzen sind nach Lage der Verhältnisse verschiebbar.
Ziffer 41. Das Schützenfeuer (feux a volonte) ist schwieriger
zu leiten, als das Salvenfeuer und eignet sich weniger zur Vereinigung
und Beherrschung des Feuers. Es wird auf nahe Entfernungen ab-
gegeben, wann die selbst beschossene Truppe zum Salvenfeuer nicht
mehr die nötige Ruhe besitzt.
Ziffer 42. Das Schnellfeuer unter Benutzung des Gewehrs als
Einzellader wird in Augenblicken der Entscheidung angewendet.
Ziffer 43. Von der Mehrladevorrichtung wird nur auf An-
ordnung der Offiziere Gebrauch gemacht. Vor Beginn des Gefechtes
und während desselben bei jeder Gelegenheit ist das Magazin zu füllen.
Bemerkungen: Die Anklänge vorerwähnter ,, Regeln für die
Anwendung der Feuerarten'' an die deutschen Vorschriften sind un-
verkennbar, wenn französischerseits auch die Feuergrenzen weiter
hinausgeschoben sind und das Salvenfeucr als Hauptfeuerart angeschen
wird. Gerade in diesen beiden Abweichungen aber erfährt eine
Schwäche der Franzosen einen deutlichen Ausdruck. Es erscheint
fraglich, ob bei den weitgesteckten Feuergrenzen das empfohlene
Haushalten mit der Munition, und mit dem Salvenfcuer die erstrebte
Schiel'sgenauigkeit vereinbar ist. Das Schiefsen auf weite Entfernungen
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190
Änderungen in dem französischen Exerzirreglemeut
nach Mafsgabe des weittragenden Gewehrs entspricht der Lebhaftigkeit
der Franzosen, welcher andererseits durch das Salvenfeuer die nötigen
Fesseln angelegt werden sollen. Durch die Bestimmung der Ziffer 41
weifs ein künftiger Gegner der Franzosen genau, wann bei denselben
die Führung bezw. die Feuerleitung im Gefecht versagt, nämlich in
dem Augenblick, in welchem das Salvenfeuer aufhört und das Schützen-
feuer beginnt. Hiermit wird im Ernsfalle zu rechnen sein.
Die Aufklärer (Gefechtspatrouillen) der Infanterie. Das rauch-
lose Pulver, die Treffgenauigkeit, die Durchschlagskraft und die Feuer-
schnelligkeit der jetzigen Gewehre machen einen gedeckten Gegner
unsichtbarer und die unter Feuer gehaltenen Strecken gefährlicher.
Infolge dessen ist die Erkundung der feindlichen Stellungen für die
Kavallerie äufserst schwierig geworden. Dagegen werden gut geschulte
Aufklärer der Infanterie (Gefechtspatrouillon) unter Ausnutzung der
Bodenbeschaffenheit sich nahe an den Feind heranschleichen und
ziemlich genaue Nachrichten bringen können behufs Vermeidung von
Überraschungen. Es ist daher notwendig, dafs jeder Infanterie-
truppenteil seine Aufklärer besitzt. Nachstehende Vorschriften be-
zwecken, diesen Dienstzweig in seinem allgemeinen Rahmen zu be-
stimmen.
Ziffer 1. Bei jeder Kompagnie werden zwei Mann in jeder
Sektion (escouade), — sonach 16 Mann bei Friedens- und 32 Mann
bei Kriegsstärke, — für den Aufklärungsdienst besonders ausgebildet.
Diese Leute müssen ein scharfes Auge haben, aufgeweckt, gute Schützen
gute Marschirer und sonst tüchtig sein. Der Bataillonskommandeur
oder, sofern die Kompagnie selbstständig auftritt, der Kompagniechef
bestimmt die Zahl der jeweils zu verwendenden Aufklärer und den
Offizier oder Unteroffizier, welcher sie zu führen hat.
Ziffer 2. Grundsätzlich dienen die Aufklärer je ihrer Kompagnie.
Ihre bataillonsweise Verwendung bildet die Ausnahme.
Ziffer 3. Der Abstand der Aufklärer von der zu deckenden
Truppe hängt ab vom Feinde, von dem besonderen Auftrage und von
den Gelände- etc. Verhältnissen.
Ziffer 4. Die Aufklärer bleiben in beständiger Verbindung mit
ihrer Kompagnie durch alle möglichen Mittel, unter Umständen durch
Verbindungsleute, welche der Kompagniechef nach und nach absendet.
Ziffer 5. Die Aufklärer von zwei Kompagnien sollen sich gegen-
seitig unterstützen.
Ziffer 6. Innerhalb der Kompagnie werden den Aufklärern alle
möglichen Erleichterungen gewährt.
Ziffer 7. In den Pässen wird über die Ausbildung als Aufklärer
ein besonderer Vermerk gemacht.
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für die Infanterie.
191
Ziffer 8. Ein Offizier, welchem drei Unteroffiziere beigegeben
sind, besorgt im Anschlufs an die allgemeine Unterweisung der Mann-
schaften die besondere Ausbildung der Aufklärer der Kompagnie. Er
lehrt sie die grofsen Entfernungen und die Stärke entfernter Truppen
schätzen. Er übt sie auf ihre Aufgabe im Gefecht ein, vorzugehen,
ohne eine gewisse Grenze zu überschreiten, sich an den Feind heran-
zuschleichen und seine Verteidigungsarbeiten zu erkunden. Endlich
unterweist er die Aufklärer im Meldewesen. — Diese Übungen werden
in wechselndem Geländo vorgenommen. — Der Bataillonskommandeur
richtet ein scharfes Augenmerk auf die Ausbildung seiner Aufklärer.
Bemerkungen. Der Gedanke und die Absicht, welche diesen
neuen Bestimmungen über den Gefechts-Aufklärungsdienst zu Grunde
liegen, entsprechen ohne Zweifel den thatsächlichen Verhältnissen
und Bedürfnissen; ob aber in der angegebenen Weise der Zweck
erreicht wird, ist eine offene Frage. Zunächst erregt die grofse Zahl
der Aufklärer Bedenken, da dem Bataillon bei ausgiebiger Ver-
wendung dieser Leute über 100 Gewehre im Gefecht mehr oder
weniger entzogen werden. Sodann erscheint die rechtzeitige und
sichere Bedienung der Truppe bei der langsamen Bewegung der Auf-
klärer zweifelhaft. Bis die Meldungen der Letzteren eintreffen, ist
der Truppenführer meist selbst im Stande, die Verhältnisse des Feindes
richtiger zu beurteilen. Der Beginn des Gefechtes selbst ward in den
meisten Fällen erst die volle Aufklärung über die wirkliche Sachlage
bringen. Einem aufmerksamen Verteidiger wird das Herankommen
der Aufklärer nicht entgehen, er wird Mafsnahmen treffen, dafs die
meisten derselben nicht mehr zurückkehren.
Gefecht der Kompagnie.
Ziffer 1. Im Bataillonsverbande ist die Kompagnie auf beiden
Seiten durch andere Truppen gesichert, ihre Thätigkeit ist gerade
nach vorwärts gerichtet, rückwärts wird sie durch andere Kompagnien
unterstützt, sie kann daher mit allen ihren Teilen ohne Ablenkung
an der Entscheidung mitwirken. — Die selbstständig auftretende
Kompagnie kann in der Front und nach den Flanken zu kämpfen
haben; sie soll sich bis zur Entscheidung einen Teil ihrer Reserve
als letzte Hilfe zurückhalten. Die Kampfesweise der Kompagnie ist
beim Angriff und in der Verteidigung verschieden; in jedem Falle ist
aber der feste Wille, zu siegen, die erste Gewähr für den Erfolg.
Angriff.
Ziffer 2. — „Nur der Angriff' kann Erfolge erringen." Dieser
Grundsatz mufs der militärischen Erziehung als Grundlage und bei
allen Übungen als Leitstern dienen.
Jahrbücher für die Deutsche Armee und JUrine. Bd. VIIIC. 2. 13
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lyo Änderungen in dem französischen Exerzirreglement
Ziffer 3. Jede Truppe, welche gegen den Feind niarschirt, deckt
sich durch Aufklärer.
Ziffer 4. Die Gefechtsfront der Kompagnie hängt von ihrer
Stärke und ihrer taktischen Stellung ah. Eine Kompagnie mit 200 Ge-
wehren nimmt ungefähr eine Frontausdehnung von 150 Metern ein. —
1. Die Kompagnie im Bataillonsverband.
Ziffer 5. Vorgehen der Aufklärer. — Gemäfs dem Befehl des
Bataillonskommandeurs bezeichnet der Komgagniechef die vor-
zuschickenden Aufklärer und steigt ab. Die Aufklärer halten sich
in dem Gefechtsbereich ihrer Kompagnie, gehen entweder in kleinen
Trupps oder aufgelöst unentwegt gegen den Angriffsgegenstand vor.
In ebenem, freiem Gelände wird der Abstand zwischen Aufklärer und
Kompagnie nicht unter 5(H) Meter betragen dürfen. Sie bezeichnen
die Übergangspunkte , die zu Halten geeigneten Stellen und werfen
die Aufklärer des Feindes zurück. In bedecktem und durchschnittenem
Gelände gehen sie bis an die Stelle vor, welche ihnen der Kompagnie-
chef bezeichnet hat. Konnte diese Stelle nicht bestimmt werden, so
gehen die Aufklärer nicht so nahe an die feindliche Infanterie heran,
dafs ihre Lage gefährlich werden, oder ihre Kompagnie sich nicht
mit ihnen vereinigen könnte, aber doch so nahe, um die Stellungen
der feindlichen Artillerie und Infanterie erkennen und ihre Feuerabgabe
beunruhigen zu können. In diesem Augenblick besetzen sie das Ge-
lände, einige Leute werden entsandt, um die Erkundung der feind-
lichen Stellung zu vervollständigen. Die Aufklärer erwarten das
Herankommen ihrer Kompagnie und suchen durch ihr Feuer das
Einrücken derselben in die Gefechts-Linie zu erleichtern. Der Führer
der Aufklärer sammelt die Meldungen einschliefslich der auf das
Schiefsen der Artillerie Bezug habenden, prüft sie nach Möglichkeit
und giebt sie weiter. Der Kompagniechef hält sich mit demselben
in Verbindung.
Ziffer G. Die Aufgabe der Aufklärer ist abgeschlossen, sobald
sie wieder mit der Komgagnie vereinigt sind.
Ziffer 7. Vormarsch der Kompagnie. — In bedecktem und durch-
schnittenem Gelände läfst der Kompagniechef seine Truppe diejenigen
Formationen annehmen, welche dieselbe dem Blicke und dem Feuer
des Feindes am meisten entziehen.
Ziffer 8. Sobald die Kompagnie die Aufklärer erreicht, läfst
der Kompagniechef dieselbe entweder ganz oder teilweise in die Ge-
fcchtslinie einrücken, wobei nicht aus den Augen verloren werden
darf, dafs von vornherein möglichst viele Gewehre in Thätigkeit ge-
bracht werden müssen, um sich die Feuerüberlegenheit zu sichern.
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für die Infanterie.
193
Keinesfalls läfst der Kompagniechef einen Teil seiner Truppe zurück,
wenn derselbe nicht gedeckt ist.
Ziffer 9. Die Kompagnie geht rasch vor. Sobald sie zur Er-
widerung des feindlichen Feuers gezwungen wird, geht sie von Deckung
zu Deckung und sucht sich recht nahe der feindlichen Linie ein-
zunisten, um dieselbe durch ihr Feuer niederzukämpfen und dann
zum Sturm zu schreiten.
Ziffer 10. Wenn sich das Gefecht auf ebenem und freiem Ge-
lände abspielt, so richtet sich der Kompagniechef nach folgenden
allgemeinen Vorschriften. Während des Vormarsches befindet sich die
Kompagnie im Flankenmarsch in Halbzügen oder besser in Zügen,
je mit so grofsen Seitenabständen als sie die Gefechtsfront der
Kompagnie zuläfst.
Ziffer 11. Erleidet die Kompagnie in dieser Gliederung zu
starke Verluste, - auf 1300 Meter von der feindlichen Infanterie,
so bildet der Kompagniechef die Linie mit geöffneten Rotten oder in
einem Gliede. Zur Erleichterung des Marsches und des Salvenfeuers
bleiben einige Schritte Abstand zwischen den Halbzügen.
Ziffer 12. Die Kompagnie geht in dieser Ordnung vor, erreicht
die Linie der Aufklärer und sucht weiter Raum zu gewinnen. Die
Richtung ist nach der Mitte.
Ziffer 13. Sobald ohne Feuer nicht mehr weiter vorzukommen
ist, nimmt der Kompagniechef kräftig das Feuergefecht auf. Er be-
zeichnet den Angriffs-Gegenstand, das Feuer beginnt auf der ganzen
Linie und womöglich mit Halbzugssalven.
Ziffer 14. Alsdann geht die ganze Kompagnie von Stellung zu
Stellung vor; Feuer und Vormarsch wechseln ab, die Leute drängen
sich nach der Mitte zusammen.
Ziffer 15. Der Kampf wird in dieser Weise entweder lediglich
mit den Kräften der Kompagirie oder mit Hilfe der Unterstützungs-
kompagnien weitergeführt.
Ziffer 16. Etwa 400 Meter vom Feinde wird das Bajonnctt
aufgepflanzt und zum Schnellfeuer auf der ganzen Linie übergegangen.
Ziffer 17. Hält der Feind seine Stellung, so macht die Kompagnie
einen oder mehrere Sprünge, je nach der Ermüdung der Mannschaften
und den Schwierigkeiten des Geländes. Jedem Sprunge folgt un-
mittelbar ein kurzes Schnellfeuer. Wenn auf 300 Meter der Feind
noch widersteht, rücken neue Reserven in die Linie ein, die Kompagnie
nimmt rasch eine letzte Stellung, feuert aus dem Magazin und stürzt
sich unter hinreifsender Anfeuerung der Offiziere und Unteroffiziere,
welche sich an die Spitze setzen und mit Hilfe der Truppen zweiter
Linie zum Sturm mit dem Rufe: Vorwärts, zum Bajonnett! (en avant!
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Änderungen in dem französischen Exerzirreglement
ä la bai'onnette!). Dieser letzte Teil des Kampfes mufs mit gröfster
Kraft durchgeführt werden.
Ziffer 18. Auch zögert der Kompagniechef nicht, ohne die
Mitwirkung der Rückhaltstruppc (reserve) den Angriff auszuführen,
wenn es ihm möglich ist, die feindliche Stellung durch einen kühnen
Streich zu nehmen.
Ziffer Ii*. Gelingt der Angriff, so nimmt die Kompagnie eine
günstige Stellung ein, um den Feind durch Feuer zu verfolgen. —
Auf gegebenen Refehl wird die Kompagnie gesammelt.
Ziffer 20. Mifslingt der Angriff, so sammelt der Kompagniechef
die Kompagnie so rasch als möglich und bereitet die Erneuerung des
Angriffs vor; denn das Vorgehen ist immer vorzuziehen, indem der
Rückzug, wenn er auch noch so schnell ausgeführt wird, die gröfsten
Verluste bringt. Die Sammlung geschieht möglichst halbzugsweise
(par section). Hei Vermischung der Verbände sammeln sich die Leute
unter dem nächsten Offizier oder Unteroffizier.
Ziffer 21. Der Kompagniechef ist an keinen bestimmten Platz
gebunden; er wacht Uber die Einhaltung der Marschrichtung und
hält sich während des Gefechtes- an dem für die Leitung günstigsten
Punkte auf. Ihm stehen ein Unteroffizier und zwei Mann zur Ver-
fügung, um seine Befehle zu erteilen und dem Bataillonskommandeur
sein Munitionsbedürfnifs zu melden. — Sobald die Kompagnie ge-
öffnete Rotten oder ein Glied bildet, begeben sich die Halbzugsführer
vor ihre Halbzüge und leiten den Vormarsch. Mit Beginn des Feuers
treten sie hinter die Mitte.
2. Die selbstständige Kompagnie.
Ziffer 22. Die Kompagnie kämpft im Allgemeinen im Bataillons-
verband. Ist sie aber selbstständig, so schickt der Kompagniechef
seine Aufklärer vor, giebt seine Befehle und wirft seine Halbzüge
nach Bedürfnifs ins Gefecht. Er wacht über die Sicherheit der Flanken
und hält immer eine Reserve für alle Fälle oder zum Sturme zurück.
— Er richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen für das Gefecht
der Kompagnie im Bataillonsverbande.
Bemerkungen. Zu Ziffer 4. Die Gefechtsfront einer Kriegs-
kompagnie ist mit 150 Metern zu grofs bemessen. Dieser Mafsstab
führt bei gröfseren Verbänden zu Ausdehnungen, welchen die nötige
Tiefe fehlt, um die Gefechtskraft der vorderen Linie frisch zu erhalten.
Zu Ziffer 5- 22. Es ist zwar wohl denkbar, dafs sich der
Angriff in der geschilderten Weise unter Umständen einmal durch-
führen läfst; es ist aber andererseits unrichtig, eine Gefechtshandlung,
welche sich in jedem einzelnen Falle unter dem Einflüsse anderer
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fiir die Infanterie.
195
Verhältnisse und Kräfte vollzieht, bis in die kleinste Einzelnheit in
starre reglementarische Formen bannen zu wollen. Dieser Fehler des
französischen Reglements, den Angriff zu schematisiren, kann im
Ernstfall nicht ohne bedenkliche Folgen bleiben. Wird nämlich die
Infanterie eines ganzen Heeres auf eine und dieselbe Art der Durch-
führung des Angriffs ohne jeden Spielraum gewissermaßen gedrillt,
so entsteht naturgemäfs ein allgemeiner Glaube an die Unfehlbarkeit
dieses Rezepts. Erweist sich nun aber im ersten wirklichen Geschofs-
regen der regleraentarische Angriff als undurchführbar und die ein-
gelebte Form als nicht stichhaltig, so schwindet im Handumdrehen
das Vertrauen der Truppe in die Führung und hiermit zugleich die
Disziplin. — Wenn die Franzosen auch Manches mit Geschick aus
dem deutschen Exerzirreglement in das ihrige herübergenommen haben,
so ist ihnen zu unserer Befriedigung doch die Hauptsache nicht ge-
glückt, nämlich den Geist unseres Reglements zu übertragen. Der
Geist allein ist es, welcher die todten Formen belebt, und wer im
nächsten Kriege die Überlegenheit des Geistes besitzt, ist überhaupt
überlegen. —
Die Verteidigung.
Ziffer 23. Die Stärke der Verteidigung beruht hauptsächlich
auf dem Feuer und der einsichtigen Ausnutzung des Geländes. Grund-
sätzlich wird der Gedanke einer passiven Verteidigung durchaus ver-
worfen. Die aktive Verteidigung, die einzige welche man in Betracht
zieht, soll in der Wahl des Geländes und in der abwartenden Stellung
nur einen Kräftezuwachs und das Mittel suchen, das Gefecht in eine
Stellung zu lenken, welche sie kennt, um den Feind am sichersten
und unter den günstigsten Bedingungen zu schlagen.
1. Die Kompagnie im Bataillonsverbande.
Ziffer 24. Die Front der Kompagnie im Bataillonsverbande
kann bis zu 200 Meter betragen, ohne dafs es nötig ist, dieselbe in
ihrer ganzen Länge gleichmäfsig stark zu besetzen.
Ziffer 25. Wenn der Kompagniechef den Befehl zur Besetzung
einer Verteidigungsstellung erhält, führt er die Kompagnie an den
bezeichneten Platz und schickt Auf klärungspatrouillen zur Beobachtung
des Feindes vor. Diese Patrouillen vereinigen sich mit denjenigen
der Nachbarkompagnien.
Ziffer 26. Der Kompagniechef ergänzt und vermehrt mit allen
möglichen Mitteln den Patronenvorrat. Alsdann schreitet er zur Er-
kundung der Vorteile, welche die Stellung hinsichtlich des Angriffs
und der Verteidigung darbietet, zur Erkundung der Verteidigungslinie
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Änderungen in dem französischen Exerzirreglement
und der Annäherungswege zu derselben, der Verbindungslinien nach
vorwärts und rückwärts, der Sammelplätze und der Rückzugslinie.
Ziffer 27. Nach beendeter Erkundung bezeichnet der Kompagnie-
chef jeder Abteilung die einzunehmende Stellung, sowie die auszu-
führenden Verteidigungsarbeiten : Verhaue, Schützengräben, Deckungen ;
Verschanzungen etc. Jeder Abteilungsführer erforscht sofort nicht
nur das Gelände vor sich, sondern auch dasjenige vor den Neben-
abteilungen, bezeichnet die Entfernungen und giebt sie seinen Unter-
gebenen an.
Ziffer 28. Wenn das Gefecht nicht sofort begonnen werden
soll, so sendet der Kompagniechef nur die zur Beobachtung des Ge-
ländes und zur Ausführung der Arbeiten nötige Zahl Leute vor und
läfst die Kompagnie, der Sicht des Feindes entzogen, in der ihm be-
zeichneten Wartestellung.
Ziffer 29. — Bei Annäherung des Feindes melden die Patrouillen
Stärke, Mafsnahmen, Angriffsrichtung desselben dem Kompagniechef;
ihr erster Widerstand kann den Feind zur Entwicklung und zur
Enthüllung seiner Absichten zwingen. Der Kompagniechef trifft hier-
nach seine letzten Mafsregeln. Sobald der Angriff beginnt, läfst der
Kompagniechef die Stellung besetzen. Er verwendet seine Truppe in
der Verteidigungslinie, wie es die Erleichterung des Feuers und die
Gefechtslage erheischen. Um sich die Feuerüberlegenheit von vorn-
herein zu sichern, kann der Kompagniechef die ganze Kompagnie in
vorderer Linie verwenden; eine etwa zurückgehaltene Abteilung mufs,
in Schützengräben etc. gedeckt, sehr nahe an der Verteidigungslinie
sein. Um die Feuerabgabe und den Übergang zum Angriff zu er-
leichtern, läfst er Zwischenräume in der Verteidigungslinie.
Ziffer 30. Sobald das Feuer wirksam sein kann, wird es mit
Halbzugssalven eröffnet. Seine Heftigkeit richtet sich nach den Ent-
fernungen und der Wichtigkeit des Zieles. Kleinere Abteilungen
können zur Beschiefsung der Rückhaltstruppen des Feindes bestimmt
werden, während die übrigen Teile der Kompagnie sich gegen die
feindliche Schützenlinie wenden.
Ziffer 31. Sobald der Angreifer seine Linie behufs Erlangung
der Feuerüberlegenheit verstärkt, wird die Verteidigung mit Unter-
stützung der noch verfügbaren Halbzüge oder der Reservekompagnien
des Bataillons fortgesetzt. Die Gegenstöfse werden durch die Reserve-
kompagnien ausgeführt.
Ziffer 32. Mißlingt der Angriff, so verfolgt der Verteidiger den
Feind durch Feuer und ergreift kräftig die Offensive. Gelingt der
Angriff, so zieht sich die Kompagnie unter dem Schutze des Feuers
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für die Infanterie.
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der geschlossen gebliebenen Abteilungen zurück und sammelt sieb an
vorher erkundeter und vom Bataillons-Kommandeur bezeichneter Stelle.
Ziffer 33. Sofern nicht anders befohlen, verläfst man die
Stellung nur in äufserster Not nach heftigster Verteidigung.
2. Die selbstständige Kompagnie.
Ziffer 34. Der Kompagniechef sendet Patrouillen in Front und
Flanke ab, hält seine Kompagnie, der Sicht des Feindes entzogen,
zurück und botreibt die Erkundung. Alsdann giebt er seine Befehle,
bestimmt die Abteilung, welche die Verteidigungslinie einzunehmen
hat, bezeichnet die auszuführenden Arbeiten und die zur Flanken-
deckung zu treffenden Mafsnahmen. Zur Ausführung eines Gegen-
angriffs oder zur Deckung des Rückzuges hält er sich immer eine
Reserve zurück.
Bemerkungen. Wie der Angriff, so ist auch die Verteidigung
durch vorstehende Bestimmungen in die Schablone gezwängt. Den
Kompagniechefs ist auf diese Weise das Geschäft sehr leicht gemacht,
sie verfahren Punkt um Punkt nach der Vorschrift und lassen im
Übrigen dem Gange der Dinge ihren Lauf. Von der geistigen Ver-
arbeitung des Gefechtsgedankens, welche das deutsche Reglement von
den Führern verlangt, ist im französischen Heere keine Rede. An
der Hand des französischen Reglements vermag vielmehr jeder Laie
ein Gefecht durchzuführen, freilich nur auf dem Excrzirplatz und ohne
wirklichen Gegner. Im Ernstfälle wird sich bald zeigen, dafs die Er-
eignisse mächtiger sind, als der Buchstabe der Vorschrift.
Gefecht des Bataillons.
Angriff.
Ziffer 1. Die Gefechtsgliederung des Bataillons besteht in der
durch eine oder mehrere Kompagnien gebildeten Gefechtslinie und in
der Reserve, welche aus den übrigen Kompagnien gebildet wird.
Ziffer 2. Die Front des Bataillons hängt von dem Gefechts-
gegenstand und der taktischen Lage ab. — Die Gefechtslinie des im
Regiments -Verbände kämpfenden Bataillons umfafst im Allgemeinen
zwei Kompagnien und die Frontlänge des Bataillons mit 800 Gewehren
beträgt ungefähr 300 Meter ausschliefslich der Hälfte des Zwischen-
raumes bis zur nächsten taktischen Einheit.
1. Das Bataillon im Regimentsverbande.
Der Angriff wird in der Regel durch Artillerie und unter Um-
ständen durch das Feuer einer Infanterieabteilung aus günstiger
Stellung vorbereitet.
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108 Änderungen in dem franzosischen Exerzirreglement
Ziffer 3. Sobald der Bataillons-Kommandeur den Befehl zum
Angriff erhalten hat, versammelt er die Kompagniechefs, den Führer
der Aufklärer, womöglich auch die übrigen Offiziere und bestimmt
die Kompagnien für die Gefechtslinie, die Zahl der Aufklärer, die
Verbindungsleute, er bezeichnet ferner den AngrifFsgegenstand und
den Platz für den Flaggenträger.
In Ziffer 4 — 13 wird der Gang des Angriffs in ganz ähnlicher
und gleichermaßen eingehender schematischer Weise vorgeschrieben,
wie dies oben für die Kompagnie angegeben ist. Neu ist nur die
Bestimmung, dafs die Kompagnien zweiter Linie der vorderen Gefechts-
linie auf 400 — 500 Meter zu folgen haben. Wenn die Reserve-
kompagnien keine Deckung finden können, so bleiben sie etwa 300 Meter
hinter den Flügeln der Gefechtslinie.
Ziffer 14. Während des Vormarsches und des Gefechtes über-
wacht der Bataillons-Kommandeur von dem geeignetsten Punkte aus,
ohne sich in Einzelheiten zu mischen, den Gang der Dinge und ver-
leiht dem Angriff immer wachsende Kraft bis zum Entscheidungs-
augenblicke. Vermittelst besonders ausgewählter Leute hält er sich
mit den Kompagniechefs in Verbindung, läfst ihnen aber volle Freiheit
in Ausnutzung ihrer Streitkräfte etc.
Ziffer 15. Für jede Kompagnie der Gefechtslinie regelt der
Kompagniechef den Vormarsch in der ihm zugewiesenen Zone, bestimmt
die Länge der Sprünge, die Richtung und die Lebhaftigkeit des Feuers.
Das ersprießliche Zusammenwirken der Kompagnien ist eine wesent-
liche Pflicht, welche die militärische Ehre der Kompagniechefs „ver-
pfändet."
Ziffer 16. Der Munitionsersatz etc. ist Sache des Bataillons-
Kommandeurs.
In Ziffer 17 ist bestimmt, dafs die berittenen Offiziere absitzen,
sobald die Aufklärer vorgeschickt werden.
In Ziffer 18 ist das hinhaltende Gefecht besprochen.
2. Das selbstständige Bataillon.
Den bisherigen Vorschriften tritt folgender Satz hinzu: Während
das Bataillon den Feind in der Front bedrängt, kann es einen Teil
seiner Kräfte zu einem Flankenangriff verwenden, welcher selbst der
Hauptangriff werden kann. Beide Angriffe müssen gleichzeitig und
im Entscheidungsaugenblick mit gleicher Kraft durchgeführt werden.
Verteidigung.
Der Abschnitt über das Bataillon im Regimentsverband erhält
nachstehende Änderungen: Zwei Kompagnien bilden in der Regel die
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für die Infanterie.
10«.»
Gefechtslinie, welche bis zu 400 Meter ausgedehnt werden kann. —
In Ermangelung von Deckungen nehmen die Reserven dio geeignetste
Gliederung an und werden meistens hinter den Fügein oder hinter
den Zwischenräumen der Gcfechtslinie aufgestellt. — Nach Mafsgabe
der Annäherung des Feindes und der Heftigkeit seines Feuers ver-
stärkt ein Teil der Reserve die Gefechtslinie. —
In dem Abschnitt über das selbstständige Bataillon tritt folgende
Änderung ein: Die Gefechtslinie mufs von vorn herein genügend
stark besetzt werden; man verwendet dazu in der Regel eine Kompagnie,
zwei Kompagnien werden zurückgehalten, decken die Flanken u. s. w.
Die vierte Kompagnie bleibt in Reserve. Ein Teil dieser Kompagnie
dient in der Regel zur Ausführung von Gegenstöfsen oder zur Be-
drohung der feindlichen Flanken. —
Bemerkungen. Die Beurteilung der Bestimmungen über das
Gefecht der Kompagnie greift auch bezüglich des Gefechtes des
Bataillons Platz. Die Selbstständigkeit und die freie Entschlufsfassung
der Bataillonskommandeure sind durch die ins Einzelne gehenden
Vorschriften auf das denbar kleinste Mafs beschränkt, eine Gefechts-
übung verläuft wie die andere, für die Bethätigung hervoragender
Führereigenschaften ist kein Raum gegeben, Alles vollzieht sich im
Zwange starrer Formen, welche in der Hitze des Gefechts zur un-
kenntlichen Schlacke zusammenschmelzen werden. — 6.
XYI.
Zur Geschichte
der Adjustirung der österreichischen Armee.
Von
A. Dittrich, k. k. Landwehrhauptmann.
(Sclilufs.)
Die dem Ende des siebenjährigen Krieges folgenden Änderungen
waren umso bedeutender und zahlreicher, als Kaiser Josef II. schon
1765 die Leitung der Militärangelegenheiten übernahm und ver-
schiedene schon längst beabsichtigte Änderungen nur wegen des
Krieges nicht hatten ausgeführt werden können. Leider wurden diese
Änderungen nicht immer nach einem einheitlichen System angeordnet
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•200 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
und oft wurde eine Neuerung, bevor sie noch erprobt worden war,
durch eine entgegengesetzte Einrichtung verdrängt. Jedes Jahr brachte
eine Reihe mehr minder bedeutender Reformen, von denen hier nur
die wichtigsten angeführt werden können. Zudem waren sehr viele
dieser Reformen nichts weniger als zweckmäfsig, was freilich nicht
dem in allen andern Dingen seiner Zeit voraneilenden Monarchen, als
den barocken Anschauungen seiner Zeitgenossen, die auch anderwärts
im Unschönen und Unzweckmäfsigen Grofses leisteten, beizumessen war.
Die Kleidung wurde noch enger und steifer, die Kopfbedeckung
schwerer und das Riemenzeug breiter gemacht. Die Offiziere aller
Truppengattungen erhielten Stiefel, die nur bei den ungarischen Re-
gimentern nicht über die Knie reichten. Die Haarlocken an den
Schläfen wurden abgeschafft und es wurde die „Frisur mit Puder
und Schmiere und geradem Zopf — dessen Länge und Stärke genau
vorgeschrieben war — eingeführt.
Von weit gröfserer Bedeutung dagegen war es, dafs die Beschaffung
der Montur und aller Ausrüstungsgegenstände den Obersten entzogen
und den neuerrichteten Montur-Koinmissionen übertragen wurde. Alle
Bekleidungsstücke mufsten in diesen Anstalten genau nach den von
dem Hofkriegsrate genehmigten Mustern hergestellt werden. Da bisher
viele Regimenter Aufschläge von gleicher Farbe hatten, letztere aber
von den Inhabern nach Belieben geändert wurden, so wurde nun die
Farbe der Aufschläge und Westen der Infanterie, Grenzer und der
„deutschen Kavallerie" (Kürassiere und Dragoner) genau bestimmt.
Bei den anderen Truppen war dieses schon früher geschehen. Je
zwei Regimenter erhielten gleichfarbige Aufschläge und unterschieden
sich von einander durch weifse und gelbe Knöpfe. Man nannte diese
zwei Regimenter Gegen-Regimenter und die ungarischen Regimenter
welche die gleichen Farben trugen, die Neben-Regimenter. Im Laufe
der Zeit haben jedoch viele Regimenter die damals bestimmte Farbe
der Aufschläge wiederholt geändert.
Die deutsche und ungarische Infanterie, die Grenzer und einige
kleinere Truppenkorps erhielten statt der Hüte Casquets von starkem
Leder und vorn mit einem Messingschild und einem weifsen Bande
geziert oder auch (bei den Grenzern) von „gesteiftem" schwarzen
Filz. Die Bagage der Mannschaft war bisher entweder auf Wagen
mitgeführt oder in sehr verschiedenartigen „Brodbcuteln" und „Schnapp-
säcken" getragen worden. Nun wurden Tornister aus Kalbfell ein-
geführt, die an einem breiten Riemen über die Schulter gehängt ge-
tragen wurden. Die Hüte der Kürassiere und Dragoner wurden mit
aufrecht stehenden Federstutzen geziert.
Die Artillerie, die Pontonniere und die einige Jahre später von
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 201
der Artillerie ganz getrennten Mineure wurden in ihrer Bekleidung
nur wenig geändert, nur erhielten sie rückwärts aufgestülpte Hüte
mit einem kleinen Federstutz, nach einigen Jahren aber ähnlich ge-
staltete Casquets ohne alle Verzierung. Die früher und später wieder-
holt errichteten, aber immer wieder aufgelösten Pioniere waren ähnlich
gekleidet, nur trugen sie wie noch gegenwärtig hechtgraue Röcke
mit grünen Aufschlägen.
Die mit grünen Röcken bekleideten Dragoner wurden inCheveaux-
legers umgewandelt und erhielten statt der Hüte Casquets, die mit
einem Federstutze geziert waren. Diese Waffengattung wurde übrigens
wiederholt schon früher genannt und wurden später noch mehrmals
Dragoner in Cheveauxlegers und diese wieder in Dragoner umgewandelt.
Josef II. pflegte mit Vorliebe die grüne Uniform seines Cheveauxlegcrs-
Regimenta zu tragen. Die sehr verschiedenartige Adjustirung der
Husaren-Regimenter wurde insoweit geregelt, dafs jedes Regiment
leicht unterschieden werden konnte. Doch gab es noch dunkel- und
lichtblaue, hell- und dunkelgrüne Dolmans, sowie blaue und rote Hosen.
An Stelle des Kaipaks trat ein schwerer mit Quasten und einem Feder-
stutz gezierter Tschako ohne Schirm. Die „Frisur" war wie bei den
anderen Truppen, nur wurde in den Zopf eine Bleirolle eingelegt.
Nach einigen Jahren wurden wieder Kaipaks eingeführt.
Schon vor 1740 war bei jedem Regimente der Kürassiere oder
Dragoner eine Karabinier- oder Grenadier- Kompagnie errichtet
worden. Erstere waren wie die Kürassiere adjustirt, nur hatten sie
Kamaschen, krumme Säbel und längere Gewehre. Die Grenadiere
zu Pferd dagegen trugen hohe Bärenmützen und waren sonst ganz
wie die Dragoner des Regiments bekleidet und bewaffnet. Diese
Karabinier- und Grenadier-Kompagnien wurden 1768 in zwei Karabinier-
Regimenter zusammen gezogen, welche die Elite der Kavallerie bilden
sollten und ähnlich wie die Kürassiere, jedoch mit bordirten Hüten
bekleidet waren. Wie übereifrig man bei den Änderungen vorging,
ist daraus zu ersehen, dafs die schon festgestellten Vorschriften über
die Bekleidung und Organisation dieser Regimenter, ehe dieselben
noch „aufgerichtet" waren, wiederholt geändert wurden, wie auch in
der Folge die Organisation vielfache Wandlungen erfuhr, bis endlich
1798 beide Regimenter in Kürassiere umgewandelt und die ihnen bei-
gegebenen Cheveauxlegers (jedes Regiment hatte zwei Eskadronen
derselben) in ein drittes Kürassier-Regiment vereinigt wurden.
In die Zeit von 1760 bis 1767 fiel auch die Errichtung der
ungarischen, der Arcieren- und der Trabanten-Leibgarde.
Letztere Beiden waron sehr reich und zwar mit goldbetrefsten Röcken
nach dem Muster der Uniformen der Dragoneroffiziere gekleidet, wo-
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202 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
gegen die ungarischen Gardisten silbervorschniirte Dolmans und Bein-
kleider und statt der Pelze auf dem Rücken Tiger- oder Leoparden-
felle trugen. Diese Uniformen der Garden erhielten sich, von dem
wiederholt wechselnden Schnitt abgesehen, im Wesentlichen bis 1850.
Das Sponton kam nun auch dort, wo es sich noch erhalten hatte,
in Wegfall. Die Generale und Offiziere behielten jedoch die Rohre,
welche nun auch den Feldwebeln, Wachtmeistern und Feuerwerkern
zugestanden, jedoch von denselben an einem Riemen getragen wurden.
Die „Feldscheere" hatten bisher die Montur jenes Truppenkörpers ge-
tragen, dessen Mannschaftstande sie angehörten. Sie erhielten nun
meergrüne Röcke mit roten Aufschlägen, gelbe Lederhosen,
Hüte und kurze Säbel. Die Regimentschirurgen (damals im Range
der Unteroffiziere) durften silberbetrefste Hüte und rote Westen tragen.
An Stelle dieses unschönen Anzuges traten zwei Jahrzehnte später
lichtblaue Röcke mit schwarzen Aufschlägen und rote Westen.
Zu den Elementen, welche zur Ergänzung der Truppen heran-
gezogen wurden, gesellte sich nach der Erwerbung Galiziens noch das
polnische. Doch wurden vorerst die in dem Lande ausgehobenen
Rekruten in die bestehenden Truppen eingereiht und auch die später
errichteten galizischen Regimenter unterschieden sich im Äufserlichen
nicht von den anderen Regimentern.
Auch nachdem Kaiser Josef die Alleinregierung übernommen
hatte, widmete er mit gleichem Eifer seine Aufmerksamkeit der Armee,
doch wurde auch jetzt, da sich verschiedene gegenwirkende Einflüsse
geltend machten, hinsichtlich der Bekleidung kein einheitliches System
durchgeführt. So gab schon der blofse Versuch, die wallonische und
ungarische Infanterie analog den deutschen Regimentern zu bekleiden,
den Ständen dieser Länder Anlafs zu Klagen und Befürchtungen der
beabsichtigten Beschränkung ihrer Selbstständigkeit, so dafs manche
schon angeordnete Neuerung wieder zurückgenommen wurde. Bei
den wallonischen Regimentern hatten sich übrigens diese Ver-
schiedenheiten auf einige Verzierungen der Rabatten und die Farben
derselben beschränkt. Letztere und bei manchen Truppen auch die
Farben der Röcke wurden übrigens sehr oft geändert und es gab
z. B. Dragoner-Regimenter, welche von 1756 bis 1800 die Farben der
Röcke fünfmal wechselten.
Die Errichtung verschiedener neuer Truppengattungen und
Offizierskorps vermehrte noch die Mannigfaltigkeit der Uniformen.
So war zwar schon 1776 ein „Militär-Fuhrwesen" errichtet worden,
doch war dasselbe wenig zahlreich und unzweckmäßig orgnnisirt.
Noch im bairischen Erb folgekriege wurden die Fuhr- und Stück-
knechte von den Provinzen auf Kriegsdauor gestellt. Sie hatten
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. »203
häufig keine Montur und unterstanden den Truppen, welchen sie eben
zugeteilt waren. Nun erhielten sie Monturen, welche sich dem Schnitt
des Anzuges der Landleute näherten, jedoch durch farbige Aufschläge
und Metallknöpfe kenntlich gemacht waren. Die Kopfbedeckung war
ein einfacher Hut und es waren nur die Unteroffiziere mit kurzen
Säbeln bewaffnet. Die Fuhrknechte waren blols mit schweren Peitschen
versehen. Häufig wurde das Fuhrwesen — sammt den Pferden —
von eigenen Unternehmern, die dann die Mannschaft nach ihrem Be-
lieben kleideten, beigestellt, wie z. B. ein Baron Wimm er wiederholt
ein Korps von 1500—2000 Mann, die grüne r Spenser a mit roten
Aufschlägen trugen, errichtete. Ks war eine Rückkehr zu dem Ge-
brauche früherer Zeiten. Die Farbe der Röcke wurde wiederholt ge-
ändert und war grau, dunkelblau und dunkelblau, meist gelb „egalisirt".
Die Ingenieure, welche früher gewöhnlich die Uniform eines
Regiments, später eine weifse Uniform mit Goldstickerei trugen,
wurden jetzt so wie die Mineure und die 1700 errichteten Sappeure
gekleidet. Sie erhielten lichtblaue Röcke mit kirschroten Sammt-
aufschlägen und dergleichen Westen, weifse Hosen und Strümpfe.
Ähnlich war es mit den Offizieren des General-Quartiermeisterstabes,
die bis dahin auf den Stand eines Regiments gezählt hatten. Die-
selben erhielten grüne Röcke mit schwarzen Sammtaufschlägen und
rotem Futter und rote Westen. Im Laufe der Zeit vielfach um-
gestaltet erinnert doch die gegenwärtige Uniform an die damalige,
indem die grünen Waffenröcke der Generalstabsoffiziere mit schwarzen
Aufschlägen und rotem Vorstofs versehen sind.
Das Bombardier-Korps war wie die andere Artillerie gekleidet
(1784), nur waren auf den Kopfbedeckungen und dem Riemenzeug
messingene Bomben angebracht und erhielten die später wieder ein-
geführten Hüte goldene Tressen.
Die Bekleidung der 1782 errichteten galizischen Nobelgarde
war nach polnischem Schnitt gestaltet und wurde die Farbe wieder-
holt geändert. Schon nach neun Jahren wurde diese Garde wieder
aufgelöst. Ebenso vielfache Änderungen erfuhr der Anzug mehrerer
kleinerer Truppenkörper, von denen einige bald wieder aufgelöst
wurden, wie die Grenzaufsiehtsorgane in Galizien (damals zur Armee
gehörend) und die verschiedenen beim Beginn eines Krieges errichteten
Freikorps, die gewöhnlich ganz nach dem Belieben der Provinzstände
oder Stadtmagistrate bekleidet wurden. Auch das Personal der
Montur- Kommissionen, die Militär-Polizei und die Mannschaft der
neuerrichteten Militär-Gestüte erhielten andere Monturen.
Gröfsere Bedeutung hatte die Aufstellung der Ulanen, die zuerst
ein „Pulk 1 *, dann ein „Korps polnischer Reiterei" bildeten, dann
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204 Zur Geschieht« der Adjustirung der österreichischen Armee.
eskadronsweise den Cheveauxlegers zugeteilt und erst unter Leopold IL
in ein Regiment vereinigt wurden. Ebenso wie bei der Organisation
wurde auch bei der Ausrüstung und Bekleidung der Ulanen über-
hastend und ohne bestimmtes System vorgegangen, ja sogar den
Ulanen zeitweise die Piken genommen und ihnen blos die „polnische*
Uniform belassen. Letztere aber war ganz eigentümlich beschaffen.
Denn die untere Hälfte des Anzuges war ungarisch, die Weste
deutsch und nur die Mütze und der Rock nach polnischem Muster
angeordnet. Die Aufzählung des Wechsels der Farben binnen den
ersten 7 Jahren würde nur ermüden. Erst 1790 erhielten die Ulanen
grasgrüne Kurtkas, weifse ungarische Hosen, gelbe und grüne Czapkas
und wieder Piken, doch blieb es den Obersten anheimgestellt, die
Mannschaft bei passenden Gelegenheiten wieder mit — Karabinern
zu versehen!
Im Ganzen war jedoch die Adjustirung, wie sie zur Zeit Kaiser
Josefs bestand, wohl „sehr knapp u , jedoch nicht unschön, ja bei
den Offizieren mancher Truppen etwas stutzerhaft und doch minder
kostspielig als vordem. Die Röcke der Offiziere der Infanterie,
Artillerie, Ingenieure u. s. w. glichen beinahe den vor etwa 50 Jahren
modern gewesenen sogenannten „Quäckern u (Fracks mit breiten
Schöfsen) und hatten gestickte Knopflöcher. Dazu kamen „gefältelte u
Manchetton und ein gestickter Busenstreif. Die Röcke durften auch
offen getragen werden. Die Generale trugen zu ihrer wenig ge-
änderten Uniform Hüte mit drei aufgeschlagenen Krempen von mäfsiger
Gröfse und ohne alle Verzierung. Die Kavallerie behielt die bisherigen
Hüte, doch erhielt vorübergehend ein Teil der Kürassiere Blechhauben.
Die Hüte der Offiziere waren betrefst.
Auch während der kurzen Regierung Leopold 's II. fehlte es nicht
an Änderungen und wurde Manches auf den Stand gebracht, auf
welchem es sich zehn Jahre vorher befunden hatte. Bei der Mann-
schaft der Infanterie verblieben die Casquets, die Offiziere jedoch er-
hielten die nur auf zwei Seiten aufgestülpten, queraufgesetzten Hüte,
wie sie damals in den meisten Armeen getragen wurden. Die Farben
der Uniformen wurden nur bei einem Teile der Kavallerie geändert.
Der nun folgende wechselvolle Krieg bot keine Zeit, um sich viel
mit der Adjustirung zu befassen, liefs aber die Mängel derselben er-
kennen. Daher waren die nach 1798 angeordneten Änderungen, die
aber nicht durchaus zweckmäfsig waren, desto umfangreicher. Die
Fufstruppen erhielten nun durchaus Mäntel von grauem Tuch (ein
Teil derselben hatte bisher keine gehabt!) und statt der Casquets
(deren Form gleich der der „ Korsehüte u wiederholt geändert wordeu war)
Raupenhelme mit Messingschild. Die zahlreichen Freibataillone
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 205
wurden teils aufgelöst, teils in leichte Bataillone umgewandelt und
so wie die Infanterie, jedoch mit grünen oder hechtgrauen Röcken
bekleidet. Die roten und grauen Beinkleider der ungarischen Infanterie
und der Grenzer wurden durch lichtblaue mit gelber Verschnürung
ersetzt. Die Grenadiere behielten die hohe Biirenmütze mit Messing-
schild, trugen aber aufser der Parade ein schmuckloses, helmartiges
Casquet und später einen r Dreispitz". Der gemeine Infanterist legte
den Säbel ab und wurde dieser nur von den Grenadieren, den Spiel-
leuten und den Unteroffizieren getragen.
Die Karabi niere wurden in Kürassiere und die Cheveauxlegers
in leichte Dragoner (nach 4 Jahren jedoch wieder in Cheveauxlegers)
umgewandelt und entsprechend adjustirt. Sie erhielten Helme mit
hohen Kämmen und Messingschilden, sowie Stiefel, die wie bei den
Offizieren der Fufstruppen nur bis an das Knie reichten. Nur die
Kürassiere behielten noch durch eine Zeit ihre grofsen Stiefel. Die
Husaren, Ulanen und die Offiziere der ungarischen Infanterie behielten
die mit einer Schnur gezierten ungarischen Halbstiefel.
Die Mannschaft der Artillerie bekam wieder die Korsehüte, die
sie schon früher gehabt hatte, nur wurde die eine, den Hutkopf über-
ragende Krempe links gotragen. Der Hut war vorn mit einer Rose
von "Wolle und einem Federstutz, bei den Feuerwerkern, Unteroffizieren
und Bombardieren mit einer breiten oder schmalen Goldtresse geziert.
Der Oberfeuerwerker trug die Uniform der Offiziere, jedoch mit
seidenen Abzeichen. Der Hut der Offiziere war der vorgeschriebene
queraufgesetzte Zweispitz mit einem Federstutz und bei den Stabs-
offizieren (in späterer Zeit) mit einer breiten Goldtresse geziert. Die
Regimenter und Korps der Artillerie unterschieden sich durch Nummern
oder Buchstaben auf den Knöpfen.
Die Sappeure, Mineure und Pontonniere, welche einige Zeit vorher
wieder den Korsehut, aber mit rückwärts aufgestülpter Krempe er-
halten hatten, trugen ihn jetzt wie die Artilleristen, nur waren die
Tressen von Silber. Die Unteroffiziere und Kadetten trugen ein
wollenes (seidenes) Portepee von der Gröfse und Form des für die
Offiziere vorgeschriebenen.
Im Schnitt der Uniformen war eine noch gröfsere Verkürzung
eingetreten und reichte der Rock vorn nicht ganz bis zum Ende der
Brust, die Schöfse waren bei den Offizieren länger und schmäler als
bei der Mannschaft und sah nur bei den Artillerie- und Genie-
Offizieren der Rand der hoch- oder kirschroten Weste etwas vor. Aus
dem Kamisol war endlich ein „I^eibel", d. h. eine Weste ohne Ärmel
geworden und erhielt nun die Mannschaft für den Arbeits- oder Stall-
dienst Zwilchkittel. Die Kopfbodeckung für den kleinen Dienst blieb
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206 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
„dem Belieben der Obersten anheimgestellt." Auch die Offiziere
trugen Mützen von verschiedener Gestalt und Farbe. Aus dem
„Roquelor" der Offiziere der Fufstruppen und der deutschen Kavallerie
war ein „Kaputrock" geworden und bestand bezüglich der Mäntel
keine Vorschrift. Die Schöfse der Kollete der Kürassiere, Dragoner
und Cheveauxlegers und der IJlanenkurtka waren noch kürzer und
die Dolmans und Pelze der Husaren reichten vorn und rückwärts nur
bis zur Taille.
Auch die Uniform der Generale wurde genau geregelt. Es gab
eine Kampagne-, kleine und grolse Gala- Uniform. Erstere bestand in
einem hechtgrauen Kaput mit roten goldbordirten Aufschlägen, welcher
über einen gleichfarbigen Rock oder über die Gala-Uniform getragen
werden konnte, dem mit einer breiten Tresse und einem heilgrünen
Federstutz gezirten, anfänglich quer und später schräg aufgesetzten
Hut, goldener Feldbinde, grauen oder schwarzen Beinkleidern, Knie-
stiefeln und Schleppdegen. In Gala wurde ein weifser Rock mit
weifsem Kragen und roten Aufschlägen, rote Beinkleider und der vor-
beschriebene Hut getragen. Die grofse Gala war durch den in über-
reicher Weise mit Stickerei und Tressen bedeckten Rock unterschieden.
Die Schabrake war rot und mit goldenen Tressen und Stickerei reich
geziert.
Noch weit reicher, aber geschmackvoller war die ungarische
Generalsuniform, zu deren Tragen jedoch nur der Palatin von Ungarn,
der Bai von Kroatien und jene Generale berechtigt waren, welche
Oberste eines Husaren-Regiments gewesen waren. Auch die Obersten
der Ulanen hatten bis 1820 das Recht, bei ihrer Beförderung zum
General diese Uniform sich anzuschaffen. Dieselbe, aus einem roten
Dolman und roten Hosen, einem weifsen Pelz mit Zobelbesatz, Alles
mit Borten und Schnüren reich bedeckt, aus einem goldenen Leib-
gürtel (statt der Feldbinde) und einem Kaipak von Edelmarder mit
Goldbehänge, rotem Sack und hohem weifsen Reiherbusch bestehend,
hat sich von dem wiederholt geänderten Schnitt und den Verzierungen
abgesehen, bis jetzt erhalten. Das Merkwürdige dabei ist, dafs der
General in deutscher Uniform die ungarischen Farben (weifs,
rot, grün), jener in ungarischer Gala die österreichischen
Farben (rot, weifs) trägt! Die erst in späterer Zeit eingeführte
Kampagne-Uniform war ein einfacher, nur mit fünf schmalen Schnüren
besetzter, hechtgrauer Dolman, zu welchem graue Beinkleider und
ein Tschako mit hellgrünem Federbusch getragen wurden. Doch
durften sich diese Generale auch der Kampagne-Uniform der anderen
Generale bedienen. Die General- Adjutanten trugen grüne Röcke und
die Feldbinde über die Schulter gehängt und waren im Übrigen wie
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 207
die anderen Generale uniforrairt. Nur die „ungarischen" Generale,
die Husaren- und Ulanen-Offiziere trugen Schnurrbarte, wogegen alle
anderen Offiziere und Generale, sowie die Mannschaft der Artillerie,
der technischen Truppen, der Marine und des 4. Cheveauxlegers-
Regiments (bei diesem zur besonderen Auszeichnung) nur kurze
Backenbärte tragen durften.
Mehrere erst in den nächsten Jahren angeordnete Änderungen
dienten nur zur Vervollständigung und dürfen nicht als einer neuen
Adjustirungsperiode angehörend betrachtet werden. So z. B. wurden
die Tornister nicht mehr herabhängend, sondern auf dem Rücken,
Patrontaschen und Seitengewehre an zwei Riemen über die Schultern
hängend getragen. Bei den Fufstruppen erhielt jede Kompagnie zwei
mit Schurzfell und Werkzeug ausgerüstete „Zimmerleute" und die
Hautboisten der Infanterie und Artillerie bekamen Röcke, die nach
Art der Dolmans mit Schnüren und Quasten von der Aufschlagfarbe
geziert waren.
An Stelle der bisherigen, mehr zu den Dienern zählenden so-
genannten „Schweizer" wurde 1802 die Hofburg wache, deren
Gemeine Unteroffizierrang hatten, errichtet. Sie trug hecbtgraue
Röcke mit schwarzen Aufschlägen, goldbetrefste Hüte, Säbel und leichte
Gewehre Drei Jahre später wurden die Zöpfe abgeschafft. Bei der
Artillerie geschah dieses erst 1808.
In eben diesem Jahre wurden die ersten Jägerbataillone errichtet.
Dieselben waren hechtgrau und grün montirt, hatten Korsehüte
(die Offiziere den Zweispitz) mit hängendem Federbusch und schwarzes
Riemzeug. Letzteres wurde auch bei den Grenzern, den Sappeuren,
Mineuren, und Pionieren eingeführt. Die damals errichteten Land-
wehren waren sehr verschieden, in den deutschen Provinzen meistens
sehr einfach gekleidet. Die niederösterreichisehe Landwehr z. B. war
für den Felddienst mit langen grauen Röcken (die die Mäntel er-
setzten) mit blauen Aufscldägen, weifsen oder grauen Hosen,
Kamasehen, einfachen Korsehüten und schwarzem Riemzeug aus-
gerüstet. Die den Infanterie -Regimentern angereihten Landwehr-
bataillone wurden, wenn die Vorräte reichten, so wie erstere bekleidet.
Die ungarische Insurrektion war sehr willkürlich, jedoch durchaus
national bekleidet, nur die bei den Husaren-Regimentern errichteten
Veliten-Divisionen trugen die Montur des betreffenden Regiments.
Das zu ebon dieser Zeit errichtete Artillerie- Handlanger- Korps
war wie die Artillerie gekleidet, jedoch so wie das früher bestandene
und 1802 in die Artillerie eingereihte Artillerie- Füsilier-Bataillon
mit Gewehren bewaffnet.
Nach 1809 wurden bei der Infanterie an Stelle der Heime für
Jahrbücher fUr die Deutsche Armee und Marine. Bd. VII1C, 2. 14
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208 Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Arme*.
die Offiziere und Mannschaft Ts chakos eingeführt. Dieselben waren
oben viel breiter, mit einer wollenen Rose und einer Kokarde von
Messing, sowie bei den Offizieren und Unteroffizieren mit goldenen
und wollenen Borten geziert. Nur die Stabsoffiziere, auch jene der
Grenadiere, trugen goldbetreßte Hüte (ohne Federbusch), welche nun-
mehr schräg aufgesetzt wurden.
Zugleich wurde für die Offiziere eine eigene Kampagne-Uniform
vorgeschrieben. Dieselbe glicb bei den Fufstruppen der Parade-
Uniform, nur war das weifse Tuch durch schwarz-graues ersetzt
und konnte auch der ebenfalls schwarzgraue Kaputrock statt des
Rockes getragen werden. Bei der Kavallerie vertraten einfache Spenser
die Stelle der Kurtka oder des Dolmans, während die Offiziere der
Kürassiere und Dragoner keine derartige Uniform, sondern nur einen
Kaputrock von der Farbe der Uniform trugen. Bei den Husaren war
der Tschako in veränderter Form eingeführt worden. Derselbe war
mit Schnüren und Quasten, [bei den Offizieren und Stabsoffizieren
mit Borten) sowie mit einem Federstutz geziert und bei mehreren
Regimentern mit farbigem Tuch überzogen und mit einem Schirm
versehen.
Diese Uniformirung der Armee blieb nun durch längere Zeit in
ihren Grundzügen unverändert und kamen aufser der Neuaufstellung
und Umwandlung einiger Korps in dem nächsten Vierteljahrhundert
nur wenig Änderungen vor. Die in den wiedergewonnenen Provinzen
aufgestellten Regimenter wurden nach dem Muster der bestehenden
Regimenter ihrer Art, das Feuerwerks-Korps (Raketeurs) anfänglich
grün mit roten Aufschlägen und Tschakos, bald aber wie die übrige
Artillerie bekleidet. Letztere erhielt für kurze Zeit rehfarbene Kaput-
röcke und Zweispitze, bald aber wieder die frühere Montur.
Kaiser Franz war in Bezug auf die Uniform ein Freund des
Bestehenden und trug selbst bis an sein Lebensende auch in Zivil-
kleidern hohe Stiefel, daher die von verschiedener Seite befürwortete
Einführung neuer Uniformen, namentlich der Pantalons, bei dem
Monarchen kein Gehör fand. Nur wurden den berittenen Offizieren
schwarze Reithosen, die beiderseits mit einer Reihe von Metallknöpfen
besetzt wnren, zugestanden. Eine versuchweise nur bei einigen
Bataillonen und Eskadrons durchgeführte neue Adjustirung wurde
sofort beseitigt, da nicht nur der Kaiser, sondern auch die allgemeine
Stimme der Armee dagegen war. Man wollte wissen, dafs der
damalige Hofkriegsratspräsident Prinz H oh enz ollern die Abneigung
des Kaisers gegen derlei Neuerungen kennend und — teilend, einem
Vorschlage zugestimmt habe, dessen Ausführung alle ferneren Reform-
pläne für lange Zeit unmöglich machen mufste. Noch ist zu be-
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. 201)
merken, dafs in dieser Periode Portepees von gleicher Gröfse für die
Generale und alle Offiziere, sowie für Stabsoffiziere und Offiziere die
gleiche Feldbinde (bei den Husaren und Ulanen ein Gürtel) von Seide
vorgeschrieben wurden.
Desto unifassender waren die nach dem Tode des gedachten
Monarchen durchgeführten Änderungen. Allerdings kann man den
Verlauf, den die Entwicklung der Uniformirung der österreichischen
Armee bis dahin genommen hatte, in mehrere Perioden teilen. Aber
diese Perioden waren nicht scharf abgegrenzt, es wurde nach keiner
einheitlichen Idee vorgegangen und es wurden immer nur einige
Truppen von den angeordneten Neuerungen betroffen. Die in der
Zeit von 1837—1839 herausgegebene Adjustirungsvorschrift
dagegen umfafste alle Truppen und alle Angehörigen der-
selben.
Bei tlen Husaren wurde nur wenig geändert, nur der Schnitt der
Uniform und die Y T erschnürung wurde gefälliger. Die „ papagei-
grünen a Dolmans und hellroten Hosen zweier Regimenter waren
schon früher abgeschafft worden, so dafs es jetzt nur Husaren mit
licht-, kornblum- und dunkelblauen Dolmans und Hosen, mit dunkel-
grünen Dolmans und roten Hosen, so mit schwarzen, roten, grünen
und hellblauen Tschakos gab. Die sehr reiche Y'ersehnürung war bei
den Offizieren von Gold oder Silber, bei der Mannschaft von schwarz
und gelber Wolle. Die Husaren - Offiziere a. D. trugen kirschrote
Uniformen.
Die Farbe der Röcke wurde nur bei der Artillerie und dem
Fuhrwesen geändert, indem erstere braune Röcke mit roten, letzteres
ebenfalls braune Röcke mit blauen Aufschlägen erhielt. Der Rock
oder richtiger der Frack bekam einen vorn weiter hinabreichenden
Leib, die Schofse waren etwas länger und der Kragen etwas niedriger
als früher. Der Tschako war etwas kleiner, bei den Offizieren
cylindrisch und nur bei der Mannschaft der Infanterie oben noch etwas
breiter. Auch die Helme und Czapken waren etwas niedriger. Die
Bärenmützen der Grenadiere verloren das Messingschild und sahen
mehr einem hohen Kaipak ähnlich. Statt dieser sehr kostspieligen,
jedoch nicht übermäfsig schweren Kopfbedeckung trugen die Offiziere
zum kleinen Dienst Hüte, die Grenadiere hohe Mützen aus Wachstuch
oder ein ledernes Käppi. Bei den Mineuren, Sappeuren, Pontonnieren
trat für Offiziere und Mannschaft der Tschako mit aufrechtstehendem
Rofshaarbusch und einem vergoldeten Emblem an die Stelle des
Hutes, der nur von den Stabsoffizieren dieser Truppen und von den
Ingenieuren getragen wurde und mit einem hängenden Federbuscli
geziert war. Dieser Hut wurde nun „gerade aufgesetzt", so dafs eine
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
Spitze nach vorn, die andere nach rückwärts gerichtet war. Die
Mannschaft des Fuhrwesens und der Gestüte trug den Tschako, wo-
gegen die Offiziere Hüte mit Federbüschen erhielten. Auch die
Artillerie behielt die Hüte.
Den Jägern und Pionieren wurden die hechtgrauen Röcke und
Hosen belassen. Die ungarische Generalsunifonn wurde wenig geändert,
der Galaanzug der anderen Generale aber bedeutend vereinfacht, in-
dem die Stickereien an den Nähten des weifsen Rockes entfielen und
nur die roten Ärmelaufschläge mit breiten Tressen oder Stickerei be-
setzt waren und der weifse Kragen ohne jede Verzierung blieb. Der
hechtgraue Kaputrock, sowie der hechtgraue Kampagnerock hatte auch
einen mit Tressen besetzten roten Kragen.
Die bedeutendste Änderung aber war der Wegfall der hohen
Stiefel und engen Hosen, sowie der langen Kamaschen, an deren
Stolle Halbstiefel, kurze Kamaschen und — Pantalons traten. Nur
die ungarischen Truppen behielten die mit Schnüren besetzten engen
Hosen und ihre Offiziere die Tschismen, während die Mannschaft des
Fuhrwesens hohe Stiefel und Schuhe erhielt. Diese Pantalons waren
bei der „deutschen" Infanterie, den Kürassieren, Dragonern, einem
Teile der Chevcauxlegers, bei der Artillerie und dem Fuhrwesen
lichtblau, bei den technischen Truppen, Ulanen, den „grünen 4 '
Chevcauxlegers, Jägern, Pontonnieren und Pionieren von der Farbe
der Röcke und beim Generalstabe, bei den Ingenieuren u. dgl. „mohren-
grau" (schwarzgrau) und bei der Mannschaft mit einem Vorstoß, bei
den Offizieren mit goldenen oder silbernen Tressen, bei der Mannschaft
der Artillerie mit roten Tuchstreifen besetzt. Die Mannschaft der
Kavallerie trug einen Lederbesatz an den Hosen, aufserdem aber eine
weite, lichtgraue „Überzughose".
Die Pantalons der Generale (in Gala rot, zur Parade mohren-
grau) waren an den Nähten mit zwei goldenen Tressen besetzt. Die
Ulanen auch deren Offiziere — trugen grüne Pantalons mit roten
Streifen. Sie waren aufser den Leibgarden die einzige Truppe, welche
Epaulets (für alle Offiziere gleich), Fangschnüre und (roten) Brust-
revers trug.
Ferner wurde für alle Offiziere eine Kampagne-Uniform eingeführt.
Dieselbe bestand bei der Kavallerie aus einem Spenser mit einem
Kragen von Plüsch (bei den Husaren der früher beschriebene Kampagne-
Dolman), mohrengrauen Pantalons und (bei den Dragonern) weifsen
Kaputröckcn. Bei der Infanterie war Rock, Kaputrock und Pautalon
mohrengrau, ebenso bei den Jägern, bei den anderen Truppen die
beiden ersteren von der Farbe des Rockes und nur von bequemerer
Form, das Beinkleid aber mohrengrau. Auch wurde eine Mütze aus
Zur Geschichte der AdjuHtirung der österreichischen Armee. 211
schwarzem Tuch eingeführt, welche für alle Offiziere gleich und nur
durch die dem betreffenden Truppenkörper eigentümlichen Knöpfe
gekennzeichnet war.
Zu eben dieser Zeit wurde die sehr elegant mit roten Kollets,
Epaulets, goldenem Brustrevers, silbernem Raupenhelm und weifsen
Pantalons ausgestattete italienische adelige Leibgarde errichtet.
An der Kleidung der übrigen Garden wurde wenig geändert. Doch
erhielten dieselben auch eine dem Anzüge der übrigen Offiziere sich
nähernde „Hausuniform".
Der Degen wurde von den Generalen und Infanterie-Offizieren
an einer Steck-, von den Stabsoffizieren gleich dem Säbel an einer
Hängekoppel getragen.
Es war die nunmehrige Adjustirung der österreichi sehen Armee
unbedingt eine einheitlichere und geschmackvollere, ja elegante, aber
dabei kostspielig und unzweckmäßig. Der Offizier mufste drei- bis
viererlei verschiedene Anzüge (manche Stücke davon mindestens
doppelt) und, da in den grofsen Städten auch das Tragen von Zivil-
kleidern eingeführt war, auch diese haben. Die Uniform war elegant
und eben darum nur für den Frieden geeignet, eine wahre Salon-
uniform. Und die Kampagne -Uniform der Infanterie- und Jäger-
Offiziere machte dieselbe in ihren schwarzen Röcken oder Kaputröcken
neben der lichten Montur ihrer Mannschaft zu einem nicht zu ver-
fehlenden Ziel für die feindlichen Schützen! Dazu war die Uniform
wenige Jahre nach ihrer Einführung bereits antiquirt, da in Preufsen
und mehreren deutschen Staaten sowie in Frankreich bereits der
Waffenrock zur Herrschaft gelangt war. So war es begreiflich, dafs
von mehreren Seiten (auch vom F. M. Gr. Radetzky) noch vor dem
Jahre 1848 eine mehr oder minder bedeutende Änderung der Uniformen
und namentlich die Einführung des Waffenrockes empfohlen wurde.
Die grofsen Ereignisse des gedachten Jahres trugen zur Erfüllung
dieser Wünsche in ganz eigenthümlicher Weise bei. Der Krieg in
Itaüen und Ungarn und selbst die Kämpfe in den Hauptstädten der
Monarchie zeigten nur zu deutlich, wie wenig sich die schönen Uniformen
für den Kampf und das Feldleben eigneten. Dazu kam, dafs in vielen
Orten die Truppen ohne Mitnahme ihrer Bagage auf den Allarmplatz
rückten und letztere eine Beute der Aufständischen wurde, so dafs
Offiziere und Soldaten oft nur die Kleider hatten, welche sie bei ge-
wöhnlichen Ausrückungen anlegten. Die vorhandenen Vorräte wurden
für die im Innern der Monarchie neu aufgestellten Truppen, in Ungarn
von dem dortigen Ministerium zur Ausrüstung der Honvedtruppen
verwendet und war von der Kriegsverwaltung nicht leicht eine Ab-
hilfe zu erwarten. Die Armee mufste sich selbst helfen, wo die
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
spärlich eintreffenden Beihilfen nicht ausreichten! In Italien wurden
manche Truppen, namentlich die Freiwilligen-Bataillone mit den den
feindlichen Truppen und Insurgenten abgenommenen Vorräten be-
kleidet, übrigens war Material spater käuflich und im Requisitions-
wege zu erlangen und konnte dasselbe zur Herstellung neuer Uniformen
und Monturen verwendet werden. Und so begab sich der gewifs
seltene Fall, dafs die Armee Radetzky's — oder wenigstens die
Offiziere derselben — sich selbst eine Adjustirung entwarf und die-
selbe durchführte und dafs das von der „italienischen Armee" ge-
gebene Beispiel, ehe noch bestimmte Weisungen ergangen waren (in
Wien war die Revolution ausgebrochen und der Kriegsminister er-
mordet worden!) bereits in den meisten Provinzen von den Offizieren
nachgeahmt wurde. In Ungarn und namentlich in der Militärgrenze
war die Mannschaft vieler Truppenköq>er nur mit dem Anzüge, den
sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatten, bekleidet. Nach beendigtem
Kriege aber war die Neugestaltung eines bedeutenden Teiles der
Armee (namentlich der ungarischen Regimenter) und die Errichtung
einiger Truppengattungen, welche der Armee bisher gefehlt hatten,
notwendig.
Eine abermalige gründliche Umänderung des Uniformwesens war
also nicht nur erwünscht, sondern auch geboten und sie war um so
leichter durchzuführen, als die Vorräte fast gänzlich aufgebraucht
worden waren. Der rege Anteil, welchen der oberste Kriegsherr an
der Sache nahm, half zur raschen Durchführung des schwierigen
Werkes und Anfang 1851 war die Adjustirungsvorschrift für die ganze
Armee entworfen worden. Die neue Adjustirung war nicht nur einfacher,
sondern auch schön, bequem und für den Krieg jedenfalls verwendbarer
als die frühere. Ihre Grundzüge waren die Einführung des Waffen -
rockes, der Ulanka und des Attila, des Paletots für die Offiziere
und eines bequemeren Mantels für die Mannschaft, sowie die Ab-
schaffung der Kampagne -Uniform bei den Offizieren. Der Offizier
konnte fortan denselben Rock bei der Parade, beim Spaziergange und
im Felde tragen. Nur die Generale behielten Uniformen „en Campagne"
und „en Gala".
Der Offizier der Fufstruppen erhielt einen weifsen (braunen)
Waffenrock und blaue Pantalons mit weifsem (braunen) „Passepoil 1 *
und unterschieden sich die Offiziere der ungarischen Regimenter und
der Grenzer nur durch die schon zur Zeit Kaiser Josefs eingeführten
goldenen oder silbernen Litzen auf den Ärmelaufachlägen. Die
Mannschaft dieser Regimenter behielt die verschnürten ungarischen
Beinkleider. Der Tschako wurde netter und nach oben zu sich „etwas
verjüngend u gestaltet und nunmehr auch von den Stabsoffizieren ge-
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Zur Geschichte der Adjuatirung der österreichischen Armee. 213
tragen. Die Grenadiere wurden im folgenden Jahre zu ihren Regi-
mentern eingeteilt und erhielten dann ebenfalls Tschakos. Die Jäger
behielten ihre Hüte und die hechtgraue Farbe der Waffonröcke und
Hosen.
Die Artillerie bekam dunkelbraune Waffenröeke, lichtblaue
Pantalons mit rotem Passepoil und Tschakos. Für den kleinen Dienst
und im Felde bekamen die Offiziere graue, bis zu den Knien mit
Leder besetzte „Reithosen", welche auch von den Offizieren der
Kavallerie und des Fuhrwesens getragen wurden. Die aus den
Sappeuren und Mineuren gebildeten Genie-Regimenter und die Pioniere
(mit welchen die Pontonniere schon 1843 vereinigt worden waren)
erhielten Waffenröcke und Beinkleider in den bisherigen Farben und
den Tschako der Infanterie. Die Ingenieure und Gencralstabs-Offiziere
erhielten blaue und grüne Waffenröeke, graue Beinkleider und Hüte,
bei ersteren mit schwarzen, bei letzteren mit hellgrünen Federbüsehen.
Die Kurtka der Ulanen wurde durch die Ulanka ersetzt, an der
übrigen Adjustirung aber wenig geändert. Die Helme verloren die
Raupen und erhielten eine gefälligere und bequemere Form. Die
Kürassiere und Dragoner erhielten Waffenröcke von weifser Farbe
und blaue Pantalons, die Cheveauxlegers weifse und grüne Röcke mit
blauen und grünen Beinkleidern. Bald darauf erhielten sämmtliche
Cheveauxlegers grüne Röcke und einige Monate später wurden
diese Regimenter bis auf das 4., welches die Uniform beibehielt und
ein Dragoner-Regiment wurde, in Ulanen umgewandelt, so dafs die
österreichische Kavallerie nur noch aus Kürassieren, Dragonern, Ulanen
und Husaren bestand. Über dem Rocke konnte ein Spenser mit um-
geschlagenem Kragen oder die Winter-Ulanka (bei den Offizieren mit
einem Kragen von rotem Felber) getragen worden. Der Mantel war
bei der ganzen Kavallerie weifs.
Die gröfste Umgestaltung erfuhr der Anzug der Husaren. Der
Attila und der Pelz waren vom mit nur fünf Schnüren (bei den
Offizieren von Gold) besetzt und waren die Beinkleider von derselben
Farbe. Sechs Regimenter waren dunkel-, sechs lichtblau mit roten,
grünen und weifsen Tschakos und gelben oder weifsen Knöpfen ad-
justirt. Die Husaren-Offiziere a. D. behielten die kirschrote Uniform,
die nach der neuen Form umgestaltet wurde.
