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Full text of "Parisiana Plaudereien über die neuste literatur und kunst der Franzosen"

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HOUGIIT W1TH 
TIIE I.NCOMK KROM 

THE BEQUEST OF 
OEOROE HAYWAHD, M. D. 
OF BOSTON, 
(Claas of 1809, ) 




Parisiana 

Michael Georg Conrad 



Harvard College 4 
Library 1 

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FROM THE BEQUEST OF 

GEORGE HAYWARD, M.D. 

OF BOSTON, MASSACHUSETTS 
CLASS OF 1809 

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plaubereten üfcer 6te neuefte £iteratur unb 

fiunft 6er $ratt3ofen. 



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Von 



(mit bem Portrait Cmile ^ola'* in HaMrnng.) 

* 



Breslau »nb Ceipjig. 
Drnrf un& Derlag »ott S. Sdfottlac nber. 



1880. 



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HARVARD 
UNIVERSSTY 1 
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L Das erfle Sdjaufpielljaus ber $ran3ofen . . ^ I 

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II. Der fe&te (Ballier. 

fimile :iugicr v *t 

III. Das I^itre-^talttn unb fein lefoter Singer. 

Siruationsbüb. — ITTarquis b'^ory. — £aponl 102 

IV. €in OTnfifanten.Weeblatt. 

(Sounob. — lttaffenet. — OTerra 123 

V. Der <5ro§mctf*er bes Haturalismus. . 

(Emile Sola . . tfl 

VI. £ igaro's (Seneralftob. 

be PiUemeffant unb feine mitarbeiter 2p 

vn. Die €rinncrnngcn bes Jjerrn ». Caflagnac*. ifif 

VIEL Der Salon 1879. 

CLagcbudjbWtter eines unabhängigen 3mprefßontfkn . . . ifb 



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Vovvebe. 



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JTIit ber (Satrang oon profa, bie man Dorrebe nennt, bat es 
tjcutsntage eine eigene Benxinbtnift. tliemanb glaubt mebjr baran. 
Die 8ud>mad>er faben fo lange Srandj nnb Ifflfjbraudj bamit getrieben/ 
bis bas perebriiä>e publifum blafirt unb ffeptifcf? würbe nnb biefe Stil« 
Übungen fatt befam. 

IDer liejt nodj Porreben? 

§3d>ftens ein betriebfamer Kritif us, ber vor lauter Secenpren feine m 
§ett mebj flnbet, bas 33u<b. yx lefen, fiber weldjes er ftd} mit bet ganjen 
maje|tatifd>en 2lutoritSt unb gIorreid>en Suffifance ausfpre^en mu&, • 
bie feinem 3jfentlid)en Hiäjtamte eigen. (Eine ausgiebige Dorrebe ifr j 
oft feine einjige Heffonrce. 

Staffen mir bie Dorreben ab, fo fefcen nur ben Kritifus aufs 
(Croffene. EDir bringen ibn um Hnfeljen, Derbienfr unb Brot XDer 
m3d)te fo inhuman fein? Die Dorrebe ift ein Mlmofen, bas fein 
braoer Sdjriftfteller bem obfcurften Heeenfenten oerweigern barf. 

Da3u fommt nodj ein 2Inberes. 3m (Srunbe \ft bas Derfertigen , 
von Hecenfionen bodj audj eine „nationale Jlrbeit", bie bekannter« 
maßen gefd)ufet werben mu§ — unb bei unferem gegenwärtigen 
lDirtb,fd>aftsfvftem burfte es ber Staat faum geftatten, bog wir Sdjrtft« 
fleOer eigenmächtig vorgeben unb bie Dorreben nnterbrfirften, auf beren . ]. • 
Ztufcniefjnng fo unb fo uiele nationale Kritifer ein angeftammtes Hedjt 

3m Allgemeinen ift 3»ar ber Staat nid>t atyu tfrtlio} fflr bie | 
Kritif eingenommen, befonbers wenn fie ftd> in einer fdjwad>en Stunbe j 
foweit ©ergeffen unb fld> gegen feine eigenen fa>riftfreflerif*en pro- 
buctionen ridjten foflte, — preffe unb trteratur geb.en mtbj unb mebj, 

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Vit bte <£*f <nbd,ne *, in Staatsbetrieb aber - allein ber Kritifer als 
Steuetobj*** 3 iretfeUos feiner tffirforge. 

c ttTT ifitÄ: 0le fcorrcbe, biefes nnfdjeinbare Ding, tft ein nationales 
£taats\uterefi'» ^s aufredjt erfüllen werben mn§. IPir bfirfen fie 
Dtiöfinnm , »'"»^ffern , r>erfd>Iedjtern , aber wir mfiffen fie nefem. 
y)T Porfcanbenftin genügt, gleidjgilrig in meldjer (Qualität, nm eine 
grofce gat*l *°» MitbSrgern, refp. Untertanen erwerbs- nnb ftener- 
fällig 5» ersten. 

Jjier lÖnntt idj abbredjen. Denn btefe Semerfungen enthalten 
bereits ba* notl)irenbigfte irtaterial für ben fritifdSen €rwerb« betrieb. 
2Jber id? tl{ue gern nod) etwas ober meine SdjulbtgFeit XIadj alter 
<3en?or>nr>eit laffe i* meiner £cber freien fanf 3a einigen nberf pfiffigen 
£errad?tungen, bie biesmal nidjts (geringeres bc3werfen, als eine €fjren» 
rertnng ber guten, alten Dorrebe einzuleiten. 

3er) fajmeidjle mir $war, ein unabhängiger, freigeflnnter nnb 
fortf^rittsfrörjlidjer HTenfeb 3U fein, aber man wirb r|ent3tttage eonfer. 
ratiP nnb reaetionfir, man wei§ nid>t wie. fiegfs an Rolfen, Inn- 
reiffenfcen Porbilbern, liegt's in ber luft, ifi's Knnjf, Hatnr, IPunber, 
$ererei? 

^ie E^ergange nljeit , bie wir langft tobt nnb eingefargt glaubten, 
fcMägt plö^licrj irjre fdmwirmerifdjen (Erinnerungsaugen auf nnb öffnet 
tljre tippen 3a ben glut)enbfren Sdjwfiren, baft bas IHoberne nnb 
^ortfdyrirtlidje nichtsnutzig, nnb abfchculid>, bas (Sewefene hingegen 
ntdjts als eitel (Sure, Sa>Önrjeit nnb ©rbnnng fei. Dabei wirb (Einem 
fo närrifdf »eia? nm bie Seele, ba§ man fidj r>or ffl§er Selmfudjt, tor 
romantifcf?cr DcrgangenrjeitS'Sentimentalitirt Faum mein* 3U faffen 
wei§. I>te öebanfen Herfen fliu*, wie bereinfl bie Sonne im Cr^ale 
21jalon, nnb im Ueberfdjwange ber gläubigen (8cfur|le, benen gleitff. 
falls ber fkcaiXxä^ Sdmfc »err(eißnngs»olI WdSelt, \ft ber erjrenfefte 
moberrtitatS'MTenfa> fo rerwirrt, ba§ er ben erfren beflen §opf ffir 
oen fnWimfteii 2Inswna>s, für bas legitimfte probnet bes menfdjlidjen 
<Scb'\rns nnb ben f^errn r>on IFinMfyorft ffir ben oollenberjten bentfdjejten' 
Hcidjsbrnber nimmt, obglela? im Klabberabatfd> gefdjrieben {reift: w Dn 
biß ber beße öruber andf nid>tl' 

Die Üorrebe in «rn-enj 



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I . 

Sie ifl alter Sraua}, nnb ber Hefprct vor alten Sraudpn förbert V 
bie ȟtffcbr 3 u alten Stimmungen nnb <Sntfd>lfiffen. Die Bibel fcat 
Unred>t, trenn fte empfiehlt: „IPerbet uHe bie Kinberl« benn Me 

tfinber tuadtfen, werben ftarf nnb eigenwillig €s mu§ feigen-: 

„tDerbet wie bie Urgro§eltern!" benn ihre 3mpoten 3 rjat ilpen Stol 3 
nnb ihren IDiHen gebrodjen, ifjr ICefcn bemfitf^ig nnb rub.ig gemaajt 

3m wobfoerftanbenen conferpatipen 3nterejfe plaibtre 1$ für bie 
alten, wol}Igefe 0 ten Dorreben. 

Da§ ZTiemaub merjr an fte glauot, barf uns nidjt anfedjten. mit 
ber Sefyxrrlidjfeit rer,rt aua) ber (glaube wteber. Unb bann, bn lieber 
Gimmel, man glaubt Ja an fo viele Dinge uid?t mcfjt^unb es gehört 
bod> 3 um guten Con, 3 nr bürgerlichen IDoljlanfWnbig^eit fo 3 nfagen, 
fie mit aOen «bjen aus 3 u 3 cidmen! > man fann ohne pa raborale 
fjintergebanfen, ebne einen Sdjein von maltet ben Safc auffreOen: 
3e weniger (glaube, bef)o gerauf ajpoller es 8efenntni§; je weniger 
innere ^tung, befto meb.r au§erli<fcc $ulbigung; je tiefer bie (gering, 
fd^nng, 5 e fto höher bas laute (ob 

Die Dorrebe in (Ehren! 

34 fenne nid?ts <Erquttflia}eres, als bie lieben, alten Dorreben * 
unferer tngenbljaften Dorfabren im S^retbtjanbiuerf. Diefe breit- 
ge 3 ogenen, rbetorifa} uerfajnörfelten perioben mit einem Surfling 
naä> ©ben, einer Sa?meiä>lei naa> Unten; biefe unenblicfcen (Sefüge 
mit ihren anmutigen Derfdylinguugen nnb aFabcmifdjcn tfineffen — 
wMt 4m berul,tgenbe Cecrure nad) Cifd) ober por bem Schlafengehen t 
U*e fanfttgenb würben fte gerabe in unferer aufgeregten Seit auf bie 
©etfter nwfenl 

man glaube biefen aufgebaufü>ten, ftilifHfdjen (Erercitien nidjt . 
meb.r - biefe Husrebe if* wabriid? fa>Ied?t erfunben. (glaubt man 
benn etwa an neue minifterprogramme, an biplomatifdje Senbfdjreiben, 
an poIittfd>e unb unpoütifd* iiebesbriefe? Unb bod, ift es gant 
unbereajenbar, wie viele <5Ifirf!id>e nod> immer -burd, biefe 2lrt von 
Sdjriftfieflerei gemadjt werben. 

r ^1- ^ S""* Um * ^enben. »ö^enb • 

ferbftgef5 Dl ge Derfpredmngen, tieffinni«, Hnfpielungeu, fiber 3 eugtes 
«igenlob, geltnbe Deriaflerung ber doneurrenten, locfenbe 2lusb(i<* - * 



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VIII 



bies 2IHes fyit in politifdjcn wie in literarifdjen programmrcben feine 
effecipofle Stelle. 

Crofc aller Sfepfis finben ftd) nodj jafil- unb nmfangreidje ©In-en 
genug, ffir weldfe biefe Kebefünße ftimmlifdje OTufif ftnb. Seinen IHtt» 
menia^cn ein entqnuajniajcs 4nertci|tunod}en oereitcn, oer ic|enoen nno 
ftenci^ablenbcn (Serattcrfdjaft mit einem erleid} tcrnben ITafmc fcbrncicbcln r 
biefes Unternehmen ij* fo löblidj, baß es eine wohlüberlegte, bipIomatifä> 
fcrvirte Unwahrheit im Doraus entfdjnlbigt 

Die Derfpredjen ber ITlinifter haben gelogen , bie Sd)u>ure ber £iebe 
haben betrogen, gleichwohl möchte fein gef iihlrollcs ZDeib auf bie letzteren,, 
fein wohlgeftnnter Untertan auf bie erjteren reriidjten. Da» Hingt fo 
lieblia>, bas betört fo ty>lb ben Sinn, bas löft bie profaifdj« Hlltags. 
gcicruajte in wunoeroare iiiarajen aur • • • 

Moral : eine gefdjitfte Porrebe ijt ein heilfam Wert nnb verbreitet 
fclbft über ein böfes 3udj einen beßedflidpn Sdjein jum Ilutjcn bes Der* 
faffeTS nnb Dergufigen bes Cefer*. So geht bas (Sefdjäft, nnb bie IDelr 
hleibt im (Sleidjgewidjt 

Parum bie Dorreben in <£bren! 

33ift Dn mir bis liierljer gefolgt, mein frommer fefer, fo oernimnt 
and} ben angenehmen Sd}lu§. 33ift Dn aber mfibe, fo biege ein €fels« 
oljr ein, bamit Dn morgen weifjt, wo Du rjeute fiermgebliebeu. gutrauen 
erwerft Dertranlidffeit. So rrnü ich Dir benn geftehen, ba§ idj, bes 
langen Dorrebens burdj fträflidje Heuerung entwöhnt, gleichfalls mube 
bin unb besljalb einen 2lugenblitf bas ZPort jroeien h.ocijbcrü^mten nnb 
hj odjeb.r baren «Senoffen im fjanbwerf fibertrage. Der €rfle: 

' ,tfidjts p*I}t beutfdjer (ßeifiesart unb beutfdjer Silbung fibler an, . 
merns in oeqeioen merjr unwurotg uno wtocrnrciteno , als oie tinter» 
f djäfcung anberer ttationalanlagen unb ihrer Cultur. 

„<£s war ntdjt erfreulich, ob 3trar begreiflich, bei ber leibenfwaftlid;en 
Erregung burd} muthrrilligcn Eingriff, ba§ im £ anfe nnb in ber nSdfften 
3>ett nach, 23eenbignng bes Krieges von \ 8:o ' manche Schrif tfleller in 
Pentfdjlanb bergleidjen thaten, als ob nidjt nur alle QCugenb, audj aller 
<gei£ unb alle Cultur ausfd>lie§enb in beutfdjer Eigenart unb €ntwirflung 
niebcT&lttf fei s 



IX 



„3ft in früheren ©citen, im gufammenltang mit bem Mangel eines 
beutfdjcn Staates, uielfadj in entgegengefefcter Äidjlung gefunbigt worben, 
in Ucberfdjatjung frember Calcnte unb itjres glü^cnben Sajliffes — 
immerhin bflrfen wir ben feinen Hurtm uns nidjt rauben laffen, ba§ 
bcutfdjer öeiji frember €igenart geregter unb empf3nglid>er gegenüber» 
ftelit, benn irgenb ein anberer . . . Der 2Inbere: 

„Die 25eobadjtungen, Stnbien unb Xcflejionen über bie fünjtlerifdje 
unb litcrarifebe Bewegung im heutigen $ ranfreid?, bie unter bem anfprudp • 
lofen (Eitel „plaubereien" um bie 33ead}tung bes beutfdjen £efers werben, 
werben als neue Scjeugungen germanifdjen ^orfdmngseifers unb inter- 
nationalen Dcrftänbigungsbrange* ihren gwerf um fo eper erreichen, je 
mein- bas publifum bes feilten (SefdjwStjcs unptänglidj informtrter, 
parteilidj aburtheilenber Bcridjterjtotter über frembe Kulturen unb (Stiftes* 
ridjtungen entwöhnt ijt unb jenen Tutoren ein aufmerffames ©tu* leitrt\ 
beren Arbeiten fidf bas euangelifdje EPort 3ur ßrengen Hegel genommen: 
„Die H?atirrjeit wirb €udj freimachen". 

„IDer bie früheren publicationen bes Perfaffers ber „parißana* 
rcrfolgt bat — nicht im Sinne oer reactionären Cäßerpreffe unb bes 
PoÜ3eifpie§es! — ber wirb and? biefes Buch, als eine emftgemetnte 2In« 
ftrengung, 511m (Tempel bau ber IPahrticit einen neuen Stein rjerbetsu» 
fdjleppen, woljlwoflenb wärbigen . . .* 

(Seitab Dia? wob,l, 0 feferl ' 

Unb Du, mein Kritifus, 3 ich frifd? rem Ceber! Dedi tibi jus, da. 

Judicium. 

Paris, am Caje ber I». brrf Könlgr 1880. 



Dr. 2tt. <5. tonrafc. 



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Das crfte Sdjaufpidljaus öer 5 ran 3°f en ^ 



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3n öer Gefegte 6er tfuffldrung fpielt öas Cfcate 
eine grofe ÄoHe. 3nfonöerfcU für öie Hteöerlage öes 
tfiräVntfnuns, für öie fortfdjreitenöe Serfplitterung bes 
öogmatifdjen tfutoritätsprinrips unö öie bamit in inniger 
Besie^ung pefyenöe Umbilöung 6er religiöfen Stimmung, ja 
öes gefammten <2mppnöungslebens 6er weiteflen Dolfsfretfe, 
gibt 6ie €ntmidelung öes (Theaters einen ebenfo int reffanten 
wie juuerläfpgen ZKafpab. 

Der IDiöerpanö, 6en öie Kirche in 6er fülle if?rer 
ITC ad) t 6em weltlichen Cljeatermefen entgegen fe£te, mar ein 
unbeöingter unö unjtoeiöcutiger. €r mav nidjt öie ZTCarotte 
irgenö eines frömmelnöen Querfopfs, eines grämelnöen 
(Theologen in öer blööen IDeIh>erfcr>loffcn^eit feiner Staöir- 
pube; er mar öas notfytpenöige (grgebnig öer prinripieKen 
2Xaeinr>errItc^fett unö Sflleingenüge öer Kirche für ade 
menfd}lid}en Dinge im Diesfeits u>ie im 3enfeits. 

So menig als öie Summe öer (Einpaßten unö 
€rfenntniffe öes Polfes, fo wenig foüte öie Summe feiner 
Vergnügungen unö <5enüffe augerfyalb öes oon öer Kirchen- 
autorität aesogenen Kreifes in freier Entfaltung warfen 



dürfen. Die Priefterfcfjaft afynte moty, 6af mit 6er Durch- 
brechung 6iefes Kreifes 6cm Xnenfcr/entfjum neue <5ebiete 
öes ^ü^Iens un6 Denfens erfdjloffen, neue geiftige XDetifjt 
gefer/affen, neue 3&«Ale erjeugt roüröen, roo6urch 6er (Typus 
6er (ßefellfchaft r>erän6ert un6 6er gauber 6es religiöfen 
<£u(tus unausbleiblich gebrochen u>er6en muffe. 

Un6 waren Sdjaufpief, ZTTufif un6 Canj in ihren primittpen 
formen nicht Ijauptorgane 6es religiöfen (Befüfjls, nicht 6ie 
great attraction 6er prieperlichen <£ultushan6lungen? 

Die Schauer 6er €n6lichfeit, 6er Dernicrjtung, überfamen 
6te Kirche, urie pe Clement um Clement aus ihrem Sct/ofe 
(ich losläfen un & m neuen &erbin6ungen eine felbpf?errltcr}e 
(£riften5 beginnen fab. Kein Wunbev, 6af pe fleh mit allen 
XDaffen 6es Janatismus ausrüftete un6 %e fdjmerpen 
6ogmatifchen «Befchüfcc auffuhr, um 6en Kampf gegen 6ie 
emanriptrten Künpe, melche We geiftlicr}en Jntereffen fo 
fehler be6rof}ten, aus$ufed}ten. Der augerfircr/liche -£cr)au» 
fpieler, tftupfer, Cän$er, mar ein (Eoncurrent 6es Priefters, 
er mujjte befehoet, remicr/tet n>er6en. 

Uls 6as Chripenthum anpng, per) in 6er XOelt als 
hiporifer/e XtTacht 5U füh^n un6 6ic jerpreuten <5emaltmittel 
'$ur Erreichung feiner fodalen tfbpcfften in fetner Jaup 
fdjlagbereit $u fammcln, 6a eröffnete pch 6em perben6en 
f)ei6englauben 6as (Theater als lefete Suflucfytsftätte. 2tus 
5er h^mfer/en <ßottesr*rehrung r}etvoxa,ea,anQ,er\ t brach pch 
im tTh«ater 6as lefcte €cr)o 6es Reiter fcr/allen6en Heigens 
5er 6em Untergange gemeinten antifen «Bötterroelt. Die 
(Tempel lagen serbrochen, aber 6ie (Theater panoen noch 
unangetastet Startet als 6as ZYTyperium 6es Polfsglaubens 
€V vo\cs pch 6er tra6itioncü*c gug 6es Dolfswrgnügens. <Eine 



5 



Bcftimmung öes (TfyeoöoftamfaVn (ßefefcbuays lieg ftdf 3U öer 
ijarafterifttfajen Conccffton Ijerbei, öag einige Cempel von 
öer allgemeinen gerftörung nidjt getroffen roeröen foüten, »eil 
fie mit öen öffentlichen Sd^aufpielen in Perbinöung ftanöen. 

VOav bas PuMtfum nicfjt aus öen Cfyeatern rjerausju- 
treiben, fo uerfudjten öie Bifdjöfe, öie Sdjaufpieler ifyrem 
Berufe abfpenftig 5U madjen unö jum Umfatteln $u beftimmen. 
Unter öem rdmtfdfen Cäfarismus $um ueradfteten, lebens- 
länglia^en St lauen feines CfyeaterljanötDerFs Ijerabgefunfen, 
fonnte 6er Komdötant 6er Hrxcd}t\d)aft entrinnen, fobalö et 
fid? öem <£rjriftentr;um juroanöte. 3eöem Sd^aufpieler, öer 
uon feinem Berufe nidjt taffen moa^te, blieb b'xe (Bnaöe öes 
Caufu>affers unö 6amit öie emige Setigfeit uerfagt; 6et 
<£fyrift, 6er fta) 6em (Trjeaterfpiel miömete, geriet^ tn tfdjt 
urxb Bann. Der ^eilige tfmbroftus fefcte es öurdj, öaj$ in 
Zftaüanö 6ie Sonntagsuorftellungen uerboten rouröen, eine 
Zfiafjregel, 6ie fpater 5U einem allgemeinen <5efefc öes 
tfaiferreia^s erhoben tuuröe. Tlad) einem alten Concils- 
befa^iufc 6urfte feine Cfjriftin einen Sa^aufpielet ^eirat^en» 

Dafür Ratten 6ie Safaufpieler in etwas fpäterer Seit 
6ie (Senugtfyuung', einen rentablen fjeiligen ausfindig $u 
machen, öen fte ftd} als Ijimmlifdjen Sdjufcpatron annecliren 
Fonnten. Das »ar 6er ^eilige <8enetus, bei £eb$eiten 
Sdjaufpieler unter Diocletian. Die Cegenöe erjagt ^olgenöes 
uon ityn: (ßenetus fpielte öie Holle eines Cfyriften in einem 
Stücfe, 6as 6ie neue Religion läcfjerlidj madjen follte. Jn 
öen ^u)ifa?enaf ten fyat te er aber eine f}immlifd?e €rfd}*inung, 
öie ilm fo tief erfdjütterte , öaf er ßd} fofort befeljrte, unö 
fta? noaj auf öer Bülme als einen treuen Cfyriflen erMarie. 
Der Kaifer unö öie Sufäauer applauöirten Anfangs, 



glauben b, bxes gelfite jum Sd^aufpteL 2t(s aber bie 
tDal>rr>eit entbedt würbe, fyxtte (Benetus den IHartyrertod 
$u. «rteiben. So warb et ein fjeiliger und fpäter bet Sdjufc- 
patrou &*r Komödianten. 

€m Pendant ju 6iefem tCI^eaterl^eiligen mag wofjl jener 
\e\\ye paptmutius fein, dem naa) dem 5*"8*"6 bes C^omas 
x>on SXquuio die Offenbarung geworden, ein poffenreifer, 
Joculator, merde im Qimmel fein (Befellfchafter fein. 

XXad) ja^rf^undert langen Begebungen und Handlungen 
mar es endlich der djriftlirfjen Kirche geglüeft, fidj auf den 
(Erfimmem des Altert hu ms 3U jener lYladjt aufjubaufdpn, 
die jtch als die Steltoertreterin (Bottes auf €rden geberden 
und die Sdficffale der Pölfer bestimmen und lenfen durfte. 
2lüe €rrungenfd^aften der <£imItfation maren Hirdjengut 
gemorden und ihre ITufemefung mar an den tljeologifchen 
€rlaubni§fä?ein gebunden. Küfer der Kirche mar fein £?eil. 
Die Seit feinen erfüllt, die cfntmicfelung des IPeltgeiftes 
ftillegeftellt, das biblifaj prop^ejeite €nde aller Dinge nahe. 
2lber es fdjten nur fo. Das <f>riflianiftrte iftittelalter mar 
fein 2Ibfd?Iuf , es mar nur ein Durdjgangspunf t im 
(Entmicfelungsgange unferes <8c\d}kd}ts }ur Humanität. Die 
pon der Kirche gefegten Sdjranfen murden durah die IPieder* 
belebung der claffifc^en tDiffenfdjaften und tfünfte durchbrochen 
und der €mancipationsprocef begann in ungeahnter Stätte 
jur Cöfung des pielgeftaltigen <8eißeslebens aus den Banden 
der fird?lid}en Autorität. 

die religiäfen Sd^aufieQungen und fird^Iid^en 
ilZyflerienfpiele fM? anlehnend, erhob ftch das Cheater auf's 
2T*ue aus dem Staube. Da galt es freilich, fich junächft 
bnvdf »üjie Uebergänge 5U größerer Keinheit edler Kunp 



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emporsuläutern. €rft allmäfylia) gelang es 6em Cfyeateru>efen, 
ftaj von jener lärmen&en Hoheit un6 geilen 5<>^«^fHgfeit 
ju fäubern, meiere 6as ITlxtUlaliex 6en öffentlidjen Volt* 
Vergnügungen eingeimpft fyatte unb 6ie mit 6em geiftigen 
(Sefammtdjarafter jener gläubigen 5«t in pollfommenem 
(ginflange flanken. Die tfircfje füllte fid> ja in tf?rer 
ilUf^rrlic^fcit fo flauer, 6af fic mit tyren OTYlierienfpielen, 
iljren fonöerbaren Harren- un6 €felsfefien 6ie unanf!än6igflen 
£111150, 6ie fdjmufcigften Karrifaiuren auf 6ie Priefterfdjafi 
fclbft un6 fogar eine Paro6ie auf ifjr ^eiliges Sacrament 
6er 2TCeffe in 6ie 03ottesl}äufer einführen lief. Die fdjlimmften 
tfusfcfyreiiungen 6es rfmifdpn Cfyeaters 6er PerfaHjeii 

- 

u?ur6en von 6er Hnflätfn'gFeit 6er firdjlidjen Sdjaufleflungen 
übertrumpft. , 

3n ßtantte'xdf mugte ftdj 6ie »eltliäje ObrigfeÜ mein* 
als einmal ins ZTTittel fdjlagen un6 6ie religiösen Spiele 
wegen ifyres unheilvollen €influffes auf 6ie H)ol}lanftän6igfett 
un6 6ie öffentliche, tftoral gera6eju ©erbieten. Die €nglän6er y 
fdjeint es, trieben ifyre fromme Cuflbarfeit $utr>eilen nodf 
1 oller, als 6ie 5ran$ofen; IDarton n>enigftens ift 6en Hadj- 
weis nidjt fdjulöig geblieben, öajj im fünfjelmten 3al?r^un6ert . 
Ubam unb <£va in abfolut naeftem Hatu^uftanöe ftcf? auf 
6er Bülme pro6ucirten un6 erft in 6er jmetten Scene von 
6en Feigenblättern einigen (Bebraudj matten. 

Die pon 6en ItTvjterienfpielern verübten unflätigen 
Drölerien gaben Peranlaffung 3U einer ZHenge t>on Bonmots 
un6 fpridjtpörtlia^en Lebensarten, von 6enen man !jeute noi? 
mehreren im franjöftfdjen Polfsmunöe begegnen famu £0 
curftrt 5. B. nod} 6ie Bejeidmung geurfffer Dinge als 
derri&re le rideau gefcfjcljen, tvas 6arauf 5urücfjufü^ren ift, 



8 



öaf? bie Sdjaufpieler, fo oft bas fedrfte (Bebot gebrochen unb 
puncto puncti gefünbigt werben feilte, einen AugenMicf bie 
Scene ©erliefen, um ftdj hinter einem, über einen Cfyei! ber 
33ülme aufgehängten Por^ang $u fchaffen $u machen. 

Dag oer liebe <ßott »ieöerfjolt fta? bie fa>aufpielerifa>e 
HTasfe gefallen Iaffen unb mit bem (Teufel, „feinem TXl'xU 
arbeiter", mie Um Dr. ZITartinus Cutter nennt, fowie mit 
bem gefammten ^immlifd^en unb fyöUifd^en Qofftaat fid) an 
Oer ifyeatralifcfjen &dion beteiligen mußte, hatte natürlich 
nichts Auffatlenbes für eine 03efeü*fchaft, beren Heligiofttät 
porariegenb in oen phantaßifdjen <5auFeleten Oes 2Intfyropo- 
morphismus beftanb. . 

Die Holle bes Satans tnfonberheit erfreute ftcr) oer 
größten Dolfst^ümlid^feit. Der Ceufel u>ar ber Poffenreißer 
im pertoegenjien Sinne bes Wortes. Sein Auftreten würbe 
mit bem lärmenbßen fyxUol), mit bem unbänbigflen Jubel 
begrüßt. IDcber in IDorten noa? in (Beberben gab es für 
ihn irgenb tpeld^e Sa^ranfe bes Anjianbes. €r roar bi e 
perfonifirirte foimeräne Satyre, ber jebe Ketf^eit, jebe 
Schlüpfrigreit Qe\tatM war, entbunben von jebem Sefped 
por (Böttern unb tTTenfdjen unb beren Sitten. Der oon 
^aus aus geringe poetifdje Kern biefer Aufführungen 
rerfanf in ber ^lutf? orbinärjter <Bemeinr)eiten. 

Der Kfrchenbienfl mar in eine einige ungeheuerliche 
ttombbie ausgeartet. ZlTonche unb Honnen türmten ftcf; mit 
bramatifchen Aufführungen bie Cangemeile bes Klofterlebens. 
Heben biefer Cuftbarfeit feierte ber tTerrorismus feine 
2>rgien in Kefceroerbrennungen unb Jubenhefcen. IDoHup 
unb <Braufamfeit arbeiteten ftch oon jeher gegenfeitig in bie 
fjänbe. Die Kirche übte nicht nur bas prteileg, bas Volt 



ju lehren, fondern auaj das Volt 511 amüftren, und u>ar 
unerbittlich gegen 3*&* rmann / ocr n W 1)011 *fr btUtyt und 
amüftrt fein wollte. ' 

TXus diefem <£r/aos des mittelalterlicr)en, alle Cebens« 
bedungen ineinander »irrenden und tyrannifirenoen Kirdjen- 
tfnims falte ftdj die Kunfl de5 modernen C^eaters ju 
geftalten. €s war ein partes Beginnen. Den Xnftog und 
die tpirffamße Beihilfe $ur «futfird? lidjung des Cebens, $ur 
Pertpeltlidjung des (Befcr/macfes und $ur Derfeinerung der 
Sitten gaben in 3 taIien uno franfreia^ die großen XXlkUtU 
punfte des madjfenden materiellen IDor/lfiandes; denn die 
<£manriparion des (Seiftes, die Weiterbildung einer erreia^ten 
Cirilifation, ift an den materiellen f ortfdfritt gebunden. €in 
Staat pon fjungerleidern 5. 3. märe außer Stande, 3af?n« 
bieder für Künfte, tDijfenfcr/aften und edlere Sitten ju 
»erden. Hur Staajfn, deren IDofylftand eine beträa^tlia>e 
Stufe erreidft und das Bedürfnif nad> Curus und feineren 
<0enüffen rerallgemeinert r/at, ftnd fäf?ig» an der Spifce der 
£ioilifation $u marfdn'ren. (£rft die Pereinigung in&uftrteüer, 
intellektueller und fünftlerifdjer Cultur fdjafft jene IVLadjtfüUe, 
meldte die Grundlage eines Hat iona Hebens im großen, 
tonangebenden Stil bildet und allen Criebfräften der 
frei^eit ein glücflicr)es Sief weift. 

Der Pern>eltlia7ungsproceß der dramatifa^en Volts* 
ergöfeungen fam $uer|i in Italien in jlug und fefcte ficr> 
ron da nacr) franfreidf fort. Um die XTIitte- des f finf$efmten 
3a^r^underts etn>a begannen die außerfira^Iia^en Sa^aubü^nen 
fyflematifaje formen $u gewinnen. IDas der Kirdje der 
tCeufeI war, rourde dem Zftarfte, roo die Aufführungen 
ftattfanden, der ^arlequin. (Einer der berühmteren (Träger 



(0 

ttefer beöeutfamen drjaraffcr . Holle war ein gemiffer 
Cecdiino, öer im 3 a *? r< i u P*neöig auch öie erfte 

I^ertrjeiöigung öes (Theaters peröffentlichte unö fpäter pom 
Katfer fogar in öen Aöelsftanö erhoben würbe. 

Heben öen Darffellungen h«önifcher fabeln famen Me 
Sogenannten 3™P">™Ptas V&bats oöer Contraftt $ur 
Aufführung. €in neuerer italienifcher Bibliograph mar 
noch im Stanöe, über hunöert oerartige Stüde ju fammeln r 
öie im fünf3efmten unö fedjsjehnten 3<*h r *? unöert m 3 ta ^ en 
aufgeführt moröen waren. €rfl in ^ranfreidj jeboef? 
erhielten öiefe Spiele oen Umfang regelmäßiger Dramen. 
€tns öerfelben, öie poffe „patelin* aus öem 3a^re W8, 
hat ftd> unter mandjf adjen IDanöfungen (Le nouveau 
Patelin unö Le testament de Patelin) bis auf unfere 
(Tage gerettet unö wirb jefet noch in 6er jfingften Um* 
arbeitung unö Erweiterung als „L'^vocat Patelin'^ im 
Obeon-C^eater pon paris aufgeführt 

3 n liefern erflen Staöium oer €mancipirung unö 
Perwelllichung herrfdjten öie Poffenfpiele noch por. Der 
Erfolg a>ar ein fo ungeheurer, öag öie geifllichen Directoren 
oer . religio fen Schauftellungen ftd? 5" öer Einrichtung öer 
halbreligidfen „ZlToralitäten" gejwungen faljen, um öer 
<£oncurren$ ihrer weltlichen Coüegen öie Spifee $u bieten, 
bis fte auf öer nächtfen Stufe öes ftd> gen>altig entwicfelnöen 
tTheaterfpiels mit ihrem ZUffterien- unö HToralitätenfram 
pon öem weltlichen Sd^aufpiel auf öer garten Cinie gefd)lagen 
wuröen. 3 n 3 <a ^ en W wun « we eigentümliche €rfd>einung 
ju conßatiren. Qerporragenöe Zftitglieöer öer öortigen 
<Beiftli<hfeit warfen ftd? felbfl mit Eifer auf öie Anfertigung 
po» funpgerechten weltlichen Cheaterjtücfen. Die erft 

» . 



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ifaHcniföe Komö6ie im neuen Stil fyitte bcn <£avb\nal 
Bibbiena $um Perfaffer un6 6urfte mithin 6er Kirche fein 
fon6er!iches Cei6 $ufügen, roähren6 6as erfle regelrechte 
franjöftföe Cuftfpiel, 3o6eüYs „€ugenie", mit 6en Schwächen 
un6 ßebrechen 6er <5eiftüd>feit fürchterlich graufam um- 
fprang. Da 6ie erftcn (Tragd6ien nach bem IITuflcr 6er 
<0ried)en unö Cateiner gearbeitet maren, geriethen fte 
abftracter un6 fyxvmlofet. 3al6 fam tue €rftn6ung 6es 
muftfalifchen Dramas, 6er £>per, h in 3 u # &*r Schau- 

bühne un6 6ie Decorationen peruollfommneten ftch, Dichter, 
Sänger, Spieler meI6eten ftch **V> ^Hen Seiten — 6ie neue 
Kunfl trat mit 6cm Vollgefühl ihres eigenen, jufunf tsftcheren 
Gebens, mit 6er flogen 2(r)nung ihrer IDeltmiffton 6er jtdj 
allein feligmachen6 6ünfen6en Kirche gegenüber. 

freilich, fo lange als Sachmalter 6er Keligion fein- 
gebi!6ete fürften auf 6em Stuhle Petri faßen, 6eren Ceben 
„ein langer (Traum toar 6er Kunß un6 poefte", tolerante 
^umaniflen, 6ie in 6en XDerfen 6es u>ie6ererjtan6enett 
griechifchen (Benius fcr/u>elgten un6 „mit einer QeiMf$ai 
Schönheit je6e Schöpfung 6er Kircr)e r>er$ierten", — fonnte 
man ftd) noch b* n 3Hufionen eines Ausgleichs $u>ifcr)en ; 
Kirche un6 (Theater hingeben. Hamern aber 6ie Blifce 6er 
Deformation aus 6em Hor6en 6en Patican umjucften, 
Serrannen 6ie frieoensfeligen Hoffnungen. Die ftreitente 
Kirche n>ar6 ftch ty*** n>eltfein61ichen princips ben>uSt, 6er 
uerfolgenoe €ifer lo6erte auf, 6ie Schlachtreihen formirten 
ftch. £is Schluffe 6es acr^elmten 3ahrhun6erts tobt* 
6er Kampf 5tr>ifchen Kirche un6 (Theater. XDer ftegte? 




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„Der fortgefdjrithte ITUnfd} tragt auf erfiobnen Sd}nrina*n 
Danfbar bie Knnfl mit jid> empor, 
Unb neue Sajontjeitsipelteii fpringeti 

"Keine Kircrje ift geiftesmäa^tig genug, bagegen aufsufommen. 
2Xber bie er?rroürbigen Doctoren ber Sorbonne r/atten fta? 
noä} nicr/t $u jener eblen €inftcr)t unferes iriebrid} Sdnller 
Durchgerungen. Sie gaben bas 65utad}ten ab: Die 

Sdjaufpieler fmö fdjon buvdj bie Tlxt iljres Berufs im 
Supanöe 6er Cobfünbe. Die parifer Kträjenorbnung 
(Rituel de Paris) t>telt an i^rcr <Ercommuntcation feft. 
Sie oerfagte denjenigen, öie niajt redjtpttig .. pbr i^rem 
SierbefiünMein ir)r tfyeatraltfdjes XHetier abfdjrouren unb ftcr) 
ben Kirctyenbußcn unterwarfen, bas einrücke Begräbnis ; man 
fdpirrte fte ein rote tobte Qunbe, berietet ein ^eitgenoffe. 

€s ift befannt, baß bte fcfjöne unb geiftreicr/e Cecouoreur, 
einer ber flrafylenbften Sterne am franjöftfcr/en Kunftfnjnmel, 
am Seine -Ufer auf einem Sä^afanger begraben rourbe. 

^ür ben Ceicfmam ZTToliere's erhielten feine ^reunbe 
nur mit ber allergrößten ZTTüfye bte €rlaubniß $ur Betfefeung 
auf geroetrjtem Boben. Der geniale, freigeftnnte ZTloliere 
mar in ben ttugen ber Klerifei natürlich) ein gan$ auserlefenes 
Sa>it für bas en>ige ^öHenfeuer. Seine Stficfe galten ber 
Kirche als oornriegenb fdjledjt unb unftttlidyl IDas 
war Damals ntcr)t 2IHes unftttlicr)! Boffuet, bas große, 
unfehlbare Kirdjenlicfjt, fpraef? es ja ganj gelaffen mit 
ber t^m eigenen Autorität aus, baß jebes Stficf unter* 
fdjtebslos unftttlia^ fei, in roeldjem eine £iebesgefa?iä)te oor. 
fomme, fo unfdmlbig beren Cfjarafter aua^ fein möge! 

IDeitaus frömmer als XlToliere roar Sadne, unb boaj 
mußte er jtdj gefallen (äffen, baß feine (Srabfa^rift, naäjbem 



fte feine Perbienfte aufgellt, bas Iarmoyante XDovt nicht 
unterbrächen fonnte: €in Rieden Raffet bemtoeff an feinem 
tfnferjen, fmtemal er ein Schaufpielbidjter geroefen! 

Der €rsbifcf?of pon paris fcf?ärfte feinen <5eiftliä?en bas 
Perbot, Scf/aufpieler $u trauen, ausbrüeflich ein. TXis ber 
tfecr/tsantpalt Qeurne be Ia tfTotr/e öffentlich bagegen pro- 
teftirte unb ben Sdjaufptelerberuf pertr/eibigte, würbe feine 
Schrift burcrj fjenfersr/anb perbrannt unb fein Harne aus ber 
tfbpocatenlifte geftricr/en. Das pon bem Kirdjenfanatismus 
infpirirte (ßefefc erflärte bie S^aufpieler fummarifer) für 
ehrlos; ba fyalf feine pereinjelte IDiberrebe. Die Herren 
Hecrjtsgelehrten Ratten fleh bermagen in bie tftmofphäre 
flerifaler 2fnfcfjauungen eingelebt, bag es unter ihnen bis 
tief ins acrjtiermte 3arjrhunbcrt ^inein als gute Sitte galt, 
bag Hiemanb, ber ein ritterliches Xmt befleibete, bie 
tCI?eaterauffüf/rungen befuge — „gute Sitte", ein Ding, bas 
einer fyo<fjnotf?pcinIid}en f)alsorbnung in nichts nad)\tanb. 

<£s fei geftattet, r/ier ettpas jurücfju greifen, um bie ge* 
funben tfeugerungen anjuf üfyren, meldte bie beutfcr)e prinjefftn 
(Elifabetrj Charlotte, Ocmaljlin bes fyv$o§s pon Orleans, 
beren 3riefroea?fel mir fo intereffante (Einblicfe in bie <ße- 
fellfcrjaft bes pierjermten Cubroig perbanfen, in Sesug auf 
bas Crjeater niebergefchrieben hat Die h^< frau fchrei&t 
an ifyre fjalbfcrnpefter: 

i/3fa fer)r fromm, am Sonntag nicht aussugehetu 
307 halte übrigens Befucr/e für gefährlicher, als~bie Komöbie.* 
3n biefer Fann man fleh boa> nicht an feinem Häcr/flen per- 
fünbigen bur<h fynte Heben unb Urteile. IDenn man bie 
Kirche befucr/t fyit unb feine Scfjulbigfeit gegen <8ott gethan, 
fo ift bas (Theater geipig ungefährlicher, als bie (ßefeflfchaft... 



6er üirdje lehrt man es unangenehm, aber m 6er 
Komöbic roirö es angenehm porgeftellt, rote 6ie (Tugen6 be. 
lotmi unb 6as Caper betraft roir6. . . 

„3ct> Ijabe €uaj fa^on einmal meine ZKemung gefagt 
übet bic priefter, fo 6ie Komödien verbieten, fage alfa 
roeüer md}ts, als ba |, roenn 6ie Qerren ein roenig roeiter 
als ü)re Hafe feljen roollten, roür6en fie begreifen, ba% bas 
<Se\b an ben Komödien nicht übe! angelegt ift <£rftlich fin6 
bie "Komöbianten arme (Teufel, fo ihr Ceben 6a6urch ge- 
winnen. Sunt tfnoern macht 6ie Komöoie ^reuoe, £reu6e 
ö ibt <Befun6heit, <Befun6heit Stärfe, Starte macht beffer 
arbeiten. 2lIfo foUten fie es pielme^r gebieten, oenn per^ 
bieten, ... 

„ZTlan tyit mid? nie gefügt, in 6er Kirche ju fd^lafen. 
3<h ^abe mir's fo ftar! angeroöfmt, 6a f tef? es nicht mehr 
lajfen fann. JDenn man XTTorgens pre6igt, fo fd^Iaft ich 
nicht, aber nachmittags roi6erfte^e ich feilen. So geht es 
mir auch in 6er £)pera, 6a fajlafe ich hfiufa, aber nie m 
m 6er <Kom$6ie". . * 

Die braue jraul Durfte fte es roagen, 6iefe Fefcerifchen 
<J5eftän6niffe in 6en h eut *9 cn frommen f)offreifen fo saus 
g&ne poqutragen? 

Die Kranichen IDeifen un6 himmüfch« 11 5*i<h« n &*uter 
freuten nicht por 6em 2lberroifc surücf, 6as (Theater für 
<fr6beben un6 Qeufchrecfen, peftilenj un6 tljeure geit, 
ZDolfenbrüche un6 Dürre un6 anöere Can6plagen perant- 
tDcvtlid} $u machen. Umfonfl. Der €nthuftasmus 6es 
franj^ftfd^en Polfes für feine Schaubühne roar nicht mehr 
ju beimpfen. Die Kirche unterlag, bas (Theater ftegie. 

Die grof e Kepolution brach en6Ii<h h^ein roie ein XDelt- 



geriet, fpratfj frei un6 le6ig, was fo lange fdnifclos un6 ge- 
ästet geroefen unb fyob mit einem Silage aü 6ie &# 
fa?ränfungen auf, unter 6eren Caft Kunfl un6 Küntflet bis- 
lang gefeufet. 

Das moderne (Theater ift niety 6ie Sa^öpfung einet 
einzelnen XTation; aber feine fyxt in 6eni ZTIage, nrie 6ie 
franjdftfcfo fola> Sdjäfce bes <5eiftes, 6er Sympathien un6 : 
6er materiellen ZTTittel befyarrlia^ an feine Befreiung un6 
f)öf?erbiI6ung gea>an6i . un6 6amit ein Äea^t an unfere tfuf- 
merffamfeit un6 unfer 3ntereffe für HUes, mos iljre 
6ramattf02e Kunß betrifft, fo ooDgiltig erworben. 



TD er *<n Mrfjbn u,.6 roinf.cn Husfcucf Ut itamaH^ 
T&cxiVLbt&atonit b*v Jranjofen rennen Intim miüV fann fta> 
wux einem Orte jun>en6cn: 6cm Th6atre-Fran9ais. Dtefes 
cdtel)ttx>ür5ige unb nid>ts6ef!on>emger juge*n6frifd>e 3nftitut, 
an befien 2Tntli$ nur 6er griesgrämige unö e»ig nörgeln6e 
Krittfer ftridefter f)ebantew£)bUrv<ms galten unb Xunjeln 
ju entoeefen permöcr/te, tfl nädjjt 6er franjöftfdjen 2lfa6emie 
bie emsige Sajöpfung pon Gelang, 6ie auf 6em «Bebiete öes 
per) tdgltcr) emeuent6en «Beifteslebens aus 6er §errfd>ifts$ett 
bes ancien regime 6atirt un6 6ie Kraft befaf, 6iefes felbft 
511 überleben. 

Das Th£atre-Fran9ais jäljlt über $u>eir/un6ert Oafjre, 
eine Dauer, 6ie um fo mefyr -Hefpcct einflögt, roenn man 6er 
ZDan6Iungen un6 6er Umftitr$e geaenft, 6ie in rapi6er folge 
bas HattonaDeben perän6erten. <£in fofcf/es HTonument fyxt 
ein ZLnved}t auf bas 3«tcrcffc unb b\e Sympathien aller 
jreunbe 6er Kunft fdjon um feiner fyiftorifdjcn Beharrung 
willen, un6 es ift belet/ren6 un6 angenehm sugleidj, 6en 
Quellen feiner €ntftelwng nacf/$uforfd>n. Pielfadj persroeigt, 
jiim GW 1 »«rmorren un6 im Dunfel fließen6 jin6 6ie Quell* 



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abern, aus beten fdjlieflidVm ^ufammentrcffcn ber mächtige 
Strom refultirte, beffen r/eUleucfjtenbe £>berf!äa>e uns ben 
tfunftgenius ber ,$ran$ofen in reiienber Sdjönfcit roieber. 
fpiegeit. Momentane (Trübungen r/aben nie oerlnnbert, ba| 
bcm gebulbigcn unb unbefangenen Beobadjter ein Blicf in 
bie reine tEiefe gelang, 6er bas Perftänbnif bes Kunftgeiftes 
einer bramatifdf fyerporragenben Voit sinbioibuolität ermöglidjte. 

Wie alles, was Dauer r/at, nid) t Knall unb jall in bie 
(Erfcfjemung getreten, fo ift auefj bas Th£atre-Fran9ais burd* 
einen langen unb fa^raierigen IDerbeproceg 5U feiner jefcigen 
(Beftaltung gelangt. Hictjt bie <£aprice eines jürften . r;at 
es gemadft; es ift aus bem lebenbigen Prang bes rolfs- 
tr/ümlidjen ttunftgeiftes geroorben 3U bem, roas es ift, unb 
Derftänbige Qerrfcrjer r/aben fiefj im ZDetteifer mit ber 
3nitiatioe ber Nation in feine treue pflege geteilt, » 

<£in Wext ber Iangfam mirfenben Seit, ift es sugleictj 
ein ^eugnif? bafär, bag im CfjaraFter ber jranjofen ber 
ir/nen fa^on mit fo poretligem £)oI?ne jum Dorrourf gemalte 
Sug ber Peränberlidjfeit nidjt ber allein- bominirenbe ift, 
fonbern bag neben allem Unbeftanb ein foIi5es Beharren 
auf richtig befunbenen IDegen, ein freubiges Durcharbeiten 
ju r/orjen Sielen [\d) mit ßlücf geltenb mad?L • , 

Das fjaus, in roetdjem bas ThtAtre- Francis feit bem 
3arjre J799 bis auf ben heutigen' Cag bie Spiele ber 
bramatifdjen Kunft feiert, mürbe r>on 1787 bis J790 poh 
bem 2ircr/itef ten Couis für ben Qerjog ©on Orleans erbaut, 
ber es junädjft ber (Truppe ber Vari£t6s- Amüsantes jur 
Verfügung ftellte. Diefelbe eröffnete ir/re PorfteHungen am 
[5. ZKa'x \?$0 unb benannte bas Qaus Th^ätre du Palais 
Royal, onberte aber fa>on J79J ben Hamen in ThSatre 

in. Conra», pariftan«. r « *' ' H 



"Fra* 1 ^* 5 ^ * a ^ ue ^' c ^ e ^ eu » nady oem ^U9"l* In 
TY\6^ tre d * l a Liberi et de l'Egalite uu6 enMid? in 
Th6£ tre 5* la R ^P ubli( l ue ein Beweis, mte fetyr 
bam<*l* ^ € ^ünfüer, 6ie fid? sugleicty, pieUei^t jum erflen 
lUale/ a * 5 Sanje Bürger füllen, pon 6en <ßeiftern 6er 
Politik umfyergetrieben nmroen. Das Jaljr 1793 fam — 
11 ub fp crr * c ^ e Pforten 6er ZHufentempel jeittr>ciltg $u; 6as 
^latonifcf?^ €rgöfcen por 6en n*ltbe6euten6en Brettern war 
nicr)t nad? oem ßefdjmacf 6er ra6icalen Kepolulionsmänner. 
3fe iDoIIten 6as Ceben felbft un6 nia)t feine Hterarifa^en 
Symbole. 2Do 6ie ttunft mit iljren l?oI6en Scfjeingeftalten 
po r 6em übermächtigen guge 6es raupen ^lugenblicfs nidjt 

Ö^»3 au f °" - cite * re{cn u?oUie ' *? atte f ,c f IC *? °* e Dienftbar- 
tnac^ung für 6ie politifcfjen 5°*** öer fyerrfdjenoen Partei 
gefallen 5U laffen. 

Die Cfyeatergefefcgebung jener 3eit gibt uns in Mefer 
ijinficbi fer>r interejfante Sluffcfyüffe. Die im Ja^re {?9{ 
feecrefirte freifyeit 6er tTtyeater mur6e 3tpei 3 a *? re fpäta arg 
fccfcf?nittcn. rfin Decret pom 3. Xugufl J793 enthält 3. B. 
folgende Beflimmungen: 

„Dom 6iefes Hlonats bis $um \. September fmö 
breimal in 6er ZPocn* auf 6en pon 6er Znumripalität 3U be- 
jc ^nen6en (Theatern 6ie Cragö6ien Brutus, (SuiOaume (Cell, 
<£aju* <5racdms un6 an6ere Stücfe $u fpielen, meiere 6ie 
r ui}mtc\d}cn Begebenheiten 6er Hepolutton un6 6ie Cugenöen 
£ cr 2^ert^ei6iger 6er ^reiljeit $um <5egenftan6e haben. 3e6es 
tZlpatex, 6as fo!a> Stücfe gibt, 6ie 6en öffentlichen <5eitf 
fääb*9 en uno öen Wn6liaVn Aberglauben 6es Königthums 
auf* tltVLt.tnifadien, wxtb gefdjloffen un6 6er Director pon 
ber 3<^ r ! e ^* getroffen". 



€in anderes Decret pom 3. September 6esfelbigen 
3af?res beftätigt einen Befdjlug 6es IDotyfaljrtsausfdjuffes, 
worin es fyeift: „Va 6ie Sdjaufpieler un6 Sdjaufpieterinnen 
Ben>eife iljres unbürgerlidjeh Sinnes (preuves d'incivisme) 
gegeben un6 antipatriotifaje Stüde gefpielt Ijaben, u>ir6 6as 
Theätre-Francais gefdj loffen , 6ie Cruppe perljaftet un6 
prpeeffirt". 

3n 6er tCfyxt mugte 6ie 2Tte!jr$afjl 6er Sdjaufpieler in 
folge 6iefes Befdjluffes über ein 3afyr lang im (Befängniffe 
fdjmadjten. <3u 6erfelben ^eit tr>uröe 6er Director 6es 
<£onferpatoriums, ZHonfteur Sarrette, perfyaftet, ©eil einer 
feiner Sdjüler auf 6em ZDaI6!}orn 6as Cie6 geblafen fcatte: 
Ö Richard, o mon roi! 

€rtpälmung per6ient aud? 6ie X?eror6nung 6es Directoire 
executif pom {S. Hip6fe IV 3«"uar \7$6) t iporin es 
t>eift: 

„Wie Directoren, Unternehmer un6 Beftfcer pon Sajau- 
fpiclljäufern in paris ftn6 gehalten, unter tyrer perfdnlidfen 
Eerantroortlidjfeit je6en (Tag por 6em Beginn 6er Porflellung 
pon itprem £>rcrjefter 6ie 6en Xepublifanern teuren Cieoer, 
xpie 6ie Marseillaise, £a ira, Veillons au salut de 
Tempire u. f. m., fpielen $u laffen. hingegen ift es aus« 
6rücflia} perboten, 6as mör6erifaV £ie6, betitelt Reveil du. 
peuple, 5U fmgen". • 

(Erp 6ie ^errfa^aft 6es erften Confuls Ienfte wieoer in 
gemäftgtere Bahnen ein un6 gab 6ie gefdjloffenen Sdjaufpiel- 
fydufer 6er Kun|t $urücf. 3m yüpt \?<ft erhell 6ie 
<5efellfd?aft 6es Theatre- Francais 6as fyros sugetpiefen, 
meines bis $u 6iefer Stun6e trofc aller erfolgten 6fnafiifa>en 
Umu>äl3ungen als ZTTufenftfc in treue Qut genommen u>arV 

» 2* 




• * ✓ 

Sicher f\d) fül?Ien6 in feinen feftgefügten lDän6en, permoetyte 
es feine pripüegien 3ur (Benennung einer 6epnitipen Dafeins» 
form auszubeuten un6 6urdj 6ie £efämpfung 6er tTfyeater» 
frei^«* fo»ie ourdj fyerporragen6e Ceiftungen 6en Primat in 
Oer oramatifcfyen IDelt an pdf ju reifen. 

Das Theatre- Francis bepfct an Statuen uno Bilöern 
ein poIIFommenes fnftorifdjes ZUufeum uno aufjer6em ein fo 
reifes, bis auf 6as 3afyr (658 5urücfgefyen6es #rdjip, 6af 
% tot ^orfa^er im Stanoe n?äre, 6ie <8efd}id?te 6es (Theaters 
uno 6er mit ifjm eng perbun6enen Citcratur Cag für (Tag 
bv.rdf 5u?ei 3 a fy r fy UT1 6erte 5" priren.' Diefer f or W cr P4 
aber bis fycute nod) nicfjt eingeteilt. Was 6ie 6raniatifd>e 

* * • 

(Bcfdndjtsfdjreibung $u (Tage geför6ert fjat, ift noefy r oller 
frieren un6 XDi6erfprüaV; 6ie tfnefoote un6 fterile Xaifonne- 
ments überwua^em 6ie juperläfpgc Darftellung 6er <Tr/ai- • 
fad?enrcir)en. . "* 

_ • - • • • 

Das 3 a *? r {658 ift be6eutfam für 6en €ntnricfelungs» 
gang 6es fran$öpfdjen Sdjaufptcls : am 2% £)ctober fpielte 
6er geniale 2Tloltere nadj feinen 3 rr f a fy r * en I* °* r propinj 
jum erften ZTCale mit feiner (Truppe in pärts, un6 stpar im 
KarY<iti6enfaafe 6es alten Coupre por Couis XIV. un6 
feinem Jjofgepnoe. Die Porftellung umfafte eine Cragdoie: 
„Nicomede", un6 eine improoiprte poffe, in 6er ZTToIiere 
felbft 6ie fymptroÜe fpielte: „Le docteur amoureux." Der - t 
(Erfolg war ein gewaltiger. Die iftajeßät geruhte $u ge. 
nefnmgen, 6af ttToliere feiner Komö6iantengefeIIfa^aft 6en 
refpectablen Od: „Troupe . de Monsieur u bdlegte.' 
„HTonfteur" felbfl^6er einjige 3ru6er 6es Königs, fonnte6er 
Qencröfen &mpan6tung ntefft tpi6erpefjen, , Jemen Komödianten" 
eine PenPon pon 6reirjun6ert Cipres $u betpilligen , eine 



waljri}dft föniglid? glänsenöe penfton, öie nur öie eine 
Srf?atteiifeitc Ijatte, niemals ausbc$al?lt moröen $u feuu €a 
(Örange, öer geu>i ff enfyafte Budjfüfyrer unö Xegiffeur 
Znoliere's, bemerft nämlidj in feinen 2(uf$eicfwungen aus- 
örücflidj: „ZKefe öreiljunöert Ciures finö nie be$afjlt rooröen". 

Ita^öem 21toUere 6ie Bülme öes „Hötel du Petit- 
Bourbon" gemietet, unö öort eine Kctt>e von Porflellungen 
gegeben r/atte, inftaüirte er ftdj enMicf} öeftnittD im Saale 
öes Palais * Royal, mit gnäöiger €rlaubnifc öes „tftonfteur'V 
f)ier entftanöen öie unterblieben Zfteiftertuerfe öes Dieter* 
Sdjaufpiclers. So lange er lebte, fämpftc feine . (Truppe 
fiegreid} mit öen £oncurren$bülmen 6er guten Staöt Paris/ 
mit öem Theätre du Marais, vs>o (ßarnier unö.öu Hyer 
tyre erften Stücfe aufführen liegen, mit öem Sa^aufpiel im 
Hötel de Bourgogne, öas Corneille unö Rotrou rafdj be- 
rühmt matten, unö mit anöeren Unternehmern, öie ftdj als 
grands comediens auftrumpften. ZUit feinem ^693 er- 
folgten Eoöe ging fte in (Trümmer; öie Kioaren triumptyirten. 
Pier öer gefeiertften ttloliere.tfomööianten, nämlidj Saron, 
Ca C^orilliere unö Beauoal mit ßemaljlin, gingen ftraefs 
5um ^einöe über, unö öer Heft öer (ßefetlfc^aft wuröe aus 
öem Palais »Royal ©erjagt, »eil öer König öem Componiflen 
CuIIi öen Saal perfproer/en Ijatte. Die €rilirten fanöen in 
öer Eue ZHasartne einen Hnterfdjlupf, n>o fie ein fümmet* 
liaVs Dafein frifteten, obfa>on fte einen f oftbaren Sa>afc tyr 
<£igen nannten, öas Repertoire ttToliere's.. • ~ ' . 

3m 3a(?re ^680 öecretirte Couis XIV. öie $ufton öer 
5»ci uomel?mften Sdjaufpielertruppen , in meldet öie Hebet- 
lebenöen öer iHoliere'fdfen (Befellfdjaft als treibenöe Kräfte ' 
nacfjtptrften, unter öem (Eitel „Comedie Franjaise-, Die- 



felbe bc$o$ 6te uerfdjie&enften Quartiere, worunter 6er Saal 
m bev 2\uc 6es foff£« Saint «cBermain^eS'Pres \6Q$ ju 
ben fcemerfenswerfheften gehört. f)ier nämlich, 5cm fpätcr in 
ber politifchen (Befeuchte eine Holle fpielenoen Cafe procope 
gegenüber, würben 6ie IDerfe oon 8egnar6; Destouajes, 
c£r6btüon, Ce Sage, Voltaire, 2TTariuaur, Di6crot un6 
^Inbcren mit <£ntr/ufiasmus aufgeführt; aud? Beaumarchais' 
Barbier von Sevilla erblicf te hier bas £id)t 6er Kampen. 
Ueber ad^tjig 3 a *? re W** °* e Comddie Fran9aise öiefen 
Saal tnne, fo 6ag 6er Siragenname jur Erinnerung an 6iefe 
glorreiche Seit geändert un6 in Rue de l'Ancienne Comedie 
umgetauft wur6e. tfber 6ie £)6yffee 6er KühfHergefellfchaft 
mar nod) nicht ju <£n6e. Das luftige Dölflein mugte feine 
fjabfeligfeiten aufs ZTeue jufammenraffen un6 feine Seite 
abbrechen. 2ttan fchrieb J770, als es in einem Saale 6er 
(Tuilerien, 6em fogenannten Theatre des Macbines, gaftliche 
Aufnahme fan6, wofelbfl feines Bleibens jeood} nur jwölf 
3ahre war. (782 wanoerte es über 6en £Iuf surücf, um 
bas in 6er Hähe 6es £ourembourg«palaftes erbaute Schau* 
fpielhaus $u bejiehen — 6as heutige 06eon. 

ZDoher 6ie ewige Unruhe? ^eine Haturen von weit- 
ht^orifcher IDitterung un6 foctalpolitifchem Spürfmn wug ten 
6amals allein 6iefes fieberhafte Umhergetriebenwer6en 6er 
crflen SchaufpielergefeUfchaft ^ranfreidjs . $u 6euten un6 in 
^ufamtnenhang $u bringen mit 6er marferfchütternoen Krips, 
bie fidj in 6em mit Kranfheitsfloffen erfüllten Dolfsförpcr 
porberettete. €s waren nicht 6ie Komödianten, allein, 6ie 
ft<$ übet bie Unftätigfeit un6 $tüchtigfeit alles Beftehenoen 
mitten in ber fdßnen ^errfchaft 6es abfoluten (Sottesgnaoen. 
tfyum* i u | WK$*«tW$«n Betrachtungen angetrieben fahen. 




1 



Hur jenes porneljme Publifum, 6as oon feinen bequemen 
Sogen jifcen aus 6em Spiele jufaf>, 6as parterre als feinen 
Spucfnapf UttadjUte un6 6er misera plebs 6a unten 
Iegitimtfüfa} auf 6ie Köpfe fpie,-fdjien mit 6er benei6ens. 
roertfyen (ßelaffcnljeit un6 Unbefangenheit gefegnet, Me fonfl 
nur 6er Unfa^uß eigen. Der liebe <ßott ift jumeilen 
fätcdlxdi langmütig. 

€s mar im HTonat ITTai 178$, ba fpielten unfere 
Komödianten r*on profeffton — nidft Me anoem — jum 
erften 2TTaIe jenes merfroüröige Stücf, meines fein tfutor 
„La folle Journ^e" betitelte unö bas unter 6er Bezeichnung 
z/^igaro's f)od}3cit" gan$ (Europa 6urdflief, jenes Stöcf , bas 
als bas 6ramatifd}e präluöium $u 6er fünf Oafyre fpäter 
losbredjen6en Xeoolution gelten fonnte. 2lber mic fagt 6ie 
Bibel? „Sie agen un6 tranfen, fle freteten un6 liegen jia> 
freien, bis 6ie Sün6flutf> fam un6 naljm fle alle 6a!jin!" 

IDaljrfjaftig, 6ie Simöflutf? fam. Die räd)en6e jlut^ 
6er neuen 3 0ecn fM e 9 f?öfyer un0 fyöfyer; fte flieg fo fyodj, 
6af fie 6ie fjödjfkn <£tpfe( 6er <Er6e erreidjte, mo 6ie throne 
ftan6en un6 6ie Altäre. Xud) in 6as Cfyeater braeff jte ein. 
Die politif führte ju einer Sa7ei6ung 6er (Beifler; 6enn aua> 
6er Künftler füllte in ficr> 6en neuen Börger, 6er Stellung 
nehmen mußte ju 6en ucrFün6eten ZTTenfaVnreajten. Das 
Banö, bas feiger 6ie 2TTitglie6er 6er Com£die Frar^aiso 
umfcfyungen gehalten fyxtU, riß \7$\ in Stücfe. (Talma/ 
oor allen aber HTonral un6 Dugason fammelten 6ie <Be- 
fmnungsgenoffen unter 6as repolutionare Banner un6 
n>an6erten in 6ie Salle Courois; 6ie Cauen un6 ßleidjgiltigen 
blieben 6em alten Qaufc un6 6en in feiner Umgebung, im 
reaktionären £aubourg Saint, ißermain, gehegten 2lnfa)auungen 



treu. 2Xrrt ' September {?$Z fpajierten fie fammt un6 
tenfeers auf 6as tfnfHften 6es €rfomö6ianten CoDot 
V £)erbois ins «Sefängnifc. IDärjren6 6er 2fuffüljrung 6es 
!)tamas „Pamela" fyatte man fie feftgenommen. ^wav et» 
fetten fie nadj bem Sfurje Xobespierre's ifyre ^rei^tt 
roicber, beim ein mufenfreimMkfjer Beamtet Hamens 
Cabufiere fyxtte 6ie 2InfTagefd>rift pemi^tet, allein 6ie alte 
Sdjaufptelertruppe 6er Comedie Fran9aise fanö fta> nidjt 

* • ■ 

metjr $ufammen. (Es war porläufig aus mit u?r; 6er 
5a6en 6er 6ramalifdjen ^amiliengefcfyicfjte mar abgeriffen. 
3*6er ging nad> Temperament un6 XTötrjtgung feinen 
eigenen IDeg. 

2(Is franeois 6e neufa)ateau , 6er Pcrfaffer 6er fatalen 
„Pamela", 3um Zttimjter 6es 3nnern avancitt mar, 6a fafte 
er 6en €ntfdjlu j? , 6ie fdjiffbrücbige <5efellfd?aft 6er Com&Üe 
Francaise mie6er flott 3U machen. <£r fammelte 6ie 3er». 
ftreuten 2TtitgIie6er un6 traf alle Vott errungen, um 6em re- 
organifirten ttünftlert>erban6e eine mür6ige Qeimftätte $u. 
bereiten. Das gefcf^ im 3al>re (799. 71m 3\. Xtlai 
würbe bie rulmireidje tTfyätigfeit mieoer mit 6er tfufffifnmng 
6es „Cid" un6 6er „Ecole des maris" in 6emfelben Qaufe 
aufgenommen, bas bis 311 6em heutigen (Tage von bem 
Thdätre- Francis nidjt mein- verf äffen rouroe. 

Heber alle H)an6lungen 6es (Empire, 6er Heftauration, 
6es 3ulifönigt^ums un6 6es streiten Kaiferreiijs Innmeg, 
audj über 6as <ße3anfe 6er Klafftfer un6 Vornan tif er un6 
27aturaliften, Ijat 6iefe Scr)aubüfme in edjt ffinft(erifd?er Be- 
harrung iljre ZTCiffion erfüllt. Hadj 6en ferneren mtlitdnfdfen 
27te6erlagen 6er Ration glaubten 6ie Kirdjenmänner ifyre 

Stunbe »ie6ergefommen , fte riefen nad> Bufe, erfanoen 

• • , • 




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Richen un6 IDunoer un6 organiftrten allerlei tDaHfafyrten. 
Die ^römmigfeitsmobe tarn ins £an6. 6ie Kirnen füllten 
f\d) un6 — leerten fid} roieoer. Das glänjen6e (Beftirn 6er 
Kunft [traute in olympifa^er ^eiterfeit über all 6en liftigen 
2Infd}lägen jur Unter6rüctung 6es freien Dolfsgeiftes, uno 
6er 2Uufentempel 6es Thäätre- Francais $ät)lte trofc aller 
Zttucferci in oen reactionären Kreifen unter 6em Kerne 6er 
(ßefellfdjaft feinen einsigen Pereljrer ©eniger.- Die Com 
airrens 6er ultramontanen Kirche un6 6er mtraculöfen 
<ßna6enorte 3errann im 5an6e einer rafa? ueTflogenen 
myftiWen Stimmung. Dann famen 6ie mirtfyfcfcaftlidjen 

• 

ltotfjftän6e un6 eine Xeifye pon Cfyeatern, 6ie. geftern mit 
Pomp entftan6en, gingen fyeute mit Xa) un6.Krad? unter 
o6er erfuhren 6ie fläglidjften (Transformationen. . Crofc einer 
nur geringfügigen Subvention von Seite 6es Staates er* 
hielten fid) 6ie ;Jinanjen 6es Sdjaufpielfyaufes in fernerer 
§eit im pollfominenften <Bleidjgeuridrt\ Kur3, 6as Th6ätre« 
Fran9ais entroicfelt nad) jeoer Seite Ijin, 6er i6ealften mie 
materiellften, eine Cebensfäfjigfeit, 6ie mit Bemun6erung erfüllt. 

Diefe €rfd}einung fyit im <Srun6e nichts Ueberrafcfynrtes. 
ZTtan r/at 6ie Pfyrafe, 6ie ^ransofen feien geborene Konto"- 
6ianten, bis 3um Ueber6ru$ mie6erl}olt. <£s märe nun an 
6er &e\t, 6iefem (Öemeinplufc 6ie n>ofylDer6iente Äufye 3U 
gönnen un6 6afür fxd) an 6en lauten #usfprua> $u gemöfynen, 
6af 6ie 6ramafifcf>e Kunft, fomoljl Innfidjtlia^ oer Dichtung 
mie 6er Darfteilung, eine fran$dftfa^e Kunft par excellence 
un6 ir>r Blühen un6 <5e6eifyen 6em Polfe eine maljre 
f)erjensangelegen^eit IfL 

Das Thdätre-Francais gtlt 6em Staate als eine Km 
ftalt 6es «Bemeinmoljls, 6es öffentliajen Hubens. Sein erftes 



Reglement ift von 6er fyanb 6es olympifo^ften aller Könige — 
toir geben 6ie fonflige tfteinung über ötefen <5efalbten 6es 
fytrn frei — pon Couis XIV. unterzeichnet (Croonnanj 
pom 25. tfuguft 1680). Das $n>eite Scr)riflpöcf r 6as in 6er 
(Sntuncfelung 6er nationalen Sdjaufpielfunft eine einfdmei6en6e 
2?oüe fpielt, ift aus ZHosfau 6atirt un6 tragt 6ie Unterförift 
Hapoleons L Diefes HTosfauer Decret pom \5. £>ctober 
\S\2 — ein umfangreiches €laborat, oeffen mir porliegen6es 
<£remp!ar adjt engbeöruefte £)ctapfeiten füllt — regelt bas 
Xed^tsper^ältnig $n?ifdjcn Sdptufpieler un6 Staat nidjt allein, 
fon6ern perbreitet ftd) audj auf all jene fdjulifdjen Aufgaben, 
ipeldje eine rationelle <£ontinuität in 6er öffentlia^en Kunft- 
pffege fid^ern. ttapoleon »ar eben felbft ein feiner Komö« 
6tanf, unb er fürdjtete nidjt, von feiner Würbe etwas ci^u« 
bügett, wenn er mitten im Drang perffängnigpotler <£reignijfe 
pon ZUcstau aus ein Stün6djen feiner Äegierungsforgen 6er 
parifer Hunffpflege wi6mete. Sein Decret fyxt feitfcr 6ie 
jeitgemäf? en 2TTo6iffcationen erhalten. . Das äefefc tpeldjes 6ie 
([^aterfr'ei^eit proefamirte/ erfa?ien \86*. 



IIL 

(Dbfdjon oom Staate fubpentiomrt un6 aimüniftrirt, fjat 
ftd) bodj 6a 5 Theatre- Franca is ju allen Reiten feine 
bürgerliche un6 fünft lerifd> Unabfyängtgfeit tri einem (dienen 
(Öraöe ju wahren genwgi. tt)e6er unter 6em Königtum 
uocfj unter bem Kaifertljum roar öie Qofluft ftarf genug, 
um 6ie cEinmütln'gfeit 6es Künftlerperfonals ju brechen, 
ober baffelbe fürftlicfyen priratlaunen 6ienftbar ju machen. 
€s ift bis ju 6iefer Stun6e, wo feine Peruxiltung in 6en 
bewährten f)än6en 6es eben fo gelehrten als funftfinnigen 
f}errn Perrin rufjt, nur von einem 3ntereffe getragen, 6em 
frfjledjtrjin fünftlerifdjen, XDie bte f rämcrrjaf te, fo iß i^m 
6ie politifdje Speculation ferngeblieben. 

IXud) 6ie politifdje? 3<*? max au f M*U Gegenfrage .6es 
«5meife!s gefaßt. 3 att>0 ^/ aud) 6ie politifdje. Denn 6as 
2(ufflacfern 6es patriotifdjen Kacr)ege6anfens_in jnxri 06er 
6rei Senfations6ramen, 6eren IDirfung auf 6en £t}<xuv\ms> 
mus 6ie Dichter allenfalls im Doraus berechnet ^aben 
motten, will für 6en gewaltigen Umfang 6er geifHgen 
Sltmofpfyäre 6er (Theater von paris tye^licty n>emg befagem 
5o6ann u>ur6en 6iefe meljr 06er weniger rerblümten 



&et>äncf}e - X)ram n : nidjt auf öie Beftellung öer tLfyeater 
oer^ci^jt, fonbeni jur ^uffüfyrung angenommen tro$ iljrer 
po\\t\f erjen tTenöenj, 6er öramatifdjen Qualitäten n>egen, 6ie 
iVjneti nicf)t a^ufprea^en waren. 

- TXls unperöäajtiges geugniß rann id) öen Brief ■ öes 
Ditcctors öes Th4atre-Fran9ais anführen, öen 6iefer 
9ele9cntHcfj 6er Sluffüfjrung öes „Ami Fritz" an öen jigaro 
^djtieb. IHonfieur Perrin pertfyeiöigt in öiefem Sdjreiben öie 
"Kunft an fufy, öie nidjts mit djawnniftifdjer Ccnöen5 gemein 
tjabe, unö ©erftajert, öas neue Stücf öer <£lfäffer Sdjriftfteller 
<£rtmann»(£f?atrian fei ein rein literatifa^es proöuet, mo 
jefcer tfnlajj ju irgenöroelcfjen augerfünftlerifdjen^ Demon- 
ftr ationen forgfdltig permieöen fei u. f. nv 

Bei öer innigen ^üfylung 5U?ifa^en Tfunft unö Ceben 
märe es geraöe$u abnorm gemefen, mehn fidj nädj öen 
ungeheuren nationalen Unglücfsfdjlägen Öer-ann6e terrible 
neben öen HTalern, Bilöfyauern unö Cyrifcrn nidjt aud) ein 
Dramatifer mit öem Hotf?« unö Hadjef^ret auf öen bebenöen 
tippen eingepellt tfltt*. 

Unö er fyat ftdj eingeteilt, ein einiger. Paul Deroul&öe, 
5er /auf öen Sa^laa^tfelöern als £>ffi$ier mitgefämpft, als 
Dichter feine patriotifa^en Solöatenlieöer gefangen fyatte, fam 
fd}He&ti<*l mit einen &a$eörama ,,1/Hetman" $um Wort 
unö lieft im 2>öeontIjeater "bon öer Parifer «Barnifon 
unö oem öemonftrationsluftigen 3ocfey • <£lub reeiölid} 
applaubiren . 5eine politifdje Cragööie fpiefte jmar in 
Polen, n*V d*t öura? unö öura) aus ajauoiniftifaVin 
3^!i0fhtat(iiid öer parifer (Begenmart gearbeitet'. €s 
war eine armfelige toramatifdje lltasferaöe, öie auf einige 
Jlhenbe * in leW J ! defirifirbares publifum entflammte, um 
- ^ • . ; • . , - 



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bann fang. unb flanglos in ber mtyaterbibüotlpt - $u 
rerfcr/winben. Dcsfelben Tutors „Nouveaux chants du 
soldat" hingegen gehören $u ben beften Hriegsliebern ber 
franjöftfdjcn Hationalliteratur , bie" befanntlich in biefer 
öatlung weitaus nicht fo reich gefegnet ift, wie bie uufrige, 
bie ber friebfamen Deulfa^en. ...... 

307 nannte paul Deroulebe ben einzigen Heoana^e. 
Dramatifer; benn bet Bonapartift V. Sarbou mit feinem 
Spionenbrama „Dora" war oiel weniger ein Äufer ju 
neuem Pölfcrftreit, als ein Hbvocat feines faiferlichen pech« 
pogels, ben et als pon ben Sulingen ber Bismarcf'fa^en 
Spionage überwältigt unb I?interrücfs 3U (Brunbe gerietet, 
ueranfdjaulichen unb — entfdmlbigen wollte. Uebetbies lag 
bie Spionenried)erei bamals in ber Cuft,. für beren aduelle 
€rfolgsmomente illonjieur Sarbou . befanntermafen eine 
unnergleia^lia^e IDitterung beftfct. Seine „Dora" fyxt jeboa> 
hinlänglich ben Stoff in ftd}, auch ein nichtfraniöftfches 
publifum 5U intereffiren, unb ich erinnere mich, pe in Som 
unb Heapel mit ntd}t geringerem €rfolge aufgeführt gefe^en 
$u l^afcen, als im Paubeuille • (Theater am parifer Boulevard 
des Capucines, ein Beweis bafür, bajj bas Stücf nicht mit 
ber jiction ber Heoana^etenbenj fleht unb fällt. ... 

Daffelbe gilt uon ber (Tragöbie „Rorae vaincue" pon 
parobi, ben man als ben Dritten im Bunbe ber ftan- 
5ofifcr)en KeDanche» Dramatifer nennen IfitU. Der Dieter, 
im Sajof e einer genuefer Banfiersfamilte auf Kreta jur 
IDelt gefommen unb im Orient exogen, befennt wohl 
franfreid} als fein geiftiges Daterlanb, aber er felbß. würbe 
währenb ber <£inftubirung unb Aufführung feines Stüdes; 

nicht mübe, allen, bie ihn h$ren wollten, 5U .wieberholen* 

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30 



\Vn bei t>er Conception fe 
o^Ve^cn t?abe, als auf poehfcf 

genügen, tos publifum tro 

an fran$öfif4e freigniffe fjerat 
applaubirt, fo läft fta? mit if?m 
„Rome vaincue" rouroe d 
27. Seplenifcer (876 jum erflen 
fo voUenbeter tünftlerijd}tv 7Xus$ 
nefyne f}au$ ZttoliMs Mcioige 
nodf ben £weifel fefäaUen, es i 
einen ungetrübten Hunflgenug, c 
für patriotifdf überfpannte £)e$e 
der antitiftrenben Cragöoie bes 
Jn die Zftutterfpradfe bes Didjt 
Stüd audj jenfeit* 6er 2Upen 
-errungen. Das italienifdfe P 
feinen <3runb faxt, ben Deutfdjei 
hat damit unjtpeiöeutig bewxe 
ZZevanct)e'tErag,öbie bes Th6ätre- 
tifcfyen. Sdtjwädjen einen rein poet 
3^ r/abe oben falfd} ge5c 
XHdjter, bem X>icomte £)enry 6 
<£belmann, ift bie poetifcfye Tlbe 
&er Bum • Bum • Dramen ge5errt 
berechtigtsten Patriotismus überqu 
tEra^öbicnpU als ein öramatiftr; 
xr>orben. 3<^ weine feine „Fi 
Th£atre-"Fran9ais por brei J« 
fü^rungen erlebte. Die ganj 



Sdjönfjeiten 6tefer Dichtung , öte bei 6er Ccdure fafl wirf 
famer fjeroortreten, als bei 6« Darfiellung, roo einige 
Ungefc^tcfHc^fetten in 6er Cf^arafterseidjnung un6 £üln-ung 
'6er fjan6Iung flören6 berühren, fyaben fte nidjt oor 6em 
or6tnären Vorwurf 6er freifdjen6en Hadjenwtlj ju retten 
permoer/t. • >• 

„Politifd> £ie6, garftig Cie6I" Darum genug 6auon 
an 6en Pforten 6e$ 6ie ßeifter befreienden un6 etnen6en 
Kunfitempels. €s ift fürtual?r 6'es paffes genug in 6er 
XDelt, un6 6ie Kunft roüroe ftd? eines iljrer fa>önften Vov 
redete begeben, toenn fte, flatt 6ie menfdjlidjen Cei6enfa^aftert 
an 6er ZDurjel $u erfaffen, fte ju crfdjüttcrn un6 ju 
reinigen, ftd) 3um €d)o politifdjer Stimmen ernie6rigen un6 
6ie £w\ettad}t jtDtfdjen 6en Pölfern fdjürcn rooUte. Die 
roafjre Kunft roirft perföfynen6 un6 erlöfen6. 3*? r « iHiffion 
lautet auf U)ettperftän6igung, nid)t auf lDeItperfein6ungl 
So einfache IPafyrfyeitcn brauchen wir ipafjrlid? 6en Der* 
tretern 6er erften fransöftfdjen Sdjaubülme, 6en prtefiem 
6er eigentlichen Polfsfunft, nidjt erft 3U pre6igen. 

3ur £>rganifation 6es Th6ätre-Fran9ais ift ju be» 
merfen, 6a& 6as perfonal ftcr) in 3»« tfbifpitungen 
glie6ert: in Soctetaires un6 Pensionnaires. Die Cefcteren 
roer6en mit einem feften (Behalte abgefun6en un6 vermögen, 
erft nadf erprobten Ceißungen ifyren 2(nfpruä> um tfufnafyme 
als Soctetaires in 6en Ct?eateroerban6 ju ergeben. 

Die Soctetaires fm6, um einen profanen~Hus6rucf jn * 
gebrauten, Cfpityaber 6es (Befdtffts, an 6effen Benefiden 
nur fte aüein ein tfnred}t fyxbm, mit «infajluf einer 
garantirten tfltersperforgung naa> gurücflegung 6er gefefc[i£$en 
Dienfljeit 



:Dle xx>rn StaaU bem Realer geleiftete Subuention — 
bie Summe pariirt jwifdjcn $wc\> unb öivifyunöerttüufeno 
^rancs jäljrlidj — bilbet mit ben (Einnahmen eine 2I?affe, 
üoti ber ein beftimmter Cfyeil ben Soctetaires jufällt, bie 
betreiben nadf ben Hangftufen unter fid? per teilen. Halbem 
bic <ßcfammtfoften bes Cf?eaters gebeeft ftnb, wirb nämlid) 
ber Heft ber tflaffe in pierunbjwansig tEfyeile jerlegt; einer 
wirb bem Seferpefonbs für unporl}ergefe!?ene Ausgaben, ein 
halber ber Pen fionsf äffe 'jugewtefen, ein falber für bie €r« 
neuerung ber Decorationen, itlöbel unb Coftüme jurürfgelegt. 
<Es oerbleiben fomit jweiunb3wan3ig Cfyeile für bie Socte- 
taires. beren Benefij pom iUinimum eines 2Jd}teltljeUs bis 
511m ZHarimum eines poüen CTf^eils ftd? bewegt 

Das Theätre-Fran9ais jdljlt gegenwärtig fofgenbe 
TKünftler 3U feinen Soctetaires: Die Qerren <8ot, Delaunay, 
"Calbot, (Eoqueltn, ^ebure, Chiron, Zttounet. Sully, Carodp, 
IDorms, bie Damen Hatfyalie 3rofyan, Japart, Jonaffin, 
<£bt!e-Kiquier, Propoft.ponjtn, Dina tfeiaynberg, 
<£roi$ette, Sarai? 33ernf?arbt, 3roifat, 3aretta unb Samary. 

Da$ fte lauter Künftler hors ligne feien, ipirb 
Zliemanb behaupten unb IZiemanb erwarten. Das €nfemble 
ift von 2ld?tung gebietenber ^usgegliaVnfyeit, fo $war, ba| 
aus oem erreiajten Hipeau, bas ben glorreia^en Crabitionen 
ocs fjaufes pollauf geregt bleibt, immer nod? ein unb bas 
andere erceptionelle fZaltnt Ijerporragt unb bie £>effentlidjfeit- 
" mit feinem originellen XDefen befdjäftigt. 

Das Publifum will feine £>pfer, b. i. feine Ciebünge 
haben, f tatt 005 2°** meiftern bura> bie (Bewalt 

tfotfcr, reiner Kundgaben , burd? . unabläffige Selbftjua^t unb 
ideale* Streben, fid} Heber pergöttern, perljätfdfeln unb Stufe 



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um Stufe fyera&jiefyen laffen in 6en banalen Dunftfreis 6er 
bizarren tTagescelebrttäten, 6ie 5er Ittatfd} 6er Salons un6 
Feuilletons rafdj abnäht un6 bann wie ausgepreßte Zitronen 
auf oie Seite trnrft, um ftdj ein neues £>pfer ju erfüren. 

£u 6en populärften tfünftlerinnen Don paris $d^H 
Sarai? Bern^arM — fa>n ihrer Pielfeitigfeit toegen. Sie 
ift £)l}äbva un6 Dona Sol im (Theater, tttalerin un6 
33iIM]üuerin auf ben Ausstellungen 6es „Salons", 6oppcl* 
gefcfjlechtliche Koßüm»£igur in allen £ überläsen — 6ie 
Photographirtrmth theilt fle mit Pictor Qugo, 6er miT 
feinen unermü6lichen pofen ganse Cia?ttünftlerfamilien in 
Haltung fefct — , Cuftfcfnfffaljrerin un6 Schriftfteuerin. 

3dj f uralte fefyr, 6af 6ie begabte Dame fich bereits 
auf 6em abfa^üffigen IDege 6er eraltirten Popularität be« 
fn6et. Die Don pifanterien Ieben6e 3ouleDar6«Preffe ift 
5um grofen Cfcite Urheberin 6iefer fatalen Dichtung. Daf 
fte 6en Operettenfternen auf ihren capridöfen Bahnen naa> 
fpürt un6 Iie6erlia>e Homane fpinnt, möchte noch ^inge^en, 
6enn fte befrie6igt 6amit 6ie gebteterifche nachfrage einer 
geunffen XDelt. Dag fte aber eine wahrhaft be^abtt un6 
folt6 angelegte Künftlernatur, wie 6ie jugen6liche Sarah 
8ernhar6t von 6em oorne^men fjaufe ZHoltere's, in 6en 
«reis ihrer abenteuerlichen €rplottationen jieht un6 mit un- 
erbittlicher 3n6iscretion ju corrumpiren nicr/t ablaßt, ift ein 
unDerjetylidjer jreuel 

Sarah 33ernhar6t fyit in ihrem Privatleben nodf ernfc 
hafte ZTComente 6es Hach6enfens über 6ie pflichten ihrer 
fünfilerifchen Stellung. Sie fie^t 6en gähnen6en Abgrund 
6er ihre Deputation ju t>erfchlingen 6roht. Dann eilt fie 
»Ohl in 6ie Sc6actionen un6 befch»ört ihre £reunöe: „Qelft, 



\$elft/ bie Zlectame perfofgt mid>, fie lobtet mich!" Die 
EecUme? bu eupfjemiftifcfje Unfcf/ul6! 

Jräulein BcrnfyivbVs Xollenjahl ift eine beträchtliche. 
Sic umfafct bie flafftfche unb romantifdV (Tragöbie, bas 
mobeme Drama unb bie realiftifche Sittenfomöbie. 3*? ren 
eutfchiebenften (Triumph fa*** f»* »or $B*i 3ahreti in 6er 
\ d\vo\ crimen Kolle 6er <ß reifin Pofthumia in bem fcfjon ge- 
nannten Stücfe Parobi's: „Rome vaineue". Der (Einbruch 
war fo mächtig, ba$ in bem erfchütterten Publifum ein 
Xtlurmeln entftanb unb 6er Äuf h°*&« u>ur6e: „Pas ift 
bie Hachell" 3$ begehe bie Kefcerei, es nicht $u glauben. 

Rächfi ifft ftnb es bie Damen Croijette un6 proDoft- 
Ponfin, bie {ich in 6en neueften Schöpfungen 2(ugier's, 
jeuillet's un6 Dumas* 6urch tief6urch6achte unb n>irffame 
Ceiftungen ausgezeichnet fyibetL fflabame Propofl • Ponfin 
hat befon6ers in 6en „#mrchambault" jenen (Typus 6er 
Salonbame 6er prouinj, 6er uns 6urch feine Drölerie jum 
ZHitletb, 6urch feine Komi! jum efrnft un6 6urch feine 
femiferiöfen ^ripoli täten jum Cachen ret$t, mit feinftem 
Perftänbnig jur (Geltung gebracht, jär bie Darftellung 
biefer mobernen precieuses ridicules u>ir6 einfl 6er 
originell fcfjöpferifche Porgang 6er portrefflichen Künftlerin 
<5efefc »erben. 3fr« Nachfolgerinnen u>erben ftcf), falls fie 
fie nicht burch eigenes ßenie überragen, 6er (Trabition fügen 
unb a la Proooft'Ponfin fpielen muffen. 2Xud) in ben 
übrigen Hollen bes umfangreichen Kepertoirs bietet fie ftets 
intelligent abgewogene, getpiffenrjaft abgerunbete Ceiftungen, 
bie jeboch trofc ber porausgegangenen afabemifchen Arbeit 
immer noch We tfrifäe einet augenblicklichen Schöpfung, 
eines bramatifchen jmp* 0 ™?* 11 * an tragen. Hlabame 



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35 



prouofl • ponftn hat über6ies, mas 6ic franjofen lo 
physique de Temploi nennen, 6ie i6ealc Xlatut t^rer 
Kotten. Sie ift von ta6clIofem IDudfS un6 Müfcnöer 
03cfun6f>eit. Dagegen tfl ^räulein Sarah 8crnhar6t bei 
aller Sdjönhcit ihres 2Iuges un6 ihrer fympathifchen Stimme 
im Pergleidj $u ihren Colleginnen von 6er Hatur fttef- 
mütterlidj ausgeftattet u?or6cn; ihre tftagerfeit iß phänomenal. 

tfräuletn Croisette, 6cren beoeutenoe Anlagen in 6er 
Holle 6er Kreolin 6er „$ourd?ambault" nur ein^bcfdjränftes 
Darftcllungsfel6 pn6en, ift 6ie blon6e, jum frü^eitigen 
(Embonpoint geneigte Sa^önfyeit 6es Theatre-Francais. Die 
tfunft ^at große Vflülp, ihre rraftooü ftrofcen6e Statur ja 
bän6tgen, aber fie bän6igt fte.. €ine %er curiofeften 
Sdjöpfungen ift 6ie Sterbefcene im pierten TlcU 6er „Sphinx" 
r>on £>ctaoe ^euiüet, uon 6en böfen 5"«9«n ©er Krittf une 
morte aux Champignons genannt. Sie fpielt 6iefe Scene 
mit einen Realismus, 6ag 6em Publifum — 6ie $är)Ireia^en 
Kahlkopfe unter 6en tTr)eater«f)abitues ausgenommen — 6te 
Qaare $u Serge fterjen. Qier 6arf freiließ 6ie Bemerfung 
nidjt unter6rücft mer6en, 6af fräuletn Grefte in 6en 
erften Porftellungen 6es (Buten etwas $u viel gethan un6 
6ic Haturtr)at?rf}eit 6er Agonie fordrt r)at. Später f?at fie 
6cm frönen Samern, 6er äftr)etifa^en Decens mein; Hedjnung 
getragen un6 ift 6amit u>ie6er in 6en Kalmen 6er DarfteHung 
$urücfgetreten, wie er uon 6em (Talent einer Hofe €t}6vi, 
6cm (Benie einer Haaßel für oerartige Scenen pbrgejeidmet 
u>or6en ift un6 n?ie ir)n 6ie Cra6ition 6es Theatre-Francais 
geheiligt r)at. 

€s bc6arf bei 6em befannten (ßefdjmacf 6es mooemen 
Qtyaterpublifums feiner befon6eren PerftaVrung, 6af M« 



aufrea,enöe Sccnc ungefjeuer goutirt würbe unb bei jungen 
"Künftlerin ju einem foloffalen Beifall perfalf. 3fyr Harne 
td)tx>ebte rierunojtpanjig Stunöen lang auf allen Sippen. 

„fjaben Sie gefefjen, wie Me Croijette flirbtP" fragte 
man ficrj beim Begegnen, nodj bepor man oen <5ruf 
9*taufd?t rjatte. 

„Parbleu! ZTCeine frau i(l olmmä'djtig genx>röen, aber 
rjcutetfbenö gefjt fte roieoer l>in; fte iß nidjt me^r $u galten,. 

fie ift anc fascinirt, urie perfyert " 

Der <£ontraft ift pernidjtenö. ZTTan oenf e ftdj oiefe 2Ima$one 
Croijetle, blifccnfce Jlugen polier Sa?alff>eit unö Ceben, 
malitiös aufgeworfene, ferngefunöe Sippen, 6ie $um Küffen 
fyerausforöern, ^ülle unb Dafeinslufl in jeoer ^afer — unö 
nun 6ie Ke^rfeite: Hugen un6 IDangen ty>l)l (ßepdjtsfarbe 
grun/id), Stimme erlofa^en, Cippen perfallen — c'est 
horrible. . . . c'est de la clinique pure. , . . gum Ceufel, 
n>ie macrjt fte bas nur? 

Wenn id) Ijier noi? oie fanfte {Träumerin Heisenberg 
nam ^aft mad^e, öie ftd) mit 6er flehten, fofenöen &aietta in 
bas S a ^ * n naipen Ciebrjaberin, 6er ingenue, tr>etlt, fo 
fyabe i<*? populärfien Hamen aus oem fdjönen (ßefajledjte 
bev Socittaxus 6es Theätre-Fran9ais genannt, 



55 

* Ar*,, was * jmfa k 

» * » «• toftfOofn» UMs nö Wi^r 

•F* **Wm i$ fraulein Sarai) Banf^rbt M 

«*r 5*kfrii 4r» u* r^r frmpo/^ SHnnne 

* rVr » Irt< * m Cotyttfli ron 6fr Hatur pty 

/rWrii Creiytk, beten bebeutenbe Magen m kr 
3* fcr Krwfoi fer ^ourdpmbault" nur «n kförditft« 
JW^fagsW* Mm, $ 6tr Wonk, pm>%%i 
£*k*poto geneigte Sdfdnfyeit bes TTi^tre-Fran^is. Die 
Hof grofr Bttfc Ufte traftvoü ftro$enbe tiatm p 
bübigeu, aber fe bänbigt fie. tau tiper nrrioMtoi 
Sdfbrfmqeu rf bie Sterbefcene im vierten Itett bet »Sphinx" 
«* Qctave jeniOet, van ben böfen Junten bet Xrtöf uae 
»orte aui chimpignons genannt. Sie fpielt biefe Sem 
mit einen Realismus, baf bem publitum - bie pb,lr<ia)en 
XalflfSrf* «Kr ben Vfeatet'fysbituSs ausgenommen - bie 
Quote jt Berge f elfen. fyet barf freüidf bie Zmettunq 
niSft utetbridt werben, baf fräulein Croiuite tn tat- 
erfen Votfeiungen bes Guten etwas jn ptrf getlpn unb 
bie Uaturwal/tffeit ber Xgonie forrirf tfat Später bat fie 
bem fdfämen Samern, ber dfttf fte* decen* ™fr Xedpunq 
getragen unb $ bamit wiebet tu ben Satfmen bet XWpdfaw 
pa+fgrtrrten, wie et von bem Talent einet Xc r 
bem Seme emet &*d*i fit betartige Seen- 
$ umb wie um bie trabition bes 
grbeihgt bat 

€s hebarf bei bem Mannten tf 



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IV« 

_ 

. ... 

2)ic $u>ei f}auptfäulen 6er franjöftfayn Kom$6ie ftn6 6te 
Qerren 03ot un6 Coquelin, 6ie glän3en6ften Hamen 6es 
, jeitgenoffifaVn Parifer Sdjaufpielerftanoes. 

iHarie v. (Ebner <<Efd}enbad), 6ie pornelmie Denferin, 
r)at einmal bas meIand?oIifa?e Wort gefeufct: „<£s ift ein 
Unglücf, 6a £ ein braver ZTTann uno ein braves (Talent aar 
fo feilen sufammenfommen". 3 n (Bot un6 £oqueIm ift 6fe 
fellene Dereinigung von (Talent uno Cfjarafter jur (Erfdjeinung 
gefommen. <Es fm6 gan$e Künftler unb ganje 2Hänner. 
3fyre ereeptioneüe Qualität uadt) 6er einen wie 6er an6eren 
Seite verträgt fein an6eres Bettport, als 6ie einjige Silbe 
gan$. 3b,re Hamen furjioeg — 6as n>ir6 6ereinft genug 
fein für ifjre (Befaßte. " " 

<£s ift fd>n>er, $urifa>n (Bot un6 Coquelin einen anoereti 
. Unter fa?ie6, als bin 3ufäüiger Hcuger Ii 07 feiten Jnnftdjtlia) 6es 
Hlters, 6es 3ugen6Iebens, 6er poltttfdpn Parteileitung — 
ja woty aud? 6iefer! — ausfin6ig 3U machen. Künftlerifa^ 
fm6 fie <5n>iIKng*brü6er von frappanterer 2fefytHd)feit fai 
Cemptiament un6 Xa^t. 



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<Bot, ein fliller Eonapartift, Coquelin, ein rühriger 
(Sambettift, jeber pon 6er 3e6euiung un6 üerantrrorilicfyfeit 
bes moberoen SürgerbeunifMfcins aufs (Tieffte 6urdj6rungen, 
ftub fie beibe füfme Hcpolutionäre im Hcidje 6er Sd^aufpiel- 
fünft Sie fyaben 6en 33ann 6er fallen (Era6ition, 6es 
Sdmlpebantentfyums, 6cs gc&anfen«, fraft- un6 faf Hofen 
fconpentionalismus gebrochen un6 an 6ie Stelle 6er angelernten, 
prätentiöfen Lanier tyr eigentpilliges (Benie, 6as feine 
an6cre Sdjranfen, als 6ie (Sefefce 6er Kunftfajonljeit fennt, 
ir>re unabläffige Arbeit, 6ie 6en gefyeimften 3nlentionen 6er 
6id}terifd}en Pfyantafte geredet $u n>er6en trautet, un6 U?re 
gea>i(fenl)afte naturbcobadjtung, für 6ie es fein Bebeutungs* 
lofes in 6en cinfadjftcn wie complicirtefien €rfd>inungen 
6es Cebens giebt, $u oberften Ceiiern 6er tfyeatralifdjen Dar. 
ßeUung erhoben, of?ne auf 6en Iebeu6ig fortjeugenoen 
Kunftermerb 6er Porfaljren ju per$idjtcn. 

Denn aud> im Heia> 6er ioealen Cebensbetfyätigung befielt 
6er fortfa^ritt nidjt im ungeftümen Hie6eriperfen 6er 
Sdjranfen, fon6ern in 6er Erweiterung 6er überlieferten 
<5renjcn nad} 6cm €rfor6emig 6er neuen tfräfte, 6ie in pdf 
6as Hcdjt nadj freiem Spielraum tragen, un6 in 6er Sdjei6ung 
un6 Ausflog ung jener (Elemente, ipeldje für 6en Verlauf 6er 
fletigen fortentipicfclung in 6er erfa^dpften un6 überlebten 
<5eftalt nichts meljr austragen. 

* 

<ßot ge^rt 6em Th4atre-Fran9ais fa>n über ein 
ZTtenfaVnalter an. Doyen 6er Künfllcrgefellfdjaft, Soctetaire 
feit J850, genießt er im fywfe iTIoltercs patriardjalifdje* 
Zfafefpn. Er f?at 6ie Sdjmcllc feines fcdjsji^ften Ccbcnsjafjres 
nod} nidjt überfdjritten. Die Hahtr qat ilm fo günjtig 



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ausgefluttet, ba$ er ftdj als ein ZlTann in 6en befielt 3<ri? ren 
füllen un6 6es DoUbeftfces feiner Kunftmittel rühmen 6arf. 

