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Full text of "Mitteilungen der Gesellschaft für Deutsche Erziehungs und Schulgeschichte"

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Fmoncüjr^ibaiLi 


iviitteilungen  aer  Lresellscnatt  lur  \ 
De u tsch e  Erzieh ungs-  und ...  j 

Gesellschaft  für  Deutsche  Erziehungs-  ! 


LIBRARY 

or  TMt 

UNIVERSITY  OF  CALIFORNIA. 
Oa$s 


Mitteilungen 

der  Gesellschaft 

ftlr 

deutsche  Erziehungs-  und  SohulgesohiGhte 

Im  Aufträge  der  Oesellscliaft  herattsgegeben 

TOB 

KARL  KEHRBACH 

Jahrgang  YII 


Berlin  1897 
A.  Hofmann  &.  Comp. 


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Inhaltsverzeiclinis. 


1.  Propst  Gerhoch  von  Relchereberg.  ein  bayrischer  Scholastiker,  «her 
die  Schulfeste  in  Augsburg?  im  XII.  Jahrhundert  Von  Prof. 
D.  Dr.  Joseph  Bach,  o.  ö.  Professor  der  Theologie  au  der 


2.  Lehrer  und  Sehfller  des  Mittelalters  in  Bildern.  Von  Prof.  D.  Dr. 
Job  Bach,  o.  ö.  Professor  der  Theologie  an  der  Universit&t 

Mt)ucben  

8.  Geo^aphiecfaer  Unterrieht  an  einer  Nflmbergor  Hittelechnle  in  der 

Zeit  vor  Molanchthon.  Von  Prof.  I^r.  Siegniuiicl  Gunther, 
o.  0.  Profesäor  der  Geon^aphie  aa  der  Technischen  Uuchschule 
in  Mflneben  

i.  Die  Beziehungen  Philipp  lf«buiehthons  «i  ^yera  nach  R.  Hart- 


5.  Bayerische  Edelknabenordnui^  vom  Jalirc  1576.   Von  Gymnasial- 

profsasor  Dr.  Friedrich  Schmidt  in  Mflnchon  27 

6.  Ueber  den  Bau  des  Jesuitengyranafliums  zu  Landsberg  am  Lech 

in  den  Jahren  1088—1092.    Von  Dr.  Job.  Bapt.  Krallinger. 

K.  Gynmasiulproiessor  iu  München  31 

7.  Bin  Streifitug  durch  die  deutschen  Schulen  MOnehene  sur  Zeit  der 

.Schuelhalterznnft".    (17.  und  18  .Jahrhundert)    Von  G.  N. 
Marschau,  König).  Rcalschuldirektot  a.  D.  in  Mttnrhen    .    .  46 

8.  IMe  Schul lehrersfamilie  Thoma  in  Tutzing  am  WUrmsee.  Mitgeteilt 

vom  Seroinardireictor  Jos.  Heigenmooear  in  Mtlachen.  .  .  68 

9«  Joeef  Allton  Schneller  als  Direktor  der  Nonnalschul?  /r:  Dillingen 
1774-1787.    Von  Franz  Xav.  Thalhofer,  Benehciat  in 


10.  Beformbestrebungen  der  bayerischen  Benediktiner  auf  dent  ( Tebioto 

des  Gymnasialwesens  um  1708.  Auszug  aus  dem  Protokoll  der 
Sitzungen  der  Benediktiner  der  bayerischen  Kongregation, 
welche  im  Jahre  1708  in  Scheyern  {^»'hnltiMi  wurde  Von  l'rof. 
D.  Dr.  Job.  Bach,  o.  5.  Professor  der  Theologie  an  der  Uni- 
▼arsitat  Mflnehen  86 

11.  PldagOi^eeh'hiBtorieche  Ausstollung  bei  Gelegenheit  der  18.  Haupt> 

Versammlung  des  Bayr.  VolksschnllelirerveFeitts  in  München. 
4.-9.  August  1896  91 

12.  Die  Lateinschule  In  Schwäbisch  GniOnd.  Von  Semlnaroberlahror 

B.  Kaissor  in  SihwJlbisch  Gmünd  97 

18.  Bin  Urteil  der  Philosopliischen  I-'akultnt  (ItM-  .jlton  Universität 
Strassburg  au.s  doin  -lahre  1636  Uber  Thonjos  Murners  Charti- 
iudium  Logicae.  Vmi  Prof.  Dr.  Gustav  Knod«  Lic-Oberlehrer 

in  StraH.'^lnirg  im  !''.lsass   107 

14.  Barthulomaei  (Jolonienses  epistuia  mythologica.  Bine  Schul-Humo- 
reske  aus  der  Zeit  des  deutschen  PrOhhuraanismuB.  Neu 

herausgegeben   und   mit  Anmerkungen  versehen  von  Prof. 

Dr.  Dietrich  H«'ichlin^  7.n  Münster  i.  W  Ul 

ib.  Weimarische  Schulurdnuug  von  15U2.    Vuu  Ludwig  Weniger, 

DirelEtor  des  Gymnasiums  su  Weimar  172 

16.  £ur  Geschiclitf  der  Schulbibel.    Von  Dr.  P.  Dix,  Direktor  der 

höhertjji  Madchenschule  in  Flensburg  18H 


17.  Lehrer  und  Schüler  den  Mittelaitors  in  Bildern.   Ergänzungen  zu 
Heft  1.  Jahrg.  VU.   Von  Pfarrer  Dr.  Falk  in  Klein  «Wintern- 


1 


22 


DilUngen  a.  D. 


heim  bei  Mains 


191 


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Inhaltsveneichnis. 


18.  U«ber  die  ftlteeten  Vorlesungsverzeirtinisse  der  philosophiecbeii 

PakaltÄt  an  der  Leipziger  Tiux «^rsiiftt.  Von  Dr.  Bruno 
StUbel,  Oberbibliothekar  au  der  Köni^i.  öil'ejitl.  Bibliothek 
in  Dresden  201 

19.  Ohrietoph  Schellonberg  de  visitationibus  seu  iiiäpectionibu»  anni- 

vprsarit*'  srholac  illustrin  Grimanae  il'.  )]  -  l'tlö)  mit  don  uint- 
iichen  Herichteo  der  Yisitatoreu.  lioraimgegebou  von  Prut.  Dr. 
Paul  Meyer,  Oberlehrer  an  der  Pürsten-  und  Landesschute 
Grimma   209 

20.  Die  i'^eier  des  Gregoriualesteü  an  der  Annaberger  Lateinscbulo  im 

XVI.  Jahrhundert  Bin  queilenmaasiger  Beitriag  sur  Geschichte 

dipRr>ai  ppstr.-;.   Taiil  H;irtu8ch,  Seminaroberlehrer  in  Anna- 

ber^  (Kuuip-eii'h  Wachsen)  24ti 

21.  Aus  Heinrich  von  TreiUchltes  SciiUlerzeit.  Von  St  259 

7SL  Die  Bntwickelnng-  der  Städtischen  höheren  .Töchterschule  zu 

Dic^Jon.  Vnn  Profosnor  Dr.  G  ust.  Hausmann,  Direktorder 

huhert'n  TöcliterHchule  in  Dresden  265 

28.  Zur  Geschichte  deutscher  Fürstenerziphun^'.   Zur  Geschichte  der 

PrinzeiitMzi<»hung  der  Wettiner.     Von  Schulrat  iMof.  l).  Dr. 
Georp  Müller,  König!.  lJezirlv8S('hulins|>ekt.or  in  Zittau    .    .  '2Hi 

24.  Die  ernte  I  rkundü  der  Dre.sdner  Tauh.stunimen-Anstalt  aus  dem 
Jahn-  IS2H.  Bin  Blatt  aus  deren  .lugendgeschichte.  Von  Hof- 
raf  H.  E.  Stotsner,  Direktor  der  Taubstummen -Anstalt  zu 

Dre.Hden  290 

26.  GrQndung  der  ältesten  sScIislschen  Kealscliule  (Loipzigi  und  ihre 

ersten  Schicksale.    Von  Dr.  Hermann  Barge  in  Leipzig  .    .  801 

26.  Geschichte  des  .Militftr-Brsiehungs- und  Bitdungswesoiis  im  Krini«: 

reich  Sachsen  3y2 

27.  Deutsche  Sprache  und  Litteratnr  am  Philanthropin  in  Dessau  (1775 

—1793).   Von  Prof.  Dr.  Karl  Kehrbach  In  Charlottonburg- 

Berlin  800 

2Ö.  Johannes  Toltz.  ein  Scluillehrcr  und  Prediger  der  IJeformations- 

seit   Von  Perd.  Gohrs.»  I'ostor  prim.  in  Bachershausen    .  .  860 

29.  Der   erste    OrgaiiiHatlon.'^i.htn    der    .Hi'du'rn    Gewerbschiilo"  zu 

Cliemnitz  aus  dem  Jahre  lh:iG.  Von  Dr.  K.  Vetters,  Lelirer 
an  den  technischen  Staatslehranstalten  in  Chemnitz  ....  892 

90.  Zw  Geschichte  der  PrinsM-  und  Prinzessinnen-Ersiehunf?  im  Hause 

Hnhr'nz>>11»'in    4Ui 

81.  Texte  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  L'nterrichts  und  dor 
Erziehung  in  den  Landern  deutscher  Zunge.  Band  I.  A.  ßrmiur. 
Die  Schdlnr'Tf^sprftche  der  fitinmnisteii.  Auszüge  mit  Ein- 
leitungen, Anmerkungen  und  >aiuen-  und  Sachregister.  I.  Teil; 
Vom  .Manuale  scholarium  bis  Kegendorffinus  ca.  14ti0— 1620. 
Von  Paul  Berger  410 

GeschaftlicJier  Teil. 

B«>rictii  über  ditt  Bayern-Orupp«*   i*J 

MittAilunjTon  ühfr  rlii>  OnippVn  dir  OwpUsi'Iiiift.  nnipp«»  Ocsixn-oich  S.  1^  u.  418. 
(irii|i|n'  Mi^>»'ii  -  Na^smi -\\  ;ilil-'i'k 

Dat»  tf^siuulc  KneifltuugH-  uud  L'nK-rnclit-^wt'ücti  iii  dvit  LänUerit  (iculäclivr  Zungo    .   .  415 


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1. 

Propst  Gerlioch  Ton  Reichersberg,  ein  bayrischer 
Scholastiker,  Uber  die  Schiilfeste  in  Augsburg  im 

XIL  Jahrhundert* 

VoD  Prof.  D.  Dr.  Joieph  Baob,  o.  (   Profeflaor  der  Theologie  an  der 

Universität  München. 

Wohl  kaum  dOrfto  gegen  die  Thatsache  weiterhin  Einspruch 
zu  erheben  sein,  dass  die  unter  dem  Herzoge  Tbassilo  von  Bayern 
um  das  Jahr  774  abgehaltene  Synode  von  Keuch iiig  die  älteste 
ScbulgesetzgebuDg  Deutechlands  repräsentiert. 

Die  Bischöfe  des  Landes  werden  aufgefordert,  fttr  die  Er- 
ziehung des  Klerus  mit  allem  Eifer  zu  sorgen»  ,  damit  die  Priester 
nicht  unwissende  Leute  seien,  sondern  die  heiligen  Schriften  zu 
lesen  und  zu  erfassen  verm(}gen  ....  Ein  jeder  Bischof 'soll  da- 
her  an  seinem  Sitze  eine  Schule  errichten  und  einen  weisen  Lehrer 
bestellen,  der  nach  der  Ueberlieferung  der  ROmer  zu  unterrichten 
und  Schule  zu  halten  verstehe.* 

Ueber  das  Schulwesen  des  benachbarten  Augsburg,  der  freien 
Reichsstadt,  fliesseu  die  Quellen  in  dem  8.,  9.  und  10.  Jahrhundert 
ziemlich  spärlich. 

Besonders  hervorragend  scheinen  die  Schulen  in  Augsburg 
nicht  gewesen  zu  sein»  sonst  wAren  wohl  die  lernbegierigen  JQng- 
linge  des  Schwabenlandes,  wie  z.  B.  der  spSteii)  Bischof  von 
Regensburg.  St.  Oswald,  der  Schwabenbischof  St.  Ulrich,  der 
spdtere  Bischof  Otto  von  Bamberg  oicht  nach  Reichenau  uimI 
St  Gallen  gewandert.  Der  Bischol  Udalrlch  von  Augsbui-g 
(924 — 975),  der  selbst  in  St.  Gallen  unter  den  Lehrern  Waning 
und  Hartmann  gebildet  wurde  (vgl.  Specht.  Geschichte  des 
Unterrichtswesens  in  Deutschland.  S.  321),  tritt  im  10.  Jahrhundert 
*  als  Reformator  der  Domschule  in  Augsburg  auf.  Im  12.  Jahr- 
hundert  scheint  ein  Verfall  eingetreten  zu  sein.  Ziemlich  aus- 
ftthrlich  berichtet  uns  ein  aus  Bayern  stammender  Scholastiker,  der 
in  der  ersten  Hslfte  des  12.  Jahrhunderts  selbst  an  der  Domschule 

MUl4>II.  it.ni>ji.  r.  iltKi-li,  Kr/ii'li.*  II.  Ki-liul(rpm'h.  Vit  I  (l{«yi*ni-1Ii'ni  IH»T.  | 


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Mittcilungon  d.  Gos.  f.  doutsclie  Erzii'huugs-  u.  Schulgesch.  V'II. 


wirkU',  über  das  Thun  uud  Treiben  der  dortigen  Scholttstiiter  und 
der  Scliüler. 

Zwar  (Mnilirt'ii  wir  in  seinen  sonst  zitMnlich  breiten  Erzählungen 
wenij?  über  den  I 'iiterrielit  selbst,  wohl  aber  ülirr  das  f+onstigo 
Thun  uud  Treiben  der  Lohror  und  SrhiSler.  namentlich  ilb^T  die 
sogenannten  Sehülertcste.  wt  lrhe  danials  nut  theatralisriien  V(U- 
st«'lhui*;ou  veröchieiletirr  l»ihlischen  Einzahlungen  gefeiert  wurdeu. 
bei  denen  es  oft  zienilieli  bunt  lu'rixet:aniren  sein  mag. 

Unser  Schrittstelier  und  Berichteistattt  r  ist  kein  anderer,  als 
der  später  so  hervorragende  Probst  (iei  lio(  h  vun  lieiciieisberg,  der, 
wie  bemerkt,  in  Jungen  .lahreu  mit  drei  seiuer  BrUder  au  dem 
Dome  in  Augsburg  wirkte. 

Ich  habe  anderwärts  die  itedentende  Persönli«hkfit  (iciliochs 
als  Keronuator ')  auf  versehiedeiifii  (Jeljielen  /.ii  srhildeiii  versucht. 

Kaum  dürfte  ans  dieser  Zeil  ein  Mann  zu  iM  iinen  sein.  I)ei 
dem  die  l't  rsr.nlichkeit  so  In  den  Vordergrund  seiner  J^chrifti'U 
tritt,  wie  bei  (i erhoch. 

Uerade  das  lla.verlund  war  im  12.  Jahrhundert  der  Schau- 
platz der  hetti;;.>ien  theologischen  und  philosophischen  Streitigkeiten, 
welche  auf  einen  hohen  Srand  der  Bildung  hinweisen.  Von  dem 
Bischöfe  Otto  1.  von  Freiem:;,  dem  Ueschichtschreiber  Friedrici»s  1., 
wird  uns  berichtet.  da.s.s  er  aus  (h*n  Sehulcn  l'iankn'iehs  (I'aris) 
die  (l(»gischen)  Schriften  des  Aristoteles  mitgeljracht.  und  dass  er 
sell>sl  ein  heftiger  Dialektiker,  besonders  ein  Verehrer  des 
Koniinalisten  Gilliert  war. 

Der  Streit  zwischen  Nominalisten  und  Realisten,  welcher  in 
Frankreich  entbrannt  war.  hatte  auch  in  Bayern  seine  Kämpen. 
Otto  von  Freising  nebst  anderen  Scholastikern  der  Freisinger  uud 
Baniberger  Schule  neigten  dem  Noiuinalisuius  zu. 

Auf  der  entgegengesetzten  Seite  standen  die  mehr  realistisch 
gesinnten  Männer,  unter  «Uesen  in  erster  Reihe  Gerhoch.  Das» 
die  neuen  phiJosophisehen  Waffen  zunächst  auf  theologischem 
Boden  ihre  Verwendung  fanden  und  neue  Kämpfe  auf  dem  Gebiete 
der  Abendmahlslehre,  der  Christologie  hervoiYiefeti.  gehört  nivht 
hieher. 

Nur  80  viel  mag  bemerkt  werden:  Gerhoch  war  der  heftigste 
(jeguer  dieser  Neuerungen  ;  er  schrieb  eine  Keihc  von  Schriften  zur 
Verteidigung  seiner  l*eberzeugnng.  er  Icorrespondiorte  in  dieser  An- 

>)  Vjj-l.  üerhoch  VOM  Heiihorsberj^,  ein  iioioiuiatur  dt-a  XII.  Julir- 
hundcrts.  Oc-wterr.  Vlorteljahrwihrlft  für  ThtfOlof^^lo,  I,  und  Do{^tieii- 
tj^erichichte  (Ion  MKti'laUcrs.  \\>n  18"ü,  Ud.  1  und  Ii. 


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1.  Propst  Gerhoeh  rüa  Reieharsbei^,  ein  bayrisdier  Scholastiker  etc.  B 


jjelegeuheit  mit  den  Iri vunaireudston  Mäuuerii  seinerzeit,  veikelirte 
persönlich  mit  Kaiser  und  l'apsteii. 

Zum  Verständnis  der  nachfolgenden  zur  Schulgeschichte 
gehörigen  Bericht«  über  die  ei^'ene  Bethritigung  Gerhochs 
an  diesen  scenischen  Aufführungen  mag  bemerkt  werden 
das»  wir  hier  den  Bericht  eines  sehr  strengen  Mannes  aus  dem 
späteren  Leben  vor  uns  haben,  der  ähnlich  wie  Augustinus  in 
seioen  Oonfessioneo  seine  eigenen  Jugendstreiche  erzählt  und  bitter 
bereut. 

Gerhoch  hatte  n&mlich,  das  mag  kurz  berflhrt  sein,  in  Augs» 
biug  selbst  sehr  bittere  Erfahrungen  machen  müssen.  Unter  den 
damaligen  Zwistigkeiten  zwischen  Papsttum  und  Kaisertum  litt  das 
kirehliehe  Leben,  litten  am  meisten  Bildung  und  Unterricht. 

In  zwei  kurzen,  sich  gegenseitig  ergänzenden  Berichten  klagt 
der  strenge  Mann  bitter;  um  so  mehr,  da  er  selbst  eine  Zeit  lang 
in  demselben  Fahrwasser  war. 

In  dem  ersten  Bericht  schildert  Gerhoch  in  drastischen  Farben 
den  Verfall  des  klöRterlichen  Lehens,  der  bis  dahin  bereit«  sich 
ausgedehnt  hatte,  dann  die  Kanonik«M-  weder  in  dem  (wohl  geinrin- 
t<(lian liehen)  Sclilafsaal  mehr  sehlieien  uoch  an  dem  genieiii-;i[iien 
Tiseh  itire  .Mah1/.eiten  einnahmen.  Die  Anflösuni:  der  vita  coiniuuiHs. 
des  klösterlichen  /li-^annnenlebens,  war  also  hereitn  zur  Mei^'e!  tre- 
worden.  Eine  Autjnalinie  davon  bildeten  nur  noeh  die  Kireheul.  .^le. 
wie  z.  B.  da.s  Fest  der  nn.schuldigen  Kindel-,  das  WeihnaelitstL'sl, 
namentlich  aber  die  Pa.-3sion>!!-  und  i )sleJ  woeh<'.  au  welchen  Festen 
die  Kanoniker  in  ihrer  Eigens('haft  als  SchuUelirer  (Schola.^liker) 
genieinsani  mit  den  Schülern  s.  g.  Misterien  d.  h.  theatralische 
Voi  sitiiluugen  aus  dem  Leben  und  Leiden  Christi  gaben,  an  welche 

■)  Aus  Pos.  fhe».  V.  2089,  col.  2  B.:  Cohaerebat  Ipai  Ecelesiae  Claustrum 
satia  honeatuin,  eed  a  clauatrali  religione  om&ino  vaeuum,  cum  neque  in 

donniturio  fratrc»  donnirent,  neque  in  refectorio  compd«»ient,  ezeeptis 
raris.simi'^  ♦»'sti.'?.  maximp.  in  «jiiihü}«  Herodeiu  repruesentarent 
Chrittti  pe rf*e cuturein,  parvuiuruni  iiitertectorein,  aeu  ludis  aliiä  uut 
HpectuculiB,  quatii  theatralibu»  exhibendi^  comportaretur  »ymbolutn  ad 
faciendam  convlvium  in  refectorio  «Iiis  pene  omnibua  temporibuB 
vacao. 

Cogor  hie  reininiaci  propriap  stultiUiie  in  amaritudine  aniinae  m''nv 
dolens  et  poenitens^  (|Uod  non  ^Hmel  talibus  in.saniis  nun  Hnhiin  intcrtui. 
8ed  etlam  praefui,  utpute  Mugiätcr  schularum  et  ductur  juvcuum 
quibus  ad  istaa  vanitates  non  aolummodo  froenum  laxavi,  aed  etiam  stimulum 
addldl  pro  alTectu  atulUtlae,  quo  tunc  infeckuB  erani  ot  in  quo  irapra  multoa 
coaetanooa  uipos  profeceram.  ' 

1* 

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4       Mtttetliingen  d.  Ges.  t  deotaelie  Bniehungi-  u.  BehidgeBeh.  VH. 


sich  jedoch  nach  damalij^er  GcA^ohuheit  nicht  selten  s.  Possen- 
uiid  Spektakolstücke  von  sehr  profanem  Inhalt  und  Geschmack 
anschlössen. 

Der  l^erichterstatter  bemerkt,  dass  die  «grossen  Räume  des 
Klosters  nur  mehr  zu  Zwecken  theatralischer  V^orstellungeu  benutzt 
wurden,  sonst  aber  leer  und  Öde  standen. 

Nicht  oiine  in  inlii  he  Reminiscenz*'!!  sclilicsst  Gerhoch  da.^  Ii« - 
kenntnis  daran,  üa.s.s  er  in  jdngeieü  Jahren  an  deraHii^vn 
theatraliscijen  Vorstellungen  nicht  bloss  Anteil  f^enoninicii  habe, 
sondern  «lass  er  selbst  als  Schuliiicistt-r  iiml  L^'hrer  der  Junjj;lin«:;e 
zugleich  als  hervorragender  Leiter  und  \'eraustalter  solcher  Fest- 
vorstellungen fungiert  habe. 

Na(  h  i'igenem  Zeugnis  scheint  Gerhoch  nirli  iwwh  auf  die.-^em 
Ft'lilt!  «Irr  Pädagogik  eine  Art  I^'iiihmtheit  erworben  vm  iutben.  Doch 
tügt  ei-  bei,  dass  diesp  seine  Tiiätigkeit  nur  von  kurzer  Dauer  war. 
und  er  Itald  tler  ..siiuuun  Stadt *•  deji  Rücken  gekohrt  habe,  um 
in  «Iiis  voTi  den  Weifen  LTstittete  Kloster  Raitenbiicli  südlich  vom 
liiihen  Peissenl>erg  zu  g*  hni  wohin  iinn  der  erst  jüiigsi  ans  Frank- 
reichs Schulen  heinigekclirle  üruder  Arno  folgte,  die  l)ei(l<  )i  Brüder 
Rüdiger  und  Friedrich  in  Auj^bui^  bei  deju  Biscdiof  Hermann 
zurücklassend. 

Der  zweite  Bericht*)  ist  noch  viel  düsterer,  als  der  erste.  Kr 

')  Aus  d«B  Arcbiv  für  Kunde  Gsterr.  Geachlchtaquellen.  Bd.  XX.  Wieu 
1S59.    S.  129— IdO.     De  inveatigstione  Antichriati  und  dem  Codex 

Reicheraperg.  ori|r.  p.  130:  Et  sacerdotes^  qui  dicuntUTf  jam  non  oecIeHiae 
vel  altaris  niinisterio  debiti  sunt,  sed  exercitiia  avaritiao  vaiiitatum  et 
spectacidonim  adeo,  ut  eeclesia-^  ipaas  vidclicet  orationuni  (lotnos  in  tlieatro 
conuiutcnt  ac  loimiciä  ludorun)  spectaculiä  impleant.  Interque  nlmiruui 
speetacula  astantibue  et  «pectanttbiis  ipaorum  femlnia  Intmxluoi  et  anti- 
Christi,  de  quo  nobie  aermo  est,  non  iit  ipsi  eatimant  imaginariam  atmili- 
tudinem  exhibent,  Bcd  in  veritatc  ut  erodi  potent,  initpiitatirt  ipsiua  miHterium 
pro  parte  siui  in))lf'Jit.  Quidni  jani  diubuhis  atiutatur  in  »eriuni  rebus 
exhibitid  in  vuuitutia  ludicrum,  sicut  donnnuK  »iuO(|ue  Jesus  eonverten»  in 
äcriu  ludibria,  quibua  upud  Judeoä  vcl  piiutuui  in  paHsiune  aä'ectus  eät?  . .  . 
Quid  ergo  iali  uune  antichriatum  vel  herodem  in  auia  ludia  aimulantea 
eoadem  non  ut  eis  intentioni  est,  ludicro  mentinntur  sed  in  veritate 
exhibent  ...  Contimit  ut  eonperimus.  aliquando  apud  tales.  ut  cum. 
(piem  inter  ludiera  sua  (luasi  mnrtimm  afi  lu'Iiöef»  propheta  sufcitandum 
exhiberent.  peractu  «iniulatiunc  niortuum  invtMÜreni.  AHuh  item  antichri.'it" 
suu  quaai  au8citandu.s  oblatus  inter  VII  dies  veip  niortuus  et  sepultu.s  est. 

Et  quis  scire  potest,  an  et  cetera  simulata  antiehristi  scilicct  eftigicm. 
demonum  larvaa,  berodianam  inaaniam  in  veritate  non  exhibeant?  ,  .  .  . 
Exhibent  preterea  imaginaliter  et  salvatoris  infantiae  cunabula,  fp.  Iii) 


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i.  l'ropst  Gerhoch  von  Heichersberg,  ein  bayrischer  Scholaetiker  etc.  5 


st>»mmt  au8  etwas  spStcrer  Zeit  uihI  bokla^t  hitter,  dass  (ieistlicho, 
M)gar  aus  Motiven  der  llabsurlit  an  sokhen  SpektakcJstückiMi.  den 
s.  ^.  Esels-  und  Naneufesten  des  Mittelalters.  Anteil  nahmen.  Er 
hekla^t.  dass  derartijje  oft  mhe  \'(M;stellungen.  bei  denen  die  Wiejje 
des  Heilandes  aul'  der  l>iiliiie  erschien,  das  kindliehe  Sehreii'ii  des- 
selben sceniscli  (I;irt;e8telit  wurde,  der  Kindenuord  und  das  (.Icschrei 
fler  Mutter  in  ki  ;i8aester  Fot  in  ;iuf  den  lirettern  vorkam,  überbaupt 
stattfanden.  Was  ihm  aber  am  liiltei-sten  war,  ist  die  üetlentlichkeit 
dieser  Sehiilervurstelliinj^en  auf  den  Strassen  und  selbst  in  d<'n 
Kirchen.  Dass  dcis  Gotteshaus  zum  Narrenhaus  werde,  das  war 
ihm  zu  toll.    DesshalU  sali  er  hier  Teufelswerk. 

parvtii;  vagitum,  piierperae  vlrginis  matronalem  hubitnm,  »toUuo  (iua.ti 
aidus  tlanii^eriim.  infantum  nocom.  matornnm  rachelis  pluratuin,  »cd  (iivinitas 
in^mpcr  et  matiiru  fa"ios  eccle»iae  abhonet  spcctarula  theatralia,  non  respicil 
in  vauitate»  et  iiidania«»  laläutj,  iinmo  iwn  lalsaä  seil  juni  voraä  insaniai«,  in 
qnlbns  viri  totos  ee  Ihui^^nt  in  feminas  quasi  pudeat  eo8  qnod  viri  Butit» 
elend  in  militea,  homines  ae  in  demonmn  larvas  tratMfigiurant.  Dumque 
Irajusmodi  vanitates  et  insaiiiae  sacramentorum  oelebraiidorum  lucis  et 
temporibus  m  in^runt.  quaai  abominationem  desolationiB  in  loco  sancto 
videre  est. 

Paulu  aünus  euim  turpe  est  faciem  cccIeBiac  talibus  vuaitatum  spec- 
tactitia  christlanoe  fedare,  quam  oUm  in  templo  fuerit  Imagiiies  Gal  c^aaria 
gentUea  intullsse  vel  pilatum  .  .  .  ot. 


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6       Mitteilungeti  d.  Ges.  f.  deulaebe  Bniehunga-  u.  Bchulgeäch.  VII. 


2. 

Lehrer  und  Schüler  des  Mittehilters  in  Bildern. 

Voll  Prof.  l).  Dr.  Joi.  Baob,  o.  ö.  l'rotcssor  der  Theologie  au  der  L  nivorniUit 

lltlneheti. 

Durch  die  in  den  „Mittcilungon'^ ')  frOher  ersichienenen  Abbildungen 
wurde  in  mir  die  lebhafte  EriBnening  rege»  dass  mir  gclcgcntlicii  ander- 
weitiger  Studien  auf  verschiedenen  Bibliotheken  Ähnliche  Bilder  schon 
begegnet  sind.  Da  ich  es  damals  Tersänmte,  mir  die  Signaturen  zu 
notieren,  so  waren  meine  Bernfthangen  in  dieser  Hinsicht  ohne  Erfolg; 
trotsdem  ich  wusste,  dass  uiunentlich  Frahdruckc,  welche  dem  Schul- 
prohrauch«'  dienten,  wie  z.  Ii.  der  Donatus,  die  „Scutenzm"  des  Petrus 
l.nmbardus  un<l  die  ^^pfiteren  Konnnentnre  derselheii  flerartige  etwas  nidi- 
111'  nfiuc  Holzsrhnitte  bieten.  Durch  Herrn  Direktor  der  k.  k.  Hof-  und 
Staut^bibliothek  von  Laubniann  wurde  ieh  auf  die  (^uentel'sche  Dniekerci 
aufmerksam  Remariit  und  den  lieniülnin);eii  des  Herrn  Oberbibliothekars 
der  Münchner  Uiüversitfttsbibliothck  Dr.  Schnorr-Karulsfeld  gelang  es,  die 
beiden  Titdbilder  ssn  emieren,  welche  hier  folgen. 

Bas  erste  der  Bilder  nun  ist  das  Titelbild  zu  einem  Donatus,  dem 
vielgebrauchten  Schulbuch  der  mittelalterlichen  Schulen.  Es  stellt  den 
heiligen  Thomas,  wohl  den  berOhmtesten  Lehrer  des  Biittelalters,  vor.  Er 
sitat  in  einem  der  Frtlbgotik  angehörenden  Lehr>fnlil  (cathedra),  vorsieh 
auf  einem  Pulte  das  I^ehrbudi,  wohl  die  allgenn  in  um  ln  iinchten  Senteiuen 
des  magister  Srliulmeister)  Petrus  Lombardus  auf  welclie  er  mit 
beiden  Händen  erklärend  hinweist.  Vor  ihm.  zu  seinen  Füssen,  sitzen  nuf 
beiden  Seiten  auf  uii  dereni  Gestübl  die  Si  liüler.  St.  Thumas  entlH'hrt  di  s 
S)  niboli'?i  des  nmgistcr  der  niittehiUerliclien  I<ehrerwttrde,  namli«  h  der 
Rute.  Dagegen  ist  ihm,  wie  den  grossen  Kirt  lienvätcm  der  alten  Zeit, 
die  Taabe  als  Symbol  göttlicher  Eildnchtnng  des  heiligen  Geistes  gegeben. 
Auf  dem  Spruchbaade  steht  oben:  S.  Thomas,  unten:  Thomistae,  ejus 
discipnii.  (Die  Thomisten,  seine  SchOler).  Zu  Füssen  des\Bildes  steht  das 
charakteristische  Distichon: 

Qui  foeris  cupidus  sophiae  mox  carpere  flores, 
Scripta  Thomae  divl  perlege;  doctus  eris. 

Zu  deutsch  etwa: 
Strebst  Du,  in  kürzester  Frist  zu  pflocken  die  BiUten  der 

Weisheit; 

Des  Thomas  Werke  studir*;  bald  whvt  weise  Du  sein. 

')  Jahrgang  V,  1M95,  S.  76—82. 


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2.  Loliror  und  Schüler  iWa  Mittolaltpra  in  liiUlorn. 


7 


Oboii  links  (vom  Hesrhaucr  ans)  ist  noch  dor  Gnind  anficfrcbeii,  weshalb 
dem  St.  Thomas  das  Symbol  des  Kirchenlehrers  (des  dodor  ecclesiac) 
nämlich  statt  der  Rute  die  Taube  zukomme. 

Innocentius  papa  in  sennoue  cujus  thenia  est:  „Ecce  plus  «juan» 


Jnnocm'I^UiLLia 
?nionc£Ui''ihiailii 

jy^K"  fr»'!"- ■t"->^ 

fi£XtfiiLllli-  7  ^  Ol 

untjflijiiT  fai^nif 


Htld  1. 

Salome  hic!''  De  sancto  Thoma  d«-  Aquiiio  sie  inquit:  Ilujns  doctoris 
sapientia  prae  caeteris  (excepta  <an»»nieal  haue  proprietafcm  verborum, 
modum  dicendorum.  veritatein  sclentiaruin  ihabet)  ita  ut  nunquam  qni  eum 
fenuit  invcniatur  a  tramite  veritatis  deviasst'  et  qni  euiii  impupnavit  sernjicr 
fuit  de  xeritate  suspectus.  Zu  deutsch:  Dir  l'apst  Innoccn/.  hat  in  einer 
Predigt,  deren  Inhalt  folgender  ist:  „Sieh  mehr  als  Sulomo  hier!'*  folgendes 


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8        Mitteilungen  d.  (ieH.  1.  iltuiUiche  Er/iehungs-  u.  8cliulgt>8ch.  Vil. 


vom  ln'iligcn  'riinmas  von  A^uin  gc-^agt :  Dieses  Lelneis  Weisheit  hat  vor 
anikn  n  S«  liriften  (mit  Ausnalinie  der  kanonisclion.  d.  Ii.  <ler  Hibt^i  eine 
derartige  Eigenart  der  Rede,  eine  Art  dc6  Vortrages,  eine  Wahrheit  der 
WiflseBBChaften,  dass  deijenige,  der  sich  an  ihn  holt,  nie  die  Spur  der 
Wahrheit  verlftsst;  wer  diHjegon  ihn  belt&nipft,  stets  hinsichtlich  dur  Wahr- 
heit verdftchtig  ist 


Uild  2. 


Wiilncnd  liie  und  da  anf  älniliehen  Titi  lbildeni  Alltt  itu^  IMnjrinis  mit 
der  biseliöflicln'n  Mitra  bekleidet  \^\,  <la  er  ja  lüselutt Min  Üeu'eiishuii;  war, 
ist  er  im  IJild  J  eiiifaeh  niit  dem  Harret  des  ]\laui->teis  hedi  rkt,  »it/.eiid  aul' 
dem  gotliiäclien  i.elirstulil,  in  der  Kochten  diu  Uute  lialtend,  mit  der  Linken 
demohstriereud  zu  den  drei  Schttlem,  welche  aof  niedrigen  Stühlen  zu  seinen 
Füssen  sitzen«  herabblickend.  Aus  den  Handbewegungen  der  Schttler  ist 
ersichtlich,  dass  hier  ein  wuwenschaftliches  Gesprftch,  eine  sogenannte 


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10      Alitleiiiiiigun  tl.  (Jua.  1".  Ueutaehe  Erziehung»-  u.  tScIiulgcsch.  VJI. 


Disputation  stattfindet.  Dass  «wei  dcrstilbtu  ebciitiills  ila^  Harn  t  auf  dem 
Haupte  Iiabei),  dürfte  vvolü  andeuten,  dass  dieselben  bereit:»  einen  Gradui>, 
d.  Ii.  eine  bAhere  Wflrde  beattxen. 

Die  beigcftigte  Schrift:  Secrcta  mnlierum  ab  Alberto  Magno  composita, 
zu  deutsch:  eine  Schrift  Alberts  des  Grossen  Aber  die  Beimlicbkeiten  der 
Fratien,  ist  deshalb  beigefttgt»  weil  der  betreffende  Schnitt  das  Titelbild  ist 
zu  einer  Schrift  obifien  Titels,  w  .  !<  he  fiUsehlich  dem  Albcrtns  Magnus  bci- 
geli'frl  wird,  L'eber  die  tickten  and  tiii;.'eflruekten,  echten  und  un- 
echten Sclinften  des  Albertus  Magnus  vergleiche  des  Verfassers  Festrede 
in  der  Aula  der  I-tidwiir-Maximiliansnnivcrsität  München,  zur  sechsten 
Säkularfeicr  1^><1.  in  di  i-  Aujisburger  Allgemeinen  Zeitniitr.  November  \'^><\. 
Se])ai;itab(lriifk  der  iluitlcrVchen  Ofticin;  dann  die  iM'StM-britt ;  J>i'^  Alln-rtus 
Alayiuis  Verhältnis  zur  Krkenntnislchrc  der  Gnechcn,  Lateiner.  Aral»er 
und  Jndea.  Wien,  BraiimlUler,  1881. 

Der  vorliegende  Holzschnitt  von  Lucas  Cranach,  (Bild  3)  welchen  ich 
der  gütigen  Mitteilung  des  Herrn  Gehcinirates  von  Hefner-Alteneck,  des  ehc> 
maligen  bewährien  Vorstandes  des  bt^yeriscben  Nationalmusenms  verdanke» 
hat  gewöhnlich  den  Namen:  ^Die Schule  Christi-.  Im  Gegensalz  zu  anderen 
Auffassungen  möchte  ich  das  eigentliche  Mittelbild  ein  sogenanntes  Selb-> 
dritt  nennen,  nämlii  h  die  Darstellung  der  Mutter  Anna  und  der  Mutter 
Christi,  vnw  wclrliem  die  crstere  das  Christkind  auf  dem  Schosse  h:5U.  eine 
llai'stelliMii.'.  wi'lclir  lirs(niders  der  Plastik  7iir  Zt-it  des  Mittelriltcrs  sehr 
geläutii;  w.w.  Vnrn  Mittrll)il)l  liiik>>  ist  der  Ijeiiitrc  .ln.>i-f,  r«M  bt.s  drei  stehende 
Männer  in  der  Traelit  der  Nürnberger  Patrizier  in  enistcr  Unterredung; 
abgewendet  von  diesen  ein  würdevoll  die  U&nde  auf  einen  Schttlcr 
legender  Mann.  Vor  den  Beiden  sitzt  eine  Frau,  welche  einen  strampelnden 
Jungen  an  den  FQssen  hdlt,  welcher  sich  an  der  Arbeit  eines  etwas  älteren 
Weltbürgers  beteiligen  will,  der  sich  den  linken  Fuss  kratzt.  Neben  diesem 
sitzt  euie  ihren  Säugling  haltende  Mutter.  Zu  diesen  mannigfsltigen  Dar- 
vti'll Uli  cell  der  Ki liderweit  kummt  aber  noch  links  in  der  Ecke  das  eigent- 
liche Thema,  niindicli  das  getreue  PiM  <  iner  Winkclschule  des  ir>.  ,Tahr- 
}innd«'i1s.  Mit  der  iN-Izmtit/e  auf  dnn  Haupte,  die  Rute  in  der  Rechten 
auf  die  Schulter  rines  Seliidt  rs  i;o>tiitzt,  zeigt  der  Lehrer  mit  den  Fineem 
der  rechten  Hand,  ohne  sieh  von  der  Tnigebung  irgendwie  stortMi  zu  lassen, 
auf  das  Buch,  das  er  auf  dem  Schoss  hält.  Er  weiss  die  Kleinen  so  sehr 
zu  fesseln,  dass  Beide  sich  in  keiner  Weise  mit  etwas  Anderem  als  dem 
Gegenstände  des  Unterrichts  befassen.  Durch  das  Fenster  ist  der  Blick  in 
die  nahe  Landschaft  gestattet.  Wir  haben  hier  die  Darstellung  des  Lese- 
unterrichtes. 


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(ieugraphiticher  Uiiterrii'hl  an  einer  NUruboigcr  Mittoiscli nie  eic.  II 


3. 

Oeoj^phiselicr  Uiiterriclit  an  eiiior  Niiriiberger 
Mittelschule  in  der  Zeit  vor  Melanehthon. 

Von  Prof.  Dr.  Bittgmund  Oüntber,  o.  ö.  Prufeesor  der  GtMjgraphie  an  der 
Technischen  Hochschule  in  linnchen. 

Welch  iinjjpliouren  Aufs<;hwun<;  das  j^oaamtp»  Oph'hrtonschiil- 
wc.^cu  I)<»ut8<  hlands  durch  das  Kinp:reif«Mi  des  grossen  WittenlHTjjor 
PAdajjogen  gfiiomuKii,  das  ist  all 'gemein  bokaiiiit,  und  daös  scino 
Initiative  auch  mwm  Ims  dahin  last  vollständig  v«»rnachlässigtoti 
odrr  verkaiinicu  LnlcnichtsÄ^eig»'  zu  gute  kam,  ist  ebenfalls 
schon  inslH'öondere  durch  Hartfidder')  hci  vKi  L^cliohcu  worden.  Das 
Nürnl)erger  (lyninasijim.  ht»s  zu  den  bedeutendsten  Schul- 
giündungeu  in  der  ersten  lIüllLe  des  XVI.  .lahrhunderts  gehöric. 
hatte  in  seinem  ersten  Mathematiklehrer  .F.  Schoener  zu^rleich  einen 
der  bedeutendsten  (Jeugrapln  n  des  Zeitaltei-s  als  ^Mitglied  seines 
ersten  Lehrerkollegiums  erhaltin.  und  wenn  auch  urkundli<-he 
Zeugnisse  hierüber  fehlen,  dürfen  wir  es  doch  als  sicher  anselien, 
dass  an  jener  Anstalt  der  —  dem  Anscheine  nach  ül»rigens  halb- 
akademisch gestaltete  —  L'nterric  hl  au<-h  die  Kidkunde  gebührend 
berücksichtigt  hal)e.2)  Allein  schon  geraume  Zeit  vor  dem  Zeit- 
punkte, auf  den  siel»  die  obigen  Worte  beziehen,  ist  in  Niirnix 
geographische  rnterw<'isung  an  einer  der  dortigen  lat<Mnischen 
Schulen  erteilt  worden,  und  diese  Thatsache  verdient  von  der 

*)  Vgl.  Karl  Hartfelder,  Philipp  Melanchthon  als  Praeseptor  Germaniae, 

Berlin  1890.  (M.  (J.  P.  VII)  S.  lo2  ff.  Diosc  Bcthntif^ung  diT  piUlagojrisrben 
BeHtreheng^oTi  Molaticlithons  verdiente  wohl  einmal  ihre  besondere,  fach- 
männiHchc  Helt-uclitun^'-. 

-)  l'eber  di«*  ku.HiiiograpiÜ8chen  Arbeit»«»  Sclioeiierti.  der  ja  weit  melir 
Astronom  und  Kartenseiehner  als  Uatheniatiicer  im  heute  flblichen  Wort- 
iinne  war,  s.  Näheres  hei  Piorini-GOnther,  Erd-  und  Himmelsgloben,  ihre 
Geschichte  und  Konstruktion,  Leipzig  1895,  S.  tS7ff.  Mehrere  Schriften 
dos  zuerst  in  Hamborg:  und  nachmale  In  Nürnberg  wohnhalten  -M;tnnos 
sind  panz  unzweifc^lhaft  unmittelbar  aua  der  Unterriehtttpraxi«  horvor- 
gcgungen. 


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12      MilUüiuiigi'ii  cl.  (ioa.  f.  deuUicho  Ki^in  hungH-  u.  Scluilgetich.  VII. 


(Jt  s(  hichki  der  Didaktik  j^anz  aiidorn  hoarlitct  zu  worden,  als  <•« 
bishci-  (li'i-  FaU  wai  .  \\  «'nn  wir  uu.s  nämlich  vor/.u«;rpitfMi  und  die 
Ergehnisse  der  wcitncn  UnterHUchunir  hiiM-  hneits  zusammen- 
zufassen erlauben  diirtVn,  so  können  viiv  tulLrrndts  aussprechen:') 

Der  ^lann,  ui  lrher  zuerst  in  Di  u l.scliland  die  Aner- 
kcunuiij;  der  (ieo^raphie  als  eiiitö  üblij^atorischen  Lehr- 
pensums an  einer  M ittelsfhnle  nicht  nur  anre«!te.  sou«lern 
auch  mit  Erfol«;  dun  hlu  lirte,  war  Johann  Ctn  hlanis.  von 
löIO  bis  1514  Schnlrektor  bei  St.  Lorenz  in  Nünibfrjr. 

r<'lier  die  Pei-sönlichkeit.  welche  uns  hier  entgegentritt,  sind 
wir  sehr  gut  unterri<  htet  durch  die  gehallviille  Monographie  vuu 
Otto,-)  in  weh  hfl  ueiade  die  uns  hier  beschäftigende  Seite  des 
WirkeiLs  dieses  iMaimt  s  recht  eingehend  behandelt  wird,  ohne  dass 
aber,  wie  sich  von  selltst  versteht,  die  prinzij»i*'lle  Hedeutung 
seines  XOrgehens  «;auz  zu  ihrem  Kechte  käme.  Eine  solche 
Würdigung  kann  nui-  von  geographischer  Seite  erfolgen.**)  Hei  Otto 
ist  nachzulesen,  wie  der  junge  Gelehrti'  Johann  Cochlaeus,  der 
eigentlicli  Dobeneck  hiess  und  als  ein  Sohn  des  nahe  bei  Nürnberg 
gelegenen  Fleckens  W'eiidelst^'in  seinen  >iaineu  nach  dem  lateinischen 
Worte  für  Wendeltrei>pe  („Cochlea")  antikisierte  oder,  wenn  man 
will,  inudeniisierte.  von  der  Universität  Kola,  der  er  noch  als 
Hörer  ajigehörte,  nach  Numbei-y:  benilen  ward,  um  den  Versuch, 
der  dreizehn  Jahre  zuvor  mit  dem  . Poetenschulmeister "  Grieninger 
zi*  iiilich  erfolglos  gemacht  worden  war.  unter  günstigeren  Umständen 
zu  erneuern.  Es  war  diesem  FrUhhumanisten,  zu  dessen  Füssen 
auch  Cochlaetis  seihst  gesessen,  nicht  vergönnt,  dem  Alt«rtiuii8- 
studium  üi  der  leblialkMi  Handelsstadt  die  gewünschte  Statte  zu 


')  In  gewimn  Sinne  int  ja  Msohl  auch  etwa»  Enlkunde  an  den  alton 
KlcMter«  und  Stiflsschulon  getrieben  worden.  Doch  war  sie  dortselbst  nur 
ein  Aiihftngöol  des  dop;cnannten  Quadrivhim.««  und  konnte  ni  keiner  Wei.sc 
ul8  BelbstAndi^^er  Ldu go{?pn?t:inil  j^elteii,  kommt  mithin  auch  iUr  uns  an 
<lie»or  Stelle  nicht  weiter  in  Hctmctit. 

2)  C.  Otti).  JohaiiuoH  CochlttCUä.  der  Hnni.iiü.si,  Bm'sIuu  ls74.  Aus 
diOBor  Darstellung  erhellt,  datw  der  (Icnauntc  von  dem  Augeubücke  an,  da 
er  In  die  Gegenreformationebewegung  hineingezogen  wurde,  Wob  noch 
als  Theologe  sich  fUhlte  und  der  profiinen  Wissenschaft  gnnzlieh  absagte. 
Hierin  glich  er  dem  antllngUch  von  ihm  befehdeten  Eck  (s.  (Jünther,  Johann 
Ei  k  als  Geograph.  Forachungeu  über  die  Kultur-  und  Utteraturgoschichte 
BayeniH.  'i.  Rtirh.  S.  llnftV) 

3)  Mit  Hecht  niaimt  auch  l'uulson  (t iesdiiclii*?  düd  gelehrten  Unter- 
richtes, II.  Aufl.,  i.  Band,  Leipzig  IbUb,  t^.  Uy)  aut  diese  Rotormbestrebungen 
des  Cochlaeus  Rttcksicht. 


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3.  Gcographiachor  Uutenricht  au  einer  Nürnberger  Mittelschule  etc.  13 


bcn'ileii .  abor  inittlerwoile  hatte  mau  die  Not \vt'ii(JiL'k''if  einer 
soIcIh-m  l*i]<lung  (loch  iinnuT  klarer  (mii!^(»}h»ü  «^ek'rnt.  und  als  der 
kluge  Propst  Anton  Kress  im  .I.ihre  1509  die  vier  vorhandenen 
Lati'iiiscliiilen  —  niutniassiicli  u.u-U  Breslauer  Muster  —  zu 
reforiuioira  «ich  enfschlosH,  glanhte  er  in  Corhlaous.  den  er  von 
früher  kaniit<'.  <leii  geeijjjneten  Mann  tüi-  die  ihm  am  meisleii  am 
Herzen  Heißende,  weil  mit  seiner  PCai-iei  St.  Loren/,  verhundono 
An?<talt  t^efiinden  zu  haben.  Zum  Berater  hatte  er  seinen  Freund, 
den  hochgeijüdeteü  und  damals  schon  den  Mittelpunkt  des  geistigen 
I^bens  in  Ndruberj  dai-stellenden  Patrizier  Pirckijeyiner.  der  bei 
der  in  Kede  stehenden  Wahl  ebenso  sehr  eine  glückliche  HamI 
bethatigte,  wie  ei-  treiiioh  nachh<'r  auch  die  Hauptachnhi  an  dem 
vorzeitigen  We«r/u»re  des  vftn  ihm  gewonnenen  T.ehrei-s  trug.') 

Cociilaeiis  wai.  als  er  in  seinen  neuen  WirknnL'^^krris  gelangte, 
in  er-ster  Linie  Philosoph,  aber  das  Wort  .Philosuidiie"  fasste  er 
IVeilieh  in  cijiem  sehr  weiten  Siinie  auf,  wenn  er  vom  Lehrer  der 
Jugend  verlangte,  derselbe  solle  zuerst  rationelle  Phihi^r|il  i  ' 
—  (Srammatik.  Phetorik.  Dialektik  —  so<lann  Moralpliilo.su|)hie 
und  endlich  Natur|diil(>8(>|d]ie  mit  seinen  Zöglingen  treiben.'^ 
Dazu  kam  im  besonderen  l'alle  noch  der  Kirchengesanir,  auf 
dessen  I'flege  der  Propst  seinen  Kekioi-  dringend  hiiiu»  w  n  sen 
hatte.  D«  es  an  geeigneten  Lelinniifehi  gebrarii.  >u  lasste 
Coehlaeus  den  Kntschlnss,  selbst  tüi  m>1(  lie  zu  sorgen,  und 
bratlue  ihn  wahrend  der  paar  .laiir^*  seiner  NUrnbei*gei-  Amtszeit 
mit  eisernem  Kleisse  zur  Dnrrhtiihrung.  Das  erste  seiner  Kom- 
pendien war  ein  solches  der  Musik das  zweite  ein  .solciies  der 

>)  Aof  don  Wunsch  Plrekheym««  ging  Codilaeus  mit  ein  paar  jungen 

Anvorvvundt^n  des  Bratereii  als  deren  Hofmeistor  und  Reiaebegleiter  nach 

Italien.    Vgl.  GUnthor.  NVilihahl  Pirckhrvmf-   diT  Wiedererw«>cker  der 
tiiM»tfraphie  in  Deul^schland,  Buyerlaiid,  4.  Jahrgang,  iS.  oöyff. 
'■»)  Otto,  S.  21  ff. 

*)  Tetrachordum  Musicea  Joannls  Codei  Magistri,  Kttmberg  1511.  llir, 
wie  jeder  der  obrigen  in  NOrnberg  edierten  Scliriften  dee  Autors  iat  ein 

Elnleitmi^-ijfcdicht  des  Nürnberger  Benediktiners  Chelidonius  Muaophilus 
vorffcdiufkt,  vplthor  »pntorhin  (l)!'.)  Schottonfiht  iti  Wien  worde  und 
zuvor,  in  vertrautem  Tingango  mit  Firckheynior,  Cioschmark  «n  der  neuen 
hmnunidtiHchen  Bildung  sich  angeeignet  hatte.  Die  Widmung  richtot  aich 
an  Kress.  und  die  Pflicliten,  welclio  dieser  dem  Relctor  bei  seiner  Amts- 
einaetzung  vorgehalten  hatte,  werden  des  nftheren  gekennseichnet.  Das 
„Telrachoid"  ^oll  hei  der  RinObung  deH  Piguralgeaangea  als  Hilfsmittel 
dienen,  ahrr  def»nn«jeachti'f  wird,  vvjp  es  die  Systematik  des  niich  iiiiiner 
herrschenden  .Mittelalters  verlangte,  die  Musik  als  mathematische  Disziplin 
betrachtet  und  behandelt. 

y 

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14      Mitteiluinffii  d.  üe«*.  f.  deuU»c'he  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VJI. 


Gramoiatik Dann  ii\u'v  i^ini;  »  s  an  (iic  N'atur|)hUosn|»hit*  od<'r.  wie 
wir  heiiti;^t'n  Taj^t'.s  uns  aiisdriicKcn  würilni.  au  die  N;it  n i  w  iss<'ns(  hat't. 
Es  jralt.  sit-h  uinzuselirii  um  h  cincin  W'rrke  des  Ali<'inini-  xwlclies 
irewrcUU'U  juni;en  Leuten,  natürlit  h  uiil  dem  erfordcrlK  Im  ii  Kom- 
nu'iitare.  iu  di«;  Hand  «^^'ijelitMi  worden  konnfo.  und  da  iiuisscii  w li- 
es luin  unserem  Diduktikcr  sila  liocli  aiir«'C'lm«'n.  dati.s  er  nicht  zu 
Plinius  j^rift*.  in  welchoiii  das  l»et;innende  X\  I.  .lahrlnindert  den  fast 
unj'rreit'li baren  Meister  allen  \Vi.-jsH?ns  von  der  Natur  erblickte^), 
soudern  dass  er  der  .Mt'ieoiolKj^ie"  des  Aristoteles^)  den  Voraug 
iiiih.  welche  ja  aucli.  als  einem  Denker  ei*sten  Hanges  aus 
einem  (iusse  ^rearheitet,  turmliotii  über  dem  Kuüektüneenhefte  des 
römischen  Polviiistors  steht  und  deshalb  auf  den  emp(Tuii;licheii 
.  Geist  junger  Leute  zweiCelios  auch  einen  l»esseren  EiiidnK  k  liervor- 
bringen  musste.  Für  Cochlueus  stand,  so  würde  ein  moderner 
Benrieiler  sageu,  die  pli}  sisclie  Erdk unde  im  Vordergi'unde^);  iu 


')  Quadrivium  Grammatict's  Joannin  (Juclei  Norici.  artium  magistri, 
Nürnberg  1511.  AU  da«  BUchlehi  gedruckt  wurde»  hatte  der  doch  erat 
wenig  über  ein  Jahr  wAhrende  Unterriebt  offenbar  bereits  seinen  guten 

Fortgang  genommen,  denn  in  der  DodikutionsepUtel  an  Kress  heiaat  es 

V(in  don  Schülern:  „Audiverunt  modo  Dialectiron  ad  ( ul*  om  fore  perductam, 
tncipiiint(|Uo  neuere  ingonia,  rertnro  HrgumentiSt  determmare  quaeatiunculos, 
ad  uaturaleiii  imhclaro  philosophiam." 

')  Die  iaa  moääloäo  sich  steigernde  Verehrung,  welche  Plinins  bei 
den  besten  Vertretern  der  einschlägigen  Ffteher  genoss.  gehCrt  au  den 
schwer  beg^iflichen  Dingen.    Die  .Naturgeschiehte*  war  das  von  selbst 

gi'^-cliene  Hilt'abuch  bei  jeder  nnturwiHHonschaftUehen  UniversitJUsvorlesung 
(.lectiü  Pliniana").  wie  dies  bei  Günther  (Jakob  Ziegler.  ein  Inis f  ri^<  Imt 
(H'ognipi)  und  Mathematiker,  Ausbach  lb9U.  S.  öäll'.)  sich  im  eiuzolneu 
dargol<>f?t  findet. 

Es  darf  hier  als  bekannt  augenuwmen  werdon,  das:*  der  Terminus 
.Meteorologie"  bei  dem  Stagiriten  etwas  anderes,  nftmlich  etwas  ungleich 
allgemeineres  bedeutet  als  in  der  Gegenwart,  welche  darunter  gans  aus- 
schliesslich die  Lehn»  von  den  VerÖn<lerungen  der  Atmosphäre  vpri*toht. 
Aristotf'Ies  zng'  tnu  h  ein»'  Meuir*'  luiderweitcr  iVoblonio  der  kosmischou 
und  tfiri'.-Jtiisclifn  Phvwik  herein  (s.  die  Iniudtsanidyse  hei  A.  Holh'r. 
(ieschichre  der  Physik  j von  Aribtotide«  bis  auf  die  neueste  Zeit,  I.  liund, 
Stuttgart  189:2*  8.  (>9ff.). 

An  Kreas  schreibt  der  Herauegeber  im  Eingange  seines  Wericea, 
er  halte  es  (ttr  Überaus  nützlich,  der  Jugend  einige  Kenntnis  der  Uete- 
orologlt'  und  Kusinographie  beizubringen;  dunn  kttnne  diosellte  sich  troIiHch 
jindoren  Studien  zuwenden.  l'nd  Aristoteles  gebe  auch  hielUr  den 
sichersten  Führer  nh  „Inter  ejus  opera  meieondogica  parapiira.si.s  nostris 
adulusceutibus  coniniudior  vi.su  e.st.  i|ua  inibuti  :id  philo^ophiae  atudia 
ferventius  asd^ndaiit" 


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d.  Geographiaeher  Unterricht  an  einer  Narnberger  Mittelsehule  etc.  15 


ihr  aeine  UOrer  auszubiLden,  war  ihm  Herzenssache,  und  die  Slittel, 
deren  er  sich  zu  dem  Ende  bediente,  können,  wenn  wir  uns  an 
seine  Stelle  Im  Qeiste  zurttcicversetzen.  nur  unsere  volle  Billigung 
finden. 

Ursprüii^ilich  hatte  der  Lehrer  Exemplare  für  sehie  Schule  aus 
Köln  beziehen  zu  können  ^ehottt.  allein  da  man  ihn  dort  im  Stiche 
Hess,  so  ging  er  daran,  selbst  ein  Buch  zu  schaffen,  das  den 
Schülern  in  die  Hand  ;,'»M;eben  werden  konnte.  Er  legte  die 
lateinische  Paraphrase  des  Faber  Stapulensis*)  zu  gründe,  liess 
deren  einzelne  Kapitel  wörtlich  abdrucken  nud  fügte  zu  jedem  aus- 
führliche, erläuternde  Bemerkungen  hinzu.  Den  Text  liess  er  aus- 
wendig lernen;  der  Kommentar  wurde  im  Unterrichte  selbst 
kateehetlsch  durebgenonunen.*'')  Die  Ueberzeugung.  dass  die  junge 
Welt  bei  solchem  Schulplane  nicht  blos,  wie  sonst  so  oft.  blosse 
Worte,  sondern  die  Sachen  selbst  lerne,  war  fttr  Oochlaeus  eine 
feststehende,  und  er  unterliess  es  nicht,  diese  Art  von  Schul- 
betrieb  derjenigen,  mit  welcher  er  selbst  Belcanntschaft  gemadit. 
hatte,  als  die  bessere,  fortschrittliche  gegenüberzustellen.^  Liest 
man  den  Kommentar  durch,  so  vergewissert  man  sich  darüber,  dass 
man  aus  demselben  neben  so  manchen  Fabeln  und  Ungereimt- 
heiten, von  denen  sich  eben  damals  auch  der  Beste  nicht  zu 


M  Jacqu<»!<  Lefevre  D'Etaples  (I4.">r»  IVnfot*9or  in  Paris,  galt  um 

jene  Zeit  für  di^n  ersten  unter  den  zahiieich  vorhandenen  Erklärern  der 
ariatotelieehen  Orandbücher.  CoehlaeuB  rtthmt  eeine  Faraphraeen,  welche 
also  nicht  etwa  bloa  den  Urtext  in  anderer  Sprache  sklavisch  wiedergaben, 

t*oii(!('rn  gleichzpitig  ersterfn  flOs^i^  niuchon  und  bis  zu  einem  gewiss^Mi 
(»niilc  den  SchiOion  vorailii'itcn  sollten.  Das  ParaphraslonMi  stollfe  ein 
Mittelding  zwisclK  ii  rduTsi-tzcn  und  KomnuMitleron  dar.  r('l)rigons  war 
Fuber  nicht  grorudc  Drigineli,  sondern  hielt  bich  an  die  Vurarbuit  deä 
Hermolaus  Barbarua,  der  selbst  wieder  aus  Themi«tius  geschöpft:  hatte. 

^)  .^uapropter",  sagt  Cochlacud  la.  a.  ü.).  „nului  in  commontario 
toztiw  inateriam  rcpetere,  satius  fore  arbitratus,  adolescentes  textuni 
addiscere  (qui  et  elogans  «alt  et  Aristotelis  sententiae  ftdelis  onsertor),  t|uatn 
nuilta  verbortiin  circuitiltione  ipsos  defatigari  mcmoriamquo  corum  a  textu 
distrahi." 

')  Vor  dein  zweiten  Buche  der  uns  hier  beschäftigenden  Ausgabe  ist 
<'in  WidniungsM^-hroihen  an  f'irckhoynier  abgedruckt,  worin  C'ochlaous  seine 
AutichauungiMi  über  Erziehung  und  Sclmh'  ni«'d«>rgelegt  hat.  «Dcdit  nubis 
deiis,  siniul  recta  cum  religione,  clciuentiuäque  olim  coelura,  inuUiusque 
ingenlam  (quod  facile  ex  artificiis  variisque  Germanonim  invpntls  perpendcre 
lirebit),  »oii  longa  adhuo  nobis  est  puoritia.  tenera  oducati».  sera  et  quideni 
barbar»  litterarum  educatio." 


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16     Iftttelhtiigen  d.  Get.  t  deutsehe  Brriehungs-  u.  Schnlgesch.  vn. 


emanzipieren  imstande  war«  auch  recht  viel  gutes  und  nQtKliches 
lernte.') 

Was  nun  ffir  die  Geschichte  der  ausübenden  Pildagogik  von 
sehr  hoher  Wichtigiceit  zu  sein  scheint,  das  ist  der  Umstand»  dass 
man  aus  den  eigenen  Angaben  des  Cochlaeus  einen  deutlichen  Ein- 
blick in  den  eigentlichen  Unterrichtsorganismus  erbftlt  Welche 
Leitfftden  dem  Lehrgange  zugrunde  lagen,  wie  deren  Inhalt  der 
Lehrer  zum  Eigentume  der  Schaler  zu  machen  bestrebt  war  — 
darüber  erfiUiTt  man  im  ganzen  Mittelalter  nichts  absolut  zu- 
verlSssiges,  vielmehr  ist  man  durchaus  auf  mehr  oder  minder 
plausible  Vermutungen  angewiesen.  Hier  jedoch,  da  wir  uns  an 
der  Schwelle  der  neuen  Zeit  befinden,  bekommen  wir  endlich  ein- 
mal  klaren  Wein  eingeschenkt.  Wir  erfahren,  welches  Buch  als 
Kompendium  in  der  Schule  verwendet  wurde,  wir  erfahren  auch 
weiter,  wie  der  Lehrer  in  seiner  Klasse  yerführ,  was  er  als 
Memorierstoff  auffasste,  und  was  er  für  disicursiven  Unterricht  auf- 
sparte. Jedenfalls  leuchtet  auch  ein,  dass  die  Methode  des 
Cochlaeus  einen  ganz  erheblichen  Fortschritt  gegenüber  dem  for- 
malen Brill  signalisierte,  unter  welchem  in  der  Mehrzahl  der 
Schulen  die  Knaben  seufzten. 

Mit  der  physiachen  Erdkunde  sollte  nun  aber  auch  die  Geo- 
graphie  selbst  Hand  in  Hand  gehen.  In  früher  Jugend  diesen 
gewaltigen  Bildungsstoff  nicht  kennen  gelernt  zu  haben,  bedauerte 
unser  Schulmann  nachmals  gar  sehr.^  Wie  könne  man  Geschichte 

')  In  erntete  Katpgorio  ^'«'bört  z.  B.  das  Marchon,  da^x  boi  Frosch- 
odtT  Wurmrog'iMi  dii'  hoti «'ticiuii'n  Ticio  «Itirch  die  „Genfratio  spontanea"" 
entütaniien  sfifu.  BeachteuHweri  dugt.'f^t'n  int,  wa«,  angeblich  im  Anschlusae 
an  PosidoniuB,  von  jahrlichen,  monaütchen  und  täglichen  (iexeiten  au»- 
gesagt  wird.  Binen  gsnz  modern  phyatkaliachen  Geist  atmen  die  Er* 
ürtcningeii  Ober  die  £(esiehungen  zwischen  Bewegung  und  Wiu-me  (a.  a.  O., 
Kol.  X.  1).  Kaihdem  von  der  Wärmeerzeugung  dun  li  die  Bcw«'j>:ung  der 
Hiniinelflk<\r]»er  die  Rede  geweüt'H  war.  fahrt  der  Koiimit  ritator  Ibrt:  „seil 
et  alii  motuä  iocules  caiel'activi  sunt.  Quod  muitiä  »ane  constat  vx- 
perimentie.  Prirou  plumbum  »agittae  velociter  einieaae  liqueMit  ....** 
Aehnllchea  iat  Ja  auch  von  Bleikugeln,  die  hart  auftreffen,  bekannt. 

*)  Aus  der  Widmung  der  Pomponius  Heia-Ausgabe:  »Bgo  certe  geme- 

bundus  plerumque  efTu^is  etiam  interdum  la^rimis  nM  ordnr  jacturom  illam 
et  temports  et  Btudii,  quam  in  tenoris  annis  ]>a?«3tis  stini.  dum  vnlfrari  i»i- 
veterataque  imbuerer  barbarie  legeronn|u«'  puctariini  carmina  sini«  priacipits 
tum  Grammatice  tum  Geographie.  Credo  equidem,  Geographiam  id  esse 
historicis,  quod  Sd  est  mundo.  Hie  lucem  praebpt  rebus,  Ilia  seriptoribus 
fidem,  legentibu»  InteUigentiam.  Hujus  Inmine  conspiciuntur  eolores  rerum, 
Ullus  dpscriptione  cernnntur  res  gestae.  Hujus  dcnique  praesentla  Jukunda 


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8.  Geo^aphUcher  Unterricht  au  elaer  NOmberger  Mittelschule  etc.  17 


und  Mythologie  treiben  wollen  oime  ein  fjtnvisses  Mass  geographischen 
Wissens?  Uns  ist  kein  Autor  bekannt,  der  mit  so  nachdrücklichen 
Worten  die  Bedeutung  der  Geographie  als  «mikt  <:cPRchiclitli«hen 
Hilfswissenschaft  ins  richtige  laicht  zu  setzfn  bemüht  ^oweseii  wäi»*. 
wie  eben  ('ochlaeus.  Aber,  so  werde  (Mn<?eworfeii,  die  Sache  sei 
zu  schwierig  für  AnfTingor.  Ja,  wnm  man  freilich  die  Lehre  nicht 
auf  Anschauung  begiiiu dt' .  daim  möge  sie  schwif-rii;  sein:  alx-r  man 
habe  ja  die  Mittel,  durch  diese,  durch  stete  Ueiziehmig  der  Karte, 
dem  noch  unzureichend  geühten  Vei"st{lndnis  iiachzuheifen. ')  Uns  ist 
nicht  bekannt,  ob  irgendwo  anders  dieses  niodorne  ( Jiundpriuzii)  ri<!- 
kundlicber  Didaktik  wie  es  sich  in  den  obigüu  Sat/en  anssi)iichi, 
vor  Cuelilarus  srliju  gleicli  bestimmt  zur  (reltung  .i;el)i'aciit  wurden 
sei;  wenu  aber  nicht,  so  gel)iibit  ihm  ein  Ehrenplatz  gleichmassig 
in  der  Geschi<  hte  der  Geographie,  wie  in  derjenigen  der  Erziehungs- 
kunst  Die  Ntiniberger  LateinschUler  hatten  das  Glück,  Land- 
karten, die  damals  wahrlich  ein  seltener  Artikel  waren,  vorgelebt 
zu  erhalten; 2)  ja  wenn  wir  eine  andere  Stelle  richtig  verstellen, 
so  blieb  es  hn  i  l  -  i  nicht,  sondern  es  wurden  sogar  l'ebimgen  im 
Kartenzeichnen  \  n[  L^i  iiommen.'')  Das  alles  ziisainnn  u  kann  wohl 
so  vollständig  zur  ik'kriifliguifu'  uiiserer  P»ef);(n|itum,'  übci-  die  eigen- 
artige Stellung  des  Cochlaeus  dienen,  dass  wir  auf  weitere  Aus- 
führung zu  verzichten  ein  Hecht  haben. 

fiunt  nunicrosa  opera,  IIUuhi  noticia  jucundiHsinui  lostoriai  loii  lectio.-  Zahl- 
reiche Belege  werden  aus  heiliger  uud  pruiunor  Ueächichto  beigebracht. 
Aristoteles»  Ptolemaeus,  Plinius,  Strabon,  Solinus  sind  Zeugen  d»fllr,  wie 
innig  Geschichte  und  Geographie  In  einander  greifen.  Und  e1>endft 
schreibt  Cochlaeus  an  Pirckhcymer:  ..Siayphi  rotat  saxuni,  qui  aut  poeai 
ant  historie  aine  cosmographia  ullam  impendit  operain.*^ 

')  „Si  qul  causentur,  Javencutos  primis  litteraram  rudimentiä  initiatos 

hanc  lectionem  rapero  no»  J>o)^^^o,  üiomineriiit,  (puioHo.  Hnbjr»ct;iiii  luijiis 
aitia  memuriam  sciidütilem  e^be  otiiiK'iu,  iiilcU'M  f ma  perindo  diücipulorum 
facile  posse  juvurl  et  lideli  praeceptori»  iostriictionc,  et  oculari  locurum 
demonstratione  impressa.** 

Hier  iährt  Cochlaeub  turt:  ..Mihi  prut'ecto  tres  in  eum  uäuiu  mappae 
asservantur,  due  Scripte^  et  wia  impressa.*'  Wie  schade,  das«  eine  n&here 
Maehricht  aber  diese  —  wahrscheinlich  einer  der  schon  vorhandenen 
Ptolemaena-Ausgaben  entnommenen  —  Landlcarten  nicht  aufzufinden  ist! 

")  In  der  Einleitung  zum  „Quadrivium  grammatices*^  (s.  o.)  beg^nen 

uir  den  nachstoheiidon  Worten:  „Siquidem  ex  oosiiiographia  praetor 
regiomim  »itu.-^  dulic<"'Hi'  nonmilli  imuuH  muppas  circulia  efforniuro 
justaque  proportiotie  dupiiigcro.'  Ii»  wurde  somit  aut  geometrische  Karten- 
Zeichnung  bedacht  genommen. 

WtU'ii.  d.  Ges.  f.  dUi4.lj.  Erziuli.- u.  Si-liulfoseli.  VII  l  (H;ki  orß-Hefi>  lf<«7.  g  ^ 

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1 8       MltteHungeiL  d.  Gea.  t  «teatache  Eniehungs-  u.  SchiügeMlk.  VIL 


Als  der  passendste  Schrifteteller  ftlr  seine  Zwecke  erschieu 
dem  Lehrer  der  Römer  Pomponius  Mela.  den  er  urtfimlich  in  die 
Zeit  J.  Oaesais  verlegte,^)  der  aber  tiiatsäciilich  bereit«  der  ersten 
Kaiserzeit  angehört  hat  Ihm  schreibt  Cochlaeus  Kttrze  der  Dar- 
stellung und  einen  guten  Stil  su,  und  darum  empfehle  er  sich 
speziell  fttr  die  ScbullektOre.^  Weil  auch  in  diesem  Falle  der 
Buchhandel  dm  Zwecken  der  Schule  nicht  genOgend  entgegenkam, 
entschloes  sich  deren  Vorstand  auch  wieder  zur  Besorgung  einer 
neuen,  selbständigen  Ausgabe,  für  welche  ein  Venetianer  und  ein 
Pariser  Druck,  letzterer  allerdings  erst  nach  Beseitigung  zahlreicher 
ihm  anhaftender  Unrichtigkeiten,  die  Grundlage  bildeten.  Aach 
war  mit  der  Herstellung  eines  brauchbaren  lateiniscben  Textes 
noch  keineswegs  allen  getban,  vielmehr  bedurfte  Mela,  wenn  er 
zum  Schulbuche  werden  sollte,  zweier  sehr  notwendiger  Ei-gan- 
Zungen.  Die  eine  derselben  bestand  in  den  mathematiBc  h^.  <igra* 
pbiscben  Grundlehren,  auf  welche  das  Original  yerzichtet  hatte; 
die  andere  war  geboten  durch  den  Umstand,  dass  der  alte  Römer 
von  Germanien  so  gut  wie  gar  nichts  sicheres  gewusst  hatte.  Den 
deutschen  Schulen  durRe  jedoch  Kenntnis  ihres  Vaterlandes  nicht 
vorenthalten  werden,  und  so  unternahm  es  der  Herausgeber,  eine 
imangenehm  empftindene  Lttcke  auszufüllen.  Es  ftel  dies  schwer, 
weil  selbst  in  dem  blicherreichen  NOmberg  nur  wenig  einschlägige 
Litteratur  zu  beschaffen  war;  selbst  die  Werke  des  Celtes  konnten 
nicht  aufgf  trieben  werden.^  Gleichwohl  brachten  Fleiss  und  Hin- 
gebung eine  ganz  anerkennenswerte  Leistung  zustande. 

Der  Abriss  der  astronomischen  Geographie*)  ist  kui-z,  genügt 
aber  den  an  ein  elementares  Schulbüchlein  zu  stellenden  Anfor- 
derungen. An  der  Spitze  stehen  zwei  Beweise  fttr  die  Erdrundung: 
die  von  der  Bewegung  auf  der  Erde  abhängige  Erhebung  eines 
bestimmten  Sternes  Uber  den  Horizont  und  die  bekannte,  von 


>)  Ein  andere»  mal  iieisst  es  von  dickem  SchriftoteUer,  derselbe  habe 
„öub  conaulibua"  gelebt. 

^  „Geogruphiam  Pomponii  Melae"'',  so  redet  Cochlaeus  .seinen  Gönner 
un,  ,jajn  pridcu  uoätrud  docere  adolescentea  animum  uidusi:  prueäta»' 
tlflsime  D.  BiUbalde:  ob  pluiimas  sane  maacimasque  (qua»  prae  ae  fert) 
utilltatos."  Wir  tasten  auch  von  d<  n  lateinieeheu  Geographiebttchem, 
und  ein  solchea  mumte  gewählt  werden,  kein  brauchbareres  za  nennen. 

^  Otto,  a.  a.  0.»  8.  27  ff. 

<)  De  qulnque  zonia  Tenre  eompendium  Jo.  Cociei  Norici  in  Geographiae 
introductorium  in  X  capitibua  conflatum. 


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9.  Geographiacher  Unterricht  an  einer  NOrnberger  liitteisebule  etc.  Id 


Aristoteles  vorwertcle  Erscheinung  bei  partielJen  Mondfinsternissen.  ^) 
Es  foK't  <lie  Definition  <ler  —  nicht  gehörig  auseiuandergehaltenen 
—  Paralielkreise  und  Zonen. 2)  wobei  darauf  hingewiesen  wird, 
(lass  detn  hfkaniiten  Erdj^ebiete  die  Chlaiiiys-Oestnlt  zukomme. 
Kontinente  giel»t  (^-.s  drei.  Die  Erdobei'flache  wird  ferner  in  Klimate 
zciIp'j:!  (_|iliires  purallcli  quam  flimata").  Dann  geht  der  Autor 
zur  Polhöhe  üIh  t.  dir  man  ihm  zurol<;p  dadurch  am  leiclitesteu  be- 
stimmt, dass  nijin  an  einem  der  beiden  Aequinoktialta^i^e  die  Mittaj^- 
höhe  der  Sonne  misst  und  von  ihr  das  Komplement  nimmt.  Am 
Aequator  ist  die  Polhölie  gleich  Null.  Nachdem  dann  noch  der 
Möglichkeit,  die  Entfernung  zweier  Erdorte  aus  deren  geoifraphisclien 
Koordinaten  zu  berechnen,  kurze  Erwähnung  getlüui  ist.  wird  die 
Einteilung  der  liiuuuekkugel  besdiriebeu  imd  ander  beigegebeueu 
Figui'  erläutert. 

Hieran  jedoch  reiht  sich  ein  Abschnitt,  der,  soweit  unser 
Wissen  reicht,  in  dieser  Form  in  keinem  frühei-en  Lehrbuche  zu 

finden  sein  dürfte.  Dies  ist  eine  geographische  Terminoiogie, 
eine  Erklärung  der  wichtigsten,  dem  Lernenden  unentbehrlichen 
topischeu  Hegrifle.  Die  Worte,  deren  Sinn  angegeben  wird,  sind  die 
folgenden:  terra,  territorium,  regio,  regnum,  provincia,  ducatus,  uatio, 
gens,  populus,  plebs,  urbs.  civitas,  emporium,  oppidum,  castellum, 
vicus,  pagus.  Villa,  casa,  tugurium,  mons,  Collis,  clivus,  rupes, 
Vertex,  vallis,  convallis  (.Thalkessel"  nach  Varro).  fauces.  campus. 
ager,  rus,  arvum.  pratum.  pascua.  silva,  lucu.'*,  saltus.  nemus.  vir- 
gultum,  fons.  rivus,  flumen,  torreus  („aqua  cum  impetu  venieus"), 
gurges.  amnis.  fluctus,  ripa,  fontes.  ostia  (Hinweis  auf  Nil  und 
Donau),  vadum  (Untiefe),  lacus,  stagnum,  j)alus,  lacuna.  eisterna, 
Piscina,  therme,  lialnea,  tnare,  oceanus.  aestus.  fretum.  Euripus, 
liosphorus  (Biel),  pontus.  iitus,  agger,  ora.  chersonnesus,  isthmus, 
Promontorium,  peninsula,  insula  (der  Flussinseln  wird  besonders 


M  Die  betreuende  Stelle  ist  freilich  bo  kurz  }^<'fa>»st,  d:i?*j*  »dinf  das 
Zuthuii  des  Ijehreru  wohl  keni  Schüler  dcii'n  wahre  iSrdcutuiig  gela.«*8t 
haben  würde.  Cochlueuä  aclurcibt  nümlich:  „Luimque  ürbiculaiiter  recipit 
Ittmen  a  Sole  prupter  terrae  rotunditatem  biterpositam.*' 

')  Hier  üiül  uucli  ein  kui^ea  Wort  ab  für  die  Neue  Welt  („Zonu  in- 
ogiiitft")i  von  der  man  aber  noch  zu  wenig  wiwe,  um  in  ihr  ein  geogra- 
phiBChea  Forsehiingsobjekt  anerkennen  zu  können.  Als  Entdecker  güt  auch 
hier  Amerigo  Vespucci  und  nicht  Columbut«.  Das  war  im  beginnenden 
XVT.  .Ttthrhundnrt  die  durchgangige  und.  wie  Elter  (De  Henriro  (llareano 
geogruphü  et  iintiquit<»ini!i  forma  „Americae^*  commentatio,  lionn  1H9G, 
Sp.  21  fl)  des  näheren  erörtert,  mit  einem  gewisaeu  Rechte  gehegte  Ansicht. 

2*  r 

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20     Büttoilangen  d.  Ges.  f.  dentaelie  EnidbungB-  u.  Bdnügefteb.  VII. 


gedacht).  Man  wird  in  diesem  Verzeichnisse  ein  gewisses  Strel)en 
nacli  Systemalil<  nicht  veri<ennen  wollen.  An  der  S[iilxe  stehen 
Begriffe  der  politischen  (teographie.  und  weiterhin  wird  zu  solchen 
aus  der  physischen  Geographie  übergegangen.  Da  haben  wir 
obenan  das  Festland,  dann  das  SQsswasser,  das  Meer  und  end- 
lich die  WechselbeKiehongeQ  zwischen  dem  festen  und  flüssigen 
Elemente. 

Auch  die  kui-ze  I  rh«  rsi»  ht  über  Deutsclilund darf  nicht  im- 
bpHprochon  bleiben.  IHc  Kaititeleinteilung  ist  die.se:  1.  Gerniania 
bei  tk'ii  Alt)  Ii:  '>.  \'»'?iuitierungeii  infolge  der  Völkerwanderung: 
3.  l)as  ge-j»'rnvi(rlij;L'  IJciitschlaud. -)  »eine  Grenzen,  Flüsse  und  Ge- 
birge: 4.  l)t'lailbcscfin-il'n!ii'  \uii  Xfinilierg  (mit  sachkundiger 
Rück.sichtn-tlime  aul'  Kuiisi^cscliicliU'j:  5.  der  Süden;  6.  der  Osten; 
7.  dei'  NurdtMi:  8.  (hn-  \V»'sten.  Die  UnvoUständiL^lvrit  seiiM>r  Dar- 
stelliiiiir,  welche  iiiiiii^rii.s  niciii  oo  srliliiiiui  ist,  Mjsvie  den  luiiner- 
hiu  etwius  rauhen  Stil  uatschuldigt  Cochlaeus  mit  Zeitmangel,  bedingt 
durch  den  l'uterriclit  und  die  Notwendi^rkeit.  den  musikali.«<ehen 
Hebungen  viel  Fleiss  zu<iuweude!) ;  audi  die  Auyarbeiluiig  des 
Kommentares  zur  -Met^reoiogie"  (s.o.)  habe  viele  Arbeit  erheischt. 
Bei  alledem  verdient  der  Maim,  der  unter  Hchwierigen  Verhält- 
nissen SU  viel  tüclitiges  schuf,  unsere  volle  Anerkennung,  uml  da.ss 
ihm  diese  noch  mehr  als  bisher  zu  teil  werde,  dafür  sollen  eben 
diese  Zeilen  ihren  Beitrag  leisten.  — 

Mit  dem  Wegzuge  des  Cochlaeus  verfiel  auch  sein  Werk.  Er 
selbst  stürzte  sieh  in  den  Strudel  der  religiösen  l^lemik,  welche 
die  besten  Köpfe  dieser  Epoche  so  ausschliesslich  in  Beschlag 
nahm,  und  Icehrte  auch  nie  mehr  zur  Jugendbildung  zurück.  Seino 
Heia-Ausgabe  zierte  der  uns  bekannte  Chelidonius  mit  einem  Nach- 
worte, an  dessen  Schlüsse  er  dem  Freunde  zuruft:  ,Perge  igitur 
et  quem  ex  Geographiao  flosculis  legisti  in  conununem  legentium 
fac  redolere  odorem."  Der  so  Qemahnte  ist  diosem  wolilbegrün- 
deten  Kufe  nicht  gefolgt.  Aber  uuvei'gessen  soll  ilim  bleiben,  dass 
er  der  erste  gewesen  ist,  welcher  an  einer  d<'utschen  Mittelschule 
der  Geographie   eine  mit  den  dui'ch  die  Ue  herlief erung  dort 


*)  Brevis  Gennanie  deecriptio  tum  a  rebus  gestis,  moribttaque  populo- 
nim  tum  a  locoram  situ:  ab  eodem  J.  Cochleo  octo  rapitlbus  digoBta. 

*)  Bic  nicht  ohne  einigen  Natlonalatolz  dahhiachreltende  Schilderung 
verweilt  mit  Vorliebe  bei  großen  Erfindungen  des  deutschen  Volltes,  so 
bet  der  der  Feuerwaffen. 


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8.  Geographiicher  ünterricht  an  einer  Nontborg<er  Mtitelschule  ete.  21 


heimisch  gewordenen  Ffichern  gleichherechtigte  Stätte  zu  bereiten 
bestrebt  var. 

')  Loider  mm»  dto  an  Hich  nahe  liegende  Hoffhnng,  du»H  ilor  auf  der 
Njirri'l)i'rp:r»r  Stadtbibllotliok  ;Mintpwahrto  iinfjodmckto  Rricfwcclisrl  d<»s 
C'üi  liiuouH  noch  woiterc  Dokuuu'iiUi  Tür  «eine  diduklisihi*  Wirkbüinkeit 
enUmlten  uiüge,  aufgcgebeu  worden,  nachdem  die  Herren  i^tAdtarciiivar 
Hununenhoff  und  Dr.  Reicks  dae  ganze  Material  vergeblich  nach  dieser 
Boito  hin  durchflucht  haben«  wofttr  ihnen  der  Veifaeaer  an  diener  Stelle 
vnrbiiunichoii  Dank  auflzuHprechen  nicht  unterlasHen  m'^rhtn,  Golda^t  hat 
in  sein  Work  (V.  IlluHtriH  Bilibaldi  Pirrkheimeri  opera  itolitica.  htHtorica, 
philulogicu  et  epistolica,  Frankfurt  ii.  M.,  S.  327,  S.  ÜU.)  tl)  lediglich  die 
uns  bekannten  WidmungHepisteln  aufgenommen,  soweit  ea  sieh  um  di- 
daktisch-geographische Dinge  handelt.  Gans  gering  ist  anch  die  bei 
Heumaiui  (Documenta  literaria  varii  argumenti  ad  lucem  prolata,  Altdorf 
17.')S>  zu  hob'iul«'  Aushour«'.  Abgcr^clicn  davon,  ilass  in  den  hier  wleder- 
gegebenf-n  Briefen  de«  CocIilaouH  an  Pirckhcyini'r  die  Klag^rn  fthrr  das 
vlelo  unnütze  Zeut^.  welchem  die  Studierenden  in  »ich  autnehnien  müasten, 
uns  nicht  selten  begegnet,  erhellt  nur  aus  einer  einaigen  Btelte,  dass  der 
junge  Hoftneister  auch  In  Bologna  noch  seinen  Zö^ingen  geographische 
FrivatiRKima  hielt.  Im  M.'lrz  1517  «chreibt  er  nümlich  (a.  a.  O.,  8.  15  des 
eif^oiitlichfn  Textes):  ,.l)io!)Uf*  fi'fäfifi  jam  Pomponinm  Molam  (A^  »um  lec- 
tiirus/-  Ferner  reproduziert  Heumunn  (a.  a.  0..  S.  '\  ff.)  die  zwinchon  C'ochlaeua 
^auch  j.Vendelstein")  eiuerrteiiH,  Kress  und  Tetzel  andererseits  erwachsene 
Konrespondena  über  die  Besetsnng  des  Nttmberger  Rektorates.  —  Dem 
Geographen  Cochlaeus  sucht  flbrigene  auch,  wie  anhangswelae  bemerkt 
sein  möge.  Doppelmayr  (Historische  Nachricht  von  den  NOmbei^schen 
Mathernnticis  und  Künstlern.  Nfirnberj]^  1780,  S.  52  tfJ  einifjerniaffen  gerecht 
ssu  w«^rdt!n,  ohne  jedoch  irj^endwie  tiefer  in  die  Sache  einzugehen,  lieber 
die  licziehuiigen  des  Cochlaeus  zu  Pirckcheymer  orientiert  trefflich 
R.  Usgen  (Wüibaid  PIrckheymer  In  seinem  VerhBltois  sum  Humanismus 
und  cur  Reformation,  HittelL  d.  Ver.  f.  Gesch.  NUmbergs,  4.  Heft,  8. 156ff.) 


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22     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  df  »tsclie  Erziehungs-  u.  Schulgosch.  VII. 


4. 

Die  Bezlehiin^eii  Philipp  MelaDctithons  m  Bayern 
uacli  Ii.  Uartfelde]*s  Mclaiiehthoii  als  rraeceptor 

Gerinuiüae. 

Die  400j&brige Geburtstagsfeier  Philipp Melanchthons  (IG.Febniar) 

hat  von  nouem  die  Kiinnerung  an  den  Fraeceptor  Gormaniao  warb- 
gerufen.  Es  kann  nicht  Auftrabe  unseres  Rayernheftes  seio,  die 
grossen  und  vielseitigen  Verdienste  dieses  seltenen  Mannes  nni  die 
deutsche  Schule  darzustellen.  Unsere  Gesellschaft  hat  übrigens  im 
Band  VII  der  Monunienta  Germaniae  Paedagogica  durch  den  leider 
zu  früh  verstorbenen  treft'li( Ihh  llartfelder  dieso  Aufgabe  in  uin- 
fasseader  und  giündliclier  Weise  lösen  lassen').  An  der  Hand 
dieses  Werkes  wollen  wir  in  unserem  ßayernhcft«  die  BeziehuDgen 
darlegen,  welche  M.  sum  Bayemlande  in  seiner  jetzigen  Abgrenzung 
gehabt  hat. 

Da  ist  zunächst  zu  erwähnen,  dass  Pallas  Sjmngel  (8.  18 — 24) 
aus  NeusUidt  a.  IL  in  der  bayerischen  Rheinpfalz,  sein  liebster 
Lehrer  in  Heidelberg  gewesen  war.  Er  hat  einen  gro8S(»n  Kinfluss 
auf  den  jugendlichen  }>\.  ausgeübt,  l)esondcrs  durch  seinen  per- 
sönlichen Verkehr,  da  M.  als  Zögling  bei  ihm  wohnte.  ...Spangel 
ist  dadurch  eine  so  charakteristische  Persönliclikeit,  dass  er 
typisch  ist  für  das  Verhältnis  der  Univei-sitrit  zum  Humanismus 
um  diese  Zeit.  Aul"»  injiigste  befreundet  und  verbunden  mit 
Humanisten,  die  ihn  zum  Teil  als  ihren  Lehrer  hoch  verehren, 
steht  er  doch  ganz  in  der  altkirchlichen  Weltvorstellung.  Er 
ist  tüchtiger  Schohustiker  und  bekennt  sich  zum  System  der 
Thomisten.  Die  , neuen  Wissenschaften"  sind  ihm  blos  ein 
formales  Büdungsmittel,  und  das  bessere  Latein,  das  er  von  Agricola 

*)  Philipp  Melanchthon  als  Proeceptor  GernuuiiAe.  Von  Dr.  Karl 
Hartfolder,  Professor  am  Gymnaeium  in  Heidelberg.  Bortin,  A.  Hofmaiin 

&  Comp.  iSSy.  ^MonunuMitii  (iormauiae  Paedagogka.  Schulordnungon, 
t^chullȟcher  und  ]>:iiia^^(>;;iich''  Mi.-^i  nlluneen  aus  den  Landen  dinitscher 
Znnp^P.  riitt  r  Mitwirkung  einer  An/.  iiil  von  Kachgelohrton  hen»UrtK<>pct)en 
von  Kurl  Kehrbuch.   Band  VII.)   Lex.        XXVIII,  (ib7  [IJ  S.   M.  20,0ü. 