Der Galarock der Generale erhielt einen roten Kragen mit breiter
Goldtresse und blieb das Übrige ziemlich ungeändert. Der Paletot war
rot gefüttert und wurden zur Kampagne graue Beinkleider mit breiten
roten Streifen getragen. Die Generale mit ungarischer Uniform trugen
in Gala roten Attila, weifsen Pelz, rote Beinkleider und Kaipak, als
Kampagne-Uniform einen hechtgrauen reich verschnürten Attila und
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214 Zur Geschichte der Adjiwtirung der österreichischen Armee.
dergleichen Pelz, der aber nur umgehängt getragen wurde, graue
Beinkleider mit roten Streifen und einen reich verzierten Tschako.
Der Mantel war weifs.
Ein Hauptfehler aller früheren Adjustirungen war, dafs die ver-
schiedenen Chargengrade ungenügend oder garnicht kenntlich waren,
denn selbst bei jenen Truppen, welche den Tschako trugen, konnte
man den Lieutenant nicht von dem Oberlieutenant, bei den übrigen
Truppen auch nicht von dem Hauptmann oder Rittmeister unter-
scheiden. Der Major trug dieselbe Uniform wie der Oberst und der
Rock des Feuerwerkers glich jenem seines Hauptmanns. Der Unter-
offizier aber unterschied sich bei mehreren Truppen nur durch den
Stock oder das Rohr von der übrigen Mannschaft. Diesem Übelstande
wurde nun gründlich abgeholfen. Gleich nach den Märztagen 1848
wurden die Röhre und Stöcke (der Gebrauch der letzteren jedoch
erst *20 Jahre später!) abgeschafft und an deren Stelle als Grad-
abzeichen vorläufig Litzen von weifser Wolle eingeführt. Die Offiziere
und Stabsoffiziere hatten je nach den Knöpfen silberne oder goldene
Litzen, an deren Stelle bei Einführung der neuen Uniform Sterne
traten. Diese Abzeichen bestehen noch jetzt und tragen der Gefreite,
der Lieutenant, der Major und der General-Major je einen Stern, die
folgenden Chargen zwei oder drei Sterne auf dem Rockkragen. Der
Feldmarschall hat auf dem Kragen und den Aufschlägen keine Tressen
und Sterne, sondern eine Goldstickerei.
Von den zu dieser Zeit neuerrichteten Korps verdienen die
Sanitätstruppe und die Gendarmerie besondere Erwähnung.
Erstere hatte dunkelgrüne Röcke, graue Beinkleider und Tschako und
schwarzes Riemenzeug. — Aus den Resten der unter der französischen
Herrschaft bestandenen Gendarmerie in Italien war daselbst zuerst
eine Abteilung und 1820 ein Regiment errichtet und mit grünen
Fracks und Sturmhüten bekleidet worden. Im Jahre 1848 löste sich
dieses Regiment beinahe auf. Es wurden nun 1850 in der ganzen
Monarchie lfi Gendarmerie -Regimenter aufgestellt. Die Gendarmen
trugen grüne Röcke mit rosenrotem Vorstofs, Epaulets, Fangschnüren
und Unteroffiziersabzeichen, weifses Riemzeug, graue Beinkleider,
Pickelhauben (die Berittenen mit Rofshaarbusch) und Gewehre mit
grünen Tragriemen. Nach dem Muster dieser Gendarmen war die
Leibgarde-Gendarmerie errichtet worden, nur waren Fangschnüre
und Epaulets von Gold und wurden zu Pferde weifse Hosen und
Kourier8tiefel getragen.
Auch die Uniform der anderen Garden wurde und zwar sehr
effektvoll umgestaltet. Die Farben wurden beibehalten, aber die
Waffenröcke eingeführt. Die Arcieren- Garde erhielt süberne Helme
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Zur Geschichte der Adjustirung der östcrreichiHchen Armee.
215
mit weifsen Rofshaarbüschen, die Trabanten-Garde und llofburgwacho
Pickelhauben mit weifsen und schwarzen Büschen. Die 1848 auf-
gelösten ungarischen und italienischen Leibgarden wurden nicht wieder
errichtet.
Das Tragen der Zivilkleider wurde nur bei Reisen ins Ausland
und den Offizieren des Ruhestandes gestattet.
Es war wie schon bemerkt die neueüniformirung der österreichischen
Armee eine parademäfsige und jedenfalls zweekmäfsiger als die frühere.
Da in den südlichen Garnisonen der Anzug der Offiziere im Sommer
zu unbequem war, so wurde 1857 das Tragen von Waffenröcken aus
Zwilch (Kittel) gestattet.
Dennoch erwies sich die Bekleidung der Armee im Feldzuge 1855)
als ungenügend, wenn auch die Nachteile wahrscheinlich sehr über-
trieben wurden und man die Erschöpfung der Truppen weniger der
mangelhaften Verpflegung und anderen näher liegenden Ursachen als
dem warmen Waffenrock und schweren Gepäck (die übrigens beide
sehr bald abgelegt wurden), sowie der schweren Kopfbedeckung und
der beengenden Halsbinde zuschrieb. So befand sich denn unter den
nach dem Kriege durchgeführten Reformen in erster Linie auch eine
Änderung der Adjustirung, wobei auf möglichste Erleichterung und
Ersparung gesehen wurde.
Die Kürassiere legten die Kürasse ab, worin Österreich that-
sächlich den anderon Armeen voranging und wurden die kostspieligen
und weithin sichtbaren Schabraken der Offiziere abgeschafft. Die
Röcke der Fufstruppen und der Artillerie erhielten statt des stehenden
einen umgelegten Kragen und statt zwei Knopfreihen nur eine Bei
mehreren Truppen wurde eine Art Blouse oder wenigstens für die
Mannschaft eine Weste mit Ärmel eingeführt. Der Mantel wurde
nicht mehr gerollt getragen, sondern nach dem 1840 abgesehenen
russischen Vorbilde auf dem Marsche über diese Weste oder den Rock
angezogen. Die Feldbinde hing von der Schulter zur Hüfte hinab
und markirte also den Offizier in recht auffälliger Weise, was 18G4
sehr fühlbar empfunden und deshalb abgeschafft wurde.
Dagegen erhielt die Artillerie Beinkleider mit breiten roten Streifen,
Tschakos mit Rofshaarbüschen und die Offiziere aulser der Feibinde
Kartouchen. Vier Dragoner-Regimentor wurden in Kürassioro (ohne
Kürafs) umgewandelt, zwei aufgelöst und zwei grün adjustirt. Die
Husaren erhielten an Stelle des Tschako eine Kutsma (niedriger Kaipak
ohne Schirm) und eine angeblich nationale, jedoch schon vor 200 Jahren
bei deutschen Truppen übliche Halsbinde mit Fransen. Die Regimenter
der Freiwilligen Husaren und Ulanen waren in ganz abweichender
Weise adjustirt worden. Letztere waren mit Litewka und Pumphosen
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21() Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee.
von lichtblauor Farbo, oiner niedrigen polnischen Mütze ohne Schirm
und braunem Mantel bekleidet. Überhaupt wurde bei den Ulanen in
den nächsten Jahren Manches geändert und wurden 1865 die seidenen
Fähnchen an den Picken abgeschafft. Bei der Generalität, dem General-
und Geniestabe, den Ärzten u. s. w. wurde fast Nichts geändert.
Es war natürlich, dafs boi der gänzlichen Umgestaltung der Armee,
welche das Jahr 18GG nach sich zog, auch das Äufsere der letzteren
gänzlich verändert wurde. Es war aber diese Umformung bei der
beabsichtigten Dreiteilung der Armee (stehendes Heer, österreichische
und ungarische Landwehr) ein schwieriges Werk, da man die nationalen
Traditionen und Neigungen in noch höherem Mafse als früher berück-
sichtigen zu müssen glaubte und dennoch eine möglichste Gleich-
förmigkeit erzielen wollte. Nach einigen sehr unbefriedigend aus-
gefallenen Versuchen kam eine neue, wegen Unvollkommenheiten
allerdings schon viefach abgeänderte, aber in ihren Grundzügen noch
jetzt bestehende Adjustirung zur Einführung. Im Allgemeinen waren
Einfachheit, möglichste Ersparung der Kosten, Erleichterung des Ge-
wichtes, Bequemlichkeit und Vermeidung der allzu auffälligen Farben,
sowie möglichste Gleichförmigkeit trotz Beibehaltung der „historischen
Eigentümlichkeiten" die Ziele, welche man angestrebt, jedoch nicht
immer erreicht hatte. Mit Ausnahme der Generalität und der Garden,
bei welchen nur der Schnitt der Uniform etwas geändert worden war,
hatte die Armee ihr parademäfsiges Aussehen und so manche ihrer
sie von den Truppen anderer Staaten unterscheidenden Eigentümlich-
keiten verloren.
Das „historischo Weifs" verblieb nur bei der Gala-Uniform der
Generale und wurde bei der Infanterie durch die dunkelblaue, bei
der Kavallerie durch die lichtblaue Farbe ersetzt. Da die Miltärgrenze
partienweise dem ungarischen Gebiete einverleibt wurde und die Auf-
lösung der Grenz-Regimenter nach einigen Jahren beendet war, blieben
nur der Artillerie und dem Fuhrwesen (gegenwärtig Traintruppe) die
braunen Röcke und bei den Ulanen und Dragonern mufste die
grüne Farbe der lichtblauen Platz machen. Die weifsen Mäntel
der Kavallerie wurden durch dunkelbraune, die „russisch"-grauen
Mäntel der übrigon Trappen durch blaugraue ersetzt. Die gloiche
Farbe erhielten die Boinkleider, welche von der Mannschaft einiger
Truppengattungen, sowie als Kommodanzug einiger Offiziere getragen
wurden. Der Rock mit einem ganz niedrigen Stehkragen und bei
der Infanterie der Tschako wurden nur zur Parade getragen und war
die dunkelblaue (bei der Artillerie braune) Blouse oder ein gleich-
farbiges Ärmelleibel und die Feldkappe der für Märsche und den
Felddienst vorgeschriebene Anzug. Die Jäger behielten die hecht-
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Zur Geschichte der Adjustirung der österreichischen Armee. '211
grauen Röcke und Hosen, ebenso die Pioniere. Auch der blaue Anzug
der Genietruppen wurde beibehalten.
Auch die verschiedenfarbigen Aufschläge der Infanterie beliofs
man und wurde deren Zahl noch vermehrt, als 1883 die Errichtung
von 22 neuen Regimentern erfolgte. Die Beinkleider der Artillerie,
des Fuhrwesens und der Infanterie waren lichtblau, doch waren bei
den beiden ersteren so wie bei der Kavallerie Stiefelhosen eingeführt.
Auf dem Marsche und im Felde wurden auch für die Generale und
Stabsoffiziere Stiefelhosen vorgeschrieben.
Es gab nunmehr drei Gattungen Kavallerie, Dragoner, Husaren
und Ulanen, welche sämratlich — bis auf 8 Husaren-Regimenter mit
dunkelblauen Pelzen — lichtblaue Röcke, die nach Husaronart über
die Schulter gehängt getragen wurden, und — rote Hosen erhielten.
Die dunkelblaue Blouse war auch hier das Hauptstück und es hatten
die Husaren (mit Ausnahme der Offiziere) bis vor einigen Jahren gar
keine Attilas. Zu dieser Zeit wurden bei den Dragonern und Ulanen
die Blousen abgeschafft und Winterröcke mit Pelzbesatz eingeführt.
Da übrigens die Adjustirung ohnedem den Lesern als hinlänglich be-
kannt angenommen werden darf, so erscheint die Anführung von
Details überflüssig. Aber es war auch die Bekleidung beider Land-
wehren festzustellen. In Ungarn war man bald fertig.
Hier gab es nur Infanterie und Husaren. Für Beide wurden
dunkelblaue Attilas mit roten (bei den Offizieren goldenen) Schnüren,
rote Hosen und rote mit dem ungarischen Wappen gezierte Tschakos
eingeführt. Ein kroatisches Ulanen-Regiment wurde sehr bald in ein
Husaren-Regiment umgewandelt. An dieser Adjustirung wurde seither
festgehalten. Nur wurden klugerweise die roten Hosen der Infanterie
durch blaue ersetzt.
Anders war es bei der österreichischen Landwehr, die in Infanterie,
Schützen, Tiroler Landesschützen, dalmatinische Landwehr, Dragoner,
Ulanen und berittene Schützen in Tirol und Dalmatien sich gliedert.
Tschako oder Hut und Waffenrock waren bei den Fufstruppen nur
für die Offiziere vorgeschrieben und war die Mannschaft mit blau-
grauen Kappen und Hosen, dunkelblauen, hechtgrauen, braunen
und blauen Blousen und Ärmelwesten mit roten und grünen Auf-
schlägen bekleidet und namentlich die dalmatinische Landwehr sehr
national kostümirt. Die Ulanen und Dragoner glichen jenen des
stehenden Heeres und die berittenen Schützen mit geringen Ab-
weichungen der Fufstruppe der Landwehr von Tirol und Dalmatien.
Nach und nach erhielten jedoch sämratliche Fufstruppen die bisherige
Adjustirung der Schützen, nämlich hechtgraue Waffenröcke und
Blousen, was auch hinsichtlich der berittenen Schützen geschah.
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2]8 Zur Geschichte der Adjiwtirung der österreichwehen Armee.
Auch die Landsturm-Truppen — wenigstens die Auszug-Bataillone —
durften, soweit die Vorräte ausreichen in gleicher Weise bekleidet
werden. So ist also bei den beiden Landwehren eine Gleichförmigkeit,
wie sie bisher nicht zu finden war, hergestellt.
Indessen beschäftigt man sich schon seit längerer Zeit mit einer
durchgreifenden Umgestaltung der Adjustirung auch des stehenden
Heeres und sind bereits sehr verschiedene Muster vorgelegt worden.
Gewichtige Stimmen haben auf das Beispiel der österreichischen
Landwehr hingewiesen und die Annahme der hechtgrauen, als einer
sehr dauerhaften, für den Felddienst besonders praktischen und der
österreichischen Armee eigentümlichen Farbe empfohlen. Es mufs
bemerkt werden, dafs diese Idee schon einmal und zwar kurz vor
Einführung der gegenwärtigen Adjustirung auftauchte, aber ob ihrer
nichts weniger als geschickten Inangriffnahme scheiterte.
Ein Bataillon eines damals (1868) in Wien garnisonirenden
Infanterie-Regiments wurde nach diesem Vorschlage bekleidet. Der
Anzug bestand in einer hechtgrauen Blouse mit orangegelbem
Kragenbesatz, einer blaugrauen Kappe, einem rohledernen Leib-
riemen zum Tragen des Bajonnetts und der Patronentasche, einem
Tornister aus meist rotbraunem Kalbfell oder grauer Leinwand
und ziemlich weiten krapp roten Hosen. Dazu kam noch bei einigen
Leuten die aus hochroten Quasten und Schnüren bestehende Schützen-
auszeichnung auf der Brust. Zu dieser an sich höchst unzweckmäfsigen
und das Auge beleidigenden Farbenzusammenstellung gesellte sich die
mangelhafte Qualität der eingelieferten Stoffe, so dafs die Monturen
schon nach kurzer Tragzeit ein noch fragwürdigeres Aussehen bekamen.
Vielleicht ist man bei einem neuerlichen Versuche mit der Aus-
wahl und Zusammenstellung der Farben glücklicher und es könnte
dann die schon wiederholt, aber vergebens angestrebte Gleichförmig-
keit der Bekleidung der österreichischen Armee zu Stande kommen.
Freilich würde sich dann die ungarische Landwehr in noch auf-
fälligerer Weise von den übrigen Truppen unterscheiden. — Noch
ist bis jetzt nichts entschieden worden, doch kann schon die nächste
Zeit eine grofse Umwandlung bringen!
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XVII.
Die Wiener Ausstellungen*).
Wohl selten sind zu gleicher Zeit und an demselben Orte so viele
Ausstellungen veranstaltet worden, als es in diesem Jahre in Wien
der Fall war. Da ist in erster Linie die „internationale Kunst-
ausstellung", hochinteressant für Künstler, Kunstkenner und auch
für den Laien. Ähnliches gilt von der in dem österreichischen Museum
für Kunst und Industrie etablirten „Ausstellung der bei dem
jüngst abgehaltenen Karoussol getragenen prachtvollen
Kostüme". Die Namen der Persönlichkeiten, von welchen diese
Kostüme getragen wurden, verleihen denselben eine erhöhte Bedeutung.
Dann die „Ausstellung der Wiener Möbelindustrie" in den
Räumen der Gartenbaugesellschaft. Ferner die (von Privatunter-
nehmern geleitete) „ethnologisch-zoologische Ausstellung der
Lappländer" im Prater und ab und zu die nur wenige Tage
währenden „Pferde-", „Geflügel-", „Hunde-" und andere Aus-
stellungen.
Die bedeutendsten, aber auch die einzigen für den Militär ein
besonderes Interesse besitzenden Ausstellungen sind jedoch die in dem
k. k. Belvedere und jene in der Rotunde (Weltausstellung 1873) im
Prater. Erstere enthält die von dem Erzherzog Franz Ferdinand
de Este auf seiner am 15. Dezember 1892 von Triest angetretenen,
ein Jahr währenden Reise um die Erde erworbenen Gegenstände.
Sie ist nicht nur durch ihre grofse Reichhaltigkeit — Dank den von
diesem Prinzen aus seinem reichen Privatbesitze aufgewendeten be-
deutenden Mitteln — sondern durch die sinnvolle und übersichtliche
Anordnung und den geradezu mustergiltig verfafsten Katalog beachtens-
wert. Die eine in siebzehn Sälen untergebrachte Abteilung zeigt von
Menschenhand gefertigte Gegenstände aus den von dem Erzherzog
durchreisten Ländern und von auf der untersten Stufe stehenden
Völkern wie von den eine uralte Kultur besitzenden Indiern, Chinesen
und Japanern herstammend, Alles genau nach der bei der Reise ein-
. *) Die Ausstellungen sind am 1. Juli d. J. geschlossen worden.
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220
Die Wiener Ausstellungen.
gehaltenen Route geordnet. Es sind nahezu 18 000 Objekte. Hier
finden sich zuerst Erinnerungen an Aden und den afrikanischen Stamm
der Somali, Ceylon, Nepal und Vorderindien, sowie aus Persien und
Afghanistan, dann Benares, Jopore, Kaschmir, den Himalayastaaten
und Hinterindion. Die verschiedensten Haus-, Jagd- und Fiseherei-
geräte, Kleidungsstücke und Stoffe, Musikinstrumente, Gefäfse, Er-
zeugnisse der darstellenden Kunst, an Ort und Stelle aufgenommene
bildliche Darstellungen, aber auch kostbare Schmucksachen, Reitzeuge
und namentlich ebenso solid ausgeführte als reich verzierte Waffen
älterer und neuester Zeit sind in reichster Auswahl zu sehen. Die
aus Annam und Tonkin stammenden Stücke (darunter die zierlichsten
Nippsachen und sehr künstlich gefertigte Marionetten) beweisen, dafs
diese Länder der ihnen aufgenötigten französischen Zivilisation nicht
gar so dringend bedurften. Sehr gut sind auch die Molukken,
namentlich Java und die bei Sumatra gelegene Insel Nias vertreten.
Der zehnte Saal birgt ein Modell des Rammkreuzers „Kaiserin
Elisabeth ', auf welchem die Tour von Tricst bis Yokohama gemacht
wurde und als belehrende Beigabe eine Sammlung von Detailkarten,
Plänen und Photographien der ganzen Reiseroute.
Von Australien finden sich Gegenstände aus Neu-Kaledonien und
von den Salomonsinseln , Neu-Guinea, den Bismarck -Inseln u. s. w.
Überreich ist die Sammlung an Stücken aus China und Japan, darunter
nicht nur Porzellane, Lack-, Flecht- und Schnitzwaren sondern auch
herrliche, alle europäischen Erzeugnisse dieser Art übertreffenden
Bronzen und Erzeugnisse der bereits sehr entwickelten Waffenindustrie
Japans. Auch Nordamerika ist nicht vergessen.
Die zweite Abteilung, die zoologische Sammlung, befindet sich im
Erdgeschofs und enthält Sehenswürdigkeiten, welche in manchem
renommirten zoologischen Museum vergeblich gesucht werden. Die
ganze Sammlung zeichnet sich nicht nur durch ihre grofse Reich-
haltigkeit und die wohlbedachte Einreihung der ausgestellen Gegen-
stände, sondern auch dadurch von andern Ausstellungen sehr vorteil-
haft aus, dafs sie eben nur Das enthält, was ihr Titel besagt! Da
sind keine fremden Objekte, auch wenn dieselben zur Ausfüllung des
Raumes und zur gröfseren Anlockung des schaulustigen Publikums
beitragen könnten, eingereiht und namentlich Keiner jener professions-
mäfsigen Ausstellungsbeschicker, die aus gewerblichen oder andern
Rücksichten fast bei jeder Ausstellung, dieselbe mag welch immer
für einen Namen haben, mit ihren zuweilen recht fragwürdigen Ob-
jekten zu erscheinen pflegen, zugelassen worden. Eben darum erfreute
sieh aber diese Ausstellung nur eines verhältnifsmäfsig wenig zahl-
reichen und zum grofsen Teil der vornehmen und gelehrten Welt
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Die Wiener Ausstellungen.
221
angehörenden Besuches, und eben darum sind die Berichte vieler
Wiener Zeitungen wohl sehr anerkennend, aber auch ziemlich kurz
abgefafst. Der Wien besuchende Fremde aber wird gewiis den Be-
such dieser wahrhaft sehenswerten Ausstellung nicht versäumen.
Ganz anders verhält es sich mit der Ausstellung in der Rotunde.
Dieselbe steht unter dem Protektorate des Gründers der vorberührten,
nämlich des Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich- Este,
und führt den Titel: „Internationale Ausstellung für Volks-
ernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrs-
mittel in Verbindung mit einer Sportausstellung." In den
Zeitungen findet man öfter: „Ausstellung für Volksernährung und
Armeeverpflegung etc. u Und es ist dieses ganz passend, da etc.
noch mehr bedeuten kann, da die Ausstellung noch weit mehr enthält,
als selbst der erwähnte langatmige Titel besagt. Es mufs jedoch
gleich bemerkt werden, dafs man auf eine gröfsere Zahl von Aus-
stellern gerechnet haben mag oder dafs wenigstens ein Teil der an-
gemeldeten Aussteller bis jetzt sich nicht eingefunden hat, da noch
viele Lücken zu bemerken und manche Wände blos mit Annoncen,
bildlichen Darstellungen von Fabriken u. dgl. bedeckt sind. Auch
haben viele Staaten die Ausstellung gar nicht oder wenigstens die
Hauptzweige derselben nicht beschickt, so dafs die Bezeichnung
„international" nur in beschränktem Sinne genommen werden
darf. Auch ist die Anordnung keineswegs sehr übersichtlich, da
weder alle in dasselbe Fach einschlägigen Objekte, noch die von einem
Lande eingesendeten Gegenstände beisammen sind, was freilich den
Raumverhältnissen und der Nachahmung des bei früheren Aus-
stellungen an diesem Orte beliebten Modus beigemessen werden darf.
Auch sind viele Gegenstände — eben von den gedachten Allerwelts-
Ausstellern zu finden, welche Objekte weder mit dem Titel der Aus-
stellung, noch mit irgend einer Gattung des Sports in Verbindung zu
bringen sind.
Würde man die Ausstellung blos auf „Volksernährung und
Armeeverpflegung" und allenfalls auf „Rettungswesen" beschränkt
haben, so würde das, was davon vorhanden ist, einen imponirenden
Eindruck üben. (Das „Verkehrswesen" ist nur in einigen Zweigen
und auch da nur unvollständig vertreten.) Demungeachtet würde
man Unrecht thun, wenn man die hohe Bedeutung der Ausstellung
bestreiten wollte. Aber es wird das Auge des Beschauers durch die
vielen nicht hierher gehörigen Gegenstände und durch die ganze An-
ordnung beirrt, und selbst nach wiederholten längeren Besuchen ist
es schwierig, einen Überblick über die Entwicklung des einen oder
anderen Zweiges der Ausstellung, z. B. der „Armeeverpflegung" zu
uigii
Die Wiener Ausstellungen.
gewinnen. Selbst die „Sportausstellung" — die aber auch nicht an
einem Orte vereinigt ist — würde für sich allein einen grösseren
Effekt erzielen. Bei der unbestreitbaren Reichhaltigkeit der Aus-
stellung gestattet der dem Verfasser zugemessene Raum keine detaillirte
Aufzählung der ausgestellten Gegenstände, und es sollen daher die
verschiedenen Fächer in ganz allgemeinen Zügen skizzirt werden.
Die für den Militär das meiste Interesse bietende „Armee Ver-
pflegung 4 ' wird sowohl von den betreffenden Staatsanstalten als
von zahlreichen Privatunternehmern (deren Namen schon der Kürze
wegen und um nicht in den Verdacht einer beabsichtigten Reklame
zu kommen nicht angeführt werden) repräsentirt. In vielen Fällen
steht dieselbe jedoch mit den Gegenständen der „Volksernährung 44 in
so innigem Zusammenhango, dafs beide nur schwer von einander zu
trennen sind. Leider konnte auch hier nicht alles an einem Orte
vereinigt werden. Das interessanteste befindet sich vor dem West-
portal der Rotunde und in dieser selbst. Hier sieht man die von
dem k. u. k. Verpflegungsmagazin erbauten Garnisons- und Feld-Back-
öfen, welche periodenweiso in Betrieb gesetzt werden, und eine bedeutende
Zahl von Brod- oder Zwiebackportionen (5000—6000 bei verstärktem
Betriebe nahezu das Doppelte) in einer Heizung herstellen können.
Dann fahrbare und zerlegbare Feldbacköfen, teils bereits eingeführt,
teils von verschiedenen Erfindern projektirt, Kochherde und Koch-
apparate für ganz kleine Abteilungen bis für 500 Mann, zerlegbare
Feldküchen, ein vollständig eingerichtetes Offiziers-Menagezimmer. Die
Konserven, welche sowohl von den k. und k. Verpfiegsmagazinen als
von zahlreichen Privatunternehmern ausgestellt wurden, imponiren
durch ihre Vielfältigkeit und die Masse der aufgestapelten Waare.
So ist beim Nordportal ein förmliches Blockhaus von Konservenbüchsen
von einem Lieferanten errichtet worden. Ebenso finden sich Proben
verschiedener Gattungen von konservirtem Fleisch (ohne Verpackung).
Hierher dürfen auch die von einigen Bahnen und Waggonfabriken
ausgestellten Fleischtransport-Waggons gerechnet werden, sowie Kühl-
und Ventilirapparate für Proviantmagazine. Küchen, Spitäler und
andere Räumlichkeiten. Komprimirte Fourage wurde nebst den dazu
erforderlichen Pressen nach verschiedenen Systemen ausgestellt.
Die Nachführung des Proviants für eine Armee ist zum grofsen
Teile auf die von den Einwohnern beigestellten Wagen angewiesen
und es ist die Kenntnifs der Leistungsfähigkeit dieser Fuhrwerke für
die Intendcnz von ungeheurer Wichtigkeit. Die Zusammenstellung
der in den verschiedenen Teilen der Monarchie üblichen Fuhrwerke
war daher eine glückliche Idee. Diese Sammlung ist — obwohl
keineswegs vollständig — bei der grofsen Verschiedenheit der Länder
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Die Wiener Ausstellungen.
223
und Völker Österreich -Ungarns im hohen Grade interessant, zeigt
aber auch, dafs bei der geringen Tragfähigkeit der Fuhrwerke in
mehreren Provinzen und den schlechten Wegen daselbst der Armee-
train aus viel mehr Fuhrwerken bestehen würde, als bisher an-
genommen wurde.
Hand in Hand mit der Armeeverpflegung geht — wie bemerkt —
die „Volksernährung". Die Lebensmittelausstellung, wie diese
Abteilung auch genannt wird, kann in einem so produktenreichen
Staate nur sehr reichhaltig sein und man findet darum auch die ver-
schiedensten Artikel von den auch dem Proletarier unentbehrlichen
Lebensmitteln bis zu den ausgesuchtesten Delikatessen und Näschereien,
Getränke aller Art, sowie auch Mineralwässer, allerhand Gesundheits-
(auch Schönheits- !) Mittel u. s. w. Auch die Erzeugung und Auf-
bewahrung vieler derartiger Artikel ist dargestellt. Besonders reich
ist die ungarische Abteilung dieses Zweiges der Ausstellung. Leider
aber hat das hohe magyarische Selbstgefühl der Aussteller (auch die
deutschen Firmen!) getrieben, auf ihren Objekten und den Etiketten
derselben nur die magyarische Sprache zu gebrauchen, was für die
Mehrzahl der Besucher nicht sonderlich bequem ist.
Besonders gut vertreten ist das „Rettungswesen" in allen
semen Zweigen und dürfen damit auch die Gegenstände des Sanitäts-
wesens (welches im Titel der Ausstellung nicht vorkommt) verbunden
werden. Nicht nur haben die freiwilligen Rettungsgesellschaften von
Wien und dessen früheren Vororten, sowie einiger anderen Städte ihre
Fuhrwerke und Apparate, sondern auch die Spitalsverwaltungen,
Kliniken, Arzte und Mechaniker, dann die k. und k. Sanitätstruppe
die verschiedensten teils schon im Gebrauch befindlichen, teils von
ihnen projektirten Kranken-Transportmitel, Bandagen und Instrumente
ausgestellt. Auch das Feuerlöschwesen ist gut vertreten und haben
die Berufs- und freiwilligen Feuerwehren ihre Löschapparate, Requisiten,
Ausrüstung und Bekleidung, sowie die verschiedenen Rettungsapparate
eingesendet und wird die Anwendung einiger dieser Gegenstände
(ebenso bei dem übrigen Rettun gswesen) in anschaulicher Weise durch
die dabei befindlichen lebensgrofsen Puppen dargestellt.
Bedenkt man, wie ausgedehnt der Begriff „Verkehrswesen"
ist, so kann man dasselbe nicht als besonders umfangreich, geschweige
denn vollständig vertreten anerkennen. Es ist vielleicht erst nach-
träglich in das Programm der Ausstellung anfgenommen worden und
man findet fast nur jene Aussteller, die bei keiner Ausstellung fehlen.
Etliche Eisenbahnwaggons (auch für Krankentransport), die für den
Verkehr in der Aussellung selbst gelegten kurzen Geleisestrecken
(Feldeisenbahn) sind fast Alles, was in Bezug auf Eisenbahnwesen
Jahrbücher fttr die Doutsche Armee nnd Marine. Bd. YlUC, 2. 15
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Die Wiener Aufteilungen.
geboten wird. Dann sind einige Modelle der neuesten Schiffstypen
des österreichischen Lloyd und der Donau -Dampfschifffahrt zu be-
merken. Die Erzeugnisse der Wiener Wagenfabrikanten sind ihres
alten Rufes würdig. Auch auswärtige Firmen haben Einiges ausgestellt,
doch steht das Ganze an Zahl und Verschiedenheit dem bei ver-
schiedenen anderen Ausstellungen Gebotenen weit nach. Dagegen ist
das neueste Verkehrsmittel, das Fahrrad, durch ziemlich viele und
schöne Exemplare vertreten. Es scheint dasselbe vielleicht zu der
Sportabteilung gerechnet zu werden und ähnlich mag es sich mit den
Schneeschuhen verhalten, obgleich wir auch diese den Verkehrsmitteln
zuzählen.
Nun noch die „Sportabteilung"! Wie vielerlei Arten des Sports
auf der Ausstellung vertreten sind, ist schwer zu bestimmen. Einzelne
Gegenstände sind von jeder Gattung zu finden, vollständig aber ist
keine. Die Ausstellungsräume müfsten mindestens doppelt so grofs
sein und hat man die Sache wahrscheinlich nur deshalb in die Aus-
stellung aufgenommen, um dieselbe reichhaltiger zu machen. Da
eigentlich jede Sache als Gegenstand des Sports betrachtet werden
kann, so ist schwer zu bestimmen, welche Objekte zur „Sportausstellung"
gehören.
Dagegen sind auf der Ausstellung einige Fächer vertreten, welche
in dem Titel nicht enthalten sind, aber für sich allein der Ausstellung
Bedeutung und Anziehungskraft verleihen würden. Hierher gehört
vorerst die Waffenfabrikation. Freilich sind es auch hier nur
einige Fabriken (namentlich Loewe) und Firmen, welche ausgestellt
haben, aber die vorhandenen Stücke sind durchaus beachtenswert.
Auch die Fechtapparato verdienen Erwähnung.
Die „Heeresausrüstung" ist in hervorragender Weise vertreten
und es haben zahlreiche mit der Herstellung derselben sich befassende
Firmen die Ausstellung beschickt und in der glänzendsten Weise ihre
Leistungsfähigkeit dargethan, so dafs die Mitteilung, es werde die
Heeresverwaltung in noch ausgedehnterer Weise als bisher die Aus-
rüstung der Truppen von Privatunternehmern herstellen lassen, nicht un-
begründet erscheint. Die üniformirung aller Chargengrade, Generalität,
Offiziere und Mannschaft und aller Truppengattungen des stehenden
Heeres und beider Landwehren sind ausgestellt. Man sieht weit über
hundert lebensgrofse Puppen — ein Teil derselben zu Pferd als In-
fanteristen, Jäger, Feld- und Festungsartilleristen, Pioniere, Dragoner,
Husaren, Ulanen, Train- und Sanitätssoldaten, bosnische Infanteristen,
Infanteristen, Landesschützen, Dragoner, Ulanen, sowie berittene
Tiroler und dalmatiner Schützen der österreichischen und Infanteristen
und Husaren der ungarischen Landwehr im Feld- und Paradeanzuge
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Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
2*25
und sämmtliche Stücke der Ausrüstung genau nach der Vorschrift, aus
solidem Material und zu billigen Preisen hergestellt. Desgleichen ge-
sattelte und angeschirrte Pferde der Kavallerie, Artillerie und der
Traintruppe. Auch einige projektirte Uniformen und Monturen, sowie
mehrere Systeme tragbarer Zelte befinden sich unter den ausgestellten
Gegenständen. Mehrere Veterinäre haben Hufbeschläge vorgelegt.
Gleich neben der Briefmarken-Sammlung befindet sich eine von
einem militärischen Spezial-Comitr, Buchhändlern und dem k. und k.
Kriegs- Archiv (Abteilung des Reichskriegsministeriums), sowie von dem
k. spanischen Kriegsministerium veranstaltete Ausstellung. Dieselbe
enthält alte Drucke, Karten, Pläne, Zeichnungen und viele Adjustirungs-
bilder — meist aus der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts.
Hervorzuheben sind die von dem Kriegs-Archiv ausgestellten Objekte,
zumeist alte Drucke und Urkunden, die sich auf die Verpflegung der
Truppen beziehen, darunter eine von dem Herzog von „Mechlen-
burg" (Wallen stein) erlassene Verordnung über die Geld- und
Proviantgebüren seiner Offiziere und Soldaten. Auch ein „Feuerwerks-
buch" aus dem fünfzehnten Jahrhundert (Sammlung des verstorbenen
F. Z. M. v. Hauslab V) ist zu bemerken.
Eine entsprechende Anordnung würde der Ausstellung nur zum
Vorteile gereicht und dem Besucher einen leichteren Überblick gewährt
haben. Unbedingt sind viele Gegenstände ausgestellt worden, welche
nicht hierher gehören und den Blick des Beschauers beirren. Aber
trotz Alledem war die Ausstellung sehenswert und bot dem Militär
viel Interessantes und Belehrendes. D . . . . h.
XYIII.
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen,
1. In den Handschriftensammlungen der Kgl. Bibliothek (Manusc.
bor. fol. 309) fand ich folgenden nicht uninteressanten : „Extrakt des
Berlinischen Zeughauses -Bestandes, d. 20. Dezember 1767":
„80 501 Infanterie- Gewehre, davon 12 100 grofse, 2« 667 mittlere,
39739 österreichische. 13(574 ordinäre Dragonerflinten; 327 gezogene
Dragonerflinten. 13 000 Reuter-Karabiner. 7382 lange Husaren-
Karabiner; 5613 kurze Husaren-Karabiner, 219 gezogene Husaren-
15*
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22t; Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
Karabiner. 671 Jiigerbüchsen. 40 000 Pistolen. 16 000 Dragoner-
Degen, 14 000 Reuter -Degen, 20 (XX) Husaren -Säbel, 293 Espontons,
1207 Kurz-Gewehre, 957 Piken vor Grenadier -Unteroffiziere, 199 In-
fanterie-Trommeln, 75 Dragoner-Trommeln." — über den Bestand an
Geschützen macht der „Extrakt" keine Angaben. Bemerkenswert sind
die hier namhaft gemachten gezogenen Dragonerflinten, bezw. Husaren-
Karabiner. Bei den Dragoner- und Husaren- Regimentern wurde nämlich,
was wenig bekannt sein dürfte, ein Teil der Mannschaft mit gezogenen
Handfeuerwaffen ausgerüstet und auch im Schiefscn nach der
Scheibe mit diesen ausgebildet. Es dies um so auffälliger, als die
Infanterie den letzteren Dienstzweig überhaupt damals nicht kannte,
dagegen um so eifriger im Feuer (d. h. mit Platzpatronen) exerzirte.
Schbg.
2. Preise von Rekruten in fridericianischer Zeit, über die-
selben giebt folgendes Schreiben des Königs an den Generalmajor von
Nassau, Chef eines Dragoner-Regiments (im Jahre 1806 Nr. 11), Aus-
kunft: „Mein lieber General -Major von Nassau. Da zeithero unter
denen Regimentern zum Öfteren ein Zweifel, auch wohl ein Disput
entstanden, wie hoch ein Kerl nach seiner differenten Gröfse zu rechnen,
wenn solchen ein Offizier dem anderen bezahlen soll, alsfs setze ich
hierdurch ein vor allemahl nachstehende Taxe fest und will, dafs vor
einen Mann von 6 Fufs 300 Thlr., von 5 Fufs 11 Zoll und darüber
200 Thlr., von 5 Fufs 10 Zoll 150Thlr., von 5 Fufs 9 Zoll 100 Thlr.,
von 5 Fufs H Zoll 40 Thlr., von 5 Fufs 7 Zoll 20 bis 24 Thlr., von
5 Fufs 6 Zoll 16 Thlr. jedesmahl gerechnet und soviel und nicht mehr
bezahlet werden, auch vorgenannte Taxe überall ein beständiges
Privilegium regulativum bleiben soll. — Ihr habet solches denen
Kapitäns Eures Regimentes bekannt zu machen. — Berlin den
29. Januar 1744. Friderich." Schbg.
3. Eine gleiche Uniform für die Generale aller Truppen-
gattungen wurde in Frankreich am 1. Februar 1744 unter König
Ludwig XIV. durch den Kriegsminister Graf d'Argenson eingeführt.
Bis dahin hatten sie sich beliebig gekleidet und meist wohl die Uni-
form eines der Regimenter getragen, deren Chefs sie waren. In der
betreffenden, von der „Revuo de cavalerie" in ihrem Februarhefte
1893 abgedruckten Verfügung ist gesagt worden, dafs die An-
ordnung erfolge, damit Jedermann die Träger der Uniform kenne und
ihnen gebührende Ehrfurcht und Unterordnung bezeuge; es ward dabei
befohlen, dafs sämmtliche Generallieutenants und Marechaux de Camp
im Felde die Uniform anlegen sollten. Sie bestand in einem Rocke
von königsblauem Tuche mit Besatz von Goldtressen, letzterer für die
beiden Grade mit dem Unterschiede, dafs die Generallieutenants auf
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Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
227
Armein und Taschen eine doppelte, die Marechaux de Camp eine
einfache Tresse hatten; von den übrigen Kleidungsstücken ist in dem
königlichen Befehle nicht die Rede. — Gegen diese Anordnung orhob
Einsprache der Graf Bercheny, General-Inspekteur der Husaren. Er
wollte seinen Schnurrock nicht missen. In einem aus Diedenhofen,
15. März 1744 datirten Schreiben an den Minister bittet er, ihm die
ungarische Tracht zu belassen und begründet sein Gesuch damit, dafs
er sagt „alle ankommenden ungarischen Überläufer verlangen in meinem
Regiment zu dienen, weil ich der Einzige von ihrem Volke bin, den
sie kennen, und weil die Gnaden, mit denen man mich hier überhäuft
hat, mir einen Namen gemacht haben. Die Liebe zum Vaterlande ist
ein allen Menschen gemeinsamer Zug; ein auf ungarischer Art ge-
kleideter französischer General stellt eine Neuheit dar, welche zu
gleicher Zeit die französischen Husaren erfreut und die ungarischen
herüberzieht." Mit der Bitte, ihm seine Tracht zu belassen, vereinigt
Bercheny mit möglichster Unbefangenheit eine zweite, dahingehend,
dafs der König ihm gleichzeitig den Orden des heiligen Ludwig ver-
leihen möchte. Er meint, wenn er sein ungarisches Kleid mit der
Stickerei dieses Ordens, welche an Stelle des Sterns auf Leibrock und
Mantel getragen wurde, schmücken dürfte, so würde man bis zu den
Grenzen Siebenbürgens von ihm sprechen und er würde, wenn er den
Orden erhielte, gern auf die mit der Verleihung verbundene Pension
von 2000 Livres verzichten, es käme ihm nur darauf an, einer Aus-
zeichnung teilhaftig zu werden, welche den König nichts koste und
der gesammten gegenwärtig in Frankreich einen eigenen Stand bildenden
ungarischen Nation unendlich schmeicheln würde. Das Gesuch um
Beibehaltung der ungarischen Tracht wurde genehmigt ; daneben aber
wurde Bercheny aufgegeben, sich die Uniform eines Marcchal de Camp
zu beschaffen und dieselbe anzulegen, sobald er sich nicht bei seinen
Husaren befände. Mit der Erlangung des Ludwigs-Ordens möge er
sich noch gedulden; der Minister würde ihm denselben seiner Zeit
verschaffen. Es geschah in der That. aber erst am 25. August 1753,
daneben erhielt Bercheny eine Pension von 6000 Livres. Am 15. März
1758 wurde er Marschall von Frankreich. 14.
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XIX.
Umschau in der Militär -Litteratur.
I. Ausländische Zeitschriften.
Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. (XLVIII. Bd.
7. Heft.) 1894. Die mobilen Belagerungs-Batteriegruppen (Hptm. Miksch).
— Die Lehrthätigkeit des Infanterie- Hauptmanns. Besprechungen, gehalten
mit den Kompagnie - Kommandanten (Major Ktfvess von Kövcsshäza).
Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Uenie-
wesens. 1894. (6. Heft.) Die Küstenbefestigung (Oberstlt. Frh. v. Lcithner).
— Ubersicht der Versuche auf dem Gebiete des Artillerie- und Waffen-
wesens. (Hptm. Haam).
Armeen latt. (Österreich.) Nr. 21: Friedensthätigkcit und Kriegs-
tüchtigkeit der Kavallerie. — Feldbacköfen mit Fahrgestellen. — Die
Nähr- und Wehr -Ausstellung. — Der Lagerfestungsduscl auf dem Gotthard
als Symptom. (Von Ingenieur Studer in Zürich). Nr. 22: Unser rauch-
schwaches Geschützpulver. — ,,Der Angriff der Infanterie/' ein Auszug
aus dem Skugarewski'schen Werke dieses Titels. Nr. 23: Der Sieg des
Kladno'schen Kanonenmetalls. — Zum Studium des Verpflegswesens im
Kriege vom optischen Standpunkte. Nr. 24: Die Theresianische Militär-
akademie. — Die Nähr- und Wehrausstellung.
Militär -Zeitung. (Ost erreich.) Nr. 19: Eine Strafsenscene. —
Die Ausstellung in der Rotunde. — Durchschlagskraft des französischen
Lebel- Gewehres. (Aus Mil.-W.- Blatt). Nr. 20: Zur Versorgung der
Offizierswittwen und -Waisen. — Die königlich - ungarische Landwehr-
Kavallerie. Nr. 21: Special-Fechtkurse. — Ein Wintermanöver. — Die
Ausstellung in der Rotunde. Nr. 22: Die freiwillige Sanitatspflege des
Deutschen Ritterordens. - Die ,.Neustädter. u — Die Ausstellung in der
Rotunde.
Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 627: Die blaue Hose. — Die
Untoroffiziersfrage in Russland. — Die Putz'sche Prefshafer- Packung.
Nr. 628: Russland und Bulgarien. — Das russische Manöver-Programm 1894.
Nr. 629: Ein altes Lied und altes Leid. Bezieht sich auf die Ab-
fassung der Qualifikations-Berichtc. Nr. 631: Ein türkisch -bulgarisches
Reich? — Unsere Militär-Badeanstalten. Nr. 632: Die neue Ausrüstung
der Infanterie- und Jäger- Pioniere. Nr. 633: Die Kavallerie des Heeres
und der Landwehren. — Osterreich-LTngarn im neuesten Löbell (Jahres-
berichte); die Berichterstattung wird stark bemängelt, es werden zahlreiche
Unrichtigkeiten nachgewiesen. Nr. 634: Was wurde 1866 in Italien
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Fmschau in der Militar-Litteratur.
229
unterlassen und worin gefehlt? (Bezieht sich auf die neuerdings erschienene
Schrift „Betrachtungen über den Feldzug 1866 in Italien") — Das
französische Heeres-Sanitätswesen. Nr. 635: Die nationale Verschiedenheit
des öster. -ungar. Heeres. — Was wurde 1866 in Italien unterlassen etc.
(Schlufs). Nr. 636:* Von unseren Militärärzten. — Die Kurden-Kavallerie
„Hamidie.'' Nr. 637: Die neuen organischen Bestimmungen tür die
Militär-Sanität. — Die russischen Plastun-Bataillone (Kosaken zu Fufs).
Le gpectateur militaire. (15. Mai.) Die Ecole polytechnique. (Feierte
am 11. März ihr 100 jähriges Jubiläum). — Die Bedeutung der Zahl. -
Verschiedene Bemerkungen über das neue (Infanterie ) Exerzir-Reglement.
— Der alte Armee-Etat (Forts.). — (1. Juni) Abrüstung und Rüstungen.
— Die Bedeutung der Zahl (Schlafs). — Der alte Armee-Etat (Forts.).
Revue d* Infanterie. (Juni.) Nr. 89: Geschichte der Infanterie in
Frankreich (Forts.). — Gesundheitspflege der europäischen Kolonial-
Truppen (Eorts.). — Die bedrohte Grenze (Forts.). — Das Militärsanitäts-
wesen 1870.
Revue de Cavalerie. (Mai 1894.) Die Verwendung der Kavallerie
bei den letzten deutschen Kaisermanövern. (Scharfe Kritik derselben,
besonders wird der Kavallerie mangelhafter Aufklämngs- und Sicherungs-
dienst vorgeworfen). — Die italienische Kavallerie (Forts.). — Die
Kavalleriemanöver von Blere (Schlufs). — Verstärkung und Kemontirung
der Kavallerie bei der Grofsen Armee 1806—1807 (Forts.). — Plaudereien
über Vollblut: das englische Vollblutpferd in der Armee. Jahrestag
des Gefechts von San Pablo des 1. Regts. Chasseurs d'Afrique.
Revue d'Artillerie. (Juni.) Allgemeiner Überbück über die
Artillerie der Gegenwart; Denkschrift für den internationalen Ingenieur-
Kongrefs auf der Ausstellung von Chicago, von Art. -Kap. Moch. — Das
russische 3 Liniengewehr M/1891. — Rückblick auf die wichtigsten von der
österreichischen Artillerie ausgeführten Versuche in den Jahren 1891 u. 1892.
Revue de l'Intendance militaire. (März-April.) Der Zucker
und die Zucker-Industrie (Forts.). — Über die Requisitionen während der
Vendee-Kriege. — Über die civile Verantwortlichkeit der Armeelieferanten.
Revue militaire universelle. (Juni.) Der Sezessionskrieg (Forts.).
Xachtmärsche und Nachtoperationen (Forts.). — Technische Betrachtungen
über die Umwandlungen der neueren Bewaffnung und ihre Verwendung
im Gefecht. (Aus d. Italien, übers.). — Die französische Kavallerie von
1800 bis 1815 (Schlufs). — Die Verpflegung der Armeen Friedrichs d. Gr.
und Napoleons (Schlufs).
Revue du cercle militaire. Nr. 21: Die Befestigungen des Gotthard
(Anzug aus „Mitteilungen über Gegenstände d. Art.- und Genie- Wesens").
— Studie über Seetaktik. — Die Kasaken im XVI. Jahrhundert
Nr. 22: Das italienische Gewehr M/1891 und die neue Schiefsvorschrift.
— Studie über Seetaktik (Forts.). — Die Kasaken im XVI. Jahrhundert
(Forts.). — Der Dowe'sche Panzer. Nr. 23: Der Schneeschuh und
das Schneeschuhläufer-Korps in Schweden-Norwegen. — Das italienische
Gewehr M/1891 und die neue Schiefsvorschrift. — Studie über Seetaktik
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Umschau in der Militär-Litteratur.
(Forts.). Hr. 24: Aus den Colonien: L'Etat-tampon du Mekong. - Die
Schweizer-Armee 1893. — Studie über Seetaktik (Forts.). —
L'Avenir militaire. Nr. 1895: Die alte Armee. — Die hundert-
jährige Jubelfeier der „Ecole polytechnique." Kr. 1896: Artillerie der
selbstständigen Kavallerie. Die Umwandlung von 28 Pontonnier-Kompagnien
und 7 reitenden, an der Grenze dislozirten reitenden Batterien in fahrende
Batterien wird streng getadelt. — Die Kongo-Konvention. Das Vorgehen
der Engländer wird scharf verurteilt und zu energischen Schritten gegen-
über England aufgefordert. Nr. 1897: Die Pontonniere und die Genie-
truppe. General Cosseron de Villenoisy befürwortet hier ein Pontonnier-
Regiment mit eben so viel Kompagnien als es Armeekorps giebt. Nr. 1898:
Skelett-Batterien. Dem Kriegsminister wird empfohlen, vor Neu-
formation von Batterien den geringen Etat der bestehenden Batterien zu
beachten. Eine besonders günstig situirte Abteilung von 3 Batterien hat,
nach Abzug der Abkommandirten, nur 128 Unteroffiziere und Mannschaften
zum Dienst. — Die Armee des unabhängigen Kongo-Staates. Kr. 1899 :
Budget der Schiffs-Konstruktionen. Im Jahre 1894 werden 52 neue Schiffe
vollendet und in Dienst gestellt; 11 hofft man im Jahre 1895 zu vollenden,
an der Vollendung von 16 anderen wird gearbeitet, 7 werden neu in
Angriff genommen (!!). Kr. 1901: Das Pontonnier- Wesen und der Senat.
Le Progres militaire. Kr. 1415: Unser Generalstab. Eine Vor
minderung seiner Stärke wird befürwortet; das Patent zum Generalstabs-
offizier hatten zu Anfang 1894 insgesammt 1322 Offiziere der aktiven
Armee. — Unsere Feld-Artillerie. Das in Vorschlag gebrachte neue Ge-
schütz hat 75 mm Kaliber, wiegt 500, Laffete mit Bremse 550 Kilo. Die
Anfangsgeschwindigkeit soll, obwohl das Geschofs schwerer ist wie das
des 90 mm Kalibers, eine bei Weitem gröfsore sein. — Kriegsbudget. VI.
Nr. 1416: Unsere Schutztruppen. Behandelt besonders die Effektiv-
stärken des an der Ostgrenze stehenden 6. und 7. Korps, die, da die
Kompagnien 200 Köpfe zahlen, ausrücken können, ohne Reservisten abzu-
warten. — Das Kriegsbudget. VII. Kr. 1417: Die neue Felddienstordnung.
Wird gelobt; sie lehnt sich stark an die diesseitigen Vorschriften an, be-
sonders bezüglich des Sicherheitsdienstes. — Kriegsbudget. VIII. Kr. 1418:
„Combattre de pres"; eine Lanze für den Nahkampf. — Das Kriegs-
budget. IX (Schluß). Kr. 1419: Die Militärverwaltung. — Die Kavallerie
und das Dekret vom 11. Mai. (Behandelt die Zusätze zur neuen Feld-
dienstordnung, die eine grofse Verbesserung desselben seien). Kr. 1420:
Die reitende Artillerie und die Kavallerie. Kr. 1421: Der Krieg und
Probe- Requisitionen (von Pferden); bezieht sich auf einen geplanten
Mobilmachungs -Versuch. Kr. 1422: Unsere Streitkräfte und die Mobil-
machung (Polemik gegen d. Aufsatz im Journal d. sc. m. „le nombre 1 *).
L» France militaire. Kr. 3038: Die Fahnen. Der Maire von
Avignon hat veranlafst, dafs die Fahnen der aufzulösenden beiden Pontonn.-
Rgt. (das 1. steht in A., das 2. in Angers) in den Dom der Invaliden
kommen. Verfasser hält es für rationeller, sie den Genie-Regim., welche
den Dienst übernehmen, zu überweisen. Kr. 3039: Der kriegerische Geist.
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Umschau in der Militär -Litteratur.
2:u
Bezieht sich auf die allgem. Entwaffnung. Nr. 3041: Die teilweise Re-
organisation der Artiii. u. des Genies. Gegnerische Ansichten von General
Tricoche. Nr. 3043: Subdivisions - Schulen. Nr. 3044: Forts, der An-
sichten von Tricoche in Nr. 3041. Nr. 3045: Die Rekrutirung der
Offiziere in Frankreich. Von Oberst F. Robert. Nr. 3046: Verrat?
Bezieht sich auf die „Turpinade." Nr. 3047: Forts, der Ansichten von
Tricoche in Nr. 3041, 44. — Das neue Exerzir-Reglement der Infanterie.
Tit. I. II. Nr. 3048: Unsere Unteroffiziere von Oberst F. Robert Nr. 3049:
Die unabhängige Kavallerie. — Die Fufsjäger. - Militär-Telegraphie.
Exerz.-Regl. der Infant. Tit. III.
La lielgique militaire. Nr. 1206: Betrachtungen über die Truppen-
verwendung bei den Manövern. — Der Entwurf einer Schiefsvorschrift für
die Infanterie. Nr. 1207: Die Belgier am Kongo. — Die Infanterie-
Taktik 1893. (Übers, des bez. Berichtes im neuesten Jahrgange der
„Loebell'schen Jahresberichte k '). Nr. 1208: Die Kriegskunst auf der Ant-
werpener Weltausstellung 1894 (Forts.). Nr. 1209: Vaterland! (Appell
an den Patriotismus und entsprechende Erziehung der Jugend. — Unsere
Helden.
Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (Mai.)
Die Infanterie-Gewehr-Patrone, von Oberstlt. Rubin. — Betrachtungen über
das Verhalten der drei Waffen im russisch-türkischen Kriege 1877/78, von
Major Habicht (Forts.). — Einiges über die grofsen deutschen Manöver
im vorigen Jahre, abgehalten bei Metz und bei Karlsruhe (Schlufs). —
General v. Scherff und das deutsche Exerzir-Reglement für die Infanterie.
— Rufslands Welirmacht (Forts.).
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. Nr. 5:
Der gegenwartige Stand der Schweiz. Landsturmfrage. — Contralverband
der schweizerischen Artillerievereine.
Revue militaire suisse. (Juni.) Die Maxim-Mitrailleusc bei unserer
Kavallerie. — Militär-Reorganisation; Vorschläge des Oberst- Divisionär
Meister. — Die Geniewaffe und der Militargesetzentwurf. Beiheft: Gesetz
über die Truppen-Organisation (Entwurf).
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 21: Über selbst-
ständige Kavallerie und Divisions-Kavallerie. Nr. 22: Die Teilung des
6. französischen Armeekorps. Nr. 23: Neues Uber den Dowe'schen Panzer.
— Militärisches aus Italien. Nr. 24: Die Wirkung der neuen klein-
kalibrigen Geschosse. (Der bekannte Vortrag des Generalstabsarztes
Prof. v. Coler auf dem medizin. Kongrefs in Rom).
Army and Navy Gazette. Nr. 1791: Das neue Programm der
Kriegs- A kademie. Besprechung der dadurch eingetretenen Neuerung, dafs
den mathematischen Wissenschaftenein erhöhterWert gegenüber den geschicht-
lichen, taktischen und sprachlichen Kenntnissen beigelegt ist. — Bazaine
und Mac-Mahon. Eine Entgegnung auf den Aufsatz des Colonel Turner,
der einen Vergleich zwischen beiden Marschällen zieht. Nr. 1792:
Probleme der Kavallerie. Der Verfasser sucht nachzuweisen, dafs
die Belastung des Pferdes durch den kriegsmafsig ausgerüsteten Kavalleristen
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Umschau in der Militär- Litteratur.
zu schwer ist, und macht Vorschläge zur Erleichterung der Ausrüstung. —
Taktische Studien. Vortrag des Lieut. Col. Henderson, Lehrer an der
Kriegsakademie, der die Grundsätze, nach denen der Offizier das Studium
der Taktik betreiben soll, festsetzt. — Die Wirkung kleinkali briger
Geschosse. Ein Militärarzt behauptet, dafs die Versuche der Durch-
schlagskraft an Pferdeleichen sich nicht mit der Wirkung an lel>enden
Menschen vergleichen lassen. Alle Verwundungen würden einen sehr
günstigen Verlauf nehmen. — Die Alhambra-Neuigkeit. Die Wirkung
des Dowe'schen Panzers als Schutzmittel wird besprochen. Nr. 1793: Die
Armee im Jahre 1893. Der nunmehr erschienene officielle Bericht über
das Heerwesen im vergangenen .Jahre wird mitgeteilt. Er enthält die
Angaben über die Stärke, die Hekrutirung, die Entlassung und Desertionen
(letztere 4800 Mann), die Armee-Reserve, die Miliz, die Volunteers und
schliefslich allgemeine statistische Notizen. - Geschichte des schottischen
Hochland-Regiments Black-Watch. (42. und 73. Linien-Regiment.)
Das Regiment ist eins der ältesten und angesehensten der Armee, die
Errichtung fällt in das Jahr 17*29. — Die Teilung Afrikas. Eine
geographisch-politische Betrachtung über die Erwerbung grofser Länder-
gebiete in Afrika seitens der europäischen Mächte ohne wirkliche Besitz-
ergreifung. Als Beispiel wird die Erwerbung des Sudan angezogen, der
sich auch jetzt noch in den Händen fanatischer Eingeborener befindet.
Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 185:
Der Volkskrieg an der Loire. Eine kritische Betrachtung des Major
Weshan über das Werk des Hauptmann Honig.
Journal of the United Service Institution of India. Nr. 115 :
Der Korpsgeist, ein Hülfsinittel der Disziplin. Der Unterschied
zwischen dem wahren Korpsgeist und dem Geiste, der nur Folge der An-
gehörigkeit zu einem bestimmten bevorzugten Truppenteil ist und zur
Uberhebung führt, wird besprochen. — Kasaken -Schwärme. Betrach-
tungen über die Kampfart der Kasaken in aufgelöster Ordnung gegenüber
geschlossenen Kavallerie-Massen.
Kussischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine mili-
tärische Nachrichten: Nr. 86: Kurzer Auszug aus den Berichten über
die Übungen der Praporschtschiks der Reserve im Jahre 1892. Es waren
diejenigen Praporschtschiks (Vizefeldwebel) der Reserve, welche im
Jahre 1892 zu theser Charge befördert worden waren, zu einer sechs-
wöchentlichen Übung einberufen; bei der Infanterie und Kavallerie be-
standen die Übungen in Schiefsen, Kompagnie- (Eskadrons-)Exerziren,
Feldwachtdienst, Entfernungsschätzen Eingraben mit dem kleinen Spaten
und Felddienst; bei der Artillerie und den Ingenieuren war dement-
sprechend die Ausbildung eine möglichst feldmäfsige, die Ergebnisse
waren in allen Ausbildungszweigen, mit Ausnahme der taktischen Übungen,
zufriedenstellende. Nr. 106 u. 107: Beschreibung der Ausrüstuugs-
gegenstände für die Mannschaften der Garde-Infanterie. Die
Garde-Infanterie hat eine neue Ausrüstung erhalten, welche aus Tornister,
Stiefeltasche, Zwiebacksack, Mantelriemen , hölzerner Feldflasche, Becher.
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Umschau in der Militär- Literatur.
Spatenfutteral und Patronenbehälter beateht. Der weiche, viereckige
Tornister wird aus schwarzem, wasserdichten Segeltuch gefertigt; er hat
die Form einer länglichen Tasche, deren Seitenwände nach vorn abge-
schrägt sind, mit abgerundeten Ecken; in den Tornister werden gepackt:
2 Hemden, Unterhosen, 2 Paar Fufslappen, 1 Handtuch, 1 Paar Fausthand-
schuhe, Gewehrzubehör in einem Sackchen, Putz -Utensilien in einem
Säckchen, ein messingener, verzinnter Trinkbecher und ein Paar Stiefel
im Stiefelsack. Auch letzterer ist aus wasserdichtem, naturfarbenen Segel-
tuch gefertigt. An der linken Querseite des Tornisters wird durch zwei
Schnallriemen die Zeltbahn mit Stock befestigt; die an der rechten Seite
de» Tornisters vorhandenen Schnallriemen bleiben für den Notfall frei.
An den Leibriemen werden angehängt: der Spaten im Futteral, die
Patronentaschen und der Zwiebacksack mit 5 Pfund Zwieback; der
Zwiebacksack besteht aus zwei einzelnen, in einander gesteckten Säcken,
der äufserc aus wasserdichtem Segeltuch , der innere aus Fabrik-
Leinwand. Der Spaten wird hierbei an der linken Seite, der Zwieback-
sack an der rechten Seite, die Patronentaschen in der Mitte, nahe dem
Leibriemenschlols, angebracht. Die hölzerne Feldflasche wird über die
rechte Schulter gehängt, der gerollte Mantel wird, oberhalb des Tornisters,
über der rechten Schulter getragen, das Kochgeschirr wird auf dem ge-
rollten Mantel, bei angezogenem Mantel an der linken Seite des
Tornisters befestigt. Nr. 109: Verordnung über die Kennen im
Gebiete des Don- Heeres. Zur Hebung der Pferdezucht im Don-Heere
werden jährliche Kennen eingerichtet, für welche zu Preisen aus dem
Hceres-Kapital 1500 Rubel ausgesetzt werden; es werden Pferde aller
Racen, mit Ausnahme von englischen Vollblutpferden, welche sich im Besitz
von Bewohnern des Don-Gebiets befinden und in letzterem aufgezogen
sind, zugelassen. Es werden zwei Rennen geritten; bei dem ersten
(Preis 1000 Rubel) Entfernung 10 Werst, bei dem zweiten (Preis
500 Rubel) Entfernung 5 Werst. Kr. 111 — 113: Änderungen und
Krgänzungen der die Organisation der Bezirksstäbe betreffen den
Bestimmungen. Das Wesentlichste dieser Anordnungen besteht darin,
dafs die Chefs der Stäbe der Militärbezirke, welche bisher im Range eines
Divisions-Kommandeurs standen, Rang und Rechte eines kommandirenden
Generals erhalten haben, wodurch Unzuträglichkeiten, welche sich in den
dienstlichen Beziehungen der Stabschefs der Militär- Bezirke zu den Korps-
Kommandeuren ergeben hatten, l>eseitigt werden sollen. Aus dem gleichen
Grunde hat bereits der Stabschef eines Armee - Koi ps Divisions-
Kommandeurs-, der einer Division Regiments- Kommandeurs-Rang.
Gröfsere Aufsätze: Nr. 86 — 90: Arbeiten der Chargen des
Korps der Militär- Topographen. Arbeiten in Transbai kalien in dem
der sibirischen Eisenbahn vorliegenden Gelände. Nr. 95: Das Früh-
jahrs - Hundertwerst - Rennen. Am 1. Mai (a. St.) fand zwischen
Zarskoje Sselo und Petersburg das zweite Hundertwerst-Rennen in diesem
Jahre statt, an welchem 12 Offiziere teilnahmen. Der Sieger legte die
Strecke in 6 Stunden, 7 Minuten, d. h. 18 Werst (19 km) in der Stunde,
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Umschau in der Militär - Litteratur.
zurück; die ersten 3 Pferde brauchten weniger als 6'/ 2 »Stunde, das vierte
Pferd 6 Stunden, 34 Minuten. Auch bei diesem Distanzritt, wie bei
allen ähnlichen Gelegenheiton, zeigte sich die Überlegenheit des Blut-
pferdes über das Steppenpferd; an Ausdauer fehlt es letzterem nicht, da-
gegen auf kurzen Strecken an Schnelligkeit. Nr. 97 u. 98: Die Sommer-
übungen der Truppen. Nr. 102: Ausflüge der Jagdkommandos
der 23. Infanterie-Di vision. Nr. 110: Die Entwicklung der Seemacht
der europaischen Grofsmächte zu Beginn des Jahres 1894.
Russisches Ingenieur-Journal. März 1894. Nr. 3 Verteidigung
von Landfcstungen. — Eine Küstenbatterie für 12 (»zeitige schwere und
8 Schnellfeuergeschütze. — Die Beschäftigungen in den Pontonnicr-
Batailloncn. — Zwei Typen von Wachttürmen. — Unterseeische Minen
und Militä'r-Feld-Telegraphen auf der letzten Edinburger elektrischen Aus-
stellung. — Vermischtes: Das befestigte Rumänien. — Einige Worte
über das Oftizier-Korps der rumänischen Armee. — Das Ingenieur-Korps
der serbischen Armee. — Eisenbahn- und Luftschiffer-Truppen in «1er
deutschen Armee u. s. w.
Wajennüj Ssbornik. 1894. Mai. Versuch einer Untersuchung über
die Frage der Taktik der Massen-Heere. II. — Die Friedens-Manöver
und ihre Bedeutung. IV. — Das moralische Element vor Sewastopol. IV.
— Die Befehlsfülirung im Gefecht. Verf. kommt zu dem Ergebnifs, dais
eine bestimmte Form des Befehles, welche sowohl für Offensive als auch
für Defensive genügt, für die Befehlserteilung im Gefecht notwendig sei.
Ein Beispiel, wie er es auch der R. Gefechts- Instruktion beigefügt wissen
will, wird von ihm aufgestellt. Dasselbe enthält: 1. Ort der Befehls-
Ausgabe und Zeit derselben, 2. Nachrichten über den Feind, 3. Auftrag,
4. Sicherung der Flanken, 5. Ort des Artillerie-Parkes, 6. Ort des Haupt-
Verband-Platzes, 7. die Bagage der 2. Staffel, 8. besondere Anordnungen,
9. Aufenthalt des Kommandirenden während des Gefechtes. — Einige
Worte über die Frage der besonderen Bildung der Ingenieur-Truppen. —
Uber das Wesen des Offizierkorps der deutschen Armee. V. — Die Ein-
richtung der Instruktoren der Lehr-Kommandos, bezw. Übungen der Grenz-
wache wurde 1886 bei Einführung der, aus Anlafs der beabsichtigten Ver-
wendung dieser Truppe im Kriege, notwendig gewordenen Sommer-
Übungen getroffen. Damals befanden sich eine grofse Anzahl von Offizieren
in der Grenzwache, welche durch ihre lange Abwesenheit aus der Front,
oder durch ihre Unkenntnifs der Verhältnisse der berittenen Waffen nicht
in der Lage waren, diese Übungen zu leiten. Diese Lage hat sich aber
nunmehr zum Bessern geändert und ergeht hier aus der Truppe der
"Wunsch, dafs die Unterstellung der einzelnen Sotnien etc. zum Zwecke
ihrer militärischen Sommerausbildung unter besonders hierzu bestimmten
Offizieren die Autorität der Kompagnie- bezw. Sotnien -Kommandanten
schädigen mül'ste, welche doch meist die Charge des Stabsoffiziers be-
kleideten.
Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 185: Durch Befehl des Chefs der
Grenzwache vom 30. 3.(11.4.) 94, des Finanzministers Witte, dessen Bild
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Umschau in der Militär -Litteratur.
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ebenso wie dasjenige des Kommandeurs des selbstständigen Korps der
Grenzwache, Generallieutenant Swinjin, demselben beigefügt wird, ist eine
All. Verfugung mitgeteilt, welche einen gewissen Abschlufs der veränderten
rein militärischen Organisation der Grenzwache bildet, — S. M. der Kaiser
hat derselben ein besonderes Truppen- Kirchenfest (chramowoi prasdnik)
verliehen, welches am 21. November zu feiern ist und bei welchem S. M.
eine kombinirte Kompagnie der Truppe besichtigen wird. — Aus den
Bemerkungen des Oberkommandirenden des Militär-Bezirks Kijew, Generals
Dragomiroff, während seiner Truppen-Inspizirungen vom 24. 1. bis 17. 3. 94.
Unter denselben werden auch einige recht abfallige der Öffentlichkeit über-
geben. — Der taktische Wert der Plastunen (Kasaken zu Fufs). Kr. 186:
Die Ausrüstung der Infanterie mit Schanzzeug. — Die Instruktoren der
Lehr-Kommandos der Grenzwache.
Rivista militare Italiana. 16. April. Die Zone von Asmara.
(Historisch-militärische Skizze). — Diegrofsen deutschen Manöver 1893.
(Forts). Enthalt auch lesenswerte kritische Bemerkungen. — Sieg und
Niederlage. (Scharte, aber berechtigte Kritik des gleichnamigen
Aslib'schen Buches). — 1. Mal Die Offizierehe. (Beurteilt den Grund-
gedanken der Mocenni'schen Vorlage günstig). — Die grofsen deutschen
Manöver 1893. (Forts.).
Esercito Italiano. Nr. 62: Offiziere und Beamte. (Gestützt
auf parlamentarische Dokumente wird nachgewiesen, dafs in 8 Jahren von
1883—1891 die Zahl der Zivilbeamten um 10 347, die Ausgabe für die-
selben um fast 22V 4 Millionen gewachsen ist, die Vermehrung derselben
so viel kostet wie 2 Armeekorps, bei der Armee seit 1892 Ver-
minderung der Ausgaben eintrat, bei den Zivilbeamten nicht, es also nicht
angebracht ist, vorher andere Ressorts zu beschneiden, ehe man auch durch-
aus unzulässige Abstriche am Kriegsbudget vornimmt). — Für Heran-
bildung und Beförderung der Generalstabsoffiziere wurden neue
Bestimmungen erlassen. — Nr. 63: Die Zahl der nationalen Schiefs-
vereine beträgt heute 734 gegenüber 476 im Jahre 1883, die Zahl der
Mitglieder 129 403, zahlende Mitglieder waren 98 480, für Schiefsstände
sind ausgegeben worden total 8246769 Lire, davon 8 / 5 vom Staat, x / s von den
Provinzen beigesteuert. Der Staat hat aber auch noch weitere 1 585 000 Lire
beigetragen. General Mocenni hat den Preis der Patrone auf 0,03 Lire herab-
gesetzt. Nr. 64: Das neue russische Dreilinien-Gewehr. Nr. 65:
In der Kolonie Eritrea ist eine Reform der Gerichte eingetreten. Nr. 66:
Im Bereich des V. Korps finden gröfsere Übungen der 4. Kavalleriebrigade
(Regimenter Genua, Lucca) und einer reitenden Abteilung zu 2 Batterien,
sowie der 5. Kavalleriebrigade (Regimenter Savoia und Lodi und einer
7 cm Batterie des 8. Regiments) zwischen Etsch und Chiese, bezw. in der
Umgebung von Pordenone statt. — Für die Übungen in den Alpen und
den Sperrforts ist die Brotportion um l / 3 erhöht worden. — Die Bahn-
linie Rom— Viterbo und die Zweiglinie Capranica — Ronciglione des Mittel-
meernetzes wurden dem Verkehr Übergeben.
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23(5
Umschau in der Militär- Litteratur.
Revista cientifico-militar. (Spanien.) Nr. 10: Konflikt von
Melilla. III. Brief. - Die Gesundheit des Soldaten. XVI. Brief.
Memorial de Ingenieros del Ejercito. (Spanien.) Nr. 6: Der
internationale Eisen bahnkongrefs.
Revista militar. (Portugal.) Nr. 10: Kurze Studien über
die moderne Taktik.
Krigsyetenskaps - Akademien» -Handlingar. (Schweden.) Mai.
Befehlsübertragung bei der Infanterie.
Militaire Spectator. (Holland). Nr. 6: Kriegsgeschichtliche
Studie über die Verteidigung der batavischen Republik 1799.
(Forts.). — Völkerrecht und Kriegsbrauch.
II. Bücher.
Der Krieg der Vendee gegen die Französische Republik 1793 bis
1796 von A. von Boguslawski, Generallieutenant z. D. Mit
Karten und Plänen. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 7,50 M.
Vom Verlauf dieses Krieges hatte ich offen gestanden bisher nur eine
sehr undeutliche Vorstellung, und ich meine, dafs dies deu meisten unserer
Leser ebenso gehen wird. Es liegt dies daran, dafs es an einem uach der
militärischen Seite hin befriedigenden Werke über diesen merkwürdigsten
aller Volkskriege fehlte. Die französische, besonders die Memoircn-Litteratur,
weist zwar zahlreiche Schriften über denselben auf, von denen der
Herr Verfasser über 30 namhaft macht, desto spärlicher aber sind die
deutschen Quellwerke über diesen Krieg. In Betracht zu ziehen wären
nur die (hier nicht genannten) Werke von „Schwidorp, der Kampf der
Vendee und Bretagne gegen die französische Republik 44 , dann „der Kampf
im westlichen Frankreich 44 , endlich das ins Deutsche übersetzte, die Ge-
sammtheit der Ereignisse behandelnde Buch von „Mortonval, die Kriege
in der Vendee 1792 — 179 6. 44 Der bewährten Feder Boguslawski's war es
aber vorbehalten, eine kriegsgcschichtlich allen Ansprüchen genügende
und zugleich militärisch lehrhafte Darstellung desselben mit vorliegendem
Buche zu liefern. — v. B. sagt sehr treffend, „die Kenntmfs des Vendee-
Krieges sei besonders nutzbringend für die Gegenwart, denn er lehre uns,
dafs da, wo der Schutz der geordneten Heeresgewalt aufhöre, jeder Staats-
bürger die Waffe in die Hand nehmen soll, um Familie, Gesellschaft und
Religion nötigenfalls zu verteidigen 14 , femer, „dafs für ein Volksheer die
gemeinsamen Interessen der Stände, das Vortrauen derselben zu einander,
den dauernden Kitt abgeben und dafs, wo dieser schwindet oder gar in
Hafs und Feindschaft übergeht, die strengste äufsere Disziplin nicht den
allmählichen Zersetzungsprozefs aufhalten kann. 44 — Das Studium dieses
Krieges ist besonders geeignet, in dem schon lange andauernden Meinungs-
streit über den Wert oder Unwert improvisirter Volksbewaffnungen, National-
garden-, Freiwilligen- und Miliz-Formationen aller Art endgültige Auf-
klärung zu schaffen. Insofern ist das B!-Werk nicht allein für den Offizier,
sondern auch für die Gebildeten aller Stände, insonderheit Politiker und
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Umschau in der Militär- Litteratur.