Seine allgemeine wie fpecielle 3ugen6btl6ung wies nia^t 
6ircct auf feine fpatere Künfilerlaufbafyn fyin. €r fjielt ftd? 
rufyig auf 6cn erflen Scfyulbänfen, fluötrte feine penfa als 
Högling öes Cyceums Cljarlemagne un6 t>oü*en6ete prompt 
feinen Curfus in 6er (Ecole öe Droit. <£in präoeftinirter 
Znenfa>n6arfieller, fajwanfte er 6o$ anfangs in 6er Wc^l 
feines Berufes. gunädrft locfte ifm 6er 3ournalismus, 6ie 
flaffifa> Arena aller parifer Kraftgenies, aller gäfyrenöen 
Köpfe, aller unrulwollen Ambitionen, aller ftarf mit Kcalis» 
mus (egirten 3°^ aIi P cn r foweit 6ie franjöflfdje 5unge flingt. 
Der junge, red}tsfun6tge (Bot trat in 6ie Xeoaction 6es 
„Hational" ein* 

Hur wenige tüoa^cn feffelte ilm 6er aufregenoe ^eitungs« 
6ienft. €s folgte eine probe im Derwaltungswefen. Aber 
nur nad> ATonaten 3dr>Ite feine Befa^äftigung in 6en Burcaur 
6er pr^fecture 6e Ia Seine. £>e6e un6 fteril erwies [xdf 
feinem (Seifte 6ie tintenflecffen6e Aetenwirtl?fd?aft. €r 
Rüttelte 6en Staub 6er Scrjrctbff übe von 6en jügen un6 
flopfte an 6er Pforte 6es Conferpatoriums an. $ier füllte 
er tfd> auf nötiger $äfyrte. Der berühmte Sa^aufpielet- 
Bil6ner prouoft na^m 6en SuaVn6en in feine Declamations- 
flaffe auf. 

• 

<ßot fyxttt fein jwanjigftes 3afyr polIen6et, als tymbeim 
Sdmleramen 6er jweite preis in 6er Dedamation suerfannt 
war6. Die ©efdjidjte fcfyweigt Ijcute bavon, wer oamals 6en 
erften Preis empfing un6 feinen Hamen ror 6en ißot's fefcen 
6urfte. €s ift nia)t 6as erfte ATal, 6a& 6ie Autorität 6er 



• $o 

Sdjuln\oTiar<fjcii einen nachdrücklichen Jufjtritt durch bie 
t\dit\^crci\ Sejeugntffe des £ebens empfangen fyit IXücin die 
UvAor\t<xt tjat eine eifeme Stirn und ein folid gepolftertes 
tyvxvter quartier. Und nicht bie 6er Komödianten- profefforen 

£>bfd)on 6er Corber Oes Conferpatoires feine Stirne 
\d^T\\üdte, \o war es dem Kunftjünger doch nod) nicht pergönnt, 
bie toeltbebeutenden Bretter ju betreten. Die Hafeme machte 
Um bem ZHufentempel ftreitig, 6er <5amafdjen6ienfl 6em 
<£ulte XTCelpomenens. €ine niedrige Coosnummer oerurt^eilte 
tfm $um 5oI6atenfpieI. Die leiste Heiterei jipang i^m tfyre 
Uniform un6 ihre <£rercitien auf. (Bot jaulte einun6«. 
$tr>an$ig 3ahre. . 

Die Kafemenluft ging ifym fjöüifcf? un6er feine fein- 
geftimmte Uatuv. Sein füfyner, unabhängiger (Seift fträubte 
ficf? mibet bie 5»angsjacfe , mittclft 6er en ihn ein brutales 
(ßefefc auf <5run6 einer ftupiden Hummer $um gamifons« 
mäfigen fjeldenthum drillen tpollte, wie 6en erflen bejlen 
f}in$ ober Kun$. €r fann auf ZTTiitel # um fidj aus 6iefer 
qualpoDen Cage ju sieben. Xlad) einigen HTonaten gelang 
ifyn'der Cosfauf. <£r fchleuderte 6ie Unifonn refolut in die 
<£cfe. ZITan fdjrieb M*. 

Die goldene Freiheit wiedergetponnen, rüftete er ftdj 
jum Debüt por 6em funftfinnigen publifum 6es Theatre- 
Fran9ais. <£r begann in 6er fyerrommlkfjen IDeife mit 
den fomifdfen Dienerrollen in den Stücfen von HToliere, 
ZTTaripaur und Beaumarchais. Xlad) einem 7Xbfted)ev nach 
Zlantes tarn et wieder nach Paris surücf un6 arbeitete, mit 
<gifer an 6er IHehrung feines Kunftpermögens; 6enn 6ie 
ßereotypen r61es de valet tparen nicht darnach anget^an, 



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43 



bereits oben bcmerft, ZHonfteur ßot einen feinet gro&arHgfteu 

(J^araftere saubergeroaltig auf 6ie 8ür)ne $u ftellen nwf te. 

Vot 6cr Aufführung fc&on lärmte 6ie reactionäre unfc 

flerifale Preffe, allen poran 6er großmäulige Bouleparfc- 

I?el6 „Jigaro", in 6er. unbän6igften IDeife u?i6er 6as IDerf 

6er f)erren <£rcfmann»<£fjatrian, 6ie 6odj nur gan$ jtpetfellpif te < 

^ranjofen feien un6 mit ifyrem tEen6enjftücfe, 6as in 

gefjäffiger IDeife 6ie (Entuölferungsfrage 6es £an6es ber)an6le f 

an 6ie berechtigten (Eigentljümlidjfeiten 6er fatljolifdfen 

Priefter un6 aller Cölibatäre mit un6 oljne Confur taften 

sollten, um Auffegen $u erregen un6 6en . perbleidjenoen 

©lanj if?rer elfäffifdjen Sd/riftftellerfirma aufjufrifdfen. 3a, - 

es fei 6er {/eile Sfanoal, 6af ein flaatluf? fubpentionirtes 

(Theater 6iefes antipatriotifd)e ZTtadjtpcrf infcenire unfc j 

6a6ura> 6as Qaus IKoItere's ju einer Cäfierfdjule un6 6ie 

erfte' Sdjaufpielertruppe ^ranfreidjs ju einer Banoe poii 

Z>aterlan6sperrätfjern ftemplel 

Das. u>ar flarfer Cabaf, ntd^t wa^tV Daran fd>Iof fid> 
wod} 6er glü^en6e Appell an alle Säbel 6er pereinigten Canö« 
un6 See.tfTadjt un6 an alle pfeifdjen un6 Qausfcr/lüffel jeoes 
guten ^ranjofen. 

- 

2Han fann nid>t preisn>ür6iger Sturm läuten, . 

Die Aufführung ging tro$6em anj!än6ig pon ftatten, 
6enn 6as publifum 6er premiere null ftd? von 6en jour- 
naliftifdjen fjefcern ©od) nidji fo unbefefcn um 6en Huf 
eleganter Cebensart un6 feiner Sitte bringen Iaffen, un6 6an«: 
6as Spiel 6er Künftler, befon6ers 6es HTonfieur 0ot, na^m 
alle §er$en gefangen. Da$u u>ar 6as publifum in 6er Chat 
um einen jureidjen6cn <5run6 perlegen, 6ie Antipathien 6er 



» • . . . 

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4* 



reactionären parffer 3ournalif!en u>i6er €rcf mann • Gptokn 
trjeiien. 

€rfi gegen <£n6e 6cs Sdjlufactes matten einige 
Jrancttreurs 6en Perfudj, ifyre fertigfett auf 6en Pfeifdjen 
uu& fjausfcfjlüfjeln jum Beften ju geben. 211s 6er Porfyang 
jum legten ZITale gefallen mar, trat 6er Hebung gemäj 
Zttonfieur <ßk>t an 6ie Xampe, um 6ie Hamen 6er Tutoren 

proclamiren: 

Mesdames et Messieurs, la piece que nous 

avons 5ifd?*n un6 Pfeifen auf einigen Bänfen. 

<Bot fjalt inne. Sein tfuge fudjt un6 trifft 6te He beitrat er. 
3lls 6ie Huf/e mie6erfefjrt, fefct er aufs Heue mit feiner 
©ibriren6en, aus 6em Pollen quellen6en Stimme ein: 

..... la piece que nous avons eu l*honneur — ein 
ttadj6rücflid}er (Ton !)ebt je6e Silbe 6es eu llionneur; 
bann eine Kunftpaufe, ein fulminanter Blicf — un6 unter 
at^emlofer Stille 6er Derfammlung, uollen6et <5ot feine 
£)erfün6igung. 

Die Cection mirfte. IDer OJjren fyxttt, 6er fyirte, wer 
2(ugen fyxttt, 6er far), un6 wer einen Hacfen Ijatte — un6 
ein Pfeifen, 6er füllte 6en jn>ar fein, aber einfa^nei6en6 
geführten *)ieb. Das tfuffefyen war grof un6 man fprady 
lange uon 6iefer premiere parisienne. Die Blätter gojfen 
Ströme tyrer gaüigften Cintc 6arüber. (Bot läcr/elte. Die 
fa^iparje jlutr) reifte nidjt an feine reine Hünftlerfjö^e 
fnnan. 

(Bot ijt nidjt nur ZTTeifter 6es gefprodjenen XDortes, 
et pe^errfa^t es audf mit 6er feoer. Von feinen literarifajen 
<£rjeugmffen nenne idf nur eine fünfactige(Cragö6ie: „Francis 
Villon", 6ie er fpäter in. ein £>pernIibretto umarbeitete. (Ein 



Djgitize 



*5 



an&eres Cibretto: „L'Esclave", ©erf agte er in <5cmcinfc$afi 
mit €. Bouffier. 3ei6e Sichtungen würben Don ttTembr^e 
in Hluftf gefegt uno erlebten an öer £)per beifällige 
Aufführungen. 

Summa: Die franjofen haben bas tfeajt unt) bit 
Pflicht, auf i^ren tfTeifter (Bot flolj $u fein. €in braoes 
Calent uno ein braoer UTann — bas finöet (ich felbft in 
6er iHillionenßato nicht alle Cage. 



<£oqueIin*s Harne tyat jüngft in Brüffcl eine IDetyc ct. . 
^aXjtcn , bte ifm für alle gelten in oie Seifte oet erleuchteten 
ptjUcmtropen ftcüt. §at man ü)n etnxi $um (Efjrenprdji- 
Kenten eines Cfn'erfajufcpereines ernannt? Hein, mein Cefer. 
<£s 9tebt nod} einige anhexe 2Xus$e\<hmm$cn , als bit btt 
Pctbienfte um öes lieben Pienes wegen. TXud) feine <5efeII« 
fcfyaft jur Belehrung i>on 3"^«- Qeioenfinoern l>at tfmi 
burd} Ueberfenöung eines €ljrenoiploms ju frommem Xufmie 
x>er^olfen. Der aufgeführte HTenfdjenfenner uno freifmnige 
Bürger Coquelin tuüroe ötefe Stufmerffamfeit als ourdjaus 
urtperöient abgelehnt tyxbm. 

<£s n?ar Me Perroaltung 6er Hlufterfdnile, öic $»ei 
Sttpenbien gefiiftet für arme Stuöirenoe unö bem einen ben 
Zlamen Coquelin« Stiftung, bem andern ben Hamen tfgar- 
Stiftung beigelegt f?at. HTonjieur <£oquelin unö HTabemoi- 
feUe 2tga* fyaben bei ifjren $a^Ireia^en (BaftroHen in Brüjfel 
niemals r>«rfäumt, 6er Firmen $u gebenfen, unb fyanöelte es 
fidf um ^°V , Wtigfeitsr>orfteUungen für rationelle ^nxd*, 
waren fi e f |et$ ^rften, bit n)te (Sahen oarbradftem 



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* 

1 

I 



. Coquelin ift auch in 6er politif ein erleuchteter Kopf, 
ein getteröfes Qerj un6 ein 3uperlaffiger tDa^mann. <Cc 
hätte nic^t nöthig, 6er pollen6ete tfomifer 3U fein unb - 
perfect C^cater $u fpielen, um als ein ganj portreff lieber ._ 
Bürger 6er Hepublif tfnredjt auf f)odjad?tung unö IDcrf fj- 
fdjäfcung ju traben. Coquelin perfäumt fo »enig einen 
IPa^Itag, als er eine probe fch»an$t. 3n 6er 6emo* 
fratifa>en Staatsor6nung erblicft er fein politifches 36eal, 
un6 mit 6em galten <£nthu(iasmus feiner ftebenun66reifig 
3a^re geht er für 6ie Dernrirflichung 6er Polfsfreihett 
in's ^euer. . . 

Gambetta $ählt pielleicht in gan3 Paris auger Spuller 
un6 Challem'eMacour feinen begeifterteren un6 treueren 
Anhänger, als Coqueltn. Der €r6ictator un6 6er Sa>au* 
fpieler ftn6 intime ^reun6e. 3fa c 3e$iehungen fm6 oon • 
6er familiären unb pittoresfen Seite rnieö erholt öffentlich 
3ur Sprache gebracht u>or6en, fo jüngft erft von fyttn 
Gilbert Xüolff im „^tgaro", 6em 6er (Einfluß nicht gan$ 
geheuer 6ünft, 6en 6er „com&iien M auf 6en Staatsmann 
ausübt, 6er 6ereinft no<h auf 6em präft6entenfifc 6er Hepu- . 
blif 6er Kücffchrittspartei 6as Ceben nicht au> füg 511 
machen perfpricht. 

3<h * ann iri<h* umhin, 6em freun6fchaftlichen €inffoffe 
<£oquelm's auf 6en jufünftigen präfi6enten ^ranFreidjs 
eine gewichtige fociale Be6eutung für 6en gefammten 
Schaufpielerftan6 franfreichs beijumeffen. . ~" 

Wev paris genau fennt, roir6 ftch nicht perhehlt fyxben, 
6aß 6ort 6er 6ramatifche Künftler, un6 fei er in feinem 
Privatleben 6er unbefcholtenfte, webev offideO noch gefeH- 
fchaftlich jenes Polle XKaß pon tfnfehen genießt, 6effen fleh 



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*8 



b\e anderen Künstlet, bie ZUupfer, Didjter, TttaUv, Bil6hauer 
uub 2lrd)tteften, ungefa^mälert erfreuen. <£s ift tyet nidjt 
*u unterfuhrt, innrieroeit 6as eycentrifaje Perhalten gemiffer 
tytporraacnöer tEfyealeröamen, 6ie ftdj in ihrer Cebensführung 
gebetben, als ftünöen fte nodj mitten im ffeptifd?- galanten 
ad^ermten 3atjrfyunc>eri, entfdjei6en6 für Me abfällige 
Sd)ä$ung 6er Bülmenrunftler in 6er bürgerlichen (Sefetlfdjaft 
urirfi. Daf bas ftarfe (Sefdjledjt unter .6en moralifajen 
Cicenjen 6es fdjmachen (Sefdjlecrjts lei6et, ift umt>i6erleglia). 

Der Bourgeois, ber fiaj mit 6er h ö &W«n Xctöct 
amüfirt — fagen urir 6ie- Sadje redjt geltnbl — ifl nur ;u 
leicr/t geneigt, auch im 2Icteur nur 6en „amuseur" $u fe^en, ' 
unb 6iefen aud? bann noch nict/t als vollwichtigen Bürger 
gelten ju laffen, menn er ftaj 6ie (Cr/eaterfcr)minfe abgetmfcty 
fyit unb fia? auflieft, an 6en Angelegenheiten 6es öffentlichen 
Cebens thcilsunehmen. ' 

^ IDir fyxben bereits 6en Kampf flüchtig ffitfirt, 6en m 
früheren 3 a ^? r ^ un ^ crten &t* Sdjaufpteler um öie* Triften] 
tiper Kunft mit 6er Kirche führen mußten. IDie ftcf> 
5amals 6ie ©erfa^ie6enen Cän6er abroeia^en6 in ihrer 
2(uffajfung 6es tTf?eatermefens ©erhielten, fo jeigt auch h«ute 
noch bie bürgerliche Acrjtungsfcala 6 es Sdjaufp teter ftanfces 
bei 6en rerfa^ieoenen Hationen merfn>ür6ige Sa^manfungen. 
IDir molleu Deutfdjlan6 nidjt in Betraft sieben. IDir 
Deutjdjen fin6 fein Kunßoolf in 6em Sinne, wie es öle 
Jran3ofen, 6ie 3taliener un6 fefbft — 6ie <Engian6er fm6. 
Wir fyxben Hünftler, 6ie mit 6enen aller £4n6er un6 aller 
Reiten fü*m um 6ie patme ringen 6ürfen; mir rühmen uns 
felbft als bas „Volt 6er Dieter un6 Denfer" par excellence, 
aber untere fy>tyn £>brigfeiten hatten oon jeher ihre eigenen 




unö eigentümlichen 2TIarimen ht Kunftfacrjen. Unfer Dolfs- 

geift, öer fta> wie feiten einer nadj fyol?en Dorbilöern befiimmt 

unö, mit öemtfpoftel ju reöen, „unter ifyxn ift öer Obrigfeü, 

öie <Scwalt über ilm fyit", ift pon jenen ZKarimen nidjt , 

unberührt geblieben. tfurj, fein gegenwärtiges Derfyältnif 

$u öem 36ealreicr)e ift ein folcfjes, öaß mir $u unferer eigenen* 

Beruhigung freiwillig auf eine Pergleicr/ung DeutfcbJanös 

mit urwücr/ftg gebliebenen Kunftp$lfern ©ersten wollen. 

Denfen wir öafyer pergleidjsweife an (England. 

ZDäfyrenö ^ranfreia? einem ZUoli&re, einer Cecoupreur, ■ 
einem Cuüi ein ^lecfa^en geweifter <£röe 5um Begräbnif . 
perweigerte, folgte öie gan$e englifct/e Hobleffe öem Ceia^en- 
Suge ßarricTs. Die fransöftfaje ßefellfajaft fagte von ' 
ün*en Künftlern los, fobalö öiefe oie &ugen gefdjloffen unö 
öie tfmüfements ein <£nöe Ratten. £in r)äg licfjes (Bejänfe . 
öer Pfaffen unö fjeudjler umtobte ifyren (Brabesljügel, 
wäfjrenö, wie ein (Sefcr/icfytsfajreiber fo idfin fagt, „fein 
OTurren eines religiösen fjaöers jemals öas <ßrab Sljafe* 
fpcare's fförte unö öer grofje Dieter öes purit anismus itym 
fein Requiem fang". Befann! ift audj, öaf Cawes unö 
IXlts. £>löfielö in öer XDepminfter«2lbtei ru^en, Wo^in öte 
lefctere mit faft fonigHa>m (ßepränge getragen wuröe. 

IDorjer bei öen 2Inglifanem öie rüfjrenöe ^oajadjtung, 
unö bei öen franjöftfaVn Katfyolifen öie brutale HTtgacfjhing 
öes Künftlerftanöes? 3fl öie XTCoral öer €nglänöer eine 
beweglicr/ere unö biegfamere, als öie öer ^ra^ofeh? 

€ine Vertiefung in öiefes Problem — ip es für öen 
moöemen lTTenfa>n nodf eins? — liegt uns Ijier feni. 
Conftatirt fei nur, öag in Paris jene ZHifadjtung pon öer 
fird>licr/en auf öie bürgerliche <ßefeüfa?aft fla) pererbt tytt 

Ol. «. Ce«ra>, fimfmm, , 4 




unb, \o Qefämädit fte aud) fei, öodj noc^ als Dorurtfyeil 
bis auf bcn gütigen <Tag fortu>äfyrt. Die republifamfaje 
©leidftett aller Börger fyat feinen Sinn, fo lange man auf 
öem <5runöe abfuröer (Traöitionen öem öramatifajen Künftler 
in Set <5efeUfcfjiaft eine Stellung a part antpeiß. 

Dicfer tpunöerliäj barbarifetye ^uftanö, 6er ftdj in 6er 
mobernen parifer Welt mit ein djinefifa^er 3°Pf <*" ^ r 
fofett behelmten Statue öer Unabf)ängigfett ausnimmt, Ijalt 
ftd} nur noch traft öer moralifa^en (Trägheit, öie fiä) erft 
ti ad} taufen 6 Ausflüchten unb ZDenöungen auf öem Cotter* 
bette einer lafterfyaften (Trabition $u entfliegen permag, 
eitlen anteöilupianifd^en 3rrtlnim aufzugeben, €rben pdf 
bod), nad) bem mepfnfiophelifchen <f5eftänbniffe bes feligen 
OTnifters p. (Boetlje, (Befefc unb Sea)te wie eine eurige 
Hranffyeit fort! 

Jjerporragenbc I{ünftler«€r [Meinungen in einflußreichen 
Derbinbungen allein ftnb im Stanöe, hierin eine Befferung 
50 befördern;* öenn öie Hegierungspraris felbft ffat mit öem 
Unperftanöe öes Eolfes um öie Wette gefünöigt unö öen 
Jrrt^um pon Unten öurdj öie Sanction pon Oben geflärft 
unö uxiter pcrfcfylcppt. Unö öas $ur Stunöe nod) t mitten 

im ftegreidjen Hepublifanismus. 

2Us es $. 3. gelegentlich öes Sdjluffes öer XDeltaus* 
flellung förmlich £>röen unö 2lus$eichnungen regnete unö öie 
(Ernennungen in öie €!jrenIegion gar fein €nöe nehmen 
u>olIten, fucfjte man in öer langen Cijle pergeblich nach öem 
Hamen eines Bülmenfänftlers, öer mit einer 2tus$eid}nung 
bebadjt rooröen wäre. Das Oröenstpefen ift eine Cäcfierlta}. 
fett in einem bürgerlich georöneten Jreiftaate, öer mit 
mittelalterlichen Qoffchnurren reinen tCifch gemacht tyit* 



tfber fo lange 6as Ban6cr)en im Knopfloch un6 6er mit 
6en ^öf^eren <Bra6en perbun6ene €F?renfoI6 im Dolfsbetpuf t- 
fein 6em hinlänglichen Xefpecle begegnen, h** f 1 ^ 5»* 
erfennung auf einer geregten <25tun6lage 3U ben>egen un6 
nicht eine ganje Bürgerflaffe eo ipso oapon auszufließen. 
Dies ift aber mit 6en Sdjaufpielern 6er JaH. 

€s Hegt fomit auf 6er fym6, 6aß in 6en fyytyn 
Hegterungsf reifen ^ranfreidjs noch 6ie Anficht tyttfät, 6aß 
6ie Künftler 6es Theater -Franc;ais $. B., welche wa"hren6 
6er 2(usfle(Iung vor 6er perfammelten XPelt 6as Hümmes« 
banner 6er nationalen Dramatif fo hochtrugen, nicht 6ie 
Berechtigung. 3U 6er Ian6esüblichen #us$eichnung r)aben r 6ie 
man 6en übrigen Mnftlcrn, 6en Journaliften, 6en Beamten, 
6en 3n6uftriellen u. f. w fo perfchwen6erifch gewährt, un6 
6aß 6ie ZTTänner, welche 6ie ZHeifterwerfe 6er nationalen 
Citeratur pon 6en flaffifcrjen 2Uterthümeleien bis $ur friferjeften 
Schöpfung 6es Sittenbiloes pon geftern, pon ZHoliere bis 

• 

tfugier fo unpergleichücr} in Ieben6ige fünftlerifche €rf<heinung 
umfefcten, ftet) weniger um 6ie €r/re un6 XDorjlfahrt bes 
X?aterlan6es r>er6ient madjen, als 6er 2lra?iteft, 6er ein« 
IXlar f t Ijalle baut, als 6er Bildhauer, 6er . ein ßrabmonument 
meißelt, als 6er £abrifant, 6er 6ie IDelt mit c£r;ofoIa6e unb 
Seife perforgt, als 6er Journalift, 6er mit 6en tüafdjjetteln 
6er Regierung öffentliche ZHeinung macht, 06er ftcr) menigflens 
fo anftellt, als ob er jte mache. / — * 

XOxtb 6er fjochgefchäfcte (Coquelin feinen 5reun6fcr)afts« 
bun6 mit 6cm mächtigen (ßambetta nach 6iefer Dichtung 3U 
ßunften feines 5tan6es ausbeuten? tDirb einft mit -be* 
tfera (Bambetta eine neue geit für 6ie focialc IDürbigung 
6cs fran3öfifchen Scfjaufpielerftanbes • anbrechen, mü 6er 



Px&ftbetitfcfjaft ££on (Bambetta's, 6er als Staatsmann felbft 
alle 3nftinctc eines „fin comedien" beft$t? 

Coquelin ift 6er ftän6ige Sonntagsgaft (Bambetta's. Sie 
ftetfeu auf Du un6 Du. (Es iß an3unchmen, 6af bei ihren 
traulichen dejeuners du dimanche in 6er £fyauff£e 6'2(ntui 
ifyr (Scjpräd? fiel} n\d)t allem auf 6ie petits faits 6er öoulc 
vaxbs un6 auf 6ie Erinnerung lofer 3 u 9 cn ^P rc * ct ? € befdjränft. 

. Conftant <£oquelin ift, mie faß ausnahmslos fämmtlia^e 
parifer Berühmtheiten in Kunft, Citeratur un6 politif, ein 
Kinb 6er propin$. Irtan pflegt ilm Coquelin #in6 ju 
nennen, 5um Unterfdjieoe Don feinem jüngeren Bruoer, 6er ; 
gleichfalls ein tüchtiger Spieler, mit tfym an 6er nämlichen 
3ür)ne nrirft. Die 5 aTT "K*# in 6eren Sdjoof er am 
25. 3anuar 18<H 6as Cid?t 6er IDelt erblicfte, betreibt ein * 
ehrfames 3äcf ergeroerbe in Boulogne - sur - Mer. <gr perf pürte 
feine Hetgung, 6em päterlidjen Berufe su folgen, 6en tTeig 
5U fneten, Brotlaibe $u formen un6 6en Bacfofen $u fer/üren. 
Was er fneten un6 formen mollte, 6as maren menfehliche 

• * * 

<5eftalten; was er fchüren trollte, 6as mar 6as ^eilige jeuer 
6er Begeifterung für 6ie 3&eale unferes (5efa>Iechts. 

Un6 fo gefa^ah es, naa>6em er 6ie Soweit in <£h**n 
abgefeffen fyxtte. * 

Coqudin l]at in leiblicher <8eftalt un6 Sdjöne nichts mit 
6em griechifchen (ßotte 2lpolIo, 6em ZTlufenführer, gemein. 
<£r ift mittlerer (ßröf e, wenig beleibt un6 etmas fäbelbeinig. 
2tus 6em ßeflehte fpringt eine feefe, fleine Stulpnafe un6 
jipei graue Suglein perbreiten einen blifcen6en Schein poU 
vevQnügfityt XHalice. Der porner/me Bdinitt 6er tippen 
jebodf un6 ihre aus6rucfspoÜe Belebung, fomie 6ie h°h«/ 
freie Stirn Perrathen eine gebietenoe geiftige ^erfunft, 
i : • . " • ' . 

••.*>" . . ... 




€s ift crftaunlicf), bis 311 roeldjem <J5ra6e Coquelin öie 
2Ttadjt 6er Selbftentäugerung in feiner IHimif heftet. 3 n 
feinen fämmtlidjen Xoüen tfl faft fein einiger gug, 6er 6en 
6af?inter ftefjenoen Sdjaufpieler mit geunffen feflen <5en>olm- 
Reiten un6 XTTanieren, genriffen in6ipi6uellen 2Jbfon6erliaV_ 
feiten, 6te jeöer Sdjminfe un6 Perflei6ung fpotten, unbemerft 
perrietfye. tfuf 6er Scene ift er alles, n>as nur 6ie Hatur 
un6 Cenöen3 6es gegebenen Kunftroerfes n>oUen fann; er ift 
€afai un6 Qerrfdjer, Poffenreifer un6 <Bentleman, ein <5ott 
uno ein Ijatlunfe bis in jeöe fafer, — aber er ift nidjt 
me^r (Coquelin; 6ie XDanölung fyat fiaj bis in feie feinfte 
Subftans ponogen. Dabei perläjjt 6en Sufcfyauer, 6er . 6en 
Spieler audj in feiner Pripaterfcfyeinung fennt, feinen 2fugen« 
blicf 6as (ßefüfn*: 6as, tpas 6u fn'er ftefyft, 6iefes *Kenfa>n- 
fin6 im Kampf mit feinem Sdjicffale, ift fein täufa>en6 
angelerntes, 6as Ceben dffen6es Pirtuofenftücftein, 6as ift 
ptclmeljr ein IDun6eract 6es <J5enies, 6as ift gefyeimnifpoH 
pulftren6es Ceben buvd) un6 buxdfl 

2Iudj 6arin ift Coquelin einzig, 6af er, 6er pon 6er 
ZTatur gewollte un6 bis in 6ie fingerfpifcen gemo6e!te 
Komifer, im Ijan6um6refyen ftdj einer Holle bemädjttgt, 
6eren (Cragif 6ie Cl?r3nenpröme eines Publifums entfeffelt, 
6as fidj faum pon 6en Cadjfrämpfen erholt fjat, 6ie Unit 
eine XHinute porfyer 6erfelbe Künftler m einer burlesfen 
Scene perurfaaVe. €in Bea>eis, 6af 6as~ (ßenie fta> über 
alle 5cr)ranfen 6er Sdjule un6 6er Sunft JnntPegfefct »nö 
ftdf in allen Sätteln juredjt pn6et. Die überlieferten Gebiets- 
abgren$ungen un6 itrbeitstfjeifungen 6er alten Komö6ianten. 
fünft ftn6 gut genug, 6amit fidjjfleine (ßeifter nidjt perirrett 
06er f leine Kräfte nia^t 3U rafij ausgeben, für (Talente 



pou bcm IDucfjfe Coquelin's fm6 Mefe funfttPtrtfjfcfjaftlidjen 
£)aust}altungsregeln oljne praftifdp Bedeutung. Un6 in 6er 
<5etd)\d?te, fcer Kunß $äl)Uri nur folc^e (Talente; beim auf 
ttjrem (ßcbtcte ift erft 6ie iUImadft eine ZHadjt — un6 6er 
Hcfl belanglos. •;. 

<£in jep für 6en ^ufdjauer ift es, u>enn Coquelin un6 
<ßot jufammen fpiclen. ZUan fann fidj 6enfen, n>as 6a 
aus. einer Scene n>ir6 / n>ie bei 6em famofen Kencontre 6es 
Brü&erpaares m 6en ^ourdjambaults, wo <5ot fein fublimes 
Calent an £ernar6 un6 Coquelin 6as feinige an €eopol6 fefct. 

Hur nod} ein Wort über Coquelin: er ift 6ie 3cfcf?ci- 
öenfyeit, 6ie £iebensn>ür6igfett un6 6er £tti( felbft. 

Ziud) au^orljalb 6er tTfyeatertpelt t?at er ftd? einen por« 
treff Hajen pla| in 6er £>effentlidjfeit 6es parifer Cebens 
gefd)affen. <£r greift 6ann un6 n>ann jur ,Je6er, 6ie er mit 
(ßefdjmacf un6 (Seift fjan6fyabt, um in 6er Cagcspreffe 6ie 
2Iufmerffamfeit auf jüngere Tutoren $u -ienfen im 6 ihre 
Schöpfungen in eigenartiger XDeife $u analyftren. 3 n ^ cn 
f Salons un6 fdjemgeiftigen Cirfeln ift er ein pielgefudjter 
Declamator. Statt alte Para6eflücfe $u recitiren un6 6urdj 
6en ftdj x>on felbft auf6tängen6en Pcrgleid) mit an6eren 
Portragsfünftlern feine Hufymesemte ju crl?c%n, 5tet)t er es 
por, neuen, rnenig befannten o6er ganj ignoricten Dichtungen 
6anfbare Krcife $u erfdjliefen. Keiner meiß beffer, als er, 
für 6ie junge Citeratur mirffam propagan6a $u madjen, 
<£opp6e, Zttanuel, Z>eroul&6e, <5uiar6 un6 neucr6ings 
Delair fyxtten 6as (ßlücf, iljre fleineren epifdjen €r$äl?lungen 
ernften un6 fmmoriftifcfjen 3 nI ? a ^ 5 öura ? Coquelin's geniale 
2PermitteIung in 6ie auserlefenften Kreifc 6er Parifer <5efeU. 
fdjaft eingeführt ju feljen. 2TTeE>r nod), 6ie rei$en6en Contes 




* • • ' ' * * • • * . v Diflitized 




55 

- .• - 

d apresent pon bcm ebenfo begabten als fdjüdfternen Paul 
Delair per6anfen, nad? 6em <ßeftän6niffe 6es Didiers felbft, 
ihre (Eniftefyung 6er bcgctftern6en Anregung, 6ie pon 6em 
ipunberfamen (Talente Coquclin's ausgegangen. 

Wit leben in 6er geil 6er Befenntniffe. So möge 
6enn auefy pon Coquelin, 6em XDafyrfyaftigen, ein befennen6es 
XOovt 6iefe fiüi/tige Sfij$e bef fliegen: - . . 

.. „La nature toujours! Sowenig als. anöersu>o, glaube 
xd) in 6er Kunft an 6as Uebematürlidje. ZTteine ZHarime 
tft, 6a| es auferljalb 6es IDafjrcn nidjts (großes gibt." — 

Den übrigen Soctetaires 6es Th^ätre -Francis, 6em 
feurigen, fräftigen tDorms, 6em feinen, griftreidjen Chiron, 
6em pornefwien Delaunay u. a., a?cröe idf fpäter in ein- 
gefjen6eren Sdn(6crungen gerecht ju u>er6en fucfyert. / \. 

Das erfte Sdjaufpielfyaus 6er ;$ran$ofen fyat im 3a^re 
(878 3u>ei roefentlidje Perbefferungcn erfahren: es fyat an 
Sonn» un6 Feiertagen (EagesporfteUungen mit flafrifajem 
Repertoire eingcridjiet un6 6as fjäfjlidje Jnftttut 6er (£Iaque 
untcr6rücft. 3m'<5an$en fyxt es 583 PorfteÜungen mit 68 
IDerfen, n>orunter 2? flaffifdje, mit 6em beften fünftlerifdjen 
un6 finanziellen (Erfolge gegeben. 

Das Klagelied, 6as feiner £tit 6er rafa^ perfloffene 
Unter ti07ts- un6 Kunftminiftcr, 6er fromm • fenrimentale 
ZTlonfteur Bar6our, über 6en Per fall 6er franjöftfdjeu 
(Theater angeftimmt fjat, trifft feinesmegs- 6as Stammhaus 
6er nationalen Sdjaufpielfunft. f}ier fycrrfdjt nad} wie POt 
frifa>s, fröfylidjes Ringen nadf 6en lüften fielen. IDas 
6as Conferpatoire für 6ie Zttußf, 6er Coupre für 6ie 
ZTTalerei, 6as ift 6as Th6atre- Francis für 6ie 6ramatifa>e 
Kunft: ein ZTtufcum, u>o neben 6en unpergänglidjen XHeifler- 



56 

U M 



wetten ber 2ttten uon 5*it ju £«it moderne Ceipungen 
bes jungen 2Xad?wud}fes ausgestellt werben, bepimmt, für 
b\e Tlad}?ommen geugfdyaft 511 fein frer fortfd)reitenben 
tüuftUrifcfjeu <£ntwtcfelung burd) alle pljafen bes literarifd)en 

Das Th£atre-Fran9ais tp aber nidjt blof ein IHufeum 
für bic bramatifer/en Tutoren, es ifl audj eine l?od)fd>uIe 
für bie Sdjaufpieler, wie für bas funftpunige publifum; für 
bte Sdjaufpieler, benn fte werben burd) ben ununterbrochenen 
Umgang mit ben nationalen XTleifterwerfen ge$wungen, tfyr 
Spteltalent unb ifyre Kunfteinpdjt auf einer ^öfye 3U erhalten, 
bie für bte übrigen Cfyeater unerreichbar bleibt, ©eil biefelben 
burd) tr>re ganse Perfaffung an bie IPanMungen bes Cages 
gebunben pnb unb weniger fcrupulös in ber tfusnüfcung 
augenblicflidjer Chancen fein muffen, um finanziell (td? über 
IDaffer $u galten; — für bas Publifum, benn es pnbet fyier 
bie 2Tlaf ftäbe bes guten (ßefdjmacfes wieber, oeren (Erhaltung 
um fo wichtiger wirb, jemefyr burd) bie freie Praris bes 
tTrjeatergewerbes ber unfünftlerifdjen Speculatton immer 
roeitere (Gebiete erfdjloffen werben, ^ier pnbet es fepen £jalt, 
menn es tx>r bem Sdjwinbel t^eatralifdjer &usfd}weifungen, 
3U benen bie niebrigeren Bühnen Perioden, pd) retten »ifl. 

Das Th6ätre-Fran9ais ip feine Kirdje, aber es ip ein 
(Tempel; es Ijat feine HifJjen für bie fjeiligen bes Rimmels, 
aber gemeinten Haum für bie «ßötter ber ZTCenfcr/fjett. — 

* ' •* • 

Hebe^eugt, ber Supimmung ^ liebenswürbigen Cefers 
5U begegnen, erlaube id) mir nodj, bie ZRänner 3U djarafteri. 
fixen, rt>eld}e gegenwärtig mit ber Verwaltung bes erften 
3^aufp^^ au f«s ber ^ransoferj betraut pnb. 



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Der Diredor €mi(e Perrin folgte im 3uli \87{ - 
<£6ouar6 Cfyierrp in 6er Ceitung 6es f)aufes. Jm Sa^oöße 
einer fyoa?geacr/teten Beamtenfamilie 18(5 $u tfouen geboren, 
rotomete fta? perrin nadt) 2(bfoIüirung feiner <5Y»nnaftaljlu6ien 
6er JTTalerei. (Bros un6 Delarodje roaren feine ZlTeifler. 
<Er beteiligte fii? roie6erfyolt un6 mit (Erfolg an 6en 2lus* 
ftellungen 6es „Salon''; befon6ers n>er6en fein „Corneille 
bei 6em Sdniljflicfer" un6 »ZTCalfUatre's Cq6" als , be6euten6e 
Bil6er gerühmt, $aft fo gefO)icft mie 6en pinfel fyirxbfyxbtt 
er 6ie ^e6er. Der „Moniteur", 6ie. „Union catholique" 
u. a. Blätter 3äfjlten iljn jüm funftrefer4ren6en ZHitarbeiter. 

3 m 3 a *? re ^8^8 würbe er $um Diredor 6er Op£rä- 
Comique ernannt. Daß ftcfy 6er uielfeitige 21Tann audy auf 
6ie (Befyeimntffe 6er mufifalifdjen Bülme perftan6en Ipt, 
bemeifen eine ttlenge t>on Jnfcenirungen neuer IDerfe, von 
6enen „(Balatl^e", 6er (f Hor6ftern M / 6er „Sommernadjtstraum" 
un6 6er „CaT6" in erfter Cinie genannt $u u>er6en uer6ienen. 
<Ein 3 a *? r lang Ijat er gleidtfeitig 6as Thäatre-Lyrique 
mitperinaltet. J857 trat er r>on 6er Ceitung 6er Fomifa^en 
£)per 5urüa\ ^ünf 3<»*?" fpäter begegnen nnr llmt auf 
einem neuen Diredionspoflen, 6iesmal an 6er großen Oper, 
wo ifym 6te (Efjre 3ufiel, ZTCeyerbeer's lefctes IDerf „L'Africaine", 
6ie 3 a *? re fang »on 6en Parifem mit fieberhafter Spannung 
erwartet n>or6en mar, in Scene ju fefcen. 3 C ^°4 wax 6iefe 
perio6e feiner Cljätigfett meniger 6ura? Tleuauffüljrungen, 
als melmefyr 6uraj glän3en6e Keprifen alterer XDerfe 
(namentlich XTIojarfs un6 (Slucfs) ausgc3eic$net. 

Xladt) 6em Sufammcnbrudj 6es Katferreidp n>ur6« er 
ron 6er Commune feines #mtes enthoben. Iiis ft<£ 6er 
politifdje ^orisont fyinlänglidj geflärt b/atte un6 man n?ie6er. 



awftna, XTteTif<*? CT1 unb Sachen an £en reajten pfafc ju peilen, 
ein HYiterTtetjYn CT1 ' öas ^eute nod} nidjt als abgefdjloffen gelten 
tanw 9 ba getonte man aud} u>ieber ber tr>ertljDollen 
abxnVntitr ati^en Calente €mile perrin's unb befdjlofc , fte für 
bas TVv6ä.ter-Fran9ais 5U nüfcen. Der Staat ernannte ifm 
^um X)irector bes undjtigen 3nftttuts, unb halb folgte audf 
bie Siabt mit itjvem Derträuenspolum nad) unb ertDäfylte u)n 
jum XRttalteb bes Parifer (Bememberatfys. — 

3ul«s Derteuil ijt ber (ßeneralfecretär bes (Theaters 
unb als foldjer bie redjte f)anb bes Dtrectors.^ Seit nafyeju 
pierjtg 3 a *? r « n wrftefjt er bereits biefe belicate Function. 
IDie fein ^weitet W er in bie intimften Porgänge bes 
£)aufes eingeweiht, unb es müßte ein ebenfo inftruetbes als 
amüfantes 3ud} n?erben, n>enn er ftdj beroegen liege, feine 
ZTTemoiren ju fdjreiben. 2JHein feine ^rcunbe perfidyeru, 
et fei ein feinb aller €ntfyällungen unb feft entfdjloffen, alle 
Couliffenge^eimniffe mit ins <ßrab $u nehmen. X>icIIeia>t 
lägt er fid) bod) nodj bereben, ben neugierigen ZUenfdjen $u 
g,cbcn, was ber 2TTenfd}en ift, unb ben IDürmern 3U 1 äffen, 
was ber IDürmer ift, fo baf beibe, bas Cidjt* unb bas 
Scrjatienreia), befriebigt fmb Don bem XOalUn bes Hebens« 
ipürbigften aöer ßeneralfecretäre. — ' ' ; ■ 

^rqn9ois Coppäe, mer fennt Um nidjt, ben por- 
freffltdjen Caufeur unb brillanten Derfefdjmteb? ZHautfyner 
fyat jüngp erft eine feiner rüfjrenbften Poeften rerbeutfdft 
unb in ber IDiencr „Deutfdjen Leitung" t>eröffentlidjt, 
tväfjrenb <£opp£e felbfl im Conferensfaale am Bouleuarb 
^5 <£apucines feine neueren unb alteren Didjtungcn beclamirt 
un & £>rofafragmente aus feiner Autobiographie ba$urifa)en 
v i aU bevU Seinen „£>Iiirier" uns 3aubiffin überfefct. V 



Der Dieter, {8^3 geboren, ift fett stpei Oafcen tpohl- 
beftallter Bibltotljefar 6es Th6atre-Fran9ais. €in clafftfajer 
Kopf poll romantifcr/cn 3nl>alts; ein fäarfgefönittenes 
Profil, Pom meinen ZHonWic^t beftraf>lt. Seine pfantaflen 
ftrömen über oon fü&er, elegifdjer ttTuftf, unb bxe Maut 
Blume parfümirt fte mit ifjrem mära>nl>afteften Duft. €r 
perfügt über oen funfipollften, gefcr)met6tgften uno mooemften 
Pers, 6er überhaupt auf öem fransöftfdjen parna| ertftirt i 
<£opp£e ift .oer parnafften par excellence, er if! 6er 
Untero>f 6er settgenöffifajen parifer Diajterfajule, oes 
„Parnasse contemporain", oeffen ^aupt Oer glorreiche — 
£>tctor Qugo? nein — tflonfieur Ceconte 6e Cisle ift. 8>te, 
Pictor fjugo, 6er tfllpergötterte, ift nicht 6er C^ef 6iefet 
pome^men Dtchterföule, 6ie feinen Hamen nicht öffentlich 
aussufpreaien tpagt, ofme eine Kniebeugung ju machen unb 
refpectsooll 6en §ut 5 u lüften? 3<h »iH 6en jn*ifeln6en 
Cefer ins Pertrauen jiehen. £>effentltch moty befennen fta> 
6ie pamaffiens noch ju Pietor fjugo, aber im fersen ftn& 
fie pon tlmt abgefallen. ttTan 6arf 6tes nur nicht aHju laut 
fagen, um 6ie tfuslän6er im Dtctor §ugo.<£ült mcty irre-ju 
machen. Bei perfajloffenen Cf?üren, wenn 6ie pamaffiens 
gan$ unter fta? ftn6, mitb 6em armen, abge6anften <5ott 
gan 3 graufam mitgefpielt; fte $erfefcen feine Perfe mit 6em 
Schet6etpaffer 6er rücfpchtslofeften Kritif; fte tperfen Umm 
unooHfornmene factur, unmotipirte ' garten, aufgeregte 
Sprünge un6 6ergleia?en tttängel mehr por, 6ie ein perfecter 
parnafpen abfolut nicht entf<hul6igen 6arf. Da perfleht ©er 
Ceconte 6e Ctsle 6as Detter ganj an6ers! Seine Derfe ftn& ■ 
unfa6elhaft aus €tnem Stücfe gearbeitet) ganj Zttarmor o6et 
ganj Bronje, in allen feilen gleich foli6 un6 gleich fonor; 



60 

£)iet ^vnbet audf 6er anfpruapollfte Kritifus feine Spur »on 
jener \türmifcr)en Unruhe, jenem para6ofen (Sefüfylsfiber« 
, bie 6er ef ftatifdjen ZHufe £)ugo's öas 2tnfeljen gibt, 
als ^tänbe fte beftänöig in 6er Zugluft. Ceconte 6e Cisle 
ift b\e olympifcr>e Kufye felbft, 6ie fouueräne Soweit. 

Diefc Qualitäten fyaben tym in 6er <8emein6e 6er 
parnafiiens feine efyrenuolle Stellung uerfdjafft. €r ifl üu* 
Ojef, tfjr <ßott, u>äfyren6 fjugo ftdj mit 6er Holle eines 
„dieu honoraire" befd?ei6en- muf. 

Un6 ^ran^is poppte ift einftoeüen ifyr Soudjcf, ifjr 
Unter« 06er Eicegott, bis öie £eit tljm 6as t>er6iente 
21rancement bringt. Bei afler ortf?o6oren formenftrenge 
bewahrt feine ZlTufe 6od> einen rü^renoen perfdnlidjen 
liccent (Ein tiefes (ßefüfyl, 6a 5 ftcfj gern 6en traurigen 
Realitäten oes Cebens 3un>en6et, fdjludftt 3uu>eilen in 6en 
marmorglatten Perfen, 6af ftcr) fein Cefer un6 befonoers 
feine Ceferin 6em füfcen, melandjolifdjen Räuber oerfelben 
errocfjren fann. Uno wie uerftefyt es 6er Dieter, aus 6em 
unfer/einbarften, banalften ZHotiu Capital für feine roman* 
ttfd^en (Effecte ju fernlagen l 2Tlit u>elcr)er ZTTeifterfdjaft ge- 
winnt er 6em ffimmerlicr/ften <D?ema einen reidjen Kran$ 
Iyrifcr/er Variationen ab! 

Hoffini Ijat einmal gefagt, einem guten Jltuftfer müffe 
es gelingen, 01107 *w™ Speife$ettel in eine i6eale Compofttion 
3U perroanoeln. Coppee ift ein folcr/er rounoermädjtiger 
<£omr>onifi ©on originellem €rpn6ungstalent. 

Ueberaus iljätig, fr/at er nidjt nur fd>on meiere Samm. 
tun&en feiner £erfe publirirt („Reliquaire" „Les Intimites«), 
fcnb€tn audf 6 urd > poetifdje Flugblätter („La Greve des 
jForgrerons« murÖ€ m | ?imoer ttaufen6en »on (Eremplaren 



perfauft un6 erreichte »as man einen succes fou nennt), 
6ura? flcinere Bülnienftüvfe, fonrie 6urch eine 2JTenge von 
Journalbeiträgen feinen Kutmt $u perbreiten un6 5U befeftigen 
gefräst. , . •■* 

Sein erftes 3ühnenftücf „Le Passant« würbe {$69 im 
£>6eon aufgeführt un6 fanö eine entfniftaftifdje Aufnahme. 
Sola dyarafteriftrt 6iefen €inacter fef?r fdfon: un reve 
empörte dans un rayon de lune. Diefes Stücfcr)en jä^It 
in . 6en theatralifdjen tfnnalen audj aus 6em <Brun6e, meil 
es 6as 6ramatifche (ßlücf 6er Sarai? 3ernhar6t (6as befamtt* 
Hd) im Anfang fefyr fd^manfenö gemefen) oefinitip begrünben: 
t;alf. „Le Passant" r/at nur 3tpei Hoden: ein üppiges, . 
verliebtes Florentiner IDeiblein, 6as naa> einem feurigen, 
aber feufcfyen ZTachfommer 6er Ciebe fämadftet, un6 ein 
junger, farjren6er Sänger, 6as fjerj überquellenb pon l^eiger 
Selmfudjt. . . . . Sarah 3ernhar6t i|t 6te perförperte poeße 
in 6er Holle 6es fajtpärmeriföen Spielmanns. 

Dag Coppee mit feinem „Passant" einen anoeren £wt& 
perfolgt haben fönnte, als 6en, uns 6ie ZUufif feiner Perfe 
in 6iaIogifirter ^orrn hören $u Iaffen, i(l faum 'anjunelmien. 
Der Dichter tpeifc felbft $u gut, 6ag fein (Temperament 
nichts weniger als 6ramatif<h ifU 3n ipeifer Beföränfung 
auf feine eigentliche Cetftungsfähigfeit ^ütet er ftdj, an 6as 
grojje Drama $u rühren. Sein neueftes Büfynertftücf „Le 
Tresor" Ißlt fich genau innerhalb 6er <5rltojen, 6ie er ftäj 
por jehn Jahren mit 6era „Passant" geßecft; . es ift, vo'vt 
6iefer, eine €legie in Dialogform, poü* hol6feliger poefte, eine 
fofibar jugerichtete Sauce, 6eren erceptionelle <ßüte uns über 
6cn 2Tf angel - 6e> ^ifdjes,, 6. L 6er 6ramatifd}en Qan6luna; 
gefeiert hinipegtaufcht.. r- " . . • . ... ,r 



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<Bcorges ZlTonual, 6er #rd}ipar 6es Th6ätre- 
"Frar^ais, ift fett einem 3 a *? re ourc *? We <Brün6ung 6er 
Seitfcrjrift „Le Molteriste", meiere 6em gelehrten (Cultus 
bes grofen Dieters gewi6met ift, weit über 6ie (Brenden 
^ranfreidjs hinaus befannt geworden. Die Verausgabe 
tiefer ZHonatsfdjrift war eine feiner erßen Unternehmungen 
in 6em neuen 2Imte, weitere un6 nidjt weniger wichtige 
dürften baI6 folgen, 3. 3. eine wiffenfdjaftlidje Gefaxte 
6es Th6ätre-Fran9ais / an 6ie, wie id) ffitt, 6er junge, 
fleißige 2(rdiirar bereits fyanb angelegt r)at.- 21 n UTaterial 
ifl fein iTTangel un6 audj an Ijiftoriograprnfdjem (Talent gebridjt 
es ilmt nidjt, wie feine intereffante (Befdn'djte 6es £>6£ons 
beweifl, 6ie er gemeinfcrjaftlicff mit 6em Sdjaufpieler porel, 
feinem er/emaligen Cameraoen, bearbeitet rjah 

UTonoal gehörte nämlid} rx>r 6er Uebernarmie - feiner 
gegenwärtigen f untionen 6em (Theater als ausübender ttänftler 
an. (Seboren \8<k5 3U ZTionceau bei 5°Ktainebleau, fudjte 
fein Pater, ein alter f)au6egen, einen Zfopocaten aus irjm 
5U macr)en. Der Sofm willigte ein, abfoluirte 6ie por? 
gefdjriebenen 5tu6ien mit (Slanj un6 wur6e aucr) in 6en 
öarreau (2J6pocaten$unft) pon Paris erjrenDoII auf- 
genommen. Die redjtsgelerjrte Praris besagte ifjm je6od} 
ttidjt lange. (Es - faßte trm ein unwi6erfteljlid)er Drang nad} 
6em tErjeater. Die PorfteDung feiner Jreun6e, 6ag 6er 
* mo6erne 2l6pocat 6ie gewintf* un6 efjrenreidjften Hollen in 6er 
politifdjen tfomö6ie por ftdj rjabe un6 6a§ 6esr)alb ein 
gefd}ei6ter 3urifl,6er tr)eatralifcr/e2lnwan6lungen perfpüre, nidjt 
aus 6em Sattel $u fpringen brauche, fdjlug nidjt ein. 
ZKonval wollte ein edjter un6 geredeter Komö6iant weroem 
€r fefcte feinen IDiHen 6urdj. guerft nar)m er Unterricht 



bei tfdnlle Hicourt un6 trat hierauf in 6ie öramätifd^e 
Claffe 6es <£onferpatoires ein. 211s 6ie (Cragö6in IMabc- 
moifelle 2fgar eine H)an6ertruppe warb, um 6ie prouinj ju 
6urd7$tcl?cn / folgte audj 6er junge €ra6t>ocat irjrer (Trommel. 
Da 30g er oenn mit 6em öramatifdjen ^ 5 ^ n ^in Jan6auf, 
Ian6ab, fpiclen6, geniefeno, ftu6iren6, n>ie es 6as Sdjicffal 
6es fa^renben Künftlers in r/eiterem tDecr/fel mit fldj braute. 
Das n>ar bodf ein an&eres Ceben, als 6er actenßaubige 
Dienft 6er Minbon (O^emis mit IPaage un6 Sdnrert ! , 

Tladi Paris $urü<fgefer)rt> fpielte er in Baüanoe's 
literarifdjen ZTTatin6en mit un6 trat hierauf in 6en Derban6 
6es £>66ons ein. l)ier war es, nx> iJm 6er Director perrin 
ent6ecfte, um irrni nadj 6em Ableben 6es bortrefflicr/en £6on 
(ßuiüarö 6ie Stelle 6es TXvdiivaxs am Thöätre- Francis 
anjutragen. 2ttonpal riß ftdj aus 6en befcr)ei6enen VevrfilU 
niffen 6es Iei6er fer/r Ijerabgefommenen £>6£ons los un6 
acceptirte 6as neue tfmt mit taufen6 #reu6en. 

Perrin fyxt 6amit toie6erum feinen fdjarfen 31icf für 
XHenfdjen un6 Dinge geseigt, 6er ir/n fcr/on fo glänjen6e 
(Erfolge erjielen lief: er fjat 6en rechten 2Hann an 6en 
redeten piafc gepeilt. . 

3ä? fliege mit 6er (Ermahnung eines eigent^ümlicrjen 
Sufaüs: <5eorges ZHonpal, 6er 2TToltere-€ntf}ufiaft reinften 
IDaffers, fyat in feiner Grrfijcinung eine auffaüen6e 2XefynIid}- 
feit mit 6em grogen fymsgott 6cs Th6ätre-Fran9ais, mit 
3ean Baptifte poquelin — genannt ZKoltere. 




( " 

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• 1 



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n. 



2) er le§te (Ballier. 



€mile 2lugter. 



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Ol. «. Conrab, pariftana. 



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Le dernier des Gaulois! 

TXlit 6iefem melancfyolifayn IDort Ijat jüngft ein fonp 
fetterer parier <£Ijronift bcn TXlann fummarifdj 3U d^avatttti- 
fiten perfudjt, 6em id? 6iefe &\Un wibmcn uriH. Jdj mage 
mir nicfyt an, 6ie franjöftfaV Dolfsfeele tiefer $u ergrünoen, 
als 6er parifer Cfyronifl, 6er fdjon fraft feiner <5eburt un6 
Profeffion im Pollbeftfc alles gallifdjen Scfjarffinns — 
permutljet n>er6en mug r 3<$ regiftrire fein ZDort einfach 
<in ljerporragen6er Stelle. Tant pis für tlm, n*nn feine 
£an6sleute finoen, 6af er u>e6er ein grofer, noa? ein fleiner, 
fon6em gar fein propfyet ift, fon6em ein peffimiftifdpr 
3lagueur, 6er ftd? mit feinem fategorifdjen Sprüchlein 
Hamid fyat. 

Qui vivra verra. Serbreajen mir uns _alfo 6en Kopf. 
Tiict>t 6arüber, ob 6as 6ramatifa>e Pallien aus 6em legten. 
Codje pfeift 06er nidjt. freute pfeift es nodj. 2lus 6cm 
tPtepielften £od}? fann uns im <Brun6e gleidjgiltig fein, fo 
lange 6er pfiff ein poller un6 Jtarfer. Un6 6as ijl er o^ne. 
irage. / - t * ... 

tfTan fyit and} gefagt, glücfliaje Pölfer Ritten, feine 

6*' 



<5ef d)\djte. Da es aber ^öüifaj uiel (Befaßte giebt, alte 
uwb neue, ljeilige unö profane unö wie alle öie fdjulgeleljrten 
<£t\quetten lauten*, fo muf gefdjloffen roeröen, öaf fär 
^lüdlidje Pölfer öer Kaum beöenflidj $ufammengefd?rumpft 
\\t. E)at oas IDorl jeöod} einen beredjtigten Sinn, fo ©er« 
trägt es genrif öie €rn>eiterung: glflcflidV ZTTenfdjen, oeren 
leben ein einiger, langer Arbeitstag, ebenfou>emg. Als 
geugniffe i^res Dafeins bleiben i^re IDerfe, öie Iefn-reidjer 
unb tröftlidjer fmö, als aller journalmäf ig breitgetretene unö 
auf öen Sd}ulbänfen eingebläute IDelt-unö priratflafd?. 

<Ju öiefen gläcflid?en, gefegneten Z)Tenfd?en gehört unfer, 
angeblidj „lefcter (ßaflier". Sein Ceben ger>t in feinen IDerfen 
faft oljne Xejl auf. 

Diefe €infad^^eit madjt Augier $u einer öer ansiefjenößen 
€r[a7cinungen in 6er moöernen Hünftlermelt, wo bes tDirrfals, 
öer tDiöerfprüd?e unö Perirrungen fein <£nöe. Augier 
- tft ein Ueberjeugter, oer an feiner ^bet feftfjält unö fdmur« 
geraöe auf fein giel losgeht Phyftfd?, moralifaj unöf finftlerifd> 
präfentirt er ftd) als reingeflimmter, energifd? angefd)iagener 
2Jccorö. 

f)ier auf meinem Arbeitstifd^e liegen feine Wette vor 
mir, öaneben flefyt feine neuefte Photographie. Vapcreau's 
Cepfon gibt öie wenigen unentbehrlichen biograpf^ifd^en 
riorijen, öasCagebudj öer Comedie Fran^ise (J852— 187J) 
pon (ßeorges b'fyyüi öie tDidjttgflen Auffo^Iüffe über feine 
6ramatifd7e Caufbalm. Das ift öas poDftänöige ZTCaterial, 
bas sur ^eid^nung öjefer fpmpathifchen Poeten «Jigur 
itoiljtr*nöig tfl. 

perfönlid) f)abe i<h $errn Augier erf! ein einsiges TXlal 
gefeheh. (Es roar unter öen Arcaöen öes Sdjaufpielhaufes an 




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6er <2cfe 6er Hue Sidjelieu. H>ir begegneten uns bei 6er 
Cectüre 6es Cf?eater$ettels. Die näajfte Generation mir6 
oielleta^t an Mefer Stelle fein ZHarmorbtiö erblicfen/ fagte 
idf mir un6 wax frof?, noch 6em £eben6igen meinen ehrfurd}ts» 
pollen <5ruß bieten $u Wnnen. €s mar ein trüber, regnerifdfer 
IDintertag. Der 2Din6 peitfdjte 6as Kot^roaffer auf 6ie 
Steinplatten 6er 2Irca6en. tflit ZHühe tyelt man ftdj auf 
6cm fchlüpfrigcn 3o6en. tfugier ^atte 6en Ueberjieher bis 
oben 3ugefndpft un6 6en <£ylin6er tief in 6ie Slime ge6rflcft. 
€r fpäljte* nach einem ^uhrtperf, um troefnen ^uf es weitet 
3U fommen. IDie er fo in einem profaifa^en #afer bavon- 
fur)r unter fhrömen6em Hegen, falten tt)in6ftößen un6 Ijodf 
auffprifcen6em Straßenfchmufc, unerfannt pon feinem plebejifdVn 
Hoffelenfer, tarifmäßig transportirt mie 6er gemeinfte 
Sterbliche, mußte ich Iädjeln6 6es Kontraftes mit 6er lyrifchen 
Scrjifoerfunß ge6enfen, 6ie uns 6en Dieter auf 6em tpeifen 
Flügelroß $eigt, emporf^n?eben6 in 6ie reinen tfetherhöfyn, be- 

ftrafylt pom göttlichen Sonnenglanj IDie ich mich 

umu?an6te, tpar 6ie Zttiethsf utfäje mit 6em „legten Gallier" 
im feuchten DunftFreis 6er Xue Saint»Qonor6 perfchtpun6en. . . „ 

€mile 2tugier berpoEmt feit Dielen 3<*fren föon fr* 1 * 
£an6haus in 6er Propinj un6 fommt feiten nach paris. 

3<h betrachte feine Photographie. €ine fräftige, breit» 
fcr/ultrige <Beftalt, ein run6er, mohlgeformter Kopf mit fahlem 
Scheitel, eine braue Stirn ohne para6oraIe fjoTje, eine lange, 
6ominiren6e Hafe, 6eren ^lügelanfäfce etwas aufwärts ge- 
sogen, 3u>ei fleine, a>ohliPolIen6e, in comfortabel ausgebauten 
f)oblen n>ohnen6e #ugen, ein fur$ gehaltener, grauer Dollbart, 
feine Ohren, ein poller, run6er fjals, elegant gefdjnittene 
Klei6ung — 6as ftn6 6ie Details feines Cichtbi'loes. 




< 



70 



T)ev ZTTund fdjeint nad) einem gütigen ZDort $u fudjen, 
um btc XPunde ju feilen, die tux$ jupor eine fajarfgefpifcte 
fat\rifcr)e Bemerfung gefdjlagen. Die <ßabe des geduldigen 
t)öxens fer/eint ebenfo ausgebildet, als die der geroanöten 
Ke6e. 2lu$ ben dunfelgrauen Xeuglein würbe ein erfahrener 
Plpffiognomifer leidjt die TXlalxce Doltaire's, die fjeiterfeir 
Habelats' und öie ßenugfäfjigfeit eines eMen €pifuräers $u 
lefen permögen. Ueber bem ganjen 2XntItr^ liegt eine elnrlidje, 
mit nadjdenf famer 23efd?aulid}Fcit gepaarte Ciebensipürdigfetr 
.perbreitet. Die Haltung f priest pornefyme Xulje, fünftlerifdjes 
Selbftbemuftfein olme" tfffectation aus. 

3n - Summa: ein intereffanter, flattlidjer 2Ttann, ein 
moderner Olympier, »ie man auf ben Sänfen der Zlfademie, 
der er feit {858 angehört, mdjt all$u pielen begegnet. 

tfugier wurde am J9. September \S20 in Palence 
(Dr6me- Departement) geboren. <£r ftudirte die Hea)tsu>iffen» 
fc^aft und beftand die (Eramina mit tfusjetdmung. 3ur 
praftifa>n ^urifteret perfpürte er jedodj feine Heigung. 
(Einmal die Scr/ule hinter fidj, ergab er fxdf ofme Umfdjtpeif 
dem didjtertfdjen Berufe. Pon der Uniperjttät fdjritt er direct 
3ttm Theätrc- Fransais und legte dem <£omit£ fein erfies 
IlTanufcript por; (Es mar die jipeiactige Komödie in Herfen : 
„La Cigue". ' 

Unfer gelehrter Candsmann Cudroig Kalif er) in Paris, 
ein literarifdjer Jeinfdjmecfer erften langes, fdjrieb damals 
über diefes (Erftlingsiperf : „2IHes, ipas pon einem Cufrfpicl- 
Md?ter perlangt n>erden fann, ifl in diefem Stüde geboten: 
originelle €rftndung, geiftreierje Sdjürjung und ungesroungene 
Cdfwtg der 3ntrigue, ein pif anter, u>ifciger Dialog und die 
flaffifaflen Derfe"; / 

► * • . . .«■«• • • . 

. • Digitßed by 



Eh bien, 6as <£omit6 6es ThSätre- Francis roar 
anbetet HTeinung. €s beging 6ie <Befchmacfloftgfeit, 6ie 
tfuffityrung ab$ulehnen. Der junge Autor ißtte fogar, 6ag 
man fein 2Kanufcript nid}t einmal 6er Ceclure geroürMgt 
habe. Das per6rof ihn 5u?ar, entmutigte ilm je6och feines, 
megs. Das Th6ätre -Francis fyit fajon fo oft flechte 
Stücf e empfangen, gelefen unö aufgeführt, fagte er ftch, 6a# 
.Umi aud> einmal 6er 3rrtfmm gemattet fein 6arf, ein gutes 

Stücf al>3Utt>eifen Uno ironifd} lädplnb nahm er 

fein ZDerf $urflcf. 

Der Director oes £>6£on, 6es $mt\Un parifer Schau, 
fptelhaufes, Iptt* eine beffere Witterung. €r führte „La 
Cigue" ohne Säumen auf. €in immenfer €rfolg lohnte 
Director un6 Dieter. Drei ZTTonate lang ftano 6as Stücf 
unperrüefbar auf 6em Programm un6 in mehr als jtpet« 
hun6ert Aufführungen örängte fich ganj paris h**an, um im 
aniifen Spiegel 6as 3U6 6er mo6ernen Jugeno $u flauen, 
6te im pornehmen XHüffiggang, in egoijtifcher 3n6tfferen5 
un6 früfoeitiger Abgelebtheit 6ie perheißungspollften, 
blühen6ften Jahre tobtet. 

Dem jungen £ön>en aber, 6er mit fo füfmem Sprunge 
in 6er Arena 6er Satire erfer/ienen mar un6 fo pracfyoolle 
Cafcen un6 ein fo flaffifajes (Bebifc ge$eigt fyxitt, flogen 6ie 
frifdjeften Corbeerfränje $u. 23aI6 erfctyen_fcin XDerf im 
Drucf un6 in einer gehamifer/ten Porre6e fan6 6er Derfaffer 
(Belegenheit, nicht nur ftch felbft gegen 6te Anfechtungen 6er 
Homaniifcr ju wehren, fon6em auch einen Act fin6licher 
pietät 3U perrichten un6 mit 6en Kritifem ab3urechnen, 6ie 
feinen (Srogpater mif r>an6elt hatten, 6er fein an6erer geipefeit 
als 6er Romancier Pigault-Cebrun. (BefaVhen im Jahre 



Di 



Hun war es an ben Sdjaufpielern 6es Th£ätre 
Francis, ftdj als Bittßeller an ben jungen, ftegreichen 
Dramatifer 3U wen6en unb ifyrer 3üfme fein nädjßes IDerf 
3u fiebern. Augier willigte ein unb gab Urnen {8^6 feinen 
„Homme debien M , 5U 6eutfdj: Bie6ermann. Cag es an 6er 
etwas para6or geratenen ^abel, lag es an 6er Erinnerung 
an 6en lärmenden (Erfolg 6es erften Stücfes, 6as Pteüeidft 
überspannte Erwartungen erregt hatte, für}, 6cm PuMifum 
besagte 6er 3ie6ermann in 6rei perftficirten Arien nicht 
aufs Befte. Sein Urheber mußte fleh mit einem Achtun'gs« 
erfolge jufrieoen geben. Dod? ent3og ihm we6er 6as 
publifum noch 6ie einstige Kritif 6as Pertrauen. Xtlit 
Ausnahme 6er perftimmten Komantifer wetteiferte man von 
allen Seiten, 6en talentvollen Dieter 5U ermutigen, im 
<5eifle ZTCoIi&re's fortjufd^affen. Dergleichen Aufmunterung 
fdjaoet niemals, obgleich Augier 6ie Kraft un6 6en Drang 
in ftcf} uerfpürte, pon 6em befd^rittenen fcfjweren Pfa6e um 
feinen Schritt mehr abjuwetcr/en. <£r wußte fein? wohl, 
welche Hemmungen un6 Enttäufdjungen felbf! 6em beften 
Calent un6 6em beften IDiOen beim fünfllerifd^en Schaffen 
peporjieijen. 

5u feinen erbittertsten (Segnern gehörten 6ie Iiterarifc^en 
3nfurgenten pon Anno Dreißig, 6ie enragirten Komantifer. 
Sie perfolgten 6en unabhängigen Dramatifer, 6er fleh ge» 
ber6ete, als ob es fein romantffdfes Dogma in 6er Welt 
gäbe, mit ihren haften Angriffen. Sie mäfelten an feinen 
Perfen, fan6en feine (Behalten tyiusbaden, feinen <5eift 
pulgär. „Le po&te du bon sens!" nannten ftc ihn mit 
6ünfclhaftem Hafenrümpfen. Aber jie ahnten feine 3e- 
6eutung, 6ie um fo gewichtiger wur6e, je mein* er 6ie Cra- 



öitioncn 6es fLiffifdjcn nationalt heaters in feinem bvamattfdjcn 
Schaffen nrie6er 3U 2Infchen brachte un6 6ie romantifchcn 
tfecepte mit Deraajtung ftrafte. Seine (Einfachheit un6 
Hatürlic^fcit erfüllte 6ie ^YP^rp^ntapen mit €ntfefeen. . 

WS erfdjien fein 6rittes Stücf, pieractig unb wiederum 
in Herfen, 6ie er trofc aller gegentheiligen Behauptungen 
cbenfo leidet als meifterhaft han6fjabte. (Titel: „L'Aventuri&re". 

Die Abenteuerin l}aitc mef?r (ßlücf, als 6er Biedermann. 
3<h bin geneigt, 6tefe tZfyxtfadie nicht allein pom Stah6punfte 
6er 2Tugier'fch«n Kunfl, fonocrn aud? 6er reellen Welt» 

• • • 

erfafjrung gans in 6er £>r6nung $u fm6eiu . , 

(Es ift nicht tpafjr, 6ag h icn i c0 * n immer 6ie (Cugen6 
ftegt. Der Stärfere fiegt, ob er ein Cump 06er ein 
Bic6ermann, im Kampfe ums Dafein. Knüpft euch auf, 
ihr theatralifd?en UToraliften ! Die Cugen6 ftegt nur 6ann, 
rocnn fte juglcich 6ie Stärfere ift. €rariefenermaßen ift fte 
es aber nicht immer. Um 6ie Unterlegene ju rehabilitiren, 
mußte 6as menfa^Iiche (Bemüth über 6as Dieffeits tynaus» 
fchmeifen un6 erft ein 3*nfeits erfm6cn, wo 6ie fcf/i ff brüchige 
(Serea^tigfeü im Hamen einer Dielbelobten ftttiidjen lüelt- 
or6nung ihren legten 2fafer iperfen un6 ihre perlorenen 
Proceffe reoi6iren famu 

3« fcr XOelt 6es frönen Sarins, auf 6er Schaubühne, 
herrfdjt freilich eine gen>iffe poetifche (Berechtigfeit in unein- 
gefdjränfter Ulachtpollfommenheit. Sic tyti aud} im 
Augicr'fchen Stücfe 6as lefcte IDort nach altem ^erfommen 
un6 jur Satisfaction aller Schtpachmüthtgen. 

Um 6ie Cection 3U perftärfen un6 6te Schlichtheit un6 
(Süte 6er bürgerlichen Sitten noch nach6rücflicher 5U per* 
herrlichen, l)at>bet Dichter {860 noch einmal $an6 an fein 



XDcrl gelegt unb bie „Aventuriere 44 umgearbeitet. €s gelang 
ttjm trofcbem nicht, bamit ein Hepertotreftücf ju fcfrjaffen. 
T3\e Ulbert teuerin tfl heute fo gut roie rerfchollen. Seit \Q67 
xoutbe *jte nicht mehr gefpielt. 

Gilten beflo nachhaltigeren Criumph erhielte Augier 
\8<*9 mit 5er fünfactigen Komöbie „Gabrielle 44 . Die Sefrie- 
bigung roar fo groß, foroohl im Cager 6er 2lep^etifer # als 
in ber (Bern ein be 6er ZTToraliften, ba$ bie etyrnulrcngc 
2ttabemie ein Uebriges tlnm unb ben (Tugcnbpreis ZTTonthyon 
5roifd)en Jofeph tfutrart, bem Derfaffer einer feitbem per* 
geffenen „Fffle d'Eschyle", unb bem Dieter ber „Gabrielle" 
tr/eilen mufte. . 

Unfer oben ritirter Canbsmann Dr. Kalifdj fyxt unter 
bem (Einbrucfe ber erften Aufführung, ber er im Ijaufe 
ZTToliere's beijuux>hnen bas (Slücf hatte, folgenbe pon ber 
<ßluth ber Begeiferung angehäuften Bemerkungen nieber* 
gef abrieben: 

„(Emile 2lugier xvufcte in biefem Stäcfe ein fatales 
<5ebrefen unferer mobemen 5amilien3uftänbe bloßlegen. 
€r h«t ben 2(bgrunb ge$eigt, in meldjen ein IDeib ftch unb 
feine ^amilie flä>$t/ bas in bem überfpannten, ben Boben 
perlierenben Somantiftren bie poefie fo $u fagen außerhalb 
ber Poefie fudjt. Slugier fyit in ber „Gabrielle 44 bem ftillen 
häuslichen <8lücfe ben rein|ten <Bkm$ ber Poefie pinbicirL 
Sein Cuftfpiel ift eine PerHärung ber €he. Die ttTänner 
applaubirten baher mit VHxljtliaftet Begeiferung unb nach 
ber Starre bes Applaufes fonnte man fo ziemlich auf bie 
(Tugenb ihrer frauen fernliegen. "ZlTancr/er arme VXann 
applaubirte {ich f a fl oic Qänbe rnunb. Viele grauen aber 
hielten bie feingepieften 3attiftfänupftücr}er ror bie Hugert 

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75 



un6 n?einten entu>e6er C^räncn 6er Heue 06er (C^ranen 6cr 
freu6e über ihre feuerfefte (Tugen6. XDer fann tT^ränen 
unterfcf^ciöen? Die Darfteüung 6er „Gabrielle" hat ge^etcjt, 
roelcrje treffliche Kräfte 6as Theätre-Fransais für 6ie Kom$6ie 
noc^ immer beftfct unö 6ag es am €nöe 6o<h 6ie einzige 
Bühne 6er IDelt ift, wo ein nahrhaft nationales Cuftfpiel 
poqäglid} aufgeführt rr>irö". 

Das im mitjeitigen Homane fo ^artnacfig befefyoete 
3nftitut 6er legitimen €r)e h a * f om *t m Qem feurigen 2Iugier 
einen Hpoftel gefunoen, 6er es mit €ngels3ungen $u per* 
tr/eiöigen permochte n>i6er 6ie liftigen CeufelsfraHen 6er 
focialen Revolutionäre beiberiet <0efcr)lecr)ts. Der Dichter 
hatte 6en fjausfreun6 un6 €hebruchs*Can6i6aten $u (Bunften 
6es rechtmäßigen €h«h errn abgefchladjtet un6 6ie poefte 6er 
familie glänjen6 gerettet — auf 6er Bühne! 

Der Sdjlußpers gibt 6as Hefume 6es Stücfes: 
O pere de famille, o poete, je t'aime! 

Das ging alfo ju: 

2Ha6ame Oabrieüe liebt ihren (ßemahl Julien, einen 
ganj por3Üglicr}en un6 fympathifchen ttlenfchen, nicht mehr. 
3h r caprieiöfes f}erj fühlt ftd) unn>i6erftehüch ju ZHonjteur 
Stephan, 6em Secretair ihres (ßemarjls, r/ingejogen. Sie iß 
auf 6em Punfic, 6iefem Schlingel Ellies 3U opfern, ihre 
Pflicht un6 ihre fyre, als 6er bieoere €hfherr, 6er 6en 
traurigen Vornan recr^eitig gewittert tyit, mit 6en fonorjlen 
2(Ieran6rinem 6a3n>ifchen fommt un6 mit ebenfo göttlicher 
Cangmuth als 6ip(omatifcher (Sefcfjicf licfjf cit 6ie perirrte Seele 
auf 6en Pfa6 6er Cugen6 $urücfführt. Der (Ehebruchs- 
Can6i6at per6uftet un6 6ie (Eheleute fmfen ftd> särtlich in 6ie 
2lrme — eine ZITetamorphofe, 6ie nur 6en einsigen fehler 



76 



Ijat, in ba5 Hfi^ &r Jeen'2T7ärc^en 311 c 
ben <£f?<araf ^ r tffcriame (Sabrielle 
unlo^ifcf?, fin^n j« muffen. 

3n ber ptylippita bes ZTTamtes 
ftößt man auf ben mertmürbigen 2li 
bredjen fei 

GrotesciVLGment ignoble, k moins d 
2lUe ZVetter, bas fyezgf ben Xbvoco 
öodp ein aar 311 bequemes Argument in 
<jf3 ift mir unetfinblxd) , traft voe] 
bredjern bie XDaljl geladen werben I 
gratest ober — fublim 511 pn6cn. 



d by Google 



Tladj 6em an6auern6en un6 geräuf4>poHen (Erfolge 6er 
„Gabrielle" ging \ 850 6er €inacter JLe joueur de flüte" fafl 
unbeachtet über 6ie Bülme. Das aufgeregte publifum fdjien 
feine £>l)ven mefjr $u haben für 6en fanften Klang 6er 
Sdjäferpfeife. €s perlangte ein Dies irae mit fd}mettem6en 
pofaunen, mit Orgclfajall un6 <Blocf engeläute; es perlangte 
pafftonirte Settungsthaten, Scenen, »ua^tig un6 jermalmenfr 
wie ein XDeltgeridjt 

rief es aus, mit feinen Komö6in hat uns 6er 
tfTonfieur 2tugier erft einen Ringer gereift; mir fysben ein 
Untedft auf feine ganje fym6. <£ r ifl uns jefct ein grofes 
Drama ä la Victor *)ugo fdml6ig! 

Hn6 6ie große, fdjlau ca(culiren6e tEragö6in Haaßel trat 
$u 6cm Poeten un6 tpifäte mit flaffifcr/er <ßeftc un6 einem 
tfccent, 6er feine XDi6erre6e 6ul6et: „€me €rtraroH* für 
mich, 6ie leibhaftige ZTCufe 6es tragifcr)en Spiels, sTl vous 
plait!" 

tfugier fügte ficf). Cr perlieg feine eigentliche Domäne 
un6 b\d)iete ein Crauerfpiel in fünf Tiden — auf Beftctlung. 
1852 hatte er 6ie „Diane" fertig gefdf rieben. So grof aua> 



78 



ber Uterarifcfje ZDevtl} 6es forgfältig ausgearbeiteten Stüdes xtxxr, 
\o «rjiette es bodf nur einen geringen Bühnenerfolg un6 felb(l 
bas Spiel 6er 2?aa?el roar o*mmäd}tig, an 6er ettoas lahmen 
^anblung ein Ontereffe $u erroeefen un6 lebenöig 5U erhalten, 
bas burcrj Ü)ugo's Drama „Marion Delorme M fafl oolIflan6ig 
erferfopft roar. fortan Initete ftdj 6er Dieter a la t>ictor 
Jjugo 5U fdjretben. €r roar fidj ZHann genug, um in 6er Be- 
fdjränfung auf 6ie feinem urfprünglicr/en Calente angemeffene 
(Battung ftd} 2Tteifterleiftungen oerfpredjen $u formen. Die 
romantifdje tEira6en«tTragö6ie roar eine Perirrung. 

Der „Joueur de flute" ift ein Cabinetsftüd eleganter 
Perftftcation im flaffifa>en <5efd>macre. Die Jntrigue ift 
^a?ft einfad>. Die Scene fpielt in Corinty. Der Sclaoe 
<£!>alci6ias, 6er fld> anfänglia? für 6en reiben Striojarbane 
ausgibt, Pfaumis unb Bomilfar merben um 6ie (Bunft 6er 
fd>önen TXtipnetm Cais. Cfyalci6ias tr»ir5 erhört Die 
Courtifane oerfauft ifyre XITöbel, um jtdj ermas KleingeI6 
un6 eine neue 3ungfraufa}aft $u maa>en un6 reijl am <En6e 
oes tfetes mit 6em glücf liefen Cfyalri6tas ab. IDofyin? 
Xtatürlidj nadj Sdjlaraffien, n>o 6ie famofe „Meinfle fjütte" 
per)t, 6ie nad} 6er Sage Kaum genug bietet 

„tfür ein gtücflidf lieben6 Paar". 
Die Cenfur tfyat fe^r prfioe, fo 6ag 6er fjübfaje €inaeter 
feine liebe Xlou) fyatte, ftdj 6em Publifum 6es Theatre 
Fran9ais oorjufteüen. €benfo bei 6erXeprife am 3. &pril J860, 
6ie nur 6em Umftanöe 5U peroanfen roar, 6ag am ^ebruar 
oorrjer 6as tfugier'faje Komoren als ^eftfpiel jur (Einmetyung 
6er Maison romaine 6es prinjen Hapoleon in 6er Sloenue 
ZTTontaigne oor 6em faiferlicr/en f)of un6 feinen Jntimen in 
Seen* fpUt gefyen 6ürfen. Wenn 6er Joueur de flüte M 6ie 



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(Tugen6probe por 6er frommen Kaiferin (Eugenie befiehl, 
fagten ftdj 6ie ^n>etfen Cenforen, bann permag er bas 
Seelenheil 6er parifer nic^t mehr ernftlich $u gefahr6en: 
passons! • • . • 

Das 3al?r 1853 reifte 5tr»ei tDerfe: „La pferre de touche u , 
fünf Acte in profa, un6 „Philiberte" 6ret Acte in Herfen, 
Cefcteres mur6e im (Symnafe mit (Erfolg gegeben, obfchon 
6ie noch romantifch gewöhnte tfrttif 6as Gutachten publidrte, 
6ie anmutigen un6 geiflreid^en <Ein3elheiten feien nicht im 
Stanoe, für 6ie Dürftigfeit 6er Qan6lung ausreichend 
(Erfafc $u bieten.' Pier >hre fpäter muroe „Phffiberte" auch 
von 6em Theätre Fran9ais gegeben. Die Kritif . märmte 6ic - 
alten Hörgeleien auf. Dafc 6ie <5efd^id>te einer geiftreichen 
un6 tugen6haften Dame, 6ie fta? für fyäßlid? un6 pernad^Iäfftgt 
^alt, obfchon ir>r ba!6 6ie Courmacher nicht mehr fehlen, 6rei 
Acte o^ne 6ie lan6läufigen Penpidelungen $u füllen permoge, 
6as wollten 6ie geftrengen Qerren nicht $ugebem Die Schürjung 
un6 Cöfung 6es Knotens 6urd? einen blogen Porgang 6es 
(ßemüthslebens, 6urdj eine frie6fame €polution 6er feelifchen 
Stimmung tfyit ihrem theatralifd>en Senfdtionsbe6ürfnit 
nicht genug, ^ür 6ie breite un6 portrefflich beleuchtete geichnuna, 
6er Charaftere mußten fte 6em Dieter feinen Dan!. €in 
Stücf, in 6em nichts in Stücfe geht! 6eclamirte 6t« fritifche 
Permunoerung. * ' — 

(Eine ähnliche ^ormel, nur viel geiftreicher, fan6 6et 
feiige Dr. £en6ner, als er (BufcrWs „Uriel Acofta" fah:'. 
Cauter 3u6en — un6 feine *Jan6!ung, unmöglich 1 

„La pierre de touche", 6en Probirflein, lernte ich J uer t* 
in einer italtenifchen Uebertragung fennen. 3m Spatherbpe 

1877 tpohnte ich 6er Aufführung im PaüV Charter in Horn 

♦ 



80 



bei, too bas übertriebne Spiel 6er <5efeHfdjaft Pietraboni 
bas von (BemüfljlidjFeit triefenbe Stücf — bie Reiben 
beweiben pnb d^riftliaVgermanifdp XtTaler, HTujifanien, ab* 
9eunrtl)fd>aftete Slbelige unb ein echter uierbeiniger Qunb — 
\ tdjmärjUdj $u fall braute. Die Hbmer warfen ftdj in bie 
Bruft unb »igelten: Das ifl ja bie reine f)unbefomöbieI 

Der abfällige Sprud} ber Kömer perbient aber feine 
ernftljafte Beachtung, falls er, ftaft auf bie Sdjaufpieler, auf 
ben Dramatifer besogen roeröen mollte. Die fd?5n ge* 
fdjttnmgene Cinie ber f)anMung erfaßten burd) bie fordrte 
Darflellung, ber fein Ciajt Ijell, fein Statten bunfel genug 
mar, unruhig unb uielfältig gebrochen; ber frifd)e fjumor 
unb bas innige <8emütlj litten etwas Karifirtes in ber 
feiten gelungenen 3^ a ^ an ^ run 9* Crofc biefer Perunfialtung 
erhielten einzelne Scenen, $. B. jene ber tTeftamentserÖffnung, 
eine burdffdjlagenbe XDirfung unb bas römifdje publifum 
fonnte nicfjt umlnn, ber präajttgen vis comica bes 
Dramatifers ben gebüljrenben Seifall ju jollen. 

3n paris n>urbe ber Probirftein am 23. December 
J853 jum erjlen HTal gegeben. Die fabel ber HomSbie 
tjl aus bem 3ules Sanbeau'fdjen Homan „LTifSritage" ge- 
sogen unb ber Xomanrier felbft auf bem tn?eater$ettel als 
2fugier's bramaiifdfer Mitarbeiter genannt 

Diefe IDeife bes gemeinfamen bramatifajen Staffens, 
ber literarifdjen Kollaboration auf bem fdjtpterigften Pro. 
buctionsgebiete, bie Ijeute in paris eine fold}e tfusbelmung 
aetponnen fyit, baf fle bereits ein pon Hiemanb meljr bean« 
fianbetes (ßetpofynffeitsreajt in ber poetifdjen gunft getporben, 
erregte in iljren Anfängen nitfy geringen 2lnfto$. 

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XDit fyabctt tyute Sauiftfteiler« firmen, meiere bie fdfön- 
geiftige Probuetion förmlich als £ommanbitgefd;äft betreiben. 
W\v haben Cieferantcn von bramatifchem Rohmaterial, bas 
in ben Roman« unb ^auocpiüe-^abtifen literarifdjer <5ro|» 
inbuftrieller ju gangbaren HIobeartifeln für ben in- unb 
auslanbifcrjen 33ebarf perarbeitet nrirb. IDir ^aben betrieb« 
fame Kleinhäubler , welche pifantc Jntriguen, fenfationeÜe 
fabeln für Mareen un6 £>pereften erfinden ober aus anberer 
fjanb enperben, um fte an öie ben internationalen tfTarft 
beherrfchenben poefte» Unternehmer $u perfaufen, meldte aus 
biefen Ph<mtafte«<£ocons nopelliftifchc ober öramatifd^e Seibe 
fpinneu, je nad) 6er augenblicklichen nachfrage. Hur$, feit 
man bas literarifdje (Eigentfnim erfunben unb in ben 
fymbelsgcfefcbüäVm allmählich juribifch fairt, fyd ferne 
moglicr/ft ergiebige Ausbeutung bie mannigfaltigften gönnen 
ber fd}riftftcllcrifd)cn Afforiation erzeugt. 

Da^er gewahren nrir PergefeUfchafiungen pon Autoren- 
Hamen, bie getrennt gar nicht mehr porftellbar fmb. 3dj 
erinnere im Roman — ober mercantilmäfig gefprodfen: in 
ber Romanbrandje! — nur an ^r^mann-Ch 0 *™" 1 ' an bie 
. (ßebrüber <S5oncourt, an t?aft«Ricouarb, im Daubepide unb 
in ber Komöbie an ^oucher unb Regnier, an ZITetlhac« 
^alepy, in ber farce an Hajac unb fynnequin. T 

,<£iner ber geroerbfleißigften Citeraten unferer mit äffen- 
mäßiger (SefdjnHnbigfeit probucirenben $M mar ber jängft 
oerftorbene ZTConfteur (Elairpille, beffen Harne, genau gejault, 
in pierschn (ßefellfchaftsfirmen porfommt unb ber theils allein, 
thetls mit feinen <5efchäftstheilhabern fiebenhunberi Stüdt 
Perfertigt hat/ von benen einige, n>ie bie „Fille de Madame 
Angot", einen gerabeju phänomenalen 2lbfa$ erjielten. IDenn 

Ol. 0. Contaf, parlflani. © ' 



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82 



fyeut^utage bie nteipcn <S5efd?äfte über Hücfgang oöer Hieöer. 
\c19e Hagen, fo madjt öas Citeratur- (Befand ft 6er parifer 
r)\et>on eine erfreuliaje IXusnatynt. . . . 

XXxxx tpieöer auf unferen 2Ukjicr jurücfjufommen, fo ift tu 
kenterten, öaf er nur einen mäßigen (Sebraud? pon öiefer 
21rt bes Citeraturbetriebs gemalt fyat. Dreimal Ijat er mit 
3uies- Sanöeau, $n>eimal mit €öouarö Bouffier unö einmal 
mit 2llfreö öe ZHuffet 3ufammengearbeitet. 2lls ilm öie 
2lf abernte unter öie^af}! öer^Unfterblia^cn'' aufnahm, perfäumte 
fic ntdjt, ifm päterlid} $u ermahnen, fünftig öie <£ompagnie» 
Arbeit ju metöen unö feine Ma?terifa> Jnöipiöualität ntajt 
öurdj fremöartige tfnfyängfel in ifyrer poüen (Bettung $u 
bceinträdjtigen. 21üd} öas IDort £a Bruy&re's u>arö citirt: 
21Tan fdjafft fein iHeißeriperf 3U $n>eten. 

Allein 2Iugier fonnte Oer Z?erfud}ung 0007 nicht mioer* 
ftefjcn. €r befpridjt öiefen Cafus felbft in folgenöer IDeife: 
• //34 kd* ein™ Kollegen sum intimen ^reunö, oer fo 
ipenig als idj bie <8etPof?nf?eit öes CoIIaborirens r)at. IDir 
ftnö beiöe feine leiöenfdjaftlidjen Salonmenfdjen, fonoem per- 
bringen pielmeljr mit Belagen öie 2lbenöe am ftitlen Kamin- 
feuer. 2TTan plauöert öa pon taufenö Dingen, »te 6er 
^antafio unferes lieben iTtuffet, in6em man all* öie Käferajen 
einfängt, 6ie öas Cidjt umfdjroärmen. Wenn nun* unter öiefem 
flattemöen ITadjfpolf audf bie Jöee ju einer Komäöie mit 
fjerbeifdjnrirrt, wem gehört fte? Uns beiöen — unö feinem. 
£nttpcöer muffen wir fte mieöer fortfliegen laffen, 06er jic 
ungeteilt behalten. .... So fyaben nrir öenn unfer Stöcf 
in einer poüfommcncn Cofyabitation öes <5eiftes gemalt. 

2Ius öiefen 2(euferungen öes bieöeren Olympiers geljt 
flar fyerpor, öaf feine Compagnie • Arbeit ntajts mit öem 



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Mechanismus gemeint tyü, 6er heute 6ie Kollaboration in 
6er Pari [er Citeratur beherrfcht. <£s märe 5a fyer auch ein 
muffiges Beginnen, in 6en IDerfen Sfugiers nach 6em tTr)ct(e 
$u formen, 6er feinen Mitarbeitern entflammt, 6enn er ift 
mdjt meß- noch magbar, weil er faum über 6as Stab tum 
einer anregenöen piau6erei fnnausreid}t. 2Iuf 6iefe Mit- 
arbeiterfdjaft reichten, ^iege für 2Xugicr naij feinem eigenen 
2lus6rucfe „6em Vergnügen entfagen, am Kamine pertraulid? 
$u plau&cm, comme d* honnetes gens". — 

Der „probirftein" ift nicht eigentlich eine Sittenfomö6te, 
Jon 5er u Dielmehr 5io 6ramatifcr)e <£ntn>icfe(ung einer 36ee; er 
5eidmet nicht im naturalißifcr/en Sinne <ßefeü*fdjafts. un5 
<5emerbsf laffen, fon6ern er oertfyeiöigt eine Chefe . Das ifl 
feine Schmähe auf 6er Bfilme. Das ganje Stücf liegt in 
einer einzigen perfon, in 6em Muftler 5ran$ XDagner, 6er 
fia), folange er arm ift, in unaufhörlichen 3™*rti**n 9<9*n 
6ie Heia>n un6 Porncfnnen ergebt, un6 nad^em er plöfclich 
6urd? eine €rbfcr/aft reich gcmor6en, 6en Derfucfmngen 6es 
<Bol6es unterliegt, feine Dergangen^ett, feine Kunft, feine Ciebe 
Denrath un6 6as leben6ige (Erempel aller €rbärmlt<hfetten 
einer l?altlofcn*natur mir6. Die £ljarafter.€ntoi<felung ift 
von ergreifen6er IDahrheit. 

Das publifum fyxt jeooch 6iefes Schaufpiel nicht nach 
feinem (ßefa^maefe gefun6en. €s hat es mei6lich ausgepfiffen. 
Die Kritif lehnte es gleichfalls ab un6 maebtr 6en Perfaffem 
einen unbilligen <Ten6enjprocef . €inc fpätere «geit mir6 mellei^i 
an6crs urt^eilen. Meines €rad?tens ifl 6er „probirflem" 6as 
intereffantefte un6 beftgefajriebene Stücf, 6as aus 6er doüabo. 
ration tfugier's mit 3ules Sanbeau h*nx>rgegangen tft. ..' 

3m 3af>re \855 braute tfugier im Dau6eDille-£fccifcr 



» . ... 

Oigitizecf 



einen DteAacter in profa „Le manage d'Olympe", der an 
«yeHcnbcr £>cmbUtng mit 5er „Camcliendame" des jüngeren 
Dumas wetteifert, öiefelbe aber durdj fdjärfere und correctere 
Beobachtung bes Cebcns und rücffyaltslofere IDafn-fyaftigfeit 
übtt^ü^cU. XHe JOlympia ift übrigens t>on anderer Haffe 
als o\e ^d)tD\Tibfücr)tige 2ttargaretfye (ßautfyier. Olympia ift 
eme „Coqulne" in 6er gansen Stärfe des 2hisdrucfs. Sie ift 
\o \\c\ gefallen, als ein IDeib in diefer fündigen IDelt überhaupt 

m 

fallen tann. €s ift ifyr and) fo rnoty in dem abgrundtiefen 
Sdjmulj, 6a§ fte aus eigenem moraIifd?en Heinlidjfeits» . 
Befcürfiüfc nie die leifefte 2Inftrengung perfudjte,~fta7 aus dem 
Unratt? ju ergeben. Hadj i^rer Verheiratung ift fte genau oaffelbe 
noef} , das fie voxljcv gemefen — jeder Blutstropfen eine Dirne. 

2>ie Dere^rlidjcn ^ufd^auer fanden das Stücf uiolent, 
brutal, ereefftp; fie pfiffen es aus, fyauptfädjlidj um feines 
Sdjluffes willen, der eine Cöfung' bringt, unerbittlich wie die 
eiserne (Seredjtigfeit. nidjtsdeftoroeniger bleibt e§ ein ftarfes, 
großes XDerf, pieüeidjt das poöftändigfte und d)arafteriftifd?fte 
6es Dieters. • 

' Xüie Diele blöde 3eremiaden fyat nidjt die com>entionelI 
georillte Kritif über diefes flammende dramatifdp <8emälde 
gefeufjt! Umfonft. Die ^eud?Ierifdje tDelt fage, u>as fte 
tDolIc. 2(ugier mird nie dem (Effect $u Ciebe oon der Cinte 
6er IDaljrljett abtreiben. Bringt er eine Crudität, fo dürfen 
u>ir »erftd^ert fein, dag fte Umt pon feiner !ünftlerifd)en wie 
ftttlidjen Ucberjeugung dictirt tporden ift. 

ZDie das The&tre- Francis \87$ mit dem größten 
(Erfolge die Arbeit des jüngeren Dumas „Demi-Monde" 
aufführte, die $tpanjig 3afjre lang dem erften Sdjaufpiel« 
fymfe der ^ransofen als unannehmbar gegolten; fo wird 



• • * * 

.* • 

t« 



^ »-. . ; r /. .; . . ' * . Digitizesj b'y-G 



eines Cages geu>ig audj 6ie „Manage d'Olympe" im 
f)aufc HToliere's an 6ie Keifye fommeit. Die <5efd?macfs. 
bil6ung 6es publifums u>ir6 nid>t ewig auf 6er romantifd?en 
€felsbanf nerljarrcn, fonöem 3U r/öf?eren Stufen 6er Kunfi- 
einfielt porfa^reiten un6 6ann felbft 6ie flärfere Speife unum- 
n?un6ener lüaln-ljaftigfeit un6 Haturtrcue oerlangen. 

3m 3al?re \S56 fam 6er „Gendre de Monsieur 
Poirier" im Gymnafe-tpfcater heraus, un6 im gleiten £>rte 
un6 im gleiten 3af>re erlebte nod> 6ie 6reiadigc „Ceinture 
doree" ifjre premiere. 3ei 6iefer außeror6entlidjen ^ruef/t. 
barfeit 6es Dieters ift es nidjt $u r»erroun6ern, trenn fidf 
^uroeilen ein fdjujädjeres CagemerF in 6ie £ifle feiner Schlag 
auf 5<r)Iag ■ folgen6en Hterarifd?cn Arbeiten 6rängt v. Die 
„Ceinture doree 44 ift ein fola>es. Dafür ift 6er „Gendre 
de Monsieur Poirier* 4 um fo meiflerfyafter ausgefallen. 
Seit \86$ r/at ftd) 6as Theätre- Francais 6tefer derartigen 
Komöoie bemädjtigt un6 in tfyr ein Kepertoireftücf von 6er 
unueripüftlia^ftcn 5uö* ra f* gewonnen. 

2Iugier ift nunmehr in 6en Qör/epunff feines Staffens 
eingetreten. Seine 6ramatifd}e Hatur oocumenttrt tfn-e 
Dollreife. 3 m »»Gendre de Monsieur Poirier 4 ' tft 6te 
2tugier'fa> profa pon einer entjücfen6en irifa^ un6 präcifion. 
Die (Beftalten erfajeinen in gc6iegenfter Dura7bil6ung. Sie 
fin6 non einer fo warmblütigen Kraft un_6 Sinnlidjfett, ' 
ba$ fte im Hu populär nwröen un6. 6en griesgrämigften 
Hritifer entwaffneten. Die (Befellfdjaft, in 6eren ZHitte 6i* 
f)an6lung ftd) abfpielt, ift mit einer €nerg!e gejetdptct, 
mit einem fo genialen Dcrflän6ni6 für 6ie bleibcn6eu, ewig 
menfdjlidjen Süqq in 6er €rfd)einungen ^ludjt, 6af 6iefes 
Stücf 6en IDecrjfel 6er Reiten un6 forialen Suftänbt über» 

m Im * . * 



bauet n rovrfe, obne an feiner Bedeutung trvf entlief? ein^n Inigen. 
Det D\<?t)tcr fci>Ü&ert die Conflicte, 6ie aus 6er Kreu$ung des 
eitlen, auf feine Pergangen fyeit erpichten, aber ofonomifa> 
unb moraUfcr) ruinirten 2ldels mit dem nad) »ornefymen 
3Xusy\dinuuaen lüfternen, burd) Ijarte Arbeit reief? gewordenen 
©er»ctb\lanbe$ fidj ergeben, . fonrie den fefilie glichen Sieg des 
Büt^extljums über eigne und fremde Porurtljeile. Per. 
" - "Kampf junfdjeh der alten IDelt, reprafentirt duray den 
afceUgeu Scfjwiegerfofm des reiben und biederen Gemüvy 
trämers Poirier, und der neuen IDelt, reprafentirt durdj das 
etjrfame, tüchtige V)aus des alten Poiricr, r>oÜ5icr)t ftcf> fried- 
fam innerhalb der uier tDände und im Kalmen der edjten, 
geregten Komödie. 

Die ^abel ift tfyeilmeife aus dem Äoman „Sacs et 
Parchemins 44 pon ^uUs Sandeau gejogen, und das delicate 
(Seroiffen 2Iugier*s fyat darauf gehalten, au<h diesmal wieder 
feinen freund als JTTitarbeiter öffentlich $u nennen. 

Das nädjftc IDerf „La Jeunesse' 4 , Komödie in fünf 
Tiden und in berfen, ift, um einen artiftifrfjen «Junft« 
eusdruef 5U gebrauchen, nad? der er ff en ZTTanier des Dramatifers 
gearbeitet, d. i. ofme den glänjenden 2lufu>and, ofme die 
grofen pajfionen der abfoluten Modernität. Die Derfe ftno 
pom beflen (Bepräge und eine erflecflia^e «Jarjl derfelben ift ju 
geflügelten IDorten geworden. 

Die erftc tfuffürjrung der Jeunesse 44 fand am 
6. ^ebruar J858 im £>deon ftatt, dem Sdjaufpielfyaufe des 
fateimföcn Hertel/ tr>o die entJmftaflifay ftudirende Jugend 
als fritifä>er tfreopag ü>e 5enten5en fällt, die natürlich 
feiten genug den grantelnden pfyiliftern der officiellen Kritit 
jenfeits der Seine beijagen. Diefe fanden denn aud}, dafc 



6tc .Jeunesse" naa^ Ejanblung, Sptadjc unb Stimmung flarf 
an Ponfarb's „Honneur et Argent" erinnere, tr>äln*cnb ' bas 
afabemifaje tfubitorium bes Obeon, fern wn muffiger 
Heminiscensen. Jägerei, oic liberale unb grofjmütfyige Cenben* 
bie wie ein frifdjes <5ebirgsn>affer burd> bie Derfe raufetye, 
mit ben reiajften Blumen bes Beifalls überfcfyüttete. 