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4.  Die  Beziohungen  Philipp  Melanclitlions  zu  Bayern  etc.  23 


<^el^*mt.  hat.  ist  ihm  nur  ein  Werkzeug»,  um  die  Lehren  der  Kirche 
diin  h  ein  jinsprorhenderes  Gewand  den  höherni  Anfordenin»^»  ti  der 
Go^onwarl  ont8prechender  zu  machen.  Dabei  bleibt  er  eine  erfreu- 
liche ErHclieinung,  als  ein  ßittenrfiiier.  edler  nnd  aiifopferungfifahiger 
Kleriker  in  seiner  Zeit,  da  die  Klagen  über  die  Schäden  der  Geist- 
lichkeit ganz  allgemein  waren." 

Don  bayeiischen  Boden  l)etmt  M.  zum  ersten  ilale  (8.  62— «54), 
als  er  im  Jahre  1Ö18  nach  Wittenberg  aufbiach,  um  sich  in  Augs- 
burg dem  Kurfürsten  Friedrich  von  Sachsen  vorzustellen,  der  ihn 
aui  (ion  erbotüüeü  Vorschhig  Hcurhlins  als  Luiirer  des  Griechischen 
nach  Wittenberg  berul'en  hatte.  liier  in  Augsburg  wurden  ver- 
gebliche Vorsuche  gemacht.  M.  für  die  blühende  Universität  Ingol- 
stadt zu  gewfnnon.  v.uliin  ihn  auch  Kourhlin  später  zu  ziehen  sucht«, 
um  ihn  ^von  dem  überwältigeudeu  Eiullu86e  Luthers  zu  befreien."* 
(Ö.  105  108.) 

Auf  seiner  Weiterreise  bei-ührte  M.  Nürnbei^  (S.  131  13ö). 
wo  er  mit  Willibald  Pirckheimer  Freundschaft  schloss  und  Christoph 
Schourl  persönlich  kennen  lernte.  Mit  Pirkheimer,  dem  kla.s.si.stiii 
gebildeten  Gelehrten,  ., ausgezeichnet  als  Jurist,  Staatsmann.  Kedner. 
Historiker,  Ueberseteer,  sogar  als  lleerfühi-er,  -  hatte  M.  schon  von 
Tübingen  aus  Verbindung  gesucht.  Der  vornehme  Mann  hatte  Ge- 
fallen an  den  Huldigungen  des  talentvollen  Tübinger  Magisters  und 
erwiderte  in  einem  höchst  freundlichen  Schreiben,  sodass  M.  Ver- 
langen und  Mut  hatte,  ihn  persönlich  aufzusuchen.  Obgleich 
Pirckheimer  bald  Anstoss  nahm  an  «der  demokratischen  Art,  wie 
das  ^Evangelium"  in  Nttniberg  flieh  Äusserte**  und  deshalb  aus  einem 
b^eisterten  Anhänger  Lutheis  ein  Gegner  desselben  wurde,  hielt  er 
doeli  mit  M.  trotz  der  Verschiedenlieit  ihrer  religiOeen  Ansichten 
FreundaGhaft  und  ,die  Qemeintwmkeit  dea  bumaniatiBehen  Inter- 
68868  hat  sieh  starker  gezeigt,  als  der  treonande  religiöse 
Hader."  Im  Jahre  1525  wandte  aidi  der  gefeierte  Humanist  mit 
achtungsvollem  Vertrauen  an  M.  um  Abhilfe  des  unwürdigen  Ver- 
haltens Evangelischer  in  Nürnberg.  Zwei  Sdiwestem  Piickheimers, 
darunter  die  berOhmte  Charitas,  die  Freundin  Celtis«  waren  Nonnen 
in  einem  Nflmberger  Kloster  und  mnssten  alle  die  „Verleum- 
dungen, Verspottungen  und  Schmähungen"  ertragen,  welche  den 
standhaften  Nonnen,  die  nicht  aus  dem  Kloster  weichen  wollten, 
von  der  evangelisch  gewordenen  Bevölkerung  bereitet  wurden.  Als 
Charitas  hOrte,  dass  M.  w^gen  der  Schule,  welche  Nürnberg  zu 
gründen  gedachte,  dorthin  zu  kommen  beabsichtige,  gab  sie  ihrer 
Freude  darüber  Ausdruck,  da  sie  schon  Iftngst  von  ihm  gehOrt 


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24    Ifittettungen  d.  Ges.  t  deutoehe  EndeliuiigB-  u.  SchulgMcli.  vn. 


habe,  dass  er  ein  ganz  ledUeher.  ebreniveiter  und  lauterer  Manu 
sei,  der  die  Gerelchtigkeit  liebe,  imd  dass  das  Vorgehen  der  Evan- 
gelischen von  ihm  nicht  werde  gebilligt  weiden.  M.  kam  und 
suchte  in  Begleitung  des  Ptlcgors  NQtzel  Charitas  im  Kloster  auf; 
er  hatte  eine  lange  Unterredung  mit  ihr»  Ober  deren  Inhalt  das 
Tagebuch    der  Nonne  Nachricht  giebt 

»Welchen  tiefen  Eändruck.der  damals  noch  nicht  80  Jahre  alte 
humanistische  Gelehrte  auf  die  fast  00  Jahre  aite  humanistisch 
gebildete  Nonne  machte*  hat  dieselbe  offen  ausgesprochen:  «Wollte 
Gott,  es  wäre  jedermann  der  Bescheidenheit,  wie  Herr  Philippus, 
hoffen  wir,  es  sollt  viel  Dings  unterwegen  blieben  sein.* 

Christoph  Scheurl  (S.  135  -  139),  deu  er  bei  seinem  «M-8ten  Besuch 
Nürnbergs  gleichfalls  aufsuchte,  gehörte  einer  angesehenen  und 
begüterten  Familie  Nürnbergs  an.  Langer  als  acht  Jahre  hatte  er  sich 
in  Bologna  dem  Studium  der  Jurisprudenz  gewidmet.  Kaum  nach 
Deutschland  zurückgekehrt,  wurde  er  als  Lehrer  des  römischen 
Rechts  an  die  neu  gegründete  Universität  Wittenberg  berufen,  wo 
er  aber  nur  bis  1512  blieb,  da  er  als  Rechtsbeistand  in  den  Dienst 
seiner  Vaterstadt  Nttniberg  trat.  In  dieser  Stellung  verhante  er 
bis  zu  seinem  Tode.  Auch  er  begrüsste  das  Auftreten  Luthers  mit 
grosser  Freude  und  trat  mit  M.  in  briefliche  Verbindung,  die  von 
unbegrenzter  Hochachtung  Scheurls  für  den  jüngeren  Gelehrten 
Zeugnis  giebt. 

Es  war  ein  lebhafter  Verkehr,  da  in  jener  Zeit  beständig 
Nürnberger  PatrizieisOhne  in  Wittenberg  studierten,  die  sich  gern 
durch  Empfehlungsschreiben  bei  ihren  Lehrern  einfllhrten«  und  da 
die  Wittenberger  Gelehrten  vielfach  genftt^  waren,  aus  Nürnberg, 
das  ein  Hauptmarkt  fUr  Bttcher  war,  ihre  Bücher  zu  beschaffen.  So 
Hess  sich  z,  B.  M.  durch  Scheurl  eine  griechische  Bibel  von  den 
bekannten  Buchhftndlem  Koburger  kommen.  —  Nachher  schloss  sich 
Scheurl  den  Gegnern  der  Reformation  an.  Entfiremdung  trat  ein. 
Die  verschiedene  religiöse  Anschauung  zerriss  das  Band  der  ehe- 
maligen humanistischen  Freundschaft. 

Mit  einem  anderen  bayoriHchen  Gelehrten,  Johaniutj  Tminair, 
nach  seiner  \'aterstadt  Abensberg  Aventiaus  gtMiaunt,  liuL  M. 
später  ebenfalls  iu  wissenschaftlichen  Verkehr  (S.  144 — 145). 

Aventinus.  «der  Begründer  der  wissenschaftlichen  deutschen 
Gesctiichtschreibung,  der  „bayerische  Uerodot"  hatte  in  Ingolstadt 

^)  Heniug.  d.  C.  HOfler,  Bamberg  18l»2.  (QuaUeiiB.  f.  firBsk.  Geach., 
Bd.  IV.)  Vgl.  Dr.  Bhider,  CharitM  Ph-kbeimer,  B.  2001 


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4.  Di«  Bedehungen  Philipp  MelauehthODS  zu  Bayern  etc. 


25 


und  Paris  und  auf  veitm  Reisen  tüchtige  Kenntdsse  gesammelt 
und  wurde  1509  Enieher  der  bayerischen  Herzöge.  ^Später  wurde 
er-  zum  ^bayerischen  Oesciuchtschreiber"  ernannt,  in  welcher 
Eigenschaft  er  seine  historischen  Werlte  verfasst  hat,  die  in  Methode 
und  Soigfalt  an  die  Gesehiehtschreibung  unseres  Jahrhunderts  er- 
innern. Er  gehörte  in  Regensburg  der  evangelischen  Gemeinde 
an.  In  einem  Schreiben,  das  als  «literae  amantissime  scriptae"  Ton 
M.  bezeichnet  wird,  teilte  er  diesem  mit,  dass  es  seine  Absicht  sei, 
Bayern  su  verlassen  und  sich  in  Sachsen  einen  Ort  für  seine 
hislorische  Th&tiglteit  zu  suchen.  M.  aber  gab  ihm  den  Rat,  diesen 
Plan  nicht  auszuführen,  vielmehr  einen  Antrag  des  Bischofs  von 
Salzburg  anzunehmen.  Infolge  davon  blieb  Aventinus  in  der  sttd- 
deutschen  Heimat.  »Keine  Angabe  ist  vorhanden,  dass  ein  regerer 
G^ankenaustausch  in  der  letzten  Zeit  zwischen  den  beiden  Mtbinern 
stattgefunden  liat,  obgleich  M.  ebenfalls  ein  sehr  entwickeltes 
historisches  Interesse  hatte." 

Eine  hervorragende  Thatigkeit  entfaltete  M.  als  Organisator 
und  Reorganisator  verschiedener  Schulen  (S.  489 — BBS),  Bas 
südwestliche,  mittlere  und  nürdliche  Deutsclüand  begehrt  von  dem 
berOhmten  Ifanne  Rat,  bittet  um  Lehrer  und  Professoren,  die  er 
ausgebildet  hat,  führt  seine  Lehrbücher  der  griechischen  und 
lateinischen  Grammatik,  der  Rhetorik  und  Dialektik,  der  Physik 
und  Psychologie,  der  Ethik  und  Dogmatik  ein,  die  bis  ins  18.  Jahr- 
hundert hinein  dem  geleiirten  Unterricht  auf  den  deutschen 
Universitäten  und  Schulen  als  Grundlage  dienen.  In  dem  grifesten 
Teile  Deutschlands  werden  die  höheren  wie  niederen  Schulen  nach 
seinen  VorschiSgen  umgestaltet  So  fasste  auch  der  Rat  der  Stadt 
Nürnberg  (S.  601  if.)  am  17.  Oktober  1524  den  Beschluss:  »Sofern 
man  Herrn  Pliilipp  Melanchthon  zu  Wittenberg  bewegen  lEann,  dass 
er  sich  mit  seinem  Anwesen  her  gen  Nürnberg  thun  wollt,  soll  der 
von  wegen  seiner  Ubermassen  Schicklichkeit  und  Kunst  der  Stadt 
Kmder  zu  lernen  angenommen  und  zu  seiner  Unterhaltung 
ziemlicher  Weise  von  gemeiner  Stadt  besoldet  werden.  Zu  den 
imtgliedem  des  Rates  gehörten  damals  Lazarus  Spengler,  ein  Freund 
der  beiden  Wittenberger  Reformatoren,  und  Hieronymus  Baumgartner, 
ein  Schüler  Hs.,  .ein  tüchtiger  Gelehrter  und  Staatsmann,  der  Ver- 
treter seiner  Vaterstadt  auf  den  Reichs-  und  Religionstagen,  der 
Förderer  des  Schulwesens." 

Man  beabsichtigte  in  Nürnberg  eine  »obere"  Schule  zu  gründen, 
welche  den  Unterricht  der  bereits  vorhandenen  Lateinschulen  ab- 
scfaliessen  und  zugleich  direkte  Vorbereitungsschule  für  die  Uni- 


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26     Ifitb^ung«!!  d.  Gei.  f.  deutMdi«  Br^ehuiigs-  u.  SehuIgCMcb.  VII. 


vorsität  sein  sollte;  es  sollte  also  die  humanistisrhe  Poetcnschiile, 
für  dir  man  Konmd  Celtis  s.  Z.  ver^eblif  h  zu  trewinnen  gesucht, 
an  der  Heinrich  Greniiiger  imd  OochlRus  gewirkt,  die  aber  nicht 
recht  hatte  gedeihen  wollen,  in  verbesserter  Oestalt  wieder  auf- 
gerichtet werden.  M.  sprach  seine  Freude  über  den  Plan  aus  und 
rühmte  Nürnberg,  dass  es  die  Philosophen  zu  sicli  einlade;  die  Be- 
rufung aber  lehnte  er,  auch  einem  zweiten  Ansuchen  gegenüber, 
ab;  er  wurde  trotzdem  vom  Rate  ersucht,  für  I^hrer  zu  sorge  n. 
Für  die  ihm  zugedachte  Stelle  empfahl  er  seinen  Freund  und 
SchQler  Joachim  Camerarius,  neben  welchem  Michael  Hoting  aus 
Sulzfeld  in  Franken,  der  bekannte  lateinische  Dichter  Eobanus 
Hessus  aus  Erfurt  und  Johann  Schoner')  aus  Karlstadt  berufen 
wurden.  Im  Frühling  (23.  Mai)  1526  wurde  die  Anstalt  in  den 
Räumen  des  Aegidienklosters  eröffnet. 

M.,  der  schon  am  6.  Mai. in  KUmberg  eingetroffen  war,  hielt 
in  Gegenwart  der  angesehensten  Minner  die  ErOflhungsrede  in 
latdniseher  Sprache,  deren  Inhalt  Hartfelder  au^Uhrlicb  angiebt. 
..Diese  Rede,  in  der  sich  Religiositftt  und  Wissenschaft  zu  einer 
höheren  Einheit  zusammenschliesseD,  zeigt,  dass  der  geistige  Pfttron 
der  Schule  im  A^dienkloeter  sich  von  den  höchsten  Gesichtft^ 
punkten  leiten  Uess.  Darin  lag  auch  Ton  vornherein  der  Segen  und 
Unsegen  der  Stiftung  beschlossen.  Der  ideale  Flug  des  melan- 
chthonisohen  Geistes,  der  an  die  Möglichkeit  der  Verwirklichung 
seiner  Ideale  noch  fest  glaubt,  findet  in  seiner  ungebrochenen 
Parrhesie  das  glänzende  Wort.  Gelegentlich  scheint  er  im  Gesprüch 
auch  die  Parallele  mit  Athen  gezogen  zu  haben.** 

Die  Anstalt  aber  wollte  trotz  des  , wohldurchdachten"  Planes 
derselben,  den  jedenfalls  M.  auch  entworfen  hatte,  trotz  der  vor- 
züglichen Lehrkrftfte,  die  für  dieselbe  gewonnen  waren,  trotz  aller 
Bemflhungen  des  melanchthonischen  Humanistenkreises  in  Nürnberg 
nicht  gedeihen.  «Wenngleich  Melanchthon  die  Schule  nicht  aus 
dem  Auge  veiior,  so  hat  er  doch  nicht  melir  Anlass  geftinden, 
direkt  in  die  Leitung  und  den  Plan  derselben  einzugreifen.*"  — 
Schmerzlich  mochte  es  ihn  immerhin  berühren,  dass  gerade  diese 
Anstalt  in  NOmberg  nicht  aufblühte,  in  dem  gefeierten  Nürnberg, 
das  er  nicht  allein  in  seiner  ErOlhiungsrede,  sondern  auch  als 
Geograph  in  seinem  Encomium  Franciae,  einer  lateinischen  Rede, 
in  welcher  auch  Bambei^  mit  seinen  obstreichen  Gärten  gerühmt 
wird,  als  erste  Stadt  des  damaligen  Deutschlands  preist  (S.  307). 

*)  bthoener,  vgl.  oben  B.  11. 


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5.  Bayertoehe  Edelkii»l»enordniiii|p  vom  Jahre  1676. 


27 


5. 

Bayerische  Edelknabenordnunir  vom  Jahre  15  <  6. 

Von  Gjrmnasialprofeflsor  Vr,  Friedrich  Schmidt  in  Mttnchen. 

Id  meiner  ,  Geschichte  der  Erziehung  der  bayerischen  WitAels- 
bacher"  ^on.  Germ.  Paed.  B.  XIV)  ist  zu  wiederholten  Halen  Ton 
Edelknaben  die  Bede*  die  seit  den  ftltesten  Zeiten  am  bayerischen  - 
Hofe  zu  finden  sind  und  teils  als  Gespielen  und  Lemkameraden 
mit  den  Prinzen  erzogen  und  unterrichtet  wurden,  teils  besondere 
Dienste  und  Verrichtungen  am  Hofe  zu  besorgen  hatten.  (Das 
Nähere  Iftsst  sich  mit  Hilfe  des  Begisters  leicht  finden).  Wie  allen 
Bediensteten  waren  auch  ihnen  gewisse  Verhaltungsmassregeln  in 
Form  einer  Instruktion  gegeben,  wovon  in  zwei  Kopialbfichem  der 
Egl.  Hof*  und  Staatsbibliothek  (cod.  germ.  1962  und  1963)  zwei 
gleichlautende  Exemplare  aus  den  Jahren  1576  und  1729  erlialten 
sind.  Indem  wir  die  Mitteilung  der  zweiten,  Ungeren  Instruktion 
attf  ein  andermal  verschieben,  geben  wir  hier  den  Wortlaut  der 
ersteren  wieder: 

OrdtnuDg  und  Instmction, 
Wasmassen  meines  Genedigen  Fftrssten  nnnd  Herrn  Herzog  Wilhelmben  in 
Bajm  etc.,  auch  ihrer  Frtl.  Drtl.  Gemachel  £dl  Knaben  sich  in  derselbigen 
Diennsten,  anch  gegen  Ihrem  von  Ihro  Frtl.  Drtl.  zuegegebenen  Prftceptor') 
verhalten  sollen. 

Erstlirhcn  wartlicn  zwccn  Knaben  stcots  in  Sr.  Frtl.  Drtl.  Cammer 
auf,  (lennen  ist  schon  ain  stuntlt  benennet,  wann  Syo  7,nm  Dienst  kommen 
sollen,  nnnd  woill  Svc  :ilsn  t'ospannen  sein  raflossrn,  werden  sye  der 
Lehrnnng  nit  könm  n  icdcr/.rit  nblieren;  doch  solle  Sye  (irr  PrUrf^ptor  in 
anderen  fählen  m  Kürcheii,  vor  d<T  Tafel  unnd  sonst  sowolil  als  die 
andern  Knaben  in  embsiger  zacht,  aehtiuig  nnnd  gleicher  Straff  halten. 

Zam  andern  sollen  die  Knaben,  sobaldt  Sje  aufgestanden,  sich  sanber 
Waschen  nnnd  Ihr  gebett,  so  Ihnen  Ihr  Frftee^r  gegeben,  fieisaig  mit 

')  AIh  ..der  odoltMi  KiKibcn  Prrroptnr  "  mit  t1  jMhrlirhnm  (Johalt 
wird  in  den  horzugUch  bayoriachen  Holzuhlumtsrechnuugeu  jener  Zeit 
Siegniund  Fneas  genannt.  Bin  Hann  grlolchen  Namens  findet  sich  lö60 
als  deutflcher  Schulmeister  in  MOnchon.  (8.  Daieenberger:  Zum  Schul- 
Wesen  Mün<',hen8  in  den  MitteUungen  der  Gesellschaft  f.  d.  R  u.  Sch.*G. 
I.  B.,  1.  U.,  S.  56.) 


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28     MitteOungeii  <L  Ges.  t  dentseho  Bnciehangs-  o.  Schu1g«6ch.  VIL 


gebogenen  Knyen  verrichten.  Das  wöUen  Ihr  Fktl.  Ditl  insonderheit  haben. 
A1s<1ann  mögen  sye  Ihr  Suppen,  doch  zflcbtiger  weis  essen,  darob  dann 
der  Pracceptor  auch  onistlich  sein  soll.  Darnach  von  standt  an  sollen  sye 

sich  ttbersczen  nnnd  Ihren  schrüflftcn  unnd  Lehrnnngon.  was  Ifinen  der 
Praorcptnr  zaifrt,  tlcissig  aufwarthcn.  drnisclben  gchorsainblich  folßen; 
sdlli  ii  ahn  bpy  df>r  T.phrnung  bkibi  ii  Iiis  mann  das  Ainbt  will  anhebon, 
uiüiU  kt'iiicr  duvoü  kuninicn  bcy  crii'^tlii  lif'r  Straff  des  Praorpptors.  F!s 
were  danu,  dass  Ihre  Frtl.  Drtl.  ain  Fiüelif-Mess  liüreu,  sollen  Sye  auch 
sambt  dem  Praeccptor  alzcit  aufwarthen. 

Fürs  Dritt*',  »obaldt  man  das  Anibt  angefangen,  solle  sich  der  Prae- 
ceptor  sambt  den  Knaben  allen  in  der  Kttrchen,  es  wcre  bey  der  Predig 
oder  Ainbt^  fleissig  finden  lassen,  aehtaiig  geben,  damit  ein  ieder  sein 
sonderlichs  büechl  bey  Ihme  hab  nnnd  nit  mnethwUlen  oder  sonst  unnus 
geschwftz  bey  dem  ikmbt  der  Heylligen  Hess  treiben»  sondern  Ihr  Gebett 
fleissig  darbey  verrichten,  auch  mit  dem  Diennen  bey  der  Wandlnng,  doch 
mit  ombwexlnng,  fleissig  nnnd  züchtig  sein.  Wo  i'raeceptor  in  dlsem 
allein  von  Ihren  ainem  oder  mehr  ainichen  untieis  spührt  oder  mit  dem 
wenigsten  sühe,  solle  Er  sye  ernstlicher  nothdurtft  nach  wissen  zeatraffen. 

Zum  Viertten.  sobaldt  das  Ambt  aus,  »ollen  Syo  sich  sammentlicb 
Fambt  dein  Prapceptor  boy  der  Kurhl  erzaigen  unnd  Ihre  Frtl.  Drtl. 
speisen  sowohl  zu  narht  iieWen  zuchtig  liinniif  tragen,  unnd  wo  noch  übrige 
speisen  in  den  Kn<  lu  l.  solbMi  Sve  von  stundt  an  soeben,  damit  dit";(  l- 
bigen  durch  sye  auch  liiiiauf  in  ihr  Frtl.  Drtl.  Zimuier  komnien,  auf  das 
die  Silber*Caunner  oder  Maister  Köcli  nit  vcrarsacht  werden  znclagen, 
dann  wo  zum  wonigisten  ainiche  clag  wnrde  von  Ihnen  erfohren,  solle 
Praeceptor  ernstliche  nnd  nothwendige  Straff  gegen  Ihnen  flir  die  Hanndt  . 
nemmen.  Sye  sollen  ancb  emstlich  durch  den  Praeceptor  dahin  gehalten 
werden,  das  Sye  vor  Ihre  Frtl.  DrU.  Tafel  fleissig  auf  den  FOrschneidert 
Mvndtschencicen  nnnd  anndere  wartlien  unnd  kainer  aus  der  Stuben  gehe 
ausser  Praeceptors  wissen,  es  seyc  dann  das  Sye  werden  geschickht  oder 
sonst  unib  spris  oder  anderen  gehen,  bey  ernstlicher  Straflf  des?  Prae- 
ceptors, weli  ln  -  auch  sowohl  als  die  Knaben  bey  der  Tafel  soll  auf- 
warthcn. Es  tulk  ü  auch  die  aufgehöbten  speisen  fleissig  auf  der  Trucithsesseu 
Tafel  unnd  nit  änderst  wohin  getragen  werden. 

Zum  Fünfften  sollen  Sye  sich  ob  Tisch  allzeit,  es  seyc  Ihr  Frtl,  Di-tl. 
obhanden  oder  nit,  eines  stillen,  züilitigen  Wandels  halten,  darob  dann 
auch  der  Praeceptor  ernstlich  sein  soll,  sich  auch  dess  zuctrflnckhens 
mit  ganzen  oder  halben  Pechem  massen;  dann  wo  ainer  oder  mehr 
darüber  betretten  wurde,  solle  Praeceptor  emstliche  Straff  gegen  Ihnnen 
fttfnemben,  unnd  da  der  StaUmeister'}  Ihrer  wurde  begehren  zu  dem 
Reithen»  solle  solches  geschechen. 


Die  Edelknaben  »t^nden  samt  ihrem  Prftceptor  unter  der  Amts- 
gewalt des  hentoglichen  Stallmeisters. 


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ö.  Bayerische  Edelkimbenorduung  vom  Jahre  1576. 


29 


Zum  Sechsten  sollen  Sye  sich  sauber  uniul  znchtit^  in  liiren  ClaytiiTii 
halten,  da  dann  der  Praeoeptor  sein  sonderlirh  aufse»  lien  liabt  ii  üoll,  was 
Ihnen  von  Ihrer  Frti.  Drtl.  weegen  gegeben  würdt,  das  Sye  dasselbig 
sauber  uund  ileissig  aufheben,  unnd  bej  leib  ausser  Praeceptors  wissen 
oder  willen  nichts  hinweclth  geben,  schencMien  oder  TerisBolfen,  es  seye 
Glain  oder  gros;  dann  wo  Er  mit  dem  wenigisten  erfttrt«  das  sye  solche 
Glaidnng  hinweckli  geben,  es  were  zn  Teiscbenckhai  oder  nit»  soll  Er  Prae- 
ceptor  emstliche  Straff  gegen  Ihnen  fttmemben  nnnd  alsdann  dem  Herrn 
Stallmaister  solches  darsue  anzaigen,  dem  solle  alsdann  hinfttro  keines 
mehr  werden.  Er  Praeceptnr  solle  auch  emstlich  darob  sein,  damit  Sye 
nit  hin  unnd  wider  schul<1rn  machen:  solle  auch  Ihr  keiner  ausser 
wissen  des«?  Praeceptors  wueder  bey  Schucsstcr,  Schneider  noch  andern 
nichts  nirtchen  Insseii. 

Zum  Im  ii  iin  sollen  sich  die  Kaabeu  dess  Spillcas,  es  seye  umb 
vil!  oder  wenig,  niassen.  auch  sollen  sye  sich  des>  Schwörens  uund  Gotts- 
Liisterns  fleissig  enthalten,  der  Weibs-Büdern  entschlagen,  selbst  uiuig 
nnnd  gestöllig  bey  einander  bleiben  nnd  leben;  dann  wo  Praeceptor  in 
disen  aweyen  oder  dreyen  Stackhen  zum  wenigisten  etwas  erfahren 
wurde,  das  sye  sich  derselben  nit  enthalten  wolten,  solle  gemelter  Prae- 
ceptor mit  emstlidier  Straff  gegen  Ihnen  Einsechnng  thuen  nnnd  solches 
gegen  seiner  obrigkeit  nit  nnangezaigt  lassen. 

Zum  achten  sollen  sich  gemelte  mehies  Genedigisten  Fttrsten  tmnd 
Herrn,  auch  Ihrer  FrU.  Drtl.  Gemacbel  Knaben  gegen  meniglich,  sonderlich 
aber  gegen  Iliro  Drtl.  aller  Diemüi'thigkeit  unnd  Reverenz  beÜeissen, 
sonderlich  aber  mit  dem  Pukhen,  welches  mit  s^ndi  ler  Xaijning  geschechcn 
solte;  so  sollen  Sye  sicli  auch  in  nichfcn  cindrüngen  ixli  v  mischen,  Sye 
werden  dann  von  Ihrtr  Frtl,  Drtl.  Ibst  darzne  erfordert;  kainer  solle 
auch  Ihn»  Drtl.  mit  niclitm  \berlaufieii  oder  selbst  anreden,  sondern 
solches  alles  durch  (Ilii  Stallmaister  verrichten. 

Zum  Neunten  sollen  sirb  die  Knaben  sambcntlich  unnd  sonderlich 
hievtM  gemelter  articnl  fleibsig  verhalten,  deniselbigen  gehorsamblich  nach- 
komben  nnnd  sonderlich  Ihrem  zuegebenen  Praeceptor  all  i^flhrliche 
gehorsamb  leisten,  «ein  ^raff  nnnd  Befelch  in  kein  gespöth  siechen,  sondern 
dcroHelbigen  gehorsamblich  nachkommen,  als  wer  es  von  Ihrer  Frtl.  Drtl. 
selbst  geschafft;  dann  wo  einer  dem  Praeceptor  in  mttndisten  ungehorsamb 
sein  oder  annainerisch  zaigon  wurde,  s<dl  Kr  Praeceptor  bey  hocher  Straff 
solches  auf  keinen  verhalten,  sondern  Ihr  Frtl.  Drtl.  oder  derselben  Stall- 
maister an/aigcn;  der  solle  alsdann  von  solchen  gestrafft  werden«  damit 
sich  ain  annderer  daran  stossen  mö'ic 

Beschlnosvlirli  «^ollf  «irh  Prat  ci  ptor  tli-i  r  vorgesclinboniMi  artiniln 
aller  gegen  dvn  Knabi  u  tlei?^f?ig  vl ilialti  ii,  dit  jii'lben  in  guetor  zuelii.  I.clir- 
nung,  Dienst  unnd  Gottesforcht  haben,  Sye  auch  mit  ernst  dalnn  ver- 
mögen, damit  sye  diser  Instruction  gehursamblich  uachkomuieu;  dann  wo 
ainer  oder  mehr  solche  yberiretten  unnd  Er  Praeceptor  es  Ibnnen  gestatten 

r 

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30     MitteUungen  d.  Ges.  t  deutsche  Bndehung«-  u.  Sehulgeach.  VII. 


oder  das  wenigist  auf  alnem  versc^eigen  wurde,  soll  Er  alBdaim  selbst 
nach  Ungnaden  gostraiTt  werden. 

Dass  alles  wollen  sich  Ihre  Frtl.  Drtl.  ganz  gnediglich  versechen, 
unnd  da  Derne  nit  gelebt  wurde,  soll  emstliche  Straff  gegen  den  Knaben 
ojind  Praeceptor  filrgenouiben  werden. 

Dess  xa  UiUumdt  liaben  Hure  Frll.  BrÜ.  solches  ndt  algner  haadt 
ontenehiiben  und  mit  Ihren  Seerete  verferttigt 

Actum  Laodtshaet  den  4.  Marti  ao.  1576. 


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6.  üebor  dfin  Bau  des  JeraitengymDaaininfl  m  Landaberg  am  Lech  ete.  31 


6. 

lieber  den  Bau  den  Jesuiteng^mnaHiums  zu  Laudsberg 
am  Lech  üi  den  Jalireu  1688—1692. 

Von  Dr.  Job.  Bapt.  KralUngar.  K.  GymuMialprofeaBor  in  HOuchen. 

Auf  9>(»\te  249 ft\  des  ('ist<'ii  liaiides  «lieser  ^Mitteilungen"  ist 
eine  \ie(\e  al><^'e<l ruckt,  weiclie  die  Gcscliiciite  des  Landsberger 
JesuitfiiL^viimasiuins  zum  Gegenstände  hat.  Die  Beschaffung  ge- 
eigneter Käunie  für  die  im  Jahre  1640  gegründete  Unterridits- 
aiistalt  beL'i'irncte  liieniadi  anfänglieh  grossen  Schwierigkeiten,  iiiid 
man  viru»  inU't«'  einstweilen  dan  Helfensteinsche  Haus  als  Scliiil- 
gebäude.  Da  sich  aber  dan  neue  ({yinnasium  bald  eines  zahl- 
reichen Besuches  erfreute  und  den  Hunianitätsklassen  aiieh  ein 
philo8oi)hiöt:her  und  monütheologischer  Kui-s  hinzugeftigt  worden 
war.  liess  sich  gegen  Ende  der  achtziger  Jahi*e  des  17.  Jahr- 
iimulerts  die  Auffüluung  eines  eigenen  Gebäudes  fllr  dasselbe  nicht 
mehr  länger  aufschieben.  Dius  Landsberger  StadUtrchiv ')  verwahrt 
nun  einen  Teil  des  Schriftwechsels,  welcher  anlässlich  der  Ver- 
handlungen tiber  den  Bau  zwischen  Jesuitenkollegium  und  Stadt- 
niagistrat  sowie  zwischen  dem  Landsben?er  Pflegamt  und  der  kur- 
tTirstlichen  llütkcimmer  in  München  erwachsen  ist.  Zwar  umfasst 
diis  \  orhaudene  nur  zehn  Schriftstücke,  allein  diese  geben  nicht 
bloss  hinreichenden  Aufschluss  über  den  Verlauf  des  Uyninasiums- 
liaiies,  riüJidern  enthalten  überhaupt  soviel  des  scluil-,  sprach-  und 
ullgemeinkulturgeschichtlich  Interes.santen,  dass  \  ieilei(ht  die  Ver- 
öffentlichung auf  T»*ilnahme  weiterer  Kreise  reclmeu  darl. 

IUe  einzeljieu  Aklenstücke  werden  in  möglichst  gotreuer,  anrh 
die  orthographischeT?  und  iuteijumkiionellen  Eigentüuiiiciikeiien 
wiederg<»bendei  Alisrlii  ift  chronoln^'isdi  da r'j:e boten,  und  soweit  not- 
wendig, mit  s|iia(liliri)<'ii  uud  sachliciien  Erläuterungen  unter  dem 
Texte  Ncrseheu  werden. 


*j  ötttdtaichiv  zu  LaiiÜHberg  am  Lech,  Aeilere  ISchulukten,  Band  11, 
ante  Abteilung. 


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52      Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgescti.  VII. 


Die  Eröffnung  der  Verhandlungen  erfolgt  durch  ein  Sdneiben 
des  Rektors  des  .TesuiteukoIh^giiimH  und  Probalioiirihuuseä  Martin 
Müller  vom  2b.  Mär/,  des  Jahres  löÖ8  (No.  1)  au  den  Sliidt- 
niagistrat.  Darin  beruft  sirh  der  .Schreil>er  auf  die  Stiftungs- 
urkundc'j,  wuriu  sich  die  SUuli  u.  a.  verpflichtet  habe,  ein  taug- 
liches GymnasialirebSude  nebst  einem  Festsaal  zur  Abhaltung  der 
ge^vühI1li(•hell  8cliulgotU*sdieiiste.  I\t)n^'re};;itioueu,  Kxhortatioiien  u, 
dgl.  herzustellen.  Man  habe  nun  damals  wegen  der  diiich  den 
dreissigjährigen  Krieg  herbeigeführten  Erscliöpfung  der  Stadlkasse 
den  Bau  aufgeschoben,  obwohl  die  Jesuiten  uut  abermaliges  An- 
suchen der  Stadtverwaltung  ausser  den  im  Stiftungsbrief  in  Aus- 
sicht geatellten  Professoren  für  die  Humaniora  auch  noch  je  einen 
Professor  für  Logik  und  Moraltheologie  aufgestellt  hätten.  Auch 
wird  daran  erinnert,  dass  der  Magistrat  u.  a.  schon  in  den  Jahren 
1651  und  1685  versprochen  habe,  seiner  BauptUcht  gerecht  zu 
werden.  Da  nun  der  ungarisch-türkische  Krieg  bei  den  Jesuiten 
einen  Personalmangel  verorsat-ht,  müssten  sie  sich  auf  die  Besetzung 
der  Pflichtstellen  beschränken.  Es  würden  daher,  falls  dem 
Lokalitateumaugel  nicht  bald  abgeholfen  werde,  die  beiden  ge- 
nannten Professoren  bis  nächsten  Herbst  abberufen  werden.  Dann 
hUt  der  Rektor  den  V&tern  der  Stadt  vor,  sie  bfttton  schon  wieder^ 
holt  die  Gelegenheit,  das  nötige  Gtold  zam  Ban  zu  erhalten,  vorlLber- 
gehen  lassen.  Uebrigras  solle  man  die  Baukosten  nieht  über- 
schätzen, da  Ja  die  Stadt  das  Baumaterial  selbst  liefern  und  die 
Fohrweike  selbst  stellen  kOnne  und  das  Jesuitenkollegium  gern 
ratend  zur  Seite  stehe.  Zudem  sei  tou  der  Erweiterung  der  Schul- 
räume  eine  Erhöhung  der  Schfllerzahl  zu  erwarten,  und  diese 
komme  auch  der  Stadt  wieder  zugute. 

Laut  eines  Berichtes  des  kiiiriirstlichen  Pflegers  zu  Landsberg 
Franz  Karl  Penibler  an  die  kurfUi*stliche  Hofkammer  vom  5.  .linii 
gl.  .Jhs.  (No,  II)  ist  nun  am  Donnerstag,  den  3.  Juni,  bereits  vuiü 
Anitöbiirgenneister  und  dem  Pater  iiektur  im  1'.!  i sein  der  anderen 
Bürgermeister  und  (i»'r  Mitglieder  des  inneren  und  äusseren  Rates 
der  Grundstein  luui  umen  Gebäude  gelegt  worden.  Davon  hätte 
aber  die  Nachwelt  wahrscheiulicii  keine  Kunde  erhalten,  wenn  nicht 
der  Pfleger  bei  der  Einladung  zur  Feier  umgangen  worden  wäre. 
Dies  schloss  nach  seiner  Auffassung  eine  Missachtung  des  Aufsichts- 
rechtes der  kiirfiii-stli<;hen  Behörde  in  sich,  da  zur  liiaugrift'nahme 


')  Abgedruckt  auf  S.  SS  ff.  der  Landsberger  ächuigescitu  htu  von 
Dr.  KmlliDger.  Programm  1888. 


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6.  Ueber  den  Bau  des  Jesttitengymiuuiiuins  zu  Landsberg  am  Leeh  etc.  33 


des  J'.aiK'd,  welcher  die  Stadtkuniiiier  iniiidcHt^'us  10-  12ü(X)  tl. 
kostetr  werde,  die  kurfüi*stliclie  (jiMictiinii^uiij;  erlordeiiicli  i^ewcsni 
wäre.  Dif  kuiilirstliclie  IlorkanniM'i-  sciulete  die  liescliweidc  mit 
Ent8(hlies3iinjü;  vom  11.  Jimi  iü88  (Nn.  III)  an  die  Sladtverwaliuii^' 
zur  uul'klärendeu  Bericlit4}i*s>tattun^.  FAm"  Antwort  daraul'  eiitlialten 
die  Akten  zwar  nicht,  wohl  aber  ist  aus  ileni  Koir/ept  eines 
Schreibens  des  Maj^istrats  au  den  Rektor  vom  28.  Januai*  11109 
(No.  IV')  zn  entnehmen,  dass  der  Bau  bereits  im  er.steu  Jaiire  bis 
zum  ersten  Stock  gelordert  worden  sei.  Her  Miigistrat  bittet  aber 
um  Vermittlun}j:  eines  unverzinslichen  und  ratenweise  rückzahlbareu 
Darlehens  von  3000  11 .  da  er  die  auf  das  ei-ste  Baujahr  er- 
wachsenen Kosti'ii  noch  nicht  ganz  gedeckt  und  ausserdem  für  Re- 
paraturen am  Leehbau,  an  der  SflgmUhle  uud  dem  Schranneugebäude 
namhafte  Aufwendungen  zu  machen  habe.  Im  Falle  der  Nioht- 
genehmigung  des  Gesuches  mttsse  der  Hau  eingestellt  werden.  Der 
Rektor  meint  in  seinem  Autwortschreiben  vom  14.  Februar  1689 
(No,  V),  es  sei  unter  den  ungünstigen  Zeitrerhflltnissen  schwer,  ein 
HO  gi'ossea  Kapital  unverzinslich  aufzutreiben,  uud  boflt,  die  Stadt 
werde  aus  ihren  Stiftungen  das  nOtige  Qeld  erhalten  können.  Für 
den  äusaereten  Notfall  macht  er  sich  anheischig,  1 — ^2000  11.  zu 
vermitteln;  übrigens  sollten  sich  die  Stadtvftter  für  ein  derartiges 
iVnlehen  die  Genehmigung  der  kurfürstlichen  Hofkammer  erwiriten 
und  über  die  Art  der  Sicherstellung  des  Kapitals  beraten.  Der 
Magistrat  i^t  darüber,  wie  das  Schreibenskonzept  vom  4.  Marz  1669 
(Xo.  VI)  zeigt,  brichst  unzufrieden  und  fortlert  mindestens  2000  fl. 
Anlehen,  da  ihm  seitens  der  JeRuiten  Beihilfe  versprochen  worden, 
seine  Mittel  anderweitig  vollständig  in  Anspruch  genommen  seien, 
die  Gelder  der  Wohlthätigkeitsstiftungen  aber  nur  für  den  Stiftungs> 
zweck  verwendet  werden  dürften.  In  einem  Schreiben  vom 
22,  April  1689  (No.  VII)  stellt  nun  der  Rektor  vorerst  1000  fl.  in 
Aussicht  und  verlaugt  die  Ausstellung  einer  unMtändlichen  Schul  d- 
urkuude,  deren  einzelne  Punkte  er  namhaft  macht.  Doch  schon 
nach  drei  Tagen  hält  derselbe,  da  noch  keine  Antwort  eingetrolTeu, 
sondern  das  (Gerücht  zu  ihm  gedrungen,  mau  habe  die  Einsteilung 
des  Baues  bcMchloHsen.  für  notwendig,  Aufklürtmgcn  und  allenfalls 
Milderung  seiner  Fordenmgen  in  Aussicht  zu  stellen.  Für  den 
Fall  der  Halsstarrigkeit  des  Hagistrates  aber  stellt  er  die  Ab- 
benifnng  der  beiden  Hochschulprofessoren  in  sichere  Aussiclit 
(No.  VI  II).  Aber  auch  dieses  Schriftstück  scheint  noch  nicht  die 
gewünscht«  Wirkung  gesichert  zu  haben,  denn  aus  einem  Privatl»rief 
an  den  AmtHbürgenneister  vom  26.  April  1669  (No.  IX)  ist  zu  er- 

UitU'it.  il.  iSifS.  r.  <lts«  li.  Krxii'li.- II.  Si'linlb'<'«ii.  VII  ]  i Unycro. Ilclti  |H)t7.  3 

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34     Mlttenniil^  d.  Qm.  f.  deutache  Bnlelniiig«-    BchvlgMcli.  VIL 


Mhen,  dass  auch  mündliche  Unterhandlimgeii  stattgefimdeii  haben, 
und  das»  der  Rektor  auf  einen  neuen  Ausweg  gekommen  ist, 
nSmlioh  ein  unYersinslichee  und  in  Raten  rackaahibaies  Darlehen 
Ton  2000  II.  von  der  Hofkammer  zu  erwirken.  Das  scheint  zum 
Ziele  gefuhrt  zu  haben;  denn  in  den  folgenden  drei  Jahren  wurde 
der  Bau  der  Vollendung  nahe  gebraehtk  wie  aus  dem  Schieiben  des 
Rektors  vom  29.  Mai  1692  (No.  X)  zu  entnehmen  ist  Darin  er- 
sucht der  Rektor  nur  noch,  die  Fenster  für  den  Saal  machen  zu 
lassen,  da  die  Saaldecke  bereite  fertig  und  der  Altar  in  Arbeit  sei. 
Laut  Rechnung  des  Gymnasiumsbaues  wurde  das  Weik  im  Jahre 
1693  wiridich  vollendet 

Der  schongelegene  und  merlrwardige  Bau»  dessen  Entstehung 
auf  so  grosse  Schwierigkeiten  gestossen,  dient  gegenwartig  den 
Zwecken  einer  sechsklassigen  Realschule. 


L 

HochEhniaeMte,  POnichtig,  Brsamb  vnnd  Wolwoiae,  fmondon  Hochgeelürt 

vnd  geliebte  Herreu  Nadiboren. 

Es  wird  luoinen  Hochgeehrten  Herren  schon  voran  bckhandt ')  sein 
wass  niasHon  nach  langen  anhalten  vnd  begehm  eines  Löbl.  Magistrats 
vud  gemaincr  Statt  alhier  zu  Landsperg,  man  sich  endlich  von  theill  der 
SoeUttt  Jesu  anno  1640  gegen  Selbiger  ordentlich  dahin  erclert,  dass  van 
Bye  neben  andren  von  selbaten  anerbottenon  bedingnusen,  tmeh  ein  taug- 
same»  (iymnasium  sambt  einem  darzu  gehörigen  Schuelleaid,  auf  welchen 
die  StudioKi  ihron  {rewohnlichen  Gottesdiensten,  Congrrgnt'wmlms,  Exhor- 
tatimubus,  vnd  dergleichen  vnvorhinrlprt  andrt'r  nlt  darzu  gohrtrigen 
rersohneu,  gelegentlich  beywuluifn  khiuien,  aut  ihren  Vnkhossten  crpaueu- 
vnd  ins  khfiniltig  p.'iulich  erhalten  lassen  werden,  berQehrte  VnaerÄ»<n«tet, 
nachdem  8ye  durch  andre  ihre  Standmeasige  dienst,  albereith  yber  60  Jahr 
das  allgemaine  Chriatllche  Wesen  alhier  befbrdem  helinni,  endlich  auch 
das  schon  so  laiipo  Zeit  verlangte  Gymnatium  zu  soiulorhabron 
trosst  vnd  uuzen  dor  g-nnzen  Statt  alhier,  wolle  annehiiuMi,  vnd 
lauth  des  lü4ü  ordentlich  aulgoric-liten  Fundations  brietf,  su  Docicruny  der 
Hfonmhnm  S^Mliormn  blnftlru  jederzeit  genuegsaroe  Brawiptorti  zuttOT' 
ordnen,  vnd  nit  nittnder  altes  dasjenige  «uuenrichten,  wass  in  dergleichen 
diser  Provim  Gi/mnafiis  gewohn-  nucz,  und  lObUeh,  vnd  der  SodeUt  ImtiUit 
genipss  ist.  Nacli  welch  crfol^^tor  lusolufinyi  man  bcirlorseuts  vnuerztiglich 
zum  Werckh  geschiiittoii :  vnd  zwar  an  seuthen  vnserer  Socictct  das  nun- 
mehr angenohmeue  (ri/mmsium  zu  grösserer  Ehre  Gottes-  auch  Haii  vud 
Wolfiurth  des  Nechsten,  mit  genucgsomen  ^nd  tauglichen  iVoecQilmbw 
also  suueraehen,  dass  wttr  der  Hofbung  geloben,  es  werde  hieran  ManlgUch 
einen  trosst  vnd  sattsames  Vergnfiegen  zutragen  Ursach  gehabt  haben. 
Herentgegen  hat  em  Löblicher  MagUtraU  vnd  ganxe  Burgersehafft  alhier. 


I)  Di«  Schreibung  Ith  uimI  ekb  «ntspricbt  dl«r  noch  h«tite  im  Lcebnüo  Üblichen  harten 
Aiimpr«ebe  der  Kehllaute. 


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6.  Ueber  den  Bau  dea  Jeauitengymnasiums  zu  Landsberg  am  Lech  etc.  36 


aueh  nit  ermanglet,  alle  zu  erhultuag  der  Ü-aeceptorum  anerbottene  HiltT- 
leMoog,  ¥od  eingangene  BedingnuBon,  sunolblelieii»  vnd  ddfiijenige  m- 
laiAteu,  Waas  in  dem  deaattialbdr  ex  uUugue  parte  m&  dato  6.  ^teiiAn» 
ONflO  itftfO  ordenllieh  aofgericht,  vnderschriben-verfertttgten  FuudatiQwthriettt 

in  ain  so  aiid4?m  enthalten  ist.  (ausaer  das  gloicli  dazum.ilil.  da  tlio  Kriegs- 
lilulV)  din  j:jc>iiaine  Statt  Cassu  »TschJ^pfet-  vnd  iiit  weniger  zubestreittung 
diäes  aul'  diae  Weitta  neu  augeiaugcuon  Gt^mtuunt  der  oiiuo  daa  v  erdiirbteu') 
BurgendhaHt  sOmblicli  aehwer  fQeUe^  man  mit  fernerer  erpauung  der 
SehueUeii  vnd  SehuellBaale  müsete  in  etwaas  einen  Venug  liaben,  biaa 
gleichwohl  der  libe  friden,  vnd  mit  demselben  beaeere  Zeiten  hernach  vol- 
gMntf'n.  Wclclu'  orhottene  Von^'eilliing  aber  an  aeuthon  vnaerer  Societet 
vmb  fjouill  leuchter  anzunehmen  wäre.  Vrtiachen  gleich  anfänglich  der 
studiereuten  Jugend  auzahl  uit  gar  gruüi»,  vnd  Volglich  der  zu  dato  aunoi:h 
atehente  8chttell  Pau  vor  8ye  weith  genueg  geweeaen.) 

Damit  aber  ein  LObL  Ma^ttrat  vnd  ganae  Btirgeraeliaflt  deaato  augen- 
scheinlicher aehen  vnd  spflren  aulle,  wie  geneigt  vnd  befliaaen  wOr  auf 
Ihren  gomainen  nucz"Ti  vnd  aufneliinnn  bedacht  aoyeu.  vnd  zuerkhonen 
thuen  geben,  dasa  wUr  nichts  anUeia  alaa  aiio  guete  Nachbaracbatl't  mit 
denenaelbeu  suechou,  auch  nichts  mchreres  verlangen,  alas  das  allen,  souill 
immer  die  mttglichkheit  zulaeafcp  dureh  vnaere  Oeiaatliehe  dienet  gehoUfen 
werde,  ao  aeint  auf  abermahligea  anhalten  eines  LüVil.  Magistrats  alhier, 
von  southen  vnaerer  Societet,  ausa  erat  verstandener  Vraachen  vnd  gueten 
Willen,  yber  das  Pactum  Fundatioolx.  so  sich  nlloin  auf  die  vnderen')  vnd 
nit  die  Höchen  Schuellen  erstrcckJit,  noch  iiwei  Patres  Proftasorcs  Loyiaic 
el  Uteeiogute  nu>raH$,  in  dem  alhieigen  Gi/mnado  auijgeatelt,  vod  aeuth 
atmo  1661  biaa  dato,  alberelth  biaafn  die  87.  Jahr  lang  anaa  GuetwQligkheit, 
ohne  ainige  vnaere  tiagente  eiUgatiottt  o^^'  neue  FundatUm,  erhalten 
worden. 

Nnn  haben  wür  nieaialila  gezweilVelt,  ein  Löbl.  Magistrat  vnd  (Jcinaine 
Statt  alhior,  werden  durch  dise  vnd  andere  dergleichen  Ihnen  laistiMite 
Dienst,  genuegaame  Vraachen  gewOnen,  einatena,  zu  endlicher  cmiplu  rang 
der  zugesagten  ISutdoHonit  aceorden,*)  den  Oymnaeii  Pau,  aambt  dem  darzu 
gehörigen  Baal  vor  die  Hand  nehmen  zulusaen.  Vnd  diaes  zwar  durumben. 

Weillcn  ohiw  v(>llf(h'hrt(>n  di.son  l'au  die  Crnjrnr'htfn  FHii'hiti'tins 
Ihreraeuta  noch  vmu>llzohen,  viid  viiUhrorttig  verblt'ibt'ii  tiuien-  vnd  nicbta 
deastomündor  denenaelben  die  Obligation  biaa  ein  solche»  geacliicht,  allzeit 
obllgen  wird.  Dahingegen  wür  vnaera  theils  nit  altein  nit  nur  vnaer  ver- 
sprechen bey  einen  buechataben  Gnau  gehalten,  vnd  noch  ferner  zuhalten 

*)  Zwer^T,  Dr.  Franz,  LancUberg  im  drcisHlgj.  KiietfCi  Progr.  u.  Uci>chicbU» 

iModabwg»  18BB. 

Dns  ö  «Uli  des  e  ist  vor  r  im  Lc  liralnisrhi^n  tioi  h  honte  {«briluchllch  i  bewshte 
■ucli  kliröfflie,  Sückbi'l,  paufüUip,  khöiilTtrg',  Heilürfnip,  luönklii  li  etc. 

*J  Die  uut«ran  ticliuleQ  oder  das  Uyinnnsiuni  WAn»u :  1.  Uuüiiuond  und  Urttuuuatik,  Z  kh'iuu 
Sylttax,  3.  gevmn  HynUai,  4  IIumAnitf t  oder  Poesie,  &  Rhetorik  mit  teils  ein-  und  teils  swei* 
JKhrifTCT  DaiiiT.  Daran  Mhlewi  «leb  nach  oben  je  ein  mobijübriger  |iblloaopbiscb«r  uod 

*)  Ana  der  gtaum  Korr«>tpondoiiz  l«(  die  gitmn«  Veruitzi^rang:  der  deutecben  Sprache 

in  der  diiiualiKen  Zeit  diircli  Fremdwörter  .  a  <  Iivt»  und  di>'  KnLslelmng  il<'r  .Sprarti^McIl- 
scbadeu  zu  erklttreo,  welche  sit  fi  wie  die  .deuUKibtfesiuuto  UenosAenscbafl**  des  FbiUpp  voa 
Seeon  bi  Hamburg  die  Reiniguiiir  der  deutecben  Sprache  sor  Aufffabe  stellten» 

5* 


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56     M ittailniig»]!  d.  Geo.  t  deutsche  Bnlehnnge-  u.  Sehulgeaeh.  VIL 


beifehreiit  tonderii  such  noch  darober  swey  Fatrei  Brofmoret  Logieaef  vnd 

Tfiiologi/if  uuirnlis  auss  guet  geneigten  Willen,  vnd  or/.ai^un^  n^uetor  Narh- 
barschatrt,  uufgostelt,  vnd  schon  so  lange  Zeit  i>rhulteii  liabon. 

■J''"  Uiiss  (lisps  vnsiT  ho  widnrhdltes  ganz  bilücl:'  h  l« cm-, »ixen  ^uf 
vnserfii,  öoiidrni  Ihroii  viul  (I»t  Ihri;^(>n  niu'zfii  uiifi;<*s<'luM!  ist. 

rtiio  DoBU  fin  Löbl.  Ma-iistnä  \ud  geiiiaine  BurgerechatTt  diHOn  so 
hoelinothwendigen  Gymiumi  Pau  vorzunehmen  schon  öflter  vor  sich  gehabt: 
damit  ich  aber  andrer  mahl  geechweige,  wiU  ich  nur  allein  beyfQegen, 
waaa  Sye  in  einem  Ihrer  achreiben,  so  Sye  schon  vnder  dato  1*.  Mut/  n»m 
lUfil,  an  weylandt  vnsrem  daniahls  gewessten  Ftitrcm  htmvnnlnn  K''"« 
Patreni  (%Hstophorum  Sclxtrrrr  sei.  eben  zu  der  Zeit,  da  Syo  vinh  die  h'o- 
feiMores  der  2.  Uöchereu  Schuellen  angehalten,  selbsten  erinert  haben  abs 
nemblicben.  $  Zu  dem  aüan  vnd  viertens,  weillen  bey  solchem  ineremenio 
vnd  aufnehmen  der  Bchuell  Jugend,  vnnd  Schuelten  selber,*)  der  placz  su 
engt  tlu  muCHS  solcher  in  allweeg  erweittt  rt.  vnd  noch  darzu  ein  Saal 
vnd  mehrere  HcluiclhMi  erbauet  worden  otc  Ivben  ilorf^lcichen  offerU-ii  Heyen 
erst  vor  Ü.  Jahren,  von  zwey  alhieigen  Herren  Bur^nneisteren.  vnd  da- 
niahligeu  Stattachreibern,  als»  desa  Gesambten  Kliatä  Dtputiettniy  b»«y  Kl^ 
Baire  JBuBtino  Thtrkae»,  damahl  iVoriiMMitai,  nun  aber  yber  die  Teutschen 
der  SoeUtet  I^rovinttn  Anistentef  in  gegenwarth  hteigen  Rttri»  BeeUm»^  an- 
stat  eines  gansen  LObl.  MagUtrats  vorgetragen  worden. 

Ohneracht  aber  aller  diser  erzoMtfn.  vnd  noch  mehreren  Vrsachen, 
haben  wOr,  wider  !illen  erwartten  biHt«  auf  diso  Stundt.  vnd  zwar  disos  er- 
fahren mtiessen,  dass  mau  an  aeuthen  eineH  L<>bl.  Mayiitrat.^  vnd  Geniainer 
Stadt  allliier,  die  wenigste  sorg  trage,  wie  disow  vuaerea  öowüIiI  biiliehen, 
alss  nothwendigisten  begehm  m<ichte  einstens  ein  Genaegen  beschehen, 
vnd  nach  den  blossen  Wortten,  mit  Welchen  Wflr  Vnss  biss  auf  dise  Stundt 
ein  yber  das  andermahl  mflessen  abspeissen  lassen,  nimmer  das  Weraich 
erfolgt  i-*t 

Dahero  vnd  bey  «olcher  gstaltcn  beachartenheit  tringt  mieh  die  notii, 
.Meinen  hocli^eelu*ten  Herren  zu  hiuderbringcn.  da^s  obwolilen  es  Vnserer 
Soeietet  ein  sonderbahre  flreud  verursacht,  Wan  Sye  mit  Ihren  Geisstlichen 
Fmcttonibu*  iederman  Ivhan  erspriesslicfa  vnd  nuzUeh  sein:  Wie  dah  auch 
dero  Verrichtun^^en  dahin  zUhlen.  Wan  sich  aber  zuträ^^t,  da.ss  Vnt»  der- 
mahlen  an  Priestern  ermanglet,  alns  deren  ein  zümbliche  an/.ahl  in  dinen 
schwebenten  Uuugarischen  Kriegs  Empörungen  zu  trogst,  vnd  Hütt  der 
Bayrisch  vnd  Schwäbisch  auailiar  Vfilcltber  ihr  Junges  leben  im  Veldt  uof- 
geopferet,  Vnnd  also  WOr  anieso,  nit  wie  suuor  alle  mderente  Stellen,  blas 
glelchwuhl  andere  hierzu  eiwachsen,  allerohrten  C'onnnodlich  ersezen 
Ithönei«:  So  erhaiseht  ia  all«  billichlclieit,  da.<i.s  \V(»r  drn  ab^an;^  der  Pric-^.ster 
vnd  Profcffffi^rnm  von  denen  ehrten  abziehen,  allwo  kln-in  «hVui/ttioiu  oder 
ob  schon  ainige  obligaüun  wäre,  die  Uegen  Obligation  nit  allerdings  treulich 
gehalten  wird,  vnd  dahin  versezen,  allwo  vnss  alle  pacta  biss  dato  gehalten 
worden,  vnd  annoch  ohne  mangl  gehalten  werden. 

Wird  also  wider  meinen  Willen  auss  tringenter  noth  vnd  Mlllchkheit 
die  zween  futris  Proffssores  Ln^ii-ar  rf  Tfif-hiiiirrr  tuftraJi^  auf  begehrn  Sdi 
Pattis  PiOLtncidlm  anzulassen  genottiget  werden,  welche  ablorderung  eut- 

1]  Ks  iiiclirle  «ii-li  tilm»  die  8(>iiltl«r-  und  KlaMwosalil. 


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C.  Ucber  den  ßau  dvß  .Jeauitengymna»iuni8  zu  Laudsberg  atn  Lech  etc.  37 


wetlern.  wcnigi8t  uinen  theils^.  bald,  oder  auf  lAn(i»t  gegen  iiegaten 
heibHt  gänzlich,  gewiss  vud  vufehlbar  erfolgen  wird,  daueni')  ein  Löbl. 
Magitirat  nit  vorkhomen,  vnd  vor  solcher  Zeit  Wfirckbliehe  «natelt,  eles 
mit  dengnation  ainee  taugUehen  plasee,  beyfuhrung  der  Materialien  x  zu  vor- 
haben ten  Gepan  machen,  auch  au  vnserer  Satüfactüm  in  Werdch  selbe  er- 
zeugen wird. 

VorhnfTp  annebens  Mfino  hochfrochrton  Herren  wt'rdfii  Ihnen  discH 
nit  befrembten  lassen,  sondern  von  sich  selbsteu  W'eissUch  schliessen^  dass 
wur  hieriufalls  nit  vnrecht  daran  sein,  wen  wQr  Vnser  achnldigkheit  anm 
ersten  beobachten,  vnd  alssdan  erst  auf  die  freiwillige  dienst  bedacht  sein. 
Dft  wQr  aber  mit  der  Zeit  widerumb  mit  Genuo^';4:itiior  anzahl  der  Persolmen 
worden  vprsehen  ^»'iW.  S(i  will  man  nipinen  Hocii^-*M'hrten  Herren,  sanibt 
einer  ganzen  Burgerschattt,  die  Hoßaung,  benannte  Prnfffimrfs  widerumb 
zuyberkhomen,  ganz  vnd  gar  nit  benohmen  haben.  Jedoch  da  zuuor  der 
Otfmnasii  Pau  wareklieh  wird  volliochen  sein.  Da  dann  die  iVofesvorei  mit 
grosseren  lust,*)  die  Studierente  Jugent  aber  mit  melirereu  eyfer  Ihr  gnetes 
vorhaben  werden  vortsetsen. 

Im  fahl  nun,  wie  bisshcru  beschcchen,  M^ne  hochgeehrte  Herren  auch 

nniozo  die  noth  Ihrer  er«chöplten  Staftrammer  Vnr/.nschttzen  bo^rtmen,  ob- 
wohlen  diae  offt  vorgeruckhte  noth  nit  alle,  so  WüssenschaHt  haben,  be- 
stehen') wollen;  lasse  ichs  doch  dahin  gestelt  sein.  Verlange  allein,  dass 
Sye  Ihr  notii  der  geldtmtttlen  gegen  der  vnseren  gedenckhen  wollen,  in 
dem  war  auch  iif  schweren  selten  biss  in  die  87.  Jahr  oberwehnte  2.  HUrt» 
li  nfmore»  dem  genannten  Wesen  zu  lieb  vnd  ehr  zu  unteriialten,  nit  under- 
lassen.  7jnw  andom  wollon  Syo  dits»'  noth  der  rnittlpp,  jre.y-en  vnserer 
iezigon  n»iltli  der  l'ersülmeii  halten.  Werden  nun  inoiii  Honen  grossgdl. 
sieh  auf  mittl.  i  vHolvicrn,  Wie  Sye  dise  notli,  doch  ahiuiahl  ihrer  schuldig« 
kheit  ein  Genttegen  xnlaisten,  yberwdndten  woiI«i,  vnd  den  Iftngst  mit 
oltUgntion  versprodienen  Pau  ohne  ferneren  Verzug  voraunehmen;  Werden 
auch  Wür  vn»er  aniezo  tragente  noth  der  Porsohnen,  vnss  ziiyben^nndten 
befleissen.  anch  khein  ;<t>ndoro  Vrsach  mehr  haben.  Vnnor  l'rnfrKHorrx 
von  hier  at)zuziehen,  vnd  anderwert**  hin  zuuerwenllien,  sondern  ijandt- 
sperg  alss  ein  Alters  Gynwarium,  vor  etlieh  andern  zuuersehen. 

Drittens  will  man  steh  erineren,  daea  vor  wenig  Jahren,  ein  anschlag 
voi^tragen,  ein  Summa  geldts  so  suerpauung  des  Gymnati/  notwendig, 
ohne  aOnaa,  wie  dacumalfl  die  Hoflhung  wäre,  aulnibringen,  so  doch  auas- 
geschlagen worden. 

Viertens  lüian  mann  heherzifren.  dasa  man  vor  dicom  die  mittel  zu 
solchem  Pau  nit  ulieia  augetragen,  suadern  beraits  durch  woll  bewussteu 
hierzu  erhaltenen  neipfenlng,  in  die  HAnde  gelegt,  welcher  aber  ander- 
werta  angewandt^  vnd  aussgelegt  worden. 

POnfltens  so  ist  Villeucht  der  Concept*}  vnnd  Wohn*»  von  den  beuor 
ffebenten  l'au  Vnkhossten  in  einbildtung  Meiner  hoohfroohr-ton  Horren 
grosser,  alss  sich  ctwan  in  der  sach  selber  befOndeu  wird,  welcher  doch 

*)  Noi-Ii  hüllt»'  l«  Allli«^'«m  mÜMtilich  K<'')<'«ui:iit,  «•l»«'iitäi>  »iv;  ili-r  l.ufi, 
■)  R#ict«beD  s  eliiirrat9b*D.  ziiir»«t«lien. 

*)  Konzopi  -_  Kniwurf.  Vornii«i'li|«|j. 
Wobu       Wahn,  Vorsk'Uuug. 


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38     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Ei^ehunga-  u.  Scbulgesch.  Vn. 


glaublich  »uf  kheln  vnwmsliwIogUclie  Summa  alch  belaaffen  dOrlRet  dauern 
min  Ton  eeuUieii  einer  LObUchen  Statt  mit  nothwendi|ren  ntataruüie»  vnd 
fiiehrcn  beykhommeo  ivoltet  na  welchen  auch  Wür  vnaen  thaUe  Rhat  na 

erthaillen  nit  erman^len  werden. 

Sechstona  Woill  dio  HtiHnung  ist.  da  man  ein  rechtes  (i '/in^ns'non 
pauen  werde,  auch  uii  zahl  mehrere,  vnd  fllrnehmere  Knaben  ulium  gf- 
achickht  möchten  werden,  wurde  den  Gemainen  Sdekhel  der  aussgelegte 
VnkhOHten,  nach  ^'nd  nach  durch  die  Koeet^eldter  wideminb  einlauffea, 
Yn^  hisiges  Gtpnnamum,  gleich  ^ie  es  bisshero  andren  Gpmnasm  in  prxh 
ffctn  litcrnrio  vnd  disnplina  mit  nichten  gewichen:  Bonder  vor  otlieh 
anderen  geschäzt  worden,  also  auch  in  gueter,  ftteglicher,  vnd  Ehrlicher 
accomoäa^i  nit  weichen  würde,  wie  es  hierinen  bisähero,  will  nit  sagen 
hOcheren  ehrten,  sonder  auch  etlichen  geringeren,  vmb  uiU  Weichen,  vnd 
nachgeben  mflessen. 

Diso?  habe  Ich  Freund  Nachbarlich  Meinen  hochgeehrten  Herreu  vor- 
tragen wollen,  mit  bitt,  Sye  Geruehen,  auf  disos  Gott  so  angenehmes, 
Ihres  thaills  nit  allein  hochrOemblichea,  sondern  auch  schon  vorlüngst 
achuldiges,  der  lieben  Jugend  godeuliches,  vnd  Gemainer  Statt  ins  khönirtig 
eraprtteBelicbee  Werckh  emstliche  gedanckheo  suwendten,  vnd  mir  vn- 
echwer  endlichen,  vnd  SW«*,  den  ich  allain  verlang,  schrüflftlichen  Schlnss 
mit  negftpn  ztikhommen  zlassoii.  I  nder  dcssfn  aber  ihwo  ncliens  noch 
ferner  offeritruug  vnserer  geisstlichen  Dienst,  vnd  erwarttung  aller  nach- 
barlichen Gewogenheit,  vuas  allerseuta  in  den  shucz  dess  allerhöchsten 
Getreulichst  empfehlen.  Landsperg  den  28.  Mart^  anno  1688. 
Meinen  Insonders  Hochgeehrt  vnd 
geliebten  Herren  Nachbaren 

dienstwilliger 
Martinm  MnUn\  Soc.  .Ifgu 
Domus    l^obotionvs   d  CoUa/ii 
Rcctor. 

II. 

Durchlcuchtigstor  Thurfürst,  (ienfdiiristcr  Korr.  Rur  Churl'rtl.  Drtl. 
3<»11<'  vndortlipnif^isl  an/.ulir'2;'pn  nicht  vnderlassrn,  da.s  Burircnnaister  vnd 
Rhat  alliiiT,  vf  aiiöueehen  der  iSüdt'/d  Jesu  alda,  die  Veraristaltuag  ^jfcthann, 
vnd  sich  genzlichen  reaolmert,  dass  zum  theill  paufOllig:  vnd  enge  Gymmnum 
fllhier  nach  vnd  nach  gMiriichen  nideireissen  vnd  dergleichen  mit  einen 
grossen  Sahl  von  Grundt  widerumb  new  auferpauen  zulassen,  Gestalten 
Svo  hoipit  den  Anfang  gemacht,  don  Gnmdt  aufgraben  laa^on.  vnd  Vpr- 
w  ich iien  Donnerstag  nach  vorbeigangnen  Gottesdienst  den  ersten  (irundt- 
stain,  der  Ambtsbürgermaister,  vnd  P.  Rcctor  miteinander,  in  beysein  der 
andern  8.Burgennidster,^)  item  der  Innern-  vnd  Baseern  Rhats  Verwalmten 
iedocb  ohnne  Vorwissen  vnd  Zueriehung  meiner  gelegt  hat.  Wann  aber 
diser  Pau,  wie  ich  berichtet  wt\rdt,  von  einer  absonderlichen  Jmportanz, 
Inmassen  derselbe  sich  von  10.  bis»  12CK)0f!,  belauften  solle,  welche  geltpr 
dann  maistenthails  von  i^iemainer  Stattcammer  hergeschossen  werden 
wollen,  Inen  Burgermaister  vnd  Rhat  aber,  dergleichen  ohne  Eur  churftl. 

))  Damals  wurdtm  jodet*  .)«iir  vier  Bürge rtuuiütcir  gewiUüt,  welch«  abwecbsoluugHweiüe 
j«  «in  Vl«rte|J»br  tti»l«Schlicb  ün  Amte  varen  und  daim  «AmMbOrBenaalttor*  biflSMii. 


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4 


&  UelMr  den  Bau  des  Jeeuitengymnasiums  zu  Laudsberg  am  I^ch  etc.  39 


Drtl.  gdisten  comau  gleich  propria  autharitate^  vnd  ohne  Zucziehuiig  luoiner, 
ttles  Ireo  von  Iro  Chrftl.  DriL  voi^ieeesten  oberk^^eeiom  vommenDieii  nicht 
gezimmen  will,  Alts  habe  oss  Eur  Chrfrtl.  Drtl.  von  tragenter  Ambte-  vnd 
oberimpectiomwoj^pj^  hiemit  gehorsarobist  borichtlirhen  yborachroiben  vnd 
die  wonig'ist  vaderthenigisto  mass  nicht  vort^chrciben.  wass  dieselben 
hieryber  gdist  verfiegen,  sonder  habe  Eur  Uhrfrtl.  Drtl.  micl»  nj ithin,  gleich 
alzdi»  SU  daro  CburfIrtL  liecbston  hnlden  vnd  G«b  vndertbenig-gehorsamblat 
StämuUhm  wollen.  Landteperg  den  6.  Juny  anno  1688.  Bor  Choffrtl.  DrtL 

VnderHienlg^horsMnbieter 

m. 

Von  Gottes  Genaden  Ifucimiliau  Emanuol  in  ob  vnd  Mderii  Buy  i  n, 
auch  dor  obern  Pfalcz  Herzog,  Pfalzgraf  bey  Rhein.  Am  heyl.  Köm. 
Keichs  Er/triu  hsess  vnd  Churfürst,  Landtgraf  zu  Leichtonberg. 

Vuseru  giues  /uuor,  Weise  Liebe  (iethreue.  Wasa  an  Vnns  Vnnser 
Rhat,  Truchsefle  vnd  Richter  su  Landt^purg  Frans  Karl  Pembler  wider 
Buch  wegen  vorhabenter  erpauung  deee  Gymmtiif  Ambtdialber  vnder* 
thenigiet  gelangen  lassen,  habt  ihr  beischÜBSig  suersechen,  vnd  hierQber 
euren  gehorsambisten  bericht  sueri^tatten,  desa  WQr  Vnnn  versechen. 

Manchen  den  IL  Juny  anrno  1G88.  J,  G,  Ffister, 

IV. 

Hochwnrdig«M  in  Gott,  ggl.,  Hochgeehrt<?r  Hen*.  Es  haben  vns  vnsero 
Vörordtnete  Herrn  l^au  Verwalther  refait%  wassgestalten  Eür  HochwUrdt 
von  Ihro  Hochwürdt  R  JVomnoalen  yber  vneer  alda  durch  swaj  auae 
vnsera  Rhata-MItlen  abgeordnete  um  ein  Anleben  von  8000  fl.  ao  mit 
Jehrlich  Fristen  iedoeh  ohne  Interesse  zubezahlen  weron  zu  Proseqtnrting  des 
angefangenen  Gymiumi  Pau  beshehenes  anlangen,  endtlichen  die  Resolution 
dahin  erltalten  habe,  dass  man  deroseiths  zu  obgedachten  Ende  einicho 
Tausendt  Gulden  vorzestreckhen  genaigt  seye;  vnd  ob  zwar  ermeldt  vusere 
Pauverwalther  aleoglelch  die  grOndlicbe  BaiunuMion  beigefiegt,  dasa 
man  mit  dieem  retpe^üoe  wenigen  geldt  zum  denäerirtm  Ende  bej  weithem 
nit  gelangen  werdte,  haben  disolhon  weithers  geantworthot.  dass  man  von 
der  StattCammcr  Casm  auch  1000  fl.  beitragen,  vnd  eodan  ein  nambhafltes 
darmit  aussrichten  werdte: 

Nun  Künden  wür  Derosolben  nit  verhalten,  auch  mit  wahrbeit  ver- 
aiehem,  daaa  unnres  orts  eüiiehe  Verstellung  wegen  dees  angelangten  An> 
leihens,  wie  iedoeh  immerdar  punctirt  wirdt.  nit  undorlauffen  seye;  aller- 
massen  die  StattCammer  fassa  durch  die  beatendtigo  Lech-,  auch  vor- 
unglUckhte  Saagmühl-  vnd  ächrannengepew  dergestalten  enervirt  wordt, 
dass  man  sich  zu  imtruirung  dess  Gymnas\j  Pau  für  disamahl  nit  habe 
resoluirt,  noch  rewMrcn.  Künden,  wan  vnss  ntt  die  immerdar  gegebne  Ver> 
tröetung  mit  dirglelchen  anlachen  vnder  die  arm  segreifen  sur  gesagten 
BetlAMitium  veranlasst  hetten,  wie  man  dan  fertigen^)  Jahrs  mit  den  an- 
f^efanf^enen  vnd  nnr  aui^s  den  fimrlatmitt  /fl)iing:('n  resnjiih-l')i  Pau  in  mif- 
fiehrung  einer  gadou")  darüber,  sich  soweit  binauasgelassen,  dass  niun 

>)  Fertii;  noch  hout«  in  .iUb  lyom  gebrauchtes  Wort  lUr  Torlt^  Toijihfisi  vcrgtaieh 
alU>.  feiten  ss  voriges  Jabr,  uad  Firn! 
*)  Gaden  =  ätookwerk. 


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40      Mitteilungen  d.  (job.  (.  deutsche  Eniehuiig«-  u.  hchulgeHch.  VII. 


I 

t 

1 


sogar  die  dbätahin  g'f macht  t^chulden  ze  dato  nit  abfiehren.  vnii>  ^sieuil 
weniger  wirdt  man  bej  nunmehr  Maliter  erschöpften  StattCammer  Cmsa 
dero  Oedaackben  nach  für  dissmahl  dauaent  Guldon  beitragen  Künden« 
welcbe  bej  fertig  so  weitb  gefiehrten  Pan  wohl  in  äiqth  schon  ebigesenekht') 
wordt;  dahoro  wür  vnser  anlangen  dcss  pnhottPiir'n  anlehens  widerhollen 
thiipn.  das»,  imfahl  dieselbe  mit  dnnen  .  Hi>t«>  .  fl..  so  m.in  wol  vonnetten 
haben  wieidi.  nit  willfehrig  »ein  KhUndte.  wenig-sttMiM  jnlt  .  20iK).  fl.  mitsehi 
meehte,  angcsechen  wür  mit  denen  angebottenen  tausendt  Gulden  den 
schweren  Paukbosten  aussaeltehren  ainmahl  nit  vennechten  vnd  vnbeliebig 
neben  belschaffong  der  matn-iaVui»,  m  die,  tstattcammer  ein  NambhalFtes 
Kosten  thuen.  für  dif^s  vnd  villeicbt  KUntttigeH  Jahr  den  80  eifrig  an- 
gefangenen P:tu  eiti/.estellen  gedrungen  sein  wurdten. 

Es  EUr  Huchwtlrden  wllr  yber  Doru  beshecheno  HatolutUtn  nit  bergen, 
annebens  aber  deroselben  vnss  dienstsehuldtig  enipfeldicn  sollen.  Land»* 
peng.  den  .  liB.  Jener,  ao.-  16S9.  BUr  Hochwttrdt.  IMenstschuldHge. 

V. 

Hueht^hnües«»t,  Kürsichtig,  Ki-samb  vnnd  Wollwebe,  Insondors  hoch- 
geehrt vnd  geliebte  Herren,  vnd  Nachbarm. 

Heiner  hoehgeelirten  Herren  dato  24.  negst  verschinen  Monats  Jenner, 
an  mich  beliebten  shrelben,  hub  ich  /.urecht  erhalten,  vnd  darauss  suuill 

vornohnien,  wie  dass  zu  Vort«<etzung  desM  lipiuith  ins  Werckh  gesezten 
Gymna>tij  Pau.  von  mir  ein  unlehen  pr.  drey  (»dt»r  aufs  wenigist  liUK)  fl. 
(.  die  hernach  uüt  Jührlicbeu  Friaateu  von  ;{0ü  fl.  ohne  zttnss  widerumb 
absufnehren  weren.)  verlangt  wirdt,  Vrsachen  die  tiemaine  Stattkhammer 
ganz  ersehöpflat,  vnd  dahero  die  prouqdenmg  des  Paus,  ohne  diaes  an- 
lehen,  vor  dies  Jahr  gar  eingestelter  verbleiben  mttease  ete. 

7i\\  bonüthigter  nachricht  habe  Moinon  hochgeehrten  Herren  nit  borgen 
sollen,  Wie  dass  ich  nichts  mehreres  wünschte,  alas  deuenselben  hieriut'ahls 
nach  verlangen  zu  gratificirn. 

So  Wille  Ich  dieselbe  aber  von  selbsten  weissUch  erachten  lassen, 
wie  es  doch  woll  möglich  were,  dass  Ich  bey  diser  so  schweren  vnd  vn> 
sichern  Zeiten  (in  \vololH'n  aiiier  auch  kaumb  ein  anlehen  gegen  gewohn- 
lichen liiUTfxHc  haben  kliaii»  ain  !<o  inr»rckliche  Smuntn  (uddts  pr.  :'fK')<)  fl 
anlehen  ohne  int^,  solte  auitreiben  khönoii.  Aber  damit  gleichwoll  dinor 
80  gUekh-  alas  Gottoeelig  angefangene  Gymnmij  Pau  nit  gleich  nach  dem 
ersten  Jahr  ersttsen  bleibet,  vnd  damit  Meine  hochgeehrte  Herren  sehen, 
•  dass  ich  incim-rsfits  allen  möglichen  Beytrag  zuthun  gesünet  bin,  so  thue 

ich  nit  alicir)  die  sclion  .Mündlich  angedpirttf  1<hm)  fl.  anlehen  ohne  zOriss. 
hiemit  zusagen,  dass  ich  solche  S(d)ald  mann  mit  Vortsetzun^'  d<  sfs  nun 
angefangenen  Paues  wOrckhlich  vort>«chreitten  wiidt,  paar  einhandigen, 
sondern  auch  noch  yberdiss  mit  vngesparten  vlelss  dabin  bemttehet  sein 
will,  dass  ich  noch  danm  .  600  .  oder  woll  auch  in  allem  .  2000  fl.  ge- 
sagter massen  zuwege  bringe,  doch  allein,  vnnd  dergestalteu. 

Imfahl  es  einer  Vöh\.  Stattcammer  alhier.  m\  ihren  ai^renen.  rxler  andent 
beyhanden  Hreh'Miten.  vrni  Icjchtlich  erworblichen  ( icMt mit len  {^n-luechen 
solte,  welche  doch  meiiiHn  vnd  anderer  gedunckhen^)  nacii  von  einen  Löbl. 

»J  Verbaut. 

^  G«duiu*1ilien  Bedttoken. 


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H.  Uoher  den  Buu  dcü  JoBuitcugymnasium«  ZU  Landtberg  am  Lech  etc.  41 


UatfhUnL  ctwao  aaas  einar  Catsa  alss  vnser  lieben  Frauen  mnimelfiuth 
Bruederaebaflt,  ßpittal,  Leprcnn^  hatue  oder  dergleichen  vnder  obbeeagten 
bedingun^n  ebenso  leicht  ia  weil  auch  leuchter  khOndten  vnd  solton 
ivterhii  erhoben  werden,  bovorab  zu  oincn  sowohl  dor  Ehr  (intton,  alsn 
aiuh  der  ganzen  Burger-  vnd  Pauerschatlt  eisitrieaslichon  üfistlitlicn 
werckh,  dergleichen  dan  iät  Uegenwertigcr  HymmmJ  Pau.  In  bedoiickhen 
eben  auch  ich  midi  solcher,  vnd  swar  von  weith  hergesuchten  mittlen, 
dauern  einer  Btatteammer  auea  der  nfthe  ftteglichere  handreichung  nit  be» 
shehen  khflnte,  wird  entlich  bedienen  niUessen  vnd  mich  zu  bedienen  al- 
bcralth  entschlossen,  im  fahl  sdic  hes  die  vnumbgengliche  noth  erhaischcn 
wurde.  Auf  welches  bogclxn  (Ihu  ich  verhoffe,  nit  allein  vmb  das 
khUntftige  Anlecheu  der  Tausont  oder  ontUch  zwey-Tauaent  Uuldten, 
(lenuegsam  veraicbert,  sonder  auch  dess  hiersu  bed(tofitigen  ainer  hochlObl. 
HoRCammer  gelaiaten  Canwns  anaichlng  auwerdeo.  So  ich  entgegen  in 
antwortt  nit  verhalten,  vnnd  dameben  vns.'»  allerseits  in  den  schucz  des« 
allorhr>chsten  getreulichist  empfeichen  wollen.  Liattdtspeig  den  14.  FdbrMarii 
anm  1689. 

VI. 

HochwQrdiger  in  Uott,  ggL  Hoehg<^rter  Herr. 

VA\r  HochwQrdt  vnder  1 1  I'Vbruurj  Ershtn  yber  vnser  vorhin  ab- 
gelassenes t^chreiben  den  bcuorrttfliciUcn  < ; '/ninnuij  Pan  vnd  jtrom'tfuirniitf 
desselben  betr.  ggl.  eriolgte  antworth.  duss  wür  von  selbste rächten  Kündten 
wie  es  doch  möglich,  dass  bei  disen  so  schweren:  vnsichem  Zeiten  ain  so 
mOrckhliehe  Summa  Ueldta  von  8000  ft.  antechen  ohne  mteretme  softe  auf» 
aetreiben  sein:  andertena  dass  sich  Bflr  HochwQrdt.  erbietten,  einiche  Müehe 
nit  zuspahren  yber  die  bereiths  zugesajjto.  10(K).  fl.  anlechen,  etwan  noch 
.1««».  oder  w<dil  auch  in  allem  die  .(hhi.  auwegen  zebringen,  iedoch  il<  r- 
gestalten,  wan  der  Stattcammer  an  ihren  aigenen-  oder  aonst  loichtlicli 
erwerbllchen  geldtnütlen  gebrechen  solte,  welche  iedoch  etwan  ausa  einer 
C(MM  alss  (J.  1.  Frau  Himmelferth  bruederBchafft,  Spithal,  Leprosen  oder 
dergleichen  vnd  vnder  gewisen  bedingnuss  ebenso  leicht,  ia  wohl  auch 
Ic  iL-htpr  zuerheben  sein  wurdten  etc.  haben  wQr  seines  Inhalts  des  mehreren 
ersechen. 

Nun  souil  das  Erste  anbelanget,  mUedse  vvUr  freylichen  gestelien,  das.s 
bej  dlaen  vnsichem  Zeiten  schwer  seye,  derlej  geldtanlechen  aafieebringen, 
allebiig  stellen  wttr  EQr  Hoehwflrdt  ku  gf^,  eonriäfraWm^  dass  man  vnsrer- 

seitha.  ehe  vnd  beu'u  man  den  OynmoKy  Pau  angefangen,  alielt  den 

dermahli^'-f»n  vn<ierni(>^li<lion  nrrn'w-l  aldasi^-'T  St uttcamnior  v<»rgr»sti'lt 
habe.  Hingegen  ab»'r  von  dcioselbeü  dif  t itt.-ii lichu  Zuuersicht  ci  lolgt  scye. 
dass  mau  deroseiths  (lenminu  Stattcanuner  nit  lasaeu  vnd  mit  einteilen 
tausendt  Gulden  anlechen  ohne  iukresse  vnder  die  armb  greiffeu  wolle  mit 
beigefiegter  an-  vnd  vftnuntening.  man  solle  nur  einstens  den  anfiuig 
machen  vnd  einen  ernst  erseigeu:  vf  welch  dero  gegebene  versprechen 
vnd  vrig<'zweiffh>te  Vicilulft'  miin  eiidtlichcn  .•^r)hhnji  püii  fififuii^ron  lassen; 
zemablcn  aber  die  zugesagif  mir  ain  lausendi  gülden  zu  ternerer  Furt- 
setzung üit  erkleckhiich,  vnd  mau  bej  gemainer  Stattcammer  alwo  wegen 

')  l^|troH<>n  ICC  .KuH»kt2i]{n, 

*|  nerrus  —  Kraft»  t«l«tuB|piflbi|pk«lt. 


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42     MlUciluuf^  d.  Ges.  t  deutoche  Bnlehnog»-  u.  Sohulgesefa.  VII. 


forti^or')  «'rs(  iiüpfTiuig  mit  beischaflTuiig  der  materialien  genuog  zethueu. 
auch  mich  oia  weitli  g-iusHerfr  %'nko8ten  alss  gedachte  2fMX)  .  fl.  erforilort 
»ein  wirdt,  so  yber  die  i^tattcanimer  ergehen,  beineben»  öieh  imuierdar  Inn 
Gton^iMr  Statt  vn^atelU^  PaufftUigkheiten  eraignen,  aUs  dennahlen  in 
«pect«  beyr  Wuehren*)  sich  heruorthuen  vnd  neben  dem  Oyrnnami  pau 
mttessen  rq)arirt  werden,  weithere  geldtmitl  aufitetreiben  nit  wüste,  an- 
ir''-*f>rhpn  stniil  der  beschochpne*  vorsrlilag  von  don  armen  heUseni  geldt- 
mitl herzeneninien  vnd  ander  puncten  betrifft,  dise  beschafTenheit  hat,  das 
solche  capital  Geldter  denen  armen  bedürfTtigen  ex  itUentione  fundntorum 
vm^&aU  SU  ihrer  mmtadaUon  vf  den  Tisch  gewidtmet  selndt,  vnd  man  ohne 
vninitlbabre  DewilMion  derselben  die  vnterhalteinitl  nit  benemnien  Kuadte, 
auch  heissen  WUrdte,  man  oportere  uvum  dUare  discooperiri,  ut  alici  um  coope- 
riatur,  alaa  mtiesen  wür,  atisssrr  Enr  Horbwür«!'  >H  lif»bpn  su  h  des  anlechens 
halber  der  gleichwohlon  iiit  erkluckhlichcn  .  L'<««»tl.  mthegorice  zu  resoluircn^ 
bej  welcher  erkhleruug  vnd  vorHtreckhung  wür  die  alsobaldige  Ver- 
aastaltuog  verfiegen  vod  den  pau  fortsezen  woUeii,  derentwillen  man  der 
richtigen  wider  ainhaimbsahlung  halber  mehr  difidenz  nit  sesen  darff,  weillen 
für  dergl.  nothürfflige  anlechon  zu  Versicherung  derselben  der  Stattcammer 
Rent-  vnd  Uildten  zu  yorhypoihenifn  alzeit  bej  Burgermaister  vnd  Rhat 
macht  gestandten  bej  nechst  yberschribciu  r  hi  schaffenheit  verbleiben  vnd 
den  80  EOffrig  angefangenen  pau,  welchen  man  disseit«  so  gern  perfcct 
hett  sehen  mögen,  anch  verwichenen  herbst  sn  desto  baldiger  vollendtung 
desselben  dass  BOsserste  geschechen,  für  dlses  Jahr  eingestelten  ersisen 
lassen,  aber  wegen  obhabendter  itnpo.stfihiHt<'it  dissfahl»  in  vngleichem  nit 
2U  verdenckhi  ii  sein  werdten.  So  wür  in  Goprenantworth  nit  verhalten 
vnd  d^roBfllM  ii  vns  ie  vnd  alzeit  vnderdieustUch  ompfehichen  wollen. 

i.  Martij  J6S9. 

vn. 

Hoch  EhmueAst  etc. 

Demnach  ich  verstanden,  wie  das  Meine  hochgeehrte  Herrn  Nachbarn 
wlllenH  sein,  vor  die  ienigo  I(J<K>.  11,  die  ich  zum  instehenlon  (lymvfi^ij  Pau 
alhier  erlpf^eii  wille.  zu  beederseut*«  molirer  richtigklieit.  vnd  vorluiettung 
khUntltigen  Zsv^  lrachts,  vor  mein  auuerchrauttes  Co/te/iwm  vnnd  iVokrfioii«- 
hauss*)  der  BotAetet  Jeam  alhier,  oder  villmehr  vor  dise  Persolmen,  so  mir 
dises  geldt  herleiehen,  eine  genuegsame  vnnd  sichere  Schuldtverschreihung 
aufzurichten  willen«.  Zu  dem  ende  ich  dann  die  icnige  CotKiititons  oder 
Pinicton  die  mir  beliebig  du?i  sie  erniehh  r  nhlü/ation  einuerleibt  werden, 
selhstcn  aufsezen,  vnnd  dennenj*elben  ybergtiben  solle,  Alss  hab  ich  nit 
eruiungleu  wollen  diseu  Meiner  hochgeehrten  Herrn  Nachbarn  billichen 
verlangen  vnnd  begehm  zu  willfahren,  vnnd  zwar  vmb  souill  mehren, 
weiti  ich  sihe,  dass  Sie  Ihrerseiths  alles  dasienige  hiertnfi»Ms  Thun  vnd 
laistcn  wollen,  Avase«  der  billichkheit.  vnd  zuerhaltung  fernerer  (Juet^r 
Nachbarschafft  nit  xuwiderlauffet,  welches  mir  auch  ein  Vrsach  ist,  mit 

I)  Ferticr  «ie  ob«D. 

*)  Die  Woebr  =  du  Webr,  «1.  L  eine  Stauvorrlohtunc  Im  LecU  zur  KlUluos  de«  MttfaU 

^  ProbaUoiMbAUs  ist  eine  AmUlt  dor  .Josuitoa,  .worin  zuicttiiAJire  Jemiiton  ihn  Ftobe- 
seit  »l)xal«B«a  babeii. 


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6.  Ueber  den  Bsu  des  Jesuitengymnaeiuine  m  hukääberg  am  Lech  etc.  43 


allem  dem,  waae  mir  nur  die  mögUchkheit  immer  «tlaMen  wirdt,  dennon- 
selben  beysnhaUen,  die  Puneta  aber  sind  dise. 