237
Parlamentarier von hohem Werte. Reizvoll und fesselnd ist überdies das
Studium dieses Krieges, welcher Eigentümlichkeiten zeigt, wie sie seit
Erfindung des Schiefspulvers höchst selten geworden sind, so das rücksichts-
lose Einsetzen der Person nicht nur der niederen, sondern auch der
höheren Führer. Betrachtet man die Thaten und das Geschick derselben,
so glaubt man ein Heldengedicht zu lesen. Aber auch die Gesammt-
leistung dieses kleinen, nicht 1 Million Menschen zahlenden Volksteiles,
sein furchtbares Schicksal, die Thätigkeit der „H'iUönkolonnen", die alle
Gräuel des dreifsigjährigen Krieges hinter sich lassen, die Auswanderung
eines grofsen Teiles der Bevölkerung zusammen mit der Armee des Auf-
standes; auf der anderen Seite das tragische Ende vieler republikanischen
Führer auf dem Schaffot, wohin sie durch die Angebereien aus der Hefe
emporgekommener Verleumder geschleppt wurden, alle Schrecken, Grofs-
Thaten und Nichtswürdigkeiten der Revolution und des Bürgerkrieges auf
einem engen Schauplatz zusammengedrängt, zeigen uns das erschütterndste
Gemälde, welches jemals die Parteileidenschaft im bürgerlichen Zwiste hervor-
gebracht hat.
Es ist unmöglich, vom Verlaufe dieses 4jährigen Kampfes hier eine
auch nur annähernde Vorstellung zu geben; einige Andeutungen mögen
genügen, Verfasser teilt sein Werk in drei Abschnitte. Im I. giebt er
zunächst eine höchst plastische Schilderung der geographischen Gestaltung
dieses seltsamen Landes, dann eine solche seiner Bevölkerung und seines
Kulturzustandes, die Ursachen der Gährung und der Losbruch des Kampfes.
Trefflich gelungen ist ferner die Charakteristik der bedeutendsten Führer:
Elbe«, Bonchamps, Charette, Lescure, Larochejaquelein, Cathelineau (eine
Volksheldengestalt wie Ziska und Hofer) und Stofflet. Daran schliefst
ein Kapitel über die eigenartige Fechtweise und Organisation der Vend^er,
sodann die Darstellung der drei Unterwerfungsversuche, deren letzter mit
der für die Royalisten unglücklichen Schlacht von Oholet am 17. Oktober
1793 endete. Mit derselben war zugleich auch der grofse Krieg in der
Vendee beendet, nicht aber der Kampf überhaupt, welcher sich noch
3 fernere Jahre hinzog. Der II. Abschnitt schildert den Krieg der Vend^er
nördlich der Loire, in Verbindung mit den Chouans der Bretagne, die
Niederlage bei le Maus, den Untergang der „Grofsen Armee" bei Savenay ;
der III. den Krieg südlich der Loire (die Kleine VendtSe) bis zur Her-
stellung des Friedens. — An 500 000 Menschen haben ihr Leben eingebüfst
in diesem 4jährigen mörderischen Bürgerkriege, der von Seiten der
republikanischen Truppen mit einer geradezu bestialischen Grausamkeit
geführt wurde. Wurde doch sogar von einem Heerführer der Vorschlag
gemacht, um des Aufstandes Herr zu werden, die Brunnen des unglücklichen
Landes mit Arsenik zu vergiften. In wohlthuendem Gegensatze zur Haltung
der jakobinischen Generale steht das Auftreten der später zu höherer
Berühmtheit gelangten Generale Kleber und Hoche; letzterer wurde nach
dem Sturze von Robespierre und des Schreckenregiments Oberbefehlshaber
der republikanischen Armee und handelte nach drei Gesichtspunkten:
Mannszucht der Truppen, Milde gegen die Einwohner, Strenge und Un-
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Umschau in der Militär- Litteratur.
ermüdlichkcit in den Operationen. — Mit gleich bleibendem Interesse habe
ich das tüchtige Buch gelesen und versichere, dafs ich demselben über
diesen (von Napoleon so genannten) „guerre des geants" reichste Belehrung
zu verdanken habe. Sch.
Die Schlacht von Orleans am 3. und 4. Dezember 1870. Von Kunz,
Major a. D. Mit einer Übersichtskarte und zwei Plänen in Stein-
druck, Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 5 M.
Die vorliegende Schrift ist das 5. Heft der „Einzeldarstellungen von
Schlachten aus dem Kriege Deutschlands gegen die französische Republik."
Wir haben es hier inhaltlich mit der Fortsetzung der Arbeit dessell>en
Verfassers zu thun: „Die Schlacht von Loigny- Poupry," der wir im
Januarheft unserer Jahrbücher Worte wärmster Anerkennung spenden
konnten. Die Fortsetzung des Kampfes dazumal war eine kriegerische
Handlung von höchster Bedeutung, deren taktische Würdigung kaum
besser geschehen konnte, als sie Major Kunz einmal wieder geleistet hat.
Dafs die Gefechtsstatistik dabei eine wesentliche Rolle spielt, versteht sich
von selbst; nur möchten wir es als entschieden zu weitgehend bezeichnen,
wenn die Prozentsätze der Verluste etc. auf 4, selbst 6 Dezimalstellen aus-
gerechnet werden (S. 10: Gefechtsverlust des IX. Armeekorps betrug
21,8527 Prozent, der des X. A.-K. 26,351896 Prozent u. s. w.!). Den Höhe-
punkt der Kunz'schen Arbeiten bilden jedesmal die taktischen „Betrach-
tungen," die auch in vorliegender Schrift meistens unbedingte Zustimmung
finden werden; es lohnt sieh also, diesen Urteilen eifrig nachzusinnen. So
möge denn auch das Studium dieser französischen Nachhut-Gefechte reichen
Nutzen bringen. Das Kartenwerk ist zu loben. 34.
Gesichtspunkte und Beispiele für die Abhaltung: von taktischen
ITbungsritten von Münzenmaier, k. württb. Major im General-
stabe des III. Armeekorps. Mit 2 Generalstabskarten. Zweite
Ausgabe. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 2,80 M.
Nachdem der Verfasser im I. Teile seiner 120 Seiten umfassenden
Schrift den Zweck der taktischen Übungsritte, nämlich „die allgemeinen
Grundsätze der Truppen tührung an geeigneten Beispielen zur praktischen
Anwendung zu bringen, u sowie die Mittel und Wege zu diesem Zwecke
in sachgemäfser Weise besprochen hat, behandelt er im II. Teile die
Leitung der Übungsritte, um im III. Teile an zwei Beispielen den Gang
und die Art der Ausführung der Übungsritte unter Beigabe zweier Karten
zu veranschaulichen. In dem ersten Beispiele treten sich zwei Abteilungen
aller Waffen, in dem zweiten zwei feindliche Kavallerieabteilungen gegen-
über. Ein drittes Beispiel enthält nur die Aufgabe zu einer Vor- Übung
mit einer gemischten Abteilung ohne Gegner. — Wenn mm auch gegen
einzelne Punkte der beiden ersten Teile der SchritY Einwendungen gemacht
werden könnten und die Ausdrucksweise nicht überall richtig und klar ist, so
mufs doch die Arbeit im allgemeinen als eine anregende, beachtenswerte
und lehrreiche bezeichnet werden, indem namentlich die Beispiele nicht
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Umschau in der Militär-Litteratur.
239
nur den Leitern solcher Übungsritte willkommene Vorbilder bieten, sondern
auch für jeden Teilnehmer an einem Übungsritte dadurch nützlich sein
können, dafs sie ihn auf die zu erwartenden Aufgaben und Fragen vor-
bereiten. Aus diesen Gründen hat die Schrift, wie ihr Erscheinen in
zweiter Ausgabe zeigt, schon viele Freunde im Heere erworl»en, und im
Hinblick auf das ausschlaggebende Gewicht, welches die Überlegenheit
der Führung im nächsten Kriege haben wird, wünschen wir, dafs diese
Sclu-ift sich zur Förderung und Ausbildung der Führer im Heere stets
weiter verbreiten möge. P.
Taktische Übungen am Fufse der Vogesen, Von Vi sc her, Haupt
mann a la suite des 8. Wrtb. Infanterie - Regiments Nr. 126, Grofs-
herzog Friedrich von Baden. — Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn.
Preis 2 M.
Das 91 Seiten umfassende Buch bespricht in 6 Abschnitten unter Bezug-
nahme auf die Vorschriften (Felddienst-Ordnung, Exerzir-Reglements bezw.
Schiefsvorschriften) an einem sehr geschickt gewählten Beispiele Märsche
und Sicherheitsdienst auf dem Marsche, Unterkunft und Verpflegung, Relais,
Vorposten, Ubergang aus der Ruhe zum Marsch und Versammlung vor
dem Feinde, Verteidigung und Angriff. Jeder Absclinitt gliedert sich in
Ubungsbeispiel, Lehren und Aufgaben. Das Beispiel enthält die Ereignisse,
Befehle u. s. w. ; in den Lehren sind die sich anschliefsenden Betrachtungen
und Folgerungen enthalten und die Aufgaben geben zahlreiche Einzeln-
aufträge, teilweise unter angenommener Veränderung der Sachlage und
bereichem auf diese Weise den Inhalt der Schrift in bedeutendem Mafse.
Obgleich Letzterer ein vorwiegend lehrhaftes Gepräge trägt, so ist der
m Stoff doch in recht anregender Art behandelt. Verfasser übersetzt die Vor-
schriften gewissermafsen in die Wirklichkeit, giebt ihnen Fleisch und Blut,
macht sie lebendig, und dies bildet den eigentlichen Reiz der Schrift.
Daher vermögen nicht nur der Kriegsschüler und der jüngere Offizier, für
welche das Buch in erster Linie nützlich werden kann, aus demselben zu
lernen, ihre Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen, sondern auch der
reifere Offizier wird es mit Vorteil und Interesse lesen und nicht, ohne
mannichfache Anregungen empfangen zu haben, aus der Hand legen. 0 bschon
die Arbeit mancherlei sprachliche Mängel (unrichtige Redewendungen,
grammatikalische und syntaktische Fehler, sowie zahlreiche, leicht ver-
meidbare Fremdwörter) enthält, kann dieselbe als Förderungsmittel für die
Ausbildung der Trappenführer den Offizieren des Heeres dennoch warm
empfohlen werden. P.
Moltke's tactical Problems from 1858 to 1882. Edited by the pmssian
grand general staff. With 27 plans, 9 sketch maps and 2 sketches in
the text. Authorised translation by Karl von Donat. London 1894.
W. H. Allen u. Co.
Der Herausgeber dieses Werkes ist durch seine litterarischen Arbeiten
auf dem Gebiete der Taktik schon zur Genüge und rühmlichst bekannt.
Jahrbücher für die Deutsche Anne« uu.l Marine. Bd. V1IIC, 2. l(j
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240
Umschau in der Militär - Literatur.
Als vormaliger preufsicher Offizier ist er eine besonders geeignete Per-
sönlichkeit, um das vom Grofsen Generalstabe im Jahre 1892 heraus-
gegebene Werk: „Moltke's taktische Aufgaben aus den Jahren 1858 bis
1882" in das Englische zu übertragen. Die Übersetzung ist eine fliefsende
und mit dem Original in jeder Hinsicht sich deckend. In einem kurzen
Anhange werden einige für den englischen Leser wichtige Einzelheiten
über die taktischen Einheiten der deutschen Armee und deren Stärke ge-
geben, sodann ein Wörterbuch zu den auf den Karten und im Texte vor-
kommenden deutschen Ausdrücken, endlich eine Erklärung der Rand-
bemerkungen auf den Plänen. Die Ausstattung ist, wie wir dies an
englischen Werken gewöhnt sind, eine vornehme, ja vorzugliche zu nennen.
2.
Applications de la fortiflcation passagere par V. Deguise, capitaine
commandant du gönie, professeur de fortiflcation ä l'ecole d'application
de rartillerie et du genie. Bruxelles, P. Weissenbruch 1894. 115 S.
Grofsoktav nebst Atlas von 3 Doppelblättern und 1 Plan.
Das vorliegende Buch bildet den zweiten Teil der fortiflcation passagere,
welche im vergangenen Jahre erschienen und hier besprochen worden ist
(Band LXXXVII Heft 2); der auf */s des ersten Bandes beschränkte Um-
fang beruht nicht auf einer gedrängteren Behandlung des Stoffes, sondern
auf der auffallenden Vernachlässigung dessen, was man in diesem zweiten
Bande erwarten mufste, wenn er der gründlichen Durcharbeitung der
Elemente der Feldbefestigung, wie der erste Band sie bietet, ebenbürtig
zur Seite treten wollte, nämlich die Anwendung der Feldbefestigung auf
einzelne charakteristische Fälle. Wenn auch zur Zeit allgemein anerkannt
wird, dafs unsere Armeen in viel höherem Grade als je zuvor die Mittel
der Feldbefestigung werden heranziehen müssen, so ist damit noch lange
nicht gesagt, dafs unsere Truppen und Truppenfuhrer auch ohne weiteres
im Stande sind, eine zweckentsprechende Anwendung davon zu machen.
Mit der Erkenntnifs, dafs jede dem Feinde sichtbare oder von ihm richtig
vermutete fortiflkatorischo Anlage zu unserem Verderben gereicht, daft auf
der Täuschung desselben, auf dem gänzlichen Zusammenfliefsen unserer
Verstärkungen mit dem Gelände die Stärke der Befestigung beruht, wird
die Befestigungsarbeit zur Höhe einer schwer zu erlernenden Kunst er-
hoben, welche Studium und Übung seitens aller beteiligten Organe zur
dringenden Notwendigkeit macht. — Eine Schrift, welche sich mit der
Anwendung der Feldbefestigung beschäftigt, hat deshalb nicht dem Bedürfnifs
Genüge geleistet, wenn sie allgemeine Gesichtspunkte strategischer und
taktischer Natur abhandelt und dann hinzufügt: ,je nach Umständen und
Ortlichkeit wird man Blo«khäuscr oder Schützengräben, Schanzen oder
verstärkte Waldparzellen etc. anwenden" — alles das steht viel kürzer
und eindringlicher in offiziellen Büchern, wie z. B. in der Deutschen Feld-
befestigungsvorschrift; sondern sie wird ihre Aufgabe in der Anleitung der
Truppenführer behufs Anpassung der Formen an das Gelände zu suchen
haben. Der Weg, den Verdy du Vernois für die angewandte Taktik ein-
geschlagen hat, ist allein hier am Platze und zweckdienlich: am einzelnen
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Umschau in der Militar-Litteratur.
241
Beispiel in gegebenem Terrain und unter bestimmten strategischen und
taktischen Bedingungen zeigen, wie man zu verfahren hat, was man als
vorteilhaft aufzuführen, was man zu vermeiden hat. Daran kann jeder
Offizier in seiner Stellung lernen, wogegen er das Buch Deguise's aus der
Hand legen wird mit dem Urteil: „Einzelnes ist ja ganz interessant, aber
im Allgemeinen habe ich das Alles schon gewufst." Das Wissen ist ja
überall vorhanden, aber das Köunen anzubahnen, dazu genügen keine
Katheterbetrachtungen. — Am Schlufs des ersten Teils „Schlachtfeld-
befestigung' 4 bringt allerdings der Verfasser ein Beispiel: die Befestigung
einiger Gehöfte und eines Gehölzes auf dem Flügel einer Stellung, dar-
gestellt auf einem Plan, welcher weder Vorterraiu noch Seitenterrain ent-
hält, und einer Arbeitertabelle. Sonst kein Wort. Das genügt in keiner
Weise. Der zweite Teil „Etappen posten, Brückenköpfe und Gebirgs-
posten" charakterisirt sich dadurch, dafs die letzteren — ein so dankbarer
Stoff für die vorliegende Aufgabe — in 14 Zeilen allgemeinsten bekanntesten
Inhalts erledigt sind. Das dritte Kapitel r Cernirungsstellungen a bringt
wieder am Schlufs ein Beispiel, aber in derselben Dürftigkeit der Ausführung,
wie das ersterwähnte. Wenn selbst der Autor es nicht für nötig erachtet,
auch nur ein einziges Wort über die Idee seiner Befestigung, über die
Gründe, welche ihn im speziellen geleitet haben, zu verlieren, wie will er
vom Leser verlangen, dafs dieser in langer mühsamer Arbeit sich diese
erst hcrausstudirt, um einen praktischen Gewinn davon zu haben? Ich
bin Überzeugt, dafs die meisten Leser diese Beispiele kaum mit einem
Blicke würdigen. Von Einzelheiten sei erwähnt, dafs der Verfasser auf
dem Schlachtfelde von horizontalen Deckungen gar keinen Gebrauch macht,
bei der C'ernirungsstellung auch nur in sehr vereinzelten Fällen. Es beruht
dies, wie es scheint, auf der Meinung, dafs der Infanterist derlei schwierige
Arbeit nicht ausführen könne. Wir Deutschen sind darin anderer Ansicht.
Er braucht sie, deshalb wird er's lernen. 49.
Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts, vom Jahre 1828 bis
1885. Nach autenthischen Quellen bearbeitet. 38.— 41. Lieferung.
Preis einer Lieferung 2,60 M., für Nicht-Subskribenten das Doppelte.
Leipzig, Wien, Iglau. Verlag von Paul Bäuerle.
Die vorliegenden Lieferungen dieses stetig fortsclireitendcn Lieferungs-
werkes enthalten folgende Pläne mit begleitendem Texte: 1. Deutsch-
dänischer Krieg 1848 — 50. — Nr. 6. Der Sturm auf Friedrichstadt
am 4. Oktober 1850; dazu 1 Plan (1:9000) und 1 Skizze (1:530 000).
2. Russisch-türkischer Krieg 1828 — 29. — Nr. 5: Die Erstürmung von
Kars am 5. Juli 1828; dazu 1 Plan (1 : 28 000) und 1 Skizze (1 : 1 500 000).
— Nr. 6: Die Erstürmung von Achaltzik am 27. August 1828; dazu
1 Plan (1 : 20 000) und 1 Skizze (1 : 1 500 000). — Nr. 7: Die Schlacht
bei Kainly am 1. Juli 1829; dazu 1 Plan (1:37 000) und 1 Skizze
(1:1500000). — Deutsch-dänischer Krieg 1848— 50. Nr. 1 : Kom-
pendiöse Darstellung des Verlaufs des Krieges (1 Übersichtskarte und 1 Skizze
auf 2 Kartenseiten, nebst 12 Seiten Text. — Deutsch-dänischer Krieg
16*
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242
Umschau in der Militär -Litteratur.
1864. Nr. 7: Die Vorgänge und Kämpfe bei Düppel, vom Beginne der
Einschliefsung bis zum Falle der dänischen Düppel-Stellung, 12. Februar
bis 18. April. (2 Pläne und 3 Skizzen auf 5 Kartenseiten, nebst 18 Seiten
Text). Die Pläne und Skizzen sind mit derjenigen Sorgfalt und Über-
sichtlichkeit ausgeführt, die wir an diesem trefflichen Werke gewöhnt sind.
Der begleitende Text enthält eine kompendiöse, aber für den kriegs-
geschichtlichen Bedarf völlig ausreichende Darstellung des Verlaufes der
genannten Ereignisse. Offizier-Bibliotheken dürfte dieser Schlachtenatlas
nahezu unentbehrlich sein. Wir lenken gern aufs Neue die Aufmerksamkeit
auf denselben und wünschen ihm gedeihlichen Fortgang. 3.
Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden. Von H. Graf v. S ch w e i n i t z ,
Pr.-Lieutenant. Berlin 1894. Verlag von H. Walther. Preis 4 M.
Der Herr Verfasser war etwa 1 Jahr lang Chef der deutschen Anti-
sklaverei-Unternehmungen am Viktoria-See und berichtet in höchst fesselnder
Weise über seine Erlebnisse und Erfahrungen im deutschen Ostafrika.
Von Bagamojo führte ihn sein Weg über Mpapua, Kipiri, Tabora (wo er
durch einen Schufs in die Brust verwundet wurde) an das Südufer des
Sees, den Ukumbi-Golf, in das Land der Wassiba- Sultane. Fünf Tage
verbrachte er auf dem Kagera-Nil, diesen bis zu seiner Mündung in den
See befahrend, dann der noch nicht von Europäern besuchten Insel Ukerewe
einen Besuch erstattend, bei welcher Gelegenheit er abermals verwundet
wurde. Er gründete dann die Peterswerft auf dieser Insel und kehrte,
mit Vermeidung von Tabora, ziemlich auf demselben Wege nach Bagamojo
zurück. Des Verfassers freimütige Urteile über die Sklaven- und die
Araber-Frage, die Karawancnstrafse und die Karawanen Verhältnisse, Kaiser-
liche Stationen und unsere Kolonialpolitik sind sehr beachtenswert. Er
bekennt sich zu der Ansicht, dafs die Kaiserlichen Militärstationen mit
amtlichen Charakter in einfache Stationen ohne einen solchen umzuwandeln
seien, und dafs zu dem von den Missionsstationen besetzten Systeme tiber-
gegangen werden müsse: ,,Die Militärstationen werden stets eine Quelle
von endlosen Verwickelungen sein, ebenso wie das übliche Tribut einziehen,
mag es auch noch so gering sein." Es ist bemerkenswert, solch ein Urteil
aus dem Munde eines Offiziers zu hören und giebt es zu denken. — Mit
inniger Anteilnahme haben wir an der Hand dieser Aufzeichnungen den
an Entbehrungen, Strapazen und Gefechten reichen Weg des tapferen und
sich so taktvoll und schnell in den ihm gänzlich fremden Verhältnissen
zurecht findenden jungen Offiziers vorfolgt und können Jedem, der sich
für Gegenwart und Zukunft unseres Kolonialreiches interessirt. diese Schrift
nur auf das Wärmste empfehlen. 4.
Das Russische Drei-Linien-Gewehr und seine Schufsleistungen. Zweite
vollständig umgearbeitete Auflage mit Zeichnungen im Text und
einer Zeichentafel. Von Frh. v. Tettau, Pr.-Lieutenant. Hannover
1894. Helwing'sche Verlagsbuchhandlung. Preis 00 M.
Am Ende vorigen Jahres hatte der Herr Verfasser bereits eine Be-
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Umschau in der MUitar-Litteratur.
243
Schreibung des neuen russischen Gewelirs herausgegeben, aber ohne
Zeichnungen, da es richtige damals noch nicht gab. Solche sind nun der
vorliegenden zweiten Auflage seiner Schrift, welche im Übrigen gänzlich
umgearbeitet ist, beigegeben worden. Verfasser hat die neuesten offiziellen
Quellen benutzt, nämlich die „Kussische Schiefsvorschrift vom Jahre 1893";
„Zeichnungen des Drei-Linien-Gewehrs", herausgegeben von der russischen
Offizier -Schiefs- Schule, 1894, 2. Auflage, und „das Drei -Linien -Gewehr
M. 1891 und seine Munition (Oruscheiny Sbornik, Waffen -Sammler) Nr. 3,
1893); es haben folglich die vor Kurzem befoldenen Abänderungen des
Gewehres (Laufmantel u. s. w.) noch in den Zeichnungen Berücksichtigung
gefunden. Hierdurch unterscheidet sich die Tettau'sche Arbeit von der im
Junihefte der „Jahrbücher" (S. 380) besprochenen österreichischen Broschüre
über das russische Drei-Linien-Gewehr. Zum Schlufs zieht der Verfasser
einen für uns besonders wichtigen Vergleich zwischen dem russischen und
dem deutschen Gewehre und kommt zu dem ziffermäfsig nachgewiesenen
Ergebnifs, dals die Treffgenauigkeit des deutschen Gewehrs eine bedeutend
gröfsere ist, denn die Seitenstreuung ist beim russischen Gewehr fast
doppelt so grofs als bei dem deutschen. Immerhin besitzt die russische
Armee in ihrem neuen Magazingewehr eine vortreffliche Kriegswaffe, welche
bezüglich ihrer Konstruktion keiner Waffe einer anderen Armee nachstehen
dürfte und in ihrer Leistungsfähigkeit im Allgemeinen den an eine moderne
Kriegswaffe zu stellenden Anforderungen durchaus entspricht. — Einer
besonderen Empfehlung bedarf diese neueste Arbeit des fleifsigen Herrn
Verfassers, welche den Vorzug unbedingter Zuverlässigkeit für sich in
Anspruch nehmen darf, bei der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht. 1.
D. Jose Boado y Castro Capitan de Artilleria. Los fusiles modernos
en Austria-Hungaria. Estudios y experiencias. Detaillirte Be-
schreibung der grofsen Waffen (armas largas), welche augenblicklich
in den Dienst eingestellt sind, besonders für Infanterie und Kavallerie.
Barcelona 1883. Druck von Henrich y Ca., Kommandit-Gesellschaft,
Nachfolger von N. Ramirez y Ca.
Das vorliegende Werk, welches 152 Seiten in Quart mit 9 Tabellen,
57 Holzschnitten im Text und 5 Tafeln mit 123 Abbildungen umfaßt, er-
öffnet den Reigen einer Anzahl rühmlicher Arbeiten über die Bewaffnung
der verschiedenen Staaten mit Gewehren und Karabinern. Die einzelnen
Arbeiten sollen vollständig von einander unabhängig sein. Sie enthalten
eine eingehende Beschreibung der neuen regleraentarischen Waffen und
aller seit Annahme der Hinterladung eingeführten anderen Waffen, die
ballistischen Eigenschaften derselben, die kurze Beschreibung einer Anzahl
projektirter und im Versuch befindlich gewesener Waffen der verschiedenen
Nationen. Hinzugefügt werden sollen Mitteilungen über die neuen Pulver-
arten und die neuesten Fortschritte der tragbaren Feuerwaffen. — Wir
finden im vorliegenden "Werke die umgeänderte Waffe, die Gewehre des
Systems Werndl , Karabiner und Pistole desgl., Karabiner System Fruwirth,
Repetirwaffen von Kropatschek, Studien und Versuche behufs Annahme
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244
Umschau in der Militär Litteratur.
eines Repetir-Gewehres, Mannlicher Gewehr M/1886 und 1888, Rcpetir-
Karabiner M/90, Rcpetir-Gewehr M/88. 90, endlich im Anhang Zimmer-
Gewehr und -Karabiner, rauchloses Pulver M/90 von Schwab und Munitious-
Ausrüstung. — Das Werk ist nicht blos seinem Inhalte nach vorzüglich zu
nennen, sondern hat auch eine Ausstattung in Papier, Druck und bildlichen
Darstellungen, wie sie bei uns nicht vorkommt. Man kann mit Recht
auf die weiteren Arbeiten, von denen eine auch die Handfeuerwaffen
Spaniens behandeln wird, gespannt sein. 12.
Handbuch für den Sehwimmunterricht zum Gebrauch an Militär-
Schwimmanstalten. Mit zehn Abbildungen im Text. Von
R. v. Bartsch, Lieutenant Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn.
Preis 50 Pf.
Der Verfasser giebt nicht nur den Schwimmlehrern Anhaltspunkte
für eine erfolgreiche Gestaltung des Unterrichts, sondern auch Mittel und
Wege an, wie Unglücksfalle vermieden werden können. Das Schriftchen
ist sehr brauchbar für besagten Zweck. 4.
Über den Nutzen statistischer, volkswirtschaftlicher und völker-
rechtlicher Kenntnisse für den Berufsoffizier. Von Dr. H. Groh-
ns ann, Major a. D. München 1894. J. Schweitzer Verlag. Preis 80 Pfg.
Der Herr Verfasser stellt die Behauptung auf, dafs der Nutzen der
in dem Titel beregten Kenntnisse sich auf dem Gebiete der Verwaltung
des Heeres, dessen Organisation und Formation, sowie in der Operation mit
demselben zeigen würde. Er sucht dabei nachzuweisen, dafs dieser Nutzen nur
dann zu erreichen wäre, wenn nicht allein der an der Spitze der Verwaltung
stehende höhere Offizier, sondern auch der junge, der Rekruten-Offizier, diese
Kenntnisse besäfse. Die Mifsgriffe in der Behandlung der Untergebenen
seien zum grofsen Teile auf eine Unkenntnifs jener Verhältnisse zurück-
zuführen. Es liegt zweifellos viel Wahrheit darin, dafs es recht wünschens-
wert wäre, wenn jeder Offizier in Besitz jener Kenntnisse wäre, es ist aber
aufserordentlich schwer, eine praktische Lösung dieser Frage herbeizufuhren.
In einem kurzen Schlufssatze wird der Vorschlag gemacht, die wirtschaft-
lichen Umrisse und das Verständnifs statistischer Zahlen dem geschichtlichen
und mathematischen Unterricht in den höheren Klassen der Kadetten-
anstalten anzuschliefsen, während die Kriegsschulen den Erwerb der not-
wendigsten völkerrechtlichen Kenntnisse zu bieten hätten. „Dadurch wäre
dann denjenigen Berufsoffizieren, welche die Kriegsakademie nicht be-
suchen, die nötige Anregung und Vorkenntnifs zu eigenen statistischen,
wirtschaftlichen und völkerrechtlichen Studien geboten, während die Kriegs-
akademie, durch obligatorischen Unterricht in diesen Wissenschaften, den
Kadettenanstalten und Kriegsschulen das nötige Lehrerpersonal ausbilden
könnte." In wieweit dieser Vorschlag praktisch durchführbar sein wird,
ohne die vielen anderen Hülfswissenschaften des Offiziers für seinen Beruf,
als z. B. Sprachen, technische Kenntnisse etc. zu sehr zu beeinflussen, lassen
wir dahingestellt. Der Herr Verfasser hat seine Grundsätze in geistvoller
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Umschau in der Militar-Litteratur.
245
und anregender Form entwickelt, möge die Schrift recht zahlreiche Leser
in Offizierkreisen finden, dann wird sie ihren Zweck erfüllen und gewüs
manchen auf das bisher nicht beachtete Studium der beregten Wissen-
schaften hinleitcn. 10.
Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache an den
Königlichen Kriegsschulen. Auf Veranlassung der Königlichen
General-Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens ver-
faßt. Dritte, neu durchgearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin
1894. E. S. Mittler & S. Preis 1,60 M., gebd. 2 M.
Von dem bei den Königlichen Kriegsschulen in Gebrauch befindlichen
Leitfaden für den Unterricht in der Russischen Sprache ist vor Kurzem
eine dritte Auflage erschienen. Der Leitfaden ermöglicht bei sachgemäfser
Durcharbeitung dem Lernenden, nicht nur jeden russischen Schriftsteller
zu lesen, sondern sich auch weiter selbstständig in der Kenntnüs der
Russischen Sprache fortzuarbeiten, weshalb derselbe auch weiteren Kreisen
zu empfehlen ist. 2.
III. Seewesen.
Marine-Rundschau. Heft 6. Über die Verwendung von Filtrir-
apparaten für Schiffe bei Landungen. Von Dr. Davids, Marine-Stabsarzt.
— Der Untergang der „Amazone." Von W. Admiralitätsrat Koch.
Angesichts der noch lebenden Angehörigen der mit dem Schiffe verun-
glückten Besatzung dürfte es opportun gewesen sein, die Ver-
öffentlichung der Katastrophe noch hinauszuschieben. Wir unterlassen es
daher, weiter auf den Artikel einzugehen. Nur soviel sei gesagt „dafs
das Schiff in jeder Beziehung seefähig war!" — Eine Informations-
reise auf Schnelldampfern. Von Maschinen-Ingenieur Eggert. — Mit-
teilungen aus fremden Marinen. England. Noch einiges über den
Torpedobootsjäger „Hörnet." (Mit zwei Figuren, Wasserrohrkessel, im
Text). — Probefahrten des Kreuzers II. Klasse „Hermione"; (The Naval
and inilitary Record vom 17. 5. 94 entnommen). — Stapellegung neuer
Schlachtschiffe in Chatham. — Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Nach „Le Yacht" vom 12. 5. 94 sind die Etats für Schiffsneubauten um
42500000 Mark gekürzt worden. Die Dampfer mit Walfischdecktyps
(whalebacks) zur Verwendung als Hülfskreuzer sind von der Kommission
wenig günstig beurteilt worden. — Nach „Le Yacht" vom 28. 4. 94 ist
ein Schnellladegeschütz von 20 cm Kaliber in den Werken zu Elswick
fertig gestellt worden. Es vermag 4 bis 5 Schüsse in der Minute abzu-
geben. Die Gesammtlänge des Geschützes beträgt 40 Kaliber; die Seele hat
eine Länge von ungefähr 35 Kalibern. — Personalnachrichten und Mit-
teilungen aus den Marinestationen.
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie.
Heft V. Allgemeines über die Stürme des Stillen Oceans. Von C. Knipping.
- Die elektrische Beleuchtung des Gedney Fahrwassers. Einlauf von New-
York. Von Korvetten-Kapitän z. D. Darmer. Der Nutzen der elektrischen
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24G
Umschau in der Militär-Litteratur.
Beleuchtung obiger Hafeneinfahrt ist für die Schifffahrt nicht hoch genug
anzuschlagen. Ihr Wert ist durch die wachsende Zahl der Schiffe, welche
in den letzten vier Jahren den so erleuchteten Seeweg bei Nacht befahren,
am besten bezeichnet, — Taifun -Ankerplatze in den Gewässern von
Hongkong. — Über den Sturm vom 22. bis 26. März 1894 im Nord-
Atlantischen Ocean. Beiheft II. Die Küste von Annam. Aus dem
neuesten französischen Segelhandbuch. Übersezt von Kapt.-Lieut. a. D.
Wislicenus.
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. VI. Die
elektrischen Scheinwerfer zur See. Von J. Heinz. Die Arbeit enthält
noch einen vom französischen Linienschiffslieutenant Boyer veröffentlichten
Vorschlag, das elektrische Licht zur Vermeidung von Schiffszusaramen-
stÖfsen zu benutzen. — Elektrische Geschützanlagen. (Mit einer grofsen
Anzahl höchst lehrreicher Textbilder). Von G. Schwaada, k. u. k. Marine-
Artillerie-Ingcnieur. Der englische Torpedobootszerstörer „Hörnet" nebst
Skizze, mit seiner mittleren Geschwindigkeit von 28,02 Knoten, wohl das
schnellste Fahrzeug sämtlicher Kriegsmarinen. — Die Firma Normand & Co.
in Hävre hat z. Zt. für die französische Marine das Torpedoboot ,,Forban"
auf Stapel, welches eine Fahrgeschwindigkeit von 30 Knoten erreichen
soll. — Die neuen französischen Schlachtschiffe „Charlemagne" und
„Saint Louis", vom Ober -Werft -Direktor Mr. Thibaudier zu Rochefort
konstruirt, sind mit ihren Seiten-, Ober- und Zwischendeckszeichnungen,
der „Yacht" entnommen, beigefügt. Die Schiffe haben drei Triple- Ex-
pansions-Maschinen mit 4 Cylindern. Mit 10 Knoten Fahrt und 680 Tons
Kohlen an Bord vermögen sie gegen 4000 Seemeilen zu dampfen. Die
Schiffe fuhren je zwei Unterwasser-Lancierrohre vorne und achter und sechs
Lancierrohre über Wasser. Vergleicht man diese mit den bereits fertigen
französischen Schiffen, so fallt es sofort auf, dafs sie mit Bezug auf
Kaliber und Zahl der Geschütze eine gewisse Verminderung erfahren
haben. Denn während der „ Admiral-Baudin"-Typ drei 37 cm, vier
16 cm und acht 14 cm, der „Marceau"-Typ vier 34 cm und zehn 14cm
hat, füliren obige beiden neuen Schiffe nur vier 30 cm und acht 14 cm
Geschütze. Der vordere Turm steht 8,5 m, der hintere 6,5 m über der
Wasserlinie. — Das Torpedobootswesen und die mobile Ktisten-
verteidigung in Frankreich. (Aus der Zeitschrift „Le Yacht" ent-
nommen) Der Artikel umfasst: die Beschreibung der Torpedoboote,
deren Maschinen, Kessel und Armirung etc.; die mobile Küsten Verteidigung;
das Personal; ein Blick in die Zukunft; über die Wirksamkeit der Torpedo-
waffe und Schlufsfolgerungcn. — Vorschrift für die Entwässerung der
Dampfrohrleitungen auf den deutschen Kriegsschiffen. — Vorschriften der
englischen Admiralität über das Schliefscn der wasserdichten Thüren auf
Kriegsschiffen. — Die Armirung der englischen Auxiliar-Kreuzcr. — Die
Subvention der englischen Dampfschiffe-Gesellschaften.
Army and Navy Gazette. Nr. 1788: Vom 21. 4. 94. In einem
längeren Artikel wird „die französische Flotte" mit Bezug auf die zur
Untersuchung event. Unregelmäfsigkeiten in der Marineabgeordneten-Extra-
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Umschau in der Militär -Litteratur.
247
Parlaments-Kommission besprochen. — Das Blatt bringt ferner eine Anzahl
bemerkenswerte Äufserungcn über den Panzerschutz von Kriegsschiffen
sowohl aus den Parlamentssitzungen wie auch aus der Times von Sir
Edward Reed, langjähriger Chef-Konstrukteur in der englischen Admiralität.
— Das italienische Marine - Budget pro 1894/95 (99 877 897 Lire) und die
Verhandlungen über dasselbe in der Italienischen Kammer. — Die Neu-
armirung und der Ausbau der Festungswerke von Cherbourg. — Nr. 1789:
In einem längeren Artikel wird das Gewicht und die Art des Panzers
der verschiedenen neueren englischen Panzerschiffe besprochen. So beträgt
z. B. das Gewicht des Panzers vom „Trafalgar" 4400 Tons, bei einem
Deplacement von 12 500 Tons, das Panzergewicht des 14 200 Tons grofsen
„Royal Sovereign" 4550 Tons etc. — Verschiedene Ansichten über die
Verteidigung des britischen Reichs: ob eine starke Flotte dies allein er-
möglicht oder ob auch gegen eine Invasion Englands seitens der Armee
mehr geschehen mufs? — Die Schiefversuche bei Gävres gegen die Panzer-
platten aus den französischen Werken von Chätillon-Commentry, Saint
Etienne (beide Harveyized) und Creuzot (speziell Stahl). — Das italienische
Marine-Budget in der Kammer. — Die französische Presse ereifert sich,
dafs die Regierung dem englischen Militär-Attache 1 die Erlaubnifs zur Be-
sichtigung von Toulon gestattet hat. — Den englischen Werften ist die
grö&te Geheimhaltung der Pläne und Zeichnungen der neuen Schiffe be-
fohlen worden. — Nr. 1790: Ein längerer Artikel über die französische
mobile Küstenverteidigung. — Angriff der Regierung im Hause der Lords
durch Lord Hood of Avalon bezüglich des Marine-Budgets und der neuen
Schiffsbauten. — Die Verordnungen der Admiralität für die Kommandanten
der Schiffe, welche Torpedoboote zweiter Klasse mitrühren. — Die Fest-
lichkeiten für den Admiral Erben, den Kapitän Mahan und die Offiziere
des Nordamerikanischen Kreuzers „Chicago" in London. — Kapitän
Mahan, von einem Reporter interviewed, sprach sich dahin aus, dafs der
Kern jeder Schlachtflotte aus Panzerschiffen bestehen müsse etc. etc.
Es ist dies durchaus nichts Neues. —
Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 194: Marine-
Preisaufgabe : Die best angewandte Taktik zur Krafteutwickclung vor-
handener Schiffe und Waffen (Geschütz, Sporn und Torpedo), welche
Flotten, Gruppen und einzelne Schiffe in der Schlacht beobachten sollten.
Von Commander F. C, D. Sturder R. N. Am Schlüte eine Tafel A.: Die
verschiedenen Spornangriffe im Kriege; bei Lissa 1866, Chili und Peru
21.5. 79 und 8. 10. 79. Tafel B.: Die Attacken einzelner Schiffe. C: Flotten-
angriffe. D.: Ansichten über die verschiedenen Angriffsformationen. Be-
merkungen einzelner Seeoffiziere über Tafel B., C. und D. Es ist eine
fleifsige und wohl durchdachte Arbeit. — Schiefsversuche gegen Panzer-
platten in Pola, welche für die im Bau befindlichen 3 Panzerfahrzeuge in
Ostereich-Ungarn zur Auswahl standen. Lieferanten waren: Vickers&Cammel
aus England; Krupp und die Dillinger Hütte aus Deutschland, Wilkowitz&Co.
aus Osterreich. — Eine Invasion Frankreichs (aus der Times übernommen).
Erörterung in der französischen Kammer. Die beantragte Küsten verteidigung
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1
248 Umschau in der Miütar-Litteratur.
bezieht sich 1. auf die Verteidigung von Cotentin (bei Cherbourg) und Corsika,
beide der Marine allein unterstellt. 2. Arsenal und Stadt Cherbourg mit
Caen durch eine Eisenbahn zu verbinden. 3. Strategische Eisenbahnen
nach Hague, Barfleur etc. — Mitteilungen. England: Probefahrten
der Kanonenboote: „Hazard" und „Antelope", „Sharpshooter u . — Schieü»-
versuche mit den Geschützen an Bord der „Re pulse 41 . — Unter der Uber-
schrift: „A useful return made up 15. Decbr. 93" wurde im Februar dieses
Jahres dem englischen Parlament eine Liste der in England, Frankreich,
Kufsland, Deutschland, Italien und Österreich-Ungarn fertigen, im Bau be-
griffenen und zum Bauen beabsichtigten Panzerschiffe und Kreuzer etc. von
der englischen Admiralität vorgelegt. Ganz interessantes Schriftstück. —
Angabe der Dimensionen des von Mr. Normand in Havre für die französische
Marine zu erbauenden Hochsee - Torpedobootes „Forban". — Notizen über
die Probefahrten des Kreuzers der Nordamerikanischen Marine „Columbia",
mit einer Photographie des Schiffes.
Army and Navy Journal. Nr. 36: Bericht des Lieutenants Beehler
an den Sekretär der Nordamerikanischen Marine über die 29tägige Ver-
wendung des von ihm erfundenen „ Solarometers' 4 an Bord der Nord-
deutschen Lloyd-Dampfer, wo mit demselben sowohl bei der Ortsbestimmung
der Schiffe auf hoher See, wie bezüglich der Variationsbestimmnng der
Kompasse etc. sehr günstige Resultate erzielt worden sind. — Schiefe-
versuche mit Sterlings 12 zölligen Panzerdurchschlags-Geschossen etc. —
Vorschläge der Bureau-Chefs im Marine-Departement in Washington: die
Cellulose (Kork etc.) zum Schutz der vitalsten Teile der beiden im Bau
befindlichen Fahrzeuge „Machias" und „Castine" zu verwenden. — Das
Marine-Departement in Washington beabsichtigt, die Schotten und Wassertanks
der Torpedoboote aus Aluminium herzustellen. Nr. 37: Der Eigentümer des
New -York Herald läfst sich bei Herrcshoff in Bristol R. J. eine Yacht bauen,
welche schneller sein mufs als die gegenwärtig schnellste „Vigilant". —
Die Vorlagen des Sekretärs der Nordamerikanischen Marine bezüglich der
Augmentation des Seeoffizier-Personals für den Kongrefs. — Das Zer-
springen einer lOzölligen Woodbridge Draht-Kanone beim zwanzigsten
Schufs. Nr. 38: In Folge der vom Kongrefs beim Marine-Etat gemachten
Abstriche haben Neu- und Reparaturbauten auf der Werft zu Portsmouth
N. H. aufgehört und sind 150 Beamte entlassen worden. — Effekt der
kleinkalibrigen Geschosse nebst Zeichnungen von 17 verschiedeneu Ge-
schossen. — Längere Abhandlung über den letzten Bürgerkrieg in Chili.
— Eine ganze Anzahl Schiefijversuche mit den verschiedenen Schnellfeuer-
geschütz-Typen, sowie gegen Panzerplatten und mit schweren Geschofs-
arten. Nr. 39: Bericht über den Schiefsversuch gegen eine Panzerplatte
des amerikanischen Schlachtschiffes „Massachusetts" aus dem Carnegie-
Eisenwerk; eine 6 zöllige gebogene Harveyized-Platte von 21 Fufs 8 Zoll
lang und 5 Fufs S l j 2 Zoll breit. Widerstandsfähigkeit äufserst günstig. —
Die Probefahrten mit dem Panzerfahrzeug „Marblohead" in Nord-Amerika.
— Die Veröffentlichungen der „Pilot-Chart" des Nord-Atlantischen Ozeans
pro Monat Mai 1894 durch das Hydrographische Amt in AVashington.
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Umschau in der MilitÄr - Litteratur.
249
In der Karte ist auch der Weg, den der Cyclon im März vorigen Jahres
genommen hat, enthalten. — Die Probefahrten mit dem Kreuzer „Columbia".
Revue maritime et coloniale. Nr. 392: Chronik des französischen
Kriegshafens Lorient von 1803 bis 1809. Von M. Lallemand. — Die
Naphtaheizung und das Torpedoboot Nr. 104 S. Abhandlung über dies
Thema. Von M. Cuniberti, Ingenieur. (Ubersetzt aus d. Italienischen.) —
Obock (Hafen im Golf von Aden) und Abessinien (Schluls). Von
M. Alvarez. — Ausführliche Beschreibung des nordamerikanischen Kreuzers
„Columbia 44 (in Frankreich „Croisseur de Course 44 , in Amerika auch „Pirate 44
genannt), scheint eins der vollkommensten Schiffe dieser Klasse der Gegen-
wart zu sein. Schnelligkeit 23 Knoten; Deplacement 7356 Tons; Länge
in der Wasserlinie 125 m 54 cm, Breite 17 m 67 cm, vollbeladener Tiefgang
7 m 74cm, Armirung ein 20cm, zwei 15 cm Hinterlader; acht 10 cm
Schnellfeuer-, zwölf Hotchkiss-, vier Gatlingkanonen und 6 Torpedorohre
von 0,375 m Durchmesser, davon 2 unter Wasser. Maschinen von
11 000 Pferdekräften mit 3 Schrauben. Panzerdeck. Dem Engineering v.
4. 1. 94 entnommen und übersetzt von H. Lesquivil. — Einfluß* der Be-
herrschung des Meeres auf die Geschichte (1660 — 1783). Von Kapitän
A. T. Mahan. Chronique. Budget der englischen Marine pro 1894/95.
— Schiffskonstruktionen und Panzerungen in England und Nord-Amerika.
— Schiefs versuche gegen Panzerplatten in Nord- Amerika. — England:
Das neue Konstruktionsprogramm für die neu zu erbauenden Schiffe der
englischen Flotte. (Dem Broad arrow vom 17. März 94 entnommen). —
Die Hochseefischerei der verschiedenen Küstenländer.
La Marine de France. Nr. 60: Die Frage bezüglich der Neu-
fundland-Bank und der Banc d'Arguin. Von Kontre-Admiral Reveillere.
Kap Blanc, Baie du Levrier, Banc d'Arguin. Von Admiral O'Neill. —
Corsica nur fünf Stunden von Frankreich. Von einem Corsicaner See-
mann. — Der maritime Vierbund im Mittelmeer (England, Deutschland,
Italien und Österreich-Ungarn). Von Keliff. — Die Schifffalirt zwischen
Paris, Rouen und Hävre. Von Cabestan. — Chronique: Schluls der
Berichte von Admiral Vallon, bezüglich des französischen Panzerschiffes
„Magenta." — Das Projekt des französischen Marine-Budgets pro 1895. —
Die Frage der Entpanzerung. — Ouganda und Zanzibar. — Yachting. —
Chronique der Handelsmarine. Kr. 61: Kommando und Verwaltung in
der Marine (französischen). Von Truth. — Fischerei am Kap Blanc.
Von Kontre-Admiral Reveillere. — Die Untersuchung - Kommission in
Toulon. — Die Navigirung auf der Seine zwischen Paris, Rouen und
Hävre. Von Cabestan. — Chronique: Die parlamentarische Untersuchungs-
Kommission. — Frago der Entpanzerung. — Der Hafen von Bordeaux.
— Die französischen Häfen und ihr Schutz. — Die deutsche Konkurrenz
bei den transoceanischen Fahrten. — Flufsregulirungen in Preufsen. —
Umformirung der Compound-Maschinen in dreifache Expansionsmaschinen.
— Eine Nordpol-Expedition. Hr. 62 : Das Erforschen des besten Typ eines
Schlachtschiffes. — Der Kanal zwischen dem atlantischen Ocean und dem
Mittelmeer. Von Kontre-Admiral Galache. — Unsere Panzerschiffe
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250
Umschau in der Militar-Litteratur.
(die französischen) beurteilt durch die Admiralität. Das Journal „La
Justice" veröffentlicht d. d. Paris im Septbr. 1892 verschiedene officielle
Depeschen des Marine-Ministers Mr. Burdeau an Mr. Korn, Direktor des
Marine-Konstruktios-Bureaus in Cherbourg, den Kontre-Admiral Barrera;
den Vice-Admiral Lespes etc. — Chronique: Die Seetaktik. Von
M. Weil. Unterzeichnet J. Carthan. — Die Frage des Entpanzerns.
Ein Briet' von Mr. ,. Emile Gautier" vom Journal ,,Le Figaro 4 ' an Mr. Paul
Fontin, Direktor des Journal „La Marine de France," das obige Thema
betreffend. — Une escadre en trompe — Toeil. Unter diesem Titel bringt
das Journal einen Artikel von einem seiner Abonnenten aus Cherhourg.
— Das englische Mittelmeer-Geschwader auf der Besuchsfahrt an den
• • mm
Küsten Österreich -Ungarns. — Das Tournee des deutschen Ubungs-Ge-
schwaders. — Die militärischen Interessen des deutschen Reiches und der
Elbe-Weser-Rhein-Kanal. — Die französische Handelsmarine.
Rivista marittima. Nr. V: Strategie zur See. Von D. Bonamico.
Interessante Abhandlung über dies Thema. — Uber elektrische Ventilatoren
(Forts.). Von Dott. L. Pasqualini. — Die Torpedoboote im Kampfe der
Flotte (Geschwader). Von M. Caprioni. — Verwaltung bezüglich des
Königlichen Flottenpersouals. Von Francesco Pages, Sektions-Chef im
Marine-Ministerium. — Briefe an den Direktor. Uber Landungen. Von
C. Avallone. — Mitteilungen. Frankreich: Notizen und Bemerkungen
über diu Kriegsschiffe: „Duquesne", „Coetlogon", „Fleurus", „Suchet" und
die Torpedoboote „Lansquenet" und „Averse". Sodann Detailaufzeichnungen
über den Typ „Charlcniagne." England. Mitteilungen über die Konstruktion
der neuen Kriegsschiffe; Kanonenboot „Halcyon"; Probefahrten des Kanonen-
bootes „Hazard". — Berichte über die mit den Torpedojägern „Havock"
und „Hörnet" gemachten Erfahrungen (Zeichnung des Hörnet). Artillerie:
Spezifikation des Patents Nr. 228 637. Vom 15. 3. 93 der französischen
Gesellschaft Schneider & Comp, bezüglich eines Härtungsverfahrens von
Panzerplatten mit oder ohne Beimischung von Ammoniac-Gasen. Mit drei
Tafeln Zeichnungen. — Ein Supplementband zu Nr. V. Sammlung der
Schriften von Signor William Froude. F. R. S. über den Widerstand der
Schiffsbewegung gegen die Wellen. Von Nabor Soliani.
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher.
1. v. LöbclPs Jahresberichte über die Veränderungen und
Fortschritte im Militärwesen. XX. Jahrgang 1893. Unter Mitwirkung
mehrerer Offiziere. Herausgegeben von Th. v. Jarotzky, General-
lieutenant z. D. Berlin. E. S. Mittler & S. Preis 9,50 M., gebd. 11 M.
2. Garnisonbeschreibungen, vom Standpunkte der Gesundheits-
pflege aus aufgestellt. Herausgegeben von der Medizinal-Abtcilung des
Königlich Preufsischen Kriegsministeriums. Beschreibung der Garnison
Cassel, vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus aufgestellt. Mit
2 Karten, 56 Tafeln und 1 Abbildung im Text. Berlin 1893. E. S. Mittlcr&S.
Preis 8 M.
3. Geschichte des Feldzuges 1814 gegen Frankreich unter be-
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Umschau in der Militär- Litteratur.
'251
sonderer Berücksichtigung dor Anteilnnhtne der königlich württembergischen
Truppen. Von Fritz v. Hiller, Oberst. Herausgegehen von der Württem-
bergischen Kommission für Landesgeschichte. Stuttgart 1893. Verlag von
W. Kohlhammer.
4. y. Dossow's Anleitung zur Anfertigung von militar-schrift-
Hchen Arbeiten, als Meldungen, Rapporte u. s. w. , nebst vielen er-
läuternden Beispielen und einem Anhange. Vierzehnte Auflage. Nach
den neuesten Bestimmungen umgearbeitet von Th., Bat. -Adjutant, und L„
Zahlmeister. Berlin 1894. Verlag der Liebel'schen Buchhandlung. Preis 1 M.
5. Kriegserinnerungen aus 1870/71. Soldatengeschichten von
O.Elster. Berlin. Verlag der Liebel'schen Buchhandlung. Preis IM.
6. Deutsche Kriegertugend in alter und neuer Zeit. Der Jugend
und dem Heere [gewidmet von Paul von Schmidt, Generalmajor z. D.
Berlin 1894. Verlag der Liebeleien Buchhandlung. Preis 2,50, in
Partien 2,10 M.
7. Die Erziehung des Soldaten. Den Kameraden gewidmet von
Paul von Schmidt, Generalmajor z. D. Berlin 1894. Verlag der
liebel'schen Buchhandlung. Preis 2.50 M.
8. Kriegserinnerungen eines Feldzugsfreiwilligen aus den Jahren
1870 und 1871. Von Karl Zeitz. Illustrirt von K. Starcke- Weimar.
Zweite Auflage. Lieferung 1. Preis 50 Pfg. Altenburg 1894. Verlag
von Stephan Geibel.
9. Nachtrag zur Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine
für das Jahr 1894. (Abgeschlossen 20. Mai 1894). Redigirt im Marine-
Kabinet. Berlin. E. S. Mittler & S.
10. Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches. Nebst den
Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichtes, des Reichsgerichts und der
Seeämter. Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister. Von Dr. jur.
W. E. Knitschky. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin 1894.
J. Guttentag, Verlagsbuchhanlung. Preis 3,80 M.
11. Gaston Routier. Guillaume II u Londres et l'union franco-
russe. Quatricme Edition. Paris 1894. Librairie H. Le Soudier.
12. Der Patrouillendienst bei der Infanterie (Jäger ) Truppe mit
besonderer Berücksichtigung des Meldedienstes. Von E. v. Garger, k. u. k.
Oberstlieutenant. Mit einer Skizzentafel. Trient 1894. Im Selbstverlage
des Verfassers.
13. Beitrage zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere.
I- Offizier-Felddienst-Übungen. Von Litzmann, Oberstlieutenant a 1. s. d.
Generalstabes. Mit 1 Kroki, 1 Skizze und Blatt Kosel d. Karte d. deutschen
Reiches. Zweite, durchgesehene Auflage. Leipzig 1894. Verlag von
6. Lang. Preis 3 M.
14. Dictionnaire militaire. Encyelopadie des sciences militaires,
redigee par un comit6 d'officiers de toutes armes. 1. livraison. — A —
Armee. Paris-Nancy 1894. Librairie militaire. Berger -Levrault et Oie.
Preis 3 fres.
15. Colonel R. Henry. L'Esprit de la Guerre moderne d'apres
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252
Umschau in der Militär- Litte ratur.
les grands capitaines et les philosophes. t)euxieme e*dition. Paris-Nancy
1894. Librairie militaire Berger-Levrault et Cie. Preis 7,50 frcs.
16. Anleitung zur ersten Hilfeleistung bei plötzlichen Unfällen,
für Lazarethgehilfen, Heildiener etc. Unter Mitwirkung von Dr. med«
L. Mehler. Herausgegeben von J. Hess. 26 Abbildungen. Frankfurt a. M.
Verlag von H. Bechhold. Preis 1,80 M.
17. Der Kapitulant. Ein Hand- und Nachschlagebuch für jüngere
Unteroffiziere etc. Von von Wenckstern. Zweite, umgearbeitete und bis
zur Neuzeit ergänzte Auflage, bearbeitet von von Scriba, Pr. -Lieutenant.
Minden und Leipzig 1894. Verlag von W. Köhler. Preis 1,50 M.
18. Feldhauptmann Seyfried Schweppermann. Eine biographische
Studie von A. von Gey so, Pr.-Lieutenant. Berlin 1894. E. S. Mittler & 3.
Preis 50 Pfg.
19. Der Dienst des deutschen Apothekers im Heere und in der
Marine. Bearbeitet von Dr. Salz mann, Korps-Stabsapotheker des Garde-
korps. Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 3 M.
20. Winke über die Ausbildung der Eskadron im Felddienst.
Nebst zahlreichen Beispielen für taktische Aufgaben und Übungsritte. Von
Rau, Major. Hierzu eine Übersichtskarte in Steindruck (M.-St. 1 : 100 000).
Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 2 M.
21. Handbuch für den Kavallerie-Unteroffizier im Felddienst,
Von Rau, Major. Mit Skizze im Text. Berlin 1894. E. S. Mittler & S.
Preis 1 M.
22. Das Russische Drei -Linien-Gewehr und seine Schurs-
leistungen. Zweite, vollständig umgearbeitete Auflage, mit Zeichnungen
im Text und einer Zeichentafcl, von Frhr. von Tettau, Prem.- Lieutenant.
Hannover 1894. Helwingschc Verlagsbuchhandlung. Preis 1 M.
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Nicht in gleichem Mafse, wie der einzelne Mensch in besseren
Tagen sich gerne vorausgegangener Prüfungen und überstandener
Kämpfe erinnert, um in unmittelbarem Vergleiche von Vergangenheit
und Gegenwart die Befriedigung über letztere zu erhöhen, ist dieser
Zug der Erinnerung im staatlichen und politischen Leben vertreten.
Hier begnügt sich die Allgemeinheit meist, die Verhältnisse, wie sie
die Gegenwart bietet, hinzunehmen oder zu bekämpfen, und nur die
Blicke Einzelner tauchen in die Vergangenheit zurück, um aus dem
Werdeprozefs des Bestehenden den richtigen Mafsstab für die Be-
urteilung der Gegenwart und für ihre Hinüberführung in eine glück-
liche Zukunft abzuleiten. So kommt es, dafs selbst die wichtigsten
Momente und Perioden der Geschichte eines Volkes -— wert als
Marksteine derselben und als Wegweiser für die Gegenwart bezeichnet
zu werden — nur noch in allgemeinen Umrissen in der Erinnerung
der breiten Menge haften, in ihren Einzelheiten aber mehr der Ver-
gessenheit anheimgegeben sind, als dies vom Standpunkte der Pietät
und des unanfechtbaren Satzes, dafs die richtige Beurteilung der
Gegenwart auf der Kenntnifs der Vergangenheit beruht, gerechtfertigt
erscheint. Und das Los dieser Ereignisse teilen meist auch die mit
ihnen verflochtenen Männer, wie sehr dieselben auch als Leuchten
ihres Stammes, ihres Volkes, ihres Berufes hervorgetreten sein mögen.
Die Menge kennt und nennt vielleicht auch ihre Namen, ihres Wesens
und ihrer Werke erinnert sie sich mehr oder minder nur noch in
dunklen Zügen.
Einen der zahlreichen Beweise hierfür bildet der in der Geschichte
Deutschlands so bedeutungsvolle dreifsigjährige Krieg und die mit den
Ereignissen desselben auf's engste vereinigte Gestalt des General-
Jaurbocher ftr die Deuteche Armee und Marine. Bd. VHIC, 3. 17
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254 Eine Heldengestalt au» der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
feldniarschalls Gottfried Heinrich Grafen zu Pappenheim.
Wie jener eine geschichtliche Periode bildet, welche noch mancher
Aufklärung bedarf, so lebt auch Pappenheim mehr in der Nennung
seines Namens, als in der allgemeineren Kenntnifs seiner Leistungen
fort. Hat sich doch bis jetzt nur ein einziger Biograph (Hafs —
Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim. Leipzig 1855) gefunden,
der sich mit dem Charakter und der geschichtlichen Bedeutung
Pappenheims eingehender beschäftigte und dieselben einer gründlichen
Darstellung für wert hielt. Zur weiteren Verbreitung der Kenntnife
von Pappenheims Leistungen hat zudem auch diese Veröffentlichung
nur wenig beizutragen vermocht. Umsomehr legt der dreihundertste
Jahrestag von Pappenheims Geburt es nahe, die Erinnerung an einen
Mann wachzurufen, dessen Bedeutung als Mensch und als Truppen-
führer sich die Abstammung aus einem der ältesten und hervor-
ragendsten deutschen Adelsgeschlechter zugestellt, um ihn weit über
den Wert der blofsen Namenskennung zu erheben.
Zu Pappenheim an der Altmühl in Bayern, in dem noch heute
im Besitze seiner Familie befindlichen alten Schlosse, am 29. Mai
151)4 geboren, teilte Gottfried Heinrich zu Pappenheim das
gleiche Geburtsjahr mit dem Könige Gustav Adolf von Schweden,
mit dessen Geschicken sich auch im späteren Leben Pappenheims
zahlreiche Berührungspunkte finden. Sein Vater, der Reichserbmarsihall
Veit zu Pappenheim, ein berühmter Astrolog, deutete des Sohnes
künftigen Kriegsruhm aus einem der Stirne desselben anhaftenden,
später allerdings verschwundenen und nur noch in Momenten des
Zornes hervorgetretenen Muttermal, zwei gekreuzten roten Schwertern,
wie sie die PappenhemVschen Reichsmarschälle im Wappen führten.
Nach dem Tode seines Vaters (1600) reichte die Mutter Pappenheims,
eine Tochter des Freiherrn von Preysing, Pflegers zu Reichenhall,
dem Statthalter von Österreich ob der Enns, Grafen von Herberstorff,
die Hand, der in der Folge nicht wenig zu der Entwickelung der
weiteren Lebensgeschichte des jungen Pappenheim, insbesondere zu
seinen nahen Beziehungen zum Kaiserhofe beitrug. Zunächst war
Pappenheira zu akademischen Studien bestimmt, die er auf der damals
weitberühmten Hochschule zu Altdorf (1608) begann, auf der Universität
Tübingen beendete und dann durch Reisen in den Niederlanden,
Frankreich, Spanien und Italien und durch die hierbei gewonnenen
umfangreichen Sprachkenntnisse bereicherte. Im Jahre 1614 trat
Pappenheim zur katholischen Kirche über und wurde gleichzeitig zum
kaiserlichen Reichshofrat ernannt. Welche Beweggründe diesen
Religionswechsel veranlagten und inwieweit der Stiefvater Pappen-
heims, welcher ebenfalls die protestantische Religion mit der katholischen
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Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreifsigjahrigen Krieges.
255
vertauscht hatte, hierbei Einflufs ausübte, läfst sich kaum noch fest-
stellen, — soviel aber ist gewils, dafs die Überzeugungstreue, mit der
Pappenheini seinem gewühlten Glauben anhing, die Richtschnur für
sein ganzes künftiges Leben bildete.
Dem lebendigen Geiste Pappenheinis entsprach die für ihn in
Aussicht genommene höhere Beamten -Laufbahn nur wenig; sein
thatenfrischer Sinn strebte nach kriegerischen Erfolgen. Die Teil-
nahme an den Kämpfen des Königs Sigismund von Polen gegen den
falschen Demetrius in Rufsland gewährte ihm jedoch ebenfalls keine
Befriedigung und so entschlofs er sich, in den Dienst des Bayern-
herzogs Maximilian, des Hauptes der katholischen Liga, zu treten,
dessen Beziehungen zum Kaiserhause und zur katholischen Kirche
dem jungen Pappenheim Gewähr dafür boten, dafs er sein künftiges
Wirken mit voller Überzeugungstreue den eigenen Idealen widmen
könne.
So finden wir beim Ausbruch des dreifsigjährigen Krieges Pappen-
heim, dessen Thätigkeit und Geschicke von nun ab mit den Ereignissen
dieses Krieges Hand in Hand gingen, als Oberstlieutenant der Kavallerie
in dem von Tilly befehligten, zur Hilfe des Kaisers eilenden Heere
der Liga. Schon auf dem Marsche nach Böhmen zum „Obristen über
1000 Mann Kavallerie" befördert, zeichnete er sich in der Schlacht
am weifsen Berge bei Prag durch eine mit grofsera Geschicke und
seltener Tapferkeit durchgeführte Attacke gegen feindliche Artillerie
aus und trug dadurch wesentlich zum Siege der Kaiserlichen bei.
Freilich zahlte er diese Waffenthat mit mehr als zwanzig Hieb- und
Stichwunden, aber schon im Jahre 16*21 sehen wir ihn — kaum
genesen — wieder beim Heere Tillys, in dessen Reihen er, bald als
Oberst der Infanterie, bald als solcher der Kavallerie aufgeführt, den
Mansfelder in der Pfalz und am Überrhein bekämpfen half. Dennoch
scheint er auch hier keine Befriedigung seines militärischen Ehrgeizes
gefunden zu haben, denn im .Januar 1 1**22 erbat er seine Entlassung
und scheint die Absicht des Eintrittes in kaiserliche Dienste gehabt
zu haben, mit der es wohl auch zusammenhängt, dafs er auf dem
Reichstage zu Regensburg vom Kaiser Ferdinand II. persönlich den
Ritterschlag empfing und ein Regiment Kürassiere — die berühmten
Pappenheimer — verliehen erhielt. Schon im September l(i*22 wandte
er sich jedoch wieder der ligistischon Armee zu, fand hier aber keine
seinem Thatendrange entsprechende Verwendung und führte nun 1G25,
abermals seinen Abschied nehmend, ein im Lande ob der Enns ge-
worbenes Korps für die spanische Sache nach Italien, wo er durch
die fast einjährige Verteidigung der verschanzten Position bei Riva
am Comersee seinen eigentlichen Waffenruhm begründete.
17*
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256 Eine Heldengestalt aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Beim Friedensschlufs 1626 wieder in den Dienst des Bayerniursten
zurücktretend, erbot sich Pappenheim zur Niederwerfung des Aufstandes
der protestantischen Bauern in Österreich ob der Enns und löste diese
Aufgabe trotz der schwierigen Gestaltung der Sachlage mit einer so
durchgreifenden, in seinem Glaubenseifer begründeten Energie, dafs
schon anfangs 1627 der Aufstand niedergekämpft war, aber auch
Oberösterreich verarmt und verwüstet dalag und die Bauern noch
lange das Andenken des „leidigen Teufels", wie sie Pappenheim
nannten, in Trauerliedem lebendig erhielten.
Nach einem vorübergehenden Zuge gegen den alten Markgrafen
von Baden-Durlach fand der zur ligistischen Armee zurückgekehrte
Pappenheim im niedersächsischen Kriege, wo es die weitere Zurück-
drängung des Königs von Dänemark galt, das Feld seiner nächsten
Thätigkeit. Zunächst waren es die Belagerung von Wolfenbüttel, dann
aber auch verschiedene Rekognoszirungen, so der Plätze Glückstadt
und Krempe, dann der unteren Elbe und der Häfen an der Xord-
und Ostsee, bei welchen Pappenheini Gelegenheit fand, sein in Italien
hinsichtlich des Festungskrieges erlangtes Wissen zu verwerten.
Nebenbei aber liefs der schleppende Gang des Krieges Pappenheim
Zeit, unter Verwertung seiner früher gewonnenen juristischen Kennt-
nisse und angestachelt durch einen vom Kaiserlichen Obergeneral
Wallenstein noch geschürten Ehrgeiz ein bedenkliches Intriguenspiel
gegen den Herzog von Braunschweig -Wolfenbüttel einzuleiten, das
kein geringeres Ziel hatte, als die Entsetzung des Herzogs und die
eigene Erlangung des Fürstentums Wolfenbüttel. Als der Kurfürst
von Bayern auf Veranlassung Tillys diese Aspirationen des inzwischen
(1628) zum ligistischen General-Feldzeugmeister ernannten und vom
Kaiser in den Reichsgrafenstand erhobenen Pappenheim durchkreuzte,
dachte letzterer an den Übertritt in spanische Dienste. Die be-
züglichen Verhandlungen zerschlugen sich jedoch und Pappenheim
war genötigt, in sein Hauptquartier Gardelegen zurückzukehren.
Seine Beziehungen zu Tüly hatten aber zu Gunsten einer gröfseren
Annäherung an Wallenstein eine tiefgehende Beeinträchtigung er-
fahren.
Diesem Verhiiltnifs ist es wohl auch zuzuschreiben, dafs sich
Wallenstein bei der folgenden Belagerung von Magdeburg die Unter-
stützung Pappenheinis von Tilly ausbat. Die Aufhebung der Blockade
liefs es nicht zur Ausführung der von Pappenheim gegen Magdeburg
vorgeschlagenen Mafsnahnien kommen und so schied er auch von
diesem Schauplätze unbefriedigt und mit einem um so gröfseren Groll
gegen diese „hochmütige" Stadt im Herzen. Die Erfolge, welche die
Holländer 1629 gegen die Spanier errangen, lenkten jedoch seinen
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Eine Heldengestalt au« der Zeit de» dreifsigjährigen Krieges. 257
Geist bald auf ein anderes Gebiet. Er entwarf einen Plan zur Unter-
drückung Hollands, den er dem Könige von Spanien einsandte.
Letzterer hätte nun thatsächlich gerne den ligistischen General zur
Ausfuhrung dieses Planes gewonnen, allein nun boten sich für Pappen-
heini mit der Invasion des Königs Gustav Adolf von Schweden in
Norddeutschland neue fesselnde Aufgaben im Dienste der Liga.
So lenkte er sein nächstes Augenmerk darauf, den Plan des
Sehwedenkönig8, sich mit der Unterstützung des Herzogs von Lauen-
burg und der die Fahne des Aufstandes erhebenden Stadt Magdeburg
zunächst an der unteren Elbe festzusetzen, sofort mit der ganzen,
ihm eigenen Energie zu bekämpfen. Er schlug vor allem den Herzog
von Lauenburg, sperrte die Verbindung des Schwedenkönigs mit
Magdeburg und erbat sich, nunmehr (1630) zum ligistischen und bald
darauf zum kaiserlichen Feldmarschall befördert, von Tilly die Auf-
gabe, das gehafste Magdeburg zu züchtigen. Eine Reihe von
Schwierigkeiten, die sich Pappenheim bei der Belagerung Magdeburgs
entgegen stellten, zwang allerdings später auch Tilly, zur Unter-
stützung seines Unterfeldherrn herbeizueilen. Dennoch ist die am
20. Mai 1631 erfolgte Erstürmung der Stadt ebensosehr Pappenheims
ausschliefsliches Werk, als es nach den neuesten Forschungen un-
berechtigt ist, wenn auch die durch Brnnd erfolgte Zerstörung Magde-
burgs Pappenheim zur Last gelegt wird.
Die Erfolge Gustav Adolfs waren freilich durch den Fall Magde-
burgs und durch dessen Behauptung als Sperrposten der Elbe nur
verschoben. Über Tilly und Pappenheim hinweg brachte derselbe
seine Beziehungen zu Bernhard von Weimar, Wilhelm von Hessen
und Kurfürst Johann Georg von Sachsen zum Abschlufs. Am 17. Sep-
tember 1631 kam es, durch eine verfrühte und höchst bedenkliche
Kavallerie-Attacke Pappenheims hervorgerufen, auf der Ebene von
Leipzig zur Schlacht, die Tilly gerne bis zum Eintreffen der erwarteten
Verstärkungen verschoben hätte. Und damit entfällt ein Hauptteil
der Schuld, den für die ligistischen Waffen unglücklichen Ausgang
dieses Tages veranlafst zu haben, auf das einer sorgfältigen Abwägung
der Verhältnisse stets abholde Ungestüm Pappenheims. Wenn er
auch in der Schlacht selbst Wunder der Tapferkeit verrichtete und
nachher sowohl durch seinen geschickten Rückzug als durch die Art,
wie er im Rücken des siegreich an den Rhein und in Oberdeutschland
vordringenden Schwedenkönigs operirte, unsere volle Bewunderung
verdient, so zeigte er sich doch überall mehr als wagelustiger Kavallerie-
führer und Beherrscher des kleinen Krieges denn als sorgsam wägender
Feldherr. Auch der Entsatz Magdeburgs gegen ein schwedisches
Belagerungs-Korps unter Baner, den Pappenheim in den letzten
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258 Eine Heldengestalt au« der Zeit de» dreifsigjährigen Krieges.