21m 22. 21Tai beffclben Jahres trat Slugier mit einer 
fo nwdjtigcn, füfmen Sittenfomöbie mobernften . Stils im 
2?aubepiIIe»C^cater oor bas publifum ber Bouleuarbs, baf 
<£enfur unb tfritif crfajrecft sufammenfu^ren. €s beburfte 
ber perföulidjen Da$u>ifdjenfunft bes Kaifers ZTapolcon, um 
bie 2luffüfyrung $u ermöglichen. 

„Les lionnes pauvres" betitelte ftd? bas epoaymacfyenbe 
Wert. Bouffier mürbe als 2ttitarbeiter genannt. 

„Les lionnes pauvres" ftnb burd} £)errn Cinbau's 
Dermittelung neuerbings aud) in Deutfdjlanb über bie 
Bretter gegangen. 34 ^ ann ty' fr um f° faffat/ 
ba man in ber Ijeimatlidjen Preffe Innlänglid} rebfelig 
getuefen. Die armen Cötuinnen, b. i. grauen ber fogenannten 
befferen Stäube, bie ben Cfjebrucfj burdj proftitution ner- 
fdjärfen, unb burdf bie heimliche €infüln*ung bes Sünben* 
Iolms in bie fjausfyaltungsfaffe ben betrogenen (Ratten $um 
unbeujugten Compliccn unb Huf|nie#er ber Sa>anbe tnadfen, 
ftnb leiber fein Qimgcfpinnft bes franjöftfa^en Dramatifers. 
IDcr bie Haturgefdndjte bes Dolfes genau Fennt, roeifc, ba£ 
biefe unfelige (Sattung uon XDeibsIeuten eriftirt — unb nidjt 
etwa in bem als befonbers laftcrljaft perforieren ^ranfreia^ 
allem .... 

f)at ber Dramartf er ein £e07t,.mit rficffia^tslofer Jjanb 
bie fdjeinfyrilige Binbe »egjureigeri von bem Krebsfajaben, 



ber hu ^efcUfcf^fMd?«! Körper um ficr) frigt, unb mit bem 
giürjeubcn <£ifc« W nc * Kunft por aller XDclt lUi^cn in bie 
IDunbe ljmciTi3ubrennen? . Ober gibt es fociale Stäben, bie 
^\d> \c\ncr (Eompetenj ober feinem Hädjeramte. ei^ieljen? 
<Es> atbt immer noa? ^imperliaV Harren, Me einem 
Icbcubi^cn 2tugier perbieten möd>ten, was pe bei einem 
tobten ^Iriftoprjanes, Sfyafefpeare ober ZTIoliere gut feigen 
müfleu, um nia^t in ben <5erua> abfoluter Borntrtfyeit $u 
fomnten. 3n 6er Citeratur pflegen, im (Begcnfafce 5U einer 
xriel citirten Lebensart, bie Cobten Kea^t 3U jfyaben. 

Die JLionnes" Ratten fdjnxre Einfettungen $u befielen; 
allein bie täglidy mcfyr ftcf? befeftigenbe Autorität ifjres Ur- 
bobers tjat alle irgenbroie nennensmertr/en (Begner fc^Iieglt^ 
aus bem Sattel gehoben. 

307 rermeife nadjbrücflid? auf bie Porrebe, bie ber Per« 
f affer bem Certbudjc mitgegeben fyat. Der Cefer r/at nidjt 
511 fürdjten, einer aus geiftreidjen Sophismen unb patfyetifaVn 
Dcclamationen $ufammengen>obenen Differtation im Stile bes 
fjerm Dumas jun. 5U begegnen. Heben ben logifajen, 
cr)rlicf}en, Rumänen Xugier geftellt, fdjrumpft ber pratentiöfe, 
djriftfatljolifdjc Socialreformer Dumas $u einem ßaveeur ju« 
fammen, bem ber fjimmel fo gnäbig fein möge, "als es ilmt 
bie Welt, bie gan$e unb — fyalbe, bisher geroefen tft. 

Die I?elbin ber „Lionnes pauvres", XlTabame Serapione, 
ift eine ber gewagteren Figuren, u>ie man fie Dörfer nur 
einem Dumas 511 trauen mochte. Elber wcld)' eine über* 
irälfigenbc, jebes flcinlidje Sebenfen $u Boben fdjlagenbe 
ZPabrfaifiigfeit im Elugier'faVn tfrauentypus! Da ift Eitles 
ipurjelrjaft unb nirgenbs ftört eine Spur pon ber baroefen 
giction bes Dumas'fa^en * IDeltlebens. — . / 



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3m ^aiftc \8:>9 bc$e\d)t\ete bas fünf actige Drama 
„Un beau manage", 3ucrft im <ÖY mna f e aufgeführt, 6ie 
ununterbrochene Arbeit unferes Dieters. Bouffier erfer/eint 
hier $um jweiten un6 legten IXlai als fein 2TTitarbeiter. 

Das neue IDcrf, obgleich Feine Schöpfung erften Kanges, 
beftätigte 6ie Uebcr$cugung, 6ic aus 6er großen funftftürmenoen 
Debatte über 6ie moralifcr)c Berechtigung 6er „Lionnes 
pauvres" auch 6em 3lö6cften ftcr) aufge6rängt tyxbtn muf te, 
6afc 6ie 6ramatifcr/e Sittenmaleret un6 6ie fociale Satire in- 
fon6erheii in 2(ugicr ihren hcrt>orragen6ften Specialiften ge«* 
funoen fyxt •■•'•-*•,. . • 

3n 6er £fjat, 2lugier ift /ein umoerfeljer Dichter; er 
ift ein Spedalift, un6 6ie fchmer$licr)en IDirrniffe 6er heutigen 
(5cfeIIfcr)aft fm6 feine Domäne. ff'xex maltet _er 6cnn aud> 
wie ein echter tfpoftel befferer Cebcnsgcftaltung feines tfmtes. 
€r pre6igt, mahnt, ftraft, fpottet, aber ftets innerhalb 6er 
Säjranfcn, nrie fte 6as funfti>oll eingerahmte 6ramatifche 
<5emäI6e auf 6er gegenwärtigen Schaubühne fid> gefteeft fteht 

€r .ift fein Courtifane 6cs publif ums, , aber <xudt fein 
fühner (Brenjertpeiterer. f)err €milc Sola, 6er ftrenge Per- 



fechtet 6er naturaüfttfcfycii Kunfttehre, ift oeshalb auch nicr)t 
^anj $uf triebe« mit ityn. €r wirft ilmi Jn ängftlichc- Xficf. 
ft<ht auf Me ttjeatralifche Schablone, auf 6ie aft^ettfe^e 
Convention t>or. €r fin6et 6as Slugier'fdV Creator noch 
n\d)t ^mlän^ttdy gefäubert i>on jenen gelecften ,Jiguren, 6eren 
ITlobeU ftcfj in 6en 6ramatifchen Wext ftätten $u pererben 

Sola fdjreibt: „<Es iß feiten, in feinen C^ealerftücfen 
mdjt auf bas f ein* feufa^e un6 fein* reiche Jungfraulein 511 flogen, 
bas mdjt rjeirathen will, weil es [xdtj entfe^t, feines <5eI6es 
u>eaen genommen $u weroen. Seine Jünglinge fmo gleich- 
falls £)eroen 6er € fjre un6 Kccfyfdjaffenfyeit, 6ie in tCfu-änen 
ausbrechen, wenn fte frören 6af ihre Herren Pater auf 
roenig gereiften fya fte IDeife fich ihr Permögen erworben 
traben. 7Xl\t einem IDort: 6te fympatfjifche ^igur tfegt 
immer, ich meine 6amit jenen iöealen (Typus aller guten 
unb frönen <5efuljlc, ftets aus 6em nämlichen <5u|, ein 
magres Symbol, eine fneratifdje perfonificatiori, 6ie auf er- 
Ifalb' je6er lebenswahren Beobachtung ftefjt •• Das 

- märe alles recht fcf?ön un6 recht rubren £>, wenn es nur als 
mcnfcblidjes Document nicht gar fo anfechtbar wäre. Die 
Hatur fennt 6iefe fteifen formen nicht, we&er im <Suten 

noch im Bäfen Das ift noch nicht 2Hles. f)err 

2fugier peränoert oft einen Charafter mittelft einer ein3igen 
Bewegung feines 3 a uberftäbchens. Das Xecept ift befannt. 
2Tian be6arf einer Cöfung 6es Conflicts; 6a$u bereitet man 
fich eine groge €ffect-Seene 5U, in oeren $olge man 6en 
Cbaratter 6er betreffen6en perfonnage einfach umfehrt. 
Um nur ein Beifpiel anzuführen: man betrachte. [\<h 6en 
Ausgang 6es „Gendre de Mr. Poirier". IDahrhaftig, 6as 



ifl $u bequem; man Fann nid>t fo leicht einen Blonden in 
einen Braunen umfärben, als ftd> Iner die feelifaV IDand- 
lung polljie^t. Diefe plöfclidjen Umbildungen fmd geradeju 
fläglid}. €in natürliches (Temperament bleibt fid} treu bis 
jum Sdjluf, wenn nidjt langfam unrfenöe Urfadjen, die 
fef?r genau analyftrt fein trollen, recfy$eitig eingreifen . . * 

€s fann uns nidjt in den Sinn fommen, das Zu- 
treffende in der Kritif einer Autorität von dem Hange eines 
cfmile £o\<i in ^rage ju ft eilen, um fon? entger, als der 
eminente Kritif er felbft an anderer Stelle feiner Studie Le 
naturalisme'au Th£ätre die $afjlreicfyrn Qualitäten ilugier's 
gleidjertseife ins befte €id>t rücfh 

Die gemalten Zustellungen jugegeben, genügt es fjier 
$u betonen, dag 2fugier, roie fein 5n>eiter dramatifdjer Didier 
der Heujeit, Schritt für Sdjritt alle €ebensbe$ietningen der 
fran$öftfd>en <Befellfd>aft feiner dramatifdjen tfnalyfe unter- 
morfen fyat, ofmc por den Ijeif elften und complicirteflen~€r- 
fdjeinungen $urücf$ufdjrecfen. 

Das betpeifen feine „Effront^s" und ,JLe fils de 
Giboyer", 5a>ei fünf actige Stücfe, u>eld?e die (ginmiföung. 
der Borfe in den 3om*nalismus und die €inmifdntng der 
Religion in die politif $um 2?orn>urfe fyaben. i?ie erfdnenett 
\S6{ und \862 in ganj uortreff lieber Perforperung und- 
3nterpretation auf den Brettern des Th^ätre^Franyais. 

Seit den Kämpfen die einft iTToliere wegen feines 
„Tartufe" ju befteljen fjatte, n>ar es den parifem nidjt me$r 
uergönnt gemefen, einen foldjen Sturm $u erleben, n?ie iljn 
diefe Stüde, befonders das $u>eite, entfeffelten. Die (Theater» • 
Kaffe fuljr nicf)t fdfledjt dabei. Die dreifig erften DorfteHungen 
der ;,Effront£s« Qanuar (860 trugen ir>r einlnmdertfünfjtgv 



taufenb £tancs c\n. Der Kaifer unö 6te Kaiferin a>ofniten 
roieberrjolt ben tittereffanten 2l*uffüf}rungen bei. 

XOxe in ben «Effront£s" öer Journalismus, fo rouröe im 
JFils de Giboyer" 6ie legitimiftifcr/.Herifale parteifippe mit 
feurigen Kutfjcn gepeitfdjt unö öas jtDeiöeutige (Treiben ifn-er 
poKHfcf^en Salons öen pernidjtenöften StrcifHdnVrn eines 
genialen fatirifcr}en ^euertoerfes preisgegeben. 

Das ift fein Cfjeaterfiücf, öas ifl ein giftiges pamptyet! 
fdjrieen bie betroffenen unö es fyagelte Journal. tfrtifel unö 
3rofd}ören pro unö contra. — ^ 

Der Dichter antwortete in öer Buchausgabe feines Stücfes 
mit einer ?ur$en, aber fer)r glücflidjen Porreöe. tDüröeuoll 
unö bünMg ma^rte er 6er Kunft ir>re Autonomie unö betonte, 
<£r>arafterer aber feine beftimmte Perfönlia^feitcn gejeiefmet 
$u r)aben, — n>as freiließ öas pfiffige Pubüfum nia^t abhielt, 
aenriffe Hamen ju nennen unö mit öem Ringer auf jte $u 
öewten. 

„Der u>afu-eOel wäre", fdjreibt tfugier, „Les Ctericaux", 
o>enn tiefer 2fusörucf auf öem (Tfjeater gebräuajlicr) wäre .... 
<£s ifl fein politifdjes Stücf im gentffmliaVn Sinne öes 
IDorts, f onoern ein fociales Stikf, öeffen Sujet öen tfntagonis« 
mus sanften öen alten unö moöernen prineipien ofyne 
perfönltcf?feiten befyanöelt . . . ." 

Saroou, öer fanfte, glattrafirte 33onapartift, fyat fpäter 
etwas 21 cfmitdjes uerfudjt mit feinem Dielbelobten „Rabagas" 
öer feinerfeits öic öemofrattfdjen Begebungen an öen Pranger 
ftetten unö öcm ^Iua>e öer Cädjerltijfeit überantworten tränte. 
2Iber n?ie rerfünftelt, wie rerrenft, wie farifirt unö Operetten» 
haft itno Ml meiften öiefer (Typen gehalten! €s fefylt öem 
Stflcfe mdjts, als etwas £>ffenbaayfa>e JlTuftf, um es als 



eine politifdj angepriesene $arcc jener pulgär überfpaghaften 
(Sattung erfahrnen ju iaffen, wAd}c bei 6em publifum 6er 
3ouleparbstf?eaier fo t>icl <5lücf mad>t. 

Per Dieter 6es „Rabagas" ift 6er <£rbe Scribc's, 
öeffen 3ntrigucn«*{omö6ie aus 6er £>ppo|ition gegen 6ie 
flafftfdje Sdjliajtf?«* un6 (Benügfamfcit 6er 6ramatiföen 
fjanMung erwachen ift. Sar6ou f?at 6icfe oppofttioneüe 
Sichtung, 6ie man eine Seitlang als Theätre de genre 
pafftren lief, bis auf 6ie äugerfte Spifce getrieben. Seine 
f)an6Iung ift bei 6er ertremften €pifo6enroud}erung, bei 6er 
abeutcuerlta?ften Dielgefdjäftigfeit angelangt. Seine eminente 
feenifdje (Befcf/icfiiajfeit lieg ifa niety me^r auf falbem IDege 

ftefjen bleiben; fie 6rängte 6ie theatralifdje Caföenfpielerfunft 

• * ■ 

jusqu'au bout r ^ 

Dag 6iefe Sorte von (Theater rea^t amüfant un6 6arum 
beliebt ift, beroeifen 6ie ungeheueren tTriumpfye, 6ic fyvt 
Saroou mit feinen Stüden bei 6em publifum aller fjerren 
€an6er geerntet. Vom Stan6punfte 6er reinen Kunfl ftn6 6te 
Sar6ou , fa7cn (Erfolge freiließ belanglos. Die 5utreffen6e 
€rfenntnif 6er tftenfdjen un6 6cs Cebcns hat 6urdj 6iefe 
fursmeiligen 2TTarionetten • Stüde feinen ernftfjaften £\\tx>adis 
erfahren. Die Sar6ou'faV Beobachtungsgabe ift bei aller 
^ein^eit 6er Halterung für 6as tfrtueUe, für 6as momentan 
Kcisen6e l?öcf?fl oberflächlich. Die Satire fliegt fajt immer 
über 6as g>\e\ hinaus un6 6ie C^arafter5eid^nug trifft feiten 
6en richtigen <Ton. Die frauenhafte Ucbertreibung ift 6ie 
tfegel. 

©ans an6ers bei Augier. Seine Figuren, felbjt 6ie 
gewagteren, tragen immer noch 6en Stempel 6er tDafjrheit 
in me^r o6er weniger fcfjarfer Ausprägung. 



tttan betrachte öoa? öiefen unglücffeligen Journaliften 
<ß\bo^cr # ro \ine plume endiablee, cynique, virulente, qui 
cräche et eclalaousse", öer um eine angemeffene «Bezahlung 
(einen leiblidjen Vater mit Epigrammen fpiefen unb für 
^u\\^ Jrancs Crinfgelö ä la croque-du-sel au ff reffen roüröe! 
IBtld)' eine Canaille, öie uns <£ntfefcen unö ttlitleiö 
Sagleid) einflößt, öenn if?re grauenhaften Cfyarafteroerirrungen 
-entspringen im (ßrunöe sroei reinen Quellen: 5er Dcradjtung 
öer corrupten (Befellfdjaft, öie für öen armen, freigefmnten 
unb nad) Jretfyeit öürftenöen (Teufel nur ju|trttte~^at, unö 
einer unenölidjcn Ciebe unö Aufopferung für öas einsige 
Wnö, bas öem €lenö unö 6er Deradjtung entriffen unö $u 
einem unabhängigen, glücfliijen ^Hannes öafein erjogen 
u>erben foll. '• .. . 

Ulan bettadfte ferner liefen alten Jttarquis 6'Auberipe, 
eine geriebene Poltaire'faV Haiur un6 unerbittltdje <3unge/ 
«aber nidjt ftarf genug, um öen «Keinen bes 3ntriguenfpiels unö 
5er pifanten IDeiber, öie öie frommen Salons 6er Cegitimitdt 
nrie Centralfonnen befyerrfdfen, fidj entroinöen $u Fön ncn. €r 
tyü ein geißreidjes IDort für alle Cagen unö per fönen . Als 
bie Baronin an 6er 5ut>erläfftgfeit öer fäufliaVn preßlmfaren 
^nxifelt, bemerft er: „3m fjanögemenge gibt.es feine 
Selöner mehr; öie Keile, öie jte friegen, . bringen Urnen eine 
' Ueberjeugung beil" 

Unö nrie geigelt er, öer authenHfd)e €rbaöelige, öie 
^uöringlid)en „Bourgeois du droit divin", öie por öer 
2?erx>Iution eine beilige Angft emppnöen, roeil (ie öabei nidjts 
me&r 5U geroinnen hoffen l 

Der (Typus öief er für öen alten €öelmann fo lächerlichen 
ZTlenfdjenfoxU, öer „Bürger ron (ßottes (Bnaöen" ift ein 



getpiffer fjerr HIarechal, 6er Poll erheuchelter Begeiferung 
ausruft: „So lange 6ie lehren 6iefer Caugenichtfe (Doltatrc 
unc* Kouffeau) nid}t toöt un6 eingefdjarrt fin6, gibt es nichts 
^eiliges un6 feine 2U«5gIicf^feit mehr, feinen Heinum in 
Hü^e su genießen; oas gemeine Volt brauet eine Heligion, * 
Qerr Sttarquis!" €r fchmaajtet nach einer eclatanten C^at, 
um 6er lcgitimiftifa^en partei feine €rgeben^eit $u bemeifen. 
Da erroäljlt ilm 6iefelbe — faute de mieux — ju ihrem 
oratorifdjen Sturmbocfe bei 6er grofen Unterridjtsöebatte im 
Parlamente, fefneft ihm aber Dortfcfysfjalber 6ie Senfations- 
Hc6e pr un6 fertig ins fjaus, öamit er fte ausu>en6ig lerne. 
Bei Eröffnung 6es.6ritten HcUs tre.ffen urir ilm richtig bei 
6er fauren inemorir- Arbeit, 6er er ftch mit angequältem 
cf nt^ufiasmus 5U entle6igen fudjt. <£r hat ftch in fein Bibliothef • 
Limmer eingefchloffen , ein parlamentarifdjcs das «Jucfer« 
u?a(fer auf 6ie impropiftrte tCribüne gefleDt un6 beginnt nun/ 
\\d} hinter einen Stuhl pflan$en6, feine gewaltige He6e mit 
majeftätifa^en (ßeften $u probiren. f)ier ein Bruchftücf 6ar*on : 

„ilTeme Qerren! Seien Sie über$eugt, 6ie einjige fo!i6e 
Bafts 6er Politiken n>ie 6er moralifa^en IPelt ift 6er 
Olaube. Hia^t 6ie 2Uenfchenrechte muf man 6em Dolfe 
lehren, fon6ern 6ie Hechte <S5ottes; 6enn gefährliche 
IDahrheiten ftn6. feine IDaljrheiten. Tie Cehre pon 6er 
göttlichen (Einrichtung 6er Autorität mug 6qs erfte un6 Ie|te 
Wort alles Dolfsunterrichtes bleiben .. . . ." 

3ft 6as nicht Dortrefflich "ach &er Hatur 6er Xücf. 
fchrittspartei ge$eidniet? Das if! fo eract ins Schroarje ge- 
troffen, 6af man permeinen möchte, 6ie UTeffieurs £tysnelon$ 
im Perfaiüer un6 H)in6thorft im Berliner Parlament hatten 
ihre beften Schlagtporte bei 6em Dramatifer .tfugier geborgt. 



t 

ttUYm 6er betr>oren6e Singfang 6er falfdjen propfyeten ift 
«u>ia, urie bic XDelt un6 man fann ihn aller Orten hören, 
tdo ber fortfdjrcitenoe Polfsgeift feine unpcräugerHcfjen 
&cä)te geltenb machen «ritt. 

„3.Tleme fjerren! Seien Sie überzeugt, 6ie einige foH6c 
Bafts ber politifdjen n>ie 6er moralifdjen Welt ift 6er <5Iaube!" 

UDeldjcr (Staube? Der (Blaube an 6en — (Stauben 
6er Duntelmänner 

3<fy fage nichts von 6en 6rei grauenvollen im „Fils de 
Giboyer"; eine ift frappanter un6 föftlidjer, als 6ie an6crc 
3is auf 6ie engelreine, ftof$c Jernan6e fyat jc6e ifn* pfun6 
von Sarfasmen, ZHe6ifances un6 politifdj.regiliöfcr J}eim» 
lüefe re6lid} 5ugeroogen erhalten. 

Die flerifale Partei fpie in ifyren blättern ^euer un6 
flamme gegen 6en gottlofen Dieter. Seit 6as franjöftfajc 
(Theater befielt, Ijatte fie Angriffe pon foldjer XDudjt, oon 
folef/er ariftop^anifajer (Sroßartigfeit nodj nie erfahren. Sic 
rafte, allein fle Wieb olwmädjtig u>i6er i^ren (Segner. €s 
mar ifmt von feiner Seite crnfiJjaft bei$ufommen, n>e6er oon 
6er literarifaVn nodj von 6er bürgerlidjen. 2lugier . erfaßten 
^ im gldnjen6ften XDaffenfa^mucf, von Kopf bis 5U Juf mit 
allen Cugenoen 6es Sdjriftfteüers nrie 6es Pripatmannes 
gewappnet! 

Der ef>rumr6ige Couis PeuiUot, einer 6er bifftgften 
Ijäfyne 6er legittmifiifaVflerifalen fjofpreffe, rücfte gleia^ mit 
einem 6id*en 3an6in's tEreffen. Das curiofe Kampf n>erf 
führte 6en tTitel: „Le Fonds de Giboyer" un6 war in 
(Sefpradjsform gefdjrieben. Das eiferte un6 geiferte, ädftte 
un6 ttädftU, fcfmtätye un6 fragte aus Ceibesfräften. Peuülot 
$laüf>te um fo mein? ju 6iefem fyeroifa>n (Sang perpfliijtet 



3 u fein, als xfyn fein (Seuriffcn un6 We Vox populi unauf- 
Ijörlicf? zuraunten, er, 6er gefeierte Journalift, fei in 6em 
Sfugier'fcfjen Stücf fpred}en5 äfytltdf porträtirt un6 €fyren- 
Deobat getauft. €r füllte ftcf> perfönlii> getroffen — un6 
30g im Hamen 6er Partei um fo couragirter pom Ceöer, 
«in p^nomen, 6as bei flerifalen $efy6en ftd} am öftetfen 
beobachten läßt. 3e größer 5er Sünoer, 6efto größer 6ie 
prätenfion, 6ie f)eiligfett (Bottes un6 feiner £>r6nungen als 
<juseru>äf>lter Scfyltoräger pertl?ei6igen $u muffen. 

Die parifer Iahten — uno ZKonfxeur Deuillot fyitte 
fein pulper umfonft perfajoffen. Hur fein (Beftdjt un6 feine 
f)änbe erfdjienen nodf fajtoärser, als porfyer. .Seine 6icfe 
Hafe ifl fjeute nodj berühmter un6 populärer in paris, als 
feine 6icfe Streitfajrift »ioer tfugier, 5er fcibftperftän6Iia7 6en 
flerifalen pampljletiften feiner <0egenre5e n>ür6igte. Diefe 
<£reaturen gefym fdjließlia) 6oij am eignen (5ift $u <Brun6e, 
tpäfjrenfc 6ie (Bciftestfyat 6es freien un6 ganjen HTannes fort- 
»irrt pon <ßef07lea^t $u öefa^Ie^t. ' 

2lu$ ein Qerr (Eugene 6e ttlirecourt fucfye mit 6er 
Sefjäfftgen Schrift „Le Petit-Fils de Pigault Lebrun" fein 
2TIütfyJjen an 6em füfnien Komö6ien6id}ter ju füllen. 
Citerarifaj noa? unter Peuiüot fief?en6, ijl er ifpn je6o$ an 
reactionärer CafterfaftigfeU tpomöglid} überlegen, fo 6af 
feine Scf/mteralien uns nocf> tiefer 6en trüben 6run6 6es 
Klerifalismus erfajließen. Don 6iefem <8eftijtspunfte aus 
ijl fein pampfjlet faßbar als „f?eilige Bun6esfdjrift". 

(Einem (ßegner in 6er tDuftren 3rü6crfd}aft 6er „Un. 
fterbliajen" pon 6em Caliber 6es pocten Dictor 6e £apra6e 
begegnen $u müffen, mag felbft für 6en pielerfafymen Slugter 
«ine Ueberrafdjung gewefen fein. Der fanfte Sänger ^ei6nifa^er 

Ol. <B. toniob, paiiOana. 7 



lüftelctett entpuppte (icf) in 6em Streite u>i6er feinen afa6emifdjeit 
HUtbruber als 6as gröbfte un6 fdjamlofejle CäftermauL 
taprabe errjob ben tfnfprucr), im ZTamen fämmtlidjer Parteien, 
a\\o aud) bev von &ugier n\d}t angegriffenen, gegen 6as 
rwuefte tErjeaterftücf protefHren $u muffen. 3n feinem Poem 
„La Chasse aux Vaincus" 5 ierj er tfugier 6er 3efted?lid). 
feit, ©es bonapartiftifdjen Ijoffcfjransentr/ums, mit einem Wott 
Oer Hterarifcr}en (Sauneret. 

Da bäumte ftd? Oer 2TTannesf!ol5 im Drama fifer auf 
un6 6et geredete oes (Befränften permodjte nidjt Idnger 
an ftd) ju falten. 2lugier antwortete mit einem offnen Brief 
in bev Opinion Nationale. Diefes Sdjriftftficf gehört 3um 
3ntereffanteften, was in 6er langen Jefjoe um ben „Fils de 
Giboyer" ju tTage gefommen. ITTan fin6et es im Cagebud^ 
cer Comedie-Francaise pon (ßeorges b'^eylli 5. 360 ab» 
ge6rucft. 3e6er Safc ift ein Auftritt für ben erjrenwertljen 
Dictor, 6er jertreten wie elen6es (Bewürm am Bo6en liegen 
blieb. €s war eine furchtbare Cection, aber jie mar wolfl» 
per6ieut. 

Iiis 6as tTrjeaterftücf feine Äun6e 6urd) ^ranfreicr) madjte, 
entbrannte 6er Kampf aud) in 6er propin$. 21m wifoeften. 
geber6eten ftd) 6ie ^einoe in 6em pon fanatifd>en Pfaffen 
aufgewiegelten Sü6en. 3 n Firnes un6 Couloufe wudjs 6er 
5can6al $u foldjer fjöfye, 6af 6ie (Berichte einfcrjreiten un6 6ie 
2?ä6elsförjrer 6er flerifalen l}e$ban6e in's «Sefängnif? werfen 
muften. > 

tTrofc aller £)ppofttion blieb aud} fyier 6em mutr/igen 
Dichter 6er polle Sieg befd)ie6en. — 

Der 3 0unw Kft <ßiboyer ift eine 6er djarafteriftifdjflen 
unb etn6rucfspoüften Köllen, aber $ugleid> eine 6er aller- 



fajurierigften. Der sunt 2lustrag 5U bringen6e pfadplogifaV 
donflict erfor6ert einen Scfyaufpieler pon ungeroölmliaVr 
Begabung. Das Theätre- Francis &eft|t einen folgen an 
iltonfteur ßot. Dcrfelbe lebte fid> x oermafen in 6iefe 
originelle perfönlicfyfeit ein, machte ftaj fo fefyr alle Befonoer- 
Reiten iljrer Den!« un6 €mpfin6ungstpeife $u eigen, 6af er 
fpäter tfnflänge hieran in anderen tpefentlia^ perfci>ie6enen 
Sollen, nrie 6ie XoMpfyi's 3. 3. in ponfar6's Honneur et 
Argent, erji naa) groger BTüfje 3U überipin6en permodrte, 

<5ot fonnte pon 6a an als #ugier's eigentlicher Mit- 
arbeiter, Jortfe^er un6 Dollen6cr auf 6er Bülme gelten. 
3m 3al?re \S65 creirte er 6ie (Titelrolle im fünf actigen 
„Maitre Guerin". IDir notiren im fluge jipei fyübfoV 
tDorte aus öiefer brillanten Kom$6ie, oie einige feljr an- 
$tefy?n6e, populär geworbene politifdje C^araftere auf oie 
3üfjne ftellt: „Le genie est un Slot baigne par la folie" 
— 6ann: „Qaben Sie tfngfi por 6er <£$e? •— tfa> nein, 
id} u>cr6e mia) djloroformiren laffen!" 

TXn 6iefe Komdöie f?at 5er Dieter faft 311 piel (Talent 
perfcf)ipen6et. Der Äeidjtljum an Perfonen, Situationen un6 
Conflicten ift fo grog, 6aß fta) aus öerfelben 6er Stoff jn 
jtoei ober 6rei neuen Komö6ien sieben liefe. Dem gerüttelt 
poüen XDerfe gebricht es 6afyer an 6er leisten ^aflicfjfeit 
un6 €inljeitlid}f eit. Der Ueberfcfyug an 36een un6 Figuren 
jerfplittert unfer 3 ntcr *ff e « fcenifdfe <SetcanMf?ett 

2lugier's Ijat 6iefen ^e^Ier freilief? fo gut als nur immer 
möglidj einsufajränfen perfucfyt un6 ge6u!6igen 3u\<fymern 
gegenüber wirb es ifjm getpiß aud; gelungen fein. Das 
Wext enthält einige Porträts, 6ie mit erftaun lieber ITTctfter- 
fcfyaft ausgeführt fm5, ganj befonoers 6as 6es Hotars in 



100 



bcr J^romnj, oes „ZtTeifters <ßuerin", bas ötc oramattfdje 
<J5atcrie bes Dichters um einen neuen, originellen t£ypus 
x>etme^rt. Diefer Hotar ifl ein fywptfd>Im. (Ein (Beisels 
uub IDudjerer, oabei ein ftrenger ^amüienpater, »oH efjr. 
^üdjti^er 33egieroen Ijinftdjtlid} 5er ^ufunft feines Sohnes, 
bem er 2iöelsrang perfdjaffen mödjte, perfdjlagen uno r>or- 
Tid^ti^ un6 Poll feltener Beljarrlidjfeit, feine <5eu?iffensfcrupel 
fenneno, aber oennodj oen Sd)ein oes Äedjts unö oer (Befefc- 
mäfigfeit für feine IjanMungen tpaljreno, fo.fdjreitet er 
ourefj alle Derroicfelungen 6er umfangreichen, politifdjeu 
Komööie oirect auf fein <5icl los. Die Cöfung ift feljr 
föSn mit ifjrem freien tfusblicf auf öie tDirflia^feit oes 
Cebens, oas oafytnroflt, olme ftd) um 6ie £eiöen uno £reuoen 
eines pereinfamten HTenfcr/en&afeins grog ju fümmem. 
ZTtaitee (Buerin uriro am Sdjluf pon XDeib uno Kino per* 
I äffen, aber er mucffl nidjt. €in alter Sünoer, aber ein 
ganzer ZTTenfäj. 

r 



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• • • 

„La Contagion", auf öem Citcl ausorücflidj als 
„parifer SittenftuMe" bcjeicr/net, war für oas Tteätre- 
Fran9ais beftimmt. Die tfuffüfyrung öroljte jc&odj auf Me 
lange Banf gefajoben ju tperoen, meil 6er Ponfaro'fdje 5ünf- 
after JLe Lion amoureux" mit feinem auferoroentlidpen 
(Erfolge Me ffia> befcrrfäte. 

Durdj 6icfe De^ögerung orangen einige Mitteilungen 
über oen pifanten 3"^^ ocr neueften Zlugier'fcfyen KomöMe 
in öas Publifum unö erregten eine foldje Heugieroe, 6af 
6er fpeculattpe 2Uon|teur oe PiUemeffant, oamals C^ef« 
rcöacteur oes „€p4nement", öem tfutor jefmtaufenö Jrancs 
für Me porläufige publication 6es llTanufcripts im 
jeuiüeton feiner Leitung anbot. 2fugier fdjlug Me jelm- 
taufend francs aus. €r $og fein ITCanufcript Pom 
Thdätre- Francis jurücf uno perfcfflof es rufjig in feinen 
Sojreibtifo?. 

3m Unterfdneoe pon feinen Coüegen, Me htm 7Xn> 
orangen ebenfo fenfationsbeöürftiger als gefälliger 3ourna- 
Hften nachgeben unö oft fdjon JTTonate porfyer (Titel uno 
3"l?alt tyrer weröenoen Stücfe nadj allen Hinhingen 6er 



1,02 



IXHuorofe austrommeln Iaffen, ijt #ugier nidjts mioer- 
toarttger, als 6er Cärm 6er Xeclame por 6er erften tfuffüfyrung. 

€r Hebt es ma?t, fein MnftlerifaVs Sajaffen, an 
TD«Icr)cm 6er Denfer mdjt geringeren tTfyeil tjat, als 6er 
Dichter, vor 6er gaffen6en Hlenge aus5uftellen; er umfüllt 
es mit 6em feufäjen Sdjleier 6es töefyeimniffes, bis 6er 
feterliaV tfugenblid 6er erften tfuffüljrung nafyt. Dasu ge« 
feilt ficfj nodf ein 2In6eres. tfugier geljt bei 6er VDaty 
feiner Citel mit 6er äugerften Vovfidjt 5U IPerfe. €s 
fommt cor, 6af n>ä^ren6 6er <Emftu6irung 6es Stäcfes 6er 
Perfaffer mit feinen (Enpägungen nodf $u feinem befrie« 
6igen6en Xefuttate gefommen ift un6 6en oefinitipen Citel 
nodj niä?t gefunoen fyit 

So erhielten „Les Fourchambaülf 6iefen Hamen erft 
feäjs tTage por 6er erften 2Iuffüf}rung; „Le Gendre de 
Monsieur Poirier" foüte urfprünglid} „Revanches de 
Georges Dandin* un6 6er „probirftein" „Un tour de 
roue" feigen. Bepor er ftaj für „La Contagion" entfajie6, 
fragte er ficr) nod}, ob md}t 6er Harne einer 6er Qaupt* 
ftguren rorju^ic^cn un6 6as neue IDerf nidjt beffer un6 
iPotjlflingen6er Baron d'Estrigaud yx taufen fei. 

tfus 6em oben ange6euteten <Sran6 fan6 6ie premtere 
fcer „Contagion" nio^t im Theatre- Francais, fon6ern im 
£>6eon flatt. €s mar am (7- 2Hör$ (866. <Sot lag 6amals 
im Vidbcv mit 6em £omit£ 6es erften Sdjaufpielfjaufes un6 
r>atte feine, pom Kaifer niijt acceptirte, Demiffton eingereiht. 
2Iuf fpeciette €rlaubnig Hapoleons crelrte <ßot im £>6eon 
6ie intereffante Hoüe 6es 2tn6re Cagar6 un6 organiftrte eine 
XDan6ertruppe, um mit 6em Stücf eine Xei^e pon Por» 

fteüungen in 6er propin$ $u geben. . 

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103 

. - ' 

Vom Stanbpunfte ber parifer <5efeUf<r)afts.lDiffenfa>aft 
ift bas Slücf feljr beleljrfam. Die (Typen von £ourtifanen, 
Börftanem unb ber Haute-volee ber (Theater »Demimonbe 
ftnb nad> bet Hatur gewidmet unb feffeln ben Jorf^er im 
ifid)\Un <Brabe. ; ^ 

Dem parifer (Tfyeatcr»publif um hingegen waren es alte 
Befannte, bie burd) ben genialen Bal$ac unb ben talentvollen 
jüngeren Pumas fdjon r/inlänglidj eingeführt unb ron bem 
Jefeteren . in allen erbenfliajen pofttionen porge|teHt worben 
waren. Den mangelnben Äei3 ber Heu^eit fonnte bie wenig 
fpannenbe f)anblung faum erfe|en.. €in verteufelt lafter- 
fyxftes «Jwiegefprädj 5wifdjen bem leidjtlebenben Bruber unb 
feiner jungen t>erwittweten Sdjwefter in ber jweiten Seene 
*es erften tfetes würbe jebod> von bem blaftrien tfubitorium 
jfeljr goatirt. 

<£ine tüdftig burdjgearbeitete CljaraFterßubte ift bie 
originelle #gur bes Borfenbarons b'^flrigaub, ber in feinem 
<£pifuräertfyum nad} einer pergnügliajen unb friebfamen 
SIffociation bes Cölibats mit bem IDittwenjtanbe fudjt — 
une association paeifique d'un veuvage et d'un celibat 
Um bie rerfommene <5efellfcr/aft nicfyt gan$ unerträglich 
werben $u laffen, fyit fte ber Diopter mit einigen moralifdjen 
PelleTtäten ausgeflattet. €r 5019t uns ben pabagogifdjen 
Börftaner, bie rettenbe Kofette. Die tugenb^afte Gegen- 
partei lagt uns ben noblen Gilten, ben etwas leisten, aber 
<jutl?er$igen Solm, bie naioe Canbunfdjulb unb ben beliebten 
2Hann aus eigner Kraft, ben seif made man, erblicfen, ber 
benfenb, arbeitenb unb r/elfcnb, feften Schrittes über bie €rbe 
wanbelt unb aus allen ^äfyrlidjfeiten unb Verfügungen als 
Sieger Ijerporgeljt. Hud) bie junge IDütwe ift bxax>, -xm 



(Srunöe voeljtt fte ftdj tapfer gegen einige lüfterne 2(n- 
tcanölungen unö maa}t öie ^nfdjläge öes öörfenbarons 
beflens $u Sd/anöen. Der Dialog fprüfyt unö funfeit an 
einigen Stellen, mcift an öen pcrfanglidjften, mie ein ^euer* 
u?erf — geiftreidje, blcnöenöe 3^Iid^ter über einem moralifdjen 
Sumpfe. 

„Le monde vit de sous-entendus", öocirt €iner im 
Stücf, unö mafyrlia), öer ZTTann fyit niajt Unredft. 

(Einen glänsenöern unö einfdmeiöenöern Erfolg, als 
„La Contagion", fyatte 1868 „Paul Forestier* 1 , ein großes 
Paffionsörama in Herfen. Der uierte 2lct i|l 5u>ar öramatifof 
unb logifdj fein* fämad), öenn er bringt nichts als öie Fable 
convenue $u (ßunften öer conpcntioneüen IHoral unö eines, 
öen gemöfmliajen ^uföauer fanft einlullenöen Sfbfdjluffes» 
(Ein foldjer Srfjluf i|! im Sinne oer Pfydjologie unö IDelt* 
crfaljrung nichts tpeniger als eine annehmbare Cäfung. 
Allein öie erften öret tfcte, befonöers 6er öritie, fmö r>on 
einer pradjt unö Sttaajt, öaf öer Sieg öes Stücfes entfajieöen 
mar, beuor öer Porfymg 5um legten 21TaI aufgegangen. 

Dasfelbe Publifum, öas bei „Le Manage d'Olympe" fo> 
prüöe unö nerüenf djwadj getljan fyatte, fjielt ftdj öiesmal öen 
leiöenfcfjaftlidjenCfrploftonen unö gefa^ledjtliajen Derroegenfyeiten 
gegenüber, öie öen tfngelpunft öes Stücfes bilöen, gan$ roacfer- 
<ßot, (Eoquelin unö ^räulein ^apart, öenen öie üerfänglidjfien 
Dinge t>om Dieter jugemutfyet tuuröen, rechtfertigten öas in 
ir/re ^einfüfyligfeit unö Kunftbegabung gefegte große Dertrauen 
poüfommen. Sie Ieifteten öas ZTCSglicr/fte, um öurcr) öiscrete 
3nterpretation unö flinfes Spiel jene Situationen 3U milöern 
unö acceptabcl 3U machen — es ftnö öeren s»ei, — in »eldjen 
öas öidjterifcrje fafy^eug in öer öie Stnnlicrjfeit öes fjörer* 



unb «gufcfjauers aufftad?etnben Scfnlberung IfldflL. intimer 
Porgänge bis an bie Säulen bes Qerfules unb nod> ein 
tpenig barüber hinaus fegelt. (Eine tfttene, ein llccent, eine 
(Sefte n?ärcn im Staube gemefen, bas ganje tDerf unrettbar 
ju ^aü 5U bringen. ^ * ' 

Da ift eine gereifte (Erjäfjlung im $meiten tfcte r»ort einem 
(SefaVfytif, bas ftaj im Bouboir einer Pariferin, ber IDitttpe 
££a, Hacbts um bk jtpölfte Stun6e ereignete. Hur bie geniale 
IDiebergabe bunt} ben älteren Coquelin un6 bie überrafdjcnbe 
IDenöung bes Sa)luj|perfes festen einen Dämpfer auf bie in 
ben fpifcigften (Tonlagen fid} betpegenbe XHufif urilb cnt- 
fejfelter Ceibenfajaft. 

„Sortez, vous me faites horrcur !" 

fdjreit bas por Sajam unb Sd?mer$ bebenbe XDeib bem 
$rembling 3U, ber fia^ ifyr in ber fatalen Staube als (Belegen- 
es • Courmadjer genähert unb pon tljr bas lefcte £>pfer 
erhalten fyatte. ££ä fyit fta? roie eine geroöfjnlidje Dirne 
entehrt, n>eil fie, pon iljrem (Beliebten perlaffen, feine Braut- 
nadjt nidjt überbauem fann, olme burdj Selbftauf Opferung 
entfefeltdp Xadp $u nehmen. Um biefe capitalt Perirrung 
bes perratljenen IDeibes bemegt ftaj bas gan$e 
ln*ng bas Sdjicffal eines bramatifa^n Kunfhperfes an einem 
belicateren £)ärd?en. 

££a n>ar feit langer Seit bie — fagen unr bas IDort 
fran3Öfif07 — ZTTaitreffe pon paul tforeftier, ber, u>ie fein 
Pater, ein ZTTeijter ber MTalerfunji ift. Der alte KünfHer 
fürchtet bei biefem unregelmäßigen Ceben feines Sohnes für 
beffen runftlerifaje £aufbalm. €r fudjt tl>n $unäd>fl mit 
moralifa^en Senten3en jur Umfe^r su betpegen. 

„fetaii chaste, et c'est U 1e secret de ma force«V 



\06 



Stuf 6ie <5egenre6e 6es Sohnes, 6as fei ein eta>as Ijerbes 
tfecept, etwibevt bet Mite falbungspotl : 

„Kon, car le manage est une chastet*. 

' . . ' ..... 
Laisse aux gens de loisir, laisse aox cenrelles creuses 

Les plaisirs £nervants et les amours fiövreuses. 

Le dcsordre au talent est mauvais campagnon". , . . 

unb fo weiter. Huf 6iefe IDeife permeint 6er Dater 6en 
jungen 5aufen>in6 auf 6ie €^e mit einem unfdjulospollen 
Hicf?td)cn üorsubereiten un6 ifm 6er frönen £6a, 6er Der« 
n?itta>eten (Tante, für 6ie er eine Iei6enfdjaftlid} ermiöerte 
ITeigung fyajt, abfpänftig 3U madjcn. Da 6ie moralifäjen 
Keöcn allein nichts fruchten, fo nimmt 6er 2ük feine guflucfyt 
ju 6er eoelmütljigeu £6a, beipegt fie in einer an 6ie 
£amelieu6ame erinnem6en Scene, feinem Solme 5U entfagcn 
unb feiefen ferneren Gfntfcfylug 5cm (Belichten perfönlid) 5U 
erflären. £öa entle6igt jtdj 6iefer IHiffion, 6ie iljr reidjftcs ' 
un6 6uften6(tes £iebesleben serftören mug, in rpafyrfjaft fyeroifd?er 
IDeife — un6 reift ab. . 

Paul erholt ftdj aUmät}Iid} von 6em garten Schlag un6 
fjcitatfyt 6as pon 6er päterlidjen Dorfefyung ifmi beftimmte 
Hicfjtdjen. 2Us £6a im 2(uslan6e 6ie Kun6e ©on 6er Der« 
märjlung iljres (Beliebten pernimmt, perliert fte 6a$ etr>ifd>e 
<Sleid?gerpidft. Sie begebt 6en obenange6euteten Raditact — 
an ftdj felbft. 71m nädjjten (Tage fommt fte mie6er 5U Der- 
nunft ur.6 flößt mit Slbfdjeu 6en frem6en Anbeter pon fid}, 
6er tf>r mit 6er töbHa>n Xbfät na^t, 6urd> 6ie 6ie 
Herninifcenj 6er porigen Hadft quitt $u machen. 

<£s ift 6er abgetpiefene (Salan, 6er unferem in allen 
XDonnen 6er Jlittermoaien fdfu>elgen6en paul Joreflier fyilb 



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107 

1 

triumphiren6, fyalb gefccmütfytgt 6as merfu>ür6ige Abenteuer 
ersäht un6 um feinen Beipan6 sur Refraths • Permittelung 
bittet. Me €rinnerungen an feinen erpen Ciebesfrü^Iing 
mit 6er frönen £4a erwachen mit pürmtfdpr Gemalt in 
pauls Brup. €r ift auger pa> über 6ie fa^mafyliaV C^at 
6estDeibes, öeffen Ciebe er einft allein befeffen ... Seine 
C£a fyit pdj propituirt! 

Die gefeUfa^aftliaVn Dcrhältniffe führen ba!6 barauf 
pauls jugcnWiaV ßemahlin un6 ££a $ufammen. Cefctere, 
6ie nodf immer ihren Paul Hebt, ja glüfjenoer liebt, 6enn je, 
ffl^it ftcfj pon 6er tpüthen6ften (Eifcrfudjt rerje^rt un6 ent- 
reißt 6em afmungslofen, glücflidjen IDeibdjen 6ie intimften 
(5epän6niffe. Hamern fie aber fe^en mug, 6ag 6ie eheliche 
Ciebe 6ie ftärfere ift un6 6ie irrige be|iegt fyit, flammt ihr 
f>af? gegen 6iejenige auf, 6ie»je$t in pauls V}ev$ ihren Plafc 
einnimmt. Diefe Scene geirrt 3U 6en geroagtepen un6 auger« 
oroentlidjften 6es mo6ernen CF^eaters. . 

Hun trifft paul mit C6a 3üfammen. €r überlauft 6ie 
einftige (Beliebte mit 6en bitterften Schmähungen. Dtefe, 
auger pch vor Scham un6 Wuüj, erficht \tyn 6en unerhörten, 
fmnperu>irren6en 5chmer$, 6er ftc in 6er fatalen 5tun6e feiner 
f)ocfoeitsnadjt mit wahrhaft epileptifa>n Unfällen jermarterte 

paul für>It pch angepaßt* 6iefer (Enthüllungen von 

feiner alten pafPon erfagt; er wirft pch C£a 3U £ügen un6 
ip entfdjloffen, mit ihr, 6ie jefct wie6er fouperäne Ijerrin 
feiner Seele, feiner Sinne un6 feines X>erftan6es geu>or6en, 
ju Pieren bis ans €n6c 6er IDelt • . . . Porerp bis UiycL 

Hamern pch 6as Drama bis ju 6iefer fd>tpin6el- 
erregen6en §öhe emporgehoben, pürjt es im pierten 2lcte 
plö^Iicr) herab auf 6en profaifdjen 3o6en theatralifcher 



108 



3cmaliiät; es en6igt wie ein mittelmäßiges Dau6euille - 

» 

mit Heue, Perfölmung, 5reu6en$äl?ren un6 einem frommen 
tEufdy. Cöa gcljt uueoerüm auf Reifen, Paul fefyrt ju feinem 
IDcibcffen präcf, 6as if?m nad} einer mdjt immer fefjr geaalt* 
Dollen un6 u>ür6igen Preötgt uerjeifjt, un6 6er alte Papa 
fpricrjt 6en Segen. 2IHein 6er tt>eltr»erftän6ige Sufajauer 
lagt fiaj mdji täufajen. €r fielet beim fallen 6es Pörings 
bte IDafjlftatt mit gebrochenen fersen bebedt un6 6en 
F)immcl mit 6en 6ü{terften Crauerfforcn umfängt. 

Die armfeligfte ^igur fpielt 6er alte Dafer. Bei all' 
feiner 5ur Sdjau getragenen Kunftbegeifterung, bei aW 6en 
fronen Croftfprüdjlein, 6ie er aus 6em ;JülH>om einer langen 
£ebcnserfaln*ung unermü6lid) f Rüttelt, fannman jtdj 6007 6er 
Derftimmung über 6ie uerfdmiifcten, egoiftifdjen Eingriffe nidjt 
ermeljren, 6ic er ftcf/ in 6as fjersefcsleben feines Sohnes geftattet. 

Citerarifa) btttadftet, &l)lt „Paul Forestier" 3U 6em 
<ßlän3en6ften, u>as JCugier jemals gefdjrieben. Die Perfe 
ftn6 uon einer €legan$, einer Verne, nrie man fie nur bei 
war/rfyaft infpirirten Dioptern trifft. * 

5um Sajluffe eilcn6, mufc tdj mia> mit 6er einfügen 
(Erinnerung 6er Citel feiner neueren ZDerfe begnügen, um 
nodf etwas länger bei 6cm jüngflen (Erjeugniffe 6er ^ugier'fcfyen 
2ftufe $u permeilen. 

Heimen nrir aus JPaul Forestier" nodj eine airiofe 
•Definition mit auf 6en IDeg, 6ie 6er Derfaffer 6em jungen 
Wcxbdien, unfdjufospoll un6 naiu urie ein €ngel, in 6en 
2TTuno legt, eine Definition 6er 2?oÜe, u?ela^e 6ie JUaitreffen 

- 

in 6er ?TCännern>clt fpielen: \ 

.; .- . . 

„Tout leur röle conriste, autant que j*ai compri», 

•A üenner pauence a nos imurs raans *. 



Wenn 6em alfo ijl, n>er6en 5ie brapen IDeiber 6es 
Sufunftsftaates nicr/t ermangeln, 6en feiger perfannten 
3ungfrauen, 6ie ftet) 6em tflaitreffenberufe roiömeten, eine 
Hational'Belohnung JU potiren. — ^ 

c£s erfreuen 

\8?{ im Theätre-Franc;ais: „Lions et Renards 44 ; 

\S7o 6afclbft: Jean Thommeray 44 , in (ßemeinfer/aft 
mit 3 uIe * San6cau verfaßt; 

{876 im Pau6epille: „Madame Caverlet"; 

^877 im palaiS'Xoyal:.„Le Prix Martin 44 ; 

\878 im Theätre-Fran9ais: „Les Fourchambault". . 
Die ßabcl 6er „Fourchambault" beruht auf einer tfyxU 
faßlichen Begebenheit, Me 6er Derfaffer 6es Stücrs erjagen 
I?örte. ZDir fyaben es alfo ntcr/t mit einer fodalen tE^cfe $u 
ihun, nicht mit einer abflracten Allgemeinheit, 6ie nur von 
fern an einen 6er n?un6eften ^lecfe 6es Familienlebens rührt 
un6 mit erfonnenen tC^atfad^en su (Sunften einer perfönlichen 
Satzung bühnengerecht argumentirt, fonoern mit einem 
Spccialfall, 6en 6as Ceben 6em Dieter porgegeben fyit. Wie 
piel ift nidjt fd}on über 6as uneheliche Kin6 von ben franjöfifdjen 
Bühnen ^erab6eclamirt roor6en pon Di6erot bis auf Dumas! 
Augier u>ar es befcr/ie6en, 6em tyitlen Cfyema eine neue 
Seite, pielleicr/t 6ie Jfnimantfe pon allen, abjugewinnen: 6as 
une^eliä^e Kin6 tpäcljft h«ran in 6er ftrengften £udit 6er pon 
6er (Sefellfcr/aft preisgegebenen 2TTutter, bereichert ficr) 6urcr) 
harte Arbeit un6 rettet fchliefclich 6en Pater un6 feine 
legitime Familie pom Untergang, ohne pon ihnen erfannt ju * 
»er6en! • 

<£s fann im <5run6e nichts (Einfacheres, Xührenoeres 
un6 Keufcr/eres erfonnen u>er6en. IDas aber, fein rritiferjes 



uo 

2Iuge an oem ilugier'faV« Drama ju erfennen permodjte, 
bas mar oem moralifdjen Spürfinne eines Stettiner Beamten 
ju entoeefen vorbehalten : 6er 21Tafel öer 3 mmor< *ßtät l 

Die fonoerbare (Befdjidjte rfr befannL fjat fie bodf 
if?ren tDeg nid)t Mos &urdj öie gefammte europäifd>e preffe, 
fonöent felbfl bis in öie fallen oes oeutfdjen Reichstages 
gefunoen, ficherlidj ju nidjt geringer (Benugtfjuung 6es parifer 
SdjriftfleHers! 

Damit hätte es, foUte man meinen, oes thoridjten 
Spaces genug fein tonnen. <5ott bewahre! €in gen>iffer 
fyvv Dr. f)ermann Klee toollte in oer fdjilobürgerliaVn 
3mmoralitäts«Discuf[ion auch fein TDöt tiein tyibtn, uno 6a 
er's nirgends bequem erlangen tonnte, fo brach er jidys 
frifd7 rom Saune einem ergöfclicfj confufen Buche „,fürft 
Btsmarcf uno unfere Seit", u>orin er oie ittoraliftrung 
Deutfcrjlanos mittelft oes Polijeifpieges pre&igh. 

Der preufifdjc 2Tftnifter oes 3 nncrn *? a * befanntlich 
in einem (Erlaffe an öen £)berpräjtöenten uon pommern 
für 2lugier*s „Fourchambault" partei ergriffen uno officiell 
anerfannt, öag öiefes IDerf ein ourefjaus entfefnebener uno 
emfl gehaltener proteft gegen oie Unmoralitat Tei. 

Diefes tfnerfenntnij? wurmte IJerrn Klee. Sein ftttlidjes 
(Semüth n>ar ffanoaliftrt. Das fehlte npch, eiferte er, öafc 
im tfeidje 6er Gottesfurcht un6 frommen Sitte ein Zllinifter 
für franjöfifäV KomSoien • Schreiber empfehlende Ceumunos- 
«geugniffe ausfertigt! Das oarf, bei meiner Seele Seligfeit, 
nicfjt ungerod^en bleiben 1 • - - 

Un6 er heftete oem 2TTanufcripte feines famofen 
Btsmarcf« Buches ein neues Blatt bei uno erfüllte es mit 
ftttlidjem §aber. - .. 




'■ ... « • • . - »• 

. { 
» 1 

. . . . - I 

UJ 

■ m 

3<h tarnt mir nicht ocrfagen, $ur (Erbauung 6es Ccfers 
6ie betreff en6e Stelle mitsutheilen, oie f°nf* im Strome 6er 
Bismarcf.Citeratur unbeachtet unter fmfen fönnte — $um 
großen Stäben öcr TXloxal un6 6cs Qumors in .6iefer 
böfen, betrübten Seit-. " 4 .. 

. Der fromme fjerr fc^reibt:' 
. . . . „€in Protef! tmlroe nur 6ann uorhanoen fein, 

p 

roenn 6as Stücf 6ic folgen 6er Unmoralität tragifdj 6ar- ^ " 
ftcllte, »enn es ourdj 6en <5ang 6er concreten I}an6luncj 
einen tfbfcheu oor unmoralifcfjen Dergc^en un6 fo eine 
tmrflia> tfatharfis herbeiführte. UnmoraIifa}e . fym61ungcn 
nur 6urch tDorte geißeln, macht feinen <Ein6rucf auf 6er. 
Sülme (etwa nur auf 6er Kandel o6er im Beichtftuhl, r*r« 
Carter Jjerr Klee?). Das Stücf weiß jmar genug ppn ty>d)' 
trabenoen €rmalmungen an 6ie leichtftnnige 3ugcn6, läf t es 
aber 6em fZt}ätn 6er unmoralifä^en £}an6lung un6 noch 
rne^r 6en £>pfern 6erfelben (unerhört, auch 6en fcfml6lofen 
Opfern 0 fer>r toor)I gehen. IXlan fann 6as Stücf nicht 6irecf 
(aha!) unftttlich nennen, aber es fragt ftd}, ob es nicht im 
haften <5ra6e 3e6enfen erregen mug, roenn diejenigen, 6ie. 
6urch ihren Jehltritt (6. i. 6ie unDerehlichte ZRttttct un6 ihr 
Sohnl) uon 6er (ßefellfchaft ausgefchloffcn 3U toeroen pflegen, 
in 6cm Stücfe als h?<h **t)abm an <Eugen6 un6 <£6el|tmr 
6argefteIIt wevbtn, mähreno 6ie fogcnannlen normalen/ 
conoentioncH bürgerlichen Perhältniffe un6 eine bürgerliche- 
Jamilie, 6te als Kepräfentant 6erfelben gilt, als im h^<hP cn 
<ßra6e fchu>ächlich, morfch, oerfault gezeichnet n>er6en. Der 
Jransofe sollte eben jeigen^ 6ag 6ie ron 6er töefeüfchaft 
Ausgeflogenen 3ut»eilen beffer fein fönnen, als 6ie ßefeu*.- 
fchaft felbft: 6as ift 6ie eigentliche Cen6*n3 6cs.Stücfes, un6- 



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biefe tEenoenj, menn ftc aud? an ftd? nid^t unmoralifd?, ja 
in geuuffem Sinne fogar (!) djriftlidj ift, nrirft entfdn'e6en 
unmoralxfdf, infofern fte ju 6er Iaren Cebensauffaffung Per* 
anlaffung gibt, tpeläje t>or 6en abnormen CebensperFjältniffen, 
in ote man 6odj nur immer 6urdj ftttliaje Dergefjen eintritt, 
nicht 5urücffa7recft. HeberMes ift es äftfyctifdj ttiöerlid}, in 
einem 6reiftün6igen Drama alle 2tugenblicfe (übertreiben Sie 
niefy, rauher Cugen6!>el6!) von 6em ^efyltritt unö feinen 
folgen, b. i. fyier von 6er Der fü^rung eines jungen Xfläb» 
cr/ens, re6en Ijören ju müffen". 

<&an$ redjt, mein ZTloralif!, 9a se fait, mais 9a ne 
se dit pas! 

XDir almen, njoln'n oie in- un6 auslän6ifdje Didjtrunß ge« 
riett^e, wenn 6er ZTTucferei 6ie tLtyaUv* Cenfur übertragen 
un6 etroa Ijerr Klee un6 feine <51aubensbrü6er mit 6en 
33efugniffen von HationalbüfmemCenforen ausgeftatiet n>ür6en. 
3um Olücf ift audj in Deutfd}lan6 6afür geforgt, 6af Bäume, 
Sträuäjer un6 fonftige nafjrfyafte Kräuter 6er Safriftei-Botamf 
'niajt in 6en fjimmel ipaäjfen, £id?t un6 Cuft 6en freien Ubiern 
6er freien Künfte rauben6. 

Unfer Sittenroääjter t?at es als anftögig gerügt, als 
„äftfyetifdj n>i6erliäy', genrijfe ferner jlid^e Dinge aus 6em 
nrirfliä)en Cebensperlaufe in tfugier's Bülmemperf frören 
5U müffen» ' 

3n 6er tL^at fommt gar Diel auf 6ie Befdjaffenljeit un6 
€rjiet7ung 6er refpectipen £>l)ren an. (Es gibt genrijfe ent- 
artete 06er mitogene (Befjör» TXvpaxate, meldte obfcöne 
Dinge t^oren, wo 6as £>fjr 6es Hainen un6 Heinen faum 
eines 2tnf langes pon Sn > et6eutigfeit gcroaljr nrir6. €s gibt 



~ - • 

• • * * * 

geu>iffe prü6e 2(nftan6sfanatiFer, n*lcr}en 6er aufrichtige .* 
Woltfre 6as charafteriftifaV 2]Terfma[ M^t: 

„plus chaste* des oreillcs que de toot le reste da coq*". 

So fallt tpoljl auch im portiegen6en $ all 6er größte 
Cfjeü 6er *lnflage auf 6ie tfnfläger surücf. Sie ge6ad?ten . 

ugier ju treffen, fte, 6ie naa? einem IDorte 3efu „ZHücfen . ■ 
feigen unö Kameele perfchlucfen", un6 fte^e 6a, fte treffen 
ftcf? felbft! - 

Der PoUftan6igfeit wegen habe ich noch einiger Arbeiten 
pon geringerer Be6eutung €rn>älmung $u t^un. Haa> „La 
Cigue" fer/rieb tfugier ein unaufgeführt gebliebenes Stücf „Les 
meprises de ramour"; fooann arbeitete er an einem Drama 
feines ;Jreun6es San6eau mit: „La Chasse au roman 4 *. ZTtÜ 
2Ufre6 6e ZUuffet perfaßte er bas Proper be „LTiabit vert 14 . 
Heben einem etnadigen (ßeplauoer „Le Postscriptum", bas 
fia) im Theätre Fran9ais als pielgefpieltes Xepertoireftücfchen 
eingebürgert fjat, peröanfen tpir feiner fruchtbaren £e6er audj 
einen Operntert, 6er feiner Seit pon <5ouno6 in ZTTuftf gefegt 
u>or6en ift: „Sappho". . 

3m 3a^re \S56 publicirte er feine „Poesies", 6ie u. a. 
einige 3&YH«n «me Satire JLa Langue", auf 6ie politifchen 
3ungen6refa^er pon $8 gemünji, enthalten. 

Cest tout. 

Sein (Tagemerf ift jeoodj noa) nicht abgefa^Ioffen. £ern 
pon bem permirrenoen (ßetäufä 6er polttif, umgeben pon 6en 
Sprößlingen feiner £amilie un6 pon ehrlichen £reun6en un6 
Berounoerem, mo^I^aben6, unabhängig, gefun6, fchopfungs- 
luftig, n?ir6 cfmile tfugier fein Sinnen un6 Denfen bis jur 
• Stun6e 6es £eieraben6s in 6en Dienft feines Polfes, m 6en 
Dienft 6er iHenfchheit fteflen. 

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Das mug idj $um Sdjluffe nod) bemerfen, 6a§ idj bei 
aUet Beumn6erung, 6ie iaj 6em 2Ueifter 6er modernen 
ftan55fifd}en Sittenfomö6ie jolIe, 6od) 6ie 2Inftd?t 3ener nid)t 
$u teilen permag, 6ie feinem IDirfen für 6as neunjefnite 
3afy:fmn6ert 6iefelbe Be6eutung juerfcnnen, 6ie $. 3. 
Beaumarchais für 6as ad^elmte unb DXoliw für 6as 
fiebjelmte 3 aI ? rI ? un0er l m tfnfprua? nehmen durften, unb 
, $u>ar aus 6em einfadjen <Brun6e nidjt, meil fid> 6as (Beiftes- 
leben einer großen ZIalion fyeute nidjt meljr fo poüftänöig in 
feinem Cfyeater ausfpridjt, wie efye6em. 

Der enorme tfuffdjiDung, 6en in ^ranfreid} 6er fociale 
Hornau genommen, bejeugt 6ie Unjulänglidyfeit 6es (Theaters 
(toenigftens in feiner jefcigen Perfaffung), oem reiferen un6 
mannigfaltigeren Culturproceffe 6er <0egem»art nadj allen 
Seiten geredet 5U roeroen. 

Diefe meines €radjtens not!jn>en6igc <£tnfd)cänfung 
#n6ert nidjt, in €mile 2lugicr 6as fyiupt 6er 6ramatifaVn 
Sdjule im mitjeitigen Jranfreidj $u erFennen un6 unum» 
wanben feine fyoljen <5aben $u rerefjren. Xtlandfe feiner 
ZUit' unb Hadjftreben6en fyaben 3ua>eilen fo <5utes geleiftet 
wie er, Befferes — feiner. 




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« 1 • 
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m. 

Das Theätre-Italien unb fein letzter Sänger. 

■ 

Situationsbüö — HTarquis V^vxy — Capoul. 

■ 

m 

■ 

■ 

3* 



La desolation regne parmi les musiciens — mottet 
6er (Tfyeaterberidjt. 

VOas 6a fingen un6 flimpern unö ein Cfjcaterbillet be- 
freiten fann, erfajeint mit Craucrrän6ern im <5cftcf?t un& 
tTrauermärfajm im (Bemütfye. Selbft 6ie Spaden auf öen 
Dauern piepfra eine unheilvolle Kunöe in 2ttoQ. . 

(Ein altes, berühmtes Jjaus, 6as aud} 6cn befd}ei6eneren 
Hamen Salle Ventadour führte, liegt in 6en legten 3ü&n. 

fjaufer fU-rben fo gut wie ZKenfaVn, unö es iß ein 
reales Qerselaö, roenn fie etwas Heltes bedeutet Ijaben im 
Ceben un6 ihn Stelle nun plöfclidj leer ftefyt ober ein ganj 
,Jremöes öen lieben, alten plafc einnimmt .... 

/# Die Salle Ventadour tft ron §errn bt Soubeyran 
im Auftrage einer ^inansgefellfdjaft um öret OTilRonen 
Francs angefauft moröen unö arirö 5m: tfufuatyme 6er 
Bureaur einer Compagnie d'Assurance umgebaut meröen". 

IDie eine r)iobspoft lief öiefe Hottj öura^ öie Sprangen, 
unö öie C^rcaiften jammerten unö jerörfleften eine Cljräne 
Eiliger «ntrütiung über öie böfe IDelt, bit ben PerfaO btt 
italicnifa^en Hluftf gleidrniütfjig gcfa>efyen laffe, unö über öie 



U8 

partfer töefömacfsperoerbnig, 6ie, perurfadjt von 6en Tin- 
rjärigeru ©er neuen, aus Deutfd?ian6 ftammen6en Kunft- 
ridjtuug, an 6cm Hieoergang 6es lyrifd^cn C^aters 
töulb fei. 
tDelje! 

Denn 6ie Salle Ventadour ift nichts Geringeres, als 
bas einp fo gefeierte Theätre- Italien, 6as ariftofratifdjfte 
Opernhaus von gan5 Paris. Utit bem Kaufpertrage öes 
ZHonfteur 6e Soubeyran u>ur6e 6as Derlyängnig 6es f)aufes 
beftegelt: mit 6em 15. December \S78 fyit es aufgehört, 
als ZTCufentempel $u ejtftiren. Dalmer 6er 3ammer 6er 
Cfyeaterf}an6tr>erfer, 6er Sdjöngcifter un6 3* a ^ an *fP m *« 

Unter uns gefagt: feinen (Seift fyatte 6as Theätre-Italien 
längft ausgebaucht, aber feine V)ülk mit aQem fdjmücfen6en 
«gubefyör ftan6 nod? gans präfentabel 6a. €s n>ar eine 
pompös aufgeputzte (n?caterleidje. Uneingetpeifjte liegen fia> 
fogar öurd? falfcfye ^eid^en 6es Cebens tauften uno 
glaubten fteif un6 feft an eine 2Pie6erbefee!ung. 
t Die (Seifterfeljer ftn6 en6giltig gefdjlagen, 6ie lefcte 5u- 
flucht 6er auf einen neuen Unternehmer *)offen6en ift $u 
5cr)an6en getporoen,' 6as ttalienifdje (Theater 6er parifer ift 
in bas Heid} 6er Statten per fünf en. €s ift aus mit if?m. 

Un6 es ift gut fo. Beffer ein Hidjtfein, als 6ie €riften5, 
nrie fte 6em altberühmten, flotten fjaufe feit (870 befd^ieoen 
a>ar. Denn feine Deca6en$ 6atirJ nidjt pon geftern. Vor 
6er ftreiigen, parteilofen Kritif galt feine €rfc^einung in 
6cn legten $eljn 3 a *? rcn W° B * aum mehr, als ein noth- 
6ürftiger Spuf, 6er 6en Operationen perjtpeif elter Specu» 
lauten perfallen. Das tfnfefyen un6 6ie IDirfung 6er echten 
Kunft litten nicht wenig ©arunter. . 



IDer fycute 6en Hefrolog 6iefcs Qaufes fcr/reibcn wollte, 
fönnte mand)' eine fcfjönc, tröftlicrje Seite 6er Kunftgefcrjicfjtc 
r>or 6em fcr)nellDergeffen6cn Publifum entrollen. ZTTan 
fcrjlagc nur Jules 3 atnn uno tn^opr/ile (Bautier nad^; 
roelcr/e farbenprächtige, ent3Ücfen6e"23il6er haben fte uns r>on 
6en premieres 6iefes Cr/eaters aufbeu>ar/rt! JPie Hingt 
un6 fingt unö blinft 6as etiles heute noch unter ihrer in* 
fpirirten ^Je6er! 

24 lies , was 6er r;ocr}begna6ete föenius an Duft, <5lan3, 
,$euer, Kr/ytr/mus, 2Helo6ie, Sang un6 Spiel beftfct, roar 3U 

• 

Reiten in 6iefem Qaufe in feltener ^ülle vereinigt. 

€s u?ar ein 3rt>itfcr)ern6es Hacr)tigaüennefl in 6en 
<3aubergärtcn 6er romantifcr)en Poefte. <2s gab Perio6en 
— glücflicr)e 3*Ü9enoffen *>on 6amals! — u>o 6ie italienifche 
Conmufe in Mcfer Salle Ventadour überfpruoelte ix>n 
ureigenem, genialem Ccben un6 ihren 2?uhm warfen fah, 
riefengroß, bis* an 6ie Sterne. Da^u 6ie üppige Stimmung 
einer rafpnirten (Befellfcrjaft * pon phänomenaler «Senuf« 
fähigtet 

OattJor/l, es r>al brillante (Tage gefefyen un6 . nocr> 
brillantere Haarte, 6as tZtytaUt 6er Jtaliener in paris. 
Kein £rem6er von Diftinction fam In'err/er, ohne ihm einen 
Befucr) 5U machen un6 per) in feinen ZDonnen ju ba6en; 
nicht feiten bot es ir/m 6ie einzige Gelegenheit, bxt ge- 
feiertften Sanger 6er IDelt t>ereinigt ju fc^en un6 bxt 
neueften Schöpfungen 6er £)perncomponiflen aus 6em 
Sonnenlan6e 6es Sü6ens in 6cm glutrjr)aucf}en6en J6iom 
6er €ingebornen in DOÜen6eter IDieoergabe ju hören. 

Da ftrömte 6er füge £ic6erqueH 6er fuperben lyrifchen 
Cragö6ie, 6ie ftch Horma nennt; 6a fäufelten 6te berfofenoen 



< 



\20 



SdjmcicfjeUaute 6er rei$en6en ^by\le Somnambula; 6a per» 
blutete ficr)'s feltg am Bufcn 6er fdjmel$en6en Crauiata. 
^lud) bie (Erplinge feiner Puritaner opferte 6er <£atanefe 
Bellim auf 6iefem ftra^Ienoen 2Htar. 

Hubini, (Tamburini, tabladjc, 6ie (ßrift un6 6ie jre^olini 
uub no<r) oiele an6ere 3™ entfalteten I?ier 6ie ^uberfünfte 
tVjrer göttlidjen Kehlen. Äofftni, 6er 2(llgefeierte, 6er mit fo 
unen6licr)em Belagen feiner tfpotfycofe bcimolmte un6 feine 
glücflidje Unfterblidjfeit auf 6en 8ouleuar6s fpajieren führte, 
mar eine Zeitlang 6er Director. 

Dann folgten mieoer 6unfle (Tage, bis 6er Stern 6er 
2l6elina patti über 6em Qaufe aufging un6 es mit blen6en6em 
<5lan$e übergof. Tibet rarer un6 immer rarer mur6en 6ic 
Sterne un6 fyrioenmäfig foftfpieltg obm6rein. IDofyer aü' 
6as <Bol6 nehmen, um fte in feften Banken ju galten auf 
irjrem ermerbsluftigen Caufe um 6ie (£r6e? 

So fafyen ftd? 6ie 3taliener in Paris mefjr un6 mein* 
auf Kräfte jrociten un6 6ritten langes angemiefen; ja fte 
u>aren oft auf gans fömmerlidje Cücfenbüger tyerabgefommen, 
6ie jeocs fünftlerifd?e (Enfemble ftörten. Die 3nfcenirung 
neuer Opern oerfdjlang fabelhafte Summen un6 fonnte 6od} 
mit 6em 2lusftattungslurus 6er übrigen parifer Cfyeater, 6ie 
fid) gemaltig auf 6ie £oncurrens uerftanoen, nidjt mein* gleiten 
Scr/ritt galten. Das mar fdjlimm; 6enn 6ie tfugen 6es 
Parifer (Efyeaterpublifums fin6 nodj uermölmter, als feine 
£)r)ren. Xqffinirt mie es 6urdj 6as Ucbergebot 6er auserlefen- 
ften (ßenüffe ip,- for6ert es 6er (Töne füge (Babe in 6er 
prunfen6pen €m>cloppe, jum foftbaren 3iI6 einen nod) Foft. 
bareren tfalnuen. IDer uermag 6a in geilen runfllerifd)er 
un6 mirtr/fdjaftlidjer Hotl?ftän6e / mie mir fte r/eute 6urd)leben 



müffen, mit einem fo umfangreichen Opernapparat fid> über 
tDaffer ju galten? 

Die (Traditionen 6es Kaufes pcrlangten, 6ag Ellies auf 
6cm grogen 5uße lebe. Der lefcte Director, £eon €scu6ier, 
machte 6ie gemaltfamften Slnftrengungcn. €r holte öen legten 
Couis aus feiner tCafa^e un6 perausgabte in 6er legten Saifon 
an 6ie Damen 2Hbani, Duran6 un6 Sans allein gegen $tr>eima!" 
hun6crttaufcn6 f rancs. Allein trofc aller UMfäljrtafett gegen 
Sänger un6 publifum mar es ihm nicht pergönnt, einen 
gefccihlichen (ßotöregen in feine erfchöpfte Kaffe ju leiten. 

Das Preftige mar 6ahin, 6er Xuin unabmen6bar. 5 U * 
meilen nod) raufchte 6er Beifall buvdj 6as elegante fjaus, 
aber es mar nur ein bezügliches 2luf flacfern 6er alten Cebens* 
geifter. Sclbft 6ie Heclame, fonft fo mächtig in 6er fran« 
3öfifa?en lDeltfta6t, mühte ftch erfolglos. Ellies föien fich 
gegen 6ie Fortführung 6es Unternehmens perfer/tporen $u 
haben. IDie 6as Theatre-Lyrique am titelet, mie 6as 
Theatre de la Gaite, mo einft Offenbach feine muftfalifcfyen 
farcen losgclajfen, folltc nun auch 6as Theatre -Italien 6er 
H)u07t eines fein6feligcn Perhängniffes unterliegen, mährenö 
6as Xcnaiffance. Cl^ater mit feinen £ecoquia6en 6en 2(ctio- 
nären Millionen in 6en Sd)o$ n>arf. 

Selbft 6te Signori 3taliani / 6ie pon jenfeits 6er 2ttpen 
herüberfamen un6 fonft mit fo ftoljem $rohgcfüh*l % Kunfthaus 
in paris betraten, mie6en feine Schwelle. Die fran$öfifchen 
(Theater locften fie weit mehr, un6 6ie italienifa^e Oper horten 
fte 6aheim beffer, als in 6er Salle Ventadour. 

Die ariftofratifdje (Befellfdjaft gab fich jroar nach alter 
(Öcmohnheit 3umeilen noch ein StelI6ichein in 6em h*^' 
gefommenen ^aufe, 6as fich 6en Huf erhalten tyittt, in ganj 



(22 . 

Paris faft bas ein$ige (Theater $u fein, wo bie tpirflid) 
anftänbige unb edjte IDeltbame ftdjer fei, ifyres (Bleiben 511 
fxnocn, aber 6iefe Befuaje gefd?a!jen mit fdjtpanfenber lieber« 
Seuaung unb ofme juperläffige Jolge. So tpar beim trofc 
aller momentanen Diamanten* unb Ceibespradjt in ben Cogen, 
trofc aller männlidjen €legan5 im Parterre b'xe öfonomifdje 
unö Fünftlerifdje Blöge nidjt länger $u perljüHen. 

(Enblidj — es n>ar mitten in ber HMtausfteüung, bie 
für 6ie Bouleparb-Cljeater bas war, was eine rcidjlidje Hil« 
überfdjtpemmung für €gyptcnlanb, — bvadjen b'xe legten Stufen 
oer Direction 3ufammen. 21Tan geftanb ftd) bie Derneinung 
bes Hillens $um IDeiterleben ein unb fd}Io§ bie (Tfyür $u. 
Die 3taHener Ratten ausgefungen. 2Imen. 
Capoul tarn mit feiner impropijtrten (Truppe, um in 
fran$6fifd)er £unge »Les Amants de Verone" (Xomeo unb 
3ulia) $u geben unb mit bem iragifoyn Ausgang bes 
berühmten italienifdjen Ciebespaars ben paffenoen €piIog 
5ur »edjfelreidjen <0cfcr>icr>tc bes fjaufes ju feufjen. 
2lm \5. Deeember \S7S tpar Ellies porbet. 
Der Cempel 6er ITTufen fyat ftd) in ein BanFfyaus per« 
rpanoelt. XDo einjt 2lpoüo gefyrrrfdjt, micfelt nun plutus 
feine <5efdjäfte ab. €ine {Transformation, bie geffifylpoHen 
5eelen nalje gef)t*unb pon ifmen als trauriges 3*i<*?*n 6er 
S*it gebeutet roirb. Pieflcidjt mit Unredjt. Dom p^ilant^ropifd^en 
Stanbpunft erfdjeint mir biefe profaifdfe ZDanblung burdjaus 
nidjt unerfrculiä). Der ^ersbred^enbe tfnblicF perstpeifelnber 
Cfyeaterbirectoren unb banferotter Künftler bleibt uns fyinfort 
roenigpens an biefer Stelle erfpärt 

Die gute italienifdje ITTuftF wirb immer urieber, fobalb 
bie Hadjfrage lebhaft genug ift, in paris ein 2IfyI ftnben. 

■ 



-^rOlgitiz-ed by - Q' Q 



\2ö 



Die natürlichen ' «Scfefce bleiben ftets in Kraft,, um 6ie 
fünftlerifche Belegung $u regeln. IXlit cigenfmnigen €in- 
bil6ungen lagt ftcr, nichts erjmingen. 



Haa7 6er wahrhaftigen (ßefa^ief/te 6rei £egcn6en, 
nicht min6er mahrhaftig, aber erbaulicher, freue Di^ 

o Cefer! ' * 

Cegcnöc Humero €ins. . 

<£s mar einmal ein tflarquis, 6er mar benamfet Qerr 
6'3urY un6 flammte aus 6er <5egen6, wo 6er Burgun6er 

€r rühmte ftch mannigfaltiger (ßaben in 6er tfluftf unb 
Dicr/tfunft, beglüefte ein junges, feuriges IPeib un6 jeugete 
Kin6cr im fyxix^n €^cftan6e. €r ^tte fönnen fein Genüge 
haben un6 glüeflich fein. 

2Iber fo ftn6 6ie 2TIenfcr)en! nrie 6er meife >feph 

Pru6homme fpricr/t. 

Der tttarquis fyitte $met fehler, un6 6ie u>ur6en ihm 
jum pfähl im fleifch- (XHefe Metapher ift nicht von 
pru6homme / fon6em pon einem SchriftfteHer 6es neuen 
(Teftamentes erfonnen u>or6en.) 

3um €rften machte er fein Ehlens aus feiner aMigen 
(ßeburt un6 Sucht un6 obmolu" befchei6enen <5emüthes, 
fühlte er ftcrj 6och als porner/mer €6clmann por 6em Qerrn 
wie por 6en tflenfcheiu 

3um tfn6ern pflog er 6er ittuftea nicht mie ein Qan6- 
iperfer, um 6cs gemeinen €rmerbs millen, fon6ern aus geiftiger 
Hoth6urft un6 ritterlicher tfurjmeil, Dilettantismus gefcholten 



i?5 - 

xxm bcn eiferfüdjttgen (Befellen un6 patentirten Itteiftern 6er 

3u feinen Reiten fprad? man roofyl viel von $veüfe\i, 
<5le\d)ljcit unö 3rü6er(id}feii un6 fein Polf mar republtfanifd} 
geworben un6 ergöfcte fiäj an 6en unperblic^en JTTenfc^en« 
redeten; aber 6ag ein geborner Zttarquis, 6er 6ie SdjtPä'aV 
beftfce, etwas auf Stan6 un6 Citel 3U galten, jugleidj ein 
fYmpatfnfayr ZTTann t>on fyofyem Calent 06er gar ein berufener 
Küuftler fei, 6as woUte fdjier Hieman6 glauben, meoer in 
6er Sta6t nodj auf 6em £an6e. ~7 

So gefdjafy es, 6af 6ie künftigen un6 6ie ftd> unfehlbare 
2TTun6ftücfe 6er öffenllid^en ttteinung 6ünften, läfterliay 6ie 
Titeln yidten äber 6en mufifalifdjen 2T7arquis un6 gar 
Hebles fpraajen pon feinen fünftlerifdjen 3eftrebungen, 6a 
6er enge Perftan6 6iefelbigen nidjt reajtfrffaffen 3U 6euten 
imigte. 

Tibet ftärfer un6 ßärfer fam 6er (Beijt 6er tTöne über 
ifm un6 feiner melo6ifa^cn 3 n fP^ ra ^ ot,cn wat * em €n6e 
f mein*. Da pertraute er 6en fellfamcn Prang feinem IDeibe 
• Un6 6ie treue Beraterin brad} aus in 6ie flugen 
IDorte: Himm Dir einen Cibreitiflen 3um (Beihilfen un6 fa^reib* 
flugs eine Oper in fünf Tiden, bann wirb Dir leichter roeroen, 
mein lieber! 

2Hsbal6 u>an6tc er fidj an 6ie lyrifa^en Xeimfa7mie6e , 
6es (Tages, 6ie aber gaben 6ie b5fe Untmott: Wir ftn6 2flle 
bepeat un6 faben feine Seit für Di$. 

fjierauf ging er $u 6en (Beringen t>on Huf, 6ie er 
ipiüig malmte un6 roll arbeit famer Cuft Un6 fiefye, 6ie 
rraren brutal un6 miefen ir)n ab mit 6er un$iemlia^en Ke6e: 
IDir b\d)ten nur für 6ie grogen ZTTeifter, als 6a ftn6 Cecoq 



I 



125 



unb Ccboq unb ifjrc unftcrblidjen Hufjmesgenoffcn, aber wir 
werfen unfere poetifdjen Perlen nic^t por öie — Dilettanten. 

Die (Seringftcn felbft, bie nidjt wertlj wären, Qausfncdjts« 
öienftc bei ben ttTufcn&amen 5U gcrridjten ober auf bem 
pamaß bie Schweine $u lullen, gäbe es oort bas (Einer, 
bas bem !?. Antonius fo wertl?, bläßten fidj wie Jnfpirirte 
erfter Klaffe unb fyctfniten: Der i|t 6007 nur ein aöliger 
Bettelgeiger un6 er foll Cieocr olme IDorte componiren, ftatt 
permeffen an öie große £)per ju röhren , beten tüerte in 
unferm f)irne fcfylummem. . 

€r empfand öiefe Begegniffe jwar als IHißfyanblung, 
aber nidjt als €ntmutfngung. fjinfür fud)te er nid)t mcljr 
auswärts feine Reifer, fonöern einwärts. €r fyiclt gwic- 
fprad? mit alten bewährten ^reunoen, 6ie in feinem fjaufe 
unb £)er$en wofmten. Da war r>or Willem ein gewiffer 
IDilliam Sfyafefpeare, por öeffen Unbenten fid} toe 
*taufen6e unb alle (Befriedeter jwf (Erben perneigen, ben 
aber ju biefer Stunbe erft wenige ^ranjofen begriffen, gar 
vkk aber perläftert Ijaben burefy Zabel wie buvdf tob; 
biefer XDtUiam Sfyafefpeare fprad} ttym befonbers ZYTutf} 51t 
mit ben fjerjltdjen XDorten: Celjn' Did} an midj an, perfannter, 
ftrebenber (Seift; erfüre miefy ju Deinem Mitarbeiter, id> 
fjabe (Bebulb unb ttaajftcfyt mit ben Jungen, bie reMia>n 
Sinnes nadj 6cm (Broßcn ringen! 

Unb in (Bemeinfdjaft mit bem göttlichen Briten perfaßte 
er bas tTertbudj ju feiner großen £>per, beren Harmonien 
fcfyon wie ein fanfter, monbfaVinbeglänstcr gauberftrom 
burefy feine Seele flutteten, balö wie ein Orfan fein (Bcmfity 
erfd^ütterten unb iljm bie Coronen in 6ie Slugen preßten, als 
er nodj an ben IDorten fdjricb . * • . 



126 

» — ■ 

* 

Die Arbeit wav getfjan, bas XOett pollenbet. €s fyattc 
3dt)re getoflef, 3aljre ebelfter IDeihe unb reinfter Erhebung, 
bxc jtrriefacr) jaulen im fu^en ZHenfcr/enleben unb bem fcr/nell 
x>erraufcf}enben Dafein ben Stempel etr*igen 3n^alts aufprägen. 
tUcfjts Heines unb ßroges geht je $u (Brunbe. €s bleibt 
in ber Summe bes geiftigen IDeltfchafces, ben feine <geit 

XDie eine Perheißung fünftiger Erfolge leuchtete über 
ber umfangreichen Partitur 6es neuen Dieter »Componiflen 
6er (Titel: 

„Les Amants de Verone". 

IDar's bas Entweichen traumfeliger Xlaa^t, ftegreich 
herrorbrecfjenber (Tag, irar's bie Cercfje — ober bie ZTacr)tigaÜ, 
roas aus ben plöfclich lebenbig toerbenben Blättern mit 
feltfamen Stimmen an fein £>r/r brang? Er laufdjte unb 
fieberte. * . ~ 

Die nächfte Stunde roirb entfer/eiben. Eine ftarfe ' 
Raffung fam über Um. 

Sein XDerf unter bem 2Jrme, na^ete er ftdj bem 
Director bes Theätre-Lyrique, einem geurijfen £avvalty>, 
biefem öie neue Oper jur Aufführung an3ubieten. Sein Jjers 
fcr)Iug fyövbax , unb ein wie järtlicr)er Jamilienuater er aud) 
fonft u>ar, in biefem 2fugenblicfe bacrjte er toeber an IDeib 
noc^ Kinb, fo übermächtig maren feine tfünftlerforgen. 

<£art>aIho mar ein pielerfafjrener Director. Er nahm 
ben Antrag bes Ebelmannes lädjelnb entgegen, nrie Ceute 
lächeln, benen man einen fauern Gipfel bietet unb beren 
^ähne für unangenehme Erfahrungen ein hartitdcfiges 
<5e6ächtnig beftfcen. Er lehnte bas Angebot ab, umfomehr, 
ba ein berühmter HTeifter unb Häuptling ber alten Sunft, 



(Efjarlcs <5ouno6 gefjeifjen, $ur felben 3*ü öp w 6enfelben 
<5egenftan6 eine nagelneue £>per getrieben l?atte, 6cren 
ttuffüfyrung 6cm befagten Carralfyo niajt wenig am 
Qer$en lag. > ^ 

Das gefajafj 1867* 

Der Dieter 'Coniponifl ftan6 wie »ernidjtet, weniger 
6er Slblelntung wegen, als weil <J5oüno6, 5er 2Hcifter, 6ie 
nämlidje 3 0ec fünftlcrtfcr) geftaltet fjatte. 2ttuß jefct nicr)t 
6er Dilettant als gefdjäftiger Ztadjafjmcr ftd> betrauten uno 
mit peröoppelter Strenge fein IDerf rieten laffen? tDtrö 
6affelbe überhaupt nodj pon einer angelesenen Büljne naa> 
6en unsweifelfjaften Erfolgen 6er <5ouno6 , f^en (Eompofition 
6er 3nfcenirung wertfy etadjM wer6en? (Ein BU6 jeugt 
von ftd>, eine Statue ruft 6en Befdjauer gerbet, ein <5e6id>t 
fann auf 3e6en rennen, 6er lefen fann un6 lefen mag, 
fürs, je6es Kunflwerf, einmal roUen6et, ßer>t auf eignen 
^üßen un6 pn6et fein £ul -ans eigner Kraft; nur 6i< 
Partitur 6cs Con6idjters bleibt flumm un6 tp6t, wenn if^r 
nidjt 6urdj 6ie «gufammenwirfung taufen6faa)er Sorgen im 
£id>te 6er Süfnie (Beftalt un6 Spraye geliehen wir6 

6iefe (Erwägungen 6uraj5ucften blifcartig fein 
<5el?im un6 raubten tym momentan 6ie Raffung. <gum 
Glüd belehrte u>n ein Blicf in 6ie partitur feines Doppel- 
gängers, 6af bei6en IDerfen jwar oajfclbe Sujet, aber ein 
wcfentliaj t>erfdjie6encr plan ju <5run6e gelegt war. 

6ouno6 Satte 6as S^afefpeare'f^e Drama auf ein 
einsiges £icbes6uo $ugefa^nitten, 6as in je6em tfeie wie6er- 
fef?rt un6 6ie Ueberwin6ung 6er größten feenifdjen Sdfwte- 
rigfeiten conftituirt, 6ie 6em 2Uuftfer bis jefct gelungen.' 



\28 



Die letzteren unb pittoresfen Seiten bes Weites erfojienen 
bagegen total pernadjlaffigt. 

Der 2ITarquis b'Jprf atmete auf. Seine Wort» unb 
tEonbid}tung erlitt burd} bie töouno&'fcfte Partitur 11107t bie 
geringfle €rfdjütterung iljres fünftlerifdVn €riften5red^tes. 

So trug er benn fein lüerf unb feine Hoffnungen 
fürforgliaj ipieber fyeim. Dorerft ipollte er auf bas Cfyeater 
unb ben Cfyeaterrufym gän$ perjidjten. Hur in engeren 
Kretfen roollte er ausgen>5f}lte Fragmente fingen unb Hingen 
Iaffen. Der Beifall u>ar tyvtfidi. Hidjt blos in ben 
Salons 6er I^auptftabt, aua? im tfuslanoe rouroe bas 
Wext, banf einer italienifcfjen Ueberfefcung, einigermaßen 
befannt. Der Kuf feines IDerfes gemann an Verbreitung. 
€ine Büfmenauffüln-ung fam nidjt $u Stanöe. 

3*1) n 3<**?rc n>aren feit ber Pollenbung bes IDerfes 
ins Canö ge$ogen. Der ttlarquis b*^vty tonnte ftO) einer, 
tiefen Hiebergefa^lagenfyeit nidjt eru>e^ren. (Er fyatte in« 
5u?tfdjen feine neue Oper gemadjt; fein Schaff ensbrang auf 
, Fünftlerifa^em (Bebiete fdjien erlahmt ju fein. (Einigen 
Croft fanb er in neuen Daterfreuoen, bie iljm fein liebenbes 
ZDeib in bc^arrliajer $o!ge bereitete. €r fianb nunmehr in 
feinem fünfunor4er5?gßen Cebensjaljre unb nannte neben 
feiner £>per $e!m lebenbige Kinber fein eigen 

H>ie6ert70lt fyxtte er fein groges pafftonsiperf ber 
„Ciebenben uon Verona" ausgeboten, einige unternehmend 
Directoren t)atkn aud> $ugegriffen, aber bepor es in Scene 
gelten Fonnte, gingen bie freunblicfjen ZHänner pleite unb 
ifn-e Opemfjäufer gerieten in frembe, unberuulltge fjänbe. 

Da ftanb €iner auf, ber einem etwaigen Verluft getpadjfen 
n>ar. Das n>ar ein ipagljalftger Cenorift. 2IUerbings fyxtU 



t — 

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er nur o>enig IXletall mehr in feiner fanggeübten Hehle, 6afür 
Wangen ir>m reiijtia> ZHonetcn in 6er (Eafcfje. §eute noc^ 
roäre er 6er befte Sänger, n>cnn er nur Stimme hätte. (Er 
5tt>eifelt je6od> nicht 6aran, 6ag er fie nodj fyibc un6 piele 
Ccute, 6ic ihm vooty gewogen ftn6, glauben — an feinen 
(Stauben. (Senau roie es oie Bibel 6efinirt: 6er (Staube 
ift eine fefte guoerfta^t in <£tmas, 6as man n>e6er fte^t 
noaj tßtL 

Der gtaubensftarfe CTlann, PictorCapoul mit Hamen 
un6 als lyrifdjer Ciebljaber r>on 6en Parifer Damen, 6ie 
roeniger auf 6ie <J5üte 6er Stimme un6 6es Hufes un6 oiel 
mehr auf einen geroiffen artiftifdjen HTuth geben, fetjr gefajäfct, 
fan6 ein au§eror6entli<hes IDofjlgefatlen an 6er perführerifdjen 
2?oüc 6es liebeglühen6en Homeo in 6er Oper 6es HTarquis. 
Seine Abenteuerlujl regte fiaj in alter Kraft. 

Um 6ie DarfteQung 6er unnri6erftef?Iid} rei$en6en Homeo- 
Hotte 6urd?5ufe$en un6 feine Hatur auf ihren ehemaligen 
Sauber ju prüfen, pen»an6elte fia? 6er „vieux beau" ol?ne 
Engagement in einen Director ad hoc, warb eine (Truppe 
an, rührte 6ie (Trommel 6er Hedame, 30g in 6as Ieerfte^en6e 
Theatre -Italien un6 ftattete 6as Stücf auf eigene (Befahr 
un6 Hed^nung aus. 

3n 6iefer XDeifc f?at Victor (Tapoul, einer fügen Kfinftler- 
laune fröfmen6, jugleia^ 6cn (Traum 6es Dieter »(Eomponijten 
fpät 5n?ar, aber glän3en6 perroirflia^t. 

Die Aufführungen fanoen pom \2. £>döber bis 
^5. December <878 6reimal in 6er tDoaje ftati. Das IDerF, fein 
Unternehmer un6 6er £>rt per6rei faajten 6en Erfolg. (Ein 
6anfbarcs (ße6ärf/tnif harret ihrer bei 6er Haa^melt. 

m.V Conta», parifUna. 9 



Der ZITarquis 6'3«*Y W nidjt umfonft geftrebt. <Er 
l>at feinen plafc an 6er Sonne 6er Oeffentlia?feit gewonnen. — 



Cegenoe Humero S 0 **» 

3n 6er guten Stabt Couloufe gibt es 3tpei H)irtf?sf?äufer. 
ote berühmt ftn6 meilenweit imllmfreis: 6asf}6tel Capoul un6 
bas £)6tcl Dar6ignac. 2Xus 6em f)6tel Capoul ift 6er gefeierte 
Sänger Capoul, aus oem fjötel Dar6ignac 6er gefeierte Sänger 
Dar6ignac Ijerporgegangen. 

Der Heifenoe, 6en irgen6 ein Stern 06er Unftem naa> 
tEouloufe geführt, n>äf?Ie eines 6er betben Qäufer $u feiner 
fjerberge. Bei feinem (Eintritt unter 6as gaftlid?e Vad} 
XDitb fia)^oIgen6es ereignen: Der pere Capoul refp. Dar6ignac 
n>ir6 6en IDeltfafyrer mit einem Bücfling nrillfommen Reifen, 
n>ir6 ifmt feinen ausgejeidmeten Keller, feine portreff lia> 
Küaje, feine unpergleicfjlicfjen Betten anrülmien. TXadf 6iefem 
gejjfjäftsmägigen Dorfpiel tritt 6er große tftoment ein. Der 
Künftlerpater 6rängt 6en IDirtf? in 6en f)intergrun6; er lägt 
fein 6ienftfertig befajeibencs 2Intlifc aufquellen un6 ftra^Ien 
ipie eine Sonnenblume um Qodjmittag un6 feinen ZTTun6 
überfliegen pon ^odjgefüfjl. <£r ftimmt an 6as preislie6 
feines- fils, 6es weltberühmten Sängers. Je suis le pere 
de .....! 

Die bcutfdje Citeraturgefdjiajte mel6ct uns ein äfynlidjes 
tDort pon 6er großen Jranf furter Hatfysfrau: Je suis la 
mere de Goethe. 

5u loben bleibt, 6aß 6as Preislie6 6em <5afte nidjt auf 
bie Hedjnung gefegt nrir6. 



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TXbet wie b'xe ,fein6fd}aft unfelig getpütfyet fyat jurifdjen 
6en bexbcn patricicrsfamilien von Verona, fo ergreif en6 
gefd}fl6ert pon IDilliam Sfyafefpeare un6 bem MTarquts 
6*3«*Y/ fo f^flrt bie Hipalitat 6cn f)aß stpifdjen ben bexben 
<Saftn>irtfjen von Couloufe. Capoul pere (^agt bis aufs 
33lut Dar6ignac pere et fils, uno Dar6ignac pere betennt 
oiefelbe nadjbatlxdie 03efinnung gegenüber <£apouI pere et fils. 

Hur 6ie mil6en Sitten unferer Cipilifation uno 6ie 
fdjtpungpoüen «ßefcfjäfte, 6ie in beioen Rufern gleich ein» 
traglidj blühen, perfyin6em, 6a [; jtdj 6ie ripaliftrenoen Pater 
poü 3erferf<?ru>utFj auf cinanoerftürjen uno ifyren tiefflen 
<5efüf?len freien Cauf laffen. 

(Bütiger tt)i6erfpru07 6er Hatur! Siefye, 6ic Sälme 
lieben fid} eben fo feljr, als ßd} 6ie Pater Raffen. Sie per- 
neigen jtdj 1?u16poII por einander un6 einer . erfennt bem 
anberen 6ie Palme 6er fünftlerifdjen Superiorität ju. Heio-' 
los tauften fie 6ie £orbeerfrän$e aus, un6 jeoer fdjmücft 
6as rufymgefrdnte fjaupt 6es an6eren mit befon6erer Sier. — ' 

Capoul fils bat feine Stu6ien in ParHs gemacht. Die 
fjofye Sdjule 6es 6ramatifd}en Kunflgcfanges fyit fein 
03efyeimmg mefyr für iEm. Sdjroermutfy, Ciebe, ljol6e l>er- 
Sroeiflung, Särtlidjfeit, 007, Särtlidff eit befon6ers un6 peru>an6te 
< 3uftän6e un6 Stimmungen permag er mit fo ergreifen6er 
£ebensroaln*l?eit, potenjirt 6urdj alle ^ineffen 6er Hunft, 6ar« 
5uftellcn, 6ag er niijt nur 6ie gefüfjlpollc "Pamentpelt total 
be3aubert, fon6ern felbft ein gan$es, eifenumpan$ertes 
Kuiraffier.^egiment in Crjränen auflöfen tpüroe, tpenn man 
ilm 6ie foftfpielige Probe machen liefe. Ceioer pflegen 6ie 
-Kriegsminifier fein <5eI6 un6 fein X>erftän6nif für 6eTartig< 
intereffante (Erperimente mit lyrifdjcn tüenSren ju fabeiu 



Dkior dapoul ift nidjt nur ein chanteur, fonöern aud> 
ein unuu6erftef>IiaVr enchanteur. 

Die fittigften grauen »ermag er 6urdj Sang un6 'Spiel 
in itn-en gefefteten <5run6fäfcen einen &ugenblicf uxmfenb $u. 
machen. 

„0, 6iefer <£apoul ift djarmant", geftan6 eine brape- 
Bürgerin ifjrem (Semaljl nadj einem perliebten Opernftücf; 

„idj begreife qu'on fasse des folies pour lui!" 