1^  dasi  auf  2000  fl.  Yon  Churfttl.  hoehlöbL  Hofcamer  If  Qnehen  die 

BaHfieation  oder  Consem  vorhero  aussgewOrckht  werde.  Zumahlen  ich  ge- 
wOsae  nachricht  vnn  München  hör  habe,  dusH  khoin  Stnit  in  pranzf>n 
Bttvrn,  ohne  zuvur  erhulttmeii  dergleichen  fonscus.  de  hi>iii,s  pnJiliris  das  ge- 
ringste verschreibeu  khan.  Es  wore  dau  sach  vvolte  aiiier  au»8  Meinen 
hocbgeehrten  Herrn  Nachbarn  ebi  erkleckliches  äpccialhypotiteea  auss 
seinen  eigenen  absonderlichen  Quetteni  dagegen  verschreiben. 

2^  dasB  neben  Verschreibung  aller  Otletter  in  gatere^  so  bey  Genudner 

statt  Vorhanden  wie  gebreuchif?  auch  eine  Special  hypotheca  so  frey  vnd  noch 
niemandC  Verschriben  ist,  warauf  2U00.  fl.  sieher  Ilgen  mögen,  in  der  Mi^iJtiion 
benanibset  werde. 

3J|o  dass  die  Obligation  dormahl  nur  pr.  1000.  fl.  laute,  die  abzaluiig 
aber  von  dato  des  erlags,  nach  Verflossenen  ersten  Jahr  mit  100  fl.,  die 
negst  hemaehvolgente  8.  Jahr  aber  iedes  mit  800.  fl.  In  Prttssten,  alles  ohne 
Zflnss, gewiss  beshochen  solle:  Ausi^genohmen,  wofern  vonseuthenelnosLöbl. 

Maj^istrats  mit  i' n  l'rüHsten  wider  verhoffen  nit  solte  z.uf^ehalten  worden, 
Sie  als8daiin  !?chiildi^  (»ein  sollen,  von  den  verfahle  neu  vnd  noch  schuldigen 
Frilasten  das  Lamlt.M^eiirencliigo  Int^f^)  zuerlegen. 

4|2,  Öoilou  die  FiiiHsten  widerumb  dem  darleicher  in  gueter  gang- 
bahrer  Lsndtsw^ning,' iedes  Jahr  ohne  Verwdiliing  ptneHrter  massen  be- 
zahlt werden,  vnd  hleruon  einen  LObl.  Magitirat  vnd  Gemeine  Statt  alhier, 

alnigcs  VnglOckh  oder  noth,  es  sey  hernach  allgemaiu,  oder  besonders, 
im  wenigisten  nit  befreyen.  Wie  dun  auch  fahls  tjich  vnder  diser  Zeit 
wider  besseres  Verninthen  zwischen  vnsa  beiden  l'artheyen  ein  stritt  er- 
waxen  solte,  das^s  »ulches  disen  contract  im  wenigisten  nit  berUelu'en,  noch 
verhindern  solle,  Allermassen  auf  solchen  fahl  der  Terüiu  unschuldig  au 
l^den  hete. 

6^  Soll  neben  des  Rhato  Insigl  die  Herrn  Burgermaister  vnd 
Innern  Rhatsherm  der  iMigation  sich  vnderachreibon. 

6*^  Soll  auch  der  oWujation  einuerletbt  werden,  da.s  all  dise  Puncten 
vnd  Cotiifitioncs,  so  auf  die  10<»0.  fl,  lauthen.  nnch  sich  er.strockhen  Odilen, 
im  lahi  Sie  noch  ni ehrer  entlehnen,  vnd  hierunter  in  dise  Schuldtver- 
sclircibiing  einuerkibt  werden, 

Vnnd  WU8S  otwan  »uii8ten  Meinen  huchgeelirten  Herrn  Nachbarn  be- 
liebig sein  wlrdk  Die  1000.  fl.  will  ich  ohne  verschub,  sug  vmb  sug  ei^ 
legen,  vnd  wan  dise  nit  erkleckhen  selten,  vnd  ein  lObl.  StattCammer 
kheine  aodorwertige^)  mittel  mehr  bette,  auch  ich  sehen  Thue,  das  der 
Ojfmnaitij  Pau  dias  Jahr  noch  %'ndor  das  Tach  j^ehracht  werde,  so  bif  ich 
vrhiettifr.  wie  ich  schon  litUer  ^e\ves«eii,  nucli  !<)<)().  fl,  darzii  herzjischieösen. 
Wurmit  Meine  hocbgeelu  te  herni  Nachbarn  in  (ien  shucz  dess  allerhöchsten 
getreulichst  empfelchent.  Landtsperg  den  22.  April  anno  1689.  etc. 

')  Eswoi-i'  dun  „SHch"  =  os  wäre  denn  der  Fall.  ScIiiin'lliT,  Hm  vi  t  W'irtnr'  tn  h  II.  210. 

*)  .Interesso"  ist  oocb  beute  ailenthalbea  in  Bajrem  statt  Kapitalzios  gebräucbliob: 
t,  B.  Oeld  uf  ImterORse  l«g»n,  den  Interrase  ishlmt. 

*)  Zu  aiMlenrlns. 


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44      Mittcilung(Mi  d.  (ies.  f.  dciUschc  Krziehungs-  «.  Sehulgesch.  VII. 


vni. 

Hoch  Khnuie8st  etc. 

Will  nit  Zwoiflen.  oh  wonle  donselbif^en  mein  viulcr  fititn  doa 
22.  ApriUs  an  sye  abgelftssencs  Schreiben  eingehändiget  seyii  worden. 
Weile»  Ich  aber  bt«  dato  auf  solches  nit  allidn  ainige  andtwort  nit  er- 
halten, sondern  auch  vememmen  mueaH.  dos  man  alberait  von  dem  Löb- 
lichen Wprckh  dos  rpasxnnnrtrn  G i/nnins'ij  Bii\\i's  dif  H.lrid  nltjj^czi Kheii.  in 
vorhabou.  solchen  glcichwol  auf  die  Irin-ri'  Uanckh  Zutichitdion :  als  ist  mir 
zu  SUnne  khommcn  ob  nit  etwan  in  obermeldten  iShreiben  ain  oder 
anderes  Stuckh  endfaalten,  so  aus  mangl  besserer  erleuterung,  Meinen  Hoch- 
geehrten Herrn  etwas  frembd  vorkhomm«i,  vnd  selbige  sn  widerigen 
gedanckhen  verlaitet  habe. 

Dauern  nun  dem  aIi<o  wftre,  bin  ich  hiemit  des  willigen  anerbttettens, 
alles,  \v;i!<  hitTÜiiii  ZwiMflliatlti/^'-.  ZiuMlHiittprn ;  was  Zu  hart  vnrkhommcf. 
8üuil  mir  möglich,  zu  nultcrn:  vnd  im  fahl,  ho  ich  doch  annoch  nit  g«'- 
ateehen,  vnd  kimin  Vnpartheyiacher  Villeicht  yemahlen  orkhennen  wird, 
etwas  Vngerechtes.  wie  man  sich  dan  Verlautten  lasset,  wider  mein  Wissen 
vnd  Willen,  eingeloffen')  wftre,  alles  bester  massen  Zu  Schlichten  vnd  Zu 
richten;  dan  auch  dero  weislichM  guetachten  vnd  fernere  Rhataame  Vor- 
t<eh!'*^'  anzuhören,  allain  dahin,  vnd  der  mainnnp.  damit  ich  an  meinen 
JiueTlmen.  f«nuil  mir  Zuestehen  will,  niclit.s  crmaiiglfn  lasse.  .'*<>  zti  Schlei- 
niger vnd  Notthweiidiger  Forttjezunj?  den  nun  mthr  angetaiigenen  Bawea, 
dan  auch  Zuerhaltung  der  blshero  bayderseitä  gepflogaen  Fridlichen  Nach' 
barBchatft  bequemb,  vnd  ersprieeslieh  sejn  mag. 

Widrigen  Fahls  aber,  da  man  wider  raein  Verhaffen»  so  Preindliebend- 

nachbarliches  anbtletteu  Vngeacht,  nun  mehr  gefa.ste  vnd  mir  Zuegesagto 
ItftinJuHou  aliio  j^.'Vch.*)  vnd  auf  ainen  Sfiuv,  abbrechen,  vnd  den  Schul- 
digen vber  die  nun  mehr  4«.  Jahr  vorHchobenen  (ii/mno^ij  Baw  noch  Fer- 
ners aufochiebcn  wolle,  werden  sich  demnach  meine  liebe  Herrn  Nach- 
barn khaines  wegs  Zubefirembden  haben;  dauern  man  etwan  bsld  hierauf, 
auch  Vuser  Seite  ein  befuegte  Rauilutiony  i^eZwun^ener  weiss,  Shöptt'eii 
wird,  welche  dan  wir  so  wol  bey  gcmainer  allhieigcn  HurgerschaHt,  al» 
auch  anderer  orth  vnd  Ende,  Zu  Heiner  Zeit,  bey  so  beschaflVneti  Hachen, 
beasor,  als  Villeicht  andere,  Zuuerthüdigen«)  Vns  getrawen.  vvt4chea  ich 
nit  Zu  Troen  oder  8chreckhen,  smideni  aus  gueten  grnndt  angefUegt  Itabeii 
will,  Meine  hochgeehrte  Herrn  Freflndt-Nachbarlich  Zugewamen,  damit 
man  nicht  in  VnbeiiebigeWeitlAufigkheitgerathe»  Vnd  auf  ainmahl  brechen 
wölh».  8o  sich  etwan,  sonderlich  h^y  disen  <jr<*freinvertigen  %«'iton  Vnd  ab- 
gang  der  Pcrsohnen,  auch  niuicrn  hc\  lauttendten  Vmhfi.indrn.  nicht  »(\ 
bald  widerumb  anbUnden  .wird  lassen.  Wie  ich  nun  meines  Thails,  weit 
vber  mein  Schuldigkheit  gethanes  Versprechen  Thails  Trewlich  gehalten, 
Thails  annoch  Zuhalten  Vrbietig  bin,  also  holte  ich  man  werde  auch  von 
Seiten  aines  LObi.  Magkttraitf,  aine  den  alten  vnd  nowen  versprechen  gleich- 


')  „«It-lofTon"  statt  „^n  iiiiir«ir  wir.l  tioi  li  in  oinii»lm?n  ij»'>fi't«den  Altbi|yttrni>  get»niueliL 
«)  (jä,-|i  =  pliitzlicl) ;  ^;ia<  h'"  ist  n<wli  (;t'K'i.>ti'»-iitti|r  in  \'»l'a%-<'rii  in  TTfbunjr. 
•)  Stuc7.  =  mhd.  ütuU  =  .stos«?,  Anprall.    Kltijri-,  Kt.vru'-Iotfi.si  ln'ö  Wortttrbucli. 
*)  VortblUligmi  —  vertelditren.  8chiiteU»r,  Haycr.  Wttrterbucb. 


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6.  Ueber  den  Bau  des  Jeaiütengyiimasiums  zu  Landsbeiigf  am  Lech  etc.  45 


lautende,  vw  Gott  vnd  der  Weldt  Shuldigo  Ban^Ho»  famon,  in  deren 
Shleini^r  erwartung  ich  verbleibe  etc. 

CoOt^  LfuuU^erg,  25,  April  1689. 

IX. 

Hochgeehrter  Herr  Ainl»tv-<hurfj'Ornuiister! 

Ibor  bowusöt«'  VorHchlüf^:  ist  mir  aUer«M-8t  luuit  noch  :iin  undprer  b(»y- 
gefallen,  durch  weichen  Villeicht  der  gelter  Viuiteredte  iiuiidl  Füegitchdt 
khtlndte  gericht  vnd  geshlicht  werden. 

Ich  getrawe  mir  durch  Zuethuen  ga»ter  FreOndt  Zu  München  gar 
w'ol  UU8  Zubringen,  daa  ein  Churfrl.  HotXJamor  alldn,  ullhieig'er  Statt 
2(H>r)  fl.,  ohup  Ztins8.  anlpchortH  woinH  (iarstrerkhe.  doch  ainig  vnd  allt'hi 
Zu  N'dllfüprunp  dPH  nun  mehr  atit^otanf^eiien  Gt/rnnmü  Bawof^,  der  iuaKät>n 
vnd  g»'»tait»Mi.  duH  obgemelter  Churlri.  HotUamor  yedes  Jahr  auf  benaudt- 
lichen  tenmn  Von  allhieiger  üoniainer  Statt  refitniUrt  Vnd  abgestifft  werden 
300  11. 

Dauern  solche»  Mittl  beliebig,  khan  man  mich  dessen  berichteo,  Vnd 
anf  mein  wordt.  gleich  ycrzund  mit  dem  Baw  in  namen  (iottes  Fortfabren. 
Aua  dem  Coüeifio  A*.  J.  Apnhs 

Meines  htichgeeluten  Herrens 

dionätwilligor 
Mardmiu  MSOUr  S.  J. 
Reetor, 

X. 

Hoch  Ehmuewt  etc. 

Naehdmne  nun  mehr  die  Saal  Tekhe  des  Cr^tmati^  allhier  Zu  gaeteu 
Bnde  gebracht,  Vnd  der  Aitar  neben  andern  ZuegehOr  sich  also  Vnder 
Händen  befOndt^  das  man  aich  deesen  anfrichtung  bis  khdnfftigen  Herbat 
zugetri^sten,  vnd  also  khaum  was  anders,  nussor  dor  Fonsfer.  ZuiK'rfertigen 
annuc.h  vherig  Verbleibet;  Als  gelangt  an  meine  Hochgeehrte  Herren 
Nachbaaren  mein  Froundtliches  au»uecheUf  sye  wollen  Ihnen  belieben 
laaaen,  auch  diaw  Jahr  mit  tdner  newen  Znesag'  nammhafflt  Zuemachen, 
vnd  die  Pensster  auf  ermeldten  Saal  Zuuerachalfen,  als  olin  welche  das 
vbrig  alles  wenig  nnci  Vnd  Vnbrauchbar  ii*t;  damit  man  doch  ainmahl 
dise»  ianjr  erwüiiachton  i^chiVnPM  r*laczes.  Zu  Tfl/^-nclicii  tieiÜ-ron  !\T<'mm- 
Opfer,  dan  auch  anderen  so  wol  das  <tf/m/uimj  als  (''>it,^r'yiiti»nis  gfwohn- 
lieber  fum  tioncn,  Vnd  Verrichtungen  genüessen  möge,  wtüches  dan  so  wol 
Zu  Gottes  Bhr»  als  auch  Zu  Ztterde  der  gemainen  Statt,  Vnd  beyhilf  der 
«tmUrenäen  Jugend  gedeyen  wird.  Verbleibe  mithin 

Meiner  hochgeehrten  H.  Nachbaaren 
CoUfgiuM  Landtthorg,  den  2*J.  Mu/g  Anm  lti92. 

dienstwilliger 
Martiuun  MüU<-f  i'ullryü 
et  XhmHn  Pp"»6.  Hfrtor. 


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46      Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehuiigs-  u.  bchulgeach.  VII. 


7. 

Ein  Streifzug  durch  die  deutschen  Schulen 
Mttucheus  zur  Zeit  der  „Sehuelhalterzuuft".  (17. 

und  18.  Jahrhundert.) 

Von  O.  N.  MhimImII,  KOnigl.  Realschuldirektor  a.  D.  in  MOnehen. 

Schüu  auö  ültereu  \'erüllVntlldinngon ')  ist  bekiintit,  «iasa  die 
Lehrer  der  deutschen  Schulen  Muncluns  «gleich  deni'u  uiidcrer 
Siadte^)  nach  dem  Mustfr  der  Ilandworkeriiuuiii^^'ii  eine  eigene 
Zunft  bildeten.  Die  Entsteiiun;;  der  «Schuelhalterziint'te"  lallt 
aber  in  eine  Zeit,  da  die  Haudwfrkerinuuugen  ihre  liiiUe  lanj;  scliuu 
hinter  sich  liatteu  und  bereits  ihrem  Verlulle  entgegen  gingeu. 
Joseph  Gebelü  setzt  iu  üeiuer  auf  gründlichen  archivalischeii 
Forschungen  beruhenden  Geschichte  des  Schulwesens  der 
K.  Haupt-  und  Residenzstadt  München,')  (8.  6)  die  Ent- 
stehung der  Münchencr  Schulhalterzunlt  iu  das  Jahr  1564,  iu 
welchem  die  Konzessionsurkunde  für  die  deutscheu  Schulen  der 
Stadt  München*)  erlassen  wurde.  Diese,  wie  die  ^Schuellordnung- 
vom  Jalire  1682  veröffentlichte  Gebele  im  Anhange  zu  seiner 
Schulgeschicbte  (S.  3 — 10,  bezw.  10 — 12)  dem  Wortlaute  nach.  Von 
einer  Zunft  ist  in  diesen  beiden  Dokumenten  allerdings  nicht  die 

*)  Ant  V.  Bucher;  BeytrÄjrt*  7a\  oiner  Schul-  und  Erziehungsj^eachichtc 
von  Bayern.  177S.  S.  14Ö.  J.  v.  Dali  Armi:  Die  SchuUehrer  in  Jüuycrn. 
Augsb.  1Ö55,  S,  üi. 

*)  In  NOrnberg  bildeten  die  Sehidlelirer,  48  an  der  Zahl,  von  1613  an 
eine  Zunft.  W.  K.  Schultheiae:  Geschichte  der  Schulen  In  NOmberg. 
Riegel  &  Wiessncr  isär;.   II,  29  ff. 

*)  Dieselbe  wurde  den  Tciliirhmorn  an  der  in  der  erstf^n  August- 
woche d.  J.  zu  München  abgehaltenen  13.  iiauptversaninilung  dea 
Bayoriachen  VolkBechuUehrerTereins  ala  Pwtgabe  gei^pendot,  ist  aber  nnn 
auch  im  Bnchbandel  erBChlenen,  llflnehen.  Kellerer. 

*)  tünuemerkhcii  Etliche  Atricull  vnd  S.ntz,  So  ain  Emuester,  Fur- 
fichtig-er,  En«amrr.  Weiser  Rath  Alhic  Zu  iiumcht'n  den  Tf utHchen  ^^cliuol- 
hultcni  gegeben,  vnd  daneben  Iii<  n  Eingobimden,  Das  sy  »ich  bey  Ver- 
meidung Raths  straff  denselheu  Alierding  gem&sa  liallteu,  Actum  den 
Achtvnnd  2waniteigiaten  Angua^  Anno  ViervndBeehtzigg.** 


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7.  Bin  Streifzug  durch  die  deutschen  Schulen  Münchens  etc.  47 


Rede;  erst  1696  wurden  „Sät/  und  Ordnungen  Einer  Ehrbaliren 
Zuuft.  der  Itüri?erl"  SchuelUiaht^r  alliier*  in  31  Artikeln')  festge- 
setzt. Da.sH  aber  die  Zunfteiurichtung  für  die  Mumliner  Sehul- 
halter  schon  lauge  vor  1696  bestand,  ist  durch  zahlreiclie  Akten- 
stücke des  Stadtarchivs  nachgewiesen,  namentlich  aus  den  ersten 
Jahrzehnten  des  17.  Jahrhunderts.  Die  wichtigsten  dieser  Akten- 
stücke werden  im  Nachloijs'euden  miti,'eteilt.  Ich  verdanke  .sie  zum 
«grösseren  Teil  der  Güte  des  Herrn  übeiiehrers  Uebele.  in  d«'sseu 
Schuli^eschichte  sie  keinen  Raum  tinden  kuimten.  Doch  habe  ich 
selbst  die  Abschriften  mit  den  Originalen  des  Stadtaichivs  ver- 
glichen, sie  durch  andere  einschlägige  Kuiid^ebungeu  ergänzt  und 
mich  bemüht,  deren  Entstehuugszeit  zu  ermitteln,  soweit  dies  Uber- 
haupt möglich  war.-'^ 

Es  ist  gorade  kein  erfreuliches  Bild,  das  sich  uns  aus  diesen 
Dokumenten  entrollt.  Gleich  den  übrigen  Innungen  verlblgte  auch 
die  Schul  halte  rAunft  «laa  ja  berecl»tigte  Bestreben,  jede  Konkurrenz 
durch  Winkt'lscluileu  oder  Privatunterricht  fern  zu  halten,  zu^'lejch 
aber  auch  die  Zahl  der  Zunftgeiiu.'^sen  möglichst  eiuz.is '  liraukeu, 
was  um  so  unbegreiilicher  erscheitien  muss.  als  von  liirer  Seite 
selbst  wiederholt  schwere  Klagen  ül<er  völlig  ungenügende  Öchul- 
räuine  und  höchst  bedenkliclies  Zusammenproplen  der  Schüler  er- 
hobrn  wurden,  gleichwie  die  übermässige  Schülerzalil  auch  von 
vurnhcivm  einem  gedeihlichen  Unterrichte  hinderlich  sein  nnisste. 
Freilich  N\art'ij  den  deutschen  Lehrern  nicht  wie  ih  n  lateinischen 
öftentliehe  SchuUokale  zur  Verfügung  gesteiit.  soudeiu  sie  niussteu 
die  Schtilzimmer  mieten,  die  dann  in  der  Regel  auch  nocli  zur 
P'amilienwulmung  dienten.  Wer  die  Ivunzession  als  zünftiger 
Schuihalter  erlangt  hatte,  ilnrtic  glci(  h  den  anderen  Zunftmeistern 
eine  Tafel  an  seiner  Wolmung  aushängen.  Auch  brachte  es  die 
Zunftverfassung  mit  sich,  dass  die  Meister  Gehilfen  halten  durften, 
als  welche  nicht  mir  ihre  eigenen  Söhne,  sondern  häufig  auch  ihre 
Töchter  und  Frauen  thätig  waren.  3)  Ebenso  konnten  sie  ihre 
Stellen  auf  ihre  Söhne,  Frauen  und  Töchter  vererben,  nur  mussten 
die  ersteren  die  vorgeschriebene  Prüfung  abgelegt  haben,  die  Witwen 
und  Töchter  al»er  approbierte  Kandidaten  heiraten;  ja  die  Gerecht- 
same eines  zünftigen  Schul) laltt  i-.s  wurde  wie  die  eines  zünftigen 
Handwerkers  seBist  käullich,  doch  erforderte  ein  solcher  Kauf  die 

<)  Gebele,  Anh.  18—17. 
^  8.  Anmerkung:  2  8. 65. 
*)  8.  S.  56. 


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48      Blitteiluageu  d.  Gea.  f.  deutsche  Erstiehunga-  u.  Schulgesch.  Vll, 


Geiieliiiiiguiii,'  (Ws  Sliidir;il»'s^. 'j  Die  Zunft!ii<'ist<'r  wus^tt-n  .uicli 
dahin  zu  hiini^cn.  daHs  iliiR'u  ilic  F.eirclili<,'uii::  ziii  \'iiin<iliin»'  <lrr 
früher  von  den  Sdiulubert-n  (Scliolijinlirii)  vorgeiiüiiniieiuMi 
Prüluiigeii  liir  die  Approbation  zum  SclmlluiliiMi  eini^eraunil  wurdv, 
sodaas  aio  niisHliebige  Bewerber  fernhalten,  genehme  dagegen  be- 
günstigen küniiten. 

Wenn  man  denmach  in  den  liest ivhunL^en  «ier  Schulhaller  j^Mier 
Zeit  einem  stark  auHgepirtirten  selltsisiichiigen  Zug.  d;»?e?en  fast 
nie  einer  auf  ideale  Ziele  geriehteten  Kundgebung  begegnet,  so  iwt 
das  zwar  nirlii  •  iiivuli(  Ii.  aber  nur  zu  erklärlicii  nieht  nur  ans  dem 
allg<'meinen.  wnni^'  lii m  Idealea  zugewandten  Zuge  jener  harten 
Zeit,  sondern  iiisi  « n  l*  le  auch  durch  die  höchst  trauriL^eii  tiiiaii- 
ziellen  Verhältnisse  lU-y  deut.schen  Lehrer.  Dass  sie  die  Kosten 
für  Mi*  t*'  und  Beheizinii,'  der  Scbullokab'  Im  .^n ciftMi  tnussten. 
wiirilt-  i?t  huu  uiisjedeiitel,  Daliei  hatten  si«-  ktMut-  foicit  He.sol- 
dungeii.  weder  vom  Staat,  noch  von  der  Stadt,  sund«'i'n  ^ie  er- 
hielten bloss  hrn-hst  bescheidene  riiterstützunirsheitrAge  aus  (h  r 
St.  Benuostütun^'  und  aus  der  liolkaininer  als  1  Jiischädigung  füi* 
den  unentgeltlichen  Unterricht  armer  Kinder  oder  der  Kindel'  von 
unbemittelten  Hofbediensteten.'^)  Ausnahmsweise  gewährte  iiiuen 
die  Stadl  auch  ein«'  oder  einige  Klafter  Holz  zur  Hidjeizu?!'^'.'')  Sie 
waren  also  fast  ausschliesslich  auf  das  gering  bfinessrnr  (^naiemner- 
(55chul-)geld)"*)  uüd  auf  einige  Neben bezüge  von  teilweise  recht  be- 

1)  I.  J.  1746  verkaufte  Meiuter  Job.  Georg  Hechenberger  seine  ,,SehueU 

Gerechtigkeit"  dem  George  Peldinayr  um  20<)  fl.,  wovon  KK)  fl.  buar  bezahlt, 
die  anderen  l'K>  fl.  spAter  ah^'-ct iair<'n  wordüni  .«ol!t<ni.  Nrichilfin  Feldniayr 
die  voigeacJiriel>ene  Prüfung  ab^oU'^i.  fi  tul^tf  ohrij;keilhrhe  Cieuehuii^uiig 
des  Kuutgeachflftes.    (üobele  a.  a.  U.  t>. 

^)  Nach  einem  Dokument  aus  der  Zeit  um  177U  erhielten  neun 
deutsche  Schulhalter  jeder  ca.  60  fl  jahrlidi  ».wegen  Instruirung  der  Arme 
Hofbedienten  Kindern.*^ 

*)  Bin  Verzeichni.s  im  Stadtarchiv  weist  aus  dem  Jahre  1801  die  Ver- 
teilung von  10  Klaftern  Holz  an  die  stndti.schen  Schulen  nach. 

*)  Dif^'Sf'H  liotrujf  nach  der  KonzeBnionsurkundo  vom  Jahre  ir)04  für 
Kinder.  ..welche  allein  lesen  und  Hfhrotben  lornen."  15  kr.  {=  !■<  IM'^'.), 
die  neben  dem  Leaen  und  SSchrcibeu  noch  rechnen  lernen,  iiükr.,  wenn  sie 
aber  auch  noch  die  weledie  Praktik  lernen,  1  fl.  (=  1^71  MIc).  Im  Jahre 
1590  wurde  der  Sats  au  15  kr.  auf  17  kr.  erhöht,  1696  genehmigt  24  kr., 
40  kr.,  l  fl.  Noch  heute  ist  nach  dem  Schuldotationsjresetz  v»»ni  i< November 
Iböl  von  einem  Wcrktnfx.sschu'cr  vicrteljahrl--  L' 1  kr  ci  To  l'fu.^.  von 
einem  Sonnta^-.ssrliül''r  Iii  kr.  Si-bulgeld  -/ii  i'iiirichrrn.  Ii  hah'-n  scliuii 

viele  Uenieiiulen,  namentUcli  die  ötüdtisciien.  da.«  Schulgeld  al){^e.schuHt, 
.München  1872. 


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7.  Bin  Strel&ng  durdi  die  detttMSheD  Schulen  Hünehens  etc.  49 


denklieliOT  Art  angewieBen:  Tinten-,  Licht-  und  Holzlcniner,  Gregori- 
geld  und  Rutenpfennige»^)  was  ihr  Anaehen  nieht  heben  konnte. 
Man  kann  ea  ihnen  nach  all  dem  nieht  veratgen,  veim  sie  auf 
milglichst  viele  SchUler  bedacht  waren,  sumal  ihnen  selbst  Zu- 
wendungen des  Staates  wieder  enta&ogen  wurden,  so  im  Jahre  1590 
der  Oetreidebezug  (je  ein  Sehelfel  Roggen),  den  ihnen  die  Regieruug 
1587  fOr  Erteilung  des  Katechismusunterrichts  gewfthrt  hatte.  Auf 
ihre  Bitte  um  Wiederabgabe  des  Getreides  erging  folgender  Be- 
scheid:^ 

„Vun  Gottes  gtuudeii  Williohii 

Herzog.  lu  Obern  vnd  Niilern  IJuvni  x. 

Viiiisein  fjflnstliohen  irniess  Zuuor  Fümehtge.  Ersame,  Weise,  Liebe  ge- 
treue, Kbs  haben  eiu  Zeithero  die  'Peitschen  ächuelliuaiüter  alliie  vmb  daä 
Traidt,  so  wflr  Innen  desBhalben,  das  sj  die  Jugent  Za  der  Oatechismi 
Lehr  gehalten  vnd  gefiert,  ans  genaden,  vnd  damit  den  Gottseligen  zweckh 
sein  anfaange  gemacht  werde,  Zn  Zweymale  emolgen  lassen,  Oftennsls  ge- 

•)  Schon  nach  der  KonzeaaionaurkuntU'  vom  Jahro  lf.n4  hatte  oin 
Bchulkuid  für  die  zwei  Wintor(|uartale  2  kr.,  von  1696  ab  4  kr.  Uolzgeld 
und  eine  Unschlittkcrze  zu  geben,  fUr  welch  letztere  später  in  der  Kegel 
der  Geldbetrag  gezahlt  wurde.  Im  Btadtarehiv  (Lade  II,  121)  findet  sich 
ein  Veneiehnis  des  Hob-  und  Lichtgeldes  bei  der  St  Peterspfaitschole 
1660  von  45  Scbfllem,  jeder  4  Icr.,  mehrere  6  kr.,  etliche  selbst  6  ki-.,  in 
Summa  4  fl.  14  kr..  Tintenkreuzer  wunlcn  prnt  spSUcr  oiii^eführt.  Das  ^ 
uralte  SchnllOHt  dos  Gre^/fori  wurd*»  apJlter  statt  am  ( ire^oriusta^e  (!'_'.  Mitrz) 
in  die  Sommerzeit  verlegt  und  da  die  Kinder  in  die  „ürtln",  d.  h.  in  einen 
Wirthschafttigarten  geführt  und  bewirtet.  Dafür  hatte  jedes  Kind  8  kr., 
Hpater  5  kr.  su  entrichten.  Die  merkwürdigste  Binnahme  der  Lehrer  war 
das  sogenannte  Hutengeld,  in  der  Konsessions-Urkunde  vom  Jahre  1664 
„Aufrttreichgellt' .  in  der  Zunftordnung  vom  Jahre  169«  „Pritschgeld"  ge- 
nannt. Es  wurde  mit  1  Pf.  (l."»6J)  uiler  1  kr.  fiitrichtet  an  den 
drei  höchsten  Festen  Weihnachten.  Uitern,  ilui^slen,  zur  Fastnacht  und 
sur  Jakobiduld.  Sehmeller  in  seinem  Bayerischen  Worterbuch  n,  806  sagt 
darOber,  däaa  die  Kinder,  eines  nach  dem  andern  dem  Lehrer  swlsehen 
den  Beinen  durchkriechen  und  einen  Streich  ad  posteriora  in  Empfang 
nehmen  und  daftlr  den  sogenannten  Ausstreichkreuzer  entrichten  mussten. 

Noch  einer  s(»nderbai  en  Rinnahmsquelle  thut  die  Kunzessions-Urkunde 
vom  Jahre  li>ü4  Envalumu^i.  Die  Schulhalter  gaben  den  Schülern  gegen 
Geld  und  ,^dere  Liebung**  Zeichen,  pacem  genannt,  durch  deren  ZurOck- 
gäbe  sie  sich  von  einer  verhängten  Strafe  befreiten.  Dieser  ,«pOse  prAUch** 
sollte  nach  der  Konzosslons-Urkunde  abgeschatrt  sein;  man  darf  aber  be- 
zwfMfoln.  oh  «iie  Beseitigung  völlig  gelang.  Die  später  den  SchlUera  oft 
nur  in  zu  reichen)  Masse  in  verschiedeneu  Graden  (bezeichnet  durch  ver- 
schiedene Farben)  gespendeten  Pleiesbillette  mögen  ein  Ueberrest  jener 
verpönten  pacem  sein.  In  Manchen  wurden  sie  erst  1870  nbgesehaflt 
Stadtarchiv,  Lade  II,  Aktenfassikel  121. 

]fiU«il.d.U««.  f.atftrh.  Rnleb..  u.  8chulirp>i<-b.  VI!  1  (B^jrrra'Hefki  tülfi.  A 


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50      Mitteilungen  <L  Ges.  f.  deutsche  Bnieliunge>  u.  Sehulgeaeh.  vn. 


honanun  augebalten.  Nechdem  wir  aber  ans  Fri:  müde,  nanmehr  das 
Tnnserige  gethau,  Ynd  sonusten  ohne  vonser  «itgeit,  wol  mitl  vnd  weege, 
damit  Innen  den  srhuellraaistern  kban  «eh o Ifen  werden.  Vor  der  hanndt, 
wie  wir  dann  bi  rii  lit  worden,  das  Ir  am  h  alln  i  nif  nit  vnderlassen  habet, 
der  Sachen  lürscbuh  Zuthun,  in  dem  das  ain  Klmult  Quatemberlich  Zwen 
Kreflzer  mehr  Zuueretehen  für;  10  Krl:  17:')  Zuclit-  vnd  l.era-gelt  geben 
solle,  welches  dann  den  schuellmaistern  eine  guete  Besserung  were,  wann 
nit  eflidi  vnder  Ineti  die  :lfi:  für  die  :17:  Kil:  dammben  ein  merere 
Jugent  an  sich  Zubringen  vnd  also  ein  geringeres  nenunen;  daher  dann  er- 
scheint, das  einer  dem  andern  selbst  nit  wenig  eintrag  Znfiegen  Uraet, 
desswegen  die  notturfl  ernordert,  ein  sonderi)are  gnete  acht,  damit  vnder 
Inen  ein  ^eicheit  vnd  Ordnung  gelialten  werde,  Zahaben,  wie  dann  auch 
nit  weniger,  das  der  schueluiaistcr  in  der  AnZahl  gar  Zunil,  vnd  wie  man 
Pfleget  Zusngon,  ;iiner  dem  Andern  das  Broth  vor  dem  Maul  abschneidet, 
darzue  etliclie  die  l.eraenns  selbst  wohl  bedürften. 

Demuacli  ist  vniiser  Beuelch.  das  hinfüro  vber  ;h:  Tetltsche  S<'huel- 
maister  in  vniisi  rer  hisigeu  haubtstat  München,  als  virr  Iimerlialb  der 
Thum,  vnd  viier  ausserhalb  nit  nier  boHcii  gehalten  werden,  Yedorli  auf 
das  solches  khainem  der  Schuelniaister  nit  gehüngcr*)  abschaffung  be> 
sehweriicb  falle.  Wollen  wftr  gnedigist  Znelassen,  das  die  Zeit  vberigen 
ableibens  oder  Verendemng  damit  Znerwortten,  werden  sich  alsdann 
khonfüg  ohne  ZweiCd  geschiclKter  Tang^ehe  Persohnen,  weiche  der  Jugend 
nach  notturtt  wohl  vorstehen  khönnen  (:in  dem  sy  Ir  nahrung  bisslier  haben 
mOgen:)  Iwünden  und  brauchen  lassen,  daran  v(dziehet  Ir  vnnsere  enttiche 
mainnng  vnd  haissen,  datl;  Manchen  den  :22  Xbris  :92.^) 

Wilhelm. 

AufTallend  ist  es,  dass  man  die  Zahl  der  deutschen  >ihuimei8ter 
noch  weiter  zn  \  <'rni!!idern  suchte,  nachdem  sie  in  etwa  25  Jahren 
ohnehin  srlion  /.iii-in  k «gegangen  war.  Nocli  im  .lalire  15ö0  betrug* 
sie  neben  den  drei  Lateinschulen  (der  staatlichrii  I*oetenschule  und 
den  städtischen  Schulen  an  der  Frauen-  und  Ptterspfarrei)  18  bezw. 
19;"*)  ums  Jahr  1614  nur  noch  16.  wie  aus  tollendem  I*iot<»koLl^) 
über  <lie  auf  Anordnunj;  des  Herzogs  Maximilian  i.  vorgenommene 
Visitation  der  Münch^Mier  Schulen  ei-sichtiich  ist. 

„Visitation  der  Teutschen  Scbueleu  alhie  betrf. 

Anno  UMi, 

Anfcngklichen.  Der  Schuelhalterwoluiuugea,  vund  gelegenhaiet  an- 
langent:  haben  wier  befanden:  das  der  weniger  thsiel  der  Schuelhalter  mit 

')  Für  die  trUher  Üblichen  lö  Kreuzer  nun  17  Kreuzer. 
^)  =  2u  rascher. 

=  22.  Desember  1592. 
*)  6.  das  von  Daleenberger  in  den  „Mitteilungen'S  ^hrg,  I,  8.  6Slf  mit> 

geteilte  Visitationsprotokoll. 
^)  Stdtarrh.,  Lade  II,  120. 


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7.  Bin  StreiÜBUg  durch  die  deutachen  Schulen  MOnchena  etc.  61 


weittem  nmd  gelegeni*)  Zimmer,  der  Zeitt  ferseehen  ist  Shondeclich: 
Hannas  Nambstaler,  welcher  vill  vnnd  gaeter  Leuth  Kbinnder,  in  Einem 
Engen  Zimmer  obennander  haltet 

Hannse  Mayer,  hat  g^eiehroll  Ein  weittes  Zimmer»  aber  gefliirUchen 
auf-  vnnd  abgang.  Nemerus  SPerl  hat  vill  Ehimider,  alaao  das  Er  solliche 
Sommer-  vnnd  wintteraZeitten  In  der  Stuben  vnnd  Camer  halten  muesa. 
Georg  Härtl  Imt  Zae  seinen  Khinndem  Ein  Einiges  Zimmer»  irie  nit 

weniger  BenedÜct  Hörmann. 

Die  Erlhnrniing  der  Klnnder  betreffend:  SO  ist  sollichc  bei  etlichen 
sclileclit,  Shonderlich  bey  Leoniarden  Erkhen  vnnd  Geör^en  Fritschen» 
weUiche  der  Schneie  gebüreiites  Fleiss  nit  abwarthon  tlmot. 

Bei  Nemerura  SPerl,  Hannssen  Ilärtl,  Balthasar  Stitzl  Ist  die 
Vndterweissung  Im  rerbnen  gering.  Die  Auesslendiscbe  vnnd  frembde 
Kbinnder.  bebuigi'nt,  simlt  syo  alle,  auesser  (»tlichon  Anoern  Khinndem,') 
In  Ebrlirbeu,  guetoii  CoHteii,  voim  Ehrlichen  gueteri  Eltern  wie  nit  weniger 
diu  pauers  Kbimuit  r,  Ir  ^ette  vudtcrhaltuiig  haben. 

Die  Alhiesigta  Khiader  botrf.  werden  din  Armen,  Vom  Sti. 
Bennonis  Bruderschaft  mit  den  Quateinber  gelt  vnnd  (  iaidnng,  vmlter- 
halten.    lere  Eltern  sindt  gemainiglioh  bey  dem  Heilligen  Almuesseri. 

Deren  Zucht:  lialber:  berichten  Etliche  Scbuellialter,  ila^i  sye  glcich- 
woll  mögligisten  Fleiss  hierinnen»  fUrwendten:  Etlidie  Eltern  aber  wollen 
gebttrente  correction  nit  gedulden.  Derentwegen  Sye  jene  Kbinnder»  vonn 
den  Schneien  bOsswillig  nemmen. 

Schuelhalter  der  Zeitt  sendt  .16 

Damndter:  Zwe  Wittib. 

Kbinnder  In  allen  sendt   1024.'^>) 

Wie  nit  aus  Vorstehendem  entaehmeo.  flbten  auch  zwei 
Witwen  das  UntemchtsgeBchAft  des  verlebten  Mannes  selbständig 
aus.  Dagegen  reichte  im  Namen  der  Zunitgenossen  der  Vierer^) 
Simon  Hueber  beim  „Herrn  Scholiarch'*  folgende  Beschwerde  ein: 

.»Es  werden  die  Schnelmaister  beschwerde  wegen  der  Wltüb  die 
Rizlin  genannt»  so  im  Tal  wonhaft  auf  der  hochpmggen  da  sie  vnge- 
scheicht:  sowol  Knaben  alss  mädlen  lehmt,  vnd  Ir  die  aosshenge  Tafl 
Wirt  gunnt,  welche  doch  kain  einiger  Signatur  oder  rechten  beschaidt  kan 
firwaisen  ds  Tr  von  Rathss  wegen  ist  solches  vergnnnt  worden.  Der  Frau 
Ostermayrin  ist  niemalss  eiiaubt  gewesen»  da  sie  hat  Knaben  derffsn 

Mit  geräumigen  und  (zweckmftdaig)  golcgeneu. 
*)  Kinder  aus  der  Vorstadt  Au. 

'l  Ea  traten  ala<»  auf  eint*  Lehrkraft  <hirt  li8clinittli«'h  *U  Schüler. 

*)  Vierer  (=  Zuuftvorgeher)  hiessen  die  Vorstelior  der  üüntie  nach 
ihrer  Zahl,  die  sich  aus  der  Einteilung  der  Stadt  in  vl«r  Stadtbeshice 
(Viertelj  ergab. 

4* 


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52      MlttoUungeii  d.  Gm.  f.  doofMihe  BnlehuiigB-  u.  BchulgeBch.  VII, 


lahnien  odr  Ir  ein  «miieng^  Tafl  wen  Tergant  wozden.  Ist  also  ein 
besdiwerliclH!«  «erkli,  ds  diese  "Wittib  einen  Sehoelmaisler  so  gleicli  sein.* 

Attcii  an  den  Rat  der  Stadt  riditeteii  die  Zaiift?orst«lier  eine 
Eingabe,  die  uns  einen  wenig  eifreuliclieü  Einbliclc  in  die  da- 
maligen SchulverhiUtnisse  bietet. 

„Per  iiisigca  leutsclien  Scliuelhalter 
Beschwer  Puiicteu  Kliiiizlii  h  zuuenieiiuiieii. 

Nemblich  dass  in  villeji  viiililigonton  Statt-  vnd  Märrklitcn,  die  Teutsclu* 
Scliuelhalter  Aigue  hehuussun^cu  ohue  ZiDss  bcsUzen,  vnd  bi^swciieu  noch 
darzne,  mit  Holz,  IVaidt,  \nd  gelt  besoldt  werden,  hergegen  sber  alliie  in 
dieser  Statt  lüuuu  ainiger  Sclmelmaister  mit  Aigner  behaussang  versehen, 
sonnder  alle  miteinander  in  scinrerem  haass  Zflnss  wofanen,  auch  ainiclie 
besoldnng  vnd  Ergedichkeit  nit  haben,  dann  obwollen  vor  Jahren  ir.  Fri. 
Drl.  in  Bayern:  x  Jeden  Schnelmaister  alliie  wegen  der  khtlnderler  ain 
Schäffl  Khortii  gdst.  iai(  iit.  Ist  Ihnen  doch  solches  weil  die  Zahl  vber- 
seast  widenimb  aufgeln  bt  worden. 

Wie  dann  schier  khein  ainiger  Teutscher  Schuelmaister  alhie  mit 
ainer  rechten  niith:  vnd  bequeniben  Schuel  versehen,  sonnder  wie  vor 
Augen,  si»'  -ich  in  so  deinen  Zimmern  vnd  Stihlcn  bphelffen,  dass  sie  die 
Srhni'lkhündi  r  in  Ihn'  klumter  sezen,  sich  aber  smiibt  wcib  vnd  khündem, 
etwan  in  ain  sclilcchtvii  wiiickhel  authalten  vnd  die  Srhuelkhnnder  also 
vber  einander  Treiben  mucsscu,  dass  sich  die  .lugent  sauibt  IIuilmi  vor 
grossem  Tranng  nit  Rieten:  anch  solcher  Schmallen  Dafflen^)  gebrauchen 
miessen,  aof  denen  die  Jngent  Ir  Lemnng,  Schreibseug,  vnd  Papier,  nit 
also  vor  sich  legen,  dass  sie  der  gebar  nach,  Lernen  vnd  schreiben 
mechten.  Welches  dann  nit  allein  ein  solchen  grossen  Dampf  vnd  Ge- 
schmachen^)  verursacht,  dass  der  Schuelmaister  $and)t  seiner  Jugent  darob 
schwach  vnd  Matt  werden,  sonndern  auch  dass  sonnderlich  die  vermög- 
lichen Ihre  khünder  wetrm  solchen  getrenng  vund  gestambfs,  gar  nit  in  die 
scliuel  schickhcn,  sonder  Ihren  khiiidern  Ai^?ne  paedagogos  anhaimb  halten, 
vnd  dass  Gelt  ilrcyfach  aus«geben,  also  dem  Schuelmaister  sein  (^uatember 
gelt  entzogen  wiudt. 

Dannach  S\c  in  ^oiclicn  Ihren  heusern  kheia  bc-tiunlt  haben,  sonndern 
von  aim  halben  .lalir,  /mu\  Anudern  in  Sorgen  stehn."  ^Yann  Ihnen  dass 
Uauss  widerunib  aulkhiindt,  vnnd  sie  weiter  Ziehen  vnd  also  Ir  ganz 
Schnei  widenimb  verlassen  niiessen. 

Gestalten  sie  dann  wegen  grosser  Lasts  vnd  Ynmhe  der  khdndern 
JUmemblich  wegen  der  Haimbligkheit^)  seer  schwerlich  vmiderkhonunen, 
vnd  schier  gar  nit  mehr  eingenommen  vnd  geduldet  werden  wollen,  deren!- 


1)  a  Tischen. 

*)  —  Uebelgeruch, 
»>  =  Abort, 


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I 


7.  EUi  Streifzug  durch  dio  douUchen  Schulen  Maiichene  etc.  53 


wegen  sie  init  Zinss  vnnd  anudeni  seer  hoch  geataigert  vnd  beachwerdt 
werden. 

Daran«««  dann  Volu't.  üass  sie  mit  Ihrem  hinn:  viiiid  wid<»r  Ziehen: 
Die  khindor  vixl  dartlnrch  Ir  Narung  wio  schon  villta  bescluclifn,  ver- 
lioliren  in  ilng^ti'u,  vnnd  gar  in  Annueth  gerathen,  massen  dann  etlirh 
allain  der  Vrsachcn  beraith  gar  you  der  Schuel  Abgetretten  vuud  sich 
nah  annderen  dlennst  bewGri>en. 

Dahero  begibt  es  sich,  dasa  3.  4.  Tnd  mehr  Schaelmiüster  in  ainer 
Gaasen  Zefinden,  welches  nit  allain  Ihnen,  sonder  auch  der  Jugent  seer 
schftdlicb,  Tnd  Temrsacht,  dass  etliche  sonnderiicb  die  dainen  wegen 
weithe  dess  weeges  fttmemblich  Zu  WttntersZeit  gar  dahaimb  bleiben,  die 
anndem  aber  so  auf  so  weitfaen  weeg  Allerhandt  geschray  vnd  Mueth- 
wiUcn  ybcn,  grosse  gefahr  zu  gewarthen  haben,  aucli  «  fliehe  desswegen 
gar  khein  Scbuel  besnchen,  inas«ien  dann  sonnderlich  diser  Zeit  nur  der 
geniainon  T.oith  kliinder  die  man  dahaimb  nit  Ziehen  mag  Zu  der  Schnei 
geschickht  werden. 

Dardnrrh  bescliicht  aucli  weil  si^»  so  naohent ')  beysanimen,  dass  sie 
kliain  rt  chtts  Refrimont  führen  vnd  die  gehörende  Zucht  nit  hraiicli<'n 
di'i-tiVn,  dann  so  baldt  man  die  khünder  khrumb  ansieht,  sie  huiinblaufTen 
die  Srtitiehtiaister  mit  alleriei  narende  Lugen,  vercleinem,  dardurch  sie 
Znwegcn  bringen,  damit  sie  aass  Lauter  Fürwiz  vmider  der  Quatembcr  in 
annderc  Schneien  khommen,  vnnd  da  schon  vennttg  der  Silz  der  Annder 
Schuelmaister  dass  khftndt  so  seinen  vorigen  Schuelmaister  nit  bezalt,  so 
lanng  biss  Er  entricht  m  sein, Schnei  nit  anfhemmen  soll,  wirdt  doch 
solches  weil  er  dess  MiflndU  Kolhalber  fro  sein  mness  nit  alzeit  gehalten. 

Vnnd  obwol  vor  etlich  Jahren  vermög  FrL  Benelches  nit  mehr  alss 
Acht  Tentache  Schnelmaiater  alhie,  sollen  Passiert  werden  ao  sein  doch 
bey  14  Znegelassen. 

Dahero  sich  dann  begeben  daas  ainer  Aintweders  gar  haimblirh 
danon  der  annder  in  ein  andere  statt  gezogen  Tnd  der  dritt  die  Schnei 
gar  Teriaasen. 

Ansa  welcher  Tberseznng  auch  genolgt,  daaa  etliehe  Sehnebnaiateni 

etwann  nur  50.  vnd  aufs  maiste  80  Tud  100  khflnder  haben, welches 
Jeden  Jährlicli  1(H)  fl.  wenig  oder  mehrers  ertregt,  danon  er  sich  sambt 
weib  vnnd  khindeni  erhalten  muess,  vnd  den  hausZinss  ao  vffs  wenigist 
35  tl.  vnd  dass  Holz  15  fl.  bttrift.  nbrichten  mness.  daraus^  Jrirht 
Zeschlif'ssiMi  wie  hart  vnd  Annselig  sich  die  Sclmehiiaistcr  darbey  erhalt<;n. 
vnd  hinbringen  vnd  noch  darzuc  an  vill  kbindern  dass  i^uatember  gelt  gar 
verliehren  miessen. 

•)  =  nahp. 

j  Also  t>ine  Schttlerzahl.  die  man  Iteute  für  un2ulilt>3ig  erachtet^  war 
dumald  zu  gering. 

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54      Mrttpil  ungjcü  ff.  (io>-.  f.  deutsche  Eraiehungs-  u.  Schulgesch.  YII. 


Dflim  kheiner  vnnder  Ilinon,  so  Er  gleich  gesberi? ')  genueg  haust 
souil  ersparen  vnd  für  sich  bringen  khan,  dass  £r  Ihme  selbst  ein  Hmss 
erkhanffnn  nieclito 

Am>  wj'U  ia  iii  (iann  Zuspiren,  dass  die  hiesige  Schaelmaister  mit  den 
khündem  (:da  sie  auuderst  Ir  Narung  haben:  vnd  den  Pettlstub  eutgeiiii 
wollen:)  khein  rechtes  Regiment  fiehren,  vnd  die  Mothwendige  straff  nit 
bnaehen  derffen*  sonnder  Urnen  aus  noth  etwaas  mehreiB  benngen  vnd 
TbefMchen  mieisen. 

Ynnd  weiden  diser  Zeit  in  den  Tentachen  Scbuelen  bey  weithene 
aonfl  Jvgent  idt  also  von  wenig  Jahren  Js  kanm  7  oder  800  in  allem 
gefiinden,  danon  deb  12  Schaelmaiater  erhalten  mieuen  daibey  heUt  es 
wer  vUl  daruon  bring,  der  hat  \t11. 

Dio  vrsach  aber  dass  weniger  khinder  bey  den  Teutschen  Schneien 
alss  vor  Jahren  vurhandten.  ist  dass  discr  Zeit  die  inaisten  kbtlndcr 
Studieren  vnd  l^ateinisch  Lernen. 

Vniid  obwoll  die  Schuelhalter  allJiie  alss  wann  sy  nit  guete  Sclireiber 
vnd  Rechner  sein  sollen,  bissweilen  hören  miessen,  so  ist  doch  der  Maiste 
thail  in  aehreiben  Rechnen  Tnd  anndem  ohne  Rhoemb  hoffentlich  also 
Er&bren  dass  bey  Ihnen  noch  wol  andere  gnet  qnalificirte  Leith  abge- 
richt  werden  khSnden. 

"Wie  dann  Tor  Jahren  die  FOrnembsten  Schaelmaister  sonnderiieh  die 
Yi^sirer,  Sclireiber  oder  Junddunaister  gehalten,  darbey  gye  dass  Rechnen, 
Schreiben  vnd  Yisircn  also  erlernet  dass  Sie  hemaeh  selbsten  gtiettc  Schnei: 
vnd  Rechenmaister  ub^'eben,  vrelches,  wann  der  Sehuelmaister  weniger 
weren,  widrrunib  gescheclien,  vnd  gnete  Sclmclmaister  geZiglet^)  werdr-n 
khunden,  vnd  :>ich  nit  soh-lic  scldeclite  Leith  dainmben  bewerben  dertien, 
Jezt  aber  weil  wenig  Jngend  vnd  Zunil  liuclniaiiter,  khtlnden  f;ich  die 
besten  selbst  allaiu  schwerlich  erhalten,  wirdt  also  kliein  Sciiuelmaister 
mehr  respectiert  noch  obsemiert. 

Zur  geschweigen  Eudtlichen  dass  bey  diesen  Teutschen  Schuelen  Auf 
vnd  nach  Zeidichen  Abieiben  den  Schnlmaistem  Ihre  nachgelassenen 
wittil>eB  Arm  Tnd  hilfloss,  Ja  da  sie  nit  auch  bald  abdruckhen,")  dem 
Petdstab  schwerlich  entrinnen  mögen,  dann  der  wenigist  tliaU  der  wittiben 
nach  Absterben  Ihrer  Ehdiftnner  den  Schneien  voistehn:  oder  Znner- 
liettFathnng  aunderer  qnalifisierter  Schnlbalter  (:wie  bey  annderen  band- 
tiemngen  leichter  besehicht:)  schwerlich  gelanngen  khönnen. 

U\  (lern  allem  nach  der  scbnelhalter  sambtlicli  vndeiihenige  Mtt,  Imm 
nit  allein  mit  aufnemung  Neuer  Schuelhalter  biss  die  Zahl  vermög  ange- 
repten  Frl.  bou'  Irbs.  widenimb  vfT  8.  liernb  khombt,  pl,  Zuuerschonneti 
sonndem  auch  hieroberZelte  l^'^-hwer  Punctcn,  gl.  Znbetjbaehtcn,  vnd 
Ihnen  in  aim  vnd  andern  funiemblich  aber  mit  aussthaillung  der  Scbuelen, 

■)  —  sparsam,  notig. 
')  —  hernn  gesogen. 
')  =.  sterben. 


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7.  Kill  Streifzug  durch  die  deutschen  ISchulen  Münchens  etc.  55 


tn  A\p  vip?-tl  vnd  bct]U»'nier  Züiner,  aurli  dass  bey  Ir  Curfrl,  T)rl.  Ihnen 
wiiienimh  Jahrlich  dass  vorige  Traidt  eruolgt  werden  mechte,  gl.  ver- 
holffen  Zusein.  M 

Am  8.  März  1629"^)  Hess  der  H»t  die  Hiuntlioh^D  «Maister". 
deren  Zahl  seit  1614  sich  auf  zwölf  ab;;emind(>rt  hulk*.  zur  Ein/.el- 
vernohniuii«;  vorrufen.  Ihre  IIaiii)tbt's<'lnverde  wnr  wieder  die 
Ueber^^elziing  der  Zunft,  da  ,lr  8  es  kh(»nt<'n  wohl  verrichten.* 
Ferner  erachteten  sie  für  nötig,  die  Erhöhung  des  QuartÄlgeldeö 
auf  24,  40  kr.  und  1  fl. 

Letzterem  VVnnscht'  wurdf  ;iuch  entsprochen:  fliiMiso  ^elans; 
es  der  Zunft,  die  Zahl  der  l)üi'>;erlichen  Schnlhaltrr  mehr  und 
mehr  einzuöciuäiiken.  sodusri  deren  im  Jahre  1696  (neben  den  un- 
verändert fortbestehenden  drei  Lat«'iu8chulen)  nur  noch  fünl  be- 
stunden. Trotzdem  richteten  die  Zunftgenossen,  als  im  genannten 
Jalwe  eine  (iere«  liisame  erledigt  war,  folgendes  . Undertheniges 
Memorial"  an  den  Stadtrat 

yiOostricrs  Tai,'>  in  d  fniehe  liaf  <TMTt  d  allnKTliti-ii-  sfinem  Viier- 
fiirsciilicli  Göttlichen  Willen  nach  Antununn  Öttl  gt  '»«.rsteii  IJurgcr  \ud 
touthclien  Srhullhaltcr  alhie,  vnd  erst  vor.  4.  wocheu  »ein  EliewQrthin 
Aunum  nunmehr  beed  secl  von  den  Zeitlicheii:  hoffentlich  zum  ewigen 
lieben  abgefordt,  hierdurch  dann  solche  Schnellhalterstflhl  Vadrent  worden. 

Wann  dann  geblettundte  Herrn  x.  ir  dannoch  5.  tratsch:  vnd  3. 
Lateinisch:  Zosammen  aber  8.  SchueUen,  ohne  der  Engellendischen 
freylen  Vorhanden^)  mit  solcher  Zahl  dann  auch  schon,  vnd  Zwar  da- 
ramben  yberhenfl  sein,  Weilten  erst  angeregte  adeliche  frevlen  ihre  Kinder 


M  St.-Arch.  II,  121. 

^1  hn  Jahre  IHl-l  hattt'  .Maximilian  I.  den  Befehl  zur  Vi.-<itati(>n  .'s.lmt- 
licher  bayeriHchi-ii  Si  luilcii  gogoben.  Üb  di(>  Soito  äo  f.  erwJlhntc  Visitation 
der  Münchner  Schulen  bereits  in  jenem  Jahre  stattfand,  ist  nicht  sicher. 
Die  alteren  AktenatUoke,  namentlich  Bingaben,  tragen  selten  ein  Datum, 
nicht  einmal  einen  Binlaufvermeric,  sodass  man  die  Zeit  ihrer  Bntotobung 
oft  nur  aus  anderen  verwandten  Urkunden  annähernd  bestimmen  kann. 
Die  von  Seite  60  an  aufgeführten  Bcbriftetttcke  fallen  in  die  Zeit  von  1614 
bis  1629. 

»)  Rtadtarch.  Lud»'  II.  1-2!. 

*)  i>urch  Ent.s(•llli^'s:^ll^fr  des  Kurfürsten  .Maximiliaiif»  I.  vom  15.  Januar 
1644  war  den  Lateitischuieu  die  Erlaubnis  erteilt  und  trotz  des  Wider- 
epruchee  des  Stadtrates  «nfirecht  erhalten  worden,  auch  deutochen  Unter- 
richt au  erteilen,  wodurch  den  deuteelien  Schulen  viele  Knaben  enteogen 
wurden.  Deshalb  legt  en  die  deutschen  Schulhalter  fortwährend  Beschwerde 
gegen   die!»p  Roointr.lchtigiing  auf  tmd  bewirkten.  Kurfürst  Max 

Emanuel  unterui  ti.  Oktober  IHiMi  dem  Magistrat  den  Beieid  zugehen  lies?«, 
abzuschafl'eu,  dass  die  Uitelnlschen  Bchulhalter  Deutsch  lehren,  aber  uucli 


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56     Mitteilungen  d.  Oes.  f.  deutsche  Ersieh  ungs-  u.  Schulgeacb.  Vn. 


in  grossen  Menge,  beuorab  bcy  inzig:  weit  grosser  gepauteu  Schuellen  vnd 
wolgerichten  Gelegenheit,  aber  Zur  Tnserer  den  tentschen  ScliuelUialter 
faeefastem  Naelithea  gratis  lehren.  Neben  dene  das  sonil  Pmoeptores, 
Yagirende  Stndenten,  Winckel:  vnd  StDellschreiber  die  Kind  Zn  hans 
inatniini  so  gar  in  Icein  SehneU,  Yihreniger  in  die  CSuistenkhr  geschickt 
werden,  liierdurch  dann  nit  allain  vnKor  Gewerb,  scnder  anch  die  bedürf- 
tige Nahrung,  bey  disen  so  Theur:  vnd  Geltclainen  Zeiten,  wegen  dess  da- 
binden  bleibenden  Quatemberpelts  ciestArt:  hingegen  die  bansZins  nur 
imerdar  eihöticrt  werden,  die  w<lr  bis  in  die  60  mUehesamb  kummer- 
Uchist  raichen  rouessen. 

Gelangt  demnach  an  flir  Wohlfdl.  Gestrl:  Edl  Vcst  \ud  wolweisshl. 
vnscre  vndtheniges  bitten,  Die>elbe  gerueheu  eingangs  ernaout:  nunmehr 
Tacirende  tentsche  SdraellhalteratOUana  abangeregten  wahren  motia^  vnd 
Zwar  mb  sonil  ehend  ggl.  aufheben  Zlassen,  wdllen  Termuettlieh  ein 
ander  Schnell  vha  Lehen,')  ab  welchem  sonsten  nit  wenig  Kind  in  vnsem 
Stattschnellen  herein  gangen,  anfgesCellt:  anch  ohne  di.  dem  jnngen  Sperl 
Zn  seiner  Zeit  (iGliebts  Gott:)  solch  seines  Vatters  seel:  Verlassone  Stöhl, 
nach  ggl.  belieben  vorbehalten  werden  mechte.  Zn  ggl.  Wilfahnmg  vns 
mdterthenig  empfelchent. 

Die  Sclmellhalter  alhie  sambt  vnd  Sonds. 

Zuj^leich  hatte  auch  unterm  Ib.  Mai  1696  Tochter  dos  ver^ 
storbenen  Lehrers  an  der  Oettclschen  Schule  in  der  SendÜDgerstrasse. 
Maria  Theresia  Schmidtin  um  Uebertragung  der  erledigten  Stelle 
gebeten,  Vobei  sie  zur  Itegrüudung  vorbringt:  .indem  ich  von 
Jugent  auf  meinem  Vattern  sehl.  sowohl  in  geistl.  als  weltlich 
instruction  die  Liebe  Jugent  mit  beygeholffen,  dahero  zu  instruiren 
gattsambe  Wissenschaft  habe,  Zuniahlen  ich  auch  dem  Hochlöbl. 
Statt  Magistrat  x.  ainen  der  Schnell  tauglich  Verstendig  Und  ge- 
lehrten Menschen  mit  dero  gnad  Oonsens  vorschlagen  würde." 
Zu  wessen  Gunsten  die  EütBcheldimg  ausfiel,  ist  aus  den  Akten 
nicht  zu  entnehmen. 

SU  verhindern,  dass  die  deutschen  Scbulhalter  lateinische  Buben  lehrten 
Dieser  Befehl  scheint  aber  nicht  durchgeführt  worden  su  sein,  denn  auf 

weitere  Beschwerden  entschied  Karl  Albrecht  am  28.  April  1748,  dass  es 
bei  der  bisheripen  Observanz  sein  Verb!<^ib«'n  haben  solle,  wonach  denn 
die  Lateinlehrer  auch  wie  bisher  deutBciien  Unterricht  gaben.  (Vergl. 
Oebele  a.  a.  0.  8.  20).  Das  Institut  der  englischen  Prftulein  war  1629  unter 
Maximilian  I.  gegründet  und  demselben  neboi  ausgiebiger  Dotation  ein 
geräumiges  und  günstig  gelegenen  Gebftnde  (die  heutige  Polizeidirektion) 
angewiesen  \vordpn.  sodriws  don  dont.'^chpn  Srhulon.  in  donen  Knaben  und 
Mftdcheu  in  un^otreunteu  Baumeu  unterrichtet  wurden»  auch  Abbruch  ge- 
schah.  (Gebele  S.  13.) 

')  Eigentlich  Lehel,  ein  Stadtteil  ausserhalb  der  Ringrmanem. 

«)  Btadtereh.  II,  1^. 


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7.  Ein  Strelfitun;  durch  die  deutoehen  Schulen  Münchens  etc.  67 


Es  aei  hier  angefügt,  dass  78  Jahre  später  ein  ftholieher  Fall 
zu  Guneteii  einer  Witwe,  besw.  deren  Tochter  entschieden  wurde. 
Im  Jahre  1774  stellte  die  ^twe  des  verstorbenen  Schnllehzers 
(die  Benennungen  Sehulhalter  und  Scbulmeister  waren  trotz  Fort- 
bestandes der  Zunft  damals  in  Bayern  schon  abgeschafft)  Feldmayr, 
Susanna,  an  den  Bürgenneister  die  Bitte,  der  Schule  des  Verlebten 
mit  ihrer  Tochter  vorstehen  zu  dfirfen  bis  zur  «Herstellung  eines 
tauglichen  Subjekts.*  Als  solches  besseichnete  sie  einen  Hofdiechslers- 
söhn  aus  Salzburg,  Sebastian  Rettensteiner,  und  bittet,  die  Gerecht- 
same ihrer  Tochter  Anna  Maria  Übertragen  zu  dürfen.  Durch  Er- 
lass  des  Kurfürsten  Max  III.  Joseph  vom  8.  Januar  1774  wurde 
dem  Magistrat  auf  Grund  eines  Gutachtens  des  geistlichen  Rates 
befohlen,  der  Witwe  einstweilen  das  Schulhaiten  zu  gestatten. 
Nachdem  später  Seb.  Rettensteiner  bei  der  verordneten  Kommission 
(die  ApprobationsprOfüngen  der  Schullehrer  waren  den  Zunftvor- 
stehem  wieder  abgenommen  und  einer  staatlichen  Kommission  Über- 
tragen worden)  die  vorschriftsmassige  FrOAmg  und  vor  dem 
Dechanten  im  Beisein  zweier  Zunftmitglieder  das  Glaubensbekenntnis 
abgelegt  hatte,  wurde  er  zum  Schullehrer  ernannt. 

Einen  fortlaufenden  Gegenstand  der  Beschwerden  der  »ver- 
bürgerten  Schuelhalter**  bildeten  die  Winkelechulen  und  das 
Instruieren  nicht  approbierter  Personen  von  Haus  zu  Haus. 
Und  doch  war  daran  hauptsächlich  der  Umstand  schuld,  dass  durch 
fortwährende  Abminderung  der  konzessionierten  Schulen  und  die 
infolgedessen  ausserordentlich  gesteigerte  Kinderzahl  der  einzelnen 
Klassen  die  Zunftschulen  nur  Ungenfigendes  leisten  konnten. 

In  einer  Eingabe  der  Vierer  an  den  Stadtrat  (olme  Datum, 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  der  Zeit  um  1620—30)  wird  Klage 
geführt  «da  nit  allein  bey  vomemmen,  sondern  Genudnen  Leithen 
souil  pedagoges  gehalten  vnd  die  Jugent  von  den  schneien  vnd 
kbinderlehm  abgezogen  werden,  ....  Also  die  teutsche  schneien 
in  solche  Verachtung  khomen,  das  die  Schuelmaister  nit  mehr  wie 
vor  dissem  respectiert  vnd  obseruiert  auch  schier  khain  Zucht  von 
ihnen  angenommen  werden  will.'' 

In  einer  Beschwerdeschrift  vom  80.  November  1770  führen  die 
,»8amtlichen  Verburgerten  Schuelhater''  29  solcher  Winkelechulen 
und  Instruktoren  namentlich  auf.  In  vier  Winkelschulen,  darunter 
eine  Kasemenachule  und  die  Schule  eines  Mesners,  wurde  täglich 
vor-  und  nachmittags  Schule  gehalten.  Die  Instruktoren,  so  von 
Haus  zu  Haus  laufen,  darunter  auch  zwei  Frauenspersonen,  die 
neben  dem  firanzd8i?itK«n  Unterricht  (zu  dem  sie  wohl  berechtigt 


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58      Mitteilungen  <i.  (ies.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  SchulgeBch.  YII. 


waron)  auch  deutscheu  erteilten.  IVrnor  ein  StudtMit.  der  sich  vpr- 
heiratet  hatte,  ein  frUheifr  Prazeptor  u.  a.  werden  _8tinipler  und 
Pfuscher"  genannt,  dif  du  hpssoren  Schüler  an  sich  ziehen,  sodass 
den  verburgerten  S»  (mKi  ilterii  nur  die  anueu  Siiltungskinder')  ver- 
blieben und  sie  den  schweren  Hauszins  nicht  zahlen  könnten. 

Noch  im  Jahre  1782,  da  die  Zunft  bereits  bedeutungslos  ge- 
worden war  und  die  Zahl  der  deutschen  Schulen  sich  wieder  ver- 
doppelt hatte  (10  gegen  5),  sah  sich  der  Geistliclie  Rat  als  oberste 
Schulbehörde  zu  folgender  EntschliessuDg  Teraolasst:^) 

Zum  grössten  Nachteil  des  Staates  sowohl  als  des  Schulwesens 
haben  bisher  eine  Kenge  hiesiger  junger  T>eute  aus  keiner  anderen 
Ursache  sich  aufs  Instriilren  von  Haus  zu  Hause  begeben,  als  daes 
sie  einen  Titel  dadurch  erhalten  möchten,  die  Heuratslizenz  nach- 
zusuchen und  zu  erlangen.  Ohne  alle  Prüfung,  ohne  oft  kaum 
mittelmassige  Fabiglceit  setzten  sie  sich  denn  hin,  liefen  in  der 
Stadt  herum,  und  kaperten  geübten  M&nnem,  und  zum  Teil  auch 
braven  Studierenden  <lie  besten  H&ttser  weg,  unterrichteten  höchst 
wolilfeil  aber  ohne  allen  Plan,  waren  weiter  nichts  als  Ueyprüzep- 
toren*),  oder  enichteten  Winkelschulen.  Dieser  Unfug  und  die 
Raseroy  ohne  einen  bestimmten  Posten  sich  zu  verehelichen,  er- 
streckte sich  auch  auf,  zum  Beyspiel,  geschickte  und  wirklich  bei 
Stadtschulen  angestellte  Prazeptoren.  Dadurch,  und  bei  deren 
täglich  zunehmender  Anzahl,  fallen  sie  sich  nun  nicht  nur  allein 
selbst  unter  einander,  und  dem  Staate  mit  häutig  unver-sorgten 
Witwen  und  Kindern,  toli^lidi  Bettelleuten,  zur  Last,  sondern 
sperren  sich  auch  jede  Aussieht  zu  ihrem  Uni^  rkonnnen,  da  man 
schon  mehrraal  ergiebige  Schuldienste  hin  und  wieder  im  Lande 
mit  derlei  auch  noch  so  guten  Subjt^kten  bloss  desswegen  nicht 
besetzen  konnte,  weil  sie  sdion  gebunden,  mithin  eine  Witw  e  oder 
Tochter  zu  eheliehen  und  dadurch  versorgt  zu  werden  ausser  Stande 
waren. 

Solchem  Unwesen  diesem  noch  abzuwehren  hat  man  von 
CburfDrsÜ.  geistl.  Rathswegen  nicht  entstehen  wollen,  das  so  nötig 
als  nfltzliche  Ansinnen  an  die  auch  OhurfUrstl.  obere  Landes- 
regierung zu  stellen,  selbe  beliebe  allen  hiesigen  GerichtssteUen, 
Staatskommissarien,  voncQglich  aber  den  Hof-  und  Stadtoberrichtei- 
ftmtem,  und  dem  Gerichte  ob  der  Au  (:bey  dem  eben  der  Fall, 


1)  Kinder,  für  die  das  Schulgeld  aufi  Stiftungen  bezahlt  wurde. 

*)  StnHfMrch.  Lade  Tl.  120. 

*j      üut  dem  Lande  (im  Gey  d.  i.  Uaui  üerumwanderade  Lehrer. 


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7.  Bin  Stndftuff  durch  die  deutschea  fichulen  Mflnebeiia  «tc.  59 


welchem  hoftentlich  vorzuheu<;en  diese  Eriuuerung  noch  nicht  zu 
spät  kommen  wird,  novissime  existirt.  allwo,  vermnthlich  durch 
falsches  Vorschreiben  ein  sicherer  Scharf,  den  doch  der  vorige 
Gerichtaherr,  wie  die  dasige  Schullehrer  vorgebracht,  schon  2  mal 
aus  dem  Gericht  geschaft,  die  Heyrathslicenz  zum  grössten  Prä- 
judiz der  Schulen  erschlichen  haben  soll:)  endlich  auch  dem  Hof- 
marchsgerichte  zu  Haidhausen  und  Falkenau  nachdrücklichst  anzu- 
befehlen,  dass  sie  von  nun  an  keinen  Menschen  mehr  unter  dem 
Titel  eines  PrSzeptors  oder  Instrtiktors  sich  ansässig  zu  machen, 
noch  Tiel  weniger,  er  sey  hernach  bey  einer  Schule  angestellt  oder 
nicht,  sich  verehelidhen  zu  dürfen  erlauben  sollen,  es  wftre  denn, 
dass  ein  solcher  bei  dieesortiger  Stelle  fSrmlich,  und  zwar  neuer- 
dings geprüft  und  etwa,  jedoch  hOchst  selten,  aus  besondere  erhel>- 
liehen,  nur  hier  zu  berichtigenden  Umstanden  die  Billigkeit  seines 
Gesuchs  anerkannt  worden;  da  denn  jederzeit  zuvor  vom  geüÜ. 
Rath.  resp.  dem  dabei  bestehenden  Schuldirektorium  die  nötige  Er- 
innerung zu  erholen,  und  ausserdem  ein  jeder  der^eichen  Supplikant 
gleich  instanti  von  der  Hand  zu  weisen  ist,  mit  dem  Bedeuten, 
falls  er  auch  sub  alio  quovis  colorato  titulo  das  Gesetz  zu  dndiren 
suchen  wollte,  mau  ihm  das  Prftceptoriren  gewiss  auf  unbeliebige 
Art  einstellen  wOrde. 

Sigl.  iü  C0U8.  tsccl.  Münclieii  deu  loten  9bris  1782. 

Graf  V.  Spreti.  . 

Fttr  die  Schullehrer  selbst  war  der  Zunftverband  allerdings 
insofern  von  VorteU,  als  sie  nicht  nur  durch  ihre  Vonechte  gegen 
unliebsame  Konkurrenz  sich  schätzten,  sondern  noch  mehr,  weil  sie 
als  zttnftige  Meister  auch  Stadtbürger  waren  und  an  deren  Rechten 
teil  hatten,  was  namentlich  Ihren  Hinterbliebenen  zugute  kam,  nicht 
weil  sie  etwa  Älimentationsberechtigungen  hatten  —  die  gab  es  nicht 
für  Scbulhalter  —  sondern  Anspruch  auf  Almosen  aus  Öffentlichen 
Stiftungen.  Allein  für  die  Entwicidung  des  Schulwesens  war  die  Zunft 
nur  hinderlich,  und  dieses  hat  in  der  Zeit  von  mehr  als  zweihundert 
Jahren  nicht  nur  keinen  Fortschritt,  sondern  bedauerliche  Rück- 
schritte erfahren.  Dieser  Rückgang  zeigt  sich  schon  üusserlich  in 
der  fortwährenden  Einschrftnkimg  der  Zahl  konzessionierter  Lehrer. 
Wie  schon  oben  bemerkt,  betrug  diese  1580  18  bezw.  19,  sank 
aber  lasch  auf  16  (1614),  12  (1629)  und  d  (1696).  Darin  Uegt 
einerseits  eine  ausserordentliche  Beschränkung  der  Büdungsgelegen- 
heit,  und  andererseits  trat  eine  UeberfUUung  der  einzelnen  Schulen 
(von  einer  oi-dentlichen  Klasseneinteilung  wusste  man  ja  damals 


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60      lliiteUiuigeu  (1.  ües.  f.  UeuUchtd  RrziehimgH-  u.  t>chulge8ch.  Vil. 


]iU'hls)  iu  tiokliein  (Tradf  oiii.  wie  si«-  uns  hvuU'  mihf«:rt'ifli(li  or- 
sfheint,  Ueber  die  Suhülerzahl  aus  dem  Jalirc  lüGO  siiul  wir  uioht 
unterrichtet;  mn^  Jahr  1614  zahltt'  mau  bt*i  16  Lehrpei-sonen 
1024  Schüler,  xid  iss  auf  eine  LeJirkraft  64  liefieii.  Aber  dem 
gpgemilier  zählie  inaii  17b6  je  eine  Sehnle  mit  80 — 100.  I>ezw. 
110 — 120,  drei  Schulen  mit  120 — -130  und  weit#»re  drei  j^ai-  mit 
130 — 140  Schülern  V)  mithin  lur  eine  Schule  durchtschnittiich  etwa 
122  Schüler,  gerade  nneh  einmal  snN»el  1614.2) 

Schon  hierauH  lässt  sirh  schliesseu,  (la.s8  die  L'iiteiTichl.serl'idire 
nur  ?nangelhaft  .sein  konnlen.  si*  \vai*en  ex  aber  auch  in  Hinsn  iit 
aul"  die  Qualität  der  Lehrer.  Sagen  doeli  die  Schulhalter  in  ihren 
„ Besch xserpimkten"  (S.  54)  selbst,  es  sollten  wieder  ,guete  Schuel- 
maister  gezieglet"  werden,  damit  sich  nicht  .,8olche  schlechte  Leith 
darum  (um  die  Lehrstellen)  bewerben  flerften."  Es  würde  zu  weit 
führen,  hier  auch  auf  den  inneren  Schulbetriei»  näher  einzugehen: 
das  aber  darf  gesagt  werden,  dass  der  Unterricht  sit  h  in  alten 
Geleisen  fortschleppte  und  in  mechanischem  Eiulerueu  imd  geiist- 
losem  Drill  bestand. 

Als  daher  der  edle  Kuriiu-st  Maximilian  III.  (1740  1777). 
dem  allgemeinen,  auf  Hebung  der  Volksbildung  gerichteten  Zuge 
der  Zeit  folgend,  auch  in  Bayern  eine  gründliche  Verl>e8sening  des 
Schulweseufi  mit  allem  Ernste  au.sticbli».  war  er  vor  allem  bedacht, 
den  Lehrei*stand  .selbst  und  dessen  Ansehen  zu  heben.  In  einem 
Mandate  vom  18.  Oktober  1770  über  die  Verbessernnu;  des  Schtil- 
wesens  finden  sich  die  folgenden  goideueu  Würte:  „Da  da,.s  Ami 
eines  öffentlichen  Schullehrers  im  Staate  eines  der  wichtigsten,  wo- 

^)  Da  die  Sehttlenahl  wfthrend  des  Jahre«  weehselte,  sind  Minimal* 

und  Maximalziftem  angegeben. 

')  Lnr.  V.  \\ Cstcnripder  sairT  in  oinem  1790  veröflentlichten  Aufsätze: 
„Ob  man  Borger  und  B.iueni  autltlüieu  äoH?":  «In  München  sind  wenigaten» 
8000  schulfähige  Kinder."  (I^ie  Stadt  zahlt  damals  gegen  üOooo  Einwohner.) 
N  Lange  nicht  2000  besnehen  gegenwärtig  die  affentlichen  Sehulen.  Bs  ist 
also  hier  Iceine  Nationalersiehnng.  Wer  eine  solche  herstellen  wollte» 
mfleste  sich  gefallen  lassen,  eret  etwa  1000(N)  i1.  auf  Heretellung  ordent> 
licher  SohulhfUjfer,  dann  (im  Kapital  wenigsten»)  ebennoviel  zur  beBtiin- 
digen  und  an^eiiu  .'i.^eiieii  Besoldung  lür  Lehrer,  die  Zutrauen  und  Achtung 
verdienen,  zu  verwenden.  (ISaratüche  Werke,  Kempten  18i}Ü,  Bd.  VI, 
8.  4S.)  Wie  bescheiden  der  ehrwOrdige  Westenrieder  noch  war*  Heute 
verwendet  ^e  Stadt  Manchen  (bei  mehr  sls  40UU)U  Einwohner)  auf  ihr 
Schulwesen  jährlich  Uber  3  Millionen  Uark,  ungerechnet  die  Beitrüge  des 
Staates  und  des  KroinoH  i  I'rdviii/,),  tind  für  Schulhausbauten  wurden 
seit  1870  jnhrlich  «egeu  .»(«hhh»  M.  verautigabt.  Die  Zahl  der  Werktags- 
schuler  betragt  nahezu  40000  in  ca.  720  Klaasen. 


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7.  Ein  Streifini^  durdi  die  d«ataeh«i  8chii]«ii  llttaelieiia  efee.  61 


von  meistens  die  Erziehung  guter  nützlicher  Staatsbürger  abiiRngt, 
8o  soll  die  Obrigkeit  diesen  SchuUehreni  ihr  Ansehen  auf  jede 
mögliche  Weise  vermehren  und  sie  insbesondere  nicht  unter 
andere  Zünfte  stossen  und  den  Handwerkern  gleichhalten/ 
Zunächst  suchte  der  KurfttiBt  die  Mfinchener  Lehrer,  um  ihr  An- 
sehen zu  erhöhen,  der  bisherigen  Zunftstellung  zu  entheben  und 
aie  den  OiTentllchen  Bediensteten  einzureihen.  Zum  Ausdruck  kam 
dieees  bei  der  ji^rossen  Fronleichnamsprozession,  der  die  Lehrer  bis- 
her als  Zunft  unter  den  Handwerkerzünften  angerechnet  hatten. 
Unter  dem  14.  Mai  1771,  kurz  vor  dem  Fronleichnamstage,  erliess 
der  Landesherr  folgende  fintschlieflsung  an  den  Magistrat: 

.^uchdem  Wir  gdst.  rosolviret,  dss  Unseren«  gdst.  Generali 
gemäss  die  Srliulh-hrer  kcint-swegs  nielir  oiiie  Zuiill  tonuieren 
sollen,  8o  habt  ihr  zu  verfüi^eii.  dass  für  aiilHMier  tJa«  ei"stemahl  sie 
Dicht  mehr  als  eine  Zuuft  iu  der  Autlasprozesöiou ersciieiuen 
mögen."  

Diese  Entschllessung  wm-de  den  samtlichen  lateinisclien  und 
deutschen  Lehrern  mit  Ausnahme  des  als  kiank  entschuldigten 
Fronholei  zu  Protokoll  eröffnet,  wofür  sie  zwar  .gehorsamen  Dank* 
erstatteten,  sich  al>er,  weil  sie  sich  äusserst  beschwert"  fänden 
„unterthänigste  Vorstellung"  vorbehielten. 

Durch  diese  Verfügung  wunien  die  Lelirei-  in  die  hocIistcAiü'reguiig 
\ei>ei/A.  liisher  wohnten  sie  d^r  Piu/e^siou  mit  Spiess  und  Staud- 
afle  hei  und  trn<;en  die  Kerzen  auf  Stangen,  wie  die  übrigen 
Zünfte,  .letzt  sullteu  sie  irleich  den  IJeainten  die  Kerzen  in  den 
Uäiidt  ii  tragen  innl  Spiess  und  Jjtaugeu  beiseile  lassen.  Daä  mussie 
verhütet  werden. 

Ein  Augenzeuge,  An\.  v.  Hiiclier  ^katli.  (ieistlicher)  berichlet 
darülMT  in  seljjen  P.eit rieben  zur  Sciail-  und  Erziehungsgeschichte 
in  Baiern  1778  (S  l-iyf  ):  .Mit  Spiess  und  Stange  überliefen  sie 
am  Fe.sttage  den  Landeshenn  und  batiicii  um  ihre  Standarte 
wieder,  wt^il  man  ihnen  autgebunden  hat.  dadurcli  wäie  die  Ehre 
(iOttes  lieleidigt;  wenu  sie  ohne  Spiels  und  Standarte  erscliieneij. 
und  die  Kerzen,  die  sie  aul  den  Stangen  lierumtrugen,  in  Händen 
trügen,  uud  heriiiu  h  weil  ;iuch  ihr  i)ürgerliches  Hrod  und  die  Schnl- 
lehrergen'chligkeii  /.n  seiner  Zeit  darunter  leiden  könnte.  —  —  — 
Hatte  ich  <len  gelehiten  Mann  ideht  selbst  ndl  den  Sjiiess  in  der 
Hand,  uud  in  eine  seidene  Scharpie  bis  über  hallten  Leil*  ein- 

Daa  PronleichnamsfeBt  heisst  auch  Antlu,  und  zwar  daa  Hauptfest 
der  grosse,  das  vier,  bsw.  acht  Tage  darnach  begangene  der  kleine  Antlas. 


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62      MitteiluQigen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Scltulgesch.  VIL 


gewickelt,  bei  dem  Laiidesherrii  nrn  die  KSiandarte  bitten,  und  Uber 
die  Kränkungen,  mit  denen  man  ihre  büi*gerli(;he  Freyheit  be- 
ü€h\veiei.  klagen  gehöret,  so  würde  ich  die  ganze  Erzählung  Für 
eine  Eitindiing  eines  lustigen  Kopfes  angesehen  haben." 

Der  gütige  Fürst,  dem  nichts  ferner  lai'  als  den  Lehr»  i  n  «'ine 
Unbill  ziizutiigen.  gewährte  diesen  die  stsinlerbare  lütte  u!i»!  lie-^s 
s>ie  naeli  wie  vor  mit  Spiess.  Stan<!:irlH!i  und  Stangen  nnler  den 
Handwerkerzünften  bei  der  Prozes-^n n  para<heren.  Aneii  der  Ziinlt- 
\erband  dauerte  noeli  turi.  uliwolil  er  alle  Hedeulung  verloreu 
hatte.  —  Kr  liel  von  selbst  mit  I)eginn  des  neuen  Jahrhunderts, 
da  infolge  der  franz<isi>t  iien  Kevoiuiion  und  der  durch  dieselbe 
hervorgerufenen  Kriege  nicht  mir  der  Hesitz.st^ind  Bayerns  eine 
gänzliche  Umgestaltung  erfuin.  sondern  auch  andere  Hegieruiigs- 
grundsRtze  zur  Geltung  gelangten,  so  dass  mit  der  \'«'i-ändei-iin^ 
der  territorialen  auch  eine  solclif  der  innerstaaile  heu  Verhältnisse 
eintrat,  die  auch  einer  wiikiichen  Schulretorni.  wie  hip  unt<»r  dem 
Kurfürsten,  siiäteren  König  Maximilian  1.  ins  Werk  geöct/J  wurd»% 
die  Wege  ebneten.  Das  Volksschulwenen  —  denn  erst  mit  He- 
ginn unseres  Jahrhunderts  kann  man  in  Wirklichkeit  von  einem 
solchen  sprechen  —  weibt  in  einem  \  ierteljahrliunderi  grösseren 
Fortgang  auf  als  vorher  in  der  Zunt'tzeit  lu  zwei  einiiaib  Jahr- 
hunderten. 


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8.  IHe  Bdrallehrersfainilie  Thoma  in  Tutzing  am  Würmsee. 


8. 

Die  Schullelirersfamilie  Tlioiua  in  Tutzing  am 

WilmBee. 

Mftgetetlt  vom  Seminardlrektor  Jos.  Relffenmooter  in  llOnchen. 

jyio  „Thoma",  ein  sehr  altes  » leschlecht,  ntamtnen  laut  \S appedkuml«» 
au»  Tegeroäee  iu  Uberbayern,  allwo  schon  uuno  1196  Edgaid  Thouui  im 
dortige»  Benedlktinenttft  Bcholaatlker  war*).  Derselbe  besog  nebit 
freiem  Quwtier  und  Zehrang  sucIl  noeh  ein  Oeldaveieum,  „demit  er  die 
Kinder  ja  recht  fleissig  m  den  Elementen  unterrichte."  Ihr  Stamm  ist  nur 
in  Bayern  vf»rz\veig:t.  Im  Wappen  ftthrt  dioses^  Cesclili'clif  rdipn  ;ini  HpIh», 
dessen  Decken  goldun,  schwär/-  und  rot  sind,  einen  wachsenden  Luweii, 
einen  solchen  auch  oben  Im  Schilde  im  blauen  Felde;  dieser  weist  auf 
Groeemtit  und  Edelsinn  des  Eklgard  Thoma  hin»  wahrend  die  8  Kron«i  und 
2  matter  unten  im  eehwarx-roten  Grund  das  uralt«  Klosterwappen  von 
Tegernsee,  dem  Stammorte  der  ThomSi  sind.  (Aus  Paul  POrsts  Wiq»pen' 
tcunde  1496.) 

IMe  ^.Thumu"  finden  sich  als  Inhaber  des  Messner-  und  später  auch 
^^(-.Ituldieustes  in  Tutzing  in  den  Taufmatrikeln  der  Pfarrei  Bemried  seit 
1582  und  zwar  In  iul^j^ender  Reihenfolge: 

1.  Nik(»hi\i.^  Thoma,  dem  am  28.  Juli  ir>82  ein  Kind  getauft  %vurde. 

2.  Ihm  folgte  Kaspar  Thoma  als  Meaauer,  dem  am  :^iJ.  iMai  oia 
Kind  getauft  wurde  und  der  am  29.  Desember  1642  starb. 

8.  Maeh  ihm  findet  sieh  ab  Measner  dessen  Sohn  Markus  Thoma, 
geb.  19.  Aprü  1611,  t  17.  Oktober  1692. 

4.  Der  Sohn  deeselben  Blasiue  Thoma,  geb.  den  2.  Februar  1648» 
t  am  28.  April  1698,  ist  Messner  und  der  erste  Schulhalter  in  Tutsing. 

6.  Dessen  Sohn  Benedikt  Thoma,  geb.  26.  Mftra  1677,  t  8.  Dez.  1748^ 
.Hessner  und  8chulhaltcr  in  Tutzing. 

a.  DesBtn  Snhn  Zarhaus  Thoma.  gpb.  2«.  August  1718, f  19. Juli  17bO, 
ebenfalls  Mesi^ner  und  Schiilhalter  in  Tutzing. 

7.  Km  folgte  ia  gleicher  Eigenschaft  Klement  Thuma,  geb. 
2a.  November  175«,  t  H.  April  1886. 

8.  Jakob  Thoma,  geb.  6.  November  17'Jl,  Solin  des  vorigen,  war 
zuerst  6  Jahre  provisorisch,  dann  seit  21.  September  1819  d^itiv  Schul- 


t)  Rr  RohCrte  «llor  W^hrw-bciolictikvit  n«eli  iletn  I^iVDStiinile  lut. 


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64    Hitteihiiigttii  d.  Ge«.  f.  dentfche  Bniehung»-  a.  Sdialgeeeh.  VII. 


1  ehrer  in  Tutsing.  16  Kinder  eatotammen  seiner  Ehe  mit  Fhuutlalc» 
Wegner>). 

9.  Der  letzt«  Lehrer  in  Tutzing  war  deeeen  Bohn  Wilhelm  Thomn, 
geb.  den  81.  Januar  1882.  Derselbe  lebt  gegenwärtig  nidit  mehr. 