Dezembertagen 1631 zu Wege brachte, sowie die Unternehmungen, welche
er nach Schleifung der Festungswerke Magdeburgs gegen die Generale
Tott und Baudissin, den Fürsten Wilhelm von Hessen und Georg von
Lüneburg ausführte, seine Behauptung in der Stellung an der Weser
zeigen ihn in diesem Lichte eines thatendürstigen, ruhelos verwegenen
oder — wie ihn der Chronist nennt — eines „fanatischen Kriegs-
mannes". Von Stade bis nahe an Kassel, von Hildesheim bis nach
Mastricht gingen seine kampfsuchenden Hin- und Herzüge; denn nicht
zufrieden mit den Aufgaben, die ihm die Fortschritte seiner Gegner
in Deutschland brachten, hatto er auch der Infantin von Spanien
eigenmächtig noch seinen Degen und seine Truppen zur Verfügung
gegen die Holländer angeboten, um dann — von den Spaniern im
Stiche gelassen — bei dem vergebliehen Sturme auf das verschanzte
Lager des Üraniers vor Mastrieht (17. August 1632) wohl die bitterste
Enttäuschung seines Lebens zu erfahren.
Überdies konnte er sich, nun nach Deutschland zurückkehrend,
überzeugen, wie sehr sein eigenmächtiger Zug gegen Holland die
ligistischen Erfolge beeinträchtigt und jene der Gegner gefördert hatte,
so dafs nicht allein beim Kurfürsten Maximilian und den übrigen
ligistischen Fürsten, sondern ;iuch bei dem wieder restituirten und
nach Tillys Tode zu Pappenheim in das Verhältnifs eines Vorgesetzten
getretenen Wallenstein eine höchst ungnädige Stimmung gegen ihn
Platz gegriffen hatte. Wie nach der Schlacht von Leipzig suchte
Pappenheim nun auch liier wieder durch erhöhte, geradezu staunens-
werte Thätigkeit an der Weser und in Westfalen seinen Fehler gut
zu inachen, so dafs er nicht allein die inzwischen bedrohten Plätze
rettete, sondern als positiven Gewinn sogar die längst ersehnte Ein-
nahme von Hildesheim erzwang. Eine nachhaltige Lehre aus seinen
bisherigen Mifsgriffen zog er jedoch auch jetzt noch nicht. Statt
dem Befehle, zur Verstärkung des von Gustav Adolf vor Nürnberg
festgehaltenen Friedländers herbeizueilen, Folge zu leisten, schien es
seinem eigenmächtigen und nun durch längere Selbstständigkeit ver-
wöhnten Charakter angemessener, sich mit Gegenplänen und Vor-
schlägen zu befassen. Erst dem wiederholten strengen Befehle des
nunmehr nach Kursachsen eilenden und den König von Schweden
nach sich ziehenden Wallenstein gelang es, Pappenheim endlich zum
Anschlufs an die kaiserlich-ligistische Hauptarmee zwischen Leipzig
und Merseburg (4. November 1632) zu bestimmen. Es war der
Todeszug Pappenheims. In der Schlacht von Lützen am 16. November
1632 gegen 2 Uhr Nachmittags, zu derselben Zeit und nahe dem Orte,
wo auch Gustav Adolf fiel, wurde er bei Durchführung einer glänzenden
Reiter-Attacke tötiieh verwundet und hauchte am nächsten Morgen,
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Eine Heldengestalt aus der Zeit de« dreißigjährigen Kriege«. 259
erst 38 Jahre alt, auf der Pleifsenburg zu Leipzig sein Leben aus.
Wallenstein hat ihn nachher im Kloster Strasow zu Prag mit hohen
Ehren begraben lassen und übernahm auch die Sorge für seine dem
gräflich Öttingen'schen Geschlechte entstammende Wittwe aus zweiter
Ehe sowie für seinen vierzehnjährigen Solin aus erster Ehe.
Was Pappenheim in seinem fanatischen Glaubenseifer und un-
ersättlichen Thatendrange während des beklagenswerten blutigen
Religionskrieges geleistet, das bezeugen sowohl seine Parteigenossen
wie seine Gegner. Erstere erkannten an, dafs es ihm niemand in
der Verfolgung der Feinde Ihrer Römisch-Kaiserlichen Majestät und
der katholischen Kirche gleich gethan habe, letztere bezeichneten ihn
als Erzfeind, als Pest und Fluch des menschlichen Geschlechtes, dem
das Odium des Glaubensverfolgers, des erklärten Vorkämpfers pa-
pistischer Geistesknechtschaft, des Anhängers und Kampfgenossen
der spanischen Tyrannen anhafte. Wie aber auch die von Pappen-
heim eingeschlagenen Wege beurteilt werden mögen, — die Aner-
kennung kann ihm nicht versagt werden, dafs sein ganzes Leben,
Handeln und Wirken von seiner inneren Überzeugung und von Idealen
geleitet war, die ihm als die edelsten erschienen. Das Streben,
Kaiser und Reich zum höchsten Ansehen zu bringen, — ein Ziel,
das ihm nur durch möglichste Kräftigung der katholischen Kirche
erreichbar schien, beherrschte alle seine Handlungen und so verdient
die Thatkraft, welcho er aus dieser Überzeugung zu entwickeln wufste,
die vollste Bewunderung. Und wenn auch sein verwegenes Ungestüm,
sein sanguinisches Temperament, seine Neigung zu Eigenmächtigkeiten
und ein mafsloser persönlicher Ehrgeiz Pappenheim der Eigenschaften
beraubten, welche man vom Oberbefehlshaber einer gröfseren Armee
fordert, so hat er doch als brillanter Truppenführer in zahlreichen
glänzenden Unternehmungen und durch eine bewundernswerte per-
sönliche Tapferkeit das Anrecht darauf erworben, seinen Namen für
alle Zeiten mit ruhmvollen Zügen in der Kriegsgeschichte niedergelegt
zu sehen. Mit grofsen Vorzügen aber auch mit nicht geringen Fehlern
ausgestattet, überzeugungstreu, kraftstrotzend und durch und durch
originell bleibt er ungeachtet der letzteren eine der interessantesten
Erscheinungen des dreifsigj ährigen Krieges.
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260
Die Verteidigung des Klosters Labischin
XXI.
Die Verteidigung des Klosters Labischin
am 29. September 1794.
Ein trüber Himmel lagert über den Schauplätzen der Kriege, in
denen um die Wende des achtzehnten und des neunzehnten Jahr-
hunderts Preufsens Heere fochten, dichte Nebel verhüllen das Firmament,
an welchem zu des Grofsen Königs Zeiten hell die Siegessonne geglänzt
hatte, nur selten durchbricht ein Lichtstrahl ihren Schleier. Je länger
es dauert, desto drohender wird der Anblick. Immer düsterer erscheint
der Horizont, immer schwärzer ballen die Wolken sich zusammen.
Auf den Feldern von Jena und von Auerstedt kommt das Gewitter
zum Ausbruche. Vernichtend wirken die Blitze, die es entsendet, hier
folgen einander Schlag auf Schlag und erst acht Monate später ver-
hallt im fernen Osten der Donner, der sie begleitet. Schwer ist der
Schaden, welchen das Unwetter angerichtet hat und fraglich erscheint,
ob der zerstörte Bau hergestellt werden kann, ob die geknickte Saat
sich wieder erheben, der entlaubte Baum seine Blätterpracht von
neuem entfalten wird.
Aber wenig mehr als ein Jahrfünft war verstrichen, da gab die
Weltgeschichte Antwort auf die Frage. An Rufslands Grenzen, wo
sie niedergegangen war, stieg Preufsens Sonne glänzend wieder auf.
In immer schönerem Lichte leuchtete sie dem Siegeszuge, welcher
die schwarz-weifsen Banner zweimal in des Feindes Hauptstadt führte.
Die Truppen, denen das Vaterland die errungenen Triumphe dankte,
waren andere geworden, eine neue Kampfesweise hatte die Formen
der alten Armee ersetzt, eine gesundere Politik die Staatskunst von 1806
verdrängt, ein frischer Geist war eingezogen in Heer und Volk —
die Offiziere waren grofsenteils die früheren. Von den alten Generalen
gab es nur noch wenige, aber solche, die tüchtig waren an Leib und
Seele und die sich seit zwanzig Jahren bewährt hatten ; die Lieutenants
der Kriege von 171)2 bis 1794 gegen Neufranken und Polen, die
Hauptleute von 1806 und 1807 waren in höhere Führerstellen auf-
gestiegen ; sie erfüllten ganz die Erwartungen, zu denen ihre Haltung
in jenen Tagen des Niederganges berechtigt hatte. Sie waren die
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am 29. September 1794.
IV. 1
Sterne gewesen, deren Lichtstrahlen damals zuweilen den Wolken-
schleier durchbrochen hatten, deren Leuchten schon zu jener Zeit
hoffen liefs, dafs auch die Sonne einstmals wieder scheinen werde.
Zu diesen Sternen gehören zwei Offiziere, deren Ruhmesthat und
deren Schicksal viel Ähnlichkeit mit einander haben. Beide waren
junge Lieutenants, einem jeden von ihnen war die Aufgabe gestellt,
fern von anderen Truppen, ganz auf die eigene Einsicht und auf die
eigene Kraft angewiesen, mit einer Handvoll Leute ein festes Haus
gegen grofse Übermacht zu verteidigen. Beide erlagen ehrenvoll, auf
des Einen wie auf des Anderen Entschliofsungen und Verhalten hatte
des nämlichen Vorgesetzten Befehl bestimmenden Einflufs geübt.
Die beiden Lieutenants waren Jakob Ludwig von Gauvain und
Friedrich Wilhelm Beyer; der Vorgesetzte, welcher jenen in den Tod,
diesen in die Gefangenschaft sandte, war der Husarenoberst von
Szekely, eine der widerwärtigsten Erscheinungen in der Geschichte
des preufsischen Offizierkorps, schmutzig an Leib und Seele, habgierig,
prahlerisch, herrisch seinen Untergebenen gegenüber, die Gefahr
scheuend, aber tapfer im Gefechte, allgemein verachtet und dennoch
bei seinem Kriegsherrn eines gewissen Ansehens sich erfreuend.
Wie er Gauvain mit ehrenkränkenden Worten anwies, Schlofs
Goldenfels bei Stromberg am linken Rheinufer zu verteidigen, bis ihm
das Schnupftuch in der Tasche brenne, wie er ihn dann seinem
Schicksale überliefs und wie Gauvain am 20. März 1793, nachdem er
den ihm anvertrauten Posten mit 2 Unteroffizieren und 35 Füsilieren
einen halben Tag lang gegen mehrere Hundert Franzosen behauptet
hatte, tapfer kämpfend fiel, ist neuerlich zum ehrenvollen Andenken
der Geopferten in Nr. 21 des Militär -Wochenblattes vom 15. März
1893 eingehend erzählt worden. Hier soll im Hinblick auf die be-
vorstehende hundertjährige Wiederkehr des Tages der Ruhmesthat
berichtet werden, wie am 29. September 1794 durch seine tapfere
Verteidigung des Klosters Labischin in Polen Beyer gleichen
Anspruch auf anerkennendes Gedächtnifs erwarb.
Es handelte sich um die Bekämpfung des im März jenes Jahres
im damals noch bestehenden Königreiche Polen und in den von
diesem an die teilenden Grofsmächte Rufsland, Österreich und Preufsen
abgetretenen Gebieten ausgebrochenen Aufstandes, welcher einen be-
denklichen Umfang erhalten und grofse Erfolge gehabt hatte. Der
Sommerfeldzug war ungünstig verlaufen. Die von Preufsen und Russen
unternommene Belagerung von Warschau hatte aufgegeben werden
müssen, König Friedrich Wilhelm IL, welcher selbst zu Felde gezogen
war, hatte mifsmutig den Kriegsschauplatz verlassen und Taddäus
Kosciuszko, der Generalissimus der bewaffneten Nationalmacht, unter-
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262
Die Verteidigung des Klostere lAbischin
nahm sofort der Insurrektion durch Entsendung regclmäfsiger Truppen
in die verschiedenen Landesteile Halt und neue Nahrung zu geben.
Nach Grofspolen, worunter aufser dem eigentlichen, die Woiwod-
schaften Posen, Kaiisch, Sierads, Wielun und Lentschitz umfassenden
Grofspolen auch das Land Kujawien zu verstehen ist, entsandte er
zu diesem Zwecke den Generalmajor Dombrowski, einen aus kur-
sächsischen Diensten in das polnische Heer übergetretenen Offizier,
welcher später unter dem Namen Dombrowski als Führer der Polnischen
Legion im Dienste der französischen Republik und des ersten Napoleon,
vermeintlich für seines Vaterlandes Befreiung kämpfend, sich einen
hochangesehenen Ruf erwarb. Aus dem Lager von Mokotow erhielt
dieser am 0. September von Kosciuszko den Befehl, nach Grofspolen
aufzubrechen, wo die Insurgenten dringend nach Hilfe verlangten;
ihre Führer fürchteten, dafs die Aufgestandenen auseinander laufen
würden, wenn sie nicht bald Unterstützung durch regelmäfsiges Militär
erhielten ; die Aufhebung der Belagerung von Warschau, meinten sie,
würde ihnen die gesammten preufsischcn Truppen in das Land bringen
und an einen nachhaltigen Widerstand sei nicht zu denken, wenn
nicht ganz andere Kräfte zu Gebote ständen, als zur Zeit vorhanden
wären. Dombrowski erhielt zu diesem Ende umfassende Vollmachten,
die Truppenmacht aber, welche er befehligte, zählte nur 1100 Mann
Infanterie, 900 Reiter und an Geschützen 6 Sechs- und 6 Dreipfünder;
dazu stiefsen unterwegs 400 Mann Infanterie, meist Rekruten, nebst
2 sechs- und 2 dreipfundigen Geschützen und die 600 Pferde starke
Kavalleriebrigade des Generals Madalinski, welcher sich Dombrowski
freiwillig unterordnete. Die gegenüberstehenden Preufsen, deren
Kommando nach des Königs Abreise der wegen seiner Befehlsführung
hart angegriffene und für die Mifscrfolge allein verantwortlich gemachte
Generallieutenant Graf Schwerin übernahm, war freilich 53 000 Mann
stark, aber sie war über weite Landstriche zersplittert und leicht
gelang es Dombrowski, ihre Linien zu durchbrechen.
Am 10. September aus dem Walde von Bielanie abmarschirt,
überschritt dieser bei Kamionna die dort in die Weichsel mündende
Bzurra, hob einzelne Posten auf, erbeutete Magazine und organisirte
so viel als möglich die Insurgenten. Es waren dies tapfere und
willige junge Leute, aber unausgebildet, mangelhaft bewaffnet und
ausgerüstet, von den Vornehmeren unter ihnen befehligt, aber weder
Vorgesetzte noch Untergebene waren bis dahin je zuvor Soldaten
gewesen. Am 25. machte Dombrowski mit dem Hauptteile seiner Truppen
in Gnesen halt. Er hatte noch keinen Entschlufs gefafet, wohin er
sich wenden solle. Es handelte sich um Posen oder Bromberg. Die
Nachrichten, welche er einzog, bestimmten ihn, sich für die letztere
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am 29. September 1794.
26^
Richtung zu entscheiden. Der Weg dahin führte über Labischin,
wohin am '25. Oberst von Szekely, welcher mit dem Füsilierbataillon
Hinrichs, einem Depotbataillon und drei Schwadronen in Inowrazlaw,
30 km südwestlich von Labischin, stand, den Lieutenant Beyer mit
40 Füsilieren und 10 Husaren entsandt hatte, um den Feind zu
beobachten und Nachrichten über dessen Vorhaben einzuziehen. Beyer,
ein junger Offizier, welcher im Jahre 1770 in Preufsen geboren,
1784 in den Dienst getreten, am 2. Oktober 1787 Fähnrich beim
Garnisonbataillon Nr. 1 Bose und im Januar 1791 Sekondelieutenant
geworden war, erwies sich als einsichtig und brav und zeigte sich
der ihm gestellten Aufgabe ganz gewachsen. Zu den Schwierigkeiten
ihrer Bewältigung trug der Umstand bei, dafs die Bevölkerung fast
durchweg polnisch gesinnt war. Erst kurze Zeit gehörten die Einwohner
des Städtchens Labischin dem preufsischen Staate an, und Beyer
mufste befürchten, dafs von Allem, was ihn betraf, dem Feinde alsbald
Mitteilungen gemacht werden würden. Es war mithin von Wichtigkeit
die Bürger von Labischin möglichst lange im Unklaren über die Stärke
semer Abteilung und sein Vorhaben zu halten. Er wählte daher
für sein Einrücken die Nachtzeit, liefs die Füsiliere in grofeen Abständen
marschiren und die Husaren mehrmals durch die Strafsen reiten.
Dann unterrichtete er sich, so gut es in der Dunkelheit anging, über
die Örtlichkeit.
Die Stadt liegt auf dem linken Ufer der in bruchigen Ufern
fliefsenden Netze, auf dem anderen Ufer lag ihr gegenüber hart am
Flusse auf einer Anhöhe ein massives, mit einer Kirchhofmauer um-
gebenes Kloster. Da die Anmarschlinie des Feindes über Labischin
führte und das Kloster nach Lage und Bauart die für die Verteidigung
am meisten geeignete Örtlichkeit war, so ergab sich von selbst, dafs
dieses sofort besetzt wurde. Die Mönche, naturgemäfs des Ein-
verständnisses mit dem Gegner verdächtig, erhielten strenge Weisung,
sich nicht aus dem Bereiche ihres Eigentumes zu entfernen, es wurden
Posten ausgesetzt und Streifreiter entsandt. Weitere Nachrichten
suchte Beyer durch Vermittelung des Stadtpredigers und des Bürger-
meisters zu erhalten, welche ihm als Deutschgesinnte bezeichnet waren.
Auf ihre Veranlassung machten zwei gleichdenkende Bürger sich auf
den Weg, um Kundschaft einzuziehen. Am folgenden Tage, dem '27.,
kam einer von ihnen mit der Nachricht zurück, dafs der Feind im
Anmärsche, aber noch acht Meilen entfernt sei. Die Meidung ward
mit dem Beifügen an Szekely weiter gegeben, dafs das Kommando
sich im Falle eines feindlichen Angriffes auf das Aufserste wehren
verde. Szekely schenkte der Meldung keinen Glauben und begnügte
sich, sie in Empfang zu nehmen, obgleich er einsehen mufste, dafs
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Die Verteidigung des Klosters Labiachin
die Besatzung, wenn sio wirklich angegriffen würde und er ihr nicht
Hilfe brächte, sich nutzlos opfern würde.
In der Nacht zum 28. brachte der zweite von den ausgesandten
Bürgern die Kundschaft zurück, dafs der im Anmärsche auf Labischin
befindliche Feind Szekely in Inowrazlaw anzugreifen gedenke und ihn
aufzuheben hoffe. Der Bürger ging mit seiner Nachricht selbst weiter
und setzte Szekely in Kenntnifs; dieser glaubte ihm aber, durch
einen von Dombrowski besser bezahlten jüdischen Doppelspion getäuscht,
ebensowenig, überliefs daher Beyer seinem Schicksale, schalt ihn lcich-
glaubig und warf ihm vor, falsche Meldungen gemacht zu haben, er
glaubte namentlich nicht, dafs reguläre Truppen in Grofspolen seien,
sondern hielt die Gegner lediglich für Insurgenten. Der Regierung
zu Bromberg versicherte er, dafs sie ganz ruhig sein könne, nur dem
Eingreifen Beyers, welcher, als er erfuhr was Szekely geraten hatte,
jener Behörde Mitteilung von den Ergebnissen seiner eigenen Er-
kundungen machte, war es zu danken, dafs von dort die Kassen und
die wichtigsten Papiere fortgeschafft und in Sicherheit gebracht wurden.
Beyer's Szekely gegenüber gethane Äufserung, dafs er im Falle eines
feindlichen Angriffes sich bis auf den letzten Mann zu vertoidigen
gedenke, war keine leere Redensart gewesen. Sobald er von der
Annäherung der Polen Nachricht erhielt, bereitete er sich zu ihrem
Empfange vor. Er liefs die über den Flufs führenden Brücken ab-
brechen und eine dem Kloster gegenüber befindliche Furt durch
hineingelegte Eggen und ähnliche Gegenstände ungangbar machen,
verstärkte die schwache Kirchhofmauer durch Erdanschüttungen, liefe
Schiefsvorrichtungen dahinter anbringon und richtete die Klosterkirche
zum letzten Zufluchtsorte für die Besatzung ein, indem er die Thüren
verrammeln liefs und aus dem Hochaltare ein Reduit machte. l T m
die Zahl der Verteidiger gröfser erscheinen zu lassen als sie wirklich
war und dio Geschosse der Angreifer auf falsche Ziele abzulenken,
wurden hinter der Kirchhofmauer und etwas über diese hinausragend
Hüte angebracht, die in ihrer Gestalt den Hüten der Füsiliere
glichen. Es fehlte aber an Kräften und an Mitteln, um die Annäherungs-
hindernisse so herzustellen, dafs sie zu wesentlichem Aufenthalte
hätten nötigen können und vor allem fehlte es an Mannschaft zur
Besetzung der Gefechtsstellung. Szekely, in seinem Unglauben be-
harrend, rührte sich nicht.
Mittlerweile blieb die polnische Hauptmacht von Gnesen über
Rogowo und Znin im Marsche auf Labischin. Ebendahin ging von
Tremessin aus über Gasawa der General Madalinski, welcher aufser
über seine Kavalleriebrigadc über 100 Jäger und zwei Geschütze ver-
fügte. Es waren dies die Truppen, welche am Morgen des 29. Sep-
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am 29. September 1794.
265
tember vor dem Städtchen Labischin anlangten; die Seitenabteilung
hatte sich vor das Hauptkorps geschoben und bildete nunmehr dessen
Vorhut. Von den Husarenpatrouillen, welche Beyer ausgesandt hatte,
war eine in die Hände der Polen geraten, mit einer zweiten erschienen
diese gleichzeitig in den Strafsen der Stadt, die übrigen Reiter wurden
an Szekely mit der Meldung gesandt, dafs der Feind nun thatsächlich
angekommen sei. Mit grofsem Geschrei war dieser aus dem vor der
Stadt gelegenen Walde vorgebrochen, hatte aber zunächst an der
Netze, wo sich nicht sofort ein Übergang bot, Halt gemacht. Ein
Trompeter ritt durch den Flufs und forderte im Namen des Generals
Dombrowski zur Übergabe auf. Als er aber abschläglich beschieden
war, versuchten die Polen den Übergang. Zuerst mittelst der Furt
Sic erwies sich als ungangbar. Eine Anzahl durch zwei Offiziere
geführter Jäger, die zu je zweien ein Pferd bestiegen hatten, ritt in
den Flufs, die hineingeworfenen Gegenstände hinderten sie aber am
Fortkommen, die preufsischen Kugeln schlugen unter ihnen ein und
trugen dazu bei, sie zum Aufgeben des Versuches zu veranlassen
Die Aufforderung zur Übergabe des Postens wurde nun wieder-
holt. Sie ward dadurch verlockender gemacht, dafs Beyer gestattet
sein sollte, die Stellung noch vierundzwanzig Stunden zu behaupten
und dann frei abzuziehen. Es war eine Falle, denn, wenn der Vor-
schlag angenommen wäre, so hätte dem Feinde freigestanden, seinen
Marsch fortzusetzen und daran sollte er verhindert werden. Beyer,
dies durchschauend und die Verhältnisse richtig beurteilend, antwortete,
dafs er lieber für König und Vaterland sterben als ohne Not nur
einen Schritt weichen werde.
Nun machten die Polen Ernst. Die beiden Geschütze fuhren
auf und richteten ihr Feuer gegen die Kirchhofmauer. Sie konnte
den Geschossen nicht widerstehen und lag bald in Trümmern ; gleich-
zeitig machten die Jäger sich an das Werk, die Brücken wieder in
Stand zu setzen. Mittlerweile aber liefsen sie deutschgesinnte Bürger,
mit Äxten versehen, in aufgefundenen Kähnen über den Flufs setzen
und die Besatzung zum dritten Male auffordern sich zu ergeben.
Dieses Mal geschah es unter dem Hinzufügen der Drohung, dafs,
wenn der Widerstand fortgesetzt werden würde, die Verteidiger nicht
nach Kriegsgebrauch behandelt, sondern mit Äxten in Stücke gehauen
werden sollten. Die Antwort waren Flintenschüsse, durch welche
drei Bürger getödtet sein sollen ; die übrigen kehrten schleunigst um.
Die Vorbereitungen zum Angriffe waren beendet. Die Polen
schritten zum Sturme. Ein wirksames Geschütz- und Gewehrfeuer
leitete ihn ein. Da die Kirchhofmauer nicht mehr zu halten war,
zogen sich die noch kampffähigen Verteidiger in die Kirche zurück
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26V»
Die Verteidigung des Klosters Labischin
und postirten sich am Hochaltar. Die Angreifer sprengten die Thüren
und stürzten ihnen nach. Zwischen sie hindurch aber drängte sich
der Major von Zablocki, der Adjutant des Generals Dombrowski, und
forderte Beyer mehrmals auf die Waffen zu strecken. Dieser hatte
bereits fünfundzwanzig Mann an Todten und Verwundeten verloren.
Von seinen vierzig Füsilieren waren nur noch elf übrig und diese
hatten ihren Schiefsbedarf fast vollständig verfeuert. Beyer blieb
nichts übrig als der Aufforderung zu entsprechen, Zablocki aber
mufste die Gefangenen zunächst vor seinen eigenen Leuten schützen,
die erbittert durch den Widerstand der schwachen Besatzung und die
erlittenen Verluste von Pardon nichts wissen und die Füsiliere nieder-
machen wollten. Mit seinem eigenen Säbel fing er die Hiebe auf,
welche dem feindlichen Offizier galten, der selbst an der rechten Hand
verwundet war. Das Dazwischentreten der höheren Führer machte
dem Auftritte ein Ende. General Dombrowski selbst, welcher mittler-
weile eingetroffen war, erschien auf dem Kampfplatze und sprach
Beyer seine volle Anerkennung seiner mannhaften Gegenwehr aus und
die gefangenen Preufsen hatten sich fortan der besten Behandlung
zu erfreuen, sehr ungleich derjenigen, welche den Verteidigern der
Burg Goldenfels von Seiten der Sansculotten zuteil geworden war.
Die Sieger mufsten sich bald auf einen neuen Kampf rüsten.
Szekely war inzwischen die Sachlage klar geworden, er brach um
Mittag von Inowrazlaw auf, traf gegen Mitternacht vor Labischin ein,
griff sofort an, wurde aber abgewiesen und zog in der Frühe des
30. September nach Bromberg ab. Dombrowski folgte am 1. Oktober
Am 2. kam es dort zum Gefechte. Die Stadt wurde genommen,
Szekely erhielt eine schwere Wunde. Vier Tage später sühnte ein
ehrlicher Soldatentod seine Schuld.
Über die Verluste, welche die Polen bei Labischin erlitten, ist
nichts bekannt geworden. General Dombrowski sagt in seinem dem
Generallissimus am 1. Oktober aus Labischin erstatteten Rapporte,
dafs der Oberst Leszczynski von der Kalischer Konföderation und ein
Towarczys verwundet seien. Dafs Leszczyuski, welcher demnächst
seiner Wunde erlag, eine solche erhalten hatte, war nicht todt-
zuschweigen. Die Unrichtigkeit der Meldung über den anderweiten
Verlust liegt auf der Hand. Bei einem erbitterten Gefechte, welches
die gedeckt stehenden Verteidiger so bedeutende Opfer kostete wie
oben nachgewiesen sind, konnten die Angreifer unmöglich ohne
mindestens ebenso grofse Einbufsen davonkommen. Übrigens beziffert
Dombrowski auch die preufsischen Verluste wie die Stärke seiner Gegner
zu niedrig, indem er schreibt, dem Feinde seien zwei Mann getödtet
und der Offizier habe sich mit achtzehn Mann ergeben.
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am 29. September 1794.
207
Es bleibt uns nur noch übrig, der späteren Schicksale Beyers zu
gedenken. Zunächst lohnte die Verleihung des Ordens pour le mcrite
seine That. Es war ein wirkliches Verdienst, welches er sich erworben
hatte. In richtiger Würdigung der Verhältnisse hatte er den Feind
sieben Stunden lang aufgehalten und hatte Szekely, welchem endlich
die Augen aufgegangen waren, in den Stand gesetzt, die ihm zweck-
dienlich erscheinenden Mafsregeln zu ergreifen, den Behörden in
Bromberg hatte er Zeit verschafft, in Sicherheit zu bringen, was sie
vor der Besitznahme durch die Polen retten wollten. Aber mehr
noch und Höheres hat er gethan. Er hatte in schwerer Zeit ein
leuchtendes Beispiel von zielbewufster Thatkraft und opferfreudiger
Tapferkeit gegeben und hatte gezeigt, was ein tüchtiger Offizier auch unter
ungünstigen Umständen und mit unzulänglichen Mitteln leisten kann,
wenn er Kopf und Herz an den rechten Stellen trägt. 1801 wurde Beyer
der Adelsstand verliehen, am 23. Februar 1805 wurde er zum Premier-
lieutenant befördert. In dem unglücklichen Feldzuge des folgenden Jahres
focht er bei Halle, Lychen, Waren, Kyritz und Lübeck, wurde durch die
Kapitulation von Ratkau Kriegsgefangener und von fernerer Teilnahme
am Kriege ausgeschlossen. Als nach dem Frieden von Tilsit aus der
alten Armee ein neues Heer erstand, waren Beyers Dienste unvergessen.
Aus den Verteidigern von Kolberg wurde das Leib-Infanterie-Regiment
gebildet. Zur Vollständigkeit desselben fehlten einige ältere Hauptleute.
Es wurde Umschau gehalten nach solchen, welche durch frühere Aus-
zeichnung den Anspruch erworben hätten, in diese Truppe eingereiht zu
werden, welcher anzugehören allein schon fiir eine Ehre galt. Zu den Er-
korenen gehörte der Kapitän von Beyer, welcher als ältester Kapitän
Chef der Grenadierkompagnie ward. Unter den Kompagniechefs
gab es nur zwei, welche den Verdienstorden nicht besafsen. Am
2. September 1807 war Beyer Kapitän geworden, am 13. Juni 1810
wurde er zum Major befördert. Den Ereignissen des Feldzuges 1812
mufste er fern bleiben, da nur die Musketierbataillone ausrückten
und das Grenadierbataillon nicht mobil gemacht wurde. Als der
Krieg von 1813 ausbrach, war er Kommandeur des 2. Bataillons.
Voll Begeisterung und ganz durchdrungen von der Bedeutung der
bevorstehenden Ereignisse zog er in den Kampf. Die Regiments-
geschichte schreibt darüber:
Wiederholt hatte der brave Major von Beyer, der Held von
Labischin, die Offiziere des 2. Bataillons vor die Front gerufen und
eine seiner originellen Ansprachen gehalten: „Dies ist ein heiliger
Krieg, meine Herren, hier giebt es kein Rückwärts! Man mufs alle
Brücken dahin als abgebrochen betrachten." Da kam plötzlich der
Befehl zum Abmärsche nach Leipzig. „Mir nicht gefällt" antwortete
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268 Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
betrübt der Major und mufste für heute doch noch die Brücken be-
nutzen.
Es war am Morgen des 2. Mai, eines Sonntages. Die Brücken
waren die, welche über die Elster und Pleifse von Iindenau auf das
Schlachtfeld von Grofs-Görschen führten. Aber unthätig mufste Beyer
für dieses Mal zusehen, wie das 1. Bataillon reiche Lorbeeren erntete.
Er selbst sollte deren am 19. Mai im Treffen bei Königswartha -Weifsig
pflücken. Es waren die letzten. Im blutigen Ringen zerschmetterte
eine Kugel ihm die linke Kniescheibe. Damit war seiner soldatischen
Laufbahn ein Ziel gesetzt, für den ausübenden Dienst war er dauernd
unbrauchbar. Am 27. Juli 1813 ward er mit dem Charakter als
Oberstlieutenant auf Wartegeld gesetzt, im November erfolgte seine
Ernennung zum Postmeister zu Stargard in Pommern, mit der Er-
laubnifs, die Regimentsuniform weiter tragen zu dürfen. Daneben
blieb er noch lange als Bataillonsführer bei der Landwehr zweiten
Aufgebotes in Verwendung und am 12. Februar 1829 erhielt er den
Charakter als Oberst. Am 19. Mai 1830 ist er zu Stargard gestorben.
Aber seine Ruhmesthat ist unvergessen. Möge die Erinnerung
an den Tag von Labischin immerdar lebendig bleiben im preufsisclien,
im deutschen Heere und möge der tapfere Beyer für alle Zeiten ein
leuchtendes Vorbild sein für Alle, so nach ihm in ähnliche Lagen
kommen. 14
XXII.
Aus den Exerzir -Vorschriften der ersten Republik
und des ersten Kaiserreichs.
(Fortsetzung.)
So viel über das Reglement von 1791. Die Aufnahme der colonne
serree und colonne d'attaque in dasselbe, wie gesagt eine Konzession
an die sogenannte französische Schule der „perpendikulären Ordnung 4
ist keineswegs als ein Abgohen von der Lineartaktik zu betrachten;
dafs dieselben eine taktische Revolution bedeuten könnten,
blieb den Kämpfen der Revolution und des Kaiserreichs zu
beweisen überlassen. Der Charakter der Lineartaktik, aber nicht
jener einfachen, mit welcher der grofse König seine Schlachten
gewann, sondern jener, die in den Evolutionen das Schwer-
gewicht suchte, tritt uns in nahezu allen Anordnungen des
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und des ersten Kaiserreichs.
269
französischen Reglements entgegen: 2 zusammenhängende Treffen,
ängstlichste Wahrung des Zusammenhangs der Linien, peinlichste
Ordnung im Marsch und in der Entwickelung, um jeden Zeitverlust
zu ersparen, genaueste Marschdisposition, ängstlichstes Innehalten
der Zwischenräume und Abstände im Marsch, wie ein Vorgehen mit
Echelons, maschinenmäfsige Präzision in den Bewegungen auch langer
entwickelter Linien, die Treffen ein Ganzes in der Hand der Führer,
keinerlei Selbstständigkeit der Unterabteilungen, Regiments- und
Brigadekommandeure in gröfscren Verbänden nur Kontroleure der
Exaktheit der Richtung und Bewegungen, geometrische künstliche
Spielereien sind dabei vielfach an die Stelle der einfachen Bewegungen
getreten. Dem Charakter der Lineartaktik entsprach das ununter-
brochene Vorgehen unter „Feuer mit Bataillons im Avanciron" nach
vollzogenem Aufmarsche, die Verwendung der Kavallerie auf den
Flügeln allein, das gleichzeitige Vorrücken von Fronten von 30 bis
40 Bataillonen voll entwickelt mit einem Riesenapparate von Guiden,
Jalonneurs, Fahnenpelotons, nachdem mit denselben Mitteln angesichts
des Feindes ein peinlich genaues Einrichten stattgefunden hatte;
eine Künstelei, die Friedrich d. Gr. niemals angewendet haben würde,
mufs man es nennen, wenn man erst parallel dem Gegner auf-
marschiren und dann durch eine Reihe von Evolutionen sich wieder
von demselben entfernen w r ollte, um ihm dann in die Flanke zu rücken.
Man übersah vollkommen, dafs schon der grofse König in seinen
späteren Kriegen eine Grenadier- Avantgarde vor den Angriffsflügel
schob und mit starker Artillerie ausstattete, diese kürzere, schneller
zu entwickelnde Linie die Hauptarbeit übernahm und unter ihrem
Schutze die langen Linien beider Treffen sich vorwärts bewegten.
Eine dicht am Feinde unausführbare Künstelei mufs man auch die
Methode der Frontveränderungon der langen Linien nennen. Als ob
man im Wirkungsbereiche des Gegners, wenn es gilt, einer Mafsnahme
desselben entgegenzutreten, Zeit und Ruhe hätte, in der Schreibtafol
den Winkel und die Zahl von beiden Treffen zu durchmessenden
Schritte zu berechnen, den ganzen Aufbau von Jalonneurs, Guiden,
Fahnen, Adjutanten zu vollziehen, ja selbst einen Teil der Treffen
eine Bewegung mit dem Rücken nach dem Feinde machen zu lassen
— als ob nicht ein entschlossener Gegner mit einem kräftigen Gegen-
stofse das ganze Gebäude umwerfen könnte, das doch nur kampfbereit,
wenn es als Ganzes in starrer Linienform fest gefügt war. Hierzu
kam, dafs das ganze System auf der genauesten Richtung des
I. Treffens beruhte und diese doch bei Weitem nicht überall aus-
fuhrbar war. Solche Front Veränderungen waren Paradestücke, aber
keine Bewegungen für den Kampf. In der Ordonnanz von 1791 be-
J*hrbUchcr für die DeuUcbe Armee und JUrine. Bd. VUIC, 3. iy
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270
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
stand zwischen den beiden Treffen keine weitere Verbindung, als
die Parallelität derselben. Man mufs es als wunderbar und un-
begreiflich betrachten, dafs dieselben Gedanken in dem Reglement
von 1831 wiederkehren, nachdem man dieselben während der ganzen
Periode der Rcvolutions- und Kaiserkriege als unhaltbar erkannt
hatte, allein schon, sobald man das Gelände in Rechnung zog.
Schon 182C> hatte General Morand in seiner Schrift „L'armee selon
la Charte" eine radikale Änderung der „Evolutions de ligne u gefordert
und diese Ansicht wie folgt begründet: Les manoeuvres actuelles (des Reg-
lements 171)1) nepeuvcnt, sans grand danger etre faites devant l'ennemi.
En les employant, il arrivera ce qui est arrive cent fois, le massacre
des bataillons. Ces manoeuvres sont funestes aussi, parce que
leur ctude distrait de letude veritablement guerriere: clles sont telle-
ment confuses, qu'un officicr qui parvient ä les faire executcr avec
quelque precision passe pour un hommo habile." General Morand
schöpft aus den Erfahrungen der Rcvolutions- und Kaiserkriege, er
vorsucht den Grundsatz höchstmöglicher Beweglichkeit, die Verfasser
der Ordonnanz von 1831 versichern in ihrem Berichte, dafs sie an
dem Geist und Plan des Reglements von 1791 nichts Wesentliches
geändert hätten.
Das waren die Formen und Grundsätze, mit denen die Infanterie
Frankreichs in die Revolutionskriege eintrat, nicht die alte Infanterie,
wenn wir so sagen dürfen, d. h. die durch unausgesetzte Schulung
und schärfste Disziplin herangebildete, nicht die der durch eine kaum
glaubliche Präzision der Bewegungen fast zu Maschinen gewordenen
kleinen Heere, sondern gewaltige, schlecht disziplinirte Massen mit
keiner oder doch der kaum oberflächlichen Ausbildung der levee en
masse. „Au lieu de ces forces balancees commo par une Convention
tacite entre les differents etats suivant leur etendue et les ressources
de leur gouvernement. seule garantie possible de leur securite et de
leur disposition mutuelle a maintenir cet equilibre — la nation rat
toute entiere preeipitee dans le feu de la guerre (M. Dumas). — Wie
vor der französischen Revolution — ja in dem Reglement, mit dem
die Truppen dieser Revolution in die Kämpfe eintraten und auch bei
den Gegnern, mit denen die Franzosen zusammenstiefsen — das
Extrem der Einseitigkeit herrschte, so in derselben zunächst
das der Formlosigkeit. Der Versuch der preufsischen Bataillone
bei Saalfeld, Tirailleure vorzuwerfen, scheiternd an der Unmöglichkeit,
dieselben auseinander zu bringen, und das Streben der Franzosen in den
Koalitionskriegen, Truppen von ungenügender Schulung und Disziplin
in den Formen der Lineartaktik zum Schlagen einzusetzen, sind
charakteristische Gegensätze. Mangelnde Schulung und Disziplin,
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und des ersten Kaiserreichs.
271
ungebundenes Streben nach Freiheit und Ungestüm des französischen
Charakters, die voll zum Ausdruck kamen, Selbsterhaltungstrieb auf
der einen, die vorwärts treibende Furcht vor der Guillotine auf der
anderen Seite liefsen aus den in Linie entwickelten Bataillonen lockere
Schwärme entstehen, die — „eine Eigenart von Menschen, nicht
Glieder einer festen Kette, wie die darum in mechanischem Zusammen-
hang sich vorwärts schiebende Linie" enthaltend — des Zwanges
entledigt, im Selbsterhaltungstriebe Deckungen des Geländes suchten.
„Outre cela la nature des contrees, oü Ton combattait, les Vosges,
les Alpes, les Pyrenees et le terrain coupe de la Vendee rendait ce
Systeme seul applicable (Jomini). So entstand empirisch die Gelände-
benutzung, ebenso eine Kräftesammlung an einem oder mehreren
Punkten. An den Deckungen des Geländes, die nun nicht mehr, wie
in der Lineartaktik Hindernisse, sondern Schutz waren, ballten
sich die Schwärme zusammen. Die Kräfteverteilung wurde so eine
mehr willkürliche. Von der Führung nicht beeinflufst trat sie
naturgemäfs nicht immer dort ein, wo sie der Leitung erwünscht sein
mufste. Sollte die Leitung aber überhaupt einen Zweck haben, so
durfte die Kräfteverteilung nicht dem Zufall überlassen bleiben. Die
Mifserfolge, die das neue noch ungeordnete System gegen das alte bei
Pirmasens, Neerwinden u. s. w. erlitt, wiesen deutlich darauf hin. Sie
zeigten auch noch eine andere Schattenseite — die nachteiligen Folgen
des Einsetzens der ganzen Kraft in einer einzigen Schwarmlinie,
wenn der Gegner abweichend von den Gepflogenheiten der Linear-
taktik, nicht Alles in einem Treffen zur Wirkung brachte, sondern
hinter demselben eine starke Feuer- und Stofskraft zurückhielt, die
durch das Durchbrechen des I. Treffen, das fast immer gelang, ab-
genutzte Stofskraft der Schwarmlinie nicht nur eine dünne, „im Banne
der Einheit 41 liegende Linie aufzurollen fand. Steigerung des Einflusses
der Leitung, Kräftesammlung dort, wo diese wollte, Intakterhaltung
der Stofskraft der hinter einem I. Treffen auftretenden Truppenkörper
mufste angestrebt werden. Naturgemäfs mufste das Streben nach
Kräftesammlung in einer taktischen Form Ausdruck finden. Die lange
unlenkbare Schwarmlinie konnte dies unmöglich sein. — Verzichten
wollte man auf diese aber auch nicht, da sie in Bezug auf Ausnutzung
des Geländes und der Feuerwaffen unbestreitbare und eigentümliche
Vorzüge aufwies. Es erklärt sich leicht, dafs der 1. Linie des neuen
Systems eine andere Aufgabe zufiel, als in dem fridericianischen —
sie war nicht Feuer- und Stofstreffen zugleich, sie bereitete vor,
ermüdete den Gegner, belästigte ihn überall, um so festzustellen, wo
seine Schwäche lag und ob er Kräfte zurückgehalten hatte. Was die
Schwarmlinie vorbereitete, mufste ein Sto fs treffen ausnutzen, der
18*
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272
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Schwerpunkt des Kräfteeinsatzes rückte im Vergleich zur Lineartaktik
weiter rückwärts. Von hier kam der Impuls, wenn die Schwarmlinie
im Vorgehen stockte, oder ihr Nachdruck zu verleihen war, die
Gliederung nach der Tiefe begann ihre Bedeutung zu zeigen. Man
darf Moreau, Kleber, Macdonald, Jourdan und Lefevre als die Männer
bezeichnen, die bestrebt waren, der Leitung ihren Einflufs wieder zu
schaffen. Die Form, die man für die möglichst intakt in der Hand der
Führung zu bewahrenden Truppen wählte, mufste einen festen Rahmen
mit solcher Bewegungsflihigkeit darstellen, dafs man nicht nur schnell
und rechtzeitig den Punkt erreichte, wo sie eingreifen sollten, sondern
auch die Gliederung rasch herstellte, die für die beabsichtigte Gefeehts-
thätigkeit die zweckmäfsigste war. Die lange Linie war, wie gesagt,
erst recht in wechselndem Gelände dazu nicht geeignet, ganz ab-
gesehen davon, dafs die ungenügende Übung des Ersatzmaterials die
lineare Ordnung allein schon verwerten lassen mufste. „Le plus
habile tacticien serait fort embarrasse de conduire 40 ou 50 bataillons
deployes sur 2 ou 3 rangs, a travers un terrain de 1000 a 1200 m,
en conservant assez d 'ordre pour aborder, avec quelques chauces de
succes, un ennemi en position, dont le front serait battu par
rartillerie et la mousqueterie. Quant ä moi, n'ayant jamais rien
vu executer de pareil a la guerre, je considere la chose comme im-
possible — . . . Napoleon adressa toujours ä ses marechaux la re-
commaudation suivante: Enlevez bien vos troupes, et abordez ri-
goureusement l'ennemi. Or je demande le moyen de bien enlever 40
ou 50 bataillons avec ensemble, et d'aborder un ennemi devant lequel
ils arriveront poletonnes, decousus, alors que le chef n'aura plus
d'action sur ses soldats" (Joinini). Man griff zurück auf die Kolonne
(von Dumouriez schon bei Jemappes angewendet), die Bewegung,
Ordnung und Führung auch ungeübterer Truppen erleichterte.
Künstliches durfte die Form nicht haben, die tägliche Marschkolonne
entsprach dieser Rücksicht, sie sicherte auch die Bewegungsschnelligkeit
und indem man ihre Tiefe durch Nebeneinanderstellung von gleichen
Stücken veränderte, erleichterte man auch den Übergang zur Gefechts-
form, das bei den gelassenen Zwischenräumen mögliche Deployiren.
„Schon hierfür", sagt Rüstow, „ergab sich aber die Notwendigkeit
der Einübung." Diese fand, nach demselben Autor, in der Armee,
die verständige Generale führten, auch statt. „Die Carnot'sche
Organisation — Halbbrigade zu 1 Linien-, 2 Volontär-Bataillone zu
je 4 Kompagnien, Brigade und 2 Halbbrigaden, Division (meist) aus
2 Brigaden, 2 schweren Kavallerie-Regimentern, 1—2 Batterien —
wurde zur That. Das Wenige, was die Leute vom Exerziren wufsten,
der Hang zum Tirailliren und auf der andern Seite die Führung, die
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und de» ersten Kaiserreich«.
273
nach Kraft strebte, bilden die Faktoren, aus welchen sich die Ver-
bindung des Tirailleurgefechtes mit der Kolonne ergab." Nach Rüstow
gingen aus den Kolonnen die Tirailleure hervor, ihre Kette wurde die
Normalform für das Feuergefecht, wie die Kolonne die normale
Gefechtsform für geschlossene Bataillone, die Quelle der Verstärkungen
für die Kette, die Trägerin der Stofskraft und die Form für das
Bringen der Masse auf den entscheidenden Punkt. Nach der „Geschichte
der Infanterie" war die Halbbrigade Treffeneinheit, die Gliederung
der Brigaden eine troffenweise. Zunächst löst sich die Halbbrigade
des I. Treffens noch ganz auf — das kommt übrigens auch später noch
vor, z. B. Marmonts Vorgehen auf das Ober- Frauendorfer Gehölz
in der Schlacht von Dresden und Napoleon sagt selbst: „dans un
jour de grande bataille une ligno passe toute entiere aux tirailleurs et
quelquefois meme deux fois: il faut relever les tirailleurs toutes les
deux heures, parce qu'ils sont fatigucs, parce que leurs fusils se de-
rangent et s'encrassent."
Es bedurfte noch reichlicher Erfahrung, ehe man zur durchgehenden
Anwendung der Kolonnenlinie gelangte, d. h. die Bataillone in Kolonne
mit Entwickelungsraum nebeneinander stellte. Woiter als bis zum
Bilden der Pelotonkolonne aus der Linie und umgekehrt reichte zu-
nächst die Exerzirkunst der Revolutionssoldaten nicht und das De-
ployiren der aus 27 Pelotons bestehenden, hinter dem I. Treffen sich
bewegenden Halbbrigado nimmt lange Zeit in Anspruch. Schneller
gelangto man zur Entwickelung, wenn man, das Tetenbataillon gerade-
aus bleiben lassend, das 2. und 3. Bataillon in Pelotonkolonne oder
auch in Masse rechts bezw. links herauszog, also die Kolonnenlinie
bilden liefs und deployirte. Der Übergang bahnt sich erst ganz all-
mählich an. Bei der Freiheit in der Wahl der Formen, die Napoleon
seinen Unterführern in den meisten Fällen liefs, sehen wir die lineare
Ordnung verhältnifsmäfsig spät noch in einzelnen Fällen von diesen
angewendet, der Grund liegt darin, dafs Führer, die zum ersten Male
ein höheres Kommando erhielten, Fingerzeige für ihr Verhalten in
dem Reglement von 1701 suchten, da ein geschriebenes anderes nicht
bestand. Mass<*na wendete häufiger die lineare Ordnung der Ordonnanz
an, andere Generale traten mit derselben bei Eylau und Heilsberg
und vereinzelt auch auf anderen Schlachtfeldern an, man hütete sich
aber wohl, dieselbe in bedecktem, coupirtem, hügeligem oder gebirgigem
Gelände zu benutzen — ihr Schauplatz war die reine Ebene, wo die
Führer der Divisionen jeden Mann zu übersehen vermochten. Die
verschiedenen Kriegsschauplätze wirken auf die Wahl der Formen
mächtig ein. Rüstow schält aus den Kriegen in Italien und Deutsch-
land bis 1800 zwei Schlachtordnungen heraus. Nach ihm bewegt
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274
Au» '\*n E.x^rzir-V-.r-chrir'-n <i<*r er*tro Kepn -'Ss.
Napoleon in Italien vorn ein f.-t ausschli-Mich in Schwärmen fechtend«
'Irenen und dahinter d--i<-h tiefe in Marschkolonnen jesenichtete
Bataillone und erzielt damit in dem von relativ wenij Kommunikationen
durchzogenen Lande und einem zersplitterten, taktisch schwerfälligen
Feinde i/e^enüber auch taktische Erf'd_ r e. Die Skizze, die uns Rüstow
von der Formation der Infanterie für den Kampf triebt, vorn eine
Schwarmlinie und dahinter Kolonnen von 3 — 4 dicht hintereinander
geschichteten Bataillonen, widerspricht übrürens den von General
Kenard „Consid'-rations sur la ta- tique de rinfanterie* gebrachten
Baten. Nach diesen wendete Napoleon hinter den Tirailleurs am
Tau'liamento. wie später bei Friedland und Montmirail. folgende
Formation an :
1 Bat ZZZZ l Bataillon. ZZZZ 1 Bat.
Dieselbe Quelle nennt die später bei Almonacid gebrauchte
Formation, bei welcher hinter den Tirailleurs die entwickelte
nicht durch einzelne Bataillone, sondern durch drei
geschichtete Bataillone in Kolonne unterstützt würde, schon eine
Verirrung von den richtigen Grundsätzen. General Renard ist es
auch, der uns Desaix's Truppen in der Aufgabe, die Kolonne Zach
bei Marengo aufzuhalten, wie folgt, darstellt (von der Tirailleur-Ent-
wickelung abgesehen).
Zach.
-L
9. leichtes
Inf.- Regt.
±
9.1.Inf.-R.
1
I
30. Linien-Regt.
1
1
30. L. Inf.-Regt.
-L
59.L.-Rgt.
A
I
59. L. Inf.-
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und des ersten Kaiserreich».
275
Durchweg war also das Gewaltstofssystem mit tiefen Kolonnen
doch nicht *an der Tagesordnung ; dafs es stellenweise von Napoleon
in Italien angewendet wurde, steht aber aufser Zweifel. Hier sei
auch gleich darauf hingewiesen, dafs uns Marengo und Friedland die
Anwendung von Echelons im Grofsen vorführen, ersteres mit, letzteres
ohne Erfolg, ersteres im Angriff, letzteres in der Verteidigung und
dafs die Urteile M. Dumas' und Jomini's spezioll über Marengo weit
auseinander gehen. Während der Erstere „die schräge Schlacht-
ordnung in Echelons, der linke Flügel vor, die zweckmäfsigste Dis-
position für das Terrain, in welchem er sich ungedeckt in der Reich-
weite des Feindes befand ..." das Refusiren des rechten Flügels
als die Rettung der Schlacht bezeichnet, lesen wir in Jomini „Precis
de l'art de guerre" „On a pretendu que Tordre de bataille echelonne
sur la gauche, adopte par le premier consul suffisait pour reinedier
aux desavantages de cet etat des choses et pouvait lui procurer
quelques chances de succes. Nous sommes loin de partager cette
opinion. Un ordre pareil est parfait pour cxecuter une retraite ou
pour marcher ä l'attaque, lorsqu'on renforce essentiellement le point
oü Ton veut frapper, mais recevoir le combat sur place avec des
ochelons aussi eloignes, c'est s'exposer a faire ecraser son corps
successivement. Jamais cette verite ne fut pas demontree mieux qu'ä
Marengo." Man mitfs Jomini, der die Staffeln der ganzen Schlacht-
ordnung, die strategischen, wenn wir so sagen dürfen, meint, hier
beipflichten; zu dem Fehler der excentrischen, eine Kräftcsammlung
nicht erlaubenden Operationen vor der Schlacht kam in der Anlage
der hinzu, dafs gegen den Grundsatz, die Hauptkrüfte auf einen
Punkt zu bringen, verstofsen wurde. Mit taktischen Staffeln hat
Napoleon, wie der Vorstofs auf die Pratzener Höhen, Lannes' Vor-
gehen auf Kloswitz bei Jena, das der Divisionen Compans, Desaix,
Friant gegen die Bagration-Schanzo bei Borodino, sämmtlich vom
rechten Hügel, beweisen, mehr Glück gehabt.
Die mehr methodische Kriegführung Moreaus und das weniger
Bewegungshindernisse bietende Land, in welchem er operirte, zeitigten
die 2. von Rüstow angedeutete Schlachtordnung. Der Wunsch, gegen
Zufälle des Gefechtes gesichert zu sein, führte dazu, den in einer
Kolonnenlinie mit Entwicklungszwischenraum vorgehenden — aber
durch diese Abstände zum Deployiren, Direktionsändern, zum Über-
winden oder Umgehen von Terrainhindernissen und zur Durchführung
einer Bajonnet- Attacke befähigten Bataillonen des I. Treffens ein
gleichformirtes II. folgen zu lassen, dessen Bataillone auf die Zwischen-
räume des I. gerichtet, Sicherheit gegen den Durchbruch gewährten.
Vor das I. noch ein aus Teilen der Bataillone des I., oder aus
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27f>
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
leichten Truppen gebildetes, zum Tirailleurgefecht bestimmtes Vortreffen
schiebend, hatte man es zwar in etwa in der Hand, das Mafs der
Auflösung zu bestimmen, ganz aber nicht, namentlich w r enn leichte
Truppen nicht vorhanden waren. Die Rücksicht auf Kräfte-Sammlung
mufs man als bescheiden bezeichnen, die Napoleon in Italien zu der
Forderung veranlafste, dafs wenigstens die Grenadiere, 119 des
Bataillons, geschlossen bleiben sollten. Die Verhältnisse in Italien
konnten nicht mafsgebend sein für anderes Land, andere Gegner
andere taktische Formen, andere Kampfes weise waren geboten, um
„Massen auf den entscheidenden Punkt" zu bringen. Das 1796 in
Deutschland angewendete taktische System wurde, dem Bewegungskriege
angepafat, die Grundlage für die taktische Entwicklung der von 1805
bis nach Asponi reichenden Glanzperiode der napoleonischen Kampfes-
weise.
„II y avait beaueoup k refaire" sagt M. Dumas von der Zeit, wo
Napoleon als Kaiser begann, die grofsen Armeen zusammenzuschweifsen
und das, was die Revolution im Kleinen geschaffen, unter Beibehalt der
allgemeinen Grundsätze auf die „Masse" zu übertragen, die methodische
Durchbildung, die Einheitlichkeit der Schulung zu bewirken, die im
Allgemeinen bis nach Aspern vorhielt und wie M. Dumas richtig
bemerkt, den Oberfeldherrn der Einmischung in die Details überhebt.
Viele in der Feldpraxis gebildete Offiziere bedurften der Zurückfuhrung
zu den Elementen der Taktik, um sie ihren Leuten beibringen zu
können, die durch den häufigen Wechsel in der Organisation der
Waffen geschaffene Verwirrung in Formen und Anwendung derselben,
die „anarchie de principe" (M. Dumas) mufste verschwinden. Ein
abgerundetes, vollendetes Ganze war es also nicht, was Napoleon auf
taktischem Gebiete vorfand, unverkennbare Vorzüge vor der früheren
linearen Taktik aber hatte es zweifellos. Verschiedene Kampfesformen
sind an die Stelle der ausschliefslich verwendeten Linie getreten, die
Kolonnen für das Manövriren und den Stöfs, die Linie zum unmittelbaren
Massengebrauch der Waffen, das zerstreute Gefecht für die Feuer-
ausnutzung. Sehr viel beweglicher und manövrirfähiger geworden,
waren die Truppen befähigt, in jedem Gliede zu schlagen. Die
revolutionär wirkende Ausnutzung des Geländes, möglich geworden
durch die gröfsere Flüssigkeit der Formen, gab dem Gefecht längere
Dauer, einen zäheren, weniger chocartigen Charakter. Hindernisse
in der Lineartaktik wurden die Bedeckungen des Bodens neuer Schutz.
Ausnutzung und Überwindung des Geländes beschränkten einesteils
die Wahl des Angriffspunktes weit weniger als in der Lineartaktik,
liefsen ihn andererseits aber auch nicht wie in dieser, sofort erkennen.
Der Einleitungskampf klärte oft erst auf über den schwachen Punkt
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und des ersten Kaiserreichs.
277
des Gegners, zumal Geländebenutzung manchmal doch auch die Mafs-
nahmen des Verteidigers dem Auge dos Angreifers entzog. „On s'engagc
partout, alors on voit u sagt Naj>oleon und bezeichnet damit treffend
die neue Lnge. Schon aus diesem Satze geht hervor, dafs der sofortige
Einsatz der Vollkraft ausgeschlossen, dem Kampfe statt des Choc's
längere Dauer zu verleihen, das Zurückhalten frischer Abteilungen
in der Hand der Führung zur schnellen Herstellung einer Ungleichheit
in der Kräfte- Verteilung erforderlich war. Weiterentwicklung des
Systems, wie wir es 171>G in Deutsclüand gesehen, ohne Änderung
reichte dazu nicht aus, die Breitenentwicklung der Brigaden, die
ihrerseits Treffen aus je einer Halbbrigade bildeten, begünstigte viel
eher die Gleichmäfsigkeit des Kräfteeinsatzes, während Napoleon,
in logischer Folge des strategischen Grundsatzes „die Hauptmassen
auf den entscheidenden Schauplatz und auf diesem in die entscheidende
Richtung" auch auf dem Kampffelde „Massen Wirkung" anstrebte.
Massen waren also zurück zu halten, die Lasten des Kampfes zunächst
Körpern zu übertragen, die stark genug und taktisch so gegliedert
waren, dafs sie dies so lange, wenn auch bis zu Schlacken ausbrennend,
vermochten, bis die Leitung sich über die „Schwäche" des Gegners
klar geworden und die „Massen Wirkung" vorbereitet war. Die bisherige
strategische Einheit, die Division, erschien Napoleon, da sie als
zusammengehaltene Masse nicht die erforderliche zormalmende Stofs-
kraft, für die zähen, langen Kämpfo in der Front nicht die nötige
Selbstständigkeit und Verbrauchsdauer — Alles dies für die gröfseren
Verhältnisse betrachtet — besafs, hierzu als Werkzeug nicht geeignet.
Zudem drängte die mit der Vergröfserung der Heere und Vermehrung
der Divisionen verbundenen Gefahr der Zersplitterung, die Napoleon
sehr wohl empfand, und die Schwierigkeit der Leitung zu vieler, der
Oberleitung unmittelbar unterstellten Heeresteile gebieterisch auf die
Vereinigung der Divisionen zu höheren Kommandoverbänden hin.
Jourdan's Meuse- und Sambre-Armee, Moreau's Rheinarmee (1800),
Brünes italienische Armee hatten schon Armee-Korps aufgewiesen,
aber taktisch zweckmäfsig organisirte und gegliederte Körper im Sinne
der Napoleonischen Korps waren das nicht. Diese wurden als Kriegs-
instrument, — nicht als dauernder Friedensverband, wozu sie aber
zweifellos bei längerer Friedenszeit wohl geworden wären — von
Napoleon dann geschaffen, als er, die Gowalt in seiner Hand vereinigend,
auch die Kräfte -Verteilung im Grofsen selbstständig anordnen konnte.
In den gro&en Lagern St. Omer, St. Ambleteuse, Boulogne, Zeister-
Haide wurde dann auch die andere Vorbedingung erfüllt, die sich aus
dem Grundsatz des strategischen Massengebrauchs der Kräfte für den
taktischen ergab, Formen für einen längeren Kampf in der Front,
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278
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
wie für Bewegungen in Masse nach dem entscheidenden Punkte und
schnelle Entwicklung dort wurden erprobt und durch Schulung den
Truppen anerzogen. —
Wir haben oben schon auf General Fay's Ausspruch bezüglich der
Übungslager hingewiesen und einige Sätze aus M. Dumas' Werk beweisen
uns das Gleiche, dafs nämlich Napoleon die Ordonnanz von 1791 definitiv
nicht änderte, sondern als Zusätze zu derselben nur Spezial-Instruktionen
erliefs, die scheinbar nicht erhalten worden sind. Jedenfalls sind wir
in Bezug auf die Übungen in den genannten Lagern auf die Angaben
angewiesen, die sich in den Memoiren der verschiedenen Marschälle
finden. Führen wir aber zunächst M. Dumas' Sätze an: „Bonaparte,
dont l'esprit juste avait saisi tout l'avantage de la tactique francaise,
n'y introduisit aueune innovation; on ne saurait donner ce nom ä
diverses applications de manoeuvres, qu'il rendit plus usuelles et
plus promptes, telles quo les changements de front et de direction
en masse, les deploioments , les feux de bataillon en avancant et les
formations de carre contre les charges de cavalerie. Ces applications
des moyens donnes par l'ordonnance furent prescrites par une
instruetion particuliere; il n'y out point d'autres changements."
Marmont spricht sich in seinen Memoiren über den Zustand der
Truppen bei Beginn des Feldzuges 1805 wie folgt aus: „der 18 monat-
liche Aufenthalt in den Lagern hatte ihnen eine Gleichraäfsigkeit und
ein Ensemble gegeben, wie sie selten vorkommen." Von Ney wissen
wir, dafs er im Lager von Boulogne besonders Frontveränderungen
mit Bataillonen in Masse gründlich durchübte und in seinem Korps
„tout mouvement processionel" bei den Manövern ausdrücklich verbot.
Marmont berichtet über die von ihm kommandirtenTruppen(22 Bataillone,
12 Eskadrons, 60 Geschütze) im Zeister Lager, dafs der 1. Monat dem
Detail-Dienst gewidmet, dann wöchentlich 3 mal in der Bataillons-
schule, 3 mal Divisions-Manöver geübt wurden, das in 3 Divisionen
eingeteilte Korps jeden Sonntag manövrirte und alle 14 Tage grofse
Manöver und Exerzitien im Feuer stattfanden, für die Artillerie ein
Polygon vorhanden und für die Kavallerie, aufser der Teilnahme an
den Manövern, noch besondere Exerzirtago befohlen waren. Geübt
wurden die Entwicklung der Divisionen aus der Marschkolonne zu
2 oder 3 Treffen in Bataillons-Kolonnen, das Einfädeln aus der Gefechts-
in die Marsch-Formation, das Vor- und Zurückgehen in Schlacht-
ordnung, die Deployements zur Linie, Angriffsbewegungen in Ver-
bindung mit Artillerie und Kavallerie, Bewegungen gröfserer Massen
in zusammengezogenen Kolonnen, so z. B. ganzer Divisionen. Zweifellos
kamen auch Exerzir-Kunststückehen vor, die für den Ernstfall, in der
Schlacht, oder für den Anmarsch zur Schlacht, nicht brauchbar waren.
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und des ersten Kaiserreich».
270
Grundeinheit für die Entwickelung gröfserer Heereskürper wurde das
Bataillon in Kolonne, — aber nicht in der tiefen, 9 Pelotons hinter-
einander schichtenden Marschkolonne, sondern in Angriffskolonne,
welche, bei doppelter Breite, nur die halbe Tiefe aufwies, 2 Pelotons =
1 Divisions -Breite und 4 (ohne Grenadiere), später nach 1808, als
Napoleon die Zahl der Kompagnien auf G verminderte, nur 3 Pelotons-
tiefen, eine Formation, die ohne Verminderung der Beweglichkeit
rascheres Deployiren erlaubte und sofort auch mehr Feuerwaffen in
Thätigkeit zu setzen gestattete. Es bestand ein Unterschied zwischen
Marsch- und Gefeehts-Formation, der Übergang aus der einen zur
anderen erforderte Evolutionen. Bei der Entwickelung aus der Marsch-
kolonne zur Gefechtsformation schlössen die Divisionen zur Masse
auf, die Bataillone in Kolonne mit Divisionsbreite, die ganze Masse
nicht mehr als 70—80 Schritt Frontbreite und 800 Schritt Tiefe. Bei
3 Divisionen hintereinander zogen sich in dieser Masse die beiden
hinteren neben die vordere heraus, zerlegten sich in Brigademasson
und diese in Bataillonskolonnen in 2 — 3 Treffen für den Kampf.
Benutzte das Korps eine Strafse, so hatte es der Korps-Kommandeur
in der Hand, die Divisionen auch treffen weise hinter einander zu
verwenden, bei 2 Strafsen ergab sich von selbst die flügelweise
Gliederung. Damit kommen wir auf die Frage der treffenweisen
oder flügelweisen Gliederung bei Napoleon. Treffenweise Glioderung
finden wir bei Napoleon bei Waterloo, Davout bei Auerstedt und Neu-
siedel, Ney bei Friedland und Wagram; bei Waterloo verliefs die
Armee Napoleons ihre Biwaks in so vielen Kolonnen, als dieselbe
Divisionen hatte und jede der letzteren entwickelte sich in 2 Treffen
in der Reichweite des feindlichen Feuers. Flügelweise finden
wir die Divisionen bei Austerlitz geordnet. Die Correspondance militaire
bietet Anhaltspunkte für ein Urteil über Napoleons Denken bezüglich
der flügel weisen Ordnung. Nach M. Dumas schreibt Napoleon am
26. 11. 1805 an Soult und Bernadotte von Brünn aus wie folgt:
„Gegen die Russen hat nachstehende Ordre de bataille in Anwendung
zu kommen. Jede Infanterie-Brigade stellt ihr 1. Regiment in ent-
wickelter Linie im ersten, das 2. Regiment in geschlossener Divisions-
Kolonne im zweiten Treffen auf, das 1. Bataillon des 2. Treffens rechts
rückwärts des 1. Bataillons des im Vortreffen stehenden 1. Regiments,
das 2. Bataillon links rückwärts des 2. Bataillons (die Infanterie-
Regimenter hatten nur 2 Bataillone), die Artillerie in den Intervallen
der beiden im ersten Treffen in entwickelter Linie aufgestellten
Bataillone, einige Geschütze am rechten und linken Flügel. Wenn
die Division fünf Infanterie-Regimenter haben sollte, so hat das 5. Re-
giment 100 Schritt rückwärts des 2. Treffens die Reserve zu bilden.
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280
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Hinter jeder Brigade hat wenigstens eine Division Kavallerie zu stehen,
um durch das Intervalle vorbrechen und den Feind verfolgen zu können,
wenn er geworfen ist und die Kosaken inr Schach zu halten. In dieser
Schlachtordnung befinden Sie sich in der Lage, dem Feind das Front-
feuer entgegenzustellen und haben geschlossene Kolonnen, um dessen
Angriffe zurückzuweisen. u — M. Dumas' äufsert sich bezüglich der
für Austerlitz befohlenen Gliederung: In dieser Formation hatte man
Feuer, Linie und geschlossene Kolonne um den Feind entgegenzutreten.
1 1 1 1
Gliederung bei Austerlitz.
•|> *|. «|« *|* *|- «j- *|* «|«
J . L
1 1 1 1
2. Regt.
1. Regt.
5. Regiment.
Nach der Correspondance militaire schrieb Napoleon am 29. Sep-
tember 180(> von Mainz aus an Soult: „Nehmen Sie als Prinzip bei
allen Schlachtformationen an, dafs ein und dieselbe Infanterie-
Division, mag sie nun in 2 oder 3 Treffen sieh aufstellen, immer den
rechten Hügel, die andere das Zentrum und endlich die 3. Division
den linken Flügel aller 3 Waffen einnimmt. Sie haben bei Austerlitz
den Vorteil dieser Formation wahrgenommen. Der Divisions- General
befindet sich in der Mitte seiner Division und kann jederzeit disponiren."
Demnach wissen wir bestimmt, dafs die Brigaden in der Division
vielfach flügelweise gegliedert wurden, eine andere Frage ist, ob die
Gliederung der Brigaden selbst eine treffenweise oder flügelweise
war. Treffenweise war sie bei Jena „für die Marschälle ist die Ordre
de bataille im Allgemeinen, sich in 2 Treffen zu gliedern, ohne Rücksicht
auf das von der leichten Infanterie zu bildende Vortreffen, — mit
Abständen von 100 Toisen." Brigade Claparede ging aber flügel-
weis o gegliedert auf Kloswitz vor — und so scheint dies auch häufiger
gewesen zu sein, da Napoleon im Allgemeinen seinen Unterführern
die Wahl der Gliederung — bei Austerlitz und Waterloo schreibt er
sie vor — und Formen überliefs. Aus einem weiteren Briefe Napoleons
an Soult (Correspondance militaire) heben wir folgende Stelle hervor:
„Les troupes y sont autant que possible formees par divisions,
brigades et regiments aecoles parce qu'il est avantageux que les
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und des ersten Kaiserreichs.
281
commandenients s'etendent en profondeur: les generaux sont plus sürs
de leurs Operations dont il embrassent mieux l'objet que s'ils avaient
un front trop etendu; et en outre ils trouvent dans Celles de leurs
troupes, qui sont echelonnees en arricre de leur premiere
ligne les renforts et les soutiens qui leur sont necessaires."
Aus den uns vorliegenden Daten und speziell aus den Berichten
über Schlachten und Gefechte lassen sich im Allgemeinen 2 ge-
bräuchliche Kampfgliederungen für die Division herausschälen. Von
den beiden flügelweise geordneten Brigaden der Division hatte jede
ein Regiment mit 3 (oder auch wohl 2) Bataillonen im I. Treffen, in
entwickelter Linie oder auch in Angriffskolonnen mit Entwickclungs-
zwischenräumen 200 — 250 Schritt hinter den aus den Voltigeur-
kompagnien der 6 Bataillone I. Treffens gebildeten Plänklern, im
II. Treffen das 2. Regiment in Kolonnenlinie, etwa 250 — 300 Schritt
vom I. Treffen entfernt. Nahezu ebenso schildert uns auch Thyr in
seiner „Taktik" die Normalform einer französischen Division für den
Angriff bis zur Schlacht von Aspern, er läfst nur die 3 Bataillone
1. Treffens jeder Brigade gewöhnlich in Angriffskolonnen formirt er-
scheinen, die Frontausdehnung der Division mit den in den Zwischen-
räumen der geschlossenen Teile verwendeten Batterien (2 ä 6 Geschütze)
nicht über 1200 m im II. Treffen, auf den Zwischenräumen des I. die
2. Regimenter der Brigaden in Angriffskolonnen, im III. Treffen ein
eventuelles 5. Regiment in Angriffskolonnen ohne Entwicklungsraum
in Regimentsmasse. Eine andere ist die flügelweise auch in den
Brigaden, so zwar, dafs jede Brigade von jedem ihrer Regimenter (zu
2 Bataillonen) 1 Bataillon ein I., eins ein II. Treffen hatte, bezw. die
2. Brigade nur 1 Regiment in 2 Treffen umsetzte, das andere ein
III. Treffen zur Verfügung des Divisionskommandeurs liefs. Letzteres
scheint allerdings seltener eingetreten zu sein. In den genannten
Formationen haben wir, wie wiederholt bemerkt werden soll, von dem
Vortreffen aus leichten Truppen bezw. Tirailleurs abgesehen. Wollte
man bei der erston der oben näher beschriebenen, gebräuchlichen
Ordnungen die Tirailleure noch verstärken, so setzte man die 3. Glieder
der 6 Bataillone I. Treffens ein, mit Ausnahme der Grenadiere, die
in besondere Bataillone, je stellenweise sogar eine bosondere Division
(Oudinot) vereinigt als Reserve zurückgehalten wurden, in sehr
dringenden Fällen warf man noch die Voltigeurkompagnien desll. Treffens
in die Tirailleurlinie, aber nur dann, wenn der Fülirer der Division
methodisch verfuhr, häufiger löste man dann das ganze I. Treffen in
Tirailleurs auf, wie dies, nach seinem oben angeführten Satze, Napoleon
ja auch für zulässig hielt. Wenn man sich die Voltigeurkompagnien
im zerstreuten Gefecht, die Grenadiere als Reserve verwendet denkt,
282
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
so blieb von den Bataillonen zu 6 Kompaguien, wie sie noch 1808
bestanden, in Angriffskolonnen mit 2 Pelotons Frontbreite nur ein
G gliederiger Körper übrig. Im Vormarsch folgte das I. Treffen den
Tirailleurs, welche nicht mehr als 140 Schritt in der Minute machen
und jedenfalls nicht anhaltend laufon sollten, als Unterstützung und
löste sich eventuell nach und nach bis auf kleine geschlossene Ab-
teilungen, die 100 Schritt von den Schützen abblieben, auf, während
das II. Treffen in Bataillonskolonnen nachrückte, wie oben bemerkt
mit 200 - 300 Schritt Abstand. Die Bataillone II. Treffens hatten
Entwicklungszwischenraum ; man betrachtet die colonne d attaque als
die beste Angriffsformation, weil man aus ihr auch nach beiden Seiten
aufmarschiren imd Frontfeuer abgeben konnte ; wie uns Duhesme ver-
sichert, versprachen sich die Generale des 1. Kaiserreichs von den
Bataillonskolonnen immer die gröfstc Wirkung, so zwar, dafs sie mit
ihnen oft deployirte, feuernde und unerschütterte Linien des Gegners
ohne Feuervorbereitung angriffen (Oudinots Grenadiere ein von
dichten Schützenschwärmen besotztes Gehölz im Gefecht von Hollabrunn
in Bataillonskolonnen ,,sans coup ferir" angreifend). Jomini, Precis
de l'art de guerre' - sagt unter „Höhere Taktik" ungefähr Folgendes:
Für den Angriff gegen eine Stellung ist zunächst Erschütterung der-
selben durch überlegenes Artilleriefeuer erforderlich, dann Inunordnung-
bringen des Gegners durch einen Iteiterangriff, endlich Vorgehen von
Infantcriemassen , denen Tirailleurs voraufgehen und deren Flanken
durch Reiterei geschützt sind. Beachtet man dabei, dafs Jomini aus-
spricht, Infanterie- und Geschützfeuer spielten in der Verteidigung eine
gröfsere Rolle und seien in erster Linie deren natürliche Waffen, so
kommt man, zumal wenn man auch in der Praxis nachblättert, doch
zu der Überzeugung, dafs die Feuerwaffennatur im Infanteriegewehr
überwogen wird vom Stofscharakter. Darauf weist schon die Kolonne
zum Stöfs hin, jene Kolonne, „die nur feuern soll, wenn der Gegner
sie selbst angreift (Foucart Campagne de Pologne, Anhang); das Vor-
herrschen der Absicht, den Gegner durch Feuer niederzuringen —
was Napoleon nie in dem Mafse, wie heute uns gelungen ist — hat
immer die natürliche Folge, die Massen zu gliedern, flacher, mehr
Feuerwaffen in Thätigkeit bringen zu gestalten, die Stofstaktik dagegen
zu massiren, tief zu stellen. Auf die Extreme in dieser Beziehung
1809 und 181 5 kommen wir noch zurück. In den besten Zeiten finden
wir in den napoleonischen Kriegen Beispiele dafür, dafs Regimenter
und Brigaden ,,sans coup ferir" auf den Feind marschiren. — Tirailleur-
gefechte ohne unterstützendes und ausnutzendes Nachrücken von
Massen wurden als halbe Mafsnahmen betrachtet, die nicht zu
einem Resultate führten. (In der That war ja auch die Verbindung
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uud des ersten Kaiserreichs.