_ 

Sein erftes Huftreten in tfuber's „Le premier jour de^ 
bonheur" n>ar in 6er Cfjat fein (Slücfstag. (Skid} ant 
erften IXbenb Ijatte ficfy 6er fdnnucfe 3 <m 9l" t g $ um Liebling, 
aller pariferinnen gefungen. Haljeju $tt>eifyun6ert Vor* 
ftellungen folgten ftd> Schlag auf Sdjlag un6 jeoe mar eine 

* 

neue €roberung für ifm. 

Hadj 6em Kriege ging er $ur italienifdfen £>per über. 
Ms Signor Eittorio Capoul, Tenore lirico, madjte er 
erfolgreidjc Kunft- un6 <Befd}äftsreifen. <2r oebutirte als . 
^auft in £on6on, lief ftdj bann von Stracfofdj für Hmerifa 
engagiren, ging ein paar 3 a *? rc na< *? oem ^eiligen Peters- 
bürg, folgte 6er IDerbetrommel JTTereüTs naa> IDien un6 
ferjrte fdjlicglia? u>ie6er $ur IPiege feiner (Triumphe jurücf r 
wo er am \6. ZTorember \S76 an 6er Opera -Comique in 
6cm neuen XPerfe „Paul et Virginie" mit 6er Creirung. 
6er rräumerifdjen fjel6enrolle f 6ie auf fenfitipe, impreffionablc 
(ßemütfyrr einen tiefen €in6rucf mad?te, feinen Xulnn 
aufFrifdjte, ' 

Seine Partnerin n?ar ^^ulein f)eilbronn, ein unruhiger 
ZÜan6erpogeI mit prädjtiger Stimme, 6em im perfürjrerifdjen 
Seine -Babel eine längere Xaft befjagte. 



3n>ci 3af?re fpäter teilte fta7 Fräulein fyilbronn mit 
^räulcin Sey in öie Kolle 6er 3uli<*/ M *<>™ 0 ^Poul 
jirnt Opernfcirector oes 21Tarquis 6'3üry aufgefdjipungen rjatte. 

(Eine parentljefe. 2Han f?at jtd? gewöhnt, 6ic poetifcrjen 
3uliettcn, Margarethen un6 £>pr,elien als ätljerifay <£rfd>ei. 
nungcn ober tpenigflens pon pomelmier Sdjlantyeit $u oenfen. 
Die Qollän&erin Qeilbronn fyxt einen Stricr) öuraj oiefe <ße- 
molml)eit gemacht. Sie fyit eine 3ulia neuer Lanier ge- 
fdjaffen, eine roofjlconoitionirte, runoe, fette 3ulia, oie öur$ 
il?re gefegneten Körperformen 6en Hei6 if?rer tfmme heraus- 
^uforoern im Stanoe ifL . 

(Ein Spottpogel bemerfte: Cest en meme temps 
Juliette et la nourrice! 

Uebrigeus fcr/cint mir burd> nidjts erliefen ju fein, oaf 
^orneo fuf> nur für eine magere «Beliebte paffiomrt Ipbt. 
tfudj Komeo Capoul foU ftd>, roie €ingctpetyte perfiaVrn, 
in oiefem Stüde als gefdmiacfpoller €Wefttfer ausfpre^en. 

Die Scenc im Sdjlafgemadj 6er bis $um Sterben per- 
liebten Deronefm, oann am Balcon, wo* es oen enMofen 
Hui uno 6ie roonnetrunfene Umarmung gilt, fpielten 
Capoul uno öie fjeilbronn mit einer Derpe, mit einer fo 
beftriefenoen füMia^en XDa!?rl?eit, oaß oie 3mprefftonipen bts 
Parterres por €nt5Ücfen aus einer Ofyimadft in oie anoere 
fielen uno öie reijbaren Damen getpiffer" Cogen bei htm 
TXnblid oes beneiöcnsipertfcn . paares. mit oer gunge 
fänaljten. . 

2Han munfelte oamals Allerlei. €s ftarben Me 
Capoul • Sa^tpärmerinnen fdjier por Hei6 uno £iferfudjt. 
Sie glaubten, ^räulein fjeilbronn meröe oen järtlic^en 
tfomeo oirect pon öer öülme weg $um Standesamt locfen 



it nö tl?n Innfort einzig unö alUin an ifyre paraöiefifdje 
perfon fcffeln. 

Dem war jeöoaj nid?t fo. <£apoul ift <5emeingut 
aller galanten £rauenl?er$en geblieben. €r l?at bas i^m 
anvertraute Pfuno nidjt im (Bemüfegarten oer <2^e per- 
graben. €r wud?ert öamit auf (Softes freier jlur« 

"Kurs por (Tljorfäjluf fjatte er mit feiner fajonen 
Partnerin im The&tre- Italien nod) oen preiswüroigflen 
Krafcrjl, 6effen €ä>> aud) oen legten 3*?«f*l meoerfajlug, 
6er pielcommentirte Huf fei etwas antares, als ein coli- 
fommenes Kunfter$eugni§ gewefen. . 

Die Cäftcrer waren bann fofort mit 6er böswilligen 
Umoeutung jur fyrno, 6ie Kugfcene muffe als eine gefdjicft 
reoigute Keclame 6es gealterten jungen Ciebfyabers auf- 
gefaßt werben. 

Zlur oiefe Scene? fragten 2Inoere, oeren Sfeptif jeöe- 
Scfjeu perloren. 2IHes ift Xeclame in 6er £)per oes 
iUarquis 6'3 Dr Y f ör ZHonfieur Capoul: bie wonnige 
21Xuftf, öie Cricots Äomco's, öas träum wanoelnoe flöten- 
motfp im 5 weiten 2lct, bas meifterljafte, für jrauenaugen 
in oiefer unblutigen Raffung gera&e$u fublime Duell, bas- 
eine 2Husfelentwicfelung, eine männlia>e <5ra5ie, eine ritter- 
liche Befymoigfeit, eine beraufäjenoe Co6esperad>tung jur 
Sdjau ftellt, wie man es in oiefer DoUenöung faum oor^er 
öuf oen Brettern gefefpn ...... 

Da$u oie warme, parf ümirte iltmofp^äre 6es Saales .... 

Die Cegenoe Humero §mf\ fdjlicfct aber in würoiger 
XDeife atfo: 

IXls oer gefeierte Capoul auf 6em Diredionsftul?! oes- 
Theätre- Italien gleidj einem ambrofiaouftenoen Olympier 



thronte, öa erfaßte ifm 6ic Sefynfucf/t nacr) einer großen 
,Jreunöestr/at, nacr) einer Kunögebung feiner noblen 
Onfiinde. Der IDiöerfjall öiefer manifefiation fotlte bis 
nach öem pälerlicr/en Coutoufe reierjen. 

Unö er berief feinen Jugenö« unö ftunftgenoffen Daröignac 
fils ju ftcr) unö fpracr) $u ir/m öie eöelgemuttpn IDorte: 

„IDoju bin icr) Director geax>röen unö r/abe meinem 
Sängertfnim öiefe r/ofye XDüröe beigefügt? 3er) fenne meine 
pflicr/ten gegen Dicf/. Du follfl 6es Qerjogs fyxolb fein in 
5er von meiner 2Hunificen$ gegebenen Oper. Dein Pradjt- 
fleiö ift befteüt. So rüfte Die*}! Jn öem Künfllcrbunöe, 
öen <£apoul öirigirt, öarf Daröignac nicr/i fer/Ienl" 

Unö fo gefer/ar/'s. IDenn öereinft öie alten Sänger- 
fnaben, belaöen mit Hur/m unö HToneten, jurüeffer/ren nadj 
ir/rem fjcimafljltcr/cn Coutoufe, öann roeröen fte über ein unö 
öemfelbcn IDirtr/sr/ausfdnlöe ir/re Corbeerfrdnje vereinen unö 
öarunter roeröen fxdf öie Hamen nerfcr/lingen* in golöenen 
tfrabesfen: Capoul et Dardignac. 

5o rerför/nt öie Kunft öer Sör/ne,t roas öas <5eu>erbe 
öer Dater eutjtoeit. — 

f)ier enöigt öie $u>eite Cegenöe. ' 

€s ift notr/toenöig 3U bemerfen, öa$ 2TTonpeur Pictor 
Capoul, öer Siegreiche , noer) nicr/t im (Traume öaran öenft, 
ficr) auf öie XDirtr/fcr)aft feiner Däter in-Couloufe 3urücf$u- 
$ier/en. Den rocltftäötifcr/en Kunftcentren ift feine €rfcrjeinung 
noef) gener/m, in paris ein r/iftorifcr)es Beöürfnif fogar. 

IDie öer Crocaöero, roie öer Ballon. Captif, roie öet 
belletriftifaV Stror/feffel, öer Sarar; Bernr/aröt's £uftfar/rt«n 
crjär/lt, roie öie Denöomefäule, roie öas ZHunöroerf <£affagnac's 
unö älmlicf/e llnica ift öer lefcte Sänger öes Theätre-Italien 



eine Sefyensn>ür6igfeit von Parts. Das 3 n * erc ff e r 6as 6te 
Scinefta6t 6en £rem6en einflößt, txmr6e eine be6cnflidje 
21Iin6erung erfahren, roenn Capoul plöfcliaj 6auonginge. 

34 alme 6ie Unge6uI6, mit 6er nun mein gefdjäfcter 
Cefer auf eine Detailfdjilöerung 6er Perfon unferes uner» 
fe|Iid^en Künfllers fyarrt. 

Capoul iß f4$n. Die pfyotograpfycn fragen ft4 um 
ir>n; öenn feine Bilöer perfaufen ft4 beffer, als .6ie 6er 
gefeiertften Sa^ön^eiten 6es f)ippo6roms un6 6es Sfating»Km?s. 

<£r ift 6er menfcr)geir)or6cne tDoljllaut^ 6ie perfonipeirte 
3artlicr)feit, eine Perljcißung, ein Seufjer, ein Kuf — un6 
604 ein ITCann mit allen Attributen feines <ßefdjlea)ts. 
Das £>doI feines Antlifces jiert ein aut^entifa^es Sa^nurr« 
un6 Knebelbärta^en tx>n an$iefjen6er Hettigfeit. €r fjat eine 
Hofe, jtrei Augen, eine Stirn un6 6a^inter mutlnuaßli4 
au4 ein <5ef?irn 

34 fefo fein profil gelingt mir nidjt. Daju ift fein 
l)auvt von einer fo blen6en6en €icr>lfüüe 6es 2?enomm6es 
umfloffen, 6aß ft4 6ie ^e6er gegen 6en Schattenriß roefyrt. 

XDas Üpm? 3<*? neljme meine S u fl u d?* 3 UV einem 
HTeifier 6er S4H6erfunft, $u tCt?£opl}Ue (Sautier. Diefer fyat 
uns in feinem berühmten Vornan JLe Capitaine Fracasse" 
6ie n>un6erbaren Jjefocntfyaten einer Komö6ianten»Cruppe 
gemelbet un6 6abei bas Portrait 6es fer/önen £ean6er gemalt, 
6as öem Cefer gewiß einen lebhaften Begriff von 6em na4» 
gebornen frönen Dtctor rerfcr)affen »ir6. Die 2Iefpilt4feif 
tt>ir6 i>on $uuerläffigen 5« u 9 en garantirt 

34 i*t6anFe einem geu>an6ten Parifer Kollegen 6en 
Qintpeis auf 6iefes ebenfo bequeme als angenehme un6 
nrirffame Ausfunftsmittel. 



tflfo frei nad) (Bautier: 

Ceanber, ben feine 3oüe Derpfücrjfcte, bie roilbeflen 
(Tigerinnen ju bänbigen unb fte lammfromm $u machen, Mt 
Cruffalbins 5U lauften, bie (Er^ape irre $u führen unb immer 
ftols unb ftegreidj ourcr) bie r>ern>ic!elt|ten Dramen $u fa^reiten, 
war ein (Barcon von breißig 3ar,ren, 6er aber ouret) bie 
außerorbentlicr/e Sorgfalt, bie er auf bie pflege feiner perfon 
i>ern>enbete, Diel jünger fdn'cn.. 

(Es ift wahrhaftig feine Hleimgfeit, einen Ciebhaber 
i>or$uftellen, jenes mylteriöfe, pollfommene tDefen, bas fta> 
jebe 5uf^auerin naaj ihrer tDeife formt. . . . ZTTontfeur 
Ceanber ttyit fein tttöglichftes. €r fettete fein (Befielt mit 
blanc de baieine ein unb belegte es jeben Abenb mit poudre 
de talc; feine Augenbrauen, beren rebeQifa^e fjaare er mit 
«gänger/en ausjupfte, glichen einer mit "dßneftfd^er Cinte 
gesogenen fä^njunguollen Cinie, bie in einem eleganten hatten- * 
fd}tpän5cf}en enbigte. • • 

Seine fleißig gebütfteten unb mit Opiat geriebenen 3äi)nt 
glänzen nrie Perlen bes Orients in ihrem rbtfyen ^leifa^e, 6as 
er bei jeber (Gelegenheit fefjen lief, unbefümmert um bas 
griea)ifd)c Spridjmort: Xlxdfts Dümmeres, als ein bummes 
Cäcr/eln. 

Seine Kameraben behaupteten, 6aß er aucr) außer öem 
Cljeater ft<rj oie klugen untermale, um bas feuer feines 
Blicfes 5U erh%n. Sorgfaltig gehäufelte ffaavc^ bebeeften 
in glän$enb fer/roarjen Cocfen feine Scr/täfe. £>ft fuhr er mit 
ber fjanb bahin, um fte fer/dn in Orbnung $u erhalten, roas 
ifmt (Gelegenheit gab, bie retjrolle ^orm ber fjanb felbft, ir/r 
untabelr/aftes IDciß unb einen foftbaren Solitaire im beften 
Cicr/te $u $eigen. 



13S 



Der umgefdjlagene Kragen enthüllte einen runden, »eigen 
£}als, fo glatt raftrt, dag auaj nia^t 6er Statten eines fjärayns 
ju fer/en mar. .... 

€r tonnte feine Litauer anblicfen, or/ne fief) 6as 2(nfefyen 
$u geben, als ftürbe er r*or Ciebesdrang, und er fonnte Feinen 
3ug aus einem (ßlafe tfyun, olme $u fdfmaajten, als wäre er 
einer Ofmmaajt nafye. 

Seine pfjrafen interpuncrirte er mit Seuf5ern, und felbjfc 
monn er von den gcringfügigften Dingen fprad}, gefiel er per) 
in einem 2Iuf» un6 Hiederfdjlagen 6er &ugen, in einem fo 
$ärtlta> flötenden Con, in einem fo fofetten SHienenfpicl, dag 
man t>or £aa>en fyätte berften mögen. 2lber Me Damen 
fanden das feljr charmant. — . 

£> diefe Damen! 

legende Humero Drei. 

(Es mar in Conoon. 3m Cfyeater ppn <£opent.<5arden 
feierte der ga|tirende Sänger pyramidale (Triumphe. Die 
fernen 5ufö au « r innen mußten fia? por Seligfeit nia?t mefjr 
ju faffen. 

€in freund des Siegers drüefie diefem eines 2Ibends 
folgende geilen in die fjand: 

„Mon eher ami, eine Dame beauftragt mief), Sie $u 
fragen, ob Sic (Sefangunterri^rjt erteilen, und menn ja, ju 
melaVm Preis?" 

Der Sänger, den feine feine IDitterung rafa? auf den 
magren ßrund der Anfrage führte, antwortete, obfa>n er feiner 
Cebtage noa> feine «Bcfangftunde gegeben fyxttt, bejafcnd: 

„Cher ami, felbftoerftändlidj gebe icr) Unterricht. Die 
Cection foflet, ift die Spulerin alt und fyäglidj, jwansig 
<5uineen; ift fie jung und fyübfcr), nichts*. 



3n*t tTage fpätcr erhielt 6er improDijirte (ßefanglefyrer 
auf parf ümirtem, mit einem gol6enen IDappen gezierten papiere 

6iefe €inla6ung: 

„£a6y U. foier folgte einer 6er t>orneljmften Hamen , 
6es britiföen Onfelreidjs) mel6et 6em ITTonfteur * * tyrr 
Complimente mit 6er HadjriaV, 6ag fte je6en Dienflag $u 
fjaufe ift. Sie Ijofft, er werbe fo gefällig fein, üjr einen Befuc^ 
S u maa)en ; 6amit er felbft beftimme, $u melaTem preife 
fie 6ie in 2lusfta?t gefteüten Ceetionen ju bejahen tyxbt". 
Eh bien? v 
• Der Hünftler fyat feinen Befua^ gemalt. Die Stunden 
nwr6en pereinbart. Ucber 6en preis — fd^nxigt 6tc 
<ßef cfyicfyte. - 

tfber fte fa>>eg niajt über eine ganje Serie anoerer 
Abenteuer mit galanten grauen aus 6er pornefymen IDelt. 
Sintemal jeöod^ 6er Kaum 6iefes Buddes nicfjt ausreißen 
n>ür6e, auä) nur 6ie cultur^iftorifd^ belefyren6flen $u ersähen, 
tHjrmeife iaj 6en eifrigen un6 roiffens6urftigen €efer auf Me 
Heiationen oon 6en bonnes fortunes oes frönen Ceanoer 
im bereits belobten Capitaine £racaffe 6es HTeifters tE^optyle 
(Sanfter« 

£>, fte fm6 nidjt alle englifdj ausgefallen. . • . 

Dod> gilt audj für 6en IttTonjieur Pictor 6as berul?igen6e 
IDort: Ittels Heues unter 6er Sonne. ~€s ift 2Hles fdjon 
6ageroefen bei 6en feiigen Dorfafyren in 6er efyrfamen Sunft: 
praljlfjanferei un6 pradjt, para6icftfa7e Cuft un6 Ijollifdje 
präget. 



* ? 



• • I 



^D\0^d 1 



«•I 

IV. 

€in ZlTuftf ante'n*&Ueblatt. 

(Sounoö — 2Ha(fcnet — JHclra. 

I 

* 



Quartes (Sounoö eröffne öen Keinen! 

l\\d)t leidjt ift ein frarijöftfcfier (Tonmeifier von 6er 
öeutfcrjen Kritif ärger mißfyanoelt iporoen, als er. Die feit« 
fame 2ftifcr)ung pon Schwärmerei un6 Berechnung, pon 
IHytHcismus unö Senfualismus , von Kircfycnöiutft unb 
Salonparfüm, pon inöifcr/er 2Isfefe unö parifer Cüflemljett, 
furj pon 2111cm, was öie Pfycr)e eines moöernen Künftlers 
an lüiöerfprücr/en in iljrem IDefen bergen fann, r)at aus 
<5ounoö eine fcr/roer ju enträtljfelnöe 2Ttuftfanteu«5tgur 
gemacht. 

Die Scfjtpierigfeit öer €rfcnnmij berechtigt jeöodf 
feinesu>egs, öiefelbe mittel ft getyäfftger Abfprecrjcrri ju um* 
ge^en unö öurdj heftige Angriffe 6as porftcrjtige Einbringen 
in öen Kern einer 3"&ipiöualität $u crfctjen. 

f)crr tfuguft Heitmann, ein fonft geurif? peröienftpoller 
SHuftfer unö Schriftfteller, lieg ficr) ron feinem pefftmi|fcifchen 
Parteifinne ju folgenden Steuerungen über Charles Gounoö 
perleiten („Allgemeine (ßefer/icr/te 5er l\lu[\t M , IIL 354); 

„Dürftiger als bei ZHeyerbeet unö fjalepy unö $um 
€f?ei! ipioerträrtig geftaltet per) öie grofe Oper bei (Bounoö. 



. m 

* * * 
* * ■ • 

Die (ßrunölage öerfelben finb porunegenö oic abgefungenftcn 
TTCeloöieprjrafen uno perbraudjteften r/armonifdjen tDen» 
bungen, 6ie eben nur mit bem Prunf unb jlitter vmb ben 
Ungef?euerHcr)feiten ber großen fran$öfifcr}en Oper aufgeputzt 
unb 6er geöanfenlofen IHaffe 5ugerid}tet ftnö. IDir tpüröen 
fein IDort bes €ifers über biefe neue pr/afe ber grofeu 
Oper perHeren, n?enn bie momentanen (Erfolge (Bounobs 
aud} in Deutfdjlanö nid}! gerabc an eine Oper für) fnüpften, 
bie jeben Deutfdjen mit €fel erfüllen müfte. Der Jran$ofe 
r/at es gerpagt, eines 6er r/errlidjfien IDerfe beutf<r)er Kunft, 
«Soetrje's ;$auft, unter oft ipörtlicrjcr Benufcung bes Origi- 
nals, mit einer 2Huftf ju perunglimpfen, 6er- gegenüber nur 
gern 5l°t on>, s 2Ttartrja»2TTuftf für beöeutenö erflären tpürben. 
Die fyorje, ibeale Dichtung ift r)erabge$ogen in einen Sumpf 
pon oröinärer 21Tufif, baf es ferner nrirb, ir/re Umriffe 
audj in 6er Befubelung nodj 5U erFennen unö bas beutfaV 
Publifum ergoßt ficf) an ir/r un6 öeutfdp ^cöern p er fügten, 
fte bei uns einzubürgern, ein cr/arafteriftifdjes 2TTerfmal für 
öie unenblidje Begriff spertpirrung, bie auf bem (ßebiete 6er 
fogenannten Kunftfritif b/errfijt, urie für 6ie Korruption 6es 
(Befcrjmacfs* ... 

IDenn eine ungerechte, aber nad? r)erfömmlicr)er 2tuf* 
faffuug pernidjtenbe Kritif für 6en Betroffenen Iebensgefärjrlia^ 
roäre, fo r/ättc nacr) bem Äeißmann'fdjcn Perbammungsfprudf 
ßounoö Iängft b/inabfar/ren müffen in 6ic <5rube. Allein es 
ift anöers gefommen. (Bounoö ift nidjt am 5°™* un6 €fel 
feines Peröammers geftorben. €in rüpiger Secr)$iger — er 
ift am J7. Juni \S\S $u paris geboren — erfreut er fxdf 
rjeute nod) ungebrochener Sdjaffensfraft unb 6er Quell feiner 
mufifalifcr}en pfjantafte fprubelt fo freubig unö rjelf, als tfitte 



H5 

nie eine trübe Cebens« unö Kunflerfahrung öaran geröhrt 
,Jreuöig unö r/ell, fagc idf, ofmc öamit jene myftiffe Der» 
öüfterung in Slbreöe pellen $u motten, öie fidj jeittoetlig wie 
ein Scfjleier öämpfenö auf öie flingenöften Saiten feiner Seele 
legt. Die Heigung $u fdjtDermütfyigen, religiös angekauften ' 
(Träumereien ift öem merfunlröigen UTanne eingeboren. Sic 
fomnit in feinen früfyeflcn nrie fpäteren IDerFen $um Durdj- 
brudj , meift unoermittelt, fprungr/aft, naf öem Sfelmenlieö 
oes angefäufeiten Klofterbruöers bas ff merslife ZHiferere. 

Seinem fünftleriffen Raffinement allein ift es 5U öanfen, 
wenn es ifmt gelingt, 6cn f)orer über öie ZDiöerfprüfe uni> 
öie tiefe ^erriffenr^eit oer feeliffen <5runöftimmung fanft 
Ijinmeggleiten $u lajfen. So ©ermoften öie grotesfen fjerjens- 
oerirrungen öes 2TIeiftcrs, por allem feine abentcuerlif en 
Sf icffalc im Sfooge 6er ^amilie XDelöon »äfyrenö feines 
Aufenthaltes in €nglanö von \8?{ bis ^ 87^, faum eine neue 
€mpfinöungsmelle $u erregen, öie nidjt fcfyon ■ von feiner 
früfyeften 3ugenö an im f aotiffen tfleerc feiner Seele i^re 
»eigen Sfaumfpifcen gejeigt fyätte. 1 

Sein IDefen ift mit allen Ceiöenffaften öurf tränft. 
3m JTTittelalter fyätte er genug als bas fiammenöfte Kirchen- 
lift per} im tDeinberg öes ^errn ausgebrannt unö all' feinen 
Senfationsbeöürfmffcn ein reifes ßenüge getljan; in oer 
nüchternen tfToöernität ron r)eute, öie oen geiplifen Kraft- 
menfer/en öen Kaum beffränft unö bxe nrilöen Bäume nif t 
mehr ungefähren in oen Jjimmel tr>af fen lägt, nrie hl oer 
frommen gext firf lifer Omnipotenj, blieb ilpn nur öie 
mupfaliff e Büfmenn>elt als Cummelplafc. Die £>per allein, 
als öie ioealfte unö — ftnnlif pe Kunpform, ift für öie 
fünftleriff e pijanfape umfaffenö genug, um öie rer$el?renöpen 

m. ©. Conrad partfUm«. 20 





■ 

Jeuerftröme oes gcfammten menfdjlicfyen €mpfm6ungs»(Befyalts 
yfarjrlos in ftd} aufjunelmten 

<5ouno6's (Eltern waren ortfyo6ore Katfyolifen, 6enen 
eine tief religiöfe <£r$iefjung il?rcs Kinöes (Seipiffensfadje 
mar. Sie forgten 6afür, 6ag 6ie erjlen un6 bleiben6ßen 
(£inbrücfe auf 6as (Semüt!? 6es fleinen Charles fia> ftreng 
im (Seifte 6er jamilientra6ition ponogen, öaß er ein refpect« 
poller <£rbe iljres frommen (Blaubens »uroe. ZTTan mar 
ba mal s nodj nidjt fo rocit in 6er Pä6agogif, um in 6er 
2?eligio(ität 6ie Slüt^e einer felbfterrungenen, aus 6er eigenen 
Kraft 6es 3 noijjiouums f?erausgeipaa?fcnen tDeltanfdjauung 
3U er f ernten, fem 6er rt Ehielt nodf an 6cm (Bcbraudjtrmme feft, 

• 

oent jarten Stamme 6ie fnorrigften Heifer 6er tfyeologifdjen 
Heberlieferung getpaltfam aufzupfropfen. Unbekümmert um 
öic €igenart 6es jungen Haa^tpuajfes, tpolite man 6emfelben 
6ie religiöfen 36een un6 (Befür/le pererben, "nrie man 6ie 
f oftbare Sdmupftabafs6ofe 6es (ßrogpaters, 6en fol6atifdjen 
^eoerbufd} 6es Urgrogpaters un6 anoeren ;familtenfjausratlj 
e^rffira^tig pererbte. 

Das 2TCuftf ernten » (Temperament regte ftdj früfoeitig im 
f leinen Charles, u>ur6e aber eifrig mit (Bebet un6 firdjlicfjen 
Hebungen befämpft. 2Us es 6em Knaben einmal glüefte, 
Othello 5U fyörcn un6 Don 3uan, 6a looerte fein €ntrjuftas- 
mus für 6en Räuber 6es tConreiajs rjimmclrjodj empor. 
Die ^amilie erfdjraf, als 6er fromme Charles jum erften 
2TTale berannte, er fürjle ftdj $um ITTufifer geboren; fte griff 
jum ZJOfüpBDtMi um mit 6em tpun6ertl}ätigen, gefegneten 
' ZDaffer oen Iftuftfantenteufel auszutreiben, 6er in 6er Seele 
bts Hintes fein IDefen trieb . . ; 



1*7 



Schließlich fiegte 6er (Ecufei 6ocfj über 6ie guten,' alten 
*)ausgeifter, un6 €fyixlcs 6urfte IHuftf ftu6iren, natürlich mit 
6er €infchärfung, 6as profane (Beouocl ängftlich ju meinen 
uno fein Seelenheil nicht 6urcf> öen Umgang mit 6en 
hci6nifchen lltuftfantengöttem 3U compromittiren; er fottte fld> 
an bie 3 n f pir a t ionen btx ^eiligen Cacilia, an oic alten, 
foltöen Kirchentonarten, an 6ie ehrbare ^uge un6 bas 
erbauliche £>rgelfpiel galten. 6laube un6 Kunft fdjloffen ein 
Concoroat, unter 6effen Sdjufc 6ie eigentümlichen (Talente 
£r)avUs> 9 ftd} mächtig entwickelten. {Jatery, Cefueur uno 
Paer n>aren feine Cefjrer. J839 gewann er 6en erften Preis 
in 6er c£ompofition am (Eonferpatortum. 

Als Preisträger 6urfte er auf Staatsfoflen einen mehr- 
jährigen Aufenthalt in 3talien nehmen. <Bouno6 fteuerte 
fofort 6em 5onncnIan6e jenfeits 6er Alpen, 6er einfügen 
XDicge e6leren JHenfchen« un6 Mnftlerthums, entgegen unö 
inftallirte ftcf? in 6er ewigen Stabt in 6er .Di IIa tfleötci 
Der djriftfatholifdTe Zttufcnjünger füllte ftd> wie im ftebenten 
Gimmel. Alle Seligfeiten einer gf%n6en (ßläubigreü, 
multiplicirt mit 6em 36ealismus 6er Kunß, ftrömte in feiner 
Seele jufammen. <Ban$ erfüllt r>on feinem fyoljen Berufe, 
wi6mete er 6er römifchen Kirche, ihren <5ottcs6ienften un6 
Kunftfdjäfcen ein begeiftertes Stu6ium. €in furjes Fragment 
aus feinen noch ungc6rucften XTTemoiren, 6as jfingftuon 6em 
„Soleil illustr£" mitgetheilt wur6e, gewährt uns einen €tn- 
blicf in 6ie 2Ttetho6e, mittelft 6eren er (ich 6er neuen Kunft. 
ein6rücfe analytifch 511 bemächtigen fud?te. 

XDir machen 6abei 3ugleich 6ie lüahrnehmung, 6af öle 
Heigung $u fentenjartigen ^ormulirungen feiner <Be6anfen, 
ju einer gewiffen falbungsroHen Ausweitung 6es SpcciaifaHs, 

10» • 



$u rfyctorifdjen Ausfdjmeifungen im Kanjelftil nicht erft ein 
€rgebni§ feines fpäteren Cebens i(l. Der junge <5ouno6 
analyfirt, generali jirt, 6ocirt mit dem nämlichen Belagen, 
nrie 6er alte; 6er 5 ipansigjä Irrige ift oerfelbe Diel- unb Schön- 
redner, als welcher 6er fc^igjä^rige in 6er Conperfation rbie 
in feinem umfangreichen Briefipechfel ftch 6arftellt. Die 
Herausgeber feiner 2Hemoiren un6 Briefe u>er6en 6creinft 
feine geringe Arbeit haben. 

307 f?cbe aus 6em ermahnten Fragment, 6as 6er £e\t feines 
römifchen Aufenthalts entflammt, ein paar Abfchmtte r/error. ' 

#/•••• 34 9»"9 fo oft als möglich in 6ie 5irtinifa?e 
Capelle, u>o ich getpölmlich 6ie ZTTeffe an 6en Sonntagen ju 
l^ren pflegte. Diefe ftrenge, asfetifche 2Tluftf, horizontal un6 
ruhig nrie 6ie Cinic 6es ©eeans, monoton fraft ihrer Ungc* 
trübtheit, antifenfueü un6 mchts6eftoipeniger pon einer befd^au- 
liehen €in6ringlichreit, 6ie ftd* $un>eilen, bis 3ur €fftafe 
ergebt, übte $uerjl eine frcm6artige, faft unangenehme 
XPirfung auf mich ans. 

„IDar es 6er mir gänjlich neue Stil 6iefer Compojitioncn, 
war es 6er eigentümliche Klang 6iefer gan$ befon6eren 
Stimmen, 6ie tyet mein £% $um erften ZTTal pernahm, 06er 
n>ar es 6iefer bis jur Derbheit fefte Angriff, 6iefes auffällige 
f)erausf?ämmcrn (martflement), bas 6er Ausführung ein 
folches Helief giebt 6urch 6ie ^erporhebung 6er perfchie6enen 
cfinfafce 6er Stimmen in 6em fo poUen un6 6och fo 
fnappen <5ea>ebe harmonifcher Kombinationen? 34 «wf 
es nicht. 34 weif nur, 6af 6iefer €in6rucf, fo bijarr er 
audj tpar, mich feinesmegs abfehreefte. 34 ^ m ^nimer un6 
immer n>ie6er, fo lange, 6afc ich fchließlich gar nicht mehr 
6arauf persichten formte. 




149 

„<£s giebt Wette, bie man an ben Orten felbft, für bie 
fie gefefjaffen morben fmb, feigen ober frören mufc. Die 
Sirtinifdfe Kapelle ift einer von oiefen erceptionellen Orten; 
fie ift ein gerabeju einjiges ITTonument in 5er Welt. Das. 
foloffale (Senie, bas bie Decfe unb bie Altarmanb mit feinen 
munberfamen Conceptionen 6er Sa^opfungsgefa^idjte unb bes * 
jüngften (Berichts gefajmücft fyxt, biefer UTaler ber Propheten, 
mit benen er wie mit feines (ßleidjen 5U Derfefyren fdjetnt, 
wirb jemals fo menig erreicht merben, als fjomer ober 
pfyeibias. 2TTenfa^en r>on fola?em IDudjs unb Saft fieljt man 
nidjt $u>et JTTal: bas fmb Syntfyefen, bie eine gansc IDelt 
umfaffen, erfcfjöpfen unb abfdjliefen, unö was fte gefprodpn 
fyaben, fann Keiner nadjfagen". 

Cfyaraftcriftifaj für bic franjöfifajc Kunfiauffaffung unö 
Kunfitausbeuiung ift es, wenn (Sounob bie XlTuftf eines 
paleftrina mit ber Kanjelbercbtfamfeit eines — Boffuet Der- 
gleicht, fyövcn mir! 

„Bei bem Anfyören eines IDerfes t>on Paleftrina ereignet 
ficrj etwas, bas bem €inbrucfe anafog ift, ben bie Cectüre 
einer ber großen Sdjriften Don Boffuct auf uns ^eroorbringt: 
nidjts Auffälliges begiebt fidj unterwegs, aber am €nbe 
angelangt, fütjlt man ftrf? plöfclidj auf einer wunberbaren 
f7Öl?e: folgfamer unb getreuer Diener bes (ßebanfens, fyatbas' 
Wort nirgenbs feinen eigenen Portal gefugt unb uns 
weber angefallen, nodf vom IPege abgelenft, fo bag mir 
auf bem (ßipfe! angelangt ftnb ofyne Stög, ofyne 21bfd}weifun0# 
olme 3rrclcitung, geführt doii einem gefyeimnif Döllen Jüfyrer, 
ber feine Spur uor unferem Auge Derborgen. Die rfUige 
Abmcfen^eit aüer ftcr/tbaren Mladjt, aller meltlia^en Kunfl- 
griffe, aüer eitlen Kofctterie ift es, was bie l?ol?en Kunftwerfe 




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J50 



abfolut unnad?ar)mbar madft Um fte 5U erreichen, ift niajts 
Geringeres notfjig, als 6er (Seift, 6er fie gejeugt, als 6ie 
Vev^üduriQ (ravissement), 6ie fte 6ictirt fyat". 

Die nahe Berührung mit 6em f)ei6entr)um, 60s in 6em 
fatr)o!tfcr) traueftirten Horn fein Dafein nodj fo mächtig be« 
3eugt, fdjicn feine abfüfylen6e IDirfung auf 6en myftifajen 
Drang <5ouno6's 3U auf em. 3 m Cfe0fnt^ell gewahren u>ir, 
tric bei 6em jungen Confünftfer 6ie Serntfucfjt nadf 6em 
befcbaulidjen Dafein 6er Klerifer immer ftarfer r)en?orbridjt. 
7X\d}t 6ie ftreiten6e Ifiraje locfte ifm, fon6ern 6te in iljrem 
feiigen Hlofterfrie6en über 6ie Unruhe 6er Weit triumpr?ireu6e 
<5emetnfd?aft ausermäfylier (Beifler. <£s büntie ifrni Elftes 
<8lüd, 6as Coos 6es funftbegabten, neben 6em Qeifigencultus 
6em Dienft 6er 2Hufen ergebenen Klofterbru6ers Reifen 5U 
6örfen. 

„3m grauen Hocf 31t wohnen fjier im -feibafyt, 
Von allem rPirrfal unb ber (Qual bes lüanbcls fem, 
iTacb £nji 3U malen, frühe, tuenn bie dornte fommt, 
qu hüben unb 3U fingen nod> in ftifler Xta<bt f 
Demntfytg benfenb an ben fauf be$ IPcttgefdjitfs, 
3n alten Sutern fudjen ^eilige rDeistfettsfjmr 

Unb |Hfl ben (Tag rerbrutenb über bnnFIem Spxndf 

____ ____ . 

^ Die Seele fdjrocbt in 2Inbad>t em'gen Sternen 3U". 

<£s fehlte nidjt Diel — un6 <Ek>uno6 roäre auf 6em 
untDi6erfterjlidj an3ieljen6en, fanft im romantifdjen Steine 6er 
„Heben Qimmelslidjter" erglän5en6en Strome 6iefer Stimmung 
cn6lidj im fjafen 6er Kirdjc eingelaufen. Kaum ^atte er 
fcie Villa 2He6ict un6 6ie fjcfpcrifdje Qalbinfel perlaffen un6 
u>äljren6 eines fur3en Aufenthaltes in XDicn ( 18*13) einige, 
feiner religiöfen Compofitioncn, eine üoealmeffe un6 ein 




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\J>\ 

Sequiem, jur tfuffüljrung gebraut, öa eilte er nad) parts 
5 urücf, um fia? in eine firdplic^e tfnftalt su flüchten. 

€r irmröe Crganift unö Capellmeifter in 6er Kirche 6er 
Missions etrangeres, ftuöirte öabei {Theologie am 5eminar 
oon Saint Sulpfce, trug öie Soutane unö empfing fogar öie 
niederen IDeifcn, öie fog. ordres mineurs 

Der entfcr/eibenoe 2Homent nafjte. Da Serrig fein fünft- 
lerifa?er <5cnius mit einem Xui öie priefterliojen Banöe, öie 
ficr) um feine Sänringen 5U legen örofjten, unö trug ifyx im 
#ugc über öie flauem öes Seminars Ijinmeg. 

(ßounoö n>ar öem £eben, öer ^rci^eit, öer ungebunöenen 
fcfröpferifajen Arbeit roieöergeroonneu. So ftarf auf fehl 
ntTfKfc^es Beöürfnif, feine (Blaubensluft gemefen, fo füllte 
er öoa?, öafc öas ausfdjließlia* Kirfentfjum fein <5rab 
gerooröen roäre — unö mit öer Kutte brauste er ja nicr)t 
öie füge Sdjroännerei öer (Släubigfeit ausju$iefyen! 

Das Heia? öer (Tonfunft ip roeit genug, um aua> öer 
anfprudjDollften VfotarfrtW ***** annehmbaren Unterfa?Iupf 
$u fia^m. 

Die fira^Iia?e ZHuftföidjtung jeöoa? u>ar balö md?t mefyr im 
Stanöe, öer üppigen ^ülle feiner mefyr roeltliij unö allgemein 
mcnfd^Iia? angehäuften <£mpjinöung, öem überquellenöen 
Strome feines öem bunten Ceben mit feinen öramatiferjen 
H)e<r)feIfäUen jugefer/rten (Semütljes ein DoDes (Beträge 511 
tfmiu 

3n feinen $afylreid}en 2Tfeffen unö Pocalroerfen religiöser 
Hatur örängte es irm ffon, öas unbänöige IDeben unö 
IDalten feines !eiöenfcr)aftlia?en (Beiftes öura> einen aus- 
geöermteren (Bebraudj öes Jnftrumentalen in eine erfd?öpfenöere 
tunftleriffe Darjteüung $u faffen. Mein öas fira?Iife tTert- 



\52 



bud) fyat enggejogene liturgifaje Sdjtanten; fein Pfyantapefreis 
ift ein boginattfcfj feft umfcfyriebener. 

<5ounob tradjtete aus biefcm Bann frei 511 roerben uni> ft 
bie umfaffenbpen bidjterifcfjen Slusbrudsmittel ju ertpcrben. 
<Er griff $um Cibretto 6er £>per. 

Durdj bie Dermittelung 6er $vau Dtaroot- (Barcia Farn 
am J6. 2IprtI feine erfte £)per „Sappljo" 3ur Sluffüljrung, 
Cert pon €mile tfugier. Pier Jafjre porfyer Ijattc er pdj, 
neununojroansigjafyrtg, mit einer tEodjter bes pianiften Limmer« 
mann efyelidj perbunben. Die €^e ip eine groge Sdjule. 
Sie fördert unb regelt Me Probuction bes ftarf angelegten 
f ünftlcriftfjen «Befyirns. (Bounob arbeitete mit frifdjem ZHutlje. 
(Er wiegte ftd} in ben (Träumen eroig jungen (BIflcfes unb 
fpürte boppelt ben Segen freieripäfylter ftrenger Arbeit. Pen 
fpäteren tDedtfel afmte er faum. 

3n rafdjer ^olge braute er auger ben großen Chören 
5U „ Höffes" bie £>pern „Die blutige ttonne", „Der llrst 
miber XDiOeit" unö „Jaup" por bas publifum, bas bem 
neuen Stern, ber über ber mupfalifdjen SdjaubüEme ber 
IDeltpabt ftraljlenprädjHg aufgegangen u>ar, feine fjulbigungen 
md)t länger porcntljielt. Der „5auft", in nwldjcm pdj bas 
tonfünftlerifdje IDefen bes iUeifters am pollfommenften unb 
fapajpen ausf priest, ^atte gleiaj bei oer erpen tfuffüfyrung 
im Th^Ätre lyrique am \$. 1Xläv$ \85$ ben glänjenöften 
Erfolg. Der Harne bes Componipen fjatte ben IDeltruf 
gen>onnen, ber €ljrenplafc in ber mobernen franjöpfcfcen 
Kunpgefdjidfte n>ar ifmt gepokert. Keine no<r) fo abfällige 
Kritif in» unb auslänbifajer pebanten, bie pd> bie €nt- 
ipicfelung ber £>pernmupf naaj fdjolapifdpn Sambleben- 
begriffen im Poraus juredjtgclegt Ipttten unb bie IDirFIidjfeit 



6es tfunftfajaffens nad> 6cn perfönliä?cn 2lbftractionen ifjrer 
Prioattfjeorie Icnfen mollten, ucrmocrjte etwas gegen 6ie 
allgemeine Strömung aus$urid}ten. Der £aten«3 n fli nc * 
Publifums fcr/Iug 6ie prätentiöfe Sdmlmeisljeit 6er Kritif. 
Der fcr/$pferifd)c (Senius bes Künftlers blieb in feinem 
Hecfjte. Der (ßounoö'fdV „tfaufl" mar ein toirdjaus per- 
fönlidjes XDerf, bas in jcoer Itote 6cn Stempel 6er 
fünftlerifcr)en pfyaV ifyres Urhebers trug. Das IDerf mar 
ein ßlaubensbefenntnif , 6as aus 6cm tiefften 3» nern oer 
Seele fiäj jum muftfalifä^en 2lus6rucf 6urä)gerungen fyatte. 
Der mYftifdjc <Brun6trieb bes cr>riftfatr>oIifcr>cn (gläubigen 
crfdjien 6urdjtränft mit 6en 3 m P rc fft° ncn °* 5 mo6emen 
Künftlers, 6er ftäj 6em XDeltlfben feiner Seit ooü un6 
miüig Angibt. 

^inftdjtliaj 6er ted)nifa?en Qan6fyabung 6er mufifalifijcn 
2lus6rucfsmittel fann <Souno6 mit feinen Porgängern per- 
glichen un6 bas ZHajj feines Vermögens annä^ern6 feft* 
gefteüt mer6en; r)tnftcr)llic^ 6er geiftigen Sdjäfcung je6odj 
lägt pij fein an6erer Dergleiaj jugeben, als 6er 6es Kfinfi- 
Iers mit fta? felbft. Der <5ouno6'fd>e „^auft" trägt, mie je6es 
ccrjtc Kunftmcrf, feinen ZTTagflab in ftcr) felbft. 

Heben 6em Eingangs mitgeteilten Hidjtfprucr) eines in 
ttegationen feine Stärfe fucfycn6en Kritifers nimmt ftä^ 6ie 
Verlautbarung 6es ^errn Couis Viaroot, 6er por 6rei|ig 
3al?ren im „tftljenäum" über <J5ouno6s 6ramatifa>r €rfilings- 
merfe fta) ju (Bcriajt fefcte, aüer6ings mie ein überfdjmäng» 
Iid)er f)Yn:nus aus. IXlan Ifite: 

„Diefe Zltuftf erinnert in feiner ZDeife, fei es in 6er 
^orm, im (Sefang o6er in 6er Harmonie, an irgen6 einen 
alten o6er neuen Componiften. Sic ift nidjt neu, menn neu 



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fo viel fagen wxÜ, als fcijarr obcv bavod; fte ift nidjt alt, 
menn alt gleidjbe6euten6 ift mit troffen un6 fteif. Sie ift 
6as Wert eines fertigen Künftlers, 6ie poefte eines frifa> 
erftan6enen Dieters. 

„Dag 6er <Ein6rucf auf 6te 5 u ^ rcr « :i örofer un6 
reeller gemefen, bar an ift fein ^toeifcl; g*f<fyi*l?t je6o<fy 
nidjt 6er tfufnafyme, 6ie 6iefe 2TTufif gefun6en, fon6em nur 
ifyrer felbft megen, menn mir 6em ^errn <8ouno6 eine auger- 
gemdfmliaje Caufbafm propfyejeien. Denn wenn in feinen 
ZDerfen m'djt ein neuer un6 maljrfyaftiger <5enius maltet, fo 
motten mir getroft- auf 6ie Scfjulbanf jurücffeln-en un6 6as 
21 3 <L 6er Kunft un6 6er Krirtf r>on Heuern lernen". 

Den gleiten €rfolg mie mit „£auft" fyxt <Souno6 mit 
feiner feiner fpäteren £)pern mein- erreicht, einen annä^ern6en 
nur mit „Homeo un6 ^ulia" ((867). Von „pinlemon un6 
Baucis", „ZHireille" un6 an6eren, fin6 nur ein$elne lyrifd^e 
Fragmente populär gemor6en. €s ift Ijauptfäcrjlicr) 6ie 
anmutige un6 amorosmefmtütljige Saite 6er <Bouno6'faVn 
SetU, mela> 6en ^eitgenoffen na^e ger>t un6 einen tieferen 
IDteerfail pnoet. 

3* nie^r er ftd} in feinen fpäteren XDerfen in 6er 
(ymp^onifer/en Belaftung feiner Partitur gefiel, einerfeits, 
um mit 6er neuen €ntmicfelung 6er 6ramatifa^en ZITuftf 
Scr/ritt $u galten, an6ererfeits um eine feierlidjere, o6cr mie 
er' s in feiner myflifcr/en Sprache nennt, apoftolifdje 
IDirfung $u erjielen, 6efto fernerer mur6e es feinem PuMifum, 
6en gefteigerten €rmartungen 6es alten 2Ttei|ters geregt 5U 
roeroen. 

<5ouno6 faßt rjeute feine Kunft in erfter Cinie als eine 
. crjriftlicrje ZTTiffton auf. 2lls fein potlfommenftes IDerf naä> 



6iefer Sichtung tyit er felbft feine \878 jum erjlen Xtlal 
gegebene £>per „Polyeucte" be$eidmet. Sie foüte 6er hpdjfte 
2Ius6rucf feines apoftolifdjen Kunflioeals fein. 

Das publifum erflärte ftch augenbiieflich außer Staubt, 
auf 6iefe mrftifc^e Conception hinlänglich oorbereitet $u fein. 
Die tyibmMen Partien 6es IDerfes mit 6en fröhlich* 11 
(Sefängcn un6 ^eiteren Cänsen, mit 6en glän$en6en Scenen 
6er Penus» un6 Bacchusfeier fagten ihm außeroroentlich $u, 
tt>ährcn6 es 6en ganjen 2Iufman6 $u €f?ren 6es <£hriflcn- 
thums, 6ie (Slaubcnsbef enntniffe , 6ie tEaufhan6lungen, 6ie 
«gerftörung 6er ^ei6nifa^en <BötterbiI6er, 6en fanatifch gefügten 
ZlTärtyrerto6 im <£ircus — mehr o6er weniger ungenießbar 
fan6. 2Iußer einigen geiftreidjen <£in$elhetten in 6er ordjeftralen 
Conmalcret fyit auch 6ie Kritif feine außeroroen Jüchen Schön- 
heiten, feine übern>ä!tigen6en Jnfpirationen in 6en jiemlich 
pomphaft angefün6igten apoftolifchen 2TTuftfoffenbarungeit 
<5ouno6's 5U cnt6ecfen vermocht. IDeroen fpätere £>f?ren 
empfänglicher geftimmt fein un6 6as myltifch« tfpoßelamt 
6es neuen parifer ^eiligen in feinen verborgenen Schönheiten, 
in feinen muftfaüfdjen <Sna6enfchäfcen gan$ ergründen un6 
a/nießen' fönnen? Chi lo sa! 

IDer annehmen ivoflte, <5ouno6 fei mit feinem tfpoftel- 
6rama in eine neue" phafe fetner €ntoicfelung getreten, et 
habe am 2lben6 feines Cebens eine neue Bahn befchritten, 
an 6eren €n6e große Prämien für 6ie aufftrebenoen (Eon- 
6ichter locften, nmroe fi<*? meines cfraajtens im 3rrtlrom 
befin6en. Sein <5cnie ift ein abfchließen6es, fein pfa6- 
fin6en6es. 

Das IDefen <5ouno6's $eigt eine (Entfaltung, aber feine 
€nttpicfelung im Ian61äupgen Sinne, fo wenig 6er 2Hon6 eine 



€ntn>icfelung $eigt, wenn fein £id/t von einem Viertel ins 
anbete tritt €s i# ein beftän6tger IDeajfel her £id?tgcftalt 
ofme €rfd}licjjung neuer £id}tquellen. 

XOät)renb er fidj falbungsroll über feine apoftolifdje 
Oper „Polyeucte", in 6er bem §ei6entyum 6er mufifalifdje 
Cömenantfyeil jufiel, als über ein n>eltbemegen6es dn-iftKajes 
€reigni§ ausfpraä} un6 es nidjt an Derftdjerungen fehlen lief, 
6ajj er mit 6iefemtt)erfe fein ton fünft fori fd?es unöpfyilofopljifdpes 
Permädjtnig en6giltig formulirt r)abe, fo 6a£ feine ^e6er 
fnnfort feinem profanen Ofjrenfdjmaus meljr 6ienjtbar roeroen 
fönne, ' — fummte in feinem Kopfe 6er burlesfe „(Trauer- 
marfefy einet iftarionette", un6 6ie 36cen $u 5U>ei, brei neuen, 
6urd?aus roeltlidjen Opern Ijüpfteu roie netfifdje ttoboloe 
6urd} fein <8cr)\rn\ 

2Us 6er Director §alan$ict tfTiene machte, fia^ über 6en 
geringen <Erfolg 6es #pofteItr>erfs, 6er mit fo ungeheuren 
Koften infeenirten Oper „polyeucte", $u beflagcn, fonnte ifm 
6er ZTlYftifer mit 6em f)inn>eis auf 6ie neuen IDerfe tröften, 
6ie er gera6e in Arbeit r/abe un6 6ie 6em fün6fyaften 
publifum jc6enfalls ausnel?men6 gefallen n>ür6en! 

Das ift niajt benwgte Kom&6ie, 6as if! ein (Ergebnif 
feiner unglücflidjen, jerriffenen, 6er etfjifctjen €inf?cit Ie6igen 
i7a tur . 

IDie gan$ an6crs erfdjeint uns in 6iefem Stücfc fein 
großer Can6smann fjector 3erlio$! 2TTan fann fxd) nidjt * 
leidft ausgefprodjenere <S5egenfäfce 6enfen. Die abgrun6tiefe 
2}erfdne6enfyeit, 6ic fid} in ir/rer tonfünftlerifdjen 3efyan6Iung 
6er gleiten (Boetfye'faVn un6 Sfjafefpeare'faVn Dramcnftoffe 
manifeftirt, äufert ftd> in nodj grelleren Conen in ifyrem 
<£f?ara?ter. 

• .. • • ■• • 



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157 

. . . 

. • . - • ' 

So intercffant 6er Vergleich auch wart, tpoüen mit \fpi 
6ocf> tyet nidyt weitet perfolgen. 3m (Srunoe bliebe er ja 
unfruchtbar. IDer permöchte übcröies ein ZTTenfchempcfen für 
unglückliche C^arafterjüge perantn>ortlich machen, 6ie piel 
mein- als Scfncffal, 6enn als eigene Sdjulo in fein Dafein 
fallen? 

<Souno6 hatte übrigens auch pon Seite feiner fransöftfc^en 
2ttitleben6en un6 ZHitftrebenoen nie unter einer allju gerben 
Kritif ju letöen. tfls Künftler nrie als pripatmann ift ihm 
ftets 6ie enthuftafiifchfte Sympathie feiner Ungebung treu ge- 
blieben — bis auf oie IHinute feiner flucht nach €nglanö, 
oie eine porübergefyenoe €rbitterung, eine h$h™fö angeflogene 
2lbn>cn6ung in tpeiteren Kretfcn fyerrorrufen mußte. 

3a> gejtehe, 6af otefe (Epoche feines Ccbens trofc meiner 
fleif igftenltaaiforfa^ungcn, trofc meines parteilofen Uaa^oenfens 
für mia^ noch ein ganjes Heft 6er fchunerigften pfychologifchen 
Probleme birgt. 3cf> fyibe mir aber in 6en Kopf gefegt, 
oie 6iesbc$üglidjen Stuöien beharrlich ju €n6e 5U führen un6 
feiner 5eit mit einer Haren tfnalyfe oes merfroüröigen 
Romans „(Beorgina IDeloon un6 tfyxxles <5ouno6" heraus- 
^urüefen — nicht um su richten, fonöem um ein feelifches 
Phänomen ju beleuchten. 

Die fragmentdrifchen Publicationen 6er f rau H)el6on 
geben tyute noch fein ungebrochenes, Polles Cidjt, un6 Me 
(Einmifchung 6er parifer Cagespreffe fyit mehr $ur Crübung 
als $ur Klärung 6er feltfamen Sache beigetragen. 3nfon6er- 
heit mar es 6er „(Baulois", 6er nach Kräften 6ie $ä6en 
perurirren fyxif un6, nrie es ZHtg (Öeorgina tt)el6on unnrioer- 
leglich nachgeuriefen, 6ie öffentliche HTeinung in 6er gröbften 
ZDeife irreführte. (Es fm6 6abei Dinge ju (Tage gefommen, 

■ * 



» V 

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J58 



bic für 6ie beteiligten Parifer Blätter nichts tpeniger als 
fcrjmeicheihaft fm6. Doch «rill ich jur trjeilrpeifen (Entladung 
gerne 6en mil6ern6en Umftanö gelten laffen, 6af es 6en 
parifer publiciften pon geftern un6 ^eute abfolut unmöglich 
ift, ficr) in einen fremöcn Polfscrjarafter ju fin6en. 

Hur ihre Voreingenommenheit un6 Senfationsge&erei 
roaren im Stanöe, gegen 6ie grof fjersige Britin eine Sprache 
$u führen, 5ie pon 6er Xitterluhfeii n?ie pon 5er IDahrhaftig» 
feit gleich u?eit entfernt Hegt. 

IDie foü auch "n Parifer (ßefjim eine 6reijährige 
<£ngelsche k trois $u f äffen permögen? Parbleu, 6ie 
fonoerbare <0efcr)tc^te iß felbfl für Xlicrjtparifer noch un» 
glaublich genug I • 

3n6eg, wie (Boethe jtngt, 6er auch f« n * Erfahrungen 
in 6iefem 6elicaten punfte IfatU: 

CEs Hegt um uns tprum 
So mandjer 2Jbgrunb f Den Das Sdjidfal fdjnf, 
3>o<ff l)ter in nnfer'm ffarjen ift ber tiefjte — 
Unb ltebltd> ijt's, ftd> batynein 3a f*ür 3 en. 

Cieblich? XDenn f)öllcnq ualcn lieblich fm6, ja! Charles 
<0ouno6 weif ein Cie6 6apon ju fingen. 

€r finge es! €r ijl es ftcr), feiner „ITtimt" un5 6er 
ZDelt fchuI6ig. 

Bis 6ahin fleht fein größtes XDerf noch aus 

2Ius feinem Brieftpecrjfel mit <ßeorgina H)el6on theile 
ich «achftehen6 6ie bei6en legten Briefe mit, 6ie er. nach 
feiner Hücffehr nach paris an feine englifcr/e $reun6in ' 
aeridrfet 

• * » , * « .■ 

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• • • 

3um paris. 

3n einem Deiner Briefe fagteft Du mir: 

3<h münfd^e, es möchte waty fein, dag Du auf das Öffent- 
liche Ceben ue^idjteft, nur glaube id} nicr/t daran. Eh 
bien! ^öre mich an. Mieles ip ju <5runde gegangen, 
3ertrümntert und eingefdjarrt in meinem Ceben, aber das 
if* nicht mein fjer3, noch meine tfiujänglidjfeit an diejenigen, 
die ich liebe, noch die Erinnerung an die Pflichten, die 
mir bleiben. Die ^ufunft wirb Dir's bald unö treulich 
$eigen, frag .mein öffentliches Ceben beendigt ifl. 
(Blaube nict>t, daf tcr> die Spraye der Komödie rede. 
Du irirft jedoch noch glauben muffen, rote der ^eilige 
(Thomas, wenn Du fehen nrirfl. 2Hein Ceben ift jefct ein 
2?ücf$ug, eine Klofterjeüe. fjier meine Kegel: 
0 Sammlung, Ceben der Seele; 

2) 3ntimitdt, Ceben des f)er$ens; 

3) Arbeit, Ceben der 3 n ^9 e1, 3. 

IDas die tDelt betrifft/ fo Ipbt ich es ausgefprodpn 
urie im Kerf er meines polyeucte: 

„Monde, pour moi tu n'es plus rienf 

Sie ift die Verlogenheit und Xtufcloftgfeü; die Ceere ron 
beiden Seiten. 34 m ^ fammeln, u>as mir noch pon meinen 
(Tagen übrig bleibt, $ur großen €infamfeit, fte als mein poft- 
humes Ceben betrachten. 

Das mitjeitige publifum erifhrt nicht mehr für mich; 
ich ^abe nichts mehr mit ihm $u fchaffen; ich tfeHe meine 
Bilder nicht mehr aus. Polyeucte ift ein IDerf der apofto» 
Hfchen Kunfl, es ift die Apologie und <51orification eines 
ttTärtyrers. 3a> hoff« ju <ßott, dag er mir gejlattet, es nod* 
uor meinem €nde $u rottenden. Und n>enn ich in diefem 



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J60 

• ■ i . — 

XDerfc nodj eine Qanblung meljr 3urüdlaffe im Dienße einer 
Sadje, bie idj perefyrt Ijabe, fo will idj ben (Erfolg nidjt 
feljen. Das (Sute, bas id) nodj nadj meinem Cobe bemirfe, 
genügt mir. 

Keine Dorftellungcn meljr, feine Bedienungen unb lieber- 
einfünfte meljr mit bem Sdju>arm 5er Directoren unb €bttoren. 
Das iß porbei, oas ift tobt, fjörft Du? 

IDeöer mein Polycucte, nodj mein (Georges Danbin, nod} 
fonfl ein neues IDerf pon mir nrirö bei meinen Cebdeiten 
aufgeführt werben. 34 nmnfdjc nur, fte im ^rieben meines 
Klofters poQenoen 511 fdnnen n>ie ein alter Beneoictiner. Hein, 
fcer €rfoIg wxxb midj nidjt fudjen, mir nidjt fdmteidjeln, mid) 
niäft perfüfnm . . . 

Du urirft Dia? überseugen, ob id? meine Xetraite gefeiten 
^abe. 307 bitte Didj alfo, fenbe mir bie (Bcgenftänbe surücf, 
bie xd} für meinen Ceib unb ju meiner Arbeit brauche. — 
34 oa i ® n au 4 arbeiteft, mein teures Kinb, unb 

meine Seele unb mein %rj merben mit Dir 3ufrieöen fein. 
ZDas meine (Befunbfyeit anlangt, fo fyufte, id) immer nodj unb 
tyibe fe^r fetycetye Haarte. 34 faffe, bag öiefe Qual fta> 
milbern wirb mit 6er materiellen Hufye unb Pflege bes ein« 
famen Cebens. 

30. 3unt 7*. 

.... IDtrb (Sott enbiidj 8armfyer$igfeit mit mir, mit 
uns tyaben? 

oer OTeffe fyabc id) biefen ZYTorgen meine &\t bannt 
perbradjt, ilmt auf ben Oelberg $u folgen unb feinen lüorten 
$u lauften: „HTeme Seele ift betrübt bis in ben (Tob. HTein 
Dater, ipenn es möglid) ift, fo gcfye biefer Kela) an mir 
porüber, aber nidjt mein, fonbem Dein XPiUe gefa>efyel" 



161 

11 11 5 idj füllte mid] auf 6em 8o6en 5U feinen iügen, in6em 
id) 6er 5d}mer$en gctfacfjte, ron 6en cn Du fpridjft unb 6er en 
Urfadje fo menig in meinem fersen ift. Enfinl 3<*? 
bringe 6ic Hackte im (Bebet, 6enn idj fcr>Iafe nidjt im6 u*r6e 
meine Kufye erft in 6er Deinigen u>ie6erfm6en, meine tfyeure 
2Himi! 34 pcrbleibe für immer Dein lieber ttlter. 

<£lj. <5ouno6". 

2(m Sdjluffe 6iefes Briefes, 6er nodj ein gefc^aftlic^es 
Poftfcriptum enthält, fin6en fidj 6ie meIand}olifd}en XDorte 
von 6er £)an6 6er Empfängerin: ..* 

„Diefes ift 6er lefcte Brief, 6en mir <Bouno6 getieft 
Ijat — fein ganjer 2(bfd)ieö".' 

Ilm 28. September 1875 a6refftrte 6iefelbe an 6en <£fyef* 
He6acteur 6es „Steele" fo!gen6es Schreiben: 

„....£>, mein (Bott, er ift 6rei 3<tyft bei uns 
getoefen .... 6rei 3a^re, nrätyrenb meiner ^ett »ir nur 
gelebt fyaben, um ilm am Ceben $u erhalten, n>ä^ren6 
njelajer geittnrir <m nk^tf geoadjt fyaben, als feine f<f?u>er 
angegriffene <Befun6fyeit 5U fdjüfcen .... 2Deinen6 ift er 
ron uns gegangen, in6em er uns „2Iuf IDieoerfeljen I" jurief 
un6 uns frören lief, ilmi 5U folgen. Die legten IDorte, 
6ie mein tflann an it>n ria)tete, maren: „Voyons, me in 
#lter, »eine niajL.fo feljr; idj Derfpredje Dir, 6ag HTimi m 
ad>t Cagen n>ie6er bei Dir fein roir6". 34 # 6ie nie ein 
eigenes Kin6 gehabt l?at, icr) Ijabe ilm fo fefjr gepflegt, 
ge^erjt, geliebt, angebetet; feine Jamilie fyatte ir)n oerlaffen, 
er fyatte Hieman6 als uns, urie er felbp bejeugte. 3n6em 
\d) feine XHanufcripte surücf behielt, fyoffte ia^ ifm wieoer $u 
fefjen, ifmt menigftens tf6ieu $u Jagen .... fyibe idj 6enn 
toirflicr) fo unredft gefyanoelt? .... 

m. «. tontüb, parlflam. 11 



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162 



„Warum fyit man midj nun als eine proftituirte, als 
eine Diebin , als eine Abenteurerin 6er fcrjlimmften Sorte fyin» 

geflellt? IDir fetten nidjt den geringften Streit mit 

einander. Hun fyit man ifym (Bott weig was aufgebunden, 
fo dag id) pon tljm weder eine Antwort, nodj fonft eine 
€rflärung erhalten fann ...... 

„3d? geftefje es, ja, iaj fyätte por Kummer ft erben 
mögen; denn er mar mein Ceben geworden. Und dann? 
„ . . . 3" 0em e * gefa^ef^en lieg, dag man mtd} mit 
aflen 3 n f a mi*n 3udecfte, r>at er niajt nur mein Ceben 5er« 
ftort, fondern andf dasjenige all' der armen IDaifenfinder, 
die an midj glaubten, wie idf an iJm glaubte, und die idj 
unter meine ^ürforge genommen fyabe in der Hoffnung auf 
feine Heberolle Stüfce, auf feine jafyÜofen Perfpredjungen, 
auf feine pripaten und öffentlichen «Sufagen fijmarj auf 
weif .... 3<$ glaubte an die Danfbarfeit einer <£riften5, ■ 
die wir gerettet rotten auf Unfoften des Cljeuerften, das 
wir beftfcen. 3a, idj fage es olme €rrötfyen, idj war 
daran, por Kummer ju fterben. XDer, wenn nidjt wir, 
rjätte das Ded?t gehabt, ilm 5U lieben? Wtldf ein über- 
menfdjIiaVr ZTTutlf gehört daju, den (Tod unferes ^beais $u 
überdauern! . yN . . 

„Wenn \df nxdjt alle notwendigen Littel in der £)and 
t)ätte, um ju beweifen, dag die fura^tbaren 3 n Pnuationen, 
,b\e erfdn-ecflidjen Sf andalgefdjiajten , mit denen man unferen 
Hamen befudelt, ebenfo falfa? find, als r/öüifdje falfdfteü 
es nur immer fein fann, wäre id} verröeft worden .... 

„IDenri der Autor Qerr feines IDerfes tfl, fo ijt die 
£rau Herrin ifyrer Deputation, und der 2Hann, der iljr 
öiefclbe fjtnterrücrs und anonymer weife ftie^It, nadjdem er 



von ifn* unö ifjrem (ßemaljl örct 3 al ? r * lang alle eroenf- 
liefen Kufmerffamfeiteti unö IDofjltfjaten empfangen fyxt, 
ift nichts als ein Gigling, unö öie ^reünöe, öie ilm um- 
geben, fmö gleichfalls Feiglinge 

(Bounoö fdjnrieg — un6 ein (Tfjeü öer parifer preffe 
fefcte öas Suöelroerf fort. - «Bounoö erhielt feine Objecte unö 
2Uanufcripte, öie er bei öem flucfytälntlidjen Kücfsuge nadtf 
^ranfreia) in (TaDisjtocf .fjoufe bei 6er ^amilie IDelöon 
$urücfgelaffen fyitte, ausgeliefert, — allein fein Sdjipeigen 
braaj er nid?t. £rau IDelöon fefcte tyrerfeits in IDort unö 
Sdjrift ifyren £elÖ3ug jur Kücferoberung ifyrer €l>re gegen 
öie „(öounoö'fcfye Clique" (öas ift il?r U)ort) mit unge» 
fajroäajten Kräften unö gefteigerter Pefjemenj fort bis auf 
öen heutigen Cag. Heue publicationen, öie ^orlfe^ung 
ifyres IDerfes ,,2Tlein £>rpf>elinat unö (ßounoö in €nglanö" 
infonöerfyeit, fteljen in 2lusftdjt. 

5Ius einer tfyrer Sdjriften pom 3<"? rc \875 entnehme 
idj nodj folgend djaraftertftifdje Säfce: 

„307 machte öen (Teufel, öamit er als ein (ßott erfdjeinen 
fomtte. 

34 Hxtt °* e ^ a * ,e öcs Cöwen, oas 34 neumon 
.tfrofoöils, öie Kafce öes Riffen". • \ . 

2ln einer anderen Stelle: 

„So lange id> niajts poftttees über feine Xnteceöentten 
umgte, »oüte id} fcfyier t>er$n>cifeln, unö id? perlor fafl öen 
Perftanö aus lauter Hadjöenfen darüber, n>arum er fidj 
roofyl fo unbarmherzig gegen midj betragen Ijabe. 3 c fe* 
aber, nadjöem idj roeif, n>as id? n>ei&, müg id} rnidj 
fragen, u>ie idj tljöridft genug fein fonrite, midjj Don öen 
frönen IDorten (Bounoö's fangen 3U laffen ... 34 tydt 

* • * • > « 

- — • 

1* . • ■ . - • • . 

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ir/n für einen €remtten, einen türappiften, einen ^eiligen, 
jür ifyn fyättc id} alle Scfjanfce, alle Ver6äd}tigungen, alle 
Verfolgungen er6ul6et . . . 34 glaubte miefy 6rei 3 a *? re 
lang 6ie Bannerträgerm eines (Benerals ofme Jurcfyt un6 
(Eaoel. <£s ift $um Caasen, rnenn id> jefct oaran 6enfe, 6a||. 
icr), <0eorgina H)el6on, öiefe Holle gefpiclt fyabe. IDäre icr) 
$man$ig 3 a *? re a ^ fjetpefen, fönnte man mir pe^eifyen; aber 
mit gefdjlagenen öreiunöoreiftg 3ar)ren 6arjinein geraten 3U 
fein — niemals! Diefe Dummheit ift $u unglaublich Das 
Qer$elei6 einer I>ier$igerin rüfyrt feinen 2Henfcr)en mefyr. 34 
xpeifc es tpofyl". 

f)err ^arry, (Ehemann 6er ^rau (Öeorgina un6, irre 
icr) nicr)t; Kammerrjerr 6er britifdjen XHajeftät, wollte inter- 
peniren uno feiner tiefgefränften Cebensgefäljrtin (Benug- 
trjuung auf ritterlichem IDege er$u>ingen. Allein <Beorgina, 
öte 2Thitr/ige, fprad? $u tym: „£af mid} nur; icr) fefce in 
oie Star/lfpi$e meiner Jeoer größeres Vertrauen, als'm aüe 
£)un6epeitfdjen un6 Degen aller (Ehemänner 6er XDelt!" 

<5ouno6 perr/arrt in feinem rätr/felfyaften Schweigen. 

Unter 6ie or6ensmäfcigen tTrappiffen ift er jebodj niajt 
gegangen. Tlud) feine XDeltflucr)!, feine Cfr/eaterentfagung 
uno anoere pon ir)m in tfusftdjt gepeilte Dinge fyxt er ntcfyt 
ernft genommen. 34 Wf Up im kfctai IDinter ftrar/len6 
pon Seligfeit im §ippo6rom, u>o er felbft 6en „^eftipal 
<£>ouno6" oirigirte un6 6ie £>pationen eines pieltaufenoföpfigen 
Publifums mit gierigen Sinnen einfaugte. (ßounoo ift mit 
<£inem IDorte 6er 2llte geblieben, niajt 6er homo duplex 
bes englifdjen pr/ilofopr/en, fon6ern 6er homo multiplex 
eines erceptioneUen tfünftlenpefens. 



i - 165 • 

— ■ — . — 

Seine (Befajafte ' blühen. €r ift ein reifer 2JTann ge, 
moröen. Sein 6reijäf}riger 21ufentljalt in €nglan6 fyat Ujm 
materiell ungeheuer genügt. Die rührige un6 praftifdje 
,$reun6in ßeorgina !?at mit Ijintanfefcung ifjres eigenen 
Dortfyeils für iljren r*ergötterten Conmeifter alle l}ebel 6er 
Heclame un6 6er commerdeflen Jineffen in Bewegung ge* 
fefct, um 6em artiftifdjen Capital 6ie fySdjfimÖglidje fructb 
ficirung $u ftajern. tDofjl nie Ijatte ein 2ttufifcr einen 
tüdjtlgeren, treueren Agenten, einen ergebeneren fyxusljalter,' 
als (Souiioö an 6er Familie XDeI6on. 

2lls 6er Brudj erfolgt u>ar, befann ftd} VOelbon erjl auf 
6ie gebrauten grofen £)pfer an £eit, Arbeit un6 FIingen6eir 
2ttün$e un6 überreizte <Bouno6 eine fpeeifteirte Hedjnung 
mit 6er ftattlidjen Summe von faß jeimtaufen6 pfunö 
Sterling! ' *■ . • • . 

€in geroiffes ef?renfeftes Blatt, 6as in 6er politif Don 
6em <£a6aoer 6es Bonapartismus $e!}rt, u?ar jeood} tapfer 
genug, 6ie Cesart in Umlauf 5U bringen, <ßouno6 fei doh 

6en englifajen <J5aftfreun6en ausgeplünoert tooroen 

2TTif Oeorgina fyabe ilmt nidjt allein fein <ÖeI6, fonoern audj 
feine <Scfun6fyeit gefoftet. 

Wövthdjl 

3Z fyalte 6afür, 6ag 6erartig corrumpirte S«tongsterte 
niajt mit 6er Staf>lfe6er curirbar fm6. Sur Hidjtigftelhmg 
foldjer Cesarten reiben geutffmlidje pljilologifdje Hilfsmittel 
faum aus. Xüenigftens müßte 6ie I)un6epeitfcr)e 06er 6ie 
neunfi/u>än$ige Kafce 06er fonft ein plöfcltd} un6 tief urirfenoer 
Tlvpavat mit beigejogen n>er6en. 

' £)b 6ie XHig U)el6on als Sängerin un6 muftfalifdp He* 
formerin 6ie fyofye Bc6eutung beftfct, 6ie ifyr <5ouno6 einfl in 




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(66 



i 



feiner entfuiftaftifcfyen Suada 511er Parin te, permag ich mdjt 5U 
fagen, 6a idf die Dame nidjt nad? diefer Seite fyin fenne. Die 
Cectüre ir/rer 5ar/lreidjen Sdjrif ten r/at mir den €tndrucf einer 
grogen, ebenfo särllia^en als flogen Seele gemalt, 6ie nidjt 
müde tpird im Dienfle opferfreudiger ZTädjftenliebe. 3^ r 
IDaifenftift, das fünf$ig armen Kindern die geiftige und leib- 
lxd)e Hotr/durft pokert , ift das befte «geugnif tyrer eölen 
(ßefinnung, ifjres Rumänen Sdjaffensdranges. 
* Wenn fie audj dapon abgenommen fein dürfte, aus 
ifyren Pfleglingen ercluftpe <ßounod'€ntfjufiaften $u madfen, 
mi* fte dies nad? eigenem ©efländnif in der erßen (Blutfy 
ifjr:r Heigung $u dem Parifer Conmeifter beabfid^tigte, fo 
wiwb fie bodf nidjt nadjlaffen, im ^er $en irjres jungen Völf leins, 
an dem fte aus eigner Waty ZTCutterftelle pertritt, das fyeilige 
^ewer der 2TTuftPbegeifterung 5U fahren. XDer ein grofes 
Wel) tm f)cr$en trägt, findet in der Kunff u>ie im ZDorjltfmn 
dem roirffamften Balfam. Das Ienft den Sinn auf die beften 
giele und fdjlidjtet den Streit in der eigenen Bruft. 



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n. 

» • ■ 

Äeine Kimjl $äfylt mef}r frühreife Calente, als 6te 
ilTuftf. £aft pon allen be6euten6en iTIufifern nrijfen uns 
6ie Biographen Iüun6er6inge $u erjäfylen, 6ie jene fdjon 
perübt fyaben foüen, als fte faum 6en IPinoeln entibac^fen 
maren. 

* 

€rtpiefcnermagen fyxt bxe pfyantafie 6er Biographen 
il?r re&lirfjes C^cil an 6en Berichten von 6en tt>un6erfin61idjen 
(ßroßtfyaten 6er Künftler. Die Derfudmng liegt ja fo nafye 
6er ilatur $u ^ilfe ju fommen, auäj 6a ein »enig 6te 
eigene ^in6ungsgabe mitfpielen $u laffen, ux> man ftdy fo 
vielfältig mit 6en phantaftereidjen Betätigungen 2In6erer 
511 befdjäftigen hat. _Un6 bann, 6arf man 6enn nicht 6er 
<5röge feiner Cieblinge nod? eines fywptes Cänge jufefcen un6 
6as ZHYperium ihres <5enies noch um einige (Effecte »unter- 
barer gepalten? 

Die 5 ra "3°f cn ^eben bei6e tfänbc in 6ie fylp un6 be- 
5cugen: 3a, ja, bas iß 6es Cebensbefajreibers gutes Sedjt! 

Das ift nicht etu?a fdjledjte <5eu>öfmung, überfommener 
f)an6n?erfsbrauch, famera6fchaftliche Z)erabre6ung — nein, es 
ip eine <£igenthümlichfeit 6es franjöftfchen HatureOs. 3h m 



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168 

genügt bie foMe rDaljrfyett nicht, er embeüirt fte, ftatttt fte 
eigenmächtig mit vknbenben Cic^tern aus unb ruht nicht eher, 
bis fte feinem (ßefc^macf unb (Temperament entfpridjt. So 
ift ber franjofe in allen Stficfen. XDenn er eine Scfjlaäjt 
gewonnen fyxt, fagt er ftd? voll innerlicher Beruhigung: So, 
jefct liegt bas Unirerfum mir $u ^flfen (ich für)Ie es) unb 
ftaunt meinen Qeroismus an. 

f)at er finfjigtaufenb 2TTann gefangen, roiH er hunbert- 
taufenb im Sugesbutletin gebrucft lefen! Oft ihm bas (Blücf 
nic^t fyolö unb verliert er Schlachten unb Armeen, bann 
roenbei {ich f eirie Pfyantafte entfefct t>on ben tThatfadjen unb 
ihren wahren Urfachen ab unö fchafft ftch einen eigenen 
oramatifchen ^ufammenhang. Perrath, murmelt er, lauter 
Perrath! 

Die nüchternen Puritaner fehen in ihrer frommen Scheel- 
äugigfeit freillh nur fymg $ur Huffdmeioeret, Heigung jur • 
fYpematifchen füge in Mefem Überquellenben €mpfinbungs» unö 
Phantafieleben 6er $t<m$oUn unb begreifen nicht, oa§ geraöe 
hierin bte ergfebigften tTriebfräfte $ur (Entoicfelung eines 
großartigen KnnfHebens 3U fuchen ftnb. Die franjofen ftnb 
benn auch ein Kunftoolf erften langes geworben. Das fommt 
nicht Pom Spintiftren, Pom faften unb Beten! 

Dem frasrjöftfchen Biographen ift im Ceben feines 
gelben feine tThatfaäje grof , feine IDirflichfctt überjeugenb 
genug. Da $iefy er fühn auf Abenteuer aus. IDas foU es 
ihm, baf 5. B. ber ZTCaejtro <£harles Cecoq in einer f ur$en 
Spanne ^eit eine gan$e Perlenfdmur föftltcher Operetten 
componirt fyit, von ber eitrig jungen (Tochter ber ZITabame 
2Jngot bis $u ber göttlichen Oberin Camargo? Das be- 
fommt für bei Biographen erft Helief, n>enn er feinem 




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■ 

Publifum er$ä^len fann: Das ift 2IHes nodj nichts, wenn 
y^x mdft wügt, daj? 6er fleine Charles fdjon in feinem 
dritten Cebensjaljr auf dem #ageolet alle erdenflidjen Polfs- 
lieber geblafen fyit 

tfudj über die 3 u 9 eno unf«*s 3ules ITCaffenet fyat 
man fo Diel wunderlidje 2fnefdoten in Cours $u bringen ge« 
mu$t, da§ id} mid} einer fo bedeutenden, durd} tljr reifes IDefen n 
fo nadjdrücflia^ wirfenden Künfilerfigur gegenüber nid>t be- • 
müfigt felje, audj nur eine derfelbennadtfue^äfjlen. 

2tnefdotenfyaft flingt allerdings audy das IDort, bas 6er 
berühmte 2ftailander Derleger Sicordi in einem Parifer 
ittuftfbureau über XHaffenet gedugert, aber es ift $u 
djaraf teriftifdj für die fympatfyifdje (Bemall, die oon öem jungen 
(Eondidjter ausgebt, als dajj iäys an diefer Stelle unter- 
drüefen fdnnte. 

„Das nenne idj in origineller IDeife ein <*5efa>äft ab- 
f abliefen: idj fenne feine Silbe pom Cibretto, feine Hote Don 
5er Partitur, aber geftern far? id? ben Componiften $um erften 
ITCal un6 er gefiel mir fo gut, dag id} blindlings fein IDerf 
faufte und ben geforderten preis bewilligte. Das ßcfprädf 
mit ifym enthüllte mir meljr Don feiner brapen Künftlerfeefe, 
als eine flüchtige Prüfung feiner Partitur es permodjt Ijätte. 

€s war die Oper »Le Roi de Lahore", deren €igett* 
tfyumsredjt für 3talien der Signor Äicordt auf diefem furjen 
XDege einer erften £ntrepue an fid? braute. 

Das 2leugere ZHaffencts ift mit ein paar Striaen ge» 
. $eidmet: feiner Kopf, opales 2lntli$, pon einem weiden, 
. faftanienfarbigen Bart umrarmtt, die Cippe ein wenig fpdlttfdf . 
aufgeworfen, pon einem weisen #aum bef^attet, der Blicf 
bald lebhaft aufleudjtend, bald träumerifdj in ftdj verloren, 

'. ' • 

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[70 

• ■ 

halb wie im Craume Vtnen flief>en6en (Bebanten in .amge- 
nieffene fernen perfolgen6, Hafe un6 Kinn von eblet ^orm. 
Das fjaupt ber/crrf<f}t einen fajlanfen Körper von mittlerer 
Statur. . 

3m 3 a ^ re W 2 S u ^ontauö (faubourg 6er Sta6t 
St. €tienne) im Sdjoge einer jarjlreia^en ^amüie $ur IDelt 
gefommen, jäljlte er nodj nidjt fiebenun66reigig 3a^re, als er 
• in 6er erften Decembertpoaje \87B pon 6er Parifer TXtabemxe 
in 6en Kreis 6er „Unflerblidjen" aufgenommen u>ur6e. €r 
fyatte u. 21. Saint Saens, Couis Caeombe, Boulanger unö 
Duprato $u JlTitbenjerbem für 6en 6urcr) 23a$in's (Eo6 leer» 
gcn>or6enen ^auteuil. 

2tterfn>ür6ig, 6iefer §err Bajin feiig n>ar 6er ein$ige 
pon 6en Ce^rern 2Haffenet's, 6er einft an 6em tonöicf)terifcf)cn 
Calent 6es Stüters 5tpeifelte, ja, in einem fdjtpadjen &ugen* 
Wide 6ie profefforlidje Sfepfts fo rneit trieb, 6ag er 6em 
armen 3ules pot feinen 2TTitftu6iren6cn eine fdjtmpflia> 
Scene bereitete un6 ilm brutaler XDeife aus 6er Klaffe jagte. 
Per 2riifjfyan6e!te 3äfjlte 6amals faum $tPÖlf 3 a *? re » 

2ttaffenet nämliaj, 6ejfen r/erporragen6e Begabung 6en 
(Eltern nia^t perborgen blieb, amr6e bereits in feinem $ofynten 
3afyr* naa^ Paris gefdjtcft, um einen grün6lidjen Stu6ien- 
gang im Conferpatoire jurücfjulegen. Heben (Befang un6 
<£Iauierfpiel foHte er glei^eitig 6ie (Theorie 6er ConFunft 
ftreng erlernen. So fam 6er Knabe in 6ie Compofttions- 
flaffe 6es 2ttonfieur Basin, 6er feitfyer nidjt getpofmt mar, fo 
Flcinen, frühreifen Ceutajen 6ie <5erjeimnijfc 6er Harmonie 
un6 6es Contrapunftes aufsufdfliefcen. 

Die 33cfa)ei6enr/eit un6 Sanftmut!? felbft, lieg HTaffenet 

jene bittere Scene olme <5roll über ftdj ergeben, fo fdjiuer 

,* 

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audf feine feinfühlige, faft u>eiblidj anger/audjte Seele unter oem 
(ßetpaltacte oes Sdjulmonarajen leiöen möchte. €ntmutr/igt lief 
er fünf Jahre lang 6ie theoretifdjen Stubien liegen, in&em er 
feinen ganzen (Eifer auf feine praf tifdje Husbiloung als Ciapier- 
fpieler $u* coneentriren fta? bemühte. Dann brad} 6er Drang 

. compofttorifaVr Cfjatenluft fo mädftig r/erpor, oag er aufs' 
Heue um feine 2fufnar/me in 6ie Klaffe 6er f)armonieler/re 
nadjfudjte. Die Profefforen Xeber un6 tfmbroife Crjomas' 
fallen fdjärfer uno füllten tiefer, als i^r barfdjer College 
Bajin. Unter ihrer weifen Rührung erflomm Jules 
2Haffenet ^ör)e um .^ö^e auf oem pielperjmeigten, ,u>ettr)m 
gelagerten <5ebirge fünftlerifdjen <£rfennens uno trnffen- 
fdjaftliaVr IDeltfa^au. ' . . 

(Ein tpahres proouetionsfieber erfaßte ir/n. €r per- 
modjte ftdj nimmer genug 3U trjun. 2Han e^är/lt ftdj, oafc 
er feine Cefyrftunöe befugte, or/ne feinem Celjrer gan3e 
Serien pon ^rifdj componirten Cieoem, Fragmente pon 
Symphonien uno Opern $ur Prüfung porsulegen. Dabei 
$itterte er por Hngft uno Aufregung, fürdjtenö, feine Der» 
fudje mödften oen Verbaut auföringltdjer Pielfdjreiberei 
ernjeefen, roär/renö fte 0007 nur feinem glür/enöen (Eifer für 
oie Kunft, feiner reuten, aber per$er/renoen £iebe $ur gött- . 

. lid>en Conmufe, feinem ungebänöigten Streben nadj Poll- 
enoung ir/re (Entfter/ung peroanften. 

Diefer 5«d «n** faft roeibliajen Senftbilität tyiftet aua> 
r/cute nod? öem 2TTanne an. €r permag bie Jura^t nidjt 
ju beftegen, 6ie IDelt perfenne öie eblen £\*U feines Strebens, 
oie typten fflotipe feiner compofttorifdjen Cr/dtigfeit. So 
oft er ein neue; XDerf o:r Oeffentlidjfeit $u übergeben hat, 
geht ein Sd?recfen buxd) fein ganjes IDefen. ' • 

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{72 

, > 

VOitb mid? 6as Publifum perßehen, witb es meine 
Schöpfung u?ür6igen, uurö es meinen (Sahen eine Heberolle 
Aufnahme bereiten — 06er mitb es mich mit feiner entfes- 
tigen <Bleichgiltigfeit, feinem ^latterftnn, feiner fjöfmenoen 
Kritif öafür ftrafen, 6ag mein (Seift feine eigenen IDege 
gegangen, unbef Ammert um 6ie ZHoöe 6 es Cages? 

(Tritt ihm bann ein ^reuno entgegen un6 fpridjt ilmt pon 
6en Schönheiten feines neuen IDerfes, fo fchlägt er perfchämt 
oie 2(ugen me6er, bis er jtdj gefaßt Ijat uno poller Per» 
n>un6erung ausruft: IDahrhaftig? (ßlauben Sie? <Taufchen 
Sie mich nicht? 

Der geübte Beobachter fühlt fofort heraus, öaf es 6em 
Conbiajter Riebet nicht auf öen äugeren €rfolg feines IDerfes 
allein anfommt, fonoem auf 6ie Perftärfung feiner im 
tiefften 3 nner1t fc^Iummcmoen Ueberjeugung, 6ag feine 
Schöpfung ftch losgerungen fyibe von feiner Seele in 6en 
heiligen XDeiheftun6en fünftlerifcher Segeifterung, un6 obwohl 
ein Stücf nur feines Cebens, 6och ^infort oie Kraft un6 6as 
2?ed}t einer eigenherrlichen <£riftens fyabe. €s ift 6er Poet, 
öer roie ein Pater um 6ie 2lnerfennung unö Hefpectirung 
feiner Kin6er ringt. Der Profane fyat feine #h nun 9 öauon, 
fo wenig als es für tue tiefften Offenbarungen 6es Kunft- 
geiftes ein Publifum giebt, fonoem nur feltene, begnaöete 
fönseltpefen. 

3ules IHaffenet erfämpfte in 6er Cantatt unb in 6er 
^uge einen Schulpreis nach oem an6ern. 3m 3 a h rc 
enWich frönte 6er groge Prix de Rome feine afa6emifchen 
tfnftrengungen. €r perlieg 6ie Schule un6 trat. 6ie IDan6er- 
fchäft nach 3 ,alien an. » ' 



173 

Heber öer Homfafyrt oer jungen fran3öftfcr/en Componifteit 
pflegte bislang ein perfyängnig poller Unflem $u »alten. Xladf 
einem fürjeren obet längeren Aufenthalte bei oen Sirenen oes 
Sübens festen fte meift obfeurer vmb fi>ajfcnsmüöer in bie 
^eimatl) surücf, als fte ausgesogen waren. v 

f)ier wäre nodj eine eigentümliche (Erfdjeinung, idf 
mö^te fagen, ftatiftifdj feftsuftellen unö aufjuflären. TXlan 
fpridft moI?I Diel pon 6en wohltätigen (ginflüffen, Me oas 
(Talent norMfd^er tfunftjünger im Süoen erfahren, aber man 
5äfjlt jene Unglücflidjen nia^t, Me öort auf Abwege geraten 
ooer — man geftatte oas IDort — total perbummelt fmo. 
Die Dcrfudmng $u runftlerifijer Perirrung iß in 3taiien 
gröfer, als irgenöwo. Hur fraftpoüe Haturen pon fidlerem 
fünftlcrifdjen Bewugtfein uno jähem XDillen öürfen boxt auf 
eine ;Jöröerung $u fyofyen fielen bauen. 

2TTaffenet perlor feine Seit nicht in oer ViUa IXlebxcx, 
jenem prunfenoen Künftlerafyl öes franjöftfa^en Staates auf 
öem fjügel &cs gartenrcicfjen ZHonte Pincio mit oen ent* 
;ücfenben Jernblicfen auf . bie liä^tumfloffenen Berge, Me 
gran6ios einfame Campagna unö öas ewige #om. Hachoem 
er Me Arbeit> $u oeren (ginfenoung jeoer Penftonär 6er Pifla 
ITTeoici ftatutenmägig perpflichtet ift, poQenöet Ijatte — es 
war eine <£oncert»£)uperture unö ein Requiem — benüfcte er 
6ie erübrigte Freiheit ju einem Ausflüge nady £>efterreich unb 
Ungarn. Die 2Tlufe war feine ftänoige Heifebegleiterin. 
IDie Bor Ii 05, finnte, träumte, Mattete, componirte er unter« 
wegs. Seine €inMücfe perwan&elten ßdj in (Tonern pftnöungen 
uno gewannen mußfalifaj ausgeprägte- <5eflalt. 

€s war im ^rühling (865, als et in pefl anfam. 
Dort fdjrieb er feine Seines de Bai, eine jartgefHmmte, 



elegant ßilißrte Suite für öas Clauier, unö entroarf öen 
<5runöriß $u feinen Seines hongroises, rooraus er 5U>ei 
3aljre fpäter - eine großartige £>ra>ef!er-Suite geftultete 
(Deuxieme Suite d'Orchestre). XHit 6er neuöeutfcfyen 
ITCufifricfjtung, nrie fte jidj in öen ttleiflermerfen uon 
Schumann, Cisjl unö IDagner fo überroältigenö ausfpridjt, 
fud/te er intime ^ü^Iung 5U gewinnen. €s follte Ujmi nad> 
fetner Ueffeln? nad) paris nid?! an ^einöeh unö Heiöern 
fehlen*, öie iljn als eilten Ultra roagnerianer rerfdjrieen. 

'21 us Horn brachte er 11007 eine groß angelegte 
fympljonifche Conöicfytung mit, öie er pompeia betitelte. Sie 
gefiel ifmt fpäter nidjt mein: in 6er urfprünglidjen ,Jorm, fo 
6aß er öie <£tnr^eit öes IDerfes löfte unö Fragmente daraus 
feinen „Erinnyes" unö 6er £)per „La coupe du roi de Thüle" 
einverleibte. Die ttalienifdVn (Erinnerungen tönten in feiner . 
Seele nadj unö er fyielt 6ie trauten Klänge feft in feinem 
„Improvisateur", einem aüerliebften Klauierfafc. 

Pasöeloup, 6er Dolmetfdj unö Sdju^geift 6er flaffifdjen 
2l7uftf im Seine-Babel, naljm öen jungen Componiften unter 
feine $ttnge, tnöem er öeffen £>ra>fter'Suitcs im IDinter \867 
in öic berühmten Concerts populaires einführte, unö öamit 
einem größeren Qörerfreis öie neue tonfönftlerifd^e Befannt- 
fdjaft ©ermittelte. Der €rfolg n>ar glänsenö. 

XTTonjieur 6. Qartmann, öer befannte funftftnnige Per» 
leger in öer Hue HeuDC'Saint'tfuguftin, trat gleichfalls als 
2lpoftcl für öen neuen mufifalifdjen Qeilanö in öie Sdjranfen. 

2tHe tfugen roaren auf tflaffenet gerietet* alle £>f>ren 
laufdjten auf feine Derfünöigungcn, öenn es n>ar ein großer 
an gel im Cariöe an ernftljaften tTonmeiftem, unö öie 
mupfalifdjen Clomns örofyten uon öer Tlvena fjer audj öem 



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Cempel mit tan Cultus 6er grogen formen un6 6es all* 
n>alten6en (Beiftes 6ie Meine, fur$atlmüge, wenn aud? geniale 
ljansu>urfHa6e, 6en 2Iugen« un6 Ofyrenfdjmaus 6es profanften 
Publifums, ju octroyiren. <Es fammelte ftcf? eine ftille, 
an6ad)tePolle ßemeinoe um 6en jungen 21Tcif!er. ^voav tfyxt 
er einen fixeren ^all mit feiner auf 8eftellung in 6ret 
lUodjen jufammcngefyaftetcn Oper „Don Cesar de Baran", 
aber rafdj erfyob er fidf u>ie6er un6 wuvbc feiner magren 
2Hiffion inne. 

<£s erfaßten feine tflarie-HTagoaleine", ein öreitfyeiliges 
drame-sacre, 6ann feine M Eve\ ein ITTyperium uon jnxir 
befdjei6eneren Proportionen, aber r*on einer 5üIIe 6er 
3nfpiratton, Originalität 6es 2(us6rucfs vmb Durd^geiftigung 
6er Conmaffen, 6ag 6er €ntl?ufiasmus 6er Kenner feinen 
f)öf?epunft erreidjte. Des iHetfters <ßlüd war gemadjt. 

-Das Däterdjen „Staat" blinzelte anerfennen6 6rein un6 
fteefte 6em IjoffnungsroHen Solme 6as rotfye Bän6d?en 6er 
€ln*en!egion in'» Knopflod?. . ... 

paris fyatte nunmehr ein Hnredjt gewonnen auf 6ie 
Ceiftungsfäfyigfeit 2TTaffenet's. ZHit Unge6ul6 erwartete es 
feine grofe Oper. €n6lia? fün6igten 6ie fytolbe 6er preffe 
6as €rfd)eincn S. ZTIajeftät JLe roi de Labore" an. Der 
König fam, 6er König fjegte — mitten in 6er Xepublif. 
2Han fd^rieb 6en 27. Slpril (877. 

Diefe Oper ift ftdjer nodj fein ineiftermerf in 6er rollen 
Strenge 6es IDortes, aber fie, rechtfertigte 6ie Hoffnungen, 
6ie man auf 6as muftfalifaV6ramatifdje Calent 6es füfm« 
ftreben6en Künfllers gefegt. ZDir n>er6en fpäter nod} Der« 
anlaffung fin6en, auf 6iefes an e6len Schönheiten reidje XDerf 
genauer einstigeren un6 feine eigentümlichen üorjüge ju 



aiiülyjtrcn. 2Haffenet ftefyt nodj am Anfang feiner Caufbalm; 
wirb er fein Ijodjgeftecftes £iel erreichen? Wirb er auf 
fyalbem tDege ftiüe ftefcn? 

Die ^ufunft wirb antiPorten« 

XDer fein (Talent in feinen traumerifdjen, intimen 
Steuerungen belauften unö ftdj uon öem fvmpatfyifa>en 
Cljarafter öejfelben Heajenfa^aft geben miü, 6er fefce fta^ an's 
(Oauier unö fdjlage fein Poem d'avrfl oöer fem Poem du 
Souvenir auf. Das jtnö jmei 6er foftbarften Cteöerfammlungen, 
öie uns öie 2TTufe ^Haffenet's im Bunöe mit öem Dieter 
2lrmanö Syloeftre befdjert Ijat. Vox 2IHem ftimme man 
jenes meland)olifd)e unö troftreidje, rüfjrenöe unö träum feiige 
- €teöd}en an:. ■ — 

Que l'hcurc est donc breve 
Qu'on passe en aimant! 
Ost moins qu'un moment, 
Un peu plus qn'ün rfcve. 

3dj fage nichts weiter. 

5u öen ergebenden Jreunöen IHaffenet's, 3U öen eifrigflen 
Betuunöerem unö 2fpofteIn feiner Conmufe geljört öer rafdj 
berühmt geworöene Bariton C äff alle, 3ljm fällt ein gut 
tEfjeil öes (Triumphes 3U, öen öie grofe Oper öes ZKeifters 
bei ifyrem erften €rfO)einen t>or öem italienifdjcn publifum 
in öer Scala $u Zftailanö geerntet. Die fuperbe Holle öes 
Sdnöia Ijat in feiner warmen, fympatljifdjen Stimme, in 
feinem öurdjöadjten, würöeoollen Spiel einen unoergleidjlidjen 
Interpreten gefunöen. 

Caffalle ift ein angeljenöer Dreißiger. Seit adjt Jahren 
fcfyon ift er ilTitglieö öer Parifer £)per. 3 m Anfange fyatte 
er uiel unter öer €iferfudjt eines feiner älteren Kameraöen, 
ju öeffen €rfafc Jtx t>on öem Director Qalansier auserlefen 

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wat, ju leiöen. lüieöerfclt bat er um Cöfung feines 
<£ontractes, um anöeripärts ein freies ^elö für öie Be- 
tätigung feines rührigen Spieltriebes auffudjen $u fönnen. 
€r n>ar öer intermittirenöen Cücfenbüf erarbeit im glänjenöften 
Opernfyaufe öer Welt (parifer Cfyroniften • Stil!) von §erjen 
fatt. Sein liebenstpüröiger College, öen er conlractmäf ig $u 
pertreten fyattt, tt)at tym oft 3abre fang nidjt öen Gefallen, 
ernftljaft franf 3U iperöen. €r quälte ftdj unö bas publifum 
lieber erbärmlicfy ab, elje er feinen jungen, feurigen €rfa|- 
mann, 6er ungeöulöig hinter öen Couliffen auf eine Rata« 
ftroplje lauerte, uor öie Hampe gelaffen Ijättel 

So gcfdjafj es, öaf £a (falle nadf einem äugerft t>ortf?eiI- 
haften $u?cimaligen Debüt adjt$e\)n ZlTonate lang $e\erabenb 
madjm unö fein Honorar für bas blanfe Sufefyen einpreia^n 

■ * • 

mufte. €s war eine fürdjterliaje (ßeöulösprobe. 

• - .... 

Diefe er3a>ungene ZTTuge benüfcte er fyauptfädjlidy $ur 
emflgen Verfolgung öes tonfünftlerifa^en tfuffa^unmges feines 
jfreunöes XtTajf enet. 3n jeöe neue ..Hote öes jungen 
Componiften pertiefte er ftc^ mit öer ganzen 2Xnbad}t eines 
im Voraus über$eugten Gläubigen. €r erblicfte m Hlaffenet 
öen gottgefanöten Reformator öes peröorbenen fran3Öjtfa>en 
Opernroefens; feine Partituren pereljrte er als öie ^eiligen 
Schriften einer neuen Kunft»£)ffenbarung, öie über öen 
ortfjoöoren Sa^Ienörian öer ZHuftfälteften fynausnries in ein 
Heid? neuen <BIaubens unö Sa^auens. €r mar öer 
fdjtpärmerifay, pon Ungeöulö perjeljrte 5 u ' un ßsf3nger öes 
«Sufunftscomponiflen. 

TXlan fann fta^ öie Begeiferung CaffauYs öenfen, als 
eiiölidj öie feinöfeligen fjemmniffe wxdfen unö öie neuen tfon» 

m. «. tonrab, poiifUinö. 12 • 



• ■ I 

fluiden ZTTaffenets ftdj über öas öürre Cerratn öes Parifer 
£>pernl?aufes mit elementarer IDudjt ergoffen I 

Wie ein $auberreiaVr Jrüfjlingsgott fdjritt er über öie 
Bretter unö fdjmetterte feine 2Irie (im pierten tfete öes 
Königs i>on Caljore) 

Viens channer mon cocur amourrax! i * 

- 

in bas laufdjenöe fyws . . . . 

^lla^ZTTaffenet ift grof unö Caffaüe fein Prophet! 
befannte öie <5emeinöe , öer Kritifer unö perneigte ftdj efyr- 
fura?tspoH. 

Unb nad) langer Unterbrechung folgte im legten 3afyre 
eine tfuffüfyrung öer inöifcfyen Königsoper 6er anöern in 
langem, entfyufiaftifdjem 5 U 9*« ^Haffenet-CaffaHe umfing eine 
einjige (ßloriole. ^alanjier rieb ftd} pergnügt öie öiefen 
Ijänöe. €r fafy allabenölicfy ein Polles !}aus, unö öas 
publicum fam nict)t mehr, blos um öas ardjiteftomfäje 
ZTTonument öes £)errn <$arnier unö öie Iururiöfen Decorationen 
öes fjerru Cacofte anjußaunen, fonöern um ju Ijören unö ftd} 
pollsufaugen an öem fyarmonifajen Sprincjquell reinfter Con- 
empfinöung. 