Die  Schule  Totxing  wurde  16W  durch  die  Choiherm  des  Augustiner- 
ürdenH  in  Ürriiried  im  Vereine  mit  Rcii-Iisfi-Hiliorni  von  (lotzcii^rioii.  Hoi- 
rat  In  München,  gegrt^ndct.  Dan  Kloster  iible  die  OburaufBicht  Uber 
dieselbe;  die  Chorherru  erteilten  den  kehgionsunterricht  bia  zur  Kloster- 
aufbebung  1808.  Ata  Meaaner  hatten  die  .Thoma*  seit  1500  das  Anwesen 
N.  IS,  jetst  81,  in  Tutsing  inne;  in  der  Wohnstube  des  Meesnera  wurde 
bis  18'Ji)  die  Schule  gehalten.  Vum  ersten  Schulhalter  in  Tutzing. 
Blasius  Thoma,  befinden  sich  unter  den  Fnnilu  npapieron  Uruchstücke 
ei^e^^  ircschriebenen  Rechenbuches.  Der  zweite  Schulhaltcr  licnedikt 
Thomu  war  auch  ein  geschickter  Schreiner.  Er  iiat  »«tinitUche  Kasten  und 
Schrftnlce  in  Sakriatel  und  Oratorium  der  1789  neuerbauten  KIrehe  ge- 
flN-tigt  Auf  dem  Messnergute  ruhte  auch  eine  lialbe  Plscherrigerecht- 
same,  weshalb  jeder  lleesuer  auch  die  Fischerei  Intrieb.  Kloment 
Thoma  war  im  T^ntprrichten  sehr  preschickt.  in  i  luittlichen  Aufblitzen 
>»ehr  penbt.  Den  eiuschUigigen  l'ntt»rricht  erhielt  er,  wie  dossfii  Vor- 
fahren, im  Kloster  Bernried.  Von  Jakub  Thoma  liegt  bei  den  Familien» 
papieren  ein  Attest  dd.  Manchen,  23.  April  1812,  ges.  M.  Weichselbaumer, 
Beminardirehtor,  worin  l>e8tfttigt  wird,  dass  dorselbe  nach  den  Resultaten 
seiner  am  28.  Oktober  vorifrcn  lahres  abgelegten  vorlaufigen  Prtlfung  als 
der  erste  in  der  III.  Klasse  der  Adspiranten  als  Schulpraparand  Aufnahme 
in  das  Kgl.  Bchullehrersenüuar  München  erhielt,  bisher  aber  durch  eine 
lange  anhaltende  Kranlcheit  verhindert  war«  einzutreten.  Derselbe  trat 
auch  später  nicht  ein:  denn  am  10.  September  1818  abemalim  er  den 
Schuldienst  Tutsing  von  seinem  Vater  Klemens  Thoma,  der  AS  Jahre  hin- 
durch zur  vollen  Zutriedeiiheit  wirkte.  Zur  Erkinprung  des  Definitivums 
musste  Jakob  Thoma  beim  Kgi.  DiHtriktsschulfirmspektor  Sepp  in  Irteldorf 
eine  Prllfung  ablegen.  Die  Arbeiten  der  Hchriitlicheu  Prüfung,  dd. 
5.  Mai  1819,  linden  sieb  bei  den  ^mUienpapieren.  Die  Aul^pübmi  sind 
nicht  olme  Interesse:  1.  In  weichen  PBch«m  soli  der  VoUcsschnllehrer  be- 
sonders  bewandert  sein?  2.  Was  kann  und  soll  ein  Lehrer  ftir  Schul-  und 
Kirchenpe^ang:  thun?  Wie  können  den  Kindern  die  ersten  Anfangs- 
gründe der  Kechenkuiist  auf  anschanliche  und  den  Verstand  in  Thtttigkeit 
setzende  Weise  beigebracht  werden  .'  4,  W  ie  müssen  trüge  Kinder  be- 
lumdelt  werden,  tun  aus  ihnen  th&tige  Menschen  su  machen?  5,  Was  musa 
der  Lehrer  vontQgUch  meiden,  um  s^en  Stand  vor  Germgschatsung  su 
bewahren?  6.  Welches  sind  die  Hindernisee,  die  noch  immer  der  Aus- 
tXlhrung  der  nützlichsten  Schulverordnungcn  im  We-^e  stehen?  7.  Ein 
Pferdehändler  verkaufte  123  I^lerde  fUr  lüü'JOfl.  und  gewinnt  bei  8  Pferden 
45  fl.  8Ü  kr.  Wie  gross  ist  sein  ganzer  Gewinn  und  wie  hoch  kam  ihm 
eines  von  diesen  Pferden  su  stehen?  Die  Beantwortung  dieser  Fragen 
entspricht  den  Forderungen,  welche  man  damals  an  einen  SchuUelirer 
stellte,  vollauf.  Bei  den  Pamilienpapieren  li^en  auch  mehrere  Zeugnisse, 


»)  Au&zut;  ikua  dt'o  Matiikfln  dft  l'fuifi't  IJerurn'il.  «Id.  1.  Sf|iU!uil»«3i-  IsUtt  Nifkl, 
Prarrer. 


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8.  Die  SchuUelireraffunilie  Tboma  la  Tutzing  am  WUrnuee.  65 


welche  eini*  glilnz«Mide  l^iiallüktttiuii  des  Lolirors  Jakob  Thüiua  nntlialt»»u. 
—  Et»  dürfte  wenig  Beiapiele  in  Bayern  gt^beii,  ihmä  der  Meüaner-  und 
Schuldienst  eluee  Ortes  200  Jshre  lang  In  einem  SchuUehrergeschleeht 
vererbte,  wie  bei  der  Piunflie  »Thema*  in  Tutsing*). 


*)  Der  ätiuninbiium  dieser  I'&xuUie,  «owi«  »Ine  ticbulc««cbiol)ie  von  TuUlng  von  Wilheüo 
Thonis,  reni«r  etB  Band  Punllienpaptare  der  Tbora»  taf«n  In  d«r  plidac;>lil«tor.  AtuwMlaitir 

bei  <ler  Ul  H»u|>tver«.  des  hayr.  \'olkssrtiiillehrprv«rptnS  in  MQnch«ii,  4.— S,  Auguvt  1866  TOT* 

Hifniuü  wurtie  voretebeade  NuUi  geschöpft 


MilUil.  a.  tit;<i.  1.  (Ils.  h.  Kmek-  u.  .S«'Uulift*m  li.  VII  1  (Hu.veni-iU-rt)  IMiT. 


6 


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d6      Mitteilungen  «L Oe«.  f.  deutachtt  Bnlehungs-  u.  Scliulgeaeh.  VIT. 


9. 

Josef  Anton  Schneller  als  l>irektor  der  Kormal- 
sehule  zu  DtUingen  1774—1787. 

Von  Fraiu  Xav.  ThalhofSn'.  Bencficiat  in  Dillingen  a.  D. 

In  (1(11  .Mitreilun«?en  der  Gesellschaft  für  deutsche  Emehiings- 
und  Hthul^e.schidite*' ')  wurden  von  Dr.  Ludw.  Muggenlimler  ^die 
Verdienste  des  hayrischeu  Bisdiofs  (Jleinens  Wenzeslaiis  um  das 
-Er/ieiiunj;s-  und  Unterriditswcsoir  bespnjchen.  Dabei  wurde  kurz 
des  J.  A.  Sduieller  als  S(huldirektoi*s  }j;edat'ht,2)  und  von  dessen 
Schriften  sind  zwölf  auf  «geführt.*)  Eine  kleine  Schrift  ist  nieht  er- 
wähnt, die  sidi  in  der  Kapitelsbibliothek  Iiilliiigen  findet  und  be- 
titelt ist:  „Anhang  zu  der  Theorie  der  diiin'iischen  Schrribschulo 
oder  historisch -biographisdier  und  chronnloLrip'  hf^r  Zui  iirkidi«  k  auf 
das  alte  Trivial-Schulwpsen  in  der  ehcmaliLCcii  lUrstbisefiötlirhen 
Residenzstadt  Diliti^^t  ii."  Gedruckt  dahin  1810.  Djls  86  Seiten 
starke  Rüchlein  enthält  wciiiirer,  als  sein 'l  itrl  v»'rsi»ndtt:  es  unter- 
liditct  iiiuiilici)  nur  über  das  Dillinger  Sdnil wt'stMi  iinit-r  dem 
Direktorium  Scbncllers.  luimerhiii  war  es  alM-i-  iiircicssanl  u'ciiii'^. 
um  den  Verfasser  dieses  anzuregen,  den  diiirli  ein  Jahrhundert  \cr- 
wischten  Spuren  eines  Mr!Mnni,'s\\ ert«»n  Schuiniannes  nachzufoi*sdien 
und  durch  genaueres  Suiiiiiiin  der  noch  erhältlichen  Schriften  und 
mehrerer  interessanter  ardiivalischer  Aktenstücke  eine  SditlUerung 
der  sdmüschen  Thätigkeit  dieses  Mannes  zu  \  ersuchen. 

Ceber  den  Lebensgang  Josef  Anton  SchneUei*»  gebeii 
\V.  Weiss, ^)  P.  Braun  ^)  und  zei-streute  Iknierkuiigen  in  Schneliers 

»»  Hd.  1.  s.  n  f\: 

')  a.  a.  0.  ts. 

•)  s.  .m. 

*\  W.  Weiss,  „Chronik  der  IStadt  Dillingen",  Dillingen,  Veritig  von 
A.  Kolb.  im, 

P.  Braun,  »Geachiehto  der  BiachOfe  von  Augsburg",  Augsburg, 
Moy*8  Verlag.  1815. 


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9.  Josei'  Anton  Schneiler  als  Direktor  der  Normaischule  etc. 


67 


Werken  folgeiidea  flir  die  ersten  Zeitvu  aiierdiugs  aicht  geuaueu 
Aufschluss.  ^) 

J.  A.  Schneller  war  }^el)ort'ii  zu  Leehthal  in  Tirol  am  12.  Juli 
1738,  seine  Iheolojrisehon  Studien  beendete  er  1762  zu  Innsbruck. 
Am  19.  ►Se|)leiiiber  1763  zum  Priester  geweiht,  war  er  dann 
melu'ei'e  Jahre  als  Si  eisurg;5prirst<'r  thätig,  so  1767 — 1771  als 
Sehulbenefiziat  zu  Steeg  in  Timl,  1771  wurd«'  «t  vom  Augsburger 
Jiischul  ('leuH'ii.s  Wenzeslaus  naeh  PfutVeiiliausen  beruteu,  um  dort 
als  Hcpetiior  .jung«'  (ieisi I k  lie  au  bilden.'  Von  1773—1803  ver- 
sah er  als  Universitätsj-i  »Ii  ssor  zu  Dillingeu  das  l^ehramt  d»'r 
HermeiH'utik  und  liebri"ii><ehen  SjM-ac'lie.  Am  4.  November  1773 
wurde  er  zum  doetor  theolog.  |U(MiinvitM't,  1774  au  die  Spitze  des 
Dilliuger  und  des  ganzen  hoelKsMltisciu-n  Volksschulwesens  von 
Clemeus  Wenzeslaus  gestellt  unter  dem  Titel  Universal-Studien- 
und  Sehuldirektor.  liu  gleichen  Jaiiie  erhielt  er  die  von  Dillingen 
1  Stunden  entfernte  Ptainu  Wittislingcu,  dieselbe  üess  er  his 
1803  durch  einen  Vikar  pastorierm.  1779  wurde  er  zum  bischöf- 
liciien  geistlichen  Hat  und  zum  i'rokanzler  der  Universität  be- 
fördert, 1782  zum  (xeboimon  lüit  ornannl.  1787  gab  er  das  Amt 
als  Normaleehuldireklor  an  II.  Nuemer  ab,  1803  übiriiaiim  er  nacli 
Anfliebung  der  UniveT-sitat  die  i^astoration  seiner  Tlarrei  Wittis- 
lingen,  wo  er  .beiui  kalten  (Hen  des  hohen  Altera  im  Winterrock 
eines  trock«'uen  und  locn-n  Titrls  «dm;»  acquiescierteu  Lehrers  der 
ehemaligen  bif»chötUchen  Universität  in  seiner  Solitude  seineu  aus- 
gearbeiteten Korper  und  ermüdeten  Geist  nach  so  langen  und  harten 
Strapazen  in  «  iiier  ländlichen  Ruhe  bis  zum  Lebensende  verpflegte."*'') 
Am  5.  Mai  1811  starb  er  und  liegt  zu  Wittislingen  begraben.  Sein 
Grabstein  trägt  ausser  der  Angabe  der  Lehensdat-en  die  Verse": 
,Von  ihm  hat  die  hiesige  Pfarrkii*che  ihn' Ziei  de.  Dir  Gemeine  er- 
hielt durch  ihn  sittliche  Würde.  Und  ihm  verdanken  die  deutschen 
Schulen  im  Iloehstift  Augsburg  ihre  lilüte." 

Im  l-*ol<j:t  n(ltMi  soll  uuu  die  Schul tbätigkeit  SchueUers  naher 
gewürdigt  werden. 

Die  Jahre  1774 — 1787.  während  welcher  Schneller  als  Normal- 
Hchuldirektor  wirkte,  sagen  uns  schon,  in  welche  geistige  Zeit- 
richtung die  Thätigkeit  Schnellers  fällt,  in  die  sogenannte  Epoche 
der  Autkiaruug.  ^Dieser  Zeit  .wohnte  das  Streben  iane,  die  Wissen- 

')  iirielHehe  Anfragen  nach  genaut^n  Gebuj'tsunguben  wuriiiMi  iiiclit 
beantwortet 

*)  Anhang  S.  2. 

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68     Mifteilungdn  d.  Qea.  L  deutsche  Krzieliuiigs-  a.  SchiUgeeeh.  VII. 


Schaft  zu  veraUgeuMmeni,  sie  ins  Leben  hinaustreten  und  au& 
Leben  einwirken  zu  lassen."  „Durch  solch  gesteij?ei*te  Geistes- 
bildung hoffte  man  auch  das  sittliche  Wohl  nicht  blos  Einzelner, 
Bevorzugter,  sondern  des  ganzen  Volkes  zu  fördern.^)  Mag  man 
nun  über  diese  Bestrebungen  und  deren  Erfolge  urteilen,  wie  ihm!) 
will,  das  muss  mau  doch  zugeben:  „Es  war  eine  hohe  Zeit  der 
Pädagogik  gekommen;  eine  Begeisterung  für  aUe  Fragen  der  Er- 
ziehung, ein  wahrhaft  glühender  pädagogischer  Enthusiasmus  be 
herrschte  alle  Schichten  der  be.sseren  GeseUschatt*".*)  beeinflusst 
von  Lo(k('  und  Rousseau  .suchten  Basedow  und  seine  Anhänger  das 
Er/Jehungs-  und  Schulwesen  im  rationalistischen  Geiste  des  Phi- 
lantlu  opinlsmus  umzugestalten.  Andei-seits  knüpften  die  katholischen 
Schulmänner  an  die  anf  positiv  christlicher  Grundlage  ruhenden 
Bestrebungen  Kranke's,  weitergefördert,  durch  llähn  und  Ileeker. 
an,  und  naliinen  \oni  i)hilanthropinisti8chen  .Schulwesen  den  an  Keal- 
gegenstÄndeu  reicheren  Unterricht  un<i  die  bessere  Lehnnethode 
herüber.  Das  katholische  Srhuhve.sen  uahni  dadurch  einen  hoch- 
erfreulichen  Aufschwung.  Der  bekannteste  unter  den  ilanialigen 
Schulreforniatoren  ist  uns  Ignaz  v.  Felbiger.  !\elornujtoi-  des 
schlesischeu  und  österreichisclien  Volksschulwesens  •■*)  An  ihn  reiht 
sich  Heinrich  Braun,  dessen  in  das  höhere  und  niedere  l)ayrische 
Scliulwesen  eingreifende  Thätigkeit  hat  ueiiesteiis  ein«*  dankens- 
werte Würdigung  ertühren.*)  ( ileirh/.eitig  mit  diesen  Schulmänneru. 
gleichartig  beeintlusst  und  heaniagt,  von  gleichem  Streben  beseelt 
war  Jos.  Ant.  Sciuieller.  Er  war  befähigt  und  berufen,  aul'  das 
Volksschulwesen  des  lloehstiftes  Augsburg  einen  umgestaltenden 
Einfluss  auszuüben.  Ire  Ii  ich  nüt  igten  ihn  manch  widrige  Umstände 
seine  Wii-ksanikeit  iiauptsächlich  auf  das  kleine  Gebiet  des 
Dillingischen  Volksschuhvesens  zu  i»eschräuken.  Clemens  Wenzeslaus, 
1768  zum  Bischof  von  Augsburg  gewählt,  richteip  auf  das  vernach- 
lässigte Trivialschulwesen  seines  Hochstittes  bal(i  sein  Augenmerk. 
-Die  s(»>:enannten  Schulmeister  waren  grösstenteils  rohe,  uner- 
fahren«-  Männer,  die  Srhulstuben.  was  waren  sie  anders,  als 
grossenieils  tinstere,  keiierähnliche  Hauswinkel,  die  Kinderlein,  die 

*)  K,  L.  Wultiuni:  H.  bruun,  München,  ÜuchntM',  lbU2,  gr,  8".  Uisto- 
riachc  Abhandlungen  ans  dem  Münchner  Seminar.  Herauagegoben  von 
Dr.  Th.  Helgel  u.  Dr.  H.  Oraacrt  III.  Heft,  8. 1. 

')  ..Bayrische  Lehreraeilung",  Nürnberg,  Jahrgang  1896,  S.  857. 

*)  cf.  I.  Ig.  V.  Felbigera  Methodenbuch,  bearbeitet  von  1.  Panhobter, 
Herder,  Frei  bürg  1892. 

*J  Dr.  K.  L.  Wolfram:  Heinrieh  Braun,  .München.  Huchner,  lb92. 


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9.  Joäef  Anton  Schneller  als  Direktor  der  Normalschule  etc.  69 


erbarm ungswürdi Iren  Tröpfchen  kamen  in  die  Schule  ohne  alle 
Sohulgerätc  und  waren  bestiinnit,  Schlachtvieh  der  rohestoii  Duimn- 
heil  zu  werden."*)  In  Schneller  erhoffte  nun  Clemens  Wenzeslaus 
den  31» nn.  der  Wandel  schaffen  könnte.  Er  hatte  schon  seit  dem 
vierten  Jalire  seiner  Seelsorge  _ein  klein  geistlich  Feldclien  nach 
der  Saganischen  (Abt  Felbigerschen)  und  Wieueiischen  Normalschul- 
methode  zu  kultivieren  anpefanRen."^). 

Als  l\<'|»elitor  zu  Pf;illrii!iausen  und  als  Organisator  des  Dillin- 
giticlien  (Tyninasialschuiwesens  nach  Aufhebung  des  Jesuitenordens 
hatte  er  sWh  l)ewälirt.*j  Er  nollte  nun  auch  die  Trivialschulen  in 
Ordnung:  Uringeu.  .,Sieh'  an,"  so  lie«s  It  TTemens  Wenzeslaus 
in  einer  Unterredung  mit  Srhneller  vernehmen,  -den  erbärmlichen 
Zustand  den  liebsten  und  wiciuigsten  Teiles  meiner  geistlichen 
Heerde,  der  zarten  Jugend,  die  ohne  richtige  Lehre,  ohne  Plan, 
ohne  Methode  wie  in  einer  unwegsamen  Wildnis  herumirrt.  Auf 
Dein  Talent  und  Hiederherz  setze  ich  mein  Vertrauen.  Empfange 
meinen  biH<  tu)tlichen  Segen  und  geh"  hin  in  meinem  Namen:  bring' 
erstlich  die  katechetische  Christenlehre  wieder  in  Ordnung,  das  übrige 
Schulwesen  aber  in  einen  Zustand,  der  zugleicli  meinen  landesherr- 
lichen und  bischöflichen  Wünschen  entspreche."  Schneller  ging 
freudig  auf  die  Absichten  seines  ihm  gewogenen  Fürstbischofs  ein. 
Unter  dem  Datum:  Dillingen,  am  17.  Weinmunat  177-1  sandte  er 
an  den  Bischof  ein  ausführliches  Gutachten,  enthaltend:  -Unmass- 
geldic'iie  Gedanken  über  Einrichtung  der  Normalschulc  allhier.'*) 
Er  verbreitet  sich  liier  ül>er  folgende  Fragen:  1,  ,Wo  die  Schule 
gehalten  werden  soll."  Er  schlägt  vor,  das  bisherige  Schulzimmer 
im  Chorregentenhaus,  in  dem  bisher  die  Sehulkinder  beiderlei  Ge- 
schlechts von  dem  einzigen  Lehrer  und  Chorregenten  A.  Laucher 
unterrichtet  wurden,  lu  vergrössern  und  dasselbe  als  spezielle 
Knabenschule  einzurichten.  -Das  Schulzimmer  wird  ziemlich  gross 
und  in  etwas  abgeteilt,  damit  die  Kinder  distmgiiierter  Voifahren 
von  den  gemeinen  Kindeiii  lu  etwas  abgesondert  sitzen  können, 
doch  so.  dass  alle  insgesammt  den  Schulmeister  vor  Augen  haben 
und  die  Tabellen  zu  beobachten  vermögen  *  2  .Wie  ab-  und  ein- 
geteilt werden  soll.      .Die  haupt*iäcliliche  Abteilung  besteht  in  der 


>)  Schneller,  ilnliaiig  8.  6. 

Anhang  8.  4. 

*)  Anhang  8.  6.  Die  Airteii  aber  Organisation  des  Gymnaalalechiil- 
weeen»  alnd  dem  Verfaaeer  nocii  nicht  augftngUeli  geworden. 

*)  Origlnaluri^unde  im  Neuburger  Krei^krcliiv,  Akt  H.  58. 


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70      Mitteilungen  (L  Ges.  f.  deutsche  Entiehunge-  u.  Schulgesch.  VII. 


AböoiiHiening  der  Ruhen  und  Mädj^en.  die  Einteilung  aber  der 
Schul*^  solbst  in  zwei  Klassen."  Den  Klosterfrauen  des  ^rossen 
Klo8l4M-.s  (Frauaiökiuieriancn).  denen  durch  bischöflichen  lielehl  der 
KlemenUrunterricht  der  .armen  Mäd^en-  bereits  libertragen  war. 
sollte  der  linterriclii  der  j;esaniteii  weiblichen  Schuljngond  dureh 
zwei  Lehrerinnen  anbefohlen  werden.  Sie  sollten  auch  für  Be- 
schafTung  eines  Schulzimmei-s.  wofür  sie  Platz  genug  hätteii,  sorgen 
ferner  für  Beheizung  desselben,  wozu  ihnen  die  Mittel  nicht  fohlt*»n. 
,Auf  diese  Weise  werden  die  dem  Staate  bisher  iiborläslig»!! 
Klosterfrauen  nOtzlich  und  bekommen  Gelegenheit,  sich  um  das 
Gemein wf'.seii  amh  verdient  zu  machen."  Schneller  erklart  sich 
bereit,  zwei  Ordensfrauen  in  der  Nornuilücliulmethode  zu  unter- 
richten. 3.  ,\Vas  für  und  wie  viel  Lehrmeister  aufgestellt  werden 
sollten.-*  Dem  bisherigen  I^hror  soll  ein  Gehilfe  zugelcilt  werden 
in  der  Person  eineö  jibscilviorten  Theologen  namens  Welz,  der  sich 
bei  einer  Besoldung  von  lOü  11.  für  ein  Jahr  zum  L'nlerricht  bereit 
erklärt  habe.  4.  .Wie  diese  besoldet  werden  sollen."*  Dazu  macht 
Schneller  eingehende  Vorschlage,  wie  die  Stadt  ohne  weitere  Bc- 
lastnng  aus  ."^tiftnngs-  mid  Armenkassanickeln  die  Besoldung  des 
Schulgehilfen  aufbringen  könne.  Dem  C'horregenteü  soll  ausser 
seinem  lixen  bisherigen  Gehalt  das  Schulgeld  aller  Kinder,  Knaben 
wie  Madeheu,  zullietisen.  Dasselbe  wird  für  da^  1.  (Quartal  von 
Michaeli-Geoiigi  auf  32  Kreuzer  für  das  II.  Q.  von  Geoi-gi-Micliaeii 
auf  24  Kreuzer  festgesetzt.  .Die  Klosterfrauen  mögen  sich  zum 
Unterricht  unentgeltlich  umsoraehr  gebrauchen  lassen,  als  sie 
ohnehin  gute  Verpflegung  und  ausser  der  Schularbeit  keine  andere 
zu  besorgen  haben.  Der  allgemeine  Nutzen  ist  gowias  der  bisherigen 
geringen  Arbeit  der  Klosterfhiuen  oder  gar  derselben  gemein- 
schaftlicb  uoterhaltenem  MUssiggange  vorzuziehen/  Nach  dieser 
nur  aus  dem  Geiste  der  damaligen  Zeit  erklärbaren  Aeusserung 
bemerkt  er  noeh:  ^Bocb  würde  auch  nicht  zu  viel  geschehen,  wenn 
gnädigste  Herrschaft  denen  zwei  Lehnneisterinnen  jährlich  ein  ge- 
ringes Geschenk  zu  bestimmen  sich  bewogen  fftnde."  5.  «Was  fttr 
allgemeine  und  besondere  Anstalten  und  Verfügungen  getroffen 
werden  sollten."  Der  Sobulbesach  soll  filr  alle  Kinder  obligatorisch 
sein,  sodass  «alle  Kinder,  sobald  sie  das  siebente  Jahr  erreicht 
haben,  in  die  Schule  geschickt  werden  sollen,  so  lange  bis  sie  alle 
Klassen  mit  der  ZuMedenheit  des  Schuldirektors  durdüoften  haben 
werden.  Bas  Verseicfania  der  schulpflichtig  werdenden  Kinder  ist 
alljährlich  vom  Magistrat  an  das  Schuldirektorium  hinttberzugeben. 
Der  Unterricht  dauert  von  Va^^H  Uhr  und  1—4  Uhr.  inbegrifl!en 


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9.  Josef  AiitOQ  Schneller  als  Direktor  der  NorniaUchule  et€. 


71 


die  obligate»  Schuüiiesse  um  9  Uhr.  Schulferien  sind  alio  8ouü- 
und  Feiertage  und  von  Mariu  (ieburt  bis  Michaeli  zu  halten. 
Interessant  für  «lie  Stellunjj  der  geplanten  Normalschule  zur  kirchlich 
städtisclien  Behörde  ist  der  letzte  Passus:  NB.  Ist  hislier  oin  zoit- 
licher  ("liorregent  und  Schulmeister  dem  Herrn  Stadipiarior  vorge- 
stellt worden.  Ob  mm  herauf  nochmals  beharrt  werden  soll,  hängt 
von  gnädigster  Vcrlügiiug  ah:  an  si(  h  scheint  es  sehr  gleichgütig 
zu  seiu,  solches  zu  thun  oder  /u  unierla-ssen." 

Diese  _nnniassgel)lichen  Gedanken"'  scheinen  die  fürsthisrhof- 
liche  Anerkennung  gefunden  zu  haben:  denn  schon  mit  Beginn  les 
November  1774  ging  Schneller  an  die  Ausführung  seiniM-  \  (  i  st  hinge. 
.Zwischen  Furcht  und  Hofftnuig*"  liug  er  sein  .grosücs  und 
kiitisiihes  Tagewerk  an.'V) 

Zunächst  trennte  Schneller  die  lateinischen  und  deutschen 
Kleinentarschulen.  die  „bisher  ohne  Unterschied  des  Oesehl echtem 
in  zwo  Sehulspeluukeu  zerteilt  waren."  -)  In  der  deutschen 
Elementarschule  sonderte  er  dann  .die  Knaben  von  (h  ii  Mägdlein 
ab  und  wies  in  diesem  grossen  Xeubruche  politischer  und  moralischer 
Kultnr  jedem  Gest  hl  echte  sein  eigenes  Schul  haus  an  und  jeder 
Schule  ihre  Lehrerinnen."  .Noch  bebt  ineine  Brust*  ^<  hreil)t  er 
weiter,  .zu  dem  erschütterndeu  Gedanken,  den  die  Krinucriing  an 
diese  mühevolle  Schulenabsonderung  in  mir  erneuert."*')  Die 
Knabenschule  i)lieb  in  il'  in  alten  Schulhaus,  die  Madchen  bezogen 
zwei  passend  hei*gerichtete  Käunie  in  dem  ( h  kunomiegebäude  des 
grossen  Kl«»sters.  Sehnellei-s  Bemühungen,  die  mit  viel  _,\j-beit 
und  Sch weiss"*  verbunden  waren  war  es  gehingen,  mit  kräftiger 
llnterstfUzung  des  Bischofes  djis  Kiosttr  zu  den  geplanten  Leistungen 
zu  bewegen.  Zwar  zälrlt  eine  Klostergeschichie.  1841  von 
L.  St(>niptlt'  veil'asst*)  viei  Ordensfrauen  namentlich  aiif.  welche 
den  Unterricht  iilK>rnommen  haben  sollten,  doch  die  oben  erwähnten 
.Gedanken"  redeu  nur  von  zweien. 

Diese  aufgezählten  vier  werden  ebensowenig  gleicljzeitig  ge- 
wiikt  haben,  wie  die  vier  Kuabenlehrer.  die  Weiss*)  autzählt. 
Denn  wie  aus  obigen  .Gedanken"  erhellt,  konnte  mit  MUlie  der 
(ii'halt  für  einen  Hilfslehrer  beschatlt  werden,  ferner  sind  die  von 
Weiss  und  Stempfle  aufgefiihrteu  Namen  der  angeblichen  geist- 

')  Anhang  S.  U. 

Anhang  S.  12. 
Anhang  S.  IH. 

*)  Manuskript  in  deiu  Klosterurubiv  zu  DilUugen.  ohne  Signatur. 
»)  Chronik  der  Stadt  DilUngen  8.  91. 


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72     MitteUnngen  d.  G«b.  f.  deutseiie  Bniehang»>  o.  Schulgeseb.  VH. 


lieben  Lehrer  im  betreffenden  JfthreBSchematlflmiis  von  1774  niehfe 
zu  finden.  £b  wirkte  eben  neben  Laacher  nur  Welz,  später  wird 
der  Kateehist  Ehrtinger  in  Cairistenlehrakton  erwftlmt.  So  war  aber 
doeh  Schneller  bei  Verfügung  Ober  swei  mi&nnUebe  und  zwei  weib- 
liche Lehrkräfte  in  den  .Stand  gesetzt,  jedes  Sehulehor  in  Klassen 
eimmteilen  und  jeder  Klasse  seine  Schulzeit  und  Stunden  anzu- 
weisen." ') 

Wenn  auch  wegen  solcher  Umänderungen  .die  Feinde  aller 
guten  Anstalten,  die  Dummheit  und  die  Voruiteile  Ton  allen  Seiten 
ihm  entgegenzogen,  Iconnte  doch  am  29.  November  1774,  am 
Namensfeste  des  Bischofs  GL  Wenzeslaus  die  neugestaltete  Schule 
erOffi;iet  werden  unter  dem  Titel  Normalschule.  Nach  einer  in  der 
Stadtpfarrkirche  abgehaltenen  Anrede  und  dem  Hochamt,  ^  zogen, 
ihren  Schuldirektor  an  der  Spitze,  die  Lehrer,  Lehrf^auen  und 
Kinder^  feierlich  in  ihre  Schulen  ein.  wo  den  Kindern  zur  freu- 
digen Elrinnerung  an  diesen  Tag  Torten  ausgeteilt  wurden.  Noch  lange 
erz^ten  die  Kinder  von  den  Freuden  dieses  Tages.''*)  Die  fast 
Qberschwilngliche  Begeisterung  Schnellers  geht  aus  einer  .Passage" 
seiner  Bede  hervor,  die  er  uns  hinterlassen  hat.^)  »Was  die  ur- 
alte Residenzstadt  Dillingen  noch  nie  gesehen,  was  bis  auf  den 
heutigen  niemand  hat  verhoffen  können;  was  eben  aujetzo  manche 
vor  Verwunderung  nicht  recht  glauben  wollen,  seht  A.  A.,  das  ist 
nun  wirklich  geschehen.  Heute  wird  erOfftaet,  heute  nimmt  den 
Anfang  die  verbesserte  Schule.  Was  soll  ich  reden  von  dem  bis* 
herigen  Mangel  civilisdier  Kenntnisse,  von  der  Unart  der  Sitten, 
von  den  faden  Begriffen  von  geistlichen  Dingen  bey  unserer  Jugend. 
Redet  ilir  für  mich,  ihr  Hauern  der  Kirchen,  ihr  Gassen  und 
Häuser  dieser  Vaterstadt  ....  Aber  was  beweinen  wir  lang  die 
leidigen  Uebel:  unterrichte  man  die  Jugend,  verbessere  man  die 
Schiüen,  so  wird  die  Quelle  alles  Uebels  gar  bald  veratopfet  sein. 
Wie!  Dillingen.  Du  uralte  Stadt!  Du  vormals  fhichtbare  Mutter 
so  vieler  grosser  Männer!  Du  Schatzkammer  und  Freude  Deines 
Landesfürsten!  Dillingen!  Du  allein  sollst  die  Schande  Deiner 
Gleichgiltigkeit  mit  ungefärbten  Wangen  tragen  können?"  .  .  .  . 

1)  Anhang  S.  14. 

^  Die  Prequwinabl  ist  nirgenda  erwähnt.  1810  xählte  die  DlUinger 
Schule  2S8  Kinder.  So  berichtet  J.  Reeckl,  Sehulreden,  HOnchen,  Fleisch- 
mann 1812. 

')  Storapfle,  Kloötetg^eHchii iite. 

♦)  Anhang  8.  15.  cf.  den  überschwauglichen  Pa^auä  au8  einer  Hede 
Hngeliii»  gehalten  nach  der  ersten  PrOfüng  der  Wiener  Normalschule« 
September  1771.  Panholaer:  Pelbiger  Metbodenbueh  8.  So. 


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9.  Josef  Anton  Schneller  als  Direktor  der  ^lonnaUchuIe  etc.      73  / 


Scluiellers  Beijeisterunj;  und  Eifer,  mit  dem  er  in  der  Folge 
-sein  neueR  Feld  behaute,  besäete,  mit  Schweiss  und  Thräueu  be- 
goss",  bliüb  nicht  ohne  Erlolg.  Er  überwand  mich  und  nach  die 
kühle,  fast  ablehnende  Stellung,  welche  der  Stadtmagi.stiat  der 
Neiiorgaüisiition  gegenüber  einnahm.  Dieser  war  mit  dem  Titel 
„Xormalachule"  nicht  einveretanden.  wollte  sich  zu  Ausgaben  über 
die  Besoldung  der  Lelirer  hinaus  z.  IV  zur  Priiniionbeschafl'uiig  für 
die  l^reisträger  nicht  herbeilassen,  den  unbeciueinen  nicht  rastenden 
und  immer  vorwärts  drangenden  Schneller  wollten  sie  aus  dem 
Direktoramt  hinausbringen  und  schlugen  in  ihrem  diesbezüglichen 
Promemoria  an  die  Statthalterschaft  vor,  einein  der  zwei  Kanoniker 
bei  der  Stadtpfarrkirche  St.  Peter,  die  von  ihnen  präsentiert  waren, 
die  Schuldirektorstelle  zu  übertragen.  Sie  hofften  wohl  dadurch 
an  Stelle  des  .uneigennützigen  und  ganz  unentgeltlich'  arbeitenden 
und  darum  unabhängig  waltenden  Schneller,  eine  gefügige  Person 
für  dieses  Amt  zu  bekommen.  Zudem  soUte  ein  .hiesiges  Bürger- 
kind'' dazu  auserwählt  werden.  Engherzige  Kirchturmspolitik! 
Wir  kennen  diese  Promemoria -Forderungen  aus  der  Antwort 
Schnellers»  die  er  in  einem  Gutachten  vom  29.  Januar  1782  gab.  ^) 
^Ihm  ist  es,"  schreiht  er«  , nur  am  dieses  zu  thun,  daas  1.  das 
Scbulhans  heigeetellt.  2.  für  jede  Klasse  ein,  mithin  in  allem  drei 
Lehrer  festgesetzt  und  8.  denselben  ein  standesgemSsser  Unterhalt 
angewiesen  werde."  T^e  wenig  selbst*  und  herrsdisQehttg  Schneller 
dachte,  geht  aus  seinen  weiteren  Ausführungen  hervor.  „Ist  dieses 
geschehen,  so  bedarf  man  sodann  keuien  andern  Schaldirektor 
melir,  indem  der  •Lehrer  der  dritten  Klasse  als  der  ftlteete  und 
erfahrenste  die  Schule  allmählich  dirigieren  liann.*  .Wollte  man 
also  die  hiesigen  zwei  Kanonikats-Prftbenden  zu  dem  Schulwesen 
ziehen,  so  würde  es  ja  zum  Hauptziel  der  Schulen  weit  zutrSg- 
lieher  sein,  wenn  man  den  Ertrag  der  Präbenden  zum  Unterhalt 
der  wirldich  beschäftigten  und  wohlyerdienten  Lehrer  als  zur  Er- 
götzung  eines  müssigen  Zuschauers  yerwende.  Denn  einen  Direictor 
hat  man  eigentlich  nur  so  lange  yonnOten,  bis  einmal  die  Schule 
hergestellt,  die  Schulbücher  eingerichtet,  die  Methode  bestimmt 
und  wider  die  Einwürfe  und  EinfUle  der  Neider  und  Witzlinge 
verteidigt,  die  Schulordnung  festgesetzt  und  die  Lehrer  in  Richtig- 
keit gebracht  sein  werden,  sodass  in  beiden  Schulen  der  Knaben 
sowohl  als  der  Migdlein  Eintracht  ihrer  Lehrer  und  Eintracht 
ihrer  Lehrart  festgesetzt  ist"   Bios  sei  aber  trotz  achtjihiiger 

Neuburger  Archiv,  „Qutacbteu  über  dae  verehrungswürdige  Pro- 
memoria dee  Magietratea  DiUnigen." 

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74      Mitteilungen  d,  (ies.  f.  deutsche  Erziehung^-  u.  tschuigeach.  VII. 


Arbeit  nocli  nicht  erivichl.  BetrefTs  der  Hesuldiin^  m^i  or  zuletzl.: 
.Wenn  die  Lehrer  <\\v  S(  luildit;keit  thiin.  so  verdient  ein  Jeder 
seiüe  ehrliche  K«»öt  und  standesmfissige  Wohiiunj;  und  es  würde 
gar  uicht  zu  viel  sein,  wenn  man  dem  ältesten  Lehrer  der  dritten 
Klas.se  überdies  noch  2C()  t1..  dem  zweiten  noch  100  fl..  dem  ersten 
noch  wcniirstens  bO  Ii.  lUtei  die  Kost  und  Wohnung  jjeben  würde. 
.Schulsiiihcn,  Lehrer  und  ßrul,  iji  diesem  besteht  dcnnal  die  Not." 
Der  ersten  Not  wurde  bald  al>jreholfen.  Am  19.  A|>ril  1782  wurde 
der  Grundstein  zu  einem  neiK  ii  Küabenä<  hulhans  *;clegt.  dem  jetzt 
noch  stehenden.  Der  Text  zu  dem  Festspiel  anlasslich  dieser  Feier  ist 
nucii  erluilten  (  ienien  der  Stadt,  des  Vaterlandes  und  ein  Scliüler- 
clior  preisen  abwechselnd  deu  Fürstbischof,  den  treuesten  Gönner 
der  Schule.  J.  N.  Angelter.  Domprobst  zu  Augsburg,  dm  Herrn 
Mjiri;.  Fieiherr  von  und  zu  Hürustcin.  Stadtptleger  zu  Dillingen 
und  die  hochehrwürdige  Frau  M.  Angela  Eggerin.  Meisterin  des 
Klosters,  Letztere,  weil  eben  zu  dieser  Zeit  an  dem  Umbau  des 
Mädrhenschulhauses  gearbeitet  wurde,  das  mit  einem  KosU'nauf- 
wand  von  1000  fl.,  getragen  vom  Kloster,  hei-gerichtet  wurde  1782. 
1783  konnte  auch  das  neue  Knabensciiulhaus  eingeweiht  werden. 
Schneller  hielt  unter  dem  , prächtigen  Portale"  des  Neubaues  vor 
^dem  versammelten  hochpreislicheu  Magistrat''  beim  Einzug  eine 
begeisterte  Rede. 

..Hier  stellt  sieh  vor  Ihnen  dar  die  sSrnrntliche  iiSchuljugend 
(dee  männlichen  Geschlechtes)  ihrer  löblichen  Vaterstadt.  Sie  hat 
zwar  «cht  ganze  Jahre  lang  ihren  Unterachlauf  gehabt  in  dem 
alten  Stadtschulhause;  und  obwohl  derselbige  Ort  in  verschiedenem 
Anbetracht  nicht  ganz  hinreichend  war»  so  danken  wir  doch  tausend« 
mal  für  die  Wohlthat,  die  uns  durch  die  gütige  AuAiahme  iu  jenes 
Haus  diese  lange  Zeit  her  widerfahren  ist:  Da  aber  heute  zu 
unserm  unsäglichen  Troete  die  zuverlSssige  Nachricht  in  der  bis- 
herigen  Schulwohnung  erschollen:  daas  die  Väter  unserer  Vater> 
Stadt  uns  eine  ganz  neue,  bequemere  ....  Pilanzschule  vom  Fun- 
dament aus  erbaut  haben,  sind  wir  heute  an  dem  unvergesslichen 
Tage  wonnevoll  und  gleichsam  berauscht  vor  Freuden,  unverzüglich 
in  vereinten  ChOren  aufgebrochen,  haben  das  alte  SchulhauB  gleich 
einem  auswandernden  Bienenschwarm  verlassen  und  sind  so  zn 


•)  Heilage  zum  Akt  H  175,  Fasel,  Neub.  Archiv.   „l>P'»kinal  der  all- 

j;rm<  iiu'n  Freude,  wclclif  im  Juhro  den  11).  April  der  Si  huljup^end  zu 

Diliii^^i'n  widoritthreii  ist.  als  daaclbyt  mit  allcrhf'HliHt^'r  Ht'^(Mif»hinigung' 
zu  dt'in  t'tlrstl.  Rcsideiizstadi  Diimgischon  ^ieuHc.hulbuu  der  (irundateiu 
gelegt  wurde.*^  „Dillngen,  Rossuagel",  ohne  JahreazahL 


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9.  JoBof  Anton  Schjieller  als  Direktor  der  Normolschulc  etc.  76 


reden  mit  Sack  und  Park  ....  auf  diesen  eheinal«  bereite  öden 

Plata  hieihoigekommen.    Und  wirklich  stehen  wir  vor  dem 

grossen  Thore  ja  sclion  unter  der  Pforte  unserer  Hofl'nnng 

—  bey  dem  Eingange  unseres  entgegenlächelnden  Glückes"  etc;. 
Ob  die  weiteren  Forderungen  Schindlern:  N'ennehruiig  und  hej^sere 
Besoldung  der  l.(dukrüft€  erfüllt  wurden,  darüber  sind  wir  ur- 
kundlich nicht  untpirichtet.  WahrHchoiiilich  ist  es:  das  geht  aus 
pinrr  Vorstellung  Schnellers  au  die  Frau  Mei.-iterin  des  Klostors 
indirekt  hervor.*)  Dieses  Schriftstück  (nicht  datiert,  wahi-scheinlich 
1784  oder  1783)  ist  insofern  interessant,  als  es  zeigt,  wie  Schnellors 
anfanglieh  hoehftiegeiide  liegeist«Mung  herabgestimmt  wurde  und 
sich  gerade/,*!  lu  Kesignation  veruandelt. 

Es  ist  auch  wichtig  zur  \Vürdiguüg  seines  Rücktrittes  1786/b7. 
Auf  die  Mitteiluug,  dass  zwei  Klosterfrauen  zum  Schulhalten  sich 
ausbüdcü  wollen,  antwortet  er:  »In  Ihrem  Kl08t«'!r  ist  nicht  nur 
niemand,  der  es  (Schulhalten)  recht  kann,  sondern  aus  den  drei 
wirklichen  I.,ehrerinnen  ist  keine  einzige,  die  nur  von  weitem  i>e- 
greifen  kann,  was  Schulhalten  ist.  Was  bisher  geschah,  war  nur 
fUr  die  Not  und  grossenteils  nur  auf  den  Schein,  welches  aufhören 
wird,  sobald  die  Klosterfrauen  niemand  mehr  haben  werden,  der 
sie  leitet  und  ihren  Sachen  I..eben  giebt  Wiridieh  ist  die  be- 
nachbarte^) Knabenschule  merklich  vorangekommen,  die  da 
vorigen  Jahrs  das  Qleiehgewieht  liielton  mit  der  iObllehen  Fhuien- 
sehule.  Ich  habe  mir  für  Ihre  Schule  viel  Mtthe  gegeben  und 
hatte  noch  vorigen  Jahres  gute  Hoffliung.  selbe  in  dauerhaften 
Stand  8U  bringen,  weil  ich  nach  Erbauung  des  so  schönen  Schul- 
hauaes  1783  und  anderer  Anstalten  eine  Novisin  im  lUoster  wusste. 
die  ich  hoffte  mit  den  drei  übrigen  Lehrfrauen  genugsam  abrichten 
zu  können.  Seitdem  aber  diese  sich  unbrauchbar  erwiesen  hat, 
ich  keine  weiss,  auf  die  ich  mich  verlassen  kann,  so  kann  ich  denn 
•nicht  Iftnger  bergen,  dass  ich  ganz  eimQdet  bin  und  nicht  mehr  ge- 
denke vergeblich  einen  Klosterfhiuen*  oder  gar  Kinderschulmeister 
zu  machen.  Ich  will  lieber  meine  ohnehin  kostbare  Zeit  verwenden, 
wo  ich  wahren  Nutsen  sehe.  Mein  Charakter  und  Stand  will  sich 
nicht  recht  schicken  zum  Schulmeisterdienst.  ob  ich  gleich  mich 
dahinabgelassen  habe,  so  lange  ich  Hoffhung  sah,  den  Zweck  zu 
erreichen.  Ich  habe  mich  bemüht  und  man  hat  es  mir  Qbel  aus- 
gedeutet, ich  habe  gut  und  aufrichtig  rathen  wollen,  man  hat  mehr 

M  Nfuh.  Archiv  H.  195,  Fawc  :V 

Dttrtiii!*  glaube  ich  dm  Datinn  auf  HimI«'  lTh3  oder  1784  leftt«otzen  tu 

dürfen. 

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76      Mitteilungen  d.  (ic8.  f.  deutäche  Emebungs-  u.  BchulgeaclL  Yü. 


Anderen  als  mir  Ooh<ir  «^«'gphen.  Ich  holte  mm  am  besten  durch- 
zukommen, wenn  ich  mich  zu  allem  j^leirhpiltig  verhalte,  ich  heisse 
sie  nichts,  ich  verbiete  nichts,  mir  ist  gleich,  ^vas  sie  thuii.  wenn 
ich  nur  nicht  mehr  viel  geplajjt  werde  mit  di^'scr  JSchule.-  Eia  . 
frischerer  Toii  f^eht  durch  die  _ Vorstellung''  Schnellers  an  den 
Fürstbischol  (undatiert,  wahrf^cheinlich  1783).*)  .Schon  wirklich 
fängt  das  neunte  Jahr  an.  da  ich  zu  Befolgung  der  iiöchsten 
WülensmeiniJüg,  zum  allirf  in  ifu  n  Nutzen  der  hiesigen  löblichen 
Bürgerschaft  das  mühevolle  Amt  eines  Schulendirektors  nicht  nur 
uneigennützig  und  ^aiiz  unentgeltlich,  sondern  mit  «grosser  Einbusse 
meiner  eigenen  Sache  trage,  (rott  segnete  meine  bestuiein*'nde 
Verwendung  in  dem  Erfolge,  sodass  nicht  ufir  Dillingen  die  reiciiüton 
l  iia  hte  dieser  neuen  Schuleinriclitung  ^t  hon  lange  anzuschneiden 
angelangeu.  .sunderu  dass  bereits  das  ganze  Land,  Jr  sogar  auch 
auswärtige  Orter,  Dörfer,  Flecken,  Städte  und  nebiete  unserer 
Lehrart  zum  Beispiel  zu  nehmen  und  die  Dillingische  Schule  als 
ihre  Mutter  zu  ehren  beginnen."  Er  kla<:t  dann  ül»ei-  <iie  geringe 
Förderung  der  Schulsache  von  seilen  der  städtischen  Behörden  und 
schliesst:  .Würde  sich  ein  löblicher  Magistrat  endluli  einmal  da- 
hin entscheiden  und  durch  weise  Vorkehrungen  das  grundgelegte 
Werk  in  einen  dauerhaften  Stand  bringen,  so  würtie  nicht  nur  ich 
mit  Freuden  meine  bestgemeinten  Dienste  zum  ewigen  Nutzen  der 
löblichen  Bürgeischaft  imd  des  grossen  Vaterlandes  fernerhin  un- 
crmüdet  beilragen,  sdudetu  die  ganze  Nachwelt  würde  in  spätesten 
Enkeln  die  Weisheit  tiiid  den  Eifer  der  Gegenwärtigea  gemessen 
und  unaufhörlich  preisen/ 

Die  Dienste,  die  Schneller  leistete,  bestanden  nicht  l)los  in  den 
geschilderten  organisatorischen  Massnahmen,  sondern  erstreckten 
sich  auch  auf  die  Technik  und  Methodik  des  praktischen  Schul- 
betriebs. Selbst  mit  der  Kormalschulmethode  <iiirch  eigene 
Unterrichtsthätigkeit  vertraut,  suchte  er  vor  Hllem  seine  ihm 
„untergebenen  Lehrer  und  Lehrerinnen  mit  der  normalischen  Lehr- 
art bekannt  zu  maciien."  Er  bearbeitete  Schulbücher  für  alle 
Fftcher,  .so  kurz  und  wohlfeil  als  es  iiumer  sein  konnte.-^  Was 
er  nicht  in  Druck  bringen  konnte,  ersetzte  er  mit  seinen  Manu- 
skripten. 14  .Schulbucbgen-  sind  von  ihm  im  Druck  ei-schienen. 

>)  Neub.  Arcli.  ad  H.  H5,  Päse  1. 

«)  Anhang:  11. 

•)  Zu  den  von  .Muf^ponthalpr.  Mitteilungen  ibOl,  :'.s  nutgeteilten 
sünl  nucif  hinzuzufügen :  »Da«  gedruckte  Abc-Buch",  ,dae  geschriebene 
Abc-Buch  fttr  die  II.  KImm*,  «Sunmluiig  verschiedener  Leseabungeu", 


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9.  Josef  Anton  Schneller  als  Direktor  der  Norinalschule  etc.  77 


Das  Ideal  der  Unterrichts-  uud  Ei-ziehiuigsthatigkeit  seiner  Nonnal- 
achiile  zeiclmelt'  er  in  seinem  grössei*en  Werke:  «Die  NormaUchule, 
wie  sie  sein  sollte."  Dilliiigeu  1786.  S«.  368  8.  Eine  vortrelf- 
liciie  Arbeit;  reieli  an  gediegenen  Unterrichts-  uud  Emehungs- 
grundsätzen.  geöchrie])en  mit  Begeisterung  und  wohlthuender  Liebe 
för  Jugend  und  Lehrerstand.  Inwieweit  Schneller  in  diesen  seinen 
Arbeiten  von  Felbiger  beeinllnsst  ist.  bedarf  einer  eigenen  Unter- 
suchung. Dum  er  von  iliiu  abhitiigig  ist,  obwohl  er  dessen  nirgends 
erwähnt,  ist  inizweiJclIiaft.  doch  hat  er  dabei  seine  Eigenart  be- 
wahrt. Obwohl  X.  ]i.  Felbigers  Katechismus  in  drei  Abstulungeu  yeit 
1765  vorlag,  ari)eitete  Schneller  flir  die  täglich  in  seiner  Schule 
zu  erteilende  „ehnsiUche  Lehre"  drei  Katechismen  aus  und  ver- 
drängte den  kleinen  Oanisius,  um  .etwas  Zusammenhängendes  und 
in  einem  Zusammenhajig  ordentlich  durch  mehrere  Schulklassen 
Fortschreitendes  zum  normalisehen  Keligionsunterriclit"  zu  haben. 
Er  verfasete  eine  biblüsche  Geschichte  ftir  Schulzwecke  und  tritt 
damit  in  die  Reihe  jener  ersten  katholischen  Schulmänner,  die  an- 
lingen,  diesen  wichtigen  Unterrichtszweig  zu  fördern.  Nach  dem 
Keligionsunterricht  nimmt  in  Schnellers  Normalschule  das  Lesen 
die  zweite  Stelle  ein.  Trotz  Bochows  1774  ergangene!-  Auffor- 
derung zu  vorbereitendem  Anschauungsunterricht,  kennt  ihn  Schneller 
noch  nicht,  auch  lierrschte  in  seiner  Schule  noch  die  Syllabier- 
methode.  obschon  Hofmaun  in  MQnchen  bereits  die  liautiermethode 
erfolgreich  zu  ver^^euden  begonnen  hatte.  Die  Lehrfertigkeit  soll 
in  den  von  ihm  erstrebten  vier  Volksschulldassen  soweit  gedeihen, 
daas  die  Schttler  der  vierten  Klasse  im  Lesen  ^der  uralten  und 
härtesten  Druclte,  der  Abkürzung  und  etwati  gar  noch  des  Fran- 
zösischen und  Welschen*  geübt  seien.  Die  jeder  Klasse  eigenen 
Lesebttcber  waren  reichhaltig  und  enthielten  in  den  oberen  Stufen 
Lesestttclte  aus  der  Welt-,  Landes-  und  Stadtgeschichte,  Länder-, 
Natur-  und  Hauskunde.  Die  Lehrer  sollten  die  Kinder  .nicht  nur 
so  materialisch  und  papageiisch  ihre  Schulbuchgeu  durchhumsen, 
sondern  mit  Verstand  und  Ueberlegung  lesen  lehren.''  Schreiben 
und  Rechnen  begann  man  erst  in  der  zweiten  Klasse,  und  betrieb 
ettib&nB  bis  zur  Kenntnis  der  ^.Kanzley-Fralctur-  und  Lateinschrift, 
Anfertigung  von  Handschriften,  Quittungen«  Konti  und  Briefgen*, 
letzteres  bis  zur  Kenntnis  der  regula  quinque.  Ein  Gesaiigbttchlein 

„Allerhand  nfltzlicho  lateinische,  fraiizösirtche  und  welsch»'  Lcsfübungoii". 
l)i»>  Titel  Huid  dorn  „Anhaii«^-'  ontauminen.  Die  OrighialausgabüJi  konnten 
nur  teilweise  beschafft  werilfii. 
>)  Anhang  S.  87. 


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78     Ifitteilungoa  d.  Ues.  f.  deutsche  Erzieh  uii|^-  u.  Schulgesch.  YIL 


zeigt,  daas  auch  Gesang  nicht  fehlte.  All  diesn  (Ic-i^eustände  wollte 
Schneller  nach  der  normalischen  Methode  liciiiebcu  wissen,  deren 
Charakteristika:  ZusaiiiineiiuntfM-ricliteu.  Buchstaben-  und  'rabelh'ij- 
metliüüe  in  Schneller  einen  eilnj^eii  aber  auch  veniüiuiiiieu  \'er- 
teidiger  fanden,  der  «lie  Schwächen  dieser  Melliodeii  wolil  kannte 
und  meiden  lehrte-.  Die  Nonn  der  wirklieheii  Lehie  (es  mag  her- 
nach seyii  die  Christen-  «»der  Sitiealehre.  die  Les-,  Schreib-  oder 
Kecliuuugsiheorie  oder  was  inuuer)  setzen  wir,"  schreibt  «t')  .iu 
dreyen  Sliit  k<Mi.  Das  erst»-  ist  der  Vortrag,  das  zweite  die  .Vnalyse, 
das  dritte  die  Katechisalioir .  Wir  haben  hier  schon  den  allen 
jnuderiifn  formalen  Stufen  gemeinsanu-ii  h  km  klang  :  .Anschauen  — 
Denken  —  Anwenden.  In  der  weiu-ren  iiesjireehting  dieser  Stul'eii- 
giin<;e  tin<hni  sich  dann  eine  Men<;e  vorlretnicher  methodischer  (ie- 
danken  ül>er  Anschaulichkeit.  Frai;ernethode,  Antwort,  Kateehesier- 
kunst.  Sie  lassen  uns  Schneller  als  gediegenen  praktischen  ^ciiul- 
mann  erkennen,  der  es  mit  seiner  Schulai  bcit  durcliaus  ernst  nimmt 
und  auch  mit  der  seiner  Lehrer  und  LeJirkaiididaten.  .Aber  das 
ist  iiait.-  läsöt  er  sich  einmü  nden. ^  .Hart  für  blöde  und  unge- 
übte Köpfe:  Concedo.  Für  solche,  «lie  wenigstens  ein  Talent  zu 
diesem  Amt  und  darzu  ein  bischen  Unterricht  und  Praxis  habeu: 
Nego.    Das  Ganze  will  so  viel  sagen: 

Freilich  in  einem  Tag 
Wirst  Du  kein  Normalist. 
Wenn  Lehr  und  Tebung  fehlt 
Und  Du  eia  ^Simpel  bist. 

Verzeiht  mir*8,  ich  mein*8  nicht  böse ;  nur  die  Wahrheit  möchte 
ich  Euch  recht  anlegen  und  angenehm  machen«  liebste  Schul- 
Icandidateo.' 

Scfanellers  PlSne  gingen  Ober  die  Normalschule  hinaus  noch 
weiter.  Er  glaubte,  dass  die  Nonnalsehule  einer  Ergänzung  oder 
eines  Abschluaaes  bedürfe  in  einer  Wiederholungsschule,  Feiertags- 
schule jetzt  genannt  In  einem  Bericht^  an  den  Fürstbischof  gab 
er  seine  Ansicht  datiin  Icund,  dass  die  Schüler  und  Schülerinnen 
der  Nonnalsehule  nach  Austritt  aus  deroelben  noch  drei  Jahre 
wöchentlich  ein  oder  zweimal  je  zwei  Stunden  Wiederholung8> 
Unterricht  zu  besuchen  angehalten  werden  sollen.    Er  wünscht 


1)  J.  A.  B(  hneller,  NormalBchule  yc'w  sie  sein  sollte  1786.  Verleger 
nicht  angegt'btM).   S.  115. 

»)  Nf)rnialscliulu  S.  14S. 

*)  Meub.  Archiv  H.  ITö,  dutiert  vom  ü.  Oktober  11^4. 


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9.  Joeef  Anton  SchnAlIer  ato  Direktor  der  NonnftTschule  etc.  79 


diese  Bestunmung  auch  auf  die  Landschulen  ausgedehnt  Dagegen 
wehrten  sich  aber  die  Stadtvftter  Dillingeus  in  einer  begründenden 
Eiugabe^;  sehr  entschieden.  »Sie  bitten  »die  hiesige  Bürgerschaft 
mit  dieser  Wiederholungsschule  in  höchsten  Gnaden  zu  verschonen. " 

Und  der  Plan  Schnellers  scheiterte.  «Die  Oppositions-Mftnner 
und  -Weiber  wussten  ihre  Vereitel ungämaschioe  gegen  meinen  best- 
gemeinten Vorschlag  so  fQrchterlich  au  laden«  dass  »ogar  die  hohe 
Stelle  selbst  denselben  nicht  ganz  in  Schutz  zu  nehmen  getraute.*^ 

Doch  bleibt  Schneller  das  Verdienst,  den  ersten  Antrieb  zu 
einer  Sache  gegeben  zu  haben,  die  dann  1809  und  1817  ausge- 
führt wurde.') 

Nicht  viel  besser  eiging  es  Schneller  mit  einem  weiteren 
Plan,  eine  Strick-  und  Nfihschule  fOr  die  ans  der  Normalschule 
entlassenen  MAdchen  unter  Leitung  einer  filteren  Person  .von 
Religion»  von  exemplarischer  Aufführung  und  gutem  Leumund*  ein- 
zurichten. In  einem  Promemoria^)  bezeichnet  er  als  Hauptgegen- 
Stande  dieser  Schule:  Nahen,  Stricken,  Theorie  der  weiblichen 
Haus¥rirtadiaft  (Waschen.  Bügeln,  Besorgung  der  Bett-  und  Tisch- 
zeuge), endlich  Wiederholung  des  in  der  Normalschule  Gelernten.* 
Die  Antwort  des  Stadtammans  giebt  zu  bedenken»  dass  eine  passende 
Lehrerin  dafUr  nicht  aufzutreiben,  auch  genOgender  Gehalt  fUr  solche 
nicht  zu  besehaffen  sei  und  schlagt  vor,  die  Dominikanerinnen  des 
sogenannten  kleinen  Klosters  zum  Strick-  und  Nahunterricht  zu  ver- 
anlassen.  Deren  voraussichtliche  Einwendungen,  Klausur  und  Chor- 
gebet betreffend,  seien  nicht  stichhaltig,  übrigens  kOnne  davon  der 
Bischof  ein  paar  Frauen  dispensieren.  Daran  zerschlug  sich  aber 
die  geplante  Sache.  Denn  «die  dasigen  (doi  tigen)  Nonnen  waren 
durch  ihre  vorgeblichen  Ausreden  und  gefundene,  heimliche,  an- 
sehnliche Unterstatzung  allzustark,  als  dass  ich,*  berichtet  Schneller, 
.mit  dieser  meiner  so  nützlichen  als  gemässigten  Anstalt  Eingang 
finden  konnte.  Diese  für  ihre  religiöse  Ruhe  streitenden  Amazonen 
stürmten  so  heftig  auf  mich  unbeliebten  Pädagogen  Ol>er  ihre 
Mauern  heraus,  dass  ich  mich  hinter  die  Kanonen  meines  guten 
Willens  und  meiner  standhaften  Geduld  zurückziehen  musste." 
Doch  auch  dieser  Plan  kam  spater  zur  Ausführung.  1812  wird 
von  einer  Industrielehrerin  berichtet  (Frl.  Adelheid  von  Siehlein). 

M  Noub.  Archiv  H.  I7ä,  datiert  vom  3.  Januar  ilHö. 
'^j  Anhang  ö.  til. 

^  J.  ROekl,  Sehvireden,  gehalten  bey  öffentikhen  PrOlün^pen  u.  Preis» 
verthellungen  an  die  Jugend.  Manchen  b^  B.  A.  Pleiechmann.  69. 
*)  Xeub.  Anshiv  H.  209,  16.  Oktober  17S6. 


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80      Hitteilungeo  d.  Ges.  f.  deutsche  Enüehuags-  lu  ächulgosch.  VII. 


dass  sie  nach  Augsburg  versetot  wurde.   Ihre  Nachfolgerin  war 

FrÄulein  von  Isenbilhl. 

Nach  dieser  Würdigung  der  oi^anisatorischen  und  unterrichtlich- 
methudischen  Thntigkeit  Schnellers,  erübrigt  Doch  auf  die  erzieherische 
Schulthfttigkeit  desselben  einen  Blick  zu  werfen.  Gerade  die  dies- 
bezüglichen Bestrebungen  Sehnellers  zeigen  une  den  ('harakter  dieses 
edlen,  begeisterten  Schulmannes  von  seiner  schönsten  Seite. 

Die  Lehren  des  religiösen  Unterrichtes  sollten  die  Kinder  aas- 
leben in  den  soigfältig  durch  Schneller  geordneten  gottesdienst- 
lichen Uebungen.  £r  erwirkte  fttr  speziell  der  Schuljugend  ange- 
passte  Werktags-  und  Sonntagsgotteedienste  (Kinderpredigt)  die  Er- 
laubnis zum  Gebiauoh  der  Hofkapelle.  Bort  wurde  der  Schul- 
jugend allsonntagllch  auch  Christenlehre  gehslten,  wahrend  Schneller 
selbst  für  die  nicht  mehr  schulpflichtigen  Ledigen  beiderlei  Qe- 
scUechteSt  die  bis  zum  60.  Lebensjahr  zum  Besuch  veri^cfatet 
waren,  in  zwei  Abteilungen  von  1—^  Uhr  Christenlehre  hielt.  ^) 

Die  Schuljugend  war  zu  vierteljährigem  Empfang  der  Sakra- 
mente, zur  Teilnahme  an  den  flblichen  Prozessionen  und  Blttgftngen 
verpflii^tet,  als  Patrociniumsfeier  wurde  für  die  Knaben  Johann 
Baptist,  fttr  die  MSdchen  Mariae  Opferung  begangen.  Dem  Zuge 
der  Zeit  folgend  wurde  im  Religionsunterricht  die  Sittenlehre  ein- 
gehend behandelt,  in  der  obersten  Klasse  nach  dem  fünften  Kate- 
chismos-HauptatUck:  von  der  ehristUchen  Gerechtigkeit,  in  der 
dritten  Klasse  nach  einem  eigenen  „Traktatlein ..Sittenlehre''  be- 
titelt, in  der  zweiten  Klasse  nach  dem  Bttchlein:  ..Schule  der  Höf- 
lichkeit'', Dillingen  1785.  Dasselbe  belehrt  in  gereimten  Fragen 
und  Antworten  über  wohlanstftndige  Sitten  daheim,  beim  Kii-ch* 
gang,  in  der  Schule,  bei  Tisch  u.  s.  w.  Die  Verwandtschaft  der 
zunächst  gelehrten  HOitichkeit  mit  der  christlichen  Sittenlehre  wird 
Öfters  henroigehoben.  „Denn  die  Höflichkeit  darf  zu  ihrem  Grunde 
nichts  anderes  haben  als  die  Demut  und  Liebe  des  Nächsten,  wenn 
nicht  ihr  ganzes  Wesen  eitel  Geprflng  und  verdamml.  Heucheley 
seyn  solL'*^  Schneller  ist  also  auch  hier  nicht  vom  QelBte  der 
AulklArung,  sondern  von  praktischem  christlichem  Sinne  geleitet, 
er  Tcrrftt  femer  eine  gute  Beobachtungsgabe  für  kindliche  Ver« 
haltnisse,  treulichen  Humor,  vermischt  mit  edlem  Emst 


,.Chrißtenlehr6  in  Dilingen.  Vorbcsseruntj  und  Einrichtung  der 
praktischon  ChriHt^nlehrordng."  AktonsHlrkf  au»  den  Jahren  177»,  79,  80, 
h4  u.  99    Bischöfl.  Ordinuriatsarchiv  Augsburg. 

')  Normalschule  S.  45. 


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9.  Josef  Anton  Schneller  als  Direktor  der  Nonnalschule  etc. 


81 


Auch  bei  deu  audereD  UnterrichtsgegeDständeu  will  Schneller 
die  eiv.iehlich©  Bedeutung  hervorgehoben  wissen.  Sehr  vornlinftige 
Gruudsake  spricht  er  über  die  Willensbildung  der  Schüler  aus. 
Konsequent  sollen  diosp  Grundsätze  beachtet  werden,  immer  aber 
im  Geiste  weiser  Milde.  Da  ein  Kind,  von  was  immer  für  einer 
Gemütsart  es  sei,  williger  der  Freundlichkeit  als  der  Gewalt  folge, 
80  hielt  Schneller,  wenn  auch  nicht  prinzipieller  Gegner  körper- 
licher Strafen,  doch  den  als  den  „besten  oder  glücklichsten  Zucht- 
meister, der  ohne  wirkliche  körperliche  Begegnung  die  Verbessening 
der  Fehlenden,  den  Endzweck  aller  Zucht  erreicht,  geschehe  es  her- 
nach wie  es  wolle." ') 

Belohnungen  hält  Schneller  für  notwendig,  doch  sollen  sie  un-  * 
erwartet  sein,  um  nicht  eine  auf  knechtischen  Eigennutz  gegründete 
Tugend  zu  eraeugen.  Der  eraiehliche  Einfluss  der  Schule  soll  sich 
auch  über  die  Schiilstube  und  Kii^che  hinaus  erstrecken.  Von  den 
Bestimmungen  darüber  sei  eine  augeführt,  die  uns  heute  kurios 
anmutet.  ,Da^  sogenannte  Baden,  eine  Sache,  mit  welcher  nach 
Z»'iiü;nis  gewisser  Erfahrtniir  so  viel  Gefahr  als  Un;mständi<rkeit 
verbundeil  ist,  ?ol1  der  Sdiiiler  allzeit  und  allentb&lben  meiden, 
Uieheu  und  scharfesf  vpi-hoten  halten.  •* 

Naeh  solchen  (iruudsatzeu  erziehlicher  und  nnterriciitlicher 
Art  wurde  die  Dilliniiei'  Nonnalschule  von  Schneller  geleitet.  Für 
die  dadurch  erhielten  Erfoli^e  hlicl»  die  Anerkennung  tiiclil  aus. 
V.  Un^elter  berichtet  nach  einer  Visitation  am  11.  .\pril  1778  an 
den  Fürstbischof: 2)  ..Es  befindet  sich  das  Normalscliuhv»  sen  in 
jenem  Fortgang,  dass  ich  dabei  keine  wesentliche  Ausstellung  zu 
machen  wusste.*  Clemens  Wenzeslaus  verlieh  Silinellt-r  <leii 
31.  August  1782  motu  proprio  den  .Charakter  und  das  Dipiuui 
eiues  geheimen  lUtes,"  .in  Rücksicht  seiner  .so  gelehrten  al.s  ge- 
schickten Eigenschaften,  dann  der  we;/*M!  lufhabender  Direktion  der 
Nonnal-  und  sämtlichen  Schulen  dem  g«'mt  incn  We.sen  geleisteten 
besonders  nützlichen  Diensten.*  Sclmeller  >«'U»st  schreibt:^)  ..l  uler 
die  Früchte  meiner  vom  Himmel  gesegneten  Kultur  und  Arbeiten 
erachte  ich  auch  nicht  unbillitr  rechnen  zu  krumen,  dass  vei*schie- 
dejie  fürstliche  Personen,  lauster  und  auder«'  vom  Uaiige,  bei 
ötfentlichen  wohlgerathcnen  Prüfungen  und  iiey  amlcren  S.  hulhc- 
»üchen  nicht  nur  eiimial  vor  \  er\\uuderung  ttusruiteü:  Wie  war  es 
doch  möglich,  Kinder  so  weil  zu  bringen." 

Nonnalschule  207. 
^)  Augäburger  OrdinaiiatMrcbiv. 
»)  Anhang  S.  63. 

MiUtiil,  d.  U«s.  L  dtecb.  Knieb.-  x  Scbulg«ai-b.  VU  1  (Bi^en).He(tl  1*01.  g 


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82      Mitteilungen  d.  Ues.  t  deutache  Bniehange-  u.  SchttlgesclL  VII. 


Srhuollers  Eiutluss  inachte  ^h-h  auch  über  seine  Dillinger 
Xormala-hule  himius  auf  das  Scliiiiwt'st'ii  des  Horhstifts  AugHbwg 
gelteml.  Er  spricht  einii^eiiial  vuii  Helatioueii  ül>er  das  luichstift- 
liche  Schulwesen,  die  \oü  ihm  an  die  *)l)ei-st4>  Stelle  «geliefert  wurden. 
Es  gelang  ilmen  aiier  nicht,  eine  neue  Schulordnung  für  das  u'anze 
Hochstift  hervorzurufen.  Din-kten  Eintluss  auf  nmnche  >eiiuleii 
gewann  Schuellei-  da<hirch.  dass  viele  Lehrer  und  Leliranit<*lvuu- 
didaten  an  seiner  Nonnal-Mu8t*)rschule  iMisjutieHen  ja  dazu  ange- 
halten worden  waren.  .Ich  fand  iiiicli  «ieiiöti^t. "  schreibt  er.') 
_eine  besundrre  eigene  Anstalt  für  angidienih'  Päda^'o<:en.  Schullehr- 
kandidaten und  IJeldiabei-  des  verbesserten  iiornuiÜHchen  Jugend- 
unLernciiLe.s  m  irellen.  L'iid  w  i  L'en  Abirans:  JifKieier  Mittel  inusste 
ich  lialt  auch  da.  nebst  so  vielen  nit-iuei-  Hesdiäftiirinigeu  Seliiil- 
niei^lcr  für  die  Schulmeister  seyn."  Einen  akteiunässii^eu  lu-vseis» 
dafür  haben  wir  iii  t-iiier  \  ursiellung  Schliellors"'^)  an  den  Fürstl>ischof, 
es  solk'  der  neuernannte  Schullehrer  vou  Dillishaiiseu  trotz  seines 
geringen  Gehaltes  von  17  t1.  für  jährlich  zwidt'wuclieutlifheFi  Sehul- 
unterrieht  vor  ^1elneul  Anitsantnii  zum  Besuch  der  Nurinulöcliuie 
verplUchlei  werden.  Die  dazu  notwendigen  Konten  von  einem 
Karcdin  könne  wohl  die  (ienieinde  und  der  Pfarrer  aulbringen. 
Darauf  erging  am  10.  Oktober  das  Conrlusum :  ileycribatur  «leni 
rtleganit  Buchloe.  dass  der  nach  Diiiishausen  in  Vorschlag  ge- 
brachte Schulmeister  an  alihiesigeu  Schuldirektor  zur  Prüfung  ver- 
wiesen weide." 

So  mag  wolil  Sciineller  des  öfteren  auf  eine  geistige  Hebung 
des  damaligen  Lehrei*standes  hingearbeitet  haben.  Er  trat  aber 
auch  für  die  Bessei^estaltung  der  materiellen  Lage  ein.  getrageu 
von  hoher  Auffassung  des  Lehrerberufes  und  erfüllt  vou  grosser 
Liebe  zum  Lehrerst^ud.  ,,Es  soll  aulhören,"  schreibt  er.  .das 
ärgerliche  Wort:  Ein  Schuüelirer  kann  einer  sein,  der  nichts  ge- 
lernt hat."  .Das  Herz  blutet  mir,  iasst  er  sich  ein  andermal 
vernehmen.^)  so  oft  ich  daran  gedenke,  an  so  vielfaltige  bittere 
und  jammervolle  Klage  ehrlichster  Männer,  welche  vor  mir  den 
besten  Willen  zeigten  und  zu  dem  Lehramt  die  beste  Anlage,  ja 
auch  wirklicliü  tjesehicklichkeit  besassen,  aber  wegen  Ueringheit 
ihres  (Jehaltes  und  Unzui-eicbliehkeit  ihres  Schulertrages  fast  des 
Lebens  überdrüssig  waren."  Das  Verhällui;>  des  Seelsorgers  zum 
Lehrer  denkt  sich  Schneller  als  das  eines  wohlwollenden  Vor- 

'l  .\iiliang  S.  IT. 

Ni  iihiii  t;«  r  Archiv  H.  176,  F»8C,  1,  6.  Oktober  17b4. 
2)  Nornml»chule  S.  26ö. 


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9.  Josef  Autou  Sclmeiler  als  Direktor  der  Normabchule  etc.  8S 


Standes  uml  hiifreiclieu  Beistandes,  der  berufs^emilss  sich  zur  För- 
derung dei  S'  liul-  uud  Lehreriuteressen  verpflichtet  fühlt. 

Von  1774—1786  hatte  Schneller  mit  rastlosem  Eifer  und  un- 
eigennütziger Hingabe  an  dem  Auibau  und  Ausbau  der  iiiiiinger 
Noimalschule  gearbeitet. 

Ja,  mit  solcher  Liebe  widmete  er  sieh  diesem  Werke,  dass 
seine  andere  BerufsthAtIgkeit  darunter  leiden  musste.  In  einem 
Promemoria  an  Ol.  Wenzeslaus  aus  dem  Jalire  1775  die  Akademie 
DUUngen  betreffend,  heisst  es  von  Professor  Schneller:^)  »Der  prof. 
sacrae  scripturae  Dr.  Schneller  giebt  in  seinen  Repetitionen  nicht 
GenQgen:  die  Diszipl  hören  ihn  gar  ungern,  zudem  ihnen  dieses 
Studium  ganz  ungewohnt  Uebrigens  giebt  er  nur  alle  ordentliche 
Satisfaktion  wegen  Direktion  der  Studien  und  besonders  wegen  der 
Kinderschul,  wo  er  verschiedenes  recht  Gutes  und  Nützliches  ein- 
führt.*' Aber  auch  in  diesem  Nebenamt  koimte  er  nicht  bei  Allen 
Befriedigung  sich  erwerben.  Seine  Stell ungnalime  gegenüber  den 
l^iirfrauen  und  in  der  Strickschulangelegenheit  wii-d  ihm  diese 
entfremdet  haben  und  damit  auch  die  Gönner,  die  jene  gewiss 
hatten.  Seine  von  der  pfarrgeistlichen  Behörde  unabhängigen  Ver- 
fügungen in  jugendseelsorgerisclier  Bezieimng  (eigene  Kapelle  und 
Kindergottesdienst),  das  ihm  ol)erhirtlich  übertragene  Reciit  der 
Christen l(>hre  konnten  dem  1784  neu  aufgezogenen  Stadtpfarrer 
V.  Ueretsdorf  als  Uebergrill'e  erscheinen,  der  Stadtpfarrer  war  dem 
immer  vorwärts  drängenden  Schulmann  aus  fuianziellen  QrUndeu 
auch  nicht  }i;tinRtig  gesinnt.  So  niotlite)i  b'u\\  die  Klagen  gegen 
Schneller  mehren  und  stimmten  schliesslich  auch  Clemens  Wenzeslaus 
zu  Schnellers  Ungunsten  um.  Ks  wurde  eine  Kommission  gebildet 
zur  Untersut  hung  der  »bei  der  Normalschule  statthabenden  Di-sziplin, 
dann  auch  weiterer  eingeschlichener  mannigfaltiger  Gebrechen,-  und 
zur  Berichterstattung  über  zu  wenig  angewandte  .,Voi-8icht  beim 
Beichtuntorricht  der  Mädchen  und  beim  Christenlehrunterriclit  von 
Seiten  Schnellers.  *  Darauf  wurde  ihm  eine  Oberschul-Kommission 
zur  Seite  gesetzt  und  ihm  bedeutet,  Ilirer  Churllirstiichen  Gnaden 
würde  es  gern  sehen,  wenn  Schneller,  da  er  mit  dieser  Kommission 
doch  nicht  zusammenarbeiten  könne,  ,aus  Liebe  zum  Frieden",  die 
so  Itosclnvorliche  Last  der  Uuterschuldirektion  au  eine  jüngere 
Kraf,  einen  passend  erfimdenen  Konviktprüfekton  ah^rr^hon  würde, 
Ihrer  Churfilrstlichen  Gnaden  wäre  es  ferner  angenehm,  wenn  er 

')  Nouhiirgcr  Archiv.  Mitgeteilt  von  Dr.  Tb.  Specht,  k,  Lyc. Profeasor. 
liiiUiigeu,  uhue  Augube  der  SiguuLiu*. 


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34     Mitteilungen  d.  Gee.  f.  deuteche  Eniehunga-  u.  Seholgeach.  VII. 


die  Christeulehre  dem  Stadtpfarror  vulli^:  anluMmst^llen  würde. 
Schneller  vei*8tand  das  in  ge^i  hmeidi^'o]  Ilot'sprache  abgel'asste  Aa- 
sinoen  und  trat  aus  dem  Amte  des  Schuldirektors. 

Das  Datum  seine»  Rücktrittes  findet  sich  nicht  angegeben,  es 
ist  auf  Ende  1786  oder  Anfang  1787  zu  setzen.  Am  21.  Februar 
1787  trat  als  Nachfolger  Nömcr  ins  Amt.  Die  Akten  über  Schnellfrs 
Entlassung  sind  spärlich,*)  doch  l:»  iiüirt  nd.  um  in  ihrer  aalglatten, 
verdäihtigi'nden  und  doch  nictitssagenden  Art  der  Abfjissung  er- 
kennen zu  lassen,  dass  Schneller  ohne  ausschlaggebende  sachliche 
Gründe  als  Opfer  persönlicher  (Jlegenstnlmungen  einfach  abgesägt 
woiden  ist.  wenn  auch  in  feinster  Fonu.  v.  Ungelter  blieb  ihm 
treu  und  hielt  ihn  so  lange  als  nur  möglich.  Die  , Dienste*,  die  aber 
Th.  J.  V.  Heiden.  Direktor  der  bischoflichen  Kanzlei,  .,Sr.  Durchlaucht 
gegen  Schneller  zu  Füssen  legte."  waren  stärker  und  führten 
Schnellers  Scheiden  aus  dem  Direktoramt  herbei. 

Mag  nun  auch  solcher  Abgang  Sclineüers  anfänglich  Zweifel 
gegen  seine  ganze  Amtsführung  erregen,  so  müssen  diese  do<'h  bei 
iroii.iuerei'  Krwii^^unu'  <icr  Verhältnisse  schwinden  und  solches  Knde 
vermag  auf  den  ganzen  L-barakter  des  Mnnnes  keinen  Schatten  zu 
werfen.  Sefnieller  bleibt  uns  trotidem  eiu  aclitenswerter  Sehnl- 
mann.  ^^'elln  ;unli  kein  eii;eii;irti;i,'er  bahnbreeliendfr  Kefonnaior, 
so  ist  er  <!(!(  Ii  rin  liirliijger  Verarbeiter  <ler  zeitgenössischen  päda- 
i:<t<j:isrheii  und  iiselhodischen  Ideen,  ein  Schulmann  von  khtrem  Blick 
und  warmem  Her/eu  für  Jugend  und  Volk,  wert,  Felbiger  und 
Braun  augereiht  werden. 

1)  Nouburger  Archiv  H.  175,  Piwc.  8  n.  8. 


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10.  Reformbefitrebungen  der  bayeriticheii  Benediktiner  etc.  85 


JO. 

Reformbestrebiuigen  der  bayeiisehen  Benediktiner 

auf        Oobiete  des  (lyiiiiiasialweseiis  iini  lli^. 

Auszug  aus  dem  Protokoll  der  Sitzungen  der  Benediktiner  der  bayerischen  Kon- 
gregation, weiche  im  Jahre  1708  in  Scheyern  gehalten  wurde. 

Vun  Prof.  D.  Dr.  Jos.  Baob,  u.  (i.  Professor  der  TheolO|;ie  an  der  Universität 

München. 

Einen  nicht  zn  untei-scliatzenden  Beitrag  zu  einer  wirkliehen 
Erzielrangs-  und  Schul^eKchicht«»  der  mittleren  und  höheren  Schulen 
in  Bayern  würden  die  Protc»k(dle  der  Versammln ngon  der  Aebte 
lind  Deputierten  sämtliche^'  l>iiy irischen  Benodüctinerkonvente  bilden, 
welche  nich  8oit  Ende  des  17.  Jahrhunderts  zu  gemeinsamen  Inter- 
essen alle  drei  Jahre  unter  dem  Titel  der  bayerischen  Kongregation 
vereinigten. 

Der  VaiiUalismus  der  Säkularisation  hat  freilich  auch  diese 
Protokolle  wohl  grösstenteils  —  wie  so  vieles  Andere  —  ver« 
richtet.  Doch  düiften  sich  da  und  dort  in  den  Archiven  oder 
Bibliotheken  einzelne  derartige  Fascikeln  noch  vorfinden. 

Wir  geben  hier  von  einem  d<'rartig(Mi  Protokoll  einen  Auszug» 
soweit  derselbe  (Ur  die  Sehulgeschichte  von  Belang  ist* 

Bemerkt  muss  werden,  dass  diese  Sjitzungen  auf  Grund  eines 
eigenen  pftpstlichen  Breve*s  eröllhet  wurden,  und  ihre  Beschlüsse 
Yorbindende  Kraft  für  sämtliche  Konvente  der  Kongregation  hatten. 

Dazu  kam  dann  noch  die  Erlaubnis  beziehungsweise  Be- 
stätigung des  Staates. 

ProtocoUum  actoruni  et  constitutorum  in  Capitulo  genei-ali  nono 
in  exempto  monaatorio  Schyrensi  celebrato  post  Dominicam  Oantate, 
8eu  Quartam  post  Pascha  a  die  7  Maji  usque  ad  9  inclusive 

Anno  1708. 

In  der  erst^^n  Sitzung  werden  dit;  allgemeinen  Interessen  des 
Ordens  hosproi  lien  und  beraten.  Unter  dein  Vorsitze  des  Präses 
der  Kongregation,  des  Abtes  von  Tegernsee  (^uii  inus  versammelten 
Bich  vierzehn  Aebu-  <ler  vei-schicdenen  bayerischen  Klöster  persönlich, 


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86       Mittf'iltinp'Pn  d  Gof^.  f.  rloutf^clio  Er/.iohnn^r^'  n.  Scluilf^oBcli,  VII. 


Während  einige,  durch  Krankheit  verhinderte  Prälaten  Stellvertreter 
schickten.  Ausserdem  aber  waren  sftmüiehe  Konvente  durch  eigene» 
Deputiei-ta  vertreten.  Im  ganzen  waren  siebenuoddreissig  Manu 
rertreten.  Die  Dei)utierten  der  Konvente  liatten  zusammen  vier 
Stimmen  (Vocales). 

Schon  vor  der  Eröffnung  der  zweiten  Sitzung  machte  der 
Regens  des  fUrstbifichöflichen  Clymnasiums  in  Freising  Benedikt 
Ehersehwang  ans  Frauenzell  den  Definitoren  Vorschlfige  üher  eine 
gründliche  Ileforin  des  Gymnaisiums  selbst  und  voranlasst  eine 
Kollektiveingabe  des  gesamten  iüipitels  bei  dem  lAudesherren  in 
dieser  Hinsicht. 

Darauf  folgt  die  zweite  Sitzung,  welche  vorwiegend  pAdagogische 
Fragen  erörtert: 

Sossio  SeciiTida. 

De  conimuni  Kovitiatu  et  studio  literarum. 

Propositio  1:  Quid  circa  Gymnasium  Frisingense  disponendum 
et  quatenus  ejus  fundatio  elTicaciter  urgenda  rc  taudem  obtinendar* 
Quis  ])rü  ftituro  trieunio  in  praesidem  et  a.s8istentem  eligendus,  et 
quo  tem|)ore  visitatio  ejusdem  institnonda? 

Kesolutio:  (.'onsultissimum  videbatur  pro  obtinenda  actuali 
fundatione  Gymnasii  gratiosissimnm  foret.  pulsare  per  supplice« 
litleras  nomine  totiu.s  Congrcgationis  a  Keverendissimo  DuoWolfgango 
ahbatc  ]\Ii<  hp!ff'ldensi  concipieudas,  illis  terrainis  expressionis.  quibus 
üoverit,  animum  «lomontissinii  PHncipis  foro  expugnandum  et  in 
Vota  iiostra  trahenduui.  I^orro  in  pracsidcin  dicti  Gymnasii  com- 
nnniil)us  votis  rlcrtus  fuit  Kevcrendissimus  I).  Ahbas  Weihen- 
stoplianensi.s.  in  assistentem  vcro  Revd8iH"j'  I).  Cnplpstituts  Abbas 
Schyrensis.  Qui  cum  haue  spart;im  rnriin  iMtionihus  a  se  amoliri 
conatus  esset,  eidem  subrogulus  fuit  Kcverooditisiinus  D.  Abbas 
Michel  fei<l<'nsi8. 

Propositio  2'1'* 

An  nnvitiatus  ruinnuinis  in  rnfmahterio  \\'<'ih('iistr|ihaüeü8i  Sit 
constitiH'udus.  an  vero  alio  transferendus?  ot  (luoräumy 

Kesolutio:  In  Monasteriu?Ti  Mallerstorleriöü. 

Propositio  8  ».  An  modernus  novitiorum  magister  sit  confir« 
mandus  vol  aliuö  substituendus? 

Keriolutio:  R.  P.  Aiieano  in  nmnom  eventum  placuit  substituere 
H.  K  P.  P  Thomam  p.  t.  Priorom  Audecensem  et  Bemarduin 
Tegeruse*Mis(Mn. 

Pro|>ositio  4".  An  (|iialitor  novilii  magis  exercendi  in  bumi- 
litale  et  abuegatione  propriac  voluntatisV 


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10.  Refonnbeatrebungon  der  baycrischeu  Bouediktiuor  etc,  87 


Kesolntio:  Revereodus  D.  Maurus  Abbas  Audeceaais  suggeret 
inBtructiones. 

Propositio  5'':  An  commune  Studium  Burae^)  maueat  aa  vero 

Sit  transfereiuiiini  ot  fiuorsum? 

Hosolntio:  Kuu  apparet  locus  couimodior  ^uam  Mouastcrium 

Weihenstephaiionso.  ^ 

Propositio  6  V.  Qualls  Direct<)i-  et  jirofessores  ««int  coustituendi? 

Resolutio:  Et  P,  Director  ot  proffssores  tlieoloi^Miio  in  suis 
cathedris  maneant.  Cum  tempoii'  surcedent  in  tlifulo^ia  Ii.  V.  Joannes 
Evangelifita  ^rall^TstorfenHis  et  F.  Felicianus  Kottciisis,  Pro  philo- 
ßophia  denoiniiiHii  smit  R.  R.  P.  1*.  Rr'iicdirtiis  Ebeiio  Prior  iu 
Thif'!]iHnpt«n.  8t«phaniis  Sto<4puecher  Weihenstephanensis  et 
Quiriiius  Htockhammer  hyrmsls. 

Pi-npositio  7^.  Auaou  »iuj^uüs  amm  uovuä  curäus  (»liiiobopbicud 
iüchoauduB? 

Resolutio:  Videtur  plaue  uecessarium,  ut  sioguiis  auuis  iu- 
choetur. 

Propositio  8.    An  non  videatm-.  ut  fratres  iiovitii  et  studiusi 
anticijiato  aliquo  Hununam  solvant  et  sornm  staiim  alteraut. 
Kesolutio:  Oiiuiino  solvatur  a liquid  anticipalü. 

Propositio  9".  Quid  ot  quautuin  detoreudum  puuctts  a  K.  K. 
Petro  Directore  porrectis? 

Resolutio:  I.o^'antur  pci-  P  spcrotHrium  et  lecta  tsunt. 

Puncta  comiuuae  Studium  coucemeuda  Kevereudissimo  capitulo 
oblata. 

Propositio  1.    Videtur  distiibutio  lemporis  iu  piuribus  im- 

mutanda. 

Resolutio:  Tempus  dabit,  quid  sit  imjnutaiulum  ei  mnovaudum. 

Propositio  2.  Supposita  studiorum  translatione  videtur  con- 
sultissimum  ut  finitis  Tocationibus  dovus  rursusPiiilosophiae  inchoetur 
ac  inpostenim  Professoribus  phiiosopbiae  extraordioaria  iectio  vel 
ex  historia  aut  Ethica  injungatur. 

fieaolutio:  Quoad  primum  aflinuativa,  quoad  alterum  veit) 
negatlTa. 

Propositio  3"=.  An  extranei  Keligioei  non  uostri  ordinis  ad 
commune  Studium  admittendi. 

Resolutio:  Admittautur  aicut  hactenue. 


Benedictbouern. 

')  Weihenstephan  bei  Freising,  jetzt  laudwirtachaftUche  Hochschule. 
Im  Text  steht  Weicheostephaaense. 


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88     Bütttilungen  d.  Gw.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Sdiulgcach.  VII. 


Proposltio  44.  Quid  de  matoriis  theologicis  statuenduni?  An 
Scti  Thomae  sententiA  docenda,  an  Tero  libertas  indulgenda?  Circa 
hoc  punctnm  diversae  opinionea  erant  Quidain  cDim  propugnabaat 
libertatem:  potiores  tarnen  stetenmt  pro  eententia  S.  Thomae  et  atc 
juxta  majora  absolute  facta  est. 

RoBolutio:  Doceatur  imposterum  aententia  S.  Thomae. 

PropoBitio  5.  Ab  inhaerendum  decratis  CapituU  generalia  de 
anno  1701,  quod  lectiones  Juris  Canonici  sustulit,  ne  disdpQli 
materiarum  varietate  nimium  occupentur,  et  utrom  continuanda 
extraordinaria  explicatio  juris  civilis? 

Resolutio:  Omnino  inhaeiendum  est  decretis  Capitiüaribus. 