'283
des Tirailleurgefechtes mit der geschlossenen Formation das Wesent-
liche der neuen Taktik, so lange dieselbe in vernünftigen Bahnen
blieb und die Extreme vermied.) Die Treffen sollten der Angriffs-
bewegung der Tirailleurs so rasch als möglich folgen und diu Punkte
des Schlachtfeldes besetzen, welche diese in ihre Gewalt gebracht.
Ein häufigeres Ablösen der Tirailleurs bezeichnete Napoleon, wie schon
bemerkt, wegen Gewehr-Reinigung, Erschöpfung und Munitionsersatz
als wünschenswert. Die Einteilung des Kampfes erfolgte im All-
gemeinen so, dafs die Generale, für welche bestimmte Vorschriften
über die Verwendung der einzelnen Waffen unter den verschiedenen
Verhältnissen nicht bestanden, im Kampfgelände angelangt, ihre
Truppenkörper möglichst schnell, unter strenger Beobachtung der
vorgeschriebenen Intervalle aufmarschiren, während dieses Aufmarsches
die leichte Infanterie, ganz oder teilweise, als Deckungstreffen vorwärts
rücken liefsen, um aufgelöst die Bedeckungen und Unebenheiten des
Geländes zu besetzen, die eigene Front zu verschleiern, den Gegner
überall zu belasten und die Feuerwirkung seiner Batterien herab-
zumindern. Die Einleitung des Gefechtes erfolgte meist durch Tirailleur-
feuer und Kanonade, die Tirailleure schössen vor Allem auch auf die
Bedienungsmannschaften der feindlichen Batterien, während die vor-
gezogene eigene Artillerie der Divisionen besonders die Truppen des
Gegners unter Feuer nahm, die Massenziele boten oder im Vorstofs
gegen die in der Entwiekelung begriffenen eigenen Truppen begriffen
waren. Die Schützenlinie war nicht die Hauptkampfform der Infanterie,
sie war nicht die Trägerin der Entscheidung, sie hatte auch nicht den Zweck,
diese herbeizuführen, sie war, wenn wir so sagen dürfen, nicht ihrer
selbst wegen da, sondern als Schutz, als Schleier und Hülle für die
Träger der Entscheidung, die Bataillonskolonnen, deren Stöfs sie vor-
arbeitete, indem ihr Feuer den Gegner ermüdete, die mit Salven
gegen die Tirailleurs feuernden Linien, die damit nichts ausrichteten
(Jena), in etwa ratlos machte, deren Aufmerksamkeit auf die vordere
Linie beschränkte. Die Entscheidung fiel durch das Bajonett, wenigstens
durch die Drohung der Kolonnen, dasselbe zu benutzen, ausgesprochen
durch den Anmarsch gegen den Feind. Wenn man sich die Ver-
hältnisse reiflich überlegt, so kommt man auch zu der Überzeugung,
dafs ein so totales Niederringen des Gegners durch Feuer, wie heute, bei
Napoleon auch nicht nötig war; die kleineren, auch durch Feuer nicht so
vernichtend wie heute durch Feuer beherrschten Strecken, die bei der
damaligen geringen Tragweite der Waffen von deren Aufmarschraum
bis an den Gegner zu durchschreiten waren, forderten, so lange
man kleinere, nicht zu tiefe Kolonnen verwendete, nicht so gewaltige
Opfer, dafs es einer Natur von der Gewaltthätigkeit Napoleons nicht
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28-1
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
möglich gewesen wäre, das abgekürzte Verfahren manchmal zu wählen
und die Stofs-Kolonncn dicht hinter den Tirailleurs folgen zu lassen.
— Beim Angriff auf Örtliehkeiton bereitete Artillerie den Massen-
stofs der Kolonnen vor, denen dichte Tirailleurschwärme vorausgingen
und die ihn dann tambour battant führten.
Die oben als gebräuchlich bezeichneten Kampfgliederungen wurden
allerdings häufig durch andere ersetzt. „Napoleon laissant am
marechaux d'ordinaire la latitude le plus entiere pour leurs combi-
naisons particulicres et los marechaux prenant leurs dispositions,
eommc ils l'entendaient" (General Renard „Considerations sur la
tactique"). Bei Eylau ging die Division St. Hilaire zur Umfassung
des feindlichen linken Flügels zwischen Serpallen und Sousgarten in
entwickelter Front vor, auf den Hügeln der Linie waren aber
Bataillonskolonnen mit Pelotondistanz angehängt, die 3 Divisionen
des Korps Üavout marschirton in Staffeln gegen Serpallen. Bei
Fuentes d'Onoro (1811) geschah der Angriff auf das Dorf Pozzo Bello
seitens des I. Treffens in folgender Ordnung:
!
also von 5 Bataillonen 2 in Linie eingerahmt durch 3 in Bataillons-
kolonne. An der Moskowa war die Gliederung für den Angriff auf
die grofso Batterie (am Nachmittage des 7. 9. 1812) nach den Berichten
wohl derart, dafs jede Brigade 1 Regiment im I. Treffen, davon
1 Bataillon in Linie, das andere auf dem äufseren Flügel in Kolonne
hatte das 2. Regiment im II. Treffen in Angriffskolonne mit Ent-
wickelungsraum, auf den äufseren Flügeln je ein Bataillon debordirend.
1
Regt. 1.
Regt. 2.
I. Brigade.
General von Tolls Denkwürdigkeiten beschreiben uns die eigentümliche
Formation, in welcher die Division Leduc dem Korps Davout beim
Angriffe auf die Bagration-Schanze zu Hülfe eilte. Dieselbe hatte
3 Treffen von je einem Regiment in zusammengezogenen Bataillons-
kolonnen, dahinter ein 4., in welchem 2 Bataillone in deployirter
Linie, eins dicht auf das andere aufgeschlossen standen, während
eine Nebendivision (Compans) sämmtliche Voltigeurkompagnien auf-
löste und mit den Bataillons-Kolonnen in 2 Treffen folgte. Im Anhange
zu Foucarts Campagne de Fologne stoisen wir noch auf ein anderes
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und des ersten Kaiserreichs. O85
Bild. In jedem Treffen, lesen wir dort, waren dio Bataillone meist
in geschlossener Kolonne formirt, entweder „par division" oder „par
peloton", je nach der Natur des Geländes. Die Brigade im I. Treffen
nahm gewöhnlich 3 Bataillone in die 1. Linie und hielt 1 in Reserve.
Sie sendete ihre Voltigeurs voraus und wurde von ihnen flankirt . . .
— Man habe, fährt Foucart fort, auch die Möglichkeit, bei Terrain-
bedeckungen, wie z. B. in Wäldern (1 Brigade Morand's bei Golymin),
die in „colonne serree par division" formirten Bataillone in der Mitte
durchzuteilen, so dafs man Kolonnen von Pelotonsfront und 4 Pelotons
Tiefe erhielt.
Bei Almonacid, sagt General Renard, wich man von der ver-
nünftigen perpendiculären Ordnung schon ab. Man hatte dort statt
einer Unterstützung durch einzelne getrennte Bataillone in Kolonne
schon eine entwickelte Linie, in deren Mitte und auf deren Flügeln
sich tief geschichtete Massen von je 3 Bataillonen dicht hinter einander
in folgender Form befanden:
1
Hier war, bemerkt wieder General Renard in „Considerations sur la
tactique de l'infanterie" wenigstens noch eine Verbindung zwischen
den Kolonnen, aber es dauerte nicht lange, so griff man mit isolirten
Massenkolonnen von riesiger Breite und Tiefe an. Ein Beispiel
krasser Art hierfür haben wir, wie schon bemerkt, bei Wagram, das
monströseste bei Waterloo. — Ein Rückgreifen auf die perpendieuläre
Ordnung der französischen Schule mufs man auch in den schrägen
Ca r res sehen, die man einst gegen Kavallerie anwendete und zwar
in folgender Form:
o^-o-^-o
Bei Leipzig wiesen 6 Bataillone junge Garde unter Napoleons
Augen die Attacken russischer und österreichischer Kavallerie ab.
Nach Rocquancourt: „Cours complet d'act et d'histoire militaire", Tome
III. p. 199 und 477 wurde das Carre bei Auerstädt von der Division
Gudin und ebenso von mehreren Divisionen bei Lützen als Angriffs-
form angewendet. Dafs man dabei die Rücksicht auf starke Fcuer-
J.hrbUcher fUr die Deatache Armee und Marine. Bd. VUIC, 3. 19
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'28(5
Au« den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
entwicklung besonders im Auge gehabt hätte, kann nicht wohl behauptet
werden. Die Absicht des Gewaltstofses verdrängt die der Feuer-
vorbereitung, die man entweder allein der Artillerie überläfst, die sie
vollkommen nicht durchzuführen vermag, oder auf welche man stellen-
weise überhaupt verzichtet.
Ehe wir uns mit den Ausgeburten der „Massirung" von Wagram
und Waterloo näher beschäftigen, die Rüstow in seiner „Geschichte
der Infanterie" damit erklärt, dafs der Kaiser bereits zu sehr
Kaiser geworden, um sich an einer freien geistigen Leistung
genügen zu lassen, da er die Schicksale der Schlacht schon
mechanisch bestimmen wollte, die freie Bewegung, das
Lebenselement der neuen Infanterie-Taktik, absolut durch
die Masse ersetzen zu können glaubte", seien erst noch einige
Fragen von Bedeutung gestreift, zunächst die, wie es der Führung
möglich wurde, durch Haushalten mit den zunächst eingesetzten
Kräften einen Überschufs sich in der Hand zu bewahren. „La Solution
des questions qui y touchent depend de bien des circonstances. On
ne peut et on ne doit prescrire rien d'absolu. D n'y a point d'ordre
naturel de bataille. Tout ce que Ton prescrivait lh - dessus serait
plus nuisible qu'utile" (Napoleon) und „En general l'ordre de bataille
n'offre pas un aspect uniforme: rclativement mince sur les points
(jui doivent aborder l'ennemi pour maintenir ses troupes sur leurs
positions il est au contraire tres profond sur ceux, qui ont ä faire
l'attaque principale" (Nap. Corr. militaire). In diesen Sätzen linden
wir das ganze Prinzip verzeichnet. Gouvion St. Cyr's Memoiren fuhren
dasselbe nach Napoleons Äufserungen noch etwas weiter aus ,,11
ne faut aecorder la preference ä aueun genre d'attaque et agir
selon les circonstances, il faut aborder Tennemi avec le plus de
moyens possible. Apres avoir engagc les Corps les plus ä proximitc
de Tenncmi, on doit les laisser faire, sans trop s'inquietor de leurs
bonnes ou de leurs mauvaises chances; seulcment, il faut avoir bien
soin de ne pas ceder trop facilement aux demandes de secours de
la part de leurs chofs". „Et il" (Napoleon) fährt St. Cyr fort, „ajoutait
que ce n'etait que vers la fin de la journce, quand il s'apcrcevait
quo rennemi fatigue avait mis on jeu la plus grande partie de ses
moyens, quil ramassait ce qu'il avait pu conserver en reserve pour
lancer sur le champ de bataille une forte masse d'infanterie, de
cavalerie et d'artillerie, que Tennemi ne l'ayant pas prevu, il faisait
ce qu'il appclait un „evenement", et que par ce moyen il avait
presquo toujours obtenu la vietoire." Napoleons Ausspruch, wer nach
Regeln handelt, handelt nicht nach den Umständen, ist bekannt, von
einem Schema in der Lösung der oben gestellten Frage ist bei Napoleon
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und des ersten Kaiserreich».
287
auch keine Rcdo, immerhin läfst sich der Weg zur Erzielung eines
Kraftüberschusses für das „evenoment" aber doch in einigen Strichen
andeuten, schon nacli der, von St. Cyr wiedergegebenen Äufserung
Napoleons. Dank der Verbindung des zerstreuten Gefechts mit der
Kolonne war das Bataillon, die kleinste Einheit in der Lage, dem
Feuer der Schwannlinie den Stöfs folgen zu lassen, für sich selbst
einige Zeit lang ein Gefecht zu führen, demselben einige Dauer zu
geben, in dem es nicht sofort als unselbstständiger Teil einer
zusammenhängenden Linie seine Vollkraft chocartig einsetzte.
Die Ausnutzung des Geländes trat als weiterer Faktor zur Ennöglichung
verlängerter Kampfcsdauer hinzu. Weit längere Dauer vermochte
natürlich die in 2 bezw. Treffen (mit Vortreffen) gegliederte Brigade
ihrem Kampf zu geben, sie hatte in sich die Elemente, Unterstützung
nach vorn zu bringen, wenn die dort eingesetzten Kräfte zusammen-
zubrechen drohten, ein allmählicher Kräfteeinsatz war durch die
Gliederung nach der Tiefe ermöglicht, das „Wann" des Einsetzens
der Unterstützung lag in der Hand der Führung. Deutlicher noch
tritt die Verlängerung des Kampfes bei der Division hervor, die, wenn
sie 5 Regimenter hatte, nicht nur über ein Vortreffen, 2 weitere Treffen,
sondern auch noeh über eine Reserve verfügte und bei welcher die
Beigabe von Artillerie nach derselben Richtung hinwirkte. Während
bei der Lineartaktik der Zusammenhang der Linie eine Hauptbedingung
des Ersatzes bildete (Clausewitz bekannter Satz! Schnitt man eine
solche Linien in der Mitte entzwei etc.), Lücken, die entstanden, durch
das II. Treffen ausgefüllt werden mußten, der Ersatz des ersten, mit
ganzer Kraft geführten Stofses meist über das Schicksal der Schlacht
entschied, erlaubten die Zwischenräume zwischen Einheiten des neuen
taktischen Systems eine allmähliche Nutzbarmachung des II. Treffens
und der Reserve, dadurch eine stete Krafterneuening, soweit die
frischen Kräfte reichten, damit eine Verlängerung der Kampfesdauer
durch allmählichen Kraftgebrauch, um so mehr, als auch die „Ver-
mählung" der Taktik mit dem Boden die Zähigkeit des Ringens noch
erhöhte. Das Armeekorps, nach Art der Armee mit allen Waffen
ausgestattet, war, bei zweckmäfsiger Ausnutzung seiner Tirailleure und
seiner Artillerie, bei Wahl eines dem Kampfcharakter entsprechenden
Geländes, nach der Tiefe gegliedert und nicht seine Kräfte in einer
starren Linie unverhüllt dem Gegner zeigend, zweifellos im Stande,
den Gegner über seine wirkliche Stärke längere Zeit in Zweifel zu
halten und wenn er sie erkannte, vergingen Stunden, ehe er seine
ganze Überlegenheit zur Vollwirkung bringen konnte, das Armeekorps
brach auch dann nicht auf den ersten Anhieb zusammen. Da die
Schlacht zu einer Sammlung von Teilgcfechten wurde, nicht durch
19*
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28S
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
einen Stöfs entschieden wurde, so besafs das nach der Tiefe gegliederte
Anneekoqis in sicli selbst die Elemente, Partialerfolge innerhalb seines
Rahmens auszunutzen, so betrat, dank den Zwischenräumen, die Platz
zum Durchziehen gewährten, die Korpskavallerie als neuer Faktor die
Kampfesbühne. Auf der Fähigkeit der selbstständigen Körper, in
der Schlachtfront, wie auf dem Marsche eine Zeitlang sich überlassen
zu bleiben, und auf dem Umstände, dafs, wenn selbst ein solcher
selbstständiger Teil eine Schlappe erlitt, seine I. und selbst II. Linie
durchbrochen wurde, damit nicht das ganze Gebäude zusammenfiel
— wie bei Störung des Zusammenhangs der Linie — sondern nur ein
Faktor aus der Rechnung ausschied und ein anderer an seine Stelle
treten konnte — baut sich Napoleons System der „Ökonomie der
Kräfte" auf. Nur mit einem Teile der Kräfte verwickelt Napoleon
den Gegner in einen hinhaltenden Kampf, diesen Teil iäfet er in
stundenlangem Ringen bis zu Schlacke ausbrennen (schlagende Bei-
spiele hierfür Ney und Davout vor Zentrum und russischem linken
Flügel bei Borodino, rechte Flügeldivision bei Austerlitz, Massena bei
Wagram), auf die Bitten der Unterführer um Unterstützung wird meist
nicht gehört, den andern Teil spart er auf. Wiederholte Vorstöfsc
halten den Gegner in seinen Positionen fest, verschaffen den rückwärtigen
Korps Zeit heranzurücken, nach vorwärts aufzuschliefsen den in die
Flanke und den Rücken des Verteidigers entsendeten sich zum um-
fassenden Angriff zu entwickeln und in die Aktion einzutreten, be-
deutende feindliche Kräfte werden mit relativ geringer eigener be-
schäftigt, ermüdet, bezw. abgestofsen, der Gegner zum Einsatz seiner
ganzen Kraft vorzeitig verleitet (er hat dies sogar 1815 bei Blücher
[Lignv] noch verstanden), ist dann des Feindes Schwäche erkannt,
hat derselbe seine Kraft verbraucht, so beginnt Napoleon mit den
durch verständige Wirtschaft ersparten Reserven, man möchte sagen
eine neue, freilich kürzer währende Schlacht. Durch die Reserven,
in deren Gebrauch wie Gewinnung Napoleon sich zweifellos meist als
Meister zeigt, hat er es in der Hand, die Ungleichheit in der Kräfte-
verteilung in gesteigerter Potenz hervorzubringen, den Sieg durch
lokale Überlegenheit an seine Fahnen zu fesseln. Den Überschufs
sammelt er, in Massonform gegossen, in seiner Hand, das „debouche
en masse" kann erfolgen, er kann den Angriffspunkt, wenn Ver-
schiebungen beim Gegner, oder Felder seiner Unterführer dies nötig
machen (Wechsel des Angriffsplans bei Borodino), selbst im Laufe des
Gefechts noch ändern. Der Massenstofs erfolgt aber erst dann, wenn
der Kaiser sich durch eigene Erkundung von der Lage der Dinge
überzeugt hat, wenn er den Gegner nicht nur gebunden, zu solchen
Maßnahmen verleitet, sondern auch Vorkehrungen getroffen hat, die
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und des ersten Kaiserreich«.
281)
diesen hindern, den Hauptangriff zu stören (eine der Aufgaben der
Hundertkanonenbatterie bei Wagram war, das Zentrum der Österreicher
in der Vorwärtsbewegung und der Übereinstimmung des Handelns mit
dem rechten Flügel zu hemmen) der Massenangriff wird durcli Artillerie-
masscii) oft auch durch Einsetzen von Reitermassen vorbereitet „Er
bedenke, dafs man den Sieg in der Regel durch Anwendung materieller
Kraft erreichen mufs" (Jomini). Zur Herbeiführung des „evenements"
setzte er, wenn nötig den letzten Mann ein, „die Generale, welche
frische Truppen für den Tag nach der Schlacht aufbewahren, werden
gewöhnlich geschlagen. Man mufs, wenn es nötig ist, den letzten
Mann in das Gefecht bringen, da man am Tage nach einem voll-
ständigen Siege keine Hindernisse mehr zu überwinden hat; die Meinung
allein sichert neue Triumphe 1 ' (Nap.). Gegen diese Wahrheit verstöfst
Napoleon selbst allerdings bei Borodino , wo er 20 000 Mann Garden
nicht einzusetzen wagt, obwohl er sich klar sein mufste, das als Lohn
die Vernichtung des feindlichen Heeres winkte. Das Einsetzen der
Reserven zeigt Massenbewegung auf gedrängtestem Raum, die Meister-
schaft im Ansetzen des Massenstosses ist unverkennbar. Fast immer
gelingt es, denselben frontal und doch Hankirend gegen die empfind-
lichsten Punkte des Gegners unter sorgfältiger Berechnung der Zeit,
Berücksichtigung des erkundeten Geländes und der Hindernisse, die
eintreten könnten, zu führen. Zuweilen irrt allerdings der kluge
Rechner auch, so ist am ersten Tage bei Wagram der Kalkül der
Zeit ein falscher, da er Macdonald in der Annahme zum Stöfs gegen
das Zentrum des Gegners ansetzte, dals die österreichische Armee den
Aufmarsch noch nicht vollendet habe, Macdonald wufsto das Schicksal
seiner Kolonnen im Voraus. Auch in Bezug auf die erforderliche Dauer
der Vorbereitung durch Feuer und auf den Grad der Erschütterung
beim Gegner täuscht sich der grofse Korse zuweilen, so bei Wagram
und bei dem Massenstofse, den er bei Belle- Alliance gegen das Zentrum
führt. Die Extreme in Bezug auf mangelnde Feuervorbereitung, auf
die erwartete Wirkung des mechanischen Stofses der „gros paquets"
finden wir von 1809 ab. Zweifellos war Napoleon in dem Streben,
die Massen der Reserve nicht nur schnell zu verschieben , sondern
auch am Einsatzpunkte rasch in die für den Kampf zweckmäfsigste
Form überzuführen, nicht immer besonders glücklich. Unent-
wickelt und in Formationen, die für das Gefecht gradezu un-
brauchbar waren, da sie ein Minimum von Feuerleistung lieferten,
die Artillerie in ihnen furchtbare Verwirrung anrichten, ein gelungener
Reiterangriff auf ihre Flanken sie zum Stutzen bringen mufste, ganz
abgesehen davon, dafs ein Versuch, im heftigen Feuer des Gegners
sich noch zu entwickeln, wie er gegen Befehl aber wegen der moralischen
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2IK)
Aus den Exerzir- Vorschriften der ersten Republik
Wirkung der Massenverluste leicht denkbar war, nur zum Verderben
gereichen konnte, sehen wir die Massen öfter zum Stofse angesetzt
und in das Feuer geraten. Derartige Entwickelungsversuche finden
wir 1811 bei Albuera, wo französische Regimenter in Divisionskolonnen
auf Pistolenschufsweite an die unerschütterten englischen Linien heran-
gekommen, durch Massenverluste vcranlafst, das Feuer erwidern., d. h.
sich entwickeln wollten und nicht konnten. Es war ein grober Irrtum
Napoleons, das Artilleriefeuer zur Vorbereitung für ausreichend zu
halten, den Gegner so zu erschüttern, dafs der mechanische Stöfs seiner
in grofse Massen zusainmengefafsten, verschlechterten Infanterie un-
weigerlich die Entscheidung geben müsse. AVenn der Gegner das
Gelände benutzte, so konnte Artillericfeucr erst recht nicht aus-
reichen, gegen Tirailleure war es damals wenig wirksam, die Be-
urteilung, wie weit der Gegner niedergerungen, war sehr schwierig,
wenn nicht unmöglich. „Ein Irrtum in dieser Beziehung konnte nur
durch gefechtsbereite Infanterie ausgeglichen werden, gefechtsbereit
konnte man die verschiedenen Divisionsmassen nicht nennen." Hei
AV agram arbeitete die Hundertkanonenbatterie dem Angriffe Macdonald's
nicht genügend vor. Die berüchtigte Kolonne wurde aus 8 Bataillonen
in deployirtcr Linie mit Divisions-Abstand hinter einander (24 Glieder',
auf deren Flügeln sich je G Bataillone in eolonne serree hinter einander
geschichtet (72 Glieder) anhängten, gebildet. Die Vorwärtsbewegung
war langsam und schwerfällig ,,ce n'est qu a peine qu'clle se fit jour
h travers le ehamp de bataille." Das Feuer eines österreichischen
Treffens hemmte die Vorwärtsbewegung „La cavalerie de la garde et
les cuirassiers de Nansouty, puis les divisions Dureillo et Pacthod,
au prix de sanglants sacrifiecs avaient du la degager des etreintes
qui plusieurs fois faillirent la detruire. „Bientot la redou table
eolonne se trouve reduite ä moins de 1500hommes, isolee, ex-
posee sur les flancs eile est forcee de s'arreter a portee de
Süssenbrunn, la moindre charge pouvait Faneantir u (Pelet). En
etudiant. fahrt General Renard fort, la bataille de AV agram, on reste
convaineu que si cette massc informe de troupes a pu exercer
moralement quelque inlluence sur rennend, cette inrluence a ete nulle
materiollemcnt. Elle n'avance que grace aux sueecs obtenus aux villages
de Wagram et Neusiedel par Oudinot et Davout et surtout grace
aux efforts des divisions Durutte, Pacthod, SeiTas, AVrede, Reille, sou-
tenues par toute Tartillerie de la garde, le cavalerie do Walther et
Nansouty, qui rentourerent et la protegerent pendant toute l'action."
Auch die Formation der jungen Garde bei Dresden, die 8 Bataillone
der Division neben einander in Kolonnen ohne Entwicklungsbüro,
darf man wohl nicht besonders zweckmäfsig nennen. Verwerfliche 1,
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und des ersten Kaiserreichs.
291
noch als die Müsse bei Wagram war, nach den sehr trüben Erfahrungen,
die man in Spanien gemacht hatte, die „monströse Masse" bei Waterloo.
Nach Jomini formirten Neys 4 Divisionen für den Angriff auf die
Linie La Haye Sainte-Papelotte 4 Kolonnen von je S oder 12 hinter
einander mit (J Schritt Abstand folgenden Bataillone in Linie (also
24 oder 36 Glieder). Napoleon lief's, durch die Meldung von dem
Eintreffen der Bülow'schen Spitze nervös noch mehr gereizt, der
Artillerie nicht einmal Zeit vorzuwirkcn, er will das englische Centrum
schleunigst abthun, der Angriff der Masse aber brach im Feuer der
dünnen englichen Linien zusammen, umfassende Angriffe mit dem
Bajonett machten ihm den Garaus. Napoleon ist neben andern hier
auch ein Rechenfehler in der Zeit vorzuwerfen, die er für nötig hielt,
mit den Engländern fortig zu werden. Wissend — nach Marmonts
Eingeständnifs durch einen aufgefangenen Brief Blüchers, — dafs
Blücher am 1 8. nicht vor 4 Uhr Nachmittags eintreffen konnte, begann er
den Kampf gegen die Englander erst um 1 1 Uhr Vormittags. Zu spät
trat er in den „Vollkampf 4 ' ein. — Der Wille zur Entscheidung durch
zurückgehaltene Truppen fand in der Bildung der auch mit Kavallerie
und Artillerie reichlieh ausgestatteten Kaisergarde seinen organi-
satorischen Ausdruck. Wir haben früher schon gesehen, dafs nach
und nach die Stärke dieser Garden zu derjenigen einer „Armee"
anwuchs. Die Hauptreserve findet ihren Platz gewöhnlich hinter der
Mitte der fechtenden Linien, die Formation ist entweder in Divisions-
massen, oder schon Gliederung, die Artillerie vor der Front (Garden
bei Austerlitz und Jena). Über den Aufenthalt des Führers in der
Schlacht äufsert sich Napoleon (Corr. milit. 76, p. 391, note XXVII)
„Le general en chef so place de manierc a voir la plus grande partie
possible du champ de bataiile et en memo temps le point, sur lequel
est dirigee Tattaque principale et oü doit so produire la crise de la
bataiile. 11 rapproche la reserve generale de ce point et fait eclairer
au loin les flancs de l'armeo." (Letzteres wurde u. A. bei Pultusk
gründlich versäumt).
Wir haben die Exerzir- und Manöverirvorschriften für die Infanterie
sehr eingehend behandelt, weil der Wechsel in der Taktik derselben
bestimmend einwirkte auch auf diejenigen der anderen Waffen und
weil eben die in der Kampfesweise der Hauptmasse eingetretene
Revolution eine der durchgreifendsten genannt werden mufs von allen,
welche die Kriegsgeschichte kennt. Fortsetzung folgt.
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202
Per Sjx)rn (die Ramme) im Gefecht
xxra.
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht und bei
Schiffs-Kollisionen.
Der Untergang der „Viktoria 44 auf der Höhe von Tripolis infolge
des unbeabsichtigten Rammstofses des „Camperdown" verfehlte nicht,
in England noch mehr wie anderwärts, von Neuem die Aufmerksamkeit
auf den Sporn und seine Wirkung zu lenken, und die umfassenden
Daten, welche ein Mitglied des United States Naval Instituts, Mr. W.
Laird Glowes, in dieser Hinsicht sammelte und in einem Vortrage in
der „Royal Service Institution" produzirte, sowie namentlich auch die
Diskussion, welche sich diesem Vortrage anschlofs, erscheinen von
derartigem Interesse, dafs ihre Wiedergabe*) in den folgenden Zeilen
vielleicht nicht unwillkommen ist.
Der genannte Fachmann bemerkte in der Einleitung seines Vor-
trages, tlafs in vielen hohen und niederen Seeoffizierskreisen, nicht
nur in England, sondern auch anderwärts sehr sanguinische Ansichten
über die Zukunft des Sporns in der Seekriegführung gehegt würden;
damit sei jedoch keineswegs gesagt, dafs alle Marine-Offiziere in dem-
selben Mafse an die Wirksamkeit dieser Waffe glaubten. Allein er
kenne viele und darunter Offiziere von grofser See-Erfahrenheit, welche
äufserten, dafs bei einer geringen Überlegenheit an Schnelligkeit und
guter Handhabung ein Schiff ohne besondere Schwierigkeit ein anderes
zu rammen vermöge, selbst wenn das andere unter voller Herrschaft
seiner Führung stände und völligen Raum zum Manövriren in See
habe. Diese Ansicht über das Rammen habe sich, wenn auch in un-
bestimmter Weise betreffs der Ausführung, in weiten Kreisen gebildet,
und die Zalü derjenigen, die sie teilen, dürfte sich in letzter Zeit
und besonders seit dem Schicksal der „Viktoria 44 vermehrt haben.
Mr. Laird Glowes verzichtet zunächst darauf, seine eigenen Ansichten
und Theorien über die Verwendung des Sporns zu entwickeln; allein
er bringt eine Sammlung von Thatsachon zur Kenntnifs, welche
sämmtlich auf gewisse Folgerungen hinweisen, welche diese That-
sachen einem gewissenhaften und vorurteilsfreien Beurteiler der neueren
und älteren Geschichte der Flotten nahelegen. Er giebt eine detaillirte
Übersicht von 74 Fällen der versuchten Anwendung des Sporns in
*) Mit ffütiger Zustimmung des Herausgebers des Journals of the Royal
United Service Institution.
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und lwi Schills-Kollisionen.
293
der modernen Seekriegfuhrung. Die Übersicht enthält alle Fälle seit
dem Beginn des amerikanischen Sezessionskrieges, über die er sich
Kenntnifs zu schaffen vermochte. Sie bildet daher keine Übersicht
einzelner besonders ausgewählter Heispiele, obgleich sie nicht sämmt-
üche Fälle enthält. In der ersten Spalte derselben sind die Fälle zur
Erleichterung späterer Bezugnahme numerirt. Die 2. enthält das
Datum. In der 3. ist angegeben, ob der Schauplatz des Vorfalls in
engen Gewässern (N) stattfand, wo ein Manövriren schwierig, wo nicht
unmöglich war, oder an Stellen, welche einen entsprechenden Raum
auf See boten (S). Die 4. Spalte enthält den Namen des rammenden
Schiffes, die 5. den Namen des gerammten, die 6. den Zustand des
rammenden Schiffes nach Ausführung oder Mifslingen des Ramm-
manövers. U bezeichnet durch das Ramm - Manöver unverletzte
Schiffe, D. A. leichte oder mäfsige Beschädigung, S. Da schwere Be-
schädigung, im Stande, die unmittelbare Gefcchtsthätigkeit stark zu
beeinträchtigen. R Verfehlen des Ziels und auf den Strand laufen.
S Sinken in Folge des Zusammenstofses. Die 7. Spalte enthält, ob das
zu rammende Schiff unter Dampf war (S) oder vor Anker (A) oder
infolge eines Unfalls an den Maschinen oder dem Steuerapparat un-
beweglich war. Die 8. Spalte giebt den Zustand des zu rammen
beabsichtigten Schiffes in Folge dieses Versuchs an; Da bezeichnet leichte
oder mäfsige Beschädigung. S Da schwere Beschädigung, Di gefechts-
unfähig gemacht, und S gesunken.
P^inzelheiten bei Rammversuchen im Gefecht
in den Jahren 1861—1879.
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Datum
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S.
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März 9., 1862
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7
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Apr. 24., 1862
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9
Apr. 24., 1862
N.
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12
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Mai 10., 1862
N.
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Krz.Fcrdinaml Car
Ke d'ltalia
u.
L'n.
S.
52
Juli 20., 1866
s.
Ancona
Erz.Fordinand Max
u.
s.
F.
53
Juli 20, 1866
s.
Kaiser
Re (U Portogallo
S. Da.
s.
S. Da.
54
Juli 20., 1866
s.
Affonclatore
Kaiser
U.
s.
F.
55
Juli 20., 1806
s.
Ke di Portogallo
Schwarzenberg
U.
s.
F.
56
Juli 20., 1866
s.
Maria Pia
P
u.
s.
F.
57
Aug. 19., 1867
s.
Izzedin
Arcadion
u.
Un.
S. Da
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und bei Schiffe-Kollisionen.
1
2.
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ScuiftVs
58
Nov. 9., 1869
Bouvet
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U.
s.
Ha.
59
Mai 1*9., 1S77
s.
lluasear
Shali
L".
s.
U.
60
Mai 21.. 1S79
s.
Hua.sear
Ksmeralda
V
s.
U.
61
Mai 21.. 1879
s.
Huasear
Ksuh ralda
U.
8.
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02
Mai 21., 187'.)
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Hiui'i ar
Esmeralda
Da.
Un.
s.
63
Mai 21., 1879
lnde|>endeneia
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U.
S.
U.
64
Mai 21., 1879
Independeneia
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ü.
U.
65
Mai 21., 1879
s.
Indq-nuleneia
Cuvadon<ra
Ji. A.
s.
L".
6*3
Juli 10., 1879
s.
Huasear
Ma^el laues
u.
s.
r.
67
Juli 10.. 1879
s.
Huasear
Ma^tl laues
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68
Juli 10., 1879
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n.
69
Juli 10., 1879
s.
Huasear
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s.
u.
70
Okt. 8.. 1879
s.
Huasear
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s.
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Okt. 8., 1879
s.
Cochrane
Huasear
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72
Okt. 8.. 1879
s.
Coel.rane
Huasear
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s.
u.
73
Okt. 8., 1879
IluaM ar
Blauen Enealda
u.
74
Okt 8., 1879
s.
Coelirane
Huasear
r.
vi,
Vor der Zusammenstellung der Resultate werden folgende Er-
läuterungen zu einer Anzahl der Fälle gegeben:
ad 3. Bei der ,, Virginia" brach in diesem Falle der Sporn ab
und verminderte derart ihre Gefechtstüchtigkeit für das Gefecht am
folgenden Tage, ad 1 u. 5. Die „Virginia" hatte an diesem Tage
nur eine Geschwindigkeit von etwa 5 Knoten. Der ..Monitor" war
wonig schneller, ad lf>. Die „Queen of the West" lief auf den Strand,
uni das Sinken zu verhindern, ad 20. Der „Essex" war sehr langsam.
Der „Arkansas", obgleich unbeweglich am Hinterteil, hatte sich mit
dem Bug freigemacht und war im Stande, sein Vorderteil zu wenden,
um dem Angriffe zu begegnen, ad 24. Die „Bayou City" war im
Stande, die „Ilamet Lano" zu entern und gefangen zu nehmen, ad 25.
Es herrscht einiger Zweifel, ob der Gegner des „Keystone State", der
„Palmctto State" oder die „Chicora" war. Der „Keystone State"
wurde beim Herankommen beschädigt und thatsäehlich durch Granat-
feuer abgewiesen, ad 2<i. Der „Indianola" wurde ein Boot an ihrer
Backbord-Seite zerschmettert, Dasselbe wurde entfernt und versenkt,
ad 27. Der „Webb" und die „Indianola" rammten einander am Bug.
Her Sporn des ersteren wurde beschädigt, ad 28. Der „Indianola"
wurde ein Boot an der Steuerbordseite zerschmettert. Dasselbe war
zusammengedrückt und sank, ad 31 und 32. Die Zusaramenstöfsc
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29«
Der .Sporn (die Ramme) im Gefecht
erfolgten gleichzeitig. Die „Queen of the West" rammte an der Steuer-
bordseite und der „Webb" am Hinterteil, ad 33. Der Zusammenstofe
erfolgte vor Bahia in neutralen Gewässern. Die „Florida'' streifte an
der Steuerbordseite an, verlor die Sehanzbekleidung und ihre Haupt-
und Mittel-Rone, war jedoch nicht erheblich beschädigt, obgleich sie
sieh ergab, ad 34. Der „Niphon" und die „Ella and Anna" rammten
einander am Bug. Die letztere verlor ihr Bugspriet und ihren Schnabel
und wurde geentert und genommen, ad 35, 36 und 37. Der „Miami 44
und „Southrield 44 . wurden gegen einander geschleudert, der erstere an
die Steuerbordseite des letzteren. Im Falle 35 wurde der „Miami 44 am
Backbord-Bug gestreift. Im Falle 36 wurde der „Southfield" stark am
Steuerbordbug gestreift und sank, als er sich losmachte. Im Falle 37
entkam der „Miami", als er sich losmachte, ad 38. Der „Sassacus 44 ,
welcher zum Rammen nicht eingerichtet war, traf rechtwinkelig und
mit einiger Geschwindigkeit gerade hinter dem (beam) Baum, be-
schädigte sich jetloch selbst mehr wie den Gegner, ad 43. Der
„Monongahela" verlor den Sporn. Zu 50. Der „Palestro" verlor den
mittleren Toppmast und die Gaffel mit der Flagge, ad 51. Der
österreichische offizielle Bericht sagt: Inzwischen hatte es den An-
schein, als ob das Steuer des „Re dTtalia" woggeschossen sei, denn
von diesem Moment ab lag derselbe isolirt inmitten verschiedener der
kaiserlichen Panzerschiffe. Kontre-Admiral Tcgethoff verfehlte nicht,
die kritische Situation des „Re dTtalia" zu bemerken, dessen Be-
wegungen in Folge der Beschädigung seines Steuers auf vorwärtige
und rückwärtige beschränkt waren. Der „Re dTtalia" ging mit voller
Geschwindigkeit vor, um wo möglich den Stöfs zu vermeiden, oder
seine Gewalt abzuschwächen, allein ein österreichisches Panzerschiff
sperrte seinen Weg. Dann ging er mit voller Geschwindigkeit rück-
wärts. Dies zeigt, bemerkt Mr. Clowes, ohne Frage, dafs derselbe
sich zur Zeit, wie er den Stöfs erhielt, nicht in der Gewalt seiner
Führung befand. Der Stöfs brachte alle zu Fall, die sich auf dem
„Erzherzog Ferdinand and Max" befanden. Der Sporn drong 6 Fufs
C> engl. Zoll ein; das Flaggschiff hatte bei demselben eine Ge-
schwindigkeit von 11,5 Knoten. Der an der Backbordseite getroffene
„Re dTtalia'- rollte 25° nach Steuerbord, dann noch schwerer nach
Backbord und sank fast unmittelbar darauf in eine Tiefe von 200 Faden,
ad 53. Der „Kaiser" war ein hölzernes Linien-Schlachtschiff, der
„Re di Portogallo" ein Panzerschiff. Der erstere lief mit voller
Geschwindigkeit und erhielt einen leicht streifenden Stöfs am Baum
(beam). Er verlor das Bugspriet, Schnabel, Vordermast und Schlot
und wurde stark beschädigt. Das Panzerschiff war ebenfalls be-
trächtlich havarirt. ad 50. Der Gegner der „Maria Pia", den dieselbe
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und bei Schifls-Kollisionen. 297
nicht traf, war ein österreichiches Holzschiff, ad 57. Beide Schiffe waren
eiserne Raddampfer; der „Izzedin" hatte eine Geschwindigkeit von
J 5,5 und der „Arcadion" eine solche von 15 Knoten. Der letztere
wurde erst dann gerammt, als er den Gebrauch des einen Itades
durch das Geschützfeuer verloren hatte. Der Stöfs beschädigte ihn
so stark, dafs er auf den Strand lief und verbrannt wurde, um ihn
vor der Wegnahme zu retten, ad 58. Der „Bouvet", der im Stande
war, 10 Knoten zu laufen, traf den „Meteor", der nur 6 Knoten er-
reichte, mit einem streifenden Stöfs am Backbordbug unter einem
Winkel von 5° und beschädigte den Backbord entlang streifend, das
Oberdeck des „Meteor" und warf 2 Geschütze um, die fertig zum
Feuern vorgebracht waren, ad 60, 61 und 62. Der „Huascar"
dampfte bei dieser Gelegenheit mit etwa 8 Knoten. Dem offiziellen
amerikanischen Bericht zu Folge (War Series Nr. 11) feuerte er
wenigstens 40Schufs aus seinen beiden 300 Pfündern auf die „Esmeralda".
Von diesen traf nur einer den Gegner, jedoch der eine drang durch
die Schiffswand, krepirte im Maschinenraum und tödtete sämmtliche
Mannschaften und beschädigte überdies die Maschinen. Der Kampf
war der bravourvollste, der je in der modernen Kriegsgeschichte unter-
nommen wurde. Bei dem ersten Zusammenstofs sprang Kapitän Prat,
gefolgt von einem Mann der „Esmeralda", welche in diesem Moment
fast bewegungslos war, an Bord des „Huascar". Beide wurden an
Deck des „Huascar" niedergeschossen. Beim zweiten Zusammenstofs
sprang Lieutenant Serrano, der nächste im Kommando, an Deck und
wurde ebenfalls erschossen. Beim 3. Zusammenstofs sank die kleine
hölzerne chilenische Schaluppe, unfähig sich zu bewegen, jedoch noch
feuernd, mit fliegenden Wimpeln auf den Grund, ad 65. Der
,,Covadonga" ein altes Kanonenboot, war nicht im Stande, 5 Knoten
zu laufen; die „Indcpendencia", ein Panzerschiff erreichte beinahe
12 Knoten. Der „Covadonga" wich nichts desto weniger allen 3 Stöfsen
aus und plazirte sich, gut gehandhabt, so dafs die „Indepondencia"
ihn zum 3. Male verfehlte und da sie im selben Moment ihren Steuer-
mann verlor, auf den Strand lief, wo sie verbrannt wurde, um sie
der Wegnahme zu entziehen, ad 71, 72 und 74. Diese Versuche
mifslangen sämmtlich obgleich der „Cochrane" bei Beginn des Gefechts
12 Knoten gegenüber den 10 des „Huascar" zu leisten vermochte.
Nach dem Fall 73 wurde der „Huascar" zum Teil unlenksam.
Die folgende Zusammenstellung der Resultate der gewollten und
beabsichtigten Rammstöfse in den vorerwähnten 74 Fällen ist sehr
charakteristisch.
Die Resultate waren, was die zu rammen beabsichtigten Schiffe
betrifft, die folgenden:
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298
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht
Vorherige Situation
de»
xu rammenden Schiff.«
Go-
siniml-
h.it .Ui
Falle
Wirkung auf das zu rammen
ver«uchte Schiff
Null
leicht
be-
»chadiift
schwer
be-
schädigt
jft-f.'chts-
unfshif
gemacht
TT»»!*»»* F)ninr^r in
Unter Dampf in schmalen Gewässern
32
32
4
C
2G
9
1
5
9
•l
1
3
1
2
9
2
2
74
36
18
5
2
13
Die Resultate hei den rammenden Schiffen waren:
Wirkung bei dem zu rammen
verbuchenden Schiff
Null
leicht
1., -
»chwei
be-
^efechl'-
unfahi^
1
ge-
sunken
56
13
3
1
1
Ks geht hieraus hervor, Uafs bei 42 der 74 angeführten Ramm-
versuchen bei einem oder beiden Schiffen Beschädigungen irgend einer
Art stattfanden. Bei 21 dieser 42 Fülle wirksamer Zusammenstöfse
erlitt das rammende Schiff keine erwähnenswerte Beschädigung, allein
in 7 Fällen beschädigte sich das rammende Schiff ungefähr ebenso
stark wie das gerammte, und in 7 anderen Fällen verletzte sieb das-
selbe sogar schwerer wie den Gegner. In keinem Falle sanken beide,
das rammende und das gerammte Schiff. Alle diese Fälle ereigneten
sich, bevor sich der automobile Torpedo irgend wie zu einer voll-
kommenen Kriegswaffe entwickelt hatte, und die meisten derselben
vor der Einführung schwerer Hinterladungsgeschütze und leichter
Schnellfeuerkanonen. Allein auf Grund der Verhältnisse, welche gegen
Knde 187i) vorlagen, seitdem kein Rammen im Gefecht vorkam, und
auf Grund der Ergebnisse der 74 Fälle, bemerkt Mr. Howes, könne
man wohl sagen, dafs die wahrscheinlichen Resultate unter den
früheren Verhältnissen bei 100 Rammversuehen sich wie folgt ver-
teilten:
A. Wenn beide Schiffe Raum in See hatten und in der Gewalt
der Führung waren: Ergebnisse der 32 Fälle: 4, 5, 25, 34, 40 — 4.3,
49, 50, 52—50, 5S-G1 und (13—73.
1. Wirkung beim angegriffenen Schiff: Gesunken: kein Schiff", —
schwer beschädigt: 3,125, — leicht beschädigt: 15,(125, — unbeschädigt:
81,250.
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und bei Sdüffs-KollLsionen. 2t>i)
2. Wirkung beim Angreifer: Verhängnisvoll beschädigt (auf den
Strand gelaufen): 3,125, — schwer beschädigt: 3,125, — leicht be-
schädigt: 15,025, - unbeschädigt: 78,125.
B. Wenn beide Schiffe sich in schmalen Gewässern, jedoch in
der Gewalt der Führung befanden: Ergebnisse bei den 32 Fällen:
6-19, 22-24, 26-32, 35-35) und 40—48.
1. Wirkung beim Angegriffenen : Gesunken: 28,125, — gefechts-
unfähig gemacht: 0,250, — schwer beschädigt: i),375, - leicht be-
schädigt: 28,125, — unbeschädigt: 28,125.
2. Wirkung beim Angreifer: Gesunken: 3,125, — schwer beschädigt:
3,125, — leicht beschädigt: 15,025, — unbeschädigt: 78,125.
Die offenbar hieraus hervorgehenden Folgerungen scheinen in
gewisser Hinsicht bemerkenswert. Die eine ist diejenige, dafs, wenn
2 Schiffe Raum in See haben und sich völlig in der Gewalt ihrer
Befehlshaber befinden, es thatsächlich gefährlicher ist, zu rammen,
als dem Rammenstofs zu entgehen zu versuchen, und dal's es
unter diesen Verhältnissen faktisch aussichtslos ist, an ein wirksames
Rammen zu denken, da kein beglaubigter Fall der Durchführung
dieser Operation existirt, obgleich dieselbe wenigstens 32 mal versucht
wurde. Eine andere Folgerung ist die, dafs unter solchen Ver-
hältnissen der Rammende dieselbe Gefahr wie der Gerammte läuft,
ungefährliche Havarien zu erhalten, und eine fernere, dafs die Gefahren
beim Rammen dieselben in offener See wie in engen Gewässern sind.
Die völlige Übereinstimmung von A (2) und Ii (2) ist in der That
eine überraschende. Es drängen sich die Fragen auf, ob der Wert
des Sporns als einer Angriffswaffo durch die Fortschritte der letzten
15 Jahre modifizirt worden ist, Werden die Kapitäne geneigter oder
weniger geneigt sein, ihn heute anzuwenden, wo, je näher der Feind
herankommt, seine Schnellfeuergeschütze um so wirksamer sein werden,
und wo die Wirkungen der Torpedos innerhalb eines Schufsbereichs
von 800 Yards zu besorgen sind? Und warum, bemerkt Mr. Glowes,
sollten die Kapitäne versucht sein, den Sporn überhaupt zu gebrauchen,
wenn ein Torpedo, dem weit weniger leicht auszuweichen ist, und
dessen Verwendung dem ihn Abfeuernden wenig oder keine Gefahr
bringt, die erforderlichen Dienste thut. Man könne zugeben, dafs ein
Kapitän, der vorher seinen Gegner durch Geschützfeuer kampfunfähig
gemacht hat, mit begründeter Wahrscheinlichkeit auf Erfolg, rammen
könne; allein, wenn er dies thue, laufe er nicht nur Gefahr, das
eigene Schiff zu beschädigen und auf Torpedos zu treffen und nutz-
losen Verlust an Menschenleben zu verursachen, sondern schlage er
ein Verfahren ein, welches verhältnifsmäfsig gelinge Chance dafür
bietet, dafs der Gegner, der durch eine andere Aktion überwältigt
Digitized by Google
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht
und genommen werden kann, den Seestreitkräften des eigenen Landes
hinzugefügt zu weiden vermag. Und Alles in Allem sei ein Triumph
nur ein halber, wenn man nicht auch etwas davon aufzuweisen habe.
Eins von den wenigen Dingen, die dazu beitragen könnten, Grofs-
britannien mit den Schrecknissen eines Seekrieges zu versöhnen,
würde jedoch dns Schauspiel des Einbringens eines fremden Schlacht-
schiffes nacli Spithead oder Plymouth Sound mit dem weifsen Wimpel
über der fremden Flagge sein. Dieser Anblick würde das ganze Reich
selbst in Stunden des Unglücks begeistern. Schon aus diesen Gründen
scheine es unklug, den Gegner zu vernichten, wenn man sich seiner
bemächtigen könne; auch sei es kaum anzunehmen, dafs ein bewegungs-
unfähig gemachtes Schiff nicht überwältigt und durch das Zusammen-
wirken von Geschütz- und Torpedo-Feuer zur Übergabe gezwungen
werde. Unter den 74 Beispielen der beabsichtigten Verwendung des
Sporns sei nur bei 15 Fällen der Verlust von Schiffen einschliefslich
der rammenden erzielt worden. Allein der im Gefecht und im Frieden
unabsichtlich gebrauchte Sporn sei weit verhängnifsvoller geworden;
es genüge auf die Beschädigungen im Fall des „Jron Duke u , des
„Vanguard", des „König Wilhelm", des „Grofsen Kurfürsten", des
„Camperdown" und der „Victoria", des „Osprey", der „Amazone", des
„Ajax", der „Devastation" und viele andere in Friedenszeiten erfolgte
hinzuweisen, und k 2 — 3 Beispiele seiner gefährlichen Wirkung auf
befreundete Schiffe im Gefecht zu erwähnen. In der Schlacht von
Memphis am (>. Juni 18(>2 rammten die konföderirten Schiffe „Beau-
regard" und „Priee" unabsichtlich einander, und das letztere mutete
auf den Strand laufen, um das Sinken zu vermeiden. In der Schlacht
von Mobile am 5. August 1K64 rammte der „Lackawanna" unabsichtlich
seinen Gefährten, den „Hartford", Admiral Farraguls Flaggschiff, und
brachte ihn beinahe zum Sinken, und bald darauf vermochte der
„Ossopee" das Rammen des „Tenessee", nachdem derselbe sich bereits
ergeben hatte, nicht zu vermeiden. An dem grofsen Tage von Lissa
rammte die „Ancona" aus Zufall ihren Gefährten, den „Varese", und
der „San Martino" die „Maria Pia". Die „Ancona" und „Maria Pia"
erlitten nur leichte Beschädigungen, allein der „San Martino" verbog den
Sporn und erhielt ein Leck.
Nach Ansicht Mr. Glowes bestehen die IJauptlehren der Ver-
gangenheit betreffs des Sporns in erster Linie darin, dafs das Bemühen,
ein Schiff, das Raum in See hat und in der Gewalt seines Befehls-
habers ist, wirksam zu rammen, aussichtslos ist, selbst wenn dasselbe
eine beträchtlich geringere Geschwindigkeit hat; zweitens, dafs ein
Schiff, welches nicht geopfert werden dürfe, niemals aus freien Stücken
zum Rammen verwendet werden darf, und drittens, dafs für Ranun-
Digitized by Google
und bei Schifls-Kollisionen.
301
zwecke ein kleines Schiff ebenso gut ist wie ein grofses. Ob die
letztere Folgerung darauf hinweist, dafs England, im Hinblick auf
gewisse Eventualitäten, gut thun würde, einige sehr schnelle, nur zum
Rammen bestimmte, nicht besonders kostspielige Schiffe zu bauen,
läfst Mr. Clowes dahingestellt, und erwartet darüber die Ansichten
der kompetenten Fachmänner zu hören.
Auf die Ausfuhrungen des Vortragenden entgegnete der Vorsitzende,
Vize-Admiral Nicholson, etwa das Folgende: Der höchst interessante
Vortrag müsse allerseits durch das Resultat der Ziffern, die von
Mr. Clowes beigebracht würden, überrascht haben. Seine Lehren
seien höchst instruktive, allein die Erörterung einiger wichtiger Momente
im Verein mit der Rammfrage sei notwendig, und es scheine ihm,
dsfs, ob der Sporn eine wirksame Waffe sei oder nicht, aufserhalb
dieser Frage liege. Nicht nur die Marine-Offiziere, sondern auch die
Leiter der Flotte und die Flottenkonstrukteure erwarteten viel vom
Sporn; denn jedes Schiff von einiger Konstruktionsstärke werde mit
einem Sporn versehen und selbstverständlich für den Gebrauch des-
selben. Die Frage liege daher so: Da der Sporn als Angriffswaffe
gegeben sei und daher dazu verpflichte, seinen regelrechten Gebrauch
so gut wie denjenigen des Torpedos und der Geschütze zu fördern,
so handele es sich darum, welchen relativen Wert man diesem Angriffs-
mittel zuzuerkennen habe und ob die mit ihm versehenen grofsen
Schiffe sich in erster Linie des Sporns, des Torpedos oder der Ge-
schütze bedienen müfsten. Selbstverständlich müfste der Sporn als
das letzte Hülfsmittol betrachtet werden. Niemand werde so thöricht
sein, den Sporn früh im Gefecht anzuwenden, und es sei sehr zu be-
zweifeln, ob, trotz allem, was hier über diesen Gegenstand bemerkt
worden sei, der Sporn in einer einzigen Aktion, mit Ausnahme, um
damit den Gnadenstofs zu geben, wirksam verwandt worden sei.
Allein es gebe andere Verhältnisse, unter denen der Spora mit grofser
Wirkung angewandt werden könne. Jedermann kenne die Verwirrung,
welche in einem allgemeinen Gefecht einträte, nachdem 1—2 Gänge
gemacht seien. Bei Lissa kamen 7—8 beabsichtigte Rammversuche
und eine grofse Anzahl unbeabsichtigter Kollisionen vor. Plötzlich
schiefse ein feindliches Schiff aus dem dicken Pulverdampfe hervor
und kreuze den Bug eines Gegners mit seiner ganzen ihm zugewandten
Breitseite. Da bliebe nur eins übrig, man könne weder stoppen noch
zurückgehen, und es sei besser, sich ein Herz zu fassen und den
Sporn zu gebrauchen. Unter solchen Verhältnissen des Gewirrs eines
Gefechts werde der Sporn wahrscheinlich seine gröfste Wirkung ent-
wickeln, d. h. während der plötzlichen und unvorhergesehenen Wechsel-
fälle eines allgemeinen Kampfes. Die Vervollkommnung des Torpedos
JihrbUch« für die DeoUche Armee und Marine. Bd. VIIIC, 3. 20
Digitized by Google
302
Der Sporn (die Ramnie) im Gefeeüt
sei jedoch so grofs und die Geschützwirkung so stark, dafs bei diesen
zufälligen Verhältnissen die Tauglichkeit zu rammen keine sehr wirk-
same oder mächtige Eigenschaft sei, und sicher werde ihre Anwendung
eine dem Zufall überlassene sein. Er stelle daher die Frage, ob man
im Hinblick auf die Ereignisse der letzten .Jahre mit der Konstruktion
des Sporns der englischen Schiffe zufrieden sein könne. Der be-
klagenswerte Unfall des Verlustes der „Victoria" sei jedermann bekannt.
Die Schiffe liefen nicht mit grofser Geschwindigkeit, allein der „Camper-
down u entkam nur mit knapper Not. Kurz darauf passirte ein Kreuzer
2. Klasse von 4000 Tonnen, der „Förth a , den Kanal an einem nebelieei!
Tage, voraussichtlich nicht mit übermäfsiger Geschwindigkeit und stiek
zufällig mit einem schwer beladenen Kohlenschiff zusammen. Man
konnte mit Sicherheit annehmen, dafs der Kreuzer 2. Klasse von
4000 Tonnen wie ein Messer durch das schwere Kohlenschiff schneiden
würde; allein der „Forth u mufste mit schwer beschädigtem Bug nach
Plymouth gehen. Auf 3 Momente müsse er hinweisen: 1. Ob es
nicht möglich sei, den Sporn der Schiffe von solchem Material und
mit solchem Geschick zu konstruiren, dafs er im Stande sei, einen
der schweren im Gefecht vorkommenden Stöfse ohne materielle Be-
schädigung auszuhalten. 2. Wenn es nicht möglich sei, ob es nicht
geratener sei, den Sporn nicht als einen Teil der Hauptkonstruktion
des Schiffes herzustellen, selbst wenn eine Kollision erfolge und der
Sporn unglücklicherweise abbreche, der eigentliche Bau des Schiffs
intakt bleibe, und 3. ob, wenn es für wünschenswert erachtet werde,
diese Vorsichtsmafsregel bei zu erbauenden Schiffen zu treffen, es
nicht auch wünschenswert sei, die ganze Frage aufs ernsteste zu er-
wägen und womöglich den Sporn schon erbauter Schiffe zu verstärken,
so dafs die Offiziere, wenn sie sich veranlafst sähen, diese Waffe zu
gebrauchen, nicht zugleich befürchten müfsten, Gefahr zu laufen, die
Schiffe, welche das Land ihrer Obhut anvertraut habe, zu opfern.
Lieutenant W. Baden Powell fügt den Ausführungen Vize-Admirals
Nicholson die folgenden Bemerkungen hinzu: Was den Punkt, dafs
der Sporn, wenn er seine Arbeit verrichtet habe und beschädigt sei,
unverletzt aus dem gegnerischen Schiffe gezogen werden könne, betreffe,
so sei er der Ansicht, dafs eine sehr ernste Gefahr für das Schiff
mit Rücksicht darauf entstehen werde, dafs der Sporn, wenn er nicht
herausgezogen werde,' weil der Stöfs in irgend einem Winkel zu dem
anderen Schiff erfolge, nach Backbord oder Steuerbord geknickt würde,
und obgleich er seine Arbeit verrichtete, das Schiff thatsächlich mit
verbogenen Bug (with a bow rudder hard over) lassen würde und
dasselbe nachher nur im Kreise laufen würde, bis es in ein Trocken-
dock gebracht sei. Somit bestände das einzige, was für den Sporn
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und bei Schifls-Kollisionen.
:$0:$
nach den Erfahrungen des Verlustes der „Victoria" und der Beschädigung
des „Camperdown" ins Auge zu fassen sei, darin, darauf zu halten
dafs der Sporn solide genug konstruirt sei, um sich nicht vom Schiffe
zu trennen, nicht zu verbieten und das Schiff nicht durch den
Zusammenhalt mit dem gerammten Schiffe zu beschädigen. Er habe
am Admiralitäts-Court beträchtliche Erfahrungen über unbeabsichtigtes
Rammen gesammelt. Die Arbeit, mit der er beschäftigt gewesen sei,
habe Kollisionen betroffen, und es kämen alljährlich hunderte von
Kollisionen vor, bei denen Handels- und einige Kriegsschiffe mit
anderen Schiffen zusammenstiefsen und sie mit dem Schnabel
trafen. In fast keinem Falle seien dii«se Handelsschiffe in der Absicht,
zu rammen, konstruirt, allein sie seien alle in der Voraussetzung
konstruirt, vielleicht eines Tages an die Wand eines Docks oder Schiffs
zu stofsen und sich dabei in einem Mafse zu beschädigen, dafs sie
in die Gefahr gerieten, zu sinken. Sie seien sämmtlich heute mit
möglichst leistungsfähigen wasserdichten Verschlagen (bulkheads) ver-
sehen, die ein Kompartiment bei Kollisionen bildeten, und jedes Jahr
seien hunderte von Schiffen nach schweren Zusammenstößen in der
Lage, selbst hunderte von Meilen weit, einen Hafen anzulaufen, obgleich
ihr Bug völlig zusammmengedrückt und defomirt sei, einfach vermöge
des starken Kollisionsverschlages, welcher das Wasser verhindere, ins
Schiff weiter einzudringen. Er könne nur mit gebührender Achtung
vor den Männern, die in der Admiralität und auf den Schiffswerften
Kchiffspläne entwürfen, erklären, dafs er es nicht völlig auf der Höhe
der Zeit halte, dafs Ihrer Majestät Schiffe, wie der ,, Camperdown", so
faltig von einem sehr schwachen Zusammenstofs mit der „Victoria"
litten. Wenn der Camperdown volle Geschwindigkeit gehabt und die
Kreitseite der „Victoria" in voller Fahrt getroffen hätte, würde sich die
Havarie desselben auf einen weit gröfseren Teil, auf einen Bug oder
vielleicht beide erstreckt haben, und es sei höchst wahrscheinlich, dafs
der „Camperdown" mit der „Victoria" zugleich verloren gewesen wäre.
Kr sei der Ansicht, dafs, wenn die Absicht festgestellt sei, den Sporn
als Waffe zu gebrauchen, es der erste Grundsatz des Schiffs- Architekten
sein müsse, dafür zu sorgen, dafs der Bau des Schiffsbugs, entweder
durch Verschlage und stringers oder durch eine Art von längsseitiger
Verstärkung aufsen Schiffs in Art der Rippen so stark gemacht würde,
dafs Nichts auf der Erde oder im Wasser den Sporn zu verbiegen
oder zu verdrehen oder den Bug in einer die Sicherheit des Schiffs
beeinträchtigenden Weise zu beschädigen im Stande sei. Er glaube,
dafs, bis dieser Grundsatz vollständig in den Schiffsbau der Flotte
angeführt sei, die Schiffskapitäne, wie der Vortragende und Admiral
Nicholson bemerkt hätten, den Sporn nur als das letzte Mittel an-
20»
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304
Der Si>orn (die Ramme) im Gefecht
wenden würden, so dafs er es für eine reine Frage des zukünftigen
Sohiffsbaues halte, von der der Sporn abhinge, wenn er überhaupt
angewandt werden solle.
Der Herausgeber des Journal of the R. Un. S. L, in welchem
die Diskussion erschien, bemerkt hierzu, dafs die Diskussion den
Gegenstand mehr als eine Frage, wie im Sinne einer gleichzeitigen
Aktion zwischen 2 Schiffen behandele, allein der Sporn und die Bug-
Konstruktion, die hiervon abhingen, müfsten gestatten, das Rammen
gegen andere feindliche Schiffe zu wiederholen. Bei der Entfernung
des nächsten Trockendocks von G oder mehr Tagen müfste die Bug-
konstruktion absolut sicher sein, da anderenfalls der Sporn nie an-
gewandt werden würde, am wenigstens, wenn ein Schufs im locker
sitze. In einem solchen Falle könne der Rammbug, der die schlechteste
Bugform, um die See rasch nach vorwärts zu durchschneiden, bü«fe,
ganz aufgegeben werden.
Kapitän Curtis führt an: Im Krimkriege sei der „Recruit" von
Malta nach Corfu mit einem doppelten Steuer, einem Steuer an jedem
Ende, gegangen, allein das Steuer war nicht am Bug befestigt, offenbar
wandte es das Schiff nie von seinem Laufe ab, obgleich dies erst
entdeckt wurde, als dasselbe bei Corfu ankerte. Dies beweise, dafs
dns Bugsteuer sehr geringe Einwirkung auf ein vorwärts gehendes
Schiff haben werde. Er habe stets geglaubt, dafs je gröfser die Ge-
schwindigkeit sei, mit der man einen Körper treffe, dies um so besser
für den betreffenden Körper sei. Admiral Boys bemerkt betreffs des
„Camperdown", es werde allgemein geglaubt, dafs der „Camperdown"
in grofser Gefahr war, der „Victoria" in Folge des Zusammenstofses
auf den Grund zu folgen, und dies war der Fall. Allein sie bestand
nicht in Folge der Beschädigung an seinem eigenen Sporn, derselbe
war unverletzt; sie lag darin, dafs die wasserdichten Thüren nicht
geschlossen waren. Wenn dieselben rechtzeitig geschlossen worden
wären, wie dies im Gefecht geschehen wäre, so würde bis auf das
Vollwerden der vordersten Kompartiments ein verhältnifsmäfsig geringes
Risiko für den „Camperdown" bestanden haben. Betreffs eines be-
weglichen Sporns, von dem ebenfalls berichtet worden sei, sei er der
Ansicht, dafs eine derartige Anordnung unpraktisch sei. Er würde
nie bei einem Zusammenstofs Stand halten und ein Schiff an der
Stelle schwächen, wo dasselbe am stärksten sein müsse. Der Vor-
sitzende, Admiral Sir R. Vesey Hamilton, schliefst sich den Aus-
führungen Admiral Nicholson^ an und bemerkt, dafs dieselbe täglich
bei jeder Regatta und zwar bei den Galeeren und Flachboot-Rennen
illustrirt würde. Die Schwierigkeit für die Galeere das Flachboot zu
fangen, sei sehr grofs, thatsächlich sei es fast unmöglich, wenn das
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und bei Schifft- Kollisionen.
305
Flachboot richtig gehandhabt werde. Das kurze Schiff sei daher
sehr im Vorteil. Die Thatsache, dafs der Sporn eines grofsen Schiffes,
wie der „Förth", bei einem kleinen Kohlenschiff abbrach, zeige eine
radikale Unrichtigkeit in der Konstruktion des jetzigen Sporns; er sei
der Ansicht, dafs man keinen besseren Sporn haben könne als einen
senkrechten graden Stamm, der für alle praktischen Zwecke aus-
reiche. Für das rammende Schiff seien bei seiner Anwendung sehr
wenig Beschädigungen zu fürchten. Er stimme völlig mit dem, was
Lieutenant Baden Poorell, besonders betreffs der wasserdichten Thüren
und der Kollisionsverschläge bemerke , überein und verweise auf das
Beispiel der „Arizona'', die bei einer Geschwindigkeit von 15 Knoten
in einen Eisberg rannte und, liinter den Kollisionsverschlägen völlig
unbeschädigt, wieder zurückging. Hätte sie 8 Knoten statt 15 gehabt,
so wäre sie beschädigt worden. In diesem Falle, wie beim Geschütz-
feuer, komme das Zeit-Element in Betracht, selbst wenn es nur den
Teil einer Sekunde betrage, und die „Ancona" wurde durch ihre
grofse Geschwindigkeit gerottet. Die Lehre sei, wenn man ramme,
mit der gröfsten Geschwindigkeit zu rammen. Der Vorsitzende gab
alsdann die folgende Erläuterung zu dem Falle des „Albemarle 4 ',
welche bei wiederholten Versuchen, sie zu rammen, unbeschädigt blieb.
Die „Albemarle" war ein improvisirtes, mit 2 Geschützen armirtes
UamnischifT. Sie wurde von 8 hölzernen Schiffen angegriffen, die den
speziellen Befehl hatten, sie zu rammen und in den Grund zu bohren.
Die „Albemarle" wurde früh an jenem Tage im Geschütz kampf-
unfähig gemacht, sie focht während des ganzen Gefechts mit einem
Geschütz und obgleich sie wiederholt von den 8 Schiffen gerammt
*urde und dieselben versuchten Netze um sie zu legen, um ihre
Schraube zum Stillstand zu bringen, erfocht sie einen glorreichen
Sieg und kehrte zurück, ohne einen Mann verloren zu haben. Bei
ihren Gegnern waren dagegen viele Verwundete, Todte und Verbrannte.
Eine Folgerung, zu welcher der Vorsitzende gelangt sei, sei die,
dafs, wenn zwei Schiffe einander rammten, es sicher gefährlicher sei,
der Rammende wie der Gerammte zu sein. Nach seiner Auffassung
würde es sehr dreist sein, ein Schiff zu rammen zu versuchen, bevor
aian sicher sei, dafs seine Torpedos sämmtlich verfeuert seien. Es
sei eine wertvolle Eigenschaft des Torpedos, dafs er als Anti-Rammer
wirke. Niemand werde gern nahe an ein Schiff heran gehen, das
Torpedos führe, da sein Schiff, bevor er auf Ramm-Distanz gelange,
in die Luft gesprengt sein könne. Ferner komme die Frage in Be-
tracht, ob man nicht lieber den Gegner in Besitz nehmen als ihn
versenken solle, er sei ebenfalls der Ansicht, dafs Nichts den
kriegerischen Sinn der Nation mehr anregen werde, wie der Anblick
^es gefangenen Feindes.
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30<>
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht
Das bekannte Parlamentsmitglied Arnold Forster äufserte sich
alsdann zu dem Gegenstande wie folgt: Er habe die Zahlen des
Vortragenden gelesen und bekenne, dafs es ihm nicht ganz klar ge-
worden sei, wozu seine Folgerungen gelangten, ob es sicher oder un-
sicher sei, zu rammen. Der Vortragende habe jedoch mit einer
Emfehlung geschlossen, der er völlig beistimme, nämlich der, dafs die
Verwendung des Sporns, imi ein wirksames Kriegsmittel zu bilden,
möglichst besonders dazu bestimmten Schiffen übertragen werden
solle. Allein er sei durch die gegebenen Zahlen nicht über-
zeugt, dafs das Endresultat dem Sporn ungünstig sei, da er in den
Tabellen bemerke, dafs bei 70 Prozent der Fälle, in welchen Schilfe
in sehmalen Gewässern rammten, das gerammte Schiffe mehr
oder weniger ernst beschädigt wurde. Natürlich sei er mit vielen
der Fälle vertraut, jedoch nicht mit allen, und eine groi*
Anzahl seien Fälle, die HolzschifTe beträfen, und nach den ihm k
Teil gewordenen Informationen sei er überzeugt, dafs das Problem,
ein Holzschiff zu rammen, ein völlig verscliiedenes von dem, wenn
ein eisernes Schiff gerammt werde, sei. Die Frage, welches Schir
beschädigt werde, gestalte sich weit schwieriger, wenn man ihr näher
träte, wie sie äufserlich erscheine. Er habe versucht, die Ansichter.
wissenschaftlicher .Mathematiker darüber zu erfahren, was das mathe-
matische Resultat sein müsse, wenn ein schweres Schiff ein anderes
bei voller Fahrtgeschwindigkeit ramme, allein er habe keine bestimmte
Antwort erhalten. Die Frage sei in Folge von Momenten, die nur ein
erfahrener Schiffsbaumeister beurteilen könne, verwickelt, besonder»
betreffs des Widerstandes, den die verschiedenen Arten des Materials
dem Eindringen des Sporns entgegen stellen. Wenn man - teste
Körper habe, könne man die Frage mathematisch, ohne auf irgend
eine Formel Bezug zu nehmen, ausarbeiten und eine positive Folgerung
gewinnen. Allein sicher sei, soweit seine Ermittelungen bei Fallen
des modernen Krieges reichten, das Ergebnifs gegen den Sporn nicht
so bedenklich, als der Vortragende es annehmen lasse. Er habe eine
Photographie des Bugs der „Arizona" gesehen, und sieher könne nichts
eine vollkommenere Illustration zu dem, was aus einem Sporn eines
Schiffes wie dieses werde, geben. Ein Eisberg sei jedoch ein völlig
unbeweglicher Körper. Die „ Arizona u stiefs auf einen solchen bei
15 Knoten Geschwindigkeit. Ihr Bug wurde eingedrückt und die
Stahlplatten verbogen und beschädigt, allein trotzdem lief das Sellin*
noch 700 Meilen und wurde in Halifax gedockt. Dasselbe wurde
nicht aufser Stand gesetzt, unter Dampf zu gehen, oder wie an-
zunehmen war. Teil an einem Gefecht zu nehmen, wenn es ein
Kriegsschiff gewesen wäre. Er habe auch den „Northainpton" gesehen.