Caffafle ift in feinen freien Stunöen ein pafjionirter 
3äger por öem Hjerm, tfyeüs aus Cujt an 6er tpatömännifdjen 
Ijantirung, t^eils aus Hücfftäjt auf feine (Befunöfcit, oie ptei 
Belegung in $elb unb Xüaib erljeifdjt Da fdjüttelt er öen 
Staub öer Bouleparös von öen ^üfeu unö fliegt öie fyeige 
2ttmofp^äre öer IDeltftaöt, um einige XTTeilen pon paris öer 
Spur öes IDilöes naefoufteigen unö feine Büdjfe auf Isafen 
unö Kebfyüfyner fnaüen ju Iaffen. XDas feinem ^euerroljr 
entgeht, erfefct er fid? auf feiner *)elmfefjr bei öem XDilöpret- 
fjanöler, ein Derfaljren, öas, u>ie (ßefdjidjfe unö Sage 



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•i * 

3 



meI6en, aud} pon anderen Ijodjangefefjenen 3ag6ljerren unter 
Umflän6en niO)t perfdjmä^t wirft. 

Caffaüe bester)! monatlich $efmtaufen6 Francs (Schalt. 

Don 6en njeiblia^en 3 n ^ er P rc * en tfTaffeneffcfjer Köllen 
per6ient befon6ers ^räulein pon Hesjfe, eine geborene Polin, 
genannt $u tper6en. Sie *>at im König pon Cafpre bie 
Äolle 6er Sita mit groger ^einfyeit gefdfaffen. 3fa Organ 
ift pon a>un6erbarer ^rifdje. Poüftän6tg f)errin ifjrer Stimme, 
Ijat fte in 6er legten £e\t überrafdjen6e ^ortfdfritte im 
6ramatifdjen Spiele gemadjt, 6as anfänglid} an fünftlerifdjer 
tfbflärung un6 ^olgertc^tigfeit nodj $u tpünfdjen übrig lief. 

f)eute 6arf man oljne ^urdjt, 6ementirt $u tperoen, 6er 
jungen, anmutigen Sängerin 6ie glän$en6fte 
prophezeien. 

3fyr Harne nrir6 neben oemjenigen 6er gefeierten 
Oefterreidfertn Kraug mit goI6enen Cettern einzeichnet 
u>er6en in 6as 3udj 6er (Befaßte 6er grogen Oper ©on 
Paris. Was W bei6en Künftlerinncn oft fein6fclig trennte 
im Ceben, tr>ir6 fte frteöltcr) pereinen im <5e6a"djtnig oer . 
Hadnpelt: Der fyerrlia^e Kufmt. 




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H)er ein muflfalifcr/es Znärdjen im Stile 6er €life polfo 
verf ertigen un6 ftcfj anliefen mollte, 6ie 3ngre6ien$ien fjier^u 
im Ceben un6 VOebm 6es parifer tTonmeifters £>lit>ier 
IXletta su fuäjen, 6er n>ür6e ftdj uielleiajt pergebliä} bemühen. 

Hidjt als ob 6as fran3öfifd}e 2TCufifanten'H)efen an un6 
für f\d) bei mvftifijcn (Elemente baar unb bas gattifcfye Volf s- 
tfrnm überhaupt olme jene feineren Beftanöt^eile wäre, aus 
6enen 6er 6icfyten6e (Seift gemütvolle, ioun6erfam ergreifen6e 
ZtTSrdjen fügt, 6ie Realitäten 6es Dafeins, auflöfen6 in 6ie 
luftigen formen eines 36ealreidjs pon tieffmniger Symbolif — 
o iteinl 

fjüben un6 6rüben über 6em Rheine begegnet Dir, mas 
uns f)einridj f)eine fo fcfjön formulirt fyii: * 

2Ius alten HWrdjett nrinft es 
Terror mit u>ei§er f^mb, 
Da fingt es unb ba flingt es 
Don einem $auberlanb. 

Unb grfine Baume fingen 
Uralte ITTcIobcm 

IHe £ufte Ij«tmltd> Hingen * - 

Unb Dögcl f efrmetter ti brein — * 



rDotjI l>at bie Feuertaufe bes Kabelats'fdjen «Efprit bie 
pljantafttfdjen Blumen ber Äomantif, öic bei ben germanifd)en 
P3ltern im Statten ber Kirdje fo ftiU-fippiß mud)ern, im 
fran 5 öftfd)en Dolfswefen entfärbt unb »erfengt, aber bis $u ben 
tiefften IDurjeln ift fie nodj nid)t burdjgebrungen. Unb biefe 
a»ur $ eln ftrofcen von bet Kraft einer naioen riatur.€mpfmbung 
unb treiben Sdjößlinge gleidj originellen Craumgebanfen ber 
unbemuf t unb unabläffig fd>affenben HUmutter Hatur. $re«ltd, 
fobalb fte $u Cage ftreben unb Kaum unb faßbare ©eftaltung 
unter ber Sonne bes Ijerrfdjenben «eiftes fudjen, erliegen fte 
md)t feiten bem 5»ange ber Controle. ben bas unfehlbare 
Paris überblies übt, was nid)» burdj feine Caboratorien unb 
feine Boutiques d'esprit gegangen. 

Hber gel?t an bie «eftabe bes ZTCeeres, ttwnbelt burdj 
bie fonnigen IDeinlanbfdjafien, ftreift bie Ufer ber munteren 
Strome entlang, ftebelt eudj im fang, unb fagenreidjen 
Süben an unb laufdjr bem flarfen pulsfdjlage bes Polfs- ■ 
tjerjens, ber urtpfldjftgen Cebensfüfle ber prot>in$! 

Ztctjmt ben erften beften (Seiger, ben faijrenben S3nger, 
beffen HTarfdjroute an bie rDirtbsljausfdjilber gebunben, ben 
luftigen Znuftranten, ber im Dorfe fegtfaft if» unb bei 
t)odj5eits.. unb «irdjmeiljfeften feine ererbten unb felbft. 
erfonnenen IDeifen auffpielt unb bie paufen mit einem 
frdftigen Sdjluct unb nod> fräf tigeren ©auloiferien ausfüllt I 
Stubtrt bie djarafteriftifdjen 3üge biefes g5ttlid)en HIufU 
fantengeftnbcls unb bann fagt mir, ob im Canbe ber Crou« 
babours, roeldje Sonnenftraljlen im Blute unb juritfdfernbe 
Dogclnefter im Kopfe tjatten, ber Stoff ju ben foftlidjften 
'mufiralifdjen Httrdjen, wenn aud, aüemeueften, fo bodj 
poUwidjHgen «eprdges, ausgegangen feil ; * 



^ragt nur 6en Per f äff er 6er „Lettres de mon moulin", 
6en «Sascogner mit 6er Seele einer orientalifdjen tfrärdjen«' 
erjäfjlerin, fragt #lpr/onfe Daudet I 

Die f)yäne 6er Hepolution un6 bic apofalyptifcr/en 
Beftien 6er Contre-Hepolution fyaben in 6en (Bauen ge- 
awtfyet, 6er 6iabolifdje *}ag 6er 3unfer un6 Pfaffen fyit in 
6en fonnigen un6 wonnigen Prorinjcn feine ungezählten 
£)pfer gefor6ert. 2?a6icalismus un6 Realismus Ijaben fid} 
im peru>üften6en IDerfe abgelöft un6 6er genial »fangutnifajen 





■ 1 


Iii 


M 



gemalt 

tlidjts6eftotDeniger fa>inen 6er frö!?Iia^en 2TIenfd}enFin6er 
un6*6er luftigen 2Tluftfanten nidjt weniger geroor6en $u fein 
in ^ranfreidj. 

Hur 6ie Unnnffenljeit Ijäli 6ie <Bren$en 6er perfönlidjen 
3efanntfa^aft für 6ie (Brenden 6er Sdjöpfung; nur 6ie Dor. 
dngenommenljeit lägt 6as frem6e (Bemütf? ntdjt gelten, weil 
es eine welfa^e «Junge un6 eine welfdje Hafe fyit 2luf 6er 
franjöftfdjen Sdjolle wir6 fo gcmütfylidj gefieoelt un6 fabulirt, 
$e$ed}t un6 pfjantafirt, geliebt un6 gelabt, als fonftwo in 6er 
XDelt 

ytf bin felbft ein paffionirter Spielmann k mes heures 
perdues un6 ein ortljo6orer Cutfjeraner, 6er feftljält an 6er 
rjeiltgen Dreifaltigfeit „tDein, JDeib. un6 (Befang", 6arin idj 
grofe Seligfeit fef>e; id> Ijabe pieler tftenfdjen Stätte un6 
Sitten Utxaditet oben un6 unten in €uropten, un6 6ie 
luftigen Kumpane, fo fte treu un6 bieoer waren, 6en traurigen 
Harren porgejogen. Da 6arf mein Urtipil, 6enf idj, etwas 
gelten« . 



» . 



9 » 



Digitiz£ef^>y 



Ceiöer Ijabe idj öas Itltggefdncf , bef ernten $u müffen, 
öag öer berühmte parifer £>rdjefter«€l)ef unö (Tanjcompomjl 
£>lipier ZHetra fein Spielmann ift, rote ifyn mein *)er$ ftd} 
unmfdjt. Hein, er ift fein fröfylidjer ZHuftfant nadj meinem 
Sinn. 34 empftnöe feine £uft, nad) feiner Pfeife ju tanjen, 
nad) feinen banalen K^yl^men midf $u breiten. Keines fetner 
ZHotipe ift im Stanöe, in meiner Seele bas ^etnttpe!} nacfy 
jenen Hackten ju roecfen, wo id) voll überfcfjä'umenöer 3 u 3 cno * 
Iuft im funfelnöen Ballfaal bas Can^bcin fdjwang, öie gott- 
poüften £pastöd>ter im 2lrme. Vom XDiener tTansfomg 
Strauß braucr/e id> nur jroei .tEafte 5U fy6ren, unö öie füge 
3ugenöefelei ergebt tfyr traumesfd}u?eres fjaupt, fcrjlägt Iadjelnö 
6ie klugen auf unö roinf t mit perlangenöen Hrmen . . . #. * . 

Das ift heute jroar ein ungefäljrliaVr gauber, aber er 
gibt bas ZTCag öes fünftlertfdjen Vermögens bei IDiener unö 
Parifer ZHuftfanten. 

Damit habe tcfj nun eine ^immelfcr)reien6e Kefcerei aus* 
gef proben. IDas fann idj öafür, n>enn öie parifer in alle 
IDinöe fcrjreien: „ZUetra ift ein ^erenmeifler! OTetra ift ein 
tTaufenöfaffa!" unö ich perfpüre beim beften tDillen nichts 
pon öer tDtrfung feiner magifcr/en Kräfte? 

Sein Spiritus bedingt mich nicht, feine formen feffeln 
mich nicht. 21 des, was er in feinen unjähligen Canj. 
compofttionen porbringt, ift ungeheuer foliö, fdmlgerechr, 
öifttnguirt, $mpeilen fogar neu, aber es fefjlt Etwas, bas öurdj 
öie gefcrjicftefte VHadfe nicht erfefcbar ifl, öer funfe öes 
(Benies, Sturm unö Drang leiöenfchaftlicr/en €mppnöens. 

IDenn es geftattet ift, eine Bezeichnung aus öer Politif 
auf öen C^arafter öer t£an$mufe an$uu>enöen, fo möchte idf 
- öie HTetra'fäV Kunftipeife 3ufte.2niIieu.2TIuftf nennen. 



3ufte-2Ttilieu — o weif', wie roitö mit 6a fo bütgei> 
fönigtyümlio} fi>M>i! 

3<*?mage mit nicfjt an, mit foldjem fubjectiuentöefdjmacfs' 
uttfyeil oas IDefen eines ItTannes gettoffen uno etfa^öpfenö 
djataftetifttt $u fyaben, oet ftäj öutdj fein fünftletifcfyes 
Streben uno feine tpofjlcomponirtc Cebensfüfytung gcrotg ein 
2?ed}t auf unfetn Kefpect etrootben fyat. KUein in öet Kunß 
gilt mdjt bas Stteberi unö bas Ceumunösseugnig; in ifyt gilt 
ein^g unö allein bas Vollbringen. Kunft ift fyödjftes Können. 

Ms Ptioatmann Ijat ftdj ZTCetta getoig pottteffliä} ent» 
uricfelt. €t ift öet ftteöfamfte Boutgeois pon bei XOelt 

• ■ 

3^7 mette, öag et in feinem ganjen Ceben niemals einem 
Xtad}bat ein. Bein geftellt, eine ^enftetfcfjeibe eingerootfen 
oöet einen Uad}twäd}ter geptügelt fyat. Klan fjort es feinet 
ZTTufif an,' oag i^r VLxtybet jeöem €jceffe fütftdjtiglid} aus 
öem IDege gegangen, ift, oag et toeöet auf einet Battifaöe 
geftanöen, nod) öen Sttang einet Stutmglocfe gebogen Ijat 
2iud) fyat et niemals einen Haufd) gehabt, meöet einen 
ptofanen nodj einen ^eiligen, öet beim mufifäjen Staffen öie 
Begnadigten gefangen nimmt, fte öet €töe enttücft unö 
ilnien alle (ßefyeimniffe öes Rimmels unö öet fjöüe auftaut. 
Xtlan fann tiejige Quantitäten feinet tEan$pattituten 
confumiten, ofyne Ctunfenfjeit $u Detfpüten; nut bleibt ttofc- 
öem nad? fotfyanem (Benuf öet Kafcenjammet nidjt aus. 

Kefcetei übet Kefcetei! ©Ott fei meinet Seele gnaöig — 
idf fafyte fott 

Unfet 3 u P Cl ^ meu, ^ u P^ r tft «n testet ZTTägigfeits* 
apoftel, ein fünftlettfdjet Pegetatianet, öet öie allein feiig- 
maäjenöe pflanjenfoft im Dteiuietteltaft pteöigt, bei öeffen 

■4 * * 



t 

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Ciebesmafyl öas blutenöe Beefßcaf myfteriöfer ^letfdjesper. 
flärun$ öurcfy fyarmonifdje KocfeTünße ftricte perpönt ift. 

Seine meloöifdjen fjerporbringungen fmö pflansenfyaft, 
orientalifdj, oljne öie fdjarfe VOutp öes llbenblanbes, olme 
IDifc, 3rome, Qumor. €s ift öarum genrig fein S^faU, 
öag öie erfte größere <£ompojitton ZHetra's japaneftfa^e 
Ballehnufif a>ar, in 6er flehte, bunte Dögelein langweilige 
Blumenfeldje aus Seiöenpapier piepfenö umflattern unö 
glifcernöe Käferfcfjtpärme fummenö ftdj 6ie Cour machen, 
tpäfyrcnö an einem gleidmtägig öunfelblauen Gimmel öie 
Sterne auf öie VOadjc sieben, feierlidj unö langfam, roie öer 
feiige öfterreidn'fdje Canöfturm. Das tTertbud) rnetfc freilief) 
von gan$ anöern, leiöenfcrjaftlidj erregten, Fjodj patljettfdjen 
Porgängen $u er3äfylen, pon toöesmuttyger Ciebe unö mottuft- 
reidjer Hacfye, pon Derfüljrung uno perbredjcrifdjen IDonnen. 
Allein 6er tflonfteur ZITetra r)at ^urdjt r>or öergleictyen <5cwaW 
fachen, felbft auf öem (Theater, unö er fyat ftd} bemüht, 6en 
Sd/umng 6er CibVetiiften mit feiner ftumpfen 2TTufif $u bredjen. 
Statt fid} befyerjt auf öie roelfen Hoffe ju fdjuringen, meldte 
öen elfenbeinernen IDagen öer (Böttin in ade Cöfte entführen, 
beöiente er ftdj für feinen Ausritt in öas romantifcfye Canö 
eines nummerirten HTietfyspferöes um stpcieinfjalb Francs öie 
Stunöe.. 

Düpier 2T7etra ift von fdjlanfer «Beftalt. Dichter, leicht 
gefräufelter unö fefmeeig fdu'mmernöer fjaarroucfjs, in öer 
Ztlitte gefdyeitelt, umdjert auf feinem Raupte. €r fyit bxave 
IjeOgraue &euglein, eine ftarfe, tpofylgeformte Hafe unö auf 
öen fmnlidj aufgeworfenen Cippen ein befyaglidjes Schnurr* 
bärtajen. Der Ceint öes forgfältig raftrten (Scfidjts fpielt in 
ein mattes (Selb. €s ift ein nötiger 3uffe.HIilieu.Kopf, 



bürgerlia>i>ornelmt, ffity, olme auffälliges pl^ftognomifays 
Spiel. €r erinnert meljr an öen (Typus öes monardpfdpn, 
feflgegrünöeten €nglanös, als an öen öes republifanifdjen, 
plötzlichen Deränöerungen untern>orfenen ^ranfreidjs. €benfo 
öie ganse €rfa>einung öes ZHannes. Jn feinem langen 
fd>u>ar$en Xocf, sugefnöpft bis oben, fef! auf öen Körper 
gegoffen, in feinen gemeffenen , eine fdjroer fällige <5ra$ie 
affectirenöen Bewegungen fyat ZHetra entfdjieöen etroas 
BritifaVs, <£f>i! unö pljlegma 3olm BuU's. 

Seinem Qabilus entfpriajt fein Der^alten als ausübenöcr 
£)rd?c|ter-C^ef. Kalt, rufjig, öem publifum öen sollen 
Hücfen feljrenö, ftefyt er an feinem Dirigentenpult unö erfüllt 
feine Function mit öer unempfinölid^en Dienftbef(iffenl?eit 
eines Bureau« Beamten. Der Iinfe TXxxn Ijängt unberceglid} 
fjerab, olnte einen ZCugenblicf öie Jüfylung mit fjüfte oöer 
Sdjenfel $u verlieren, n>äfjrenö öer redjte TXxxn tt>ie ein 
Hledjanismus öen (TafijtocF bewegt. Die flaren, grauen . 
Sleuglein allein geftatten ftdj ein lebhafteres <5ebal?ren, 
fpringen in befonöers mistigen Momenten Inn unö Ijer im 
. £>rdjef!er, treiben öie (Seiger $u fräfttgerem Stridj, mäßigen 
öen €lan öer Bläfer, blinjeln öen paufen öen prompten 
(Einfafc $u, übermalen öie (Träger öer fdjmelsenöen fyawpt» 
motioe unö forgen, öaf alles $u rechter Seit unö in redjter 
XDeife gefdjel?e, u>ie es ftcr) für gut er$ogene Spielleute fdn'dt. 
€s fommt öenn audj jcöe Hote red}t öiftinguirt heraus unö 
maSt einen gan$ faftionablen €inörucf. 
, XDenn öas tanjenöe Polf einen £cf?Itritt begebt, ift es 
fürn>af?r nicfyt öie Sdnilö öes Dirigenten Zftetra. Tldf, es 
roeröen fo oiele f efyltritte begangen an öen £>rten, tpo er ju 
öirigiren pflegt €s i|t eine tronifdje Jügung öes gufaüs, 

* . ■ 

• . . . • » - 
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ba% 6iefer 3 u fte , 2nü"icu.ZHrector comme il faut gerate 6ie 
ausfd>reiten6ften geitgenoffen mit feinem Stabe 511m Walsen 
unö Cancaniren comman6irt un6 mit feinen glatten, 6isciplinir ten 
Can3ttJeifen $u 6en erceffipften Can$beu>egungen, $u 6en lafter» 
fyafteften Sprüngen auffpielt. 

Allein all* 6ie 2Iusgelaffenfjeit ringsum fidjt Unt nidjt an. 
2Hag 6er „Capalier" im Cancan auf 6en l}an6en marfdneren 
un6 6ie „Dame" iljr Jüf a>en ftatt auf 6en 3o6<n gegen 6en 
Kronleudjter men6en 06er mit 6er Sefyenfpifce ifyrem Vis ä vis 
um 6as Kinn ftreid}en; mag bas Cuftgeljcul 6er toIIgeu>or6enen 
Paare 6as JDrajefter übertäuben un6 6ie epileptifdje <J5lie6er- 
perrenfung efyer an ein Harrenfyaus als an ein BaH-Cocal 
gemahnen: 2TTetra I?at u>e6er 2Juge nodj £>!jr für fein 
publif um. €r bleibt pon Anfang bis $u €n6e 6er 
Automat 6es Caftirftocfes, 6as Metronom in ^rad un6 
roeif er I}alsbin6e. 

* * * * 

JITetra's Diri^entenlaufba^n fyatte fe^r befa>i6ene 2In- 
fdnge. . XTadj6em er als Piolinfpieler im £>rd>efter 6er ob» 
feurften IDinfelt^eater ftcf? 6urdjgefa7lagen, trat er in feinem 
aa^efmten 3 aI ? re an bie Spifce eines fjäufleins perjweifelter 
iHuftfanten, 6ie im „Bai JRobert" iljr Kunftgeuwrbe ausübten. 
Diefes feit6em eingegangene 3alI«CocaI lag in einer fa^mufcigen 
Sacfgaffe feitroärts Pom £oulepar6 Hoajeajouart. €s u>ar 
6er Cummelplafc 6er Dolfsjugen6 im peru>egenften Sinn 6es 
IDortes. Die jungen ^erren erfdjienen in Bloufen 06er 
*)em6ärmeln; 6ie fyol6en 2näg6lein entflammten 6em ttlarfte, 
6em IDafajfjaus, 6er Küdje 06er 6er 2TTanfar6e 6er (ßrifette 
legier £)r6nung. Robert fyiejj ein renommirter buefliger $l\d* 
fdjufter an 6er €cfe 6er Sadgaffe ur»6 nadj ttjm tyxüe 6er 



188 



(Eigentfjümcr bes Ca^locals fein „€tabliffement" Bai Robert 
genannt. 

Qier alfo foftetc £>ltpier ZTTetra sum erften IVLal bie 
Seligfeit bes £)errfchens im 2?eich 6er (Töne. Heben feiner 
Dirigenten « Function lag er flcigig ben mufjfalifchen Pripat« 
ftubien ob, befugte auch bas Conferpatorium , wo er in ber 
Klaffe bes 2lmbroife C^omas einen preis in ber Harmonie- 
lehre bapontrug, unb fudjte fid? burd? Stunbengeben , ttoten« 
abfdjreiben n. f. m. feine <£riften5 5U ftcr/em. €r componirte 
feinen erften IDalser „Tour du monde" unb perfaufte bas 
Iflanufcript an einen barm^ersigen Derleger um fünfje^n 
^rancs. . - 

Diefer tDafyer öffnete ihm bas (Tfyor bes „Bai Mabille". 
Der Jortfdjritt in focialer unb materieller 3e$ie!nmg u>ar 
ein bemerfensmert^er. HTetra trug feinen jmeiten Can$ 
eigner Compofttion, „Valse des Roses", $um Verleger unb 
tpurbe mit fünf$tg Jrancs I?onorirt. freunbe bes Com» 
poniflen behaupten, biefer 2?ofenu>al$er Ijabe bem Verleger 
bis Fleute über jipeihunberttaufcnb Francs eingebracht 

Pom „Bai Mabille" fam ZITetra in gleicher (Eigen* 
fdjaft in bas „Chateau-des-fleurs", n>o er eine ungeheure 
Sah 1 do" O^en probucirte, bie ihm feine anberen <5eburts»"' 
rcehen bereiteten, als bie ber medjanifdjen Arbeit mit ^eber 
unb Cinte, ipopor er atlerbimgs nach ber Derftdjerung feiner 
Vertrauten eine fdjtper übenpinbbare Abneigung emppnben foD. 

Hoch brei ober pier öffentliche ZanfiaUen burdjipanberte 
ber junge <£omponi|l unb Dirigent in auffteigenber Cinie, ■ 
bis enblich im „Bai Frascati" in ber Hue Ptpienne, bem , 
Stellbichein ber eleganten Halbwelt, feine Popularität bie 
Sonnenhöhe erreichte. Speculatipe 3nhaber pon Pergnügungs* 




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tempeln bes High-life n>arfen iljre 2fugen auf ben 
gentlemanlifen inuftfanten-^ürn-er, beffcn tTän$e rufen 5 
fdmcll in XHobc famen unb auf ben klügeln ulier Salons 
lagen. 2ttetra umrbe ein gefugter 2TTann. Damit roar fein 
(Ölücf gemacht 

3m 3afjre \S72 engagirte ilm 6er geriebene Unter- 
nehmer 6er „Folies-Berg&res" unb lieg feinen Hamen 
jeben Cag mit fettefter 3iefenfcr)rift auf bic 2lnfdflage$ettel 
bruefen. Heber fünf 3 a fa* er m Iucratiren 

Stellung unb per fertigte ujäfjrenb biefer §cit meljr als bret 
Dufccnb uiel applaubirter tTa^-Diuertiffements. Danf ber 
internationalen ^requens biefcs feltfamen 3nftituts, bas tfyeils 
€ocottcn«3örfe, lr>ctls C^eater unb fonft noa> Allerlei ift, 
mürbe ber Harne HTetra allen jungen geläufig unb über« 

■ _ » * 

fdjritt bie törensen ^ranfreidjs. 

. 3efct birigirt HTetra bie Hlasfenbälle ber großen Oper, 
ujo im ijerbft \S7Q aud? fein bereits ermähntes japaneftfdjes 
(Can5poem „22ebba V/ 5ur Zluffüfyrung fam. Die Pari f er 
Kritif r;at es an feingebredjfelten Komplimenten nidft fehlen 
laffen. 34? notire eine einsige Stimme aus bem fyilbigungs- 
d?or ber abfoluten Kuriofttät u>egen: 

„Das ift fo fdjön urie t>on Beet^ouen — unb Beetfyopen 
ift größer, als Strauß". 

£lüftert*s roeiter, son UTeer ju illeer, ir>r flingenben 
IDeilen ber frönen blauen Donau ..... 

2T7etra ift ein Komöbiantenfinb. Huf ber XDanberung 
burdj bie Pror>in$, welche fein Dater buvdj bie Dorfüfyrung 
aller nur erbenfiia>en Sajaufpiel.Künfte erbaute, mußte ber 
fleine 3 un 9* W&ft früfoeitig waefer mithelfen. 3?* 
3ul? re fam bic. Cruppe nadj Paris unb gab in bem 



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Fleitien tT!?eater in 6er paffage c£fyoifeul — 6en nachmaligen 
BoufFes Parisiens — einige Porfteüungen. f)ier machte 
6er jtpolfjäfn-ige £>lipier 6ie Sefanntfcfjaft eines gleichfalls 
blutjungen <5eigers, 6er fief} fpäter auch als poet un6 Heber- 
fefcer 6es XDagner'fdjen „tTannfyäufer" ^erport^un follte. 
Das n>ar IHonjieur <£6mon6 Hodje. Hodje un6 Hletra 
fdfloffen einen innigen ^reun6fchaftsbun6, 6er 6emKomö6ianteib 
fin6 6ie erften inuft?alifcr)en Henntniffe, namentlich 6ie 2fn-. 
fange im X>iolinfpiel, vermittelte. 

UTetra nmroe im Sommer J830 $u Heims geboren. ■ 
€r ftel^t mithin noch im genugfähigften Hilter. XPä^ren6 
6er l^exim 3af?resseit beroofmt er eine reisen6e Viüa in 
Bois»le«Äoi bei Paris, u>o ihm eine 6er järtlidjften Schau« 
fpielerinnen 6er £Deltfta6t 6ie hofo*H »5 reuoen öct ^infamfeit 
ä deux erh%n *?Uft 



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V. 



Der (ßrofmeifter bes Haturalismus. 



(gmüc gola. 



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Brcfefefer foat foatl 
23rcFef cFer foar foarl 

2>as ift 6ie Waffifdfe HTuftf, 6ic Du $u frören befommft, 
menn Du einen Stein in 6en nadjtlid} füllen, ^eiligen 5rof$- 
teid> fcr/leuöerft. 

Der fcr/arfsielenöe Sola *?at öen Stein auf feine fritifcr)* 
Sdjleu6er gelegt un6 doü gottlidjer Hücffidjtsloftgfeit 6e* IDurf 
in 6en fdjöngeiftigen Sumpf 6er 3ettgenöffifd>n frani5pfcr)en 
Literatur ausgeführt. Hun n>ill 6es Quafens Fein €n6e ©erben; 
bcnn bie lieblidjem ^röfcfye ftnö nod) fo gut bei Stimme, wie 
3U 6es feiigen 2lriflopr/anes 5 e ^ cn - 5 U & cn Klafftfem ge« 
feilen ftdj, auf einen Slugenblicf ror 6er gemeinfamen ßefarjr 
6es inneren Qa6ers &ergeffen6, 6ie Äomantifer mit ihrem lar« 
moyanten Sdmecfenfdjnicfefdmacf. €s ift ein £>rd}ejkr«tTutti 
u?ie im u)alpurgisnacr)fslraum: 

^Hegenf^nanj nnb marfennaf 

mit ifyrcn 2Jnrcnranbtcn, 

^rofdf im £aub unb (SrilT im äras, 

Das ftnb bie muftfanten! 

Hilles, n?as quafen un6 geigen un6 pfeifen unö preisen 
Fann, ftür$t r/erbei, 6ie Dilettanten mit iljren ZHaultrommeln, 
6ie 3 ourn aliftcn mit 6em Du6elfac!, 6er ganje i6ealifHfä7e 
Heerbann mit 6cn 3nftrumenten 6er Cherubim un6 S*rap!jim. 

Hl. «. Conrab, pariffa««. , 13 



€s ifl ein fjdllenfpectafel. £um Ceufel audj, fyat man je 
einen foldjen €inbrud} in 6ie frieden sfel igen 3e$irfe 6er 
patentirten un6 unantaftbaren fc^öngeifligen Cüeratur gefetyen, • 
rote tyn Mefer naturaliftifdje ^wler €mile <3ola rerübte mit 
feinen Romanen, feinen tEfyeaterftücfen un6 feiner Kritif, ja 
gan$ befon6ers mit feiner jüngften Kritif? 

Küfyl bis an's fjerj Ijinan, ft$t 6er böfe Sdjleu6erer am 
Ufer; nidft adjten6 6es 3ammcrs, 6en er bereits angeridjtet, 
ntdjt adjten6 6es Ijollifdjen Ctons, 6er ilm um6rölmt, präparirt 
un6 pollfüljrt er IDurf um IDurf. 3 eoc H)odje bringt fein 
unerbittliches Feuilleton, je6er ZtTonat feine fritifdje Kun6fdjau, 
je6es 3a!?r feinen fürdjterliajen Homan un6 fein unbotmäßiges 
Cr/eaterftücf. Das Feuilleton fernlagt im „(ßoenement" un6 
,JLe Voltaire" um fidj, 6ie Hun6fcr)au roetterleudjtet in einer 
ruffifdjen Heime, 6ie ifyrcn ^euev^dfem von Petersburg bis 
auf 6ie parifer Boulepar6s roirft, 6ie Romane un6 Dramen 
fommen bei Cfyarpentier in 6er Rue de Grenelle-Saint- 
Germain fyeraus un6 erobern fid} mit Hngeftüm in - ftets ftd} 
foIgen6en Auflagen 6ie ZDelt, fo weit 6ie Spraye Doltaire's 
Hingt un6 ein franjöjifaVs Budj gelefen nrir6. Selbft 6er 
eiferne Kanzler fyält einen tfugenblic! in feiner gewohnten 
£)antirung inne un6 6urdjfHegt 6as ^ola'fdje IDerf. Das 
begreift ftdj. Sic fyxben etwas DertDan6tes; 6ie etwas brüsfe 
2net^o6e, 6ie Arbeit in §em6armeln, 6ie ^erfuIiMe Kraft 
ftn6 3ei6en gemeinfam. 307 madje 6iefe Bemerfung mit 
6er gcbüln , en6en Heferne, mit 6em fdml6igcn Hefpect uor 6er 
Eigenart großer perfonlia^fetten un6- enthalte miaj »eiterer 

3oIa's Auftreten gab 6as Signal $u einem Kampf fpiele, 
irie man es in 6er ftreiten6en Kira> 6er Citeratur feiten 



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gefehlt. 2TTit jeöem tDaffengange trmcfjs öie Kraft öes 
f)clöen, befcptgte ft$ fein €influg, ftcigertc ftaj fein tfnfeljen 
bei #reunö unö $einb. Seine pofiüon ift uneinnehmbar; jie 
ift öie 6er tDaljrrjeit felbft Der IDatyrrjett um jeöen Preis, 
ofyne jeön>eöen fjintergeöanfen — ir)r galt jeöer Scr)a>ertftreid} 
öes turnten Ijelöen. Seine IDaffenfammer ift fein Calent 
unö — fein töenriffen. 3" tiefem Stücfe flcljt gola unoer- 
gleidjliäj öa. Hiemals würbe ein literartfdjer Angriff mit 
reineren UTitteln ausgeführt. 

Das (Betmffen öiscutirt nietet ütib lagt ftaj nidjt ötscutiren. 
IDer es anerfennt, fyxt öie XDaffen $u flrecfen oöer öie lädier- 
lidje unö unmoralifdje Holle eines Cuftfedjters $u aeeeptiren, 
eine Holle, mit 6er fein efyrlicrjer XÜann rechnet. (Er fpuef t 
aus unö n?anöelt feine 3arjn furbag, jtraefs 6em 5*** «ü- 
gegen unö lägt öie ^ansmurfte festen, bis fte cor <£r- 
fdjöpfung umjtnfen. . t 

Um öem Kampfe öen <Ernft 5U ftcrjem, mufte man 
«gola's (ßeujifferf unö Calent in libvebe oöer u?entgftens in 
Jrage ftetlen. <£s gefajal}. 

Die jabuliften negirten fein Calent, öie f)eucf}Ier feine 
Cugenö, ö. i. fein <5enuffen« Die jabuliften unö f}eud?Ier 
führen öas groge XDort, feit öie IDelt fterjt. Sie finö öie 
£>rafel öer fäjönen Citeratur unö öer. guten <BefeHfcr)afL 
Sie ftnö unfehlbar, fobalö fte öie jeöer anfefeen, öen ZTCunö 
öffnen, öie Stirne runsein oöer mit öen Xugen jannfem. 
IDie öer olympifaje «Jeus, machen fte Sonnenfä^eht oöer 
Kegen, je nadjöem fte irjr ambrojtfdjes fjaupt fa^fltteln. 
Die tuirf ltcr)e unö öie imaginäre IDelt ift i^re Domäne. 
Sie formirten irjre Sdjladjrreirjen, um öem ^oW\dftn 
Angriff $u begegnen. * - 



Sola f «impft mit IDerfen, ntdjt mit IDorten. Dabei 
bleibt feine Perfon felbft im J}intergrun6e. Keine fyunöert 
ZHenfcrjen fannten xfyi vom tfnfefyen, als fxdf 6as ßefdjrei 
auf 6er gan3en Cinie n>i6er tljpt erfyob. €r war bereits eine 
Celebrität, als er nod) tpie 6er obfcurfte Bourgeois 6uraj 
6ie Strafen pon Paris ging. II n'y a pas longtemps 
qu'on m'y salue, fagte er jüngft. 

Der Kniff tparalfo leidjt, feine perfon mit all' 6en 
öunflen (Trieben un6 5 fl 9 en ausjuftatten, Me er als 6ie 
betpegenoen Kräfte feiner Porftaöttypen im ^Assommoir 44 
mit 6er £)an6 6es ^Jorfcfjers aufgejeigt fyatte. Die gan3e 
Sdjeufäligfeit, 6ie in 6en Kneipen un6 Bu6ifen un6 Cafter« 
fyofylcn 6er Barriere niftet, n?ur6e auf 6em fyiüpte 6cs 
Säjriftftellers jufammengefyäuft, 6er es gewagt fyatte, 6er 
<ßefellfä?aft 6ie 2Ttasfe abiureifen un6 6as -nie6ere Polfs- 
leben 6er lDeltfta6t in feinem pl?Yftfd}en un6 moralifcfym 
€len6, in feiner cntfefcliäjen ZTtif&re im rollen Cidjte 6es 
Cages ausjufteüen. 

Die gefyäfftgften un6 roalmtpifcigften üusfagen n>ur6en 
über ifyn in Umlauf gebradjt. TXlan betvadfieU xfyi als 
leibhaftige Collection aller er6enf liefen Cafter, als einen 
(Trunfenbol6 n?ie Coupeau, einen ljer$lofen IDüftling roie 
Cantier, einen ungemaf dienen Schnabel nrie 23cc«Sal£, einen 
pertljierten tDifcreißer nrie 6en <To6tengräber Bejougue 7- 
fürs mie eine HTiBerfdjeinung, meljr Beftie als Zttenfdj. 

Diejenigen, 6ie nodj pon einem genriffen Sdjamgcfüfyl 
jurücfgefyalten tpur6en, ftdj in 6iefer ercefftpen IDeife über 
eine perfönliäjfeit $u ergeben, 6eren pripatleben i^rer 
Kennmig ftä) gan$ un6 gar ent3og, fanoen für 6ie 
tfeugerung iljres UebeltPoHens einen an6eren 2Iusn>eg. Sie 



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füllten fic^ in öie patriottfäe Coga unö riefen öie Xa$e 
öes Rimmels auf ilm tyxab, öenn fein XDerf fei ein 
Perrath am Paterlanöe, feine Sittenfijüöerungen f amen 6er 
Entehrung unö Sdjänöung bes guten parifer Voltes gleicfj, 
er untergrabe mit feinem uorgeblichen Naturalismus öen 
glänsenöen Ceumunö feiner Hation. Keine 2lnfa)ulöigung, 
u>ar ertrauagant unö grotesf genug, um nid>t öem neuen 
Romancier ins tfngejiajt gefdjleuöert $u merken. €s fehlte 
nur nodj, ba$ man ilm auf offener Strafe angefallen unö 
infultirt Ifitte. - , 

Had?öem man ihm jeöe ittoralttät, jeöen Patriotismus 
abgefprodjen unb fein gutes Ijaar an feinen Cenöenjen 
gelaffen, bie natürlia) auf nidjts anöeres fyinausger/eit 
fonnten, als mit feinen ffanöalöfen Darftellungen fta^ «ne 
geräufdpolle, traurige Berühmtheit unö fijmufcigen HTammon 
5u erfdjreiben, vergriff man fidj an feinem {Talent 

Da u?ar nun öie He% an öen ^abuliflen, ityr-ZDort in 
öie IDagfdjale $u rcerfen. Der Eindringling ift immer 
unbequem unö bie Stammgäfte an öer tEafel öer fronen 
Citeratur muftern i^n mit migtrauifaVn Blicfen. Sie betrauten 
feine Ringer — fjimmef, tueldje ^anghafen! feine Bacfem . 
fnodjen — lieber <5ölt, toeldp Kaumerf$euge! Unö fie 
murmeln in fta> tynein: €in % fauberer eher conftere, öer 

witb uns öie beften Brocfen ö % es Henomm^s unö Deröienftes 

• • • • 

uvgfdmappenl 

Da3U ein €inöringling mit öen SlHüren eines Sola, öer, - 
weit entfernt, öie anerfannten (ßemerbsmeifter mit öemüthigen 
Seferenjen ju befniren unö -ftc^ untertänig öie €rlaubnif 
aus5ubitten, audj ein XDörtlein in öer Citeratur mit örein- 
reöen unö ftd> ein Bisten an öem frönen Sonnenfa^Hn 



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\9* 



geifüger Rufmtestfyaten erwärmen 3U 6ürfen, b'xe (Ellenbogen 
gebraucht, um ftdj im <Be6ränge freie Balm $u machen, un6 
6as einf3mei6en6fie ZDort fuc^t, um ftd? (Befyör 5U perfdjaffen! 

45enug 6er ^afeleien, 6er Cügen, 6er Harrenspoffen, 6er 
Scr/önfärbereien, 6er conoentionellen f)an6tperfsfniffe! rief er» 
un6 flieg 6ie tCoiIelte*Cifcr>cr>en 6er faflnonablen Romanciers 
um un6 serbrad} ifyre Sa^minftöpfdjen un6 6ie ^lacons mit 
6en 6uften6en IDäfferdjen. Das Volt will VOat)xr)eit\ llud) 
6ie Didjtung will gefdjopft fein an 6em fpru6eln6en Quell 
6er Hatur, 6er allein roafjren, un6 nia^t länger notdürftig 
$ufammenftcfern an 6en fünftlid)en Hot^brünnlein einer 
jufammengefabelten Craummeltl 

(Es ift gar nidjt möglidj, ficr) über 6ie tfufhafjme eines 
ZHannes $u täufdjen, 6er mit fo ungetpolmter Xe6e, mit 
folay apoftolifaym $euereifer, mit folgen reformatorifa>n 
Sran6i6een 6en tonangeben6en tTagesIöroen 6er Citeratur ftdj 
porftellU 

Der 2Hann ij! ein Harr, brüllten fte grogmütfyig, um 
6ie alte Haturgefdn'djte nidjt Cügen ju ftrafen, 6ie 6en 
großen Ka|en 6iefe rüljmlidje Cugen6 beilegt. Der ZHann 
ift ein Harr, 6er 311 bemitlei6en, aber mi?t 3U 6iscutiren ift* 
3fym fefylt alles, ukjs 6en Sdjriftfteller ausmalt: 2?erftan6, 
Originalität, Stil, ßrammatif, 6efa^macf, XDol?lanftän6igfeit 
un6 Kefpect por 6en grogen Ztamen, 6ie 6en <5enius unferer 
Kunft repräfentiren! 

3al6 jebod} war 6ie törogmütfn'gfeit 6iefer fjerren 
erfdjdpft un6 ifyr <J5rofl n>i6er 6en füfmen (lies: fredjen) 
St$renfrie6 un6 fyftematifa^en Sptelper6erber madjte flaj in 
einer gan$en Citanei pon 3 n j u " en $ u fc §ola's Budj galt 
ilmen als, eine Befdjmufcung 6er paterlän6ifa^en Citeratur, 




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als ein Ijirnlofes Su6elu>erf, als ein monftruöfer Abortus, 
als oie Ausgeburt 6er Pfyantafie eines (Baleerenflräfltngs, als 
eine — cochonnerie, 6ie ein anftän6iger XTCenfdj garnidjt 
ober nur mit 6er ^ange anf äffen 6ürfe. 

» Kaum 6ag ftcr) ba unb bori eine ernftfyafte Stimme in 
6er ttritif 3U 6em fdjüdjternen Derfudje herbeilief, 6ie Be« 
redjtigung un6 6te Sdfönljeit 6cs merfu>ür6igen Buches 
„Affommotr" nad^utDeifen. XDas man im Allgemeinen über 
6affelbe 5U lefen un6 3U fyoren bef am, n?ar feine Kritif meljr, 
c'etait du massacre, wie ^ola ruhigen (ßemüt^cs fyeute 
felbft beftätigt. / ■. 

„Affommoir" erfaßten J877 un6 $ur Stun6e nodj, naa>- 
6em 6as IDerf über ein falbes Qunöert Auflagen erlebt Ifat, 
illuftrirt un6 6ramatiftrt morgen ift, 6er Ueberfe(ungen in 
frem6e Spraken, 3unädjft in's 3talicnifdje, gar nidjt $u 
ge6enfen, lo6ert 6er Kampf bei 6er geringften Deranlaffung 
in 6er alten Derbiffenljeit auf. 3 n öcn ^clujipcn Kreifen, 
meldte 6ie Sdjöngeifterei in &vbpad}t ju vjaben un6 allein 
bas edjte Kecept 6er Komanfabrifation 5U beflfcen wähnen, 
Ifitt man nodj mit Säfynefnirfdjen €mile ^ola 6en „£goutier 
litt6raire" fabelten. Daneben irädjft 6ie 5al}l feiner auf- 
richtigen Ben?un6erer von Cag $u (Tag, un6 um 6en ZHeifler 
fdjaren fid) 6ie Sdjüler. 

„ZTanaV €rfd}einen, ^ortfefcung 6er im „Affommoir" 
angefponnenen (Sefdjidjte 6er $ur (Eocotte ficr) entn>icfeln6en 
(Toaster 6er armen (Beroaife, ftefjt bevor. Der ZTToment ift 
Dielleid}t nidjt ungeeignet, (Emile ^ola un6 feine Cfyaten als 
Romancier un6 Kritifer eingeljen6er ju n>ür6igen. 

Üergegenmärtigen mir uns 3unädjft 6en Cebensgang 6es . 
2Hannes. 



• e)ola tft «in parifer Kinö. Seine IDiege ftanö im fywfe 
Hr. \0 6er Hue Saint-3<>f«pfy/ xoo er- am 2. 2lpril V8^0 
bas Cidjt her Welt — ober öie XDelt fein Cicr/t? — crblicfte. 
3n feinen tföern rollt jeöoij füMic^eres Blut, als bas Oes 
Breitegraös öer Bouleparös. Seine (Srogmutter päterliayr« . 
feits mar Canötdtin, fein Dater Italiener, aus Crepifo. 3 m 
X)enetianifcr)en beftfct er nodj jafylreidje Peripanöte, öie ftd} 
feiner mit Stolj erinnerten unö timt öie faVneicr/elfyafteften 
<glücfipunfa}fa?retben fanöten, als öie üterarifdjen (Erfolge öes 
X^erfaffers öes „2Iffommoir" öie 2Upen überfdjritten unö öen 
Hamen £ola $u neuem Slnfefyen in feinem alten Jjeimatfjs- 
Ianöe gebraut Ratten. 

Bis $u feinem stpanjigften 3afjre fer/manfte (Emile Sola 
5U>ifd}en beiöen Rationalitäten. <Erft öie Solöatenpflidjt f?te£ ' 
tfyt eine (Entfcr/eiöung treffen. <Er befannte ftdj $u 5*anfreidj, 
an öas ilm öie Banöe öcr (Seburt, öie Erinnerungen einer 
r/arten, an (Entbehrungen unö Kämpfen reidjen 3 u 9 cno uno 
öie Hoffnungen einer erfolgreichen Iiterarifa^en <£arri&re 
fnüpften. 

€r säfr/Ite faum örei 3 aI ? rc / «Is feine (Eltern paris 
nrieöer perliefen unö in öie propence überfieöelten , roo fein 




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Pater öen Bau öes £anals uon Air, bei fymte nodj feinen 
Hamen trägt, übernommen fyatte, So 1 «'* ^ aicr wat ein 
reidjgebilöeter, tüchtiger 21Tann vmb unermüöliayr Arbeiter, 
3n feiner 3 u 9 cnö iniHtär*3nd cn **ur in öfterreicr)ifd?en 
Dienften, nafym er jeöe (Belegenfyeit n>aljr, fein IDiffen unö 
Können ju mehren, eignete ftd> öas Deutfay, €nglifay, j 
^ranjöjifdje unö Spanifdje an, publicirte mehrere unffenfcfyaft« 
ixdfc Sdjriften unö unternahm uerfijieöene Ausflüge nad} 
Deutfdjlanö, €nglanö unö Algier. Hadjöem er öen 
öfterreicfjifaVn tfliiitäröienft qutttirt tyitte, fanö er Be* v 
fdjäftigung bei öen erften öeutfdjen €ifenbalmbauten, arbeitete 
eine £e\t lang als £iDÜ\3 n 9 cn i cur m tftarfeille, uon u>o aus 
feine Aufteilung bei bem 3au öer Jeftungsmerfe uon paris 
erfolgte. f)ier ©erheiratete er fidj unö erlebte an , <£mile öie 
erften Paterfreuöen. 

Die Bauunterneinnungen in Air, uon einer ActiengefeU» 
fdjaft begonnen, öeren ftärffter Aktionär ^rancesco Sola 
felbft mar, "fdjlugen fpäter $um Hnfegen öer familie aus. 
Haaj öem Coöe öes Paters madjte öie (BefeHfdjaft Banferott . 
unö öie XDittme rettete nur ein gan$ unbeöeutenöes Kapitälcr}en 
aus öem Sufantroenbrud}. (Emile säfjlte Faum fieben 3 a ^ re « 

2fiutter unö Sojm Rauften, fo gut oöer fdjlea^t es eben :.' 
ging, in öürftiger Surücfgesogenljeit bis J858 in Oer mono* • 
tonen, aber pittoresfen Staöt Air, reo 5u»fd?en öen alten, 
ftiüen patrt jierhäufern öer fjollunöer blüfjt, bas (Bras $urifdjen 
öen pflafterfteinen fyerrorfprogt unö öie gute Sonne öer 
prouence träumerifdj am f)immel auf« unö nieöeru>anöelt, 
um öie (Trauben $u reifen unö öie £>lir>en unö öie fugen 
Dummheiten öer Spießbürger. Der arme 3 U1 *9* K*f fWjHö 
in öie Salute, $un>eilen aud) hinter öie Sdjule, u>as aud> be- 




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lefyrfam ift; aber ein groger töelcljrter ift er nidjt geii>or6en. 
Das Diele Sifcen über 6en flaffifdjen Sdjmöcfern beeinträchtigte 
feine <5efun6f?eit un6 6ie präeeptoren-XDeisljeit Muckte if^m 
nidjt foftbar genug, um fein ZDof?lbefm6en ifyr sum Opfer 5U 
bringen. <£r richtete ftdj fo ein, oa§ er mit 6em fdjulmägigen 
Stu6ium eben 6urd)ram. Dafür regte ftdj bei ifym um fo' 
frifdjer 6ie pro6uciionsluft. ZRit feinem nieqelpiten 3 a *?™ 
ijatte er fajon einen Vornan, 6er in 6er Seit 6er Kreu33Üge 
fpielte, fyeimlicfj rerübt un6 m^äljlige $xa$mente ocr 
Cfyateaubrian6'fd}en Profa in gleigen6e Perslein umgeformt. 
€r las mit (Eifer ZDalter Scott, Victor Qugo, 3al$ac, ofyne 
tiefere <£in6rücfe 3U empfangen. Baljac's <5eift fam fpäter 
um fo mädjtiger über ifyn. - 

ffliitter un6 Sofyn fefjrten J858 nrie6er nad} Paris 
jurücf. Der Coilegien son 2Cir lieg ftd} in 6as £ycee Saint. 
Couis aufnehmen, um feine Stu6ien bis 3ur €rreidmng 6es 
Cfyaraf ters eines Badjelier 3U för6ern. Das glüefte mit harter 
ZHülje. Denn feinem unabläffig 6enfen6en un6 eigene IDege 
u>an6eln6en Kopfe gereifte 6ie Sdmlmetfyo6e 3U graufamer 
Cortur. Selb)! ift 6er ZTTann! fagte er ftdj un6 fpottete 6er 
fleinen Dortfjeile 6er Dreffur, ifjre befyaglidje tfusbauung 
#n6eren über!affen6. 

2fas feiner Stu6enten3eit e^äljlt man ftcf^ eine gute 
2(nef6ote. &o\a fyatte feine brape ßrifette, feine „etudiante", 
u>ie es bei 6em afa6emifdjen Bürgertfyum 6es Quartier* 
Catin Braud? un6 Hechtens ift. €s mar mitten im IPinter 
un6 ein eifiger. XDin6, 6er 6as ZHarF in 6en Knoden 
gefrieren madjte, pfiff aus allen tTonarten über 6ie Place 
du Pantheon. Stun6enlang trippelte eine 2Ttufen«3ungfrau 
por 6er <£olonna6e auf un6 ab, ungc6ul6ig nad} 6er 



ZITünbung ber Strafen unb (Baffen fp%n&. Keine 
lebenbige Seele ringsum. * €nMid> Ijaftet ein bleicher 
3üngling, von langen fdjmarjen paaren bas <5eftd?t um* 
[Tattert, in einen leisten, armfeligen Xocf gefnüpft, aus 
bem <Baffen«<Bea>infel fyeroor unb Mrect auf bas Ijarrenbe 
IHäba^en los. „Eh bien?" fragte bte fjalber ftarrte — . 
„Rien! 34 ty&* feinen einigen ^reuno gefunden". — 
„Uber \d) Ijabe nodj nidjt gefrüfyftücft, unb es ift fünf Ufjr 
tfbenbs", murmelte bie junge Perfon, fta? frampfoaft in 
tyr Umfdjlagetudj preffeno. — „34 ebenfou>enig". — 
„2ttfo u>erben mir freute überhaupt feinen Biffen über bie 
3unge bringen?" — Xlad) einem 2(ugcnblicfe 6es Hacfy 
benfens Ijatte ber Stubiofus feine Xefolution gefaft. €r 
rif ftdj auf freier Strafe ben Xoc! r>om Ceibe: „(Trag ilpi 
au clou (auf bas Perfafcamt) unb faufe bas Diner!" 
befahl er feiner Bürgerin unb eilte in fjembärmeln bei 
jibirifdjer Kälte bapon, feine ZTTanfaroc $u gewinnen. 

Das u>ar (Emile Sola. Die ZHiffcre trieb tyn enblic^ 
fo in bie €nge, ba§ er feine Stubien abbudfen unb auf 
ben Brotermerb ausgeben mufte. Seine 2T7utter perlor 
ben legten procef in ber Derlaffenf4aftsfaa>e i^rcs 
ZlTannes unb bamit-ben Strolftalm, ber fie bis ba bin über 
IDaffer gehalten. <£r hatte alfo aud? für fte $u forgen. . 

^ola ftanb bamals in feinem etnun^manjigften 3 a *? rc - 
(Es »ar Sylpefterabenb unb im ganjen fjaufe fein Sou 
mel?r — pas un sou! Der junge Zttann präfentirte jta> 
bei einem alten Jreunbe feines Paters, einem ZTTifgltebe ber 
21 f ab ernte ber 2TTebicin, mit ber Bitte, ifym jur (Erlangung 
irgenb einer pofttion~, bie einen Biffen Brot ins Ijaus 
fd/ajft, bcfyülfliaj $u fein. Der eljripürbige 2tfabemifer u>agt 




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es nicfyt, bem Solme feines ^reunöes mir nichts 6ir nichts 
baares <5el6 anzubieten, aber er roeig eine augenblicflid}« 
Befestigung für ifm, Tant mieux. €r erfudjt ifm — 
ein Päcfdjen Pifttenf arten, etn>a 3tr>eilmn6ert Stücf, aus$u« 
tragenl » 

€mile Sola rauf perl fta?, bantt, ergreift 6as päcfa>n, 
fnöpft feinen abgehabten, Ueberrocf bis an's Kinn $u un6 
macht ficfy auf 6en IDeg. 2T?utfj! STTutf}! €r rennt freu; 
uno quer bis in 6ie entlegenften Quartiere, um 6ie 3ir>eil?un6ert 
Karten 6en 2(6reffaten ein$uf?än6tgen. Darunter roaren 
Hamen i>on ben €ltern feiner Sdmlfamera6en. Diefe 
Creppen n?aren am fdjujerften 5U erfteigen. 

Bei feiner Hücftelp 6rücfte ifym 6er 5ufrie6ene 2lfa6emtfer 
ein groansigfrancsftücf in 6ie §anb. Bal6 öarauf erhielt er 
einen 2Jrbeitcrpoften beim (Entrepöt in 6er Kue 6e Ia Douane 
mit adjtjig $xancs 2Honatsge!jaIt. Das Stücf Brot n?ar 
gepokert. Sein guter Stern fyatte ifm nidjt Perlaffen! ZHerri! 
Uadf einiger Seit fa"& ** ™* 2InfteHung im Htaga$in 6es 
Z>erlagsgefd}äfies 6er IDeltfirma fyadfette unb Compagme. 
3n einem großen Saale öes 23e$«6e«<£l7auff6e am BouIei>ar6 
Saint »(Sermain Hr. 79 ftanö er ron frülj bis Tlbenb unb 
oronete, paefte, ftegelte, eypeöirte. Das trug U?m monatliäj 
Imn6eri Jrancs ein. Die Xlädjie, Sonn« un6 Feiertage 
gehörten ungefd^mälert feinen Stutöen, feinen literarifdjen 
Derfuajen. fyigo mar fein 3 0eaI / un0 bluffet unö Byron, 
ein nxroig audj Camartine. $ laubert, 6er ITCaler, un6 Caine, 
6er ^nalytifer, famen erft fpäter an 6ie 2Seifye, bis Ba^ae 
auf 6en jungen (ßeift mit 2IHes un6 Tille überftral}len6em, 
nimmer ju I5fa>n6em ^euer roirfte. Swtfdfen Büdjerballen, 
paefpapier, Bin6fa6en un6 Siegellacf im 2*e$«6e.Cf?auff£e 6es 



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fjaufes Qadjettc breitete nod) öer Xomanttsmus feine blauen 
IDunöer aus. Das mar 6ie Hothmerjr gegen öie feinölidje 
profa 6er fymtirung, öie emige 3ronie 6er Contrafte. 5 oIa 
[abrieb ein großes poem in örei feilen : L'amoureuse 
Comedie. Der Perfaffer fonnte nid^t langer, feinen Scr)afc 
im Stillen bergen. Das poetifer/e <5e^eimnig mar $u füg, 
es mußte ausgcplauöert meröen. Die alte (ßefa^id^te. Kecf 
unö öod) 3agen6 legte Sola eines Hadjmittags, als öas 
grobe fjanömerf eine paufe gemattete, öas IHamifcript auf 
öen tTifdj öes Brotherrn. 

ZTTonfieur fjaerjette findet öie Perfe löblich, weniger löblich 
jeöocr) öie <ßeu>oI?n^eit feines <£ommis Sola, mit öergleicrjen 
„bagatelles de la porte" feinem Arbeitgeber öie £e\t 5U 
peilen. (Es fommt $u einer Auseinanöerfefcung 3mifcr)en 
Arbeitgeber unö Arbeitnehmer, öie öamit enöigt, öag legerer 
öas Avancement $um Secretär mit erflecfltct) erhöhtem <5er)alt 
aeeeptirt unö öie Perfemad^erei ju unterlaffen perfpridjt. 
Hoth fennt fein (ßebot. Das mar J863. Das poem muröe 
$mar geörueft unö oerlegt, aber nidjf pon öer ^irma ßachette. 
(86$ folgte eine Sammlung charmanter €r$ählungen : „Les 
Contes ä Ninon", (865 ein Homan: „La Confession de 
Claude"; am 3. 3anuar (866 fanöte er feinem Brotherrn 
ein neues ZTTanufcript, nicht in Derfert, fonöem in fd^Iid^ter, 
gefdjäftsmäßiger Profa: feine Demifflon. 

Hun ftürjte er ftd} fopfunter, Fopfüber in öen 3our- 
nalismus. ITl'xt öem Somantismus öer geifHgen unö 
leiblichen £etteleriften$ mar's porbet. €s mar ein tyfyt 
^efttäg, als Sola feine Freiheit unö ftcr) felbfl mieöergefunöen, 
unö er muröe öurdj ein folennes Bruöermahl mit (ßeßnnungs* 




un6 Strebensgenoffen in 6er #ue 6e £augirar6 gefeiert, 
«gofa nmr6e 5er Bannerträger 6er naturaliftifayn Schule. 

f). 6e Pillemeffant, 6er eine porsügUaV IDitterung für 
junge Prcf fyel6cn beftfct, 6ie, u>ie 6ie 5ol6aten 6er ^epolution) 
6en ZHarfdjallsftab in ifyrem (Eormfter tragen , betraute 6en 
füllten Anfänger mit 6er Budjfritif im „^igaro". 3n 
6emfelben Blatte per öffentliche er audj 6ie Befpredjung 6er 
jäfyrliaVn Kunftausftellung. Allein 3°l a ' s »Mon Salon" 
n>ur6e von 6em porfidjtigen <£fyefre6acteur fdjon beim 6ritten 
2TrtifeI unterbrochen, um 6er PertPüftung (Einfalt su tfyun, 
6ie 6er Derfaffer unter 6en f)äuptern 6er Sa^ule un6 ifyren 
anerfannten Sd)il6fnappen angeridjtet. Die Corberfränje 
flogen i>on 6en Köpfen wie 6ie weifen Blätter t>on 6en 
Bäumen beim Anprall 6er fyerbftlid}en Stürme. Un6 nai} 
6cn Krähen 6ie Köpfe felbft. Kampfberaufdjt überfäete 
(Sola 6ie journaliftifdje XDa^Iftatt mit £cid)en un6 Der« 
ftümmelten. €s mar fein „Salon" meljr, es war ein 
Sd^Iaa7tfeI6. Da perging 6em „^igaro" 6as Caasen un6 er 
fdjlog 6em funftfritifdjen IDütfyeridj 6ie Bu6e — um 6ie 
5a^Ien6e Kun6fä)aft nidft $u perlenen. . 

5ur felben £c\t arbeitete £ola an einer 2?eifye an6erer 
Blätter mit, an 6er „Vie Parisienne", an 6er „Tribüne 11 , am 
„Salut public" am „Petit Journal" etc. €in f?umorifHfd>er 
2Irtifel gegen 6ie reactionären Hampelmänner, 6en er unter 
6em (Eitel „Le lendemain de la crise" {872 im „Corsaire«« 
peröffcntlidjte, führte 6ie Hnter6rücfung 6iefer Leitung fcrbei 
Heben 6iefer umfaffen6en journaliftifdjen <0}ätigfeit 
pflegte er mit pollem €rnfte 6ie (Enturicfelung feines eminenten 
(Talentes für 6en focialen Vornan. Dabei lieg 6ie ' bifterjte 
ZTotr) nidjt ab, fidy n>ie eine Jurie an feine Jerfe 3U r/eften. 




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Seine befürchteten tfuffäfce mur6en natürlich nicr/t mit 5em 
r>öcr>ften £)onorarfafce ausgejeidmet, — menn fle überhaupt 
regelmäßig r/onorirt mürben. Die glänjenoe, üppige Parifer 
3ournaIiftif foröert noch unerhörte 33lut$mf en. 3*? r funfein« 
6es <5ol6 l?at eine r*r6äcr)tig rot^e Unterlage. 

Sola fennt 6as elen6e Volt un6 6ie 3<*ntmerhöhlen, öte 
er in feinen Romanen befcr) reibt nicr/t blos com £}5renfagen 
ober r>on intereffanten Stuöienfaljrten nad? eingenommener 
2ttafyl3eit, Seine meiftcr^aften Scfnfoerungen öes fjungers^ 
6er Derjmeiflung, 6er Qual in je6er ^orrn in feinem „Assom- 
moir 44 un6 feinem „Ventre de Paris 44 hat er 6urcr)aus nicht 
feiner phantafte abgemüht! 

Doch men6en mir uns $urücf $ur Verfolgung fetner 
publicattonen. \866 erfefnen „Le Voeu d'une Morte 44 un6 
eine Sammlung feiner fritifer/en Cauferten unter öem 
d?arafteriftifcr)en Oel „Mes Haines 44 ; 6os folgenoe 3ar)r 
brachte einen ^euilletonroman „Les Mysteres de Marseille 44 
un6 eine bfographifcr)c Stu6ie „Manet 44 . {867 tarn „Therese 
Raquin 44 heraus. Dicfes Buer) macr/te großen Cärm. £)ier 
fprad? ftcr) 6ie €igennatur 6es Homanciers $um erften ZTTale 
in iF/ren fräftigften un6 6as blafirte publifum uerblüffenfren 
gügen aus; tyct pralu6irten bereits 6ie füfmen 6aben 6es 
Künftlers, 6ie in 6en fpateren IDerfen $u einer fo betäuben&en 
Symphonie auffer/offen. „Madeleine Ferat 44 fonnte \8b8 
nicht bis $um Scr/luffe publicirt meroen — ich cntftnne mich 
im tfugenblicle nicht, im Feuilleton welcher Leitung — wegen 
(Einfprudjs 6er Abonnenten un6 6er Drohung mit 6em Poli$ei« 
fpieg 6er Ueberftttlicr)en. 

Das 3ahr (869 machte (Epoche in feinem fchrift- 
ftellerifcr/en f)e!6enleben. <£r entmarf 6en plan $u 6em 




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. 208 

* ■ . . . - • ■ . . . • 

monumentalen Wette bev „Histoire naturelle et sociale • 
d'une Familie sous le second Empire", wovon aüjäfalio? 
ein Banö erfdphtt, bis öas gemaltige (Begenftücf 3u 
&al$ac's „Comedie humaine" pollenoet öaftefjt. fjier öie 
UeberfaVift bet bis jefct publtrirten 3an6e: J869 La / 
fortune des Rougon — { 870/7 ( rif 6er Krieg eine Cflcfe' 
in bxe proouetion bes _ Romanciers — 1872 La Curee, 
(875 La Conquete de Plassans, (87^ Le Ventre de 
Paris, (875 La faute de l'abbe Mouret, \S?6 Sort 
Excellence Eugene Rougon, J877 L'Assommoir, J878 
Une Page d'Amour. 

Setradjten mir bas Werl un6 bie ZTCettpoe feiner 1 
^erporbringung genauer! 




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IPar es eine ausfd?Iieglid} fünftlerifdje ^bct, bxt Sola 
6rängte, an 6ie auf $tx>an3ig 3än6e berechnete jamilten« 
gefdn^te 6er £ougon»3Ttacquart 6ie Qan6 anzulegen un6 
eine Serie tx>n focial-p^YpoIogif^en Homanen $u entrollen, 
6ie nad) £orm un6 3nfyalt 6ie <ßeu>o!ml>etten Oer Schrift- 
ftellergil6e nrie 6es Publifums repolutioniren follten? 

Bei 6eTn eminent praftifeffen Sinn, Oer fein füo- 
Iänoifa^es Hatureü dyarafterifirt, if! anjunelnnen, oaf neben 
6en iöeeüen Criebfe6ern aua? fcr)Iecf>tr>tn oTonomifcfje €r« 
mägungen bei öem €ntourfe 6es IDerfes mitfpielten. 
Sola wollte nidjt nur eine geiftige Hotfjöurft — un6 
eine fola> ift je6e Conception bes fdföpferiföen ßelfirns 
— befrie6igen, fon6ern ftd? aud} eine geregelte Arbeit, 
bei 6er nichts 6cm ^ufall überlajfen bleibt, un6 eine ftetig 
flieg enoe (Einnalmisquelle ftdjern. €r fyxtU 6en 3ngrimm 
6er Zloty in allen (ßeftalten erfahren. Dem »ottte fein 
energtfajes, ftoljes UTannesberouf tfein ein Siel gefefct n>iffen, 
er fyxtte nidjt 6ie Prätention ficfy jur Unfterblicfyfett empor* 
$ul?ungern, nodj 6en (Trieb, fid} als literarifdjer Bo^mien, 

Dl. 0. Conrad, perifton«. 14 



210 



bei 6cm Kopf unö klagen auf ewigem Kriegsfuge ftefyen, 

ourcfouf ablagen nadj 6er Cumpenregel: Kommt 6er Cag 

bringt 6er Cag. Die Welt Ijat gut fdjwäfcen, wie 6ie 

Holl; fo wun6erbar infpirire un6 6er £)unger ein gar 

portrefflidjer 2TIitarbeiter 6er öidjterifdjen pfymtajie fei. 

Die IDafn-rjeit ift, 6ag 6ie Xlotl) aud> im (öeiflesleben 

mcljr fruajtbarc Keime pernidjtet, als folaje $ur Entfaltung 

bringt. 3ei 6en mo6ernen Cebens« un6 Scf}affensbe6ingungen 

fann nur 6er Cynismus 6ie 6arben6en Poeten wohlgefällig 

mit 6en leidjtbefajwmgten „Sommerpögelein" in eine Cinie 

fefcen un6 mit 6em Dolfslieoe Ijdlmen: 

Sie a§tn £tdjt unb tranfen (Efyau . m 
Uno fangen auf 6as ^3cfte ..... 

Sola, 6er neben feinen fd/riftfteüerifd^en 3 ocaIeTt aüc 
3nfttncte eines braoen Bourgeois in Ieben6iger ^üüe beftfct/ 
begab ftcr) $u 6em Perleger Cacroir, ifym feinen weitaus* 
fct)auen6en Plan porjulegen un6 eine gefdjäftsmäftge Ver- 
einbarung über 6ic geijtige Ceijtung un6 iljre materielle Aus- 
beutung $u erjielen Der Vertrag fam rafd} ju 5tan6e. 
^ola rcrppidjtete ftA, jatyrlid? jtnei Bän6e $u pro6urireri, 
Cacroir, 6em Verf affer eine monatliche Penfton pon fünf« 
I?un6ert francs ausübe jaulen, wofür 6em Verleger 6as 
polle Eigentumsrecht 6er publicirten Bän6e auf sehn 3ah re 
jugefprodjen mürbe. 

^ola mietete fid} in einem befd}ei6enen f) du setzen 6es 
r}alblän6lichen Quartiers 6es BatignoHes ein un6 machte fid} 
in frie6famer IDeltabgefchie6enhett an 6ie Arbeit. Hur 
wenige intime ^reunoe, ^ laubert, Dau6et, <5uiUemet, <5oncourt, 
ZHanet unö Duraniy, fügten ilm von g>ät $u Seit in feiner 
entlegenen €infte6elei auf. Denn Sola, 6er wil6e, Iärmen6e 



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Kritifer, 6er alle (ßeheimniffe 6er Scrjriftftellenpelt Fennt, 6er 
unerbittliche Romancier, 6er in 6en perborgenflen galten 6es 
Polfslebens beu>an6ert ift, wie ein Seitungsfanattfer in 6er 
Klatfcr)bu6e 6er tDeltgefdn'cfjte, ift fein (ßcfellfchaftsmenfch, 
fonöern ein einfamer fjöhlenbär. Cest un ours, betätigten 

B m 

6ie parifcr. IDenn ilm nid}t ein Stu6iengang l?erau5nötr)tgt, 
perläft er oft 6ie ganje tDoa?e lang feinen Untcrfdjlupf 
nicht. €r fliegt 6ie Salons 6er XDeltfta6t, un6 ihre geift- 
reicheln6e, mit Bonmots un6 Calembours gefpiefte tonvev* 
fation ift ihm jutpi6er. Seine geiftige Begabnif h al nichts 
pon 6em eigentümlichen frai^öfifchen €fprit, pon 6em 
Brillantfeuer 6er Parifer Cauferie, 6ie pon 6en fcr)öngeiftern6cn 
Barbaren aller Herren £än6er tyute noer) angeftaunt un6 
täppifdj nachgeahmt ju mer6en pflegt. €benfou>enig; ift er 6em 
Pathos feinet italienifchen ^amilienheimat gerpogen. IPer 
6en bleichen 2Ttann mit 6em fchn>ar$en Bart* un6 ^auptfyaar, 

_ * 

mit 6em forfchen6en Blicf un6 6er fühnen Hafe, mit 6er 
Denferftirn"; 6arein 6ie Unbill 6es Cebens eine Hefe £urd>e 
geriffen, mit 6em ge6rungenen robuften Unterbau un6 6en 
fehleren, tapfem f)an6en fyat einmal laut lachen o6er einen 
TO\§ reifen hören, fürtpahr, 6er fann ft<h für <5el6 ferjen 
laffen. Sein auf eres^Jtuftreten fyat etwas fol6atifch SdjtPer- 
fälliges, mie 6as eines h<*l&«nerercirten propinj«2Jthleten 6er 1 ] 
£an6armee, le pas de l'elephant 

Sola machte ftch alfo an 6ie 2lrbeit. <£r enttparf 6en 
Stammbaum 6er Jamilie Hougon - ZTIacquart un6 jetchnete 
6en hauptfä^hKchen <SIie6ern ihren Cebenslauf por, roie pdf 
6erfelbe mit 27aturnothn?en6igfeit aus 6er eingeborenen 
Einlage, aus 6er (E^ielnmg unter 6en € impirfungen einer 
beftimmten fodalen Umgebung, im 3°4 e emer befKmmten 

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*}antirung, foane öem Orte, öer £eit unö ihren befonöeren 
Umftänöen gemäg entnricfeln mugte. 

<£s ift intereffant, feine ITCethoöe etroas eingebender 311 
betxad)ten; öenn nie ^at ein Scfyriftfteüer methoötfcher, plan» 
mäßiger unö genriffenhafter gearbeitet, als <£mile Sola. 

Seine Cecfjnif erinnert geuriffermagen an öie öes Bau« 
meifters, öes 3 n 9 en * eurs ' an öie feines feligen Katers. <£r 
erforfdjt unö prüft fein (Terrain, fein iTTaterial bis ins 
€in$elnfte unö operirt mit Saty, ZTCag unö <&ew\d}t — fur$ 
er baut nicht ins Blaue Innern. Das erftc IDort I/at bei 
ihm öie #nfcfjauung, 6er (Einörucf, öie ^evaliebetütig , bie 
Cogif. €r macht öen Vornan nicht, er Jägt ilm felbft 
u>eröen, aus ficr) felbft entfte^en. €r lagt ftdj pon feiner 
Phantafie« feine fabeln aufbinöen, fein Sammelfurium pon 
imaginären tZtyttfadjen porgeben. Die €reigniffe, öie f\ä) in 
feinem Vornan abfpielen roeröen, finö ihm beim Beginn öer 
Arbeit unbefannt, öie ^ntviaucn, öie Perfnupfungen unö 
Cöfungen öer ^anölung abfolut gleichgültig. ZDoran ihm 
junädjft liegt, öas ift öer Pollbejtfc feines ^elöen. 3h m 
ipiömet er ein befonöeres 2trbeits^eft, in roelchem alle 
Hefultate öer Beobachtung unö öes Hac^öenfens eingesegnet 
tperöen. Diefe €injeichnungen betreffen öie ^amilie öes 
fjelöen, in öer er geboren, öie erften €inörücfe, öie er 
empfangen, fein Cemperament, feinen (ßefellfcfyaftsfreis, feinen 
Perfeljr unö öie Cocalitäten, morin öerfelbe ftattgefunöen, öie 
Cuft, öie er geatmet, — öas ift buchftäblich $u nehmen, 
öenn öie Cuft mit öer unenölidjen XDelt von <&erüd}en, öie in 
\t)x enthalten, ift eine pon öen merfu>üröigf!en Sperialitäten 
öer £ola'fäen 2Inalyfe, öie eine phänomenale €mpfinöltchfeit 
unö Sicherheit öer Hafe unö eine umfaffenöe Durchbilöung 



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6es Hiecfyuermögens porausfe^t — 6ie Profeffton, 6ie er 
ausübt, 6ie Hebenbefdjäftigungen , mit 6enen er bcn Heft 
fetner (Tageszeit ausfüllt u. f k ». Zlad}6em er 6en Cfjarafter, 
6ie Sitten, 6ie Spradfe, 6te <5eu>o*mfyeiten feines Reiben 
erforfdjt un6 bis in 6ie Fleinfte <Ein5eIfyeit ftd} 6erfelbett per» 
ftdjert !?at, öffnet er ein neues 2(rbeitsl}eft, um eine Heifye 
pon Orten $u befdjreiben, b. !j. nadf 6er Hatur $u 
pfjotograpljiren, in 6enen ftd? 6er Cebensgang 6es £)el6en 
06er 6er QeI6in abfpielt. 

Heimen mit 5. 3. 6ie Hana, 6ie fylbin 6es neucflen 
Hornaus. Hana ift eine Cocotte — une belle petit nadf 
6em neueften Spraajgebraudj 6er „Vie parisienne". Wo 
geljt 6ie €ocotte Ijin? 3 n 0 * e eleganten (Theater, xoo fie 
feine erfte Porftellung perfäumt. Sola ftu6irt 6as Parterre, 
6ie Sogen, 6as Para6ies, 6en 3üi?nenraum, 6te Couliffen, 
wo 6te Kunjt aufhört un6 6ie liebe Hatur 6er <£omö6ianten 
u>ie6er anfängt, 6as (Coilettenfämmera^en 6er Scfyaufpielcrin, 
migt 6ie "Staubfdndjte auf 6en ZHöbeln, 6ie 5cf?mu^ 
ablagerungen in 6en (Eden, 6ie Spinnengeipeben an 6en 
Wänbm, 6ie £öa^er in 6en (Tapeten, 6ie Sprünge im plafonö. 

Die Cocotte befucfyt 6ie IDettrennen, 6en grand prbc 
Sola begiebt fti? an Ort un6 Stelle un6 nimmt 6en Sdjau» 
plafc 6es grand P rix in tfugenfdjein mit 6er ßeroiffenjjaftigfett 1 
eines polijeicommiffärs. • 

Die Cocotte frequentirt 6ie großen Heftaurants 6er Boule- 
par6s. Sola lägt ftdj 6ie 2TCüf?e etwas foften, ein <£>Ieicr)es 1 
3U tfyun. tfuf 6er Speifefarte pn6et er ein frem6es Geriet 
pe^eidmet. <£r fragt 6en <&av$on: Qu'est-ce que c'est que 
9a? <£r tpen6et bas unbefannte pro&uct 6er KoJjfunft auf 
* feinem Ceüer Ijin un6 fyer, prüft un6 analyftrt feinen (ßerua?, 

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feine $avbc, feine Hüancen, feinen (Befdjmacf — unö »erfpeift 
es enölidj mit Appetit. €r geljt fyeim unö fertigt öie Be. 
fdjretbung an, öie an $ rifdjc unö Hnmittelbarfett öer Cocal färbe, 
öes Cocalgcfdjmacfs unö öes Cocalgerudjs öas tfuferoröent- 
Iidrfte bietet ' . 

So öurdjforfdft er einige ITTonate lang freu$ unö quer 
öie fjöfyen unö Ciefen öer IDelt, in melier fid} öie Cocotte 
bewegt. Die ein$elnen Beitreibungen orönen ftdj fo, öaf fte 
gleiajfam öie XHeilenftcine bilöen an öem IDege, öen öie ^clöin 
öcs Romans 5U roanöeln fyxt 

Hufeev feinen perfdnlidjen Beobachtungen perfdjafft er ficfy 
noa? öie tfuffcfjlüffe $uperläffiger Specialfa^riftfteüer. $ür 
feincn„2Ijfommoir" pertiefte er ftaj in öasDictionnaire d'Argot 
pon Coreöan £ardje$, in öas Wext von Denis Poulot: Le 
Sublime ou le Travailleur comme il est en 187O ou 
ce qu'il peut etre; für feinen „Abbe Mouret" erholte er 
fid? Hatfys bei öen Bollanöißen unö anöeren firdjliäjen 
Tutoren, befonöers bei O?omas a ttempis, öeffen beräumtes 
Büchlein pon öer Hadjfolge Cfyrifti öie fdjäfcbarften 21uffdjlüffe 
giebt über öie jurücfgeljaltenen Ceiöenfdjaften, öie im ^erjen 
öer frommen ZDeltperäajter grollen unö tofen, gleidj öen 
unteriröifd}en ^euerfdjlünöen eines Dulcans, unö öie in öen 
tftvfterien öes Cljriftcn tfyums eine 2trt materieller Befrieöigung 
fuajen. IDie jeöer Cebensfreis, fo fyät audj öie Kira)e mit il?rem 
<51auben, i^ren «Bebräuajen, ifyrer Begeiferung unö <£ yaltation 
eine 5prad}e für ftd?. Sola fyxt ftd? öerfelben bis in iljre per* 
borgenften ^ineffen bemeiftert unö öen religiöfen ^anatifer in 
€mpfinöung, JDort unö töeberöe mit öerfelben über$eugenöen 
Hatunpaljrljeit gejeidjnet, öie allen feinen (Typen ein unper, 
ganglidjes Ceben Ieiljt unö fte fo Ijodj emporhebt über 



215 



bie r>eru>orrene Soymenfyaftigfeit ber geurifmlidjen Vornan- 
figuretu ' 

Selbft auf bie (Sefafyr fyin, ttibiscrct $u erfdjetnen, 
fönncn mir es uns nidjt perfagen, aus bem Xrbeitstpft 
bes Didiers folgende Zlufjeid^nungen über bie Hana mit» 
ju%ilen. 

„(Beboren \S5\. <£nöe Dejember (867 f)at fte fecr)je!m 
3a^re. Sie ift fo ftarf, baf man ifjr tt>enigf!ens jnxmjig 
geben mürbe. Blonb, rojtg, edjte Parifer jtgur, fe^r 
aufgemerft, Hafe leia^t aufgeftülpt,' 2Hunb Hein unb 
fpötttfa>, ein (Brübdjen im Kinn, Ware blaue 2fugen mit 
golbenen XPimpern unb Brauen. IDenige Sommerfproffen, 
nur fünf ober fecfjs auf jeber Seite. Der Harfen rofig, • 
buftig, r>oII fleiner geringelter fjaare. Sentent la femme, 
tr&s femme. €in letzter ^laum auf ben IDangen. 
(5r 111163113 ifyres moralifdjen XPefens: übernriegenbe (But- 
ler jigfeit. ~~ £olgt iljren (Trieben, ofyne je bas Bäfe um 
bes Böfen urillen ju tfnm. gum Htitleib geneigt. Cetdjten 
Sinnes, Kopf doH ber tollften Caunen. Cebt nur bem 
2lugenblicf (demain n'existe pas). Stets Reiter unb 
5um Caasen aufgelegt, Abergläubifd} unb gottesfürdjHg 
nrie ein Kinb. Ciebe ju ben Cljieren unb if^ren Per- 
toanbten. 3m Anfang feljr urroüdjjtg unb gemein im 
<5ebanfenausbrucf, fpielt fpäter bie Dame unb nimmt 
fta> fe^r sufammen. Daju fommt, baf jte bie ITTänner 
als ein £>bject jur Ausbeutung betrautet unb fo 5U 
einer Haturmadjt, 5U einem ferment ber «gerftörung 
wirb, jebodj unberouf t, blos burdj bie beraufdjenbe ITiafy 
ifres <0efO7lea?ts". 




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3m weiteten Verlaufe ötefer <£fyarafterffi5$e ftnöet fta? 
eine ergreifenöe Tlot\$, weldfe ben Sufammenfymg bet Hana 
mit öem tfffommoir feftfteUt. ZDie öie obere (ßefeüfcfyafts« 
fcfjidjte öurd? ifyre Selbftfudjt vmb Hücfftdjtsloftgfeit öte notfj« 
Ieiöenöe w\b ljungernöe Dolfsmaffe 6er untersten Arbeiter» 
flaffe öem #ua?e bes Hlfofyolismus erHegen lagt, fo jteigt 
pon unten öte Hadje. in ^orm 6er proftitution nadj oben, 
unb öie bet Sdjanbe verfallenen Cödjter bes Volles treten 
als 5erfefcen6e €lemente in öte ^amilienfreife öer Pornefymen 
un6 2üc\d}en. 

TXlxt £ola's IDorten: „Nana c'est la pourriture d'en 
bas, TAssommoir remontant et pourrissant les classes 
d'en haut Vous laissez nattre ce ferment, il remonte 
et vous desorganise ensuite". 

§ola fyit bie gefammte Xomanliteratur unferes 3a!jr» 
Ijunöerts durchgearbeitet unb ift mor/l ofyne ^rage einer 6er 
belefenften SdjriftfteHer £ ranfreiajs. Die fabuliften tonnen 
es an feiner polemif fpüren. 

Zlad}öem er feine 2Irbeitsr/efle mit 6em notrjroenöigen 
ZTCaterial artgefüllt, gefloatet un6 geordnet fjat, fommt für 
ifyn — nadf feinem eigenen (Bejtänönijfe, 6enn Sola ift 6er 
perfonificirte ^reimutlj — 6er fdjurierigfte tTfyeü: öie Der« 
binöung 6er 5erftreuten (Elemente, Heminifcen5en un6 €in« 
orfiefe $u einem fünftlerifdjen <5an$en. tfber er greift ilm 
mit pollem (ßleiajmutfy, id> möchte fagen mit jenem Phlegma 
an, mit 6em ftdj ein tftfylet anfdncfi, eine Ätefenlaft 3U 
fyeben. 

Sunädjjl gefjt er mit feiner £ogif $u Hat!} un6 befprtdjt 
mit ir>r öie Cebensfüfyrung feines fjelöen, öer meift eine alte 
perfönlidje Befanntfajaft r>on Iebenöigem #eifaj unö Bein 



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ift. Diefe Selbftgefprädje fc^reibt er XDort für Wort auf, 
wie fte iljm ber Denfproceg bietet. Dies unb jenes trjat ber 
TXlann — was mug aus btefer Qanblung folgen? Sie jeugt 
jene anbere fjanblung. H)ela>e perfon wixb burdj biefe 
^anblung in HTttleioenfäjaft gesogen, in welajer IDeife reagirt 
fte? Die neue Perfon erfdjeint auf 6cm Sdjauplafce. Hus 
bem unfdjeinbarften (Ereignig werben bie unmittelbaren folgen 
gesogen, wie fte ficr> mit logifdjer Hotfcwenbigfeit aus bem 
<£fyarafter unb ber Situation ber r/anbelnben perfonen ergeben 
muffen. Die gefyeimften (Sange ber perfönlidjen 3ntereffen 
unb Ceibenfdjaften »erben bloßgelegt. 

Dem üalienifcfyen Sdjriftjteller <£bmonbo be tfmicis per- 
banfen wir folgenbe Heugerung Sola's: „Oft pnb nur noa> 
$wei feine Jäben $u perFnüpfen, ein paar gan$ ftmple <£on- 
fequensen $u sieben, unb es will mir niäjt gelingen, tdf mü^e 
mid> umfonft ab. Da laffe id> swei, brei, pier tEage per- 
ftreiajen unb benfe an anberes. €ines Hlorgens enblidf, 
wenn icr) "faüfyftücfe unb ben Kopf bei gans anberen Dingen 
f?abe, ba fnüpfen fta) pldfclidj bie £äben von felbft, bie 
Confequenjen pnben fty, alle Sajwierigfeiten fmb mit einem 
Sdjlage gelöft, ein Strom pon Cia^t ergieft ftdj über ben 
ganjen Homanl Un^flot de lumiere coule sur tout-le 
roman w . 

Unb fagen u>ir es gleiäj, alle ZHüfye unb Hoty ber 
Porbereitung, ber peinlia^en Denfarbeit fmf t in biefem Strome 
unter unb auf ber fdnmmemben £)berfläa^e erfdjeint bas 
fyarmomfd/e Kunftwerf, bas fein Urheber mit eigenfmniger 
Paterfreube ein naturaliftifdjes tauft. €s ift ein IDerf, wie 
aus einem* (Suffe, fo wafyr unb eä7t,wie bas IDefen bes 
Serf affers. 



2In diefem punfte angelangt, widmet Sola die pier 
crftcn 2Horgenftunden jedes Cages 6er Hiederfcfjrift feines 
Romans, überlieft ilm nad} der Pollendung, bringt einige 
tpenige Abänderungen an und fdn'cft ifm feinein Perleger. 
2Horgen roird er gedrucft und übermorgen — ift gan$ paris 
poü dat>on und discutkt mit paffton den neueften literarifäjen 
Sfanoal! — / 

TXls £ola öie beiden erften Bände pon feinem Cyflus 
der 2?ougon«21Tacquart publicirt Ijatte, trat ein <£reigniß ein, 
das die regelmäßige fortfefcung des XDerFes und die geftdjerte 
€riftcns des Perfaffers in frage ftellte. Der Perleger 
Cacroir u>ar in böfe Perfyältniffe geratr/en und mußte liquidiren. 
Das ©cfdjäftsfyaus, das unter dem $n>eiten Kaiferreidj der 
freifinnigen Citeratur fo große Dienfte geleiftet r)atte und 
deffen Säle an der <£cfe der 2\ue Pioienne und des Boulerard 
2TTontmartre fo lange ein geformter Sammelpfag der 
republifamfdjcn Sdjriftfteüer getpefen, braa) unter der Schulden- 
laft 3ufammen. <S5lücflia>r tDeife fand ftdj ein junger, 
intelligenter Verleger, der die Bedeutung «Jola's pollauf 
tpürdigte und fidj erbot, den Vertrag des Romancier mit 
Cacroir $u übernehmen. Das mar der junge Cr/arpentier, 
der foeben in den Beftfc der pon feinem Pater gegründeten 
großen Perlagsfyandlung, die J852 aud} Bafyac's Com£die 
humaine edirt hatte, gelangt toar. (ßeorges €r)arpentier 
über$eugte fidj bald, daß er mit £ola's ZDerfen ein brillantes 
(ßefdjäft gemalt. IDie Ijeinriä} feine's (Campe „aller Per- 
leger Blütfje" und jeder <goll ein €l?renmann, mollte er 
nidii länger einen Pertrag für ficfj ausbeuten, den der arme 
Sdjriftfteller in einem tfugenblicfe der Hot!> ' mit einem 
andern eingegangen und dem er feine ganse jufünftige 



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Cfjätigfeit 511 einem Spottpreis t>erpfän6et tyitte. 2fus 
eigenem Antrieb arbeitete er einen neuen Vertrag aus, tr>orin 
er jta? §ola geroiffermagen affoeiirte jum ITtitgcnuffe 6er 
Beneficien feiner publifationen, un6 ifym fomit auger oem 
pren Qonorar noa? eine Hebcneinna^me ftdjerte, 6ie ftd) bei 
6cm grogen 2Ibfafc feiner ZPerfe in 6er legten Seit allein 
bis auf 5u>ansigtaufcn6 ^rancs jäfyrlid? erfyob. 

34 fyabe eben 6as <£rfcf}einen eines Sola'fdjcn Romans 
einen Iiterarifdjen Sfanoal genannt. Den 5fan6al infeenirt 
6ie Kritil un6 6as Publifum. 5°Ia fyält fidj perfonlicr) 
ftiüe. €r leiftet fein IDerf roie (Einer, 6er eine groge, unab- 
roeislia^e 2Tttffion pollbringt, niajt adjten6 6es (ßefdjreis un6 
6es 2Pi6erfprudjs ringsum. XDätyenb 6ie Kämpfe am 
tyeftigften tobten, ftan6 er allein, olme Kamera6fd}aft, orjne 
Sd)il6träger, 6en Blicf unDeru>an6t auf fein Siel gerietet, 
$u 6effen €rreidjung er feine Polle ZHannesfraft, fein Polles 
IDiffen un6 (Beanffen einfefet. 

Die'erften &än6e feines <£ydus famen nodj glimpflicr) 
6uraj. Dann aber folgte ein <£rescen6o 6es fritifdjen Cärms, 
6as bei 6em <£rf feinen 6er <£ur£e un6 6es tfffommoir w>r- 
laufig feinen f)öf?epimft erreichte. Was man ifym mit uner- 
müdlichem Had^rucfe $um Porumrf machte, n>ar, 6ag er ficr) 
in mi6erlia7en Stoffen un6 in einer nod> n>i6erlicfyeren Spradp 
gefalle. Seine Subjeete feien 6urcr)n>eg fdjlecfjte, auserlefen 
fdjlcdjte Subjeete I 2Tfan efle fidj ror 6iefem mtferablen 
Coupeau un6 feinen Saufgenoffen im ilffommoir, 6ag ein 
anftän6iger Cefer gar nidjt IDorte fän6e, feinen irbföeu tyn- 
länglia^ aus5u6rücfenl 

„Eh bien", ernri6erte Sola gelegentlich „6ie Crunf fua^t ift 
ein fdjmufciges Cafter un6 6er <TrunfenboI6 ein fdjmufciger 

• ■ 



Kumpan. Hber ift nidjt je6es Cafter fdmiufcig? Die Ciebe, 
nrie fle 6te Beftte im ZTTenfajen, 6ie ungejügelte £ei6enfd?aft 
prafticirt, ift im (Brimöe nidjt reinlicher als 6as Spiel, 6er 
ZTCor6, 6er (Eljebrudj, uon 6em unfer gegenwärtiges Cfyeater 
$um grogen XPo^IgefaHen 6er *)eudjler faft ausfdjliegliaj lety. 
3e6e Kataftropfye ift eine, moralifdje Cection, gletdjgiltig, 
ipelajes Cafter fte herbeiführte. (Bcfyt 6ic (TrunFfudjt in paris 
nidjf füra?terlidj im Sdjmange? Z)at uns nicfjt 6ie Statiftif 
6ie erfcfyrecflidje gafjl uon ZtTännern un6 IDeibern genannt, 
6ie alljäfyrlidj am Säuferu>almftnn ueren6en? Coupeau, 
6iefes llrbtlö 6er Parifer Porfta6tfäufer, geljt $u <5run6e, 
u>ie ftays gebührt!" V 1 ..... 

Sola lagt 6as Volt feine eigene Spraa> re6en. €s ift 
ein fortgefefctes lautes "Denfen 6er Dolfsfeele im Sola'fäcn 
Xoman. Die Jjaare flehen uns $uu?eilen $u Berge, fo rofy, 
gemein, trüb ftn6 6ie Offenbarungen 6er Dolfsfeele aber 
es fin6 Offenbarungen! Sola interuenirt nidjt, um fte ab3u- 
fdjroädjen, $u fälfdjen, ju übermalen; 6enn er ift ein 
urfprünglidjer t>olfs6id}ter, 6er 6a füfylt, meldje nril6e fjeü- 
fräfte, roeldjer oämonifdje Räuber, »eldjer göttliche Xtaturfmn 
aud> im roljeften XDorte rinnen un6 riefeln, 6as ungehemmt 
aus 6er Polfsbruft fyerDorbridjt. 

Du füfjlft n\d}\s bavon, Du Ijaft fein 3e6ürfnig nad? 
6en urfprünglidjen Offenbarungen, elegantes Salonfinfc? 
XDotyan, lag' Sola in £rie6en un6 Ijalte Did> an jene 
Homan6icf>ter, 6ie ifyre aller IDirflicfjfeit 6es IDeltlebens, 
aller Cogif 6er Cljatfadfen fpotten6en Pfyantaftereien, ir)re 
fubjectipen pteanterien einer jügellos im Heia^e imaginärer 
£ei6enfdjaften fd>n>elgen6en pfydjc fo getftreidj un6 poetifa> 
ein$uflei6en miffen; Ijalie Did} an jene Tutoren, 6ie tljre 

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22 [ 



untüchtigen (Befdndjtoyn uxxb fdjlüpfrigen Jntrtguen fo 
irmnoerbar anftänoig erjagen, bxe fdjlimmften XDorte fo 
prächtig t>ergü!oen uxxb ben nidjtsnufcigßen €mpfinoungen 
ein fo anftänoiges HTänteldfen Urningen; fyxlU Didj an 
jene poctiftrenoen (Belegenfyeitsmadjer, in öeren Scfyeinmelt *• 
meljr erraten, als gefagt n>eroen faim, nx> bxe lefenoe 
pfyantafle fo fyersfyaft mitfünoigen oarf uno öie lafter^afteften 
<5efüfyle fo roofylouftig parfümirt ftnöl 

f?alte Did} an fte, un6 beflage jene arme € öclfrau pon 
Set>ign£ — Du fennft bxe Dame 6oa>? — Me, als fte neben 
einer Orangerie molmte uno beftänöig pon lauter Orangen* 
Mützen umbuftet mar, ftdj am <£nöe nad} oem gefunoen 
(Serudj einer redjtfdjaffenen ZHiftfarre ju fernen begann! 
Fi donc! HiaV nn^r? 

3dj will nidjt barauf fdjmdren, ob ZUaoame öe Sertgn* 

eine moralifdje Perfon wax — oas mögen öie Damen unter 

ftd? ausmalen, aber oarauf leijle id? berx feierlichen <Eio, 

6af id? (Emile Sola für öen moralifcfjften SdjriftfleiUr ^ranf- 

reiaV fyalte! Hie fyxt er 6a s Sdjöne jur Befcfyömgung mifr 

brauet, 6as ift richtig; 6enn er iß bxe Keufdj^eit felbft 

■ ■ - ..• 
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yt) fyibe bereits angedeutet,- meiere I/erfultfa> Arbeit 
ftäj der IHann mit feinem fritifdjen £einigungsa>erf auf« 
gebürdet fyxt (Eine fetner ftärfften Ceiftungen blieb bis je$t 
feine Studie über den seitgenöffifdjen Vornan, publirirt in 
einer Petersburger XTTonatsfajrift und reproducirt von einem 
Cauf anner 3(att und vom parifer „^igaro". Kein irgendwie 
nennensu>ertfyer „faiseur de romans", den er nidjt por feine 
Scfyranfen gesogen und in eine £e!eua?tung gerüeft fyätte, wie 
fte das von den eitrigen IDeiljraudjtPolf en der fdn:iftfletterifa>>n 
Kameraderie gefdjroädjte tfuge der IDerfgenoffen nidjt meljr 
für möglich In'elt. Haldem das Unmögliche gefdjeljen, dürfen 
mit uns itidjt pertpundern, roenn es pon den Betroffenen als 
ein Unerträglidjes und der Urheber als ein Perrätljer an der 
guten , alten Iiterarifdjen Sitte aus Ceibesfräften perfa^rieeit 



Doaj geben nrir dem Kritifer felbft das XDort und be- 
trauten mir tyn bei der Arbeit! 

tfbfdntitt VL feiner Studie ift 3ules Cläre tie getpidmet. 
Sola perfä^rt mit ifym folgendermaßen: 



tpird. 



j ... ... , „:.;..; i r l_ 



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//3^? mir oen ^onfteur 3ules Claretie aufocfpart, 
um ilm sunt typi^en Beifpiel $u nehmen un6 $u peranfd?au* 
liefen, wie man alle äuferen Seiten. 6es tüalentes befifcen 
un6 bod) ein uollfornmen« mittelmäßiger Homanrier bleiben 
fann. Clarctie ift ein genereller ^all in unferer gegenwärtigen 
Citeratur; idj gefye fo weit, 311 Tagen, er ift ein Symbol. 
Blutjung 6ebütirte er im 3 0UrnaI ^ mus - ^ r $äf?Itc 
nidjt |teb$elnt 3 a *? re — n>a,: S*9*n J857, als er fd?on.tn 
bie fdjöngeiftigcn Blätter jener furnierte (Scrivaillait). 
Später finbet man ifm im „f igaro", »o er bie Echos 
parisiens machte. Don 6a an fyxt er mit einer unglaublichen 
jrud^tbarfeit 6en pia£ mit feiner Profa überfd)a>emmt <£s 
gibt fein 3ournal, in 6as er nidjt feine Beiträge etnjufürjren 
gemuf t, feine (Sattung, in 6er er ftd> nicfjt Derfudjt fjätte, 
fcige fie literarifa> ober oramatifa> Kritif, <D>ronif, Ceit- 
artifel, <£orrefpon6en$, Heifebefdjreibung, Vornan, <8e\d}\d}tc 
06er Drama. Das ift eine jontaine, oeren fjalm immer auf- 
ge6rel?t Ff!; öas IDaffer fliegt fortmäl>ren6 mit 6er nämlidjen 
£eid)tigfeit, fortn>äfyren6 mit 6er- nämlidjen <ßefd>mm6igfeit. 
XDolIte man 6ie Seiten a66iren, 6ie er fdjon gefdjrieben r)at, 
fo gäbe 6as einen Beftan6 an Drucffadjen, gröfer als 6er 
Poltaire's — un6 lUonpeur Claretie ift nod) nidjt i>ier$tg 
3af?re alt. TXlan fagt aus Sdjerj, 6afc er ftd) franf füfyle, 
- u>enn er nicfjt je6en IHorgen bis jum ^rüfyftücf feine fünf- 
ljun6ert Seilen gefdjrieben Ijabe. 

„3dj nril! fyier roeoer feine <5efdjid>tsbüd?er, nod> 
feine Citeratur- un6 tTfyeaterfritifen prüfen. Das trmro* 
m\d} 3u weit führen. 34 *? a * tc nwdj nur an 6en 
Homancier. €r fyat fdjon eine fdjöne *>on Homanen, 
ein Dufcen6 tsenigftens. (giner feiner erften, 3 0 fa>fy Burat, 



• • • 



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' • 22* : • 

madjte einiges (Seräufdj. €r befyxnbclte 6ie (SefdH'djte 
eines Sohnes einer femme perdue, eines 3 £m 9K n $ 5 r 
6er ftdj $um Hadder feiner ttTutter aufurirft. Xtlan 
glaubte, getuiffe ftarfe Qualitäten $u cnt6ecfen, Der* 
Neigungen eines (Talents, 6as ficr) mehr un6 mer/r ent* 
falten mür6e. TXls fpäter feine 2Tta6elaine Sertin erfdjien, 
hoffte man auf einen Styliften; 6as Buer) enthielt einige 
rei$en6 gefcr/ricbenc Seiten, ^übfd} gemachte 33efd)reibungen, 
gefdjicft geführte Scenen. 2tet)nlic^ uer^ielt es ftdjj bei 
je6em folgen6en Vornan. Les femmes de proie, Les 
Muscadins, Le beau Solignac, Le Train Nr. 13, alle 
6iefe 3ücr)er roaren fauber gefdjrieben, mit einer roahr* 
haft Iitcrarifdjen Sorgfalt; fte jeigten ln> vmb ba ein 
Stücfcr/en Beobachtung, ein Studien Styl, ein Stücfd^en 
Calent. Hid>ts6eftou>eniger Rauften ftd) 6ie 3än6e mit 
einer uer$u>eifelten Cinfdrmigfett. Sie fa^en fttfj alle 
ähnlich, waren alle gleich gut un6 gleich fdjledjt. 3 n 
6cm 2Hafe, tme 6er Raufen roudys, ftrömte er einen 
ftch fteigem6en (ßcrud) 6er unerträglichen XTCittelmägig. 
feit aus. ITConfteur Claretie Derfpracr) immer, aber er 

* * 

^ielt niemals. 