Propositio  6.  ProTideatur  de  medio  oportuno«  quo  sumptua 
pro  sustentandis  professoribus  solvi  possint,  ne  propterea  rationes 
fratrum  studiosorum  graventur  et  Revm|  a  mittendis  ad  commune 
Studium  Religiosis  absterreantur. 

Resolutio:  Jam  videbitur. 

Propositio  7.  Ad  Universitates  nullus  mittatur,  vel  si  mittantur. 
nonnisi  ad  Salisbuigensem  mittantur. 

Resolutio:  Sit  liberiias  mittendi  ad  quamcunque. 
Propositio  8.  Studia 'privata  severe  interdicantur. 
Resolutio:  Sint  interdicta. 

Propositio  9.  In  professo  primo  Sancti  Lucae^)  exactissime 
compareant  in  loeo  studii  Aratres  nostri. 

Resolutio:  Jam  füit  statutum  in  Capitulo  praecedenti. 

Propositio  10.  Fratres  studiosi  secum  afferant  libros  pro 
meditatione  alüsque  spiritualibus  exercitüs. 

Resolutio:  Est  plane  necessarium. 

Propositio  11.  Toti  communi  studio  adoptetur  tutelaris  specialis, 
vel  Beatissima  virgo  sine  labe  concepta,  in  cujus  feste  posset 
piaestari  juramentum  de  defendenda  immaculata  conceptione,  vel 
S.  Maurus  vel  S.  Anseimus,  aut  S.  Beda. 

Resolutio:  In  praesidem  per  majora  eligere  placuit  Beatissimam 
Virginem  sine  labe  conceptam:  Juramentum  praestandum  relinquitur 
cujusvis  devotioni. 

Propositio  12.  Denique  P.  Petrus  huiniUime  petit  liberari 
tum  a  Professura  tum  a  Directorio. 

Resolutio:  P.  Petrus  pergat  in  utroque  munere  eo  quo  hactenus 
fervore  ac  industria. 


>  )  Der  18.  Oktober,  der  Tag  des  Apostel  Lucaa,  war  der  B^iinn  der 
Studien. 


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10.  Reformbestrebimgeu  der  bayerischen  Benediktiner  etc.  89 


Kesolutis  hipcn  pnnctis  vocati  stiiit  P.  P.  Vocales,  eorumque 
Votca  audita,  quo  u  praedictis  resoiutioDibus  ferne  mliil  dis- 
cordabant. 

In  der  dritten  Sitisuug  werden  disziplinare  Fragen  über  die 
Orden  SV  i.sitationon  und  andere  (JrdeiiHtragcn  erörtert  . 

In  der  vierten  Sitzung  wird  beraten  über  die  liitte  des  Priors 
von  Peterehaunen,  welcher  um  Mitteilung  von  Urkunden  der 
einzelnen  Klöster  bittet  behufs  AnIV'tTijjjiiiij;  «miht  allgtnneinen  Ge- 
schichte (wohl  des  bayeri.sciit'ii  lienediivtiiieiordens)  jiro  concinnanda 
liistoria  quadam  universal  i.  7)ie8e  Bitie  wird  befürwortet. 
Dagegen  wird  die  Bitt«^  des  Abtes  von  Georgenberg  in  Tirol,  drei 
seiner  Conveiituakii  in  deni  Studium  (grutiü)  zu  behalteu.  ob  iii- 
jurias  belli  et  tempui  inn.  abschlägig  bosrhiodon. 

In  der  fünften  Sitzung  werden  bestimmte  Noten  für  die  Auf- 
nahme in  das  Gymuasium  verlangt.  Dagegen  wird  den  Professoren 
der  liat  gegeben,  das  Mass  der  monatlichen  Hausaufgaben  nicht  zu 
überschreiten. 

Ebenso  werden  Schulkonferenzen  angeordnet. 

Die  Professoren  der  Philosophie  sollen  fiach  ihrem  Range  zu 
Professoren  der  Theologie  vorrücken.  Es  soll  die  Bitte  bei  dem 
Papste  gestellt  werden,  dass  zwei  bayerische  Religiösen  in  das 
CoUegium  Romaniim  Authahme  finden. 

Unter  den  Beschlüssen  des  GeneralkapitelB  sind  die  über  das 
Unterricbtswesen  in  erster  Reihe.   Sie  lauten: 

Pro  communi  altionim  seientiaram  sede  ae  literarum  atheneo 
electum  füit  Monasterium  Weihenstephanense  sub  modemis  P.  P. 
Directore  et  Profeesorihus  s.  s.  Theologiac^  et  quia  hoc  singulis 
post  hac  annis  ad  renovatioDem  stiidiorum  in  feste  S.  Luoae  qua 
die  omnes  ff.  stiidiosi  praecise  comparere  debent,  novus  Cuisus 
PhüoBophiae  Inchoandus  est,  ideo  pro  sequenti  triennio  ad  docendam 
Philosophiam  deetinati  sunt  R.  R.  P.  P.  Benedictos  p.  t.  Prior  in 
Thierhaupten,  Stephaniis  Weichenstephanensis  (sie!)  et  P.  Quirinus 
SchyrenaiB  juxta  dispositionem  Rev^j  Praesidis  et  visitatorum.  Circa 
iiiiucttim,  qualis  sententfa  docenda.  luaevaluit  sententia  Thonüstica 
juxta  priores  recessus.  Praeses  et  patrona  stndiorum  assumpta  fUit 
R=  Virgo  sine  labe  concepla. 

Novitiatiis  communis  ex  monasterio  Weichenstephanensl  trans:- 
latus  est  ad  monasterium  Malierstorfense  sub  R.  P.  Aniano  Rottensi. 
cui  in  omnem  eventum  siibstituti  sunt  R.  R.  P.  P.  Thomas  Ande> 
censis  et  Bemardua  Tegerensis.  Porro  ne  monasteria  ubi  commune 
tyroclniiim  aut  Studium  instituttim  est.  nimium  graventur  ob  multitudi- 


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90      Mitteihinppn  d.  (\vs.  f.  doufschp  Entiehiinp-s  u.  SchiiIgpRch.  Vif 


nem  hoopitum,  placuit  deeernere  ut  fratres  eo  mittendi  aliquam 
pecuiiiarum  summ  am  secum  afferant  et  aaticipato  solvant. 

In  Praesidem  Gymnasii  Frisingenfis  elcclus  fuit  D.  Abbas 
WeicheDStophanensis,  cui  assistet  R'i»  I).  Michelfeldensis.  Ne  vrrn 
Gymnasio  subjecta  capacia  desint.  ordinal  um  fuit.  ut  JuvoDOB  reli- 
giosi.  ubi  fieri  potost,  in  humanisUcia  diiigeuter  exerceantur  et 
qualificati  Hnnotentur. 

Nacl»  mehreren  anderweitigen  Beschlüssen  (n]^  No.  10:  Pro 
gratia  ponteficia  oh  inscrlptas  theses  sapplicabitur,  ut  duo  ex  noatris 
alantur  in  Collegio  Romano.  * 

Es  folgen  dann  die  Unterschriften. 

Acta  auut  haec  in  MSS^  Sehyrensi  9  Maij  anno  170^*. 

Quirinus  Abbaa  TegemBeensis  p.  t.  Fraeaes  Generalis. 

Placidus  Abbas  Visitator  ordiuariua. 

Maurus  Abbas  Andccensis. 

Inf.  Bavariae  et  PalHtiiiatus  Visitator. 

Bonaventura  Abbas  Keicbeubacensis,  Procurator  generalis  et 

definitor. 

Auf  einem  späteren  Generalkapil^^I,  das  im  Juni  1741  in  Ober- 
altaich gehalten  wurde,  wurden  \'erhandiuugen  Uber  VerbUtung  des 
Flachdrucks  der  Büchel-  gepflogen. 

Der  Catalogus  Monasteriorum  Cnngregationis  Bavariae  vom 
.lahre  1782  verzeichnet  folgende  19  Konvente  des  damalijxen 
Bavcrns  —  die  in  den  schwäbischen  und  fränkischen  T^andesteilen 
des  heutigen  Bayerns'  sind  selbstverständlifh  nicht  mitgezählt  — : 
Andechs.  Attl.  Benediktbeuern,  St.  Emnieran  in  Tiegensburg,  Frauen 
Zell.  Mallorsdnrf.  ]\Iichaelsfeld,  Oberaltaich,  Prifling.  Reichenbach, 
Rfttt  am  Inn.  rhierhau))ten.  Weihenstophan.  Weissenau.  Welt^nburg 
und  Wessobrunn.  In  diesen  lebten  45ü  Priester,  deren  mehr  als 
dir*  Hälfte  dem  Lehrstaud  angehörten,  andere  wie  l:*^benius. 
ISaül'tl  ( tc  bodentende  GelehrK*  waren. 

Kinen  Auszug  a)iH  den  Protokollen  sänitlirlirr  Sit/.iiniron,  welcher 
für  die  »Schulgescliichte  Bayerns  von  i;rossem  Interesse  wäre.  I)ieteii 
die  noch  handsrhriftüch  vorhandenen  Annales  (^ongroi^ationis 
Benedicto-Bavaricac.  deren  Herfmsgahe  wir  vipilrjclit  ntich  der 
Munificenz  drr  honte  wieder  neu  erstaadenen  Kongregation  zu  ver- 
danken haben  werden. 


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11.  Pädagogisch -hiBtoriächc  AusstolluDg  etc. 


91 


11. 

Püdagogisch'taistorische  Ausstellung 

bei  Gelegenheit  der  18.  Heuptveraiunmlttiig  dee  Bayr.  VolIcsBchuUehrer' 
vereine  in  Mflnchen,  4.-9.  Auguet  1896. 

Der  Qedaniie»  bei  einer  bayeriseben  Lebrerversammlang  neben  einer 
LebnnittelaiuBtellang  «ach  dnmal  eine  pädagügisch'historische  Abteilang 
am  Bcfaairen»  fand  trotx  der  Neuheit  desselben  bei  den  Qllinitlichen  und 
privaten  Sanunlnngen,  ^isytuten,  sowie  namenliich  in  Lehrerkreisen  and 
bei  Sehttlfreanden  gute  Anfiuihme  nnd  UntersUltning.  Man  nrnsste  die 
Anschauung  billigen,  da.ss  eine  grosse  Lchrcrvcrsauiinlnnf,'  vor  allem 
ri>,'n('t  sei.  durch  oino  solrhe  Voranstaltinip  dns  Intorrsse  für  Schulgt'srhiclitc 
zu  fördeni.  die  Lehrerwclt  zum  Sainiiit  In  schuJgesfhichtlirhon  Matorials 
nii/nrogeii  und  oine  wirksame  rr(i]taj.'iin(la  fOr  die  Bestrebinicfn  der  Oe- 
sellsciirtft  fflr  dentselie  Erzit'lmntjs-  und  S^-Iiulgesclnchte  aii/uhahnon.  "Wenn 
nun  auch  in  Folge  der  kurzen,  zur  Verfügung  stehenden  Zeit  und  des 
Mangels  hinreichender  Arbeitskrifle  das  gsnxe  Unternehmen  sich  nur  als 
ein  erster  Yersnch  darstellt,  dem  viele  Mftngel  anhaften,  so  möge  doch  ge- 
stattet sein,  hier  darftber  sn  referieren,  da  die  Ansstellnng  nicht  nnr 
seitens  der  ca.  6000  Teiinelmier  der  Versanirolang,  sondern  auch  der  Be- 
wohner Münchens  sich  eines  lebhaften  Besuches  und  der  vollsten  An- 
erkennung erfrrnto. 

Der  Katalog  führt  87  Aussteller  und  785  Ausstellungsobjekte  auf. 
besonders  dankbar  wird  anfM'kaiint.  da'^s  die  stnatlirhen  nnd  sts\dtis(  hen 
Injstitutf  sirh  mit  ihren  \\ rrtvoUi'u  Schätz<'n  beteiligten:  die  Kgl.  Ht)f-  und 
Staatsliibiitithek.  dii-  Kgl.  UuivtT'«ität.«hibliolhek,  das  Kd  Mfinrkabinett, 
die  Magistratsbibliothek,  das  Stadtarchiv,  Stadtmuseuin  mit  Mailliuger- 
sammluug,  die  Kgl.  KreiS'Lehrerinneubilduugstuistalt,  gewerbliche  Fort- 
bfldungsschnle.  der  Stadtmagistrat  Knlmbach  etc.  Aber  auch  private 
Samminngen  boten  uns  ihre  Untersttttzung,  so  I>r.  Mensbachws  MQns« 
handlung,  die  Antiquariate  Halle  und  Hess,  sowie  viele  hiesige  und  aus* 
wArtige  Lehrer  etc.  Ton  Bezirkslehrerrereinen  that  sich  besonders 
Regensburg  her\'or.  sowie  Landshut. 

Abteilung  A  enthielt  Handschriften  und  zwar  unter  I.  die 
38  Nummern  Schularchivalien  aus  dem  MOnchener  Stadtarchiv,  wolrho 
sich  auf  die  Poetenschule  des  Gabriel  Castnor  1560,  die  deuf. sehen  S  hnl  n 
von  1501  an  und  endlich  auf  die  hie^iffen  Feiertntjssrhnlen  von  17*.>1  an 
beziehen.    Diese  wertvollen  Arcliivalieu  sind  schon  früher  durch  Westen- 


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92     Uitteilungen  d.  Gee.  f.  deutsche  EnEiehunge-  u.  Bchulgeech.  Vn. 


rieder  n.  a.  nnd  zuletzt  in  der  als  Festgabe  den  Teilndunern  der  Ver- 
sammlung dargereichten  Schrift  von  Oberlehrer  Gebele:  Das  Schulwesen 
der  Kgl.  bayr.  Haupt-  und  Rcsidon/stadt  München  in  ?einf»r  ppsrli.  Eiif- 
wirklnn?  —  publiziert  nnd  verarbeitet  worden.  Trotzdem  war  die  DarbietiuiR 
dieser  Quellen  erwünscht  nnd  lehrreich.  Von  den  weiteren  Hand- 
sdirifttii,  welche  auflagen  und  im  Katalui:  unter  U.  angeführt  sind,  er- 
regten mehrere  ein  grosses  Interesse,  da  solche  wertvolle  Stücke  selten  zu- 
gänglich sind,  so  der  cod.  germ.  216  mil:  modna  legendi  A  rethoiica 
volgarie  von  Christoph  Hnber  in  Landshut  1477  —  das  Alteste  nnd  ans 
dem  15.  Jahrhundert  das  einzige  Werk,  welches  Aber  den  deatschen  Unter« 
rieht  in  Schulen  einigen  Anftchlnss  gibt  —  (bearbeitet  von  Br.  Johannes 
MtlUer  in  den  deutschen  Quellenschriften  der  Geschichte  der  Methodik  von 
Dr.  Kehr);  Neues  NamenbOchlein.  auf  Pergament  mit  silber- 
beschhifrononi,  durch  Brillanten  '_'e<5cbmflrkten  Sammeteinbnnd.  17.  Jabr- 
hnndeii.  Weniger  methodisch  als  durch  künstlerisrh  nn*:trefüliiie  Miniaturen 
bildete  dieses  kostbare  Scbnustfu  1<.  welches  wt)hl  einiiiiil  in  fürstlichem  Oe- 
branche  war,  einen  Aüziehunysjmiikt.  Das  Keclicnbut  h  vt»n  Wertem  a 
von  Plurs  1593  ragte  ebenfalls  durch  schöne  künstlerische  Darstellung 
hervor.  Von  anderen  Handschriften  seien  noeh  8  Briefe  Pestalozzis 
an  Pater  Girard  nnd  die  IngolstAdter  Schulordnung  von  1589  erwfthnt. 

Die  Abteilung  Ii.  Theoretische  IMd ;i troirik  mit  besonderer  Be- 
ziehung auf  das  Volksschulwpsen,  unifasste  ein  zienilicli  reichhaltiges 
Material  von  Üriginalausgabcu  pädagogischer  Quelleiiwerke  und  Scbrilteii 
in  (i  (»nippen,  von  No.  (iT  --2(19  des  Katalogs.  Dit;  (tliederung  war 
folgende:  1.  Von  der  Keformatiou  bis  zum  äOjäluigen  Krieg.  2.  Die 
Schule  unter  dem  Einflüsse  des  Realismus  1618 — 1700.  3.  Pädagogische 
Bestrebungen  von  1700—1750  (Pietismus),  i.  Aufklimngsjseit  1750^-1800 
(Philantiopiuismus).  5.  Pestalozzische  Zeit  1800—1880.  6.  Pestalozzi- 
gmppe.  Dem  Besucher  war  sohio  Gelegenheit  gegeben,  die  ganze  Ent- 
wicklung unserer  Piidago^  ^nt  der  Reformation  in  den  wichtigsten  littc- 
rarischen  Werken  im  Gewände  ilirer  Zeit  zu  überschauen,  was  für  die 
meisten  Schnlni.inner  nm  sn  grösseren  Bei/,  bot.  da  die  wenigsten  jernals 
die  Oriffi^^:ll:lll^L:;ll)en  der  p.idugogiscben  Qiirlh  iischriften  zu  sehen  be- 
kommen. Es  isl  lieivor/iili«  l»cn,  das.s  das  zur  Kenntnis  des  Imyerixlieu 
Volksschulwesens  dienliche  Material  für  die  Zeit  seit  den  ktzttn  Jaiir- 
zehntcn  des  vorigen  Jahrhunderts  gut  vertreten  war.  Da  begegnen  wir 
ausser  den  bekannten  bayerischen  Pädagogen:  Heinrich  Braun«  von  Ickstatt, 
F.  H.  Hofeiann,  lüchael  Sailer  und  G.  F.  Seiler»  Aeg.  Jais,  Seb.  Gunther, 
Stephani,  Graser,  Hergeurftther  —  auch  vielen  mit  Unrecht  wenig  ge- 
kannten Kamen:  von  Eckartshausen,  Picblmayer,  Fronhofer,  Steiner,  Weiler, 
Bacher,  Silli  r,  Böckl,  Thanner,  Obert'nn  Müller,  Zebeter  etc.  Aus  der 
älteren  Zeit  bot  Kandier,  Johann,  Sibnl/ueltt.  Kegensburg  1628  und: 
Wnhlf,'eineint«>s  griindlicbes  Bedenken.  .\hi;'>1iiii  l'  I'i^"'  «grosses  Interesse. 
Sticht  mindere  Anziehungskraft  zeigten  AU&mr  den  pädagogischeu  Klassikern 


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11.  Pfldagogisch-historischp  Ausstellung  etc. 


98 


die  älteren  und  nenrren  bayerischen  Schulordnungen,  die  19  Münchener 
Sohulredon  1772 — lb25  etc.  Zn  Ehren  Pestalozzis  war  im  Saale  dessen 
Büste  aufV'f'stcIlt,  umgeben  vf>ii  lUumenschmuck:  es  laijon  die  meisteu 
seiner  Werke  in  Originalausgaben  und  viele  Schritten  Uber  ihn  auf. 

Den  girOssten  Umfang  hatte  Abteilung  G,  Prafctiselie  Pftdagogik 

des  YoIksschuhvrsiMis,  No.  270 — 660  des  Katalogs.  Unter  T  Religion 
und  biblische  Geschichte  waren  die  Katcrltismcn  von  Canisius,  Luther, 
Spener,  Felbiircr  rtc,  die  Scbrifton  von  MutsclicHo.  Sclnlnberg  etc.  vor- 
treten. Auch  ein  Kiit»  rbismus  in  Kupfern  für  Leute,  ^so  dess  Lesens  un- 
erfahren sevnd"  fcliltc  nichf.  Aih  »1er  Gruppe  Tl.  deutsche  Sprache,  sind 
zunächst  ca.  In)  Fibeln  /.u  trvvahnen,  deren  älteste  von  155ü  stammt; 
darunter  waren  viele  Stücke  methodisch,  wie  durch  Illustration  sehr  be- 
achtenswert, a.  B.  Ohrist.  Fiaehen  LessbttcUein,  Regenabnrg  1637,  Neu 
erfundener  Lustweg  durch  Bilder  das  ABC  und  Buchstabieren  zu  lernen, 
NQmberg  ca.  1750,  Seidl,  Ein  sonderliches  Alphabetfa-,  Berlin  1711j 
(im  AnscUnas  an  die  Wappen  das  ABC  zu  lernen).  Militärisches 
ABC,  Erlangen  1814.  Hömisch  katholisdus  XuiiHtilinclitciii,  Freysing. 
178()  etc.  etc.  Von  besonderem  Werte  für  die  Kenntnis  des  bayerischen 
Volki-s<  hui  Wesens  sind  die  H  Clmrbayerischen  Elementarhürher  von 
H  Biauu  1770.  «lie  in  einem  seltenen,  vollstinulijcu  Exemplare  zu  sehen 
waren.  Sehr  wertvolle  Werke  über  (Maniiiiafik  liihlen:  Ein  deutscher 
borrarius  vun  Stainhöwel  147;^,  mit  der  ältesten  ueiirurkten  Anleitung  über 
Interpunktion;  Formulari  für  brieff  u.  rhctorik,  Augsburg  1483;  Faliian 
Frank  Orthographie  1540,  Gantdeibfichlein  1517,  Handtbncblin  von 
Helchssner  1550  etc.  Auch  die  UL  Gruppe,  Beehnen,  war  ziemlich  reich- 
haltig vertreten,  sodass  man  die  Geschichte  des  elementaren  Rechnens  ron 
Adam  Rysen  1527  an  bis  ca.  18:20  in  den  wichtigsten  Werken  verfolgen 
konnte.  Die  meisten  der  Werke  entstammen  bayerischen  Autoren  und 
sind  darum  für  unsere  Schulgesclüchte  von  sp^eUer  Wichtigkeit.  Auch 
eine  Rechenmaschine  aus  dem  17  Jahrhundert  war  ausgestellt,  ein  Kästchen 
mit  drehbiiren  Hollen,  worauf  die  Produkte  jeder  Zahl  innerhalb  10  nn- 
gegelHMi  waren.  Der  Appnrat  erinnert  an  die  Xepper^chen  Rechenstäbe 
und  (lieiiic  zum  Multipliziercu  und  Dividieren.  l)a.ss  der  Erfinder  der 
Stenographie,  Gabelsberger,  auch  Lehrmittel  erfand,  i&t  wohl  wenigen  be- 
Icannt;  iu  der  Ausstellung  war  von  demselben  eiue  mechanische  Uhr  und 
eine  mechaniache  Rechentafel  zu  sehen.  Unter  dten  Geographiewerken, 
IV.  Gruppe,  waren  ausser  den  in  der  Geschichte  der  Methodik  aufgeführten 
bekamitenn  Werken,  2  seltenere  methodisch  erwihnenawerte  Arbeiten  auf- 
gelegt: Geographischer  Anfang,  von  einem  Jesuiten,  Augsburg  1729,  Hin- 
längliche Geographie  vor  die  Schule  von  Pater  Anselm  Desing,  BenedÜCtiuer 
in  Ensdorf,  Salzburg  1743.  Bayerische  Schulgeographen  sind  ntehrere  ver- 
treten gewesen:  Westenrieder,  Prilndel,  Bundschuh,  Höldericli,  ('aiiiraorer, 
Nicsenbr>rk,  Solrhaw,  von  W(*stennayr,  Kienast.  Die  Wände  des  Aus- 
stellungssaules  waren  uit  alten  Bayernkorten  geziert,  darunter  ein  sehr 


94     Mitteilungen  d.  G68.  f.  deutsche  Brciehuiigs*  u.  Bchulgescb.  VLL 


schönes  Expmplar  der  Apiankarte,  dio  Karte  von  Fink  1663,  solche  von 
Lobck,  lloiiiann,  Sontter.  fifr  bcrriiclie  Atlas  vim  Riedl  etc.  Ein  sehr 
j^eltoiies  Exemplar,  eine  Nürnberger  Fraisciikartc  ca.  155u,  besonders  aber 
eint'  I,andkarte  mit  tigürlichen  T>arst< 'Hungen,  Lütter  Augsburg  1745,  fand 
viel  Beachtung,  letztere  durch  das  Bestreben,  Geschichte  mit  Geographie 
in  amchaolicbe  Yerbrndmig  in  bringen.  Aqb  der  Gruppe  V,  Geschichte, 
heben  wir  Bonos  historische  Bilder  1705,  als  das  beachtenswerteste  Werlc 
hervor.  Schnlmethodiaches  Interesse  können  auch  beanspruchen:  Historiadie 
Tabellen  von  P.  Pock  in  Ettal  1736.  Weatenrieders  Geschiebtsbacher  fUr 
Schalen.  Tabelle  derWeltgeschiclite  in  Strömen  und  Flttssen  von  Straas  1821. 
Die  Naturkunde,  erst  seit  Beginn  unseres  Jahrhundert.'»  ein  Lehrgegenstaad 
der  Volkssi  liuleu,  war  in  Gruppe  VI  nur  wenig  vertn  t(  ii,  doch  erschienen 
in  München  1790,  1791,  18<X),  1801,  1H>4.  IHl'i,  in  Straubing  lMr>5,  in 
Ingolstadt  18(  >2,  1812,  in  Augsburg  lölü  ächulbUcher,  welche  diesen  Lehr- 
gegenstand bcarljeiteten. 

In  Gruppe  VIll,  Schreiben  und  Zeichnen,  fanden  sich  die  Zierschriften 
der  alten  Schreibmeister  Newdorffer-Nürnberg  Möller-Lübeck  lülU, 

Steisslinger-Augsbiirg  etc  .  aber  auch  Stephanis  genetische  Schreibmethode, 
Kanisauer  Zeiclienlehre  etc.  Audi  Albrecht  Dürers  Unterweisung  1583 
fisUte  nicht 

Eine  seltene  und  wertvolle  Kollektion  von  Werken  für  den  elementaren 
Gesanguntenieht  bot  Gruppe  YHL  Wir  nennen  von  bajeiischen  Produkten 
besonders  ffie  Werke  von  Gnmpelshaimer,  Angsbniig  1595,  Trantmann,  ftr 
die  Schulen  in  Lindan,  Kempten  1618,  Nopitsch,  NOrdlingen  1784,  Frölich, 
Wflnbnrg  etc.  Schliesslich  sei  der  ilteren  Jugendsehriftcn  in  Gruppe  IX 
gedacht,  von  denen  die  Kinderzeitnng,  Nürnberg  1780,  die  Kinderakademie, 
Mfkncben  1784,  der  höfliche  Schaler,  Manchen  1784  etc.  hervorai' 
hellen  sind. 

In  der  Abteilung  D  wurden  bildliche  Darstellungen  geboten, 
eine  reiche  pädagogische  Galerie  von  Oelgemülden,  Kupferstichen,  Schab- 
blättem,  Hidzschnitten,  Lithographien,  welche  die  Wilnde  des  Saales  zitTten, 
No.  001—759  des  Kataloges.  Sowohl  die  Porträte  von  Pitdat^ogi-n  und 
SchuliiKinnern,  als  auch  charakteristische  Darstellungen  aus  Schule  und 
Lebrerleben  fanden  und  verdienten  besondere  Beachtung,  da  darunter  wert- 
volle nnd  seltene  Stfldce  za  sehen  waren.  Einen  Glanzpunlrt  der  Ans- 
Stellung  bildete  die  Abteilung  £,  Medaillen  nnd  Mttnsen  in  2  Sehan- 
kisten,  No.  770  nnd  771,  ca.  hnndert  Scholinftnxen,  die  einen  Wert  von 
mehreren  tausend  Mark  repräsentierten.  Ausser  den  Medaillen  berflfamter 
PftdagOgen,  worunter  hervermf^M  ude  Gepräge  sich  faiiden,  interessierten  den 
Schulmann  besonders  die  bayerischen  S(  Imlprämien  und  die  Rechenpfennige 
aus  dem  Iii  und  17.  Jahrhundert.  In  dt  r  SchUissabtcilnnfr  F,  Vcr- 
scliiedono?  Irii'cn  neuere  schnlgcsrliK  Ijtli  lip  Schriften  auf.  r>!e  (resrhichte 
des  Vujks-i  tiuhs  (M  ns  der  Oberpfalz  von  ilullwi  ]{,  Daisenbergers  Volksschulen 
der  Diözese  Augsburg  und  vor  allem  die  Pubiikutiuueu  der  Gesellschaft  für 


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11.  Pftdagogisch-historiache  Ausstellung  etc. 


95 


deutsche  Erziehungs-  und  Schulgescliichte  seien  besonders  erwähnt.  Die 
Prospekte  der  neueren  Schriften  der  letztem  kamen  In  grosser  Zairl  zur 
Verteilung.  -  -  Einr  pädagoinsi  li-liistorix  lic  Ausslfllun.i:.  wie  wir  sie  im 
Ut'bt'rblifk  gescliildert  li;ilicn  luul  wie  sie  als  ciii  erster  Vernich  vorliegt, 
mu5S  und  kann  zulrieUtii  sein,  wenn  sie  in  Lehrer-  und  sehulfreundliche 
Kreise  Anregung  bringt,  den  schulgesehichtlicben  Erscheinungen  ein  grösseres 
Interesse  zuznwenden.  Dass  dies  der  Fall  gewesen,  können  wir  bei  der 
regen  Anteilnahme  nnd  nacli  dem  allgemeinen  Urteil  annehmen.  Damit 
aber  dieses  Interesse  ein  dauerndes  nnd  tieferes  werde,  welches  zn  einer 
eingehenderen  Beschäftigung  mit  dem  schulgesehichtlichcu  Material  führt, 
ist  es  nötig,  dass  insbesunders  der  Lehrerwelt,  welehe  Geschiehte  der 
Pädagogik  zu  studieren  beruflich  verpfliehtet  ist,  eine  Sammlung  dieser 
Art  zur  VnrfOgnng  stehe.  Zur  Errichtung  eines  pftdagogrsrh-historiselien 
Museums  fiir  Bayern  in  Mflnrhen  '«ind  bereits  Einleitungen  g<'troffen,  und 
es  bestritt  begründete  UotTuung,  dass  dieselben  zu  einem  erfreulichen  Ziele 
führen  werdeu. 

H  e  ige  n  m  OOS  e  r  -  MQnehen. 


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I     Mitteil.  (L  Ges.  f.  deutächo  Erzieh.-  u.  i^chulgesch.  Vll.  ijcBchAttl.  TeiL 


Geschäftlicher  TeiL 


Bericht  über  die  Bayern-Gruppe. 

In  nächster  Zeit  wird  es  ein  Jahr,  dtx»»  nach  laugen  Yurbereitungen 
die  Konstituierung  der  Grui>|»o  Bayern  der  (lOsellHchalt  fßr  deutsche  Br> 
ziehungs-  und  Schulgeachiciite  erfolgte.  Wir  kimiKMi  sowohl  in  Bezug  auf 
ausaere  als  auf  innere  Erfolge  mit  Befriedigung  auf  dieses  erste  Jahr 
unserer  Thötigkeit  zuracksehen.  Ünspr©  Gruppe  sdhlt  zur  Zeit  105  Mit- 
glieder. Au,-<scr(i<Mii  gehören  11  andere,  in  Bayern  wohnemlc  Mittriieder 
der  ullgemeiueu  Gesellschaft  f.  d.  E.  u.  äch.  U.  an.  Es  dürfte  sich 
eujplehlen,  diese  ansserhslb  der  Onippe  stehenden  Mitglieder  In  die  Reihe 
der  (ii'U|)|HMiangehörigen  auf/un(>lnn(>ii.  wuilurch  SOWOm  die  Listeiifahning 
als  auch  die  Einzahlung  der  Beiträge  vereinfacht  wUrde. 

Auf  Anregung  mehrerer  Teilnehmer  an  der  ersten  Generalversammlung 
vom  11.  April  v.  J.  erging  an  tiulucr»'  Iltrion  al»  Vertreter  ver8chi<'<lener 
luteressenkreise  die  Einladung,  dorn  Kuruturium  der  Gruppe  Bayern  bei- 
ssntreten,  so  das«  sieh  dieses  snr  Zeit  ausser  den  bereits  in  den  Mit- 
teilungen, Heft  2,  Jahrgang  VI  Wb'Mi)  (Geschätll.  Tpü).  genannten,  aus 
folgenden  Herren  zu.sainmensetzt;  J.  Beer,  k.  lieallohrer  in  München, 
J.  Blanl,  k.  Regierungänit  im  Kultusministerium  in  Mfinchen,  F.  Bumm, 
k.  Ministerialrat  in  .Mdiulion.  ErbshÄust  i-.  k  Ki t  i^^achulinspektor  in 
WUrzburg,  Fr.  J.  iiäbcrleiu,  l^elirer  und  1.  Vorsitzender  des  kathol. 
Lehrervereins  in  Mfinchen,  Dr.  Kral i Inger,  k.  Gymnasialprofessor  in 
München,  Dr.  Georg  von  Laubmann,  Direktor  der  k.  Hof-  und 
ätaatsbibliothek  iu  München,  Dr.  Leitschuh,  k.  Oberbibliothekar  in 
Bamberg,  Dr.  Iwan  von  Mttller,  k.  Geh.  Rat  und  Univer^tAtsprofessor  in 
MOnchfii,  P.  MufTi  "^attlcr.  I'rior  des  Benediktinerklostera  in  AnrJerhs. 
J.  B.  i>chubert,  Ubtrlehrer  in  Augsburg,  Dr.  Specht,  k.  geistl.  Kat  und 
Domkapitular  in  München,  Dr.  R.  Btmzle.  k.  Univertiitntsprofessor  in 
Wür/.burg,  Dr.  Vn^t.  Rektor  des  k.  Ivcalgyiiinn-Jinins  in  Nürnberg. 

In  einer  lifihe  von  Sitzungen  wuiiion  sowohl  die  Satzungen  d<^r 
Gruppe  Bayern,  welche  sich  in  den  Mitteilungen,  Jahrgang  VI.  Heft  2 
((le»chni(I.  Teil),  gedruckt  finden,  ala  auch  die  zunUchst  vorzunehmenden 
wissennchattlichen  Aufgaben  der  Gruppe  beraten  und  lestgeHtellt.  Als 
Ergebnis  der  letzteren  kann  sunachst  daa  vorliegende  Bay  e  r  n  h  e  f  t  betrachtet 
werden.  Es  utehen  aber  noch  anrlerf  Arbeiten  in  Aussicht,  die  »um  Teil 
umfaäseiidercr  Vorbereitungen  hndürleu. 

So  hat  Herr  Gyinnasialrektur  Dr.  Arnold  seine  Mithilfe  zur  Her- 
.«tHhmg  eine»  Verzeiehnissps  der  in  SchulprogranmiPii  und  Gelegenheits- 
Hchriiton  erachienenen  Beiirilge  zu  einer  Geschichu»  der  bayerischen 
Mittelschulen  zugesagt  und  Herr  .\rchivpraktikant  Dr.  Kapt  i  r  hiit  die  Zu- 
aammenstellung  des  achulgesichichtlieht  n  Materials,  daa  in  den  periodisch 
eracheinendcn  DruckachrÜ'ten  der  hisiurischen  Vereijie  des  Königreichs 
niedergelegt  ist,  übernommen  und  nahezu  beendigt. 

Endlich  liegt  als  Fortsetzung  des  im  Jahre  Ib'J'J  herausgegebenen 
Moiiuuieutu-ßandes:  Geschichte  der  Erziehung  der  bayerischen  Wittola- 
bacher  von  Dr.  Fr.  Schmidt  der  zweite  Teil,  welcher  die  Geschichte  der 
Erziehung  der  pfälziachcn  Wittelabachor  eiithällt  und  an  wiasenachaft- 
licheoi.  pädagogischem  wit>  kulturgeschiclulichem  Wert  dem  ersten  nicht 
nachstehen  wird,  im  Manuskript  fertig  vor.  so  dass  der  Druck  des  bisher 
einzig  dastehenden  wissenschaftlichen  Werkes  nunmehr  begonnen  werden 
kann. 


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12.  Die  Lateinadiiile  in  Scbwftbiicb  GmQnd. 


97 


12. 

Bie  Lateinschule  in  Schwäbisch  Gmünd. 

Von  Semioaroberlelurer  B.  Xalaiw  In  Sciiwftbiacli  Gmfind. 

Wie  iu  anderen  Städten,  so  wnrde  auch  in  der  alten  Reich^- 
etadt  Schwab.  Gniiiüd  ur>piünglich  eine  kirchliche  Schule  er- 
richtet, imd  schon  im  Jahre  129")  igt  in  einer  Adel  bergischen  Kloster- 
Urkunde  von  eiueni  C.  rector  scolarum  in  Gmundia  die  liede. 
132ü  stiftet  ein  Conradus  de  Gamundia  zu  einer  Messe  in  Gmünd 
eine  Hube  iu  Herlikofen  (0.  A.  Tieschrb^j;.  S.  334).  Ob  diese  ehe- 
malige kirchliche,  jedenfalls  von  einein  der  vielen  hiesi^j;en  Klöster 
aus  geleitete  Lateinschule  zu  einer  besonderen  Blüte  gekommen  ist'), 
davon  ist  nichts  bekannt,  wohl  aber,  dass  uuter  dem  Bürgermeister 
Goldsteiner,  der  zugleich  städtischer  Bauherr  war,  dem  West- 
pctrtal  der  Stadtpfarrkirche  gegenüber,  nahe  bei  dem  Platte,  wo 
schon  1432  eine  Schule  gestanden,  ein  neues  Schulgebäude  aufge- 
führt wurde  (die  spätere  Stadtschreiberei,  noch  später  das  evan- 
gelische Schulhaus,  heute  das  evangelische  Vereinshaus).  Die  an 
ihm  eingemauerte  Tafel  trSgt  folgende  iDSdirift  in  lateinischeo 
Lettern:  «Anno  domini  1578  ist  dieser  Bau  der  lateinischen  Schule 
angefangen,  vollendet  und  Ton  einem  ehrbaren  Rat  der  Herr 
Burgermeister  Bsulus  Golds  feiner  zum  Ehinehmer,  Ausgeber  und 
Baumeister  verordnet  worden."  Der  damalige  lateinische  Lehrer 
hiees  Ag.  Sehreiner. 

Im  Jahre  1674  am  26.  Juni  wurde  eine  fOr  die  Lateinsehule 
hwelts  vorhandene  Schulordnung  .renoviert*^  und  im  Jahre  1706 
eine  Schulordnung  gegeben«  Zu  dieser  Zeit.  d.  h.  1674,  waren  als 
Lehrer  ein  Prftzeptor  und  ein  Kantor  auf  Kündigung  angestellt,  und 
die  Schule  befand  sich  in  stadtischer  Verwaltung.  Der  Stadtpfarrer 


>)  Vergl.  unten  UniTerntatunatrilcel! 
^  Folgt  unten. 

IIltt«Uiuig»a  d.  a«f.  r.  deutoehe  Bnieh.-  u.  ScbulgMcblcht«.  Vtl  Z  ISOT.  ^ 

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98      Mitteilungen  <L  Ges.  f,  deutsche  Erziehung»-  u.  Schulgeach.  VII. 


und  ein  Katslierr  SüIlU'ii  alle  Quartal  über  Kenntiiisrie  uüd  Ver- 
halten der  Schüler  visitieren.  Da  um  diese  Zeit  und  jedenfalls  vor 
1700  auch  die  Franziskaner  eine  Lateinschule  errichtet  hatten,  so 
gab  dieses  liäulig  Aiiiuss  zu  Kontlikteu  mit  der  .städli.scheu  Schule, 
besonders  mit  der  Stadtpfarrei,  insofern  die  Fran/Liskaner-Studenteii 
zur  österüchen  Kommunion  niciit  in  die  Stadtpfarrkirche  gehen 
wollten. 

Tni  Jahre  1707  wurde  der  Unterricht^plan  der  beiden  Latein- 
schulen dahin  geändert,  dass  von  da  an  die  .städtisclie  Lateinschule 
die  Anfangsf^ründe  (Grammatica  und  Syntax  minor).  i\ir  !■  ranziskauer 
Syntaris  major,  Humanität  und  lüietorik  zu  lehren  halten.  Beider 
Kirchenmuaik  sollten  sioh  beide  Abteilungen  unterstUtzeu 

Als  Gmünd  1803  wllrttembergisch  geworden  war,  rausste  das 
bisherige  Scbulgebäude  geräumt  werden,  da  die  Stadtschreiberei 
bioeinTerlegt  wurde,  und  die  Stlnile  kam  in  die  sogenannte,  1Ö&9 
erbaute  «Schmalzgrube".  Nach  der  Anfhehung  des  Franziskaner» 
klosters,  1809,  wui-den  die  beiden  Lateiuscbuleu  vereinigt  und  die 
Schule  in  das  Franziskanerkloster  verlegt,  woselbst  noch  längere 
Zeit  zwei  der  früheren  Patres  in  weltlicher  Kleidung  als  Lehrer 
wirkten. 

Im  Jahre  1818  bestanden  hier  drei  Lateinidassen  mit  sechs 
Abteilungen  qnd  drei  geistlichen  Lehrern,  sowie  eine  Elementar- 
klasse der  lajtetnisehen  Schule,  der  ein  eigener  Lehrer  vorstand. 
Lehrgegenstande  waren:  lateinische,  griechische  und  deutsche  Sprache, 
Welt-,  Natur>  und  Vaterlandsgeschichte,  Geographie,  Arithmetik, 
Technologio,  Keligionslehre,  Poesie  und  Rhetorik.  Der  Unterricht 
in  der  französischen  Sprache,  ini  Zeichnen  und  in  der  Musik 
wurde  den  Studenten  von  den  Lehrern  obiger  Lehrgegenstilnde  in 
eigens  dazu  bestimmten  Stunden  g^eben.  Wöchentlich  waren»  wie 
in  den  deutschen  Schulen,  zwei  Kacfamittsge  frei,  die  aber  sommers 
zu  gymnastischen  Uebungen  verwendet  wurden.  Eine  besondere 
Zeichenschule  wurde  1778  errichtet,  und  1780  eine  Süig-  imd  Geig- 
schule von  dem  Stadtorganisten  erOfbet,  wofUr  spftter  ein  eigener 
Mttsildehrer  angestellt  wurde. 

Am  Ende  des  Schuljahres  wurden,  wie  dies  auch  in  der 
deutschen  Schule  der  Fall  war,  zur  Belehrung  und  Aufinunterung 
des  Fleisses  PrSmien,  bestehend  in  nützlichen  Büchern,  an  die  ver- 
dieutesten  Schüler  öfTentlleh  ausgeteilt. 

')  Dieser  Vergleich  folgt  unten. 

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12.  Die  Lateinschule  in  Schwäbisch  GniUtid. 


99 


Zu  reichsistädtischen  Zeiten  wurden  vou  den  Latemschülerii  ^  ou. 
Zeit  zu  Zeit  Schauspiele  aufgeführt,  z.  B.  im  Jahre  1789:  «Die 
grossmütige  Liebe".  Ans  dieser  Zeit  stainniea  wohl  auch  die 
^Schulgesetze  für  die  lateinische  Lehranstalt  in  Gmünd",  welche 
im  Oktoljer  1839  durch  den  Oberprazeptoratsverweser  Kriegstötter 
neugeordnet  wurden 

Im  Jahre  1840  wurde  neben  der  Lateinschule  eine  Keal- 
4Bchule  errichtet  und  ein  Jahr  darauf  eröffnet.  Sie  bestand  anfän^'lich 
nur  aus  einer  Klasse  für  Schüler  von  11  —  14  Jahren.  Dazu  kam 
im  Jahre  1845  eine  zweite  Klasse,  im  Jahre  1863  sodann  eine 
unterste  Klasse  für  Knaben  von  8—10  Jahren,  vorerst  in  provi- 
sorischer Weise,  und  zugleich  wurde  der  Anstalt  für  Schüler  über 
14  Jahren  eine  sogenaimte  Selekta  oder  Oberabteilung  in  Ver- 
bindung mit  der  3.  Klasse  hinzugefügt. 

Bis  zum  Jahre  1872  bestand  die  Lateinsdinle  ebenfalls  aus 

Klassen  in  zwei  Abteilungen  unter  einem  Oberprftzeptor, 
Prftzeptor  und  Elementarlehrer.  Die  Umwandlung  der  beiden 
Schulen  in  ein  Reallyceum  wurde  gleichfalls  in  diesem  Jahre  ein- 
geleitet Die  definitive  Konstituierung  desselben  mit  der  GrQudung 
einer  7.  Klasse  fBUt  in  das  Jahr  1876.  Nachdem  im  nächsten 
J^bie  den  sieben  Klassen  noch  eine  8.  hinzugefügt  worden,  sind 
•die  Abiturienten  berechtigt  zum  Portepee-Fühnrich-Examen,  zum 
Eintritt  in  die  Tierarzneischule,  sowie  in  die  9.  Klasse  eines  Real- 
gymnasiums oder  einer  rein  humanistischen  Anstalt.  Im  vorigen 
Jahre  wurde  beschlossen  und  Yon  der  Regierung  genehmigt,  das, 
Beallyceum  zu  einem  Realgymnasium  auszubauen  und  den  bisherigen 
.8  Klassen  noch  eine  9.  und  10.  Klasse  hinzuzufDgen. 

DasB  in  der  alten  Reichsstadt  Gmünd  schon  im  Mittelalter 
«in  fQr  die  dÄmaligen  Verhältnisse  höchst  blühendes  geistiges 
XiOben  und  Streben  herrschte,  wie  es  in  sp&teren  Jahrhunderten 
unter,  dem  Einfluss  besonders  materieller  Interessen,  trotz  der  Zu- 
nahme der  BevGlicerung,  nicht  mehr  geblüht  hat,  das  zeigen  un- 
widerleglich die  neuerdings  veröffentlichten  UniversitätsmatrilceL 
Ihre  Aufzeichnuugen  verldlnden  den  Ruhm  des  alten  Gamundia  auf 
einer  grossen  Zahl  von  Universitäten  Deutschlands  und  lassen  einen 
orientierenden  Kttcksehluss  auch  auf  das  Schulwesen  der  Stadt  machen. 
Da  ünden  wir  eine  grosse  Zahl  von  SOhnen  Gmünds  bei  ihrer 
Pflege  der  Wissenschaft  auf  den  Universitäten  Freiburg,  Erfurt, 
Bamberg,  Tübingen,  Heidelberg,  Strassbuig,  Prag,  Wien,  Wittenberg, 


*)  Polgen  imten. 

7* 


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100    Mitteiiuugeu  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung*  o.  Bchulgesch.  VIL 


ja  sogar  in  Krakau.  Iimerhall»  eiues  Zeitraums  von  70  Jahrea 
(1480 — 1550)  studierten  in  Freiburg  i.  B.  47.  in  Ki  tui  t  noch  eine 
grössere  Zahl;  63  Studenten  linden  sich  von  der  Gründung  bis  zur 
KeformatioTi  in  Heidelberg.  Noch  grösser  war  der  Besuch  der 
jetzigen  Landesuniversität  Tübingen,  ja,  der  erste,  welcher  sich 
nach  ihrer  Gründuug.  1477.  in  der  Matrikel  eingesclirieiteu  und  die 
statüiclie  Reihe  der  Mii>'  iibohne  durch  die  Jahrhunderte  hindurch 
würdig  eröffnet  hat.  ist  ein  Oinitnder  —  Frator  Udalrikus 
Prörrlin,  Prior  de.s  pj-emitenlvluöLerä  des  heiligen  Augustinus  in 
Tül>ingeu.  Beaclir«Miswert  ist.  dass  die  Gniünder  Studenten  zur 
Zeit  der  lielonnation  und  nachher  von  den  rptorinierteu  Hochschulen, 
■wie  Tübingen,  W  ittenberg.  Erfurt,  verschwmden. 

Das  oben  aufgeführte  Aktenstück  —  Schulordnung  für  dio 
Lateinschule  vom  Jahre  1674  —  hat  nachstehenden  Wortlaut,  dem 
wir  des  äligemeineu  Verständnisses  wegen  Ei'l&uterungeü,  resp. 
Uebeisetauugen  beigefügt  haben. 

Ordming 

« 

So  in  der  latdoiiclien  Sdiuel  Bolle  gehalten  werden. 

EtBtlicli  aolle  ein  Jedw  Bra^i^torjmia  StaMa  SynodaUa  iVo/isMMiMi» 
CsttoKcoe  Fidei^)  zuc  leisten  schuldig  vnd  Terbunden  seyn. 

Am  anderen:  Solle  er  seinen  ^IOtto^^dienstpn,  alss  göttlichen  Aemptern, 
Mettenen.  Vospprn.  Und  anderen,  worzue  Er  vom  Pfarrherni  wmh  Gottes 
Ehr  ^V  illen  (gemahnt  wirdt,  fleissig  abwartheu  vnd  sich  mit  seiner  Schuclern 
2ue  rechter  Zeit  dnntte  verftigen. 

Drittens  eolle  Hr.  Mag^&ter  (Leteinlehrer)  oder  Cantor  (Singlehrer) 
alle  Soun  vnd  Feyertilg  durch  das  ganze  Jahr  (es  wAre  denn  ein  Kalte 
Zeit)  mit  M/^ijorihis  ^'M^.f'vru  Si-liülorin  der  Predig  zuhören,  die  Minores 
(jüngeren  Schnh^r)  aber  untcrdessfMi  bibs  zu(?  endt  der  Predig  in  die  iSchuel 
geführt  und  du^elbst  in  Ueistlichen  sachcn  infonnirt  vnd  ex&rcUri  (unter* 
lichtet  und  geübt)  auch  gvr  Keineswegs  allein  gelassen  werden. 

Viertens.  Sollen  die  Schneller  an  Sonn-  vnd  Peyertttgen  bey  des 
Protektors  benannter  Straff,  ieder  eich  in  seiner  Schuel  vor  Zwölf  Uhren 
einstellen,  "welche  dann  sflmhtlich  Prnre.tsionalilrr  (wie  bei  ehicr  Proze.saion. 
d.  i.  in  strenger  Ordnunj;)  in  die  Kirche  zue  Kindh'hr  gefdhrt  vnd  vor  ver- 
loÜ'ener  (abgelaufener)  Zeil  nit  solle  erlassen  werden  —  die  Lateinschuler 
waren  also  vor  180  Jahren  bis  zu  einem  bestinunten  Lebensalter  (an 
welchem,  ist  nicht  angeführt)  aum  Besui^e  der  Kinder-  oder  Christenlehre 
am  Nachmittag  verpflichtet  und  ipv'urden  von  ihr«n  Lehrer  vom  SchuU 
lokale  aus  in  geordneter  Weise  zur  Kirche  grefUhrt  — . 

Fürs  Fünfte  sollen  alle  Schueler  St.  Fdri  Vaimü  Cathecitimm^)  zu 


1)  G«niliB  dM  Synodatetstuta  daa  katbotlsebe  Olanbensbekanntnto  «bieg«!!. 

*)  K.iti.'>  hif  iQUS  des  l'i  ior  (Janisius.  CaDisius  (iri21 — 1597)  iat  der  erste  Deutsche, 
welober  in  den  Jesuitenorden  eintrat.  Wie  LuUier  für  seine  tilauben^ganoissea,  lo  vwIlMMt* 
Ckolslui  fUr  die  Katholiken  einen  kleineren  und  srBaeereii  Kntechiemtts  in  denteeher 


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12.  Die  Lateiodchule  in  Schwäbiach  Gmünd, 


101 


lehren  ornatlich  (W^«<^^«(yi>^  vnd  angehalten,  vnd  darauf  pro  cuiMrunq}(e  raptu 
vnd  Bescbaffeuheit  einem  jeden  V(U)fgabou  (aufgeben^  vnd  e^aminirl 
-werden,  woran  sich  der  Marter  gar  keineswegs  (es  weite  gteieh  durch 
Blteni  oder  sonst  vf  (uf)  ein  andr  Weiss  beschehen)  soUte  lassen  hinderen. 

Zum  sechsten:  Sollen  die  Schucler,  wie  von  altersher«  die  gewisse 
Stunden  sowohl  in  dio  Kucli.  alas  in  die  Scliuelon  zne  gehen  wohl  nn«! 
Reissig  obser^iiren  (beobachten  1,  darzue  alles  ernstes  angehalten  vud  dem- 
selben Einem  oder  mehr  ihres  gefallenes  darein  zu  Khommen  oder  gor 
«uss  «1  Ueiben  in  Kein  weeg  gestattet,  sondern  dl  tUnenUi  obterviri  (die 
Abwesenden  bemerkt)  und  abgestrafffc.  da  dann  beaorab  (bevorab,  d.  i.  vor 
allen)  in  der  Kirchen  silentium  (Stillschweigen,  Ruhe)  gelialtcn  vnd  fttr  daa 
vnntlze  preschwtttz  die  Scholares  (Schüler)  den  Rosenrrantz  oder  sonsten  an- 
dächtig zue  betten  angewissen,  vnd  darauf  insonderheit  guete  achtuug  ge- 
geben werden,  wie  sich  ein  Jeder  sowohl  in  der  Kirchen  alss  in  der  Schuel 
«D  Weiss  (Anstand)  und  gebftrdten  verhalte. 

Am  sibendon  solle  bei  den  Scholaribus  auch  all:  ärgerliche  SpihI 
(Spiele\hin-  vnd  widvagioren  (horuin.streirl  rn '  schoulicho  labsclieuliche'^  har- 
l()kh  iHaarbjcken.  viel!,  unziemliche  Haartri^nren  oder  auffallig  langes  Haar) 
vnd  Waas  etwan  (etwa)  sonsten  zur  Kitelkeit  vnd  Hoffart  geraichen  mag, 
gftnzlieh  abgeschafft  vnd  gar  Keineewegä  zugelassen  seyn. 

Zum  achten  Sollen  sowohl  der  Magi»ter  alss  Cantor  lleissig  ob  der 
Morgen  vnd  anderer  Schulen  halten  die  Sfholares  zue  demselben  merkhlichen 
schaden  vnd  verabsaunibung  vor  der  Zeit  nit  dimittirm  (entlassen),  vil 
weniger  nach  gefallen  denen^elben  rrcrt'afinri  (Erholung)  geben. 

Neuntens  soileu  iu  der  Schuele  ein  certtts  modm  docaidi  (bestimmte 
Lehrmethode)  gehalten  vnd  die  Jugendt  in  BegvH»  JSwItmenfonfMi,  Gram^ 
maUeeB  cl  Syntaxeo»*)  tftglieh  vnderwissen  (unterwiesen),  eseereirt  ^ttbt)  vnd 
tXüfninirt  (abgefragt)  werden. 

Zum  Zehenden  solle  sich  der  Magister  dahin  befleissen.  daas  er  seine 
urgumenki  lutine  verUnda  über  solche  rcgulis  funuire^».  in  denselben  auch 
keine  Zue  schwere  terminot,  unienüas  oder  h  'ustorias  (Ausdrücke,  Satze  und  Er- 
zählungen), so  die  Jugendt  noch  nit  fassen  oder  verstehen  Khan,  gebrauchen, 
eondem  sich  in  allweg  ad  puerorum  ctqftum  dimittire*)  vnd  denselben  all« 
wegs  am  aff'tet-  Montag  (unser  Dienstag)  vnd  Mittwochen  ein  thema  pro 
cujmque  quaHtate  viätaim  »oluU  vel  HgaU  e»  Umpore  xue  componirm  ad  caimutn 
dictire*). 

Pflm  ailflie  sollMi  alle  Froytag  vnd  etwa  theilsa  am  Saabstag 
LeeKona,  hebdonuuUki  npi^t  (wöchentliche  Lekttonen)  vnd  damebens 
LeeÜo  OateeMiHea  (Abfingen  oder  BrUttren  des  Katechismus)  gehalten,  auch 


Sprache,  welcbor  in  «Ue  eorapftisdiAD  8i>r»cl)«n  ttberMtot  and  &Jieia  in  D^utBobland  vier^ 
faunderUiial  gvdruokt  irUrd«  —  In  d«r  That  ein  koBtbuvr  Beltra«  zur  BHäunr  des  Voltaa 

und  ein  dauorndes  LotirmiUel  für  die  .Schule!    (t'ebrigons  war  ti:T  KatoctiLsmii))  VtolMcht 
ttrsprtiugUcli  latointoi-li  verfasiit  —  siebe  Kircbenlex.  unter  dem  Artikel  .Cauislus.") 
I)  In  des  Anfanj^sregaln,  d«r  Ommaiatik  und  der  Syntax. 

•)  Vom  J>«aiaeban  Im  Latoinltetw  tu  ttlMnetsmde  Stlieke  Ubtr  solelt«  R*s*ln 

«)>fu8e. 

*)  Sich  In  allweff  su  der  Puauognkrmft  der  Sehflier  berablesi«. 

♦)  KIn  Thema,  angepaat^t  der  jeweiligen  Bildungsstufe  dos  SnliUlers,  in  die  Fed«r 
diktieren,  damit  es  abwecbalungavelse  bald  in  Prosa,  bald  in  gebundener  Form,  lofork  (aua 
dem  Stegreif)  loa  Lateloisohe  ebereeUt  werde. 


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102    Ifitteilnageii  d.  Ges.  t  deutsch«  BniehungB-  n.  Schulgescli.  Vn. 


am  Montag,  Donnerstag  vnd  Sambstag  nach  vollendeter  Naehnüttagesehuel 

Oantus  tarn  choralis  quam  figuraUs  ejrercirt  ^verden. 

Zum  zwölflTlcn,  damit  denen  Knaben  sich  ab  der  (lassen  anheimbs  rw 
halten  vnd  zu  studieren  der^to  mehr  Ursach  g-eben  werde:  so  solle  der 
Prazeptor  denselben  zum  öfteren  saiptionea  (schriftliche  Arbeiten)  yber 
nadkt  ane  verüirm  (ttberaetzen)  vnd  morgena  aue  ämnoimMrm  (vurzeigen) 
nachher  Hanaa  geben. 

Zum  drelaeheDden  sollen  vffs  wenigst  in  der  wochen  einmal  eine 

dixputiillon  gehalten  %vfrd'Mi  vnd  siiu/ulis  didisUhls  /»ro  loco  ein  Argument 
verdi  t  werden  und  in  jedem  Monat  zum  Zweck  der  jLokutioa  ein  deutachea. 
Stück,  tibersetzt  werden. 

Zum  vlmehenden  solle  der  Magitter  oder  der  Qmtor  an  Fosttilgen 
eich  mit  Vffliuchuog  der  GasUnger  (Lieder)  seitlich  hefleissen  vnd  sich  da- 
mit  gefasst  halten,  auch  die  Mu»ivo3  Extraordinarios  (aiis>4orordentJichen) 
hissweilen  ersuchen  vnd  etwan  instehenden  Mangel  «ich  umb  geaAng- 
bUcher  umbsehen. 

FUnfzehendens.  So  ist  auch  miem  (Freitag)  den  JJ.Zuny  dies  Jahr  m 
eancUiU  i^er^Ari  (im  Rate  besehloseen),  wan  ein  Feyertag  in  der  wochen,  das» 
■elbige  wochen  gar  kein  vaamz  oder  (Jrlaub  solle  geben  werden,  inmaasen 
auch  in  den  Bestallungen  (Anstellungsvertragen)  der  Lehrer  begriffen,  vnd 
dass  an  allen  Sambstllgen  vnd  Feyerahonden  man  naehmittaf^^H  \im  12  Uhr 
fleisaig  in  derbchuel  sein  vnd  allezeit  darinnen  bisa  2  Uhr  verbleiben,  zu- 
mahl  auch  den  ßchuelknahan  alles  ematea  von  Herrn  Fraee^^ort  vnd 
Cantore  anbefohlen  werden  soUe,  dass  sie  ihre  Xecftone»  (Aufgaben)  sue 
Hauss  anheimbs  vnd  nit  erst  in  der  SChuel  lehnn-n,  vnd  sunen  innunderheit 
anrli  rnncj/for  vnd  Oantnr  Thnnn  angelogen  j^t-in  lassen,  daas  die  Knaben 
an  morgens  vmb  6  Uhr  fleissig  in  der  schucl  ersctieinen. 

Renoviert  20.  Jny  l'ü4. 

Der  Bestallungsbrief  des  (Kantors  stammt  aus  dem  Jahw 
1694  und  ist  fast  durchweg  gleichlautend  mit  dem  des  Priizeptorä 
vom  Jahre  1705.  Ausgestellt  ist  er  von  einem  Joh.  Bapt.  Krauss  von 
Wittislingen.  Abweichend  von  dem  Inhalt  des  BeBtaUujigsbrief» 
für  d^n  Präzeptor  ist  folgend«  !'  Absatz: 

„Vnd  ob  sichs  t(»egte,  tlab.-<  »t  Spruch  vnd  [•'orderun;,'-  zue  Vns,  den 
Vnssern  vnd  denen,  »u  Vns  vnd  den  Vnsern  zu  Versprechen  stehen,  ge- 
winne, umb  wass  saeh  dass  seyn  würde,  solle  Er  sie  bey  dem  Recht,  wie 
Wir  dessen  von  Römischen  Kaysem  vnd  Königui  privilegirt  vnd  befteyet 
seyn,  bleiben  lassen  vnd  sie  änderst  nicht  fümemnien,  noch  weiter  treiben 
in  keinen  weeg  vndt  «roc-pn  Vubs  vnd  denen,  so  Vn?:?«  mo  versprpchen 
stehen  vor  Unss  vnd  Vnt«seroin  iSuttgericht  allhier  zue  Gemündt  des  Kechten 
ersättiget  seyn,  oline  fernere  waigerung,  vnd  wer  zue  Ihme  zue  sprechen 
hat,  der  soU  vor  Ynss  vnd  Vnsaerem  Stattgericht,  wo  obsteht,  Recht  gebed 
vnd  nehmen  vnd  nach  Vnsserer  Statt  Gewohnheit,  Recht  vnd  Entscheid 
bleiben." 

Als  Belohnung  erhielt  der  Cantor  jährlich  60  Gulden  „in 
Münz  Reichsgibiger  Währung  vnd  siben  Malter  Dinkhel  hiesiger 
Statt  Mass,  auch  zehen  Fueder  UulzfuhreD  und  Steuerfreiheit.'' 


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12.  Die  Lateiiiächule  tu  Schwäbisch  GmtUid. 


103 


Vndt  lauthet  des  zeitUchea  Praeceptors  BeBtallungsbrieff  also: 
tJchBndts  Vndenwliribener  thue  kiindt^  vndt  Uemit  bekhennen,  dnn 
▼on  denok  WoUedlan,  Vösten,  hochgelehrten,  ehrmvOeteii,  fDreiehtig  -vnd 

wohlweissen  Herrn  Burgermeister  vnd  Rata  dieser  Heyl. :  Röm.  Reichs  Statt 
Schwab:  Goinüiidt,  meinen  f^dgl.  gebiettendeii  Herrn  u.s.w.  Ich  zu  dero  vnd 
gemeiner  ^tatt  lateiniaclion  Hchuelnmister  viiii  rraeceptor  grusagL  auf-  vnd 
angenohmen  worden  dergestaU  vnd  aköu,  wie  der  mir  ausgehändigte 
BeetaUoiigelni«^  KUMsh  folgend«  maasen  Iftttthet: 

WOr  Bttrgemiaiater  vad  Rath  des  Heyl.  ROm.  Reiche  Statt  Bchvftb: 
GemOndt  fliegen  hiemit  zue  wissen,  das»  wtlr  vff  heut  zue  endtgesetzlen 
dato  den  Ehrenvrtst  vnd  gelehrten  Herrn  Antonium  WolfyaHgum  Lucas  von 
Herrieden  gebtUrtig  zu  vuaerem  vnd  gemainer  Statt  Uitoinisehem  Praec^tor 
vnd  Schuetmalater  nachfolgender  gestalt  auf  vnd  augcaehmeu,  daaä  er 
Gott  vorderlßt  vor  engen  haben,  dann  vne  getrew  vnd  hold,  gehonamb 
vnd  gewärtig  soyn,  vnepni  vnd  gMieiner  Statt  retpeet^  Nutzen  vnci  Wolil- 
farth  narh  seinem  vermftpren  snchnn  vnd  beftirderen.  sclijuii'u  vnd  nach- 
theil aber  seinem  besten  Verstandt  nach  abwenden  vnd  vorkhumaieu  solle; 
insonderheit  aber  solle  Er  die  Ihme  von  nun  an  vertraute  Lateinische 
Sehnel  mit  getreuem  Fleiaee  nach  der  Ordtnung,  wie  ihme  aolche  sugeetellt 
worden  vnd  in  der  Scliuel  angefft  (angeheftet)  ist  oder  khünlltig  hin  noch 
gegeben  werden,  willigst  versehen  vnd  die  Knaben,  so  in  die  Schuel  ge- 
t^chickht  vnd  khommen  werdon,  mit  allem  Flei.-^s  narh  bPHtem  seinem  Ver- 
mö^^en  fj^ctroulich  infttruiren  vnd  Ichri  n,  diot^cllx.'  alh'rl'nrderisjt  auch  aue  der 
Fromkeit  vndt  furcht  Gottes  vndt  allen  anderen  Ehilichen  vndt  tugend- 
lichen gaetten  Sitten  siehen-  vnd.vnennaedet  anmahne,  allermaseen  solches 
Einem  veratändigen  vnd  fteittigen  ^Rraee^ori  vnd  Schuelmeister  seines  an- 
vertrautten  Ambt«  vnd  daryber  abgelegten  pflichten  halber  zue  verrichten 
frcbtlhren  vnd  obligen  thnot;  Vnd  m  wür  jemand  vemrdnen  werden,  der 
die  Schuel  visiliren  vnd  die  Knaben  luauiinircn  wie  auch  sein  des  Fraeceptoris 
ales  Cantori«  lehr,  ihren  modum  et  metJiodum  doeendi  et  »bruettdi  probirm  vnd 
vntersuchen  solle,  dieselbe  vitUationf  examUialMn  vnd  Erforschung  solle  er 
.willigst  vnd  ulutc  Weigerung  mit  geziemenden  rctp$et  stattgeben  vnd  ^^e- 
horsamhlu  h  willfahren  vnd  was  Satz-  vnd  ürdtunp:nn  in  der  Scliuol  zu 
lehren  vnd  zue  gebranchon  wür  von  seibeten  oder  durc  h  Viisore  depidii  fc 
Ihme  anzeigen  vnd  Überträgen  werden,  deme  all:  vnd  Jedem  soll  Er  in  all- 
weeg  alss  man  solches  allschon  yon  Wortt  sue  wortt  in  disser  Bestallung 
oder  Schntiordtnung  sondlieitUch  mnverlelbt  wäre  schuldigen  Folge  leisten 
vnd  nachsetsen  vnd  durch  das  ganze  Jahr  zue  gewöhnlicher  Zeit  vff  ge- 
bührende vnd  bestimmte  Zeit  vnd  stund  Srhnelhalton.  die  Knahon  nicht 
zu  bald  auss;  vnd  von  sanien  laaspn,  f«<»lbige  auch  an  ;^»'ineiiieu  Werkhtügen 
morgens  nach  gesungenem  Vcni  6aiute  Spiritus  von  der  Schuel  auss  in  das 
Seelenambt;  nicht  minder  am  Feyeanabendt  Sonn-  vnd  Feyertägen  in  Kutten» 
vnd  Chorröckben  in  die  Ve^pera»:  an  denen  Sonntagen  auch  mit  dem 
Cantore  (dlernative  in  die  Klnderlehr  führen,  mithin  fleisnige  obsicht  tragen, 
dafs  sie  dai innen  sich  andAchti^  vnd  eingezogen  vi^rhalt^n,  auch  weder 
von  sich  selbst  noch  vff  anderer  anhalten  c  es  thfttten  dann  solches  vnsero 
dgtwHrit  Scholar dicn:)  in  der  Wochen  über  emo  Vrlaub  oder  vacanz  nicht 
ertheUe»  dass  doch  allwegen  ererst  in  die  stundt  Nachmittag,  daas  ist  liach 
«in  Vhr  vnd  darvor  nicht  (:  aussgenohmen  an  denen  8  Tagen  St..  Vroula 


104     ItfitteUungen  cL  Ges,  f.  deut«che  Erziehuugs-  u.  Schulgesch.  Vü. 


vnd  St.  Lucia  Jahnnarkht»  daran  wür  hicmit  selbst  g&nzücho  vacam  gegeben 
hftben  wollen:)  beaehehen  Mlle:  deaagleiehen  es  auch  auff  die  Peyerabend 
mit  Vrlauben  in  der  stnndt  nachmittag,  oder  nach  aln  Vhr  so  halten. 

Vnd  wann  ein  Feyertag  in  der  Wochen  einfallnt.  solle  er  darum 
khein  Vrlaub  flehen,  dun  auf  den  Fpyorabondt  nach  ain  Vhr.  an  welchen 
Tagen  aber  Er  unib  so  ehonder,  vnd  zwar  präcise  auf  Sinj^ung  des  Da 
jpacem  Domine  u.  s.  w.  in  der  Scbuel  sein  vnd  die  Leitr  vurnemmen  solle. 
BbenermasBen  andi  solle  er  wegen  der  in  hiesigen  KlOstem  bey 
«okiNMr  yncl  ftyerltcher  Begehnng  deren  ordena-  oder  andern  Pesten 
anstellenden  Mtmcen  oder  derenttdHem  gebenden  Mahlzeiten  ohne 
wenigst  einer  von  Herrn  Burgermaister  vnd  peheimben  Rathen 
daryber  erbettenen  Xicenz  keine  or/fififlrt  Srhuelzoit  verabsiuimen  vnd  vndor- 
lassen:  vnd  weylen  Wür,  auf  das»  an  die  Jugendt  mit  der  lehr  vnd  vuder- 
weyanng  deraelbon  in  gneter  Zucht  nichts  ▼erabsanmet  werde,  neben  ihm 
dem  Schuelmalater,  auch  einen  ecmtcrtm  halten,  der  andenWeiktBgenvnd 
zue  der  Zeit  der  Octav  Corporis  Christi,  wie  auch  sonsten  im  Jahr  melirers 
in  der  Kirchen  die  ämpter,  Vigilien,  Motten,  Salve  vnd  anderes  zne  singen 
nach  Herkhomen  verrichtet,  solle  Er  praecqttor  unter  solcher  Zeit  die  öehuel 
mit  lehnmg  der  Scbuelknaben  wie  auch  andern  Tagen  halten,  dcmo  fleyssig 
obsein  vnd  aufWarthen  vnd  solcher  anss  keinerl^  Hindemnssen  oder  aua- 
aug  Tttderlassen,  vnd  dieses  sowohl  an  denen  in  seinen  als  des  Oantoris 
Clasacn  sitzenden  Schuelknabon  thuen  vnd  vollzif^hen:  nicht  weniger  alle 
Monat  des  Cantoyn.^  Knaben,  wan  «jostalten  dipst»lbe  proficircn  absonderlich 
examiniren  vnd  dan  denen  Herrn  VisitatorUnu  den  befundenen  Progress  bey 
vorgehttider  vidhüon  getrewllch  erOfltaen  Tnd  anaeigen,  umb  Tetordnem  rai 
khönnen,  ob!  vnd  wan  die  Maiwiore$  ad  majcrm  dorne»  prmnamrt  vnd  ge- 
setzt werden  mögen.  —  Es  solle  auch  Er  Bnmwqitor  allen  vnseren  eo 
iezigen  alss  kliQnnftign  ergehenden  gebott,  Sats  vnd  ordtnnngen  sn  gebor* 
sunben  gehalten  »eyn. 

Vnd  was  den  armen  bchucilcnabeu  von  dem  sogenannten  j>ar fem  oder 
anders  woher,  wie  vnd  wass  dass  ist,  gefallet,  dass  solle  er  nebst  dem 
Cantore  d«i  Scbnelknaben  gar  vnd  genslich  lassen  vnd  ansstiieilen  helfen 
ohne  alle  Gunst  vnd  partheyUchkeit,  dorvon  auch  weder  für  sieh  noch 
eonsten  jemandt  kein  thcil  nemroen  oder  gehen. 

Dabey  er  auch  zumahlen  disscs  beobachten  solle,  dass  die  Jenige 
Schuelknaben,  ao  umb  den  Paeter  (?)  singen  |:  darinn  Er  sie  nicht  weniger 
alM  der  Gmito*  sue  Ifutmire» :}  aolchea  mit  gebührender  bescheldenheit 
thuen  vnd  verrichten  u.  s.w.  Nicht  weniger  solle  Er  auch  schuldig  sein,  in 
jeder  wochen  zwoymahl,  alss  am  Montag  vnd  Donnerstag  Nachmittage 
Zeit  die  Knaben  neben  dem  Cantor  eine  stundt  lang  in  der  Hwak  Stt 
lehren  vnd  zu  instruirau 

Umb  solche  seine  anwendende  Dienst  vnd  lehr  wollen  Wür  Ihme 
Herrn  Antonia  Wolfgango  Lucas  in  des  Jahres  besonders  Ein  hatdert 
Qulden  in  Müns  reichs^ber  wehrung  vnd  sieben  Malter  IMnkhel  hiesiger 
Btatt  Mftss  geben  vnd  daran  auf  iede  quatcmber  einen  Viertheil  bezahlen, 
darzue  Ihme  der  Steuer  vnd  anderer  bür|?f  rlichen  beschwerdten  frey  !<eyn 
vnd  sitzen,  wie  auch  die  Nolturft  an  Holtz  füehren  lassen;  doch  da  er 
ligende  Gtietcr  in  vnserem  gebieth  haben  oder  khtlnfflig  bekommen  mOgte, 
dass  Er  davon  wie  ander  Bediente  biss  auf  bessere  Zelt  vnd  Bndemng  die 


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12.  Die  Lateinschule  in  Schwäbisch  Gmünd.  100 


ansetzende  Schätzung  crraichen  obiigirt  vnd  gehalten  seyn;  dubey  Ihme 
des  L^ehtausoslngen^-gelt  gedeyhen,  doch  alsso  auch,  daas  er  mit  dem 
anualiigiea  mit  dem  Ckmfere  tüUrmren  vnd  ▼mbwediaeln  eoll& 

Dahingegen  solle  Er  von  Schuelknaben«  so  dias  zeit  burgers  Kind 
seyndt,  wedor  8rhuol^'>!t.  MarHn-^wpin,  fasten-  odor  andere  ayr.  auch  khoin 
•wax  oder  andere  liechter,  noch  sonstea  etwas,  waas  dasb  aeyn  oder  Nahmen 
haben  möchte,  nicht  forderen,  noch  nemuion,  sondern  derselben  vnd  alles 
anderen  gttnilieh  frey  sitzen  lassen:  da  aber  frembde  Schueler  anhero 
khommen  selten,  gegen  denenselbe  solle  Er  Scbuelmaieter  sich  mit  dem 
i?chut'lgelt  gebührlich  halten  vnd  nicht  tlbpmpninipn.  vnd  da  Wür  Ihme 
Herrn  Antonium  Wolfganffum  Lucas  zue  Vnsercm  vnd  fromainor  Statt  Schucl- 
maistern  läugers  nicht  haben  wollen,  umb  welcher  Vrsach  willen  dass  auch 
aeya  wQrdta,  so  haben  imd  beulten  Wllr  Vnaa  hiemit  allen  Gewalt  ynd 
fireye  macht  bevor,  Ihne  zu  welcher  Zeit  im  Jahr  Wttr  das  wollen,  zu 
demiUtren  vnd  zue  beurlauben  vnd  disses  seynes  Schulmaisten  Diensta 
ziuTifln^^-^'^n:  dass  er  dan  tu^ontlich  vnd  ohne  allo  waigerung  auf- 
nehmen vnd  mit  f^uetem  willen  davon  khommon  vn<!  abstehen,  derentwillen 
auch  gegen  Vns  insgesambt  oder  souderheitiicii  nach  den  Vnssem  kein 
wider  willen  fassen  vnd  empfaben.  daaa  auch  weder  mit  worthen  noch 
Weikhen  nidit  anden,  Offsren,  ZSchen  oder  vindieirm  eoDe,  weder  durch 
aich  selbst  noch  anderleuth  in  kheiner  weiss  noch  weeg.  Wflr  wollen  auch 
nicht  schuldig  seyn,  Ihme  die  vrsachen  seiner  entla.säting:  vnd  beurlaubun^ 
anzuzeigen:  iedoch  so  Wür  Ihne  demUtiren  vnd  weiten,  wollen  Wür  Ihnje 
ein  Viertel  Jahrs  Zeit  zuevor  abkhQnden  vnd  sobald  nach  solcher  ab- 
khOndtung  das  Vierth  Jahr  auss  vnd  veradiinen  Ist,  so  solle  Br  gtlettich 
vnd  ohne  alle  Zach  abziehen:  Ingleichen  haben  Wflr  Ihme  Praetuptori  ver- 
gönnet vnd  znejrelassen,  wan  er  vnser  Diener  vnd  Schuelmaister  nicht 
mehr  seyn  wolio.  dass  er  Vnsa  solches  auch  ein  Viertel  Jahr  vorhero  ab- 
khUndcu  vnd  autsagen  solle  vnd  sobald  nach  solch  seiner  abkhündtiuig  das 
Vierteljahr  hin  vnd  veiadiinen  ist,  eoUe  Er  den  nechsten  abzuziehen  macht 
haben. 

Dome  allem  wie  obstehet  getrew  vnd  gehorsambe  zugeleben  vnd 

nacli/.iK'klinmmPn  liat  Vns  offernannter  Antonim  Wolpjnngm  Lurna  oinen 
aydt  mit  auterhobenen  Fingern  vnd  j^plchrtcn  worthen  zue  Gott  vnd  allen 
Heiligen  geschworen,  darüber  auch  einen  schriftlichen  Mevers  mit  aigen- 
hftad%er  Subter^Hon  vnd  fQrgedrukhten  Pettschalt  zuegesellt  Urkundlich 
haben  WUr  diesen  BestaUungsbrieff  mit  Vnserem  vnd  g«nainer  Statt 
grösseren  Insi^^o!  betrukhen  lassen. 

So  bescholion  fl^r.  20.  t.  Monotstag  Martij  nach  der  gnadenroichftn 
geburth  vn.ser^  lieben  Herrn  vnd  ErlOssers  Jesu  Christi  gezählt  siebzehn- 
hundert vnd  tünÜ'  Jaltr. 

L.  8. 

Demenach  gerede,  verspreche  vnd  gelobe  Ich  allem  demjenigen,  so 
in  ietzt  besagter  Bestallung  anged(\then  worden,  nach  meinem  besten  ver* 

m^^g:f•n,  wissen  vnd  pewisson  trewüch  vnd  redlich  nachzuekhommen.  massen 
ich  dann  hieryber  einen  Cörperlichen  uydt  zue  Gott  vnd  allen  Heiligen 
geschworen  getrewlich  vnd  sonder  gefilhrde. 

Zue  mehrer  verrieherung  liabe  ich  diaaen  Beoen  aigenhftndig  vnder' 
achrieben  vnd  mit  meiner  gewOnlichen  pettschaft  bekrftfftiget;  so  geschehen 


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106     Mitteilungen  d.  Gen.  {.  deutttclio  Erziehoiigfi-  u.  8c'hulge»ch.  Vli. 


den  20.  t.  Monatstag  Martij  nach  der  gnadenreichen  geburth  \'nsereä  lieben 
Herrn  vnd  Brlösaera  J«mi  CStriHi  gexeMt  sibsebnlnindert  vnd  fDnff  Jahr.  — 

Vergleich  zwischen  der  T.nt oin'ichiilo  und  den  Franziskanern 

Vom  Jalire  ITuti. 

Vndt  weilen  derraahleina  nicht  allein  Jh-aectptor  et  Cantor  sondern 
anch  B.  B.  F,  P.  Franziskaner  die  /«/Mm  tZodrea  vnd  aich  einigo 
JHfflartndm  zaigeo  vnd  hervorthun  wollen,  so  bat  man  für  gueU  vnd  nutz- 
bar gefunden,  solche  LecHona  xne  »^ariren  vnd  vnder  ihnen  folgenden 

Vergleich  zumnrhfn,  wclrhfr  auch  dem  Innli:ilt  ^joniJlsp  von  Ixu'den  th^'illen 
ttijfviirt  vnd  deine  nttchzu^^olcboii  vt  reprochen  worden,  welcUfs  alsi»  kiuthoi 
Demnach  sich  iezt  eini^i^e  Zeither  Stritt  vnd  kleine  Differenzien  er- 
hoben swisehen  tili.  Herrn  Magister  Guorduitt  vnd.  Einem  lObl*  OMwcaf 
Ordifdt  8,  .FVoncifei  Fratnm  mmorum  UrtM  Begvlo  an  Binem:  vnd 
Praeceptore  et  Cantore  der  lateinischen  Schuel  allhier  in  des  HeyL  R6m. 
RpichHstatt  Schwäb.  (lomOndt  aiidoron  thoilsf*  dpH  Jii^'^endt  docirens  vnä 
Jnstr}(irf)is  halber:  Alss  i.si  durch  irtfcr/>wi/io«  (h-^  zi-itiiehon  Landdochanten 
vnd  Stttttpfarreni  Herrn  L.t.  Schleichern  HochwürUeu  dio  eache  zwischen 
E^tbesagt:  einem  15bL.  Comnnt,  vnd  Einem  Bhrsamben  Rath  in  Oonnlio  Item 
me  endgesetiton  dato  gdiobea  vnd  tai^poraiUer  oder  blas  zue  Widerauf- 
hObung  ein:  so  anderen  theilss  dahin  verglichen  worden,  dasa  iVo  Primo 
i  n  Lateinif eher  Schtiel  allein  die  pi-ima  prim-ipia,  dio  Ku'hnirnt  vnd  Grammatica 
auch  die  Heynla  mmorts  S^niaxeos  oder  biss  auf  die  dritte  ächuel  inclusive 
sollen  dociret  vnd  die  Junge  Knaben  biss  dahin  instmirei  werden;  dahin* 
gegen  aollen  vnd  wollen  sie  B,  B.  P.  P.  Franziskaner  die  Begula$  8yniaxe(» 
maioris,  die  Hunianitut  vnd  BhetoHe  od.  die  4.  6.  vnd  0  t.  Schuel  dociren^ 
der  Imtrwtinjx  ;i?>er  der  cetcris  witwrihus;  sich  giknzlich  bemllsai^i'n,  Pro 
Secundo  hat  man  sich  der  Mmic  halber  dabin  vereinbaret  vml  {^uotwillig 
einverstanden,  dass  die  B,  IL  P.  P.  Franziskaner  ihre  in  Musica  inf  ormirte 
Knaben  zue  der  Jftine  in  die  Pfarrkirchen,  auch  tue  ttffentlidten  ProaeMionen 
schickhen  vnd  admittiren  wollen:  dahingegen  aollen  vnd  wollen  auch  die 
auss  der  lateinischen  Schuel  Uiuikverstftndige  lüiaben  ihren  Musikchor 

redproce  frequentirm. 

Da?  Sehuel-i^uait;ili:»'lt  mior  Besoldung'  l*ro  TtrÜo  betreffend  ist  die 
Buche  dahin  vertragen,  dass  niebrbenumbste  P.  P.  Franziskaner  sich  allein 
mit  denen  jederweiligen  quatembergelter  von  denen  Knaben  vergnügen 
lassen  vnd  sich  weitherer  ordtitari-gett  oder  Fruchtbeeoldung  von  gemainer 
Statt  entschlagen  vnd  sich  allein  mit  <j  Clatfter  aufgemachten  Holz  aus 
dem  Thannwaldt,  welches  man  Ihnen  heinib  vnd  fUr  die  thUren  führen 
jasscu  witdt,  vergnUfiren  lassen  wollen. 

Urkundlich  dessen  ist  dieser  Rezcss  vnd  Vergleich  zu  Papier  go- 
tanaeht  in  allhieasiger  Canzley  mmMrt  von  beeden  theillen  vnderscluiben 
vnd  auagefwtiget;  von  dene  zwey  gleichlautende  Exeas»^ifana  genohmen 
jedem  theil  zue  seiner  khttnftigen  Information  vnd  Vösthaltuug  Eines  zuge- 
stelt  worden.  So  geHohehen  Jnvh  df>n  vierzehenden  octohris  als  man  zfllt 
nach  der  gnadenreichen  Ueburtt  Jesu  C  hristi  sibenzehenhuudert  vnd  sechss 
Jahr.  — 


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IS.  Bin  Urteil  der  Pbilosoph.  Fak.  4er  «Iten  Univen.  EltnMOimg  etc.  107 


18. 

Ein  l  iUil  der  Pliilosophlschen  lakültät  der  alten 
UniverBität  Strassburg  aus  dem  Jahre  UlDer 
Thomas  MumerB  ChartUadluni  Logieae. 

Von  Prof.  Dr.  Gnetar  Xnod,  Lyc-Oberlelirer  in  Stresaburg  im  Elaaaa. 

Ikluruor  hatte  bekanntlieh  eine  bosondere  Vorliebe  dafür,  die 
Wisse ii-^diaften  durch  Spiele  zu  lehren.  Hat  er  diese  Methode  auch 
nicht  selbst  crfuudeu,  so  hat  er  sie  doch  in  Mode  <:^eltracht  und 
niciit  geringes  Aufsehen  (iuiiiit  erregt,  Ülleubai*  iiatt«'  er  sie  iti 
Paris  bei  Jacobus  Faber  Stajuilensis  l<ennen  gelernt'),  der  auf  diese 
Weise  die  Kegeln  der  Verskunsi  und  der  Mathematik  meinen  Schülern 
beizubringen  suchte.  Bald  nach  seiner  litickkehr  aus  Paris  (1499) 
sehen  wir  Munier  in  Strasf'burL;  beschiifti«rt,  nach  dieser  Mothode  das 
rfmiisehe  Kocht  zu  ]>opnlarisieren,  indem  er  den  \  «-iMich  machte, 
die  Institutionen  durch  Bilder  und  Spielkarten  zu  eriäuleru  uud  ein- 
zuprägen. Schon  1502  rühnil  er  sich  in  einem  Briefe  an  Geiler, 
dass  niomuü(i  das  Studium  der  Just inianu^i  neu  Institutionen  so  be- 
quem gemacht  habe,  als  er;  (himals  war  also  wolü  brreits  sein 
berühmtes  juhstisclies  Xarienspicl  ersi  hienen^).  In  den  Jahren 
1506  und  1507.  wo  er  in  Krakau  die  Parva  logicalia  des  Petrus 
llispanns  dozierte,  war  er  bestrebt,  seinen  Schülern  das  schwierige 
uud  tiockeue  Studium  des  scliolastischen  Logikers  auf  die  gleiche 

<)  Auf  diesen  Znaammenhang  hat  R5luich,  Gesch.  d.  Ref.  i.  Eis.  1, 8o» 
a.  11  merst  hingewiesen.  —  Vielleicht  durch  Murners  Brfolgo  veranlue^Ktv 
hat  Uatthiad  Ringmann,  gleichfalls  eni  S(  huler  Pubers,  dieselbe  Methode 
in  seiner  Grammatica  figurata  (As^'-.  l.>()',M  aufgewandt. 

^}  Ein  Exemplar  dieses  juristischen  Kartenspiels  (vielleicht  ein  uuicum) 
vurde  vom  verstorbenen  Bibliothekar  L.  Sieber  auf  der  Basler.  Stadt- 
bihliothek  aufgefunden.  -Eine  genaue  Beschreibung  desselben  nebst  Bei> 
lagen  i.  d.  Beitr.  z.  vaterld.  Gsch.  v.  Basel  X  (1875),  S.  2?8ff. 


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108    Mitteiluagen  d.  Ges.  t  deutsche  Erziehung»-  u.  Schulgesch.  VIL 


Weise  annehmlicher  und  uiitzbriuj^eQder  zu  jrestalteri.  iudem  er  dea 
Inhalt  des  vielgebrauchten  Lehrbuchs  vm  besserer  EinprÄgung  in 
ein  Kartens]iiel  zusainiiit  iidräuf^te  und  die  Bestimmungen  und  Er- 
kiäruDgeü  der  Begrille  luid  Sätze  durch  51  in  Holz  geschnittene 
Figuren  in  Spielkartenform  versinnlidite.  Er  erzielte  dabei,  wie 
ein  Zeu<!:nis  des  Krakauer  Prolessors  ^l.  Johannes  de  Glogovia  es 
ausspricht,  so  ausserordentliche  Erfoli:»'  dutis  er  in  Verdacht  der 
Zauberei  f^eriet  und  dem  l'nivrrsitätsküüvent  darüber  Rede  stehen 
musste.  Auf  diese  Weise  ;6ur  ( )tVcnl»arung  seines  Gelieiiunisses  ge- 
nötigt, entsciiloss  er  sich,  sein  jtraktisches  Handbuch  zu  Nutz  und 
Frommen  weiterer  Kreise  in  Druck  zu  geben.  So  erschien  die 
erste  Ausgabe  des  Werkcliens  noch  im  Jalire  1507  zu  Krakau  unter 
dem  Titel:  Cartiludiuni  logicae  seu  lo.iiica  i)oetiea  vel  memorativa. 
cum  iocondo  pictasmatis  excitamento  pr<)  conHuuui  oiuuium  studentuiii 
utilitate.  —  Impress.  Cracoviae  inipeusiö  optimi  et  famatissimi  viri 
Johannis  Hallcr  civis  Cracuvieiiäis  a.  1507.  XIII.  Kai.  Murtii.  4*'. 
got.  —  Im  Jahre  1509  veranstaltete  Murner  von  Freiburg  i.  B. 
aus  eine  neue  Au.si^abe  unter  etwas  verändertem  Titel,  die  von 
Grüniuger  in  Strassburg  gedruckt  wurdet. 

Allerdings  wollten  diese  ublectaui^^nta  studiorum  den  erusteru 
unter  seinen  Zeit<rpnoPsen  keinp'^wegs  lobenswert  erscheinen.  Den- 
noch wurde  das  W  erkchen  aucli  sjiäter  wiederliuii  aulgelegt,  und 
üocli  im  Jalire  1629  liess  der  l^ariser  Advokat  Johannes  Balesdens 
eine  neue  mit  erläuternden  Anmerkungen  versehene  Ausgabe  er- 
scheinen, da  er  überzeugt  war,  d;iss  es  kein  treflf lieberes  Mittel  für 
den  Studierenden  gebe,  sich  in  ieicliter.  schneller  und  angenehmer 
Weise  auf  dem  schwierigen  Gebiete  der  Logik  heimisch  zu  niadieu. 

Derselben  Ansicht  scheiat  auch  ein  Zeitgenosse  und  Lands- 
mann des  Herausgebers,  oin  gewisser  M.  Dauphin,  gewesen  zu  sein, 
der  im  Wintersemester  1G35/36  bei  dem  Dekan  der  Strassbuiger 
Philosophischen  Fakultät  die  Erlaubnis  naclisuclite.  ein  CoUegium 
logicum  veranstalten  und  dabei  Murners  Chartiludium  logicum  ver- 
'wenden  zu  dürfen,  ^weil  es  nicht  allein  ein  sonderlich  compendium 
die  Logik  zu  dociren,  sondern  auch  etwas  newes  sei  für  das  heutige 
curiosum  seculum."  Auf  Verlangen  des  Dekans  wurde  das 
Cbartäludium  nebst  dem  Kommentar  des  Balesdens  zu  genauerer 


»)  Die  Titel  bei  Schmidt.  Hist.  litt(  rairo  do  l  Alsace  II,  420.  —  Eine 
kurze  txetTende  Beschreibung  und  Beurteilung  dvti  Ciiartüudium  logicum 
hat  JeremiiM  Jacob  Oberlin  im  Programm  dea  StnMtburger  Gytnnaalttins 
1792  gegeben. 