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und bei ^hiftVKollisionen.
307
nachdem er im Kanal von einer Signalbarke gerammt worden war.
Die Segelbarke kam unbeschädigt davon, durch die Seite des „North-
ampton" konnte man hingegen einen Karren fahren, jedenfalls war
sein Rifs grofs genug dazu. Der Stöfs wurde durch die Panzerplatte
aufgehalten. Das Schnitzwerk des Figurenkopfs der Barke drang auf
das Deck des „Northanipton". Aus den Fällen, in welchen Schiffe wie
der „Grofse Kurfürst" und der „Vanguard" sanken, gehe dieselbe Lehre
hervor. Das waren besonders niarkirto Fälle, wo ein Schiff ein
anderes, ohne Schaden zu nehmen, rammte. In dem Falle des „ Belle-
rophon" sank ein Dampfer an der nordanierikanischen Küste bei der
blofsen Berührung mit dem Sporn. Natürlich könne der Fall des
„Förth" als ein entgegengesetztes Beispiel gelten. Der „Förth" sei in
keiner Weise als Kammschiff konstruirt und könnte daher nicht als
ein Rammschiff in eigentlichem Sinne betrachtet werden. Thatsächlich
traf derselbe den Dampfer an der Verbindung zweier Kompartiments,
und verursachte der Stöfs zweifellos schwere Beschädigung; allein es
frage sich, ob sich dadurch das Problem, welches betreffs eines eigens
für Rammzwecke gebauten Schiffes vorliege, löse. Rammen sei nichts
Neues. Die Kriegsschiffe der alten Zeit waren eigens konstruirte
Rammschiffe. Die Schiffe der Römer und später die Galeeren der
Venetianer waren eigens mit dem Sporn versehen, und es lag nie
ein Grund vor, zu bezweifeln, dafs bei den alten Seeschlachten ein
erfolgreicher Stöfs dem gerammten Schiffe absolut verhängnifsvoll
wurde. Dies war die Folge davon, dafs der Sporn besonders konstruirt
war. Was den Fall des „Camperdown" betreffe, so sei er bemüht
gewesen, die Umrisse des Sporns des „Camperdown" zu ermitteln,
mid er könne als Thatsache versichern, dafs die Beschädigung dos
* Camperdown" keine Beschädigung seines Sporns war. Wenn man
die Umrisse des „Camperdown" und der „Victoria" vorgleiche, werde
man finden, dafs es deren Bau nach unmöglich war, das, was erfolgte,
zu vermeiden, namentlich, dafs der „Camperdown", als er die „Victoria"
traf, dieselbe nicht nur mit dem Sporn traf, sondern der Linie des
Schiffes unterhalb des Schnabels des „Camperdown" folgend, in Be-
rührung mit dem Panzer und mit der schweren Deckplatte der
„Victoria" geriet. Die Beschädigung erfolgte hauptsächlich an den
oberen Teilen des „Camperdown" und in keiner Weise am Sporn
selbst. Ein sehr bemerkenswerter Fall des Rammens in geringem
Grade ereignete sich bald darauf in Portsmouth Harbour, und fast
gleichzeitig war von der den Torpedobooten gegebenen besonderen
Form, dem spornförmigen Bug die Rode; diese Form scheine jedoch
jetzt aufgegeben zu sein. Man habe gesagt, dafs es lächerlich sei,
anzunehmen, das ein Torpedoboot einem in See gehenden Schiffe
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308
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht
irgend eine Beschädigung als Kammer beibringen sollte. Mr. Forster
glaubt nicht, dafs dieselben für diesen Zweck berechnet seien, allein
es sei seltsam, dafs gerade am Tage vorher der „Trafalgar" zufallig
von einem Torpedoboot gerammt wurde und dafs dessen scharfer
Schnabel gerade durch die dünne Platte des „Trafalgar" drang, so
dafs derselbe ins Dock gehen mufste und thatsächlich nicht im Stande
gewesen wäre, an einem Gefecht teilzunehmen. Das sichere Resultat
seiner Beobachtungen sei, dafs der Sporn nicht notwendigerweise eine
gefährliche Waffe für das Schiff, welches ihn führt, bildet. Er habe
jüngst eine Photographie des „Achilles" gesehen, der durch Zufall
im mittelländischen Meere gerammt wurde, welche an dessen Seite
eine scharf und glatt ausgeschnittene Höhlung zeigte, die das Schiff
effektiv aufser Gefecht gesetzt haben würde; allein für das rammende
Schiff entstand nicht die entsprechende Gefahr. Es folge nun die
Frage, ob es für den Kapitän ratsam sei, den Sporn vorzugsweise
vor jeder anderen Waffe zu gebrauchen. Hier scheine es ihm, und
was der Vortragende geäufsert habe, bestätige seine Ansicht, dafs, da
man grofse, enorme Summen kostende Schiffe mit mächtiger Armirung
und schwerem Panzer besäfse, es eine Thorheit des befehligenden
Offiziers sein würde, bei Beginn oder in irgend einer Periode des Gefechts
den Sporn zu gebrauchen, wenn der Gegner nicht bewegungsunfähig
gemacht sei, und zwar aus dem Grunde, da der Gebrauch des Sporns
die Thatsache in sich schlösse, dafs man sich im wirksamen Torpedo-
bereich befinde. Man gebe eine Million L. für ein Schiff aus, welche«
von einem Torpedo getroffen werden könne und sicherlich zerstört
würde, wenn es in den Bereich von 600 Yards gelange. Jeder Vor-
zug, dem man dem Schiffe an Geschwindigkeit, Panzerung, Mannszucht
und Geschützausrüstung gebe, werde in dem Moment neutralisirt,
wenn man innerhalb einer Entfernung von 500 Yards von einem
Themseschlepper gelange, gerade so, als wenn derselbe ein Schiff von
derselben Gröfse und Stärke wäre, vorausgesetzt, dafs der Schlepper
einen Whitehead-Torpedo mit Erfolg abfeuere. Er sei daher der
Ansicht, dafs kein mächtigeres Schiff vom Sporn Gebrauch machen
solle wie als letztes Hülfsmittel. Dies eliminire jedoch die Erwägung
der Frage nicht, ob es geraten sei oder nicht, Schiffe speziell für den
Sporn und für Rammzwecke zu bauen. Nach allem, was er gelesen
und gehört habe, neige er sehr zu der Meinung, dafs es sehr vor-
teilhaft sein werde, Schiffe für diese Zwecke zu bauen. Er kenne
den „Polyphemus" und wie derselbe seine Dienste bei seinen drei
Indienststellungen geleistet hätte, sehr wohl. Er wolle nicht behaupten,
dafs mit dem ,,l'ol\ pheraus" das letzte Wort im Schiffsbau dieser
Gattung gesprochen sei, allein er glaube, dafs kein Marine-Oltwwr
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und bei Hchiffs-Kolüaionen.
einen Moment anstehen werde, zu sagen, dafs SchiflFe, welche dem
Geschützfeuer ein verhältnifsmäfsig kleines Ziel bieten und ihre Struktur
nach dazu prädestinirt scheinen, den Sporn mit gröfstmöglichster
Wirkung zu führen und die eine grofse Geschwindigkeit besitzen, und
nur dann eingreifen, wenn ihre Dienste voraussichtlich wirksam sind,
die formidabelsten Kriegswerkzeuge sind, die konstruirt werden können.
Da Alles in Allem, zugegeben, dafs das rammende Schiff nicht sinkt,
und selbst, dafs es sinkt, es thatsächlich absolut sicher sei, dafs ein
gut gegebener Stöfs mit dem Sporn die Zerstörung des angegriffenen
Kriegsschiffs zur Folge habe. Sir Forster unterstützt die Ansicht des Vor-
tragenden daher insoweit, als sie sich hierauf bezieht, und ist der Ansicht,
dafs auf den Sporn als eine Waffe der Flotte nicht verzichtet werden
dürfe, wenn dieselbe in der besten und wissenschaftlichsten Weise
konstruirt werde; allein er tritt jeder Ermutigung, die kostbaren
Schiffe der britischen Flotte für Rammzwecke zu verwenden, entgegen,
da dieselben in ihrer gegenwärtigen Gestalt für diesen Zweck nicht
geeignet seien. Mr. E. Rupert Ilicks äufsorte hierauf: Betreffs der
Frage des Rammens sei er unbedingt der Ansicht des Vorredners,
dafs Schiffe besonders für diesen Zweck konstruirt worden müfsten
und besonders, dafs sie den erwähnten Anforderungen entsprächen.
Im Falle des „Caraperdown" würde seiner Ansicht nach dessen Be-
schädigung, welche den Bug und das Dock betraf, nicht vorgekommen,
sein, wenn sich ein solides Stahlstück über dem Bug befunden hätte
und den 2. Stöfs auffing.
Admiral Boys bemerkt: Er wünsche einiges zudem, was Sir
K. Forster geäufsert, und von dem er wünsche, dafs es nicht derart,
wie derselbe es hingestellt, in die Öffentlichkeit gelange, hinzuzufügen.
Sir Forster scheine anzudeuten, dafs ein Schiff, welches von einem
Torpedo getroffen sei, notwendiger Weise vernichtet werde. Dom
könne er keineswegs zustimmen. Bei seinen experimentalen Erfahrungen
hinsichtlich der Torpedos sei er der Ansicht, dafs, wenn ein grofses
Schiff von einem oder mehreren Torpedos getroffen sei, daraus
keineswegs folge, dafs dasselbe unbedingt vernichtot werde.
Mr. Arnold Forster erwidert hierauf: Er habe hervorzuheben
gewünscht, dafs ein grofses Schiff von einem kleineren vernichtet
werden könne, und dafs der von einem kleineren Schiff abgefeuerte
Torpedo ebenso wirksam sei, wie dasselbe von einem grofsen Schiff
abgefeuerte Projektil. Wenn er den Gegenstand stärker betont habe,
so gebe er zu, denselben etwas übertrieben zu haben.
Lieutenant W. C. Crutschley bemerkt, dafs aus dem Vortrage
der Eindruck hervorzugehen scheine, dafs gröfsere Geschwindigkeit
nicht die Gewalt verleihe, ein langsames Schiff zu rammen. Der
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310
Der Sporn (die Ramme) im Gefecht
Streit habe sich hauptsächlich auf die Annahme erstreckt, dafs sich
2 Schiffe von ungleicher Gröfse einander gegenüber befänden; allein,
bevor ein richtiger Schlufs gezogen werden könne, müfsten Schiffe
von gleicher Gröfse und Handlichkeit einander gegenüber gestellt
werden, wenn gröfsere Geschwindigkeit den Vorteil gewähren solle.
Denn 2 Schiffe gegen einander zu führen, um zu rammen, würde
ebensoviel Geschicklichkeit im Gefecht, wie die zweier Ziegenböcke im
Grünen erfordern. Der Sporn als Waffe würde als letztes Ilülfsmittel
dienen, und alsdann werde es vor Allem auf überlegene Geschwindigkeit
ankommen.
Major Blacker äufsert: Betreffs der Torpedofrage sei gesagt worden,
dafs die Furcht, von einem Torpedo getroffen zu werden, ein Schiff
davon abhalten werde, ein anderes zu rammen. Allein es frage sich,
ob andererseits irgend wie befürchtet werde, dafs ein Torpedo im Rok
in Folge eines ihn treffenden Schusses explodire und faktisch das ihn
rammende Schiff beschädige. Nur unter Wasser gehende Torpedos
könnten daher gebraucht und dieselben könnten nicht immer in der
erforderlichen Richtung gehalten werden.
Commodore Berkeley hält mit voller Geschwindigkeit gegen den
Feind zu laufen, für das sicherste für ein Schiff, welches mit einem
Torpedo angegriffen werden könne. Er habe einem derartigen Versuch
beim „Polyphemus" beigewohnt; derselbe lief etwa 7 Knoten. Zwei
Torpedos wurden innerhalb 3 Linien von seinem Bug abgefeuert und
beide gingen wenige Fufs an dem Schiff vorbei, da sie durch die Bug-
welle abgelenkt wurden. Es scheine daher am besten, mit voller Ge-
schwindigkeit gegen den Gegner zu laufen, vom Geschützfeuer Gebrauch
zu machen und wenn die Gelegenheit sich böte, vom Torpedo, und
auf jede Weise vom Sporn Gebrauch zu machen. Die Frage sei
natürlich, ob man sich auf seine Waffe verlassen könne und in dieser
Hinsicht müsse man denen, die die Kontrakte abschlössen, nicht sich
selbst vertrauen.
Mr. Laird Clowes äufserte zum Schlufs: Er bedauere, dafs die
Diskussion sich nicht noch, wie er gehofft, weiter erstreckt habe, und
er fürchte, dafs dies der Fall sei, weil er mit seinen eigenen Ansichten
zurückgehalten habe, allein er wolle dieselben nunmehr bestimmt
aussprechen. Admiral Nicholson habe einige sehr lehrreiche und ein-
leuchtende Bemerkungen gemacht. Er habe von der allgemeinen
Anwendung des Sporns bei Schlachtschiffen gesprochen. Es sei eine
interessante, diesen Gegenstand berührende Thatsache, dafs das letzte
in der Vollendung begriffene französische Schlachtschiff, der „Brennus 4 ,
keinen Sporn habe, sondern einen senkrecht stehenden Bug. ^ er
Fall des „Förth" sei als zu gewissen Folgerungen führend zitirt worden.
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und bei Schiffs-KolÜBionen.
311
Er habe zuerst beabsichtigt, in seinem Vortrage die Wirkung des
Sporns bei dem rammenden und dem gerammten Schiff, bei Zufällen
und im Gefecht, im Einzelnen zu erwägen, allein er habe gefunden,
dafs diese Art der Behandlung des Stoffes zu viel Zeit beansprucht
haben würde. Er habe unlängst bei Toulon einen sehr interessanten
Fall bei der Aktion eines rammenden Schiffes bei einem unfreiwilligen
Rammen gesehen. Es war der des französischen Kreuzers „Cecille".
Derselbe besitze natürlich keinen Sporn mit Ausnahme in dem Sinne,
wie der „Förth 14 einen besafs. Er hat nur einen zum Raramen ge-
formten Bug, der zu einem avant ä plage (Uferbug), wie die Franzosen
es nennen, erweitert ist. Das »Schiff hatte ein Handelsschiff gerammt
und die Kollision hatte einen höchst ungewöhnlichen Effekt auf seinen
Bug. Der ganze Bug war fast rechtwinkelig backbordwärts gebogen,
Nichts bis auf die Nieten hatte nachgegeben. Er war aufserordentlich
gut gearbeitet, die Platten waren sämmtlich intakt, allein fast alle Nieten
waren abgesprengt. Es sei nutzlos, den Fall, dafs Kriegsschiffe
Handelsschiffe oder dafs Handelsschiffe Eisberge rammen, als in irgend
einer realen Beziehung zu der Frage der Verwendung des Sporns im
Kriege anzuführen, da, wie der unglückliche Fall des ,,Caraperdown u
und der „Victoria" zeige, ein grofser Teil der Beschädigung, die das
rammende Schiff in solchen Fällen erleidet, durch die messerartige
Wirkung des Panzerdecks des gerammten Sclriffs erfolge und weder
Eisberge noch Handelsschiffe Panzerdecks hätten. Was den auf-
zuklappenden Sporn (dropping) betreffe, so wisse er nicht, ob es je
versucht worden sei, ein Schiff mit einem Sporn zu bauen, der in See
ohne Beschädigung der anstofsenden Struktur aufgeklappt werden
könnte. Der „Shammon" habe einen abnehmbaren, aber keinen auf-
klappbaren Sporn. In dem Falle des „Merriniac" verlor dieses Schiff
seinen Sporn, allein dasselbe beschädigte sich dabei nicht derart, um
sich nicht am folgenden Tage darauf vorzubereiten, den „Monitor 4 *
mit seinem ungepanzerten Bug zu rammen. Verschiedene Redner
schienen es für eine Frage der Stärke und Konstruktion zu halten,
ob der Sporn gebraucht werden solle oder nicht. Er beabsichtige,
seine Folgerungen später auseinander zu setzen, allein er sei der An-
sicht, dafs, wenn überhaupt eine Folgerung gezogen werden könne,
so sei es die hinsichlich der Thatsache, dafs, ob man nun einen
schwachen oder einen starken Sporn habe, man denselben so lange
nicht wirksam gebrauchen könne, als der Gegner Raum in See habe
und in der vollen Gewalt der Führung sei. üb ein senkrecht stehender
Schiffsschnabel, selbst wenn er so stark gemacht werde, um es zu
rechtfertigen, ein Schiff damit zu rammen, weniger wie der scharfe
Sporn leiden würde, wisse er nicht. Er möchte jedoch annehmen, dafs
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312
Der Sporn (die Ramme) im Ciefecht
er nicht weniger litte, weil er in der Regel die einwärtige Fall-
Linie (tumblinghome) des Bugs der modernen Schiffe sich weit unter
der Wasserlinie fortsetze und daher danach strebe, nach oben zu
reifson und das Panzerdeck des gerammten Schiffs zu heben, und
derart, indem sie die Beschädigung des Gegners verstärke, die Schnitt-
wirkung seines Decks sehr verringere. Bei einem senkrecht stehenden
Buge würde kein irgend derartiger Effekt auf das Panzerdeck hervor-
gerufen, welches den Schiffsschnabel fast rechtwinkelig schneiden und
nicht nach oben gebogen werden würde. Er sei der Ansicht, dafs
die Frage, ob der Sporn bei ermäfsigter oder bei voller Geschwindig-
keit gebraucht werden solle, der sorgfältigsten Erwägung bedürfe.
Er glaube, dafs in dem Falle des „Erzherzog Ferdinand" das Schiff
mit voller Geschwindigkeit rammte und dafs dieselbe thatsächlich erst
im Moment des Zusammenstofses verringert wurde. Es bilde sich
in der britischen Flotte eine Schule, welche mit voller Geschwindig-
keit rammen wolle, obgleich noch vor 2—3 Jahren, als die Frage
des Rammens mit voller Geschwindigkeit an dieser Stelle vorgebracht
wurde, niemand zu ihren Gunsten sprach. Die Wichtigkeit, wenigstens
mit beträchtlicher Geschwindigkeit zu rammen, zeige sich bei dem
Gefecht des „Huascar" mit der „Esmeralda". Die „Esnioralda" hatte
thatsächlich gar keine Geschwindigkeit und konnte nicht entkommen,
allein der Kapitän des „ Huascar u war bestrebt, sein eigenes Schilf
zu sichern und versuchte mit einer Geschwindigkeit von nur 3 Knoten
zu rammen. In 2 Fällen vermied die „Esmeralda", obgleich sie sich
kaum bewegen konnte, den Stöfs, und als der Kapitän des „Huascar 14
sie zuletzt rammte, mufste er mit Geschwindigkeit rammen. Mr. Arnold
Forster wünsche seine Folgerungen zu erfahren und er werde sie ihm
geben. Er bemerke, dafs er nicht mit meinen Prozentsätzen über-
einstimme und zitire Fälle zufalligen Rammens gegen dieselben. Er,
Clowes, sei nicht der Ansicht, dafs man die beiden Arten von Fällen
zusammenwerfen dürfe. In den Fällen des zufälligen Rammens seien
die Verhältnisse auf Seiten des rammenden ebenso verschiedenartige
wie auf der des gerammten Schiffes. Mr. Forster sage, dafs es in
dem Falle des zufälligen Ramniens etwas ungewöhnliches für das
rammende Schlachtschiff sei, sich selbst zu beschädigen; allein man
müsse berücksichtigen, dafs es sich in diesen Fällen gelegentlichen
Rammens im Allgemeinen ereigne, dafs, obgleich genügende Ver-
anlassung zur Beschädigung des gerammten Schiffs vorhanden sei,
der Stöfs unter so geringer Geschwindigkeit und unter solchen Um-
ständen erfolge, dafs kaum zu erwarten sei, dafs ein besonders vor-
bereitetes Schiff sich irgend beträchtlichen Schaden zufügen werde.
Im Gefecht jedoch müsse beabsichtigtes Rammen mit grofser Ge-
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und bei SchinVKollisionen.
313
schwindigkeit erfolgen oder es werde fast unmöglich, überhaupt irgend
einen Erfolg zu erzielen. Das Moment der überlegenen Geschwindig-
keit sei von verschiedenen Rednern als ein solches erachtet worden,
welches in den Stand setze, den Gegner zu rammen. Ohne Zweifel
müfste es der Theorie nach so sein, und wenn ein Schiff zurückgehe
und ein anderes mit gröfserer Geschwindigkeit an dasselbe heran-
komme, könne man von dem letzteren annehmen, dafs es im Stande
sei, zu rammen; allein die Erfahrung zeige, dafs dies fast unmöglich
sei, bevor das erstere Schiff dem andern die Gewalt über sich selbst
entreifse oder wenn die Schiffe sich in engen Gewässern befänden,
was ziemlich auf dasselbe herauskomme. Eine Bemerkung Kapitän
Berkeleys erinnere ihn daran, dafs er im Jahre 1885 einem ähnlichen
Experiment beigewohnt habe. Seiner Erinnerung nach seien die
Torpedos nicht von einem Punkte vorwärts des ^Polyphemus", sondern
von beiden Seiten abgefeuert worden, als derselbe in Berehaven ein-
lief. Die Torpedos wurden durch dessen Bugwelle abgelenkt, allein
selbstverständlich werde die Einwirkung der Bugwelle auf einen
Torpedo, der rechtwinklig zum Schiffe heranlaufe, verschieden von
derjenigen auf einen Torpedo sein, der von vorn komme, und die
heutigen Torpedos seien zweifellos in jeder Beziehung sehr verschieden
von den Torpedos des Jnhres 1885. Er wundere sich, dafs die Auf-
merksamkeit nicht auf den einen Punkt gelenkt worden sei, was das
Resultat bei dem rammenden Schiffe sein werde, wenn dasselbe zu-
fällig einen scharfen Torpedo in diesem Moment in seinem Bugrohr
habe. Dieser Punkt scheine ihm der Erwägung wert. Seine all-
gemeinen Folgerungen, soweit er dieselben in der Geschwindigkeit
formuliren könne, seien diese: 1. dafs der Versuch zu rammen für
das zu rammende Schiff nicht gefährlich sei, wenn dasselbe Raum in
See und Gewalt über sich habe, 2. dafs der Versuch zu rammen im
Gefecht stets für den Rammer gefährlich ist, jedoch in der Regel für
den Gerammten nur dann, wenn die Schiffe sich in engen Gewässern
befinden oder das zu rammende Schiff keine Gewalt über sich habe.
Allein selbst wenn das gerammte keine Gewalt über sich habe, sei
das Rammen, überdies dem Rammer gefährlich, thatsächlich unnötig,
da es im Allgemeinen andere Mittel gebe, um mit einem Schiff, das
weder zu steuern noch unter Dampf zu gehen vermöge, fertig zu
werden. Dasselbe müsse sicher zur Prise werden. Die nächste
Folgerung sei diejenige, da der Spora bei zufälligem Rammen notorisch
gefährlich sei, und da derselbe sich bei absichtlichem Rammen nicht
annähernd so gefährlich erwies, so sei derselbe daher, wenigstens der
hervorstehende Sporn, eine gefährlichere Waffe für den Freund wie
für den Feind, und besser darauf zu verzichten. Dio 4. Folgerung
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314 Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
sei die, dafs überlegene Geschwindigkeit beabsichtigtem Raininen
keinen Erfolg verleiht. Er verzichte darauf, bemerkt Mr. Glowes,
seine Ansicht über den Bau besonderer zum Rammen bestimmter
Schiffe auszusprechen. Allein es sei zu berücksichtigen, dafs im
Auslande Schiffe speziell für diesen Zweck und keinen anderen gebaut
würden, üb Schiffe, wie der „Katahdin", der eine Geschwindigkeit
von nur 17 Knoten erreiche, im Stande sein würden, im Rammen
viel zu leisten, bezweifele er sehr; allein andere Mächte bauten Schiffe
für diesen Zweck und dies sei ein Gegenstand, der in England in
Erwägung gezogen werden müsse. Der Vorsitzende schlofs hierauf
die Sitzung mit seinem lebhaften Dank für den ausgezeichneten Vor-
trag Mr. Glowes und bemerkt, dafs er glaube, dafs niemand eine
Vorstellung davon gehabt habe, dafs so viele Fälle des Rammens
vorgekommen seien, wie der Vortragende angeführt habe. 29.
XXIV.
Die strategische Bedeutung der kanadischen
Pacific-Bahn.
Nachdem die englische Admiralität die Ablösungs- Transporte
für ihre Marine- Stationen an der Westküste von Amerika bisher
stets auf dem Wege über die Landenge von Panama oder um
das Kap Horn, für die chinesische Station Hong-Kong dagegen durch
den Suez-Kanal befördert hatte, ist im Herbst des Vorjahres von der
genannten Behörde zum ersten Male anders verfügt und, in Stelle
der erstgenannten beiden Linien, die Eisenbahnfahrt von Vancouver
nach Halifax und der Seeweg von hier nach Plymouth gewählt worden.
Abgesehen von den ungünstigen klimatischen Einflüssen in Panama
und von den Gefahren für die Schifffahrt am Kap Horn, welche da-
durch vermieden wurden, ist dieser letzteren Linie gegenüber eine
Zeitersparnifs von etwa 4 Wochen dadurch erreicht worden, denn die
Überfahrt von Vancouver bis Plymouth hat nur 20 Tage gedauert,
wovon trotz 24 stündiger Verspätung nur 8 Tage auf die Eisenbahn-
fahrt und 12 Tage auf die Seereise entfallen. Man nimmt indessen
an, dafs die ganze Reise mit Hilfe eines neueren Schnelldampfers und
wenn kein Aufenthalt eintritt, in 12 bis 13 Tagen zurückgelegt werden
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
315
kann. Von Vancouver nach Yokohama legen die Dampfer der englischen
Emprefs-Line die Entfernung in 11 Tagen, bis Shangai in 14 und bis
Hong-Kong in weiteren 5 Tagen zurück.
Diese Thatsache ist wohl geeignet, erneut die Aufmerksamkeit
auf die strategische Bedeutung dieses Überlandweges für den Verkehr
Englands nicht allein mit seinen pacitischen Marine-Stationen, sondern
auch mit ganz Ost-Asien, selbst mit Australien und unter Umständen
sogar mit Ostindien zu lenken. Hatte doch schon ein englischer
Staatsmann, Lord Lytton, anläßlich des Seapoy-Aufstandes im Jahre
1858 die erste Anregung zum Bau dieser Eisenbahn gegeben. Damals
trat diese Frage indessen zunächst wieder in den Hintergrund, weil
das allgemeine Interesse sich einem neuen näher liegenden Projekte,
dem Bau des Suez-Kanals zuwandte. Drohende Verwicklungen mit
den Vereinigten Staaten von Nord- Amerika liefsen den Plan einer
strategischen Eisenbahn zwischen Halifax und Quebek wieder auf-
nehmen und, obgleich die Differenzen zwischen beiden Mächten friedlich
beigelegt wurden, die heutige staatliche interkoloniale Eisenbahn in
den Jahren 1876 bis 1878 zu Ende führen.
Inzwischen war der Suez-Kanal fertig gestellt worden und England
an der Weiterführung der kanadischen Bahn wenig interessirt, aber
die wachsende Bedeutung der westlichen Landesteile und der Umstand,
dafs der am meisten westlich gelegene Staat Britisch Kolumbia nur
unter der Bedingung der 1867 gegründeten Dominion of Kanada bei-
trat, dafs diese Bahn gebaut werde, vermochte die inzwischen ein-
gesetzte kanadische Regierung den Bahnbau über Montreal, Winnipeg
nach Vancouver weiterzuführen und statt, wie geplant, am 1. Mai 18 ( J2,
schon am 17. November 1885 dem Betrieb zu übergeben, mit alleiniger
Ausnahme einer Strecke am Nordufer des „Oberen Sees u , der vor-
läufig noch per Dampfboot überschritten wird.
Wenn nun die neuerliche Verlegung der offiziellen Etappenstrafse
für die englischen Transporte nach pacifischen Stationen vom Isthmus
von Panama beziehungsweise von der Schifffahrtstrafsc um das Kap
Horn nach Kanada von anderer Seite auf eine Bewegung unter den
französischen Kanadiern für den Anschlufs an die nordamerikanische
Union zurückgeführt wird, so möchten wir dem entgegenhalten, dafs
diese Bewegung schon seit Jahrzehnten besteht, ohne bisher besondere
Mafsnahmen der englischen Regierung veranlafst zu haben, dafs es
daher wohl näher liegt die eigentliche Ursache zunächst in dem end-
gültigen Scheitern des Panama-Unternehmens, ferner in der grofsen
^eitersparnifs, in sanitären Rücksichten, in der gröfseren Sicherheit
dieses Weges und, in dem Umstände zu suchen, dafs der Weg über
das neutrale Gebiet des Isthmus von Panama nur im Frieden offen ist.
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316
Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
Ob andererseits die kanadische Pacific-Bahn auch für den Kriegsfall
genügende Sicherheit bietet, werden wir im weiteren Verlauf unserer
Besprechung erörtern.
Die genannte Bahn erreicht in Quebek den Anschluß an die
interkoloniale Bahn und läuft über Ottawa nach Montreal, dem Mittel-
punkte des kanadischen Schienen -Netzes, soll später dem Nordrande
des oberen Sees folgen und kreuzt den Red River unter seiner Ein-
mündung in den Winnipeg-See, worauf sie sich den Felsengebirgen
zuwendet, diese überschreitet und im Thale des Frazer Flusses, bei
Vancouver und dem gleichnamigen Sunde, den stillen Ocean erreicht.
Beide Linien die staatliche interkoloniale und die kanadische
Pacific-Bahn durchmessen zusammen eine Strecke von 6432 km, wovon
auf die Linien, Halifax -Quebek 1408 km, Quebek-Montreal 375 km,
Montreal— Winnipeg 2278 km, Winnipeg — Vancouver 2271 km ent-
fallen, welche der Eisenbahnzug in nicht mehr als 7 Tagen zurücklegt
Wenn wir hiemach die abgelegene und gefährliche Fahrstrafse und das
Cap Horn ganz aufser Betracht lassen, verbleiben den Engländern in
Zukunft immer noch 3 Etappenstrafsen für die Verbindung mit Ost-
asien und Indien in folgenden Entfernungen: 1. Liverpool— Kanada-
Yokohama = 19 250 km, 2. Southampton- -Suez— Kalkutta = 13 964 km,
3. Liverpool— Kapstadt— Kalkutta = 21 073 km.
Fügen wir der Vollständigkeit halber noch hinzu, dafs die Ent-
fernungen zwischen: 1. Yokohama und Shangai 1852 km, 2. Shangai
und Hong-Kong 1481 km, 3. Hong-Kong und Singapore 2778 km,
4. Singapore und Kalkutta 2860 km betragen, so läfst sich die Länge
des Weges bis zu jeder einzelnen der zwischen Yokohama und Kalkutta
gelegenen englischen Marine-Positionen leicht berechnen. Es ergiebt
sich daraus, dafs der Weg über Kanada nach Yokohama zwar nur
wenig kürzer als über Suez ist, dagegen die Zeitdauer der Reise durch
die Benutzung der Eisenbahn nicht nur ganz erheblich abgekürzt
wird, sondern dafs auf dieser Route manche Gefahren vermieden
werden, welche die Überfahrt in der Strafse von Malakka und im
chinesischen Meere drohen. Weniger günstig gestaltet sich auf jener
Linie die Verbindung mit den übrigen ostasiatischen Stationen, bei
weitem am ungünstigsten mit Englands wichtigsten Kolonialbesitz,
mit Indien. Von Bedeutung ist sie daher nur für den Verkehr mit
den Marine-Positionen des nördlichen Teiles des stillen Oceans und
für die Vertretung dortiger britischer Interessen, namentlich Rufsland
gegenüber. Ob sie für den Kriegsfall die nötige Sicherheit bietet,
werden wir später erörtern, es sei nur schon jetzt darauf hingewiesen,
dafs hierauf vor allem Andern das gröfste Gewicht zu legen ist, weil
der ungestörte Verkehr mit seinen zahlreichen überseeischen Besitzungen
eine Lebensfrage für das britische Reich ist.
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
317
Es dürfte bekannt sein, dafs eine längere Unterbrechung dieser
Verbindungen für das Mutterland die furchtbarste Notlage, Hungers-
not und Stillstand der Mehrzahl aller industriellen Betriebe nach sich
ziehen würde.
Aus dem früher Gesagten ergiebt sich an der Hand der Karte, dafs
der Weg über Suez für Englands Verbindung mit Indien und den Ländern
des südöstlichen Asiens der kürzeste, daher für die Verteidigung
dieses Besitzes der wichtigste ist. Aber auch dieser ist ini Kriegsfalle
nicht immer oder doch nicht mit Sicherheit zu passiren. Dagegen
ist der Weg über Kanada nach Indien so erheblieh weiter als beide
Fahrstrafsen über Suez und Kapstadt, dafs dieser Unterschied auch
nicht annähernd durch die schnellere Eisenbahnfahrt über Kanada
wieder eingebracht werden kann, zumal wenn es sich nicht um die
Beförderung von Truppen, sondern von Armee-Material handelt.
Für die Sicherheit der 3 Linien im Kriegsfalle ist in erster Linie die
Stellung der europäischen Seemächte und der Vereinigten Staaten
von Amerika zu England, beziehungsweise deren Gruppirung, von ent-
scheidender Bedeutung. Rufsland steht der letzteren Macht am Bosporus,
in Central- und Ost-Asien nach wie vor feindlich gegenüber, es begünstigt
die Annäherung Frankreichs und sucht die Fühlung mit den Vereinigten
Staaten herzustellen. Frankreich vermag weder den Verlust seines
Einflusses in Ägypten zu verschmerzen noch kann es im Interesse
seines afrikanischen und asiatischen Besitzes die englische Herrschaft
über das Mittelmeer auf die Dauer ertragen; in bedrohlicher Weise
verstärkt es seine Positionen in Tunis, welche dadurch eine stete
Gefahr für das benachbarte Malta mit der englischen Fahrstrafse nach
Indien enthalten. Gemeinsam mit Rufsland voranlafste es die Pforte
zu erneutem Drängen auf die endliche Räumung Ägyptens und ist
gleich jenem unausgesetzt bemüht, seine Kriegsflotte zu verstärken.
Auf Amerika werden wir später noch Gelegenheit haben zurück-
zukommen. Es ist aus seiner abwartenden Haltung noch nicht
herausgetreten, doch weisen die Zustände auf dem amerikanischen
Kontinent, in Westindien und Ost-Asien die Kongrefs-Regierung in
den Gegensatz zu England. Eine Wandlung in der Politik Amerikas
bereitet sich augenscheinlich vor.
Andererseits ist nach den im Vorjahr im Parlament abgegebenen
Erklärungen des englischen Unterstaats-Sekretärs des Auswärtigen,
Sir James Fergusson, nicht mehr daran zweifeln, dafs Italien an der
Seite Englands für Aufrechterhaltung des Status quo im Mittelmeere
eintreten wird, dennoch ist in einem unerwartet ausbrechenden Kriege
bei der grofsen Kriegsbereitschaft der verhältnifsniäfsig starken
französischen Mittelmeer-Flotte der Fall denkbar, dafs dieselbe so
Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine. Bd. V1IIC, 3. 21
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318
Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn
grofse Vorteile erringen könnte, dafs England trotz seiner Mittelmeer-
Positionen in Gibraltar, La Valetta und demnächst auch Cypern, für
längere Zeit nicht in der Lage wäre, die Verbindung über Suez sicher-
stellen zu können. Stellt doch ein englischer Seemann, Lord Charles
Beresford, sogar die Behauptung auf, dafs der Suez-Kanal mittelst
Dynamitsprengungen unschwer gesperrt werden könne. Er empfiehlt
in Folge dessen den Weg um das Kap der guten Hoffnung als den
nach wie vor einzig sicheren. Immerhin könnte auch diese Linie in
ihrer Verlängerung über Indien hinaus, nach Ostasien, dereinst gefährdet
erscheinen, sobald die Franzosen sich in Tonkin genügend befestigt
haben werden. Vorläufig ist zudem von Seiten Englands für die
Befestigung seiner Positionen in Singapore nur wenig, in Hong-Kong
erat in neuerer Zeit mehr geschehen, Port Hamilton sogar vor einig«]
Jahren an Korea zurückgegeben worden. Bei der wachsenden Bedeutung
dieses Teiles des stillen Oceans verschliefst man sich in England deu
begangenen Fehler nicht länger und wird in Folge dessen neuerdings
für die Erwerbung der Insel Tsu Schima in der Strafse von Korea
Stimmung gemacht. Bei der Aufmerksamkeit, mit der Rufsland die
Zustände in den ostasiatischen Gewässern verfolgt und die Weiter-
entwickelung seines dortigen Kriegshafens Wladiwostok betreibt, ist es
indessen kaum wahrscheinlich, dafs England hier so leicht zum Ziele
gelangen möchte.
Günstiger liegen die Verhältnisse an der Fahrstrafse um des Kap
der guten Hoffnung. Keine Macht, selbst im Verein mit einer ver-
bündeten, wird in absehbarer Zeit in der Lage sein, England die Be-
herrschung des atlantischen und indischen Oceans streitig zu machen.
Grofsbritannien hat es sogar nicht einmal für nötig erachtet, in diesen
Meeren befestigte Marine-Positionen anzulegen und beschränkt sich
neben den Wasserstationen in Sierra Leone, Ascension, St. Helena,
Mauritius und Mombassa auf die erst in neuerer Zeit wieder ver-
stärkten Befestigungs-Anlagen von Colombo auf Ceylon.
Es bleibt noch ein 3. Weg nach Ostasien, der unter Umständen
ebenfalls die Verbindung mit Indien und Australien vermitteln könnte,
d. i. derjenige über Kanada. Hier kommen für die Fahrt von Liverpool
nach der Ostküste von Kanada 3 Linien, je 1 um die Nord- und die
Südspitze der Insel Neufundland zur Hudsons Bay und weiter auf dem
St. Lorenz-Strome nach Quebek und eine dritte nach Halifax in Frage,
welche annähernd die gleiche Entfernung, von etwa 3478 km, besitzen,
Nur die beiden letztgenannten Linien sind von Wert, weil auf der
nördlichen die SchifTfahrt während eines grofsen Teiles des Jahres
durch Eisberge und Eisschollen gefährdet wird, welche durch den
Polarstrom dorthin getrieben werden. Die beiden anderen Linien
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
319
würden annähernd gleichwertig sein, wenn die Fahrt auf dem Lorenz-
Strome nicht durch Treibeis erschwert, zeitweise sogar ganz unter-
brochen würde, wogegen die Verbindung mit Halifax stets ganz un-
gehindert ist.
Die Endpunkte dieser beiden Linien, Quebek und Halifax, sind
ersteres schwach, letzteres stark befestigt und zugleich die einzige
Stadt Kanadas, wo sich noch eine Besatzung des englischen stehenden
Heeres vorfindet. Ohno selbst befestigt zu sein deckt die Insel Neu-
fundland durch dichte Nebel und das angrenzende schwierige Fahr-
wasser dio Einfahrt in den St. Lorenz- Strom und ist der weitere Aus-
bau der Stadtbefestigung wohl aus diesem Grunde unterblieben.
Wichtiger als diese Linie ist, wie schon bemerkt, die Fahrstrafse über
Halifax, dessen Befestigungen gegen die Seeseite noch im Vorjahr
durch 2 Werke an der Hafen -Einfahrt vermehrt sind, wogegen die
Stadt nach der Landseite vollständig offen ist.
Für Quebek ist, bis auf Anlage einiger Batterien bei Point Lewis
auf dem rechten Ufer des St. Lorenz-Stromes seit Anfang dieses Jahr-
hunderts wenig geschehen, eino Vernachlässigung, welche um so
schwerer ins Gewicht fällt, als der stromaufwärts seeartig sich er-
weiternde Flufs zwischen Quebek und Montreal durch den Richelieu-
Kanal mit dem Charaplain-See rosp. dem Hudson und durch diesen
mit dem atlantischen Ocean in Verbindung steht. Die Torpedoboote
der amerikanischen Kriegsmarine sind daher wohl in der Lage, die
Wasserstrafse nach Quebek sperren zu können.
Eingleisig und nur auf einer verhältnifsmäfsig kurzen Strecke in
sehr fragwürdiger Weise durch die grofsen Seen gegen die amerikanische
Grenze gedeckt, zieht die kanadische Pacific-Bahn von Quebek in ge-
ringer Entfernung von dieser letzteren über Ottawa und Winnipeg
den Felsengebirgen und dem stillen Ocean zu. Einer der am meisten
gefährdeten Punkte ist das nicht unw ichtige Winnipeg am Red River,
nahe seiner Einmündung in den Winnipeg-See. Eine Anzahl Forts,
zum Teil im Norden der Eisenbahn, dienen nicht dem Schutz dieser
letzteren gegen die amerikanische Grenze, sondern dem Schutze des
Landes gegen die Indianer.
Ebenso ist auch der westliche Endpunkt der Bahnlinie, am stillen
Ocean noch in keiner Weise gesichert; noch mehr, die Engländer haben
sich sogar, trotz der wachsenden Bedeutung des britischen Kolumbiens,
noch nicht einmal für einen bestimmten Stützpunkt an diesem Meere
entschieden. Alles spricht dafür, dafs die Engländer der Sicherheit
ihres dortigen Besitzes nicht allzusehr vertrauen und gröfsere Auf-
wendungen scheuen. Hat sich doch auch das englische Kapital, dem
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
Bau der Pacific-Bahn gegenüber, von Haus aus durchaus ablehnend
verhalten.
Neben dem grofsen Vorzuge Endstation der Eisenbahn zu sein,
besitzt Vancouver einen guten Hafen, zu dem die Georgia-Strafse einen
sicheren Zugang bildet, an deren beiden den Engländern gehörigen
Ufern erst kürzlich Batterien erbaut wurden. Ein anderer wesentlicher
Vorzug mufs endlich darin erblickt werden, dafs die nächsten Um-
gebungen von Vancouver dem Bau von Verteidigungs- Werken nicht
ungünstig sind.
Man bat daher den Vorschlag gemacht, an der etwa 15 km weit
in das Festland einschneidenden durchschnittlich 3 km breiter Barrard-
Bucht, an deren südlichem Ufer Vancouver gelegen ist, eine Marine-
Station zu erichten. Von anderer Seite wird indessen die grofse Nähe
der amerikanischen Grenze — nur 32 km — gegen dieses Projekt
ins Treffen geführt.
Mehr Hilfsquellen als Vancouver besitzen die beiden benachbarten
Hafen-Plätze Victoria und Esquimalt auf der Insel Vancouver durch
ihre gröfsere Einwohnerzahl, besser entwickelte Marine-Einrichtungen
und Schienenwege, welche sie mit den besten Massenlagern des pa-
cifischen Küstengebietes, mit denjenigen von Nanaimo, verbinden.
Beide Orte liegen aber in geringer Entfernung von der Juan de Fuca-
und der Haro-Strafse, von denen ein Teil den Amerikanern gehört.
Diese entfalten daselbst in neuester Zeit eine erstaunliche Thätigkeit,
überdies sind im amerikanischen Marine-Budget für das Jahr 1891/92
700 000 Dollar zum Bau von Werftanlagen in Port ürchard am
Puget-Sund, südlich und nicht sehr weit von Vancouver entfernt,
ausgeworfen, deren Aufgabe es sein dürfte, nicht allein die Fint-
wickelung der amerikanischen Marine auf dem stillen Ozean zu fördern,
sondern auch die Engländer zu überwachen und ihren Marine-Anlagen
bei Vancouver das Gegengewicht zu halten.
Wie wir bereits erwähnt haben, ist für den Grenzschutz Kanadas
gegen die Vereinigten Staaten nichts geschehen; vom englischen
stehenden Heere befinden sich nur schwache Abteilungen in Halifax,
die Landes -Verteidigung liegt somit ganz in Händen der Miliz, welche
in 12 Militär-Bezirken in 4 Alters-Klassen 78 774 Mann im Alter von
18 bis 60 Jahren aufstellt, deren taktischer Wert naturgemäfs nur
ein sehr fragwürdiger sein kann, welche aber ohnehin kaum in der
Lage sein dürften, den Massen-Milizen der Vereinigten Staaten gegen-
über das Feld zu behaupten, zumal auf Verstärkungen aus dem
Mutterlande nicht zu rechnen ist, weil England jeden dort überhaupt
entbehrlichen Mann auf dem asiatischen Kriegsschauplatze nötiger
gebrauchen wird. Immerhin würde der Endpunkt der kanadischen
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 321
Pacific-Bahn, selbst noch so stark befestigt, in erster Linie nur als
Marine-Station und so lange für England wertvoll sein, als keine
kriegerischen Verwickelungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika
zu befürchten sind. Dieser Macht gegenüber und angesichts der
politischen Zustände in Kanada vermag England seinen kanadischen
Besitz nur zur See, auf seine nicht auf dem amerikanischen Festlande,
aber in der Nähe seiner Küsten gelegenen Marine-Stationen gestützt,
zu verteidigen. Hierher gehören im atlantischen Ocean die englischen
Marine-Stationen auf den Bermudas-Inseln, Kingston auf Jamaika
und St. Lucie, im stillen Ozean fehlen sie dagegen und lassen Eng-
lands Aussichten, sich in einem grofsen Kriege an diesem Meere den
Amerikanern gegenüber behaupten zu können, sehr gering erscheinen.
Nach allem würde also diese 3. Bahnstrafse nach Ost-Asien, selbst
nach Australien und Indien nur so lange ungefährdet sein, als Eng-
land die ihm bis jetzt von keiner Macht bestrittene Herrschaft über
den nördlichen Teil des atlantischen und paeifischen Occans behauptet
und die Sicherheit des Überlandweges von Halifax nach Vancouver
nicht durch Verwickelungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika
in Frage gestellt wird. Dafs diese letzteren aber leicht eintreten
können, ergiebt sich aus den politischen Zuständen in Kanada, auf
welche wir noch näher eingehen werden, aus den zwischen England
und Amerika seit lange schwebenden Fischereifragen, vor allen Dingen
aus der von dem Präsidenten James Monroe am 2. Dezember 1823
aufgestellten Doctrin: „Amerika für die Amerikaner!" Diese Parole
ist nicht ohne Einflufs auf die Ablösung der südamerikanischen
Kolonien von Spanien und auf die Zertrümmerung des mexikanischen
Kaiserthrones geblieben, sie wird auch den Anschluis Kanadas an
die nordamerikanische Union zeitigen, sobald die Gelegenheit günstig
ist. Dafs dieser Zeitpunkt aber für nicht so fern erachtet wird,
darauf deutet in den letzten Jahren die Thätigkeit in den Vereinigten
Staaten auf allen militärischen Gebieten, vor allen Dingen der Küsten-
Befestigung und des Schiffbaues behufs Gründung einer starken Flotte.
Um den strategischen Wert oder Unwert der kanadischen Pacific-
Bahn würdigen zu können, ist es nötig, die politische Lage in den
Dominions of Kanada und die Stellung der Vereinigten Staaten zu
England flüchtig zu streifen.
Erhoffte Bedeutung ftir England hat die kanadische Pacific-Bahn
erst wieder erhalten, nachdem das Panama-Kanal-Unternehmcn des
Herrn von Lesseps nicht ohne Schuld der Amerikaner endgültig zu
Grabe getragen und auf seinen Trümmern das bereits früher erwogene
Projekt einer Nicaragua-Kanal-Linie mit amerikanischen wieder auf-
gebaut worden und mit anerkennenswerter Energie derartig in die
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322
Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn
Wege geleitet ist, dafs die Vorarbeiten bereits ziemlich weit vor-
geschritten sind. Vorbedingung dieses Unternehmens ist, dafs der
Kanal unter amerikanischen Schutz gestellt wird. Den Engländern
ist dadurch von Haus aus jede Aussicht genommen, hier dieselbe
Stellung zu erringen, welche sie beim Suez-Kanal durch geschickte
Finanz-Operationen erworben, welche sie bei dem Panama-Unternehmen
bis zuletzt nicht für unerreichbar hielten.
Allerdings verhält sich die amerikanische Regierung dem Nica-
ragua-Kanal-Unternehmen gegenüber vorläufig noch mehr oder weniger
abwartend, doch bietet dasselbe, sofern es zu einem glücklichen Ende
gefuhrt wird, spezioll für Nord-Amerika zu viele merkantile und
strategische Vorteile, um die dortige Regierung nicht endlich doch
noch zu veranlassen, aus ihrer Reserve herauszutreten.
Bei dem Bestreben der Vereinigten Staaten an den Gestaden des
stillen Oceans, insbesondere auch in Ostasien, zu merkantilen Zwecken
festen Fufs zu fassen, würde eine Wasserstrafse durch Nicaragua unter
amerikanischem Schutze und Verwaltung für Amerika von unberechen-
barem Werte sein, denn abgesehen von handelspolitischen Vorteilen
durch Abkürzung der Fahrstrasse nach den grofsen Handels-Emporien
der amerikanischen Westküste, setzt sich Amerika durch seine Kon-
kurrenz in Ostasien in erster Linie im Gegensatz zu England, es wird
dadurch in diesen Breiten der Bundesgenosse Rufslands, dem es auf
solche Weise den vollen Kaufpreis für das abgetretene Alaska zahlt.
Eine Wasserstrafse durch Nicaragua ist wertlos, so lange sie
durch die englischen Marine-Stationen vor der Ostküste Nord-Amerikas
und auf den Antillen beherrscht wird. Die Übernahme dieser Linie
durch die amerikanische Regierung mufs also ebenfalls zum Zusammen-
stofs mit England führen. Es macht dieses auch die Zurück haltung
der ersteren erklärlich, so lange ihre Vorbereitungen auf militärischem
Gebiete noch nicht weiter gediehen sind.
Es hegt nahe, dafs die Engländer nach dem Zusammenbruche
des Panama-Unternehmens, als eine Weiterführung desselben oder ein
dominirender Einflufs auf die neue Linie aussichtslos war, sich eine
andere direkte Verbindungslinie mit Ost-Asien eröffneten, indem sie
zu der schon von Lord Lytton empfohlenen kanadischen Linie zurück-
kehrten, zumal die politische Lage in den Dominions of Kanada, von
wo England die früher in Hamilton, Toronto, Montreal, Quebek und
St. John bestandenen Garnisonen im Jahre 1870 zurückgezogen und
nur eine verhältnifsmäfsig schwache Truppen-Abteilung zurückgelassen,
eine gröfsere Machtentfaltung, wenn auch nur im Durchgangsverkehr,
wünschenswert gemacht hatte.
Seit dem 1. Juli 1867 ist Kanada keine englische Kron-Kolonie
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn. 323
mehr, sondern eine eigene Kolonial -Macht, eine Vereinigung der
7 Provinzen und 4 Territorien: Neu -Schottland, Neu-Braunschweig,
Prinz Edward-Insel, Quebek, Ontario, Manitoba und Britisch Columbia
beziehungsweise Assiboia, Ahabasca, Saskatehewan und Alberta.
Nur der kleinste Teil der Bevölkerung ist national englisch, und
mit jedem Jahr gestaltet sich das Verhältnifs für das Mutterland
ungünstiger. Selbst Engländer und Schotten zusammengezählt stehen
nur in der Zahl von Millionen Seelen einer starken Million Franzosen
und einer kleinen Million Iren gegenüber. Mit Vorliebe führen die
Franzosen noch immer die französischen Farben — der Trikolore —
bedienen sie sich der französischen Sprache und nicht selten geben
sie vor, kein Englich zu verstehen. Die in Kanada lebenden 200 000
Deutschen halten sich gleich den neuerdings in grofser Zahl ein-
wandernden Skandinaviern den nationalen Kämpfen fern. Dagegen
weifs sich, wie in den Vereinigten Staaten das irische Elemont, durch
seine politische Zügellosigkeit, wie durch seinen katholischen Eifer
hervorzuthun und Einflufs zu erringen. Zu England steht es wie in
der Heimat in schroffem Gegensatz.
Vor Zeiten bildete in Kanada das altfranzösische Element dasjenige
der Ruhe und Loyalität. Wesentlich seiner Treue hatte, während des
nordamerikanischen Revolutionskrieges, England die Behauptung seiner
kanadischen Herrschaft zu verdanken. Die national-englische Be-
völkerung sympatisirte dazumal mit den Virginiem, aber die Zeiten
haben sich geändert und. der Eintritt Kanadas in den Weltverkehr —
durch die interoceanische Bahn — vollendet, was die verworrenen
und ärgerlichen Verfassungsstreitigkeiten resp. die innerprovinziellen
Kämpfe von 1820 bis 1807 zu thun übrig gelassen haben. Wie das
irische blickt auch das französische Element nach Süden, und der in
den Vereinigten Staaten geradezu rapide Aufschwung des Katholieismus
büdet in dieser Richtung einen weiteren Ansporn. Sind hier doch
allein unter dem Pontifikat Leo XIII. 2 Bistümer zu Erzbistümern
erhoben und 22 Bistümer neu gegründet worden.
Von der Gesinnung der unteren Volkssclücht gab in den 80 er
Jahren der Aufstand des französischen Halbindianers Louis Rid ein
beredtes Zeugnifs. Nachdem er bereits 1869 bis 70 in Manitoba die
Fahne der Empörung entfaltet, wurde der im Jahre 1885 erneut
erregte Aufstand durch den jetzigen Lord Wolseley niegergeschlagen,
Louis Rid hingerichtet.
Seitdem nun Rufsland am 11. November 1867, um seine Interessen-
Gemeinschaft mit Amerika ins rechte Licht zu stellen, seinen Anteil
an Alaska an die Vereinigten Staaten verkauft hat und die Dominions
of Kanada nunmehr von 2 Seiten durch die grofse westliche Republik
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324 L>ie strategische Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
umspannt werden, machen dort die genannten Parteien aus ihren
Bestrebungen, die Verschmelzung mit dem nordamerikanischen Freistaat
herbeizuführen, schon längst kein Geheimnifs mehr. Treten kriegerische
Verwickelungen ein, von denen England in mehr wie einem Weltteile
nicht unberührt bleiben kann, dann dürfte auch die kanadische
Frage der Lösung entgegenreifen.
Wir haben bereits hervorgehoben, dafs seit Mitte der 80 er Jahre
sich in den Vereinigten Staaten eine auffällige Rührigkeit auf allen
militärischen Gebieten geltend gemacht hat, welche in erster Linie
der Landes -Verteidigung und zwar der Küstenbefestigung und der
Schaffung einer Kriegsflotte zu gute gekommen ist.
Bis vor 10 Jahren bestand diese letztere nur aus einer ver-
hält nifsmäfsig kleinen Zahl veralteter Fahrzeuge mit geringer Fahr-
geschwindigkeit und schwacher Armirung, wie sie zum grofsen Teil
bereits am Sezessions-Kriege Teil genommen hatten. Selbst die Monitor?
waren noch mit glatten Geschützen ausgerüstet. Zuerst im Jahre
1883, vorzugsweise aber seit dem Jahre 1885 wurde mit vermehrten
Mitteln die Schaffung einer neuen Flotte in Angriff genommen. Da
man aber von dem Grundsatze ausging, sich vom Auslande gänzlich
unabhängig zu machen und die amerikanische Industrie hinsichtlich
des Schiffsbaues und der Waffenfabrikation, sowie aller Hilfezweige
noch wenig entwickelt war, so mufstc schon aus diesem Grunde
längere Zeit vergehen, bevor eine Flotte geschaffen werden konnte,
welche, selbst wenn das nötige Personal zur Bemannung derselben
zur Verfügung gestanden hätte, der Aufgabe, die amerikanischen
Küsten gegen eine europäische Flotte zu verteidigen, gewachsen ge-
wesen sein würde. Seit don Bürgerkriegen war aber auch die Handels-
marine sehr zurückgegangen, der bei weitem gröfste Teil der ameri-
kanischen Ein- und Ausfuhr fuhr unter fremder Flagge — im Jahre
1S89 noch 8ti,25% — s ° dafs auch der Mangel an seetüchtiger
Mannschaft der schnellen Entwickelung der Marine hindernd entgegen-
trat. So erübrigte denn nun in erster Linie die Küstenbefestigung
und die Fabrikation schwerer Goschützrohre in Angriff zu nehmen,
beim Schiffbau ein entsprechend langsames Tempo einzuschlagen.
Bei New -York, Boston, Philadelphia, Washington, Hampton Roads,
Charleston, New- Orleans und San Francisco wurden unter ausgedehnter
Verwendung von Panzerbauten, schwerer Geschütze für Hohl- und
Dynamit-Geschosse, auch Torpedo-Stationen, umfangreiche Befestigungs-
Anlagen erbaut, zugleich bedeutende Mittel für die Erweiterung der
Staatswerften und der zugehörigen Maschinen -Werkstätten, Geschütz-
Giefsereien und Eisenwerke bewilligt.
Zur Prüfung der Landes -Verteidigungs- Frage wurde ferner un
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Die strategische Bedeutung der kanadischen Paeific-Bahn. ;VJ5
Jahre 1890 eine Kommission (Naval Policy Board) ernannt, um zu
beraten, welche Ziele mittelst der Kriegsflotte zu verfolgen, wie und
in welcher Stärke sie dementsprechend zusammenzusetzen sei.
Die in Amerika zur Zeit herrschende Ansicht über die politische
Lage des Landes gelangt in dem von dieser Kommission der Regierung
eingereichten Bericht so klar zum Ausdruck, dafs es angezeigt sein
dürfte, denselben auszugsweise wiederzugeben.
Zunächst spricht sich der Bericht über die günstige politische
Lage Amerikas aus und kommt zu dem Schlüsse, dafs nicht leicht
ein Staat unabhängiger und selbstständiger dastehen könne, es fehle
dagegen nicht an Anzeichen, dafs in nicht zu langer Zeit Änderungen
eintreten könnten, welche Amerika zu den verschiedensten Nationen
in allen Weltteilen, vor allen Dingen zu den nächsten Nachbarn,
in einen scharfen Gegensatz der Interessen setzen würden. Der
Bericht fährt dann wörtlich fort: „Es sind ferner die Schwierigkeiten
in Kanada, welche in den Vereinigten Staaten ein empfindliches Mifs-
trauen gegen seinen Mangel an Kriegsbereitschaft erweckt haben,
welches durch die weitere Entwickelung der Landmacht iii keiner
Weise gehoben werden kann. Dem Bewufstsein, dafs der atlantische
und paeifische Ocean einer feindlichen Invasions-Armee ein unüber-
windliches Hindernifs entgegenstellen, steht die bedauerliche Thatsachc
gegenüber, dafs die langgestreckten Küsten Amerikes jedem Gegner,
der in der Lage ist, sie zur See angreifen zu können, eine starke
Versuchung sind. Amerika hat nur einen Angriff von der Seeseite
zu fürchten und es handelt sich darum, einem solchen zu begegnen."
Der Bericht berührt hiernach die Unzulänglichkeit der maritimen
Streitkräfte Amerikas fremden Seemächten gegenüber und berechnet,
dafs der Geldwert der Ein- und Ausfuhr des Landes auf dem Seewege
etwa (> Milliarden Mark beträgt und dafs der Geldwert des Küsten-
handels mindestens dieselbe Höhe erreicht, wogegen der Schaden, der
durch eine Blockade herbeigeführt werden würde, sich überhaupt
nicht annähernd feststellen liefse. Von der Ansicht ausgehend, dal's schon
eine 3 monatliche Blockade New-Yorks in ihren Folgen mehr Unheil an-
richten würde, als ein Bombardement der Stadt, gelangt die Kommission
zu dem Schlüsse, dafs mit gröfstmöglicher Eile dahin zu streben sei,
eine Kriegsflotte zu schaffen, welche nach Zahl und Bauart ihrer
Schiffe im Stande sein müfste, jeder Seemacht der Welt gegenüber
den amerikanischen Handel zu schützen, die Blockade seiner Häfen
zu verhindern.
Den in dieser Richtung angestellten Berechnungen wurden durch-
gehends die für einen Krieg mit England unter günstigon Verhältnissen
verfügbaren Stärke -Verhältnisse der onglischen Kriegsflotte zu Grunde
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32G
Die Htrategwche Bedeutung der kanadischen Pacific-Bahn.
gelegt und der Neubau von 92 Kriegsschiffen in Zeit von 13 Jahren
beantragt, auch besonderes Gewicht darauf gelegt, dafs die amerikanische
Flotte im Stande sein müsse, sofort bei Ausbruch eines Krieges aus-
zulaufen, um eines Teils in gröfsercr Entfernung von der Küste zu
operiren, anderen Teils um innerhalb einer Entfernung von 1000 See-
meilen von der Küste alle feindlichen Marine- und Kohlen-Stationen
zu zerstören und die eigenen Häfen offen zu erhalten, während einzelnen
besonders schnellen geschützten Kreuzern für weite Fahrt, sogenannte
Commerce Destroyers, die Aufgabe zufiele, auf allen Meeren durch
Vernichtung seiner Handelsschiffe und Kreuzer jeder Art dem Gegner
möglichst viel Abbruch zu thun. Vorzugsweise sollte sie hiernach
aus einer kleinen Zahl von Schlachtschiffen für weite Fahrt, einer
gröfseren Zahl für kurze Fahrt, Kreuzern einschliefsbch der Handels-
zerstörer und Rammschiffen bestehen, zu denen noch, über die oben-
genannte Zahl von 92 Schiffen hinaus, 100 Torpedo-Boote binzutreteo
sollten.
Wenn nun auch die Kongrefs- Regierung diesem Antrage vorläufig
nur teilweise zugestimmt und nur eine verhältnifsmäfsig geringe Zahl
von Schiffen in Auftrag gegeben, so hat sie sich doch hinsichtlich
der Klasse der Schiffe die in dem Berichte niedergelegten Grundsätze
zu eigen gemacht und damit gewissermafsen den Landes -Verteidigungs-
plan genehmigt. Es erscheint somit nicht unwahrscheinlich, dafs auch
derFlottengriindungsplan in seinem ganzen Umfange, wenngleich nicht in
so kurzer Zeit, zur Durchführung gelangen ward. Ganz abgesehen von
finanziellen Rücksichten ist in dieser Richtung jedenfalls die für diese Auf-
gabe ungenügende Entwickelung der amerikanischen Industrie be-
stimmend gewesen, da dieser, wie wir schon früher angeführt haben,
ohnehin noch nicht die genügende Erfahrung im Entwerfen und Bauen
von Kriegsfahrzeugen, noch in der Fabrikation von schweren Geschützen
und Panzerplatten zur Seite steht, deren Anfertigung aber unabhängig
vom Auslande durchgeführt werden soll. Auch ist es kaum wahr-
scheinlich, dafs die vorhandenen Werften und Geschützgiefeereien
dieser Aufgabe gewachsen sein werden. Für ihre Erweiterung sind
daher bedeutende Geldmittel bewilligt worden. Keinen falls würde
aber ein ausreichendes Personal zur Bemannung der Schiffe in so
kurzer Zeit zu beschaffen sein.
Wenn wir bei den militärischen Mafsnahmen der Vereinigten
Staaten etwas länger verweilt haben, so geschah es, weil sie schlagender
als alles Andere die Wandlungen zum Ausdruck bringen, welche sich
in der Politik Amerikas vorbereiten, weil sie darauf schliefsen lassen,
dafs diese Macht den Moment nahen sieht, wo auch sie ein ent-
scheidendes Wort in den schwobenden Fragen mitzureden hat.
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Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung.
327
Es liegt durchaus kein Grund zu der Annahme vor, dai's die
Vereinigten Staaten sich gewaltsam in den Besitz Kanadas setzen
werden, sie dürfen geduldig ihre Zeit abwarten, denn es ist mehr
wie wahrscheinlich, dafs bei dem ersten Kanonenschufs, der in Europa
oder Zentral-Asien fällt, sofern dieser Krieg England in Mitleidenschaft
zieht, der Anschlufs der Dominions of Kanada an den erstgenannten
Freistaat sich ohne dessen Zuthun vollzieht; dafs dieser aber gewillt
ist, den neuen Besitz mit allen Mitteln zu behaupten, dafür bürgen
seine Vorbereitungen für die Landes -Verteidigung.
Darum, wir wiederholen es, ist der strategische Wert der
kanadischen Pacific-Bahn für England nur ein sehr geringer. Im
Frieden nur für die Verbindung mit Vancouver und Yokohama, allen-
falls noch für Shanghai von Wert, bedingt diese Etappenstrafse für
alle übrigen Marine-Positionen einen Umweg, für die meisten auch
einen Verlust an Zeit, trotz der Benutzung der Eisenbahn auf dem
Überlandwege. Für den Kriegsfall kann sie aber nur dann in Frage
kommen, wenn zuverlässige Garantien für die Haltung Amerikas vor-
liegen, eine Bedingung, auf deren Erfüllung in dem nächsten grofsen
Kriege Englands keinenfalls zu rechnen ist. 44.
XXV.
Das russische Drei -Linien -Gewehr
und seine Verwendung.
Die Umbewaffnung der russischen Armee schreitet ununterbrochen
vorwärts, und der Zeitpunkt ist nicht mehr fem, an welchem die
ganze Armee einheitlich mit dem neuen kleinkalibrigen Magazingewehr
bewaffnet sein wird. Als letzte der grofsen europäischen Armeen hat
die russische sich zur Annahme eines Magazingewehres entschlossen,
und es hat schwere Kämpfe gekostet, bevor dieser Entschlufs Ver-
wirklichung finden konnte.
Als Hauptkämpfor gegen ein Magazingewehr war General Drago-
mirow mit der ganzen Macht seiner Autorität in die Schranken getreten
da seiner Überzeugung nach, eine Erhöhung der Schiefsgeschwindigkeit
unbedingt eine Verminderung der Treffgenauigkeit zur Folge haben
müsse. „Keinem Zweifel unterliegt jene physische Thatsache, dafs der
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328
Da« russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung.
Mensch, je mehr er zur Erreichung irgend eines, namentlich eines
Gefechts-Zwecks, auf das Werkzeug hofft, um so weniger sich selbst ver-
traut .... Wovon hängt ein erfolgreiches Schielsen ab? Von Treff-
genauigkeit und Schnelligkeit. Was ist wichtiger: Treffgenauigkeit oder
Schnelligkeit? Darüber kann kein Zweifel bestehen. Befinden sich
diese Begriffe in Übereinstimmung oder in .Widerspruch zu ein-
ander, d. h. wächst oder verringert sich die Treffgenauigkeit mit zu-
nehmender Feuergeschwindigkeit? Sie befinden sich in Widerspruch,
d. h. die ideale Feuergeschwindigkeit schliefst die Treffgenauigkeit,
die ideale Treffgenauigkeit die Feuergeschwindigkeit völlig aus.
Kin schnelles Schicfsen ist im Grunde ein Unding; seinen Eigenschaften
nach kann der Mensch von einer solchen Beschleunigung keinen
Gebrauch machen, denn er vermag nicht in gleichem Mafsc schneller
die Entfernung zu schätzen, das Visir zu stellen, zu zielen. Indessen
ist die Verführung, von dieser Schnelligkeit Gebrauch zu machen,
grofs, und das Geknalle beginnt. Die Grundlage aber für jede Feuer-
Taktik mufs ein möglichstes Sparen der Patronen bilden, d. h. ein
Schicfsen nur bei wirklicher und grofser Treffwahrscheinlichkeit, ohne
jemals darauf zu rechnen, dafs die Kugel von selbst ihr Ziel findet.
So ist es gewesen, und so wird es stets sein, und, um so mehr, je
gröfser die Treffgenauigkeit einer Waffe ist. Eine Treffwirkung durch
Schiefsgeschwindigkeit erzielen zu wollen, hätte man allenfalls damals
können, als man auf 300 Schritt nicht sicher war, ein dreistöckiges
Haus zu treffen; da inufste man allerdings unwillkürlich auf den Gedanken
kommen, die mangelnde Qualität der Schüsse durch ihre Quantität zu
ersetzen. Jetzt aber müfste doch wohl ein Jeder einsehen, dafs, wenn
das Geschofs nicht trifft, dieses nicht Schuld der Waffe, sondern
Schuld des Schützen ist, indem er nicht die nötige Aufmerksamkeit
auf dasjenige verwendet, was den Schufs sicher macht, und was
seinem Wesen nach nicht übereilt sein darf, da es grofse Aufmerksamkeit,
Genauigkeit, Umsicht und Ruhe erfordert. Wälde das Ziel, schätze
die Entfernung, stelle das Visir und ziele, indem du Wind und Be-
leuchtung in Rechnung ziehst; und dann drücke so ab, dafs du gut
abkommst. Ist das Ziel verschwunden, so setze ab und schiefse nicht auf
gut Glück. Allerdings, Vergnügen ist wenig dabei; noch weniger
Befriedigung des thierischen unüberlegten Instinkts der Selbsterhaltung,
es wird vielmehr beständige Gedankenarbeit, Selbstbeherrschung,
furchtbar viel Selbstbeherrschung, und das von dem letzten Soldaten
verlangt. Ja, so zehn Schufs in ein paar Sekunden zu verknallen,
das macht Spafs! Ob sie treffen, oder nicht, was thut das! Wir
verschiefsen viel, irgend etwas davon wird schon treffen! Sehr
wenig trifft, manchmal auch garnichts . . . Daher ist, unserer
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Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung.
320
festen Überzeugung nach, alles, was den Soldaten geneigt macht, sich
zu beeilen, schädlich und unsinnig. Uns scheint es, dafs jegliches
lebhafte Feuer aus der Friedensausbildung, sowohl beim Schiefsen,
als auch bei den Felddienstübungen, auszuschliefsen ist. Vor Allem
und hauptsächlich mufs der Soldat in dem Gedanken bestärkt werden,
dafs das schnelle Laden nur dazu notwendig ist, damit ihm mehr
Zeit zum Zielen verbleibt, durchaus aber nicht dazu, um mehr
Patronen zu verschiefsen. Fast täglich mufs er daran erinnert werden,
dafs er Patronen sparen mufs. So mufs er erzogen sein, dafs er jede
Kugel, bevor er sie verschiefst, als einen Dukaten, und zwar als seinen
letzten ansieht. „Sei wie ein Jude auf die Kugel . . . spare eine
Kugel drei Tage, ja selbst während des ganzen Feldzuges auf, wenn
du keine Verwendung für sie hast; schiefse langsam, aber sicher ! u
. . . Das Ideal des Schützen ist, dafs nicht eine Kugel verloren
gehe; dafs er mit sich nicht 80 Patronen, sondern 80 Tote trage.
Furchtbar ist es, sich auch nur eine einzige Kompagnie vorzustellen,
in welcher ein jeder Mann von seinen 80 Patronen auch nur mit 20
trifft: wahrlich, eine solche Kompagnie würde 3200 Mann, d. h. ein
Regiment zu vier Bataillonen, aufser Gefecht setzen . . . Wir müssen
mehr an der Genauigkeit wie an der Geschwindigkeit arbeiten,
darin liegt mehr Berechnung ... Üb ein Krieg zum Ruin führt, oder
nicht, das ist im Voraus nicht zu sagen. Die ewigen Umbewaffnungcn
aber führen sicher zum Ruin . . . Ein Magazin-Soldat (d. h. ein durch
seine Belastung nicht zu Boden gedrückter, ein disziplinirter und
nicht erschöpfter Soldat) ist besser, als das beste Magazin-Gewehr . . u
Mit diesen und anderen Gründen hat General Dragomirow jahre-
lang, und anfänglich mit Erfolg, gegen Einführung eines Magazin-
Gewehrs angekämpft, und wenn er auch schliefslich in diesem Kampfe
unterlegen ist, so ist es doch von Interesse, sich seine Ansichten zu
vergegenwärtigen, da es bekannt ist, welche Wichtigkeit man in der
russischen Armee den Anschauungen dieses Generals beimifst. Der
Ausspruch Ssuworows „Die Kugel geht fehl, das Bajonett fehlt nicht;
die Kugel ist eine Thörin, das Bajonett aber ist ein braver Bursche"
ist von Dragomirow zu neuem Leben erweckt worden, und dem-
entsprechend sucht man auch in der Gefechtsausbildung den Bajonett-
kampf als das zu erreichende Ziel in den Vordergrund zu stellen.
In gewisser Beziehung hat man diesen Anschauungen auch bei Ein-
führung des neuen Gewehrs Rechnung getragen.
Es würde zu weit gehen, hier eine eingehende Beschreibung des
Gewehrs zu geben; in Bezug hierauf verweisen wir auf eine vor
Kurzem erschienene kleine Schrift, welche eine Bekanntmachung mit
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Das russische Drei- Linien-Gewehr und seine Verwendung.
dem neuen russischen Gewehr bis in die Einzelheiten ermöglicht*).
Es seien hier nur die charakteristischen Merkmale des Gewehrs,
namentlich diejenigen Punkte erwähnt, in welchen es sich von unserem
deutschen Gewehr unterscheidet.
Das Gewehr ist ein Magazingewehr mit Packetladung; das
Magazin hat die gleiche Lage, wie beim deutschen Gewehr, d. h. es
liegt unter der Patroneneinlage der Kammerhülse. Das Kaliber des
Gewehrs beträgt drei Linien = 7,G*2 mm; das Gewehr wiegt mit Bajonett:
4,3 kg, ohne Bajonett: 4,0 kg.