„307 ^abt oft über 6iefen iaü* nacr/ge6acf>t. €s 
ift einer 6er ergreifen6ften (un_des plus navrants), 6en 
man fefyen fann. 3^? urie6erhole, 6iefer Scr/riftfteller 
befifct literarifcrje tfnftefligfeit, eine gute ftyliftifcr/e £)aT 
, rang, er uerfteljt eine £igur meifterlicr) tyniufeUen , ** 
I?at mit einem IDorte alle C^araftersüge uom Scheine 
eines (Talents. €rft beim Oeffnen $eigt fiel) 6ie Ceere. 
€s ijl eine ^ruerjt, 6ie ein IDurm inroenMg ausgefreffen 
hat; berührt man fte, fällt fte jufammen. <£r ha* «ta« 




.: * t • 

225 

• 1 ■ i i 1 1 

• • * 

tpafn-fyaft beflagenstpcrtfye Cetdjtigfeit, eine tffpmüations* 
fraft, 6ie \fyn erlaubt alles $u fein, unts er uriH, nur 
nichts aus unö buvdj fid? felbft. Seine ßebet eilt über 
6as Papier ^in, aber es ift nid}t feine eigene Perfön« 
Iiajfeit, von 6er fte geführt nrir6; es pn6 6ie perfönlidj» 
feiten 6er 2ln6cren, (Erinnerungen roioer tDillen, 6te ilm 
fraft fetner nad^a^nienöen Hatur leiten, (infs unb tedfts 
2lrtleifyen $u madjen. €r lebt iK>n 6er <5na6e feiner 
Umgebung; er nimmt Me 3*** n ; °* e **? n umfdjmirren; 
niemals fommi i!?m ein (ßeöanfe 6ireet aus 6em <5e* 
btrn. fjeute folgt er 6er 2(rt 6iefes, morgen 6er jenes 
iHeifters, un6 immer naip, ofjne pdj 6effcn $u perfeljen, 
6enn er ift fo geboren. €r ip un6 bleibt ein Spiegel; 
je6er pon uns fann pdf in ifjm betrafen un6 u>ie6er; 
erfennen. Um es in ein BiI6 $ufammen3ufaffen: er 
fdjreibt unter 6em Vxctat TXUet. 

„34 »ttt einen tfugenblicf mttSlIpfyonfc Dauöet • 
pergleidjcn. 3<*? nefnue gera6e 6iefen Romancier , weil «r 
einer 6er fenptipften ift, 6ie idj forme. Sc$en mir ifm irgenö 
einem Sdjaufpiel, einer Scene gegenüber. Diefe Scene mirö 
einen lebhaften €in6rucf auf iljn madjen, un6 n>enn er fle 
eines Cages erjä^Ity fo n?ir6 er fte pd) mit Ijilfe feines 
<5e6äd)tniffes un6 feiner €inbi!6ungsfraft 5urücfrufen. <£s 
n?ir6 genau 6ie Scene fein, n>ie er fte gefeljen fyat, nur unrö 
er it>r eine befon6ere Vibration perleifym; er u>ir6 fein 

• 

cigenpes <£mppn6en hineinlegen, er roir6 pe mit feinem 
perfönltdjen V)audj beleben. So wirb bann 6ie Scene fort« 
leben, fei pe nun mit (Coronen 6urdme$t o6er mit 6em 
Caasen 6er Komif erfüllt; $n>ifdjen 6en 5**1™ Buddes 
wirb ein Strom tiefer €mppn6ung pyogen un6 pdj 6em 

Ol. «. Conrab, parifaiw. 15 

... . . . « . 



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Cefer mitteilen n>ie €leftricität. 3 n & ie f er JDeife äußert 
ftd} 6ie Urfprünglidjfeit bei 6em Scrjriftftellcr, 6te originelle 
<Empfin6ung, meiere perfönliaje IDerfe fcfjafft. IDofylan, 
• niemals l?at 3 uIes Claretie 6iefe €mpftn6ung gehabt uno 
mir 5 fic niemals Ijaben. Das ift es, toas ilm ofnte tDi6er». 
ruf $ur ZTTittelmä gigfett peröammt fein Ceben lang. £r 
mag fortpro6uciren, 8udj auf 3ud) ftapeln, er mag fogar 
ftd} ZYlüty geben, feine €mpftn6ungcn $u pflegen, unö feinen 
Styl 5U glatten, feine Romane merken nirfjts6efton?cnigcr tobt 
$ur IDcIt fommen, oie einen nrie 6ie andern. €r ift ein 
profafabrifant, nichts tpeiter. 

„307 roill 6en großen €rfolg 2Jlpfyonfe Dau6et's un6 
6er übrigen naturalifttfdjen Romanciers erflären. Selbft 
poll Ceben, geben fte tljren Büdnern ein Ceben, 6as ilnten 
eigen bleibt. Begcifterung erfaßt 6te Cefer, 6enn fte füllen, 
urie oas Dtdjttpcrf als töefdjöpf ftd) cor tlmen aufrichtet. 
Die <£mpfin6ung ifl anftecfen6. 3f* oas 33 uc *? toM, bleibt 
6er Cefer falt. Der tfutor muß feinen Roman gelebt Ijaben, 
je6e Scenc muß 6urd> feine Seele gegangen fein. IDenn 
n\d}t, fo Heft man tr>oljl mit 6en 2lugen, aber fyr$ un6 Der* 
ftan6 n?er6en nidji erfaßt. Das ift 6er (Bruno 6er Derfyältniß- 
mäßigen (ßleicfjgtltigfeit 6es publtfums 6en Romanen 
Clareiie's gegenüber. €in Arbeiter nrie er, ein Sdjriftfteller, 
6effen Harne 6urd? 6en 3 ourna ^ smus berühmt geu>or6en, 
follte feine IDerfe in einer großen <3afyl pon Auflagen per« 
faufl fel?en, ftatt, nrie es 6er ^aü ift, 6aß fte ftdj faum in 
ein paar €6itionen abfegen. <£r fann als €rempel gelten, 
was in 6er frönen Ctteratur eine große .Pro6uction bebeutet, 
6ie nichts als 6en firniß 6es Talents für ftd? tyit. 3<*? 
fönnte siele unferer Sdjriftfteller citiren, 6ie pdf in 6cmfelben 




• • • » 



227 



$aü befinoen, mie ITConfteur Claretie, aber es genügt fner, 
oiefes eine Beifpiel erörtert $u tyxben". 

Claretie fonnte öiefe bittere pille nidjt ftillfdjn>eigeno 
fyinunterfdjlucfen. (Er fyat mit (ßrimaffen unb (Brobr/eiten 
geantwortet, mie man es pon einem geiflreidjen ITTanne, 6er 
ein flares 3emu£tfein feiner Kraft in ftcr) trägt, nidjt 3U 
ermarten pflegt. 

2Ibfdmitt IV bcfajäftigt ftaj mit €ömon6 tfbout, 
€rcfmann«Cl?atrian, Jules Perne uno (Buftape 
Dro5. Derfolgen mir öie Cfyarafterijtrung bes <£rftgenannteit • 

„XHit Dermunöerung oenfe idj off an 7X1. (Eomonö 
2lbout. Seine fd^riftftcücrifc^c <£arriere mar pou* pon 
Uebcrrafdjungen. 2Han mu§ jtd} feine Debüts in oen fernen 
3al?ren öes Kaiferreidjs ins (ßeoädjtnij; ^urücfrufetL $em, 
geiftreiefy, ffeptifdj, befunöete er ftdj als ein Polemift erßen 
langes. IDenn er pielleidjt aud} nidjt, mie man fagte, oen 
Stocf Pältaire's geerbt r>atte, fo befaf er 6od} menigflens 
oeffen' Reitgerte. Seine Büdner über (ßriedjenlanö unb Horn, 
menn aud} im (Srunöe ein menig fyoljl, Ratten einen anfefm- 
iicr/en (Erfolg, oanf 6er ftyliftifd^en Ceidjfigfeit uno öes guten 
Juniors. 2IIs Romancier begann 2ß>out mit feljr piel 
<BIan$. Seine Hopellenfammlung Les Mariages de Paris 
fyatte faft auf 6er Stelle $clm bis $molf Auflagen. Kaum 
fta? ein menig Kufye gönnend, marf er Schlag auf Schlag 
Tolta, Germaine, Trente-et-quarante auf öen Iftarft; 
enölidj erfdjien Madelone, eine mit fcämonifdjer Perpe 
gefdjriebene Stuöie, meines € ragten s fein befter Vornan. 
Hacr) jmei fefjr oiscutirten pfjantaftefffiefen : LTiomme k 
loreille cassee unb Le cas de Monsieur Querin, 
publicirte er einen unenMidjen Homan in orei b'xden Bänöen : 



• 

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La vieille Roche, in tueldjem fein Calenf fd}u>erfällig 
unterging. <£s wav aus mit ifwi, ber tfomanoidjtcr in ifym 
mar eines plöfclicfyen Cobes geftorben. Seit liefern Wext, 
bas vot meljr als $clm 3 a *J rcn erfdjicncn, f?at 2Hr. Hbout 
feinem Verleger fein einziges Buaj meljr gebraut. ITCefyrere 
3<*f?re Ijinburd} mar er uollfiänbig tvrfdjmunben. 2TTan 
b;ätte ir)n tobt glauben rönnen. €nblidj taudjfc er als 
Herausgeber eines 3 0urna ^ s / ocs „XIX. Siede", roieber 
auf; Ijeute ift er Cfyef «Äebacteur, madjt gute (Selögefdjäfte 
unb finbei fogar sumcilen feine muntere ^cber aus ben ©er- 
gangenen fdjönen Cagen uneber. Kur$, idjfenne feinen cigentfyüm- 
liieren ^aü in unferer beseitigen Citeratur: ein ZHann mit 
fo brillanten Anfängen, ein Sdjriftfteller, beffen fijauptgaben 
uncrmüblidje tTfjätigfett unb $tud)tbavte\t geroefon, siefyt ftaj 
mit einem Schlage uon ber probuetion $urücf, als märe er 
erfdjöpft unb ^ätte In'nfort nidjts mefyr ju fagen! 34 *? a & e 
nad) einer <£rflärung biefer Cfyatfadje gefudjt unb glaube 
behaupten $u bürfen, baf bas groge Unglücf Hbout's barin 
beftanb, an nidjts 5U glauben, nidjt einmal an bie Citeratur. 
£s gab $u fetner Seit eine fleine (Sruppe an ber £cole 
normale, bic eine rieftge Ceibcnfdjaft für Voltaire affectirte. 
Das mar bura^aus fein Hebel, bas Sdjlimme mar nur, baf 
gemiffe fjerren träumten, bas ZDcrf Doltaire's mieber pon 
porne aufnehmen 3U muffen; ZtTr. 2fbout jum Beifpiel mollte 
Polemift, Pampfjletifr, €r$äl}ler, pinlofop!} unb £>efonomift 
fein. 3"Mf en Ratten [xdj bic Seiten geänbert unb für eine 
£f)ätigfeit a la Doltaire maren nidjt meljr bie nämlidjen 
3ebingungen porljanben. Per Sfepticismus gehörte überbies 
5ur 2ttobe. €ines (Tages mußte ftdj tfbout fragen: A quoi 
bon? mo$u bas alles? €r r>alte feine Ucber$cugung, er 



fyxite nichts für ftd> als feinen €fprit; für 6ie Kämpfe wie 
für 6ie Stege war er blaftrt. €s war eben fo gefdjeit, 
rufyig 6afyeim $u fifcen un6 pon feinen Henten $u leben. 
<5u6em mar 6ie politifaje (gpoaje fet>r 6unfel. XDer per* 
moa^te 6ie 5 uf unf* mit Sia?erl?eit $u erraten? HTonfieur 
Tlbout, 6er 2TCann pon liberalen Cenöe^en, madjt fiefj $um 
^rcunö un6 (Tifdjgenoffen Hapoleons — ä tout hasard. 
3n 6em Sturme pon \B?0 perfd>tpan6 er. Jefct 

• 

ift er als ^epublifaner roieöcr $um Dorfilm gefommen. 
IDenn aber «audj 6er Polemi ft fiäj wie6er regt, gealtert 
freilief? un6 eta>as perrenft, 6er Xomancier fcfjeint für 
immer im (Tumult geblieben 3U fein. ZHan fann alfo 
en6giltig über i^n urteilen, tfbout war fywptfäa^lidj 
Crjäfjler. ZU an füllte 3U beutlid}, 6ag er felbft nidjt 
an feine (Befdjiajten un6 perfonen glaubte; er lief fte . 
auf 6er Spifce feiner #»6er tan$en, um ftaj felbft uu6 
an6ere $u amüfiren. hinter je6er &\U merfte man 6en 
fpöttifdjen &utor. Diefer ZITangel an Ueber$eugung gab 
3U?ar feinem ZDerfe eine grofe Ceidjtigfeit, beraubte es 
aber aller tieferen Seiten. Die tfnalyfe blieb ober» 
flädjlia?; mit 6er Ceia^tigfeit un6 <Befälligfeit tparen alle 
Por$üge erfajöpft. 2lbout n?ir6 u>e6er einen ftarfen (Typus, 
nodj ein ftarfes, 6epnitipes IDort $urüdlaffen. €r mar 
ein überrafa}en6er €r$äfyler, 6er eines IHorgens poller 
<£fprit ermatte, 6ie ganse (Befellfcrjaft einen 2lugenbH<f * 
unterhielt, un6 als er fidj bann am Ubenb nic6er legte, 
blies er fein Cidjt aus für immer". 

Um 6te gänje (Tragtpeite 6iefes 5ofe'f$fn Urteils 
3u ermeffen, t)at 6er auswärtige Ccfer Dreierlei $u be- 
6enfen: erftens, 6a§ 2Ibout als Häuptling einer ganzen 



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230 



Schule, einer 2lrt „jeuiie litterature", in 2Infefyen fter>t; 
$mt'\Uns, 6afj er u>äf?ren6 6er IDeltausftellung auf 6em 
internationalen £iteraten«£ongre§ eine fycn>orragen6e Holle 
fpiclte; 6rittens, 6ag er erft 5{ Jafyre jäfylt un6 nodf 
nidjt im (Traume 6aran 6enft, fidj „$u feinen Patern 
im Sdjoge 2lbrafyams perfammeln" $u Iaffen. €r ent» 
flammt einer djriftlidjen Jamilie in Cotljringen. Sein 
Geburtsort ift fyeute 6eutfcf>. 

IDcnöen nrir uns $um 5cf>Iuffe 6em dritten Hbfänitt 
flüdjtig ju, u>o £ola 6ie 2(bfömmlinge 6er <5eorges 5an6 
un6 6es ZHonjieur 6e Camartine, 6ie „Sanften, 6ie €le« 
ganten, 6ie 36ealiften un6 ZHoraliften" $eidniet. £)ier be- 
gegnen urir u. TL 3 uIe ^ San6eau, Octaoe Jeuillei, 
<£fyerbulie$, Couis Ulbadj, Couis €nault, „6er 6ie 
Poma6e 6cs 3 0ca ^ 5 uno om Syrup 6es Komantifa^en 
erfun6en Ijai", un6 2ln6r6 Cfyeuriet. Tlud) 6er „Revue 
des deux Mondes" nrir6 ge6aa)t un6 iljrer Specialität, 
„2Ifa6emifer ju fabriciren". Don 6em feiigen Herausgeber 
6erfclben, ZHonfieur 3ulo$, Ijeigt es: „IDenn er aud} 
feine ^Hitarbeiter gering be5afylte, fo feffelte er fte 6odj an 
ftd> mit 6er perfpectioe auf einen ^auteuil in 6er Tita» 
6emie, n?o fte ftd> in ü?ren alten (Tagen 3ur &ul?e fefcen 
fonnfen". 

Qctave jeuillet, 6er Damenliebling un6 literarifdje 
2vatljgeber 6er Kaiferin €ugenie, u>ir6 als eine „Z>er6ünnung 
pon IHuffet un6 ©. San6", o6er rur3er als ein „Jamtlien, 
ittuffet" a^araftertftrt. „Seine ganje <Erfin6ung beftan6 
6arin, ftdj jum 2Inu?alt 6er Pflicht un6 6er iTToral $u madjen, 
a>o feine bei6en Vorgänger fid} als 6ie 2l6pocaten 6er £ei6en« 
fdjaft auffpielten''. Später freilidj fyabe er $eigen wollen, 



ödg er audf por lebfjafteren Sajilöerungen nidft jurücffcr>recfe 
unö f?abe einige Bücher gefdjrieben, öie feine IHutter in öen 
fjänöen tyrer Cocr/ter fefjen möchte. Bei öiefer Gelegenheit 
fdjüttet gola öie Schale feines Zornes über öie angebliife 
ZHoralität Oer eleganten Salon • SdjriftfteHer unö öer auf- - 
geblafenen iöealiftifdjen Sijule überhaupt aus, 

„3er) l>alte öafür, öaf öiefe moralität poll ijl pon Un« 
moralität unö öaf es nichts §eiüoferes für öie Köpfe unö 
fersen gibt, als öie fyudjtlei geuriffer IRilöerungen unö öer 
3efuitismus öer in öie (Srenjen einer fogenannten tDob^ 
anftänöigfeit geiptefenen £eiöenfa>aftcn". 

Dem pielfdjreibenöen <£f?erbulie$, audj „eine Säule öer 
2?epue öes öeur ZUonöes", rücft er por, öaf er feine fjelöinnen 
nur öesroegen in entlegenen Canöem, unter polinnen, 
Huffmnen u. f. w. fudje, um mit öefto größerer <5emüifylia> 
feit lügen $u fönnen. „2tber es ift eine JHoöe, öie $u €nöe 
gefrt\ unö nrir müffen barmFjer$ig fein gegen öie Homanders, 
öie fi3j an öer queue romantique bepnöen. Sie roeröen 
balö genug beftraft fein öurij öen gän$liaVn Abfall öes 
publifums. Die Symptone trügen nidjt, öaf öie Cefer öiefer 
ean'gen <5efdnd?ten $um €infd}lafen, öiefer aus öen falfdjeßen 
<5efütylen 5ufammenöeftiüirten öramatifdjen Vorgänge enölidj 
überörüffig fmö. Bobalö aber im (Begcntyeil ein IDerf öer 
IDafjrljeit erfer/eint, ein Homan, öer öie erfdjütternöen XDirfliaV 
feiten öes Alltagslebens ftuöirt, öann gefyt ein gittern unö 
Beben öurdj öie 2TTenge öer Käufer, öas flar öen entfdjeiöenöen 
Steg öer ^ortfefcer Balsams anseigr". — 

Abgefefyen pon öem fritifaVn XDertl? öiefer 3ola'1<Spn 
Stuöie, btlöet öiefelbe bis jefct öas umfaffenöfte, un$tpeiöeutigfte 
2Hanifeft öes naturaliftifdjen Romans in ^ranfreid}, ipie 



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. — , . 

6erfelbe fyeuie t>on feinen I?crDorragen6ften un6 anerfannteften 
Vertretern begriffen mitb. 

3<h Ijabe bereits 6en €in6rucf 6iefes Sdjrtftftücfes auf 
bie Pa rtfer £iteratentpelt ange6eutet un6 6er tfjeils lächerlich 
ftupiöen, tfjeils fa^mäf^enöen un6 unflätigen €ntgegnungen 
ge6acf>t, bei 6eren Verfolgung es oem unbefangenen Beobachter 
oft unglaublich porfam, 6ag ficfj 6ie 33 noran S uno 
bohrte, Ijimlofe Kritifafterei bei 6em „geiftreichften Volt 6er 
€r6e" 3U einem folcfj fabelhaften (Bebauen in 6ie Seffent« 
lic^feit magen 6urfte, olme an 6er eigenen 86tife un6 Bös- 
tpiüigfeit ju <ßrun6e 5U gehen. 

Dem „Figaro" 6arf man 6ie ^nerfennung nicht per« 
fagen, 6a§ er in 6iefem tPÜ6en Streit auf einer Ijofyeren 
Sinne ftan6, als auf 6er IDarte 6er partei. 3" Einern 
Blatte fan6 6ie Discuffion eine gaftlicfjere Stätte, eine ge- 
rechtere Ceitung un6 Ueberroaa^ung. UTonfteur 2UbertlDoIff, 
6er in 6er erften fjifce felbft 6er Verfügung nicht n>i6erftehen 
fonnte, in einem gut erfunoenen tTraumbi!6e 6ie Selbftper- 
götterung göla's aussurufen un6 bis aufs 31ut 3U perfifüren, 
fah bei ruberem (Ertpägcn fein Unrecht ein un6 5eid}nete 
wenige XDod^en nad} feiner Verirrung an 6erfelben Stelle 
6as fünfte un6 $utreffen6fte €l}atatUvbilb, 6as bis jefct 6ie 
fran$öfifche Citeratur pon ihrem angefodjtenften, beftgehaßteften 
un6 tapferjten Homancier be{t|t. 

Sola aber ipan6elt, ofjnc 5urücf$ublicfen / pormärts unb 
immer poripärts feinem heü*Ieuchten6en Iitcrarifc^en Siele ent- 
gegen. So heftig auch 6ie publiciftifche 5eh6e ihn umbrauft, 
er ift eine pon jenen XTaturen, 6ie um fo grogartiger tpadjfen, 
je tpiloer 6as IDetter, je ftärfer 6er Sturm. Die (ßötter 
haben ihm 6as fünfte, glücflichftc Familienleben befchie6en. 



Sein fjaus ifl feine Burg. Keine 5ein6feligfeit ifl mächtig 
genug, an feinen ^eiligen Jamilienfrieöen $u taften. 2fls 
(Battin h** er ftcft feine 3ugen6liebe heimgeführt, 6ie Hielte 
einer Blumenhän6lerin in 5er Hä^e 6er paffage Dernau. 
(Eine fdjlanfe (Beftalt, blonb un6 befä)ei6en, liebensu>ür6ig 
un6 tüchtig in 6er IDirthfchaft. 

3m IDinter wohnt er mit feiner «einen familie in 
Paris, in 6er füllen *Hue 6e Boulogne Hr. 23, im Sommer 
bejie^t er ein fleines Bauernhaus, 6as er faufltcr) eru>orl>en, 
jwifchen £el6ern un5 gärten bei HT66an gelegen. 

5oIa ©erfährt ftreng mit feinen geitgenoffen , ftrenger - 
nod? ™t f l 4 f eK *- Unerbittlich geht * er mit feinen eigenen 
IDerfen in's (Beriet; er 3erftört feine Hlanufcripte, 6ie 
Arbeit pon langen IDochen, fobal6 es ihm fein literarifches 
<Bewiffen gebietet, Als 5d?riftf!eUer wie als famüien« 
pater un6 Bürger beobachtet er 6ie gleiten eremplarifchen 
Sitten. 3n politifchen un5 religiöfen fragen befeelt ihn 
6er nämliche freifmn, gehorcht er 6em nämlichen Drang 
rücfftchtslofer männlicher Husfprache, wie in frhrift- 
ftellerifchen Angelegenheiten. 

Sepublifaner nicht aus. Sufall °° cr Beregnung, 
fon6ern aus urwüchfiger Ueberjeugung, aus politif djem 
(Temperament, tritt er 6er gegenwärtigen Hepubltf mit 
6em Pollgefühle 6es reinften Patriotismus gegenüber, 
geigelt ihre Chorheiten un6 6ecft ihre Schu>ächen auf. 
Ueber 6ie romantifchen phrafen* wie über 6ie calcu- 
liren6en 2TTagen.Hepublifaner, über 6ie h<>V fö Pfl9*n ^hau- 
piniften wie über 6ie prätentiöfen Parlaments «Declamatoren 
* hat er wie6crholt 6ie Schalen feines §ovm$ ausgefchüttet. 

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2Iuf 6em Bo6en moderner tDiffenfdjaft ftcher*6er 
Selbftoenfer, f?at er bem religiöfen «gwitterwefen ,<2rneft 
Senan's 6ie ZTCasfe pom <ßcfict>t ge$ogen un6 6ie be- 
fanntc 2\e6e 5 es neuen 2lfa6emtfers, bxe aud) in Deuifch» 
Ian6 einigen Staub aufwirbelte, in einem offenen „Brief 
an öie fran$öftfche 3ugen6" in ihrer illogifa^en nichtig" 
feit bloßgelegt. 3n_.mic Haren, tyv$l\ä}en Cauten, wie 
Jte immer fcltner aus 6er Bruft unferer moöernen Dolfs* 
füfjrer Ifexvotbxedfen — Ieiöer am feltcnften im treuem 
Dcutfchlan6! — befdjwört er 6ie £an6esjugen6, ftdj en6« 
lidj allen romantifdjen pfyrafentfyums, aller leichtfertigen 
Sa^önrebnerei $u entwöhnen un6 in ftrenger, aber reichlich 
fich felbft lofmen6er Arbeit 6ie IDiffenfa^aften uno eracten 
<£rforfchungen 6er tn?atfac^en 6es IDeltlebens $u pflegen! 

Seine literarfyiftorifdjen Stu6ien über <5eorge San6 un6 
Dictor £)ugo fm6 ZTIufterftäcfe 6er Oattung. 3 n literarifdjer 
Üjinftcht reiben fid} 6iefe Arbeiten 6em Beften an, was wir 
von ben ZHeiftern 6er Kritif, von Sainte-Beupe un6 Caine 
beftfcen; an et^ifc^er Cüa^tigfeit fte^en fie unübertroffen 6a. 

Hoch einen §ug $um C^arafterbiloe «gola's. Hus 
einem feiner Sluffäfce in 6er „Vie litt£raire" fyebe id} foIgcn6e 
Stelle aus (pom \5. September \8?7 6atirt): 

„Die Schuljungen pon 007t 3 a *? wn tragen blecherne 
€hrenfreuje auf 6er Bruft. Später $eidmet man ihre Hamen 
ins gol6ne Buch un6 überhäuft fte mit Sternchen. Bei ihrem 
€intritt ins öffentliche Ceben füt>rt man jte pon einer Prüfung 
un6 Preisbewerbung $ur an6ern un6 6ie Diplome fdjlagen 
6idjt auf fie nie6er / wie fallen6es Caub im fjerbfte. Damit 
iffs noch nicht aus. Die ZTTe6aillcn, 6ie Citel, 6ie Or6ens- 
freuse pon allen färben un6 OTetaHen ergiefen ftch wie ein" 



I 



235 



> 

Canöregen. BTan ift perbrieft, pcrftcgelt, abgeftempelt. 2Iuf 
jeöem (Slieöe trägt man öas Pifum bei Regierung, öie in 
befter $oxm erflärt, öaf man ein genialer Kerl fei. So 
ipirö man ein offidcllcs (ßepäcfftücf, porfchriftsmäfcig ein- 
regiftirt für öen enrigen Xuhm. Weltf eine Kinöereil IPie 
. Diel gefunöer ift es öodj, allein unö frei $u fein, öie naefte 
Bruft im großen Sonnenfdjein!" 

Als bei IHonfteur IDolff, ftdjer aud> ein Hilter pon öer 
€^ren . Cegion, öie unglückliche phantajie l^atte, <£ mile Sola 
im ^igaro als einen überfdmappten Huhmesgecfen öar« 
juftellen, erhielt er pon öemfelben folgende Abfertigung in 
^orm einer liebenstpürötgen, fameraöfchaftlichen €piftel, 

öie ia? »örtlich überfefce: * 

„m^oan, 23. Dccember 1878. 

Sie galten mich alfo unrflich für recht eitel, mein lieber 
College? €s ift mein §o<hmuth, öer mir öictirt, mas td} 
öenfe, unö ich ziehe gegen meine IHitbrüöer 3U Jelöe, um fte 
auszurotten unö rings um mich tabula rasa 5U machen? 
IDafyrfjaftig, ,eine fdjöne Cegcnöe, öie Sie öa ins Publifum 
fcfjleuöern! 

Ueberlegen Sie öodj ein uxntg: 

Kann meine Offenheit öie eines (Ehrgeizigen fein? galten 
Sie rnief^ für fo einfältig, öaf ich nicht feljen foMe, nrie idj 
mir alle tEljüren pcrfchliefe, inöem ich beharrlich laut fage, 
tpas öie Anöeren nur $u murmeln tpagen? ZTTan muf auf 
Alles Der$idjtet haben, auf Belohnung unö €^ren, um ein 
IDerf 5U perrichten, nrie ich es l^eibe. ZDer nach öer Jjerr- 
fchaft ftrebt, mu§ piel fchmiegfamer fein. 

Sie l)abm öen Craum eines Pictor fjugo oöer eines 
<£ourbet, aber nicht öen Craum €mile Solas gefchilöert 



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f}ugo und Courbet find die jwet Cypen der franfhaft 
aufgcblafenen Perfönlicfjfeit des (Sott gewordenen 2TCenfchcn 
— aus ZlTangel an Kritif. 34 bin nichts als der Sol» 
bat einer 3 0ce # cmer fa en 3&* e * n>enn Sic motten. 34} 
habe öie ZTTaler, 6ie Dramatifer, die Romanciers nad? 
6er nämlichen C^eorie beurteilt, und daher öas <Bc- 
fahret, das man wider mid) ausflögt. 

IDas midj felbft betrifft, fo fühle ich mi4 .leider 
nicht allju.ftarf. 34 verbringe oft IDodjen, wo ii? mia> 
für einen 3°*°**" ty^Un und meine 2Uanufcripte $cr« 
reifen möchte. Kein Anfänger wird arger ron den 
Zweifeln an ftaj felbft fyeimgefudjt, als ia). 34 ar ' 
beite nur im #ieber und mit der fortwährenden tfngft, 
mir nid)t genug t^un ju fönnen. Voilä la verite. 

0 9 

3h r ergebener iL f. w." 

Kann man auf eine öffentliche Verleumdung — 
und genau befehen, war der XDolfff4 e #rtifel: Le 
reve de Mr. Zola eine foldje — taftpoller, aufrichtiger 
und humaner antworten? 34 glaube faum. 

Hinter hat er per) bei einer fpäteren ähnli4cn 
Peranlaffung einem 2Hitarbeiter der „(Eimes" gegenüber 
gefagt. 3 n 3femK4 unbeholfener XDeife fuchte fxdf der 
Engländer an dem Naturalismus des fra^öftfdjen Ro- 
manciers ju reiben, und wurde dafür Don diefem mit 
dem floljen Dictum ^emtgefdptfft: „Die Baftarde Shafe« 
fpeare's l)abcn fein Recht, ftcf) über die legitimen Kinder 
Ba^ac's luftig ju machen I" 

Heber den englifchen Roman fprach P4 «Sola jüngjt 
erft folgendermaßen aus: 




237 



„Der angelfächftfche (Senilis fat ctnfl an Kraft 
unb Derbheit alles übertroffen, was man fannte. >fct 
tft feine Citeratur nach bem langen €inffojfe bes pro- 
teflantismus forneit gefommen, ba§ fte auf ©er Bühne 
fein unehliches Kinb, fein ehebrechcrifches IDeib mehr 
' ertragen fann. Der freie (Seift Sfafefpeare's, bie herr- 
liche Urxpüchftgfeit Ben 3ohnfon*s ^aben Xomanbichtereien 
pon ber tpiberipärtigften 2HitteImäf igfeit unb - fo elenöen 
C^aterftücfen piafc gemacht, bag feines pon unferen 
Porflaotbülmen aufgeführt werben möajte. 3ch fyibt 
gegen fünfzig englifdje Romane gelefen, bie in ben legten 
3aljren gefcrjrieben mürben; fte ftnb unter aller Kritif. 
XDal)rl?aftig, uuferc geringften ^euilleton»Homanciers fyaben 
mehr 3magination, mehr ,$ülle unb IDeite. (Eine 8i* 
gamie, ein perlorenes unb glüeflich nriebergefunbenes Kino, 
bie Ceiben einer Ce^rerin ober fonft irgenb einer fym- 
pathif^en perfon bilben in ben englifa>en Homanen 
bie geipiffermagen ftereotypirte Unterlage, pon ber ftd> 
fein 5d?riftfteller ju entfernen roagt. Das fmb €r$äf>- 
lungen urie pon Cr>riftopr> Sdwiib, nur pergröfert über 
(Sebühr unb sugeridjtet, um en famille gelefen $u iperbeiu 
IDenn ein Scrjriftfleller bas Unglücf tyit, von biefem HTufter 
abäutpeiajen, . fo ipirb er perachtet unb per^ö^nt 3<*? 
I?abe foeben bie Cecture ber „<Teuf eisfette" beenbet, eines 
Kornaus, ben €bu>arb 3enfins gegen bie englifä> Crunf. 
fudjt gefer/rieben fyd. Vom Stanbpunfte ber Beobachtung 
unb Kunft ift er red>t mittelmäßig, tfber bag er einige berbe 
XDahrhciten über englifdje Cafter ausfpridjt, bas hat genügt, 
ihn mit groben Lebensarten ju überhäufen. Seit Dicfens fyit 
fiA fein Romancier pon wahrhaftem (Talent mehr h*n>or» 



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258 

getfyan. Unö was liege ftd? nidjt alles felbft über Dicfens 
fagen, 6er fo ftarf unö etnfdmeiöenö ift als Sdnlöerer öes 
äugeren Cebens, aber arm als Unalytifer öes 2TCenfdjen, als 
Compüator von documents humains! €s gibt feinen 
minutiöferen unö eracteren Haturaliflen als iljn, wo es, fxdf 
öarum fyanöelt, eine Perfon $u befdjreiben unö fte in Be- 
legung 311 bringen, aber er fjütet fidj, öurd) öie f)aut $u 
öringen, bis aufs pfeifet) unö Blut porjugefyen, öas 3nnen« 
leben 5U 3erglieöern. . . . 21uf 6er Bürme öulöcn öie €ng« 
länger nidjt meljr öie geringfte menfdjlidje Stuöie ernftfjafter 
ZTatur. Sie peripaffern 2llles 3ur Xoman3e, 3U einer getuiffen 
conpentionellen €fyrbarfeit. Dafyer öie erfdjrecfliaV IXlitteb 
inägigfeit tr>rer öramqtifdjen Citcratur. Sie fmö bis 3um IHelo- 
6ram gefunfen unö werben nodj tiefer ftnfen, benn man töötet 
eine Citeratur, trenn man it)r öie menfdjlidje IDafjrfyeit unterfagt. 
€s ift in öer (Efyat merfa>üröig unö traurig, roie 6er englifdje 
(ßenius, nähern er in öen pergangenen 3 a *? r *? unö * r l en 
gcroaltigften Sdn-iftfteller gereift Ijat, freute infolge einer ge« 
tpiffen focialen <£poIution nidjts mef>r fyerporbringt, als 
entmannte Citeraten, als Blauftrümpfe, öie nidjt einmal 
unfenn ponfon öu Cerrail öas IDaffer reiben fönnen — 
unö öies 3U einer Stunöe, wo öer <5eift öer Beobadjtung unö 
(Erfahrung unfer 3a!?r!?unöert 3ur Unterfudmng unö Cöfung 
aller Probleme im Sturme mit fta> fortreift I" 

Unö hiermit fernliege \d). lieber <3ola öen Dramati fer 
behalte idj mir eine ausfüljrlidjc Stuöie por. 



VI. 



Stgaro's (ßeneralftab. 



Hippolyt« 6* Pittemeffant unb f«n« Mitarbeit«:. 



V 



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Seit 6em \7. tfpril J879 ruty er auf 6em 5rte6fjofe 
von 21 u t oui I. 2Iuf feinen au$6rücf Hajen IDunfd} unterblieb 
je6e <5rabre6e. Sein 2Hitarbeiter, 6er befdjei6ene, treue- 
Francis 2Uagnar6, rief ifrnt 6as übliche 2I6ieu in 6ie (ßrufl 
rxadj. Dann 30g ftcr) 6ie $är/lreia>e Perfammlung, 6ie ir)m 
6ie €r/re 6es legten (ßeleites ermiefen, ftiü nadj paris 
5urürf. 

Die taufen6ftimmige preffe u>ar 6afür um fo lauter. 
Kein IDunöer. IDer Diüemeffant nennt, nennt 6en „^igaro*, 
6. i. ein parifer IDeltorgan, 6effen Seele mit Pillemeffant 
nxdjt 6as ^ettiidp fernen, fon6ern auf geiftesi>ertt>an6te (Träger 
überger/en wirb. 3m Keicf/e 6er Citeratur ifl 6te Seelen- 
n>an6erung feine $abeL . 

Dillemeffant 6urfte nidjt aus 6em Canöe 6er Ceben6igen 
fajei6en un6 fnnabfteigen 5U 6en füllen Schatten, olnte 6en 
Sprua) 6er <To6tcnrid}ter mit auf 6en XDeg 3U nehmen. Das 
ift fein 2?edjt un6 6as 2?edjt 6er Ueberleben6en. 

2lber fein Sprud? olme H)i6erfpruif. 

IDer 6ie Stimmen mufterte, 6ie in 6iefen (Tagen laut 
Setr>or6en, 6urfte n>ei6Iidj ftaunen über 6ie lDt6erfprüa>e ofyte 

Hl. CS. Conrad paitflan«. 16 

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aus wcld}tn fidj öie fdjeinbar abfdjlicgenöe Betrachtung 
über eine madfivoüe Perfönlidjfeit $ufammenfe$t. 

Die etljifaV #>röeruug: öie menfdjliayn Dinge follen 
nidjt belaßt unö nidjt beweint, fonöern perftanöen tperöen, 
fijliejjt eben nidjt aus, öa§ 3 cöcr in feiner IPeife $u perftefyen 
trachtet 06er $u perftefyen meint unö in öiefer inöipiöueüen 
SiaVrfyeit $u falfdjcn €rgebniffen gelangt. ZDtr permögen 
einem eigengearteten ttTenfdjentpefen nur bann geregt $u 
tperöen, tpenn mir es gefdjidjtlid} $u begreifen fudjen. 

Dillemeffanf s Ceben unö IDirfen ipar beöcutenö genug, 
um ,öte (Seöulö unb bxe (ßeredjtigfeit öer <geitgenoffen 
öurdj öie ^oröerung Inftorifdjer IDüröigung auf öie probe 
'3U ftellen. 

€in Haturburfdje 6er Propin3, pollenöete er ftd) in 
einem unabläffig fmnenöen, redmenöen unö fdjaffenöen Ceben 
5U einem parifer Cypus, $u einer Cfyarafterfigur im melt« 
ftäötifdjen 3 ourna ^ smu5 / w ^ ö ' e <5egenn>art öeren nur 
tpenige auf3un>eifen fjat. €r tpiöerftrebt jeöer Sdjablone. 
Seine eigenartige Kraft fann nur mit eigenem 2TTaf ftab ge« 
meffen iperöen, ipie öie jeöer ipafyrfyaften perfönlia^feit. 

Dag öcr groge Journalift tro^öcm fein großer 2TTann ; 
geiporöen im ftrengen Sinne öes IDortes, öag er $n?ar ein 
muftergiltiger Arbeiter, aber fein muftergiltiger poliiifer 
getpefen, fällt nidjt als Sdwlö, fonöern als Scf/icffar in 
fein Dafein. 

tDer mödjte ifm öafür perantiportlid} maa^en, öaf er 
als unefyelidjcs inö in feiner Jugenö öer fittigenöen <£inflüffe 
öes Familienlebens entbehrt unö an feiner (Srogmutter, öie- 
feine €rjiel}ung leitete, nid)t öie einftdjtspolle, ftarfe 2neiftcrin 
gefunöen Ijat, öie allein im Stanöe geroefen roäre, feine groß 



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angelegte Hatur burij ftrenge Sudft auf bebeutenbe £iele 
u?eifen unb in bie ridjtigen Bahnen $u lenfen? Seme 
legitimiftifdjen unb flcrifalcn Neigungen ftnb ein Proburi 
feiner Crjiefnmg, nrie fein in materiellen (Erfolgen ftcfj 
erfajöpfenbcr €f?rget$ ein proöuet feiner seilten uno örtlia^n 
£erl?ältniffe. 

Der Dortrmrf öer (Öejtnnungsloftgfeit laßt ftd? faum 
niotioiren bei einem 2TTanne, ©er £t\t feines Cebens nie 
etroas anberes geroefen, als tx>as er öffetitlidy unb unabläfftg 
befannte, fein $u isollen, ein Cegitimift unb ein Klerikaler. 
Sein (Sefmnungsin^alt ift unferem freien, tmffenfdjaftltdj 
geläuterten (Empftnben $uunber, aber er bleibt nicrjtsbefto« 
weniger ein 3nhalt, oer buvd) feine unueränberte Starfe 
imponirt, burdj feine (Befdmteiöigfeit überrafdjt. Seine 
21Tctfyobe ift pcrbammlid}, öenn fte ift jefuittfer); fle operirt 
mit bem größten Raffinement, um ftd? ben (Erfolg $u 
{Ldjern. Vor bie ZDalu* jurifijen e>ot« unb Bibelfprudf 
geftellt, cntfaVtbet fte ftdj olme moralifa^e Scrupel für bie 
«Jote, fobalb biefe bie größeren Ctymcen bes €rfolgs Ijat. 
£)efter nodj finben fte 3eibe eine fyöfycre (Einheit , wo bie 
ftttliajen (Begenfäfce friebfam unter einem Daa^e Raufen, 
übertrwdjert i>on~ bem amüfanten (ßiftfraut pomefymen 
€fprits. * 

„Der Ceufelsferll" ruft bie betrogene ZlTenge, oeren 
<£f?arafterloftgfeit ftd> im geiftreier) angefhria^enen Scanbai 
gütlidj tlntt, „ber tTeufelsferl maijt boa^ feine Saa> gaty 
famos!" 

Der bemoralijtrenbe €influß ift fyanbgreiflidj, aber er 
ift nidjt nur im „ftgaro", er ift es in ber gefammten in« 
unb auslänbifdjen preffc aller Parteien, fo oft ju (fünften 

16* 



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6es (Erfolgs Pom ftricten Hedjte abgeipidjen — un6 fei es 
auf fefte Beftellung, fei es aus ]rerfi6er Spekulation — in 
„Stimmung" gemadjt tpir6 rotter befferes tDiffen unb 
(ßennffen. PortfyeU treibt 6as ^mömerf! 3cr) fage nichts 
tpeiter. Tibet es getpäljrt ein faioerbares Sdjaufpiel, ,6ie 
publtciftffd}en €rfoIgsritter in pbarifäifajer llnperfrorenljeit 
6en „Jigaro" 6er Demoraliftrung 6er öffentliaVn 2TTeinung 
$eifyen $u fernen, als märe er 6er €rfle ün6 (Einzige, 6er 6as 
36eal 6er abfoluten IDafyrrjaftigfeit, 6er ernften unparteiifdjen 
^orfdjung perleugnet! 

* 

Was er fün6igte, fün6igte er «rie ein Pirtuos, roäf}ren6 
es piele 2ln6ere nid?t einmal im Süi6igen über 6ie Stümperei 
Innausbringen. (Selb por Hei6 übar feine . foloffalen (Erfolge, 
fdjreien 6ann 6iefe armen Ceufi entrüftet: „Ser/t 6iefen 
Satan! 6a ftn6 roir 6007 gan3 anoare Bie6ermänner!" 

0 

Pillemeffant n>ar Cegitimift un6 Klerifaler. <ßan$ 
ridjtig. IDie ein 6unfler ^a6en $kfyt fiäj 6iefe (Effens feiner 
Hatur 6urdj feine journaliftifa^e ZDirffamfeit. Allein er 
tpar fein parteimann in 6em r/emfOTen Sinne, 6af er ftdj 
für 6en „Hoy" r/ätte to6tfä}lagen 6>er für 6en Ktrcr}en6iener 
rjätte freusigen Iaffen. (Er f?atte fein X>erftän6nig für 6ie 
befannten „enrigen tDar)rr/eiten" »er Cegitimität un6 6er 
tTfyeofratie. 3m parteitreiben nur ein mer/r 06er ipeniger 
perfyülltes un6 compüeirtes Jntareffenfpiel 6er ein3elnen 
Parteigänger • un6 Stän6e erfennerÄ, fyütete er ftcr), 6em 
Parteiprogramm $uliebe 6ie Kaftarien für 2(n6ere aus 6em 
^euer 5U r/olen. Ueber alle partäm ergaben ftan6 ib/rn — 
Piüemeffant un6 fein 3ournaI. TUs roar fein Programm 
un6 fein Cr/arafter. 3m <5rut0e fragte er nur einen 



2^5 



2ttenfcr/en, bell jenigen, öer feinen „^Jigaro" nid}t Iefen oöer 
nicht gelten Iaffen mollte. 

Denn „£igaro" u>ar feine Schöpfung/ feine IDelt. €s 
wat öer journaliftifche ITCifrofosmus öer bunten Parifer 
IDelt, öes auf erlief fchillernöen, innerlich faulen, all« 
ftttlidjen 3öcale entblößten Kaiferreicr/s öes bonapartiftifajen 
parpenüs, öer, einmal an 6er Spifce 6er grofen Hation, 
6en Dölferfcfjaften 6er Umgegcnö unö ihren 21Tonarc^en pon 
(Bottes (Snaöen (tro$ aller poft^umen 2Jbleugnung) ganj 
enorm 3U imponiren uwfte. Pillemeffanfs „^igaro" n>ar 
von 6em Blatte gleiten Hamens, öas unter 6er ^eftauration 
6es Bourbonentfmms ein fdjalfhaft bieöeres, $uu>eilen fogar 
mannhaft räcr/cnöes Dafein geführt fjatte, eben fo grunöper- 
fcfjieöen, als öie neue €pocrje 6es corftfer/en 3 m P criaIi 5mus 
pon 6er porausgegangenen Derfudjsseit 6er. angeftammten 
Königst^ümer. XTach perfdneöenen anöeren journaliftifchen 
. Perfuchen, 6ie ihm 6as Ceben hinlänglich fauer machten, 
'gründete Diüemcffant im 3afjre 6iefes Blatt, öas 

5uerfi tPödjentlich einmal, 6ann jmeimal unö erft picle 
3<*h r * fpätcr täglich erfefnen. 3" Anbetracht 6er überaus 
fer/ttnerigen Der Kniffe, treldje öas öamals noch grüne 
tfaiferreicr) öer Jpreffe bereitet fyitte, befafte fich öer junge 
„Jigaro" gar nicht mit politif, pflegte aber öafür mit 
einem perblüffenöen Derftänönif für öen <ßefcr)macf öes 
tonangebenöen XDeltftaöt'Publifums öie Cocal«Chrontf, öie 
bei öem gegebenen Charafter öes Parifer Cebens freilich 
oft faum mehr als eine fünöhafte Scanöal.Ch^onif fem 
fonnte, unö befunöete öabei eine fo eminente (Seiftes- 
gegemoart, ein fo geniales Stilgefühl eine fo untrügliche 
IDitterung für öas Augenblicfsintereffe, öaf öer (Erfolg 



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2*6 

i • — ; 

ein gaty rapider roar. 3" franfretdf, in €ng!an6, in 
3talien — fur$ überall tauften Haa^aljmungen 6es 
merftpür6igen Parifer Blattes auf,' allein 6em Dille 
meffant'fdjen Urtypus permodjte' faum eins nalje 511 
fommen. €r blieb 6er 2Ueißer. 

Unabfäfftg fann er auf Heuerungen un6 Per. 
befferungen. Sein fmöiger Kopf fäjrecfte por 6er fülmften 
(Transformation nidjt jurücf. 3 coer ncue Erfolg (tackelte 
ifm 5U neuen (Beoanfen. Bal6 u>ur6e 6er „figaro" $u 
6em umfangreichen, gelefenften uno gefürdjtctften Blatte, 
6effen (£influf fotpeit als 6as fra^öftfdje 3°* om teilte. 
„Jigaro" n>ar 6as £>rafel 6er Bouleparoiers aller Herren 
£än6er, Jaft fammtlidje franjöftfdje Scfjriftfteller, 6ie fiaj 
unter 6em Jodetten Katferreidj einen Hamen gemalt, 
fyaben längere 06er für$ere §eit als feine ZHitarbeiter 
pgurirt. Die Citeratur, 6ie fd?6nen Künfte, 6as Cfyeater, 
6er elegante Sport in jc6er form, 6ie Hedame fämmt- 
lieber 3"^ u P ricn / einfdjlieglidj 6er 6er feinen ^albroelt, 
fan6en in ilnn 6as formpollen6etfte, gciftreicfjfte Spradjroljr. 

So n?ur6e „figaro" 6ie Derförperung 6es fouperänen 
3ournaliften. €r perlief feine befd>ei6ene (ßeburtsftätte in 
einem Hes • 6e « <£ljauff£e 6er Hue Xoffini un6 besog 
feinen eigenen lururiöfen palaft in 6er Xue Drouot. fjter 
nmr6en ^efte gefeiert, 6ie in 6cn &nnalen 6es 3<>urnalismus 
6es High life <£poa?e maajen. Die 2Härd?en aus Caufen6 
un6 einer Haa^t fdnenen ZDirf licrjfett gemor6en ju fein. Der 
Sdjalj pon Perften, 6er Prin3 pon JDales, 6ie <5rogfürften 
pon 2?uflan6 6urcf}fä7tpärmtcn 6ort jauberpoüe Haarte. . . . 

Piüemeffant n?ar 6er genialfte un6 fpeculatipfte Hofnarr, 
6er por feiner Ausgabe jurücffdjrecfte, um feinen fyofyen 



"". * ... - , T^igitiT^iby Google 



247 



(Säften 6ie raffinirtefte Kursrceil ju bereiten un6 6ie WelU 
per6auung angenehm ju machen. 

Heben 6em fyöijften Raffinement 6es geiftigen unb 
gefelligen €pifuräertf}umes, neben 6em Cultus aller f?ei6nifcr)en 
Ober» un6 Untergötter fano 6er „ftgaro" nod? fyinlänglia> 
Seit un6 Raum unb Stimmung 3ur — djriftfatfyolif Jjen Zimten- 
pflege. 2lud? fnerin fpridjt ftdj feine erceptionelle Hatur aus. 
„figaro" ein barmfye^iger Samariter! 

Un6 6er €rfolg lädjelte ifnn in 6iefem Stüde, wie in 
allen an6eren. XDenn er ein tflmofen forderte, fanö fidj immer 
, eine reia> <Sel6börfe, 6ie olme Derjug eine erfledlidje Summe 
auf 6en Cifdj legte. 2Juf einen IDinf Dillemeffants, 6er 
perfönlidj 6as IDofjltlnm n?ie einen Sport betrieb, u?ur6en im 
oergangenen IDinter 6ie Firmen von Clignancourt, einem 6er 
troftlofeften Pororte oon paris, mit tflei6ung, Haljrung un6 
Neuerung uerforgt. 3m Juli 6es legten Jahres eröffnete er 
eine Subfcription für 6as IDaifenfyaus 6es 2lbb& Houffel in 
Suteuil, im Hu mar an <5el6 un6 <Bel6esu>ertlj na^eju eine 
fyalbe Ulillion francs aufgebraßt, für 6ie in iljrer €rißenj 
be6rofyten Sdjulbrü6er fammelte er Caufen6e un6 abertTaufenoev 
Die £)pfer 6er Commune, ZPittmen un6 ZDaifen, 6arben6e 
Citeraten un6 tfünftler — fte alle fan6en (Trofl un6 Unter- 
ftüfcung bei „figaro", 6er fidj in 6er Ausübung 6er 
Barmfyerjigfeit fo wenig genug tfyun tonnte, wie in 6er 
Praris feines raffinirten ITTetiers, orie in 6er Perfyöfynung 
6er 6emofratifaVn €inrißtungen. Die Hepublif ifl feine n b£te 
noire M geblieben bis auf 6en gütigen trag, obfdjon er es 
jutpeilen opportun gefun6en f?at, miI6ere IDeifen an$uftimmen 
un6 feine böfe <gungc in roeifer Kücfftdjt $u üben — um 6es 
be6rofyten <£ru>erbs roiHen. 



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Seinen 2Hitarbeitern gegenüber voat Dillemeffant ftets 
von tDafjrfjaft päterlidjer ^ürforge. 3*? r Sfnfehen, ihre 
Unabhangigfeit, ihre n>ür6igc Belohnung mar ihm *)er$ens- 
fadje. (Er n?ar 6er €rf!e, 6er 6ie literarifdje Arbeit ofme 
Knicferei nadj £er6ienft be3ahlte. Seine legten teftamen» 
tarifchen Sorgen galten 6er ^ufunft feines Bialtes un6 
fetner Zttitarbeiter. Den plan eines großartigen 2lfyles 
für 6ie in©alt6en £)el6en 6er £e6er, 6as er im »armen 
Sü6en grün6en un6 6em er 6en Hamen Pille« Soleil, 
Sonnenfta6t, geben roollte, mußte er unausgeführt mit 
hinabnehmen in 6ie (Stuft €r bleibt nichts6efton>eniger 
ein fdjönes «geugniß feiner fjersensgüte, \ 

t)iüemeffant n>ir6 für alle Reiten eine 6er intereffan» 
teften Figuren in 6er (Sefdn'djte 6es Parifcr 3 0U ™<*ltsmus 
bleiben, tm'e fein „Jigaro" ein Denfmal 6er Sittengefdjidjte, 
6as 6en Culturforfa^ern einer fpäteren Generation 6ie 
curiofeften ^uffdjlüffe über 6ie geiftige un6 etlnfche Phy 
ftognomie unferer ^Yperpolitifc^en un6 IjYpofritifaVn <geit 
getpähren n>ir6. 

Don 6er Parteien <$5un|i un6 £)aß perurirrt, mir6 
Dillemeffant's Cl?arafterbil6 noch lange fdjtoanfen in 6er 
Stuffaffung 6er 2ttit- un6 Hachleben6en. <Er ^atte 6as 
geug su einem großen 2Henfd?en in fich — aber 6as 
Scfn'cffal I?at es gefügt, 6aß er nur ein — „IHann feiner 
Seit" gemoroen. 

Die (Sötter haben ihn gefegnet mit jeglichem Out. 
€r ftarb mit allen Segnungen 6er Ipiligen fatholifchen 
Religion un6 hinterließ feiner ^amilie Paläße un6 £uf!-. 
fdjlöffer un6 Millionen. Der Ciebling 6er 3efuiten, 6er 
Sd?iI6träger 6er tirdflidpit un6 monarefnfehen Keactton, 



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249 

öer (Baftfreunö sufünftiger Kaifer unö Könige fonnte mit 
ftol^er (Senugtfniung aus öem Kampfe ums Däfern ferjeiöen. 

<gur Derftärfung feines Cfjarafterbilöes fügen n>ir 
nodj einige Slneföoten aus beftcr Quelle bei. €s ift 
fein langjähriger ittitarbeiter ^}uUs Zloriac, 5er fte erjäfylt. 

Pillemeffant »erlebte einen grofen (TfyeÜ feiner 3 u 9 cn0 
auf öem Canöe. €r fcr>tr>an3tc gern öie Sdmle unö trieb 
fiaj in IDälöern unö ^elöern untrer. Der Vogelfang 
mar feine paffion. Kein Baum n>ar ifnn $u fyodj, wenn 
es galt ein Dogelneft aufouftöbem. Stunöenlang fonnte 
er in feinen fpäteren ^Ja^ren nod) von feinen jugenöliajen 
3agöabenteuern er$äfylen. IDar er üblen Qumors, fo 
brausten feine 2ttitarbeiter nur ein IDort 3ägerlatein 
fallen $u laffen, unö fein 2(uge leudjtete, feine Stirn r/ellte 
ftdj auf unö aller Unmutfy mar perfäeuijt. Dem Sauber 
Jeiner 3ugenöerinnerungcn permodjte feine nodj fo böfe 
Stimmung $u u>i6erftcl?cn. €r erjäfjlte öann öie fleinflen 
Dogelgefdn'djtdjen mit einer Perue, mit einem Ber/agen, 
als ob es fufy um öie föftlia^ften Dinge pon öer lUelt 
fjanöelte, 

„Ah, 9a, öos muffen Sie fyören!" rief er aus, „öa 
ftelle idj einmal einer 2tmfel nacr), Sie tut ff cn öodj, öem 
Dogel mit öem fdnllernöen fd}u>ar$en (Sepeöer unö öem 

rotten Sdmabel, fein beöeutcnöer Sänger, aber perfdjlagen, 

< 

fag' icr) 3*? nen / serfdjlagen " 

Unö nun erzählte er mit öen fleinften Details all' öie Kniffe 
unö Sijlidje, öie er fyabe anmenöen muffen, um ftd} in öen 

Beftfc öes pfiffigen Dogeis 5U fefcen. 

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250 



€ines 2TTorgens tarn Pillemeffant tpütfyenb in das 
2?edactionsbureau. <£in undanfbarer Schlingel wav tfyrn 
über den XDcg gelaufen und r/atte ir/m die gute Caune per« 
dorben. Undanfbarfeit Fonnte er nie persetfyen. Seine Zllit- 
urbeiter bemühten fidj, ifyi ju beruhigen. ilmfonft. Da rief 
(Einer aus: „£>, ZTTonfteur de Dillemeffant, nehmen Sie ftdj 
oodj die Unge3ogen^eit diefes tfnimals nia^t 3U fersen; 6er 
Kerl ifl dümmer, als ein Xotfyfa^a>än$d}en!" 

Das Wort mirfte. <£r fagle ftdj mit einem Sdjlage 
und lädjelte. 

„Ah, oui 44 , fiel er ein, „Sie r/aben Redft, es giebt 
nidjts Stupideres als fo ein Äotfjfdjtpa^djen. 2lUe Pögel 
fmö merjr oder meniger gerieben, fa^Iau; diefer ganj allein ift 
pon einer unglaublichen Dummheit. 2tls icf) nodj ein Junge 
roar, habe tdj darauf vex$id)M, es 3U fangen. 34 empfand 
es als eine Demütigung, midj mit dem einfältigen (Einer 
ein3ulaffen. XTur ein Seifpiel " 

So pergag er über die Dummheit des gefiederten die 
Undanfbarfeit des ungefiederten Dogeis. 

*jerr ^wUs Horiac tx$äljlte folgendes:' 

2Honfelet, der raffinirte Jeuilletonift und nodj raffinirtere • 
<5ourmand, den n>ir n?egen feiner glatten und fatten 
(Erfdjeinung nur den 2lbb6 nennen, fyitte midj eines Cages 
ger/änfelt, und idj fdjipor, ityri' dafür in den 2lugen unferes 
„Patrons" eine Hiederlage 3U bereiten. 34 erwartete nur 
feinen näcr/ften 2trtifel. IDie getpörmlidj, trat Piüemeffant 
herein, das offene Blatt in der fymb. 

„IDieder fef?r fcr)öner tfrtifel pon ITTonfelet!" rief er ■ 
befriedigt aus. 

34 blieb ftumm. 



2ö\' 



r 



„tff?, Ipren Sie, 5er Wann fyxt viel <Efprit". 

3$ ttyit, als Ifivte \d) mdft 

„5inöen Sie nidjt, fye?" fagte er mit Hadjorucf. 

„Ma foi", eripieöertc \d} jefct, „io) fcr>ä^c oen Hlann fefo 
aber feine Saasen lefe ia^ niemals". 

„Warum nidjt? €r fyat öodj ein fdjones (Talent". 

„Das n>iü idj nidjt leugnen, aber er ift ein 3^ noran *"- 

„Unö Sie fmö nxifjrfaVinlidj fo gelehrt u>ie ein profeffor 
an 5er Hormalfdmle!" 

„(Bott fei Danf, nein; oodj fann idj einen Pagagei Don 
einer ZTadjteule unterfaßten". 

„Comment, 2TTonfeIct roärc nidjt fo n>eit?" rief er 
überrafa^t aus. 

„tfuf mein IDorr".- 

(Einige OTtfluten fpäter trat iTTonfelet herein, glücflid? 
Iädjelnö uno fdjmunjelno bei öem (Bebauten, u>ieoer ein 
paar Couisöor einflreidjen ju fonnen. 34 jog midf in 6as 
Seitenjimmer jurücf, lief aber bie Cfyör nur angelehnt, um 
gut ju Ijören. 

„3*?r Prüfet ift redjt I?übfaV', begann PiHemeffant 

(»A/lilH * 

irocien. 

„^inöen Sie?'^_ entgegnete ZlTonfelet. „Um fo beffer, 
benn id) miü 3^nen nidjt perljeljlen, oaf td} in 6er Slbfidjt 
gefommen bin, Sie um einen Weinen Porfdjug $u bitten". 

„IDiefo Porfdjug? Sie fyaben alfo 3fa Qonorar fdjon 
etngeftria>n?" 

„HatürliaV'. 

„IDas, natürlich?" 

„34 wollte fagen: wie geroö^nKa^!" 

„Sajledjte ßetpofjnljeit oas!" 



r - 

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,/3f* 3h ncn 6as gar 3U unangenehm?" fragte 2TTonfeIet 
erfajrcxfen. 

„Das nidjt, aber " 

Un6 nun fytelt Pillemeffant fiaj nidjt länger. <Er 
platte heraus: 

„3ft es »aln*, tuas man über Sie fagt, iTTonfelet?" 
„IDas 6enn, je vous prie?" 

„2Tlan behauptet, ja man uerficbert fogar, 6af Sie einen 
Sperling nidjt pon einer Cera^e $u unterfd}ei6en uriffen", 

„Quelle absurdite! Hi^ts ift Iciojter als 6as". 

„Uli, idf badete es 6007 gleiay', erurie6erte Dtllemejfant 
ftdjtlidj erletdjtert. 

„Hun u>ill idj aber uriffen, roer midj fo feljr uerleum6et 
hat?" fuhr 6er tfbbe beleiöigt auf.. 

„Das follen Sie erfahren; tant pis für öieböfen jungen. 
2Iber fagen Sie mir 6007 erft, wie unterfd}ei6en Sie 6en Sperling 
von 6er Cerdje?" 

„Dura} 6en (Befa^macf". 

„Durch tpelajcn <8efd)macf?" 

„Die Cerdje ift fett un6 $art, ihr ^leifcr) ift fein un6 
6uften6, n?5hren6 6er Sperling. " 

„ITConfteur £egen6re", rief Diüemeffant unwillig feinem 
<£affter $u, „$ahlen Sie 6em f)erm ITTonfelet hun6ert ^rancs 
aus!" un6 u>an6te 6em verblüfften (ßefdjmacfstheoretifer 6en 
Äücfen. Dierjefm tTage lang fyatU er fein freunölidjes IDort 
mehr für feinen ittitarbeiier, 6er trofc aller (ßeiftreichigfeü 
Sperling un6 Cerdje erft 6ann 3U unterfdjei6en uermodjte, 
wenn jte gebraten auf 6em tTeüer lagen, — 

Der junge Dillemeffant hing mit särtliijer Ciebe an feiner 
(ßrogmutter. 3h r nM6mete er 6en gröften Cheil 6er Seit, 



6ie rr nicht mit Vogelfang 06er 3ag6 5ubradjte. So menig 
er amij (ßefdnuacf an 6er Sdjule fan6, fo lernte er 6odj mit 
€ifcr 6as Cefen, um 6er guten alten 5rau, 6ie 6es 2fugen* 
lichtes beraubt u>ar, aus 6er 3c\tur\$ porlefen 3U fönnen. 
iHafcnne 6e Saint -Coup fyatte Co6esahnungen , un6 6er 
<5e6*nfe, 6af ftc vielleicht ihren <£nfel perlaffen muffe, bepor 
fidj Serfelbe $um ZTTanne cntipicfelt, bereitete ihr piel Kummer. 
Ms einmal 6er Fleine Hippolyt iljr n>ie6er aus 6em Journal 
porks, bemerfte er, ttrie bei einer geunffen Stelle ein freu6iger 
Schein über 6as ntlifc 6er alten Dame glitt, tfls er allein 
u>ar, nahm er 6as ^eitungsblatt nochmals vor, um 6ie Stelle 
unecer 3U fucr/en, 6ie er. injünetip als 6ie Urfadje 6er grof • 
mütterlichen Befrie6igung erfannt fyitte. Da ftan6 folgen6e 
nadbricht: „Die $tau Baronin X, Wxttwe 6es Barons 3E, 
Karatmerherrn Seiner ZtTajeftät Couis XV, ift im Scr/loffe 
pon Bonpouloir im Hilter pon [0% 3 a *? rcn geftorben, umgeben 
pojj ihren ja^Ireicr/en Kin6ern un6 perfe^en mit 6en Sacramenten 
6er Kirche". 

Das Kin6 begriff 6en gufammmlianQ. Von 6iefem 
(Ea$e an fügte 6er fleine Porlefer 6er Gazette de France 
täglich einen tfrtifel auf eigene £auft bei un6 6ie gute ßrof - 
muttter pernahm jeoen ZTTorgen $u ihrem grogen tCrofte 6ie 
Ha^ricr/t pon 6em Ableben glücflidjer 21Tenfcr)er v 6enen 6er 
Gimmel ein patriardjalifdjes littet gegönnt r/atte. ' 

Kin61id7er Betrug poH rür>ren6er Unfcr)ul6! Kann 
man ingeniöfer mit joumaliftifcr)er ITZünje 6ie Beruhigung 
6er (Srofcmutter erfaufen? — 

Dillemeffant r)at tro$6em nicht gleich 6en- redeten 
IDfg gefun6en, als er am Ausgang 6es Jünglingsalters 
in 6ie IDelt hinaustrat. Bis 3U feinem neunmrtjtpa^igffcn 



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25* 

•— ■ 

3afyre uerfuchte er ftcfj mit 5n>cifel!jaftem (Erfolg in 
verriebenen €nt>erbs3tr>eicjen. (Segen J858 befleibete er 
bie Stelle eines 3 n fP cc * ors ocr Perjtcherungsgefellfchaft 
in Hantes, u>o er gleichseitig für ein Cocalblatt bie 
d?eaterc^ronif fcfyrieb. €r verfuhr nicr)t immer, glimpflich 
mit ben Schaufpielern. Sefonbers ein £r)ataftetbat\teUet, 
beffen ZXame_ nxdjt auf bie Hacr/welt gefommen ift, 
empfanb bie Strenge bes Referenten. €r fudjte biefen 
im Kaffeehaus auf unb überhäufte ihn mit Pormürfen. 
Dabei fiel auch °* c unpermeibliche Phwfe, mit ber fchwadj» 
müthige Künftler ihren haften (Trumpf gegen bie Kritif 
aussufpielen mahnen : „Nabeln ift leichter, als beffer machen". 

„Faites-en donc autant!" fchrie ber beleibigte 2ttime, 
als er mit feinem Catein 3U <£nbe mar. 

Die (Säfte fchienen bem ftünftler beisupflichten. 

Da fuhr Eillemeffant auf: „IHit Vergnügen, mein 
£)err!" €r lieg fta) bie Holle geben unb wettete, ba# 
er fte fpielen werbe. 

3Xd)t Cage nachher bettat et richtig bie Scene unb 
fpielte, ohne eine einige probe mit ben Schaufpielem 
gehabt $u l)dben, bie Holle mit bem beften €rfo!g. Die 
IDette war gewonnen. 

J859 fam Pillemeffant nach Paris. <£r brachte 
IDeib unb Kinb mit. Das mu§ ihm felbft ber ;$einb 
nachfagen: er ift gdt feines Gebens ein särtlicher unb 
treuer ^amilienoater gewefen. 

€r grünbete \8<kO bas TXXobeblatt „Sylphide". Da 
ihm ber €rfoIg nicht entfpraer), gab er es wieber auf 
unb ©erfuchte fi<h in neuen Unternehmungen, «gunäer/ft 
gab er ben „Lampion" tytaus, bann bie „Bouche de 

• . ► - 1 



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255 



Fer" un6 6ie „Chronique de Paris", bis er cnMidj J85$ 
mit 6cm „Figaro" 6en entfaVi6en6en tDurf feines ttyxten* 
reichen Cebens madjtc* 

* • • • 

• • •. 

■ 

Itfenn man fyeute nadf 6er Specialität 6iefes eigen- 
tümlichen, ftocfpariferifaVn Blattes fragen nx>llte, fo 
fdnnte man 6arauf mit 6en IDorten cru>i6ern, 6ie ein 
fpeculatiper (Seroursfrämer im ^aubourg Saint-lHartin auf 
fein £a6enfdnl6 gefegt: . 

Specialite de n'importe quoi. 

Heben 6en Sdmiuggeluniaren 6er Cegitimität un6 6es 
KIcrifalismus trug 6as 5af?r$eug ttSto** 0 " oas toüfte 
Kunterbunt 6er tfctualität eines glürflia^en piratenfdnffs. * 

<£s ift pTclleidjt nidjt ofync 3 ntcrc ffc# °i* Bemannung 
6iefes luftigen Seglers auf 6er boljen See 6er £>effcntlid}feit 
Ultras näfjer 5U betrauten. 

Dura) notariell beglaubigten legten IDiHensact fyat 
Piücmeffant als 3egrün6er, C^efre6acteur un6 Vermalter 6es 
,.^igaro", 6er materiell auf 6en breiten Schultern einer 
Sletiengefellfdjaft rufjt, 6as Steuer in 6ie £?än6e 6es 
Criumoirats ZTlagnar6, peripier un6 6e Xo6ays 
gelegt un6 Dorforgc getroffen, 6a j* 6ie fyauptfädjlidjften 
feitfjerigen Mitarbeiter auf iljrem Poften perljarren. 

Francis 2ttagnar6 ift eine 6er fymptfäulen 6es 
„,Jigaro". 3*nn Hegt 6ie Direction 6es politifa^en Beparte- 
ments ob. €in grün6Ii07er Kenner 6er journalifrifaTen <ße« 
pflogcnfyciten, ein flarer, forgfältiger Stylifr, fyat er mit 
grogem <Scfcr)icf in 6er legten 5cit 6ie antirepublifanifdjen 
l}ei#fporne jurücfgeljalten un6 feit 6er präft6cntenfaVift 

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256 

■ — 

3ulcs (Srepy's faf* aüci « bi * P° Iüif Horst. €r 
perfagt un6 untc^eidwet 6ie Bulletins politiques, tpelay im 
„figaro" 6te üblichen Ceitartifel erfe^en, 6ie in an6ern 
Blättern nodj mit 6octrinä'rer IDeitfdnpeifigfeit un6 6ie 
Ccfcr ermü6en6er tTrocfenrjeit bearbeitet 511 u?er&en pflegen. 
21Tagnar6 gilt als befdjeibencr, liebensipürbiger tfamera6, 
6effen Calente im perfönlidjen t)erfer/r nodf gewinnen. €in» 
gemeint in 6ie 35el?eimniffe 6es journaliftifdjen (Erfolgs, tpar 
er in allen fdjipierigen Dingen 6ie redete £)an6 Dillcmeffants. 
£)eute für/rt er mit 2?ed}t 6as oberfte £omman6o. €r ift 
ein alter Praftifus un6 ein Pfiffifus obenorein. 

P^ripier, 6er Secretar 6er Hc6action, begreift un6 
übt 6en 3 0urnaIismu s ä ramericaine. Seine Starre ift 
6ie Reportage. Seine Beridjterftattung im 2Irnim'fd)en 
P ro $ e S/ f*in* Stu6ien über €on6on un6 feine Briefe aus 
2?om über 6as Ceidjenbegängnif Dictor (Emanuels un6 6ie 
6arauf folgen6en €reigniffe särjlen $u 6en ^aupttiteln feines 
journaliftifdjen 2Infer/ens. Heben 2TTagnar6 n>ar er 6ie 
bcfon6cre Pertraucnsperfon feines Cfyefs. 3ung un6 betrieb- 
fam, r)at er eine pielperfpredjen6e Carriere por jid). 

5ernan6 6e Ho6ays seidmet als Gevant 6es Blattes. 
Seine Specialität fm6 6ie Heferate über 6ie ßeridjts- 
perr/an6lungen. Die 2lusu>ar/l, 6ie er 6em ungeheueren 
2TTateriaI trifft, perrätt) einen fer)r entroicfelten <5efdjmacf für 
6as pifante un6 Senfationefle — fo lange 6affelbe nia>t 
jene Kreife in unangener/me 2Hitlei6enfa^aft jiefyt, tpeldje 6er 
<5emein6e 6es „figaro" auf gegenfeirige Derabre6ung als 
fjeilig un6 unantaftbar gelten. Kommt 3. 3. ein 2(bbe, wie 
jüngji 6er erjrtPür6igc Kin6erfd?an6er ZHaret pon Defmet, 
06er fonft eine 6en flerifalen un6 legitimiftifa^en tEugen6^ 



fjel6en nal?eftef?en6e perfon mit 6en (Tribunalen in ConfHcr, 
fo ftecft ttlonfieur 6e Äo6ays feine £e6er r/inter's £>r/r 06er 
perlegt fte fo gefdn'cft, 6a§ er fte erft ipie6er fin6et, roenn 
rocniger an3Üglicr)e Perfonen $u perfyanoeln ftn6. Seine 
Rcfumes seidmen ficr) 6urd? geiftpolle Diction un6 fadjlidje 
Klarheit aus. €ine je6e (Beridjtsjeitung 6ürfte fta^ 3U einem 
folgen Mitarbeiter gratuliren. Uebrigens ift $u fagen, 6af 
6ie Parifer töeridjtsfjöfe feiner gemanöten un6 befyerjten Jeoer 
6as £)an6roerf niajt fauer madjen. 

Ulbert ZKillau 6. IDenn (Einer in 6er publicifti! mit 
Dampf arbeitet, fo ift er's. IDäfyreno 6er politifajen Saifon 
cntipicfdt XniIIau6 als Kammer-Referent eine , gera6e$u per- 
blüffen6e (Befdjäftigfeit. €r fann ftd) 6ann gar nidjt mer/r 
genug tfyun, un6 feine profa wäl$t ftdf urie eine Canrine in 
Serien über 61e~ umfangreidjen Spalten 6es „tfigaro". Heber 
6ie £erl?an61ungen 6er Deputirten fcfjretbt er unter feinem 
JTamen, über 6ie Senatsftfcungen unter 6em Pfeuoonym 
paul ^einery un6 fügt 6ann noa^ als Baron <5rimm 
Lettres de Versailles 06er paris bei . Das 2tUes leiftet er 
mit 6em bcften f)umor von 6er XPcIt. 

€ei6er fdjicft fia) 6er burfa^ifofe tton, 6en er in feinen 
Lettres anfa^lägt^enig für Senats- un6 Kammerberidjte, 
6ie in 6er 2niHau6'fdjen Perfajnörfelung un6 roifceln6en Der- 
ball^ornung auf emftfyafte Ceute, treibe 6ie £erf?an6lungen 
6er £an6espertreter nidjt als Poffenfpiel betyan6elt feljen 
möajten, einen redjt unangenehmen €in6rucf madjen müffen. 

Pom Stan6punfte 6er politifdjen XDo^lerjogen^eit, um 
nidjt su fagen 6er polittfdjcn <£r$ielmng, ift 6iefe Xltanter 
6er 8eria?terftattung, fo geiftreidj un6 lupig fte fid? ausnehmen 
möge, abfolut permerflidj. 

Bl. «. Confab, parifWin«. 17 



253 



Dag öie Qerren Canöesoertreter 3ua>eilen unter öie 
fatyrifdje ^udjtel genommen unö geuriffe 2TCarotten öes Partei» 
tsefens mit 6er pritfdje öes 5cf?alfs getroffen »eröen öürfen, 
belegen englifdje unö öeutfaje fnmtoriftifcfje Blätter, ujie^punaj" 
unö „KlaööeraöatfaV' ; allein öaf man über bas Parlament 
fo burlesf unö „fdmoööerig" ftdj ausläft, als fyatte man über 
CircusrorfteHungen ju referiren, ift buxd) nichts 3U r eilfertigen, 
meöer öurd> Ueberfdjuf? an fripoler (Seiftreidjigfeit, nodf 
öurdj 2ttangel an politifdjen Sympathien unö etfyifcfjem 
.^onö. . 

Dag §err itlillauö öie Caajer unö — Haa^al?mer auf 
feiner Seite fyat, überrafdjt uns ni#t. 3m (ßrunöe ift öas 
Kunflftücf md?t gar grof. Der Parlamentsreporter öes 
römifdjen Blattes „^anfuüV, öes italienifdjen tgaro'', Ijat 
es ilmt gans portrefflidj abgegueft, unö er räufpert jtd> unö 
fpueft rea?ts unö Hnfs unö fdmeiöet «Srimaffen, wie fein 
Kollege unö Dorbtlö r>om Parifer Souleoarö. 

f)err IHillauö ifi aud> gemanöter Derfefdjmieö unö 
öramatifdjer 2(utor. . 2Us foldjer liebt er öic (Eompagmearbeit, 
öie ifym bis jefct immer (ßlücf gebraut tyxt. Sein Harne 
figurirt faft eben fo oft auf öcn 2fnfdjlagefäulen öer Pauöeoille- 
tEfyeater, als in öen Colonnen öes „^igaro". 2TTan !?at 
IHüfye, ifjm aus3uu>eidjen. <£r fyangt ftdf an n>ie eine 
Klette. . K . 

Tlus gan$ anöerenf Stoffe ift öer Baron Jelir 
Platel gefdmitten, öer feine IXttiM 3gnotus jeidmet. 
<£r . ift fromm unö naip wie ein Kinö. Seine Stuöien 
über öie parifer (ßefängniffe unö Klöfter, fonne über 
marfante perfonlid/feiten öes tCages ftnö literarifaje Cifelir- 
arbeiten poH poetifdjer 2Iper9us unö pfydjologifdjcr XPcis^eits- 




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259 . 

* 

fprüdje. Seine <5läubigfett fyit nichts oogmatifdj «Suoring- 
liebes. 5ie fpricht ftcfj in fo ungefud}ten, uxirmen Conen aus, 
oag biefe felbft oem Sfeptifer nahe gehen. IDie öas 
mcIancf/oIifa}e 3aufa>n I?erbftlic^er Blätter jittert ein tiefe s 
menfehliches tflitgefüfjl mit oem £ei6n>efen alles Dafeins 
butd) feine Sdnlberungen. 

5elij platel ift nicht nur ftänöigcr ZKitarbeiier 6es 
„5igaro", fonoern befleibet auch öte SecretärfleUe im 
(Öeneralratfj oer Coire 3 n f^ r ' eure « ' 5e* n 2fante ftgurtrt 
außeroem auf oer Slopocaten-Cifte öes 2Ippellhofs von 
Paris. Cest un gentleman-f armer, fyit ifm einer feiner 
^reunoe oefmirt. 307 Fenne it>n nicht perfönlich unb gebe 
batyt bas Wort olme Krittf. 2IIs aufmerffamer Cefer 
feiner 2lrtifel rt>eig ich nur, oaß er ein groger Schrift- 
ftcüer ift. tDarum er u>oI?l nur S^ung machen hilft un6 
md)t lieber Bücher fa^reibt? .... 

Ceon Careoau untersetzet feine Beiträge halb 
Kene 6e Congueoal, balö öe (ßranolieu, halb Un Chr6tien. 
€in . fioefconferpatmer polemifer von mittlerer Kraft, ohne 
eigene fliliftifa^e phYftognomie. tfuf allen Schleichwegen 
öes parleilreibens bemanoert, gefällt er ftdj oft tn oiplo- 
matifd)cn (Enthüllungen, oie befonoers auf oie ihm un- 
leiblichen Bonapartiften gemünjt ftno. 

Das l)äit jeöodj ZHonfteur ßranier oe Caffagnac 
nia^t ab, ftch allmittroöchlich als begeifterter partifane 
öes alleinfeligmachchöen Bonapartismus im „#garo" auf- 
jupflanjen, öte fchmufcige IDäfaje öes 5tt>eiten Kaiferreichs 
aus oer Cauge ju sieben unö im Sonnenlichte 6er ©effentlich- 
feit aufiuhängen. Das päppelt unb fchmappelt, flöpfelt 
unö tröpfelt, öaj? €inem ganj übel mitb. 



- 260 

Budjeron, genannt Saint-töeneft, öiente als $vev 
toilliger bei öen fjufaren unö fdjreibt mit öer fdm>erfäl!igen 
Deroe eines Canösfneajts. Sein Stil unö feine Cogif 
fmö pon ^öcf^fl eigenthümliaVr Befdjaffenfjeit. €s ftnö 
feine geordneten, öurdj eine notlnuenöige Folge perfetteten 
<5eöanfen, öie er $u Papier bringt; es ftnö, confufe 
Sa^tpertftreia>, öie linfs unö redjts fliegen, ein Spott 
auf alle Jea^tfunfl. 2Iber n?enn einer trifft, öann fd?reit 
er fjalloh, unö fe$t örei 2hisrufungs$eia7enIII (Seht 
ihm unö feiner 3 0ec oer Ätzern aus, fo füllt er öen 

Xeft öer pfjrafe mit pünfta^en unö 

appeüirt an öen (Eieffmn öer Cefer. 3 n &* e fer JDrffe 
bearbeitet er öie 2Ttilitärorganifation, öie Kirdjengefdn'djte, 
öie Sdjulbrüöcr, öie Citeratur, öie tDot?ltf}ätigfeitsftiftungen 
in enölofen tfrtifeln. Jeöer Soll ein Cl^aupinift öes 
alten ZTTilitär- unö Kirdjenregimes, überlauft er öie 
freiheitlichen Unternehmungen öer 2?epublif mit öen bitterft'en 
Sajmähungen. Jn feiner HMtauffaffung ift er um ein 
halbes Jahrtaufenö hinter öer moöemen Bilöung jurücf. 

- 3 m «i^aro" et ftaj mit einer Serie fatyrifa^er 
Briefe eingeführt: Lettres (Tun provincial, worin er öen 
Irr£conciliables ßelijc f)yat, Pietor ^ugo unö tutti quanti 
auf öen Ceib rücft. Seine Kampagne für öie perbreaVrifa^en 
2(nfdjläge öes \6. 2Hai, berüchtigten tfnöenfens, $eigte 
ihn im Cidfte öes wilöeften Fanatismus. Dann fyit er" 
nrieöer fanftere 2TTomente, wie im 3uli {878, voo auf 
fein Betreiben öer „Figaro" nal^u eine l^albe 2ttilIion 
Francs für öie IDaifenftiftung öes 2Ibb6 tfouffel in 
tfuteuil fammelte, eine Ciebesthat, öie n>ir. nidft gering 
aalten öürfen. * 



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8ud?eron beftfct als reifer €ltern X'\nb eine elegante 
Viüa in paffy, 6er fwnmerlichen Colonie &r parifer 
ITCiüionäre. ■ 

Unter 6em Pfeu6oirfm €. 6e Saint -Hemy perbirgt 
fidj 6er Solm eines grofen ^inanciers aus 6em Quartier 
Saint «(Beorges, ein gebildeter Dilettant 6es Journalismus, 
6effen €ifer bis jefet mdjSs peroorben f?at. 

Auch H ober t ZTCil ton, 6er mit unanfechtbarer €ompetett5 
alle Sportangelegen^eiten bemäntelt, ift ein pfeufcmym. €r 
nennt ftch mit feinem eigentlichen Hamen Saint-AIbin. Seine 
2TIuf eftun6en n?i6met er 6em C^eater. Den „Grand Casimir 44 
5. 8. 6er gegenwärtig feine hun6ertfte Aufführung im Dartet-S* 
(Theater hinter fidj fyit, Perfagte er in Öemeinfajaft mit 
3ulesprepel, 6effen „Mari qui pieure" pon 6er Comeoie- 
^ran^aife mit (Erfolg gefpielt muroe. 

Prepel, einer 6er älteflen „5igaro"«2TTitarbeiter, befa^ränft 
ftch auf 6ie juperläffige SwfcnmwnfteHung 6er laufenden Ho^en 
un6 Informationen aus &r (Eouliffentpelt. 

Arno 16 MIortier hingegen, ein geborner fjollänoer, 
6er ftch sunt erften 3oulerar6ier enttpicfelt fyit ur.b 6en Heiö 
6es Parisien de Paris £?erausfor6ert, fdmf |Lh eine bc» 
6eutungspollerc Sperialitat in feinen tägliche» „Soirees 
theätrales". <£r beftfct 6te Hunjr, aus irgen6 einer artiftifchen 
tTagesfrage, aus einem neigen Bonmot, aus einer jufälligen 
fomifchen Situation, aus einem fomö6iantifa^cn Xlid^s fafl 
Cag für (Tag ein amüfmtes ä5enrebil6 3U gefallen, 6as 
unter fetner phantaftereiefcn ^eoer nicht feiten 6en <Cffect 
eines literarifchen CabinelsflücFes erpelt. Die Dorgefdnchte 
einer Premiere rerfter)t er mit piel <£fprit $u fcr/tI6ern. €r 
jeidjnet feine Arbeiten Uri Monsieur de Torchestre. Am 




262 



<£n5e öes 3 a h x * s 9ibt er fte gefammelt als ftattlic^es Bänöcfycn 
heraus. Diefe merken mit öer Seit eine anfelmlia?e Biblioihef 
bilöen unö als 6te ^eiligen Sijriften" aller Bouleturö- unö 
Couliffen^läubigen 311 autoritatiper (Geltung gelangen. 

21 119 ufte Di tu, einer 6er geroerbthatigften unö ge- 
lehrteren parifer Journaliften, tfyeüt ftaj mit 3 0Ul>in / ocm 
Sdjroiegerfofme Dillemeffant's, in öie ernftfyafte €heater«unö 
ZtluftffritiF. 3 0UDm 5«<^net blos mit feinem Dornamen 
236n6öict. ""^ 

€r ift ein enragirter 2Inti-tDagnerianer. Das l?at nichts 
Hebcrrafa}enöes. Wo foüte er öenn feine (Einfielt in öie 
öramatifäVmufifalifdje tfepolution öes Bayreutfyer 2Tteifters 
her ^aben? Das In'efe einen 33ilöungsproce§ porausfefcen, 
öen öer ältefte Jigaro-IHitarbeiter abfolut nid?t öurdjgemadjt 
haben fann. ^igaro's IHuftfrecenfenten erfüllen ihrem 
Publifum gegenüber ihre ZHiffion pollfommcn, u>enn fie ftaj 
auf Citaneten, Cingeltan^elfang, £) ff enbadjiaöen unöfo neben- 
her auij auf etwas <£Iaffif perfte^en. Das genügt, um eine 
pifante Cauferie mufifalifch anjufäufeln. Den Äeft liefert 
irgenö ein Xladtj^lagewett, u?ie öas pon ^tis unö öie 
eigene Phantafte. 

Philippe (ßille, ein feiner, fünftlerifdjer C^arafter« 
fopf, fdjreibt öie pierjelmiägige bibliograpln'fche Hunöfdjiau 
unö beforgt öie Heöaction 6er €cr/os pon paris unö 6er 
Novelles a la main , jenes <Bef üllfels pon Staötflatfcfy • 
pifanten 2lneföoten un6 <5auIoiferien, 6as nicht tpenig 3U 6cm 
ungeheuren (Erfolge 6es „itgaro" beigetragen fyxt Die 
Cüfternfyeit 6er geiftlia^en un6 »eltlia^en Cölibatäre, 6er 
<£ocotten unö Betfdjtpeftern unö ähnlidjen Dolfes finöet fn>* 
täglid? eine feite IDeiöe. Die meniger fdjlüpfrigen (ßefdn'djtchen 



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I 

I 
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machen meifl rafdj öie Kunöe öurcr) 5ie gefammtc europdifdp 
preffe, ofme öag öie parifcr Quelle genannt wirb. 

Philippe (ßille I^at, bepor er ftdj öem 3°urnalismus 
ergeben, als &ertt>altunas*Beamter gearbeitet un6 fxch au<$ 
als Bilörjauer perfudjt. 2(uf öem Crjeater r)at et mit einer 
tfeifye von Stücfen fdjöne (Erfolge ehielt. 

2lörian ittarr, ein unfciger piauöerer, r)at fta) mit . 
feinen Indiscretions Parisiennes einen georiffen Hamen ge- 
malt. €r öirigirt öie permifdjten Hadjridjten, fügt getpiffen- 
fyaft feinen Conseii par jour bei, 6er balö ein galantes 
SaTonr/eitsmittel, balö ein Hodjrecept unö Peraxmötes ent- 
hält, unö jeidmet Jean de Paris. 

Com 61 y, feines S^ns iTTeöiciner, öebütirte als 
Spitalarjt in Cyon, bepor ifyn ausgefprodjene Begabnifc naa> 
Paris unö in öen journaliftifdjen (ßeneralftab 5er Hue Drouot 
führte. Dem ^eöactions«Secretariat jugetrjeilt, benniljrter 
ftdj gelegentlid? als einftdjtiger Steuerfreier öes Ctjef- 
reöacteurs. 

2lugufte 211arca6c fiefyt 5cm (Telegraphen* unö 
<£orrefponöen$-Dtenfte por. Seine ^reunöe perfidjem, öaf er 
fia^ pon öem fauren 2Imte öura? öie Declamation Iateinifdjer 
Perfe erfyole. 

• jelirHibeyre arbeitet mit 5er Speere unö fiberfefet öas 
Unperbinölidjfte, -n?as öie auswärtigen 3 ourna ^ ^ber öie 
<8ambcita'fd?e Xepublif ju Cage föröem. Die Berliner 
/( national»5eüung" unö öie „Kölnijay Ratten in öer jüngften 
<3*it merjrf adj öie €ljre, mit iljrer Profa öie Spalten öes 
//^igaro'' $u öecorireit. 

OulesHidjarö betrieb ipäljrenö öer XDeltausftellung als 
Pierre de Touche öie inöuftrieUe Heclamc im grofeit 



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26<k ' 

Stil. Seine polttifdyen *(un6gebungen 5eidmet er Un con- 
servateur. 

^ür 6ie großen tDtrtr)fcr)aftspo!ttifc^en fragen 6es 
ITages erübrigt 6er „^Jigaro" fein felbflänöiges 3 nterc ff e - 
€r lr>ut fie fo nebenher mittelft tfusfdjnitten aus anderen 
3ournaIen ab. Seine naturtpiffenfdjaftlidjen €rcurjtonen 
ergeben ftcr) faum über 6as Hireau 6er physique amüsante. 
Seine ^uilleton-Homane (in6 feiten be6euten6; mit tfusnafyme 
einiger Hooellen - pon Hu6oIpfy £in6au fyabe id) im 
Perlauf 6es legten Jahres nia^ts 3emerfensn>ertfyes unter 
6em Striae $u ent6ecfen t>ermocf?t. 

3<*? nenne nodj ZTTonfteur Ulbert IDolff — un6 bin' . 
$u <£n6e. Seine ZTaturgefcfjidjte n>er6e idj ein an6eres TXlal 
fi? reiben; fte ift beleljrfam un6 luftig genug. Pieüeidjt 
laffe id} itm audj in Kupfer flehen, mit einer XHöna^sfutte 
angetfyan, nrie er feine lieben 3ouler>ar6iers abfanjelt, in 
6er einen *}an6 ein Crucifirlein, in 6er an6ern einen 
Rampelmann. Denn 6er IDolff ift 6er HToraiift ' 6es 
„^igaro" aus 6em FF. nebenbei traftirt er audj 6ie 
bi!6en6en Künfte für — ~ gebi!6ete Cefer, erflart unfern 
Bayreutfyer ÜTeifter quartaliter für einen „mechant petit 
homme de talent", ertpeift to6ten Prin5en 6ie lefcte €t?re, 
in6em er für fte gefürjlpolle Hefrologe tpetnt, fcf/ilbert mit 
Salbung 6as feiige €n6e alter Betfdjroeftern, 6ie in ilfrer 
3ugen6 etroas an6eres geroefen un6 6ergletdjen meljr. <£r 
ift feljr tfyätig un6 fein tfnfefyen ift gro§ im £an6e 6er ^ 
2Hoabiter un6 tfmalefiter, 6er pljilifter un6 anoerer 
Culturpölfer. 




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Paris ifl grof, 6ie <5af?l fetner geitungsfcr/reiber 
Cegion. TXlan »eicht ftch bequem aus un6 trifft ficr) ungc* 
fucrjt nicht leicht in 6er ZTTenge. überfdjrettct Keiner 

gern 6ie Demarcationslinie, 6ie ihm 6er Häuptling 6er partei 
o6er 6as 3ntercffe 6es <£f?efre6acteurs 5ter/t. Die politifdje 
Scr/ei6ung für/rt nothn>en6igenpeife. 3ur gefeüigen Sonöerung. 
Die fdjönen Künfte un6 6ie fdjönen grauen impropiftren 
noch am erflen überrafcr/en6c Begegnungen un6 Befanntfdjaften. 
34 bin 6em ttlonfteur IDolff in stpei 3ar/ren nocr) nicr/t 
begegnet. TXuii in 6en Scr/aufenftern 6er Photographie« 
hän6Ier ift mir fein Bil6 nicht aufgefallen. Sollte feine 
Berühmtr/eit noch pon feiner Befcr/ei6enheit übertroffen 
rocr6en, 6ie ihm perböte, fein Contrefet öffentlich ausju« 
ftellen? 34 »ermuthe faft, eine 3arte Kücf ficht auf neu- 
gierige, ein6rucfsfähige IDeiber in gefegneten Umftän6en 
hält ihn 6em Scr/aufenfter fem. IDolff ift nämlich in fetner 
pcrfönitcfjen (Erfcr/einung nichts weniger als ein 2J6onis. 
Die förperltcr}e (Enpeloppe feiner wertr/pollen Seele ift pon 
einer be6enfltchen, beinahe poli$eiari6rigen ^äfficr/fett 

Der 3 m P re fftonip <£6uar6 Hlanet, 6effen pinfei 
befon6ers in 6er Äepro6urirung bijarrer Cypen 0rofes 
leiftet, ha* &*r Derfudjung nicht u>i6erftehen fönnen, 6en 
<£ourriertften 6es ^igaro ab$ubil6en. <ßan$ im Qintergrun6e 
6es lltelters ifT 6as feltene Stücf ju flauen, ju 6em ftch 
ein pen6ant erft pn6en a>ir6, roenn ftch ocr ^H«Per ent« 
fchlieft, 6en gleichfalls ausgezeichnet l)ä§l\d}en pere Couis 
Deuillot auf 6ie £eintpan6 ju feffeln. 34 nichts 
Ungebührliches fagen, — aber in 6er gemalten (BefeUfcr/aft 
pon Cocotten, Comö6tantinnen un6 Cänjerinnen nimmt ftch 
6as XDolfffcr/e Bil6 wahrhaftig aus, n?ie ein $aun unter 



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366 



Hymp^en. €in tr>t6cra>ärtig conftruirter Kopf, r>er6rel>te 
2(rme, lange, unftdjere 3eine. Der lYLunb ift gan$ Satyre, 
aus 6en 2fugen fpridjt überlegene Peradjtung — 5er fdjönen 
Früdjte, öie $u t)od) Rängen. Jttan oenft untr>illfürlidj an 
Keinecfe's pfn'lofopfn'faV" €ntfagungsftol5 in 6er (Trauben fabel. 

2Tlonfleur IDolff, geboren in 6er fyetligen 5ta6t Köln 
am Kleine, fyatte einen ferneren Anfang in 6er parifer 
publiciftif. €r ersäht, 6a§ er rergeblidje tfnfirengungen 
bei Couis Ijuart, 6em 6amaligen Herausgeber 6es illuftrirten 
tDifcblattes „Cfyariuari" gemalt Ijabe, um monatlich 
wenigflens jir>eiljun6ert ^rancs als firer Mitarbeiter $u erhalten. 

„Hiemals fjabe idj 6iefe enorme Ziffer erreicht. 21Ian 
$ar>Ite uns sroci Sous für 6ie «geile; ein Feuilleton braute 
uns fed)$cfm bis jteb$efm Francs ein. J859 madjte \d) meine 
erfte Keife nadj 3a6en • 3a6en , un6 6a $u 6iefem $mcdt 
'fünfeefm £ouis6'or crfor6erlid? waren, fo 6eponirte idj bei 
meinem £ljefre6acteur ftebselm Feuilletons; jteb5elm tEF?c- 
mata mußten gefun6en un6 entoicfelt n?er6en für 6rei- 
^unoert Francs!" 

tDer für 6ic Figaro-Carri^re prä6eftinirt ift, ftirbt niijt 
an 6er ^i^crei 6er <£fjaripari' Perleger. . 

IDolff fdjrteb in (Semeinfdjaft mit £)enri Xodjefort un6 
€rneft Blum 6ie „Memoires de Theresa", eine paffabel 
geiftreidje 2Tlyftification 6es rcreljrlidjen publifums, 6as in 
6em 6amals graffiren6en Cingeltangel»t)eitstan$ 6ie pifanten . 
€ntljüllungen über 6en neuen Stern 6es 2Uca$ars mit <5ol6 
aufwog. Dillemeffant erfannte 5ie Kfoue 6es Cömen, 6. i. 
6es ITTonfteur IDolff. Der 2Hemoiren-€rfin6er rouroe in 6ie 
fliegen6e Colonne 6es „Fiö^o" eingereiht. Von jener 
5tun6e an u>ar 6ie gufunft 6es Kölner 3ournaIiftcn gepokert. 




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267 

3dj notire einen 2lusfprud}, öen id} öiefer (Tage im Blatte 
öes fyodjfeligen Dillemcffant gefunöen: 

„Le passe, c'est un moine; Tavenir, c'est un juif*. 

Die d>riftlid> « fociale Seaction in £ranfreid> ijl ntef^t fo 
perblenöet, wie jene in Deutfdjlanö, öie auf öle tfbfuröität 
einer 2(ntifemitenliga tljr Qeil grünöct. Sie jiefjt 5ie 3 U0 *n 
in iljre Kretfe, fettet fte an i!?re 3ntereffen ober fudjt fie öurdj 
gefdjicfte Haijafmiung $u abforbiren. 

Der „^igaro", öeffen 2Jctien in öen Ijänöen 6er 3efuiten 
unö £egitimiften fmö, wirö ju örei Vierteln pon 3 u0 * n 
gefdjrieben. 

Slbförnmlinge öer patriardjen unö öie Hadjfolger Coyola's 
perftänöigen ftd} in öer Hue Drouot aufs belle unö teilen 
ftd} brüöerlidj in bas (Befdjäft. 

illonftcur H>oIff fyat in feinen 2frtifeln wieöerfyolt 6er 
IDelt aufbinöcn wollen, 6er „^igaro" fei fein Keactions- 
blatt, ftntemalen er von fo gefaxten Ceuten .... beöient 
weröe. 

3d? fabe nodf nid)t erfahren fönnen, ob alle figariflen 
jedesmal öie ZUeffc fyören unö öie Communion genießen, erje 
fte ftaj an öen tfeöacftonstifdj fefcen * 

„Elle est bien bonnel" mar öie Cieblingspfpafe öes 
öiefen Dillcmeffant, öie er ftets mit einem breiten Cacr)en 
begleitete. 

Elle — wer? 

3<*f öenfe — öie Dummheit öer €inen unö bxe 
Pliffigfeit öer 2Inöeren. Die IDelt will betrogen fein. 3*?* 
tt)ille gefd/e^I 



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DU €rinnerungen 
6es Gerrit pon <£affagnac 



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„Schreiben Sic einen tuvpn Beriet übet 6ic gegen- 
tpärttgen <£reigniffe un& $aE>len Sie ftets auf meine £rcun6- 
f*aft!" 

Diefcs XDoit richtete Couis ZZapoleon am 6. December 
\Sö\ auf 6er <5artenterra|fe 6es €ivfeifaVn palaftes an 
feinen lieben 2Honfteur 6e Cajfagnac. 

Der f)ofjournaIift 6es Dejembermannes ftrtcf? pergnügi 
mit 6er J)an6 über fein sufunftsfrofye* Cfjarafterbäudjlein 
un6 machte ftd? an's IDerf. 2lbec fyeute erft, unter grimmig 
perän6erten Umftän6en, tpeiljt er 6as größere publifum in 
6ie $arten 3ntinütäten jener Haarte, 6ie 6em Kaifertlnim pon 
Staatsftreid?s»6naöen 3eugungsfüa}tig porausgtngen, mit 6em 
gan5en gaubev feiner rofafarbigen, unfdjufospoü perfdjmifcten 
Diction ein. 