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13.  Ein  Urteil  der  Philosoph.  Fak.  der  alten  Univers.  Strassburg  etc.  109 


Prüfung  der  Fakultät  vorgelegt.  Die  Antwort  der  Fakultät 
lautete'): 

,pb  Magistro  Daaphin  ein  solches  Golleginm  logicnm  sa 

gOnnen  sey? 

Bey  dieser  Frau'    n  i  in  Betraclitung  gezogen  worden: 

1.  Thomas  Muraerus,  dass,  ob  er  zwar  ein  Arpentinensis  ge- 
wesen, 80  ist  er  doch  acerrimus  B.  Lutheri  kostis  gewesen,  iiatt  auch  viel 
schmfthkarten  und  bUder  wider  ihn  lasseB  in  trade  kommen.  Wardt  sich 
deroselben  nicht  wol  scUdcen  in  Univerflitate  orthodoxa  eines  solchen 
invention  den  stndiosis  Tonntragen  nnd  zu  loben  ohn  alle  tringende  noth> 
wendigkeit  eben  so  wenig  als  man  die  jesoiten  wolte  introdnciren. 

2.  Balesdenins,  als  der  des  HQmeri  explicatioB  nnd  modnm  nicbt 
anss  dem  ftindament  nnd  grOndtlich  weiss  oder  Terstehet,  sondexn  er  hatt 
aUein  deas  Uflnieri  karten  nnd  imagines  bekommen,  Aber  welche  er  dar- 
nach seine  conjectums  gestellet,  wie  er  Selbsten  liekennet  in  titolo  et 
pracfatione.  Uber  dass  so  führt  er  auch  in  seinem  scripto  einen  so  gar 
barbarum  styluni,  dass  mnn  dergleichen  bey  dem  Scoto  nnd  anderen 
Scholastiris  kaum  findet.  ETi  lilichcn  so  hatt  er  auch  ein  vninderlichen 
metliodum  in  seiner  Logic  indem  er  de  teminis  synonymis,  homonymis  etc. 
zuletzt  handelt  post  syllogismum  und  die  demonstration  gar  ausslai>set  etc., 
wie  dan  viel  solcher  sachen  alldar  vorkommen. 

3.  Imagines  ipsae.  Unter  den  karten  seindt  abschewliche,  teuff- 
liscbe,  Bchendtliche,  leiclrffertige  nnd  närrische  bilder,  als  lentt  mltt  tenffela 
köpfen,  eyn  nackende  person  mit  dem  bOsen  anff  dem  bock  fahrendt  etc.» 
welclie  nicbt  allein  bey  der  jngendt  eyn  acandslnm,  sondern  anch  ein 
snspicionem  magiae  canairen  können,  die  weil  die  aach  doch  woU  dnrdi 
andere  bUder  hette  können  dargethan  werden.  Es  finden  sich  auch  da- 
rinnen imagines,  die  viilcr  im^pr  n  ligion  lauffen,  als  Pater  noster,  Mtlnchs- 
kutten,  sonderlich  aber  die  Monstrantj^,  mit  welcher  denionstrirt  wurdt 
symbolum  accidentium  separabiliam,  wie  dass  corpus  Christi  ist,  cum 
accidentibus  panis. 

4.  Modus  dorendi.  Es  haben  sich  die  Universiteten  allezeit  wider 
ein  solchen  inodum  docendi  gelegt,  als  Jena  in  dem  Katf ichianischen 
Wesen,  und  Giesscu  wider  D.  Glaun,  weil  kein  bestandt  nmi  grnndt  in 
diesen  sacheu  ist,  wie  es  die  experientz  bezeugt.  Einer  der  schon  ein 
loi^cns  is^  der  kaim  ea  Twateben:  aber  einen  logicum  daranaa  n  macbim, 
ist  omnöglich. 

5.  M.  Dauphin,  als  der  ein  Calviniat  iat,  bey  welchen  sich  aller- 
bandt  in  der  religion  gef&hrlicbe  «qilicationes  canonnm  finden:  Ja  gar  ein 
iSkKt  der  voll  weina  in  der  kirchen  an  8.  Thoman  sich  Ubergeben  batt, 


>)  Protoc.  Pacnlt  Philo«,  ad  b.  a. 


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1 10    Mitteilungen  d.  Ges.  t  deutaclie  Brdehunga»  u.  Sehulgeseh.  vn. 


\ 


irie  aach  ein  schlechter  Granunatieas,  der  in  seiner  epistola  petitoria  yitia 
halt:  also  dass  einem  solchen  menschen  in  scbola  ortbodoxa  kein  potOBtaa 

-docendi  nomine  facultafis  kann  gegilnnt  werden.  Uber  dass  so  ist  norh 
ein  gross  clnbinm,  ob  er  auch  ein  fondamentalis  logicus  sey,  den  er  sich 
nie  hatt  huren  lassen. 

Conclusio.  Ist  bcschlnKsm  worden,  weil  ein  jeder,  der  Collegia 
halten  will,  sccundum  Facultatis  praescriptujn  dociren  soll,  diesen  juodam 
•docendi  aber  tanquam  iniperfectum  et  contrarientem  Statutis  Academicis 
■die  Facultas  nieht  approbieren  kan,  so  soll  er  ktlrtzlich  abgewiesen  werden.^ 


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14.  Bartholotnaei  Colonieosis  epistola  mythologic«. 


III 


14. 

Barfholomaei  ColonleiiBls  epistola  mythologica. 

Eine  Schiil-Ilumoieske  aus  der  Zeit  (lt\s  d*  utschen  FrühhumanismuH. 

Meu  herausgegeben  und  mit  Anmerkungen  versehen  von 
Prof.  Dr.  Btotslofa  lUtohUpg  zvl  MQnster  i.  W. 


Vorheni  erklingen. 

W  ie  iiiancher  Ribliojn*a['li  uüd  Freund  alter  Drucke  mag  wohl 
schon  unter  den  Iniiiuabel-BestÄnden  grös.s«'rf*r  Bibliotheken  die 
Epi^^tola  my tlioiogica  des  Bartholomaeus  Culoniensis  vor- 
^;elimdeu  Imben,  ohne  dass  er  dieselbe  auf  ihren  Inhalt  auch  nur 
oberflächlieh  aiigesehcu  hat!  Denn  nur  bei  der  Annahme  L'än/.licher 
ISichlbeachiuDs:  und  Tinkenntnis  des  luludus  küuueii  wii-  es  uns  er- 
klaren, dass  dieser  am  Ausgange  des  15.  und  zu  Anfang  des 
16.  Jahriiunderts  oft  aufgelegte,  in  pädagogischer  wie  kultur- 
geschichtlicher Hinsicht  höchöl  l>eachtenswerte  Traktat,  eins  der 
frühesten  Erzeugnisse  des  deutschen  Ilumaui.smus  ül>erliaupt,  seit 
fast  400  Jahren  keinen  Neudruck  mehr  eifnhren  hat.  Wer  hätte 
auch  nach  dem  Titel')  etwas  anderes  venmiteii  sulleu  aln  oine 
hin  und  wieder  mit  scherahaften  Bemerkungen  vei*sehene  Abhandlung 
aus  der  griechisch-römischen  ]\h  tliologie,  wie  .^ie  der  Humanismus 
dulzeudwelse  hervorgebracht  hat? 

Und  dueh  hat  die  Kpi-tohi  niythologica  des  r.jiiliiulunuuia  von 
Köln  mit  der  Mythologie  im  gewöhnlichen  ."^inue  des  Wortes  nichts 
weiter  gemein  als  die  gelegentliche  Verwendung  mythologischer 
Gestalten  und  Dinge  zur  Ausschmückung  der  Darstellung  und  Kr- 
höhung  des  Kontrastes,  hn  übrigen  ist  sie  eine  durchaus  origi- 
nelle, zumeist  Verhältnisse  und  Begebenheiten  des  mudeiueii 
Lebens  behandelnde  Erdichtung  von  urwüchsiger,  wenn  auch  mit- 

')  Siehe  folg.  S.,  Anm.  2. 


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112    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungä-  u.  Schulgeach.  VII. 


unter  ins  Groteske  getriebeiior  Komik,  eine  Art  Biem  iiung  grössern 
Stils,  um  mich  studeuiisch  auszudrücken.  Der  Verfa^sser  will  eben 
nicht  auf  ausgetretenen  Pfaden  wandeln  oder,  um  seine  eigenen 
Wort«  zu  gebrauchen,  .vom  Alter  morsch  gewordene  Zaunpfähle 
mit  Purpurlappen  behängen,  oder  taube  Isiiisse  mit  (ioldschaum 
überziehen').** 

Mit  der  Helustigmig  durch  den  Inhalt  aber  verbindet  diese 
in  fliessendem,  vorwiegend  piautiuisch-terenziaulsehem  Latein 
gescJiriebeue  Humoreske  zugleich  den  besondern  Zweck,  durch  die 
FoiTii  der  Darstellung  zum  mündlichen  Gebrauch  der  lateinischen 
Sprache  zu  befähigen 2).  Dass  diese  doppelte  Aufgabe  in  ausgezeich- 
neter Weise  gelöst  ist,  wird  jeder  zugeben,  der  das  Stück  mit 
Aufmerksamkeit  durchgelesen  bat.  Auf  eine  nähere  Analyse  des- 
selben verzichte  ich  hier,  um  nicht  dem  Le^er  den  Genuss  zu 
gchm&lem,  'welchen  derartige  Erzeugnisse  nur  bei  unvermittelter 
Lektüre  toU  und  ganz  zu  bieten  Termügen. 

Dass  das  Schiiftcben  wirklieb  in  den  Schulen  gelesen  worden 
ist,  mag  zwar  manchem  Pädagogen  der  Neuzeit  Tervimderlich  vor- 
kommen,  kann  aber  nicht  bezweifelt  werden.  Auf  den  Schulgebraucb 
weisen  die  wiederholten,  mehrfach  innerhalb  Jahresfrist  erfolgten 
Auflagen,  der  den  ältesten  Drucken  betgegebene  Holzschnitt,  welcher 
einen  Lehrer,  Ton  Schillern  umgeben,  darstellt,  sowie  die  sprach- 
lichen und  sachlichen  Randglossen  in  manchen  alten  Exemplaren 
deutlich  hin.  Insbesondere  darf  der  Gebrauch  an  derjenigen  An- 
stalt vorausgesetzt  werden,  an  welcher  der  Autor  zur  Zeit  der  Ab- 
fassung als  Lehrer  wirkte.  Biese  aber  war  keine  geringere  als 
die  unter  der  Leitung  des  Alexander  Hegius  als  lElteste  Pflanz- 
stfttte  des  Humanismus  in  Norddeutschland  so  berühmt  gewordene 
Scbule  zu  Deventer.  In  Deventer  ist  die  Epistola  mytbologica 
laut  Schlttssschrift  verfasst  und  ebendaselbst  auch  bis  zum  Aus- 
gange des  15.  Jahrhunderts  zumeist  gedruclct  worden. 

In  dem  ältesten  der  bis  jetzt  nachweisbaren  Drucke  trftgt  die 
Epistola  die  Scblussdatierung:  Ex  Daventria,  sexto  Idus  Julii 
1489').  wahrend  die  Ortsbezeichnung  und  das  Monatsdatum  ia 
die  nachfolgenden  Auflagen  herUbergenommen  wurde,  finden  wir 


')  Siehe  den  Schhisa  der  Ep.  niyth. 

Dieser  Zweck  wird  »chon  im  Titel  anpodeutet:  Epistola  mytho- 
logica  pleriäque  lepidiä  sententüs  et  ad  commuuera  aermonia  usum 
aceommodatissimia  referta  etc. 

*j  Siehe  Hain,  R«pert  blbliogr.  I,  2492;  Campbell,  Annales  de  la 
typogr.  N^rlandaise  251. 


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14.  Bttitholomael  Coloniensia  episfcola  mytfaologica.  IIS 


die  Jahresaogabe  meiBtens  der  Zeit  der  Drueklegiing  entsprechend 
abgellndert.  Uneenn  Neudmclc  ist  in  ErmaDgelung  der  Original- 
aasgabe die  «weite  Auflage  vom  Jahre  1490  zu  Grunde  gelegt 
worden.  Dieselbe  entstammt,  ebenso  wie  die  erste  und  die  nftchst- 
folgenden  ohne  Angabe  des  Druckers  erschienenen  Auflagen,  der 
Offizin  Jacobs  Ton  Breda  in  Dot enter,  wie  eine  Vergleichung 
der  Typen  zur  £Tidenz  lehrt  Ausser  diesem  Drucke,  den  wir 
in  der  Folge  mit  Ä  bezeichnen,  ist  flir  die  Feststellung  des  Textes 
eine  der  letzten  Ausgaben  benutzt  worden,  die,  von  einem  gewissen 
Baccalaureus  Georg  Alberti  Witchin  zu  Leipzig  nach  einem 
Drucke  von  1496  veranstaltet,  im  Jahre  1512  bei  Thomas 
Anseimus  in  Tübingen  erschien;  diese  bezeiclmen  wir  mit  S. 

Von  den  Lebensumständen  des  Verfassers  ist  nach  dem  bis« 
lang  zugänglich  gemachten  QueUenmaterial  nur  weniges  mit  Si<^r^ 
heit  festzustellen.  Wie  schon  angedeutet,  war  Bartholomäus  von 
Köln  wenigstens  seit  1489  Lehrer  an  der  von  Alexander  Iltgitis 
geleiteten  Schule  zu  Deventer.  an  der  er  auch  seine  Vorbildung 
genossen  haben  wird.  Er  ist  daselbst  auch  noch  mehrere  Jahre 
nach  dem  Tode  des  Uegius  thatig  gewesen,  zwar  nicht  als  Rektor, 
wie  Hamelmann  will')  —  der  Nachfolger  des  Hegius  war  Johannes 
Ostendorp — .  sondern  als  Lehrer  der  viertenKlasse^.  Sonach  hat  er 
ohne  Zweifelan  der  Ausbildung  der  zahlreichen  ausgezeichneten  liftnner 
mitgewirkt,  welche  gerade  während  des  gedachten  Zeitraums  aus 
der  Schule  Deventers  hervorgegangen  sind.  In  den  ersten  Jahren 
des  16.  Jahrhunderts  scheint  er  Deventer  verlassen  und  sich  zu- 
Qftchst  nach  Zwoll*)  und  darauf  nach  Köln  gewandt  zu  haben. 
Dass  er  von  dem  letztem  Orte  durch  die  «Kölner  Barbaren*  ver- 
trieben worden  sei^).  ist  eine  durch  nichts  gerechtfertigte  Behauptung 
Hamelmanns,  der  fast  jeden  einmal  mit  der  dortigen  Hochschule 
in  BerOhrung  gekommenen  Humanisten  zum  Mftttyrer  zu  stempeh 
sucht^.  Um  das  Jahr  1506  Icam  er  auf  Empfehlung  des  edlen 
Domherrn  Rudolf  von  Langen  nach  Münster  an  die  Schule  zu 
St.  Mau  ritz  als  Nachfolger  des  von  Hermann  van  dem  Busche 


V»  Eine   {TPnaue  bibliographische  Beeclireibuiig  findet  maa  bei 

Campbell  1.  c  .  2.  Suppl.  201a. 

')  Haitiulmuiiii.  Opp.  gen.  his»t,  p.  207. 

*)  Siehe  Butzbach,  bei  Kruflt  und  Creceliuiä,  Beitrage  z.  Gesch.  d. 
Hamaoismiis  I.  (Elberfeld  1870)  8.  10  u.  82. 

*)  Wenigsteile  fthrt  ihn  Hamelmann  als  Lehrer  in  Zwoll  an. 

^»  Hamelmann.  I.e.  p.  291. 

^)  NnhereH  hierüber  in  meiner  Biographie  des  Muriuellius  S.  21  ff* 
MitteUang^D  d.  Gea.  f.  deutecbe  Erzieh.*  u.  Scbul9««cbichle.  VII  2  1887.  fi 


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1 14   latteilungMi  d.  Gea.  £  deutoebe  Bndehongs-  u.  Sdiulgeach.  VH. 


und  Kurmellius  gepriesenen  Magisters  Johannes  Groyius^). 
Wie  lange  er  in  dieser  Stellung  geblieben  ist,  Ifisst  sieh  nicht 
genau  bestinunen;  jedenfalls  aber  hat  er  Tor  1513  das  Rektorat 
der  Schule  zu  Allcmaar  im  nordwestliehen  Holland  beJdeidet*), 
-worin  ihm  in  dem  gedachten  Jahre  Murmellius  gefolgt  ist^. 
Letzterer  liest  in  einem  Briefe  an  Johannes  Aedicollius  aus 
demselben  Jahre*)  ihn  nebst  Jacob  Fabri  in  Beventer  grüsseä, 
-woraus  hervorzugehen  scheint,  dasa  er  sich  wieder  eine  Zeitlang  in 
Deren ter  aufgehalten  hat  Alsdann  wurde  er  als  Rektor  nach 
Minden  berufen,  wo  er  nicht  lange  darauf,  muthmasslich  um 
1516^),  in  dOrftigen  Verhältnissen^  gestorben  ist. 

Wenn  der  Verfasser  der  Epistola  mythologica  dem  wirklichen 
oder  fingierten  Freunde  Paneratius  gegenüber  sein  l&ngeres 
Schweigen  damit  entschuldigt,  dass  die  Tielen  Pflicht-  und  Ver- 
tretungsstunden, die  er  su  erteilen  habe,  sowie  die  Tag  und  Nacht 
fortgesetzten  wissenschaftlichen  Forschungen  ihm  kaum  die  not- 
wendige Zeit  zur  Erholung  Hessen,  so  ist  das  keine  rhetorische 
Uebertroibung.  Auch  Johannes  Butzbach.  dersp&tereBenediktiner- 
Prior  zu  Laach,  welcher  um  1500  in  Beventer  Schiller  des 
Bartholomäus  war,  hebt  ausdrücklich  den  unablftasigen  Studieneifer 
seines  Meisters  hervor,  „der,  obwohl  auf  allen  Gebieten  der 
Wissenschaft  bewandert,  zur  Verwunderung  aller  noch  heute  wie 
ein  ganz  und  gar  Unwissender  bis  in  die  tiefe  Nacht  hinein  fort- 
studiert." Mit  Begeisterung  spricht  Butzbach  femer  Ton  dem 
Cliaiakter,  dem  Lehrtalent  und  der  wunderbaren  Redegewandtheit 
des  Mannes,  von  dem  glühenden  Eifer,  womit  er  seine  Schüler  für 
die  Wissenschaft  zu  entflammen  verstanden  habe,  von  der  rührenden 
Anhänglichkeit  und  Liebe,  welche  diese  ihrem  Lehrer  bezeugt 


')  Hami  Im.  1.  c.  p.  268.  —  rnsoro  Zoitbestimtnun«];'  der  Ankunft  des 
BartholuiUilUH  in  Munster  «tdtzt  sich  aui'  den  ürastand.  «iafs  Groviua 
UDi  die  angegebene  Zeit  aui  Uagiache  Weise  uma  Leben  gekunnnen  war. 
Vgl.  Hain el mann  L  c  p.  208  und  meine  Biograpbie  des  MarraelliUB 
S.  09. 

•|  Sieho  Boomkamp.  Alkmaer  on  de.szclvcs  Geschiodeniaeen  (Rotter- 
dam 1747)  p.  .%<)•.  Paquot.  MwnnirPt»  litt.  tnm.  XIII..  p.  IbO. 
■)  Siehe  meine  Biographie  des  MurmeUti.s  S. 

*)  Abgedruckt  bei  Krafft  u.  Creceliua,  Beiträge  II  (Elberfeld 
1876)  8.  61. 

"1  loh.  Cüsarius  tQhrt  ihn  in  der  seiner  Dialektik  vom  Jalure  1520 

vorgedruckten  Apologie  unter  den  ^non  ita  pridem"  V(>rstorbenen  Gelehrten 
vor  MurnieHius  au.  dessen  Tod  in  das  Jahr  löl7  fällt. 
«)  Harne imann  1.  c.  p.  296. 


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U.  Bartholomaei  ColonlentfB  epietola  mytholo^e«.  115 


bättenO-  Und  mit  dieser  Hocbschfttzung  steht  Butzbach  nicht  allein. 
Mit  gleidi  hoher  Anerkennung  sprechen  sich  auch  andere  Zeit- 
genossen, vor  allen  Hermann  van  dem  Busche^»  Murmellius') 
und  Cäsar ius^),  Uber  Barthoiomftus  von  EOln  als  Gelehrten  und 
Schulmann  aus.  Der  letztgenannte  Humanist,  Begründer  des  grie- 
chischen Sprachstudiums  in  Norddeutschland  und  hervorragender 
Dialektiker,  nennt  ihn  einen  „zureifellos  grossen  Philosophen* 
und  bedauert  lebhaft,  dass  er  seine  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Mathematik  der  Nachwelt  vorenthalten  halte. 

Ausser  der  Epistola  mythologica  sind  von  Bartholomäus  von 
Köln  eine  Silva  carminum^),  Gedichte  zum  Lobe  der  Philo- 
sophie, ein  Libellus  elegiacus  de  septenis  doloribus  beatls- 
simae  Mariae^),  mit  einem  Empfehlungsepigramm  des 
Murmeilius  versehen,  Canones^  und  eine  Abliandlung:  De 
secta  Diogenis^,  veröffentlicht  worden. 


1)  Butzbach,  bei  KralTt  u.  Creceliua,  Beitrage  I,  8.  lOff  ' 

Bei  Harne  Im  an  n  1.  c.  p.  290. 
3)  Siehe  Murm.  Eleg.  raor.  I,  4, 
*)  In  der  vori^.  S.,  Aum.  5  bezeicbneteu  5?chritt. 
^  Daventriae  Jac.  Bredensis,  1491. 

S.  I.,  typ.  n.  et  a  (c  IGOo). 
')  ZwoUis.  Petr.  Os  de  Breda,  1505. 

8)  Letzter««  Schrift,  welche  sich  in  der  kurzen  Vita  dps  Rrirtlu)loiuäua 
Colonienais  von  Job.  Trithemius  aus  dem  Jahro  1494  vcrzelchuet  ändet, 
iat  sonst  nicht  nachsttweiaen. 


8* 

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116    M ittoUungen  <L  Gee.  f.  d«utacli«  Enielmiigs-  v.  8diiilg«och.  Vn. 


Barttiolomaei  ColonieiiBis  epistoln  mytholog^ica 
ad  Paneratium  gnuin. 

Bartholomaens  Colonionsis  Pancratio  j^uo  salntem  dicit. 
Quod  iiteris  tuis,  qnas  ad  me  iam  pridein  dedisti,  haoteims  non,  ut  debe- 
5  bam,  respondi,  non  roeae  uegligentiae,  sed  potius  diversis,  quibas  diatlneor,  ne- 
gotii» MCribas  Telim,  qaiatot  et  taotis  distrahor  oeeapatiODibns,  ntvizrefidendi 
eorpucoli  mihi  tempns  oppoxtanom  snperet,  qvod  facili  opera  prospiciet  qoia- 
qiiis  videbil  me  praeter  laborea,  quibas  qnotidie  eonfidor,  scbolastioos,  tarn 
ordinarioa  quam  aubticim  ac  sabBocondarios,  praeterqne  peipetaoB 
losndores,  qnos  perdius  et  pentox  bonamm  artinni  studüs  impendo,  rem 
domesticam  ingenti  soUicitudine  curare,  pracscrtim  huc  tempestate,  qna 
non  mo'lo  roi  fninientariae,  veram  et  quorumvis  obsoniorum  caritate  ubivis 
gentiuni,  ni  fallor,  Inboratur.    Qaod  iliftirile,  nt  tute  ipsp  oxporiris,  faetn 
est,  quodque  n'  vit;»  ardunm  mihi  exisiiniatiir.  Iliiic  factum  est.  nt  Hierin 
i'>tuis  ad  mc  per  tabellarium  tuum  pcrlaüs  miiiiine,   nt  diiüum  expetisti, 
scriptis  respondi.   Sed  de  bis  satia. 

Oetemm  nepotem  tmun  Panlnm,  qnero  mihi  tantopere  commendas, 
in  meam  earam  eatemu  snscipiam,  qnatenns  Iiteris  tois  per  enm  ad  me 
peilakis  mihi  significastt,  existimans  me  opportunam  occasionem  esse  mwtnm» 
s^  qua  animiun  meum  erga  te  gratum  dcdarare  possem  quaque  tibi  pro  tnis 
immortalibos  benefieiis  apnd  me  coUatis  mntaam  vicem  aliquando  rependcre 
qaeam ,  qnod  ante  hune  diem,  qvotüam  occasio  mihi  denegata  erat,  efficere 
non  potai. 

Librum  astronomicon   Marci  Manilii  cum  cudice  Hr?ini   de  side- 
2r.  ribus,  quos  tantopere  diu  iam  cnpidus  exspectasti.  ad  ff  usque  perferendos 
tradere  curassem,  ei  usquam  gentium  eos  apud  bibliopolas  aut  magistros 
artis  librariae  Tenam  expositos  offendissem. 

9)  subsicivos]  saccisivos  B,   16)  scriptis  deeat  in  B,  21)  apnd]  in  B^ 

24)  Manilii]  Manlii  AB. 

7)  Buporare  =  Bupcresae.  Cf.  Plaut.  Troe.  pr.  20. 
9)  Buhaecundarlus  =  extraordinarins. 
10)  peidius  et  pernox  =  die  noctuque. 


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U.  BartholoiiMei  Golonieii^  epiatola  mytholo^ea.  117 


Codices  Toro  tuos  et  praecipne  Sidoniom,  qaem  abhioc  tertio*)  anno 
«  to  commodato  acoepi,  tibi  remitto.  Qui  hactenns  apad  me  Titam  somno 
simillimam  in  cubiculo  suo,  mediusfidius,  exegit.  Cuius  somnolontiam 
€go  iniqao  ferens  animo  rrebrius  sublata  vocu  exrlaniavi  ingeminaiis • 
,Si(loni,  nvigila!  Sidoni,  evigüa!   Iiim  vnim  sn\  medium  lieniispbacrii  nostri  5 

IIS*  i  iidit  nxem;  iam  enim  in  huram  us(iue  jiKTidianam,  pruh  piidor! 
obdiintnsti;  iam  satis  superque  somno  iiidulsisti.'  Ubi  Iiis  vocibas  nihil 
profeci,  coepi  tandem  tacitns  mecum  volutare,  qnidnam  cansae  riet,  quod 
faic  bomnndo  totas  noetes,  hem,  quid  noetes?  immo  totoa  dies  cnra  iptis 
nociibiu  abaqne  alla  temporis  intercapedine  —  qnod  mimm  est  dicta  et  lo 
difficH«  eredita  —  perqniesdt»  «t  mortuo  conrimüior  quam  sopito  videatar. 
Forsitaa  papaveris  semina  afidis»  nt  ainnt,  fandbns  deglntivit  aut  sopori- 
fenim,  nescio  quem,  potum  magnis  haustibss  aTariter  in  se  ingurgitarit. 
Dum  haec  identidem  cogitabundus  replico,  optimum  tandem  factn  visara 
est  mihi  cubicuhim  eius  insrcnderf  <  t  eum  profundo  somno  excutere.  ir. 
Ubi  ad  ostiülum  conclavis  pervontum  est,  itenim  sublata  voce  occoepi 
inclamare:  , Sidoni,  evipla  et  surge!'  Et  cum  dicto  fore  scubiculi  duobus 
digitis  a  pullice  proximis  leniter  pulsavi.  Quibus  semel  iterum<[ue  et 
deincepa  incassom  polaatis  mox  manu  in  marsnpinm,  quod  laevo  femori 
meo  adhaarebal,  ioiecta  daran  exprompii.  cxpromptam  serae  osttoliao 
imniiai,  qua  davia  immittendae  foramen  patebat.  Qnae  immissa  ac  clreiim> 
acta  in  dnas  desilüt  partes,  qaaniin  alteram  manas  et  alteram  sera 
detinnit.  Qao  tIso  fremebnndits  steti  et  vaUdis  pugnis  cubiculi  fores  adeo 
pnlsavi,  at  non  modo  ostiolum,  verum  et  tota  cubiculi  fabnca  instar 
arbustulae  ventorum  flatibus  actac  contremeret.  Ubi  bis  ctiam  pugnoruraa» 
ictibus  nihil  profeci,  aliquantulum  retro  abiens  a  foribiis  cubiculi  discessi, 
ut  vehementiore  insultu,  inore  arietum,  qui  eomibus  obvcrsis  concurrere 
pestiuiit,  fores  obtundendo  cffringerem,  aut  saltem  eas  ex  cardinibus  eiirerem. 
<^uibus  tandem  meonuu  impulsu  pedum  e  cardinibus  suis  cxturbatis  dicto 
tsitios  in  cubicolnm  ingenti  strepita  bacchabnndns  introrapi  quam  mazimeso 
<icelamitans:  »Heus,  ubi  es  tu,  Sidoni,  qni  me  pnlsantem  in  enbieniiim 
OOS  intromiseris?  Quid  refnm  agis,  forcifer?  Qnod  te  dü  deaeqne  omnes 
perdant!  Gnr  mibi  non  loqneris?  cur  obmutesds?  EUngoisne  es,  qni 
giacolo  soles  esse  garralior  et  qnavis  rana  loqnador?'  Et  cum  dicto 
ntnmqve  maimm  in  vestem  stngulam  linteumque  grabi^uli  conieci,  35 
hominem  supcme  ad  imos  usquc  pcdes  deuudans,  ut  cum  non  Sidouium, 
sed  gymnosophistam  quempiam  Indum,  si  conni  stetissea,  putasses;  bcm, 
titabavi  verbo,  non  gymnosophistam,  sed  iigneolam  hominis  figuram  ob 

1)  abhinc  tertio  anno]  anno  ab  hinc  tertio  B.  10)  intercapt  (1ine| 
intercapidine  A.  28)  obtnndendo]  obtrudendo  B,  35)  grabatoli]  grabbat- 
tttli  Ä,  grabbatoU  B. 

10)  intercapedo  est  »patium  vel  intervallum. 
19>  marsupinm  est  loculu«»  pecuniarius. 
itö)  grabatuluti  =  lectulus. 


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IIS    Mitteiliuigen  d.  Gea.  f.  dflotadt«  Bniehnagt-  iL  Bchulgesch.  VIL 


animi  torporem  et  mentis  inettiam  credidiases.  £o  igitor  sie  detecto  et 
nollam  Signum  TxtM,  nedum  aomni,  praß  <:e  ferente  occoepi  vehementer 
addubitaro,  mortnn?  ossot  an  vivus,  an  inter  utrnmque  constitutns,  si  rerura 
natura  pateretur,  neutrum   aj^erot.     Dum  haec   identidem  dubitabundus 

6  revolverem,  putavi  tandem  optinio  consUio  factum  iri,  £»i  propius  accedeiis 
vitüui  eius,  si  quaoi  baberet,  süUerti  indagiuc  vostiifwem,  statimque, 
quantum  soUertissime  potui,  venulaui  dextri  bracliii  instar  medici  pertrectavi 
nt  ealtem  viUaii,  si  qoA  foret»  in  ipiw  venanim  palpationibiu  investitsarem. 
Sed  nbi  Tenalae  di^tis  meis  eontrectata»  mdlimi  Bnbsaltnm  nvlliuiiqafr 

10  Titae  latentis  rigniim  dedere  —  loaruit  eniiD,  qaod  estmirabüe  dicto,  perquant 
qnidtae  — ,  mox,  oonrerti  manum  meam  a  Tenia  ad  laeTam  pectoris  eiv& 
papiUam,  sub  qua,  ut  medici  tradunt.  corcnlam  hominis  delitescit,  ot  ealoreiik 
vitalem,  si  nspiam  in  praecordiis  latitaret,  persentiscerem.  IShxnn  igitur  mea 
ad  pcctus  eius  a(^m^t^  ubtulit  scse  mibi  calor  quidam  admodum  l;iTi'niidus» 

16  qui,  ut  mihi  visum  erat,  iion  fuit  ccrtus  index  vitae.  praesertim  cum  nft 
miniiiium  quidein  anhelitus  tiatuin  jjotuerim  deprehendere. 

Novo  igitur  cousilio  iuito  sumpsi  moUiculam  quandam  plumam, 
quam  in  nares  eius  conieci,  ut  periculum  facerem,  viveret  ipse  necne.  Quae 
nbi  in  naanm  eins  coniecta  est,  statim  propellebatar  in  aana  reciproci 

90  flatus  nspiratione.  Qnod  fnit  mihi  potiasimnm  iritae  eins  argnmoitam. 
Quo  habito  factns  sum  omnis  morae,  qaam  nt  eredi  possit»  impatientior» 
statimqne,  quantum  maxime  potoi,  in  anres  eins  exelamavi  ingeminanat 
,Sidoni,  evigila!  Sidoni,  evigila!'  ut  non  hominis  Tocem  te  ezandire,  led 
potins  tauri  boatum  crederes.  Ad  banc  tarnen  vocem  non  magis  experrectns 

aä  est  quam  vitulus  marinns  altissimo  somno  oppressas  ad  lenem  zephyri 
susurrum  evigilat. 

Sfd  ubi  his  clamoribu^  nihil  consccutus  sum.  iuierta  tandem  in  eun» 
mann  aures  eius  unguibus  iiieis  vellicare  adurtus  äuui.  Quibus  vellicatis 
ac  paene  perrnlsis  mox  occoepi  hireiuum  eius  iMurbitinm  prope  ad  pubcm 

ao  usquc  porreetnm  per  intenralla  compilare:  Et  ne  capnt  eins  qnod  reli> 
qnnm  erat  ab  ininria  immune  esset,  iniectis  manibus  tarn  antependnloa 
quam  retropendnios  crines  cute  tenns»  mefaerde,  evulsi,  ut  te  non  capnt,. 
sed  cneuibitam  ant  glabdlam  quandam  rapam  viderc  putares.  Ipse  tarnen 
quasi  statua  insensibilis  perduravit.   £o  igitur  sie  insensibiliter  perdnraatfr 

as  occoepi  mecum  tacitus  reputarc  bunc  hominem  esse  letbnr'jicum,  son  car- 
minum  avocnmento  soporatnm  et  ad  obiivionem  pracsentium  exstematum, 
seu  a  Circo,  quae  Ulysh^is  socios  in  pluriformcs  bcinas  camiinibus  mutavit» 
obcantatum  et  in  sumniculosum  glirem  transformatum.  äcd  intcr  cogitauduin 


23)  exaudirej  audiru  B,  3G)  exsteruatumj  exttrnatum  -LB.  38)  somiii- 
cnlosum]  somniculosam  Ä. 

83)  glabelluH  (diniinut.  a  frlaber)  =  levis  et  eine  pilis. 

8r»>  pxstprnatus  =  alionatus. 

dhj  somniculosus  glis  uobis  est  ,Siebenschlate^^ 


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14.  Bartholomaei  Coloniensis  eplstola  mytbolog^ea. 


119 


liquido  cogTiovi  cum  non  obcantatum  nequc  lethar^rum,  spA  morbo 
socordiac  a  vertice  capitis  ad  imas  ii'^qn»»  plantas  occupatuin.  (^uod  cum 
exploratum  haberem,  mox  indignabuudus  ocnlo«?  cirrumtuli.  locos  quosiiue 
cubiculi  (lilijxenter  perscrutans,  ut,  si  qnem  i»ai  uluiu  uspiaiii  vidfrem,  arri- 
perem,  quo  buic  mastigiao  socordiam  de  oerebro  possein  deturbare.  luter  & 
perBcrntoiidiuii  obtnlit  sese  mihi  pertica  qnaedam  brachiali  eraasitudine, 
qna  olim,  ni  fallor»  aedium  foraa  obfinnabantnr.  Qnam  cosspicatain  snmeiis 
in  ipeciem  i»roe]ii  maaoa  obarmsri  et  libratis  ictibm  ▼erbera  Teibeiüms 
acenmola]»  magoos  agones  inatar  palaastritaa  desodavi.  Ferire  tautispar 
enm  decravi,  donec  eom  e  somno.  immo  ex  sonniio  et,  ut  rectius  dicam,  lo 
ex  morte  resoscitem,  existiinans  fastaAiiam  meum  ease  cadaceum  Mercaiii, 
tpkO  ipsp  mortnos  ad  vitaiii  pristinam  revocare  solet. 

Hic  ubi  fuste  rem  a^ji  taiulem  persenserat  et  sc  libratis  fustuarii 
iotibus  baud  secus  quam  femim  in  incude  emolliri  roguovcrat,  quam  ma- 
xiina  potuit  voce  exclamavit  inecminans :  .Anna  for.  ho'^pe*;!  Anna  fer,  is 
bospes,  ac  sappetias  mihi  accurre!'  Kxdamanti  iiiquain:  ,i:^u  anna  ullata* 
(faBtQariQm  offerens);  ,quae  si  caecutiantibns»  immo  Bomnolentis  oodis  non 
videas,  bono  sü  animo  ac  tranqnillo,  ego,  meberde,  fadam,  at  medullitus 
peraoitiaa.* 

Sid<miv8:  .QaiBestn,  scelesto*,  inqnit»  ,qiii  me  misenun  plagis  diver>9o 

berasti  adusque  Titte  meae  periculum?' 

Bartholomaens.  Qaaerenti  inquam:  »Ego  som  hospes  tmis,  o  Sidoni« 
eniteos  te  hoc  cadaceo  exprofnodo  somno»  immo  ex  morte  adpriatlnam 

vitani  revocare.* 

Sidonius,  .At  te  Diespiter*.  imiuit,  .diiqno  nmnes  perdant!  Xoti  Imspcs  25 
ineus,  scd  liDStis  es,  qui  me  nodoso  hoc  l'ustf  ainmnm  ex  penetralibu^ 
viscerum  evomere  cogis,  cum  tarnen  nun  modu  ullo  facto,  sed  ne  tantillo 
qnidem  dtcto  meo  laesos  eis.  Ut  videreris  te  merito  ultum  ire.  esset  satis 
snperqae  acerbnm  toieratn,  si  me  depalmassea,  aat  pagno  nalaa  meaa 
peimississeB,  ant  flagria  scapolas  meaa  caeeidissea.  Nunc  stas  ftistioiilo,  n 
qno  latent  mm  dedolasti,  inatroctns»  quasi  proeliom  eases  capessitnroa. 
0  magae  Apollo,  confige  hone  nequiNimam  saglttia  tnis,  qnlbns  Pythonoa 
viscera  traiecisti,  ut  scelerum'  suorum  poenas  vel  vulnere  vel  veneno  Inat! 
Vcl  potiiis  cniri,  ut  inter  terram  atquc  coelum  sit  pensilis,  suffigatur  pedibns 
supiuotia  ac  sursom  elatis,  capite  deorsum  in  terram  de?ergente,  manibosas 


SI)  capessiturusj  capessurus  B.    32)  Pythonos]  pythoni^  B. 


6)  mastigia  graeco  dicitur,  latine  verbero,  onis. 
6)  pertica  =  audea  aive  ftastla. 
11)  fustuarium  hic  idem  est  quod  fustia. 

in)  alicui  HU(>petia8  aecurrare  vel  advenire  ss  alicui  aoxUio  ▼enire. 

et  Flaut.  Meii.  ö,  7,  38. 

3Uj  ecapulae  auut  parte»  humeri. 

81)  dedolare  =  coatimdere  sive  recidere.  CiL  Flaut.  Mon.  0,  2,  100. 

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1 20  MiUeUungea  d.  Ges.  t  dentach«  Biziehungs-  u.  Schulgescb.  VII. 


post  terga  reTüictiSt  ocnlis  fascia  obTektis,  et  duobas  canibus  pastoriciis 
hitic  et  liinr  per  pcdcs  posteriores  pensilfbus  et  in  rabiim  efferatis,  ut 
viven  <  nies  et  mortuus  corvos  camo  sua  (»xs;itur*'t,  nt  sie  corollariam 
sceh'nbus  suis  condijmum  sibi  rornparet.  i}ui  dignus,  horcle,  dignus  esset, 

ö  ut  biiiis  quadrigis  reviiirtus  in  diversa  nitentibns  dilaceraretur!' 

Bartholomaeus.  ,Vide,  sis,  quam  mox  vapularc  vis,  nisi  actutum 
obticescas,  fiirdfer;  nosti  enim,  ut  opluor,  nemiaem  posse  crabrones  im« 
pune  initare.  Nam  si  basce  dim  derotioiiea  in  caput  menm  imprecari 
non  dadveria,  ego  bodie  faciam,  nt»  medinsfidina,  omninm  mortaUnm  longa 

10  miserrimns  aiea/  Et  com  dicto  daram  libravl  aimilia  percnaanro,  minitans 
ei  plagam,  sed  non  incutiens. 

Qood  cam  vidit,  dicto  citina  pnlvillum,  quo  cervicem  anfioldebat, 
arripions  ictui  velut  umbonfm  opposnit,  exrlamando  quantum  maxime 
potuit  ingeminans:  ,0  mninic  Apollo,  adiuva  me!  0  iiiagne  Apollo,  adiuva 

i&ioe!    lam  enim  mortem  oppetiatn,  ni  solito  mihi  adiumento  su<  «"Mneris.' 

Eo  sie  vü(  ilerantp  ego  totuR  in  cachinnum  solvebar.  ut  virii)iis  meis 
nimio  risu  labefactatis  ipsa  clava  suopte  poiidere  degravata  inaiiibus  meis 
eaaet  el^psa.  Qnam  tamm  tandem  de  anb  pedibna  meia  rian  pamniper 
offrenato  inmanum  reaumpai  sie  inquiena:  ,0  Sidoni»  cnraSomno,  deomm 

flo  plnddiaalmo»  ad  ApoIUnem  defeeiati?  Num^nid  anb  dnctu  et  auapido  Somni 
bucnaqne  miUtasti?  Responde,  obsecro,  mi  Sidoni  Satina  esaet  te,  mihi 
crade,  a  Somno  ad  Hercnlem  defedsae,  qni  te  boe  Insticnlo  mco  prima 
certaminnm  rudimenta  entdivit  et»  ot  opinor,  qnod  tnte  ipse  fttoberia, 
apprime  edocuit.' 

SB  Sidonius.  .Hercules  te  pessinium,'  inquit,  ,obtundat  clava  sna  tnnodi! 
Anten  me  diri^  verbcribti«  rontndisti;  nunc  vero  TiinUiforniibns  contra  me 
velitaris  ridiculis.  Dii  ileaeque  omne"?  snperi  et  iiiferi  et  medioxumi  te 
Pessimum  pessime  p(>rdaiit  et  a  suih.tIs  auris  jx-r  declivia  voraginum  terrae 
in  coufluentem  Cocyti  et  Plilegelhoutis  dttrudaut,   ut  ibi  in  lacrimnnuu 

yo  madore  et  iguiuiu  vaporc  tuorum  scelerum  poenas  in  aetenium  lua».* 
Baec  Qle. 

5)  dilaceraretur]  dilaceretur  1.  9)  desiveris]  desineres  B,  17  labe- 
factatis]  Inbefactis  B.  19)  offrenatoj  effrenato  B.  31)  Haec  illc]  dcsunt 
haec  voccabuia  in  B. 

8)  corollaritim  est  praemimn,  quod  additur  praeter  illnd,  qnod  est 
debituin. 

6)  ,Vide  sli^  (=r  si  vis)  quam  mox  vapuiare  via,  niai  aetutam  hiac 
abiö/    Plaut.  Amph.  I,  1.  207. 

7)  crubronea  =  veapae.  .Crabrone«  Initare,*  ap.  Plaut.  Amph.  2, 2,  b3. 
12)  pulvilluB  (a  pulvino  deriv.)  —  cnrvical  (Kopf-  oder  RodcenklBaen). 
18)  de  aub,  ap.  Senee.,  cootr.  1,  8,  11,  ap.  Veget ,  art.  vet.  2,  19,  2. 

Hac  lücutiono.  -sanpins  ropptita.  auotor  iocatnr  in  Doetrinali:«  veraum  1»24. 
27)  velitari  .    liti'rare,  pugnare.    C  t.  Flaut.  Meu.  5,  2,  'iü. 
27)  medioxumi  dii,  ap.  Plaut.  Cist.  2,  1,  4ö. 


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14.  Bartholomaei  ColoniensU  epistula  mythologica.  121 


Tnnipgo:  .Papac,  <lens.'  iiiqnam,  .quid  ex  te  audio?  Hoccine  prae- 
minm  mihi  et  lin^riti  tuo  et  medico  repotidis,  o  Sidoui,  qui  te  hoc  per- 
petuum  triennium  quasi  somniculosum  glircui  in  aedibus  meis  saginavi  et 
insuper  salubri  niedela  curavi?  Dipmis,  horrlp,  digniis  ob  animi  tni  ingrati- 
tudinem  extrema  sustinere  et  si  quid  extremu  est  cxtrcmiuä.  Dü  boni,  6 
quid  hoc  monatri  alit?  Cam  dicto  opus  est,  pythagorissat,  et  etim  tacito 
opus  est,  epicnriBsat  et  miraiD  in  modiim  blAterAt»  ot  inceitam  Bit,  an 
tacitQTnitate  sit  mvisior  an  loqnacitate  molestior/  Haec  ego. 

Tun  ille:  ^Proh  Jnpiter  liospltalis,  qoid  dteam?    Qnis  nnqnani 
homintun  talem  Iiospitem  habmt,  qui  hoqiites  snos  instibas,  ne  absqne  lO 
opertorio  in  lectulo  rubent,  cooperit;  qui,  etiam  licet  aeqno  animo  ferat 
tuniculam  hospitis  siii  advontantis  esse  umrolorem.  millo  tarnen  pacto  fcrre 
potest  outiculuiu  eins  esse  unirolorem.  sed  illam  molitur  diris  verberibus 
tarn  versicolorem  i  t  ddero,  (iuani  sunt  peristromata  picta  aut  ta])eta  beluata! 
Mallem  sub  axc  liyperboreo  aut  Libyco  agere  quam   in  aedibus  huius-  i'j 
cemodi  hospitis  immorarier.  Satius  ducerem,  ita  me  dii  beue  ament,  panem 
ciltariom,  immo  hetole  fnifares  incretos  ac  sordidos  maltoque  lapide  aale- 
broso8  mandncare  et  aqnani  palustiem  concava  mann  potitare  qnam 
mellita  huiumodi  hospitis  edolia  absamere  et  Tinum  Hippocrationm  aut 
qnodlibet '  aliud  nectar  gemmatis  pateris  eUbere.   Nnmqiüd  salias  mihi  » 
fuisset  in  agii  caespite  aut  in  fori  süiee  quam  in  hoc  grabatnlo  cnbitasse? 
in  quo  haud  secns  quam  Arcadicum  pecns  faste  dedolatas  sum,  ab  hoc 
pracsertim  homine,  si  fas  fst  cnm  homincm  diccro,  cnins  feritati  cedunt 
ara  Bui"siridis,  stabnlum  Diomedis  et  mrnsa  Lycaouis,  cuius  acdes  sunt 
taurus  Phalaridis,  immo,  hercle,  vestibulum  rptrinnis  Achcronticae,  in  quibus  2b 
rectius  Eumenides  degerent  quam  hominis.    Edepol,  corte  scio  quod 
Yulcanus,  sol,  luna,  dies  poenosiorcs  uullas  illuxcre  alteras.    Ehern,  et 
qaod  paene  praeterieram,  hic  crocodilns  non  modo  se  hospitem,  Tenim  et 
medicom  agere  fabidatur.  Quid  potest,  dii  boni,  esse  absnniius  andita  et 
difficilins  creditn  qnam  illnm  medicom .  agere,  qni  costanim  crates  diasipat,  so 
latemm  compages  discatit  et  hunbomm  robora  debilitat    Hic  meo 
iudicio  non  Hippocratem,  sed  carnificem  agit,  non  medicinam,  sed  carni' 
ficinam  exercet* 


3)  somnicnlosuni)  aomniculosam  A.    6)  hoc]  hic  B.    10)  hospites 
suos  fustibns]  sais  fustibus  hospites  B,   17)  herdej  hercale  B, 

3)  .sagiüarf  =  phiK-tiofacore. 

14)  peri.stroma  oat  vclameii  parictiä.    Cf.  Plaut.  Stich.  *i,  54. 

14>  tupcfa  bt^luata  difnntur,  quibus  formae  beluarum  auut  iutextae. 

16)  pani-i  cibiiriuB  f^^t  panLs  vulgariä  et  ruöticus  | Schwarzbrot). 

.  17)  furiurOH  inrreti,  i.  h.  non  por  cribnira  exouösi. 

27)  poenosioroü,  i.  e.  crudelioroa  et  acerbiores.  (Vox  ab  auctore  huius 
epistolae  ficta  esae  vidctur  ox  poena.) 


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122     Mitteiiiuigen  d.  Ges.  L  deutsche  Erziehuugs-  u.  Scholgesch.  VII. 


Cui  ego:  ,Die,  i-ucnle,  die,  solentne  mediri.  cum  f;ictn  opus  siet. 
purulenta  tiibera  scalpeilis  oxcidere,  aut  ignitis  IV'rniiiu'iitrs  iieriireiT'.  aut 
—  quüd  liorridum  est  dictu,  horridius  visu  —  hominum  membra  semilis 
rcsecare  V' 

6        Sidonius.  «Qnorsiim  liaec/  inqnit,  ,hoiiiiniim  leqntoiimd?* 

,üt  ta,  peens,'  »inqiiaiii,  »scias  medieiim  non  Semper  ampallam  oleariam 
aegris  membris  adbibere,  sed  qnaadoqiie,  eun  facto  opus  siet,  serranw 
scalpmm  et  laminam.* 

Tarn  ille:  «Nihil  bomm,  quac  dixeris,  intelUgo.  Rem  apertina,  si  labet; 

loeflRu«;  nam  isti  quidem  oraüoni  Oedipode  opus  est  coniedore,  qai 
Spbingi  iaterprcs  fuit.' 

Tum  ejro:  ,Non  sapis,'  inquam,  ,rem  quae  iiu  ri  liaiia  luce  est  clarior. 
Non  eniiii  propono  tibi  Apollinis  oracnla,  ut  Sibylla  iutiMi)retp  opus  tibi 
siet,  ut'iiue  Thebanae  Sphingos  aeuigmata,  ut  Oedipodos  opera  indigeas. 

15  Verum  enimvero,  ut»  quatenus  possim,  quod  scutio  luculeute  breviterque 
planiloqmui  alnolvam:  morbus,  qao  lamdnduD  laborabas,  non  oleo,  sed 
bacnlo  erat  expellendna;  haue  ob  rem  decrevi  Inmbos  tnoa  non  nngaentOr 
sed  fnsticalo  perfrieare,  nt  sanitate  tandem  recnperata  laetam  vitam  degas 
et  idonenm  corollariam  mihi  rependas.' 

so        Sidonius.  ,Ain  tu,'  inquit,  .lorcifer,  me  morbo  laboraase?' 

Barthnlomaeus.  ,Aio,'  inquam,  ,et  merito,  quia  hoc  vero  nihil  est 
verius.  non  Apollinis  oraculum,  nee  Sibyllac  folinm.' 

Sid  niiTiv.  .Proh  Jupiter,*  inquit,  .ijuis  unquam  fando  audivit  tarn 
impudejis  m.  ndacium,  quod  plus  a  vero  distat  quam  corvus  a  cygno! 

25  Aesculapius  abhinc  anno  quinquagcsimo  nie  salubcrrima  valetudine  pro- 
sccutus  est  et  a  quovis  morbo  penitus  immunem  praeservavit,  ut  anxie 
mihi  metuere  videretor  et  utpote  pignori  sno  longe  proTisum  eupere.  Nam 
egomet  memet  pntassem  esse  filiom  Aesculapii  et  nepotem  Apollinis,  nisi 
mater  mea,  quae  hisce  in  rebus  est  peritiort  alind  mihi  persuasisset* 

ao  Cui  ego:  ,Profecto,  ut  loquor,  res  ita  est  Kon  enim  habeo  uUam 
occasionem,  ut  apud  te  falsa  fabuler.  Haud  equidem  sum  is  bomo,  qni 
soleat  mendacia  garrire,  nt  tute  ipse,  si  velis,  nosti.  Res  ipsa  denique 
tidpm  sormnni  meo  dabit,  prafcipue  cum  tibi  tostos  fidc  di>,missimos  pro- 
duxero,  quomni  iistipulatiuiiibus  summam  tidem,  ni  fallor,  habebis,  etiam 

üb  si  uuUum  iubiuraudam  verbis  suis  interposnerint.' 

Tum  ille:  ,Id  tarn  faccre  potfü.  quam  imbrein  iii  ci'ibro  pulliiiario 
gestarc.  Ubinam  gentium  huiusccmodi  tcstcs,  die,  quaeso,  invenies,  quo- 
nun  simplicf  assertioni  tantam  habeam  fidem?* 

V'y)  Ocdipudc]  oi.-dipo  B.  11)  Spbinfri]  Pphiiigos  cnicrmattim  B, 
lo)  opus  tibi]  tibi  opus  B.  14)  OedipodosJ  oedipodis  Ä  25)  abhinc  amiu  quin- 
quagcsimo me)  me  quinquagenos  annos  et  amplius  B.   35)  suis  deat  in  S. 

1)  cuculus  ^Kukuk)  homo  deaidiosus  compellah  solet.   Cf.  Hör.  a&U 
U  7,  32. 

96)  cribrum  pollinarium  (Plaut,  Poen.  8,  1,  10)  nobis  est  3outelrieb*. 


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14.  Bartholoinaei  Colouieusk  epistola  m^tboiogic«. 


123 


Baitholomneus.  ,Tn  hisce/  iiiquain,  .rnois  aedibus,  cum  vohiero,  in- 
veiiiaiu:  liaud  facto  opus  est  maria  traiiceie  aiit  lonieinquas  tcrras  peterc.' 

0  Uli  Pancrati,  ut  iam  nunc  copnoscas  qua  facie  sint  illi  scni  nici. 
quos  testes  advcrsuin  Sidoiiium  tuum  produxerim,  ego  tibi  unumquemquo 
illonun  per  ordinem  grai)bice  ostendam.  s 

Promo  mens  est  statara  paene  iusta,  decenti  capite,  ca^iUo  leniter 
refiexo  et  sofflaTO,  sapercUiis  paene  ooniunctis,  vigflantibuB  ocnlis,  non 
magnis  Daribas  aeqae  parria,  sed  inter  utras^ae  medüs,  Daso  recto,  colore 
candidOt  dentibus  exiguis  et  firmis,  cervice  erecta,  lato  pectore,  humeria 
nrasciilosis,  longioribus  brachiis,  vaientibos  digitis,  Tentre  modico,  exilibaa  lo 
oniribu'^,  snris  et  podibus  expotliti^.  non  supcrflaa  carnc  distcntis,  scd  ncr- 
vorum  durilia  coUcctis.  Huic  liomini,  si  quid  recte  ouratuni  velis,  mandcs; 
mori  sese  rnisere  mallet  quam  non  perfectum  reddat  quod  perficere  pro- 
miserit. 

Davus  vero,  ut  äcias,  est  eiiormiä  statuia,  sesquipedu  quidem  est  I5 
quam  Brome  longior;  caput  par?iim  et  portentoaum  et  com  semper  tum 
in  qaantolocnnqae  acta  Tel  mazime  tremnlnm;  capillas  Tersipellis,  rarae 
et  circa  verticem  millus,  sed  pone  occipitiam  snbmissior,  nt  cervicem  eins 
iam  obtegat;  snpercUia  hinmta,  hebetiores  ocnli  sajidttctif  recessn  concavo 
introrsum  recepti,  anres  flaccidae,  nasos  et  a  medio  eminentior  'et  ab  imo  so 
deductior,  nares  gravedine  ocdasae,  color  snbniger,  malae  oblongae,  os 
rubicunduiii  et  atlunHltim  magnum,  labia  tnniiri;i  »^t  salivosa,  dentes  scabri 
et  apr(»nun  instar  prominentes,  plertra  üntruae  titubantia,  risus  indecens, 
iam  turpior  spumaute  rictu,   mcntum  multibarbum ;  habet  fariem  aceti 
arorem  et  sinapis  acriinoniam  prac  se  ferenteni,  cervicem  rigidam  et  i» 
obstipam,  angustam  pectus  et  setis  ubsitum,  ventrem  paene  ad  gcnua  usquc 
proiectam,  dorsiun  aactom  gibbere;  est  etiam  Immeria  infirmis,  breTio- 
ribos  brachiis,  maaibas  tremalis,  erorlbiis  introrsom  intortis,  stiris  crassis 
et  pedibos  admodam  magnis  et,  nt  paaeis  expediam  Teibis,  tarn  assimitia 
facie  Charoni  est,  at  pleriqne  e&m  procreatam  ex  eo  crederent.  T^te-ao 
met  minc  fac  coniectaram,  ceternm  qold  id  sit  hominis,  coi  Pamphagns 
cognomen  alet. 

Parmononom  voro.  qni  «?nbseqnitMr,  srins  esso  brcvicnlnm,  rccalvum, 
fttligine  et  carbonaria  aspergine  obductuni,  buci  ulenttiin.  ventm-jnm,  ali- 
quantnlum  incnrvum,  ocnlis  praegrandibus,  malis  Lebetiorilius  ( t  pendidis,  35 
cruribus  in  exteriorem  partem  obtortis.    Dextro  pede  non  j)erinile  valet, 
ut  äaepe  etiaui  hibcmis  dicbus  indc  Claudicat.  !Nam  Parmeuo,  dum  puerum 

6)  paene]  bene  B,  25)  rigidam]  frigidam  B. 


17)  capiUiu  verslpellia  =  canescena.  Cf.  Plaut  Pers.  2,  2,  48. 

20)  aores  flaccidae,  i.  e.  pendulae  ot  non  arrectae  Schlappohren). 

21)  gravedo  est  gravis  pitnita  et  craseior  (ätockschnapfen).  Plaut. 
Aa.  4,  1,  51. 

2ö)  aceti  aeor  est  acritudo  acetl. 


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124  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung«-  u.  Sehulgescb.  VH. 


agebat,  suffaratus  est  aliqnando  p<>i-tiuiiculain  qiiandam  carnis  suillao  iti 
macellü  de  mensa  laniouia.  Quod  ( um  laiiü  liinis  oculis  praeter  upiQiuaem 
PaniuMionis  notarunt,  Parmenoueia  deprehenderunt,  deprehensum  palmis 
cum  exporroctis  tum  maxime  compressis  pulsavcre,  pulsatum  tanderu  cru- 
fido  tergoii  reeenter  costis  mactafti  bovis  direpto  imponunt,  impoiiitim  iD 
mbUme,  qaaatain  maxime  poteiant,  iactanmt  et  iactatnm  subdncto  te^re 
in  terram  deorram  recidere  glTenmt,  qao  ex  casa  dextnim  talum  snftegit. 

jBic  frater  germanns  Megadipso  est.  Quatridanm  non  iaterest  aetatis. 
nter  maier  siet,  veram  iDgenium  frandnleatiuii  plus  qnadraginta  annis  maius 

10  est  Pannenoni  quam  alteri.  Nam  ipse  est  vcrsutiur  quam  rota  tijurularis; 
utcunque  est  ventns.  exin  volnm  vortit.  Dpsrriptioiiom  cquidcni,  hcrclc, 
Megadipsi  potius  voio  silontiu  praeterire  quam  srrmouo  expli(Mre,  Etenini 
nimis  longo  sermone  utendum  mihi  essi  t.  si  ih  berem  lioc  monstniiu 
graphice  describere,  quod  scilicet  est  ei  prodigioba  statura,  caput  prae- 

15  grimde,  capillus  horrore  implexus  atque  impeditus,  stuppae  tomento 
assimilis,  et  inaeqnaliter  hiitas  et  globosas  et  congestns  et  prorsos  ineno- 

'  dabilis  diatina  incnria  non  modo  non  comendi,  sed  saltem  expediendi  et 
discriminandi;  snpercUia  setosa,  octdi  rnbicnndi  et  prominentes,  nasos  et 
in  medio  dednctior  et  in  imo  eminentior,  nares  admodnm  hinlcae,  labia 

«overracosa,  os  deforme,  dentes  lupini,  malae  instar  proserpentis  bestiae 
turgentes,  mentum  longum  et  hirciuo  barbitio  obsitum,  cervix  obesa,  color 
totins  corporis  praeter  faciem,  quac  rubicunda  est  plerumque  ex  potuleutia, 
est  obsoletus,  inif^'lque  idem  est  angustus  ab  humeris  et  pe<  tnr('.  cotcris 
qun(]u<<  momliris  usque  ad  inios  pedes  inaequalis  et  incougruus  —  hacc  enim 

25  omuia  loiiguui  esset  enarrare. 

Verum  ut  iam  taudem,  undc  digressQS  snm,  rcgrediar,  scias  Sidonium 
dixisse:  JUosce  testes,  quos  te  habere  praedicas,  videre  gestio/ 

Cid  ego:  ,Qaando  illosce  meos  testes  videre  gestis,  ego  nnamqnemqne 
illormn  proprio  nomine  ciens  Imc  vocabo.   Hans,  hens,  Dromo,  Pave, 

soPaimeno  et  Megadipse,  ubi  estis?   Accurrite  buc,  properate!*  Intrormn- 
pente  itaque  ono  et  altero  ac  dein  pluribns  hanc  sermonem  exorsns  sum: 
.Quid  sentis  de  bis  viris?  die,  o  Sidoni.    Xtimquid  corum  siniplici 
assertioni  sinnmam  haberes  fidem,  an  itisinrandura  superexigeres?  Corte, 
si  ullam  ratioiiem  honestatis,  quautaiulihot  parvam,  in  te  haberes,  eorum 

85  simplici  assertioni  propomodum  tidem  hahrrts.  Sunt  enim,  ni  mentiar, 
viri  omiüum,  qui  unquaiii  fueru  aut  sunt  aut  etiam  futuri  erunt,  veracissimL 

^         12)  Etenim]  AX  enim  Ä.  15)  tomento]  tonnento  B.   19)  admodnm 

liiulGae]  ad  modum  huiusce  B.  24)  quoque]  rinodqne  B,  31)  dein) 
deinde  B,   32)  o  dee»t  in  B,  33)  liabeies]  habes  B. 


2)  mensa  lanionia  dicitur,  in  qua  scinditur  caro. 
10)  rota  figuUu-is  (T«»pierrad)  ap.  Plaut.  £p.  a,  2,  6b. 

15)  Btuppae  tomentum,  ,Wulat  von  Werg*. 

16)  hirtus  =  hirautua. 


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14.  Bwtholomaei  ColonienBis  epistola  mythologica.  125 


Interrogalo  igitoreos,  ut  labet,  taper  morbo  tao,  et  qaicquid  respoBderint, 
oncnlam  ApoUinia  potiito/ 

Ad  hoc  Terbiim  com  Sidoiuos  tmo  maxime  serromm  grex  risn  diram* 
pebatar  niaximo,  ut  prac  risa  vix  pedibns  eonsiitere  qitiTissent.  Naiiqiiani, 
edepol,  nllo  die,  ni  fnllor,  riserant  adaeqve,  neqne  hoc  quod  reliqnimi  est  c 
risnros  opinor. 

Carhinno  tandem  panimper  sedato  orr()c])it  Sidonius  Davum  adoriri 
hisce  verbi'^.  direns:  ,0  l)ono  vir  vel,  si  i<l  inavis.  optime,  —  si  meutiar, 
ignoscant  id  mihi  Uii,  —  ain'  iiif  tiiorbo  laborasse 

DaTus.    ,Aio  immo  et  Ji*seio.'  10 
Sidonius.  ,Sed  quid  ego  istuc  vredam?  Yidistin',  an  tu  andita 
renimtiaa? 

Banis.  ,Hand  egomet  vidi,  sed  fando  andivi.* 

ffidonias.   J^lnris  est  ocolatas  testb  mins  qnam  aariti  decem;  qd 
audiunt,  audita  dicimt,  qoi  vldent,  plane  sdant.  Malo  ocidis  qnam  verbis  i& 
habere  fidem.' 

Davus.    ,Quam  ob  rem  istitr  dicis?' 

Sidonius.    ,Quiri  n»?  rortin^  visu  quam  auditu  cognosrniitur.' 
Davus.    ,Ha,  mi  Sidoiii.  n  u  rcrto  iudiras;  bona  venia  hoc  audeo 
oegare;  ego  res  rertius  anditu  nuaui  visu  comprehendo.'  20 
Sidonius.    ,Nuuc  profecto  ementiris.' 

PaTus.   «Hand  mentior;  nam  mendacimn  odi  aeqne  atqne  angiiea.' 
SidonioB.  ,Yera  qaae  dids,'  inqnit,  ,DaTe,  prae  ceteris,  qnae  ementiris» 
pars  ea  non  est  miUesima.* 

Davtis.  ,At  ego  te  in  qnodvis  pignus  toco,  si  in  tmo  nspiam  vezbo  ab 

m^dacium  admisi.' 

Sidonias.   ,At  tu,  si  non  mentiris,  es  ocolis  hebetioribus.* 

I)avas.    ,Si  istnr  tibi  subolot,  rhomnatismo  non  laboras.' 

Sidonius.  ,Eh<>,  iam  satis  vorboruin  est,  uti  Dave;  impone  vorbis  modiira.* 

Davus.    ."Noll  t  iro  ad  ipsum  modum.  sed  retro  panliilum  et  citra  SQ 

modum,  immo,  ut  vt  iius  diraiii,  longe  ultra  modum  soleo  tiansrurrcre  ' 
Sidonius.    ,Davc,  non  opus  est  verbis  compluscaüs.    Iam  pridem 

constat  testimoniom  Ipom  nnUius  esse  ponderis,  ne  dixerim  momentl.' 

Davns.    ,Qaid  tu  ais,  glis  somniculose?    Appendistin*  libripendia 

instar  testimonium  meam  in  lancibus  librae,  nt  videres  quanti  pon-as 

deris  Biet?' 

Sidonius.   ,Appendi,  et  inTentum  ost  inano  et  oppido  frivolom.' 
Davus.   ,Iam  nunc  dicis,  qnod  a  nnllo  scriptum  nec  onqnani  fando 

auditum  et  omnium,  quae  monstra  dicuntur,  moii'^tniosi'^^innim  ost.  Quis 
unquam  fando  audivit  honniiuiii  trstinionia  in  statora  triitinari  .-'    Credo,  40 
edcpol,  te,  qui  talia  garris,  deUrare  et  melanchoUca  vertigine  laborare  aat 
appotum  probe.' 

27)  i.o.,  si  istud  sentis,  pltoita  non  voxariH. 

84)  iibripens  est  atipis  ponderandaa  Ubrator  sive  pensator. 


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126    Mitteilungen  d.  Oes.  t  deuUche  Erziehuugs-  u.  Schulgesch.  VIL 


Sidonius.  ,Abi  in  malam  cruceni,  verbero  iiequissimc!  Putas  im.'  esse 
similem  tui?    quo  nemo  ost  liflleboro  indigentior,  qui  non  soluiii  obolo 
aut  drachnia  cyathove  aut  acetabulo,  sed  ne  urna  quidem  hellebori  ab  in- 
sania  purgari  possis;  immo  nee  medidnae  anctor  Aeseoh^iits  te  omniiio 
B  ab  insaoia  liberaret.* 

DaTiis.  ,Ioco  an  serio  illa  dicas,  aescio;  sed  si  acirem  id  a  te  ex 
animo  dici,  ipae  iain,  herde,  ocoeptarem  inaanire  primnlnm,  ut  me  apnd 
te  non  Damm,  sed  Hcrculom  fnrt  nfcm  agere  perscntisccreg,* 

Sidonius.   ,Quid  ais,  helao,  quid  ais?  Venisti  bnc  cansa  testimonii 

10  perMbendi  an  piitrillandi':" 

Davus.  .Al)i  in  Orcum,  pntic  cadavtT.  (uiu  tua  istac  quacstione! 
Non  enim  )iur  vt  iii  vorbis  coutenderc,  sed  })U.:nis,  imino  fiistihu''  Pt,  nt 
verius  dicam,  ardiuitibus  titionibus  e  foculo  correptis.'  £t  cum  dit  to  liuguam 
exsertavit  et  Sidonium  derisit. 

ifi  Quud  com  vidif  fremebondna  omiloa  truces  in  Davam  invertens  dbd: 
,Dii  te  perimant.  larvale  simolacnun,  qnando  aemper  negotia  meaintnrbas! 
Id  ego  cum  alias,  tom  etiam  nunc  in  praesentiaram  qsu  experior.' 

Nondom  htett  finieram.  com  ipse  coeperat  a  conaerris  ania  propeUi* 
efflari  et  exaibilari.  Sed  Dromo  ceteris  commotior.  ne  dixerim  furibiindior, 

90  velut  atra  bile  pcrcitus  matellam  loUi  arreptam  in  oapnt  Davi  infregit  sie 
inquifii«:  ,Nostin',  furcifrr.  noqnaquam  enm  recte  dicerc  qui.  quicquid  in 
buccain  venit,  dicit'.''  Huc  testandi  cnusa  veni«;<tp  tr»  dixissos,  imn  coiUen- 
dendi.  Sed  tu  niliil  sapi«;.  nihil  Si  ntis;  taiiti  ts,  quaiiti  tst  iungus  putridus. 
imujo,  beide,  niortuus  pluris  prctii  est  quam  tu  es.'    Kt  cum  dicto  eum 

25  urina  perlutum  extra  limen  cubiculi  eiecit.  Quo  eiecto  in  ipso  eodem 
mom^to  osUnrn  cnbicnli  de  anb  pedibns  sublatnia  in  eardines  Sites 
conüciens  ad  claustra  pessolum  rednxlt  et  fores  snper  ae  occlnsit,  ne 
Davns  intrornmperet  et  locnm  spnrcissimo  lotii  madore  oppleret;  nam, 
qaocnnqne  transibat,  nnivennB  aer  feetore  orinae  instar  extremae  laliinae 

90  olebat. 

Interim  Davus  ad  focum  procurrit  ardentemque  titionem  ex  igne 
corrrpttiTii  <:ercns  ad  cnbirulum  properavit  sie  voce  sublata  occlamitans: 
,0  Drnino,  Dromo.  si  m.iu'iianimnm  heroa  praf*  f<'  fers,  veni  foras  et  prodi 
in  conspectum  meum  et  noli  intra  parietcs  cubiculi  latitare  aut,  quod 

9)  venisti]  veniatin  B.  12)  huc  Teiü)  veni  huc  B.  14)  exsertavit| 
«xertavit  AB,  17)  cum)  tnm  B,  19)  exaibtlari]  exibilari  AB.  23)  pntridusj 
putidus  B.  29)  extremae  de&t  in  B. 


S)  acetabulum  ost  gemis  vaniB  minuet  capaciä  (|iiam  urna. 

7)  occeptaro  —  incipere.    Cf.  Plaut.  Men.  ö,  5,  18,  82. 

0)  heluo  est  homo  jrulosus,  patasitus. 
17)  in  preseutiarum  —  iu  pracaentiu  rurum. 
20)  mateUa  lotii  eet  vas  urina  impletoni. 
27)  peeauiua  est  ioatrumentum,  quo  oatium  domna  elaudltur. 


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14.  BaHholomaM  Colonienns  epiatola  mythologic». 


127 


magis  endo,  sab  lectum  te  condere.  Ego,  meherde.  hodte  efficiam,  nt 
per  totum  orbem  boii  iuvenias  miseriae  taae  eomparem;  imnio,  sl  nanc 
quadrigas  levis  inscendas  atqae  hinc  sufTa^NOs,  itn  vix  poteris  eflfugere  in- 
fortuniam,  qnod  tibi  dcstinatum  est.  Nisi  metus  heri  mei  obstitisset,  ego 
iamdudum  o^tio  e  rardinibus  roiecto  innre  fulminis  cubirulum  introrupissem  r. 
et  verbereum  capiit  tuum  miiiim  in  modnm  hoc  torre  ambusto,  qui  iii 
maiiibus  gesto,  obtiidisscni,  atqiie  id  eo  gratius  fecissem,  quo  tu  viderorc 
spectatoribus  uostris  Leniaea  hydra  aquam  palustrem  eiectaus,  et  ego 
Hercules  tc  flammis  ultricibus  exurens/ 

Eo  antem  hmic  in  modvm  blateraate  Dromo  sermooem  eins  his  lo 
Terbis  internunpeiis  ait:  ,Dic,  bomioam  staltiasiiiie,  qua  confidentia  andes 
ne  ad  pvgnandnm  laceaaere,  qni  te  poaaem  ona  mei  apiritu,  nt  ventna  folia 
ant  penicnlnm  tectoriam,  difflare?' 

Davus.  ,Quid  tu  l^,  fnrcifer?  Satin'  es  sanus,  qui  putas  me  diimam 
grani  fnimentarii  aut  pnppum  cardui,  quem  levis  ventoruni  flatus  diftiat  15 
ii]»r<>  ritr(ique  per  ;iunis,  cum  tarnen  siin  '^oqmlentior  quam  bos  sagiiiatus, 
et  animo>ior  quam  leo  iubatusV  Quo  tit  ctiaiu,  ut  e.ro  tc  tantum  timeam, 
quantuin  vlcphas  culirem.    Ehern,   quid  modo  venit   mihi  in  meutern? 

um  quid  tu,  Culex,  uudius  terlius  identidem  comminabaris  te  coni  Uui-um 
me  machaera  toa  minnatim,  ut  agnien  fonnicarum  possit  ine  frustulatim  ao 
in  cavemnlaa  snas  introferre?   Cur  modo  non  properaa?   cur  proeliam 
detrectaa?   cur  ex  iatoc  cnbicnlo  tamqaam  ex  formicino  antro  prodire  non 
andea?  Die,  formicula,  die.* 

Dromo.  ,Tace,  tacc,'  inqnit,  ,8tnlti]oqne,  et  tntamenta  sermonis  eircnm- 
spice;  parce,'  inqnit,  ,in  Tictorem  tuum,  ne  quam  tibi  lingua  intemperante  26 
in  capitis  tui  perniciem  uoxain  contrahas!  Turpe  (niidcm  est  calamitatibus 
affertris  suporbo  cum  virtriribus  ncroro.  itpmqtip  maxiinum  quidem  stultitiae 
•  spcciiiu'ii  est  trivola  verba  pn»  duris  verberibus,  ut  tu  facis,  reddere.' 

I)  iviis.  ,I)(  siiie.'  inquit.  ,Dromo,  leporuiu  voxillifer  ac  damularum 
antesiguanus,  iu  istac  tua  victoriola  insolenter  gbjriai  i.  qiiando  saepiculc  •"*» 
Victor  a  victo  vice  veraa  ftmditiir,  vincitnr  et  pedibos  pi  uteritur.  Tute  ipsc, 
ni  fidior,  noati  qaam  geatiat  fortnna,  qoae  victoriae  ceterommqne  id  genna 
bonomm  fabnlatar  largitrix,  suaa  Inbricaa  ambagea  et  inatabilea  incnraionea 
«t  reciprocaa  viciaaitadinea  in  hominibua  diu  noctnqne  exercere.' 

Vix  baec  ünierat.  rum  ego  minabundns  inqnami  fVide,  aia,  Dave,  ir* 
quam  mox  ftistibus  delumbari  vis.  nisi  aotutam  hinc  abi8t  qnando  nihil 
apnd  haace  cubicoli  forea  negotii  ait  tibi.  Propera  igitor,  quantam  celer- 


2.3)  Dir  dccst  in  Ii. 


Iii)  penicuiuH  teetoriua  est  maiiipulup  atramcuticiuä,  quilmn  tectorum 
rimae  obafaruuntur  (StrohwiachV 

14)  gluma  foUiculua  groni  eat. 

16)  pappus  curdui  eat  floa  vel  semen  cardui. 

88)  labulare  (pro  fabulari),  ap.  Plaut.  MiL  2,  4,  IB,  Truc.  1,  2,  95. 


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128    MitteUmigen  d.  G«b.  t  dentacliA  Brnehuiig«-  n.  Sehnlgesdi.  VII. 


rime  potes.  te  istac  Teste  nvida  exmre  et  qmlibet  alis,  quam  sors  dederit» 
inducre.  nec  non  et  capat  mamisqiie  et  fadem  aqva  ablnere.  Qnibus 

ablutis  in  rulinam  te  introcapesses,  ut  patinas  elnn«,  racabos  ahenaqne 
tlefrires  a'iuainve  in  lebetes,  qni  a<l  iL'nt'in  appositi  sunt,  inperas  ant  saltcm 
5  in  ullara  olennii  indas.  Et  si  Imnini  nünl  facto  (ijxis  sict.  tiinc  rorhloarinm 
foraminosum  in  inanuni  arcipitu  et  ova  elixanda  in  carabo  despmaatu. 
Quud  si  persequi  neglexeris,  ego  iubebo  tc  nuUum  astringi  ad  columnam 
fortiter  et  virgis  tantisper  laceiari,  donec,  qaod  imperaTerim,  penentiscas 
et  hibenter  persequi  pergas.* 

10  Et  cum  dicto  conrerti  me  ad  Sidomam  sie  mqnieiia:  ^Ism  taadem 
labet  mihi,  o  Sidoni,  iocis  semotis  seiio  teram  agere.  Si  Tis,  faeiam,  nt 
ocnlis  tois  cernas  et  inanibns  tangas  te  morbo  vebementer  laboraaae/ 

Sidonius.  ,Tolo,  sed  tarn  efficies,  quam  iraaginem  Diogenis  cum  suo 
palliastro,  barba,  sdpione,  pera  panaria  et  crepidis  in  adamante  stUo 

16  exsculpes.' 

Cui  ego.  ,An  istur  eftircro  possim.  band  srio:  id  rerto  srio  nie 
farere  posse,  nt  palpes  et  tanf.';ij>  le  niurbo  etiam  gravissimo  lubi>rassc. 
Quaero  igitur  ex  te  num  iliuin  diccres  gravissimo  morbo  laborasse,  cai 
bsrba  insensibiliter  expOantar,  anres  peirdteieHtiir,  frons  et  occipitinm 
£0  deealTareotar»  nt  te  non  hominis  capot,  sed  rapae  bolbnm  videre  putares?* 

Sidonius.   «Uüqne  diceremS  inqnit 

JSrgo  ta  gravissimo/  inqnam,  tmoibo  laborasti,  cnins  barbitinm  per 
interraila  insensibiliter  evulsum  est,  anres  petmlsae,  frona  et  ocdpitium 
compilata  et  tarn  glabra,  hem,  quam  hacc  est  nianas/ 

25  Sidonius.  ,YaIi,  apage  to,'  inquit,  ,n  me*  Ineptias mihi narras  et  nngaa 
meran:  nuUo  enini  pacto  verbis  ttiis  habebo  lidem.' 

Bartholnmaens.  .Admove  dcxt.  rani  capiti,'  inquani.  ,tnn,  et  invenies 
genas  per  intervalla  depilrs.  anres  piTvnlsas  et  totum  caput  cxpilatum.' 

Cum  primum  manu  capiti  admota  calvitium  deprebendit,  in  haec 

soverba  pronunpens,  quam  maxime  potuit,  exdamavit:  ,0  infanstom  diem,  o 
ralamitosnm  diem,  atro  lapillo  signandnm,  qnibna  «t  qnantis  ezposoiati  me 
ludibrüsi  Hodie  mihi  capnt  tonsorio  ctdtro  admatüatnm  est  et  nsqne  ad 
Tivam  entern  tonsatnm  probe;  hodie  mihi  barbitinm  per  tnterralla  forficulia 
desectnm  est;  hodie  mibi  costamm  cratis  verberibns  paene  dissipata  est  ct. 

SB  nt  pands  eipediam  verbis,  hodie  mihi  totnm  corpus  adeo  fustibus  est 
fontnsnm,  nt  mihi  de  vita,  nisi  dii  snccarrerint,  prorsns  desperandum  sit.* 

7)  nudum  dcest  in  A,  8)  persentiacaa]  pracsentiscaa  B,  26)  habebo) 
habeo  B.   27)  Bartholomaeus  deest  in  Ä.   33)  forficnlis]  forpicnlis  B. 

3)  88  iutrocttpeHsere  {vnlgo  se  capessere  allquo)  est  ae  dto  conferra 
in  aliquem  locum. 

8)  cacabus  vaa  est,  in  quo  pulmentum  coquitur. 

4)  lebes  est  genus  vx-^is  ahenei. 

14)  palliaalnim  p?t  rudn  pallium  et  vile. 
20)  rapae  bulbus  nobis  est  »KübenknoUen*. 


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14.  Bartholfunaei  Coloniensis  epistola  mythologica.  129 


,  Cni  ego:  .Desiste*,  inqnam,  .iuepta  et  oppido  frivola  coramemorari. 
Non  enim  colter  tonsorins  caput  taum  rasitavit,  sed  manus  mea  fcmditas 
eqtäanrit*.  Et  cum  dieto  coUegi  proniw  dndnnoft  eins  de  Bai»  pedibiu  meis, 
qnot  dadnm  btoIsos  per  cubicaU  pavinratttm  diapenennit  coUectOB  ocnlis 
BidB  obtoli  dicens:  ^Tidea*  hnas  Stirpes  liornm  cximom?  Qaae  tibi  aigii*  s 
mento  sient  eos  non  novacala  reciBos,  sed  manibvB  radicitiui  te  nescio 
obstirpatAa,  qaod  onom  potest  satls  snperque  probare  te  morbo  etiam 
gravissimo  laborasse.* 

Ubi  hacc  tinicram,  Sidonius:  ,Papae,  deus,*  inquit,  .quid  dicani,  ctnri 
tot  et  tantis  astruor  argumentis  morbo  laborasse?  Et  tarnen,  ita  me  lo 
Apollo  amet,  nullius  roorbi  mihi  conscius  sum.  Adde  quod  habitudo  cor- 
poris nou  est  attenuata,  no»  succus  exsorptns,  nec  color  obliteratus,  nec 
Tigor,  nid  Terberibna,  debüitatiia.  Yeium  eniinverOt  nt  lata  sese  habent, 
8i  qua  fidee  impertienda  est»  debniBseB  tu  pottus  morbam  meorn  berbantm 
Buecls  quam  fasttbns  pepvÜBse.  Sed  qvod  seiBcitari  paene  praeterieram,  it 
quo  modo  factove  deprebendisti  me  morbo  laborasse?* 

Cni  ego:  ,Si  vis  auribas,  vt  ainnt,  arrectis  omnem  rem  anseoltare 
nee  me  intervertere,  sed  sinere  me  commodao  orationi  finem  fiicere,  ego  sin- 
gala  tibi  explicabo,  quam  brovissimc  potucro.* 

Sidonius.    .Hern,'  in^ul^     trir  volo  et  dosidero.    Die,  amabo,  die»  SO 
ego  te  uüu  interpellam,  neque  ex  ore  tuo  orationera  tibi  eripiam.' 

Tum  ego  sie  loqui  t  xorsus  sum:  JLtus  tuus  cum  alias,  tum  praecipue 
nudius  tcrtius  uuas  ad  luc  dedit  literaä,  ut  tc  quam  pnmum  ad  eum 
remftterem  et  iure  postlimU  gaudere  sinerem.  Quod  ne  dintios  facere 
differrem,  statni  te  hodie  binc  abemdam  et  ad  bemm  tniim  remigrandmn.  ss 
Qtto  fBkctnm  est,  ut  bodie  sab  tempos  antelacanam  nominatim  te  deiis 
freqaenter  indamaTi:  Stdoni«  evig^  et  sorge!  Qaod  eom  semel  et  iteram 
.  ac  deinceps  fecissem,  et  mihi  indamaiiti  prorsos  nihil  respondissos,  docrevi 
cnbicnlum  tnum  inscendere  et  te  a  somno  ezperrectum  reddere.  Ubi  ad 
limen  cubiculi  pervontum  est, —  quid  func  rprcrim,  loncrum  rsscf  enarrare,  80 
quod  scilict't  ostium  cuhicuH  f  cardinibus  eiocerim,  quodqnc  b.irbitiuin, 
frontem  et  orcipitium  tibi  cxpilaverim,  adde,  quod  aures  tuas  percusserira, 
quod  deuique  murbum  tuum  compertum  ex  mediis  usque  ossibus  fuste 
propulsaverim,  —  hacc  enim  omiiia  rntHo  silentio  praeterire  quam  sermone 
eaqplicare,  quia  iam  fieri  dictis  meis  compendinm  toIo.*  Haec  ego.  ss 

Tum  Sidonias:  ,Qaod  est  boic  morbo  nomen?* 

.Socordia,*  inqoam. 


4)  disperseram]  disperserant  B.  12)  exsorptus]  exorptns  AB.  20)  istac] 
istad  B.  37)  socordia]  secordia  B  (rie  etiam  pwUa). 


6)  novacula      cuiter  tonsohus. 
18)  intervertere  =  fruudare,  interpellare. 

d4)  iOB  posüimii  est  ins  amiasae  rei  redpiendae  et  in  pristinam 
Btatnm  leatttaendae  (Ueimatereebt). 

Mlttelluagen  d.  Goi.  f.  deuteebe  Eisieh.«  u.  SohulirMi'hiehta.  VJI  2  1897.  O 


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ISO    Mitteilungen  d.  Ges.  t  deutoche  Erziehung«*-  u.  tSchuigesch.  VII. 


Sidomus.  *,Cur  hunc  morbom  lualuisti  mihi  fostibus  quam  berbis  pro- 
pulsare? 

,Quia  fustibus  propelli,'  inquam,  ,huic  niurbo  est  pecuüaio.' 
Sidonius.  .Monstruosa  est  prorsus  natura  huius  morbi,  sed  scientia, 
sqnae  fostilnu  bniuscemodi,  qoem  roeinoras,  morbiim  propellit,  longe  est 
ni<mttrao8ior.' 

Tom  ego:  ,Hoc,  qood  dids^'  mqnaiii,  «propemodam  est  yenun.' 
Sidonias.  »Qaonam  argamento  nosti  hunc  morbom  peiticis  propelli? 
die,  qoMso/ 

10  Tum  ego.  »Dicam,  quando  ex  mc  qnaeris.  Ego  dum  puenim  agebam, 
hoc  morbo  Tninim  in  modnni  laltoravi;  sod  pacdagogus  meos  ferola  nates 
meas  obvcrhprrtns  liunc  morbum  facili  opera  propnli^JivU.* 

Sidoiiiiis.  ,rurigitur.'  iiiquit,  ,maluisti  me  clava  quam  fernla  curare?* 
,Quia  memoria^/  inquam,  ,prodiium  est  ab  Asclcpiadc,  qni  inter  praeci- 

15  puos  medicorum,  si  unum  Hippoeratem  exclpias,  ccteris  princeps,  homincm 
grandem  natn  non  fernlis,  sed  fitstienlis  tanquam  praesraUuieo  remedio  a 
morbo  socordiae  liberari.  Qood  ego  solIertiBsIme  aniraadTertens  slatoi  te 
ioxta  Asclepiadis  aententlam  ab  hoc  morbo  daneola  polioa  qoam  fenda 
liberare  et  pristbiae  salobritati  restitoere.    Sed,  proh  Juppiter,  qoalem 

flogratiam  mihi  pro  istoc  beneficio  haboisti,  immo  retulisti!  Tute  ipse  noatL 
Si  apud  Persas  degeres,  haec  tua  ingratitudo  exquisitis  ulcisceretur  sup- 
pliriis.  Si  igitur  homines  ipsam  ingratitiidiiit  m  tf\m  aoprrc  fenmt,  qnara 
at'gro  laturi  sint  cam  dii.  qui  omnia  iustis  rcspiciunt  oculis,  tccum  aoimo 
fac  cogites.' 

S  Kondnm  haec  finieraia,  cum  Sidonius  palliolo  super  nudaiii  camcm 
circomiecto  vix  semiamictus  e  lecto  sese,  quoqno  modo  potuit»  corripuit 
et  ante  pedes  meos  proddeos  veniam  et  obÜTlonem  praeteritorora  omniom 
laernqis  obortis  manibosqoe  in  preoes  porrectis  expostulaTit,  dieens  so  poe< 
nitere,  qood  tarn  diras  devotiones  in  caput  menm  imprecatos  foerit  Et 
so  com  diclo  dexteram  meam  prebendit,  prebensam  ori  soo  admovit, 
admotam  »sculabondns  tanquam  salutigendam  soam  demolsit  Et  ne 
clava,  qua  fortiter  contosos  erat,  esset  gratitudinis  suae  exsors.  ipse  eam 
quam  pltirimis  osculis  impressis  honnravif  »  t  irisuprr  hoc  totrastirhon  in 
laudcm  eins,  quoniam  Musaram  antistes  erat,  (m  i  innit  sie  iuceptans; 
SB  .I>ux  Erebi,  Pluton,  Stygiis  sori»rUiaiii  ab  antris 

Misit,  ut  humauum  devorot  illa  genus. 
Juppiter  banc  superis  clavam  dcmisit  ab  oris, 
Qoae  pestem  Stygios  tmdat  adnsque  lacns/ 
Haec  Ule. 


4)  monstmosa]  noostrosa  B,  32}  exsors]  exors  A  B.  SS)  et  dent 
in  B,  34)  occinuit]  occinil  B.   S5)  Erebi]  herebi  AB. 


16)  praeeentaneuro  remedinm  est  remedium  cito  elSeax. 


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14.  Baitiiolomaei  C^Itmidiide  epistol»  mytboIogicA. 


131 


l>un  ego:  .Quando  te/  inquam,  .considero  ess«  gratum  noo  modo 
ergn  n«,  Ternm  etiam  erga  claTiciilani,  labem  condono  tibi  ex  animo 
«miiem,  qniM  mihi  intnliati,  iniariam,  et  toto  abhinc  tempore  erU  meas 
«micos.  Et  com  dieto  apprehendi  manam  eins  rablevans,  eam  ac  in  pedea 

«OOS  stataens.  Et  in  ipso  momesto  insei  Dromonem  ire  in  tonetrinam  5 
allatura  aulam  oleaham,  pjxideB  nngoentarias  et  »cissiles  pannioaloa» 

<J«ibus  ad  rae  per  Dromonem  allatis  ef?o  medici  vulnerarii  personam 
sustinen'-  Inmbos  et  latora  Sidonii.  palliolo  tatiieii  oitis  ante  cxuto,  oleariis 
fomentis  demulsi  et  catapiasmatibiis  » irrjpnvolvi  et  panai^  fasciis(|iie  colli^avi. 
«t,  si  coram  stetisses,  non  me  Bartiu«luiiuieam,  «cd  Hippocratom  putasses.  lo 
His  igitur  rite  peractis  iussi  Dromonem  ciuluBi  olearium  cum  pyxidibas 
unguentariie  m  tonitiinam  leportare  et,  cnm  piiwnn  leportaTerit,  itenim 
ad  me  redire,  nt  d  qua  in  re  opera  eins  iadigerem,  praesto  eaaet  Deiode 
inasi  Pannenonem  et  Megadipsom  indaere  Sidoninm  vestibna  sipis.  Sed 
piinaqnam  eom  Testibiu  sina  rite  indnltaent,  rediit  Dromo.  Quem  imaiia 
munas  indntioida  perseqai  ot  absolvere.  Parraenonem  irero  et  McfiMl^ainn 
iussi  alia  miinera  obire:  illam  scilicet,  ut  Sidonio  sorbitiiracalam  coqacret 
et  ova  galliiiacea  testis  «üis  pxuta  cum  butrro  in  sartapino  frijjpret  aut  ea 
in  caleiiti  cinere  leniter  per  temporis  intervalla  versando  pcrcoquerot,  nec 
non  et  piilinciitnm  px  pist  ibus  exotico  iure  i)r;u'pararet  et  illam  partem  20 
sturionis,  quaui  pndiano  vcsperi  in  foro  pijicariu  a  cctarüs  nostris  temis 
atateribiis  coämerat,  assarct,  itemque  ferculum  ex  bubolis  carnibus  miuu- 
tatim  condsis  anavi  aapore  percoqneret  et  capum  altilem  iUaiidatom  veni- 
bQ8<pie  afiixam  redproca  Tertigine  ad  ignem  diotina  versaret,  in  omnen 
lei  eYentam,  ut,  si  quis  ex  familiaribat  meia  ad  aedes  meaa  prandendias 
$  «attsa  diverterlt,  habeam.  quod  ante  illnm  in  mensa  ponam;  hnnc  vero,  ut 
Sidonio  cantbarum  vetulo  vino  ad  summam  utqne  oram  impletom  afferret, 
aut  si  maluerit  cerevisiam  quam  vinum  potitare:  sunt  mihi  dno  vasa  in 
rella  vinaria,  quorum  alterum  est  oppletum  cervisia  Tlreinensi,  qua  Rhada- 
manthus  posset  impionim  animas,  si  eins  copiam  arTid  iiiforos  baberet,  ao 
acriter  torqiierc,  i  t  huic  vasculo  insertura  est  ligaeum  eductoniim,  quo  ipse 
potus  ex  vaae  educitur;  alterum  vero  est  oppletum  cervisia  Haniburjjonsi. 
quam,  ut  verum  fatear,  poto  esse  iotionem  Furiarum  aut  saltem  a  l  atus 
apnd  inferos  ex  ira  et  ftirore,  ut  nostri  orbis  cervisia  ex  hordeo  et  aqua 


Ii)  rite  deest  in  B.  17)  iussi  deesl  in  B.  21)  vesperi]  vespere  B. 
21)  temis]  trinis  B.  22)  ex  bubulis  dceat  in  B.  .  29)  cervisia}  cerevisia  B 
(tk  etiam  infra).      32)  Hamburgensi)   bomborgessi  33)  Iotionem] 

lodnm  B. 