In seinem äufseren Ansehen unterscheidet sich das russische
Gewehr von dem unsrigen vor Allem dadurch, dafs es ein Bajonett
hat, welches bei der Infanterie stets aufgepflanzt getragen wird; hierin
liegt eines der Zugeständnisse, welche von den Ssuworow'schen Über-
lieferungen von dem „wackeren Burschen" gemacht hat; sogar das
Dragoner-Gewehr hat ein Bajonett, mit dem Unterschiede allerdings,
dafs dieses für gewöhnlich in einem Futteral an der Säbelscheide
getragen und erst beim Absitzen zum Fufsgefecht aufgepflanzt wird.
Ferner ist das russische Gewehr bis dicht an die Mündung des Laufes
geschäftet. Einen Laufmantel hatte das anfängliche Modell des Gewehrs
überhaupt nicht ; in Folge dessen stellte es sich bald heraus, dafs sich,
nach andauerndem lebhaften Schiefsen, der Lauf derartig erhitzte,
dafs es unmöglich war, ihn mit der Hand zu umfassen; um diesem
Cbclstande abzuhelfen, hat man nachträglich dem Gewehr eine Art
von hölzernen Laufmantel, oder richtiger „Laufbelag'* gegeben;
dieser Laufbelag ist ein langes muldenförmiges Stück Holz, das oben
auf den Lauf gelegt und mit seinen messingenen Endstücken unter
dem Ober- und Unterring befestigt wird; der ganze Lauf ist also vom
Visir bis dicht an die Mündung ringsum von Holz umgeben;
dieser Laufbelag erfüllt nur den einen Zweck, die Handhabung des
erhitzten Gewehrs zu erleichtern, dagegen bietet er selbstredend dem
Lauf keinen Schutz gegen die Einwirkungen des Schaftes. Das Visir
ist, wie auch dasjenige des alten Berdan-Gewehrs, ein Treppen- und
Leiter- Visir und gestattet ein Schiefsen bis auf 2700 Schritt (1920 nu
Das Schlofs des russischen Gewehrs hat grofse Ähnlichkeit
mit demjenigen des deutschen Gewehrs, auch ist das Zusammenwirken
der Schlofsteüe fast genau das gleiche; nur finden wir beim russischen
Gewehr einen Schlofsteil mehr, nämlich die „Verbindungsleiste'S
welche die Verbindung des Verschlufskopfs mit der Kammer und dem
*) Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Schufslcistungen: zweite
Auflage, mit Zeichnungen im Text und einer Zeichentafel; von Frh. v. Tetta» ?
Prem. -Lt., komm. z. Generalstabe. Hannover, Hehving, 1894.
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Da« russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung. 331
Schlöfschen bewirkt; es kann ferner bei dem russischen Gewehr garnicht
vorkommen, dafs aus Unachtsamkeit ohne aufgesetzten Verschlufskopf
geschossen wird. Die Sicherung des Gewehrs wird dadurch bewirkt,
dafs das Schlöfschen zurückgezogen und dann links gedreht wird,
wobei es mit einem Sicherungs-Ansatz in eine Ausfräsung am Kammer-
boden eintritt.
Das Magazin wird, ebenfalls wie bei unserm Gewehr, mit fünf
Patronen geladen, und doch finden wir gerade hier, beim Laden des
Gewehrs, eine wesentliche Abweichung von der Handhabung des
deutschen Gewehrs. Der Patronenrahmen ist nämlich nur wenig über
1 cm hoch und umschlicfst nur den untersten Teil der Patronenhülsen ;
beim Laden nun legt sich der Daumen der rechten Hand vor dem Rahmen
auf die oberste Patrone und drückt die Patronen in das Magazin
herunter; der Rahmen dagegen wird nicht mit eingeladen, sondern,
nachdem die Patronen im Magazin verschwunden sind, fortgeworfen;
hierdurch nun wieder ist es ermöglicht worden, dem Zubringer des
Magazins eine solche Form zu geben, dafs er, nach ausgeschossenem
Magazin, die untere Öffnung der Kammerhülse vollständig ausfüllt,
so dafs das Gewehr in gleicher Weise als Einzellader, wie als
Mehrlader verwandt werden kann. Auch hierin kann man ein
Zugeständnifs an die Gegner der Magazingewehre erblicken.
Dieses sind im Grofsen und Ganzen die charakterischen Eigen-
tümlichkeiten in der Einrichtung des Gewehrs. Wenden wir uns
jetzt zu seiner Leistungsfähigkeit, so schon wir, dafs letztere im
Allgemeinen den an ein modernes Gewehr zu stellenden Anforderungen
entspricht.
Die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses beträgt, wie beim
deutschen Gewehr, 620 m.
Die Einfallwinkel sind auf Entfernungen bis 1000 m die gleichen,
auf weiteren Entfernungen aber gröfsere, als beim deutschen Gewehr;
dementsprechend ist auch die Gesammtschufsweito des ersteren
eine geringere (bei einem Erhöhungswinkel von 31° 3(>' — 3057 m,
während die deutsche Schiefsvorschrift bei einem ungefähr gleichen
Erhöhungswinkel die Schufsweite auf 4000 m angiebt).
Die Flughöhen sind für die gleichen Entfernungen bei beiden
Gewehren ziemlich die gleichen; da aber das niedrigste Visir des
russischen Gewehrs auf 284 m (400 Schritt) Kernschufs hat, so sind
die Flughöhen bei diesem Visir durchschnittlich um 0,1 m gröfsere
als beim Standvisir des deutschen Gewehrs.
Die Gröfse der bestrichenen Räume ist beim russischen und
deutschen Gewehr ebenfalls ungefähr die gleiche, nur in einem
Punkte ist die Leistungsfähigkeit des russischen Gewehrs derjenigen
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Das russische Drei-Linien-Gewehr und seine Verwendung.
des deutschen weit unterlegen, und zwar bez. der Treffgenauigkeit;
die Seitenstreuung ist beim russischen Gewehr fast doppelt so grofs,
als beim deutschen Gewehr, so beträgt sie z. B. auf 500 m — 106 cm
(beim deutschen Gew. 53 cm); die Höhenstreuung ist auf den nahen Ent-
fernungen ebenfalls eine weit gröfsere (auf 150 m — 34 cm; beim
deutschen Gewehr 17 cm), gleicht sich aber auf den weiteren Ent-
fernungen aus (auf 500 m — russ.: 115 cm, deutsch.: 102 cm).
Die scharfe Patrone ist ebenfalls der deutschen sehr ähnlich,
nur hat sie einen Patronenboden mit Krempe; ihr Gewicht beträgt
20,2 gr. — Das Geschofs (14 gr.) besteht aus Hartblei und ist in einen
Mantel von Melchior gepresst, die Pulverladung beträgt 2,22 gr. rauch-
losen Pyroxylin-Pulvers.
Was nun die Verwendung des Gewehrs betrifft, so geht durch
die ganze russische Schiefsvorschrift das Bestreben, der Salve den Vor-
zug vor dem Schützenfeuer zu geben. Es hcifst dort u. A.:
. . . „Massenfeuer, von Abteilungen in der Stärke von V» Kompagnie, ist
namentlich als Salvenfeuer abzugeben . . . u ferner: „. . . Die Feuerpausen
geben die Möglichkeit, beim Erscheinen eines neuen Zieles alle Gewehre
auf dieses Ziel zu richten und Salven anzuwenden, welche wirk-
samer als Schützenfeuer sind . . Dementsprechend wird auch
bei der Schiefsausbildung grofses Gewicht auf Salvenschiefsen gelegt;
so schiefst die Infanterie, abgesehen von gefechtsmäfsigen Schiefs-
übungen, auf dem Scheibenstande 5 Salven in ausgeschwärmten
Zügen auf Entfernungen zwischen 570 und 850 m, 5 Salven in Halb-
kompagnien in Linie auf Entf. zwischen 850 und 1300 m, und 10 Salven
in Kompagnien in Linie auf Entf. zwischen 1420 und 1850 m; die
Kavallerie schiefst 5 Salven in ausgeschwärmten Zügen, 10 Salven
aus Eskadrons in Linie, auf Entf. zwischen 1400 und 1700 m. Da-
gegen ist die Ausbildung im Einzeln-Schulschiefsen eine sehr schwache,
im Einzeln -Gefeehtssehiefsen überhaupt nicht vorhanden und im
Abteilungsschiefsen eine sehr wenig gefechtsgemäfse.
In Bezug auf die Feuergeschwindigkeit sind die Mannschaften
so zu erziehen, dafs nicht mehr als 2—3 Schilfs von jedem Mann
in der Minute abgegeben werden, wenn es erforderlich ist, das Feuer
ununterbrochen zu unterhalten. Aulser Salve und Schützenfeuer
kennt die russische Vorschrift keine weiteren Feuerarten. Das Ver-
fahren, etwaige Schätzungsfehler auf weiten Entfernungen durch Wahl
von zwei um 100 m auseinanderbiegenden Visirstellungen einigermafsen
auszugleichen kennt die russische Vorschrift nicht.
Dagegen wird grofses Gewicht auf das „ Entfernungsschätzen
nach dem Augen mafs u gelegt. Offiziere und 20 Mann von jeder
Kompagnie und Eskadron sind im Entfernungsschätzen bis zu
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Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
333
3000 Schritt zu üben. Die Übungen im Entfernungsschätzen finden
in unbekanntem Gelände statt; bei der Infanterie sowohl als auch
bei der Kavallerie haben jährlich mindestens 9 solcher Übungen statt-
zufinden; bei jeder Übung hat jeder Mann mindestens 4 Entfernungen
zu schätzen. Aufserdem sind alle Offiziere im Schätzen von Ent-
fernungen bis zu 3000 Schritt vermittelst des Entfernungsmessers
zu üben. — Man beschränkt sich also in Rufsland darauf, nur wenige
Leute, diese aber gründlich im Entfernungsschätzen auszubilden. Sehr
zweckmäfsig erscheint die Bestimmung, dafs die Übungen in un-
bekanntem Gelände, und nicht etwa, wie es so häufig bei uns geschieht,
auf dem nach allen Richtungen hin bekannten Exerzirplatz stattfinden.
Bemerkenswert ist es ferner, dafs die Ausbildung der Offiziere im
Entfernungsschätzen unter Leitung des Bataillons-Kommandeurs statt-
findet, während bei uns leider für die Übung der Offiziere im Eni*
fernungsschätzen, namentlich auf weiten Entfernungen, im Allgemeinen
recht wenig geschieht.
Dieses sind die Grundzüge für die Verwendung des neuen
russischen Gewehrs. In ihm besitzt die russische Armee eine treff-
liche kriegsgemäl'se Waffe, und wenn ihre Verwendung auch mit den
bei uns herrschenden Anschauungen vielfach in Widerspruch steht,
so darf man auch nicht vergessen, dafs die russische Armee mit
anderen Bedingungen, vor allen Dingen mit einem anders gearteten
Menschenmaterial zu rechnen hat. Jedenfalls steht die russische
Armee, nach vollendeter Umbewaffnung, in Bezug auf die Leistungs-
fähigkeit ihres Gewehrs — hinter keiner anderen Armee zurück. 42.
XXVI,
Kleine heeresgeschichtliche Mitteilungen.
1. Ein militari sehen Erinnerungszeichen ans dem Jahre 1793.
Im vorigen Jahrhundert war es Sitte, das Andenken an hervorragende
Waffenthat durch Medaillen zu verherrlichen, welcne den an derartigen
Ereignissen besonders ruhmvoll Beteiligten zur Erinnerung verliehen
wurden. Wir erinnern an die Molwitzer, Soorer und Leuthener, dann
die Colberger Medaille, zur Erinnerung der Verteidigung von Colberg
gegen die Russen 1700. Der Nachfolger Friedrichs des Grofsen,
Jihxbttcher fttr die LHuUche Arme« und Marine. Bd. VUIC, 3. 22
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Kleine heeresgeachichtliche Mitteilungen.
Friedrich Wilhelm II., hat diesen Brauch beibehalten. — Eine in
meinem Besitz befindliche, aus dem Nachlasse meines Urgroßvaters
stammonde Medaille ist zum Andenken an die Eroberung von Mainz
geschlagen worden. Dieselbe ist von feinem Silber in Gröfse eines
Thalers. Die Vorderseite zeigt das wohlgetroffene Brustbild (Profil)
des Königs in der Uniform jener Zeit, am Rande die Inschrift:
„Friedr. Wilh. II. Selbstverteidiger Des Deutschen Reiches/
— Die Kehrseite zeigt das belagerte Mainz, über dessen Thürmen der
Blitze schleudernde preufsische Adler schwebt. Am Rande die In-
schrift: „Mainz von den Franzosen befreit", am unteren Teile
in wagerechter Schrift die Worte: „Mit Deutschen Truppen be-
setzt d. 2-2. July 1793." Der vormalige Besitzer dieser Medaille ist
der 1812 gestorbene Major Zorn der Artillerie, mein Urgrofsvater,
der sich als Pr .-Lieutenant bei der Belagerung von Mainz den Ordea
pour le merito erwarb. Sek.
2. Die Kommandeure der Regimenter zur Zeit Friedrich
Wilhelms betrachteten gewissermafsen ihre Regimenter als eine Do-
mäne, für deren Abtretung, beim Wechsel des Chefs, der Nachfolger dem
Vorgänger eine bestimmte Summe bezahlen mufste. — Das Abkommen,
welches der Oberst v. Bornstädt vom Regiment „Grenadiere zu Pferde-
des General v. Dertt'linger (im Jahre I H()(i Dragoner-Regiment Nr. 3),
am 21. März 1715 mit seinem Nachfolger, Truchsefs Graf zu Wald-
burg, traf, bezog sich auf Zahlung von 300 Dukaten, nebst baarer
Bezahlung der Kompagnie-Schulden, „welche sich jedennoch über
800 bis 900 Thaler Courant nicht erstrecken werden," in 6 Tagen
nach Sicht dieses Kontraktes.
(v. Hagen, Gesch. des neumärk. Drag.-Regts. Nr. 3).
3. Das Ausehen der preußischen Offiziere zur Zeit
Friedrichs d. Gr. war auch im Auslande ein sehr grofses, wie folgender
Vorfall beweist. Der Kommandeur des Regiments Gensdarmes, Oberst
v. Schwerin, schreibt am 5. August 17(>2 an den König: „Ks hat der
Burggraf zu Nim wegen, Baron v. Linden, seinen Vetter, Namens Baron
v. Deelen, in Begleitung eines holländischen Kapitäns anhero geschicket
und mich gebeten, Ew. Kgl. Majestät unterthänigst zu bitten, diesen
v. D. als Kornet beim Regiment Gensdarmes zu playiren. Da dieser
Mensch von sehr vornehmer Familie, auch von sehr gutem Vermögen,
dabei eine holländische Kompagnie ausgeschlagen hat, um das Glück
zu haben, Ew. Kgl. Majestät zu dienen, so bitte ich u. s. w.
(Leben des Gen.-Feldm. D. G. v. Natzmer. S. 447.) Sch.
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XXVII.
Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
Die Welt-Ausstellung von Antwerpen 1894.
Die Ausstellung enthält eine grofse Zahl von militärisch wich-
tigen Objekten, auf welche wir einen allgemeinen Blick werfen wollen.
Wir werden dann unter den passenden Aufschriften noch Einzelheiten
ergänzungsweise hinzufügen.
Als Staatswesen haben sich nur das Königreich Belgien und
der mit demselben innig verwachsene unabhängige Kongo Staat be-
teiligt. Belgien präsentirt so ziemlich sein ganzes Armee -Material,
zum Teil auch seine Armee-Geschichte, die Kartographie und die
dem Interesse des Heeres dienende Litteratur. Besonderes Neues
wird im Allgemeinen nicht geboten. Der Kongostaat stellt uns sein
lebendes Material in prächtigen Exemplaren vor und u. a. in Nach-
bildung die Transportweise der in dem unwegsamen Lande allein
denkbaren Artillerie.
Von der Privat-Industrio der verschiedenen Länder haben
Kriegs-Material aufser Belgien Frankreich, Österreich, Deutschland, Eng-
land ausgestellt; eine Spur von Beteiligung zeigen auch die Niederlande.
Von England haben sich drei Firmen durch Ausstellung von Schiffs-
Modellen beteiligt, Armstrong, Mitchell and Co. in New Castle
o/T., Fairfield Shipsbuilding and Engineering Co. in Glasgow und
James and George Thomson (Limit.) Clydebank. Armstrong
hat das in dem Mittelmeer untergegangene Schlachtschiff „Victoria"
(10 510 t), sowie den argentinischen Kreuzer „25 de Mayo" (3180 t)
und den japanischen Kreuzer „Yoshino" (2800 t), Fairfield die
russische Kaiser -Yacht „Livadia" (11 802 t), Thomson das englische
Schlachtschiff „Ramillies" (14 300 t) und den spanischen Panzerkreuzer
„Reina Regente" (5600 t) vorgeführt. An Schiffs -Modellen zeigt der
Vulkan in Stettin das Panzerschiff I. Kl. „Brandenburg" (10 000 t),
den Aviso „Comet" (1)75 t), beide 1803 vom Stapel, sowie das bereits
22*
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336
Umschau auf miütartechnischem Gebiet,
1883 abgelaufene chinesische Turinschiff „Ting-Yuen" (7350 t), die
„Nederlandsehe Stoomboot Maatschappij " zu Feijenvord bei
Rotterdam das Modell des Kriegsdampfers „Java" der Kolonial-Marine
(1300 t, 1885 abgelaufen).
Armstrong bietet das Modell des früher erwähnten konischen
Schrauben -Verschlusses und eine Verschwind-Laffete mit Sehutzschirm
für Landbefestigung.
Von Deutschland sind aufser dem „Vulkan" noch die
„Deutsche Metallpatronenfabrik Karlsruhe" mit zahlreichen
Mustern von Messinghülsen für Gewehr- und Geschütz-Patronen sowie
von Mantelgeschossen (v. a. Umschau Dez. 1892). und Polte, Armatur-
und Patrononfabrik in Magdeburg -Sudenburg mit Metallpatronen
und deren Teilen sowie mit Geschütz- Patronenhülsen vertreten (tägliche
Leistung 200 000 Gewohr-Patronen, 1000 Granatzünder). Die Geschütz-
Industrie Deutschlands hat sich gänzlich fern gehalten.
Von der belgischen Privat -Industrie sind die Firma Henri
Pieper, mechanische Waffenfabrik zu Lüttich, die National-
Waffonfabrik in Herstal, die „Societe anonyme pour la
fabrication des cartouches et projectiles" zu Anderlecht
(Brüssel) und St. Etienne (Frankreich) auf dem Gebiete der Hand-
feuerwaffen bezw. deren Munition, John Cockerill in Seraing durch
Geschütz-Industrie, die Maas-Gesellschaft (Societe anonyme des
atelier8 de construetion de la Meuse) durch Panzerplatten, Panzer-
türme und Panzergeschosse vertreten. Mit der belgischen Kriegskunst-
Ausstellung ist noch die „Maxim Nordenfeit Guns and Ammunitions
Company" (limited), ferner die Societe anonyme de la Poudrerie de
Wetteren in enger Verbindung.
Österreich (nicht das auf der Ausstellung ostentativ geschiedene
Königreich Ungarn) hat zunächst auf dem Gebiet der Patronen-
erzeugung eine sehr reichhaltige Ausstellung der Firma Arthur
Krupp, Berndorf (Nieder -Österreich) — „Berndorfer Metallwaaren-
Fabrik", enthaltend Patronenhülsen für Geschütze und Gewehre,
Nickelmantelgeschosse. Es ist bisher wenig von der umfassenden
Fabrikation dieses Etablissements auf genanntem Gebiete bekannt ge-
worden. Dasselbe hat sein Absatzgebiet nicht blofs in Österreich, sondern
zählt auch das deutsche Reich und namhafte deutsche Industriefirmen
zu seinen Abnehmern. Für Schweden lieferte dasselbe 8 und 6,5 mm
Nickelmantelgeschosse, letztere zu dem kürzlich «angenommenen Mauser-
Gewohr M/93. Die ausgestellten Messing-Patronenhülsen gehen bis
zum 15 cm Kaliber hinauf; es sollen indefs noch gröfsere Kaliber ge-
fertigt werden. Der Inhaber der Firma Arthur Krupp (Vetter von
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Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
337
Fried. Alfred Krupp in Essen) ist einer der Vicepräsidenten der
österreichischen Ausstellungs-Komniission.
Die Firma E. Skoda, Gufsstahlhütte, Maschinen-, Stahl- und
Waffen-Industrie zu Pilsen (Böhmen) hat zwei Schnellfeuerkanonen
von 47 mm und 37 mm eigener Konstruktion ausgestellt, dieselben
funktioniren ausgezeichnet. Ferner sieht man hier die für Festungen
eingeführte Mitraillcuse M/93 vom 8 mm Kaliber, Konstruktion von
Erzherzog Karl Salvator und Major Ritter von Dormus (vergl. Umschau
März 1894). Als Rückstofslader gestattet sie nicht den Gang des
Mechanismus ohne wirkliches Schiefsen getreu wiederzugeben. E. Skoda
ist sowohl in Klasse 21 (Metall-Industrie) als 23 (Motoren etc.) und
58 (Schiffsbau etc.) vertreten. Aufscr den genannten Erzeugnissen
findet man noch diverse Munitions-Sorten und Schiffsschrauben.
Isaac Mautner & Sohn, Baumwollspinnerei etc. in Böhmen,
Hauptsitz Wien, Lieferanten für die k. k. Landwehr und k. ung.
Ilonveds, haben verschiedene Konstruktionen von Militär-Zelten aus-
gestellt. Darunter befindet sich das aus 4 Mänteln besonderer Kon-
struktion hergestellte verlängerte Zelt für 4 Mann, zugleich sieht man
die Trageweisc des Mantels an einer Puppe.
Am hervorragendsten ist (aufser Belgien) die private Kriegs-
Industrie von Frankreich vertreten. Wir finden 1. Schneider
et Cie., Forges, Acieries et Ateliers de coustruetion au Creusot
(Saone et Loire), 2. Compagnio des Hauts-Fourneaux, Forges et Acieries
de la Marine et des Chemins de fer ä St. Chamo nd (Loire), 3. Societe
anonyme des Forges et Chantiers de la Mediterranee in Marseille,
La Seyne, Le Havre, Graville mit dem Materiel d'Artillerie
Canet; 4. Forges de Chätillon-Commentry in Montlucon (Allier);
5. Compagnie Francaisc des Mctaux, Paris; 6. Brunon,
Maitre de Forges ä Rive-de- Gier; 7. Societe Francaisc des Armes
portatives, St. Denis -Paris mit dem Fusil Daudeteau (6,5 mm).
Von den Firmen 1. bis 6. ist 3. lediglich mit Artillerie-Konstruktionen
vertreten, die übrigen 5 haben auch andere Objekte der Metallurgie,
die bei 5. und 6. vorwalten, bei 1., 2. und 4. sind Panzer-Kon-
struktionen vertreten, die bei 4. sogar vorwiegen. Die Werke Creusot
und St. Chamond haben Konstruktionen von Schnellfeuer- Feld-
geschützen mit beschränktem Rücklauf ausgestellt, die wir mit den
entsprechenden Konstruktionen von J. Cockerill in Seraing unter
besonderer Aufschrift (S. 346 etc. Feldgeschütze mit beschränktem
Rücklauf und Schnellfeuergeschütze) betrachten werden.
Schneider et Cie (Creusot) hat in Kl. 19 die Nachbildung
einer Panzerplatte von 27 cm Stärke, welche mit 4 Schufs aus der
1 5,24 cm Kanone mit einem Geschofs von 45,3 kg und 632,4 m Auf-
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338
Umschau auf militartechnischem Gebiet,
tretY-Geschwindigkeit belegt gewesen ist. In gehärtetem Nickelstahl
sind 2 Platten von 7,2 und von 2 cm ausgestellt, welche als Masken
dienen sollen. Die erste ist mit 35 Schüfe aus der 6,5 cm Schnellfeuer-
Kanone (4 kg Geschofsgewicht, 435 m Geschwindigkeit), die letztere
mit 61 Schufs aus der 3,7 cm Schnellfeuer-Kanone (0,5 kg, 350 m)
belegt gewesen. Beide haben ein günstiges Verhalten gezeigt In
Klasse 57 ist die Stahlbrücke System Morand (Rhone bei Lyon), die
zerlegbare Kisenbahnbrüeke System des Generals Marcille, Spannung
45 m, ferner die Feldbrücke des Oborstlieuts. Pfund ausgestellt. Die letzte
ist 1,2 m breit, für Infantere in Reihen (2gliedrig), Kavallerie zu
Einem abgesessen; 21,10 m Lange wiegen 1530 kg. — Die beiden
schweren Geschütze: 15 cm Schnellfeuer-Kanonen L/45 und 27 cm
Kanone L/30, System Schneider, erstere für Marine- und Küsten-,
letztere für Küsten - Artillerie (für China geliefert) sind nur in
photographischer Abbildung ausgestellt. Erstere soll dem Geschofs
von 40 kg mit 16 kg Pulver BN 820 m Geschwindigkeit verleihen.
Die letztere hat ein Rohrgewicht von 26,75 t, Geschofs 216 kg, Ladung
82 kg Pulver PB, Geschwindigkeit 600 m, 12 Mann Bedienung. Wir
finden ferner in Modellen: Panzerturm für Festungen zu zwei 15 cm
Kanonen in Laffeten mit hydraulischer Bremse und Ausrenn- Vorrichtung
(Rücklauf 15 cm), 20 Stück für Bukarest geliefert; Panzerturra für
Küstenbefestigung zu 2—24 cm Kanonen; hydraulische TurmlafTete
für die 30 cm Kanone. Für Marine-Zwecke: Lancier-Rohr für Schwarz-
kopf-Torpedos (35,55 cm) auf Central- Pivot -Laffete (Muster der für
Japan gelieferten); Torpedoboot von 36 m Länge der französischen
Marine in Modell (21 Knoten); Maschinen für Panzerschiffe und für
Torpedoboote.
Von den Werken von St. Chamond bemerken wir hier zunächst
die Vers ch wind laffete mit hydraulischer Bremse und mit einer auf
Schienen laufenden eisernen Bettung. Die Konstruktion soll der
mobilen Verteidigung unter Benutzung von Bahngeleisen dienen, die
Anregung ist von den 1870 konstruirten gepanzerten Waggons bezw.
Trains ausgegangen, welche Oberst de Reffye entworfen hatte. Die
Gesellschaft hat die Idee allmählich weiter ausgebildet. Das Geschütz
ist die 12 cm Kanone L/30 (20 kg Geschofsgewicht, 600 m Ge-
schwindigkeit); die Bettung läuft auf einem Geleise von 1,5 m Breite,
beim Schiefsen ist die Feststellung durch 4 bewegliche Klammern zu
bewirken. Das Rohr hat in der Feuerstellung eine Höhe von 2,75 m
über dem Boden und sinkt beim Laden auf 1,1m. Gewicht des Rohres
1705 kg, der Laffete 8340 kg, Elevationsfähigkeit von + 25° bis — 10°.
— Eine entsprechend hohe Deckung ist vorausgesetzt.
Für eine 27,5 cm Kanone ist der Schrauben-Verschlufs System
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Umschau auf militärtechnischem Gebiet.
339
Da nuancier ausgestellt, der eine grofse Leichtigkeit der Handhabung
mit vollständiger Sicherheit bietet. Wir finden ferner die hydraulische
Bremse für Belagerungs- und Festungs - Geschütze in ge-
wöhnlichen Räderlaffeten; sie stimmt mit der Bremse der nieder-
ländischen Artillerie für 15 cm Kanonen überein.
Der Verschwindturm für 12 cm Haubitzen hat eine vertikale
Bewegung. Von Panzertürmen finden wir ferner 3 Modelle: Dreh-
turm für 2 15 cm Kanonen — belgischer Typus, desgl. rumänischer
Typus, Verschwindturm für 2 15 cm Kanonen mit oscillirender
Bewegung.
Von Panzerplatten sind drei verschiedene Exemplare vertreten:
a) Platte von Feineisen (fer fin), Länge 2,1 m, Höhe 1,07 m, Stärke
20 cm. b) Platte en AF „qualite speciale", Länge 2,1 m, Höhe 1,48 in,
Stärke 25 cm; das Metall ist Stahl mit Zusatz von Nickel und Chrom,
c) Platte wie b), Länge 1,8 m, Höhe 1 m, Stärke 4 cm. d) Platte in
weichem Gufsstahl für Panzerdeck, Länge 1,6 m, Breite 1,05 m,
Stärke 3 cm.
Sämmtliche 4 Platten sind unter den ihrem Gebrauch ent-
sprechenden Verhältnissen beschossen.
Die Platte ad a) ist für Panzertürme in Landbefestigungen be-
stimmt. Sie sollte den Beweis liefern, dafs Platten in Eisen für diesen
Zweck am geeignetsten sind. Es haben drei Schufs-Serion nach-
einander stattgefunden, die beiden ersten hatten eine mehr theoretische
Bedeutung, die dritte fand unter den Verhältnissen statt, welche dor
Wirklichkeit entsprechen, man gab der Platte eine Neigung, welche
mit der gekrümmten Form derselben korrespondirt, so dafs ein Auf-
treffwinkel von 30 0 entstand. Die Geschwindigkeit des Geschosses
betrug 470 m (15,5 cm Kaliber, Stahl vollgeschofs von besonderer Härte,
Gewicht 41 kg). Die Eindringungstiefe beim 1. Schufs betrug 3,2 cm,
sie vergröfsorte sich durch 5 aufeinandergesetzte Schüsse zu 7,6 cm.
Die Widerstandsfähigkeit erschien danach als eine mehr als ausreichende,
da ein derartiger Fall in Wirklichkeit nicht leicht denkbar ist. Hierzu
kommt, dafs bei den gewöhnlich angenommenen Schufs-Entfernungen
von 1000 m eine Auftreffgeschwindigkeit wie die zur Anwendung ge-
langte, schon ein kaum noch hinreichend transportfähiges Geschütz be-
dingt. — Die Gesellschaft ist auf diesem Woge zu der Ansicht ge-
langt, dafs das angewandte Eisen bei seiner grofsen Biegsamkeit und
faserigen Struktur für den in Rede stehenden Zweck allen Stahlarten
vorzuziehen ist.
Die Platte ad b), für Marine bestimmt, widersteht Geschofs-
gesch windigkeiten, welche um 20 % gröfser sind, als diejenigen, bei
denen gewöhnliche Stahlplatten gleicher Stärke durchschlagen werden.
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340
Umschau auf militartechnischem Gebiet.
Man ging mit 15,5 cm Geschossen von 41 kg bis zu Geschwindigkeiten
von 675 m bezw. lobcndiger Kraft von 911 mt, die Eindringungstiefe
erreichte dann erst 26,8 cm, während sie bei 622 m bezw. 774 mt nicht
ganz 25 cm betragen. — Die Platte dieses Materials soll, wie wir aus
guter Quelle vernommen, kürzlich in Ochta bei einem Wettbewerb
mit zwei Firmen von Sheffield den Sieg davongetragen haben.
Die Platte ad c) ist für schwache Panzerungen bestimmt, sie zeigt
dementsprechend beim Beschiefsen mit 12 cm Granaten von 18 kg
und 148 bis 210 m Auftreffgeschwindigkeit ein günstiges Verhalten.
Das Gleiche gilt für die Platte ad d), welche mit dem 8 cm Kaliber
(Geschofs 5 kg, Auftreffgeschwindigkeit 185 m) beschossen worden ist.
Von Panzer-Granaten in Chromstahl waren 7 verschiedene
Kaliber, die an fremde Mächte geliefert sind, ausgestellt: 13%, 9 und
6zöllige für England, 12 und llzölligc für RuMand, 10 und Bzöllige
für Amerika. Drei ausgestellte 15 cm Granaten hatten zum Beschiefsen
von Stahlplatten gedient. An Sprenggranaten waren 21, 15 und
8,7 cm vertreten (15 cm für Spanien, 8,7 cm für Rumänien).
Vom System Canet zeigte die Ausstellung: 32 cm Kanone L/40,
10 cm Schnellfeucrkanone L/80 (1013 m Geschofsgeschwindigkeit), desgl.
15 cm L 48, 12 cm L 26 Belag.- und Fest.- Artiii., ferner in Modellen
15 cm L/26 Fest.- und Küsten- Artiii. in Verschwindlaffete, Laffete mit
kreisförmigem Rahmen für 14 cm Schiffskanonen, 12 cm L/43 in
Central-Pivot-Laffete, Verschlüsse für grofse Kaliber, dgl. Schnellfeuer-
Feldgeschütze ; Torpedo-Lanzierrohr mit Vorwendung von Pulver. Wir
kommen auf das System Canet in nächster Umschau zurück, indem
wir uns des vom Vertreter Kapitän Malengreau zur Verfügung ge-
stellten Katalogs bedienen.
Die Werke von Chatillon-Commentry hatten einen Panzer-
turm für die 21 cm Haubitze aufgestellt. Verschiedene Konstruktionen
waren in Modellen vorhanden, die sehr an diejenigen des Grusonwerk
erinnerten. Von artilleristischem Material waren besonders Geschosse
vertreten. Die beiden anderen Firmen mit artilleristischen Gegen-
ständen lassen wir weg.
Die K. Belgische Kriegskunst-Ausstellung
(Section de l'Art militaire).
Im sogenannten Militär-Park hat die Pontonnier-Kompagnie der
Artillerie ihr Transport-Material, sowie eine Ponton-Brücke mit darunter
angebrachter Lautbrücke zur Anschauung gebracht. Die Pontonnier-
Kompagnie des Genies führt eine zerlegbare Stahlbrücke des Systems
Eiffel, zum Überschreiten der Scheide und Rupei vor, welche den
Niveau-Veränderungen durch Ebbe und Flut sclbstthätig Rechnung
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Umschau auf militärtechni»chem Gebiet.
341
trägt. Das Genie-Regiment veranschaulicht die Überbrückung eines
trockenen Festungs-Grabens behufs gewaltsamen Angriffs unter Be-
nutzung der fliegenden Brücke des Systems des Obersten Stoops. Die
Eisenbahn-Kompagnie des Genie-Regiments zeigt einen für Sanitäts-
Züge eingerichteten Waggon III. Kl. (nach Entwurf des Genie-Kapitäns
Simonis). Eine Lazareth-Baracke System Doecker ist von der Kopen-
hagener Firma Christoph & Unmack ausgestellt.
Die im Ausstellungs-Gebäude vorgeführten Gegenstände ge-
hören sämmtlich der Klasse (»2: Kriegswaffen, Befestigungskunst,
Ausrüstung, Transport-Material, Militär-Topographie u. -Geographie etc.
an. Als Kriegswaffen finden wir zunächst Gewehr und Karabiner
M/89 (Staats -Gcwehrfabrik Lüttich), Munitions-Gegenstände von der
Feuerwcrksschule Antwerpen und von der Patronen-Fabrik Anderlecht
(8. oben). Von der Artillerie-Direktion des Kriegs-Ministeriums
sind ausgestellt: 7,5 cm und 8,7 cm Feldgeschütze System Krupp,
21cm Stahl-Mörser desgl., 24 cm Lang- und Hartgufs-Granaten, Fahr-
zeuge für Feld- und Festungs-Artillerie. Von der Geschützgiefserei
Lütt ich: 15 cm C/90 in Räderlaffete mit hydraulischer Bremse, desgl.
12 cm Kanone C/89, 21 cm Haubitze C/91 für Panzerkuppeln in
Schlittenlaffete, 15 cm Haubitze C/90 in Räderlaffete, 15 cm Mörser
C 90 in Laffete ohne Rücklauf, 8,7 cm Mörser zur nahen Verteidigung
(6,8 kg Granatgewicht); die Blöcke zu den Röhren sind von J. Cockerill
in Martin-Siemensstahl geliefert, von der Geschützgiesserei fertig gestellt;
5,7 cm Schnellfeuerkanone System Nordenfeit auf Bockpivotlaffete.
Die Fahrzeuge der Feld-Artillerie, Hebezeug für 3,6 t Last, Feld-
beobachtungsleiter hat das Arsenal von Antwerpen ausgestellt.
Die Artillerie-Schiefsschule in B ras chaet führt Walzeisenplatten
von 25 und von 20 cm Stärke vor, welche mit 15 cm bezw. 12 cm Hart-
gufs-Granaten beschossen sind, ferner den tragbaren Entfernungsmesser
und den Gasdruckmesser von Leboulenge. Die Feuerwerksschule
Antwerpen produzirt Patronenhülsen und Kartätschgeschosse für
5,7 cm Schnellfeuerkanonen, Zünder, Schlagröhren, das elektrische
Klepsyder von Loboutengc.
Von der Gesellschaft der Maaswerke finden wir beschossene
Panzerplatten in Stahl und in Hartgufseisen, Hartgufs - Geschosse,
Verschwindturm, elastischen Schartenverschluls für 2—12 cm Kanonen
in Panzertürmen.
Die Maxim- Nordenfelt-Kanonen und Munitions -Aktien-
Gesellschaft hat die Maxim-Mitrailleuse (22,67 kg Totalgewicht),
5,7 cm Schnellfeuerkanone und die halbselbstthätige 6,5 cm Schnell-
feuerkanone L/50 mit Panzerschild ausgestellt. Die Pulverfabrik
in Wetteren zeigt verschiedene rauchlose Pulversorten.
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342
CmschRU auf mihtärtechnischera Gebiet.
Von der Hundworks-Kompagnie des Genies ist der Ballon
Argus von 984 cbm Rauminhalt, sowie ein Gas -Transportwagen fiir
284 cbm Gas unter 200 Atmosphären Druck ausgestellt.
Die zahlreichen und interessanten sonstigen Objekte, welche zum
Teil auch unserm Thema ferner liegen, müssen wir Mangels Raum
übergehen.
Handfeuerwaffen.
Am 23. April d. J. ist seitens des Königl. Italienischen
Kriegs-Ministeriums eine Vorschrift über die Waffen und
das Schielsen für die mit dem Gewehr Mod. 1801 bewaffneten
Infanterie- Truppen teile ausgegeben worden (Istruzione sulle Armi
c sul Tiro pei Corpi di Fanteria armati di fucili Mod. 1891). Die
Schiefsvorschrift enthält einen allgemeinen Eingang und zerfällt
weiterhin in vier Teile: I. Notizen für die Schieislehrer. II. Ab-
richtung der Rekruten. III. Scheibenschiefsen der alten Leute. IV.
Schätzen der Entfernung. Der I. Teil, welcher hier allein in
Betracht kommt, betrachtet im 2. Kapitel das Gewehr Mod. 185H,
im 3. Kapitel die Revolver- Pistole Mod. 1889, im 4. Kapitel das
Schiefsen mit der Pistole, im 5. Materialien, Schiefsstände, Signal-
methoden, im 6. endlich die jährlich zur Ausbildung bestimmte
Munition.
Das Gewehr Mod. 1891 (fucile Mod. 1891) ist Mehrlader, hat
ein festes Mittelschafts-Magazin für 6 Patronen (serbatoio centrale
fisso capace di sei cartucce) und einen Verschlulscylinder mit fort-
schreitender und drehender Bewegung. Einschliefslich des Gewehr-
rieraens, aber ohne Säbel -Bajonett, ist das Gewicht 3,82 kg, mit
Bajonett 4,16 kg. Die Länge ohne Bajonett ist 1,29 m, mit Bajonett
1,59 m. Die Teile sind: der Lauf, das Schlofs und der Mechanismus
zum Laden, der Schaft, der Beschlag, der Stock, das Säbel-Bajonett.
Der Lauf ist ein äufserlich gebräuntes Stahlrohr mit vier Zügen von
progressivem Drall (das erste Gewehr, bei dem ein solcher vorkommt).
Das Kaliber ist 6,5 mm. Das Quadranten -Visir umfafst den Fufs
mit den beiden Backen, davon der rechte die Einteilung für die
geraden (600 — 2000), der linke für die ungeraden Entfernungen
(700—1900 Meter) enthält, die Visirklappe mit dem Einschnitt, die
Aufsatzwelle und die Aufsatzfeder. Die Feder hält die Visirklappe
in der jedesmaligen Einkerbung fest, die auf der rechten Backe an-
gebracht ist. Ein fester Einschnitt am Visirfufs dient für 300 m und
beim Scheibenschiefsen überhaupt für kleinere Entfernungen als 400 m,
die Klappe liegt dann nach vorn auf dem Lauf. In richtiger La#e
nach hinten entspricht dev Einschnitt der Klappe der Entfernung von
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Umschau auf militartechniwhein Gebiet.
343
450 Meter, diese Stellung dient im Kriege für alle Entfernungen bis
einschliefslich 500 Meter. Das Schlofs und der Mechanismus zum
Laden besteht aus dem Verschluiscy linder, den Schlofsteilen , der
Auswerfevorrichtung, dem Vorschlufskopf, dem Magazin. Die An-
ordnung ist im Allgemeinen eine ähnliche wie bei Gewehr 88. Es
kann sowohl das Magazin allein, als der Lauf allein, als beides
zugleich Patronen enthalten. Ist das Gewehr ungeladen und abgedrückt,
so wird es behufs Ladens in einem Griff gespannt und geöffnet, dann
werden die sechs Patronen, die nach der Anordnung der Mannlicher-
Gewehre durch einen Rahmen vereinigt sind, mit letzterem in das
Magazin eingesetzt. Das unmittelbare Einlegen einer Patrone in den
Lauf darf nur unter besonderen Verhältnissen und mit besonderen
Vorsichtsmafsregeln stattfinden. Nach dem Einfuhren des Rahmens
findet das Schliefsen des Gewehres statt, wobei eine Patrone in den
Lauf tritt. Das Abdrücken geschieht in 2 Tempos, es scheint darnach
ein Druckpunkt vorhanden zu sein. Das Weitere ist ähnlich wie
beim Gewehr 88; ein Einzelladen ist auch bei Mod. Ol in der Regel
ausgeschlossen. Eine Sicherung ist ebenfalls vorhanden. Der Schaft
ist ohne Teilung, der Beschlag dient zum Zusammenhalten der ver-
schiedenen Teile der Waffe und zur Verstärkung. Der Stock von
Stahl ist zum Reinigen des Laufes bestimmt, wenn andere Mittel
fehlen; seine Verwendung im Frieden kann also nur eine Ausnahme
bilden. Das Säbel-Bajonett wiegt ohne Scheide 0,340 kg, mit Scheide
0,460 kg, die Klinge desselben ist 30 cm lang. Die scharfe Patrone
hat ein Gewicht von 22 g. Die Hülse hat ähnlich wie bei Gewehr
88 eine Eindrehung für die Kralle der Auswerfe- Vorrichtung. Das
Geschofs hat den Kern von Blei und den Mantel von Nickelkupfer
(80 % Kupfer, 20 % Nickel) und wiegt 10,5 g. Die Ladung von
Ballistit beträgt 1,95 g. Sechs Patronen sind in einem Rahmen
(caricatore) vereinigt, drei Rahmen bilden ein Packet, dessen Umhüllung
eine Schachtel von starkem Papier ist. Das Packet wiegt 470 g. Im
Frieden ist jeder Mann mit 5 Packeten (90 Patronen), im Kriege mit
9 Packeten (162 Patronen) ausgerüstet. Von den 9 Packeten sind 5 im
Tornister, 2 in der Patronentasche und in einer besonderen Patronen-
tasche 2 geöffnete Packete, also 6 Rahmen oder 36 Patronen. Unter-
offiziere, Spielleute und Sappeurc haben im Kriege nur 7 Packete.
Für polizeiliche Zwecke und Wachdienst besteht eine Kartäsch-Patrone
mit 1,5 g Ladung und 10 Segmenten von Hartblei als Geschofs.
Auiserdem giebt es eine Manöver- und eine Exerzierpatrone. Zum Gewehr
gehört ein Gewehrriemen. Zubchörstücke sind das Oelfläschchen, der
Schraubenzieher, der aus Haaren geflochtene Strick (scovolino di
crini), der Messingstock, wovon jede Kompagnie 20 hat, ist das
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:H4
Umschau auf mihtartechntechem Gebiet.
normale Reinigungsmittel im Frieden. Jede Korporalschaft ist mit
einigen Ersatzstücken versehen. Zur Ausbildung sind für jeden
Subaltern-Offizier jährlich 96, für jeden Mann der Truppe 150 scharfe
Patronen, für die Alpenjäger 108 bezw. 160, aufserdem 84 bezw. 90
Manöver-Patronen für jeden Mann ausgeworfen.
Nach dem „Esercito italiano u Nr. 54 stellt sich der Wert des
Gewehres Mod. 91 zu dem bisherigen Mod.70. 87 (Vetterli- Vitali) wie
folgt. Auf Entfernungen von 300 bis 1500 m sind bei Abgabe einer
gleichen Schufszahl 100 neue Gewehre hinsichtlich der Treffergebnisse
ebenso leistungsfähig als 130 alte. Bei gleicher Zeitdauer des Schiefsens
sind im Einzelfeuer 100 neue Gewehre soviel wert wie 165 alte.
Bei gleichem Gewicht der verschossenen Munition sind im Schnellfeuer
100 neue Gewehre mit 175 alten gleichwertig. Bekanntlich ist das
alte Gewehr ebenfalls ein Mehrlader, dessen Schattenseiten fast
lediglich in den Konsequenzen des großen Kalibors (10,35 mm) be-
stehen. Die Schiefsvorschrift führt uns zugleich in die Verhältnisse
ein, welchen der Gebrauch eines so kleinkalibrigen Gewehrs unterliegt.
Vorstehendes diene zur Berichtigung und Ergänzung der früher
gemachten Angaben aus verschiedenen Quellen, welche sich danach
meist als nicht zuverlässig erwiesen haben.
Der Revolver Mod. 188!) (Pistola a rotaziono) ist für 6 Schufs
eingerichtet, Metallpatrone mit Centrai-Zündung, kontinuirlicher und
unterbrochener Gang zulässig. Der Hahn geht, nachdem er den
Schlag auf das Zündhütchen der Patrone ausgeübt, selbstthätig in die
gewöhnliche Stellung zurück. Die Teile sind Lauf (Kaliber 10,35 mm,
4 Züge von 25 cm Drall), Walze, Walzenachse, Stock mit Tragering,
Dreh-Mechanismus und Vorrichtung zum Abfeuern, Sclilofskasten.
Gewicht 910 g, ganze Länge 23,5 cm, Lauflänge 11,45 cm, Gewicht
der Patrone 17 g, Geschofs (Blei mit Messingmantel) 11,35 g, Ladung
0,6 g Ballistit, Messinghiilse mit Rand.
Hinsichtlich der Umänderung des Lebel-Gewehrs in Frankreich
enthält die kürzlich erschienene Neu- Ausgabe der amtlichen „Instruktion
über die Bewaffnung, Munition, Schiefsstände und das Material der
Infanterie" die Bestätigung unserer von Anfang bis zu Ende geäufserten
Zweifel (v. Umschau Dez. 1893, März, Juni 1894) an der vielfach be-
haupteten Änderung zur Packetladung. Die Änderung ist in der
That hauptsächlich am Verschlufs, ohne den Grundcharakter der
Waffe zu ändern und nur zum Zweck, den Schützen gegen den
rückwärts gerichteten Feuerstrahl zu sichern, wenn die Patronenhülse
hinten reifst. Das Mil. W. Bl. Nr. 68 enthält eine eingehende Schilderung
der Änderungen des M. 1886/M. 93, auf die wir hinweisen. Nach der
Instruktion existirt auch neben der Patrone M. 1886 eine Patrone
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Umschau auf militartechnischem Gebiet.
345
M. 1880 M., bei dieser ist der Boden der Hülse verstärkt, der Zündsatz
von 3 cgr auf 4 cgr vermehrt, Ladung 2,75 g (bei M. 1886 2,8 g),
Pulver BF., Geschofs wie bisher 15 g, Patrone 29 g Gewicht, 75 mm
lang. — Wie das Kasten-Magazin, erweist sich auch die vielfach
koiportirte Verminderung des Geschofsgewichts auf 1 3,5 g als eine
derjenigen — Zeitungs-Enten, welche sich eines kaum dagewesenen
Absatz-Gebietes erfreut haben.
Über die Umformungen des englischen Repetier-Gewehrs,
welche seit seiner Annahme stattgefunden, sind vielfach unrichtige
Angaben verbreitet. Wir benutzen zur folgenden Richtigstellung die
offiziellen: „Regulations for Musketry Instruction. Lee-Metford Rifle
and Carbine 1894, u sowie das „Handbook for the Lee-Metford Rifle
1894," beide mit zahlreichen Abbildungen versehen. Das ursprüngliche
Muster, Mark I, existirt als solches nicht mehr, dieselben sind
sämmtlich in Mark I* (mit dem „Stern") umgearbeitet. Die Änderungen
an letzterem Muster beziehen sich auf das Visir und einige unwichtige
Einzelheiten. Das neueste Muster, Mark II, neben welchem Mark I*
noch längere Zeit herlaufen wird, hat ein geringeres Gesammtgewicht
(um 6 Unzen [oz] = 1 70 g) und ein verändertes Magazin (weiter und
von dünnerer Wandung), welches 10 Patronen in 2 Reihen (columns)
aufnimmt, während dasselbe bei Muster I* 8 Patronen in „zigzag
column" enthält. Bei Muster I* ist ein langer Stock, bei II ein
kurzer; zwei der letzteren zusammengeschraubt, dienen dazu, eine
festgeklemmte Patronenhülse zu beseitigen. Die weniger wichtig er-
scheinenden Unterschiede behalten wir einer späteren Arbeit vor.
Bei beiden Gewehren wird das Magazin mit einzelnen Patronen
geladen (letztere sind zu 10 in einem Packet) und dann abgesperrt;
die Regel ist Einzelfeuer. Zum Entladen wird das Magazin aus dem
Gewehr genommen und dann leer wieder eingesetzt.
Das Gewicht von Muster I* ist 4,3655 kg, von Muster II 4,1954 kg,
das Bajonett (ohne Scheide) wiegt 0,425 kg. Die Gewichte mit Bajonett
sind danach 4,79 bezw. 4,02 kg. Die Länge des Gewehrs ohne Bajonett
ist 49,5" = 1,257 m, mit Bajonett 61,5"= 1,562 m. Der Lauf ist
30,197" = 767 mm lang. Das Kaliber ist 0,303" = 7,696 mm. Die
Züge, 7 an der Zahl, des Systems Metford haben Linksdrall und
eine Dralllänge von 25,4 cm gleich 33 Kaliber; Tiefe ist 0,004"
= 0,102 mm, Breite der Felder (width of lands) 0,023" = 0,5841 mm.
Die Teile des Gewehrs sind Lauf (barrel), Schaft (stock), mit
Stock (rod), Versehluis und Schlofs (bolt), Verschlufs- Gehäuse mit
Magazin und Abzug (body), Schwertbajonett, Bajonett-Scheide, dazu
Handschutz, Zubehörstücke. Der Verschlufscylinder hat drehende und
fortschreitende Bewegung.
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346
Umschau auf militärtechnischem Ctebiet.
Die Visirung besteht aus dem Nah- und dem Fern-Visir; das
erstere ist ein Leiter -Visir, welches bis 1800 yards= 1646 m reicht,
mit Einteilung bis 50 yards = 45,7 m. Bei niedergelegter Leiter lassen
sich die Stellungen für '200, 300, 400, 500 yards = 1 83, 274. 366,
457 m erzeugen. Das Korn hat die gewöhnliche Stellung. Das Fern-
Visir (links angebracht) hat hinten ein Diopter, in der Mitte des
Gewehrs ein Zifferblatt (dial) mit Zeiger, dessen Spitze zum Ziele
dient; Entfernungen 1600 bis 2900 yards = 1463 bis 2652 m.
Für den Karabiner ist nach „Musketry Instruction" bisher
kein Muster genehmigt. Die Kavallerie führt noch durchweg Einlader
(Martini -Henry).
Die Patrone hat 30 grain — 1,044 g Cordit (Kordeit!) in 60 dünnen
Fäden. Das Geschofs wiegt 215 grain = 13,9 g. Es besteht aus dem
Geschofskern von 98 % Bl e ^ 2 % Antimon und dem Mantel von 80 0
Kupfer, 20 % Nickel. Nahe dem Boden ist äufserlich eine Rinne
zur Befestigung der Patronenhülse. Der Durchmesser des Geschosses
ist 0,311" = 7,9 mm. Der Teil des Geschosses, welcher in der
Patronenhülse steckt, ist mit Bienenwachs überzogen. Die Patronen-
hülse ist aus Messing gezogen (70 % Kupfer, 30 % Zink). Auf der
Ijadung Hegt als Vorschlag eine gefirnifste Holzscheibe. Ein Packet
von 10 Patronen wiegt 9 5 /s ° 7 - = 272,87 g. — Vorstehende Patrone
ist mit r Mark I. Cordite" bezeichnet. Die Patrone „Mark II. Black
powder" ist, bis auf die Ladung, fast ganz entsprechend eingerichtet.
Die Totalsehufs weite des Gewehrs ist bei der Cordit -Patrone
3650 yards = 3336 m. Die Derivation beträgt auf 3000 yards = 2743 m
gegen 70 yards = 64 m. Auf 3500 yards = 3200 m dringen die
Geschosse 3 bis 4" = 7,6 — 10,2 cm in den Boden und prallen nicht
mehr ab.
Diese authentischen Angaben mögen für's erste zur Richtigstellung
früherer, der Militär -Litteratur entnommenen Mitteilungen genügen,
inbesondere auch der in Band 91 S. 342 dem Wiener Armee-Blatt
entnommenen, die ebenso falsch waren, als die Mitteil, dieses Blattes
über Änderungen am Lebel- Gewehr.
Den übrigen auf einer gröfscren technischen Reise gesammelten
Stoff betreffend Handfeuerwaffen müssen wir aus Raummangel für eine
spätere Umschau aufsparen.
Feldgeschütze mit beschränktem Rücklauf
und Schnellfeuergeschütze.
Während man sich in den festländischen Artillerien bisher damit
begnügt hat, die Verminderung des Rücklaufs durch die gewöhnliche
oder die selbstthätige Fahrbremse hervorzubringen, hat die englische
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Umschau auf militartechnischem Gebiet.
: J >47
Artillerie bereits Ausgangs des vorigen Jahrzehnts in der 12 Pfunde r
Feldlaffete Muster II (Field Carriage Breech Loading 12 -pr
Mark II) aufser der selbstthätigen Fahrbremse, die hydraulische
Bremse mit schneckenförmiger Roaktionsfeder zur Verminderung des
Rückstofses auf den Laffetenkörper und zugleich zur Beschränkung
des Rücklaufes zu Hülfe genommen. Es ist dies wohl in erster Linie
eine Folge des grofsen Ladungs-Verhältnisses gewesen. Das nur 7 Ctr.
= 355,6 kg schwere Rohr (Kaliber 3" = 7,62 cm) verfeuert mit
4 Pfund gleich 1,814 kg Ladung S Pulver (Selected Pebble Powder)
ein Geschofs von 12,5 Pfund gleich 5,67 kg. Das Ladungs-Verhältnifs
ist also fast V 3 und die Geschwindigkeit des Geschosses erreicht den
hohen Betrag von 521 m.
Die Laffete hat als Hauptteile das kastenförmige Untergestell
mit der Hohl- Achse, die beiden Doppelspeichen-Räder, die Rohrbettung,
die Obor-Laffete, den Rieht- und den Brems-Mechanismus. Die Zapfen
des Rohrs ruhen in der Rohrbettung, das Boden-Ende ist mit einem
Schlitten verbunden, welcher zusammen mit der Bettung in einer
Führung gleitet, die am oberen Teile der Oberlaffete angebracht ist.
Letztore ist um die Laffeten- Achse vertikal drehbar und hinten durch
die Vertikalschraube der Richtmaschino unterstützt.
Die hydraulische Bremse ist mit der Oberlaffete durch Zapfen
verbunden und die Kolbenstange der ersteren mit dem hinteren Rohr-
teil in Verbindung. Das Rohr hat dadurch eine selbstständige
Rückwärtsbewegung um 4" = 10,16 cm. Die Kolbenstange überragt
den Bremscylindor nach vorn und hinten und ist der vordere Theil
mit einer Schneckenfeder verbunden, welche das Rohr nach seiner
Rückwärtsbewegung wieder in die Feuerstellung vorschiebt. Die
Einrichtung der hydraulischen Bremse ist der Art, dafs während
des Rückstofses ein stets gleichmäfsiger Druck bleibt. Die Richt-
maschinc erlaubt aufser der Höhenrichtung eine feine Seitenverschiebung
des Rohrs um ca. 4 Grad. Die Fahrbremse von sehr komplizirtem
Mechanismus erlaubt das Anziehen mittelst eines Handhebels aufser
der selbstthätigen Feststellung durch die Rückwärtsbewegung der
Laffete. Die Elcvationsfähigkeit geht von -f 15 bis — 5 Grad. Das
Gesammtgewicht der unbeiadenen Laffete und Protze ist 22 Ctr.
30 Pfund = 1131,4 kg, der Laffete allein 11 Ctr. 46 V« Pfund = 580 kg,
Laffete mit Rohr 18 Ctr. 46 , / 2 Pfund = 935,7 kg, unbeladenes Geschütz
29 Ctr. 30 Pfund = 1487 kg. Ausrüstung 32 Schufs. Über die Be-
lastungs-Verhältnifse des beladenen Geschützes stehen uns augenblick-
lich keine authentischen Angaben zur Verfügung.
Ein Draht-Zwölfpfünder (Wire Gun) für Cordit-Ladung ist im Ver-
such, die Laffete hat bei einem Exemplar, welches wir im Lager von
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Umschau auf militürtechnischem Gebiet.
Aldershot flüchtig gesehen, jene Einrichtungen zur Rücklauf-Beschrän-
kung nicht, das Rohrgewicht soll hier G Ctr. gleich 304,8 kg betragen.
Das Problem einer Feldlaffete mit beschränktem oder gänz-
lich aufgehobenem Rücklauf zur Verwendung eines Schnell-
feuer-Geschützrohrs beschäftigt gegenwärtig die artilleristischen
Etablissements in verschiedenen Ländern und allem Anscheine nach
auch die Artillerie-Versuchs-Kommissionen der Staaten.
Über die Konstruktionen des Grus on werk, bei welchen die selbst-
thätige Nabenreibungs-Bremse in Anwendung gekommen ist, haben
wir im 78. Bd. berichtet, desgl. über die Rücklauf hemmung bei den
(3 cm Schnelllade-Feldkanonen L/30 und L/38 von Krupp im 86. Bd.
Ältere Konstruktionen des Grusonwerk, über welche indefs Nichts
veröffentlicht ist, hatten bereits die Vorrichtung zum Eingraben des
Laffetenschwanzes in Form einer Schneide bezw. Säge. Sie ist nicht
denkbar ohne eingelegte federnde Wirkung. Die Fr. milit. schrieb im
Sommer vorigen Jahres (v. Umschau von Sept. 1893, Bd. 88) von
einer Boche de Crosse des Obersten de Bange und der Beche
d'essieu (Ankerbremse, v. Wille „Die kommenden Feldgeschütze 1 *) des
Rittmeister Louis de Place. Die letztere ist originell, hat aber bis
jetzt keine ernstere Beachtung gefunden. Bei beiden Konstruktionen
ist eine elastische Einlage zu Hülfe genommen. In Bezug auf die
Beche de Crosse hat jedenfalls das Grusonwerk die Priorität der Kr-
findung in Anspruch zu nehmen.
In der Umschau vom Dez. 1893 (Bd. 89) berichteten wir nach
der „Revue de l'armee beige u Mai 1893 über eine nach dem Ent-
würfe der Gesellschaft Nordenfeit (Paris) seitens der Werke von
J. Cockerill (Seraing) hergestellte 7,5 cm Schnellfeuerkanone, bei
deren geteilter Laffete eine Reibungsbremse mit Zahnwerk und rück-
wirkender Feder, der Radschuh und die Beche de Crosse zur Anwendung
gekommen waren. Die Versuche waren in Bezug auf Erhaltung der
Rohrlage noch nicht zufriedenstellend gewesen.
Die Antwerpener Welt-Ausstellung 1894 zeigt drei ver-
schiedene Konstruktionen von Schnellfeuergeschützen mit Aufhebung
des Rückläufe.
Schneider &Cie. aus Creusot hatte eine Schnellfeuer-Feldkanone
von 75 mm L/33,3 und eine desgl. Feldhaubitze von 120 nun L/12,5
ausgestellt. Bei beiden war die Laffete geteilt und mit einer hydrau-
lischen Bremse des Systems Schneider, sowie mit der Beche de Crosse
und dem Radschuh versehen. Die Kanone hatte eine Feuerhöhe von
nur ca. 80 cm und lag das Rohr in der Laffete versenkt. Das Haubitz-
Rohr lag etwa 1 m hoch. Geschofsgewicht 6,5 bezw\ 20 kg, Ladung
1 kg bezw. 0,8 kg Pulver BN, Geschofsgeschwindigkeit 580 m bezw.
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Umschau auf militärtechniachem Gebiet.
-
349
300 m. Weitere Angaben sind im Katalog nicht gemacht. Die
Kombination der 3 Faktoren der Rücklaufsbeschränknng bietet Nichts
besonderes.
Die Stahlwerke der Marine von St. Chamond, welche das Problem
eines Schnellfeuer-Feldgeschützes seit mehreren Jahren verfolgen, hatten
einen ihrer neuesten Typen (nicht den allerneueston!) nach Antwerpen
gesandt. Es ist die 7,5 cm Kanone System Darmancier (Affut
et Canon de Campagne ä tir rapide Syst. D.). Das ausgestellte Rohr
ist 24,5 Kaliber lang und vermag Geschosse von 6 kg mit 500 m
Geschwindigkeit zu verfeuern. Der Verschlufs hat die Schraube mit
unterbrochenen Gewinden. Die Teile sind: Verschlufsschraube, Ver-
schlufsthür (volet), die Kurbel mit Getriebe (levier-manoeuvre et son
pignon a tenons), der Schlagbolzen (percuteur) mit Spannhebel und
Abzug, der Auswerfer. Die Handhabung des Verschlusses erfordert
nur eine einfache Drehung der Kurbel. Eine Sicherung ist vor-
handen.
Das Rohr ruht mit seinen Zapfen in einem Schlitten (Corps d'affüt
en fer forge); unter der Gegenwirkung einer hydraulischen Bremse
von gleichmäfsigem Widerstand gleitet es beim Schiefsen zurück und
wird durch eine Spiralfeder, welche den Stöfs aufnimmt, wieder in
die Feuerstellung vorgeführt. Die Laffete hat eine sogenannte „Beche
d'essieu", sie hängt pendelartig von der Achse nach abwärts und
endet am Boden mit einer gezahnten Platte. Nach rückwärts steht
sie durch Ketten mit den Laffetonwänden in Verbindung. Bei dem
ausgestellten Geschütz berührten die Zahnspitzon den Boden und die
Räder standen mit ihrer unteren Fläche ca. 1 5 cm höher auf bogen-
förmig ausgeschnittenen Unterlagen. Gelenkstangen, von welchen die
Beschreibung spricht, dienen wahrscheinlich zum Aufklappen beim
Transport. Die Vorrichtung wird als biegsam bezeichnet und soll
einen Drehzapfen für die Seitenrichtung haben. Sie scheint sich
danach durchzubiegen, da sonst die Räder schweben müfsten, letztere
sollen aber in jedem Falle den Boden berühren. Durch den Rück-
stofs arbeitet sie sich alsbald ähnlich einer Harke in den Boden ein,
der Drehzapfen gestattet dann noch Richtungs -Veränderungen. Es
hat den Anschein, als ob das ausgestellte Muster nicht mit der Be-
schreibung (die uns erst viel später zukam) völlig übereinstimme,
letztere bezieht sich jedenfalls auf ein späteres Muster. Die Höhen-
richtraaschine hegt an der rechten Seite, man handhabt sie mittelst
eines Kurbelrades. Gröfsere Veränderungen kann der Richtmeister
unmittelbar mit der Hand vornehmen. Eine vorhandene Fahrbremse
hat mit der Rücklaufhemmung nichts zu thun. Das ausgestellte
Modell soll einen Rücklauf von 10 bis 35 cm haben, ein neueres hat
Jahrbacher ftr die Deutsche Armee uud Marine. Bd. VLUC, 3. 23
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Umschau auf militiirtechnisohem Gebiet.
nach 10 Schufs eine gesammte . Rückwärtsbewegung von 8 bis 10 cm
gezeigt. Das Springen nach vorwärts im Moment des Schusses soll
fast Null sein. — Eine gänzliche Aufhebung des Rücklaufs bei Feld-
geschützen, sodafs kein Nachrichten mehr nötig wäre, ist nach den
bei der Gesellschaft vertretenen Ansichten unmöglich.
Nach dem Katalog giebt es 2 Modelle vom Material von 7,5 cm.
Leichtes
Oechlitz
Schwert*
kg
C
6
m
520
600
kg
345
415
kg
835
920
Gewicht der ausgerüsteten Protze mit 36 Schufs
kg
650
675
Gewicht des heladenen Fahrzeugs
kg
1485
1605
Die für das ausgestellte Geschütz angegebenen Werte stimmen
mit keinem der beiden überein.
Das dritte der ausgestellten Schnellfeuer -Feldgeschütze ist in der
Ausstellung der Gesellschaft John Cockerill (Seraing) in der
Maschinenhalle zu sehen. Es ist eine Fortbildung des vorher erwähnten
Nordenfelt- Geschützes von 7,5 cm, an welcher der artilleristische Leiter
der Gesellschaft J. Cockerill, Major de Schrijwer, einen wesentlichen
Anteil hat. Die Konstruktion ist eine der vollkommensten der Art und
hat auf der Austeilung das gerechtfertigte Aufsehen der Sachverständigen
der verschiedenen Nationen erregt. Wir geben heute nur kurze
Andeutungen, da wir hoffen dürfen, demnächst in den Besitz einer
eingehenderen Darstellung zu gelangen. Das Rohr ist in einem Stück
aus Martin - Siemens - Stahl hergestellt, die Versehluisschraube hat
2 Unterbrechungen und eine sehr einfache Bewegung, die Sicherheit
des Verschlusses ist eine sehr grofse; das Geschütz hat Perkussions-
zündung und Auswerfer- Vorrichtung. Das Rohr mit senkrechtem
Drehzapfen ruht auf einem Schlitten mit Reibungsbremse und Puffer
und hat eine unabhängige Seitendrehung um 3 Grad nach rechts bezv.
links. Eine 2. Bremsvorrichtung besteht in einem Zahnrad mit Kette
und gegenwirkender Spiralfeder. Die dritte ist der Radschuh und
eine vierte wird durch die am Laffetenschwanz angebrachte „Beche"
vorgestellt. Die Protze enthält 48 Schufs, welche in 8 einzeln ab-
nehmbaren Kasten aus Aluminium verpackt sind, die durch Leder-
riemen festgehalten werden. Sie hat Federung und Sitze für 3 Mann.
Das Geschofs wiegt 5 kg und erhält mit rauchlosem Pulver eine Ge-
schwindigkeit von 470 m. Das Gesammtgewicht des Geschützes ist
1697 kg; pro Pferd ist die Zuglast 283 kg.
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Umschau in der Militär -Litteratur.
351
Kavallerie - Geschütze.
England ist s. Z. mit der Annahme von Maxim-Mitrailleusen
des Gewehrkalibers (7,7 mm) für die Kavallerie vorangegangen. Nach
dem betreffenden Handbuch von 1893 ruht das Geschütz in einer
zweispännigen Karrenlaffete, welche zugleich Munition aufnimmt. Die
Schweiz hat tragbare Maxim-Mitrailleusen für Kavallerie eingeführt
(v. Bd. 89, S. 358). In Antwerpen 1894 figurirt ein tragbares Ka-
vallerie-Schnellfeuergeschütz von 47 mm (v. a. Bd. 91, S. 356) nach
Entwurf von Nordenfeit, durch J. Cockerill ausgeführt (Traggewicht
pro Pferd 200 kg incl. 8 Patronen). — Manöver- Versuche mit Ka-
vallerie-Handfeuergeschützen in Deutschland wurden in politischen
Blättern angekündigt, aber amtlich dementirt.
J. Schott.
XXVIII.
Umschau in der Militär -Litteratur,
I. Ausländische Zeitschriften.
Streif leur's österreichische militärische Zeitschrift. (Juli.)
Strategische und taktische Rückblicke auf die Scldacht bei Custoza 1866
(Oberst Maschko). — Betrachtungen über die militärische Ausnützung
der Eisenbahnen in den bisherigen Kriegen. — Erleichterung des Infanterie-
gepäcks.
Organ der militärwissenschaftlichen Vereine. XLIX. Bd. 1. Heft.
Kartographische Studien. Von G. Bancalari, k. u. k. Oberst. — Militärische
und technische Mitteilungen.
Armeeblatt. (Österreich.) Nr. 25: Der 24. Juni; handelt von der
Enthüllung zweier Gedenktafeln auf dem Schlaclitfelde von Custoza. —
Die Tauern-Predilbahnlinie vorn militärischen Standpunkte. — Konservirungs-
salz für Fleisch. Nr. 26: Der Arzt als Kommandant. — Der sanitäre
Auf klärungsdienst im Felde. — Die Nähr- und Wehr- Ausstellung. Nr. 27:
Der Russisch -Türkische Krieg 1877/78 in Europa (Besprechung des Springer-
schen Werkes). Nr. 28: Die neue Prüfungsvorschrift für Militär-Intendanten
— Die Entwickelung der zerstreuten Fechtart.
Militär Zeitung. (Österreich.) Nr. 23: Die neue Organisation der
Militarsanität. — Erinnerungsfeier an die Schlacht von Melegnano. Nr. 24:
Die Brotverpflegung im Felde. — Das bulgarische Heer.
Die Reichswehr. (Österreich.) Nr. 638: Gerechtigkeit und Milde;
behandelt die kläglichen Pensionssätze der Militärpensionäre, sowie deren
23*
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352
Umschau in der Militar-Litteratur.
Wittwen und Waisen. — Die Reorganisation in der Militärsanität. — Die
russischen Plastuni-Bataillonc. Hr. 639: .,Unser Feldzug vor 100 Jahren* 4 ;
Erinnerung an den Eeldzug von 1794, mit Benutzung der „Mitteilungen
des k. u. k. Kriegsarchivs. 44 — Politische ( )ftiziersduelle. Kr. 640: Offene
Fragen betreffs der organischen Bestimmungen über die Militärärzte. Hr. 641 !
Nach Carnot's Tod. — Offene Fragen etc. (Sehluis). Nr. 642: Ein türkisch-
bulgarisches Trutz- und Schutzbündnifs? — Unsere tapferen „Carler 44 ; be-
zieht sieh auf die Feier des Tages von Trautenau, dem Ehrentage des
Inf.-Regiments Erzherzog Carl Nr. 3. Nr. 643: Der deutsche Unteroffizier.
Nr. 646: Zur Systemisirung aktiver Landwehrärzte. Nr. 647: Betrachtungen
anläfslich der neuen deutschen Beschwerde-Ordnung.
Journal des sciences militaire*. (Juni 1894.) „Dcrnier eflbrr
(Forts.). — Bemerkungen über das Feuer und das Verhalten der Infanterie
im Gefecht. — Ein Apparat zu praktischer Darstellung der Infanterie-
Feuerwirkung auf geneigtem Gelände. — Der Feldzug 1814 (Forts.). -
Die Schiefsausbildung in Frankreich und Deutschland. — Die Siege*
Zuversicht bei grofsen Feldherrn (Forts.).
Reyue de Cavalerie. (Juni.) Die Divisions- Eskadron auf dem
Marsche, auf Vorposten und im Gefecht. — Die italienische Kavallerie
(Forts). — Die Kavallerie -Verstärkungen und die Kemontirung bei der
Grofsen Armee 1806-1807. — Über Armee-Rennen (Forts.). — Die
russischen Pferde.
Revue militaire universelle. (l.Juli.) Der Sezessionskrieg (Forts.).
Nachtmärsche und Nachtoperationen (Forts.). — Technische Betrachtungen
über die Umwandlung der modernen Bewaffnung und ihre Verwendung
im Gefecht. (Aus d. Italien, übers.; Forts.). — Von der intellektuellen
Arbeit des Offiziers. — Die Offizierkorps der bedeutendsten europäischen
Armeen.
Reyue du cercle militaire. Nr. 26: Aus den Kolonien: Die Grenzen
von Kamerun (Mit Karte). — Eine Studie über Seetaktik (Forts.). — Die
schweizerische Armee 1893 (Forts.). — Nr. 26: Die schweizerische Armee
1893. — Eine Studie über Seetaktik (Schlufs). Nr. 27: Die Schnellfeuer-
kanonen. — Aus den Kolonien: Kongo und Nil (Forts.).
I/Avenir militaire. Nr. 1903: Übel angebrachte Ersparnisse; handelt
von der dem Kriegsminister zu Teil gewordenen Weisung, 15 Millionen
am Militärbudget zu sparen. — Die Einberufung der Reserve Kavallerie-
Regimenter. Nr. 1904: Artikel 5 des Rekrutirungs Gesetzes. Nr. 1905:
Der Präsident. Carnot. Warm empfundener Nachruf für denselben. Nr. 1906:
Präsident Casimir Perier. — Das Infanteriefeuer. Nr. 1907: Massen-Manöver.
- Das Infanteriefeuer (Forts.). Nr. 1908: Die „Alte Armee"; dieselbe
wird, in disziplinarer Hinsicht, der jetzigen als weit überlegen bezeichnet.
— Das Exerzir- Reglement der Infanterie vom 15. April 1894. Nr. 1909:
Französische Politik im äufsersten Orient.
Le Progres militaire. Nr. 1423: Nochmals die beiden Artillerien. —
Die Civilanstellungen (der Unteroffiziere); Liste derselben. Am 1. Januar
waren 323 Unteroffiziere versorgt, 317 blieben noch uuangestellt. Nr. 1424:
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Umschau in der Miütar-Litteratur.