Von 6en 6rei 3än6en, 6ie feine „Souvenirs du second 
empire" füllen iper6en, Ijat 6ie eapiteltpeifc Publication 6es 
erften 3an6es im „^igaro" foeben ifyrcn 2Ibfdjluf gefunden. 
3m legten Kapitel 6iefes Banöes, 6er ftd} feiner fein 
calcülirten romantifa^cn Heise, feiner fyalsbredjerifdjcu un& 
bodf nie überftürjteu Effecte, fotpie feiner galgenljumorifhfdjcn 




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_ 272 

- 

pftffigfeit megcn 90113 portrefflidj Heft, aud) wenn man fonfl 
fein ßtevmb von Käubergefdn'djten ift — im Ickten Kapitel 
alfö wirb 6ic oben ermähnte Unterrc6ung auf 6er (Sarten» 
terraffc erjäfylt. 

iTTait riecht 6en Duft 6er 33Iumen, gefyeimnigpoll 
rauften 6ie fa^marjen ^ittidje 6er nie6erfmfen6en Hadjt, 
bie Springbrunnen plätfdjern, es liegt fo r>iel <ßefun6r/ett 
un6 Hed}tfdjaffenl?eit in 6er gan3en Stimmung, fo Diel 
23efänftigen6es unö Perf$fnien6cs, ba% man 6er 3arrifa6en 
un6 Blutfcenen un6 Perbredjen 6er porausgegangenen 
{Tage, 6er (Tage pom streiten bis fünften De3ember, faft 
pergtjjt un6 an 6er Stelle, roo Hapoleon fterjt, nur einen 
3ie6ermann erblicft, 6er mil6e IDeisljeit 6cnft un6 päter- 
Hd?e €ntfa7lü|fe fpridjt. So flingen 6ie €rinnerungen 
fanft aus un6 an 6er Stelle, »0 an6eren tttenfdjen 6as 
bürgerliche, feiner ftaatsftrcidjlidjen Heber tölpelung |id} 
fügenoe (ßemiffen ftfct, emppn6et unfer literarifdjer €pi« 
furäer nidjt 6as geringfte mißbehagen. Cest bien joue. 

Hun 6ie Scene felbft. ßerr <5ranier pon Caffagnac 
nähert ftdj, pon einem 6ienfttrjuen6en Offaier geleitet, 

feinem ^ufunftsfatfer, ocr ^ m na ^l Wl« (Beipolmfyeit 
6en fleinen Ringer 6er redeten f)an6 $um familiären 
Drucfe entgegenftreeft un6 in 6ie Worte ausbridjt: 

,,2H}, Zftonftcur 6c Caffagnac, idj bin gan3 wie Sie, td} 
glaube an 6ie Dorfefyung. (Erinnern Sie fidj unferer 
<£onuerfationen $u Saint «<£Iou6 im iTTonat £>ctober? XDir 
6adjten 6amals 6ie Kammer in \t)vet tfbtpefenfyeit auflöfen 
$u müffen, eh bien! 6as tpar Oufdmng. 3n6em mir fic 
uxityrenö 6er Per famm hing auflöften, Ratten wir gleid) 

je6roe6en IDi6erftan6 in unferer £)an6 un6 mir permodjten 

. . . • - : - ; 




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) 

ifm mit einem cinjigen Drucf $u brechen. 2lfj, icfj glaube 
mie Sic an bie Porfcfnmg! ZUeinen Sie nidjt, ba§ mir 
bamals Unrecht galten?" 

„<Banj gemig, prins, bie €reigniffe bemeifen es. Tiber, 
iHonfeigncur, fmb Sie nidjt felbft ber Slnftdjt, bag bie 
Seit Ijerbeigcfommen ift, bie J)err tTfyiers propfjejeit fyit, 
unb bag bas Kaiferreidj gemalt ift?" 

„Wenn \d) es mollte, ja. <£s ift jeboefy notfymcnbia,, 
bag ,franfreid> felbft es pon mir motte. Sie fennen meine 
Politif; idj bin entfdjloffen, $vantve\di $u confultiren. 
Später merbe idj ypxen fagen, meiere Xolle idj 3*? ncn M 
biefer Confultaiion 3ugebadjt fyabe". 

„Stets 3U Befehl, mein Prinj. *}err (Buijot, von 
bem id) foeben fomme unb ber über 3*? rcn S* e 9 
mefyr aufgebraßt ift, als ftaj's gerabe fdn'cft, fyat mid> 
beauftragt, 3*? ncn 3 U fas«", &<*f f«"** ZTTeinung nadj 
ein fernerer ^efyler märe, bie confultatire Commiffton 
einsuberufen unb biefelbe um ifjr (ßutbünfen $u befragen", 

„Danfen Sie bem £)err (Butjot für feinen guten Hat!?, 
iaj merbe ifyn befolgen. Die confultatipe Commiffion fyat 
iljren IDert^, aber fte ift nidjt Jranfreidj, beffen ZlTeinung, 
beffen IDiüe burdf feine anbere Autorität pertreten merben 
fann. ^leury fyat Sie in meinem Hamen bereits erfudjt 
einen furjen Bertolt über bie gegenmärtigen . €reigniffe ju 
fcfyreiben. ZHa^en Sie fta> an's VOtrt unb jä^Ien Sie ftets 
auf meine ^reunbfa^aft!" 

tforfefyung, Polfsmille, Danf, £reunbfd>aft; fürmaljr 
im (Bemütfje bes Decembermannes lagen eine ttTenge frönet 
Qualitäten pereint, bie jur geplanten (Sefellfcfjaftsrettuna, 
Dortrcfflid? $u permenben maren. Vorläufig freiließ reichten 

Ol. <$. Contob, paxifiana. 18 



öer raufen IDirflidjfeit gegenüber öiefe fyolöen (Sahen 6es 
Ianöespäterüdjen £)er3ens nxdjt aus unö es öurfte niajt por 
jenen 2Iusfunftsmitteln 3urücf fdjrecfen , treibe ifym öie 
praftifdje Staatsmeisljeit an öie f)anö gab, als öa ftnö 
J}ausfrieöensbrudj, Derfyaftung, Kerfer, Derbannung, ZTTorö. 

TXlxt öem ITCoröen mar es jeöodj nidjt fo fdjlimm, als 
man feitfjer an3uneljmen gemolmt mar. fjerr (ßranter 
pon Caffagnac ift in öer angenehmen £age, als „moljl- 
informirter geuge" öie autfyentifdje Derlufiliftc proöueiren 
311 fönnen. IDäfyrenö öer Straf enfämpfe Pom 2. bis 
De3ember fyatte öte tfrmee 26 tToöte unö ^8 Permunöete, 
öasPolf 5er Barrifaöcn J75 tToöte, rporuntcr öie Deputirten 
Bauöin unö Dujfoubs, unö \\5 Derrounöcte. XDenn öann 
nodj in öer Ijifce öcs (ßefedjts, meint er gutmütig, außer 
öen Jnfurgenten aud} einige unfdjulöige ZTCaulaffen getroffen 
rooröen feien, fo fönne man öas moljl als ein ZITalfyeur, 
aber niä?t als ein Xttaffacre be3eidmen. Summa: öas 
Bisdjen Bürgerblut, öas für öie angeftrebte ftaiferfyerrlidjfeit 
unö (ßefcllfajaftsrettung flog, mar öie reine Bagatelle. 

Die erfte beträa^tlia^ere ^anölung öes neuen Staatsftreidj« 
minifteriums mar öas Canöespermeifungsöecret, öas am 
adjten De3ember auf Eorfdjlag öes HTonfteur öe Slorny 
erlaffen muröe. ^ünfunÖ3man3igtaufenö Clubiften, 3nfurdenten, 
Jremöe unö anöeres repolutionäres Volt muröen öamlt aus 
öem Canöe gejagt — nur fünfunÖ3man3igtaufenö. 3ß oas ' ' 
öer Xeöe mertfy? Unö* muröe öamit nidjt 3ugleia^ öem 
Kaifer öie ZlTöglidjfeit porbereitet, öas fdjönfte, öas göttliche 
Hedjt öes Canöespaters $u üben unö fpäter einige Qunöert 
öer perbannten unö perfprengten Canöesfinöer 3ur Kqcffefa 



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an 6cn per56eten fyxb, in 6en Scho§ 6er $u (ßrunoc 
gerichteten ^amiüe $u begna6igen? 

tfuaj mit 6en Verhaftungen 6er Deputaten am $u>eiten 
Dezember hatte es eine gan$ andere Ben>an6tni£, als 6ie 
antifaiferliche IDelt (eitler heudpttfc Sie waren ein Xct 
purer Ceutfeligfeit. 2Han wollte 6ie armen Deputirten ein- 
fach ÜOr **? re * Partei fehlen, pon 6ercn fün6hafter 
führung $ur tEheilnahme am Aufruhr fte be6roht waren. 
Kann man humaner fein? 5o perleum6ct man 6ie Staats- 
ftreichler, ftatt ihnen 6en Cugen6preis jujuerfennen, 6a fte öie- 
Unfdjulo 6er Deputirten fo energifch Por 6er Perführung 
bewahrt I . 

Die Beftegten 6es jmeiten Dejembers, Flagt fjerr von 
daffagnac, Ipbtn auch 6em <Sere6e (glauben ju perfchaffen 
gewußt, auf 6ie tfrretirung Victor fjugo's fei ein preis 
gefegt gewefen, währen6 6ie Hegierung 6och gemj gut feinen 
Verftecf fannte un6 6ie klugen $u6rüclte, als er, ausgerüftet 
mit 6er Bloufe un6 mit 6en papieren eines brapen £>uprier, 
6as IDeite fucf)te. 

Hm auch in 6iefem punfte gans ftcher su fein un6 le 
coeur net 3U fyibcn, ließ fich 6er gewiffenfjafte Caffagnac 
6ie Zltühe nicht per6riegen, an 6en ZTTonfteur 6e ZHaupas 3U 
fdjreiben, 6er 6amals 6ie §än6e gewaltig im Spiel tyxtit. 
Derfelbe antwortete am 27. September 6iefes Jahres wie folgt : 

„Victor fjugo fchmeichelt ftch felbft, in6em er fagt, man 
habe einen preis auf feine perfon gefefct. $ünfun6$wan5tg- 
taufen6 £rancs für feine (gefangennähme wäre jeoenfaUs 
piel gewefen. Zllornf fyxt mir 6ie £>r6re gegeben, ihn 5U 
perhaften. 3dj h a & e ** abgelehnt, 6ie Verhaftung auszu- 
führen. Victor ^ugo war 6urchaus nicht gefährlich-. Ver? 



> 



. 276 
—————— 

I?aflcl toäre er eine Verlegenheit für uns geipcfen. Fann 
nur beftätigen, *> a % cr f ic *? f**? r forgfältig perfteeft Inclt un6 
ftcr) nirgenös seigte, roo nur irgen6 eine ßcfafyr $u ipittern 
roar. <£r f^iclt fidj ftreng in feiner 2?olIe als organisateur 
ä distance". 

VOxx überlaffcn es 6em Perfaffer 6er „Histoire d'un 
crime", 6as publifum über 6en IDertlj ober llntpertfy 
6iefes «Jcugniffes aufouflären. Sidjerlid; roir6 Victor fjugo 
6em 2TTonfteur~ fre Xtlaupas 6ie llntwoxt nidjt fdjul6ig 
bleiben. . 

lieb er feiig ift Caffagnac, roenn er 6er prächtigen 
<ßei)eimft$ungen in St. Cloub un6 im <£Iyfee ge6enft, 
roo 6ie XDerfjeuge $um Umfturs 6er Xepublif felbft pon 
6em f leinen fjäuflein 6er IDiffen6en ausgewählt, ge- 
muftert un6 feftgeftellt rour6en. Da 6urfte er mit aben- 
teuern, 6a 6urfte er 6ie Staatsjtreidjs-XDeltgefdn'djte mit 
porbereiten Reifen. 2(d>, roenn er an jene romantifdjen . 
Reiten jurücf6enft, 6er €fjrenmann-*}ofjournalift 6es Kaifer- 
tfnnns, 6a weitet ftcr) feine fdjöne Seele un6 er u tarnet 
roie6er 6ie fye^ftärfenoe Derfdjtpörerluft in Pollen Qü^en. 

IDie nüajtern, urie beffemmen6 ift hingegen 6ie 
gütige Xepublif , 6ie Um in feinen alten tTagen über- - 
rafdjt hat, 6iefe profaifdje 2?epublif, in 6er es fo fürdjterlidj 
gönnet sugefjt, 6ie feinen Haum gewährt für ein erflerf- 
Hdjes Stücf confpiratorifdjer (ßaunerromantif! Die €r» 
innerungen allein fm6 es, 6ie 6em alten 3onapartiften 
aus 6er e6Icn Gefühlswelt jener Ijerrliayn ge- 
blieben fm6, 6enn 6ie Hoffnungen einer XDieoerauf* 
ridjtung feines Kaifert^ums fa7win6en $ufef?en6s pon Cag 
5U Tag, 




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277 



„(Enölid) fcr,lug öie feit Jahren erwartete Stunoe!" 
So tybi fein 5meiunö$man3igftes €rinnerungscapitel an, 
in welchem er öie öenfmüröige lladü vom erften auf 
öen jmeiten December fdjilöert 2ln öem Hbenö mar 
augeroröentlicfjer unö fef?r brillanter €mpfang im €lyf*ie. 
Diele Deputirte maren erfeffienen. IHan unterhielt ftd> % 
gan$ laut von öen €reigniffen, öte in 6er Cuft lagen 
unö öie man als unuermeiölicf} betrachtete. fjerr pon 
Caffagnac mar natürlich auch ba. 211$ einer feiner Be- 
rannten, 6er Deputirte Denjoy, öie frage an iljpt richtet« 
mit einer Stimme, öie auf jelm Schritte uerftanöen 
meröen fonntc: „Hun, mann meröet 3h r uns DOr 
(Chöre fefcen?" Da fonnte er bereits, obfehon nicht ein» 

• 

geroeiht in öas letzte unö h^f tc (ßeheimnig, fo 6och 
füger Ahnungen poü, in öerfelben tTonftärfe antmorten: 
,,3d} h°ff c / me * n Heber freunö, öag es balö geflohen 
miröl" 

Die Pforten öes (Empfangsfaales fdjloffen ftch, öie (Säfte 
feierten h«m. Da fchlichen öie fjerren öe ZlTorny, öe 21Taupas 
unö öer (ßencral öe St.*2(rnauö sum Prinzen. 2Hocquarö 
mar fchon ba; öer Cieutenant«CoIoneI öe BcuiUe, £>röonnan$- 
offi$ier öes prinsen, muröe erft gegen ZHitternacht gerufen. 
Mes mar bereit. Das Defret öer tfammerauflöfung, Me 
Prodamation~~an öie Armeen, öer Appell an öas Volt maren 
unter$eichnet. De UTorny accevtivte als ZHinifter öes Jnnern 
öie gan3e politifcr)e Derantmortlichfeit, Saint« 2frnauö fpradj 
gut für öie mtliiärifchen Operationen als Kriegsminifler, 
2TIaupas ftanö als Potyeipräfect für öie Sicherheitsmagregeln 
ein. 3 eoer fömor, feine f)aut $u magen unö im Hothfaüe 
fo theuer als möglich $u uerfaufen. €s muröe uerabreöei, 




. I . 

I 



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278 

6ie Verhaftungen Scr/lag fecr)s ein Piertel 1% auszuführen, . 
um fea?s ein Ijalb Uh r 6ie (Truppen aufmarfcr/iren $u laffen 
un6 Punft fteben Uf?r mit 6em #uflöfungs6efret un6 bcn 
Proflamafioncn 6ie ZTTauem uon gan$ Paris 3U be6ecfen. 
3m getivaum einer Stun6e mugte alfo 6er £)auptcoup roll* 
Sogen fein. <£r war's. (Taffagnac mar nid}t öabei. Das 
wurmt ilm ^eute nod). <Er baffe bei 6er eigentlichen tTfjat 
6as Hacr)fer/en. 2TCan gönnte ihm fein anöeres Qelöent^um 
als 6as 6er $ebet~ 

Dafür gemährt es ihm einige (Scuugtlniung, einen 
in bie Protofode 6er <0e^cimpoli5ei getljan $u haben, unb 
heute 6er IDelt er$ählen $u fönnen, wie lacr/erlicr) ftdj 6amals 
6er feiige (Thiers bei feiner Perhaftung aufgeführt, ZITachen 
mir ihm 6as Vergnügen, feine €rsählung 3U hären: 

„fytt (Thiers lag im tiefften Schlaf, als '6er poltjei« 
Kommiffär fjubaut sen. in fein Schlafzimmer 6rang un6 6ie 
earmoifinrothen, mit weifer Zttouffeline gefütterten Damaft- 
Vorhänge auseinan6erfchlug. ptöfclicr) fährt er aus 6em 
Schlafe auf, richtet ftd} im Bette auf, reibt ftcr) erfchreeft 6ie 
2fugen, über meldte eine roeige baumwollene Hacr/tmüfce ge- 
sogen mar, un6 ruft: „De quoi s'agit-il? Was gibts?" 

„Beruhigen Sie ftcr), man timt 3h nen nxdfis, wenigftens _ 
trautet man nicht nach 3h rem £eben", antwortete 6er 
Commiffär, 6enn §err (Thiers mar gan$ entfefct; ich fomme 
um Ijausfucfmng bei 3*?"*n $u galten". 

„IDas magen Sie jüj V xer 5 U thun? IDtffen Sie, 
6ag ich Hepräfentant 6es PoIFes bin?" 

„^awolfi, ohne «Zweifel; aber ich * ann °i* Aufträge 
nicht 6iscutiren, 6ie ich empfangen h<*be". * 

„2lber mas Sie 6a beginnen, ifl ein Staatsflreicr/!" 



. » 

> • 



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279 



„ZtTonfteur Cfners, id> fyabe auf 31?re 3nterpetlarioneit 
nicr/t 3u antworten; faben Sie öie <5üte auf3uftef>enl" 

„Bin icr) allein in öiefem £ail ober gef?t es meinen 
Collegen ebenfo?" 

„Das roeifc icfy nidjt, mein fjerrl" 

Cln'ers ftanö auf unö fucr/te ftcfj ansufleiöen. €r $09 
fein HadMemö aus, unö pergeffenö, öas an6cre ans^ief^en, 
freu$te er feine 2lrme über 6er Bruft unö begann aufs 
Heue feine 3nterpeIIationen an öen Commiffär 6er poli$ei 

„IDas Sie 6a treiben/ fann Sie aufs Sdjaffot 
bringen!" ' ' 

„ZHonfteur Cljiers, tdf als mcinc * u 

erfüllen". 

„IDenn id> 3lmen aber eine Kugel öurd> 6en Kopf 
jage?" 

„€iner folgen Qan6lung Italic icr) Sie nidjt fäfyig, §ert 
tEl?iers; ia? fyabe mid> je6ocr? auf alle $äfi*e porgefefym unö 
tpür6e tpol?! im Staube fein, Sie 6aran $u perfn'nöenu 
307 l?abe öurdjaus feinen Auftrag, mit 3fnten ju ötscuttren; 
icfj poityelje 6ie mir gegebenen Befehle, nrie tefj 6ie 3f>rigett 
poü*5ief?en u>ür6e, u>enn Sie ITtinifter 6es 3"" ern n^ren". 

€rfucr)t, 6as Simmer 3U perlajfen un6 mit 6em 
poiiseimann ab3ugefcn, u>ur6e er perlegen un6 erfaßten 
ängftlidj un6 ^ögem6 in feinen Bewegungen. XTCan lief 
ir>n glauben, 6ag er *blof? jum poliseipräfecten geführt 
u>fir6e. Die Hicr/tung, 6ie 6er IDagen etnfctyug, rerme^rte 
feine Befürchtungen unö er ftrengte ftd> an, öurdf allerlei 
perfängiierje unö 6rofyen6e Haifonnements öie Agenten 6et 
polijei pon 6er (Erfüllung ifyrer Obliegenheiten absujieljen. 

3n 2Ha$as angelangt, fragte (Thiers, ob man iljm 



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280 



feinen getDöljnlicr/en 2Ttifcr)faffee geftatte. TXlan überhäufte 
ifw mit 2Iufmerffamfetten, foroeit es 6ie Umftänöe erlaubten. 
€s mug je6odj eingeftan6en u>er6en, 6ag tyn fein WXuti} 
poü*ftän6ig perlieg un6 6ag 6as proiofoll 6es Commiffärs 
fjubaut mit graufamer (Benugtljuung des deTaillances 
interieures conftatirt" 

2lus 6er Porgefdn'djte 6es Streiches r)eben mir folgende 
pifante €pifo6e fyeraus, nidjt nur roeil jie ben Stempel 6er 
tfufricr/tigfett trägt, fonöern aud} ein intereffantes Streifüdjt 
auf fjerrn Houfycr, ben nodj immer gefdjäftigen fjäupt« 
ling 6es Bonapartismus uno polittfdjen Dormun6 Culu's, 
n?trft« 

„(Eine erfte #bre6e u>ur6e am [\. &ugufl \Sö\ in 
Saint «CIou6 getroffen. Cags $upor befanö ftdj bovt fytt 
2?our)er in Dienftangelegenfjeiten un6 6er Prht3 • prüft 6ent 
fagte $u ir/m: „^Horny, perfigny un6 <£arlier Fommen 
morgen fytv, um im parf mit mir $u jagen. Her)men Sie 
bod) aud) an 6er Partie t bei II" f)err Xoufyer entfdjul6igte 
[idft 6a er fein 3ag6liebl?aber fei, roorauf 6er Prin$ ent« 
gegnete: „Hun, 6ann fommen Sie $um Diner, aber fajon 
rea)t frü>!" 

Tille erfdjienen pünftlidj. ZTTan perfammelte (taj in_ 
einem Saale, in tseldjem ein Cifdj mit Sdjreibmaterial 
bereit pan6, un6 fjerr Xoufyer nal?m, n?ie 6ie 21n6eren, tpeldje 
auf Derabreoung su fyxnbein fa^ienen, auf einem Seffel plafc. 
tDie groj? roar nidjt fein €rftaunen, als ir)m eröffnet würbe, . ' 
man rjabe ftdj 3ufammen gefun6en, um Decrete un6 Proclama« 
tionen aufsufe^en; 6iefelben, meldje 6ann audf tpirfliaj am 
3. December gebraucht umroeiu 

„IDas taufen6", rief er ladjen6, „man perfijtpört ftdj 




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- 

I 

\ 

— — 

• 

fyer aifo? Hütt, 6a Sie tflle an 5cm (Eomplot tljetlnefjmen 
un6 miij in's (Bcljeimnig sieben, fo toiü tei? getroft mit* 
confpiriren". Damit ergriff er 6ic £e6er, unb mit ben 
juriftifäjen 06er a6mmiftratipen Wormeln bejfer pertraut, als 
6ie 2ln6eren, warf er fofort mit jenen Sdjriftftücfen eine Utt 
von prolog 511 6er Dcrfaffung Pom 3anuar 1852 aufs 
papier; 6er prin$ gab 6en <5run6gc6anfen, 6ie Raffung mar 
6urdjaus Xoufyers IDerf. 

Had> pollbracfjter Arbeit lief 6er prin3 feine Blicfe über 
6ie Decfengemälbe 6cs Saales fdjmeifen un6 fagte 6ann $u 
feinen pier ittitarbeitern : „IDiffen Sie, meine Serien, mo 
mir uns bepn6en? 3n 6emfelben Saale, in meinem 1830 
6er IHarfdjall ZUarmont feinen Degen 6cm Qersog pon 
2(ngouI6me überreizte. Hun 6enn, 6iefen Degen, 6er fo 
lange treu gef odjten fyrt, nehmen mir jefei an uns, um ifyn 
in 6ic §än6e 6es Polfes $urücf5ulegen". <£s mar 6ics 6as 
erfte 2HaI, 6ag 6er prinj ftcfj fyrrrn Houfjer offen anper- 
traute. Kur5e porljer fyatte er nur einmal im <£lyf6« 
gegen ilm 6ie IDorte geäuger t: „ZTtein <5efd}icf Ijat fidj nodj 
niajt erfüllt; tc$ mer6e Kaifer fein". - 

Sefyr cfyarafteriftifcff fm6 auc^ 6ie 2tnef6oten, meiere 
Caffagnac über 6en intimen journaliftifdjen Derfefyr auftifdft, 
6en er mit Ztapoleon länger als fünfun6$man$ig 3 a fa e als 
He6acteur 6es~„<£onftttutionnel", 6es „poupoir", 6es „pars" 
u. f. m. unterhalten fyxt 

Dag 6er prin3«präfi6ent un6 fpätere Kaifer fid} feiner . 
un$äfjlige ZTTale gegen feine eigenen ZHinifter un6 gegen 6ie 
Kammern be6iente, tfm im Amtsblatt un6 auf 6er (Tribüne 
in 6en entfd7ie6enften 2tus6rücfen 6esapouiren un6 6ann 6urdj 
21Toquar6 un6 Conti pertrauliaj etnla6en lieg, nur tapfer in 

« 



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282 



6er eingetragenen Balm 3U perfyarren, ersaht (Branier 
6e (Eaffagnac als 6ie natürliajfte Sadje pon 6er IDcIt un6 
fogar 3um befon6crn Preife feines f)errn un6 ZTTeifters. 
€inmal mug Houljer als 3uftijminifter if^n auf Anbringen 
6er Kammern jhrafgeriajtlidj perfolgen; er n>ir6 $u 5000 £rcs. 
perurtfyeilt, un6 foglciaj überbringt ilmt 6er Cabinetscr/ef 6es 
Prin$pra , ft6enten, tfugufte Cljepalier, nidjt Mos 6iefe 
5000 ^rcs., fon6ern audj nodj 6ie gleiche Summe als 
präfent für feinen Pertf?ei6iger. Tlod) fjübfajer aber ift 
folgen6e «Befdn'djte. 

„€ines 2lbcn6s, fürs nadj 6em 2. December, u>ar 
im €lyfee €mpfang. Per prinj faf, eine Sdjale €is 
nefnnen6, auf einem (Eanape un6 ipinfte mir, neben ifym 
plafc $u nehmen. „Caffen Sie ftd? ein gefrorenes geben", 
fagte er $u mir, /; un6 nehmen Sie, inoem Sie es per$efyren, 
6ie richtige Haltung an, ipie 3 cman &/ *>°n ntic aus- 
gefällten u>ir6. Der belgifdje <S5efan6te fyxt fiaj foeben 
bet meinem ZTCinifter 6cs Beugern über einen tfrtifel 
6es „Constitutionnel M befcfjtoert, in meldjem Sie meine 
Pläne ettpas gar 3U offen enthüllt Ijaben. Sie ftn6 fonft 
6ie «gurücffyaltung felbß un6 es ift 6ies 6ie erfte Unbe» 
fonnenfjeit, 6ie 3*? nen entfer/lüpft ift; aber es ift nun. 
einmal gefdjefyen un6 idj bin eine <5enugtf?uung fdjuI6ig 
XOäxe iaj eine fdjöne £rau un6 fyätte mein <5atte 6en 
Vctbadft, Sie feien mein Ciebfjaber, fo müften roir, 6amit 
unfer Derfjältnif fortbewegen fönnte, fcr)einbar mit einan6er 
brechen. Hun 6enn, feien wir, um je6en Der6acr)t 3U 
befeitigen, auf ein paar Cage übermorfenl So piel \df 
n?eig, jtn6 Sie für morgen bei mir $ur (Tafel gela6en; 
fommen Sie Heber nidnM Sie n>er6en fld) fpäter fd>a6!os galten". 



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283 



Tladf 6icfen tfufscidmungcn $u urteilen, wat übrigens 
Hapoleon III., was audj von anbetet Seite betätigt voitb, 6er 
eifrigfte 3ournaIift feiner Seit. Hiajt nur infpirirle er fünf 
ober fedjs Blätter auf einmal un6 darunter aua? foldje, Me 
3um Schein gegen feine Regierung Dppofttion maxien; er 
befpradj fta) aua> pcrfönlia> mit 6en 8e6acteuren un6 
Brofdjürcnfdjreibern, falj ifyrc Correcturbogen 6urcfy, öiscutirle 
6ann n>ie6er mün6lidj feine €inu>en6ungen un6 (ßloffen un6 
gab ilmen fogar nia)t feiten eigenf>än6ig gefdjriebene 3n- 
ftrudionen. 211s im 3 a *? rc \B67 aus feiner Sdjatulle 6er 
„<£ten6ar6" gegrünöet nwr6e, unterhielt fid} 6er Kaifer mit 
fjerrn &ugufte Vitn, ben er $um £r/ef»2£e6acteur auserfefjen 
hatte, tpie irgen6 ein ^citun^suntetne^met von Beruf. 
„tDarum" fragte er Pitu, „tparum, glauben Sie, fyxt 6er 
„Jigaro" fo grofen (Erfolg?" Ditu, 6urdf 6iefe Dertraulid}- 
feit überrafdjt, tpugte nidjt, u>as er antworten follte. „UTeines 
€radjtens befäalb' 1 , fuljr 6er Kaifer fort, „tpeil er lauter 
fur$e un6 mannigfaltige 2XttiUl bringt, pon 6enen je6er ein 
an6eres tCfyema befyan6elt". Hapoleon III. ^atte in 6er 
(Tfyat eine befon6ere Porliebe für foldje fur$e (Entrefilets, 6ie 
er gelegentlid} tpoljl aud> felbft ffi^irte. So gab er 5. B. 
eben für 6ie erften Hummern 6tefes „<£ten6ar6" l?errn 
(Sranier 6e Caffagnac in eigenfyän6igen Roten 6as Zftaterial 
$u fünf TXttitetn, in melden 6iefer, u?ie er ftd} aus6rücft, . 
6en tfTiniftem, mit 6enen 6er Kaifer n>ie6er einmal in 
IDi6erftreit n>ar, ein r/eilfames #pertijfement erteilen foüte» 
Ditu felbft, auf 6effen Pcrfdjroiegenfjeit man nidjt redmen 
fonnte, erhielt 6ie 2CrtifeI aus 6er Staats6rucferei (I) fertig 
gefegt un6 erfuhr erfl neun 3aljre fpäter, pon a>em fie Ipt* 
rührten; Caffagnac aber mufte je6en #rtifel Dörfer in 6en 

* * * 

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m • 

(Drilerien porlefen un6 öabet 6em Kaifer 6ie betreffen6cn . 
Holen surücfgeben, tporaus, beiläufig gefagt, fyerporgefjt, 6a£ 
6er lefcte auaj in ifm nur ein bcfdjränftes Pertrauen 
gefegt fyit. — 

IDenn man 6en erften 3an6 Oer Caffagnac f fd?en 
Stufjeidmungen genau 6urdjftu6irt uno ein Bü6 6er 
Dorgef dn'djte 6cs Staatsftreidjes gewonnen • Ijat, fann 
man ftdj 6er Dertpun6eruug nidjt enthalten, n>ie es möglia^ 
getpefen, 6af? eine fo glän$en6 begabte, freif?eitöürften6e 
Hation einem folgen geipattfamen (Saunerftücf 3um £>pfer 
fallen fonnte. <£s ift 3ur tfufflärung 6iefer pcrblüffen6en 
Cljatfadjc fa?on ungeheuer piel (Einte perfdju>en6et ux>r6en 
un6 6oa> ift es bis ifjeute faum gelungen, Polles Cidjt 
in 6iefe 6unfle partie 6er franjöftfäjen Potfsfeele $u 
bringen. 

Das jroeite tfaiferreidj fyat 6urd? feine (griffe^ felbft 
bemiefen, 6af es ein berechtigtes <5lie6 in 6er unen6lidjen 
Kette Ijiftortfdjer Hot^meu6igfeiten gemefen. 3 u 9 e 9 eDen - 
21 Hein 6er Porgang im Dolfsgeifte, 6er 6ie (Einfügung 
6iefes <5lie6es ermöglichte, ja for6erte, bleibt nia?ts6efto« 
tpeniger fd}u>er porftellbar. Das bonapartiftifaV Drama 
fpielte ftdj fo rapi6 ab un6 6er Porfyang ging über 
eine fo entfefclidje Kataftroplje nie6er, 6a§ 6ie 5 u f^uer 
erft nadj einer Äeilje pon Jahren ftd? pon 6er €motion 
hinlänglich erholt Ratten, um 6as (BeljeimnifpoIIe in 6er 
<£rpofttion 6es Stücfes $u gewähren un6 nad} einem 
Sdjlüffel 3U feiner <£rflärung $u fudjen. 

Der Homanrier €mile Sola, eben fo freimütig 
als gefdneft, 6en Hagel auf 6en Kopf $u treffen, I?at 
6iefes (Bebtet in feiner jüngften Sdjrift „La RSpublique 




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• • • ' .1 

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285 

— » ■ • 

et la Litterature" mit ein paar IDorten geftrcift, bie 
uns im Ijödjften (ßrabe ber (Erwägung mcxti) fdjeinen. 
äußert fidj folgenbermagen: 

„Das stucite tfatferreidj ift ju Stanbe gefommen, mcil 
bie Hepubltf bas £anb mit Derbrug erfüllt Ijatte. Die 
Hepublif trug ben tE^atfaa^en nicfjt 2?edmung; ftc fümmerte 
fidj nid?t barum, einem Beöurfniffe $u entfprea^en, fonbern 
perlor fidj in fyofylen €rflärungen, in ermübenben Saufereien, 
in ben perfdjtpommenften unb unpraftifdjften tTfjeorien. 
Pergcgempärtigen mir uns biefe Periode 6er Hepublif von 
\Q<{8. 2tüe ifyre DerfuaV fc^Iugen fef?l, roeil fein einziger 
auf feftem Boben rul)te. Sie per$el?rte ftdj in einem 
f)umanitätsgefafel, in einem rein fpeculatiuen Soeialismus, 
in romantifdjer Hfyetorif un6 in einer geariffen Keligiofität 
beiftifd?er poeten. Don ^ranfreidj felbft, bas fie regieren 
wollte, Ijatte fie niemals eine flare Eorftellung. Sie ipollte 
mit bem Canbe erperimentiren, wie mit einem tobten 
Körper. <5ewijj, 6ie IDorte Wangen ganj fyerrliäj: ^reiljeit, 
(ßleidjljcit, Brüberlidjfeit, (Cugenb, €ln-e, Daterlanbsliebel 
2Ibcr bas waren eben nur H)orte; 5um Regieren gehören 
«Traten. Denft €ud? einmal redjt würbige unb redjt gute 
211 duner mit ben beften Ztbftdjten von ber ZDelt, meiere in 
ein £anb einfallen, pon bem fie abfolut nidjts fennen unb 
audj gar nidjts fennen wollen, babei aber bie merf würbige 
3bee perfolgen, auf biefes irmen unbefannte Canb ein rein 
tfyeoretifdjes Hegierungsfyftem anu>enben $u trollen. Die 
notfjwenbige ^olge wirb fein, ba§ bas Canb, in feinen aU* 
täglidjen Cebensgewolmfyeiten geftört, ftaj über furj ober lang 
bas (Experiment perbitten wirb — unb bie Dictatur ij* ba. 
Das t)at man am 2. December gefefyen. ßtanhtxd^ k** 

* m * * 

■ • 

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«inen fjerrn acceptirt, weil es enMid? mü6e mav, fich feit 
$rei 3 a ^? re « *? m uno werfen $u laffen, olme 6aß man 
«ine erträgliche £age für 6as £an6 $u finöen Dermodjt 
hatte .... ." 

Das ift es. Die in ihren Cebensgemohnheiten geftörte, 
in i^ren foeialpolitifcrjen Begriffen perwirrte, in 6en noth» 
u>en6igften Bc6ürfniffen unbefrieöigte Hation i>er$n>eifelte an 
$er erlöfenöen Kraft 6er republifanifchen Staatsform. Sie 
fah in 6ein Dictator ihren IPo^Ithdter un6 Erretter. Das 
n?ar ir)r Hecht un6 — il?re Scrjan6e $ugleich- IDar oic 
£)!?nmaa7t un6 Unfähigfeit 6er ftaatserhalten6en Polfs« 
manner wirf lieh fo groß, 6aß ftd} ^ranf reich an einen 
ehrge^igen, rücffichtslofen, meinei6igen Kaifer«Phantaften 
wegwerfen mußte?! 

. Collis Hapoleon gewinnt 6urch 6ie <£affagnac'fchen Ent- 
hüllungen we6er als ZTTenfch noch aIs Qerrfcher. IDir 
«rbliefen in ihm nichts weiter als einen fchlauen Böfewidjt, 
•6er 6ie Verlegenheit un6 augenblickliche Hotlj einer Hation 
für ftch ausbeutet un6 6as weniger in feine perfon, als 
Dielmehr in feinen Hamen gefegte Vertrauen mißbraucht 

€s ift fdjwer $u fagen, was 6en f)errn r>on Caffagnac 
getrieben h a */ Qft&bt in 6iefem 2iugenblkf, n>o 6ie 6ritte 
^Hepublif feften So6en gewinnt, mit feinem Kaiferflatfch in 
<6ie £)effentlichfeit $u treten. ZDollte er einem ©ierten Hapoleon 

■ 

*ie Schwarjfunft lehren, wie man einen pulgären Stuhl über 
Vu\d}t in einen Kaifertfjron perwan6elt? <£in folches 
pripatifjimum pflegt man nicht an 6ie große (ßlocfe $u 
hängen. Eine Ehrenrettung 6es Decembermannes fann 6as 
-Buch weniger bejwecfen, 6as faft auf je6er Seite 

Dinge er$ählt / 6ie 6en ehrlichen Bürgerftnn mit <5rauen un6 

. ■ 

* * * » • * 




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287 



2Ibfo?eu erfüllen muffen. Sei es aud> roas es wollt, vieb 
Uxdit felbft nur eine literariföe Speculation, 6ie bonaparttftifdfe 
Partei u>ir6 ftaVriia? menig Segen 6apon Ijaben. Pen 
Kepublifanern pon rjeute hingegen fönnen öiefe (Erinnerungen 
als ein einbringlidjes ZTCemcnio Menen, um 6ie ^efyler 5U 
permeioen, tpeldje 6er bemof ratifdfen Bewegung pon \8<k3 
einen fo perrjängnigpollen Ausgang bereiteten. 

3n 6er grofen Hepubüf jenfeits 6es Oceans foü eine 
ftarfe Hadjfrage naa? 6em <£affagnac'fd?en 3ua> fyerrfdjen. 
Die Heugieroe 6er Hmerifaner ift begreifüdj. Zflan liest 
mit 6oppeItem Pergnügen gut erjagte Häubergefdjicfften, 
rponn man fta^er in feinen pier Pfählen u>ol?nt un6 fa meit 
fjerr feines eigenen Polfsfdncffals ift, 6aJ man pon 
gefrönten Abenteurern nichts 5U fürdjten brauet. 



<£s a>ar am legten ^afdjingstag, am Mardi gras 6es 
gemeinen 3aljres \87$ f wie 6er Kalen6er perfta^rt. €in 
grauer ^immel r>ing über ^ranfreia^. Die pielbelobte 
Atmofpfyare pon Paris fyatte ftdf in luft form igen Kotlj per- 
ipan6elt. Die Hepublif ftarrte pon Sdjmufc, Cangetpetle, 
trübfinnigen Ahnungen un6 profa 6er Caffagnafen , pere 
et Iiis. 

Derjipeiflung bemädjtigte ftdj aller (Bemütfyer. Denn 
6er edjte Camepal ift ein Prinj un6 refpectirt fid? feibfl 
piei $u fefyr, als 6af er feiner lDür6e etipas pergeben un6 
6as unglücfliaV republifanifa^e Can6 mit feinen legitimen 
Späten fyätte erweitern mögen. 

Polijet un6 Diplomatie gaben ftdj jmar alle eroenfltd?« 



*. 



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288 



lYlülp, Stabt unö £anö mit einigen nierjt übel erfunöenen 
Scfyer$en in öie erfelmte ;fafdn'ngslaune $u bringen* unö öie 
£uft an öem gefefclid} erlaubten Ijör/eren Blööftnn, 6er $u 
einer gefunöen IDelt« unö Staatsperöauung fo mefentlidf 
beiträgt, in öen perööeten republifanifajen Qerjen roieöer 
rjeimifdj 3U maa>n. * 

Selbft öie Spifcbuben, ein 11007 nidjt Innlänglidf 
refpectirter unö nadj Peröienft befjanöelter ilTenfäVnfcfjlag, 
legten ftdj mV XRittel unö perfudjten $ur Belebung öer 
einfamen piä|e unö Strafen öer IDeitftaöt näa^tlicrjc 
Ueberfällc, Haubpergnügungs$üge, unö äfmlidj Furjmeilige 
Unternehmungen 3U organiftren. Die fogenannte öffent- 
liche Unftdjerfyeit nafmt plöfclid} einen fo nadjörücfliajen 
#uffcr}tpung, öaf man ftd} fdjon in öer Hoffnung ipiegte,. 
menigftens einen Carnepal a la Sdn'nöerljannes feiig 
in Paris auf öie Beine gebradjt $u fer/etu 

Übet audj öie gefällige 3nterpention öer Spi^buben 
mar pcrlorene Ciebesmür/' unö fagte öem unergrünölidjen 
<ßefcr)macfe öes publifums auf öie Dauer nidjt ju. Die 
(Einbürgerung öer Weiteren Sitten unö öie Cultiutrung 
öer Späge ä la Sdnnöerfymnes oöer tfinalöo Hinalöini 
fliegen gleiaj im Anfang auf rjartnäcfige Porurtljeile,^ 
mit öenen öer Pari f er bis unter öas tEou pet pollge« 
pfropft ift. £> öiefer pielgerüfymte Pariferl €r ift öer 
boefbeinigfte plnlifter, öen öie gcöulöige €röe trägt. 

Die liebensmüröigen Spi£buben liefen $n>ar in ifyrem 
eölen, aufopferungsfüdjtigen €ifer nidjt gleidj nad), fonöern 
raubten, plünöerten, prügelten unö moröeten frifdj örauf 
los, f ur$, infeenirten einen fo genialen Briganten»CarnepaI, 
öaf man ftcr) er/er in öen munöerbar romantifdjen 2lbgrünöen, 



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un6 ^ofjltpegen 6er 2Ibru35cn, als in 5cm geradlinigen unö 
wie ein Sdjadjbrett überftdjtlidfen paris su befin6en meinte. 
21llein fie r/attcn, tpie gefagt, roenig Danf 6apon. Sie nmroert 
fdrlieflid; pon tarn fdjledjten Junior 6er Bürgerfdjaft über- 
wältigt unb mit Surjilfenaljme 6er perftärften Sd>ut>mann- 
fdjaft an 6er fyftematifd>en Durchführung ifjrcs ingeniöfen 
Carnepalprogramms perfyinocrt. ^reie IDolmung uno 
Beföftigung im 5 cu * en 9 c fängni6 $ u ^Tfaias jpar Xlles, roas 
fie für ifyre Bemühung, Paris $u beleben un6 munterer $u 
madjen, $u6ictirt erhielten. 

Der ^fa^ermittnjodj ftan6 por 6er (Efyür — nn6 6ie 
republtfanifdje lDeltfta6t mar wiebev fo langmeilig ftOTer, 
wie $upor. 

Tlad) 6cm mifglücften Derfudje 6er Spifcbuben $erbrad}en 
ftd? 6ie bie6eren ittefcger un6 IDurftler 6ie 6icfen Köpfe, 
um eine 36ee $u fin6en, mit 6er fid) 6er lefcte 2?ejl 6es 
bauferotten Jafdjings«3ures retten liefe. Zlad) ungeroölm- 
lid^en Denfübungen un6 einer perfd}roen6erifdjen Confumirung 
pon <Befnrnfd?mal$ präfentirte ftdj irjnen 6er (Einfall, 6ett 
fnftorifd>en „Boeuf gras" mie6er aufleben ju laffen. €r 
follte, befdjloffen fie, nadj närrifdjer Dätermeife am faß» 
nad>ts6ienftag im €riumpr)$ug 6urd) 6ie 5ta6t geführt 
. n>er6en. . . 

fürtparjr, 6er <Be6anfe wat preisu>ür6ig. Das meiern» 
djolifdre Paris r)atte fdjon lange feinen (Triump^ug meljr 
erlebt, 6af felbft ein triumpr)iren6er £>djs mit 6em pompöfen 
(Befolge fy>l6enr)after ?fte$ger Un6 IDurftler ein an$ieljen6es 
Sd?aufpiel geboten Ifitte. 

f)an6 6es Derrjängniffes! tfudj 6er 5afd)ings-£)d}s 
Farn -nid}! 5U Stanoe. Sei es, 6af 6as ausertpät}lte Qont* 

ITT. «. Conra», püHfuma. 



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_290 

viel) im legten 2Iugenblicf feine ittittpirfung per fugte; fei es, 
öaß öie ehrbare Sd}lädjter$unft felbft pon öer graffirenöen 
<£arnepaIS'H)eInnutf> plöfelich ergriffen wavb: ein öidjter 
Schleier breitet ficr) über öas Ockfen .ZllYfterium 6er elften 
;$afchingsftunöe. Kein £ipeifel, felbft öer autfyentifdje X>ict>« 
ftanö pon paris fyitte (ich öie öffentliche Carnepalsfreuöe 
perfagr unö mollte nicht sunt Zttitfchulöigen 6er jubelnöen 
^epublif tperöen. 

<£in öumpfes 5cr)meigen brütete über öcn Bouleparös, 
öie ftdj roie enölofe Steppen im unöurchöringlichen Hebel 
perloren. 2llles füll, grau, feucht . * . V 

Der3n>eiflung über öie unaufhaltbare Hieöerlage öes 
fjumors, über öas Seöan öes Carnepals hatte ftd} jeöes 
guten Bürgers bemächtigt. Stile republifanifa^en fersen 
waren wie sufammengefdmürt pon öen Stauern öer ent« 
fd?eiöenöen Stunöe. Der tffchermitttpoch öämmerte örohenö 
herauf mit feinem unperöaulidjen Stocfftfcr/. Hirgenös ein 
närrifcfjer fjoffnungsftrahl, nirgenös eine rettenöe Chorhettl 

Dunfle Selbftmorögeöanfen faßlichen ftd} in öas <5ehirn 
öer IDeltftaöt, öie öiefe Schmach bes negatipen Carnepals, 
öiefe öeclarirte 3mpotenj öes Spaces nicht überleben mochte. 
<3n?ei Millionen Bürger griffen in öiefem Ztloment mit 
Sittemöer fjanö nach öer ßiftphiole ..... 

fjord}, öcl Hingt es in öen Cüften, erft leife, öann lauter, 
unö immer lauter, urie ein dfydrirari pon un$ähligen 
Schellenfappen, wie eine Symphonie toöesmuthiger Harrheit 
in rafenöer Steigerung, tpie eine £>upertüre pon einem 
2TTonftre'£)rchefter perfchollcnen Cäfarempahnftnns , pon 
einem öreifad} poten5irten Hidjarö IDagner inftrumentirt, 
im öämonifer/en (Taumel öer (ßeifterftunöe! 



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I ■ 

29\ c ' 

Pas pei^itvifclte Paris traut faum feinen Oljren bei 
5cm ungeu>öfmlid}en Klange. 3f* cs cm infernaler Spuf 
IcgitimiftifaVr mäcfyc? Sollte n>irflid> 6as XDun6er , 
ereignen, 6a£ 6er prins CarneDal in 6er legten 2Hinute, 
pom 2ttit(ei6 erfaßt, mit feinem närrifdjen fjofftaate ficfj 
6er unglücf Hajen Btabt noa) flüdjtig seigte? Das €len6 
madjt ja fo mißtrauifdj! 

Un6 paris rif feine ZKillionen tfugen weit auf un6 
fpifcte feine ZHillionen £>fyren. Der Hebel tfyeilt fta^ plöfclid}, 
u>ie von einem 5 au ^ er f ta ^ berührt, un6 flattert in ;fefcen 
auseinan6er. Der Cärm «>ir6 toller un6 toller. 

(Es ift feine ^aüueination ! 

^ürtDafn*, es ift 6er prinj, 6er leibhaftige Prinj 
Carneoal, un6 um 6ie erlöfcn6e Komi! feiner <Erfd)einung 
nod? über$eugen6er 3U madjen un6 6en legten <3n>eifcl nie6er- 
jufdjlagen, ijat er ftdj in 6ie 2Hasfe eines prinjen pon 
(ßeblüt geflei6et — 6er ^afdjing foroert 6iefe ^reifyeit — 
in 6ie ZHasfe 6es Prinjen Hapoleon, 6es unfterblid^en 
€ulu! ' ' . 

3au>ol?l, 6as ift er, bis auf 6ie Hafe, bis auf 6ie 
crfaiferlidfcn Sdjlotterbeine, bis auf öas„ilnausfpred?licf?e. 

XDie eine U)in6sbraut, fauft er mit feinem 2Infyang 
über 6te Xuine 6er Cuüerten, flettert 6ie Penoome« Säule 
empor un6Täft ftdj rittlings auf 6en ehernen Sdjultem 6es 
<5rof onfels nteoer, n>äljren6 ftdj um 6en Sdjaft Caffagnac, 
Dater un6 Sofm, Xouljer, OUirier un6 tutti quanti gleidf 
Ieben6igen <25uirlan6en u>in6en. 

Culu fdjüttelt feine Kronenf appe, 6er Cärm oerftummt . 
Don 6er Hotre« Dame tönen jarilf feierlia^e Sa^läge herüber. 
Der Prinj <£arnet>al räufpert ftdj un6 perliefl fein 2Hanifefl: 



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£ulu befriegt bic $ulu5, 

f nlu beilegt bie Kaffern! 

Wenn £ nlu nidjt }u bell §nlus ging, 

Die Kaffern achteten ^rünfreidj gering. 

Weil t ulu 5U ben gulus geht, 

Das Kaifcrreicb neu auferftcht. 

Sei luftig, o ^ranfreid^, fei fre^fibel, '. 

Der £nlu ift bein mit £ eib unb Seel 

Bei je6er pfyrafe, bei jeöem Wort fiel 90115 paris auf 
6en Band) un6 wälzte ftd) in Cadjfrämpfen. — 

Seit unpor6enfltdjen h a ^ e nian Mwm foldjen 

3ur erlebt Die <£fyre 6es Parifer £arnepals mar gerettet, 
6ie 2?epubltfaner atmeten u>te6er auf. 

Iiis 6er borgen 6es 2lfdyrmitttPod)s tagte, lag fyalb 
Parts nod) auf 6em Baud). 

Hus 6er 2?eft6en5 pon £fn'sleljur|i aber fam 6ie 
telegrapln'fdje 2Ttel6ung, 6af 6er erfaiferlidje Prins Couis 
XTapoleon ftdj nad? 6em Cap 6er guten Hoffnung etngefdn'fft! 

UDar's carnepaliftifd> Cäufdjung, roar's lDtrflid>fett, 
was man in 6er pernridjenen ZTadjt gefefjen un6 gebort? 

Cfyitfadjc u>ar, 6ag fein ein5iger 6er (Betreuen 6es 
Bonapartismus paris perlaffen. Sie liegen iljren pri^en, 
tfyren 5u^u"ftsfaifer allein jieljen, allein tn's ferne Kaffernlan6._ 

21m \. 3uni aber nwr6e £ulu pon 6en Sdjmarjen 
crfdjlagen. — 

Äoufyer jtefyt ftd) in 6ie Berge pon ^upergne $urücf. 
(Sranter 6e Caffagnac arbeitet an 6er Poflen6ung fetner 
„Souvenirs du second Empire" gemädjltd} tpeiter. .... 

Per 6rttte Hapoleon fyat ein Sdn'cf falstport gefprodjen : 
Das Kaiferreta? ift 6er $rie6e. 

Der Jrteoe 6es (Brabes! " • 

Die blutige Jarce 6er Hapoleoni6en ift ausgefpielt. t — 



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VIEL 



Der Salon \879- 



CaaebucfjMäüet eines unabhängigen 3mpreffton iften. 



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* n 

• * 

I. 

■ I . « 

■ ♦ 

Der Salon öffnet erft im UTai 6er bißerluftigen UMt 
feine Pforten. IDäJjreno 6ie officiefon Kunftridjter ftch noct) 
abmüljen, aus 6cm ungeheuren Angebot Don nahe$u selmtaufeno- 
IDerfen 6er ZITalerei un6 Sculpiur 6ie falonfäljigen Stücfe 
aussulefen, t?at eine (Bruppe pon Sarbenfünftlern, 6ie ftcr) 
„Les peintres inetependants" nennen, ihre trierte öffentlich« 
tfusftellung, eine 2bt IDinfel • Salon, bereits am \0. Tlpvxl 
in oer tfoenue 6el'Op£ra 6em funftftnnigen Publicum 

jugänglidj gemacht. 

Die 5al?l 6er Bil6er beträgt sa>eihun6ertfechsun6Dtcr$ig, 
6ie 6er autonomiftifchen Husfteller nur fünf$ehn, worunter eine 
^rau, ein ^räulein un6 ein ffo6ter, 6er feiige piette, Hquareilift. 
#eif|ig ift 6iefe <5emein6e 6er fon6eibaren ^arben^eiligcn, 6as 
fteljt feft.~~ IDeniger feft i^re neuenmgsfüchttge Prätention. 

früher nannten fte~fich fälanftpeg 3mpreffionifteu. 
Hun l)aben fie 6en Eitel geän6ert — ich a>eig tynen matyc* 
I?aftig Dan! 6afür! — un6 f ^reiben 6as ftoljere IPort „DU • 
Unabhängigen" auf ihre gunftfahne. 

Unabhängig u>ODon? Das ifteie «frage. Pon 6er Schule? 
Das tx>äre fein Unglücf, 6enn 6er freiftnnige pinfel fleht tfityr, 



• t** *w- i ■ in i ~m wm i w ■ - _ j , „, 

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als 6er aFa6emifd> «gopf mit feinen reglementsmägigen 
pomaöen. Vom guten <£>efd>macf? 2(ud> 6as liefe per; 
fyören, fmtemal 6er fyerrfd)en6e gute <8efdjmacf meift nur ein 
fogenannter un6 gar oft ein un3u>eifelfjaft fdjledjter ift. Von 
6er ted^nifd^en Cra6ition? . Das Pcrfuajsfefo ift ein weites 
un6 6as UnbeFannte Iocft 6en ftreben6en Sinn. Don 6er 
fdjönroiffenfdjaftlidjen Ifritif 6er ofpcieüen un6 patentirten 
Pln'lofopfyirer?* Das per6iente allen Hefpect. Das fdmlmäftg 
äftfyetifdje Dogma 6er BudjgelefjrfamFett gilt 6em fd>affen6cn 
KünfHer mit Hedjt als eine 2fbfur6itdt un6 in 6er form 
ausüben6er "Kritif als eine monftruöfe Hngeredjtigfeit 
oben6reim 

Die ZDiffenfcfjaft i>om Sdjönen ift eine „drölerie", pon 
6en pfnlofopfyen erfun6en 3ur größeren ^eiterfeit 6er Künftler, 
behauptet 6er böfe €mi(e £ola. TXlit 6em <5 u fafc: fobal6 
fte mi( 6em 2Infprud? abfoluter XDafjrfyeit auftritt un6 auf 
i^ren Syüabus podjt — fann 6er Sola'fäe Slusfprud; von 
je6em XDofyl6enfer aeeeptirt u>er6en. Die IDijfenfdjaft l?at in 
6iefer XUaterie feine an6ere Ittiffion, als an einem gegebenen 
XDerf einen getpiffen <5uftan6 6es menfdjlidjen (Beiftes $u f!u6iren 
mittelft 6er ^iftorifd^en forfdmng un6 6er tfnalyfe. Deshalb 
l?at fie fämmtlidje artiftifdje ittanifeftationen mit 6er nämlidjen 
Ciebe $u umfaffen, olme ftdj parteilich 3U <5unften einer Sdnile, 
eines Stils, einer form ausjufprecfyen un6 aüeinfeligmaa7en6e 
Kecepte 3U oiettren. 

2Hfo unabhängig tpopon, Messieurs les independants? 
(Ein Bisten pon alle bem, aber lei6er audj von 6er crnftfyaften 
fünftlerifdjen 3 u< *?t u "6, mit wenigen Ausnahmen, pon einer 
reellen Begabnifc. 

Die iHittclmäfigfeit fpielt ftdj gern als unbegriffene 



unabhängige <S>röge, bie tTräg^eit unb Zerfahrenheit als 
geniale llrfprünglidjfeit auf. 

Unb bas ift fefjr bebenflich für bas Auftreten 6er Sectirer 
in ber tfpenue be l*£)p6ra. Denn bie wxttixdf Calentpollen 
Untertanen, bie bas geug unb ben IDillen befagen, ein gutes 
Btlö ju malen, pflegten balb fahnenflüchtig 5U iperben unb 
es ftdj 5ur <£h re 5U rennen, im Salon bas meniger revolutionäre, 
aber befto tüdjttgere unb pon ethifd?er (Energie getriebene Qäuflein 
ber „jeune ecole" perftärfen $u Reifen. 

<gu ilmen gehört ber geartete Canbfdjafter <5uil lernet. 

2Inbere haben ben Perfudj gemacht, ftd} aus ben Heiden 
ber Ind£pendants fortsuftehlen unb im Katalog bes Salons 
ihren pertporreneu artiftifdjen Cipilftanb regulariftren ju laffcn. 
3<^ nenne Cesanne, beffen Bilber pon ber 3 ur Y mit 
ortfyoborer fjartnäcfigfeit pon 3 a *? r $u 3 a *? r $urücfgetoiefen 
worben fmb. 

XDeit fchlimmer, als biefe oft gcglücften, öfter mijr- 
glücften Perfudje ber Jafmenfludjt, erfä?eint mir für bie 
U)ertf?fä)ä§ung ber „peintres ind£pendants M ber anbere 
Umftanb, bafc Qerr 2Tlanet, ber als ber Oberpriefter 
ber Sec'te gilt, es beharrlich perfchmäht, an tr?rer öffent- 
lichen 2lusftellung fidj mit eignen Beiträgen $u beteiligen. 
Seine $\ü}texfäaft ift bemnad^ faum mehr als eine 
platonifdje (Cäprice ober eine gctpollte tTäufdjung. 

Der obengenannte (Buillemet hat bie pon ben Un- 
abhängigen beliebte 2ttaltpeife als peinture au fusil 
bepnirt. €r fpradj bie launige Behauptung gegen einen.* 
Kritifer aus, biefe 2ttaler ftopften bie perfchiebenen Jarben 
i^rer Palette in einen gelabenen ^lintenlauf unb ' fä^ffen 
fie auf eine ausgefpannte weige Cemipanb ab. OTtt biefem 




Di 



Scr)ug fei öas Büö fir unö fertig; 5er Sdjüfce hätte nur 
noch öen (Eitel 3U erfinnen unö feinen Hamen in öie 
rortheilhafteftc €cfe ju jeidjnen, um feinen unabhängigen 
Kubm auf öie Hadjujell 511 bringen. 

(5ur Derftarfung öes (Suiüemet'faVn 2fusfprud}s u?age 
\d) öie Bemerfung, öaf mich 5un>eilen öünfte, bie fjerren 
gälten ihre ^arbenflinte nicht nach Schürenort an öie 
Bacfe gelegt, fonöern rücfroärts öurcr) öie Beine abgefdjojfen. 

Dag übrigens auch öie iHitoelt öiefen fonöerbaren 
Schöpfungen gegenüber nicht gleichgültig bleibt, bavon 
fonnte ich mich bei meinem Befudje in 6er TXvenue be 
I'£5p£ra 5U meinem nicht geringen (Ergoßen über5eugeu. 
Das Publifum n>ar fo tyitct un0 aufgeräumt, n>ie ich 
es im Salon unö in 2TTufeen noch nie gefehen. €s tpäljte 
ftch t>on Saal $u Saal, t>on Eilö ju Bilö, unö fer/üttete 
(ich faft aus por Cadjen. 

2Han fann nicht ltebensu?üröiger Kritif üben. Die 
fjerren €r»3"iprefftoniften rom pinfel, bie ein fäugcnöes 
IDeib unö einen Krautfopf, eine Güterpartie unb eine 
Couliffenfcene, ein Portrait unö einen fauren fjäring, 
eine HebeHanofcr/aft unö ein Canjbein, eine ^lanelljacfe 
unö einen Gauchfang mit öem ungefchpädjten (Entlm^ 
fiasmus ihrer tfugenblicfsfunft auf öie. Ceinmanö warfen, 
fpri^ten oöer fchoffen, fönnen mit öiefem ehrlichen Cadj» 
erfolg um fo $ufrieöener fein, als jich öie gröfere 5 a ¥ 
ihrer # trmnöerbaren XDerfe — laut Katalog — bereits in 
feften §änöen befinöet. Beati possidentes — 

Unö ba gibt es noch Ceute, bie bie alte Phrafe 
nachfdjn)ä^en, als n?är's ein Bibelfprucr), öa(j 6er ßludf . 
bev Cacr/erlicr/feit in öem geiftreichen paris tö6tlich fei! 




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Die anregcn6c, 6as «JiDcrcr/fcll erfdjüttern6c un6 eine 
rafd?erc Circulation 6er Säfte beför6ern6e Ausftcüung 
irährt rolle t>ier tDodjcn. Damit ift allen f)YP<xfy° n0 * rn 
6ie 27 tö^Iidifcit gegeben, eine . Keife in 6ie TXxxnm 6e 
VOp&ra Uro. 28, eine (Treppe fyodj, $u unternehmen. 
Die „-peinture ind^pendante" ift gan$ gen>ig eine t)yq\C' 
nifdje Kunft, eine fjeilfame 2TTe6icin für geurijfe Ceibes- 
bcfdjtt>eroen. Sie erfefct eine foftfpiclige Saoefur. Ein- 
trittspreis ein ^ranc, im Abonnement billiger. 

3% I?abe bereits ftatiftifa} bemerft, 6ag bic 2<$6 
„IDerfe" r>on nur \5 tfünftlcrn ^rrüljren. Jn 6er 5«* 
6cs Dampfes, 6er €leftrieität un6 6er $olln>irthfchaft« 
liefen llmfehr ift <5efd}tt>in6igfeit bcfanntlid) feine fyrerei 
mef^r. Die unabhängigen pinfelführer i>on paris fyxUn 
bas Hämlid^e in 6er Bemalung umfangreicher Ceinman6- 
ftücfe bemeifen wollen. 

3<h mödjtc metten, 6afc fjerr Caillebotte feine 
ausgefeilten fünfun63tpan$ig 3il6cr, worunter adjt porträts 
un6 ein Du£en6 Can6fa7aften großen Jormats, jurifchen 
6cm ^rühftücf un6 6cm ' 2lbcn6brot — „gebürftet" hat, 
wie 6er 2ltelier«2lus6rucf lautet (brosser une toile). 

Cebourg wartet mit 6nifig, piffarro fogar mit 
aa7tun66reigig 3il6ern auf un6 alle nagelneu, frifdj aus 
6cm Cauf gefa^offen. Wclty eine (Bewerbsthätigfeiil 

llud) 6ie Pielfeitigfcit einjelner ZHalermcifter ift er- 
ftaunlich, £an6f<haft, tfrehitettur, Stillleben, portrat, 
2Tcenf07 un6 Dieh ju IDaffer un6 $u Can6 n>er6en i>on 
ein un6 6erfelben l?an6 mit 6cn oerfo7ie6cnften 2lus6rucfs- 
mittcln traftirt, mit £>el« un6 IDafferfarben, mit paftell, 
tfrei6e un6 Blei. . 

< 



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500 

Hur De gas fdjeint ftd? auf eine Spezialität $u ' 
befchränfen. Sein Ptnfei affedionirt ^auptfäc^lia) 6ie leidsten 
(ßefc^öpfe 6er Canjmufe, un6 stpar nur in cinselnen Körper- 
teilen. So ftellt ein Bil6 $mei öer $üd}tigen 3 un 9f rauen 
pom Balletcorps 6ar, tpopon 6ie eine pom Kalmen pon 
oben nach unten mitten entjtpeigefdmitten n>ir6 un6 6em 
neugierigen ^orfef^er nichts 3U fe^en übrig bleib! , als ein 
mäßiger Chignon, ein 2ftm un6 ein Bein. Das ift graufam. 
2(uf einem an6ern Bil6e, „tcole de danse", fe^en u>ir 
linfs 6ie Büfte oes in 6er €cfe I;ocfen6en Ca^meifters, 
n>ä^ren6 rechts ein rotfjes Bein aus 6em Hammen ^erpor« 
gueft. €in Bil6erräthfel? Vielleicht. 

2fm merftpür6igften fm6 6ic geograp^ifa^en 3 m Prefjionen 
6iefer Qerren. 3hr Blicf in 6ie £an6fa>aft genährt uns 
^luffdjlüffe, pon 6enen fich 6ic pulgären Heifen6en mit ihren 
ftumpfen 2lugen feitfjer nichts träumen liegen. 3 c fc* u>ei§ 
man's: 6ie Ware €oire ift eigentlich eine Pfüfce, 6ie trübe, 
molfige Seine bei paris 6agegen ein para6iefifa^es IDajfer, 
auf rceldjem 6ie fonnigen 2?eflere einer tpafjrljaft tropifd?en 
Vegetation gaufein. - * 

Den fjabitues 6er jolies-Bergeres un6 6er Couliffen 
6er BouIepar6«CF?eater n>ir6 ein ironifdjes Cidjt aufgefteeft; - 
6ie artiftifdje Demimonoe ijl nach 6em ^eugnifTe 6er Unab- 
hängigen von einer fabelhaften Qäg(id}fett 

Tim ftärfften geht fytv Caillebotte mit feinem 
^arbentopf in's 5«"9- ^r macht 6ie liebe alte Hatur 
mit einer Sauce an, 6ie auf unfere getPölmKay" #ugen 
tpirft nrie paprifa auf 6ie ^unge. €s empfiehlt fid} eine 
fdjiparje 06er blaue Brille aufzufeilen, um fein »ragoüt 
fantaisiste" gefahrlos mit 6en tfugen per6auen ju femnen. 



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V 



50( 



Couis ;forain ift olme 5n>cifcl ein fcfjarf finniger 
Beobachter des Parifer Cebens; er $eidmet mit grofem 
(Scfchicf und perfteht ein lebendiges Bild mit 2lpIomb ln"3U' 
ftellen. Allein feine farbengebuug ift faum weniger ercentrifch, 
als die Caiüebotte's. 

<£benfo verdient Cebourg als 3c\d}i\cv aufrichtiges Cob. 

Die beflen Bilder, denen unfer (Befchmacf ju folgen 
u>ohl im Stande ift, rühren pon Claude UTonet und 
£räulcin 2UarY Caffatt her. Cefctere fyit eine „femme 
dans la Loge" und eine „femme lisant" ausgepeilt, jn>et 
Bilder, wofür ich 9 ern °* n 9<ro$cn Ceinwand* und färben- 
aufwand ihrer artiftifchen «ßlaubensgenoffen drangeben würde. 



IL 

• ' \s. Ittat. 

(Seffern fand die feierliche (Eröffnung des Salons ^ait 
(gehört der ZDinter mit feinen premieres den ZTTuftfem 
und Dramatifem, fo behaupten die Bildhauer, ZITaler und 
Seichner ihr 2?ecr>t auf den ^rühling. IDenn fich die Opern- 
und Sdjaufpielhäufer 5um Kehraus ruften, dann wirft fich 
der SaIon_ in den elyfeifchen Feldern in feinen loteten 
Jeftftaat. 

Die Salon »Eröffnung bejeidmet für den parifer auf et* 
dem den eigentlichen Frühlingsanfang, die groge premiere 
der frönen Hatur — und der neueften 2TTode. 

Der Salon ift die £>ftcrfeier der bildenden Kunfl, das 
glän$ende 2tuferftehungsfeft all' der Wunderdinge, »eiche die 
fünftlerifche phantafte in der Verborgenheit der IDcrfftatt' 



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302 



im Perlaufe öes 3aF?res mit iTTeißel, ptnfei unö Stift 
9c f Raffen.' 

3m Heidje bct Cöne ftefjt Paris hinter anöeren <5rof» 
ftäöten — idj nenne nur JDien — unbedingt surücf. 3 m 
2?eidje 5er färben unö plaftifaVn formen hingegen behauptet 
es öen erften £ang, roenigftens bis Ijeute, trofc öes regen 
IDettbetoerbes anderer TXlaktvdltet, wie öer Deutfdjen unö 
£>efterreidjer, öie im jüngften 3 a *? r 3 c *? n t m ^ einem €ifer 
unö einem Kunftoerftanö öen pinfei fyanöfyaben, nrie mir es 
faum je 3utx>r unter uns gefe^en. 

Die ^ran5ofen füllen es gan3 gennf, öag es öie 7Xad}> 
bam auf 6ie <£rreidmng öes Porfprungs abgefeljen fyaben. 
Denn es ift erftaunlidj, mit n>elcr)er Energie unö Concentration 
iljrer großen Jafyigfeiten fie ftdj ins 5* u 9 Ic 9 en / un * ™fy 
von öen ebenfalls flinfer unö funftluftiger gerooröenen 2(us« 
Iänöern überholt ju u>eröen. Keine Uebermüöung, feine 
lleberanftrengung fdjrecft fie. Uno Iocfen ganje Wälbev von 
fiegreid? errungenem Corbeer sur 2?ufye unö €rfyolung, öer 
Oeöanfe an öen Concurrenten rttrfdjeudjt jeöen träumerifijen 
Aufenthalt, jeöe £aft öes Sdjaffungstriebs. 

Portr>ärts unö immer DortDärts! I?eigt öie Cofung bei 
2Ui unö 3ung. 

5u öiefem fieberhaften Drange neuen fielen entgegen, 
öer öie Künftlergenoffenfdjaft Pom erften bis $um legten 
ITTanne erfüllt, gefeilt ftdj öie unabläfftge Aufmunterung 
unö Anfporming pon Seiten öes Staats. 

Das ift öer entfd?eiöenöe Punfl. Denn bei öer gleiten 
tfunftbegabnig unö fd?öngeiftigen tO?atcnluft öer Dölfer ift es 
öas Verhalten öes Staates jum Cultus öes Sd?öncn, öas öen 
Ausfdjlag gibt unö über öie iöeale IDeltflellung entfajeiöet. 





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• * i • 

503 > 



Dura) eine flaue, planlofc, von her bureaufraiifdjen f)cbantctie 
unb KnidVrei mifleitete KunfttPtrtl?fd>aft richtet ein Staat 
mein* 3U <Srun6e, als bas ftoljefte Calent, 6er tüdjtige Wille, 
bie Ijeilige öegetfterung bes einzelnen Künftlers für bas 
internationale Hnfefyen feiner QeimatE} $u betpirfen permogen. 
* IDenn nidjt alle £eia)en trügen, tjat 6er franjöftfdje Staat 
6urdjaus nidjt int Sinne, feine tpeisfyeitspotle, com ftratn*en6ften 
(Erfolge getragene Kunftpolitif auch nur um eine Cinie 511 
änöern. Die Hepubli! Ijat im porigen 3 a *? r * 6urdj 6en 2TTun6 
ifyres tflinifters 6es Unterridjts un6 6er fdjönen Künfte 
anlägltdj 6er Preispertfyeilung im Salon laut genug perfün6en 
laffen: 

„3 e meljr fidj unfere Demofratie fyebt un6 flärt, je mc^r 
ftdj unfere republtfanifdjen (Einridjtungen erweitern, einen 6efto 
böseren Hang mu§ in unferen Begebungen 6er <£ultus 6es 
Sdjönen unter allen feinen Jormen einnehmen. Wie mir 
$tanheid) nidjt mein: olme 6ie^rei^eit 3U faffen permödjten, 

■ 

fo fönnten mir es nod) weniger ofyne 6ie Kunftpffege im 
großen Stile perftefym". ' 

Unb ftd? an 6ie anroefen6en Künftler mcn6en6, fufyr 6er* 
tflinifter fort: « 

„3*?nen, meine Jerxen, per6anfen mir unfer beftes 2Infe!jen. 
3t?rcn betjarrliaVn 2lnftrengungen ift es gelungen, auf 6er 
Stirn Jranfretdjs jenes goI6ene Strafylenjeidjen $u erhalten, 
6as por ifym 2ftf?en un6 ^lorenj getragen. Die Regierung 
um 6te (ßröge unferes £an6es beforgt, mir6 ntdjt mü6e meroen, 
6as pon unferen erlaubten Porfafyren uns permadjte <£rbe • 
rufjmpoU 3U ftd?ern un6 $u mehren 99 

Das ift nidjt ettpa offtcielle (ßelegen^eits-^arce ober N 
djauptnifttfdje Blague, 6as ift ef?rlid)er Porfafc un6 ftaats- 




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männifd?e Ueberseugung, was in öiefer Proclamation an 6ie 
tfünftler $um Ausörucf gelangt. €s ift 5er äftfyetifdje Cages» 
befefyl öes fouperänen Dolfes an fein „bataillon sacr£", öas 
6en guten Kampf um öie eöelften Jntereffen öes teuren ITTutter- 
boöcns 3U führen fyat 

JDem öie grofen, prunfenöen tDorte, öie fonoren pfyrafen 
öes ^ransmannes nicfyt besagen, 6er mag ftdj refolut $u 
feinen Cfjaten wenöen. Die porjäfyrige IDeltaüsfteUung mit 
ifyrer impofanten Kunftentfaltung fyat wafjrlidj $ur (ßenüge 
gezeigt, öag man in öiefem Stüd unfere Hadfbarn, Regierung 
unö Pripate, olnte €nttäufdjung bei'm XDorte nehmen öarf. 

Per Staat unö öie Stäöte, allen poran Paris, greifen 
alljäfn-Iidj tief genug in ben Säcfel, um 6er Welt öie SoIpen5 
ifyrer Kunftbegeifterung $u beweifen. _ - 

XYlan Ijätte erwarten Fönnen, öag nadj 6er unüberfefjbar 
riefigen ttunftparaöe 6es Porjafyrs im Salon wie auf öem 
Hlarsfelöe 6ie feurige 5rüf}lingsfeter N öer Parifcr 2TCaler» un6 
3ilöl?auergilöe eine befdjränftere Neuaufteilung neuer IDerfe 
bieten weröe. Die Salon «Safcungen weifen befanntlidf jeöes 
Kunftwerf jurücf, öas fdjon auf irgenö einer 6er Poraus« 
gegangenen Zustellungen pgurirt fyit Wenn öie 3ury, öie 
über 2Innafnuc unö Ablehnung entfa>eiöet, bejügltd} öer 
artiftifdjen Keife öes Angebotenen mit fia^ reöen unö " 
oft ifyr gar weites coüegialifdjes (Seipiffen aud) ben minöer 
berufnen 21TufenfoIm mit feiner (Sabe in öie ^eiligen fallen 
fdjlüpfen lagt, fo perftel?t man öoef} feinen Spag f?inftd>tlia> 
öer Heu^ett. 

Der pon 3 a *? r S u 3 a *? r f lc *? fteigernöe <5u° r <"i9 jur 
Salon» Zustellung be$eugt ftdjer öas <£ ine, öafc öie ^reuöig- 
feit öes Staffens unö Bilöens nidjts an ifyrer urfprünglidjen 




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I 

- 

505 

______ ___————- * 

Stärfc eingebüßt fjat, un6 6ag felbft 6a, wo 6te mafäjinen- 
mäßige tTfyätigfeit nichts aus3uricr)ten fyat, fon6ern allein 6ic 
'auf ir/re perfönltdje 3 n fP* rcmon ö^ftcllte Künfllerfeele bas 
IDerf uollbringen muß , 6er 2lrbeitstrteb unferer Seit i>or öem 
<5efpenft 6er Ueberpro6uction nidjt 3urücffd)recft. 

Das ruhelos 6enfen6e, 6id}ten6e unb biI6en6c Künftler- 
völt d]cn tui6erlegt auf's Befte bcn Voxwuvf 6er materialiftifdjen 
Perfumpfung un6 banaufifdjen Perfnöajerung, 6en 6ie ins 
2lfä}graue hinein generaliftren6en ITToralfdjmäfcer unferer <5eit 
anjufyeften trad}tcn. Das Eilige ^euer flammt in 6er Brujlt 
unferer 2TCüIeben6en nocr) eben fo göttliäj, als je bei unferen 
eingefargten Porfafyren, 6ie tljren enrigen Schlaf feiig roeiter« 
fpinnen, trofc 6es unbän6igen £obge6u6e!s ifyrer auf6ringlicr)en 
poftfnimen Öeu>un6erer uon 6er Bornirtljeit <Sna6en. Die 
<Begenn>art $u (äftern, ftatt mutfytg un6 pertrauensuoll mit 
f)an6 ansulegen $ur (Erfüllung tljrer großen Aufgaben, ift 
6as fläglidjfte Sa?aufpiel, 6as uns 6ie mctysnufcige Klein- ' 
geifterei bieten farni. . 

<£in ölicf in 6en Katalog meift uns 6en Heber* 
fajuß gegen 6en Salon 6es Dorjafjres jiffermaßig nadj. 
€r betragt 9(0 IDerfe, tpopon allein 7(0 auf 6ie £>el- - 
maierei un6 27 auf 6ie Skulptur fommen. Die (Befammi- 
ausfteüung umfaßt 5895 Hummern, 6ie ftdj foIgen6ermafen 
per teilen: -£>elgemäl6e 30^0, «getdjnungen, Cartons, 
Aquarelle, paftelle, XTTiniaturen, <Emaü, porcelaine, #nence 
(tpobei 6as funftgen>erblia?e Clement ftreng ausgefdjloffen) 
(706, €6e!ftein. un6 Stempelfdmitt tfrdjiteftur 9$, 
Kupferftidf un6 ^oljfä^nitt 295/ Chirographe Kein 
<£infta^tiger n>ir6 überrafa^t fein, in ttefer enormen pro- 
6uction no<f> unausgereifte Saasen $u fin6en, 6ie beffer 

ITT. <E. tonrnt), paciflana. 20 



« 



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* • • ■ ■ 

506 

- i 

in 6er IDerfftatt geblieben mären. Die Schmiertgfeit 6er 
regten Waty fpringt in öie klugen, menn man beöenft, 
öaj| öie 5 a W dargebrachten JDerfe öas Doppelte 

6er angenommenen beträgt. Die 3 ur Y *? at mithin un> 
glücf liehe Künftler genug gemacht, öie in 6er einfachen 
Sulaffung $um Salon fajon öie erfte Etappe $ur Be- 
rühmtheit oöer menigftens ein S«U9 n i£ unsmeifelhaftet 
Befähigung fahen — pon meitergehenöen Prätentionen 
gan3 $u fdjmeigeiu 2luch öie Kunft f^at ihre 2lrmen unö 
€lenöen. • 

Von einem Salon im ftrengen tDortperftanöe, 6. i. 
einer Susftellung erlefener XDerfe unbeftrittener 21Teifter, 
fann bei einem folgen ZTTajfenanörang natürlich nicht mehr 
öie Xeöe fein. Wo foüte fiaj aber öer fünftlerifche Haa> 
mudjs öem publifum unö öer öffentlichen Kritif, öie 
eine gan$ anö'ere Beöeutung hat, als ceremonielle Schul- 
prüfungen, porftcllen, menn öie Befdn'cfung öes Salons 
nur als ein Pripileg bereits anerfannter Künftler pon 
fertigem 2?uf $u gelten l}ätte? 2Ufo £aum öen 3ungen, 
s'il vous platt I 

Der IHinifter öer fernen Künfte mar öer €rfte, 
öer öen Unjufömmlichfeiten öes Salons, nrie fich öiefe 
im Caufe öer 3 a *? re tytausa,eb\lbet, fein Hacr/Öenfen miö- m 
mete, unö es beöurfte mahrlich nicht erft öes Cärms öer 
reaetionären Blätter, öie nicht müöe muröen, öen Salon als 
oröinären Kunftbasar, farbenflecfftge 3 n & u fM*falfc un0 
Sehnliches $u perfchreien, um öie gan$e Peranftaltung 
momöglich um ihr mohlermorbenes SInfehen $u bringen. 
Das ift ihnen felbftperftänölich nicht gelungen. Hicht nur 
öie h?n>orragenöften franjöftfchen Künftler galten nach ^ie 



/ 





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I 

307 



pot darauf, im Salon pertreteri ju fein, fonbern bie 
prebfamen Jünger aus aller Qerren tänbn geijen nach " 
6er €bre, bie Parifet Saion-probe ju befielen. 

Das Stubium bes Katalogs, ber bie Hationalität 
ber Husftetler treutidj perjeidjnet, ift in biefer Begebung 
febr intereffant. Seben mir non 6en pielen Spaniern, 
«nglanbern, Kmeriranern, Italienern, Sdjweben, Kuffen 
unb polen ab, bie in paris, ber Dictor ^ugo'fajen VUle- 
Lrnmere, ben Ieudjtenbften unb erfolgreichen Sammel- 
punft aller fd>3ngei|ligen Begebungen unferes CrbbaOs 
erblicfen, fo fafll bie grofe &,bl pon Deutfdjen unb 
©efterreidjern auf, bie ben biesjäbrigen Salon befaßt 
qabcn. 

3<*t babe unier ben Silbbauern unb «Talern' 26 
Deuifcfee unb U 2>eflerreid>r gefunben unb es mögen, 
genau gejäb«, bereh nodj mebr porbanbert fein. Von 
preu&ifdjen Staatsangehörigen nenne idj nur: Cbriflian 
Wilberg, Canbfdjafts- unb tfrdjitefturmaler pon auf. 
fteigenbem «uf, p a ul me Y erbeim, ein fertiges Xenomm6e, 
jfranj Xoeber, ein geborner tfranffurter unb angebenber " 
t)umonft, «uftap «raef, 2TTar Ciebermann, Bernljarbi. 

«Ifaf .totbringen ift ^ebenfo 3 abireid) als aajtungsmertb 
Pertreten unb bemegt fld?, tro* aller polififc&en IDanMungen, 
tn bem gaftfreunblidjen Künpler-parabies an bet Seine 
mtt urtpüdtfger Sebaglidjfeif. 

Den Sreunben bes fronen «efdjlecbts unb galanten 
Oerfedjtern femer progreffipen Unabbangigfe» po„ 6en 
bart.gen (Tyrannen eröffnet bet Katalog bie angenebmfte 
perfpect.pe in eine beffere ^ufunft. «ine mabre >pafton 
pon fmen Künftlerinnen in biefem >br ber «nabe! 

20* 



* m 



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308 

^räuleins unö frauen in gefdjloffener Colonne auf jeöer 
Seite unö in jeglichem (Senre, fcr/önl?eitstrunfene ^majonen 
aus allen Jjimmelsftricr/en! Ceintpanö unö ZHarmor, (ßyps 
, unö Kupfer, (Tfyoneröe unö fy>l3, nichts tpiöerftefyt ifyrem 
portpärtsörängenöen Sinn, iljren öelicaten ^änöen! 

ZHandjes pcrfprecfyenöe Calent, manage füge Sd}ipärmerei, 
mancher fyerjfyafte (ßeöanfe, mancher füfjne ;Jreiljettston 
locft uns im Porbcigefyen mit öem Parfüm öes €tpig» 
tt>eiblicr/en oöer öem Ueberjeugungsruf öer €mancipirten : 
€fyret öie grauen, öie pinfein unö meigeln, fielen unö 
formen I 

Selbft alter öel ift öarunter. 3a> ' rjabe pier 
Picomtcffinnen gesägt, öie gemig fo fyübfcr) unö erfreulia> 
fmö, toie öie pon ilmen proöudrten ZTIiniaturen unö 
^aTenceiu 

tfngeftdjts öer immenfen proöuction, roeläje öie 
Sdjranfcn öes alten, gemütfylidjen Salons gefprengt unö 
öie Parifer ^rüfjjafyrsausftellung ju einem internationalen 
(Budfaften für öas flanirenöe Publifum gemacht r)at f 
beabftä?tigt öer ZHinifter öer frönen Künfte, pon fünf $u 
fünf 3 a ^ w " «tn«t „engeren Salon" emsuridjten, 

öeffen Befdjicfung pon öer (Erfüllung öer rigorofeften Dor« 
beöingungen abhängig gemacr/t n>eröen foD. Die wahren > 
Kunftliebf?aber unö ernftyaften Kritifer finö im Doraus " 
für öiefen plan getponnen. 

tDeldjes ifl nun öer ©efammteinörucf öes öiesjäfjrigen m 
Salons? 

ytf roage nod> fein prarifes H>ort. 
3alö nadj öer (Eröffnung begegnete id) im (Treppen- 
Ijaufe 4 öes 2lusftellungspalajles einer <5ruppe plauöernöer 



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509 

■ 1 

* 

» 

Pariferiunen, 6ie bereits ifyr Urtfyeil jir un6 fertig im 
ITlvmbt führten un6 6ie iUeifterwerfe 6er Malerei an ben 
Ringern t?er$äl?lten. 

„XDeifct Du, 3lana>, 6as Bil6 Pictor Qugo's, oas 
Bonnat bei eleftrifdjer Beleuchtung gemalt f^at, t|i. bod) 
6ie wun6en>ollfte Ceiftung 6es gansen Salons. IDie er 
fo oaftfct, .6en linfen TXtm auf ein okfes Budj, id? glaube 
ben Jjomer, geftüfct, 6en tief finnigen Blkf auf 6en 3e« 
flauer gerietet u 

— /#34 9*** meinc Stimme 6em- jungen Bajtien 
Cepage. Wie aoorable ift feine Sarah Bernl}ar6t! €in 
Craum, wenn 5er häßlidje eifeme Kalmen nidjt wäre!" 

— „€in (Traum von 6emfelben, 6er einen Kartoffel- 
aefer mit fdmtufcigen Bäuerinnen gemalt hat? (Bei}' mir, 
oas ift ein Plebejer, ein Haturaliftl" 

— „Hedjt fo, c'est 9a. Da lobe idj mir 6en Carolus 
Duran, 6er ift tfriftofrat in jeoem pinfelflridj un6 6abet 
fo mafyr, fo mo6ern 

XI n6 fo fort. Tille waten erfüllt txm 6em rafer) 
gewonnenen Urtheil, nur Ijatte jc6e ein anoeres — faft nrie 
6ie (?od}Iöb!ia^en Kritifer pon profeffton. 



1IL 

Der Salon füllt vom fjof, 6en getiefte J?än6e in einen 
6uften6en, pon fpringen6en tDaffem 6urdn* aufarten (Barten 
umgefdjaffen, bis unter 6as gläferne Dadj 6en palaft, 
in welkem 6ie IDeltausftellung Dom 3 a *? re J 855 2faum 
^atte. BTan fleht, weldje enorme Stusoelmung 6ie fernen 



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v 

310 



tfünfte im modernen Ceben gewonnen Ijaben — in 
quantitativer ^iefyung tuenigftens. . 

Spüren tx>iv dem (Seifte nadj, der in diefer überquellenden 
<5 o 119 ungs Infi nad) Zlusbvud ringt, fo finden mir, dag es 
allerdings nur $um geringeren Ojeil 6er urgemaltig 
fdjöpferifcr)e. Ijaucr/ unferer, d. i. der neuen, Seit ift, der 
ftürmtfer/en <£pocfye einer Um- und Beffergeftaltung des 
2TCenfcr)cnlebens auf frifdjer naturaliftifdjer Grundlage, der 
die .Künfllerfeele $uin Wette getrieben, . . . 

* Die engbrüftige Sdjultradition , die $afnne, fritiffdjeue 

* Hadjbeteret, die mittelalterliche <ßlaubens^eucr)elei, der 
woljlanftändige <£>opf auf der einen, und die ger;irnfcr)u>acr)e 
<5ecferei, das' djarafterlofe, mit allen fcr/lecrjten 3 n P mcten 
des grogen ^aufens liebäugelnde <£rfo!gsrittertlmm auf der 
anderen Seite fjcifdjen nodj gan$ erflecflicr/e Opfer in der 
Künftlergilde. «• 

(Genialer (Eieffmn, der fidf mit der IVladft einer 
Offenbarung unter Donner und 8lifc ausfpricrjt, der feine 
ZDeltempfindung in einer XDeife analfftri, die unfer (Bemüth 
im 3n™*ften erfaßt, dag die H)ur$eln unferes Seins erbeben 
und ein neues Clement in unfer ZDefen tritt, blüfjt natürlich 
nicr/t auf allen (Triften und nidjt mit jedem jungen 3afyr. 
(Broge . perfönlidjfeiten roll (Büte und Scr/än^U, die die - 
Stimme des 3*itbeu?ugtfeins in fid} tragen und ebenfo 
ipaljrheitstücr/tig als funftmäcrjtig $u formuliren permögen, 
find im berufsmäßigen tfünftlertlnim mcf)t weniger feiten, 
als in den übrigen Dafeinsf reifen. 

Das gefdndte Spiel mit amüfanten färben und 
formen, mit gemalten Bonmots, mit buntangeftricr/enen 
romantifer/en (Einfällen, mit gefälligen und einträglichen 

■ 

* - I • • 



• i 

/ 



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Prioatgefüfjlen, mit fifcelnden £urd?fdmittsfünden wird 
immer überwiegen, fo lange niajt ein u>aljrr)after Cultur« 
ftaat die f)ö1>erbildung des gefammter. (SefeüfOTaftslebens 
auf feine ;fafme f treibt und die äftfyetifdje <5ef!altungsfraft 
6er Kunftbefliffenen mit großen Aufgaben ausreidjend 

befugt. " 

€ines f?aben die Jran$ofen — neben oerfdjiedentliayn 
anderen Segnungen — den Niederlagen bes bonapartiftifdjen 
(Cäfarentfjums $u rerdanfen: daß iljr Salon in der 
prafjlfyanfigen Sdjladjten« und ^eldljerrnmalerei nidjt inel?r 
oen ßipfel aller bildenden Kunft erblicft. I 

5u>ar befaßt ftdj ein braoes Duzend ifjrer Pinfel* 
füfyrer audj in diefem 3afyre nrieder mit Hlilitaria: allein 
' es ftnd mein: die fa^merjlia^en und entfefclid?en Seiten des 
Krieges, die $ur Darstellung gelangten und deren Be» 
trad}tung dem polljmnigen 2TCcnfcfyen eiuen r/eilfamen €fel 
und 2lbfdjeu r>or dem Dölfermord einflößt und tfym das 
(Sebot in die Seele brennt: „€del fei der 2ITenfdj und 
tnlfreia? und guti" 

Das f)eroentfmm, das mit Puloer und Blei, mit 
Kugelfprifcen und Corpedos operirt und internationale 
Periicfelungen mit barbarifa^em HTaffenmord $u löfen 
unternimmt, mährend es in der (Efyat nichts löfl, als die 
Ueffeln neuer Ceidenfdjaften, neuen Dölferelends, iß fein 
Stoff me!?r für die unffenfa>aftlia> geläuterte, Rumäne 
Kunftauffaffung der neuen 3«t. .. 

2lls Documente blutiger Dölfer'&erirrungen mögen 
die Sd}Iad}tenmalereien Werth} reiben, und mir trollen in 
diefem Sinne die tedmifd} nidjt übel geratenen Bilder pon 
Detaille, dem Sdjüler ittciffonier's, der die Verteidigung 



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• • * * - 

„ 312 

* ' ' 5 

pon C^ampigny (December J870) un6 Haplet, 6er 6en 
Co6esritt 6es Cuirafjiers oon Heimhofen fdnl6ert, gelten 
I äffen. 2Tucr) HT6öarö uu6 ZTCaigret gefielen fich in 6er 
2Juffrifcr)ung 6er gräflichen Keminifcenjen aus 6er 
Annee terrible. 

Der pon 6er 33ouIepar6 ■ preffe als be6euten6fter Kriegs- 
maler 6er ^ran$ofen gerühmte HTonfieur 6e Heu Dille h a * 
Hieras ausgepellt. HTan gefiel ftd} feiger in 6er ilnnafwie, 
nur 6er patriotifcfje Schmc^ l?abe feinem (Talent 6ie grofe 
5al?l blut • un6 t othftarren6er Scr)lachtenbil6er abgerungen, 6ie 
6urdj Photographie un6 Stich populär geroor&en un6 auch in 
einer Albums »Ausgabe perbrettet rpor6en fm6. , . 

3rrthum! IDie ich *? öre / maIt gegenwärtig Heupille 
mit 6erfelben Eingabe 6ie prüften Kampfesfcenen aus 6em 
<3ulufrtege, 6ie 6er Kronprin$ pon <£nglan6 bei ihm beftellt 
hat. Diefe Arbeiten auf Beftellung f ollen es fein, 6ie 6en 
tapferen un6 patriotifchen ZTTaler abgehalten haben, fich am 
6iesjährigen Salon ju betheiligen. , 

Die Kunftbegabnig ift elaftifdj. Der gewerbsmäßige 
Schlachtenmaler (meld}' ein HTetier, 6af (ßoü erbarm'!) fennt 
fo menig eine nationale Sefcrjränf ung feiner 3nfpirarion uno 
feiner Cechnif, n>ie 6er gen?erbsmäj| ige Derfertiger pon Polter» 
aben6fcr)er$en, HTefcelfuppenlie6ero, Kin6tauf,» f)ocr)3eits • uno - 
Ceichenpoemata k prix fixes. <ßut. Dann follte 6er malerifcfje 
2nilitarismus uns »enigftens mit feinen patriotifeben 
Prätentionen Pom fjalfe bleiben un6 fich ^mit begnügen, 
ohne 2?uhmre6igfeit ju pinfeln, arie 6ie Armeen fich gegenfeitig 
ertpürgen — auf £omman6o. 

tflles in Willem genommen ift 6ie Sol6aten«un6 Schlachten« 

liebhaberei, fou>eit fte fich Salon ausfpricrjt, pon 6er 

. • * * * 

• ■ • - 

■ . "• • ... . . 

. - _ . - ^ 



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Ici&licfyftcn Hnbe6euten6heit. Die Künftler 6er bürgerlichen 
2?epubüf fdjeinen ftd} nicht mehr berufen 5a füllen, 6ie rotten 
fjofen unö 6ie (£f?affepots als 6ic rölferbeglücfen6en (Träger 
großer 3& cen ini Stile 6es perfunfenen Kaiferretdjs afa6emifcrf 
^erausjuflreic^en. IDenn fte Kriegsbil6er malen, fo laffcn fie 
6en ^öpfd?en Cyrismus un6 6ie (Bencralftabsparaoe beifeite 
un6 malen 6en tpafjrhaften Kern 6es Porgangs: Blutladjen, - 
flaffenoe H)un6en, Gimmel fdjreienöe Barbarei, namenlofes- 
<£len6, u>üthcn6es Perbrechen. Sie illuftriren in 3utreffen6en 
naturaliftifchen 3 fl 9*" djriftliche tDaffenhan6merf un6 
fudjen 6ie cipiliftrtc Kriegsmafajine bei 6er rafenoen Arbeit 
6es ZHoröens auf. 

Das genügt pollfommen 3ur äfthetifdjen Erbauung un6 
5ur Auslegung 6es Bibelfpruchs: Du follft fein menfcfrlicff 
Blut pergiefen! 

Schon wollte ich 6ie Bemerfung auffdjreiben : 6er aanje 
Salon enthält fein eigentliches 2?achebil6, „le culte de la 
haine" gegen 6en 6eutfo^en ^ein6 fyit unter 6en JKalent 
feine tfpoftel mehr — als id> im Katalog ju>ifa^en einem 
flan6rifd}en Säemann un6 einer 3öyüe aus 6er Karolinger 
^eit (wie 6ie Kaiferstodjter €mma ihren geliebten €gtn^ar6> 1 
nac^ «ner romantifdjen Xladft 6urdj 6en Schnee trägt, um 
feine perrätfjerifche ZHahnesfpur surücf julaffen) folgen6es IDerf 
per3eichnet_fan6: L'attente de la revanche. 

^err Raphael Poggt, ein Schüler 6es Klafftciften <Ber6me, 
fonnte 6em Drange mdjt trMerftefjen, 6ie Kadjegeifter 311 
befchtpörcn. 3d> fudjte fein BiI6 auf. €s ift pon geringem 
Umfang un6 hangt hoch un6 perftecft genug, um 6er Be«^ ■ 
trachtung $u entgehen. 2ttit einem fdjarfen (Blas bewaffnet, 
ent6ecft man im Por6ergrun6e auf einem Jelsplateau ein 




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3t< 



fd)u>ar$gcflei6etes XOeib in 6umpfen träumen »an6eln6, 6as 
I}aupt unbe6ecft, 6ie Htm* f}ängen6. 2tyemlqn6fajaft mit 
2TTorgen6ämmerung. Statt 6er rofenftngrigen (Eos taudjt 
eine 6rofyen6e Sdjattengeftalt am Zjorijonte auf, ein bärtiger 
(Befelle, 6er tfityt un6 fjöfyer emporftrebt, mit unfjeilfün6en6en 
<5eften. 2Ils ob er ein unftdjtbares Ordjefter 6irigirte, bas 
einen ^uriofo»Sa$ attafirt, ftrecft er bie beiöen 2Jrme urie 
Sturmesfdjtpingen in 6ie £)öfye. IDer fein 2Uitu?iffen fyat, 
bc6auert bas arme ^Jrauenjimmer, bas ju fo frufjer Stunöe 
einer fo unfyeimlid/en Halurerfrf^einung ftij ausgefegt fielet. 
Crofc 6er geograpfn'fdjen 21nfpielung lägt 6te Präciftrung 6es 
Porgangs fein: $u tmlnfayn übrig. €rft 6ie 3nfdjrift jteljt 
uns ins Vertrauen: (Erwartung 6er Kadje! 

IHerfwürbig, fein IlTenfd} will 5^9« oc * 
genehmen Begegniffes fein, 6as 6ocfy eines genriffen 
pfyantaftifcfyen Heijes nidjt entbehrt. Das publifum geljt 
tfyeilnaljmslos vorüber — un6 6ie poggi'fdje Haaje bleibt 
unbemerft am Hagel Rängen. Doaj 6arf man aus 6iefem 
Derfyalten feinen voreiligen Sdjlug $iefyen. Die politifa^e 
Coleran$ ift nodj in weitem ;Jel6e. Die „bete humaine" 
hfält nod> auf ifyre angeftammten „bereinigten <£igentl/ümlia> 
feiten". 

. (Ein tt)un6er aud>! Qat niajt felbft 6as Dolf 6er 
Diopter un6 Denfer feine £egen6e pom <Erbfein6 in treuem, 
$ornesmütfngem <8e6äd}tm£ behalten? Seien wir billig 
un6 Iaffen wir 6em Polf 6er Sa^aufpieler un6 ZHaler feine 

Attente de la re van che! 

llud) bas tfycure (£lfag ^ängt im Salon. (Ein aller- 
Iiebftes (Bretten mit 6em Spinnrocfen, einen Strauf oon 
Stiefmüttern am weigen 3ufen, 6en ein fajwarsfammtenes 



3(5 . 

2Hie6er fcbt, un6 6ie tra6ittonelIe Schleife In ^orm von 
Schmetterfingsflügeln im fytar. Die Unter fiirtft lautet: 
„La Pens£e M . Wct möchte 6er b!on6en Cräumerin 
grollen? — # 

cfin ipohltfnicnoer ^ortfd)ritt 6er bürgerlichen <8efun6ung 
un6 6er ftrengeren 6emofratifchen Sitte 6arf pielleid^t in 6er 
Abnahme 6er c£ocotten • lltalerei erblicf t a>er6en. Die 
Salons 6es Kaiferreidjs pflegten befanntlid> ihre IDänoe 
mit oftenfibler Vorliebe mit martialifd>en Xothhofen un6 
weiblichen £>h»tehofen ju 6ecoriren. ZHehr un6 mehr — 
eine eracte Beobachtung fehlt noch — fdjeint 6er gemalte 
Sansculottismus 6er fjalbtpelt aus 6en öffentlichen Zus- 
tellungen ju pcrf<hurin6en. XDenigftens feiert 6ie artiftifch 
cultipirte (Beilt^eit nicht mehr 6ie nrio&Ikhen £)rgien unter 
6em flaffif07-mYtI?ologifdVn tfushängefdntö ipie ehe6em. 

Die pflege 6es Hacften florirt noch un6 mit poHem 
Hecht, 6enn fie ift ein hohes tfunftgebot, an 6effen (Erfüllung 
feine prü6orie taften 6arf. ^cidmung un0 Malerei muffen 
mit baarer Xdün^t bejahen, fobaI6 fte 6ie unperhüHte 
Schönheit jetgen. Die Hu6ität 6er Darfteilung fliegt je6e 
(Täufchung un6 jeoen pumpfniff aus. Die malenoen 
3eflei6ungsfünftler fennen ihren Dortheil gar gut 

Hic Rhodus, hic salta! 

f)ierin . liegt nicht jum fleinften Cheil 6as (ßeheimnij? 
6er Brapour 6es franjöftfchen Pinfels. Das fortgefe|te 
un6 forgfältigfte Stu6ium 6es XladUn erhielte »unoerbare 
€rfolge. Damit erflärt fteb/s, warum 6ie Jranjofen im 
Portrait unö in 6er figürlichen Darfteüung unbedingt 6en 
höchften Hang einnehmen, n>dhren6 fie 5. 3. in 6er £an6» 
fchaft n>e6er 6en Deutzen noch <Englän6ero poraus fmo. 




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- 

Unter ben Be3nringern ber Probleme bes Radien 
wollen in biefem 3 a *? re Bouguereau mit feiner „<8eburt 
6er Denus", 3 u * e5 Cefebure mit feiner „überrafdjten 
Diana" unb öie €lfäffer £)enner unb (Sufiao Dor6 in 
erfter Cinie genannt fein. 3c6es ihrer IDerfe entsünbet 
neben öer gaffenben Beunmberung bes naioeren Publifums 
ftets bie I?i^igfte Discuffion ber profeffionellen ftritif. 