6)  adaaile»  panniculos  nos  vocamus  ,Charpie''. 
18)  «urtago  idem  eet,  quod  frixoiiuro  aive  patella  (Bratpfanne). 

21)  cctariua  bic  est  venditor  ma^oram  piadum. 

22)  stater  genus  est  nummismatia  ex  argento  facti« 

0* 


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132    Mitteilungen  (L  Gea.  f.  deutsciifl  Bmehungs-  vl  Schulgesch.  YIL 


coqnitar,  decoctam  et  in  iiostniiu  urbem  usque  delatain,  et  huir  tinae  est 
inserta  aerea  fistula;  utrulibet  potest  Sidonins  potitaro.  Tandem  cum 
Sidonias  erat  Testibus  snis  rite  indutus,  iussi  Drumuuem  primo  fenestras 
dathntas  i^erin,  srabaMnm  steznere  et  wopu  aqaalemqae  mm  aqua  in 
B  eabicolum  introferre;  quibvs  introlatis  psrimeiitiim  cnbicnli,  quod  fidt 
qmdratis  cniBtiB  latericiis  coDatratom»  aqna  ctmspergfin,  conspemun  eeopia 
▼etrere  et  palviecoliim  coDreramn  egerere;  deinde  arabicos  adores  fncendere, 
11t  nares  noatrae,  qnae  hactenns  winae  q^ordtia  fiietiuit  offensae,  melioii 
odore  recrearentur.* 

10  Ad  quod  verbum  resp^nrlit  Dromo:  ,0  mi  berf»,  nares  meae  non 
odore  arabiri  thuris,  sed  nidore  per^uotae  rarni«?  oblectantiir;  iiam  oinnium 
UDRuentorum,  ita  me  ament  dii  patellarii,  odor  praeiiidore  porcortae  camis 
milü  nausea  e^t:  ille  odor  est  mihi  stacte,  cinnamomum,  rosa,  crocus, 
casia  et  balsaiimm.' 

Tarn  ego:  ^oa  minim  est'  inquam,  .credita  catillonem  magis  nidore 
camis  qvam  odore  tbaris  oblectari,  qni  rammam  felidtatem  in  catillis 
•bUgaritaadiB,  eattotnm  instart  eonstitnit.  Quid  enini  mea  refert  te  mdoro 
camis  an  vapore  Tentris  obstb&aatis  oblectaiier.  Ego  iabeo  te  odores 
arabicos  incendere  et  haac  mensam  tnagnifico  apparatu  instruere.* 

»  Erat  Orbis  quidam  acenrns  tribus  pedibus  saffnltos  in  eodem  cnbi- 
cnln,  quem  primiim  Dromo  mappa  constra\  it,  dcnique  mappnla?  mamiarias 
per  cxtremam  oram  eius  circiimrinrcns  suporiniposuit.  Qiiihus  ctiiii  stagneos 
orbirnliis  per  certa  iutervalla  iiiiecit,  salinum  non  neglexit  et,  ne  quid  ad 
mensae  apparatum  deesse  Tiderctur,  duds  circulus  aereos,  quibus  paropsidrs 

25  snstentantur,  in  mediam  meusam  coniecit.  Quibus  coiüectis  inox  pauibus  ex 
eanlstris  depromptls  mensam  per  certa  interralla  onerare  stndnit.  Eteece  * 
in  eodem  temporis  puncto  Megadipsus  intronipit  gestans  ampboram 
cerridae  commante  in  dextera  et  aliqnanta  fictilia  pocola  in  sinistra,  qnae^ 
nbi  amphoram  deposoit,  ittxta  panes  in  mensa  lite  colloeavit.  Mensa 

80  igltor  hoc  apparatu  instnicta  Dromo  festinabundus  dngnlos  polTÜIos  ventose 
timentes  in  singdas  sellas  iniidens,  eas  in  circdta  mensae  ponere  caradt 


1  coquitur]  (Ior..qnitiir  B.  nostrum  orbem]  nostram  urbem  B, 
tinaej  tirmae  A.  J)  listula]  phystnln  A,  phistula  B,  {)  sropai*]  scobas  A. 
1)  Terrere]  vertere  Ä   21)  deniquej  deinde  JB.   28}  dextera]  dextra  B. 


11  ttna  —  dolium. 

ü}  luuL'SLra  clathratu,  i.  e.  clathris  muuita,  ap.  Plaut.  MiL  2,  4,  2G. 

4)  aqualis,  ac.  iirceua,  est  vaa  aquarium.  Plaut.  Cure.  2,  d,  38. 

18)  stacte  (onniTin)  est  qnoddam  genus  aromatis;  cf.  Plaut  Truc  2, 6, 29. 

14)  casia  sive  cassia  (/.a^ta,  xizzii)  est  cortez  quldaiii  odorifer, 

lö)  cntillo.  i.  p.  cntillonini  llirurritor  =  ganeo  Slve  belUO. 

21)  mappulaü  niaiuKuiao,  ,S<.>rvietton*. 

28)  stojrnei  orbicuü,  .zinnerne  Teller. 

24)  paropsis  =  paüna  dve  patella. 


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XA,  BartiralomMi  Cokmimi^s  opistola  niythologicft. 


188 


Interim  Megadipsus,  com  malluviain  abesse  praesenserat,  illico  in  tncUniam 
properat  aUalmn  gattoniiiiiii  com  aerao  labro  ac  mappa  maanali.  Qnibuper 
emD  in  cabicnlnm  intiolatis  accorrit  Panneno  noster  dicens:  ,0  mi  here, 
pnuidimn,  nt  intsisü,  cnratnm  est  probe;  nbi  Inbet,  iie  licet  accobitom/ 
<)iiod  com  audivi,  inssi  Sidonium  nanas  saas  ablaere,  ablutas  linteo  ezteiv  6 
gere,  deinde  ad  mensam  arcumbere.  Sidonins  vcto,  nbi  maims  suas 
ablnerat  et  ablutas  absterserat,  aliquantiihim  subsistens  pedetn  samn  fixit. 

Qnod  ego  cum  vidi,  mirabundus  inqiiam:  »Quid  eonctaris»  o  Sidoni, 
mensam  nrredere?  Timen'  te  virides  serpentom  spnmas  aot  aconita  potoriia 

vasis  ebibiturnm?'  lo 

Sidonius.  ,Non,  edopol,'  inqiiit,  ,aconita  pertimesco,  ner  virulentorum 
apumas  .snpontum,  sed  mensam  accedere  cunctatus  mm,  quia  indignum 
putavi  ine  prius  ad  meiisam  uccumbere,  quam  tu  hunurutiorem  accubitom 
in  mensa  obtinnisses,  Quis,  patas,  non  dieeret  me  liominem  rmtieaBiim 
et  ftbaHbm  stipulis  rndiorem  aot  qnemlibet  alimn  inter  capros  Tifcamis 
tramegisse,  si  videret  me  primot  recabitna  in  mensa  aasn  temenrio 
hero  meo  atante  occapare  et  snperioram  accnmbere?' 

Cui  ego:  ,Accede/  inqnam,  .intrepidus  et  qvemvis  locom  in  mensa 
occnpa.  Ego  enim  non  sam  domi,  sed  aUo  pransurns;  hesterno  quidem 
vesperi  vocntn«;  unm  n  praocipuis  mcis  amicis  ad  hodiernam  praadinm«  nt» 
me  hilarem  convivam  apud  eos  aperem.' 

Haoc  nie  loquente  Dromo  inquit:  .Serius  est  iam  nunc,  quam  ut 
alio  ad  quodlibet  aliud  ronviviuni  oa.';:  iam  enim  meridies  ibit  in  vesperam, 
imino  vespera,  si  qua  fides  stomacbo  meo  famelico  babenda  est^  ibit  in 
noctem/  » 

Et  ecce  in  ipso  temporis  puncto  sonuit  primam  diel  horam  post* 
meridianam.  Qnod  nbi  andivi,  mox  ad  hiterem  properavi  manns  meas 
ablnenSf  quibns  ablntis  et  eztersiB  ad  mensam  accnbai  inbens  Dromonem 
ire  in  colinam  allatom  edulia,  qnae  sunt  discumbentibus  primo,  aestivis 
dum  taxat  diobus  apponenda.  Et  ecce  dicto  citius  attulit  mihi  Dromo  so 
edulium  confnsaneum  ex  cnidis  horbulis,  lactnca  scilicet  et  nasturtio, 
confrrtuni,  aceti)  pert'u^um  et  olivo  inuuctum.  Sidonio  vero  apposuit 
sorbitiunculam  ex  ovis  gallinacois  vinoque  et  pulvere  aromaticu  ronfertam. 
Quam  cum  Sidonius  partim  cochleario  exhausit  partimque  scutella  ambabus 
manibuä  ad  os  admota  exsorbuit,  tum  ego  iussi  Dromonem  patinam  cum  35 
reliqnüa  berbaram  —  quoniam  ex  hetbnlis  tantam  ederam,  quantnm  mihi 

12)  cunctatns)  parataa  B,    2i)  Taq^ri]  vespere  B.  33)  eonfectnm 
deevt  in  B,  36)  exsorbnit)  exorboit  AR 

1)  malluvium  (manus  et  luo)  vas  est,  quo  lavautur  mauuB. 

2)  gutturnixim  (a  gutta)  genus  vasia  aquarii  est 

82)  naaturtinm  (a  naao  torquendo)  genua  est  herbae,  qnod  ium 
dicimna  yK^eaae^ 

8fi)  aentella  genua  vaaculi  rotundi,  semieoncavi  est. 


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134    MiUeilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniehungs-  u.  t$chulg€sch.  VIL 


labuerat  —  tollere  ot  alind  fdulium  ocin«  apponoro.  Apposuit  igitur  mihi 
patinam  cum  ovis  l(»iiLra  elixatiuue  durutis,  testa  exutis.  bipartitis  ac  i)f'tro- 
sülinn  niiuutatim  cuiniso  respersis  et  in  acri  aceto  natantibus.  Ante 
Sidouiuin  vero  posuit  patellam  cum  binis  ovis  testu  adhuc  inclusis  et  in 

ficalido  cinere  ad  ignera  leniter  versatistac  percoctis.  Interim  Megadipaas 
amphonun  cervisariun  arripiens  fictOia  pocula  ad  snniinam  nsqiie  orificium 
adimplere  caravit  Qaibas  impletis  iossi  «oodem  ire  primo  in  cellam 
Tinariam  allatom  cantharnm  vini  vetidi.  et  deinde  in  discabitorivm  allatnm 
dnos  vitreoB  calices  mnltinodes  ceteris  capaciores.   Qnos  «bi  nna  eam 

iocaatharo  vini  attnlerat,  inssi  calices  aqua  effricaii  ac  elni,  elutos  yia» 
aflluenter  implori  et  in  mensam  ante  nos  statui.  Cum  vero  ex  ovis  uterque 
tantum,  quantum  nobis  collubait,  absumpsimus,  itt^nim  inssi  Dromonem 
patinas  tollere  et  alia  ojj^onia  imbis  appoiiero.  Posuit  jijitur  ante  nie 
pulmeutarium  ex  bubulis  cai-nibus  te--ellatiui  ronci^is  ol  uvarum  passanim 

16  acinis  interiectis  confectum  ac  pulvere  aromaticu  alVaüm  couditum.  Sidunio 
vero  apposuit  pisoea  flnviales,  quos  lacios  vocant,  aromaUco  liquora 
imiantes  et  snavi  sapore  percoctos. 

Tom  ego  inter  od^nm  dizi:  »0  Sidoni,  cogitabondns  videris;  na 
laetas,  altinge  palmentariiim,  noli  Terectmdari;  neminem  ad  mensam,  ot 

20  nosti,  verecundari  decet.*  Et  cum  diclo  propinavi  ei  roeam  vitreum  ca- 
licem  plenum  salienti  vino,  quem  ipse  ex  mann  mea  cxceptam  ad  iumm 
nsqne  fundum  raptim  ot  sine  Interspiratione,  ut  antistitem  Bacchi  deoet, 
exhausit  Vh\  \vro  quid  niodicnm  ox  obsoni«»  ntprque  suo  prau^^ns  ♦•ssct, 
iussi  Dromuufm  illasce  dapes  amovere  et  ocius  alias  ante  nob  appoiiere. 

26  Apponebatur  ipitui-  iiiilii  <  apus  illaridatus  tt  ad  ijrnem  crebro  volumine 
versatus  ac  peicoctus,  cui  adiiciebatur  stagnea  quacdam  patella  cum  olivis 
ex  Yaae  eoadin^ario  recenter  deprumptia.  Ante  Sfdoninm  vero  pane« 
batar  opiparum  fercolnm  ex  sturione  asram  et  piperis  gingiberisqae  polUne 
et  aaccaro  affatim  conditnm. 

»  Merim  Megadipsns  ntrumqne  pocalum  fragranti  Tino  adimpleTit» 
atterum  mihi  porrigeDS  et  altenim  Sidonio.  Sidonius  vero  cyathvm  ribi 
porrectnm  dextera  saa  tenens  sie  inqnit:  ,0  mi  here,  hunc  cyatham  dimi- 
diatnm  tibi,  si  labet,  propinabo/ 


3)  bipartitis)  dispertitis  B.    5)  Ante  Sidonium  veroj  Sidonio  vero 
27)  stagnea]  stannea  B.   '60)  saccaroj  sacharo  B, 


9)  discubitiiriuni  copnaculum, 

10)  vitrei  culicet»  mulUnodes  ceteris  capaciores,  suntquoa  nosappellaro 
aoIemUB  «Rbeinweinglflser*. 

30)  verecundari,  gennaniee  ,btöde  sein,  eich  genieren'. 

20)  opiparua  Ost  delicatus,  abundans,  copiosus.  Cf.  Plaut  Ifil.  2,  1^ 

29;  Capt.  4,  IJ.  Per«.  4,  4,  1. 

3it  34)  L't  nostri  cives  Academici  dicere  soleiit:  ,Geitattc  mir,  Ihnen 
einen  Halben  vorzukommen* 


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14.  Bartholomaei  Colonieusis  epUtola  mythoiogiea. 


135 


Cui  i'<^o:  ,gui(lm  luberet?  Si  totum  cyathum  mihi  propinaveris, 
suscipercin  quam  lubentissime.' 

Sidonius.    ,Et  quando,'  inqait,  ,tibi  lubet,  toluju  » aliccni  tibi  propi- 
nabu.'  Et  cum  diclo  cyathum  ori  admotum  funditus  exhausit  exbaustumque 
inssit  Megadipsum  readimplere  et  readimpletum  ante  me,  nt  eln]>Qffein,  & 
apponere. 

Cui  ego:  ,R^tine  tibit*  inqiiaiii,  ,calicem  tanin,  o  mi  Sidoni,  ego  Irnnc 
menm  calicem,  quem  dextera  sostineo,  eodem,  quo  tn  toum»  pacto  ez- 
banriam/ 

In  ipso  fenne  momento  Parmeno  se  introcapcssit  gestans  diios  panes  lö 
dbarios,  alterum  snb  dextera  ascella  et  alteram  sub  lacva,  et  Ugnenm 
alveum  in  ambabns  ma&ibns  plemim  pridiania  canübus  frigidis,  utpotc  sin- 
cipite  auillo,  perna  semiesa,  callo  et  clune  aprinis  et  duobus  longis  farci- 
minibus  mtilta  adipe  rcfertis.  Quem  Mcgadipsus  utraque  mann  la<^tabui!'I'!s 
excepit   et  exccptum  tabulae,  quam  Promo  duobus  subselliis  tripedibus  15 
pano  intervallo  a  se  invicem  distantibus  iiiiecerat,  superimposuit.  Interim 
Promo  panes  memuratos  ex  sub  ascellis  Parmenoiiis  excipieas  alterum 
iuxta  alveum  in  tabula  collocavit  et  altemm  ad  pcctus  suum  laevtun  admovit 
et  admotam  in  dnaa  partes  cnltro  suo  pauario  divisit,  quaram  alteram  sibi 
retinnit  et  alteram  Megadipso  porrexit.  Pane  igitnr  bipertito  et  in  ntmmqne  » 
diviso  Dromo  dicto  citios  dexteram  in  alveum  iniiciens  dunem  aprinum 
arripnit  et  arreptum  cum  pane  altemis  morsibus  occoepit  devorare. 
Megadipsus  vero  manum  suam  in  eatinum  pari  coloritiite  immittens  pemam 
semiesam  rapuit  et  raptam  rictibus  suis  admovit,  admotam  cum  pane 
vicissim  satcu^it   inglntire.     Eodem  fennc  pacto   reliquum  panem  cum  25 
reliquis  caniilnis,  ut  famelici  lupi,  infulscnint  ac  devoraverunt.  Absumptis 
igitnr  carnilms  alveum  «"xinnnittnn  oxsortis  liimuls,  cattomm  instar,  liguri- 
erunt,  ut  tos,  si  eorum  inghivu  iu  coram  spectasses,  ad  iiuos  usque  pedum 
digitos  exinanitos  fuisse  putasses.    Tantae  enim  eraut  gulac,  ut,  medius 
fidins,  rapacitate  cum  Harpyiis  et  Toracitate  cum  Cerbero  aequo  Marteao 
eertassent  Numquam  sunt  Itam  saturi  ant  cibis  distentl,  quin  relinquant 
in  Tentre  cellae  nni  loeum,  nbi  reliqaias  mensae  meae,  si  eis  apponerentnr, 
recondant 

Ubi  illasee  igitnr  dapes*  quibns  duo  edacissimi  Inpi  content!  fuissent, 
in  breviculo  temporis  momento  absnmpsissent,  devorassent  et  inj^ntisseat,  as 
taata  afficiebantnr  siti,  nt  ipsnm  mare,  qnod  omnes  terras  omnifiurlam  et 

l'V)  semiesa]  semesa  B.    15)  excepit  et  deeai  in  B.    24)  semiesamj 
semesam  B,   27)  exsertisj  cxertis  AB. 

18)  ascella  —  axilla. 

lö)  perna  oat  coxa  porcinu. 

27)  satagere  =  festinare,  ap.  Plaut  As.  2,  4,  34. 
86)  omnifariam  =  nbique. 


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186  JUtteilniigeB  d.  Ges.  t  dAuUclie  Bnlehmig«-  u.  Maxwell,  VII. 


paene  uiidique  versum  circumflait,  sitibundis  faacibus  absorbere  posse  vide- 
rentur.  Cucurrit  igitur  Megadipsas  in  cellam  cervisiaxiam  allataui  umphoram 
qnandam  capacissimam  plenam  cenrisia  commwii,  qaa  vaea  cervisaiia,  quae 
efferbnemnt,  sappleri  debebant  Haue  ampnllam  per  Megadipsum  in  eobi« 

.a  calnni  introlatam  Dromo  et  Hegadipsos  altends  bamttbiie  ad  tutbidae  nsqiie 
faeces  exsorbaenmt»  nt  eo«  uoii  bommes,  sed  inexplebües  Gbaiybdes  et 
eervisiae  banitra  patasses.  Exinanita  igitnr  amphora  iussi'  Drouionen 
paropsides  nostras  tollere  et  lancem  cnm  botyro  flaventi,  nec  non  et 
canistnim  rtim  rascis  btibtilis  et  ovillis  mcnsao  superimponere.  Interim 

loMegadipsus  caliro?  )K)«rros  vino  implevit,  quos  facili  opera  ebibimus:  ebi- 
bitos  readimpleri  iussimus  et  readimpletus  ante  nos  apponi.  Ubi  ven»  ex 
butyro  et  cuseis  quid  modicum  insumpsimus,  iussi  Dromoüem  patinam  cum 
batyro  et  canistram  cum  caseis  amovere  et,  si  qua  bellaria  haberet, 
apponeie.  Apposait  igitar  nobis  doas  paünaa  cwn  pomis,  quamm  altera 

15  erat  semiplena  cerasia  aqua  perlutis  et  altera  plena  flavis  et  lividis  pmnis, 
itemqae  calaiümiii  cam  malis  acidia  annieulis  et  praecocibna  bomifl.  Ubi 
vero  bina  temave  ex  qidbiulibet  pomii  uterqne  insompsimiu»  iasd 
Dromonem  reliqua  tollere  et  deiode  linteum  meneae  eam  apparatu  suo 
removcrc.    Hemoto  igitur  mensae  Hnteo  iussi  Dromonem  alveolum  aleae 

ao  cum  t(  sseris  et  orbicnUs  illieo  affecret  nt  animos  nostros  lade  aleatorio 
recrearemus. 

Quod  cum  Sidonius  audivit:   .Ali.  noli,'  iiiqtiit,  ,iinpcraro,  uti  tabula 
aleatoria  aiferatur.    Cerebruiu  meuiu  linditur  et  cor  mcum  quidem  guttatim 
contabescit,  quasi  in  aquam  indideris  salcm,  ubi  istius  ludi  aleatorii  fit 
26  quaque  mentio.* 

Tom  ego:  ,Qiiam  ob  cavaam?' 
Sidonias.  «Causam  dicere  probibeor.' 
Bartbolomaens.  «Quis,*  inqnam  ,probibet?' 
Sidonius.  ,Ariolare.' 
80         Bartbolomaens.    .Dolor/  inqnam,  ,et  pudor.' 

Sidonius.    ,Recte  ariolatus  es;  nam  mc  sitpptidot  dicere.  quod  non 
suppuduit  facrre.  Dicam  tarnen,  b'rot  dolor  et  pudor  obstdit,  et  cn  incipio : 
Hi«"  ludus,  dum  adolescens  eraiii,  exuit  me  miserum  in  quadam  cauponula 
pniiiu  Omnibus  nummis  meis  pracsentariis  cum  mutuaticis,  deinde  villis, 
35  agris  et  possessiunculis,  nt  ne  hara  quidem  sailla  mibi  superesset,  aut 


6)  exsorbuerunt]  exorbuerunt  AB.     S)  paropsides]  parapsides  A. 
20)  Ulico]  iHco  AB.  23)  finditor]  funditur  A.  2i)  contabescit]  tabescit  B, 

18)  bellaria  dlenntur  secundae  meneae  eseulenta,  ut  nncesi  mala  etc. 
16)  hmnua  est  bnius  anni  ibeurig). 

29)  ariolari  vel  harlolari  bic  oignifieat  susplearl  aive  conlectare. 

84)  nummi  praeaentarU  aunt  numnu  praesentes,  et  nummi  mutaatiei 
eunt  nummi  mutuo  aceepti. 


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« 

14.  Barchoiomaei  Uolonienaia  epistola  mythologica.  137 


tantiiluiji  loci,  ubi  catellus  cubilare  posset,  postrumu  vero  omnibus  tunicis 
com  amiculo  et  rrepidulis,  ut  ne  iutima  quidem  tuiiicuia  uiilii  superesset, 
nt  te,  si  aftdsses,  hob  homiBoolBm  deandatum,  sed  eucidui  Ubeimim 
deplmnatiiiii  speetare  pntasses.* 

Bartbolomaens.  >Papae,  quid  iam  ex  ta*,  inqoam,  «audio?*  s 

Sidoniiu.   Jd  qnod  remm  est.* 

Bartholomieos.  ,Si  istaC,  in  quam,  .Tamm  est,  quod  commemoras, 
panperior  eras  quam  Diogenes  ille  Cynicus.' 

Sidonius.    Jmmo,  longo  pauperior;  nam  illi  reliqunm  erat  dolium 
vrrsatile,  quod  ad  faciem  solis  diurni,  instar  solstitialis  hcrbae,  obversabatur;  lO 
UM  Iii  vero  prae  nimia  paupertate  ne  cavea  quidera  viminia,  sub  qua  frallina 
cum  pullis  suis  succtibare  posset,  erat:  illi  erat  tunica  interula,  palliolum, 
quod  superue  circumiecerat,  et  pedom  tegumenta,  baxeae,  mendicorumqae 
anpellez,  baenlns  et  pera  panaria;  nihi  vero,  proh  dolor,  nihü  boram  erat. 
Non  modo  non  videbar  Diogene,  Temm  et  qnovis  mendico  circumforaneo  u 
panperior.  Qood  com,  licet  sero.  animadTeitiflseiD,  nee  idlnm  verbtua  ae 
ne  tadtnm  qnidem  geraitoin  quivl  emittere;  poat  aliqiiaiitaliim  temporis  oc- 
coepi  meaxn  fortunani  meosqne  eaauB  grayiter  ingeiniseere  et  vacaas  maniu 
saepicule  complodere  pedesque  ineertis  altemationibus  commovcre,  modo 
hanc.  modo  illuin  capitis  partem,  qnae  mihi  non  pmriobat,  adscalpere  et  20 
ore  semiclauso  balbutiens,  nesoio  quas,  qucrimonias  eifutire.   Tandem  dolore 
ingravescente  subito  velut  lympbatirus  incepi  victorem  meum,  immo.  lierrle, 
exspoliatorem,  onmibus  maledictis,  quae  (juivi  comminiscicr,  oiK^rarc.  com- 
pellans  eum  tntuicm,  latrunculum,  sicarium,  veiienanum,  patriae  proditorcm, 
parricidam,  sacrilegum,  periurum,  Icgirupam,  pemiciem  adolescentam.  Etas 
com  dicto  Ubratnm  pagnam  in  ora  eina  impegi,  nt  gingiras  eins  edentarem. 
Ipae  Toro  exteraplo  mihi  capnt  correpto  de  mensa  alTOoIo  excerebrasset, 
nisi  nnns  ex  coUnsoribns  nostris,  Misargyroa  nomine,  qni  adaedebat  altrin* 
aecns  inteipediaset  et  rixas  nostras  intercesan  ano  diremisaet.  In  ipao  ferne 
temporia  puncto  accnnit  minister  canponlna,  qni  me  miaenim  affatim  plagia  ao 
castigatum  forinsecns  abiecit  et  tris  canes  villaticos,  feros  atque  immanea, 
e  cavea  sua,  in  qua  per  tempus  dinrntim  concatenati  cubant.  emisit.  Qni 
simul,  signo  solito  ministri  rauponii  incensi  atque  iiitlauimati  furio  viqni^ 
rabie  conriti  et  allatratibus  etiam  absoiiis  horrendi,  euiit  in  me  misenim. 
Quod  cum  vidissem,  illico  silicem  quandam  de  via  tremebuntius  corripui,  35 
correptam  in  capnt  propinqnioris  canis  accurrentis  magno  nisu  contorsi; 
sed  impeto  casso  per  extremnm  dorsinn  transcnrreiis  lapis  contra  opinionem 

13)  tegumenta]  tc<;imenta  R     17)  ne]  nec  ^1.     23)  exspoliatorem] 
expoliatorem  AB.    35)  quandamj  quendani  B.   Z(V  correptam]  correptum  B, 

Ii  f;itcl!iis  dfiuinutivura,  est  catuli  ijnng^os  Ulkndchen). 
12)  luiiita  intfrulft  =  intima  tunicula  iHemiü. 
26)  ^iii^ivae  sunt  partes  oris  in  quibua  dentes  sunt. 
29)  üitcrpedire  =  impedire.  Ct.  Mticr.  8at  7,  12. 
80)  Minister  canponina  est,  quem  noa  vocamna  vel  ^Haoatcnecht'. 


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138     Mitteilungen  d.  Ges.  l.  dcuiache  Erziehungs-  u.  Scbulgesch.  VII. 


meain  deciderat  iü  tt  rrarn  iniioxius.  Quo  hipidis  iactu  caiüs,  alioqain  ex- 
i^eiatas,  ftiriosas  me  miseruu  rai>kk>  hctu  aggreditar,  a^r^sum  t4;rrae 
gnviter  applosit,  applosuni  ipse  fMterit  eaidlms  coadtetoribi»  nembntiiii 
disoerpere  tentBvtt.  Sed  in  eodem  paene  momento  accnrrant  viril  nistieaiii, 

squi  meuin  misenbüem  nlnlatmn  cognovere,  feitmaboBdi  snppetias,  hi  cnm 
fbstibiis,  isti  cnm  fbrcis  bicornibns,  illi  Tero  cum  perticist  qaibos  segetes 
demcssae  in  am  flagellaatnr.  Qni  nln  appropinqnavere,  non  modo  «imis 
suis  nisticis,  veram  etiam  sablatis  clamoribas  canes  abs  me  abegernnt. 
Abactis  ipitnr  canibus  me  misemm  humi  ?npinatam  in  pedes  stfltnerant 

10  et  corpore  meo  sanguinem  laciniis  et  quibuslibt  t  alit«  pniiincnlis  deterscnmi. 
Petcrso  idtur  sanguinis  profluvi«»  accessit  quidani  ex  vicmis  moi^,  cui 
nomen  erat  Eleus,  qui  in«-  miserum  approhensuni  ad  aedes  fratris  mei 
maioris  natu  Alexeos  perduxit.  Qui  ubi  cognovit  mc  a  canibus  admorsum 
et  varüs  vnlnenbvs  distractnm,  statim  medicam  Tnlnerarinni  com  pyxi- 

is  dicnlis  migaentariia  ex  nrbe  proximiore  acciri  fla^^tavit/ 

Hactenaa  adhnc  Sidonio  fabtdante  ego  sermonem  eins  faisce  Teibb 
inteirapi  sie  mquiens:  ,Tace,  tace»  mi  Sidoni  sat  historianim  est.  Tu  non 
niai  tristia  commemoras;  ego,  mehercle.  toIo  animos  nostros  vel  ludo  quo« 
piam  vel  canta  lyrac  aut  tibiae  oblectari.'  Et  cnm  dicto  interrogavi  Dromonem 

ao  sciret  artem  tibicinariam .  quae  acnto  tinnitu  et  gravi  bombo  rnncentnm 
musirnm  mifcot,  nfcnr*.  Respondit  antfni  illo  mihi  »mhi  prorsiis  nescire, 
sed,  si  mihi  hihfret,  caneret  mihi  quunilibet  suavem  cantilenazn.  Iiissi 
igitur  cum  cautilenam  quampiani  duhüiit  de  love  Optimo  Maxiuioque 
oecinere,  quae  cum  aures  nostras,  tum  maxime  mentes  sua  modulatione 

26  permnlceret. 

Qnod  cum  fando  andivit  HegadipBQs:  ,0*.  inqnit,  ,nii  bere,  ona  opera 
inbeaa  enm  in  coelnm  ire  salutatam  tno  nomine  lovem:  tarn  Ulnd  poteat 
qaam  istad.  Nostin'  vetas  proverbiam  esse;  »»Nihil  cum  fidibns  gracnlo, 
ant  cnm  amaracino  sui?"    Quisnam  docuisset  hnnc  comedonem  artem 

somnaicam,  quae  ex  longis  et  brevibas,  acntis  et  gravibas  gonis  constat  et 
tam  diversis  et  dissonis  vocibus  harmoniam  con«5onam,  ut  ex  te  crcbro 
audivi.  reddit.    Hic  enim  nudius  tertius,  cum  Dionysia  celebravimus,  oc- * 
coeperat  quandam,  nescio  quam,  cantionem  quam  maxima  voce  personare, 
ut  eum  tragoedum,  si  audisscs,  putasses,  qui.  ne  claritudo  vocis  arteriis 

35  obsolesceret,  identidera  boando  raucitatem  suam  purgaret.  Ego,  mehercle, 


1)  alioquin)  alioqui  B.  9)  statnernnt]  atraverunt  A.  10)  et  corpore] 
ex  corpore  JB.  13)  Alexeos]  Alexlos  B,  18)  animos  nostros  deeti  in  K 
qnopiam]  qnippiam  B,  21)  ille]  Dromo  B.  24)  quae]  qua  B.  Sl)  conaonam 
dtat  in  B.  05)  obsolesceret]  abolesceret  B. 

10)  laciniae  =  lacera  iiuteola. 

29}  Nihil  eum  amaracino  sui,  (germaDice:  ,WaB  nützt  der  KohMuaeate?') 
»p.  Gell,  praef.  19. 

62)  Dionysia  eelebrare  est  Bacchanalia  celebrare  (Fastnacht  feiern). 


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14.  Bartholomaei  Colonienai«  epiatola  mythologica. 


139 


mallem  opcjannitum  vulpis,  immo,  pninnitum  suis  ct.  nt  vcriiis  dicam,  cla- 
morem  cuiusvis  asini  Arcndici  obraucati  quam  voccs  liuius  Dromonis 
audire.  Et  idipsum.  ni  fullor,  malles,  si  ipse  occiperet  suo  more  cantitare, 
hoc  est,  instar  hacdi  (»bvagire  * 

Cui  Dromo:  ,Nosti  tu,  iiiexplebilis  ccrvisiae  vorago,  suavius  quam  t 
ego  modnkri?  «nt  potes  lusciniolam  Toce  tau  aequiperare?   Car  igitur 
iion  canis?  cnr  non  probas  te  posse  Sirainm  qrmphooiani  nmltiformibiis 
moduKs  «xsaperare?  Die,  bibio,  die* 

Megadipsns.  Jam  pridem  cantaBaem,*  inqoit,  ,si  herna  mens  me  canere 
inssisset;  nihil  enim  debet  scrvus  boiiae  ^gi,  qfu^  ego  snm,  iiüassa  beri  10 
ani  attcntare,  si  non  velit  eins  indignationem  infaustis  avibus  incurrere.' 

Cui  ego:  ,Si  autem',  inqnam,  ,putas  te  suavius  isto  modulaturum,  illam 
eandem  cantilonam  de  love  Optimo  Maximoqup  te  nunc  moduluri  iubeo.' 

Megudipsus.   ,Nulla%  inquit,  .carmiiia  de  lovc  tiio  cam  re  scio;  sed, 
si  tibi  lut^ret.  uccinercm  suavcm  quandam  cantiunem  de  diis  nieis  peculi-  i& 
aribuÄ.* 

Bartbolomaeus.  ,Qtii  annt',  inquam,  ,dii  toi  pecoliares,  de  quibna  can- 
tUanaiB  etiam  doleiaoiiaia  te  canere  dlfen?' 

HegadipsuB.  «Dü  mei%  inqnit,  «pecnliarea  snnt  veoter  meus  et  eiiis 
Qxor,  sancta  aaturitas.  Qnos  ego  ab  iheniite  aevo  in  hone  oaqoe  diem,  ut  20 

Epicnreum  decet,  rrli^riose  colui  et  colo  et,  quoad  mihi  vita  supererit,  colam 
non  modo  pervigili  anniversario  sacro  aut  menstruis  supplicationibus,  verum 
et  diurnis  norturnisque  romessationibns  et  potationibus,  quibus  huinscemodi 
dü  plarantur  ac  tranquUlantar,  ot  mare  non  sit  tranqaillius,  cum  alcedo 
poUos  educit  suos.*  96 

Bartholomaous.  ,Abi%  inquam,  ,in  malam  crucem  cum  istis  diis  tuis, 
quos  bomo  bonae  fhigi  prae  nimio  despectu  ne  pccudum  quidera,  nedum 
hominnm,  censeat  esse  deos,  qoamqoam  yos  Epicurei,  qui  infra  qoaalibet 
pecndea  vestram  ob  ingloTiem  estis  detrasi,  eos  deoa  babeatis.*  Et  cum 
dicto  cooTeitt  sennonem  menm  ad  Sidomnm  sie  inqniena:  ,Sidoni,  postera  ae 
die  ientacniatione  confecta  sarcintüis  tuis  aumptiB  viam  capesses  et  ad 
patriam  profectionem  dtriges,  herum  tuum  Pancratinm  poatliminio  revisurus, 
qui  advcntum  tuum  animo  anhelo,  ut  literae  suae  ad  me  perlatac  indicant^ 
opperifur.  Qnod  si  di  iuceps  faoere  distuleris  aut  in  supinam  procrasti- 
natiuuem  reieceris,  herum  tuum  implacabiliter,  milü  crede,  offendes/  as 


1)  oggannitum]  aggannitum  B.  ')\  iiosti|  iioslin  B.  >)  cxstiperaro] 
exuperare  Ab.  14)  tno  dast  in  B.  'J'J)  iiicnstniis|  iiiL'iisariis  i/.  jf.')  pullos 
educit  suosj  educit  puUos  suos  B.    27)  bonaej  bene  B.    ö  i)  inj  B. 

2:>)  .Quam  mare  dolce  eal,  quomodo  Ibi  alcedo  pulloe  edodt  auos/ 

ap.  Plaut.  Poen.  1,  2,  146. 

31)  icntaculatiu  sivo  ietitac  uhim  (I'laut.  Truc.  2,  7,  4ü)  eet  commeBtio 
seu  rcfüctiu,  (luae  maue  ante  legitimum  prundium  aumitnr. 

84)  Bupina  procraatinalio  est  dilatio  provenlena      pi;;i  itia. 

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140    ^itteiiuugen  d.  Ge».  f.  deutaehe  Erziehung»-  u.  bchulgescb.  VH« 


Nondam  haec  finieram,  cum  Megadipsus  verba  mea  mterrnropens  sie 
pneftitus  est:  .Hestemo  vesperi  fando  aadivi  latrones  vias  infeatare  etTia« 
tom  qaosque  pectmüs  aardnisqne  eiomenre.* 

BtrtholoiiiMiis.  ,Tace*,  iD^uini,  ,Dasigenile!  Tannm  est  et  oppido 
5  iBhmm  vias  latruiculis  infestari  et  viatoies  depnedari.  Esto,  qaod  latrones 
?iaa  tnfestent:  i|itid  igitiir  viatori  de  auiima  paoperie  latnmcali  anferre 
poaaent?  An  ignoras,  stulte,  nodum  quempiam  non  a  decem  milittbiu  ob« 
■  armatis  exspoliari  posse?    Sidonius  noster  non  solet  esse  pecuniis,  com 
profirisritur,  oneratus,  licet  sit  pora      lagnnrula,  ut  philosophnm  dcret, 
10  sutfan  inatus.    Non  tarnen  hinc  abibil  iiicomitatu?,  scd  Dronio  erit  pedi- 
sequus  eius,  qui  gladiulo  suo  cinctus  et  ferrata  ciavicula  iostructus  latro- 
nibus  erit  formidini  et  Sidonio  praesidio.' 

Quod  cum  Megadipsus  audivit,  ridiculos  iocos  in  Dromonem  instnudt 
sie  inqniens:  ,0  nü  Dromo,  ai  via  aalnti  toae  esse  proYisnm,  vade  concilo 
IS  grada  conanltnm  haniapices  ant,  ai  mavia,  geoetüiacos,  qni  j^rodigioaia 
artilnia  res  omnia  poilfiitaras  praenoacnnt,  anper  eiitn  profecuonia  tnae, 
ne  aeena  fitciena  infaoatia  avibns  iter  cqteaaas  et  vitae  impnidenter,  qnod 
du  vetent,  incurras.' 

Dromo.  ,Tua',  in(iiiit,  .quud  nihil  refert,  ne  eures.  I'rüfeotio  mea,  nt 
SO  sit  fausta.  non  requirit  haruspicem  cum  lituo,  sed  crumciiani  cum  viatico. 
non  Cliaklaeuni   cum  rphcnipride,  sed  manticam  cum  paue  et  caseo  et, 
quod  paono  praetorierani.  lagenam  cum  corvisia  aut,  quod  mallem,  vino.* 
Ubi  haec  tiuicrat,  dixi  ad  euiti:  ,B(>uo  äis  animo,  rai  Dromo;  postera 
die  dÜ8  benevolenlibvs  inatiuam  te  largo  viatico,  quo  et  tibi  et  Sidonio 
25  posaea  eacalenta  com  pocnlentia  in  tabemia  direrroiiia  affatim  eonq»anre/ 
Dromo.  ,At  tn,  bere«  quod  te  decet,  fada,  et  nonquam  faoere  deati- 
tiati,  qnod  ad  officium  booi  et  Ubwalia  vir!  quomodolibet  pertinere  videbatnr. 
Nunc  vero  unum  eatr  quod  a  te  Tdiementer  peto.  Qnaeris,  quid  sit  illud. 
Ut  acilicet  liceait  nobia  viam  carpento  conficere;  Sidonius  enim,  qnod  tute 
ao  etiam  non  ignora<;,  est  male  pedatua,  quam  ob  rem  maUet  caipento  quam 
pedibus  viam  couticere.' 

Bartholomaeus.  ,Non  tutum  est',  inquara,  , carpento  viam  scrupis 
stirpibusque  infestam  capessere.    Superioh  Tero  anno,  cum  patriam  meam 

1)  cum  deeit  in  ß,  2)  vesperi]  vespere  B.  8)  exapoliari]  expoliari 
AB.   18)  vetent]  vortant  B. 


9)  lagiincula  (a  lagcna)  nobia  est  «Flasche,  Bouteille*. 
11)  elavicnln  hlc  *  elava,  non  a  elaida,  deiivata  est 
15)  genetiiUacua  est  aatrologua,   qni  conatnr  alieui  praedicere 
ftaturoa  eveotua  ex  hora  nativitatls  eine. 

20)  critmona  cum  viatico.  i.  p.  raarsupium  l)one  luimmatum. 

21)  ephemerid  est  Uber,  In  quo  sunt  scriptae  diurnalea  diviuationes 
aatrologorum. 

29)  carpentum  est  genua  cuntut  sive  vebiculi. 

82)  aenipue  idem  est,  quod  calcnlus  eeu  acutus  lapiUua. 


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14.  BartJiiulumuei  Colonienais  epistola  mytboiogica.  141 


Petitums  quadrigas  meritorias  insrendissem  et  ad  octavnm  itineris  mei 
milliariam  iam  perveni&sem,  carpentum  caudicis  ciuusdam  toro,  ad  quem 
sete  lotanun  orbes  oÜDnderant»  sabrwteliatiir  «t  me  aToIntaiii  «I  w&umm 
bQmlqiie  ifteentem  in  invenam  coopeitobal  ic  tegebaL  Ne  TobiB  quid 
nmile  obtingat,  magna  eavtlo  est  adhibenda.  Consaltiiu  tarnen  mihi  viaam  6 
est  TOS  paHiam  eqnis  qnam  qnadrigis  petere.  Est  mihi  nrnis,  nt  scis, 
eqnus  Asturco  toIlDÜm  gradiens  pro  Sidonio,  si  esset  mihi  alter,  pro  te; 
potent  uterqae  equo  vectari/ 

Vix  finem  orationi  imposui,  mm  Megradipsns  inquit:  ,Bono  sis  animo, 
nii   licre.    Est   raendicus  quidam    f'ircumforanoiis  in  xenodochio   habens  lo 
asmum  clitellarium  solitum  gestaie  infantes  eins  impositos  duabus  corl  nlis 
hinc  et  hinc  dependiilis,  quem  exiguo  pretio,  quoniam  nudius  quartus 
mansuetiorcm  pro  infautulis  suis  gcstaiidis  euicrat,  comparare  posses  et 
comparatam  ezomare  phaleris  anrsiB  et  facatis  ephippils  et  purpureis  ta* 
petis  et  frenis  argenteis  et  plctülbas  balteis  et  tintüiabalis  perargutis,  nt  is 
non  Tideatnr  esse  asinns,  sed  eqans  onoeephalns»  qoi  neu  magis  dedeeet 
Dromonem,  qnam  olim  eqnns  bncephalns  Alexandmm  ülnm,  Uacedonnm 
legem.    Ehern,  et  quod  paene  süentio  praeteiieram,  is  asinns,  quem 
mcmoro,  est  ad  speciem  honestus,  ad  cnrsnram  Tegetns  et  ad  vecturam 
validns,  et  Dromonem  non  modo  pernicitcr,  verum  ctiam  mollitcr  pi^n  ohct,  an 
quoniam  probe  ralcontus  est  comeis  soleis  a  magistro  artis  laiifrrnariae. 

Nondnm  lios  iocos  finierat,  cum  Dromo  in  hascp  voces  prorumpens 
ait:  ,Abi  in  maluin  cruciatum  rum  illor  asino  rlitellurio  et  desine  mihi» 
illudere,  alioquin  Euineiiidrs  touubuul  faces.    Audis  hoc,  asine  bipes?' 

Megadipsos.  ,GnrS  inquit,  ,mihi  obirasceris?  Si  non  Tmasino  residere,  as 
insideaa  alato  Persei  Pegaso.  Qnid  enim  mea  refert,  quo  inmento  resideas, 
ntrnm  asini  dorso,  an  eatti  tergo,  an  pedibns  iter  capessas?  Quicqnid  ego 
dlxeiim,  pro  commodo  tno  dictum  pntato.  Yerumtamen,  ut  mea  fert  opinio^ 
Satins  esset  te  catti  tergo  insidere  quam  pedibus  iter  scruposnm  aestitis 
diebns  conficere  et  iutertriginem  ex  dintino  itineris  labore  contrabere.  Est  so 
mihi  rntttis  pnicliollo  rapite,  oculis  nigris,  auribus  acutis,  naso  decenti, 
ore  niiiiuto,  niento  raris  setis  obsito,  cenice  crassa,  terfi;o  obeso,  vpiitre 
mediocriter  proiecto,  cauda  pilusa  et  in  iustom  longitudinem  exporrecto, 

21)  calceatusj  calciatus  --iÄ,  21)  lanternariaej  latemariae  AB. 
28)  tuo  deeat  in  B. 


2)  candex  dve  codn  =  truncns. 

7)  Asturco  equns  est  in  Hispani»  genitus  (ab  Aatorica  genta  ita 

appellatus),  qul  tolutim,  i.  e.  molli  gradu  et  »ine  succussaliuna  Ingreditnr. 

14)  phalorae  sunt  ornanienta  frontis  ac  pectoris  equonim. 

20^  pt  rniciT'^r      \' lociter.  celerit«r.   Cf.  Plaut.  Amph.  ö,  1,  67. 

27)  cuttus  est  leliä  inas  (Kater). 

80)  Intertrigo  (ex  Inter  et  tero)  est  attritto  vel  eonflrieatio  femomm 
(ein  Wolf). 


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142     Mitteilungen  d.  (Jes.  f.  deuUche  Erziehungä-  u.  Schulgeäch.  VII. 


pedibus  lautis,  pelle  nitenti,  femoribus  einascuJatis  et.  ut  unu  expediam 
yerbo,  totus  beilnlus.  UU,  si  tibi  lubet,  capistrum  tarnquam  caotherio 
jniice  et  capistntnni  consoende,  nt  non  videaria  miles  uinariu,  sed 
cattarius.  Praeterea  sunt  mihi  sex  immaaea  muret«  qoos  mosoipida  mea 
;6  ^Btolatis  lardi  ottalis  inttracta  intra  hoc  tridntim  in  cella  penuaria  gandi- 
bnndiu  cepi ;  hos  soccolo  inclusos  in  catti  pabidom  teeum  feres,  nt  peconiaa, 
•qnas  pro  liniiismodi  inmenti  pabulo  expendes,  in  pecdinm  tnom  conferens 
ditior  evadas  * 

Eo  autciii  ;idhur  fabulante  Dromo  infrendens  dcntibus  suis  pucnium 
10  libratum  in  os  eius  iiicussisssct,  nisi  i  t'O  medius  interressissem  et  ictuin 
minitantis  pugui  brachio  meo  avortiss*  üi  dict^ns:  ,Heii>  tu.  Dromo,  si  quid 
dictum  est  per  iocuin.  nolito  in  serium  euuvertcre,  prat-cii>ae  illud,  quod 
homo  potnientns  et  animi  impos  cernaiae  Titio  dlxerit/ 

Dromo  J7on  placet*,  inqnit.  ,in  mutam  quippiam  confeni  qnod  loqai 
16  non  potest;  nam  cerriBia,  si  fabnlari  posset»  ae  defenderet.  Sed  hominea 
minimi  pretii  iilico  eonftiginnt  ad  ebrietatia  accnaationem  taaqaam  in  ali> 
quod  fani  asylum  et,  qaae  peasime  fecenint,  ea  non  snae  temeritati,  sed 
ebnet ati  attribuenda  esse  rlicanL  Sed  looge  aeqnina  meo  indido  eaaet  de 
huius(  oniodi  hominibus  duplex  atippUcInm  sunere  pro  dnplid  Titio,  ebrie- 
ao  tatis  scilicet  et  temeritatis.* 

Cui  Me{xadipsus:  ,I1Ip  extra  noxam  est  cons('mlu>.  qui  id  lacit,  quod 
dii  eum  farore  rogunt.  Osiris,  cuius  numinc  aftlatus  sum,  cogit  me  hosce 
ridiculos  iocos  iu  te  effutire.  Si  esscs  mentis  meae  corapos,  nulla  mcrcede 
possem  induci,  ut  anum  ridicnlnm  verbiun  Tel  minimtua  in  te  congercrem.* 
as  Tarn  Dromo  inqnit:  »Harenlea,  cnina  ego  nomine  afflatna  aom,  eogit 
me  manua  in  boccas  tuas  inücere  et  ora  tna  temeraria  pngnia  contnndere, 
nt  deainant  huinacemodi  ridicnla  in  me  effutire.' 

Ea  igitar  inter  eoa  contentio  longiua  prodncta  fuisset,  nisi  ego  arbi- 
tratus  faissem  non  operae  pr^inm  esse  eaadein  has  altcrcationea  diirtioa 
10  aadirc.  lussi  igittir  titnimqne  ol)tiiiit«><;rore  et  obstrepentes  lingiias  ilHco 
compescerf.  Et  cum  dieto  inieci  iiiaiiuni  iiioam  in  marsupiuni  cxpronuns 
vicenos  statoros  arijpntoos,  quos  Drojuuiii  pro  utriusque  viatico  nianibus 
meis  atluuni<  ra\ i  din  ns:  .Dromo,  hic  sunt  viceni  statcres  argentei,  quurum 
singuli  pluris  aostiniautur  quam  quattuur  nummi  argentci  nostrates,  quos 
S6  stttferos  vocant.   Tide;  ai  qaid  erit  dnbium,  immntabo.' 


1)  laotaa]  latia  B.  5)  pennaria]  penaria  B,  6)  hos)  hoc  B.  24)  Tel] 
etiam  B.   27)  hainacemodi]  fanivsmodi  B,   29)  fiiissem  deest  in  Ä. 


2)  cantherius  est  equua  emaaculatns  sive  castratus.  Cf.  Plant  AnL  8, 
Ö,  21.   Capt.  4,  2. 

1)  poruUum  eät,  quod  aervus  do  domeoäo  t>uo  unciatim  cumpm^t. 
Cf.  Flaut.  As.  2,  4,  91. 

22)  Oatria  traditor  inTeniase  primua  cocturam  eius  potionia,  quam 
postea  cervisiam  vocabant. 


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14.  BMlholoiOMi  CokmieiiriB  «piftol»  mythologica.  148 


Nondum  bosce  Dromo  m  loculos  mos  diemiserat,  cum  Parmeno 
cubiculam  introgredieiis  adoantiat  Pbilotimiim  noatrom  com  duobas  nüiiiatris 
suis  mercenariis  in  veatibvlo  domm  meae  stare  et  me  ad  piogoiasiiiioin 
cervi  femiir  invitare.  Qaod  com  andi?i,  diii:  ,0  Panaeno»  die  Pbüotimo 
meo  me  e  vestigio  ad  se  Tentaram  et  ad  coeaam  secnm  ilantm.'  ParmeDOne  b 
autem  abeoDte  ego  Dromonem  in  baec  verba  allocatos  som,  lic  inqnient: 
,0  mi  Dromo,  postera  die  Sidonio  equitaiite  tu  iter  pedibus,  quando  non 
Cft  tibi  cqtius,  conficies.  Haud  tu.  hen  le,  luinisterin  equi  indiges,  quoniam 
potfs,  ni  fallor,  Armenias  tigres  et  Partliicas  sn.t;ifta>  velocitate  praeire, 
quod  nunniiis  toi  iuterprctatiti  astniere  vidctur:  Iinmiu  cuiiii  cursuni  soiiat.  lo 
£t  ue  durities  itineris  plantas  tuoä  laedat,  culceu  tc  ülm  caiceis,  quos 
nadius  qaartus  pittacüs  suppegiiti  et  davis  caligarÜB  suffixisti/ 

Et  com  dieto  converti  aermoiiem  meom  ad  Sidoniom  sie  inqidens: 
,0  Sidoni,  ego  som»  ut  andisti,  coenatan»  com  PbOotimo  meo,  qd  me  in 
vestibolo  domos  meae  opperitor,  ut  ona  secnm  ad  coenam  perggui.  Tu  ib 
Tero  com  Dromone  meo  hilares  convivas  boc  vesperi  agetis.  Archimagiras 
meoa  Parmeno  soppeditabit  vobia  escolentomm  abundantiam  et  pocillator 
meos  MegadipsMS.  idem      promii«?,  poenlontonim  affluentiam.' 

Vix  haec  praet';(tii  fiieram,  cum  Sidonius  surgens  capnt  sirum  aponiit 
et  dexterain  iiu'am  appr^hcndit  sie  direns:  ,Iam  nunc  volu  tibi,  mi  ht-ro, 
valefacerr  et  gralias  pru  tuis  imiiiortalibus  bcneficiis  in  me  collatis,  cum 
non  posbim  referrc,  saltem  babere,  si  forte  crastiiia  die,  qua  binc  abiturus 
8um,  non  daretnr  mihi  valefadoidi  on^rtoidtas;  possibile  est  cnim  me 
cogi  Inno,  priusquam  to  te  e  lecto  compias,  abire  et  iter  destinatam 
capessere.  Vale  igitnr,  mi  here,  et  mihi  ut  mancipio  too  impera.'  » 

Tom  ego:  ,E!t  tn,  Sidoni,  vale  et  iter  destinatnm  fanstia  avibns 
capesse  Pancratinmqne,  hemm  tonm,  meo  nomine  aalvere  plnrimnm  inbeto. 
Itemm  vale/ 

His  dictis  cubiculo  exce??i  ronf»  ndons  festinabundus  in  vestibuhim 
domus,  in  quo  erat,  ut  supra  memoravi,  rhil<  tiiiuis  mens  cum  ministris  ao 
suis  mercenariis.  Qu!  cum  primum  me  conspuatiis  tui'rnt:  .At  tu',  inquit, 
,longas  luoras  m^i-ti>.  Sonuit  sextam  h<»raTn  vt-spcrtinatii,  tcuipiis  <"st  (  ocuandi, 
eamus  ad  uedcä  nieua  coeaatum,  affattm  cuncta  duh  i  baporo,  acio,  suut 
percocta.* 

fEamos*,  inqnam.  as 
Haec  tecom,  mi  Pancrati,  per  literaa,  ot  ainnt,  iocatns  sum.  Sed  to 
forsan  iam  nunc  admiraberis,  qood  ego  non  dixerim  obique  Terisimilia 

2)  adnuntiat]  annunciut  B.  il)  culceaj  caloia  A.  11)  caiceis) 
calciis  Ä.  15)  opperitui']  operitur  Is.  16)  vesperi]  vespere  B,  20)  dex- 
teram]  dextratn  B. 

10)  Dromo  curaum  öunat,  imtno  curaorem. 

12)  pittacium  est  portio  quaedam  corii  cocti,  quo  muniuntur  soleue 
caloeomm. 

16)  archimaginia  latine  didtur  prinexpalis  eoquua. 


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144    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutecbe  Emehtmgs-  u,  bchulgeech.  VIL 


neque  servaverim  ubique  in  personis  ar  rebus  decorcin  scrundum  praecepUt 
artis  oratoriae,  itemqne  quod  nun  servaverim  ubique  brevitatem  veuusta- 
temque  et  mundiciem  comicae  orationis.  Sed  nihil  est,  quod  admireris,  si 
egu  uülim  saepium  sudes  vetustate  putridas  purpureis  amiciie  chlamydulis 

5  tut  caaau  mm  iuglandes  aoreis  intorsre  bnoteiB.  OUBciitt  lam  dndmn« 
ni  Mlor,  quid  Telim,  qaonlam  qnidem  homo  es  nare  aagaciore  quam 
eanis  TenaticsB,  immo,  herele,  qnain  Toltiir  ftmelicos.  Sed  de  hac  re  «atie. 
Cetermn  nostS  qnilnis  et  qmntis  te  ism  pridem  oneravi  preeibns,  nt  mibi 
remiUerea  geometriam  Eaclidis,  theoricam  planetarum  et  metaplqndeain 

10  AiUtoteliB  einn  commentariis  Thomae  Aquinatis.  Sed  nondom  cnrasti 
remitterc;  cura  igitur  propediem  remittas.  Vale  et  magi^tram  Theodorirnm, 
virum  Pcripateticis  di'^riplinis  apprime  eruditum  et  arithmeticae  non  minus 
quam  penmetriac  pcrituiii,  meo  nomine  plarimnm  salvere  iubeaa.  Itenunvale. 
£x  Daventria,  sexto  Idus  loUas  M.  CCOC.  XC. 


1)  decorem]  decomm  B.  13)  aritfametiiM  non  minus  quam  geo< 
melriae]  geometriae  non  minus  qoam  arithmeticae  B.  14)  IL  CCCG.  XC] 
Anno  nostrae  salotis  H.  OOCC.  XGYL  B. 


5)  braetea  est  teniiistlm»  lamina  ex  auro  Tel  atffento  vel  atio  metallo 
Habiicata. 


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14.  Des  Bartholomäus  von  Köln  sa^nhattes  Sendachreiben.  145 


Des  Bartlioloniäus  you  Xöiu  sageuhalXes  Schreiben 
an  seinen  Frennd  Pancratius. 

Bartholom US  von  Köln  sendet  seinem  liehen  I'ancratiiis  besten  Grusa. 

Wenn  ich  auf  Deinen  schon  vor  langer  Zeit  an  mich  gerichtoten 
Brief  Malang  nicht  geaatwortetlMilie,  wie  ee  meine  Pflicht  geweoen  wBre,  eo 
mOgeet  Du  das  lüeht  rnetner  SaiimBellgkeit,  sondern  -vlelmeiir  den  ver- 
schiedenartigen Goechärtci).  dio  mich  in  Anspruch  nehment  zueolireiben, 
indem  ich  durch  so  viele  vnul  umfassende  Beschäftigungen  hingehalten 
werde,  das«  mir  kanm  die  {^eeitmete  Z»»it  zur  Erhohmg  übrig  bleibt,  wie 
sich  jeder  leicht  vuretelleu  kann,  der  da  sieht,  wie  ausser  den  tiiglichen 
Mtfreibenden  ArT>eitenim  Bciiuldienst  mit  seinen  PfUeht-,  Neben«  und  Ver- 
teetungaetnnden  nnd  aneser  den  mnmteilMocliMien  Anstrengungen,  die 
ich  Tag  und  Nacht  auf  wisaensehaftliche  Porschangen  verwende,  die  Be- 
streitung'' des  Haushalten  mir  gewaltige  Sorge  macht,  zumal  in  dieser 
Zeit,  wu  mau  unter  der  Teuerung  nicht  nur  des  Getreides,  sondern  jeg- 
licher Art  von  Lebensmitteln  überall,  so  weit  ich  sehe,  zu  leiden  hat 
Das  ist  al»er,  wie  Du  aus  eigener  Brfslirang  weisst»  eine  IieUde  Sadie, 
und  mir  kommt  sie  wahrhaft  mühselig  vor.  So  ist  es  gekommen,  dasa 
ich  auf  das  durch  Deinen  Brienrntm  mir  überbrarhte  Schreiben  dio 
längst  gewünschte  Antwort  ganz  und  gar  schuldig  geblieben  bin.  Doeh 
genug  hiervon. 

Uebrigens  werde  i^  D^en  Bnkel  Paulus,  d«i  Du  mir  ao  angele- 
gentlich empfiehlst,  bis  au  dem  in  Defaiem  Briefe  angegebenen  Zeitpnnict 
in  meine  Obhut  neiinx  u.  indem  ich  so  eine  günstige  Gelegenheit  erlangt 

au  haben  glaul>e,  mich  gegen  Dich  dankbar  bei^eipi'en  und  Dir  dit-  unvfr- 
gessllchen  NVuhlthaten.  die  l)u  mir  erwiesen,  endlieh  eiumnl  vergelten  /u 
können,  wus  ich  bislang,  da  mir  die  Gelegenheit  dazu  vorsagt  war,  nicht 
vermocht  habe. 

Die  aatrcmomiache  Schrift  des  MarBua  ManiUna  nebat  der  Abhand- 
lung des  Hyginus  Uber  dio  Gestirne,  die  I>u  sehen  so  lango  sohnlichat  er- 
wartet hast,  würde  ich  Dir  zug-e^andt  haben,  wenn  ieh  sie  iij^fndwo 
bei  den  Buchündieru  oder  Verlegern  zum  Verkaufe  ausgelegt  gefimden 
hatte. 

Deine  Bücher  jedoch,  und  namentlich  den  Sidonius,  den  ieh  vor  drei 
Jahren  von  Dir  geliehen  bekommen  habe,  sende  ich  Dir  aurftek.  Iietzterer 

hat  nftmlich  bislang  bei  mir  in  der  Kammer  ein  Leben  verbracht,  das, 
bei  Gott,  dem  Tddesschlafe  ganz  Uhnlich  sah. 

Ala  ich  seine  Schlafsucht  schliesslich  nicht  mehr  ertragen  konnte, 
rief  ich  ein  Ober  das  andere  Mal  mit  lauter  Stimme:  .Sidonius,  wache 

MitUiiiuogeo  d.  Ges.  f.  deutsche  Enleh.-  u. imlguaciacljU:.  Vit  2  lä^T.  ^ 

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146    IQtteUuiigttii  d.  Om.  t  dentachA  Endakniigs-  n.  MalgMeh.  VII. 


auf!  Sidonius,  wache  auf!  Die  Sonne  ist  ja  bereits  bi»  zum  Zenith 
unserer  Halbkuj^^nl  ompor^fstie^on;  du  lio<^st  ja.  o  Schmach,  bis  in  den 
hellen  Mittag  hineiii  im  Bett»-,  schon  ^'enug  und  üborp:pnug:  hast  du  dem 
Schlafe  dich  hingegeben."  Du  ich  mit  solchen  Rufen  uiclit«^  uuärichlete. 
fing  ich  endlich  an  im  Stillen  nwdizudenken,  was  wohl  der  Gnind  aein 
möchte,  daas  dieser  Widit  ganxe  Nichte,  ef,  was  sage  ich  Iteehte?  viel- 
mehr ganze  Tage  samt  den  N&chten  dazu  ohne  Jede  Unterbrechung  — 
was  wunderlich  lautet  und  jichw-rr  zu  prlauhon  i:<t  —  dnrchschlflft,  so  da>»s 
er  einem  Toten  ilhnlichcr  üielit  üb  einem  Schlummernden.  Vielleicht  hat 
er  Mohnsamen  mit  gieriger  Kehle,  wie  man  so  sagt,  verschlmigen.  oder 
irgend  einen  tScliIaftrank  in  machten  Zflgen  haatig  liinuntergeapoit. 
wahrend  solche  (jedunken  mir  wiederholt  durch  den  Kopf  gingen,  hielt 
ich  OS  fcliliortslich  doch  für  da.s  (Jeratenstt»,  in  seine  Kammer  einzudringen 
und  ihn  aus  dem  tieien  J^chliit'e  aulzurüttpln.  Als  ich  an  die  kleine  Thür 
des  Gemaches  gekommen  war,  äug  ich  wieder  mit  lauter  Stimme  an  zu 
rufen:  .Sidoniua,  wache  auf  und  erhebe  dich!**  Und  lugleieh  lclq>fte  ich 
mit  den  dem  Daumen  nftchatfoigenden  beidoi  Fingern  leiae  an  die 
Kammerthür.  Nachdem  ich  einmal,  norhmals  und  abermala  vergeblich 
angeklopft  hatte,  griif  ich  alsbald  in  die  Ta.-^che.  welche  an  meiner  linken 
Seite  bini^.  holte  einen  ÖcJilüs.sel  heraus,  steckte  den-wlben  in  das  ThOr- 
schioss,  da,  wo  dos  SciüUssellueh  äich  befindet  Als  ich  ihn  aber  hinein- 
geeteckt  und  umgedreht  liatte,  zersprang  er  ia  zwei  Stttcke,  von  denen 
ich  das  eine  in  der  Hand  Uelt»  daa  andere  im  Schloaae  stecken  blieb. 
Angesichts  diese?  Missgeschickes  stand  ich  zilhneknirachend  da,  und  mit 
kräftigen  Fäusten  h.liumerte  Ich  derartig  auf  die  KammcrthOr  le.s,  das;» 
nicht  blos  diese,  sondeni  auch  das  sämtliche  Zirumergersit  wie  ein  von 
Windstösseu  bewegter  Strauch  eraitterte.  Als  ich  selbst  mit  diesen  Fuuäi- 
achlagen  nichta  ausrichtete,  da  trat  ich  einige  Schritte  von  der  Kammer- 
thfir  surttck,  um  in  stärkerem  Änsata,  nach  Art  der  Stiere,  welche  mit 
vorgehaltenen  H5meni  auf  einander  loszugehen  pflegen,  die  Thür  eimnt- 

rennen  oder  sie  wenipstens  aus  den  Angeln  zu  brinfren.  Als  diese  end- 
lich durch  meine  Fusstritte  aus  den  Angeln  geris5*en  war,  stürzte  ich 
schneller  nlä  ich  es  sagen  kann,  wie  wahnsinnig  mit  gewaltigem  Lärm  in 
das  8chlal^emach,  indem  ich  so  laut  ala  möglich  rief:  „Holla,  wo  ateckat 
du  denn,  Sldoniua,  daaa  du  mich  auf  mein  Klopfen  nicht  eingelassen  Imst? 
Was  treibat  du  nur,  du  Galgenstrick?  Mögen  alle  Götter  und  Göttinnen 
dich  vernichten!  Warimi  jriebst  du  mir  keine  Antwort?  Warum  bleibst 
du  stumm?  Hiust  du  denn  die  Sprache  veriuren.  du,  der  sonst  ge- 
schwätziger zu  sein  pflegt  als  die  Dohle  und  ein  grOsaeres  Plappermaul 
ala  irgend  ein  Proach  ?"  Und  damit  führ  ich  mit  beiden  HBnden  In  die 
Bettdecke  und  das  Lemenseug  des  Lagers^  indem  ich  den  Menschen  vom 
Kopf  bis  zu  den  Füssen  eiitblösste,  so  da.ss  Du.  wflrest  Du  dabei  q-e- 
weaen,  ihn  nicht  für  Sidonius,  sondern  für  einen  indischen  lirahmiaeu  ge- 
halten haben  würdest;  ach,  ich  habe  mich  versprociien,  nicht  für  einen 
Brahminen,  sondern  für  eine  Menschengestalt  aus  Hols  hattest  Du  ihn  ob 
seiner  ßtumpftinnigkeit  und  Geistestragheit  angesehen.  Als  er  nun  so 
blOBsgcdeckt  war  und  kein  Zeichen  von  Leben,  geschweige  von  Schlaf, 
verriet,  da  begann  ich  ernstlich  daran  zu  zweifeln,  ob  er  tot  oder  leben- 
dig sei,  oder  ub  er,  zwischen  beiden  Zuständen  schwebend,  wenn  es  die 


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14.,De8  BArtboloraftus  von  Köln  sagenhaftes  Sendschreiben.  147 


Katurgeöetzo  zuliesson,  ein  neutralem  Wo^on  (iarr^tollo.  Während  derartige 
sweifelndo  (iedankeu  mir  im  .  Kopfe  hm  uud  her  gingeu,  kam  ich  schliess- 
lich XU  der  Ansieht,  daas  aa  doch  wohl  am  goratenstaii  boIb  wflrde,  wann 
ieh  niher  hinzuträte  und  dureh  gaachickt«  Unteranchung  harauabrachte, 

ob  etwa  noch  Leben  in  ihm  sei.  Und  aogleich  befühlte  ich  mit  grflaater 
.Sorgfalt,  wie  ein  Arzt,  den  Puls  st'iiics  reclitoii  Uiitorarmea,  damit  ich, 
wenn  übt'rh;iii[)t  noch  Leben  in  ihm  wäre,  die»  an  den  Pulj»sichlügen  ver- 
spürte. AI»  aber  die  mit  meinen  Fingern  zusammengepre^aten  Aederchen 
Icainen  Pulsaclüag  und  Icein  Zeichen  achlummemdan  Lebana  von  aidi 
gaben  —  sie  standen  nSmlidi  wunderbarer  Weiae  ganz  und  gar  still  — , 
da  ricihtete  ich  alsbald  meine  Hand  von  den  Adern  zu  seiner  linken  Brust- 
warze, unter  dor.  wie  die  Aerzte  lehren,  das  Herz  des  Menschen  steckt, 
\\m  wahrzunehmen,  ob  irgendwo  Iii  der  iJrust  noch  Lebenswilnne  ver- 
borgen wäre.  Nachdem  ich  ubo  meine  Hand  auf  öeiue  Brust  gelegt,  tiol 
mir  eine  gewisse,  sehr  schwache  W&rmeauf,  die,  wie  mir  achten,  allenünga 
kein  sicheres  Anseieben  von  Leben  war,  zumal  da  ich  auch  nicht  den 
geringsten  Atemzug  verspOren  konnte. 

Ich  fasHte  also  einen  neuen  Plan  und  nahm  eine  weiche  Feder,  die 
ich  ihm  in  die  Nasenflügel  tJteckte,  um  zu  imtersuchen,  ob  er  lebe  oder 
jiicht.  Sobald  diese  ihm  in  die  Naae  gesteckt  wiurde,  schnellte  sie  sofort 
infolge  dea  Gegenhauehes  in  die  Lnft  Das  war  mir  aber  ein  Hauptbew<^ 
aeinea  Lebens.  Als  ich  diesen  hatte,  da  wurde  ich  ungeduldiger  als  man 
glauben  kann,  und  sogleich  schrie  ich,  so  laut  ich  nur  konnte,  ihm  wieder- 
holt in  die  Ohren:  , Sidonius,  wache  auf!  Sidonius,  wache  auf!"  so  dass 
Du  geglaubt  haben  würdest,  nicht  die  Stimme  eines  Menschen,  sondern 
das  Gebrttll  eines  Stieres  zu  hOren,  Auf  diesen  Ruf  bin  aber  wurde  er  so 
wenig  wach,  wie  ein  in  tiefsten  Schlaf  versunkenes  Meertcalb  beim  linden 
Sttuseln  des  Zephyrwindes  erwacht. 

Als  aber  luu-h  dies  Schreien  nichts  helfen  wollte,  da  wurde  ieh 
schliesslich  huud;ri°eitlich  und  niachi<>  mich  daran,  ihm  mit  meinen  Nägeln 
in  die  Ohren  zu  kneipen.  Nachdem  diese  gezwickt  und  beinahe  abgerissen, 
fing  ich  alsbald  «n,  ihm  den  üMt  bia  auf  die  Schenkel  herabrelchendai 
Ziegenbart  stellenweise  auszurupfen.  Und  damit  der  Qbrige  Teil  des 
Kopfes  nicht  uuverschont  bliebe,  griff  ich  ihm  in  seine  vorn  und  hinten 
herabwalleiiden  Haare  und  riss  diese  wahrhal'ti;,'-  bis  auf  die  Wurzeln  au», 
«o  dass  l)u  nicht  einen  Kopf,  sondern  einen  Ivürbis  udereine  abgeschabte 
Hube  zu  erblicken  geglaubt  hättest.  Er  jedoch  blieb  so  unempfindlich 
wie  eine  BUdaftule.  Als  er  nun  in  aolcher  Empfindungslosigkeit  veiharrte, 
«Heg  in  mir  beim  atili«k  Kacbdeaken  der  Verdacht  auf,  dasa  dleaer  Mensch 
wohl  am  Stankrampf  leiden,  odw  durch  einen  Zauberspruch  betäubt,  oder 
von  der  C'irce,  welche  die  (?eno«j<pn  des  Odyssens  in  verschiedenartig?© 
Tiere  verwandelt  hat,  verzaubert  uud  in  einen  Siel^enschhlfer  uni^'^ewandelt 
sein  möchte.  Aber  während  ich  so  nachsann,  kam  ich  zu  der  Leber- 
zeugung, dasa  er  nicht  T^rzaubert  oder  eratarrt,  sondern  vom  Scheitel  bia 
zu  den  Zehen  vom  Faulfieber  befallen  sei.  Als  ich  aber  daa  heranage» 
bracht  hatte,  Hess  ich  alsbald  voll  Unwillen  meine  Augen  umherschweifen, 
jeden  Winkel  des  (iemacha  sorgfftltip:  durchspnhend.  ob  ich  nicht  irgendwo 
einen  Stock  erblickte,  den  ich  ergreiten  konnte,  um  damit  diesem  Schlingel 
seine  Faulheit  aus  dem  Kopf  zu  treiben,  WAlirend  ieh  so  umlierspahte, 

10* 

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148    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehuugs-  u.  Schulgesch.  VII. 


fiel  mir  ein  Knfttel  von  Armsdicke  in  die  Angren,  womit  ehedom  mufc» 
maBslich  dio  Hausthtlren  verrammelt  wurdon.  Diesen  ergritt"  ich  mm  und 
bewaünete  damit,  i*la  ginge  es  zur  Sciilttelit,  meine  Hände,  dann,  zum 
BdlUge  ftnftholend,  UeM  ich  Hieb  «nf  Hieb  nledereaueen  und  rnObete  mieik 
In  geiraltigeti  Ktanpfen  «b  wie  ein  lleieter  der  Ringschule,  kh  beabddi- 
tigte  nämliclv,  ihn  so  lange  zu  verhauen,  bis  ich  ihn  aus  dem  Bchlafe, 
nein,  auB  der  Starrsiicht  oder,  richtif^cr  ^osa^rt.  vom  Todo  aufgeweckt  hatte, 
indem  ich  meinen  Prügel  für  den  Züuber8tab  det>  Merkur  liielt,  womit 
dieser  die  Toten  in  das  frohere  Leben  zurückzurufen  pflegt. 

Als  er  endlieh  gemerlct  hatte»  dees  die  Sache  mit  dem  Prflgel  abge- 
macht werden  sollte,  und  dass  er  durch  wuchtige  Stockhiebe,  wie  daa 
Eisen  auf  dem  Amhns.  weich  f^ehauen  -wurde,  da  rief  er,  po  Iniit  er  nur 
konnte,  zu  wiederholten  Malen  aus;  »Waffen  herbei,  lieber  (Jastlreund! 
Waffen  herbei,  lieber  Gastfreund,  und  konun  mir  zu  Hüte Auf  sein 
Sdureien  erwiderte  icli,  indMi  ich  üim  den  PrOgel  unter  die  Angen  htolt : 
«Hier  sind  ja  Waffen;  solltest  du  sie  mit  deinen  biOden  oder  viehnehr 
schlaftrunkenen  Augen  ni(  hf  sehen,  nun,  dann  sei  mrr  ganz  getrost;  ich 
werde  e<*  wahrlich  schon  dahin  bringen,  dass  du  sie  bis  ins  Haik  Iiinein, 
verspüren  sollst." 

Sidonius:  »Wer  bist  du,  Schurke,  der  du  mich  Armen  derartig  mit 
BchUgen  durchblftut  hast,  dass  mein  Leben  auf  dem  ^iele  steht?* 

Auf  seine  Frage  erwiderte  ich:    »Ich  bin  ja  dein  Gastfreund^ 

Sidonius,  d'  r  ylch  bemüht,  mit  diesem  Z;iubf^i^tabe  dich  aus  dem  tiefen 
Schlafe,  oder  vielmehr  vom  Tode  ine  frühere  Leben  zurHckzunifen." 

Sidonius:  „Aiier  da  soUfu  dich  doch  Jtipitcr  und  all»-  (Wetter  ver- 
derben! Nicht  mein  Freund,  sondern  mein  Feind  bist  du,  der  du  mit 
diesem  knorrigen  Knittel  mir  die  Seele  aus  dem  Leibe  treibst«  widirend 
du  doch  von  mir  nicht  nur  nicht  thfttlieh,  sondern  nicht  einmal  mit  dem 
leisesten  Worte  beleidigt  worden  bist.  Um  dir  den  Anschein  zu  geben, 
als  gingest  du  mit  Recht  gegf»n  mich  vor.  wfirf«  f»f»  sichon  bitter  genug' 
zu  ertragen,  wenn  du  mich  geobri'eigt.  oder  mit  der  Faust  meine  Kinn- 
backen bearbeitet,  oder  mit  I'eitachenhicben  mir  den  Rücken  verhauen 
hättest.  Jetst  stehet  du  da  mit  dem  Knittel,  womit  du  mir  die  Seiten 
blau  geschlagen  hast,  ausgerüstet,  als  wenn  du  eine  Schlacht  auafechten 
wolltest.  0  grosser  Apollo,  durchbohr^  dicfinn  Hchandhnhon  mit  deinen 
Pfeilen,  womit  du  dem  Python  dir-  Eingeweide  durchschossen  hast,  auf 
dass  er  seine  Schandthaten  durch  Verwundung  oder  Gift  büsse!  Oder 
besser  noch,  man  schlage  ihn  ans  Kreuz,  damit  er  xwischen  ffimmei  und 
Brde  sehwebe,  mit  rlLckwArts  gelegenen  und  nach  oben  gezogenen 
Füssen,  abwärts  zur  Erde  geneigtem  Haupte,  die  Hände  auf  den  Kucken 
gebunden,  die  Augen  mit  einer  Bind^  verhüllt,  während  zwei  in  "Wut 
gebrachte  SrhfHerhunde  sich  zu  bf  iden  Seiton  an  seinen  Hinterbeinen 
festbelssen,  auf  dass  er  lebend  den  Hunden  und  todt  den  Raben  zum 
Frasse  diene  und  so  einen  seinen  Schandthaten  einigermassen  ent* 
sprechenden  Lohn  empfange,  er,  der,  bei  Gott,  yerdlent  hfttte,  an  swtf 
Viergespanne  festgebunden,  durch  Auseinandertreiben  derselben  zerrissen 
au  werden!" 

Bfirtholoiii  ins :  ,Du  sollst  sehen,  wie  bald  du  Prügel  bekommst, 
wenn  du  niclu  auf  der  Stelle  schweigst,  du  Schurke.   Du  weisst  doch 


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14  Des  Bartholoaiftiw  von  KÜHn  eagwibflfles  Sendadur^betu  14^ 


holltoiitlidi,  dass  nlenand  iiiig6S(ir»ft  in  ein  Wespennest  sticlit.  Denn 
wenn  du  nicht  suflidrst,  solche  schredcliehe  VerwQnechungen  Mf 
Hnnpt  herabsomfen,  so  werde  ich  es,  beim  Himmel,  beute  noch  dnhia 

bringen,  dass  auf  dem  ganzen  Erdennind  kein  auch  nur  annähernd  so 
bejammornswerter  Mensch  zu  fintinn  ist  \\  it>  du."  Und  damit  srhwang  ich 
den  Knittel,  alä  ob  ich  zuachlugeu  wollte,  indem  ich  üim  jedoch  nur 
SchlAge  androhte,  aber  nicht  anschlug« 

Als  er  das  sah,  eigrilT  er  blitaadinell  das  IQssen,  welcbes  ihm  anr 
Stütze  für  seinen  Nacken  diente,  and  hielt  es  wie  pinen  Schild  gegen  den 
Hieb  vor,  wobei  er.  sn  laut  er  nur  konnte,  wiederholt  ausrief:  ,0  gros^<«»^ 
Apollo,  hilf  mir!  O  grosser  Apollo,  hüt  wir!  Denn  ich  bin  ein  Kliiü  dea 
Todes,  wenn  Du  mir  nicht  mit  Deinem  gewohnten  Beistande  zur  Seite 
etehat" 

Als  er  so  jammerte,  da  wollte  ich  schier  vor  Lachen  beisten,  ao  daas, 

da  mir  <ltirch  das  unbändige  Gelächter  die  Kräfte  ausgegangen  waren, 
auch  die  K'frile,  durch  ihr  eigenes  Gewicht  herabgezogen,  meinen  Händen 
entglitten  war.  Diese  nahm  ich  jedoch  endlich,  nachdem  sich  das  Lachen 
ein  wenig  gelegt  hatte,  unter  meinen  Pttssen  weg  wieder  in  die  Hand, 
Indem  ich  also  sprach:  „0  Sidonina,  warum  bist  du  von  dem  Qotte  dea 
Bdilafes,  dem  friedlichsten  der  Götter,  zu  Apollo  abgefallen?  Hast  da' 
denn  unter  der  Fnhrttng  tind  Obcrloitmig  dos  Schlaffjottes  bislang  etwa 
Kriegsdienste  f^ethan?  Antworte,  ich  bitte  difli.  Sidoninf.  Glaube  mir, 
«8  Wäre  für  dich  besser  gewesen,  wenn  da  von  dem  Schlafgotte  zu 
Herkulea  ttbeiigetreten  wBrest,  der  dich  mit  diesem  Prügel  in  den  ersten 
IQunpfabungen  unterwiesen  und,  wie  du  selbst,  sollte  ich  meinen,  sugeben 
wirst,  sie  dir  gründlicli  beigebracht  hat." 

Sidonius:  „Herkules  möge  dich  Sr!>  indbid)on  mit  seiner  dreiknoti^en 
Keule  nieder.Hchlag-en  I  Vorhin  ha.stdu  uucii  mit  deinen  fürchterlichen  Hieben 
zerbläut,  und  jetzt  ziehst  du  mit  allerhand  tSpöttereien  gegen  mich 
ZU  Felde.  Alle  Götter  und  Göttinnen  des  Himmels,  der  Unterwelt  und  dea 
Raumes,  der  daawiaehen  liegt,  mögen  dich  Schandbuben  sdundvoU  au 
Grunde  richten  und  von  der  Oberwelt  durch  die  Abhänge  der  Erdschlünde 
in  den  Zuaammenfluss  des  Cocytus  und  dos  Plilog:eth<in  hinabschleudcm, 
damit  du  dort  im  Thränenmeer  und  l-euerpt'uhl  für  deine  tichandthaten  in 
Ewigkeit  gepeinigt  werdest!"   So  jener. 

Darauf  nahm  ich  das  Wort:  „Du  lieber  Oott,  was  muss  ich  dn  von 
dir  hören?  So  lohnst  du  also  mir,  deinem  Oaatfireunde  und  Arzte,  Si- 
donius, der  ich  dich  drei  lange  Jahre  hindurch  wie  einen  Siebens(  hlfifor 
in  meinem  Huuae  gemästet  und  obendrein  noch  durch  ein  licilkriUti^es 
Mittel  kuriert  habe?  Du  verdienst,  beim  Herkules,  du  verdienst,  wegen 
deiner  Undankbaik^t  die  ärgsten,  ja  die  allerärgsten  Strafen  zu  erleiden! 
0  ihr  gütigen  Götter,  was  ist  denn  nur  mit  diesem  Ungeheuer  loa? 
Wenn  es  gilt  zu  sprechen,  ist  der  Mensch  stumm  wie  Pytbagoras,  und 
wenn  er  schweitren  .soll,  spricht  er  wie  Epikiir  und  sclnvatxt  wundorlicheg 
Zeug,  so  dass  man  iui  Zweifel  ist.  ob  er  diirrli  seine  Schweigsamkeit  ver- 
hasster  oder  durch  seine  Schwatzhuttigkeit  lästiger  ist."   So  weit  ich. 

Danttf  entgegnete  jener:  „Ach,  Jupiter,  du  Schiimer  dw  Gaat- 
freundsebaft,  was  soll  ich  dazu  sagen?  Welcher  Mensch  hat  Je  einen 
aolchen  Gastfreund  gehabt,  der  seine  Gflste,  damit  sie  nicht  unbedeckt  im 


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150    Mitteilungen  d.  Ues.  t  deuUclie  Erziehuugs-  u.  Scbulge«ch.  VIL 


Bt?tte  lie^i^en,  mit  Kjiilteln  zudeckt!  der.  wiewohl  er  nichts  dagegen  einzu- 
wenden hat,  dass  das  ROckleln  seines  Gastes  beim  Antrittabesuehe  ein- 
farbig ist,  dennoeh  auf  keine  Weise  dulden  kann«  dass  Rfleklein  eine 
Farbe  zeigt,  sondeni  rieh  abmüht,  dasselbe  durch  l'QrchterlH  he  Hie])C  ao 
buntscheckig  zu  machpn.  wie  gestickte  Vorliilii;;»'  Dclor  mit  Tier<restalten 
durchwirkte  Tfpjili-he !  Liel>er  ■wollte  ich  am  >ii)rdi)ol  oder  in  Alrika  leben, 
als  dass  ich  im  Hause  eines  derartigen  Gastfreundes  bUebe.  Ich  würde  ea 
▼erdeh«!,  ao  wahr  ndr  die  QdtUur  helfen,  Schwanbrot»  nelii,  beim  Her> 
knleSt  nngeriebte,  aehmutaige  und  mit  vielem  Sand  durchaelBte  Kleien  in 
zerkauen  und  PfUtzenwamer  ans  der  huhlen  Hand  zu  Mnken,  als  vcm  den 
honiiTMOssen  I^eckereien  eines  derarti;^eri  (lastfreundes  zu  nwchen  \md 
Chierweiü  oder  irgend  welchen  andern  CJidtertrank  aus  mit  Edelsteinen 
besetzten  Schalen  zu  Mchltlrfen.  Hatte  ich  nicht  besser  draut».sen  im  Grase 
oder  auf  dem  Strassenpilaster  genAcbtigt,  als  In  dieeem  Ruhebette?  in 
welchem  ich  wie  ein  arlcadlacher  Beel  mit  dem  Knlttel  verbauen  worden 
bin.  und  zwar  von  einem  Menschen,  wenn  man  ihn  ttberhaupt  einen 
Menschen  T)eTinf>ti  darf,  vor  depf*»n  (Irausanikcit  der  Altar  des  Bnsiris.  der 
Stall  des  Diomede»  und  der  Tisch  Uea  Lykaon  in  den  Schatten  treten^ 
dessen  Haus  der  Stier  des  Phalaris,  nein,  beim  Herkules,  der  Vorhof  der 
Bftlle  ist,  in  welchem  daher  mit  grOeserem  Recht  Furien  hausen  würden^ 
als  Menschen.  Wahrlich,  ich  weiea  bestimmt,  dass  Vulkan,  Sonne,  Mond 
und  Tageslicht  keine  schlimmere  Folterkammer  je  beschienen  haben.  Ha, 
und  was  ich  heinahe  vor^'essen  hütfe.  dieses  Krokodil  faselt  mir  vor,  es 
spiele  nicht  blos  den  Gasttreund,  sondern  auch  den  Arzt.  Was  kann  wolü^ 
ihr  grüUgcn  GOtter,  einAltig«r  lauten  und  schwerer  zu  glauben  sein,  als 
dass  der  den  Arzt  spielt,  welcher  einem  die  Rippen  einschlugt,  die  Hnft- 
gelenke  auseinandertreibt  nnd  die  Lenden  lahm  haut?  Kiti  solcher  stellt 
meines  Erarht'^i'r-  nicht  den  Hippnkrates.  sondern  den  Henkeraiuiecht  dar^ 
er  betreibt  nicht  Arznei,  sondern  Schinderei,-' 

Darauf  bemerkte  ich  ihm:  ..Sag,  Faullenzcr,  sag,  pHe^^en  denn  nicht 
die  Aerzte,  wenn  es  sein  muss,  eiternde  GeschwOre  mit  d«n  Seciermesser 
auszuschneiden,  oder  mit  glQhendem  Bisen  auszubrennen,  oder  gar  —  waa 
schauerlich  lautet  und  noch  schauerlicher  anzusehen  ist  —  menschliche 
Glieder  abzusäigen?*' 

Sidonius :  ..Warum  sag-st  du  das,  du  Erztaufjenichts?" 

..Damit  du.  Einfaltspinsel,  wissest,"  erwiderte  ich,  „dass  der  Arzt 
nicht  immer  die  ßalbenbflchse  bei  kranken  Gliedern  anwendet,  sondeni 
bisweilen,  wenn  es  not  thut,  die  Bage,  das  Seciermesser  und  glohend» 
Platten.* 

T>aranf  entg^egnete  jeuor:  „Ich  verstehe  nichts  von  dem.  was  du  da 
sagst.  Sprich  dich,  bitte,  deutlicher  aus,  denn  aus  solchen  Kedereien 
konnte  nur  ein  Oedipus  klug  werden,  der  die  Rätsel  der  Sphinx  löste." 