353
Übungslager; solche nach deutschem Muster werden empfohlen. Nr. 1425:
Der Mobilisimngs -Versuch (ein solcher mit 2 Reserve-Kavallerieregimentern);
es ergiebt sich, dafs 10 Tage nötig sind, um solche marschfähig zu formiren.
Nr. 1426: Die Aufgabe der Kavallerie. Nr. 1427: Die Reserve-Kavallerie-
Rcgimenter. — Rechenschaftsbericht über die Rekrutirung der Armee 1893.
Das Rekrutcn-Kontingnent beziffert sich auf 212 700 Mann, die Zahl der
Wieder-Anwerbungen betragt 4545, diejenige der Analphabeten 6,43 Prozent
des Kontingentes. Nr. 1428: Die Hierarchie der Waffengattungen. Nr. 1429:
Unsere Reglements (bezieht sich auf einen Aufsatz des Journal des sciences
militaires, von General Philibert).
La Franc© militaire. Nr. 3056: Die Remontirung der Offiziere.
Nr. 3056: Die Armee-Kavallerie; behandelt deren Verwendung im Felde.
Nr. 3059: Unsere Unteroffiziere; handelt von den Vorbildungsschulen für
dieselben. Nr. 3063: Afrikanische Bataillone. Die Kolonial-Truppen der
Vergangenheit; geschichtlicher Rückblick. Nr. 3064: Das Reitwesen in
der Armee. Nr. 3065: Diese mit Trauerrand erschienene Nummer ist fast
ausschliefslich mit Nachrichten über die Ermordung Carnot's gefüllt. Nr. 3066 :
Die Reserve-Offiziere. Nr. 3067 : Der neue Präsident der Republik ; wird
sympatisch begrüfst. Nr. 3069: Die Militärschule der Artillerie und des
Genie. Nr. 3070: Die Reserve-Offiziere. Nr. 3071: Zwieback-Zubereitung.
Nr. 3074: Die Kriegsflotten. Nr. 3075: Die befestigte Enceinte von Paris.
Nr. 3076: Die polytechnische Schule und die Armee. — Die Reserve-
Kavallerie.
La Belgique militaire. Nr. 1210: Unsere Ilelden (Forts.). — Die
Kriegskunst auf der Antwerpener Welt-Ausstellung 1894. Nr. 1211: Die
Kriegskunst auf der Antwerpener Welt-Ausstellung (Forts.). — Remontirung
im Mobilmachungsfalle. Nr. 1212: Die Kriegskunst auf der Antwerpener
Welt- Ausstellung (Forts.). — Organische Zusammensetzung der Festungs-
Artillerie.
Schweizerische Monatsschrift für Offiziere aller Waffen. (J n n i.)
Die Luftschifferkompagnio des Entwurfes zur Neuorganisation des Bundes-
heeres. — Die Geniewaffe im Entwurf zur Neuorganisation des Bundes-
heeres. — Betrachtungen über das Verhalten der drei Waffen im russisch-
türkischen Kriege 1877/78 (Forts.). — General v. Scherff und das deutsche
Exerzirreglement für die Infanterie (Schluß). — Rufslands Wehrmacht
(Schlüte).
Schweizerische Zeitschrift für Artillerie und Genie. (Juni.)
Die flüchtigen Feldbefestigungsarbeiten. — Preisaufgaben der schweizerischen
Offiziersgesellschaft für 1895. — Vorschrift über die Verpackung der Not-
portionen durch die Truppen. — Bändigung bösartiger Pferde.
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung. Nr. 25: Zur Re-
organisation der Kavallerie, Vortrag des Gen.-Stabs-Oberstlts. Markwalder.
Nr. 26: General de Gallifet. — Beitrag zu dem Artikel über die Wirkung
der neuen Geschosse. Nr. 27: Zur Reorganisationsfrage.
Army and Navy Gazette. Nr. 1794: Die Gemischte Ver-
teidigungs-Kommission. Zur Beseitigung der schon seit Jahren be-
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Umschau in der Mihtir-Litteratur.
stehenden Klage, dafs Heer und Flotte bei der I^andesverteidigung uicht
nach gleichen Grundsätzen liandeln, ist vom Kriegsininisterium eine
Kommission beider ernannt, die die schwebenden Fragen erledigen soll.
Die Kommission zählt 4 der höchsten Offiziere der Flotte und ebenso viele
des Heeres, mit zugeteilten Sekretären etc. Man setzt grofise Hoff-
nungen auf die Thätigkeit dieser Kommission. — Die Anstellung aus-
gedienter Soldaten. Bericht über die Thätigkeit der „nationalen
Vereinigung 44 , den ausgedienten Soldaten Erwerbsquellen im bürgerlichen
Leben zu verschaffen; von 17 278 Mann, welche im vorigen Jahre aus
der Armee ausschieden, sind 3886 durch die Vereinigung angestellt. —
Eintrittsprüfungen für die Armee. Die Vorschriften zur Aufnahme-
prüfung in Sandhurst und in Woolwich sind in vielen Punkten geändert. —
Russische Winterübungen. Mitteilungen über die im Februar d. J.
stattgehabten Manöver und Zeltlager von Detachements an der "Weichsel
bei einer Kälte von —5 bis 12 C. Hr. 1796: Heeres- Budget für Indien.
Bericht des General Brakenbury über die notwendig gewordenen Mehr-
ausgaben für das Indische Heer. Nr. 1796: Waterloo. Die Wiederkehr
des Jahrestages der Schlacht giebt Veranlassung zu einer Betrachtung über
den Charakter und die Leistungen Wellingtons. — Die Reorganisation
der Indischen Armee besteht wesentlich darin, daü* mit dem 1. Oktober
d. J. das Indische Präsidial-Kommaudo eingeht und ein gesondertes Armee-
Kommando für Indien eingesetzt wird.
The Journal of the Royal United Service Institution. Hr. 196:
Ansichten über Küsten-Verteidigung. Der Oberstlieutenant Joulyn
stellt in einem Vortrage die Grundsätze der Verwendung der Artillerie der
Küsten -Verteidigung zusammen. Die Einteilung soll aus Gruppen von
zwei und mehreren Geschützen bestehen, zwei Gruppen und mehr bilden ein
Fort, zwei und mehr Forts bilden einen Abschnitt. Für jede dieser Ab-
teilungen giebt er Vorschriften zur Anlage und Leitung durch die Führung.
— Schnellfeuer-Geschütze in Verbindung mit Kavallerie. An-
knüpfend an Beispiele aus den vorjährigen Manövern bei Idstone werden
der Transport, die Munition, die Ziele, die Deckung und das Personal für
die den selbstständigen Kavallerie - Abteilungen zugeteilten Schnellfeuer-
oder MaschinengCHchütze erörtert. Ebenso wird ein Blick auf aufscr-
englische Armeen geworfen, von donen nur die Schweiz eine dauernde
Zuteilung von Schnellfeuer-Geschützen kennt.
Russischer Invalide. Verordnungen, Befehle, kleine mili-
tärische Nachrichten. Hr. U4: Bei der Schwarzenmeer-Flotten-Division
wird zum 1. Januar 95 eine achte Flotten-Equipage mit der Nr. 35 formirt.
Hr. 116: Die Verwaltungen der neugebildeten Reserve-Infanterie-Brigaden
Nr. 50, 56, 58—61 sind im April und Mai dieses Jahres formirt worden.
Hr. 118: Bestimmungen über den Austrag von Streitigkeiten im
Offizier-Korps. Hr. 119: Kurze Beschreibung der Bekleidung und
Ausrüstung der Offiziere und Mannschaften der Festungs-lnfanterie-
Regimenter und Bataillone. — Die Einberufung der Rekruten
in den finnländischen Gouvernements im Jahre 1893; aus dieser
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Umschau in der Militär -Litteratur.
Übersicht geht hervor, dafs von sämmtlichen Dienstpflichtigen Finnlands
57,4 °/ 0 völlig dienstuntauglich waren, während 2,3% wegen zeitiger
Dienstuntauglichkeit zurückgestellt werden raufsten; hierbei ist zu bemerken,
dafs der Prozentsatz der Dienstuntauglichen in Finnland von Jahr zu
Jahr ein höherer wird. Nr. 125: Die Übungen der Katniks der
Opoltschenic (Reichswehr) im europäischen Kufsland und im
Kaukasus im Jahre 1893; es waren zu einer vierwöchentlichen Übung
alle Mannschaften einberufen, welche in den Jahren 1890 und 1892 der
Opoltschenie überwiesen worden waren; in Folge der Cholera-Epidemie
mußten in einigen Bezirken die Übungen ausfallen; an der vollen Übung
nahmeu 313 240 Mann teil; bemerkenswert ist, dafs sich fast 10% a H° r
Übungspflichtigen ohne gesetzlichen Grund von der Übung drückten.
Gröfsere Aufsätze: Nr. 119: Die Jagdkommandos des Militär-
Bezirks Omsk. In den asiatischen Militärbezirken spielen die Jagd-
Kommandos, in Folge der Eigcnartikcit der ganzen Verhältnisse, eine weit
gröfsere Rolle, als in Europa. Im Militärbezirk Omsk waren von jeder
Kompagnie anstatt 4, 8 Mann dem Jagd -Kommando zugeteilt. Aus
ihren Übungen wird insofern ein praktischer Nutzen gezogen, als sie zur
Erkundung von unbekannten Pfaden und Gebirgspässen verwandt werden,
welche im Kriege für die Truppen in Frage kommen können. Nr. 121:
Flufs-Kriegfahrzeuge (Angaben über die österreichische und rumänische
Donau-Flotille). Nr. 123, 124, 129: Material zur Statistik des Gebiets
Ssamarkand.
Wajennüj Ssbornik. (Mai.) Versuch einer Untersuchung der
Taktik der Massen beere. II. — Ausführung der Marsch-Manöver durch die
Massenheere. — Die Friedens-Manöver und ihre Bedeutung. IV. — Das
moralische Element vor Sewastopol. IV. — Zur Frage der Gliederung der
Artillerie in Fufs-, reitende und Festungs-Artillerie. — Die Verteidigung
des Schipka. II. Der Dienst und das Leben der Artillerie auf dem
Schipka. II. — Uber das Wesen des deutschen Offizierkorps. V.
Verf. bespricht das kameradschaftliche Leben im Offizierkorps in sehr ein-
gehender und im allgemeinen zutreffender Weise. — Nekrolog des lang-
jährigen Redakteurs des „Wajennüj Ssbornik'" und des „Russischen Invaliden,"
General d. I. Lawrentjeff. — Über die Verpflegung der französischen Truppen
im Kriege. — (Juni.) Das Gefecht bei Oltenitza am 23. Oktober a. St. 1853.
— Der Infanterie Angriff. I. — Die Kavallerie auf dem Gefechtsfelde. —
Über die Versorgung der Truppen und Parks mit Munition (mit Skizze).
— Die Befestigungskunst im Kampfe mit der heutigen Artillerie. — Die
Verteidigung des Schipka. (Die Artillerie, ihr Dienst und ihr Leben.) III.
— Über das Wesen des deutschen Offizcrkorps. (Forts ).
Beresowskij's Raswjedtschik. Nr. 187: Abbildung sämmtlicher
Offiziere des Stabes des Garde-Korps und des Militär-Bezirks St. Petersburg.
— Von den mitgeteilten Verordnungen aus den Militär-Bezirken
verdient besonderes Interesse als bezeichnend für die fast unbegrenzte
Öffentlichkeit in Mitteilungen der militärischen Presse der „Befehl Nr. 57
des Militärbezirks Kijew u (General Dragomirow), in welchem es u. a. heifst:
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35f»
Umschau in der Militär- Litteratur.
„Oberst ... des n ton Dragoner-Regiments hat dem Chef des Haupt-
stabes während seiner Beurlaubung in St Petersburg eine Eingabe in rein
persönlichen Angelegenheiten ohne die vorgeschriebene Genehmigung seines
nächsten Vorgesetzten tiberreicht und ist dafür von mir mit einer Woche
Arrest auf der Hauptwache bestraft worden." — Die Ausrüstung der
Infanterie mit Schanzzeug. — Die Militär-IIeil-Anstalt in Ciechocienek
(Gouvernement Warschau) mit verschiedenen Illustrationen. Mit der dorrigen
Saline ist ein Soolbad verbunden, welches von der Armee viel benutzt wird.
Nr. 188: Aus den Verfügungen in den Militär-Bezirken. (In einem
Befehl des Kommandircnden des Mil.-Bez. Odessa wird daraufhingewiesen,
wie unverhältnifsmäfsig grofs die Zahl der oft für nicht unmittelbar mit
dem Zweck des Soldaten in Zusammenhang stehenden Verwendungen
außerhalb der Front Abkommandirten sei. — Scharmützol mit den Kunloji
in den Bergen am Ararat und am Agrydagh. — Die MUitär-IIeil- Anstalt
in Ciechocienek. (Schlafs). Unter den Illustrationen befindet sich auch
das Bild einer Gruppe von Offizieren der nahen Thorner Garnison und
einiger Russischer Kameraden. Nr. 189: Scharmützel mit den Kurden in
den Bergen am Ararat und am Agrydagh. (Schluß). — Die französischen
Bataillons-Küchen des Systems Malan. — Biographie und Bild des Feld-
marschalls Blücher. Nr. 190: Eine Heise in die Krym auf Velocipeden.
(Von einem Teil der Odessaer Junkerschulc unternommen). — Ein Denk-
mal für Skobeleff im Artillerie-Lager bei Orany. Nr. 191: Winter-Übungen.
— Vom Posten auf dem Pamir mit Original-Aufnahmen der Befestigung,
von Gruppen von Offizieren und Eingebomen u. s. w. — Notizen aus den
Grenz- Bezirken. — Die Ergänzung der Armee. — Der Einzug Napoleons I.
in Grenoble im Jahre 1815. (Auf Grund der Arbeiten Henry Houssayes:
„1815 und die erste Restauration." ,,1815, la premiere restauration, le
retour de Pilo d'Elbe, les cents jours."). Nr. 192: Der Dowe'sche Panzer.
— Aus den Verfügungen des Hauptstabes und der Militär-Bezirke.
Riyista militure Italiana. 16. Mai. Die Zone von Asmara
(Forts.). Historisch-politisch-militärischc Abhandlung von grofsem Interesse
(Mit einer recht guten Karte). l.Juni. Die Zone von Asmara (Forts.). — Die
grofsen deutschen Manöver 1893 (Forts.). Betrachtungen erstrecken
sich sehr eingehend und richtig auf Verpflegung, Zeltausrüstung, Munitions-
nachschub. 16. Juni. Die Zone von Asmara (Forts.). — Über die
Zweckmäfsigkcit der Verteidigung des Innern von Örtlichkeiten
(Hält hartnäckige Verteidigung des Dorf-Innern auch bei der neuen Munition
[Brisanz] der Artillerie für durchführbar). — Vom Geist der Offensive
(Sehr beachtenswert).
Esercito Italiano. Nr. 67: Das permanente Heer und seine
Aufgabe in Italien (Aufserordentlich bedeutende Rede des Senntors
Annibale Ferrero im Senate). Nr. 68: Einberufungen von Leuten
des Beurlaubtenstandes zu Übungen. Einbeordert werden vom
26./7.— 9./8. die Leute I. Kategorie Jahrgang 1868 aller Distrikte, soweit
sio den Grenadieren angehören, die Leute I. Kategorie desselben Jahrgangs
der Infanterie, Bersaglieri der Distrikte, die bei den Unruhen Reservisten
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Umschau in der lülitär-Litteratur.
357
nicht lieferten, I. Kategorie Jahrgangs 1867 einer Anzahl von Distrikten,
Offiziere di complemento Jahrgangs 1868 der Grenadiere, Bcrsaglieri, In-
fanterie. Nr. 69: Für Einbeorderungen ist die Vereinfachung eingetreten,
dafs die Urlauber und auch die Rekruten sich nicht mehr erst zu den
Sitzen der Hauptverwaltung ihrer Bezirke zu begeben brauchen, sondern
von den Ortsvorstehem sofort zu den Militärdistrikten instradirt werden,
wodurch man Umwege und Kosten erspart. Nr. 72: DieD urc lisch nitts-
stärke der Kavallerie-Regimenter an Pferden betrug 1893 799—846, total
waren 20 375 Pferde der Kavallerie, 10 783 der Artillerie, Summa 31158
vorhanden, gegenüber 30 986 im Jahre 1892. Nr. 73: Nach den Nachrichten,
dio über die Arbeiten der von General Mocenni unter Vorsitz des Generals
Cosenz ernannten Kommission von Generalen zur Beratung von weiteren
Ersparnissen verlauten, werden Ersparnisse in der Hauptsache durch um-
fassende Dezentralisation der Verwaltung angestrebt werden.
Revista militar. (Portugal.) Nr. 11: Die Majorsprüfungen.
— Völkerrecht (bezieht sich auf den Konflikt mit Brasilien).
Krigsvetenskaps-Akademiens-Handlingar. (Schweden.) 9. u.
10. Heft. Befehls- und Meldungsliberbringung bei der In-
fanterie.
Norsk Militaert Tidsskrift. (Norwegen.) 5. Heft. Sanitäts-
zustand in der Armee.
II. Bücher.
Kriegslehren in kriegsgeschichtlichen Beispielen der Neuzeit. Von
W. von Scherff, Geueral der Infanterie z. D. Erstes Heft: Be-
trachtungen über die Schlacht von Colombey-Nouilly mit 2 Planen
in Steindruck. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 3,25 M.
Die vorliegende Studie ist in hohem Grade geeignet, die wichtige
Frage von Neuem zu beleuchten, wie der Angriff der Infanterie sich in
Zukunft gestalten werde. General von Scherff vertritt den Standpunkt
festerer Reglement&risirung des Angriflsverfahrcns, bleibt uns aber leider
die Antwort auf die Frage schuldig, welches denn nun die erwünschteste
Form für dieses Verfahren sei. Und zweifellos ist dies auch die schwierigere
der beiden Seiten — wir möchten sie die Schattenseite des Normalverfahrens
nennen. Denn wir sind darüber einig, dafs das Auftragverfahren leichter
dazu führt, die Einzelkä'mpfe zu vermehren und mit ihnen die Erfolge in
Frage zu stellen, dafs der bestimmte Befehl sicherlich mehr dazu geeignet
ist, die entwickelten Kräfte fest in der Hand zu halten und damit zu ein-
heitlichem Einsetzen zu bringen. Wir sind des Herrn Verfassers Ansicht'
dafs immer mehr sich ein festeres Fügen der Verbände zu gemeinsamem
Handeln als notwendig herausstellt und können den im Exerzir-Reglement
vorgesehenen Fall eines Vorreilsens des Angriffs durch Schützen nur als
einen regleinentarischen Fehler bezeichnen. Denn soweit darf die Selbst-
ständigkeit der vorn kämpfenden Unterführer nur in Ausnahmefällen gehen —
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358
Umschau in der Militär - Litteratur.
es wird fast nie ein ganzer, sondern fast immer ein partieller Erfolg sein,
der hier errungen wird, fast niemals wird der Moment aber so gewählt
werden können, wie es die Sehlachtenleitung will und schon aus diesem
Grunde sind wir für ein schärferes „Reglementarisiren" des Angriffs Verfahrens.
An Stelle des Auftrages trete der bestimmte Befehl, der für das Angriffs-
verfahren eigentlich nur dreierlei Art sein kann: 1. kläre auf, d. h. engagire
dich nur bis zu einem gewissen Grade, 2. halte das Gefecht hin, oder
3. reifse vor, verstärke, greife an.
Der Befehl bezeichne das Objekt genau und ich bin der Meinung, der
Unterführer habe noch immer Freiheit des Handelns genug, die Führung
aber die Leitung der Gcsammthandlung dabei nicht verloren. Wir müssen
dem Herrn Verfasser zugestehen, dafs der Führer heutzutage eigentlich
machtlos dasteht, wenn nach seinen Aufträgen nicht gehandelt wird: diese
gehen eben zu weit. - Nun aber die Form für das Angriffs verfahren!
Zunächst möchten wir behaupten, dafs wir auch in unseren jetzigen Dienst-
vorschriften einen Anhalt fiir dieses Verfahren finden, uns sehr wohl
konstruiren können. In dieser Hinsicht werden die Abschnitte der F.-O.
über Schiedsrichter, der S.-V. über Feuerwirkung und des K.-Ii. über (las
Gefecht noch garnicht genügend studirt. Das nennen wir auch „theoretisches
Studium", das aber vor starrer Form schützt. Und gegen diese ist es,
gegen die in der Armee sich so Viele verwahren. Eine Schematisiruag
des Angriffes sollte nicht nur verboten sein, sondern vor Allem auch nicht
geduldet werden — sie dürfte höchstens über die freie Ebene und auf die
Entfernung unter 400 m überhaupt in Frage kommen weil die un-
glaublichsten und unmöglichsten Phantasiegehilde heut zu Tage auf den
Übungsplätzen zu sehen sind.
Nur überschätze man doch ja nicht den Wert solch einheitlichen An-
griffes, der nur zu leicht dazu führt, dafs jede Selbsttätigkeit unterbunden
wird, mir noch auf direkten Befehl gehandelt werden darf, denn es wird
ja „Alles" befohlen. Und hierzu können wir durch oin Normalverfahreii,
durch feste Formen nur zu leicht kommen. Der Unterführer weife iu>
Voraus schon, dafs er zu diesem oder jenem Zeitpunkte „normal" so und
so zu handeln hat, kommt aber der Gegner ihm in die Quere, so ist die
ganze Norm und Form eitel Seifenblase und ratlos steht der zur Form
Erzogene den Ereignissen gegenüber.
Das von dem Herrn Verfasser gewählte und so eingehend behandelte
Beispiel dürfte für seine Absicht, cino festere Reglementarisirung
als dringend erforderlich zu erweisen, besonders geeignet sein. Die
Momente, welche in der Schlacht von Colombey-Nouilly die Gefechtsführung
erschwerten und die Kampfesordnung lösten, sind aber nicht nur darin zu
suchen, dafs die Kampfformen nicht mehr die richtigen waren, dafs man
verzettelt die auf dem Schlachtfelde erscheinenden Kräfte dem Gegner
entgegenwarf, sondern die obere Leitung war sich von vorn herein darüber
nicht völlig klar, was die erste Armee am 14. August eigentlich sollte; „denn
es kam fiir die französischen Streitkräfte an diesem Tage nur darauf an, jedes
Zusammentreffen mit dem Feinde überhaupt zu vermeiden." 1 Eine „Be-
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Umschau in der Militär-Litteratur.
35!)
obachtung u , wie sie für den Fall des „Stehenbleibens" der Franzosen an-
geordnet war, mufste unter allen Umständen zum Kampfe fuhren und so
wurden die Truppen nach und nach in einen von der Heeresverwaltung
nicht beabsichtigten Kampf verwickelt. — Wenn wir in mancher Hinsicht
dem Herrn Verfasser auch beipflichten, dafs es wünschenswert sei, Formen
zu finden, welche ein Vortragen des Angriffes erleichtern, möchten wir
andererseits aber doch betonen, wie schwer es ist, solche Formen zu finden,
ohne in ein Schematisircn zu verfallen. Und letzteres soll doch wahrlich
nicht gewollt sein, wenigstens sind wir nicht im Stande, ihm das Wort zu
reden.
Was haben unsere westlichen Nachbarn mit ihrem Normal verfall ron
erreicht? Für Viele ist es ein mit Wonne ergriffenes Rettungstau — für
sie ist es auf alle Fälle anwendbar. Und welche Gefahr liegt doch hierin!
Soviele Gefechte, soviele verschiedene Arten des Angriffsverfahrens, d. h.
so vielfach verschieden wird der Angreifer seine Feuerüberlegenheit herbei-
zuführen versuchen. Hierin gipfelt das, was wir für unser Angriffsverfahren
— für die KampfTorm — benötigen und mit der Art, wie der Angreifer
bis zur Hauptfcuerstellung vorgeht, wie er seine Verstärkungen nach- und
hereinführt, sollte man hauptsächlich rechnen. Lassen sich hierfür aber
wohl jemals ein für alle Mal geltende Formen finden? Wir meinen, dafs
das unmöglich sei und sehen den weiteren Ausführungen des Herrn Ver-
fassers, wie derselbe sich die erwünschte KampfTorm denkt, gespannt ent-
gegen 5 möchten sie uns nur nicht in ein Schema hineinzwängen! 63.
Der zweite punische Krieg (die Jahre 219 und 218 mit Ausnahme des
Alpenüberganges). Ein Versuch von Josef Fuchs. Professor in
Wr.-Neustadt. — 1894. In Kommission bei Karl Blumrich, Wr.-
Ncustadt.
Hannibals Thaten, die wiederholten Siege desselben über Korn, mit
einem Heer, welches er aus Spanien durch Gallien über die Alpen führte,
um von Ober-Italien aus die siegesgewohnten Römer anzugreifen, haben mit
Recht die Bewunderung der Mit- und Nachwelt wachgerufen. Es ist dem
Herrn Verfasser vollkommen zuzustimmen, dafs zwar die letzten Kriege
in strategisch-taktischer Beziehung die vornehmste Quelle der Belehrung
sind, dafs aber dennoch der zweite punische Krieg für die Kriegsgeschichte
von grofser Bedeutung ist und bleiben wird. — Die Litteratur hat aller-
dings ausgezeichnete Werke über den zweiten punischen Krieg aufzuweisen,
welche der Herr Verfasser auch gewissenhaft anführt. Dennoch hat das
vorliegende Werkchen (120 Seiten stark), dessen Sprache eine fließende
und gewählte ist, seine Berechtigung. Der Herr Verfasser hat sich nämlich
was bisher nicht mit vielem Glück geschehen ist, zur Aufgabe
gemacht, die Begebenheiten der Kriegsjahre 219 und 218, vom Auf-
bruch Hannibals aus Spanien bis zur Schlacht an der Trebia, unter
sorgfältiger und kritischer Benutzung der Quellen, namentlich der Werke
des Griechen Polybius und des Römers Livius, nach strategisch-taktischen
Gesichtspunkten zu beleuchten.
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Umschau in der Militär - Litteratur.
Das Wcrkclien wird vom llcrm Verfasser in bescheidener Weise als
„Versuch'* bezeichnet Wiewohl einzelne Ausführungen gegen die Dar-
stellung Mommsens nicht überzeugend sind, können wir doch den Versuch
als im allgemeinen gelungen bezeichnen. Es ist zu wünschen, dafs der
Herr Verfasser auch den Alpenübergang, dann den weiteren Verlauf des
Krieges bis zu dem für Carthago verhängnifsvollen Friedensschlufs einer
gleichen Behandlung unterziehen möge. 45.
Beiträge zur taktischen Ausbildung unserer Offiziere. I. Offizier
Felddienst-Ühungen. Von Litzina nn, Oberstlieutenant. Mit 1 Kroki,
1 Skizze und Blatt Cosel der Karte des deutschen Reiches. Zweite
durchgesehene Auflage. Leipzig 1893. Verlag von G. Lang. Preis 3 M.
Die erste Auflage dieses auf die applikatorische Methode gestützten
Handbuches erschien im vorigen Jahre. Es hat an dieser Stelle eine
ebenso eingehende wie anerkennende Besprechung gefunden (Vergl. Jahr-
bücher, Dezember 1893, S. 376). Wir können uus deshalb damit begnügen,
auf das Erscheinen dieser zweiten, sorgfältig überarbeiteten Auflage hiermit
nochmals die Aufmerksamkeit unserer Leser zu richten. Es gehört zu
denjenigen Werken, welche nicht flüchtig gelesen, sondern gründlich
studirt sein wollen. Wer diese Mühe scheut, der lege es wieder aus der
Hand. Sicher ist aber, dafs die auf das Studium desselben verwendete Zeit
und Mühe einem Jedem reiche Früchte tragen wird. 4.
1. Deutsche Kriegertugend in alter und neuer Zeit. Der Jugend
und dem Heere gewidmet von Paul v. Schmidt, Generalmajor z. D.
Preis 2,50, in Partien 2,10 M. 2. Die Erziehung des Soldaten.
Den Kameraden gewidmet von Paul v. Schmidt, Generalmajor z. 1).
Preis 2,50 M. Berlin 1894. Verlag der Lieberschen Buchhandlung.
Der unermüdlichen Feder des Herrn Verfassers verdanken wir aber-
mals zwei Schriften, deren Beachtung wir allen denen, die mit der Truppen-
ausbildung zu thun haben, dringend empfehlen. P. v. Schmidt hat die
seltene Gabe, ethische Stoffe in fesselnder und wahrhaft volkstümlicher
Weise zu behandeln; er wird hierin durch eine staunenswerte Belescnheit
wirksamst unterstützt. — Die erstgenannte Schrift: „Deutsche Krieger-
tugend in alter und neuer Zeit* behandelt folgende Themata: Gottes-
furcht und Demut; Liebe zu König und Vaterland; Treue und Selbst-
verleugnung; Heilighaltung der Fahne; Gehorsam und Pflichttreue; Kriegs-
fertigkeit; Mut und Tapferkeit; Kaltblütigkeit, Geistesgegenwart, Ausdauer;
Entschlossenheit, Verwegenheit, Siegeszuversicht ; Todesmut und Freudigkeit
im Sterben; Soldatenehre und Mannszucht; Kameradschaft und Edelmut;
Frohmut und Humor. — Man sieht, dafs die Grenzen der „Deutschen
Kriegertugend " sehr weit gesteckt sind. Über die einzelnen Themata aus
dem Stegreif und wirklich zum Gemüt zu sprechen, ist eine Gabe, die
sehr wenige besitzen. Wir können darum nur raten, an der Hand dieses
gediegenen Werkes den wichtigen Stoff gründlich zu durchdenken und
sind überzeugt, dafs ein in diesem Sinne gehaltener Vortrag (welcher am
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Umschau in der Militär-Liüeratur.
»Gl
Besten in der Hand des Kompagnie-Chefs liegen sollte) von der segens-
reichsten erziehlichen Wirkung sein wird. Die überaus zahlreichen, ein-
gestreuten Beispiele aus der Heeresgeschichte, namentlich der neuesten
Zeit, sind sehr geschickt gewählt und werden das Verständnis des Vortrages
erleichtern helfen.
Die zweite Schrift, „Die Erziehung des Soldaten", ist ausschliefslich
zum Studium für den Offizier, älteren und jüngeren gleicher Mafsen, be-
stimmt. Sic bezweckt, zum Nachdenken über das hohe, zu erreichende
Ziel anzuregen, nämlich ,.auf dem Grunde der Gottesfurcht, Königstreue
und Vaterlandsliebe die zur Fahne einberufenen jungen Männer zu recht-
schaffenen, unverzagten, pflicht- und ehrliebenden Soldaten heranzubilden."
Wahrlich ein Ziel, „des Schweifscs des Edlen wert." Die drei Abschnitte
dieser Schrift behandeln 1. die Ziele der Erziehung, 2. die Erzieher
(Offiziere und Unteroffiziere), 3. die Mittel der Erziehung, nämlich die
Ausbildung, den Dienstunterricht, die Behandlung des Soldaten, die Be-
strafung, die Belohnung, vaterländische und Regimentsgeschichte, Gesang
und Musik, Gedenktafeln und Merksprüche, kameradschaftliche Gesellig-
keit, Mannschafts-Bibliotheken, Feier von Gedenktagen und Festen, religiöse
Einwirkung, militärische Jugenderziehung. — Gewifs ist, wie im Schlufs-
worte gesagt wird, „die Erziehung des Soldaten eine der wichtigsten
nationalen Aufgaben," denn sie fördert die geistigen Hebel, die
denn doch die Hauptsache sind und bleiben, trotz aller organisatorischen,
taktischen und technischen Fortschritte, deren sich die Heeresleitung in
neuester Zeit mit Recht berühmen darf. Der Herr Verfasser hat uns mit
seinen warmherzigen, überall das Richtige treffenden Worten so recht aus
der Seele gesprochen. Wir halten uns verpflichtet, den Kameraden auch
diese Schrift um des edlen und hohen Zweckes wegen an das Herz zu
legen. 2.
Militärärztlicher Dienstunterricht für einjährig-freiwillige Ärzte
und Unterärzte sowie für Sanitätsoffiziere des Beurlaubten-
standes. Zweite, vermehrte Auflage. Von Dr. Kowalk, Stabsarzt.
Berlin 1894. E. S. Mittler & S. Preis 4,50 M., gebd. 5 M.
Von dem in den Kreisen der einjährig-freiwilligen Arzte und Unter-
ärzte bereits bestens bekannten, von Stabsarzt Dr. Kowalk bearbeiteten
„Militärärztlichen Dienstunterricht" ist eine zweite, vermehrte Auflage er-
schienen. Infolge der neuergangenen Dienstvorschriften hat diese zweite
Auflage sehr zahlreiche Ergänzungen und Änderungen erfahren, auch fanden
die für das XII. (Königlich Sächsische) und das XIII. (Königlich Württem-
bergische) Armeekorps abweichenden Bestimmungen Berücksichtigung, so
dafs das Handbuch nunmehr allen Sanitätsoffiztcr-Dienstthuern der ge-
sammten deutschen Armee den militärärztlichen Dienst erleichtern und
fördern wird. 4.
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302
Umschau in der Militär - Literatur.
Garnisonbeschreibungen vom Standpunkt der Gesundheitspflege
aus aufgestellt. Herausgepeben von der Medizinal-Abteilung des
Königlichen Kriegsministeriums. Erster Band: Beschreibung der
Garnison Cassel. Mit 2 Karten, 56 Tafeln und 1 Abbildung im
Text. Berlin 1893. E. S. Mittler & Sohn. Preis 8 M.
Als ein sehr anerkennenswertes Unternehmen ist es zu bezeichnen,
dafs seitens der Medizinal-Abteilung des Königlichen Kriegsministeriums
eine Bearbeitung der sämmtlichen Standorte nach einem einheitlichen Plan
vom Gesichtspunkte der Gesundheitspflege vorgenommen worden ist und. daß
Se. Excellenz, der Herr Kriegsminister, die Veröffentlichung derselben
genehmigt hat. Indem hierdurch nicht allein allen Sanitatsoffizieren einer
Garnison, — insbesondere den neu in eine solche versetzten — die
Möglichkeit gewährt wird, sicli über Gesundheits- und Krankheitsverhaltnisse
ihres Ortes, über die hygienischen Zustände ihrer Garnison und Garnison-
anstalten, über das Klima etc. in kürzester Zeit zu orientiren, wird das
solcher Gestalt niedergelegte Material durch die Veröffentlichung auch
weiteren Kreisen zugänglich gemacht.
Bei der Bearbeitung vorliegenden Werkes sind in erster Linie die
Sanitäts-Offiziere der bezüglichen Garnisonen thätig gewesen, doch habeu
die Aufzeichnungen gleichfalls den Königlichen Sanitätsämtern und der
Königlichen Intendantur vorgelegen, wie denn auch die betreffenden
städtischen Behörden einen reichen statistischen Beitrag für den allgemeinen
Teil geliefert haben. Desgleichen hat das meteorologische Institut bei der
Erörterung Über klimatische Verhältnisse ein reiches Zahlenmaterial sowie
wertvolle wissenschaftliche Beobachtungen zur Verfügung gestellt.
Mit der Garnison Cassel ist das erste derartige Werk der Öffentlichkeit
tibergeben worden und eine Durchsicht desselben überzeugt uns, mit welcher
Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit hierbei verfahren worden ist. — In
162 Seiten Text wird die geographische Lage der Stadt und ihrer Umgebung,
desgleichen werden ihre geologischen Verhältnisse und das Klima behandelt
und letzteres durch eingehende Tabellen über Luftdruck, Temperatur,
Niederschläge, Windstärke und "Windrichtungen etc. erläutert, welche den
täglichen Aufzeichnungen zu verdanken sind, die der dortige Gewerbeschul-
Oberlehrer Dr. Möhl vom Januar 1863 bis auf den heutigen Tag in
gewissenhaftester Weise gemacht hat. — Diesem schliefsen sich die Kapitel
über die Beschreibung der Stadt, über Wasserversorgung, Beseitigung der
Abfallstoffe sowie über die wichtigsten städtischen Anlagen, Schlachthaus,
öffentliche Krankenhäuser, Kirchhöfe etc. an. — Der II. Teil behandelt
die Garnison-Anstalten, die Kasernen, die Kriegsschule etc. und mit besonders
anerkennenswerter Gründlichkeit die sehr zweckmäfsigen Einrichtungen
des neuen Garnison-Lazareths, welche wohl dem dortigen bewährten Vor-
stande und Garnison-Arzt zu danken sind und die volle Beachtung auch
weiterer Kreise verdienen! — Der III. Teil behandelt Statistisches der
Civil- und Militärbevölkerung nebst einer Betrachtung über die in der
Stadt vorherrschenden Krankheitserscheinungen, und nachweisbar statt-
gehabten En- und Epidemien, wodurch die erfreuliche Wahrnehmung einer
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Umschau in der Militär - Literatur.
30.3
fortschreitenden Besserung der Krankheits- und Sterblichkeitsverhältnisse
erbracht ist. — Nebst einem Anhang sind dem Werk Karten von der
Stadt und ihrer Umgebung sowie zahlreiche vorzügliche Photographien und
Grundrisse aller Garnison-Anstalten beigefügt, welche im Verein mit dem
Text wohl geeignet sind, ein durchaus anschauliches Bild aller einschlägigen
Verhältnisse zu geben.
Es erscheint sonach die Hoffnung gerechtfertigt, dafs das Werk in
jeder Beziehung dem angestrebten Zweck entsprechen wird, neben Förderung
der Armee-Interessen auch weiteren Kreisen in hygienischen Fragen Nutzen
zu scliaffen. Möchte es bei allen hierbei interessirten Behörden und
Persönlichkeiten die gebührende Beachtung finden! v. M.
Kriegserinnerungen aus 1870/71. Soldatengeaehichten von O. Elster.
Berlin. Verlag der Liebelschen Buchhandlung. Preis 1 M.
Die Zahl der Kriegserinnerungen und Soldatengeschichten ist schon
eine ubergrofse, man wundert sich fast, dafe davon immer noch neue auf
dem Büchermarkte erscheinen. Aber nicht alles, was uns als „Soldaten-
geschichten" aufgetischt wird, verdient diesen Namen. Zu den letzteren,
welche es wert sind, dafs wir sie unseren Mannschaften in die Hand
geben, damit sie lernen, wie es im Kriege hergeht, rechnen diese 11 an-
spruchslosen, sehr fesselnden Geschichten. Der Verfasser besitzt eine
Erzähler-Gabe, wie wir sie an Winterfeld und Tanera gewöhnt sind. Ich
habe diese Blätter, welche ich Soldaten-Bibliotheken nur empfehlen kann,
mit wahrem Vergnügen gelesen. 3.
Über die Pferdezucht in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Von Burchard von Oeningen, Landstallmeister. Preis 1 M.
Uippologische Gedanken von einem Freunde des Vollblutpferdes.
Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 40 Pfg.
Die Vereinigten Staaten von Amerika besitzen in selten glücklicher
Vereinigung dio wichtigsten Bedingungen für eine ausgedehnte Pferde- und
Viehzucht. Sind schon die grofsen, vorzüglichen Weideflächen auf kalk-
haltigem Boden der billigen Aufzucht brauchbarer Pferde denkbar günstig,
so erlaubt vollends das milde Klima selbst in den nördlichen Staaten einen
Weidegang von sieben Monaten. Kein Wunder, dafs dieses früher fast
pferdelosc Land heute unter den pferdezüchtenden Ländern eine ganz her-
vorragende Stelle einnimmt. In diesem Werke stellt der Verfasser die
Ergebnisse seiner 3*/ 2 monatliehen Studienreise durch die in der Pferdezucht
sich besonders auszeichnenden Länder der Vereinigten Staaten von Amerika
zusammen. Nach einer kurzen allgemeinen Charakteristik der nord-
amerikanisehen Pferde- und Zuchtverhältnisse in Kentucky, Tennessee,
Kalifornien und Montana schildert er die Traberzucht, die Trabrennen —
ein nationaler Sport Nordamerikas — und den Training des Trabers, sowie
die Vollblutzucht, den Training des Rennpferdes und die Rennpropositionen.
Es folgen Beschreibungen der gröfsten Gestüte und der auf der Ausstellung
in Chicago vertretenen Pferdeklassen. Indem der Verfasser die ameri-
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Umschau in der Militär -Litteratur.
kanische und unsere Pferdezucht vergleicht und die Gründe für den Rück-
gang der Leistungsfähigkeit unserer Remonten erörtert, weist er zugleich
auf die Gefahren hin, welche durch das schnelle Fortschreiten und Ge-
deihen der nordamerikanischen Pferdezucht für unsere einheimischen
Zuchten erwachsen müssen, falls wir diesen nicht durch energische Mafs-
regeln aufzuhelfen bestrebt sind.
In der zweiten, im gleichen Verlage anonym erschienenen Schrift:
Hippologische Gedanken von einem Freunde des Vollblutpferdes
wird den Feinden der Rennbahn und des Vollblutpferdes und ihren haltlosen
Zeit-, Gewicht- und Distanzkritiken entgegentreten und geschildert, wie
der wahre Sportingscharakter sich nur auf wirkliche Leistungen beruft, wie
nicht nur Fleifs und Kenntnisse nötig sind, um sich ganz in ein Pferd
hineinzudenken, sondern vor allem Liebe zum Pferde. Der Verfasser hebt
hervor, dafs sich der Charakter des Menschen, ja sogar der Typus jedes
Volksstammes auffallend richtig im Umgange mit Pferden erkennen lasse,
und dafs ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen der Art des Reitens
und dem Charakter des Reiters ersichtlich sei. Die Ausführungen geben
zu geistreichen Betrachtungen Veranlassung. 3.
Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preußischen Armee und
des XIII. (Württembergischen) Armeekorps für 1894. Nach
dem Stande vom 20. Mai 1894. Preis 7,50 M. 1277 S.
Die diesjährige Rangliste ist um 137 Seiten stärker als die vorjährige.
Es ist dies vornehmlich darin begründet, dals das XIII. Armeekorps zum
ersten Malo in derselben erscheint. Naturgemäfs wird die Rangliste von
Jalir zu Jahr stärker und damit unhandlicher. Es legt dieses den Wunsch
nahe, entweder das Buch zu teilen, oder durch sparsamen Druck, was wohl
möglich, am Räume zu gewinnen. Das XIII. A.-K. ist als ein Ganzes
gesondert hinter den preussischen Offizieren des Beurlaubtenstandes auf-
geführt, während die Anciennitätslisie für sämmtliche preussischen und
württembergischen Generale und Stabsoffiziere eine gemeinsame ist und
sich wiederum an alter Stelle, nämlich vor dem alphabetischen Verzeichniis
der Standorte, befindet. Von wichtigen Neuerungen seien erwähnt die
Schiefsplatzverwaltungen Thorn und Wahn, der Truppenübungsplatz Döbcrta
und ein Artilleriedcpot in Brandenburg a. H. 9 Divisionen, 22 Infanterie-,
7 Kavallerie-, 6 Fcldartillerie-Brigaden haben seit dorn Erscheinen der
kleinen Rangliste (Herbst v. J.) den Kommandeur gewechselt, ferner
36 Regiments-Kommandeure der Infanterie, 12 der Kavallerie, 10 der Feld-,
5 der Fufsartillerie. — Die ältesten Gencrallieutenants sind 4, die ältesten
Generalmajore etwas über 3, die ältesten Obersten der Infanterie, Kavallerie
und Feld-Artillerie 3*/ 2 i der Ingenieure etwas über 3 Jahre in ihrer Stellung,
wohl ein Beweis dafür, dafs das Avancement ein recht günstiges für die
oberen Chargen war. Die Zahl der 25jährigen Dienstkreuze in den Chargen
der Hauptleute und Rittmeister ist bedeutend zurückgegangen, bei der
Infanterie per Regiment durchschnittlich 2 — 3, bei einigen (Garde-)
Regimentern kein», bei wenigen (Linien-) Regimentern bis zu 4 und 5,
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Umschau in der Militär- Litte ratur.
entsprechend bei den anderen Waffen. Die Verjüngung des Offizierkorps
hat folglich wesentliche Fortschritte gemacht. Dies wird um so ersichtlicher,
wenn man eine Rangliste Älterer Zeit zu Rate ziehet. In derjenigen des
Jahres 1839 (welche beiläufig nur 434 Seiten kleineren Formates zählt)
findet man nur wenige Hauptleute oder Rittmeister ohne das 25jährige
Dienstkreuz, dagegen zahlreiche Premierlieutenants und bei mehreren
Kavallerie - Regimentern selbst einige Sekon de -Lieutenants im Besitze
desselben. Der Vergleich mit der »guten, alten Zeit" fällt somit in dieser
Hinsicht nicht zu deren Gunsten aus. 3.
Dictionnaire militaire. Encyclope^lie des sciences militaircs, r6dige*e par
un comite* d'officiers de toutes armes. 1. Livraison. A— Arm6*e.
Paris-Nancy 1894. Librairie militaire Berger-Levrault et Cie. Preis 3 fr.
Wer immer in der Lage ist, sich mit der französischen Militär-Litteratur
zu beschäftigen, der wird häufig genug in Verlegenheit sein (selbst bei
genauester Kenntnifs der französischen Umgangssprache), wie er diesen oder
jenen Ausdruck gut übersetzen solle. Bei dem schnellen Fortschreiten der
Technik lassen zudem alle Lexika ohne Ausnahme im Stich; die Werke
von Coster nnd Ribbentrop sind gänzlich veraltet. Wir begrüfsen deshalb
das vorliegende Werk, dessen erste Lieferung uns zuging, mit besonderer
Freude. Dasselbe ist einerseits eine Militär-Encyclopädie in der Art wie
das Poten'sche „Handwörterbuch der gesammten Militärwissenschaften"
(doch ohne Illustrationen), und giebt als solche gründlichste Auskunft über
alle hier einschlägigen Themata, andererseits ein mehrsprachiges wirkliches
Lexikon, welches jeden militärtechnischen Ausdruck in deutscher, englischer,
italienischer, spanischer und russischer Sprache wiedergiebt (aber anstatt der
russischen Schriftzeichen lateinische). Zum Beispiel: Affiöt. — All.: Lafette;
angl.: Carriage; it.: Affusto; esp.: Curenna; rass.: Lafet. — Das Werk ist in
dieser Beziehung wirklich einzig in seiner Art. Mit welcher Gründlichkeit
die einzelnen Artikel bearbeitet sind, erhellt z. B. daraus, dafs der Titel
„Administration" 10 Seiten (Folio - Format) füllt und auch selir genaue
Angaben über die Heeresverwaltung der Grofsmächte in sich schliefst.
Wir gestehen, dafs wir das Maafs der Sachkenntnifs und den Fleifs, mit
welchem die einzelnen Aufsätze gearbeitet sind, geradezu bewundern. —
Das Werk wird, wenn es fertig gestellt sein wird, ein höchst willkommenes
Hülfsmittel für alle militärwissenschaftlichen Studien werden. Wir wünschen
ihm deshalb eine recht baldige Fortsetzung und Vollendung, der wir
mit Ungeduld entgegen sehen. 1.
Die Seegesetzgebung des Deutschen Reiches. Nebst den Entscheidungen
des Reichsoberhandelsgerichts, des Reichsgerichts und der Seeämter.
Text-Ausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von Dr. jur.
W. E. Knitschky. Zweite verm. u. verbess. Auflage. Berlin 1894.
J. Guttentag, Verlagsbuchhdlg. Preis 3,80 M.
Man kann dieses schon in zweiter Auflage vorliegende Handbuch zu
den schlechthin unentbehrlichen für alle maritimen Verhältnisse zählen.
Jahrbücher Air die Deutsche Armee und Marine. Bd. VIUC, 3. 24
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3ßi;
Umschau in der Militär-Litteratur.
Es enthält Alles, was dem Seemann auf dem Gebiete der Seegesetzgebung
zu wissen not thut. — Der erste Teil (A), „Öffentliches Scerccht"
hat folgende Kapitel: I. Zuständigeit des Reiches in Seeschifffahrts-
angelegenheiten. II. Nationalität, Flagge. Registrirung und Vermessung der
Seeschiffe. III. Verhältnisse der Seeleute, und zwar 1. Befähigung zur
Führung der Schiffe, 2. Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, 3. Unfall-
versicherung. IV. Gesetzliche Obüegenheiten der Rheder und Schiffer.
V. Polizeiliche und strafrechtliche Vorschriften. VI. Untersuchung von
Seeunfällen. VII. Einrichtungen im Interesse der SchinTahrt. VIII. Prisen-
gerichtsbarkeit. — Der zweite Teil (B) behandelt das „Privatrecht".
— Das dem Werke angehängte Sachregister ist für den Handgebrauch
sehr wichtig und erleichtert die schnelle Auffindung jeden Titels. Der
Preis des 710 Seiten zählenden "Werkes ist ein sehr niedrig bemessener.
Einer weiteren Anpreisung bedarf dieser durchaus zuverlässige Ratgebor
meines Erachtens nicht; er empfiehlt sich selbst. 4.
III. Seewesen.
Marine-Rundschau. Heft 7. Über Heiz- und Beleuchtungsanlagen
an Bord von Schiffen und ihren Wert in gesundheitlicher Beziehung. Von
Marinestabsarzt Dr. Dirksen. — Eine Informationsreise auf Schnelldampfern.
Von Maschinen-Ingenieur Eggert (Schlufs). — Die Ergebnisse der Probe-
fahrten S. M. Panzerschiffes „Wörth". Das Schiff hat bei einer Länge von
108 ra, einer gröfsten Breite von 19,5 m und einem mittleren Tiefgange
von 7,43 m ein Deplacement von etwa 10 040 Tonnen, ist mit einem
Panzergürtel (aus Nickelstahl) in der Wasserlinie umgeben, welcher, mitt-
schiffs 400 mm stark, sich nach den Schifisenden auf 300 mm verjüngt
und aufserdem ein über das ganze Schiff reichendes Panzerdeck, dessen
Stärke in der Mitte 60 mm, an den Seiten dagegen 65 mm beträgt. Die
Maschinen des Schiffes sollten 9000 Pferdekräfte indiziren. Die Armirung
besteht aus: vier 28cm-Kanonen L/40, zwei 28 cm-Kanonen L/35, sechs
10,5 cm-Schnelladekanonen L/35, acht 8,8 cm-Schnelladekanonen L/30, zwei
6 cm-Bootskanonen und acht 8 mm -Maschinenge wehren. Die 28 cm-Ge-
schütze sind zu je zweien auf gemeinschaftlicher Drehscheibe in drei in der
Mittschiffslinie hintereinander aufgestellten Barbettetürmen von 300 mm
Panzerstärke untergebracht. Die Torpedoarmirung besteht aus 6 Torpedo-
rohren. Die gröfste Geschwindigkeit mit dem Schiff bei 111 Um-
drehungen der Maschinen betrug 17,2 Seemeilen, während nur 15 bis
16 Seemeilen verlangt worden waren. Im Übrigen hat sich das Schiff
sehr gut bewährt. Mitteilungen aus fremden Marinen. England:
Schiefsversuch des Torpedobootsjägers „Havock." — Das englische Schlacht-
schiff I. Klasse „Hood", eines der acht Panzerschiffe, die auf Grund des
Flottenbauplanes von 1890 erbaut sind, befindet sich seit etwa einem Jahre
zu Probefahrten im Dienst. Die erzielten angeführten Resultate mit dem-
selben sind der französischen Zeitschrift „Le Yacht" vom 2. 6. 94 ent-
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Umschau in der Militär -Literatur.
3(>7
nomraen. — Frankreich: Probefahrten der Hochseetorpedoboote „Tour-
nante" und „Argonaute", welche Fahrzeuge in Nantes von der Gesellschaft
„Forges et Chantiers de la MediterraneV 4 auf ihrer Werft in Graville
erbaut sind und eine Maximal-Geschwindigkeit von 24,6 bis 25,1 Knoten
erreicht haben. — Chile: Erprobung des neuen Kreuzers „Bianca Encalada",
von Armstrong erbaut. — Rufsland (Sebastopol als Schiffswerft). Die
Entwickelung der russischen Seemacht im Schwarzen Meere ist in den
letzten 5-6 Jahren so bedeutend gewesen, dafs die Werft von Nikolajeff
den gesteigerten Anforderungen nicht mehr zu genügen vermochte. Die
russische Regierung hat daher den Plan gefaßt, in Sebastopol eine neue
grofse Werft anzulegen und den Hafen zur Flottenstation zu machen. Die
Ausführung der hierzu erforderlichen Arbeiten wird mit Eifer betrieben.
Die Anlage der grofsen Docks und Hellinge ist soweit gediehen, dafs die
Behörden hoffen, schon im Laufe der nächsten zwölf Monate zwei stattliche
Panzerschiffe und drei Kreuzer auf Stapel stellen zu können, die demnächst
die Schwarze-Meer-Flottc verstärken sollen. — William's mittelst Keilnaht
hergestellte Stahlrohre. (Mit Skizzen im Text.) — Eine Eisenbahn-
Batterie. Am 19. Mai d. J. hat vor einer Gesellschaft militärischer Sach-
verständiger in Newhaven die Vorführung eines gepanzerten, als fahrbare
Batterie zur Küstenverteidigung verwendbaren Eisenbahnzuges stattgefunden.
Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie.
Heft VI. Prinz Heinrich der Seefahrer. Die „Royal Geographical Society"
zu London feierte am 5. März d. J. die 500jährige Wiederkehr des Geburts-
tages Prinz Heinrichs des Seefahrers, des Vaters der maritimen Entdeckungs-
reisen und der modernen geographischen Forschung. (Aus „Geographical
Journal," Maiheft 1894). — Uber eine neue Methode, die harmonischen
Konstanten der Gezeiten abzuleiten. Von Admiralitätsrat Professor
Dr. Borgen. — Versuche über das Glätten der See durch Seifenwasser,
ausgeführt von S.M. Schiffen „Marie", „Baden", „Sachsen", „König Wilhelm"
u. a. Die Berichte der betreffenden Schiffskommandanten sind beigefügt.
Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens. Nr. VH 1894.
Die nautischen Instrumente Josef Resscls. Von E. Gclcich. (Vergleiche
auch Ressel und seine Ansprüche auf die Erfindung der Schiffsschraube,
in „Unsere Zeit," Band 7, 1863.) — Elektrische Geschützanlagen. Von
G. Schwanda, k. u. k. Marine-Artillerie-Ingenieur. (Mit einer Anzahl Text-
zeichnungen.)— Toulon und die französische Mittelmeerflotto. Von Wm.Laird
Clowes. Übersetzt aus Lord Brassey's „Naval Annual." (Mit zwei Plänen).
— Tafeln zur vereinfachten Berechnung der Mittags- und Mitternachts-
verbesserung. — Von der englischen Kriegsmarine: Artillerie-Schicss-
proben auf dem Torpedobootsjäger „Havock" unter Dampf, nebst Bericht
über den Ausfall der Schiessübung. — Die Namen für die neuen Schlacht-
schiffe. — Ersatz der gegenwärtigen Tender durch Torpedo-Kanonenboote. —
Reparatur des ehemaligen Flaggschiff Nelsons „Foudroy ant." — Von der
italienischen Kriegsmarine: Probefahrten des Panzerschlachtschiffes
„Sardegna." Dasselbe erreichte mit natürlichem Zuge eine Geschwindigkeit
von 19,8 Knoten. Ferner wurden mit dem Schiffe Vergleichsversuche
24*
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Umschau in der Militär- Li tteratur.
zwischen Kohlenheizung und der nach dem System Cuniberti eingerichteten
Petroleumheizung vorgenommen, welche zu Gunsten der letzteren ausfielen.
— Die Probefahrten mit dem Panzerdeckkreuzer „Umbria'- haben eine
Geschwindigkeit von 18 bezw. 20 Knoten ergeben. — Im Schiffbau- Bureau
zu La Spezia wird ein neuer Torpedobootstyp von grosser Schnelligkeit
(28 Knoten) studirt. Auch sollen Torpedobootsjäger nach dem Typ des
englischen .,Havock u gebaut werden. — Von der Kriegsmarine der Ver-
einigten Staaten Nordamerika^: Vorproben mit dem Panzerschiff
„Indiana" ausgeführt, ergaben eine Geschwindigkeit von 14,8 Knoten, doch
hofft man eine solche bis zu 16,5 Knoten zu erreichen. — Wie verlautet,
ist noch immer nicht festgestellt, in welcher Weise die bei den Kanonen-
booten „Machiäs" und „Castine 44 zu Tage getretenen Stabilitätsmängel
gehoben werden sollen. — Nach der „Army and Navy Gazette" soll die
spanische Marine ein Schlachtschiff „Carlos V. 4 ' von 9235 Tons und eine
ganze Anzahl Kreuzer im Bau haben. — Versuche mit Cordite. Vor der Ab-
fahrt der Kanalflotte von England haben: „Royal Sovereign 44 , „Empress
oflndia 4 ', „Resolution" und „Repulse 4 * Cordite-Patronen als Ubungs-
munition für die 15 cm Schnellfeuerkanonen erhalten. — Zalinski's pneu-
matische Torpedokanono. Ein Exemplar dieser Waffe wurde zur Vornahme
von Schiefsversuchen auf Dale Point bei Milford Häven aufgestellt. —
Army and Navy Gazette. Nr. 1791: Naval tactics. Zwei Preis
Schriften „on the tactics best adopted for developing the power of existiug
ships and weapons (gun, ram and Torpedo), die eine vom Commander
F. C. D. Sturder R. N., welchem die Preis-Medaille zuerkannt, und die
andere vom Lieutenant Sommmerset A. G. Calthorpe. In der Beurteilung
der beiden Preisschriften hebt die Gazette hervor, dafs beide Verfasser in
dem relativen Wert der drei Waffen für Panzerschiffe übereinstimmen, indem
sie das Geschütz voranstellen, dann den Torpedo, wenn er aus Rohren
unter Wasser gefeuert wird, und den Sporn zuletzt in Betracht ziehen.
Unter Berücksichtigung dieser Reihenfolge der drei Waffen, sollte die
Flottentaktik und die Bewegungen von Geschwadern wie von einzelnen
Schiffen ausgeführt werden etc. Am Schlufs des Artikels heilst es: Be-
züglich der Zusammensetzung einer Flotte verlangt Commander Sturder
für jedes Schlachtschiff einen Kreuzer und einen Torpedoboot-Zerstörer als
Begleitschiffe, während Lieutenant Calthorpe für 16 Schlachtschiffe : 6 Kreuzer
erster, 10 Kreuzer zweiter Klasse und 10 Torpedoboote notwendig hält
In der letzten Nummer brachte die Gazette die von der französischen
Marine beabsichtigte Personalvermehrung, in der heutigen bringt sie die
Zusammensetzung der diesjährigen französischen Geschwader. Hr. 1792:
., Naval Policy 14 ; spricht die Befürchtung aus, dafs die englische Mach**
Stellung im Mittelmeere nicht allein durch die französische Flotte, sondern
auch durch die Stationirung eines russischen Geschwaders im Hafen von
Porös, und durch die Augmentation der russischen Schwarzen-Meer-Flotte,
die im gegebenen Moment den Bosporos und die Dardanellen forciren
würde, noch mehr wie sonst gefährdet würde etc. — Unter dem Titel
„Alhambra Novelty 44 wird die schufssichere Brustplatte des Herrn Dowe,
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Umschau in der Militar-Litteratur.
die in den Alhambra-Räunien auch von englischen Fachleuten geprüft
worden ist, besprochen. — Ferner wird unter der Überschrift: „Lord
Wolseley and the Navy" in Briefform die Broschüre des amerikanischen
Kapitän z. See Mahan: „Influence of sea power on History" besprochen. — In
der Pariser Ausgabe des „New-York-Herald 44 findet sich ein Telegramm,
nach welchem am 18. Mai beim Schieisversuch gegen eine Harveyized
18 zöllige Panzerplatte für das amerikanische Schlachtscliiff „Indiana 4 * mit
12 zölligen Carpenter-Geschossen, die Platte nach dem zweiten Schufs voll-
ständig zertrümmert worden sei. Nr. 1793: „Lines of defence by sea
and land 44 ; ein längerer Artikel mit Bezug auf die Broschüre des
amerikanischen Kapitäns z. See Mahan. — „Influence of sea power
on history. 44 — Auseinandersetzungen in Briefform über: „Portsmouth
harbour, 4 ' „Lord Wolseley and the Navy, 44 „Herrn Dowe's bullet-proof
clothing. 44 — Andere Artikel: „Wasser-Karneval in Malta; der glorious
erste Juni, an welchem Tage 1794 der englische Admiral Lord Howe die
französische Flotte unter Admiral Villaret schlug.
Journal of the Royal United Service Institution. Nr. 195:
England: Die Angaben der Dimensionen, des Tonnengehalts, der
Maschinenkraft und Armirung der beiden neuen Panzerkreuzer „Powerfull 14
und „Terrible 4 *; ferner die Details über den Ausfall der Schiefsvereuche
mit den Geschützen des erster Klasse Schlachtschiffes „Barfleur. 44 —
Maschinenproben mit dem Torpedo-Kanonenboot „Sharpshooter' 4 , das mit
Belleville-Kessel ausgerüstet ist. — Frankreich: Die Verteilung der
Geschwader für dies Jahr. — Eine Skizze des Batterie-Kreuzers „Duqucsne. 44
— Die Probefahrten mit dem Batterie-Kreuzer „TcuroHe 4 * etc.
Anny and Navy Journal. Nr. 40: Das Blatt behauptet, dafs der
projektirtc Schiffahrtskanal Bordeaux-Narbonne, welcher die Bucht von
Biscaya mit dem Mittelmeere verbinden soll, sich in den Vordergrund zu
drängen beginnt; auch bringt das Journal Bemerkungen über den militärischen
Wert des Unternehmen» aus der Militär-Zeitung. Die französische Mittelraeer-
Flotte würde durch diesen Kanal von den nördlichen Iläfen her verstärkt
werden können, ohne Gibraltar zu passiren etc. — Das hydrographische
Amt in Washington beabsichtigt in kürzester Frist einen neuen Versuch
mit Flaschenposten anderer Form zur Erforschung der Strömung im
Atlantischen Ocean zu machen. — Mitteilungen über Schiefsversuche auf
Sandy Hook Proving Ground aus 6 Pfänder Schnellfeuer-Kanonen vom
System Driggs-Schroeder, the Sponscl und Maxim-Nordenfelt. Die Geschütze
des erstgenannten Systems scheinen die besten Resultate geliefert zu haben.
— Zusammenstellung der Schiefsversuche gegen Nickel - Stahlplatten
von 1891 bis Juni 1893. — Versuchsresultate der Gewehrtypen in den
verschiedenen Armeen, sowie über rauchschwaches Pulver. Auch Dowe's
kugelfester Anzug wird besprochen. — Bericht über einen Schiefsversuch
gegen eine 18 zöllige Harvcyized Panzerplatte, die sich bis auf 8 Zoll ver-
jüngte, aus einer Gruppe für das Panzerschiff „Indiana 44 von den Bethlehem-
Eisenwerken geliefert. —
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370
Umschau in der Militär- Literatur.
Revue Maritime et Coloniale. Nr. 393: Ökonomische Fragen der
lndicator-Diagrammc (Schlufs). — Drei Kapitel über die Theorie der
Woolf sehen Dampfmaschine. — Einflufs der Seeherrschaft auf die Geschichte
der Jahre 1668—1783 (Forts.). Es ist dies ein in letzter Zeit und besondere
bei dem Besuch des amerikanischen Kreuzers „Chicago", Kapt. Mahon
(Admiral Erben) in London, und auf den, den amerikanischen Seeoffizieren
gegebenen Festlichkeiten viol besprochenes Buch, welches allerdings grofses
Interesse bietet. — Der Hafen und die äufserst leistungsfähige Privat -Werft
von La Scyno bei Toulon. Von Vinson, Sous-Commissaire de la Marine.
— Statistik der Schiffbrüche und anderer Seeunfalle an den französischen
Küsten für das Jahr 1892. Bericht an den Marine-Minister. — Chronique.
Die Fabrikation dos Cordite in der der englischen Regierung gehörenden
Pulverfabrik zu Waltham Abbey. - Die Versuche mit schweren Schnell-
feuerkanonen in Elswick, dem Broa<l Arrow vom 31. Marz 1894 entnommen.
— Schiefsversuche mit dem neuen Gewehr für die nordamerikanische Marine.
— Das neue Schiffs-Konstruktions-Programm für die englische Marine. —
Über Geschwindigkeitsmessungen der Schiffe in der englischen Marine.
Vortrag des Chief of Constructions der englischen Admiralität W. H. White. —
Offizielle Probefahrt mit dem „Hörnet". — Beschreibung der Torpedo-
Kanonenboote „Harrier" und „Hajord" der englischen Marine. — Der
russische Kriegshafen von Libau und seine strategische Bedeutung; den
Jahrbüchern für Armee und Marine entnommen.
La Marine de France. Hr. 63: Die Extra-Parlaments-Untersuchungs-
Kommission de M. Clemenceau. — Paris als Seestadt. Von Cabestan. —
Das Bcschiefsen des brasilianischen revolutionären Fahrzeuges „Aquidaban"
durch vier Torpedoboote der Regierung in der Nacht vom 15. und 16. April
1894. — Heizversuche mit Üoaks und Kohlen zur Ermittelung der gröfsten
Heizkraft der beiden Materialion (in Baltimore). — Absatz der französischen
Kohlen nach Rufsland. — Die Deutschen in Samoa. Nr. 64: Der See-
und der Küstenkrieg. Von Keliff. — Die französische Marine im Jahre
1894. — Ein interessanter Versuch betreffend die Aluminium -Yacht
„Vendencsse" des Grafen Jean de Chabannes. Nr. 60: Der französische
Postdienst zur See. Von Keliff. — Das französische Marine-Budget pro
1895. — Die französische Marine im Frühjahr 1894. Von H. F. (Schlufs).
— Die Unthätigkeit unserer Marine-Artillerie. — Praktische Exerzitien.
Von Sailor. — Die vom Ingenieur Mosber in Xcw-York erbaute Dampf-
Yacht „Xorwood" hat bei der ersten Probefahrt 29 Knoten Geschwindig-
keit erreicht. — Das erste Panzerschiff, die „Galere Santa -Anna", soll
(im Jahre 1530) nach einem Vortrage dos Kapitän Vindon in der archäo-
logischen Gesellschaft in London in Nizza erbaut und mit der Eskadre
Kaiser Carls V. gegen Tunis entsandt worden sein. — Die russische Re-
gierung beabsichtigt, solche Vorkehrungen zu treffen, um im Hafen von
Wladiwostok stets eine eisfreie Passage zu haben.
Rivista Marittima. Nr. VI. 1894. Die Lebensgeschichte Sir
Walther Raleigh s; geboren 1552 in Hayes bei Bodley (Devonshirc); eng-
lischer Admiral. Hingerichtet am 29. Oktober 1618. Von Carlo Scgre-
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Umschau in der Militär - Litteratur.
371
Englischen und amerikanischen Quellen entnommen. — Betrachtungen über
die erste Aufgabe bei den italienischen Flottenmanövern (D. ßonamico).
— Die Subventionen für unsere Handelsflotte. — Über die Verwaltung
des Materials in den See-Arsenalen. — Organisation der Verwaltung des
Matrosen-Korps der italienischen Marine. — Berichte an denDirektor.
Der Gebrauch des Öls zur Beruhigung der Wellen. — Über Verwaltung
der königlich italienischen Flotten -Equipagen. — Mitteilungen und
Notizen. Frankreich: Über das Marine-Budget und über das Übungs-
geschwader pro 1895. — Übungsfahrten der Kreuzer „Duquesne",
„Ooetlogon" und „Ibervillc". — Notizen bezüglich der Kohlenübernahme
an Bord der Schiffe. — Deutschland: Bemerkungen über das Marine-
Budget 1894/95. — England: Angaben über die neuen Schiffstypen
„Majestic" und „Renown"; ferner über die Änderungen des „Repulsc". —
Benennung der neuen Kreuzer zweiter Klasse. — Konstruktion der neuen
Kanonen- und Torpedobootsjäger. — Italien: Maschinenproben des Panzer-
schiffes „Sardegna" nebst Zeichnung der Seitenansicht des Schiffes. —
Rufsland: Angaben über das Torpedoboot „Sestroriezk" und die Volontär-
Flotte. — Spanien: Mitteilungen und Angaben über die im Bau begriffenen
Panzerschiffe, Kreuzer etc. — Nordamerika: Die gepanzerten Kreuzer
„New -York" und „Columbia".
IV. Verzeichnis der zur Besprechung eingegangenen Bücher.
1. Geschichte des Garde-Jäger-Bataillons. 1744 bis 1894. Nebst
einom Anhang: Die 1. Kompagnie des 1. Reserve-Jäger- Bataillons im Feld-
zuge 1870/71. Im Auftrage des Bataillons bearbeitet von von Rentzell,
Major. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit zwei Bildnissen, sechs Unifonn-
büdern, Karten und Plänen. Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis
10 Mk.
2. Mitteilungen des K. und K. Kriegs-Archivs. Herausgegeben
von der Direction des K. und K. Kriegs- Archivs. Neue Folge. VIII. Bd.
Mit einer Tafel. Wien 1894. Verlag von L. W. Seidel & Sohn.
3. Schlachtenatlas des neunzehnten Jahrhunderts, vom Jahre
1828 bis 1885. 40. und 41. Lieferung. Leipzig, Wien, Iglau. Verlag von
P. Bäuerle. Preis einer Lieferung für Subscribenten 2,60 Mk., für Nicht-
Subscribenten das Doppelte.
4. Die beständige Befestigung und der Festungskrieg. Nach
den neuesten Quellen bearbeitet. I. Band. Allgemeiner Teil. Hierzu
10 Tafeln. Von Ernst Frh. von Leithner. II. Band. Fortifikatorische
Konstruktionen und Entwürfe. Hierzu 8 Tafeln. Von mehreren K. u. K.
Offizieren. — Zweite Auflage. Wien 1894. Im Selbstverlage durch die
Redaktion der „Mitteilungen." In Kommission bei R. v. Waldheim ( W ienll.
Taborstr. 52.)
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372
Umschau in der Militar-Litteratur.
5. Die Anforderungen der Strategie und Taktik an die Eisen-
bahnen. Zwei Vorträge von Miles Ferrarius. Berlin 1894. Verlag
von R. Eisenschmidt. Preis 80 Pfg.
6. Zur Frage des Militär-Strafverfahrens in Deutschland und
Österreich- Ungarn. Von Cleinow, Generalmajor z. D. Berlin 1894.
Verlag von R. Eisenschmidt. Preis 1 Mk.
7. Graine d'Epinards. Deux ans a l'Ecole de guerre. P&r
Henri Delorne. Paris 1893. Calmann - Levy, öditeur. Preis 3,50 frcs.
8. Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preufsischen Armee
und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1894. Mit
den Anciennitäts-Listen der Generalität und der Stabsoffiziere, Nach dein
Stande vom 20. Mai 1894. Berlin E. S. Mittler & Sohn. Preis 7,50 Mk.
9. La science du point d'honncur. Par A. Croabbon, avocat.
1 T partie. Paris 1894. Librairios-Imprimeries rcunies.
10. Handbuch der Seeschifffahrtskunde. Von R. Dittmer,
Kapitän zur See z. D. Leipzig 1894. J. J. Weber. Preis 5,50 Mk.
gbd. 7 Mk.
11. Taschenbuch zum Gehrauche bei taktischen Ausarbeitungen,
Kriegsspielen, taktischen Übungsritten, Manövern und im Felde.
Von F. Rohr, Oberstlieutenant im k. u. k. Gcneralstabs - Korps. Mit
3 Beilagen, 4 Skizzen-Tafeln und zahlreichen Figuren im Texte. Dritte
vermehrte und verbesserte Auflage. Wien u. Leipzig 1894. W. Braumüller.
12. Uni formen künde. Lose Blätter zur Geschichte der Entwickelung
der militärischen Tracht. Herausgegeben, gezeichnet und mit kurzem
Texte versehen von R. Knötcl. Band V. Heft 4, 5 u. 6. Rathenow 1894.
Verlag von M. Babenzien. Preis jedes Heftes 1,50 Mk.
13. Feldmarschall Moltke. Erster Teil: Lehr- und Wanderjahre.
Von Max Jähns. Berlin 1894. Ernst Hofmann & Co.
14. Rangliste von Beamten der Kaiserlich Deutschen Marine.
Abgesehlossen im Mai 1894. Zusammengestellt nach amtlichen Quellen.
Berlin 1894. E. S. Mittler & Sohn. Preis 2 Mk., gbd. 2,50 Mk.
15. Die Reise S.M. Schiffes „Zrinyi" nach Ost-Asien. 1890-1891.
Verfaist im Auftrage des k. und k. Reichs - Kriegsministeriums etc. von
J. Frh. von Benko, k. u. k. Fregatten - Kapitän d. R. Mit einer Reise-
skizze und 8 lithographischen Tafeln. Wien 1894. Verlag von Carl
Gerollt Sohn. Preis 6 Mk.
16. Explosionen der Dampfleitungen auf Schiffen und die Mittel,
um ihren verheerenden Wirkungen zu begegnen. Vortrag gehalten im
Verein Deutscher Maschinen-Ingenieure am 24. April 1894 von H. Gurlt,
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Umschau in der Militär -Litteratur.
373
Geh. Admiralitatarat. Sonderabdruck aus „Glasers Annalen für Gewerbe
und Bauwesen." Berlin 1894. Verlag von F. C. Glaser.
17. Die Organisation der technischen Waffe. Von ü. Vorwerg,
Hauptmann a. D. Wannbrunn 1894. Selbstverlag des 'Verfassers.
18. La question d'Orient et la defense de Constantinople.
(Avec deux croquis.) Edition a part de la „Internationale Revue über die
gesammten Anneen und Flotten." Dresde 1894. Friese u. von Puttkaramcr.
19. Sign es conventioneis et Lecture des cartes francaises et
etrangeres. Par Le C l H. de Ville-D'Avray. Paris 1894. Librairie le
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