Dag ich es gleich fage, bie „ßeburt ber Penus" ift 
fein f)etärenbilb._ Diefer Perfudmng ift ber alte Itteifter, 
ber fchon manches fjetärdjen uerübt, nicht mehr anheim- 
gefallen. Die fdjaumgeborne <5öttin — in ber (ßeftaltung 
an bie berühmte Quellnymphe pon 3ngres „La Source" 
erinnernb — ift von ber tugenbfyafteften Feinheit im #us- 
bruef, ebenfo ihre Umgebung pon fdjnrimmenbem IDeiberDolf 
unb ber Kmorettenchor \n ben Cüften. 3a, bie HeinljeU ift 
bis jur faben Hia^tsfageribfyeit fubltmirt, ein €rfrem, bas 
ftcherlidj auch feine (Empfehlung ift. 

Die <£onturen finb von ber toonnepollßen Perfeetion, 
bie Jarben hingegen unerträglich in ihrer conpentioneüen 
(Selecftheit. Das #eifch .hat ben dben <5lan5 ber Stearin- 
ferje, ftellemoeife etoas gehoben burdj rofa Sdjminfe. 
ZXlan fann nichts (ßeiftloferes fe^en. 

J?ier fe|t bie Kritif regelmäßig mit ihren PortDürfen 
ein. Sie ift gutmütig genug su glauben, bag fiaj mit 
ber Seit ber fyalsftarrige 2Halcr bodj noch su einem 
fprühenberen Colorit befehren Iaffe. Bouguereau benft 
gar nicht bavaxu €r weif, bag er ben (ßefchmaef feiner^ 
tfunben für fich h a * lägt nkty Don feiner rentablen* 
Eigenheit. Die 2lmerifaner infonberheit ftnb in feine 
^arbe pernarrt unb bejahen ihre Saft« unb Kraftlojigfeit 



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mit fahetyaften preifcn. Sein tftelier ift eine Biloer- 
fabrif für 6en transatlantifdfen <£rport. ^TTcifter unb 
Schüler ptnfein Cag un6 Xladft (bas eleftrifdjc ixdft 
geftattet 6ie 2(us6elniung 6er 2Irbeits$eit), um 6ie 
amerifanifdje XTadjfrage 3U befrie6igen. Hympfyen, ^aunc, 
^eilige, Xjetären, ZTTa6onnen, Zigeunerinnen 6er IJanfee 
Ijat als Kunftliebljaber für alle 6as gletdje Cutjücfen, öie 
gleiche uncrmüMtdje Kaufluft. 

Wenn in Kunftfadjen 6er Xtlavtt $u cntjd}ei6en fydtte, 
tüäre Bouguereau 6er erfte ZTtaler Jranfreidjs, nrie er 
6er reidrfte ift. Seine „<5cburt 6er Denus" ift für 6ie 
Sammlung 6es Curembourg ern>orben rooroen. €ine 
rolIen6ete Zricfyenporlage für 6ie funftfertigen fjänodjen 6er 
fyöfyeren Cödjtcrfdmien. IDenn ftdj aud> 6ie porcelaine« - 
ZITaler Don S&ures 6erfelben bemädjtigen, u>er6en mit halb 
6te <5eburt 6er Denusjn je6em Suppenteller erblicfen. 

ZDen6et man 6em Bil6e 6en Hücfen, fo erfdjeint in 
6em Hammen, 6er tTfyür an 6er gegenüberliegen6en tDan& 
6es nädjften Saales 6as „feft SUenV von 2Hf re6 Xoll, ein 
. feefer Proteft gegen 6as blutleere (Beptnfel Bouguereau*s. 
De.r alte Kneipbru6er ftfct auf einem r»er6ufcten €feletn unb 
# fdjlägt mit einem ausgeriffenen H)einftocf, an 6effen 
tDur3eIu?er! noa^ 6te €r6fnoDen langen, auf öie 
Baca^antinnen los, 6ie ilm in einem ausgelaffenen 
Zeigen umtaten. 3"4^# Mefes Pölflein fpürt eifen- 
faltiges Blut 6ura7 6ie 2i6em rollen un6 tr*if, u>o$u es 6ie 
<S5iter.in 6ie IDelt gefefct! 

Holl ift einer r>on 6em fyerjljaften Xladfwudfs, 6effen 
mudjtiges Haturgefüljl un6 Überfa7äumen6e Dafeinsfreuoe 
6en flafftciftifaVn (ßrillenfangem fdjtceren Kummer madjt. 

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H)ir aber rufen Braoo! unö freuen uns öes flotten' Juniors 
um fo fyerjliayr, je unleiölicfyer uns öas fü^Ie (Begreine, 
bas u>i£lofe (ßefaViöttfjun unö öie pornelmien ^Karotten 6er 
afaöemifdjen Ptrtuofen berühren* 

£)enner fpielt uns mit feinem „3efus im <5rabe" 
unö feiner „€glogue" ebenfalls Pirtuofenfiücfletn vov, 
öie uns nidjt falt unö nia^t madjen. Das ift eine 

laue Afterfunft, öie ftdj IDunöer roas öünft, w$nn, fte nod) 
ein paar raffinirte Beleudftungstrümpfe in i^rer Karte 
fteefen fyat. Alles reöuctrt ftdj bei tfyr auf öie pittoresfe 
^iction. Abgefallen von 6er tDaljrfyeit 6er Hatur, 5efyrcnö 
von ifyren eigenen <£ingeu>eiöen, ift fie bei ifyrer 3 0cen * 
armutlj naturgemäß allmäfjlid} auf öie fümmerlidjften, aber 
öem Ungefdjmacf nodj fefyr adjtungsroüröigen €ffeft» 
mitteilen perfallen. So erfreut ftdj aua? iHeifter Renner 
nod) feiner Beanmöerer, befonöers aus öem fdjönen <0e- 
fdjleajt. Das ift ein Ad}! unö. ein £>fyl t>or feinen Btlöern, 
ein Begucfen unö Seftaunen $um Caasen. Das Publifum 
ift in folgen fällen intereffanter für öen Beobadjter, als 
alles Uebrige. 

Renner erfüllt mid) mit 2ttujtf unö umfüllt mid? 
mit Poefte! 3<*? rufye aus in feinem grofen ^rieöen!" 
rief Sarai? Bernfjaröt cor feinen Bilöern aus. 

Das ift fdjon €troas. 3<*? so^eifle feinen Augenblick 
an öer Aufridftigfeit öiefer 3egeifterung, fo a>eit id} audj 
entfernt bin, fte ju > teilen oöer fte für ein ZHerfmal 
gefunden ttunftftnnes $u galten. Die eraltirtc 8cDor$ugung 
unö Betonung öes iöealtftifdjen „Was nie unö nirgenös ftd> 
begeben" fü^rt ftets öen aft^etifa^en (Befdmiacf öer 
Dilettanten auf unheilvolle Abwege. 




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„Renner gehört $ur Familie 6er <£orreggio", bemerfi 
6er afa6emifche Kritifus, 6er nur in Analogien 6enfcn tamu 
un6 wifcr/t behaglich feine Brillengläfer ab. 3$m ifr J 
überhaupt nid?* wohl, trenn er nicht $u je6em neuen 
Hamen einen alten fügen un6 feine <5eIeEn*famfeit in 
himmelweiten Dergleichen ftraf}Ien laffen fann. Die ewigen 
Porbiloer 6er großen Hatur rühren tfyn nicht. 

(Buftap Dor£'s „La mort d'Orph£e" jeid^net ftct) 
junäcfjft buxd) rieftges jormat aus; bann öurcb öic 
forgfältig gefdjorene, falatgrüne IDiefe, 6ie man ftch etroa j 
in <£nglan6, aber nicht im tfjrafifcfjen fjebrostfyal $u 6enfen 
r>at; femer 6urdj ein Ku6e! rafenoer iDetber, 6eren Urbild 
in 6en Parifer 2Irbeiterporftä6ten \tatt unter 6en Iei6er mdft 
in Photographien auf uns gefommenen flaf pfeifen <£tconer» 
grauen gefugt n>er6en muf ; en6lidj 6urch 6ie relatip reinlicr)e 
Ubfdjlachtung 6es unglücflichen Sänger^eros. Der Parifer 
f ennt r)auptfäcr)Itcr) 6ie 2lbenteuer 6es Orpheus in 6er 
Unterwelt in 6er Cesart 6er Offenbareren Operette. Hun 
foüte er 6urd) Dorä's Dcrmittelung in 6ie graujtge tTooes» - 
feene 6es £>ffenbadyfcr)en fylbm eingeweiht n>er6en. Dor6 
hat 6ies mit pielem (Taft gethan. Der parifer, ein n>eit 
gefühlvollerer ZHenfch als man gemeiniglich annimmt, n>ar 
trofc6em entfe|t un6 wan6te ftch t>on 6em unglaublichen 
Bil6 ab. _ 

IParum l)aben ihm 6iefe XDeiber 6en Kopf abge» 
riffen? fragt er fidf. Antwort: IDeil er fich 6er £eier 
ihrer Orgien wi6erfefcte. Das war pon feiner Seite 
pe6antifch un6 ungalant, freilich ftn6 alle 6iefe Iftegären 
auch pon einer beifpiellofen fjäßltchfeit. ZPäre er in 6er 
Unterwelt geblieben, wo, wie uns Offenbach perficfjert, 

■ • 

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320 



«s }\d] qan$ famos lebt, fo märe xfyu bas ZTTalfyeur mit 
oen IDeibern von 3eHet>iUe auf 6en Buttes 6e <£r)aumont 
Ttidjt pafftrt . . . ♦ * _ • - 

So räfonnirt öer gemütliche Parifer, 6er operettiftifd} 
<jebiI6ete Bourgeois — un6 Dor6 be3al?It 6ie ttoften. Sein 
23il6 gefällt nia% es ift 6em naiuen (Sefüfjl antipatljifaV 
3n 6er 3e\d)n\mQ ift cs » wie feine fämmtlidjen Biloer, 
«ine fpielen6 ausgeführte Kraftprobe. Die ^arbc ift rolj 
geblieben. Die #uffaffung 6er Scene erinnert in 6en 
Details 6urdjaU£r nidjt an 6ie ausführliche €rsählung 
' £>*i6's. 

lt>51iren& ber lliraFifdje S3nger ben Walb unb bie Reifen Ijeran^ettt 
Unb mit bem Klange bes £iebcs bie rcilbeßen gittere befäuftigt, 
Stauen, in ttyerifdfe tfelle gef^QUt, von ber Spitje bes §fige!s 
2tafenbe £iconcr\frauen rjerab auf ben ftngenben Orpheus . . . • 
„Seljt!" ruft eine mit fliegenbem £jaar* in ben n>eljenben Cüften, 
„Seift, bort fitjt ber Perfidster bes ^rauengefdjlcdjtesl" nnb eilig 
TOirft fit ben Speer in bes Sängers (Seftdjt, bas 2Jpoflo geweift Ijat. 



So wirb jetjo ber Sänger verfolgt nnb mit blStterumgränten 

diyrfusfifiben beworfen, bie anberem Dienfte kfümmt ftnb. 

Diefe ba wirft CErbfdjoUcn, gebrochene §rocige bie 2Inbre; 

<Einige werfen audj Steine. Den IPfitt^enben tPajfen ju liefern, 

lftu§ten uodj Stiere gerabe bas £anb mit bem Pfluge burdjfurdjen 

uno ju^wetgtriejenoe oauern mit ncrrigen ^aujten oas rjarte tt . — 

^clb umaraben — — — ' 

Un6 fo weiter, flehe 6er XTCetamorphofen elftes Budj! 

Die im 3a6e überrafdjte Diana mit ihrem saljl« 
reiben, in 6en ;Jlutr)en plätfdjern6en (Befolge pon ^uUs 
Cef ebure ift fo menig flaffifdj empfun6en, als 6as 

Dorö'fdje Bil6, 6odj ift es harmonifa^er 6urd>gearbeitet. 

... 

. • • • » . . 

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" 521 , 

Der Katabg gibt 6ie foIgen6en pier Derfe i>on <5eorge£ 
Cafeneftre 6a$u: 

An broit qui vient des boU, Diane »'est dressee 
Freinissante; et la troupe, autour d'elle empressee. 
De ses Nyrapbei sortant de l'eao, blanches de pcur, 
Jette un vuile balif a sa fiere pudeur. 

* • 

Pas ift 6er Jnfyalt 6es ganzen Vorgangs. €s ift 
eine an$kfyen&e Collection r>übf<f?er IHäochenrypen von 
allerlei Haffe. Die 2rio6ellirung ift untaöelfyaft, allein 
6er Jleifdjton ift fo matt un6 franfhaft, ba$ feine ungetrübte 
5reu6e an ötefen intereffanten (Befcr/Öpfen auffommen 
fann. Den jungfräulichen Göttinnen ift erft eine fhrenge 
cfifenfur ansurathen, beuor fte ftdj n>ie6er 6en Briefen 6er 
gefünöeren Sterblichen $eigen. ' . , • 

• • • 

Un6 nun genug rx>n 6er naeften Spitalmalerei. 

Der junge ZTTeiftet Due$ fyit 6ie berechtigte Seite 6es 
Haturalbm us mit 6em feinen Stilgefühl 6es echten (Talents 
erfaft. Don 6en ^eiligenbil6ern 6es Salons ift fein . Saint 
Cuthbed* uielleicrjt 6as einjige muftergiltige 6er gan3en, 
unferm mo6ernen <5eifte menig anmuthen6en <5attung. Seine 
Darftettusg 6er nxnig befannten fcfyoüiftfjen £egen6e belegt 
auf's Heue, 6ag 6ie ergreif eu6fte poefie in 6er XDahrfcÜ 
felbfl liegt, un6 6af 6er HTaler nicht roeltflüchtig ju meroen 
braucht, um uns 6ie rührenöen <Ifyorf?ci ten 6es religiösen 
(ßlaubenslebens in i6ealer tDeife plauftbel $u machen. XDir 
fehen 6a eine Seele als flamme jum fjimmel emporfleigen 
(fehr fdjSner Hachteffect), einen göttlich infpirirten 2161er 6em 
hungrigen Bifdjof einen prächtigen ^ifer) feruiren un6 6er« 
gleichen meölicr/e HTirafel. Allein 6ie £uft, 6ie 6urch 6as 
Bil6 rueht, ift gefun6, fräftig, roahr. 3n 6en Köpfen 6er 

Dl. «. Conrab, parifiäna. 21 



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2TTenfcf}en fyapcrt es bebetiflicf? unö it^re tDeltanfchauung ift 
md)t mehr 6te unfrige, unö öodj fcfjlingt fich ein unlösliches . 
Banö euriger, uraller <5emeinfchaft um unfer beiöerfeitiges 
(Empfinöungsleben. 8>ir möchten öem bieöern Cuthberi, 
befonöers nadjöem er öie Bifchofstrmröe nieöergelegt bat unö 
in feinen alten tEagen ein Mersmann gerooröcn ift, öie . 
f)anb örücfen unö ihm jurufen: „Brüöerlicrjer Kaufc, fei 
jufrieöen, «>ir oerftehen uns!" fo nalje geht uns fein Dafein. 

So permag uns 6er wahre Künftler $u leiten nach 
feinem IDiflen, wenn er felbft öem innerften IDefen öer 
Dinge treu geblieben. 

307 fyabe feine Peranlaffung, öie Cegenöe öes im 
bcften Sinne fonöerbaren ^eiligen nach$uer$ählen. Sollte 
fie aber fortan populär werben, fo fann ftd} öer gufe 
Sanct Cut^bert aus Sdjottlanö, feit elf Rimbert 3 a *? rm * m 
paraöies, bei öem ITTaler Dues in Paris, ^ortuny« 
Straße Hr. ^0, beöanfen. 3ft 6007 mein* als ein fjeiliger 
in öerfelben Cage, feinen feierlichen IDeltruf unö feine 
poftfmme Beliebtheit öer bilöenöen Kunfl fdmlöig 3U fein! 

Die römifdjfatljolifdje Kirche infonöerljeit öarf einen 
großen Cfyeil ihres €tnfluffes öem glücflichen (Beöanfen 
auftreiben, öie iHeifter pom pinfel unö 21Ieifel als Dor- 
fpann für ihren fdjiserfälKgen Cegenöenjug recht$eitig- 
engagirt $u haben. 

€in anöerer 3 ön Ö cr ocr ™ uen Dichtung, öem eine 
große S ur u n f* lächelt, ift 3 ean P au * C^urens, unö öaß 
icr) gleich öcn Dritten im Bunöe eclatanter Salon« €rfoIge* 
nenne: Baftien Cepage. £in Kleeblatt , auf öas öie 
, fran5Öftfche 2Ualerfchule, ich 1™"* wty* °i* afaöemifcrje, 




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523 ' * 

. — — — — 

. - • • . - 

fon6ern 6te groger, djarafterpoller perfönlidjfeiten aus 
eigener Spülung un6 Kraft, mit Redjt ftolj fein 6arf. 

3ean Paul Caurens wat in 6iefem 3a^re tpeniger 
glücflicfy, als im ©ergangenen, ipo ifym mit „ZHarceau's t£o6" 
eine fo gefegnete Beifallsernte geblüht fyat. Diesmal fyat er 

folgende (ßefdjicfyte m malen unternommen: 

... . • . 

3 m *luguft \o0o [türmten 6ie €inmol?ner von . +• 

Carcaffonne un6 Tllbi 6ie Kerfer 6er 3 n< ? u *f l ^ on / um o\t 

$afylreid?cn £)pfer oen £)än6en 6er firdjlicfyen 2Ttor6gefelIen 

5u entreißen. Der 2Uinoritenbruoer Bernar6 Delicieur machte 

Sprengungen, 6ie aufgeregte Volfsmenge 6urdj eine 

ebenfo meife, als fanftmütfn"ge tfnfpradje von cßeipalttfyaten 

fen^ufjalten. 3 can oc Picquigny, öer Reformator pon 

Cangueooc, begleitet pon mehreren Ratljsfjerren pon 

, (Earcaffonne, ipofmt 6er €rbredmng 6er permauerten Kerfer- 

eingänge bei. 

€ine populäre Qaupt* un6 Staatsaction alfo, eine 
Scene pon einfdmei6en6er Be6eutung, poller Bewegung 
un6 Cei6enfcf}aft. IDas Ijat nun Caurens 6araus gemacht? 
€r Ijat ein falbes Dufcen6 2TCenfd}en $u einem Symbol 
6er Cfyeilung 6er öffentlichen Arbeit gruppirt: Der Dolfs- 
mann gefticulirt, 6er" 2Tlönd} fpriajt feinen Sermon, 6er 
£)an6tpcrfer ftrengt feine ZTTusfeln an un6, \d)w\§\, 6er 

2\atf?sfjerr pflanjt ftcr) breit Ijin un6 gueft $u • Das 

ift $u?ar redjt nobel un6 per6ient 6ie befte tfnerfennung, 
allein 6er $ün6en6e $unfe fpringt aus 6iefen Vereinzelungen 
nirgen6s fyerpor, um 6en ^dfauet im 3 nner fl**i 5» treffen 
un6 in 6en Kreis 6es feeltfdjen Vorgangs, 6er all' 6iefer 
(Sefdjäftigfeit 3U <5run6e liegt, mit 6ramatifd}er Gewalt 511 




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bannen. Der «gufdjauer madjt's n>ie 6er Halftern er 
gucft $u un6 bleibt tüty bis an's fyty 

€s ift 6odj redjt fon6erbar. Was fonft mit überrafcfjenber 
Dirtuofität felbft 6ie mittelmäßtgften fransöftfajen ZHaler su 
leiften nriffen, bas Arrangement un6 6ie Belebung 6er Zttaffen, 
bar an ift 6iesmal 6as Compofttionstalent 6es begabten 
Künftlers gefa?eitert. Das heranftürmen6e Volt fjat er fo gut 
tpie gans unter6rücft, 6enn ein o6er 3tpei IDeiber, ein fleiner 
3unge un6 einige emporgehobene f)än6e, 6ie aus 6em Hammen 
fyerporragen, bieten abfolut feinen <£rfa| 6afür. Die Scene 
ift piel $u unbelebt, piel 5U feierlid? gemeffen. Hirgen6s 
bricht 6as Actionsfieber mit über$eugen6er Kraft fyerpor. 
<£s feljlt 6er ep if d)c IDurf, 6er 6ie ZTlaffen 6urd)einan6er 
rüttelt. Solare Schlaf müfcen, nrie fie hier auf 6em BiI6e 
ftefjen, fm6 nia^t im Stan6e, eine Jenfterfdjeibe ei^ufdjlagen, 
gefa^ipeige einen 3nquifitionsferfcr 3U erbrechen. 

. 3^ f a ff e ocn 3 rr ^ um ocs Künftlers nicht. Das 
publifum u?ar nachfuhtig un6 r>at mit 6em £ob 6er meifter- 
liefen Jarbentedmif 6en ZHantel c^riftlid^er Ciebe über 6en 
. ferneren Compofttionsfchnifcer geworfen. 

> 

Baftten Cepage ercellirt mit einem rüfn*en6, faft gefudjt 
einfachen, aber bis in 6en flüd^tigften pinfelftrich natur« 
tpaljren Bil6e. „Saison d'Oetobre" un6 einem portrat 6er 
Sara^ Bernhar6fc Das I?erbftbil6 gibt einen Kartoffelacfer 
mit 30>ci jungen Bäuerinnen, pon 6enen 6ie eine im Dor6er« 
grun6e fidj bemüht, einen bereits fyalbvoUm, gegen ihr Knie 
geftemmten Sacf $u füllen > n>ähren6 6ie an6ere etipas nach 
rechts jurücf auf 6er €r6e ftfct un6 mit n>eit ausholen6cn 
Armen 6ie Knollenfrucht in 6en Korb fammelt. €s iß 6as 




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r 

- 



525 • 

Seitenftücf $u feinem rx>r jährigen Bil6 ~6er f)eu'€rnte, 
„Les foins". • i 

Derneige Did), braver ^ules Breton, 6as ift 6er ZTTeffias . 
6er Bauern. HTalerei uno Du bift fein Porläufer geroefen, 
5er 6as göttliche (Befjeimnig geahnt. Baftien Cepage toirö . 
uns erlöfen uon 6er pfnlofopln'fdjen Bauern-Ptyrafe, 6ie nid}t 
unfer oeutfer/er Huerbad) allein erfunöen r)at, fon6ern 6te 
audj in ^ranfreia) auf 6em 2TTiftbeete romantifdfer pfn'lo- 
fopljafter gar üppig in's Kraut fdjof un6 je6e $utreffen6e, 
erade €rfenntnifc oon Dolfsroefen 5U erftkfen 6ror)te. Die 
^eit 6er fdjöngeiftigen Cüge, 6er lan6tt>irtl}fd)aftlicr}en Salon« 
puppenfomö6ie liegt im £eren6en. I Die. ZITaler r/aben $uerfl 
6iefer conoentionellen 2luffdmei6erei fidf fdjämen gelernt. 
IDenn fie uns fjeute Bauern porfüfyren trollen, fo gefyen fie , 
auf 6as edjte Dorf ftu6ieren ' un6 nidjt meljr in 6ie Couiiffen 
6er Op£ra-Comique? 

Die Bäuerinnen 6es Sebaftian Cepage fm6 nidft fd^ön 
nodj fjäglid}; fie fm6 djarafteriftifdj un6 glaubn?ür6ig. Sie 
fyaben eine Dolle, edjte Seele, aber u?e6er fpinojifttfcrjen €fprit, 
nod) (ßeorge SanVfdje ßefüf>IS'<Ercentriatäten. 3fa IDefen 
entfpridjt 6er Sphäre, in 6er fte arbeiten, lei6cn, ftd> freuen, 
gut un6 fdjledjt ftn6^ mit einem ZDort: jid? ausleben nadj 
6en natürlidjen (ßefefcen 6er fodalen Cogif. 

€s giebt feine an6ere H>elterlöfung un6 tDeltoerfö^nung, 
als 6ie Kraft 6er IDaln-fjeit 6es ficr) felbft begreifenoen 
2TTenfdjcntInims. 

3ene ttünftler, 6ie nur 6ie iatten <£ri fielen je6u>e6er 
o3attung unterhalten un6 6ie lüfterne <Be6anfenloftgfeit 
amüfiren »ollen, mögen 6arin perr/arren bis an ir>r feiiges 
<£n6e. €s ift uns (Croft un6 Hoffnung genug, 6a§ unter 




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öen 3 un 9 cn 6er neue (Seift von 3 a fa $u 3 a *? r berufenere 
SadjwalUv fin6et. Die ?nfgett>or6enen un6 6ie Altgebornen 
(6ie tlatur lägt aud? 6iefe furiofe Spielart su!) mögen tfmu 
was fte nidjt laffen föunen — 6er groge Kampf toxvb audj 
olme fte $ur €ntfdjei6ung gelangen. 

Die 8U6er „Les foins" un6 „La Saison d'Octobre" 
n>er6en iln*e IDirfung üben, trofc 6em getergefdjrei 6er 
Klafficiften un6 Homantifer, \' 

yd) will feinen Perfud} madjen, 6iefe 8il6er $u be- 
fdjrctben. Sie. muffen gefefyen un6 nad?cmpfun6en n?er6en. 
3df conftatire blog 6en (Triumph 6es aufrichtigen naturalis« 
mus un6 feiner erlöjen6en Poefie* 

.: Das 3U6nig *6er Sarai? Eernhar6t ift gleichfalls ein 
(Erfolg 6es jungen Sfteifters. Die berühmte Schaufpielerin 
ift im Profil un6 ftfccn6 6argeftellt, gan$ in Betrauung 
einer Meinen Statuette" 6es Orpheus perfuufen, 6ie fie in 
f)än6en I?alt, Die $arten #eifchtöne, 6as röt^ia^e §aar 
fm6 ein Iüun6er treuer Ausführung. Die u>eige 2?obe ^bt 
ficr) mun6erbar pom Halten u>eißen f)intergrun6 un6 6er 
ftlbergrau fpielen6e Pe^befafc peri>ollftän6igt 6as fyavmontfdfe 
€nfemble. 

M C est une Symphonie de blanc eburneen", rief 6ie 
entjücfte Komö6iantin cor ihrem 3il6d}en aus (es ift faum 
r}an6grog). * 

Diesmal tfyeüe ich it>re Ben>un6erung. 

Uad) 6iefen €in6rücfen tfl es ferner, noch ein geredetes 
Auge für 6ie übrigen 3il6nigmaler $u haben / tr>e6er 6en 
eleganten Duran, noch 6en energifdjen Bonnat ausgenommen* 
6effen „Dictor fjugo" groges Auffegen mach*. - Das 
6efmitipe Bilönif 6es greifen Hhetorifers un6 genialen 




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Cyrifers auf 6ie l~lad)wdt $u bringen, 6a$u ift fyeute nur 
€iner berufen — Baftten Cepage. 



9- 

TV " ■'• 

1*. ; 

• - - 29. OTai. 

I)er Itterifalismus, 6er ficr) in 5er Preffe, auf 6er 
Cribüne in Perfaiiles, fourie auf 6en Kanzeln 6es platten 
£an6es nod> fo gewaltig breit macfr/t un6 ficr) geber6et, als 
ob 6as 3citlicr)c un6 eitrige Qeil 6er „Fille ainöe" 6er 
römifdj « fatf}olifcr)en Cfjriftenfjeit von 6em Hugenjirnnfera 
un6 Slirnrunjeln 6er Qerren priefter un6 IHöna^e abginge, 
t?at feine ernftfjaften Koryphäen merjr unter 6en bi!6en6en 
Künftlern auf$utx>eifen. 

Das ift ein beachtenswertes 3*icr)en pon 6er 
langfamen, aber ßetigen Perän6erung, 6ie ftch in ' 6er 
geiftigen Subfianj 6es franjöftfajen Dolfes, in fejner 
religiöfen un6 poliüfa>n Stimmung, ooüjie^t. Bei 6er 
ausgefprodjenen 3U6erluft einer Zlation, 6ie faft in je6enj 
größeren #mtsftä6tchen eine öffentliche <5emäl6efammlung 
beftfct, I?at es fidjer etmas 5U be6euten, n>enn 6ie religiöfe 
Malerei fo gut wie auf 6em tfusfierbe«€tat erfahrt. 
Denn 6ie Nachfrage, 6ie 6urdj 6en £)eI6rucf ; 6te Citr)ograpr)te 
un6 6<?n §oljfchnitt befrie6igt wirb, fann* nicht fcr)n>er ins 
(Benricht fallen, .fobal6 6ie Quellen, 6ie 6ie billige un6 
populäre 3iI6errepro6uction befruchten, perftcfern aus 
Mangel an religiöfer Jnfpiration bei 6en mitjeitigen 
Künftlern. 

IDähren6 6ie flüchte ITaturwahrheit, 6er freie, 
6ogmatifch utmerfälfcr/te tt>eltge6anfe, 6ie flrenge, 




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i 

i 



6emofratifdje Krilif in $avbe unb 3*id? nun 9 n <*<fy 
x . fünftlerifdjem 2Tus6rucf jur Belehrung unb $veube bei 
fdjaulufligen 2TTcnfcf?f?cit ringen, fefyen mit, wie bem 
cfjriftliajen Supernaturalismus,, bem ortf?o6oren (Blauben, 
bet firdjlidjen Agitation 6er pinfei entfallt, 6ie fünftlerifd^e 
Z3egeifterung uerfagt. 

Daffelbe Sdjaufpiel bietet ftdj uns 6ar in, 6er 2Uuftf, 
voo 6as mufifalifdje Drama 6en erften pla$ behauptet un6 
öie Oratorien, ZlTeffen unb anöerer Kirdjengefang nur nodj 
von ben offiriellen iUittelmä gigfeiten culticirt mer6en; ferner 
in 6er 2(rdntef tur , wo 6er (ßlaubensentfyufiasmus, 6er 6ie 
mttfelalterltcr/en <£atfye6rafen_ baute, feinen Stein mefjr 
3um an6ern $u fügen im 5tan6e if!, ofme jahrelange 
Subfcriptionsbettelci un6 en6Iofe Cotterien, 6ie 5ur größeren - 
<£r)rc (ßottes auf 6ie getrnnnfüdjtigen Spieltriebc 6er klaffen 
fpeculireit; enblid) in 6er Citeratur,, wo 6er Homan un6 
6as tr^eaterftücf [ängft 6ie lefcte f effel 6es Kircr)entlnims 
abgefdjüttelt un6 ftcfj refolut auf 6en Bo6en 6er 
naturaliftifcfjen Beobadjtung un6 frittfcfjen ;Jorfdjung ge- 
- fteflt haben. 

Die l)c\bn\\d)e ^Mythologie präfentirt fid? in 6en 
Ateliers nod} ungleidj frifdjer un6 jeugungsfäljiger, als 6ie 
cr)riftlichen Cegen6en un6 ^iftorien. Die <£r6e beftegi; 6en~ 
Gimmel, 6as nriffenfdjaftlidje Denfen . 6en djriftltdjen 
(ßlaubensma^n, 6ie felbftbenmgte 21Tenfd}Iid}feit 6ie religiöfe 
(ßeifterfe^erei ' . 

Diefes geiftige ^acit 6er mo6ernen IDeltbemegung arirb . 
oon 6em „Salon" 6er ^ran$ofen mit pinfei un6 2TTcigcI 
befiätigt. 




328 



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Qualitativ un6 quaniitatip ift 6ie religiöfe Büoerfunft 
trofc aller ITCirafel ron £our6es, trofc aller Sacre.£oeur- 
2(n6aa)ten, tro$ aller IDallfafn-ten un6 frommen Dereine im 
rapiöen Hie6ergang. -> 

Da fämmtltdje monarrfnfaV Parteien ^ranfreidjs 
flerifal gefärbt fm6, fo 6ürfen Bonapartiften, Hoyaliftat 
unb Orleaniften nidjt nur über 6en bemofratifa^en 2Iuf» 
fdjipung, fon6ern aud) über 6as religiös«flerifale ^iasco 
6es „Salon" in Bad unb 2lfäc trauern. ■ Die t>öcr>fte 
Blutige 6er Dolfsfeele, 6ie bil6en6e tfunft, oufiet nidjt meljr 
5u-il?ren (ßunftenf 6er farbenprädjtige Blütljenfeldj genialer 
Kunftgebilöe l?at per) mit JPonne öem ^euerfujj 6er Sonne 
5er ,freif>eit geöffnet! " ' _ . 

Zlad)bem iaj bie 6rei#ig Bil6erfäle oes „Salon" mit. 
€ifer öurajforfdjt, roill idj 6as 6iesjäf?rigc <£rgebnif 6er 
religiöfen 2tTalerei- 6em Cefer geipiffenfjaft porfüfyren. 

€rneft Duej, 6em bereits genannten tfutor 6er 
£egen5e pom f). Cut^bert, räume idf 6en €fyrenpla$ ein, 
obfcfyon fein frommes Bil6 nur einen caprieiöfen Ausritt 
in 6as romantifdje €an6 un6 feinestpegs eine Buffaljrt 
glaubensfeliger ilmfefyr pon Babylon nadj 3erufalem 
be6eutet. Der talentpoüe Ittaler, ein mittlerer Dreißiger, 
I?at ftdj feit feiner" artiftifdjen Carriere fa|i nur mit 6er 
Darftellung Parifer Figuren befdjäftigt. 3 n feiner erften 
3ugen6 Kaufmann, abfolpirte er, feiner ipafyren Berufung 
folgen6, 6ie Paiifer Ecole des Beaux Arts. Harfnern er 
6ie Pollreife feiner Kunfteinfufjt un6 einen 5uper(äfjigen 
IHafftab für fein eigenes Kunftpermögen gewonnen fyatte, 
ipollte er 6er IDelt beroeifen, 6af er in 6er berühmten 
Sdjule nid?ts gelernt, 6. i. 6a# 6ie tra6itioneHe Heceptirfunf* 



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530 



6er flaffifcfycn ,Jarben6octoren feinen gefun6en, flaren Sinn 
mdjt t?er6orben fyabe. 3 eö * 5 f em * r neueren Silber mar ein 
gemalter proteft tr>i6er 6ie Schablone 6er 2(fa6emte. 3 n 
6er religiöfen 2TTalerei, wo 6er afa6emifdje 5°pf am 6tcf Jten 
un6 unerträglichen, mar fein proteft nod) rücfftän6ig. 
3m 6iesjäfyrigen „Salon" f>at er tyn mit feinem Ij. Cuttert 
geleiftet. . ^ 

3m ganzen Bil6e ift fein einjiger conoentioneüer, 
fdmlmägig angelernter Stria). Der fjeilige ift nidjt aus 
f)ol$ gefdmifct, mit einem angeflehten Bart im ßeftdjte 
un6 6er fa6en, jefuitifdj ftereotypirten pijYftosnomte. €r 
ift vor allen Dingen ein gan$er 2Henfdj, un6 6ie XOtlt, in 
. 6er^er lebt, feine malerifdje ^tetion. €uft, CtaV, XDaffer 
un6 €r6e — alles frappant natürlidj. Uber wie treten 6ie 
ergreifen6en Seiten 6er poefie in 6er IDafyrfjeü Ijen>or! 

Dem Klerifalismus ift natürlidj mit folgen 3il6eru 
nidjt ge6ient. Der Staat n?ar hingegen aufmerffam genug, 
6as be6euten6e IDerf, ein CriptY^on grogen Formats, 6em 

* 

Hünftler ab$unel?men. 

Pierre put>is 6e <£fyar>annes, 6er ZUaler 6er 
berühmten ^resfen im Pantfyeon, r>erbin6et mit einem 
l?ocrjgra6igen (Talent einen ebenfo f?odjgra6igen 2TlYfticismus. 
IDie Due3 6ie Rumäne, fo fefyrt er 6ie asfetifdje Seite 6er 
Religion fyeruor. C'est un tapissier süperbe, fagen Ijalb mit« 
lei6ig, fyalb beanm6ern6 6ie ungläubigen IDeltfinoer r>or 6en 
um f angreifen BiI6ern 6iefes ftrengen 3«^ Ii f^"# feinem 
(Sott treu bleibt, mag er Allegorien o6er Sd/ladjtenbiloer (wie 
fein „Karl ZHartel rettet 6ie Cfjriftenfycit") o6er biblifdje 
Cegen6en un6 fonftige Pfyantafieftücfe malen. Diesmal fyxt 
er einen „Verlorenen Solm" ausgeftellt, naip in 6er <£on- 



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ception u>ie ein (Siotto ober Cimabue, primitip in ber 
$avbt mit aus einer lärigft perblicrjenen Seit unb bodf rote 
mädjtig in 6er roeltabgeroanbten €infalt eines überzeugten 
(Semütfps! \ 

pupis be <£fyapannes malt nichts, roas feinem tntimften, N 
^ürjlen fremb. Seine BUber fmb (Stauben sbefenntniffe. 2lber 
ipas roill er bamit für bas 3eitgenöfftfa^e tfirayntr/um ? Kein 
pfarrfyerr mochte biefen „Verlorenen Solm" in fein com« 
fortables (Semadj, fein llXondf ir;n in fein Hefectorium 
langen. Das märe eine Störnif jeber prießerlicfyen IDelt« 
perbauung, ein fdmeibenber f>orm auf 6ie flotten Allüren 5er 
faftionablen (Bottesmänner. „Dapib unb Batljfeba", „Simfon 
unb Dalila", „Sufanne im Babe", ,.lTIaria ZHagbalena", 
bas pffegen bie beporzugten Sujets geiftliajen <?$immerfd}mucfes 
5U fein. Pie „Sufanne" infonberfyeit t)abe iä? Dufcenbmal 
in ben fjtnterftupaVn italienifdjer Sacrifteien angetroffen. 
Was foll in biefer (Befellfdjaft ein perlorencr Solm, ber feine 
traurige Situation ernftfyaft nimmt, ' roie ber bes fjerrn pupis 
b* <£l?apannes? 

2Han benfe ftäj in ober, falfgrauer Canbfdjaft, Croftloftg- 
fett in jeber Cinie, einen armen, ungeroafdjenen, jerlumpten 
mcnfdjen, bie perfonipeirte HTelanOTolie, mit über ber Brujt 
gefreuten f)änben betenb auf einem Baumftrunf fyxfen. um- 
grunzt pön leiblidj roofjlrjabenben Sa?roeinen. 

<£r l?ätte gern fta? mit ben (Trabern gefättig't, meiere , 
bie Säue fragen, aber Ziiemanb gab fte Ujm — erjäljlt bie 
biblifdje Parabel* 

tflenfdj, Diel? unb Canbfdjaft epangelifdj. traumhaft in 
ber Färbung, a^imärifa>, unmögltdf — unb bod) wie 



\ 




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glaubn>ür6ig als innigfter 2Ius6rucf einer tuftonären ttünftler« 
naturl 

Das Bil6 ift ein tfnaayonismus in 6er heutigen Kunft, 
feine <3eitgenoffen fajlummern im Sd?utte 6er urdjriftli&en 
Katafomben, aber es ift edjte un6 geregte Kirdjen-iHalerei, 
ofme ^leifdj un6 Blut, gans Seele. 

tDäfn-en6 puois 6e Cfjauannes in 6iefer aufrid}ttgen 
iDeife feinen eigenen ßlauben $ur Sdjau ftellt, flrengt ftdj 
2Ubert HTaignan an, 6en «Blauben 6er 2tn6ern 511 malen. 
Sein Bil6 in lebensgroßen Figuren „(Eljriftus ruft 6ie Be- 
trübten $u ftd?" ift nidjt empfun6en, fon6crn gemalt. €s 
ift ein (Triumph 6es XlTetierS, nidjt 6er tfunfl. €s erinnert 
an 6ie geu?an6ten 2lbb£s 6es ad}t$elmten 3 a ^ r ^ unocr * s » °* e 
mit unfehlbarer Pirtuofttät eine galante 3 e i* un 9/ cm <K. oc h'. 
reeept, eine pre6igt un6 ein perliebtes Sdjäferge6id>t ftiliprten. 

Die Compofition ift unta6elf?aft. Huf einer Utt 2IItar 
06er C^ron, nrie man will, fi£t 3efus, 6ie blutbefleefte 
Dornenfrone auf 6em fdjme^rerserrten Raupte, 6en purpur« 
mantel um 6ie Sdmltern, 6en er mit erhobenen Firmen 
lüftet, um feinen 3erfd?un6enen Oberleib 3U geigen. Kings 
um 6en Elitär 6rängt ftd} 6as menfdjlidje <£len6 in 
ergreifen6en (ßeftalten. 3™ Por6ergrun6e eine junge troft« 
lofe 2ttutter am Sarge ihres Cieblings, $ur Helten ein 
oor Sa^merj unihnfmmges IDeib aus 6em Dolfe, 6en 
grauenhaft $ugcrid)teten Ceidmam eines Sol6aten in 5erfe$tcr 
Uniform un6 $erbrod>ener XDaffenrüftung fa^leppen6, $ur 
Cinfen eine (Bruppe Don (ßia^tbrü^igen un6 Verhungerten 
un6 Perlaffenen, 6ie per3n>eifeln6 6ie f)än6e ringen un6 6en 
thränenheißen Blicf flehentlid? $um €rlöfer emporrtdjten . . . 
Der aber meig für all 6en 3ammer feiner 2TCenfdjenfin6er 



!.•-■• 

mtmm 

i 

fein an6crcs (Erofttrort, als ein Citat aus 6en Klagelieocrn 
6es alttcjlamentlichen Propheten 3«rcmias: „Be6cnfct 
bod), ob es einen Schme^ gibt gleich 6em meinen!" (Tripial 
n>ie 6er Sprud?, ift 6er 2Jus6rucf im Hntlifcc 6es §eilan6s. 
llad) öiefem 8iI6e ift 6as C^riftent^um 6ie Religion 6er 
blanfen Dcrjtoeiflung. $üx 6ie Kirche St. Hicolaus-oes 
<£fyamps auf BeflcHung gemalt, mag es 6ie (gläubigen in 
tf?rer IDeife erbauen. — . 

Cehour, aus 6er froftigen Schule 6es afa6emifc^en 
Häuptlings Gabantl, wartet mit einer rieftgen Ceinn>an6 
auf, 6arauf er ein falbes Dufccn6 naefter Hothhäute gemalt/ 
6ie eben an einem abgelegenen, n?iI6romantifa^en (ßebirgs« . 
roaffer mit ihrer feierlichen tDafdjung befdjäftigt fm6. 
Der Katalog belehrt uns, 6af wir r>ter nicht an tfmerifa, 
fon6ern an Paläßina, nicht an 6ie legten 2Ho^ifaner, 
fon6ern an 6ie erften 3uoenc^riften 3U 6enfen reiben, an 6enen 
ein gemiffer Jor/annes eine r>orbil6liche f)an6(ung poltye^t. 
tDir ftn6 6anFbar für 6ie Belehrung un6 rühmen gern 6ie 
pieturale Pirtuofität 6es ZUeifters. Die theatralifch gefpreijte 
Pofe 6es angeblichen 3o^annes erinnert uns an einen 
befannten (Effect 6es Scr/aufpielers ZHounet • Sully oon 6er 
Com^6ie.,Jran9aife. ,Jür ein erangelifches BiI6 auch 
nia^t Abel. , * ; \ 

<£in fjerr pearce, geboren in Boflon, $um fünf!» 
übenben Dafein erjogen oon ZTTeifter ££on Bonnat in 
paris, hat ftd? mit einer farbenfaftigen 3ü*ufrration ju 6er 
biblifchen (Erjär/lung Don Abraham, 6er feinen Sohn 3faaf 
6em £)pferto6e roeihen n>ill, mit yanfeehafter phantafte« 
loftgfeit oerfucht. Doch mug er im «Blauben fer>r ftarf fein, 
»enn er meint, 6af mir 6en Dater, 6en Sohn nn6 6en 



4 



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interpeniren6en €ngel für biblifdje ($eft alten nehmen, 
nichts weniger als 6as! €in Fritifdjer £ran$ofe bemerFte 
gan$ richtig: ^ieljt 6en 6rei perfonen Stiefeletten, §ofen 
un6 einen Ueberjiefyer an, fefct ifynen einen Sei6enfmt auf 
un6 gebt ifjnen einen SpajierftocF in 6ie l)an6, fo Fönnen 
fte, olwe eine 21Iiene $u per^ieljen, auf 6en Boulepar6s für 
bieöere Bourgeois 6er 6ritten fransöftfdjen 2?epubliF 
gelten! ^ 

£) Ii ri er. ZTTerfon, 6er erff por wenigen Cagen als 
preisgeFrönter €lepe 6er Kunftfdmle feine 5tu6ien in 6er 
Pilla 2He6ici in 6er ewigen 5ta6t poü*en6ete, brachte aus 
3talien offenbar 6ie 21bftd}t mit, 6urdj eine ardjaiftifd^e 
tour de force 6ie abfterben6e religiöfe 217alerei feiner 
^eimatt? in ein neues Dafein $u rufen. Sein „Saint 
Isidor, laboureur" lägt menigftens 6iefe Deutung 3U. 
lDäf>ren6 6as Bäuerlein auf 6em IXdev fniet un6 ein in» 
brünftiges (Sebet perridjtet, befteüt fn'nter feinem Xücfen ein 
Ian6u>irtl?frf?aftlicf? geftfmlter €ngel 6as £e!6. etiles fyiudjt 
altertümlichen Duft. Die £)d?fen, 6er Pflug, 6er frtfcf) 
gefurchte 2(cFer, 6as bleiche, armfelige Bäuerlein mit 6en 
roeitaufgefperrten roaffer blauen tfugen un6 6en 6icfen, im 
Beten bewegten Cippen. Die goI6enen ^eiligenfdjeine fehlen 1 
nidjt un6 fin6 nadj 6er autfyenttfdjen by3antinifd^en 2Tto6e 
»erfertigt. Das <5an5e ift fefjr ernftfyaft un6 foli6 gejeidmet 
un6 colorirt im beften ^eitgefc^maef pon 2Inno Dasumal. 
Die 3™i* a * , ion ift geglücFt — aber n>as nun weiter? . 

Der Curiofttatenfammler, 6er 6ie alten Sdn'l6ereien edyt 
fyaben Fann, n>ir6 fein <5eI6 nidjt an Hadjafymungen per* 
fa)ipen6en, un6 6er Hadjafmier bleibt eben ein nadjafymer. 
Voüä tout 



€ine andere Cegenoe. ' 

„ €ntfe$!icr) in feiner gefpenfterfyaften Un- 

beweglidjfeit ftan6 er 6a, 6er tTo6, 6ie Unen6lid>fett firiren6 
mit feinen ausgetäfelten 2(ugen. .... Kaum fyqtten 6ie jwet 
göttlid>en Sendboten 6ie groben Bretter 6er IDiege, worauf 
6as fdjü§en6e BU6 6er 3 UT *gfrau genialt war, mit ir/ren 
fn'mmlifdjen f)än6en berührt, 6a fcfywieg 6as fcr)reien6e Kinö 
un6 fanf in fügen Sdjlummer. €iner fefcte ftdj ju feinen 
Raupten, 6er Unbcre ju feinen £ügen, un6 fo wiegten fte es 
fanft ein, 6te Sdmfceugel 6es fd}lafen6en Kinoes u 

Diefe naipe (ßefcfjidjte rjat 6er wenig naipe €^ouar6 
Cou6ou5ein feinem piel $u umfangreidj angelegten <ScmäI6e 
„Les anges gardiens" perbiI6Itcf>t. <3wei foloffale €ngel mit 
blauen un6 rotten klügeln un6- banalen 21To6eÜ*geftd}tern 
wiegen ein arides Kin6, 6as neben feiner tobten HTutter 
eingefcr/Iafen. Keine mittfyeilfame Hürjrung Iöft ftdj aus 6er 
Meinen Scene un6 6er % Befdjauer geljt f alt porüber. 2ln n>em 
liegt 6ie Sdjul6? €s ftcfy gefd?rieben in^ einem 6eutfdjen 
Budje: „IDenn 3fr/rs nidjt f üfylt, Jtn* wer6et's nie erjagen!" 
itlödjten ftcr) 6as 6ie frommen €egen6en«PinsIer gefagt fein 
laffen! „<5efüf?l ift tflles". Kein 5arbenblen6wert f?ilft über 
6iefen 21TangeI fr/inweg. " 

IDenn es noer) eines Beweifes be6ürfte, weldjen unüber- 
brückbaren 2Ibgrun6 6ie mo6erne (Beiftesentwicfelung $wifd}en 
6em (Sefür/Isleben pon <£inft un6 lefct in religiöfen 2Haterien 
gefajaffen, fo braudjte man nur nodj 6ie „Qimmelfarjrt 
iHaria" pon Bruno <£f?£rier mit 6en 6asfelbe Sujet 
ber/an6eln6en iTTeiftcrn 6es Mittelalters $u «ergleiaVn. €tn 
mtttelalterlid^es ZTliraFeIbil6 fteigt ftegreid} wie 6ie Hoffnung, 
flammen6 wie ein (Bebet, ungefudn* wie 6ie Unbadft felbft 



556 

aus bem §er$cn bes Künftlers tfetvov unb lächelt füge 
Harmonie in bas (Semüth bes Befäjauers. IDie gans anders 
6tefe geftern fomponirte Himmelfahrt bes Sfeptifers, bet bie 
gläubige Sdjtsärmeret nur vom ^örenfagen fennt! 

(Beurig, C^rier ift ein gefefnefter tflacher, aber ift es 
ifym gelungen, bas Kopfzerbrechen 3U perheimlichen, bas ihm 
biefes 23ilb mit feiner fühlen Jungfrau unb feinen im 2t$ur 
langmeilig flatternben €ngeln gefoftet? Keineswegs. Die 
Ueberseugungslofigfeit bricht an allen <£cfcn unb €nben h er * 
por. Sein Schauftücf erfreut nicht unb befehrt nicht. 2lber 
luarum maü er einen mirafulöfen Porgang, <m bem fein 
f)er$ nicht mehr theilnimmt? IDeil er öas (ßefchäft nicht 
ausfragen mochte, bas ihm 6er §err <5raf Hettencourt au- 
geboten, für beffen Sdjlogcapelle bie Himmelfahrt beftimmt ift. 

€ s wären etn?a noch acht bis sehn religiös fein tpollenbe 
Bilber $u nennen: ein paar <£hriftuffe am Kreuse unb im 
(Stabe, ein paar ,21Iabonnen unb Ijeilige, eine phantaftiferje 
„flucht nach Aegypten", ein elegant frijirter 5t. Hieronymus — 
aber Heues unb €rquicfliches liege ftdj nicht pon tlmen fagen. 

Das ift alles, a>as ber überreife „Salon" an fpeeififch 
religiöfer 2HaIerei aufjuroeifen fyat. tDenig genug, aber — 
entre nous — immer noch 5 U wel. J . 



V 

» 

tDeit intereffanter als bie anftubirte Emotion bes 
religiöfen (Blaubenslebens erfcheint bie ehrliche XDiebergabe 
frommer (Gebräuche bes Polfstfnims, fotpeit es noch feft 
im 3 nJerc ff^"freife ber Kirche n>ur$elt. (Ein folcrjes IDerf 



■ 




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337 



ift md)t nur fünfflerifdj, fonöem audj ettmologifdj nritlfornmeit 
$u feigen. Denn öarüber lägt ft<^ fyeute fein Derflänöiger 
nic^r täufdjen, öag trofc aüer tfngflrufe öer Cegitimttät: 
„Schafft Religion ins £anö, pauft öen Katechismus ein!'' 
öie neue IDtffenfdjaft unaufljaltfam iljren <Eroberungs$ug bis 
in öie entlegenfien IDinfel bes Canöes fortfefct unö öem alten 
(Blauben unö firdjliajen Braud/tfyum öen Boöen ent$ief?t. 

Die XtlaUv tlmn alfo tpofyl bavan, öie legten (Trümmer 
bes firdjliaVrcligiöfen Dolfsfajaufpiels für öie ZHufeen ju 
retten, beror öer Porljang fällt unö öie (Transformation 6es 
fdjledjtfjin naturalijttfdjen ßeiftcslebens öie Spuren öer fupra- 
naturaliftifdjen (Blaubens • Haipetät ausgelöst Ijat. 2lber 
rafdj ans XDerfl Denn nriepiel fyxt öer unerbittliche ^ort- 
fdjritt im Caufe öer Jafyrfmnöerte pon öen populären Hlam- 
feftationen öes (griffen tljums — pon öen übrigen tpeniger 
mädjttg gefdjüfcten Religionen ganj $u fajtpetgcn — nidjt fcfyon 
3U Boöen getreten I *XDie arm finö tpir heute an religiöfen 
^uf3ügcn unö Bräuchen im Dergleidje mit öem Reidjtljum 
unö öer ZTCanmgfalttgfeit öes°gebeneöeiten Znittelalters! 

fyxv 2lim6 perret aus Cyon l?at eine fein beobachtete 
Scene aus öem Bauern •Katholicismus im Burgunöifdjen mit 
gcfdjicftemPinfel fcftge^alten. „Saint Viatique enBourgogne" 
heigt öas_ Bilö. Vom grauen f)immel i|! frifd^er Schnee 
gefallen. €ine eifige Brife pfeift öurcfy öas Canö. Vom Dorfe, 
öeffen Dächer im ^intergrunöe ftdj ftiü aneinanöer örflefen in 
langer gefdjloffener Reifte, hat öer Priefter ftdy aufgemacht, 
um einem Sterbenöen im Ztadjbarorte öas ^eilige Piaticum 
ju bringen. £we\ Bauern eckten, öerben Schlags, in riejtgen 
fjolsfdjuhen, öiden IDämmfen, öie baumtpollene Stpfclmfl^e 
über Stirn unö £>hren gejogen, galten in ihren fdfurieligen, 

CT. «. Conrad Pariflana. * 22 



338 



blau uzb rotf? gefrorenen fjänöen öie Stangen öes Cfyron- 
rjimmels, unier ipeldjem 6er <ßeiftliaV in poöem Ornat mit 
oem <£frorium marfdjirt. Poraus fdjreiten $u>ei <£fyorfnaben 
mit bat r)eiligen Caternen, öie an ^ocf^aufgeric^teten Stäben 
fdjaufeln; r/int er ör ein folgen $n>ei XDeiber, gleidjfalls in 
fdjipera Jjo^fdjur/en, ein Sdjnupftudj über öen Kopf gobunöen. 
Die <ßmppe bemegt fldj müljfam auf einem fdjledjten ;Jelö* 
roege pzrnxirts. Das fcr/Iottert unö fröftelt, fdjiebt öen Hücf en 
r)odj ulö jtefyt öen Kopf ein, öaf es ein €rbarmen ift. Allein 
öer Hcröipinö ift erbarmungslos. Der ßeiftliay, ein alter 
milöer *)err, murmelt anöädjtig feine (Bebele unö öie 
begleitmöen Bauern ergeben ftdj reftgnirt in ifyr Sdjicffal, öas 
fte pon öem n>armett Ofen r)en>or über öie unnrirtljlidjen 
Sajneefelöer treibt. €rgreifenöe Realität in jeöem pinfeiftricr), 
erfaßt öen 23efdjauer öer traurigen Scene tief fte tü^eilna^me. 
£s gilt, öen legten Ciebesöienft einem fterbenöen iTTenfa^en« 
bruöer in ärmlidjer f)ütte 3U erroeifen — unö roafyrljaftig, es 
fanri micrjt mit mer/r (Einfalt unö fjerjlidjfeit gefa>r)en, 
als es §ier gefdnlöert iji, trofc öfter meteorologifd/en Qinöemiffe. 

„Offrande a la Vierge" r)at fjerr Bulanö, ein fraft« 
polier Colorift, eine Scene benannt, öie er in einem tDinfel öer 
alten Borffirdje $u protofoll gebraut. 3<*? faö« protofoü 
gebraut, um im Doraus jeöen Deröadjt öer romantifdfen 
€mpfhöelei unö erlogenen (ßefüfylsmalerei Don öem jungen 
2tteifia abjulenfen. Sein Bilö ift fo gut u?ie öas befd/riebene 
perreis ein Dofument. Die fdjroarjgefleiöete (Brogmutter, 
gcbcucf pon öer Caft öer 3 a *? re / f l fc* naajöenflidj in öer ftiüen 
Kirdjmccfe, tpäfyrenö öie <£nfelin ein fanftes, melandjolifdjes 
<5eftdrei>en $ur ZHaöonna ergebt unö irjr mit unfdjulöspoUen 
fjänöax einige ^elöblumen $»m Opfer bringt. Das ift 2IUes — 




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- * 



t • 

i 

339 



unb n?ie es gegeben nrirb, ijt es genug, um eine 
fYmpatlnföe (Empfinbung in unferm (Bemühe ju ertpeefen. 

Der nämlichen (Sattung geirrt „Une Epave" von 
^ernanbBlayean. „3fn*er fünf sogen jie aus bei ftürmifdjem 
Xtleev unb einer nur fefyrt 3um Ufer 3urücf' , fügt Oer Katalog 
erf iärenb bei. Der €ine aber ift tobt. ITodj pon einigen f efcen 
ärmlidjet ^ifaVrtraajt umfüllt, rufjt 6er pon ben fajäumenben 
XDellen ausgeworfene Ceidmam am felfigen (Seftabe, roäfpeno 
bie Bewohner bes Stranbborfes herbeieilen mit 6em Priefler 
unb ben Apparaten bes firdjlidjen Cobtenbienftes, um bem 
umgefommenen (Senoffen eine efyrlicfje, feiige Beftattung 5U 
fiebern. Diefes Meine Drama aus bem Seemannsleben ift por- 
trefflid) gemalt. Die roettergebräunten, fyarten UTatrofengeßdjter, 
über bie ein Sug rüfyrenber Tlnbadft gleitet, fmb pon abfoluter 
XDaf^rrjeit. Die religiöfe 3bee ift fefc gfücfli$ accentuirt. 

€inen anbern Con fyaben XDorms unb ^rappa ange- 
fangen. Der €rftere seigt uns eine „Tournee pastorale", tpo 
ber behäbige unbipofjlberittene Seelforger auf einem bemütfjigen 
€fclein 5U feinen gläubigen sieljt, meniger um beren <5etpijfen, 
als pielleidjt beren Küdje unb Keller ju erforfdjen. Der 
3efud) ift foeben mjt <Erfolg beenbet. Die gefammte ^amilie 
gibt bem geiftliäjen fjerrn refpectpoll bas <5eleite über ben ^of 
unb ein aufmerffames ZHägblein fcfjleppt einen Stuljl fyerbei, 
um bem (ßottesmann bas tfuffteigen $u erleidjtern. Die 
Scene ift nadj Spanien, bem gelobten Canbe ber Clerifei, perlegt. 

Hoa) fd/e^ljafter ift bas Bilb ^rappa's angeflogen. 
IDir fmb in Otalien. „Les Qu6teurs*\ stpei BettelmönaV, 
maa)en mit umfangreidjen Körben bei ber glaubigen unb 
fpenbablen Kunbfdjaft bie Hunbe. Sie fommen an einem 
einfam gelegenen fjaufe porüber, aus beffen fenfter eine 

22* 



. ». .. 



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$üdjtige Jungfrau mit einer fetten (Ente Iodt. Allein 6as 
^enfter ift unoer^ältnif mäf ig fyxfy angebracht un6 6er Ceibes» 
umfang 6er Klofterbrüöer geht mehr in 6ie Breite als in 
6ie £)öhe. 2?afdj entfdjlojfen fteüt 6er (Eine Korb un6- 
^djirm beifeite, 6rücft fldj gebüeft an 6ie ZTTauer un6 fein 
(College benüfct ir>n als Ceiter, um 3um ^enfter emporsuf limmen 
un6 6ie <ßabe 3U gewinnen. Zttit 6er €nte erfaßt er $ugleia> 
6ie 3arte Ijanö 6er töeberin un6 fpifct öie Cippen $um ^eiligen 
Kuffe. ^£ine mollige 2ttmofp^äre ruht auf 6er <5egen6. 
3m betäuben6 6uften6en £>rangenhain $irpt 6ie (£ica6e un6» 
6ie €ngelein frofylocfen im Gimmel — , 

Hd), 6ie gute, alte £eit 6er 3ettetor6en, 6ie fein Cuttur- 
fampf un6 fein nrirthfdjaftliaVr ttothftan6 ftörtel 

tTrofe aller geiftigen XPan6Iungen ift 6as urfprünglidje 
€mppn6en nidjt aus 6er XDelt entflogen, im (Segentheil, fein 
Strom I?at fta^ mädjtig verbreitert un6 pantr)eiftifcr) . gefärbt, 
fo 6aß 6as enge Dogmenbett 6er überlieferten Religion i!m 
niajt me^r ju faffen Dermodjte. 

Das religiöfe (Befühl l)at irdje un6 Klofter perlaffen un6 
ift in 6ie freie, roeite Hatur ge$ogen. Damit fyat 6ie £an6fd)afr 
mit ihren taufen6 XDun6em un6 Sdjönr/eiten un6 geheimniß» 
©ollen Stimmen, ihren txdtfU un6 ^arbemoechfeln un6 ergreifen* 
öen Stimmungen einen IDerth gewonnen, 6er 6en porausge- 
gangenen firdjlidj befrie6igten (Generationen unbefannt ge- 
blieben. 2Ius 6iefem fta> immer gewaltiger entfalten6en 3u$e 
6er 2TTenfd}enfeelo jur ZTatur, erflärt ftd> 6er fortfd>reiten6e 
2tuffa7tpung un6 6ie 3e6eutung 6er €an6fajaftsmaleret. 

Das £anöfd}aftsbi!6 n>ur6e ein 2lft 6er Haturan6acht, 
ein pantheiftifa^er ^ynrnus, ein (Croftfprua) für 6as be6rängte 




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2nettf<$enfy?r5. XOk in 6er Citeratur, fo würbe in 6er UTaleret 
6ie Hatur 5U einer unerfdjöpflidjen Quelle frifc^er 3nfpirationen. 

<£s ift Ijier nidjt 6er £>rt, öiefes intereffante Cljema meiter 
ju verfolgen. 3<*? überantworte es 6em Selbftoenfen 6es 
Cefers. Um bei 6er 5acr)e $u bleiben, fyxbe idj nur $u 
conftatiren, 6aß öie franjöfifa^e £an6fdjaftsmaleret nad} 
6en Beugungen 6es „Salons" ifyren normalen <£ntu>icflungs- 
gang perfolgt. 

Die großen Cücfen, öie in 6en legten Jahren 6urdj 
6en C06 6er rufjmreiaVn ZTteiper Houjfeau, Corot, UTillet, 
Diaj u. 21. entftan6en pn6, beginnen 6urd} junge, per* 
fjeißungspolle Calente pdj aHmälig u>ie6er $u füllen. 

3n erfter Cinie per6ient 2ln tonin <£uillemet ge- 
nannt $u n>er6en. Sein erftes Auftreten erregte trielfältigen 
IDi6erfprudj , % urie 6as je6er eigenartig veranlagten , auf 
einer ftarfen 6elbftemppn6ung ru^en6en 3n6tDt6ualitdt. . 
Sein (Temperament Jtörte 6ie Kreife 6er Sa^ule wie 6en 
_ mo6ifa)en (Befdmiacf 6es großen publifums. €n6lia> er- 
folgte mit 6er Cäuterung 6ie Derpän6igung. fjeute pn6 
feine Erfolge unbeftritten. 

€r fyat „Le Chaos de Villers" ausgepellt, ein 
Stücfajen Uferlan6frf>aft aus 6em Departement talvabos* 
So energifdj 6ie ^actur, fo penetrant 6ie Hleland^olie, 6ie 
über 6em <5an$en fd^roebt. f)eftige H>in6pd , ße fegen 6as 
blaßgrüne UTeer, 6effen Sdjaumtpellen am fan6igen Ufer 
jerrinnen, u>äf}ren6 6as fpärlidp StraudjtperF 6er tr>U6 
6urd}eütan6crgefcr}obenen, fteüenroeife faftig begrapen Qügel- 
reüje pdj unter 6em 2lnpraD 6es Sturmes tief $ur €r6e 
6rücft. Die IDolfen, voll, getpittertracfjtig un6 60V leidjt 
in 6er Bewegung, umfüllen 6os Cerrain. » 




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5^2 

Ungeheuer einf acr) — unö öcxr) wie nurfungspollf 
Dem (gewöhnlichen 3U einem mächtigen, nachhaltigen (Ein- 
öruef mit fdjeinbar gewöhnlichen ZTTitteln $u Derhelfen, 
öas ift öie grofe Kunft öiefes Canöfcrjafters. 

3n ähnlicher IDeife wirft €ömonö £on mit feinen 
„Bords de la Marne" einem franf Eingeworfenen, breit 
gemalten ^lu^biloe aus 6er Umgebung r>on Paris. 

ttlit einem merflich größeren Sfufwanö pon tecr/nifet/erc 
ITTitfcIn . r)at Couis ^rancais fein Stimmungsbilö „Un 
matin dans la vallee de Rossillon" gefcr)affen. b Die 
frifer) begrünten IDeiöenbäume baöen fleh in einem fanftett 
XTCorgenltchte unö öurdj öie transparente tftmofpfjäre blauen 
uns öie fernen ^elspartien entgegen, um welche noch 6a 
unö öort einige Jefcen Hebel wie ein weiter Duft irren. 
Durcr) öen tE^algrunö plätfdfert ein r/eimlia^es 3ädn"ein, ein 
gefunöer - 2fthem geht öurdj öen pflanscn wuchs. tfur$, 
ein Bilö, elegant unö innig wie 2TCenöelsfohn'fche" ZTTuftf. 

„Da mu§ rergcfyn, rcrmefycn 
„Das trfibe CErbenleiö 

(Ein heiliges, feiiges (Befühl, aber feine fcfmurrenöe 
tfäferfentimentalitat, öas ift's, was wir von ötefem Bilöe 
mit fortnehmen. — 

(Es mögen h* er noc *? °* e Hamen Coir, £>röinaire, 
Daüemagne, Kapin unö Bouöot genannt fein, öie "als 
aufftrebenöe Sterne öen fünftigen „Salon" mit ihrem Cicfjte 
erfüllen weröen. Unö öamit nehmen mir 2Ibfd}ieö pon 
öen brapen Canöfcr/aftern öer jungen Sdmle. 

IDie in öer HTalerei, fo öominirt auch in öer Sfulptur 
öas menfehliche Bilönif. Die 3al}l öer Büften in OTarmor 
<&yvs, tTerracotta, Bron3e, JDachs ift Cegion. 



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3*3 



(3 uillaume, 6er altbewährte ITTciglcr unö fcf?a?är- 
. merifche Bonapartift — mug es nicht auch foldje Käu^e 
geben? — eröffnet 6en Heigen mit einem e6el ge6achten 
un6 fein ausgeführten ilTarmorfopf 6es perflorbenen 
<ßrün6ers 6er Revue des Deux-Mondes. Der gan$e 
Bulos, wie er lebte un6 ftrebte, ftnnte un6 »irfte, ift in 
6iefem Raupte von antxt rönufcfjem gufefmitt. 3 n 6er 
Häfy! thront 6as ftolje, 6urcr)aus mo6erne GfyxxatUtbüb 
6es grofen phvftologen £lau6e Bernar6, für 6as nahtr- 
fnftorifa> ZHufeum $u Perfailles uon 3felin ausgeführt. 
Die fteghafte IDiffenfc^aft 6er Heu$cit fcheint in 6iefer 
prächtigen tttannesgeftalt oerförpert $u fein, 

E>on6en Otiten 5U 6en jungen. £re6ertc Beer, laut 
Katalog ein geborener £>efterreicher, bereitet uns mit einer 
allerliebften Kin6ergruppe in Cerracotta eine angenehme 
Ueberrafdmng 1 . 5»ei 2ttäbd)en, 6as eine auf einem Stuhle 
1tfcen6, n>ähren6 6as an6ere fter>en6 fta? fanft an 6as altere 
Schroefterchen anfcfjmiegt, bieten im tfus6rucf 6ie ganje • 
freuoige Schalheit un6 tfaufrifdje Cebensemppn6ung 6er 
erften 3ugen6. Beer fyit als feinfühliger Kenner 6er 
Fin6Iia^en pfvcfje un6 als ihr h<»n6fertiger 3nterpret oiel- 
leicht feinen einigen ZHitbemerber im ganjen „Salon", 6er 
ihm überlegen n>äre. 3cf> menigftens, 6er ich 6ie Kin6er Der- 
göttere un6 fte als 6as n>onnet>oilfte Schöpf ungsereignig preife 
un6 6arum 6ie haften tfnfprüch* «n 6te nachfäaffenoen 
Bifoner fteüc, habe nichts Pollfommeneres gefunoen. 

Konra6 Bührer, ein freier Schauer, fyxt einen 
Sronsefopf, 6em 6ie 6emofratifchen 36een förmlich. 6urd} 
6ie ^imfchale 6ampfen, ausgepeilt. #ott gemacht! Das > 



* 




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. 3« - - 

- 

ift. offenbar einer von 6er jungen Sdjule, 6er jtdj feinen 
piafc an 6er Sonne in Bäföe erringen n?ir6. 

Don pirtuofer Ccdmif, aber fripol in 6er Jöee, iß 
eine lebensgroße IDadjsftatue mit 6em pifanten (Eitel „Le 
Demi-Monde" pon 6em €lf äffer D6fir6 Hinget. 

€tne frühreife Cocotte, fplitternaeft bis auf , ein 
lüftemes Sdjamfa^ürsajen ..... Sarai? Bernfyaröt, 6ie 
für 6en „<51obe" ein Salonreferat ä Sensation gefdjrieben, 
rief ffan6alifirt aus: „II y a penl dans le temple 
.d'Apollon!" fdnnig 6ie £eöer n>eg un6 fo^mebte entfefct 
pon 6annen — — ZtTonfteur Hingel, fronen Sie bei 
fünftigen (£r!nbitionen roenigftens 6as jungfräuliche^ £art» 
gefügt unferer Komödiantinnen, parbleul 

Heben 6er mo6emen, «jäojfernen ^albmelt, 6er man 
6as €riften5rea^t in 6er Kunft fo Ijartnäcfig beftreitet, 
erfreut fid) 6ie antife marmorne Demtmonöe 6es Rimmels 
unö 6er €röe, 6ie Damen Penus, Ce6a, Cleopatra un6 
•Confortinnen, nadf nrie por 6er clafftfdjen Dulöung. 

(Bef/en mir an 6en ewigen XDteöerfyoIungen un6 Da« 
riationen 6iefer taufenöfad? abgegriffenen Sujets porüber, 
6ie öod} nur 6ie 36cenarmutl) it?rer refpectipen Kusfteüer 
bezeugen, un6 tpenöen mit uns geift» un6 empfmöungs* 
reiferen ßebilöen $u. Da ift por allem 6er ,,©enius c 6as 
45efyeimmj| 6es (ßrabes fyütenö", 6er 6en ernften Sinn 6es 
Publifums feffelt un6 einen Sturm fjeüfamer €mpfmöungen 
im 3efa>uer fyeraufbefdjtPört. ttur ein ganser ZHann un6 
ein ganjer Künftler 6urfte ftd> an einen folgen Dorumrf 
wagen. ZlTonfteur Saint» 2TCarceaur ift beiöes. Sein 
JDerf ift poüfommen. 2Juf 6em würfelförmigen törabmal 
fifct eine imponirenöe- männliche (ßeftalt pon robuftem 




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(Blieberbau. Das rechte Bein, auf bie 5 e ^ c " 9*ftüfc r / *f* 
ftramm angezogen, ipäfyrenb 6a 5 lin Fe, 6cm Spiel 6c s 
tüdwäxts gcn?anbten £bcrförpcrs folgenb, frei nadj com 
ftaj jtreeft. Die ftraffe OTusculatur brüeft Me energifa^fle 
Belegung 6er Kraft, bie Sprungberettfdjaf* im XTToment ab- 
tpartenber Hufye aus. Der linfe &rm umfdjlingt öen 2lfd>en- 
frug, auf 6effen Dccfel 6ie redete fyanb fid} feft legt, tcäfyrcnb 
aus 6em Kntlifc öes tDädjters bie heraus f orber ung sueft: 
Qier rufyt 6as (ßcfyeimnif un6 feiner nrirb's* erfahren, feiner! 

Der tief in öie Stirn gebrüefte Cypreffenfranj fyält 
5uglcid} eine 2Irt Soleier ober Sdjtpeißtud}, bas hinten 
fyinabfällt, ol/ne 6en umnberpoll moöellirten Hücfen ju per- 
füllen, ; un6 bann unten mieber in natürlidjer Derfa^lingung 
mit bem redeten Sein $um Porfa^ein fommt Der (Typus 
6es fjauptes mit 6er 6icfen £>berlippe, 6er langen, bebenöcn 
Hafe, 6en unter 6er jladj porfpringenben Stirn tief einge- 
bauten, efjer f leinen als großen tfugen, gebort feiner Seit unb 
feiner Hace an. Der Ceib ift 6ic XDafyrfyeit felbft in itTusfeln 
unb» Knoden, öas Qaupt allein flammt aus 6cm Xeidje 6er 
puren Znyftif. Der €in6rucf 6es (Banken ift erfdjütternb. 
Unb 604 uriü miefy be6ünfen, bag 6as grofe XDerf nodj 
ein be6euten6eres XTCag pon Befeelung un6 <5efür>I pertröge. 

2Tterci6 fyit $wei feljr gelungene Proben feiner foliöen 
ttTeifterfdjaft ausgefteflt: eine (Eoloffa Iftatue in Zfiarmor, 
6en gefeierten 2lftronomen tfrago in 6odren6er tfttitübe 
perbiI61ia^en6, un6 6en €ntn>urf eines <5rab6enfmals für 
6en unpergeflidjen ZHiaVlet. Der iöealiftifdje <Befd?tcr)t- 
fdjreiber rufyt auf 6em Sarfopfyage Ijingeftrecft; feine Hed?te 
fjält nodj bie treue feöer, »afjrenfc bie Cinfe auf bem 
brapen fersen liegt. Das tfntlifc fdjeint unter bem §aud>e 




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3^6 

6er , Unfterblidjfeit tt>ie6er aufzuleben, 6ie, als majeftätifdjer 
(Bcnius über 6em (Entfajiafenen fämebenb, mit 6em erhobenen 
Ringer auf 6ie eigenen JDorte ZTCiaVIet's weift: LTiistoire est 
une resurrection. Das ifl ein tDetf poll Tlbtl unb Zlnmutl). 

Der Ijeilige Dincent 6e Paul pon 2Ue;an6re Jal« 
guere, eine für 6as Pantheon bejtimmte <£oloffaIfiatue, 
pereint alle Dor$üge, 6ie man an ttefem ZTTeifter 6er 8U6- 
nerfunft $u bemun6ern nidjt mü6e u>ir6: Präcijton 6es <ße» 
6<|nfens,. Sdjlidjtfyeit 6er €mpfm6ung un6 eine »arme, 
fcegeiftern6e Formgebung im großen Styl. 

TDeldf ein prächtiger ittenfefy 6iefer ^eilige! Da fle^t 
ex, 6er unberoeibte Kinfcernarr, unb lächelt, 6enn fein t)er$ 
fliegt über pon 5elig!eit. „Schaut her", fdjeint er uns $u» 
$urufen, „was xdf 6a mie6er für jroet entjücfen6e €remplare 
ron armen, perlaffenen €r6empürmä}en aufgelefen habe!" 
Hn6 mit feinen großen, mifötfjätigen fjän6en 6rücft er 6ie 
faum ausgebrüteten, naeften (ßefa^opfe an fidj, 6ie in ihrem 
erften pflanjenfdjlaf nicht ahnen, n>ie piel Ciebes ihnen 6er 
frem6e ZTTann eripei|t. £>, wo eht folajes ^er$ unter 6er 
ZHöna^sfutte fchlägi ! 



VL 

€s if! mir angenehm, mich in 6en pon mir pertretenen 
2Inft<hten über patriotifaV Soloatenmaleret mit einem 
fran3öfifa7en KritiFer 6er jungen, 6ur<h unabhängige (Befinnung 
un6 rDtffenfcr)aftlicr)en ^reimut^ ftd? aus$eidmen6en Schule in 
Hebereinftimmung ju fehen. 



1. 3»I"u 





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3*7 



fjerr 3- H. Quysmans fcfj reibt im „Poltaire" üom 3. 3ult: 
„Per Patriotismus ift meines (Eradjtens eine negatioe 
Qualität in 6er Kunfl. 34 »oJf!, oafc 6er grofe 

Raufen ror <£ntsücfen mit 6en Jügen jlampft un6 in einen 
gelinöen entrjuftaftifdjen Sdjrocig ausbrtdjt, wenn er in einem 
*<£oncert fyeulen fyort: La revanche! 06er: France, raes 
amours! 34 n>ci 6/ & a 6 °i*l e 2fl>nfdjen bei 6en burlesfen 
Homansen 6es JlTonfteur Derouleoe uor 3 U *** «»8« f tc *J 
geraten; aber 6as ftn6 un6 bleiben 6od} nur gutmAt^ige 
€infaltspinfel, 6ie an je6em patriotifd} tfuienoen Kö6ec 
anbeigen un6 6en Künftlem, 6ie ilm Juristen, entgegen» 
jaulen: £>, i^r frönen Seelen! Der Patriotismus, wie ia> 
t!m t>erfter;e, Ijat por allen Dingen fraftoolle, 6auern6e XDerfc 
auf 6ie Beine 511 bringen. Courbet un6 XHillet Ijaben 
^ranfreia^ größere Dienfte geleiftel 6urdj 6ie Qeroorbringung 
i^rer n?un6crbaren <0emäl6e, als alle generale un6 Staats- 
manner jufammen. Sie fyaben in 6er Cljat iljr Paterlan6 
perrjerrlidjt un6 gehoben, tr>äf?ren5 6ie kernet, Pils, IJr>on 
un6 an6ere Sd}lad}Unmalet, 6ie feine Siege feiern wollten 
mit ifyren militärifdfen Sdjmieralien, es nur emie6rigt unb 
enttDür6igt Ijaben. Das ift meine 2TTeinung tout cru." 

Bau6elaire Ijat in feinen „Curiosites esthetiques" 
gelegentlidj 6er SoI6atenma(erei 6en Safc nie6ergefdjrieben: 
//34 faff* 6iefe.2HaIerei / wie id> 6ie bewaffnete OTacfy fcffe, 
un6 alles, was an frie6Iia^en Orten feine geräufdjpoHen 
2TTor6n?erf3euge fyerumfdjleppt." 34 -«4* fo weit — 
pöm Stan6punft 6er Kunft. Die 2Innee eriftirt un6 fytt 
6afy?r 6as 2?ed}t, fo gut wie je6e an6ere ßefeüfdjaftsflaffe „ 
fünftlerifa? repro6ueirt 5U wer6en. tfber was perlangt wer6en 
muf, ift, 6af 6ie runftlerifaje 3er/an61ung 6iefer ewigen 





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3*8 



• meloöramatifdjen un6 auffa}nei6erifayn 2lD*uren ftdj entfdjlage 
un6 6ie fol6attfd?en Dinge 6arfieUe, wie fte ftn6. 

Die Sculptur ifl im (Brofen unb (Sanyn 6iefer ^or6erung 
bei ifyren 6iesjäfyrigen Schöpfungen eingeoenf gemefen. 3^re 
Perfudje, mit 6em UTarmorbilö 6en Hagel auf 6en -Kopf 
$u treffen un6 uns naturroatyre *jel6en, 6ie jtdj ofme ^Iunferei 
tfyrer V)aut welken, glaubtpür6ig fyu^upflanjcn, ftn6 511 loben. 
<ßelunaen ftnö mefyr ooer minoer 6iefe Derfuaje, forneit fte 
fta? mit mooernen (Beftalten befdjäftigen, total perfekt Inn« 
Segen bei 6er Sd}il6erung Ijiftorifd} perjäfyrten *}el6entljums. 

Die arme 3ungfrau r>on Orleans! Sie gehört $u jenen 
Figuren, 6enen man auf fran$öfifdjen Zustellungen fdjledjter- 
oings nidjt me^r 5U entrinnen permag. Ueberau* ftellt fte 
ftdj uns in oen tDeg, 6as Sflmofen unferer tfufmerffamfeit 
un6 23etpun6erung fyeifd}en6. 5 U Pf* r &/ 3 U balb 6ie 
;Jafme, baI6 6en Säbel fdjiüingeno, 6ann n>ie6er oemfit^ig, 
. persücft „tfyren Stimmen" laufcr}en6 06er 6ie §än6e sunt (ßebete - 
.gefaltet, in allen mögüdjen un6 unmögliaVn 2fttitu6en anr6 fte » 
pon 6en patriotifdjen KünfHern in 6ie £>effentlid}feit gejerrt. 

Encore une Pucelle! ruft 6er 6rangfalirte Kunftfreun6 
aus — un6 bei allem Hefpect por 6em fyeroifdfen 3ungfem- 
tfjum fudjt er fein ^eil in fdjleuniger ßlüdfU 
, * <£in 3U?eiter (Typus, 6en 6ie arltftifa)«patriotifd?e 2luf- _ 
äringlidjfeit in 6en legten adjt 3a^ren in allen ZusfteUungen 
fpufen lägt, ift ein geroiffer Dercingetorir, 6effen 2ln6enfen 
©urd} 6ie Pictor ljugo'fcfye Profa urie6er reftaurirt u?or6en 
ift. Dor 6em „Annde terrible" n>ar er fo gut mie per. ' 
foToöen un6 mugte tfd} mit einer füllen €riftenj in 6en 
<ßefcrjicr}tsbücr)em un6 tyftorifcrjen Ceitfäoen 6er Sa^uiftube' 
3ufrie6engeben. Hun tyxt ftd} * plöfclief} 6ie Kunfl feiner 

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3*9 

————— ... 

\ 

bemädjÜQt un6 er mug para6e flehen, als ob fein national- 
fyelöentfyum erfl t>on geftern 6atirte, 

„31?r fyabt tfrminius gehabt, mir Ijaben Eercingetorir!" 
fdmtetterte im Qcrbfte \870 Victor §ugo in feinem grotesfen 
„Aufruf an 6ie Deutfdjen" in öie tDelt. Jreilid} ljabt tljr 
ifm un6 ZTieman6 mir6 ilm eudj ftreitig madjen. €r fjat 
ftdj tapfer mit 6en römtfdpn Cegionen gefeilt — un6 nacr/- 
oem er poü gallifa^en Ungeftüms feine ganje Karte auf 2llefta 
gefegt un6 bas Spiel perloren fyatie, fdjmadjtete er adjt 
3af?re lang im Kerfer 6er ZHamertiner in Horn, bis i^m 6er 
ftegretdje Cäfar 6as fjaupt abfragen ließ, (Ballten aber mar 
fortan eine römifd?e prouinj. tDas l?at 6iefer tragifdfe Aus- 
gang mit 6em Cebenslaufe 6es tfrminius für eine tfefmliajfeit? 

Allein nadjoem Deutfrfjlan6 mit feinem Krminius footel 
ۊrm gemalt fyatte, mollten aud? 6ie ^ranjofen einen 
ebenbürtigen HationaI^el6en fyabcn aus alten , grauen 
Cagen, un6 6iefem eiferfüdjtigen tDettfpiele jmifdjen 
6en fta) befefj6en6en Dölfern fyaben mir 6ie* Segnung mit 
-Percingetorir» Statuen 3U per6anfen. 

Seine Populariftrung b,at je6od} erft geringe Jort» 
fcfjritte gemadjt. 

307 fyatte mie6erl?olt Gelegenheit $u 6er Beobadjtung, 
ba % feine fpätgeborenen Can6sleute fopffrfjütteln6 mit 6er 
^rage an feinem Bil6e porbeifdjritten : Vercingetorix? Qui 

* • 

est 9a? Connais pas. 

IDer in 6er Theater -Citeratur bemanoert ift, hätte auf 
6iefe ^rage mit einem (Couplet aus 6em Dau6emlle 
„Commentaires de Cesar* 4 von 6em jüngftperftorbenen 
Duc 6e ZRaffd 3efd?ei6 geben fönnen: 



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350 



' Ce roi bronzi qui s'avance 

Et seul en vaut dtx 
C'est Vercingötorix. 
• f Cet auvergnat de naissance 

Vient des bords de Styx, 
Revicnt des bords de Styx! 

Der feurige Derringetorij bes £)errn ^ules Berlin 
fommt aber offenbar nidjt von 6en „Ufern, bes Styi", 
fonbern Ijodjftens aus einem !}alixmatttS'€\vcns, wo et 
im bengalifa? beleudjteten Sdjlußtableau mit (Blanj 
„gearbeitet" Ijat. Dicfe tfjeatralifaj ausgereefte, forgfdltig 
frifirte unb equipirte (Eoloffalftgur aus ftlbergrau ange- 
ftridjenem (Byp* W *« oet fttyit nid>t tpeit tyt. IDie idf 
höre, fyat bie 2lcabemie r>on <£Iermont»5e*ranb ein Preis* 
#usfcr}reiben erlaffen, um ftdj eine Bilbfäule 6es gelben 
Sur itufftellung auf bem plateau pon <5ergopie $u per- 
fcr)affen. 2ln bem JPerfe bes fjerrn Bertin fönnen bie 
Concurrertten lernen, trne fie es nidjt machen bürfen, u>enn 
fie bie 2fupergner Berge, bie fyimatl^ bes Percingetorir . 
unb bes <Er-£icefaifers Houfyer, nidjt mit geiftlofer ZTIobell. 
Sculptur perun3ieren rpoüen. ^ödjftens fönnten fte ben 
Kohlenbrennern bei Umgegenb bamit imponiren. 

Seljr glüdlidj ift dagegen 3 can '^ a P^ c Bau jault 
" bas Stanbbilb oes fyeloenmütln'gen Pertfyeibigers pon_ 
Beifort, öes (Eolonels Denfort-Äocr/erau, gelungen. (Bleidj 
entfernt pon fteifer Pürftigfeit unb aufgeblafenem <5rofjtf}ün, 
hat ftaj 6er tfünftler fdjledjt uno redjt an ben i^tftorifd^en , 
<£r)arafter bes loyalen unb brapen Solbaten gehalten unb 
bemfelben ben funftgerecfjten Slusbrucf mit ben einfaßten 
2HitteIn perliefyen. Das ift feine gefdjraubte 3bealpgur, 
bas ift ber edjte franjöfifdje Croupier, ber fraft feiner 



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35 1 



3ntelligen5 un6 (Energie 6en fdjipierigen Poflen behauptet, 
auf 6en ifyn fein IHetier in 6er Stunöe 6er Ijödjften <5efafjr 
gepellt. 34? begreife 6en Tinsbtud 6er Sympathie un6 
ipefjmütljigen 3eroun6erung, mit tpeldjem 6er franjöftfdje 
Bürger 6iefe Statue pon allen Seiten muftert. €in Denfbil6, 
ift fie sugleidf ein Symbol ruhigen ZTCutfyes un6 uner» 
fdjütterliajer Creue sans phrase, 5ol6atentugen6en, por 
6enen aud> 6er 2lnti«Ittilitarier 6en Qut $ie^t. 

Die IDerfe 6es ^rie6ens pn6en aud} in 6er fransöftfcfjen 
Sfulptur meljr un6 mefjr ifyre berufenen Derfyerrlicfyer. Der 
allegorifajen Figuren, meldte 6ie 2Irbeit, 6ie IDiffenfdjaft, 6ie 
3n6uftrie unrffam un6 e6el perfmnbitöltajen, ift eine erflecflidje 
£a1)l porfyan6en. Der „Sdmitter" pon Tlbtxen <Bau6e$ 
per6ient mit befon6erer 2tus$eiä?nung genannt $u mer6en. 

3n 6ie ^eilige Hegion 6es Familienlebens führen uns 
jtpet »eifyepoüe Wette eines jungen ttteifters, 6er gegen- 
wärtig in 6er t>tüa 2TTe6ici in ,Hom feinen Stu6ien obliegt. 
XDäI?ren6 man ftdj 6aran geronnen mugte, pon 6ortfyer 
meift nur mytljologifdje Allotria 6es taufen6faa? nrieoer» 
gefauten tfltertJuims porgefefct 3U erhalten, 6en eroigen 
tfbflatfa? 6es ißötter- un6 Qeroencultus, 6effen 6epnitipe un6 
unübertreffliche formen 6007 fdjon feit 3 a ^ an f enoen 
6en clafftfdjen Bil6fjauern gefun6en un6 feftgefteHt mor6en 
ftn6 / Ijat uns l}ector Cematre eine (Sruppe in ITCarmor 
„Mutterliebe" un6 eine an6ere in <8yps „junge Xltutter \l)t 
Hinb fäugen6" gefan6t, 6ic 3um Sdjönften gefydren, u>as 
6er Salon in 6iefer ©attung aufjumeifen fyxt 

Hidjt weit 6apon fte^t eine Statue 6es Frie6ens, „La 
Paix" pon 3ean 3ules Cambos. 2Jm poftamente ftnö 
6ie Perfe Beranger's eingegraben: 



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J'ai vu U Paix descendre sur la terre, 
Semant de Tor, des fleurs et des epis . . v . 

IXl'xt tiefer erfreulichen Pifton 6es Dichters mill ich 
meine Salon«Kun6fa}au befdjliefen. 

* * * 

3<h füge noch einige biographifche Hoti$en über 6ie • 
2Heifier bei, 6enen 6ie fyödjfte officteüe 2lus$eichnung, 6ie. 6er 
Salon $u pergeben fyat, in oiefem Oafjre juerfannt muroe. 
Die Medaille dlionneur für IHalerei erhielt <£arolus 
Dur an, 6er Porträiift, 6ie für Sculptur Xen6 6e Saint» 
2ITarceaur, 6effen eminentes IDerf ich in 6iefen Blättern mit 
einiger 2tusfür>rlicr>feit bereits befprocfjen. 

2ITit feltener (ginmüt^igfeit fyit 6ic Dolfsftimme 6en 
£c§teren als Preisträger proclamhrt. Die Jury machte 6iefes 
Urtr;etl.3u 6em irrigen un6 ^at 6amit fidler 6en Helten 
getroffen. Besüglicr) 6es ZTTalers Duran n?ar 6iefe Heber« 
einftimmung nicht $u erjielen. Ja? conftatire 6iefe <Tr)at« 
faa?e, ofme micr) auf eine »eitere Hnterfudjung einjulaffen. 

Saint -ZlTarceaur ift nrie Duran ein Hxnb 6er Prot>in$. 
Bei6e teilen ftdj mit faft fämmtlid^en Parifer Celebritäten auf 
6en (Sebieten 6er tfunft, Citeratur, XDiffenf^aft un6 politif 
in 6ie pror»in$iaIe 2(bjtammung. paris entnricfelt, ajfimilirt, 
forcirt 6ie Blütfje, aber es erjeugt nicht. Die Ausnahmen 
fm6 6a, um 6ie Hegel $u betätigen. Die <8roßn>ür6en träger 
6er parifer Cimlifation un6 Cultur ftn6 geborne proDtn$ler. 

Saint'Zttarceaur's IDiege ftan6 in Heims. Seine ^amilie 
betreibt boxt einen ausgebreiteten £jan6el mit Champagner. 
2Tacr)6em er 6ie Sdmle hinter fidj l^atU, ge6acr)ten feine 
(Eltern auch aus ihm einen fröhlichen IDeinhän6ler $u machen. 
2lUein 6er junge Hen6 war an6erer ZlTeinung. €r fühlte 



* ' ' \ ..•,...« . .. *« '••»'•"•• •• — " 

- — — - " * 

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353 



ftdj 511m hübe n6en Künftler berufen, llad} f urjem lDi6erflreben 
willigte 6ie Emilie in 6en entfdneoen ausgefprod^enen VOunfdj 
6es 3ünglings. Sie liefen i*m, faum adjtjefyijäljrig, nadj 
Paris jic^en, wo er ftd> im iltelier 6es iTTeiflers 3ouffroy 
inftadirte un6 fid) gleichzeitig in Oer Ecole des beaux-arts 
als Schüler meloete. £ux\ 3«%* fpäter (teilte er fein €rf!lings« 
wer? aus, Jeunesse du Dante, oas für 6as STIufeum 6es 
rourcnwonrg crwotDcn wuroe. 

€$ bat einen befonoeren Kei3, 6te Spur auf$ufud}en, 6ic 
6as Kriegsjaljr in 6er pljantajte 6er fd?affcn6en Künftler 
,$ranfreiä>s ^interlaffen. f)at bod} faft je6er in feiner IDeife, 
Dieter, Dramatifer, ZHufifer, 2Haler 06er Bil6fyauer, eine 
3mpreffion aus jener furchtbaren £eit feftget?a(ten, ein €r- 
innerungsblait für 6ie Hadjleben6en auf 6ie Seite getfyan 06er 
feinen «geitgenoffen einc " Denfjettel gefcfjrieben. . , 

liud] HTarceaur f?at 6as getfyan. €in patriotifeber £an6- 
pfarrer in 6er Umgegen6 pon Heims, 6er 2Ibb£ ZTtiroy, Ijatte 
unter 6em 2IItar feiner Kircfr/e IDaffen un6 ITtunition perfteeft 
gehalten. Die preufen ent6ecften 6as ju fün6fyaften ^werfen 
an ^eiligem Orte perborgene HTaterial — un6 jagten 6em 
gciftlidjen fytycv eine Kugel butdf ben Kopf. So lautet 
wenigflens 6er fran^öfifc^e Bericht. Der geopferte priefler 
wuroe pon ZTCarceaur jum Vorwurfe eines großen Sculptur- 
werf es ^genommen un6 (872 in 6en Salon getieft Die 
3ury glaubte je6ocr) aus politifdjen <0rün6en 6ie ttusßellung 
ablehnen $u müffen. Um 6en €ifer 6es jungen Künftlers 
nicr/t olme tfnerfennung $u laffen, gewahrte fte ilmt eine €rtra. 
2l?e6aiHe zweiter Klaffe. 

ZTtarceaur reifte nadj 3* a ^ en un0 fc*? m ^lorenj 
nie6er. f)ier überFamen ilm beim Abliefe 6er alten 

St. <&. Conrab, parifWm«. 28 



55* 



JITeiftertperfe alle Qualen un6 alle IDonnefdjauer 6er 
fdjaffen6cn Kunft. €r mollte ftct) 6urd} eine grcge (Efyat 
mit einem Silage einen Hamen madjen. €r perfuajte ein 
Du£en6 2Hotipe un6 6a jie ifmt nidjt genügten, fdjlug er fte 
u>ie6er in Sterben. €ine Büfte entging öiefem Sdn'cffal, 
„Le Florentin", 6eren €rfoIg jroar fein lärmenöer, aber ein 
fyinlänglidj foli&er gemefen. # 

Tlad} Paris $urücfgefefjrt, fanö er allmälig 6te 2hifye 
überlegten Staffens mie6er. 2IU" feine (Seöanfen concen» 
trirte er auf 6ie £)erporbringung 6es IDerfes, öeffen <£>e» 
lingen ifmt en6lid} in öiefem 3 a *? rc oen erfefmten 
Criumpr) bereitete. Hun mag er pertrauenspoll 6en Pfa6 $u 
6en fyöcrjften un6 leudjten6ften Sielen feiner tfunft einfdjlagenl 

iHarceaur säfylt 6reiun66reifig 3 al ? re - €r r/at fein 
-großes 2(telier in feinem eigenen £)otel in 6er &penue 6e 
Ptüicrs. €ine fräftige (Seftalt mit fdjarf accentuirten 
<£>ügen, fdjiparsem Barte, lebhaften 2(ugen, 6ie Stirne frei, 
6ie ^aare im lDin6e, fo fteüt er paj 6em Befua^er 6ar. — 

Carolus Du ran — mar um nidjt Charles? : — eine 
6er ausgeprägteren, un6 mie feine 3 n ^ mcn r>erfta^ern, fym* 
patr/ifajften parifer Künftlerpguren, mur6e (858 $u £iüe ge- 
boren. IDer per) por 6en 2Tuto6i6aften fürdjtet, mag ftaj 
por ir/m * bef reu$en. 2IIs Duran in feinem pier$efmten 3 a *? re 
mit feinen €Item nadj Paris überfie6elte, ftan6 fein €nt- 
fijlufc feft, fid? 6er 2HaIerei $u mi6men. Seine (Eltern 
r;in6erten ifm nidjt 6aran. tfdjt 3 a *? re Ian 3 arbeitete 6er 
3üngling olme €er)rer, ofme Sdmle — un6 als er um 6er 
öffentlidjen ZDor/lanftän6igfeit millen en6Iidj fidj $u einem 
Sefjrmeifter bequemte, 6a ging er $u 6em obfeurfien, 6er i!jm 
gera6e $ur £}an6 mar. 




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Itter ift Soud?on? Kein 21tenfd> wüßte es, auf er öen 
paar mitletvnöen ITachbarsIeuten, menn Carolus Duran 
md}i öarauf Stelle, - ifjn jeöesmal, trenn es ein Sdui!$eugnij| 
an3ufüf?ren gilt, feierlich als feinen Cefyrer $u procIamire?f; 
Unö öie gute, alte Sa^acr/tel, öffentliche ZHeinung, flappt per- 
guüglich öen autoritären Decfel öarauf: aud) 6er berühmte 
Carolus Duran h<" feinen Sdmlmeifter gehabt, öer ilmt öie . 
(Sefyeiinniffc 6er Kunft eintrichterte. 

IDbwohjL auf plämifehem 8oöcn erseugt, fyat er bod} 
füöliches, id? möchte fagen fpamfdjes ^Temperament als 
Hlcttfd} unö Künftler. Sd}wat$c Kraushaare, in oer IHitte 
gefächelt, ftommenöe 2lugen, lebhafte, nerpöfe Bewegungen, 
elegant im tDua^s, fofett in öer Kleiöung, öas ift fein 
Signalement 

<5eir>anM in allen Förderlichen Hebungen, befonöers ein 
brillanter fester, malt er feine Bilöer mit affenmägiger <8e» 
fchtpinöigFeit, als tpäre fein Atelier eine {Turnhalle, fein 
pinfel ein gymnaftifches 3 n f trumelu uno °* e ^TTalpraris ein 
am ü fanter Sport. Dabei ift er nicht ohne eine geunffe tTiefe 
6er €mpfmöung. ShaFefpearc ift fein Cieblingspoet • unö> 
„Truth" feine Deoife. Tin feinem XPeibe un6 an feinen örei 
Kinöern h«ngt er mit öer $ärtlichften Heigung. . <£r ift ein 
mufterhafter fyxuspater. 

Seine gefelligen (Talente Fommen hauptfächlich in öer 
jopialen Künftler- unö Citeratengefeüfchaft „Club des 
Mirlitons" $ur (Seltung, wo er als Sänger, tßuitarrefpieler 
unö (Tomeöiant an allen in öiefem Kreife üblichen 
Schnurren ficr) mit Cufl betheiligt. 

Seine 2TTaltpeife erinnert an öie große HTanier öes 
Pelasquej, öen er leiöenfehaftlich betpunöert. Xuger einem 

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pierjäfnngen Stu6ienaufentfyalt in 3* a ^ en / cr f euw 

IDan6erungen in Spanien un6 fein längeres Derweilen in 
21Ta6ri6 un6 Cole6o $u feiner fdjönften un6 frudjt» 
iarflen Seit . 

34 *? a & e feine Unruhe im Atelier ermahnt. 3<*? 
fuge bei, 6a£ er feinen Hlofrellen 6ie nämlia^e fretyeit 6er 
-Betpegung geftattet. IDer ftdj von ifmt fonterfeien lägt, 
hat nidjt 6ie ermü6en6e Cangemeile 6er Pofe 3a fürchten; 
-er fann fommen,. gefyen, plau6ern,, lachen, raupen, menn 
«er f\d) nur pon £eit 3U Seit ju einem fu^en Stillefyalten 
bequemt. 3 n 3 m *i Sifcungen pon je $u?ei Stunden pn6et 
Duran alles, was er nötfyig fyat, um ein 3il6 in Cebens« 
■gröf e flott fyinjumalen. <£r malt, nrie Hofftni componirt fyat. 

Sein Atelier in Oer paffage Stanislas ift als eines 
.^cr prädjttgften unö intereffanteften pon ganj paris befannt. 

Seine perfönlidjen <£in6rücfe aus 6em Kriege Ijat er 
tiad) 6en blutigen Cagen pon £u$enpal un6 Cfjampigny 
in 6er Sfij$e „La Gloire" feffgefyalten. €ine tpefymütljig 
Jäd;eln6e, ifjränenfeudjte ^erbftmorgenrötlje fteigt frie6fam 
aiber *6en JeI6ern auf, 6ie be6ecft Jtn6 pon 6en grauenhaften 
beugen 6er ZttenfaVnfdjläcfyterei, fo am (Tage porfjer ftatt« 
^efun6en ... * 

La Gloire! 

Der Salon von J859 fyat Duran's erftes Öil6 auf» 
■genommen, 6er pon \8<9 kot ifyn 6ie Xufjmespalme gereift. 

ZTTeifter Soudjon ijat <5run6, mit feinem Sdjüler 
juf rieben 3U fein! . J 




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