Ich  vefsetste:  „Du  verstehst  eine  Sache  nicht,  die  klarer  ist  als  die 
Sonne  am  hellen  Mitta^^:?  Ich  lege  dir  nnmilch  keine  Orakelsprflche  dea 
Apollo  v<^r,  dass  du  einer  Sibylle  als  Auslegerin  hedUrttest.  noch  Rätsel 
d'  r  thebanischen  Sphinx,  dass  du  den  Oedipus  nötig  hättest.  Indessen, 
um  dir  meine  Wahrnehmung,  soweit  ich  vermag,  ohne  Umijchweiie  klipp 
und  klar  darzulegen,  so  hOre:  Die  Krankheit,  an  der  du  schon  seit  langer 
Zeit  littest,  konnte  nicht  durch  Balsam,  sondern  musste  mit  dem  Stock 


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14.  Des  Bartholomäus  von  Köln  sagenhaftes  Sendschreiben.  151 


ausgetrieben  werden;  deshalb  beschloss  ich,  dir  die  Lenden  nicht  mit 
Salböl,  sondciik  mit  dem  Stock  ebunreiben,  d«mit  du  nach  endliehar 
Wtodereriangvng  d«r  Geaandheit  ein  frObliches  Leben  fthren  kOnnteet 

und  mir  alsdann  ein  augemesBenea  Honorar  zahltest," 

Sidonius:  „Willst  du,  Schurke»  etwa  behaupten,  ich  hatte  an  einer 
Krankheit  gelitten?*' 

BarthulomUuä :  „Das  behaupte  ich,  und  zwar  mii  vollem  iiecht,  da 
ja  nichta  wahrer  ist  als  dies,  weder  das  Orakel  Apollos,  no4Sh  der  Zettel 
der  SibyUe.'« 

Sidonius:  „0  Jupiter,  wer  hat  jemals  auch  nur  gertlchtweise  eine  so 
nnversch^lmte  Lüge  golißrt.  die  zu  der  Wahrheit  in  grellerem  Gegensatz 
steht  als  der  Habe  zum  Schwan?  Aeskiilap  hat  mir  vor  nunmehr  fünfzig 
Jahren  eine  kernfeste  Gesundheit  mit  aut  den  Lebensweg  gegeben  und 
mich  vor  jeglicher  Krankh^t  vollständig  bewahrt,  so  dass  man  sehen 
konnte,  wie  ängstlich  er  um  mich  besorgt  war  und  wie  ihn  der  Wonach 
beseelte,  für  mich  als  seinen  Sprt^ssling  auf  lange  Zeit  Vorsorge  zu  treffen. 
Denn  ich  selbst  würde  mich  für  einen  Sohn  des  Aeskulap  nnd  Enkel  des 
Apollo  gehalten  haben,  hätte  nicht  meine  Mutter,  die  in  solchen  Dingen 
erfahrener  ist,  mich  eines  andern  belehrt*^ 

Ich  entgegnete  ihm  darauf:  „Wahrliaftig,  die  Sache  verhAlt  sieh  so, 
wie  icli  .saf,'e.  Ich  habe  ja  auch  gar  keine  Veranlassung,  dir  etwas  vor- 
ziifchwiiideln.  Icli  bin  nicht  der  Mann,  der  sich  mit  Lügen  abzugeben 
pflegt,  wie  du  selbst  weisst,  wenn  du  nur  willst.  Üebrigens  wird  die 
Thatsache  selbst  meine  Behauptung  rechtfertigen,  namentlich  wenn  ich 
dir  höchst  glanbwllrdige  Zeugen  v<Hrl1lhren  werde,  deren  Veralehenmgwi 
du,  sollte  ich  meinen,  vollkommen  Glauben  beimessen  whrst,  auch  olme 
dasB  sie  ihre  Worte  mit  einem  Eidsehwnr  bekrftftigen.'* 

Daranf  sprach  jener:  ..Das  wirst  du  so  wenig  fertif^-  brin}?en,  als 
wenn  du  Kcf^enwanser  in  einem  Beutelsiebe  trafen  .solltest.  Wo  in  aller 
Welt  wirst  du  denn,  siig  an,  bitte,  derartige  Zeugen  auftreiben,  deren 
einfacher  Versicherung  ich  solchen  Qlauben  schenken  konntet* 

Bartholom&ns:  ,Jn  diesem  meinem  Hause  werde  Ich  dieselben,  wenn 
ich  will,  finden;  es  ist  nicht  nOtig,  über  die  Heere  au  setaen  oder  in  ferne 
Lande  zu  roit^en." 

0  lieber  Fancratius,  damit  Du  sehen  jetzt  erf/ihrst,  wie  diese  meine 
Diener,  die  ich  als  Zeugen  gegen  Deinen  Sidonius  vorzuiuhren  gedenke, 
eigentlich  aussehen,  so  will  ich  Dir  einen  jeden  derselben  der  Reihe  nach 
getreulich  abkonterfeien. 

Mein  Dromo  ist  von  annflhernd  regelrechter  Statur,  hat  einen  zier- 
lichen Kopf,  leicht  gekr.luspltps.  Iielihlondes  Haar,  fast  zusammenpe- 
wachseue  Augenbrauen,  lebhatte  Augen,  nicht  zu  weite,  noch  zu  enge, 
sondern  mittelmUssig  grosse  Nasenflügel,  eine  gerade  Nase,  weisse  Haut* 
Üftrbe,  kleine  und  feste  Zfthne,  einen  hohen  Nadcen,  eine  breite  Brust, 
mächtige  Schultern,  etwas  lange  Arme,  kräftige  Finger,  einen  massigen 
Bauch,  dünne  Schenkel,  elastische,  nicht  übermässig  aufgedunsene,  sondern 
durch  starke  Sehnen  zusammengehaltene  Waden  nnd  Beine.  Dieson 
Menschen  darfst  Du,  wenn  Du  etwas  richtig  besorgt  haben  willst,  ruhig 
damit  beauftragen;  er  würde  lieber  elendiglich  su  Grunde  gehen  woUon, 
als  dass  »  nicht  erledigte,  was  er  auszufahren  einmal  versprochen  hat. 


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152    ]litt6ilttiigead.G«8.£d6tttteh8EnMui]ig»-iL8cbuIgeBclL  YII. 
»■-  —  -  —  .  . 

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Davus  hingegen  ist,  wie  Du  weiset,  riesig  grom,  n&mlich  anderthalb 
Pubs  langer  ala  Dromo.  Sein  Kopf  iat  klein  und  mifSmilich  und  atete,  he* 

sonders  aber  bei  dar  geringsten  Bewegung,  im  höchsten  Grade  wackelig; 
sein  Haar  i.st  grau  meliert  und  spärlich  und  fehlt  am  Sclicitel  vollständig, 
dagegen  am  Hinterkopfe  hnnjrt  es  mehr  herab,  so  da»3  es  bereits  soinen 
isacken  bedeckt;  seine  Augenbrauen  sind  struppig,  die  etwas  blüden  Augen 
liegen  tief  in  den  HOhlen»  die  Obren  hAngen  ihm  schlapp  herunter,  seine 
Naae  ateht  in  der  Mitte  mehr  hervor  und  verengt  sich  nach  unten,  aeine 
Nasenflügel  sind  vom  Stockschnupfen  verstopft;  seine  Hautfarbe  ist  sehwftn- 
lieh,  die  Backen  sind  t^chmal,  der  Mund  hochrot  und  recht  breit,  die  Lippen 
schwellend  und  voller  Speichel,  die  Znhne  ecki^i^  und  luuh  Art  der  Eber 
hervorstehend;  er  stösst  mit  der  Zunge  an,  sein  Lachen  ist  unanständig 
und  um  so  widerlicher,  als  ihm  dabei  der  Schaum  im  Halse  ateht;  er 
haA  €iin  vielbehaartes  Kinn,  ein  Gericht,  das  ausaieht  wie  sehaxfer  Bssig  und 
Senf,  einen  steifen,  seitwärts  stehenden  Nacken,  eine  schmale  und  mit 
Haaren  bewachaeno  Brust,  einen  fast  bis  auf  die  Kiii^«  h*»rrihh:!r>2-enden 
Bauch,  einen  mit  einem  Höcker  gezierten  üücken;  zudem  hat  er  schlatie 
Schultern,  zu  kurze  Arme,  zitternde  Hände,  einwärts  gebogene  Kniee,  dicke 
Waden  und  recht  grosae  Fflsae.  Kurzum^  er  gleicht  im  Aeuaaem  so  sehr 
dem  Charon,  daas  die  meiaten  ihn  für  deaaen  Sohn  gehalten  haben  würden. 
Du  kannst  Dir  nun  selbst  ausmalen,  wie  es  im  übrigen  mit  dem  Menschen 
beeteilt  ist,  da  er  den  Beinamen  „Vielfrass"  führt. 

Was  aber  den  fulgendeu,  Parmeno,  betritli,  so  bemerke  ich,  das« 
derselbe  ziemlich  klein  ist,  eine  hohe  kahle  Stirn  hat,  mit  Rusa  und  Kohlen- 
staub bedeckt,  pausbaddg,  dickwanstig  und  etwaa  krumm  iat,  gewaltig 
grosse  Augen,  adüair  herabh&ngende  Backen  und  nach  auawArts  gebogene 
Beine  hat.  Den  rechten  Fuss  kann  er  nieiit  prut  gebrauchen,  so  dass  er 
sogar  in  den  Wintertagen  danut  hinkt.  Tarmeno  8chnn|)pte  nftmlich,  als 
er  noch  ein  Knabo  war,  einmal  ein  Stück  bchweinetieisch  vom  Met^er- 
laden  weg.  Da  dies  aber  die  Met^^rbuxscfaen  mit  ihren  scheelen  Augen 
wider  Brwarten  des  Parmeno  bemerkten,  ergriffen  sie  unaem  Parmeno, 
klopften  ihm  mit  ausgestreckten  und  besonders  mit  geballten  Plasten  das 
Wams  au3.  Icfxton  ihn  alndann  auf  eine  rohe,  soeben  von  den  Rippen  eines 
geschlaclit'^t'Mi  *)chsen  ahgezntrenr  Haut,  warten  ihn  mit  aller  Gewalt  in 
die  Höiie  und  iiessen  ihn  dann,  luduui  äie  die  Haut  wegzogen,  von  oben 
herab  auf  die  Erde  Adlon,  infolge  dessen  er  sidi  den  rechten  PussknOchel 
SM-braeli. 

Dieser  ist  der  leibliche  Bruder  des  Megadipsus.  Keine  vier  Tage 
slud  die  beiden  an  Alter  auseinander,  aber  an  btihischer  Verschmitztheit 
ist  I'armeno  dem  andern  um  mehr  ala  vierzig  Jahre  voraus.  Denn  der- 
selbe ist  bew  egUciier  als  ein  Tüplerrad^  je  nachdem  der  Wind  weht,  wendet 
er  die  SegeL  Eine  Zeichnung  des  Megadipsus  möchte  ich  wahrhaftig  lieber 
gana  unterlassen,  als  mit  Worten  geben.  Denn  es  bedOrflo  einer  zu  langen 
Darstellung,  wenn  ich  dienes  UugetOm  von  Menschen  veranschaulichen 
sollto;  (i:iss  er  nilmlii-h  eine  ^janz  ttnnatl^rliclie  (Jestalt.  einen  gewaltig 
grossen  Kupi,  zottiges  und  wirres  Haar  liat,  das  einem  Wulst  von  Werg 
ähnlich  sieht  imd  ungleichmässig  struppig,  kugoUutig  ausammengeballt 
und  glnslich  unentwirrbar  ist  wegen  der  langen  Vernachlässigung  nicht 
nur  im  PrislOTSn,  sondern  selbst  im  Loswickeln  und  Ordnen;  dass  er 


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14.  Des  Bartholomftiis  von  Koln  sagenhaftes  Sendschreiben.  153 


iHMTstige  Augenbniten,  rote  und  hervortretende  Augen,  eine  in  der  Mitte 

melir  eingezogene  und  nach  unten  hm  sich  orbreiternde  Xasp.  rnchi  weite 
Nasenflügel,  runzelige  Lippen,  einen  hn^^-^liction  Mund,  WolfszAhne,  auf- 
geblflhte  Backen  nach  Schlanfremirt.  ein  ]  iiifj:;»"«  und  mit  einem  Ziegpnbart 
besftetes  Kinn,  aowie  einen  dUiiueu  iiuid  hat;  du«tti  die  Farbe  dm  ganzen 
Körpers  aosser  dem  Gesiehte«  welchee  meistens  dnnkelrot  ist  infolge  der 
Tnniksiteht,  verschossen  aussieht;  dass  er  femer  Migschulterig  und  eng- 
brttstig  und  auch  in  Bezug  auf  die  übrigen  Körperteile  bis  zu  den  Fusa- 
i^pitzen  herab  unebenmaesig  und  anormal  ist  —  denn  alles  dies  hersu» 
zahlen,  würde  zu  weitlilufig  »ein. 

Aber  um  nun  endlich  nach  dieser  Abschweifung  auf  meinen  Aus- 
gangspunkt suraclESQkommen,  so  bemerke  ich,  dass  Sidonius  gesagt  hatte: 
»Jene  Zeugen,  welche  du  sn  haben  dich  rttlmist,  die  bin  ich  denn  doch 
begierig  zu  schon." 

Ich  eiitf^f^^iic'to  ihm:  „Du  du  meine  Zeu^^t-u  zu  sehen  wiinachest, 
so  will  ich  einen  jeden  derselben  bei  seinem  besondera  ^amen  au  rufen 
und  hierlier  bescheiden.  He,  holla,  Dromo,  Davus,  Parmeno  und  Megsr 
dipeus,  wo  steckt  ihr?  Eilet  schleunigst  herbei!*  Indem  hierauf  der 
eine  und  andere  und  sodann  mehrere  horeinstOnten,  hielt  ich  folgende 
Ansprache : 

„Was  hftltst  du  von  diei-en  Mlknntrn?  snir  ;in,  Sidonius.  Wurdest 
du  ihrer  einfachen  Versicherung  oime  weiteres  üiuuben  schenken,  oder 
solltest  du  etwm  noch  einen  Bidachwur  verlangen?  Sicherlich,  wenn  du 
von  Ehrenhaftigkeit  auch  nur  einen  leisen  Begriff  hftttest,  so  wttrdest  du 
ihrer  blossen  Versicherung  ebenso  gut  glauben.  Sie  sind  n&mlich  uuge« 
loffon  von  allen  Mnnncrn,  dio  jemals  ^^-clebt  hahon,  odor  noch  leben .  ->finr 
leben  werden,  die  jjrewisbenhaltesten.  Betraf^e  .sie  alr^o  nach  lk'liel)en  Uber 
deine  Ivrankheit,  und  alles,  was  sie  aittwortcn  werden,  sielie  für  einen 
Orakelspruch  Apollos  an. 

Bei  diesen  Worten  brach  die  gause  Dienexschaar  eamt  Sidonius  in 
ein  schallendes  Gelächter  aus,  so  dass  sie  sich  vor  Lachen  kaum  auf  den 
Beinpn  halten  konnten.  Niemals,  beim  Polhix,  haben  ^^ie  an  irgend  einem 
Tage,  soweit  ich  mich  erinnere,  derartig  gelacht,  noch  werden  sie,  glaubo 
ich,  in  der  Polgeseit  lachen. 

Als  endlich  das  Oelftchter  ein  wenig  nachgelassen  hatte,  begann 
Sidonius  den  Davus  mit  folgenden  Worten  anzufallen :  „O  guter  Mann,  oder, 
W(>nn  du  da8  lielier  lu'nst.  bester  Mann,  —  sollte  icli  Kl^en.  ."O  m^f^cn  es 
mir  die  Götter  ver/eiiien.  —  meintet  du.  ich  hätte  an  einer  Krankheit  gelitten?" 

Davus:  .Jawoiii,  imd  ich  versicliere  es." 

Sid<mius:  «Aber  wie  soll  ich  das  glauben?  BmuA  du  es  gesehen, 
oder  erzählst  du  wieder,  was  du  gehOrt  hast?" 

Oftvus:  »Ich  habe  es  selbst  nicht  gesehen,  sondern  weiss  es  vom 

Hörensagen.* 

Sidonius:  „Ein  Augenzeuge  gilt  mehr  als  zehn  (»hrenzi  u^en ;  diu  da 
hören,  erzählen  Gehörtes,  die  da  sehen,  wissen  es  genau,  icii  will  lieber 
den  Augen  als  Worten  Glauben  schenken.* 

Davue:  »Weshalb  sagst  du  das?" 

Sidonius:  ..Weil  die  Thataaidien  sicherer  durch  das  Gesicht  als  durch 
das  OehOr  erkannt  werden." 


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1  o4     Mitteilungen  cL  Ges.  t  deutsche  Erziehung»-  u.  Schulgesch.  Vli. 


Davus:  «Ha«  Sidonius,  d*  urteilst  du  nicht  recht :  verzeihe,  wenn  ich 
di«wii  Sati  lu  bestreiten  wage;  ich  fasse  die  Dinge  sicherar  mit  dem 
QehOr  als  mit  dem  Oesidit  tsat* 

Sidonius:  .Nun  lügst  du  aber  ganz  gewiaa." 

Davus:  »Ich  Ittge  nicht;  denn  die  Loge  ist  mir  so  verhasst  wie  die 

Schlangen." 

Sidonius:  „Was  du  Wahres  redest,  Davue»,  daa  iäi  im  Verhältnis  zu 
dem.  was  da  eriflgst,  noch  nicht  der  tausendste  Teil." 

Davns:  .Aber  ich  gehe  mit  dir  Jede  Wette  «In,  wenn  ich  In  ii^end 
einer  Sache  auch  nur  mit  ebiem  Worte  mich  der  Lüge  schuldig  ge> 

macht  )i:ib*'  ' 

Sidonius:  „Aber,  wenn  du  nicht  lügst,  dann  hast  du  ja  recht  blöde 
Augen.** 

Davus:  «Wenn  du  das  witterst,  so  leidest  du  nicht  am  Schnupfen.* 
Sidonius:  pOho,  nun  ist  es  aber  genug,  Davue;  halte  Mass  und  Ziel 

in  deinen  Worten." 

Davns:  >Ich  pflof^c  nicht  bis  gerade  ana  Ziel,  sondern  etwas  davon 
ab  imd  diesseits  des  Zieles,  oder  vielmehr,  um  der  Wahrheit  näher  zu 
kommen,  weit  Ober  das  Ziel  hinaus  su  laufen.* 

Sidonius:  »Davus,  es  bedarf  keiner  weiteren  Worte.  Schon  Iftngst 
steht  es  ja  fest,  das»  dein  Zeugnis  gar  nicht  ins  Gewicht  ftUt»  geschweige 
denn  ausBchlaggebond  iBt." 

Daviif»:  ,Waa  eagat  du  da.  Siobonschläter':'  Hunt  du  etwa,  wie  ein 
WÄgemeister,  mein  Zeugnis  auf  die  Wagschale  gelegt,  um  zu  sehen,  wie 
schwer  es  ist?" 

Sidonius:  .Das  habe  Ich,  und  es  hat  sich  als  nichtig  and  gans  ge* 
haltlos  herausgestellt. " 

Davus:  ..Jetzt  sajn^t  du  abor.  was  man  noch  nie  gelegen,  wovon 
man  niemals  pohört  hat,  und  was  vnu  allem,  was  man  ungeheuerlich  nennt, 
das  ungeheuerlichste  ist.  Wer  hat  denn  je  gehört,  dass  man  die  Zeugnisse 
der  Menschen  auf  d«r  Wage  abwftgt?  Ich  glaube,  beim  PoUuz,  dass  du» 
der  du  solches  Zeug  schwatseet,  nicht  recht  gescheit  bist  und  an  Tiefoinn  und 
Sehwindel  leidest,  oder  aber  zu  tief  ins  Glas  geguckt  hast." 

Fidunluf»:  Jioh  zum  Henker,  d\x  nichtsiinitzipt-r  Srhlingell  Meinst 
du,  es  ginge  mir  wie  dir?  der  mehr  wie  irgend  ein  Mensch  Nieswurs 
nötig  hat,  der  nicht  nur  nicht  durch  ein  oder  einige  Quentchen  oder  ein 
Weinglas  oder  einen  Becher  Nieswun,  sondern  nicht  einmal  durch  einen 
W'asserkrug  voll  vom  Wahnsinn  geheilt  werden  kann  .  jn  selbst  der  Vater 
der  Arzneikunst,  A>'skulap.  ^vürds  nicht  imstande  sein,  dich  gänalich  von 

deinem  Wahnsinn  zu  bcfrfifn." 

Davus:  ^i)b  du  dies  im  Scherz  oder  Emst  sagst,  weiss  ich  nicht; 
wttsate  ich  abor,  dass  es  dir  Ernst  wftre,  dann  wQrde  ich,  beim  Heriniles, 
schon  mal  anfangen  derart  su  wttten,  dass  du  In  mir  nicht  den  Davus» 

sondern  den  rasenden  Herkules  verspüren  solltest.^ 

Sidonius:  „Was  sagst  du  da,  Sclilommer,  was  sagst  du?  Bist  du 
hierher  ^^okommen,  um  Zeugnis  abzulegen,  oder  aber,  um  zn  raufen?" 

Duvuh:  „tieh  zum  Teufel,  fauler  Gauch,  mit  deiner  einfältigen 
Frage!  Freilich  bin  ich  nicht  hierher  gekommen,  um  mit  Worten  so 
fechten,  sondern  mit  Pausten  oder  vielmehr  mit  Knitteln  und,  tun  die  volle 


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14.  Des  Bartholomäus  von  Köln  sagenhaftes  Sendschreiben.  155 


Wabiiieit  zu  sagen,  mit  brennenden,  vom  Herde  gerissenen  Holzscheiten." 
Und  indem  er  das  st^te,  streckte  er  di«  Zunge  aus  und  grinste 
Sidonins  an. 

Als  ich  aber  da«  sah,  warf  ich  zornentbrannt  Diu  us  einen  grimmigen 
Blick  ztt,  indem  ich  sagte:  „1  >ic  G '»^ff^r  "Adllon  dich  verderben,  <hi  Schrerk- 
gespenst,  da  du  immer  meine  Angelogeuhcitcn  durchkrenzost!  Da^  habe 
ich  schon  bei  anderer  (ieiegonheit,  namentlich  aber  jetzt  wieder  erfahren." 

leb  hatte  noch  nicht  ausgeredet,  da  fingen  seine  Kollegen  an,  ihn 
wegzutreiben,  hinaoBsaatoeaen-  und  au  verhOiinen.  Dromo  aber,  der  be- 
hender, vm  nicht  zu  sagen  wütender,  war  als  die  übrigen,  ergiifP,  wie  vea 
schw:u-7er  Galle  erre»^t,  da.s  Nachtgeschirr  und  warf  cä  Davua  an  den 
Kopl,  uulem  er  also  sprach  :  ..Woiast  du,  Schurke,  doiui  nicht,  dass  der 
keineswege»  spricht,  wie  eä  äich  gebUhrt,  welcher  sagt,  was  üim  gerade 
in  den  Mund  kommt?  Da  hAtteet  sagen  sollen,  du  seiest  hierher  gekom- 
men, um  Zeugnm  abzulegen,  nieht  um  Zank  anzufangen.  Abw  du  luwt 
keinen  Verstand,  keine  Einsicht,  du  taugst  so  viel  wie  ein  fauler  PU»,  ja» 
boim  Horktilps.  oin  verwester  Loichnam  ist  mehr  wert  als  du."  Und  damit 
wart  er  den  vuu  Urin  Triefenden  tlber  die  Scliwello  de«  Gemaches.  Als- 
dann hob  er  fast  im  selben  Augenblicke  die  Kammerthttr  vor  seinen 
Fussen  auf,  lirachte  sie  in  ihre  Angeln,  schob  den  Ri^l  vor  und  sehloes 
die  ThOr  von  innen,  damit  Davus  nicht  hineinbrache  und  das  Qemach  mit 
der  schonssliehcn  rrinjaucho  voqjpstptp;  denn  üV)erall,  WO  er  VOrttberging, 
Stank  die  ganze  Lut't  von  l'rin.  wif  die  ürgste  Latrine. 

Mittlerweile  iiel  l^avus  zum  Herde  und  eilte  mit  einem  brennenden, 
ans  dem  Feuer  gerissentti  Holzseheit  zum  Schlafgemach,  indem  er  mK 
lauter  Stimme  rief:  „0  Dromo,  Dromo,  wenn  du  dich  rOhmst,  ein  mutiger 
Kam})tcr  zu  sein,  so  komm  heraus  und  tritt  mir  VOr  die  AugtMi.  und  hatte 
dich  nicht  in  den  Erkon  des  Schlafzimmers  oder,  wa-^  ich  elier  glauben 
mriehte.  unter  dem  Bette  versteckt.  Uli  werde  es,  beim  Herkules,  noch 
heute  dahin  bringen,  dass  du  auf  dem  ganzen  Erdenrund  keinen  zweiten 
Unglttcksmenschen  finden  sollst,  der  sich  mit  dir  vergleichen  konnte;  ja, 
wenn  du  jetzt  das  Viergespann  Jupiters  l)estiegest  und  von  hier  ent- 
fcttnest^  auch  dann  wirst  du  schwerlich  dem  Verhängnis  entgehen  kOnnen« 
daf  dir  T-.ngedacht  ist.  Hfttte  mich  nicht  die  Furcht  vor  meinem  Herrn 
zurückgehalten,  so  htttte  ich  schon  langst  die  Thür  wieder  aus  den  Angeln 
gerissen,  wäre  wie  der  Blitz  in  das  Schlafgemach  gebrochen  und  hatte 
dein  strftfliches  Haupt  mit  diesem  brennenden  Holsscheit,  das  ich  in  den 
Binden  halte,  ganz  farchterlich  zugerichtet  Und  das  wOrde  ieh  um  so 
lieber  gethan  haben,  als  dann  unsere  Zuschauer  in  dir  dielemälsche  Schlange 
erblickt  hätten,  wie  sie  Sumpfwasser  anssppit,  nnd  in  mir  den  Herkules, 
wie  er  dir  mit  rächenden  Flammen  den  Kopf  ausbrennt.*' 

Wahrend  er  in  diesem  Tone  poltert,  unterbricht  ihn  Dromo  in  seinem 
Wortschwall  mit  der  Frage*.  „Sag  an,  du  Erzdummkopf,  wie  kannst  du 
es  nur  wagen,  mich  zum  Kampfe  zu  reizen,  der  ich  dich  mit  dem  Hauche 
meines  Mundes,  wie  der  Wind  die  Blfttter  oder  einen  Strohwisch,  fort- 
blasen konnte?" 

Davus:  „Was  saget  du  da,  Schurke?  Du  bist  wohl  nicht  recht 
gescheit,  dass  du  mich  fQr  die  HOlse  eines  Getreidekoms  oder  für  Distel- 
samen ansiehst,  den  ein  leichter  Windhauch  hin  und  her  durch  die  Lttfte 


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156     Mitteilungcu  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehiuigs-  u.  SchiUgesch.  VII. 


weht,  wfthrend  ich  doch  krältiger  bm  als  ein  gemästeter  Ochs  und  mutiger 
alB  ein  bemUmtar  Lftwe!  Daher  fürchte  ich  dich  auch  ao  wenig,  als  der 
filephant  die  MOcke.    Je,  was  fallt  mir  da  gerade  ein?   Drohtesfe  du, 

Mücke,  mir  nicht  neulith  wiederholt,  du  würdest  mi«  h  mit  deinem  Messer 
so  kurz  und  klein  hacken,  dass  eine  AmeiseuBchttÄr  mich  brockenweise 
in  ihre  Zellen  tragen  könnte?  Warum  kommst  du  denn  nicht  eiligst 
heran?  warum  eotsi^t  du  dich  dem  Kampfe?  wamm  wagst  du  es  nicht, 
ans  dieser  ICunmer,  gleichwie  aas  der  Ameiaenhöhle/  sum  Vorschein  au 
kommtti.   Sprich  docli,  du  Ameischen,  sprich?*' 

Dromo!  „Schweijr,  Hch\vi'i|^,  du  einfältiger  Schwätzer,  \ipd  Rj<»h 
dich  mit  deinen  Reden  vor:  ^ehe  behutsam  mit  d<'in<'ni  H»>sieger  um, 
damit  du  dir  durch  dein  zUgeliosed  Muul  keine  Strate  zum  Unheil  für 
dein  Haupt  aufladest  Ist  es  doch  s^bmfthlieh,  wenn  die  vom  Kriegs* 
nnglOck  Heimgesuchten  sieh  gegen  ilire  Sieger  stola  benehmen«  und  so 
verrät  vollends  die  grösste  Dummheit,  wenn  man  derbe  Hiebe  mit 
nichtigen  Worten  erwidert,  wie  du  thu,st.  ■ 

Davus:  ,.H«^re  auf,  Droim»,  du  Pauiortrllfier  der  Husen  und  Anführer 
der  Hehkälber,  dich  jeiio»  klciueu  Siegen,  den  du  crrrungen,  so  übermütig 
au  TQhmen,  da  dffcera  der  Sieger  von  dem  Besiegten  au  Boden  geworfen, 
Oberwlltigt  und  mit  Fttssen  getret«i  wird.  Du  sdbst  weisst  doch  ver- 
mutlich, wie  sehr  das  Glück,  welches  man  für  die  Verleiherin  des  Sieges 
und  der  llhrifren  derarti^-on  VorzUfre  ausgiebt.  greneijirt  it^t.  seine  schlOpfe- 
rigen  Irrwege  und  unsteten  iStreilzUge  und  steten  WechsellÄlle  die  Men- 
schen Tag  und  Nacht  verspüren  zu  lassen." 

Kaum  hatte  er  ausgeredet,  als  ich  drohend  sprach;  »,Wenn  du  k^e 
PrOgel  bekommen  willst,  Davus,  dann  mach  dich  auf  der  Stelle  von 
hinnen,  da  du  an  der  Thür  dieses  Schlafzimmers  nichts  zu  schaft'en  hast. 
Beeile  dich  also,  so  ruach  du  nur  kannst,  dieses  triefende  Gewand  abzu- 
legen und  irgend  ein  anderes,  wie  es  dir  gerade  zur  Hand  ist,  anzuziehen, 
■owie  dir  den  Kopf,  die  Hinde  und  das  Gesicht  mit  Wasser  absuwaachen. 
Alsdann  begieb  dich  in  die  Kflche,  um  die  Sehttsseln  ausauspOlen,  die 
Kochtopfe  und  das  eherne  Geichin-  zu  scheuem,  oder  Waaser  in  die  Kessel, 
welche  am  Feuer  stehen,  zu  ^ies^s^en,  oder  wenigsten«  aolehe««  in  den  Kohl- 
topi  zu  thun.  l'nd  talls  uit  hts  derartiges  zu  besorgen  sein  sollte,  dann 
nimm  den  Schaumlööei  zur  Hand  und  schlage  die  Eier,  welche  gesotten 
werden  sollen,  in  der  SchOssel  au  Schaum.  Wenn  du  diea  ausauiichten 
unterlftaet,  so  werde  ich  dich  nackt  an  eine  Sftule  festbinden  und  so  lange 
mit  Ruten  durchpeitschen  lassen,  bis  du  dir  meine  Befehle  merkst  und 
sie  nächstens  willig  uuBftthrst. 

Tnd  daraut  wandte  ich  mich  an  Sidnniuti  mit  den  Worten;  ,, Jetzt 
möchiö  ich  endlich,  mein  lieber  Sidonius,  die  ^Scherze  beiseite  lassen  und 
im  Emst  mit  dir  reden.  Wenn  du  willst,  sollst  du  mit  'eigenen  Augen 
sehen  und  mit  Hftnden  greifen,  daas  du  aehwer  krank  gewesen  biet.'* 

Sidonius:  «Gut,  aber  das  wirst  du  so  wenig  fertig  bringen,  als  wenn 
du  das  Bild  des  Diogenes  mit  seinem  scliäbi*rc'ii  Mantel,  seinem  Bart,  Stab, 
Brutbeutel  und  seinen  Sandalen  in  Stahl  ausraei!*öeiu  «olltesL* 

Ich  erwiderte  ihm:  »Ob  ich  das  letztere  vermag,  weiss  ich  nicht; 
das  aber  weiss  ich  bestimmt:  ich  kann  bewirken,  daas  du  fohlst  und  mit 
Hftnden  greifst,  wie  du  «n  einer  Krankheit,  und  sogar  an  einer  sehr  sdiweren. 


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14.  Des  Bartholomaus  vou  Köln  sagenhaftes  Sendschreiben.  157 


gelitten  hast,  ich  frag:e  dich  also:  Würdest  du  zugaben,  das»  der  an  einer 
sehr  schweren  Krankheit  gelitten  hat,  dem,  ohne  daȊ  er  es  merkte,  der 
Bnrt  «ii«g«nuftt  die  Ohren  serrMMn,  die  Stim  und  dae  Hititerliaupt  w> 
kahl  geechunden  «Orden,  daee  du  nicht  ^en  MoiacheDkopf,  eondem  einen 

RdhenknoIIen  zu  sehen  glaubtest?" 

Sidonius;    A!leidint?9  wtlrdo  ich  das  ztigeben." 

„Fol/i-licli,  »prach  ich,  ^haat  du  an  piner  sehr  schweren  ivi*aakheit 
gelitten,  da  dir  duiii  Bart,  ohne  das»  du  gemerkt  hast,  stellenweise 
ansgeiiaaen,  die  Ohren  serrteben,  die  Stira  und  das  Hinterhaupt  auageranft 
worden  eind,  und  swar  eo' glatt»  hnt,  wi«  dieae  Band  iat." 

Sidonius:  .Bah,  schere  dich  fort,  dn  erzahlst  mir  Albernheiten  und 
reine  Possen;  denn  auf  keine  Welae  werde  ich  deinen  Worten  Glauben 
schenken.** 

Bartholomaus:  „Lege  die  rechte  Hand  an  dein  Haupt,  dann  wirst 
dn  deine  Wangen  etellenweiee  haarlos,  die  Oliren  seraehunden  nnd  den 
ganzen  Kopf  kahl  finden." 

Sobald  er  die  Hand  an  den  Kopf  gebracht  und  seinp  Glatzp  gefühlt 
hatte,  rief  er,  in  diese  Worte  ausbrechend,  so  laut  er  nur  konnte:  ,ü  un- 
seliger Tag,  o  unheilvoller  Tag,  der  schwarz  angestrichen  werden  muss, 
wie  "vieUiMhen  und  argeu  Beachimpfungen  haet  da  mich  ansgeaetat!  Hanta 
ist  mir  der  Kopf  mit  dem  Schermeaser  verhunat  und  bis  auf  die  bloese 
Haut  radikal  idlkgeschoren ;  heute  int  irtlr  der  Bart  atellenweise  mit  der 
Sclicre  abgeschnitton;  beut«  sind  mir  die  l^ippen  von  Hieben  büinahe 
eingeschlagen  niui,  um  es  kurz  zu  sagen,  heute»  ist  mir  der  ganze  Leib 
derartig  mit  Knitteln  »erblaut  worden,  dass  ich,  wenn  nicht  die  Götter  zu 
Hilfo  kommen,  gttnzlich  am  Leben  ▼anweifeln  mueal* 

Darauf  entgegnete  ich  ihm:  «Höre  doch  auf,  lacheriiehee  und  gans 
einföltiges  Zeug  zu  reden.  Nicht  das  Hchermesser  hat  dein  Haupthaar 
dir  abgeöi  lmitteii.  sondern  meine  Hand  hat  es  mit  der  Wurzel  ausgerissen." 
Und  daniit  hob  ich.  indem  ich  mich  bückte,  petne  Haarlocken  vor  nieinen 
FtlsHen  ttui,  die  ich  vorhin  »uageraull  und  auf  dem  Fu^sboden  des  Gemaches 

nmheigeatrent  hatte,  nnd  hielt  aie  ihm  unter  die  Augen,  indem  ich  sagte: 
.Siehat  dn  die  untersten  Spitzen  dieser  Haare?  Dieselben  mögen  dir  zum 

Beweise  dienen,  duss  die  letzteren  nicht  mit  der  Schere  abgeschnitten, 
sondern  mit  den  Hftnden  von  der  Wurzel  an.  nhne  dag?  du  es  merktest, 
ausgerautt  worden  sind,  was  allein  mehr  als  hinreichend  beweist,  duss  du 
au  einer  Krankheit,  und  zwar  au  einer  sehr  schweren,  gelitten  hast." 

Als  ich  ausgeredet  hatte»  sprach  Sidoniua:  .Ach  mein  Gott,  was 
aoU  ich  sagen,  wenn  mir  so  viele  und  gewiditige  Beweise  dafür  bei- 
gebracht werden,  dass  ich  krank  gewesen  sei?  Und  doch,  so  wahr  mir 
Apoüo  helfe,  bin  ich  mir  keiner  Krankheit  bewusst.  Zudem  ist  mein 
Körper  nicht  abgemagert,  die  Lebenskraft  nicht  erschripft,  die  Farbe  nicht 
Terachwnnden  und  die  Beweglichkeit,  ausser  durch  die  Hiebe,  nicht  be- 
eintrtUshtigt  worden.  Indessen,  wie  dem  auch  sein  mag,  wenn  man  Ober- 
ha\ipt  etwa-  I  auf  geben  soll,  jedenfalls  h&ttest  du  meine  Krankheit 
filglicher  mit  Kr.lutersnft-'n  als  mit  Storkhieben  austreiben  sollen.  Aber, 
was  ich  in  I'.rtalirung  zu  lirinL:i'n  beinahe  vergessen  hfitte,  auf  web'he 
Weise  oder  durt  ii  welche  Thatsaehe  bist  du  darauf  gekommen,  dass  ich 
krank  gewesen  sei?* 


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ibb     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehttngs- u.  ischulgeach.  YIL 


Ich  erwiderte  ilim:  «Wenn  du  mit  gespitzten  Ohren,  wie  man  zu 
sagen  pflegt,  den  gamen  Sachverlialt  anhOren  und  mich  nicht  uttMMredieo, 
sondern  ruhig  «uareden  1mb«i  willst,  ao  worde  ich  dir  die  einxeineit  Um« 
stünde  80  kurz  als  möglich  darlegen." 

Sidonius:  ..Nun,  das  will  ich  und  bin  gespannt.  Sprich,  bitte,  sprich, 
ich  werde  dich  nicht  unterbrechen  und  dir  nicht  das  Wort  aus  dorn 
Munde  nehmen."" 

Da  begann  ich  also  sn  reden:  „Dein  Beir  sehrieh  mir  hereits  fküher 
nnd  nsmentlich  vorgestern  wieder,  ich  mOchte  dieh  bsIdmÖ^Udist  zu  Ihm 

snrnelc.senden  und  dich  das  Heimatrecht  g-cnicssen  lassen.  Um  hiermit 
nun  nicht  lanp^er  7m  zögom.  bestimmte  ich.  dass  du  heute  von  hier  auf- 
brechen und  zu  deinem  Herrn  zurQcliwaaderu  solltest.  Zu  dem  Ende  rief 
ich  dich  heute  um  die  Zeit  der  Morgcndammenmg  an,  indem  ich  wieder- 
holt den  Ruf  erschallen  Uese:  „Sidonius,  wache  auf  und  erhöhe  dich!'^ 
Als  ich  dies  einmal  und  nochmals  und  abermals  gethan  hat^,  und  dn 
mir  auf  mein  RulVn  gar  keine  Antwort  gabst,  beschloss  ich,  in  die  Kammer 
einzudringen   und  dich   aus   dorn  Schlafe  zu  rütteln.  ich   an  die 

Schwelle  de«  Gemaches  gekommen  war,  —  was  ich  da  gethan  habe,  das 
SU  ersflhlen,  wQrde  zu  lange  dauern :  wie  ich  nftmiich  die  Kammerthttr 
aus  den  Angeln  gestossen,  alsdann  dir  den  Bart,  die  fitim  und  das  Hinter- 
haupt  ausgerauft,  die  Ohren  zerzaust  und  endlich,  als  idi  deine  Krank- 
heit eniiitfelt  hatte,  dir  dieselbe  mit  dem  Prüf^el  atis  (1(mi  Kmichon  tr*^- 
trieiion  luihc  :  denn  dies  alles  mi'ichte  ich  lieber  mit  Stiilschweigreu 
übergehen  als  mit  Worten  schildern,  da  ich  nunmehr  mich  kurz  fassen 
will/*  Soweit  ich. 

Darauf  fragte  Sidonius:  „Wie  heisst  denn  diese  Krankheit?'« 

„Faulheit,"  erwiderte  ich. 

Sidoniii!<:  ..Warum  hast  du  mir  denn  diese  iCrantcheit  lieber  mit 
Stockhieben  alrs  mit  Pillen  austreiben  wollen?" 

„Weil  diese  Kranklieii,''  entgegnete  ich,  .,die  Eigeatumiu  hkeit  an 
sieh  hat,  dass  sie  nur  mit  Stockhieben  ausgetrieben  werden  kann." 

Sidonius:  „Gar  seltsam  ist  der  Cturakter  dieser  Krankheit,  aber  die 
Wissenschaft,  welche  eine  derartige  Krankheit,  wie  du  sie  erwfthnst,  mit 
Stockhieben  anstreibt.  ist  noch  weit  .seltsamer." 

Ich  entgegnete:  ,.Was  du  da  sagst,  ist  ungefähr  richtig." 

Sidonius:  „Welchen  Beweis  hast  du  denn  daftir,  diws  diese  Ivrauk- 
heit  mit  Knitteln  ausgelaieben  wird?  Das  sage  mir,  bitte.** 

Ich  antwortete:  „Ich  will  es  dir  sagen,  da  du  mich  danach  fragst. 
Ich  litt  als  Knabe  in  ganz  ungewöhnlichem  Grade  an  dieser  Krankheit; 
aber  mein  T. ehrer  trieb  mir  die.selhe.  dadurch  dass  er  mein  Hinterteil  mit 
der  liute  bearbeitete,  mit  leichter  Muhe  aus  den  Knochen/* 

Sidonius:  „Warum  Imst  du  mich  denn  al>er  mit  dem  Khittel  anstatt 
mit  der  Rute  kurieren  wollen?** 

„Weil  Asklepiades"  versetzte  ich,  „der  unter  den  berfihmten  Aersten, 
mit  alleiniger  Au.-nahni<>  des  Ilipjiokrates.  den  ersten  Knng  einnimmt,  für 
die  >>achwelt  die  Lehre  aulgestelk  hat.  dass  ein  erwachsener  Menscli 
nicht  mit  Ruten,  sondern  mit  Stockhieben,  als  einem  sotort  wirkenden 
Heilmittel,  vom  Faulfieber  beik'eit  wird.  Indem  ich  mir  nun  diese  Lehre 
für  die  Praxis  sorgfältig  merkte,  beschloss  ich,  nach  der  Theorie  des 


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14.  Des  Bartholomäus  vou  Koln  sagenhaftes  Seadschreiben.  159 


Asklepiades  dich  von  dieser  Krauklieit  zweckmässiger  mit  dem  Knittelchen 
aU  mit  dem  Rfihrchen  ni  befreien  and  die  frolieire  Qesandheit  dir  wiedof • 
angeben.  Aber,  Jupiter  eei'»  geklagt,  welchen  Dank  hast  da  mir  ittr  jene 

Wohlthat  gewuest,  oder  vielmehr  abgestattet!  Das  weisst  du  ja  selbst. 
\Vt»nn  du  bei  don  Pprsem  lebtost,  so  würde  diese  deine  Undankbark»>it 
mit  ausfresiichten  Martern  beatralt  worden.  Wenn  nun  scbon  dio  Monncheti 
an  der  Undankbarkeit  so  grossen  Anstoss  nehmen,  dann  bedenke,  wie 
«ehr  die  QOtter  dadnreh  beleidigt  werden,  die  aUes  mit  den  Augen  der 
Gereehll^eit  anaehaoen.* 

Ich  hatte  noch  nicht  ausgeredet,  da  raffte  sieh  Sidonins»  nachdem 
er  oin  Mfint:  lohen  über  »eine  nackte  Haut  ^-eworfen  Hatto  kaum  halb  be- 
kleidet, »o  gut  er  konnte,  aus  dem  Bette  aui,  iiel  mir  zu  Küs.^en  und  bat 
unter  hervorbrechenden  Thräneu  und  mit  flehentlich  ausgestreckten  Händen 
am  yenelhung  und  Veigeeeenheit  alles  Vorgefallenen,  indem  er  seiner 
Keue  darüber  Ausdruck  gab,  dass  er  so  schreckliche  Verwflnschungen  auf 
mein  Hauj)t  horabj^orufon  habe.  Und  zuj;loifh  orgritT  er  meine  Rechte, 
drückte  sie  an  seinen  Mund  und  stroit  holto  sie  untor  violen  Küssen  als 
seine  Lebensretterin.  Und  damit  auch  der  Knittel,  womit  er  weidlich 
durchgewalkt  worden  war,  von  aeiner  Dankbarkeit  nicht  ausgeschlossen 
"wAre,  so  beehrte  er  ihn  mit  sahlretchen  Kttasen  und  dichtete  obendrein  zu 
«einem  Lobe  folgendes  Tetrastlchon,  vrie  er  denn  ein  Jünger  der  Musen 
war,  indem  ur  alsn  unhub: 

..Pluto,  der  H«'rr3cher  der  Nacht,  entsandt  aus  den  stygischen  Höhlea, 

Düsa  sie  das  Menselieng^chlecht  morde,  die  Trägheit  hinauf. 

Jupiter  liesB  aus  den  HOh'n  des  Himmels  fallen  den  Knittel. 

Dass  der  treibe  die  Peet  fort  in  die  SOmpfe  des  Styx."* 
Soweit  jener. 

Darauf  sprach  ich  zu  iimi:  „Da  ich  sehe,  dass  du  dich  nicht  nur 
p:e«ron  mich  dankbar  zeigst,  Huiidom  auch  pref'-on  das  Knittelchen.  so  vor- 
zeilie  ich  dir  von  Herzen  gern  alles  Unrecht,  das  du  mir  angethan  hai»L, 
und  von  nun  an  wirst  du  allzeit  mein  Freund  sein.**  Und  mit  diestti 
Worten  fasste  ich  ihn  bei  der  Hand,  um  üm  anzuheben  und  auf  Mine 
Beine  zu  stellen.  Und  im  selben  Augenblick  befahl  ich  Dromo,  in  die 
Barbierstube  r.w  ^ohen  und  ein  OelflflHchcbori,  SalbenbOehj5on  und  Zon^r- 
lappen  heranzubringen.  Als  diese  Sachen  durch  Dromo  herbeigedchaltt 
waren,  da  legte  ich,  die  RoUe  des  Wundarztes  übernehmend,  dem  Sidonius 
lindernde  Oelpflaster  auf  die  Lenden  und  Seiten,  wobei  ieh  ihm  jedoch  vorher 
erst  sein  Mantelchen  auszog,  umwickelte  sie  mit  Breiumschlägen  und  ver> 
band  sio  mit  Lajipon  und  Hiindorn.  30  das^  Du.  liiittest  Du  es  mit  ange- 
sehen, mich  nicht  tür  liarthnloniiUib.  sondorn  tür  Hippnkratos  jrchalten 
haben  würdest,  ^'achdem  ich  dies  nun  kunstgerecht  aut^getuhrt,  befahl 
ich  DromOf  die  OelflaTChe  samt  den  BalbenbOchsen  wieder  in  die  Barbier« 
Stube  zu  tragen  und,  sobald  er  de  zurttckgebracht  bfttte,  wieder  zu  mir 
au  kommen,  damit  er.  wenn  ich  irgendwie  seiner  Hilfe  bedürfte,  zur  Stelle 
wäre.  Alsdann  gab  ich  Parmono  und  Mof^-adipsuf  don  Auftrag,  den 
Sidonius  anzukleiden.  Aber  bevor  diesfllM-ii  ihm  «ieine  Gewilndor  ordent- 
lich angelegt  hatten,  kam  Dromo  schon  xurUck.  Diesem  betahl  ich  nun, 
das  Ankleidegescbalt  fortsusetzen  und  zu  Ende  zu  Ähren»  dem  Parmeno 
und  Hegadipsus  aber  befahl  ich,  andere  Verrichtungen  zu  Ubemeimien, 


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IGO    Mitteilungen  d.  Oes.  t  dentoehe  Bndeirangfi- 11.  Schulgeseh.  VII. 


nnd  swar  dem  ti«t«ren,  fllr  Sidoiiii»  da  Titiikdieti  tu  beraten  nnd  »ns 
ihren  Seiialen  gelOete  HlUinereier  mit  Butter  in  einem  Tiegel  xu  schmoren^ 
oder  sie  in  heisaer  Asche  durch  allmähliches  leichtes  Umwenden  zu  sotten, 
sowie  auch  eine  Fischputstoto  mit  spanischer  Sauce  herzurichten  und  das 
Stück  Sturfleisch,  "welctip^  er  am  Abend  vorher  auf  dfin  l-'ischmarkte  von 
Uüöera  Grossfischhändlem  für  drei  Mark  erstanden  hatte,  zu  braten,  ferner 
^n  Gericht  aus  klein  gehecktem  Rtndfleiedi  in  sQMer  8ance  dnrclankoclieit 
nnd  ^en  gespickten  Xarpaunen  am  Bratepiess  durch  abwechselndes  Um- 
drehen am  Feuer  Inngere  Zeit  zu  rösten,  damit  ich  auf  jeden  Fall,  wenn 
Bich  einer  von  meinen  Freunden  zum  FrühstUck  in  meinem  Hause  ein- 
finden sulite,  ihm  t^twas  vorzusetzen  hAtte:  dem  letztem  hing-egen  trug  ich 
auf,  t'Ur  Sidonius  einen  Humpen  mit  altem  Wein,  bis  zum  obersten  Rande 
gefDllt,  heransnhrittgen,  oder,  falls  er  lieber  Bier  als  Wein  trinken  sollte; 
„so  liegen  da",  bemerkte  ich«  „im  Weinkeller  zwei  Passer,  deren  einee 
mit  Bremer  Bier  gefüllt  ist,  womit  Hhadamanthus,  wenn  er  davon  in  der 
HfVlle  Vorrat  hatte,  die  Seelen  der  Gottlosen  fürchterlich  peinigen  künnte 
und  in  diesem  Fäaschen  steckt  ein  hölzerner  Krahn,  mittels  dessen  eben 
das  Getrttnk  vom  Fass  abgezogen  wird;  das  andere  dagegen  ist  mit 
nonburger  Bier  gefüllt,  welches  ich,  um  die  Wahrtieit  m  gestehen,  fOr 
Purienurin  halte,  oder  von  dem  ieli  doch  wenigstens  glaube,  dass  es  von 
den  Furien  iti  der  Hölle  aus  Zorn  und  Wut.  ;ilinlich  wie  unser  Bier  ans 
Gerste  und  ^Vas^^er,  gebraut  und  auf  die  Erde  gebracht  worden  ist.  und 
in  diesem  Fasse  steckt  ein  kupferner  HebeL  Sidonius  kann  trinken,  was 
ihm  beUebt'* 

Nachdem  Sidonius  endlich  mit  seinen  Gewlndem  regelrecht  be- 
kleidet war,  befahl  ich  Dromo,  zunächst  die  Oitteifenster  zu  ofTnen,  das 
Bett  zu  machen  und  Besen,  nowie  «^inen  Eimer  mit  Wasser  in  das  Schlaf- 
gemach  zu  bringen,  öudann  dm  l''uH.sbi«den.  der  mit  viereekTjL''«'n  Ziegel- 
steinpluttoii  ausgelegt  war,  luti  Walser  zu  besprengen,  deut^eibeu  mit  den 
Besen  auszufegen  und  den  Kehricht  lünausmschaiTen,  darauf  Rftucherwerk 
ansnzOnden,  damit  unsere  Nase,  die  bislang  von  dem  Uringestank  belflstigt 
war,  durch  bessere  Geruch  sich  wieder  erholen  könnte. 

Auf  dieses  Gehoias  aber  entcreguete  Dromo:  ,0  g-nfldi^icr  Herr, 
meine  Nase  ergötzt  f^icli  nicht  am  Gerüche  arabischen  Weihrauclis,  sondern 
an  dem  Dutte  von  gebratenem  Fleisch;  denn,  so  waiir  mir  die  Tafelgötter 
beistehen,  der  Geruch  sämtlicher  Parfllmerlen  ist  mir  im  Vergleich  zu 
dem  Duft  von  gebratenem  Fleisch  geradezu  widerlich;  jener  Gcrach  ist 
für  mich  Myrrhensalt,  Zimmt^  Rosenöl,  Safran,  Seidelbant  und  Balsam." 

Da  Hpracli  ich:  ..Ks  ist  p-ar  nirht  zu  verwundern,  dass  ein  Lecker- 
maul sich  meiir  um  Dutte  des  Fleisclics  als  am  Gerucli  des  Weihrauches 
ergOtzt,  da  es  eben  seine  hödiste  Wonne  im  Teilerablecken  findet,  ganz 
so  wie  die  Katzen.  Was  kfimmert's  mich  aber,  ob  du  dich  am  Dnft  des 
Fleisches  oder  um  Dunst  eines  losgelassenen  Baiichw indes  ergötzest. 
Ich  befehle  dir,  RaucJierwerk  aozuattnden  und  diesen  Tiscii  prunlchafk 
auszustatten." 

Es  stand  da  in  demselben  Gemach  ein  runder  Tisch  aus  Ahornhulz 
mit  drei  Beinen.  Diesen  bödeckte  Dromo  zunächst  mit  etii«n  Tischtuch, 
dann  belegte  er  ihn  am  ftusaersten  Rande  ringsuiA  mit  Servietten,  stellte 
ainnerne  Teller  in  bestimmten  Absfttzen  darauf,  vergaas  auch  das  Sahfhsa 


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14.  Des  Bartholomaus  von  Koiu  sagenhaftes  Sendschreiben.  161 


nicht,  und  damit  nicht«  an  der  Ausstattung  des  Tisches  vermisst  %vUrde 
setzte  er  zwei  eherne  PrABentierteller,  auf  welche  die  SchOaaeln  zu  stelieB 
kommen,  in  die  Mitte  dee  Tisches,  worauf  er  sich  alsbald  daran  machte, 
den  Tisch  mit  Brötchen,  die  er  ans  einem  Korbe  nahm,  in  bestimmtea 

Abstanden  zu  bfletron.  Urifi  sielif.  in  donisulben  Augenblickn  stflrzte 
Me^adipsus  herein  mit  einer  Khhir'  gewüiuilichen  Bieres  in  lior  Rechten 
und  einigen  ThonkrUgen  in  der  ijinlcen,  welche  er,  naclidem  er  die 
Ka&ne  niedergesetst,  neben  die  BrOtchen  ordnungsmftssig  auf  den  Tisch 
hinstellte. 

Als  nun  drr  Tisch  in  dieser  Weise  ausgestattet  war,  legte  Dromo 
diensteifrig^  sc  Invi  Ucndo  Kij«sen  auf  die  einzeliion  Pcssi'l  und  stellte  die- 
selben rin^ö  um  (ion  'risch.  Inzwischen  eilt  Megudipsus.  ilcr  g'f»merkt 
hatte,  dass  das  Waschbecken  fehlte,  in  das  tSpeisezimmer,  um  eine  Giess- 
kanne  nebst  einem  ehernen  Becken  und  einem  Handtuehe  zu  holen.  Nach« 
dem  er  diese  Gegenstände  in  das  Schlafgemach  getoagen«  kommt  unser 
Parmeno  honui  und  meldet:  „Gnadiger  Herr,  das  FrahHtück  ist  deinem  Be- 
fohle gcmflss  gehörig  lit'«nr«rt.  wonn's  gefällig  ist,  bitte  zu  Ti^ich  zu 
kommen.^'  Als  ich  das  horte,  veranlasste  ich  Sidonius,  sich  die  Hündo 
zu  waschen,  sie  an  dem  Uaudtuche  abzutrockueu  und  sich  dann 
SU  Tische  SU  setzen.  Sidonius  ab^  hielt,  nachdem  er  seine  HAnde  ge« 
waschen  und  abgetrocknet  hatte,  eine  Weile  iime  Und  blieb  stehen. 

Als  ich  dii-^  sah,  sprach  icli  \  (>11  Verwunderung  zu  ihm:  „Was  zauderHt 
du.  liolier  ^^idonius,  an  den  Tisch  in  treten  Fürchtest  du  etwa,  du  würde;<t 
grdniichen  Schlaugeugischt  oder  Belladonna  aus  den  Triakgefüsseu  hin- 
nnterschlttrfen?* 

Sidonius:  ,.Neln,  beim  Polluz,  mir  bangt  nicht  vor  Belladonna  oder 

dem  Geifer  giftiger  Schlangen,  sondern  ich  habe  gezögert,  an  den  Tisch 

z\i  treron.  weil  irli  für  unpassend  hiolt.  wonn  ich  (uich  zu  Ti.sche  setzte, 
bevor  du  den  Ehrenplatz  am  Tische  ein<;eni.ninu'n  hiittest.  Würde  da 
nicht  jeder  sagen,  ich  sei  ein  Bauer  und  roher  wie  lioimenstroh  oder  hätte 
als  sonst  wer  unter  Ziegenböcken  mein  Leben  zugebracht,  wenn  er  sähe, 
dass  ich  so  verwegen  gewesen  wftre,  den  ersten  Platz  am  Tische  einzu- 
nehmen und  mich,  wahrend  mein  Herr  noch  stand,  zuoberst  zu  setzen?" 

Ich  entgegnete  ihm:  „Tritt  nur  ruhig  heran  und  wähle  dir  jeden 
beliebigen  Platz  am  Tische ;  ich  werde  nämlich  nicht  zu  Hause,  sondern 
auswärts  speisen;  denn  gehiern  Abend  bin  icli  von  meinen  engsten 
Freunden  zum  heutigen  FrtthstOck  geladen,  tun  bei  ihnen  die  Gesellschaft 
au  erheitern.'' 

Ais  ich  das  sagte,  bemerkte  Dromo:  „Es  ist  jetzt  schon  zu  sp.tt,  als 
dass  du  aufwärts  zu  irgend  einem  nndom  Mahle  gehen  k^Wintest;  denn 
der  Mittag  wird  sich  allgemach  zum  Abend  neigen,  ja,  wenn  ich  meinem 
hiuigrigen  Magen  glauben  soll,  wird  der  Abend  bald  in  die  Nacht  Uber- 
gehen.** 

Und  ^'iohe,  in  demselben  Augenblicke  schlug  es  ein  Uhr  naebmittaga. 
Als  ich  ilas  lifirte,  eilte  ich  alsbald  zum  Waschbecken  und  wusch  mir  die 
Hände;  als  ich  pie  p-ewafchen  und  abgetrocknet  hatte,  setzte  ich  mich  zu 
Tische,  indem  ich  Dromo  befahl,  in  die  Küche  zu  gehen  und  die  Speisen 
heranzubringen,  welche  man  den  Gasten  suerst,  wenigstens  in  den  Sommer- 
tagen, vorzueetaen  hat  Und  siehe,  flugs  brachte  Dromo  fflr  mich  ein 

inUeilUBgan  d.  G«fi.  f.  deutsche  firzleb.-  u.  Sehtilgesctaicbte.  VII  2  Wft. 

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162  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deatscbe  Bniehnnge-  n.  8ehnlg«Mh.  m 


Misehgerieht  «ob  grOnen  Krtatem,  nftmlleh  ans  KopfSuJat  und  Uresse, 
heran,  die  mit  Eesig  begossen  und  mit  Olivenöl  getrnnkt  \v:ir.  Für  Suinniue 
aber  potzte  or  ein  aus  Hühnercieni.  Wein  und  Oownrz  bereiU'teft  Triinkchen 
hin,  wi'lchps  daun  Sidonius  teils  mir  dem  LöiM  hnrausholto.  teil.><.  indem 
er  die  Schale  mit  beiden  Hüudea  an  den  Mund  brachte,  ausaclüUrtte. 
Darauf  befahl  ick  Dromo.  die  Sdillesel  mit  den  Salatresten  —  ich  hatte 
nftmlieh  von  dem  GrOnkraut  gerade  soviel  gegeesen,  als  mir  snsagte  — 
w^autragen  imd  schleunigst  ein  anderes  Gericht  aufzutischen.  Er  setste 
mir  nun  eine  Schüssel  mit  Eiern  vor.  die  hartgekocht,  entfichair  '^•iitzwei- 
geschnitten  und  mit  kleingeliackter  l'etersilie  bestreut  wan  u  und  in 
scharfem  Essig  schwammen.  FOr  Sidonius  aber  stellte  er  einen  Telli*r  mit 
swel  Eiern  hin,  die  noeh  in  der  Behale  staken  und  vorher  auf  dem  Herde 
in  heisser  Äsche  leicht  umgewendet  und  gesotten  waren.  Inxwischeu 
ergriff  Megadipsus  die  Bierkanne  und  füllte  geschäftig  die  ThonkrQge  bis 
an  den  oberffen  Rand.  Nachdem  er  einfjrcschenkt  hatte,  befahl  ich  dem- 
selben, zunächst  in  den  Weinkeller  zu  gehen  und  einen  Humpen  alten 
Weines  heranzubringen  und  dann  aus  dem  Speisesimmer  zwei  Kelchgläser 
mit  vielen  Knoten  und  grOeserm  Gehalt  als  die  ttbrigen  zu  holen.  Nach' 
dem  er  dieselben  zugleich  mit  dem  Humpen  alten  Weines  herangebracht 
hatte,  liefls  ich  die  Kelchgl.lser  auswaschen  niui  ali^pülen,  darauf  sie  v(dl 
Wein  schenken  und  v(»r  uns  axif  den  Tit^eh  steilen.  Als  wir  al»er  beide 
von  den  Eiern  soviel,  als  uns  zusagte,  genossen  hatten,  befahl  ich  wiederum 
dem  Dromo,  die  Sehflsaeln  fortzunehmen  und  ims  andere  Gerichte  anlku- 
tragen*  Br  setzte  mir  nun  eine  Speise  vor,  die  aus  wttrfelartig  geschnittenen- 
und  mit  Korinthen  untermischten  RindfleischstUcken  zubereitet  xmd  reichlich 
mit  (lewttrz  bestreut  war.  Pidnnins  aber  setzte  er  Flussfische,  Ileihte 
genannt,  vor.  die  in  wttrzigor  Brühe  ecbwammen  und  in  sttssem  Saft  gar- 
gekocht waren. 

Da  sprach  ich  wfthrend  der  Mahlzeit:  „tdeber  Sidonius,  du  kommst 
mir  nachdenklich  vor;  sei  munter,  greif  tflchtig  zu  und  geniere  dich  nieht; 
bei  Tische  darf  man,  wie  du  ja  weisst,  nicht  blöde  Min.^   Und  damit  bot 

ich  ihm  mein  Kelchglas  voll  sprudelnden  W.'ines  an,  das  er  aus  meiner 
Hand  eutgegennahm  und  hastig,  ohne  at)zu3etzen,  wie  sicli  das  für  einen 
Bacchusbruder  schickt,  bis  auf  den  Grund  leerte.  Als  aber  jeder  von  uns 
von  seinem  Gericht  ein  wenig  genossen  hatte,  befahl  ich  Dromo,  jene 
Speisen  fortzutragen  und  schnell  andere  vor  uns  hlnzustoUen.  Es  wurde 
mir  nun  ein  gespickter  und  am  Feuer  durch  hilufigcs  Umwenden  ge- 
bratener Kapaun  vorgesetzt,  zu  welchem  eine  zinnerne  Schale  mit  eben 
aus  dem  Einmacheto])!'  genommenen  Oliven  kam.  Vor  Sidonius  aber  wurde 
eine  tdditige  Portion  gebratenen  Störfleisches  hingestellt,  das  mit  fein- 
gestossenem  Pfeifer,  Ingwerpulver  sowie  Zucker  reichlich  gewttrst  war. 
Inzwischen  füllte  Megadipsus  die  boideu  Pokale  ndt  wttrzigem  Wein  und 
reichte  den  einen  mir.  den  anih'rn  S'iilnnius  <iar. 

Sitionius  aber  sprach,  den  ihm  dargereichten  llecher  in  fier  Hechten 
haltend,  also:  „0  mein  Herr,  wenn  du  es  gestattest,  komme  ich  dir  diesen 
halben  Becher  vor,*^ 

„Wie  sollte  ich  das  nicht  gestatten?^  erwiderte  ich  ihm.  „Wenn  du 
mir  den  ganzen  Pokal  vorkftmest,  SO  wttrde  ich  das  mit  dem  gröBSten 
Vergnügen  annehmen.*^  , 


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14.  Dea  Bartholomäuä  von  Köln  sagenhaftes  iSendscbroiben.  163 


Sidonius:  „Nun,  wenn  du  ea  denn  gestattest,  so  komme  ich  dir  den 
ganzan  Pokal  vor.**  Und  damit  aetste  Br  den  Becher  an  den  Mund  und 
trank  ihn  hie  auf  den  Grund  leer,  liese  den  auageleerten  durch  Hegadipsua 
^eder  fallen  und  sodann  vor  mich  hinstellen,  damit  ich  ihn  leerte. 

Da  fprach  ich  zu  il-m  „Behalte  nur  doineu  Bechor  fnr  dich,  lieber 
f>idonius:  ich  werde  diesen  meinen  Becher,  don  ich  in  der  Rechten  halte, 
auf  dieselbe  Weise,  wie  du  den  deinigen,  austrinken." 

Feat  im  aelben  Moment  trat  Parmeno  mit  svei  Sdiwarabroten  herein, 
deren  eines  er  unter  der  rechten  Achsel,  das  andere  unter  der  linken  trug, 
sowie  mit  einer  hölzernen  Mulde  in  beiden  Hftnden,  die  angefüllt  war  von 
kalten  Flf^ischresten  vom  vorhergehenden  Tage,  nämlich  einem  halben 
Schweinskopf,  einem  zur  Hälfte  verzehrten  LendenstOck,  der  Schwarte  und 
Hinterkeule  vom  Eber  und  awei  langen,  mit  vielem  Fett  angefüllten 
Wflraten.  Diese  Ifulde  nahm  ihm  Megadipsua,  vor  Freude  grinsend,  ab 
und  stellte  sie  auf  den  Tisch  hin,  welchen  Dromo  vnr  /.wei  dreibeinige 
Sitzbfinko,  die  in  geringer  Entfernung  von  einaiuir-r  abstanden,  hinj^e- 
schoben  hatte.  Inzwischen  leg-te  Dronio.  indem  er  die  *M\v;Uuiton  Brote 
unter  den  Achseln  Parnienos  hervorzog,  daa  eine  neben  die  Mulde  auf  den 
Tiflcb,  das  andere  brachte  er  an  seine  linke  Brost  und  schnitt  ee  dann  mit 
«einem  Brotmesser  in  zwei  Teile,  von  denen  er  den  einen  für  sieh  behielt 
und  den  andern  Megadipsus  hinreichte.  Nachdem  nun  das  Brot  entzwei- 
g'oschniftfn  luid  verteilt  worden  war.  fuhr  Dromo  wio  der  Blitz  mit  der 
Kechten  in  die  Mulde,  ergriff  di«>  Hintorkeule  vom  llhcr  imd  machte  sich 
daran,  dieselbe  mit  dem  Brote  in  abwecliselnden  Bissen  zu  verschlingen, 
Megadipsus  aber  streckte  seine  Hand  mit  gleicher  Schnelligkeit  in  die 
Batte  und  holte  sich  das  halbvenehrte  LendenstQck  heraus,  brachte  es  an 
seinen  Rachen  und  schlang  es  abwechselnd  mit  dem  Brote  hastig  hin- 
unter. In  tinfTL'fiihr  gleicher  Weine  stoi)fton  sie  auch  den  Rest  des  Brotes 
mit  dem  Reste  der  Fleischstücke,  wie  hungrige  Wtilie,  hinein  und  ver- 
schlangen sie.  Nachdem  sie  sämtliches  Fleisch  verzehrt  hatten,  leckten 
sie  die  leere  Mulde  mit  ausgestreckten  Zungen,  nach  Art  der  Katzen,  aus, 
so  dass  Du,  hättest  Du  ihre  Q^ftssigkeit  mit  angesehen,  geglaubt  haben 
würdest,  sie  seien  bis  in  die  untersten  Zehen  ausf^ohungert  gewesen.  So 
gross  waren  niimlieh  ihre  Kehlen,  dass  hei  (iott.  an  Raubgier  es  mit 
den  Harpyien  und  an  Fressgier  mit  dem  Höllenhunde  ausgehalten  hätten. 
Niemals  sind  sie  so  satt  oder  von  Speisen  vollgepfropft,  dass  sie  nicht 
irgend  ein  PIfttzchen  im  Bauche  leer  Hessen,  um  darin  die  Ueberreste  von 
meinem  Tische,  falls  sie  ihnen  vorgesetzt  werden  sollten,  verbergen  zu 
können. 

Als  sie  nun  diese  Rationen,  womit  zwei  heisshunf^rige  Wolle  zu- 
frieden gewesen  wären,  im  Handumdrehen  weggeschnappt,  verschlungen 
und  vertilgt  hatten,  bekamen  sie  einen  so  fürchterlichen  Durst^  dass  sie 
selbst  daa  Meer,  welches  alle  Lander  llberall  und  fast  von  allen  Seiten  her 
umflutet,  mit  ihren  durstigen  Kehlen  aualeeren  zu  kennen  sehiencn.  Bs 
lief  daher  Megadipsus  in  den  Bierkellor,  um  ein»»n  f^pwjsspn  Kru-r  {jrn^sten 
Umfange?  voll  frewöhnliohen  Bieres  heranzuholen,  womit  die  Biergelässe, 
wenn  sie  überschautnten,  nachgefüllt  werden  sollten.  Diesen  von  Megadipsus 
in  daa  Schlafgemach  gebrachten  Krug  tranken  Dromo  und  Megadipsus  in 
abwechselnden  Zügen  bis  auf  die  trabe  Hefe  aus,  ao  dass  Du  sie  nicht 

11* 


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164    Mitteilungen  d.  Uce.  f.  deutache  Erziehunga-  u.  Schulgefich.  VII. 


für  Menschen,  Bondem  für  uuere&ttlidie  Strudel  und  BierschlUude  gehalten 
haben  würdest. 

Nftchdem  nun  der  Bieiluiig  leer  getrunken  war,  befahl  ich  Dromo^ 
ttnaere  SchOsaeln  fortzunehmen  und  eine  Schale  mit  gelber  Butter,  sowie 

ein  Körbchen  mit  Kuh-  und  Schafkäse  auf  den  Tisch  zu  stellen.  Unter- 
dessen füllte  Mpfradipsufs  unsere  Kelche  mit  Woin:  wir  frnnkcn  fie  ohne 
Bonderliehe  Mühe  aus,  iiesseu  sie  wiederum  füllen  und  vor  und  stellen. 
Ale  wir  aber  von  der  Butter  and  dem  KAse  ein  wenig  zu  uns  genommen 
hatten,  befohl  ich  Dromo,  die  Buttersehale  und  das  Körbchen  mit  Klee 
fortzunehmen  und,  wenn  er  etwas  für  den  Nachtisch  hfttte,  ob  aufzutragen. 
Er  setzte  uns  nun  zwei  Si-lialcn  mit  Obs^t  vor.  von  dcnnn  dio  Mine  liallivfill 
war  von  im  Wasser  abjfi'spulieu  Kir.*iclu'ii.  cli*'  atul<Mc  ^ctTiilt  mit  gcllK'ii 
und  blauen  Pflaumen,  desgleichen  ein  Körbciien  mit  suuern  Acpfeln  vom 
vorigen  und  frühreifen  von  diesem  Jahre.  Als  wir  beide  aber  zwei  bis 
drei  Stttck  von  den  verschiedenen  Obstsorten  zu  uns  genommen  hatten 
liess  ich  Dromo  die  übri^j^en  Sachen  fortiK^hmen  und  dann  da^  Tischtuch 
samt  dem  TiHchprnrnt  ontt^men.  Naclidem  nun  dnn  Tist-htuch  entfernt 
war.  beauftni{4:to  i<  li  Dronu»,  einen  8pielbechpr  mit  W  ürtV'la  und  Brettcheu 
8chieunig»t  he  ranz  abringen,  damit  wir  luis  am  Würfelspiel  vergntlgeu 
konnten. 

Sobald  Sidonius  aber  das  harte,  wendete  er  ein:  .Ach,  lass  nur  J& 
kern  Spielbrett  holen  ;  das  Hirn  will  mir  zerspringen  und  das  Herz  tropfen- 
weise zorsrhmnlzon.  als  wenn  du  Salz  ins  Waaser  thust,  sobald  nur  von 
dem  verwUii.schten  Würfelspiel  die  Kede  ist.* 

«Weshalb?"  fragte  ich. 

Sidonius:  «Den  Grund  anzugeben,  wird  mir  untersagt.* 

„Wer  untersajrt  es  dir?"  folgte  ich. 

Sidonius:  ,.I{ate  nial." 
Bartholom.'lux:  ..Schmerz  und  Schuin." 

Sidonius:  ,.l>u  hast  es  geraten;  denn  ich  schäme  mich  zu  sageu^ 
was  ich  mich  nicht  geschftmt  habe  an  thun.  Ich  will  es  jedoch  gestehen, 
wiewohl  Schmera  und  Scham  es  mir  schwer  machen,  und  so  höre  denn: 
IMeses  Spiel  bat  mich  Armen,  als  ich  noch  ein  Jüngling  war,  in  einer  ge- 
wissen Knoipo  zuor«i1'  um  alle  mfinf  Mfinr-tcn .  dio  briron  mitsuint  (lr>n 
grpuiiiptoii.  ^M'hracht.  tiunn  um  die  Lttndhftu.ser,  Ai-ckcr  und  (lidioltc,  su  das» 
mir  niclit  einmal  der  Schweinestall  übrig  blieb  oder  auch  nur  so  viel  Platz, 
dass  sich  ein  Httndchen  hfttte  verkriechen  können,  und  endlich  sogar  um 
alle  Kleider  samt  Ueberaieher  und  Sandalen  bis  auf  das  Hemd  am  Leibe» 
so  dass  du,  wenn  du  zugegen  gewesen  wärest,  nicht  einen  ausgeplünderten 
armen  Scblnrkor.  sondern  einen  gerupften  Kuckuck  sur  Winterzeit  su  sehen 
geglaubt  hi^ttest." 

Bartholomäus:  ,Ei,  was  hüre  ich  da  von  dir?" 

Sidonius:  .Nichts  als  die  Wahrheit.* 

Bartholomäus:  »Wenn  das  wahr  ist,  was  du  erwfthnst,  dann  wärest 

du  ja  ftrmcr  als  der  Cyniker  Diogenes." 

Sidoniti'^;  .Gewiss,  weit  ftrmer:  denn  d^r  hatte  doch  wenigsten«  sein 
KoUfaRH.  daa  »ich  dem  Antlitz  des  Tagesgestirns,  gleichwie  ein  Sommor- 
gewUcliB,  zuwendete:  ich  dagegen  besass  vor  lauter  Armut  nicht  einmal 
einen  Weidenkorb,  unter  welchem  eine  Henne  mit  ihren  Ktichleln  hfttt» 


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14,  Des  Üurthulomäui»  vuu  Külu  aa^euhuttea  äcudächreibeu.  165 


UntorkuDlt  linden  können;  jener  hatte  duch  noch  ötiii  Lntei wams,  ein 
Hflntelchen,  das  er  darüber  warf,  und  seine  Fussbekleidung.  g^robe  Schuhe, 
«owie  das  Gerftt  der  Bettler,  Btab  und  Brotbeutel:  ich  dagegen^  o  wehe, 
hatte  nichts  dergleichen.  Ja,  nicht  nur  Anner  als  Diogenes  sab  ich  aus« 
sondern  selbttt  iiLs  jt'g-lichcr  StnirtscnlxHtler.  Als  ich  dios  ntin.  freilich  zu 
spät,  l)oin*'rktf,  konnte  ich  /uerat  kein  Wort,  ja  nicht  einmal  einen  stillen 
S«u£zcr  borvorbringen.  Nacli  einiger  Zeit  jedoch  begann  ich«  mein  Schick- 
aal ttnd  Ung^lldL  aehw«r  la  beklagen  und  die  leeren  Hftnde  oft  naMEunen- 
auecblagen  und  die  FOase  In  unaidierm  Takte  su  bewegen,  bald  dieeeiu 
bald  jenen  Teil  des  Kopfes,  der  mir  gar  nicht  juckte,  zu  kratxen  und  mit 
lialb^'-osoldosi=ienem  .Munde,  ich  weiss  nicht  welche  Kinnen  au?zn!»to!*9en. 
Endlich,  von  Schmerz  (dxM-wUlligt,  tin^^  ich  pliitzlich  wie  wahnsinnig  an, 
meinen  BesLegcr,  nein,  beim  Herkules,  meinen  Ausplünderer  mit  allen 
Bchimpfworten,  deren  ich  mich  gerade  entsinnen  konnte,  tu  OberschQtten, 
Indem  Ich  ihn  einen  Brwpitsbuhen,  Strassenrtlaber,  Meuchelmörder,  Gtlt- 
mischer,  Vatcrlandsventter,  Vatermörder,  Tempelschander,  Meineidigen, 
■üesety.esveröchter,  .Tufr^ndvorderbor  schalt.  L'jid  zuf^rlficli  versetzte  ich  ihm 
mit  geballter  Faust  einen  Öchiag-  in-^  Gesicht,  dann  ihm  die  Znhne  aus  dem 
Munde  flogen.  Er  aber  hätte  mir  auf  der  Stelle  mit  der  vom  Tische  ge- 
rissenen Mulde  den  Schftdel  eingeschlagen,  wenn  nicht  einer  von  unsem 
Mitspielern,  namens  Misargyrus,  der  uns  gegenüber  aass,  dies  verhindert 
und  unserm  Hader  durch  sein  J)az\vischentroten  ein  Ende  gemacht  hätte. 
Fast  im  selben  Moment  kam  der  Hausknecht  herangelaufen.  d^r  mich 
Annen  tüchtig  mit  Schlägen  traktierte,  zur  Thür  hinauswarf  und  drei 
bissige  und  riesig  grosse  Hofhunde  aus  ihrer  Hütte,  in  welcher  sie  tags- 
Uber  angekettet  liegen,  losliess.  Diese  kamen,  durch  das  gewolinte  Zeichen 
des  Hausknechts  angefeuert  und  aufgebracht  und  in  rasende  Wut  versetzt 
und  schon  durch  ihr  absclienüehps  Ciobrll  selirfcki^nerregend,  zugleich  auf 
mich  los.  Als  ich  das  sah.  r-.iü'w  icli  in  mtMiit  r  Angst  schnei!  einen  Kiesel- 
stein vom  Wege  auf  und  schleuderte  ihn  mit  aller  Wucht  gegen  den 
Kopf  des  sunftehst  heranstOneuden  Höndes;  aber  in  vergeblichem 
Schwünge  gerade  aber  seinen  Rftcken  hinwegfliegend,  war  der  Stein  gegen 
mein  Erwarten,  «ihn«*  zu  treft'en,  zur  Erde  gefa11<Mi.  Durch  diesen  Btein- 
■\vurf  nun  voilcmU  in  Wtif  gebracht,  füllt  litT  nhni'liin  schon  gereizte 
Hund  mit  aul>csj)»  jrten»  Uachen  über  mich  .\rmen  her,  wirft  mich  hart  zu 
Boden  und  tiehii.kt  sich  mit  Beihilfe  der  übrigen  Hunde  an,  mich  glied- 
weise ZU  zerfleischen.  Aber  fast  im  selben  Augenblicke  kommen  Bauern? 
burechen,  die  mein  j&mmerllches  Geheul  vernahmen,  mir  schleunigst  su 
Hilfe,  die  einen  mit  Knitteln,  andere  mit  zwcizinkigen  Heugabeln,  wieder 
andere  mit  Flegeln,  mit  denen  die  pi!»<reheimsten  Saaten  auf  der  Tenno 
gedroschen  werden.  AU  diese  herangekommen  waren,  trieben  sie  mit 
ihren  ländlichen  Wallen  sowohl  als  diurch  lautes  Schreien  die  Hunde  von 
mir  weg.  Nachdem  sie  nun  die  Hunde  veijagt,  stellten  sie  mich  Armen, 
der  ich  rQcklings  auf  dem  Boden  lag,  auf  die  Beine  und  witschten  mir  mit 
Zeugfetzen  und  sonstigen  Lappen  das  Blut  vom  Leibe.  Als  sie  den  131ut- 
strom  gestillt  hatten,  kam  einer  vf)n  meinen  Nachbarn,  namenn  Klons.  hin- 
zu, der  mich  Armen  anfa.sMt<;  utul  zum  Hause  meines  altern  Bruders 
Alexis  geleitete.  Sobald  dieser  erfahren  hatte,  dass  ich  von  Hunden  ge- 
bissen und  durch  verschiedene  Wunden  serfleischt  sei.  da  verlangte  er  so- 


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106     Mitteilungen  d.  ües.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


fort,  daää  maji  einen  Wuudarzi  mit  SalbenbUehsen  auü  der  nächsten  Stadt 
herbeiholen  sollte.* 

Hier  unterbrach  ich,  w&hrend  Sidonine  noch  am  Fabeln  war,  seinen 

Wortachwall,  indem  ich  also  sprach:  ,Höre  auf,  höre  auf,  lieber  Sidonius j 
ee  ist  ponug  der  Geschichten!  Du  erzählet  ja  mir  traurige  Dinf?o,  ich 
möchte  aber,  beim  Herkules,  dass  wir  uns  erheiterten,  sei  es  an  irgend 
einem  Spiele^  oder  an  den  lüaugen  der  Leier  oder  Flöte."  Und  mit  diesen 
Worten  richtete  ich  an  Dromo  die  Frage,  oh  er  die  Kunst  des  FlOteU' 
apielee,  welche  in  der  Verachmelxung  hoher  Diskant-  und  tiefer  Baastöne 
zum  hannonischf n  Einklang  besteht,  verstände  oder  nii  ht.  Joncr  ant- 
wortete mir  aber,  davon  verstände  er  gar  nichts;  aber  wenn  es  mir  recht 
wäre,  dami  wolle  er  mir  irgend  ein  schönes  Lied  vorsingen.  Ich  befahl 
ihm  nun,  ehi  echdiies  Lied  von  Jupiter,  dem  AllgUtigen  und  Eriiaheneu, 
▼orsotragen,  welches  unsere  Ohren  sowohl  als  auch  vor  allem  unsern  Geist 
durch  seinen  Wohlklang  ergötzen  würde. 

Als  das  nljt'i-  M<'j:^;u!;m -ns  hr)rtr'.  sprach  nr  mir!  .O  f^nndi^tor  Herr, 
ebenso  pnt  kr-iuiiost  du  ihtn  licfehien,  in  den  iiimmel  zu  gehen,  uru  einen 
üruss  von  dir  an  Jupiter  zu  bestellen:  das  eine  vermag  er  namiich  so 
wenig  wie  das  andere.  Weisst  du  denn  nicht,  daas  em  altes  Sprichwort 
eagt:  ,Was  hat  die  Krthe  mit  der  Violine  su  thun,  oder  das  Schwein  mit 
Majoranöl?'  Wer  sollte  denn  auch  dieeem  Schlemmer  die  Musikkunst  bei- 
gebracht haben,  die  aus  lan«roH  und  kurzen,  linlicn  und  tiefen  Tönen  bo?teht 
und  ans  so  uriirIoicli:irrigen  und  verschieden  klinirenden  Lauten  einen 
harmonischen  Einklang  herstellt,  wie  ich  oft  von  dir  gehört  habe?  Hatte 
doch  dieser  Mensch  vorgestern,  als  wir  Pastuacht  feierten,  irgend  ein  Lied 
derartig  laut  zu  brOllen  angefangen,  dass  du,  wenn  du  es  gehOrt  hattest^ 
ihn  für  einen  Heldenschaiispieler  gehalten  haben  wnrdnst,  der,  damit  die 
Klarlioit  der  Stimme  nicht  durch  die  I-iiftrnhre  beeinträchtigt  würde,  durch 
w^iederholtcs  Brüllen  seiner  heisern  Kolile  Luft  machte.  Ich  für  meinen 
Teil  würde,  heim  Herkules,  lieber  das  Ivlätfcn  des  t'uchses,  ja,  das  Grunzen 
des  Schweines  und,  ganz  offen  gesagt,  das  Geschrei  eines  beliebigen 
heisern  arkadischen  Esels  hören,  als  die  Stimme  dieses  Dromo  hier.  Und 
dasselbe  würdest  auch  du  vermutlich  lieber  wollen,  wenn  er  jpt/.t  anting-e, 
auf  sfin»'  \V»'ise  zu  sinfron.  das  heisst.  wie  nin  Zicq-onbock  zu  inockcrn.** 

i>aruui  entgegnete  L>romo;  .Verstehst  du,  unersättlicher  Bierechlund, 
vielleicht  schOner  «a  singen  als  ich?  oder  kannst  du  gar  mit  der  Nachtigall 
.im  Singen  wetteifern?  Warum  singst  du  denn  nicht?  warum  beweisest  du 
nicht,  dass  du  den  Sirenengesang  in  vielgestaltigen  Modulationen  ttber> 
treffen  kannst?  Sprich.  Triinkf-nhoUL,  sprich." 

Mecradipsus:  „Sphnn  l;iM^''st  würde  ich  gctiun^^cn  haben,  wenn  mein 
Herr  uücii  geheissen  hülle  zu  singen;  denn  uichts  darf  ein  wackerer  Diener^ 
wie  ich  bin,  ohne  Geheiss  seines  Herrn  unternehmen,  falls  er  sich  nicht 
dessen  Unwillen  su  seinem  Unglttck  susiehen  will.** 

Ich  spriu^h  zu  ihm:  „Nun,  wenn  du  meinst,  du  könntest  besser  singen 
als  er.  so  tra^e  ich  dir  auf,  eben  dasselbe  Lied  von  Jupiter,  dem  AllgUtigen 
und  Erhabenen,  jetzt  anzustimmen." 

Mogadipsus:  „Ich  kaxm  gar  keiue  Lieder  von  deinem  Jupiter  singen; 
wenn  es  du*  aber  recht  sein  sollte,  wOrde  loh  dir  ein  schönes  Lied  voa 
meinen  besondem  Göttin  vorsingen.* 


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14.  Des  Bartholumäus  von  Kölu  a^enhafkes  Sendschreiben.  167 


Bartholom&us:  .Wer  sind  denn  deine  besonderen  Götter,  von  denen  du 
ein  Lied,  und  eogar  ein  lieblich  klingendes,  su  aIngen  dich  erbietest?" 

MegadipHuu:  , Meine  besondern  (lüttcr  »^'md  mein  Baueh  und  dessen 
Frau,  die  heiligo  Siitiig'uii'j:.  Diese  habe  ic!!  ^  on  mi'inrr  Jugend  an  bis 
auf  diesen  Ta^'-.  wie  sicli  das  für  einen  Ei»ikuretr  ziemt,  gewissenhaft  vor- 
ehrt und  verehre  sie  noch  und  werde  sie  auch,  solaoge  ich  am  Loben 
bleibe,  verehren,  und  xwar  nicht  bloss  durch  ein  alljahrige»,  die  Nacht  hin- 
durch andanemdes  Opfer,  oder  durch  alhnonatliehe  Annilüngen,  sondern 
durch  Tag  und  Nacht  hindurch  fortgesetzte  Ess-  und  Trinkgelage,  durch 
weicht^  dorartipe  (intthciten  bof^!\nftigt  und  so  beruhigt  werden,  dass  da» 
Meer  nicht  nihij^er  ist,  wenn  der  Eisvogel  s^ine  Eier  brütet." 

Bartliolumiiun;  ,,tieh  zum  Henker  mit  diesen  deinen  üöttern,  welche 
ein  rechtschaifener  Mensch  vor  lauter  Verachtung  nicht  einmal  für  Götter 
des  Viehs,  geschweige  der  Menschen,  ansieht,  wenn  auch  ihr  Epikureer, 
die  ihr  wegen  eiver  Gefrttssigkeit  unter  allem  Vieh  steht,  sie  für  Götter 
haltet/' 

Und  sodann  wandte  ich  mich  an  Sidonius  mit  den  Worten:  „Sidonius, 
morgen  nach  dem  Frtlhsttlck  wirst  du  dein  Rüuzleiu  nehmen,  dich  auf  den 
Weg  machen  und  deinen  Marsch  nach  det  Heimat  richten,  um  dich  bei 
deinem  Herrn  Paneratius  endlich  wieder  einzufinden,  der  deine  Ankunft, 
wie  aus  seinem  an  mich  gerichteten  Schreiben  hervorgeht,  mit  Sehnsucht 
erwartet.  Wenn  du  dios  alsbald  zu  thun  unterlflssest  oder  deine  Abrf^is*» 
nachliissigcrweise  wiederum  verschiebst,  so  wirst  du  deinen  Herrn  un- 
versölmlich,  das  glaube  mir  nur,  beleidigen.** 

Ich  hatte  noch  nicht  ausgeredet,  da  unterbrach  Megadipsus  meine 
Worte,  indem  er  einwendete:  „(je.stern  Abend  habe  ich  gehört,  dass  Uftuber 
die  Wege  unsidier  machten  und  alle  Wanderer  um  ihre  Börse  und  ihre 
Ranzen  erleiciuerten. 

Bartholomäus:  „Schweig,  du  Schwatzer,  es  ist  dummes  Zeug  und  ganz- 
lich unwahr,  dass  die  Strassen  durch  Rftuber  unsicher  gemacht  und  die 
Wanderer  ausgeplündert  werden.  Aber  gesetat  auch  den  Fall,  Rftuber 
machten  die  Wege  unsicher:  was  könnten  denn  einem  völlig  mittellosen 
VVandoror  die  F?fluher  eigentlich  wejrnehraen?  Oder  weiset  du,  Dummkopf, 
denn  nicht,  dass  ein  Nackter  auch  nicht  von  zehn  bewaffneten  Soldaten 
ausgeplündert  werden  kann?  Unser  Sidonius  pflegt,  wenn  er  reiset,  nicht 
mit  Moneten  beschwert  au  sein,  wenn  er  auch  mit  dem  Ranzen  und  der 
Feldflasche,  wie  sich  das  ftlr  einen  Philosophen  geziemt,  bepackt  ist.  bi- 
dessen  wird  er  nicht  ohne  Begleitung  von  hier  fortziehen,  sondern  Dromo 
wird  als  sein  Diener  mitgehen,  der.  mit  seinem  Dofr^'n  iimg-firtet  und  ndt, 
dem  eiseubeschlagenen  Knotenr«tuck  ausgerüstet,  für  die  liauber  ein  Grausen 
und  tUr  Sidonius  eine  Schutzwehr  sein  wird.*-^ 

Als  das  Megadipsus  hörte,  da  brachte  er  Iftcherllche  Sticheleien 
gegen  Dromo  vor,  indem  er  also  sprach:  „0  lieber  Dromo,  wenn  du  auf 
dein  Heil  bedacht  nehmen  willst,  so  gehe  schleunigst  hin  zu  den  Wahr- 
sagern, oder,  wenn  du  lieber  willst,  zu  den  NativitiltstoUern,  die  durch 
wundersame  Künste  alle  zukünftigen  Dinge  vorher  wissen,  und  befrage 
sie  Aber  den  Ausgang  deiner  Reise,  damit  du  andernfalls  nicht  unter  un* 
heilvollen  Voneichen  dehien  Marsch  antrittst  und  unvorsichtigerweise 
dein  Leben,  was  die  Götter  verbaten  wollen,  in  Gefahr  bringst.** 


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1 68     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erztehungs-  u.  Schulgesch.  YII. 


I^mo:  „Wae  dich  niehts  angeht,  darum  kOnunere  dich  aaeh  nicht. 
Damit  meine  Reite  glUcklidi  von  Statten  gehe,  bedarf  es  nicht  des  Wahr» 
aagers  mit  dein  Kruiiimstabe,  sondern  eines  put  gespickten  Geldbeutels, 

nicht  des  Chalditers  mit  Hcinom  Wnii^safrobtichf»,  a^ndom  eines  Runzon 
mit  Brut  und  KMo  und,  was  ich  beinahe  verfct^äaen  hätte,  einer  I^lodche 
mit  Bier  oder,  was  ich  noch  lieber  möchte,  mit  Wein." 

Als  er  dies  ausgesprochen  hatte,  sagte  ich  zu  ihm:  „Sei  nur  zu- 
fkieden,  lieber  Dromo,  mwgenf  so  die  Götter  wollen,  werde  ich  dich  mit 
einem  anstAndigen  Reisegeld«  versehen,  womit  du  sowohl  für  dich  als  für 
Sidonius  Speisen  nebst  Getrftulcen  in  den  Wirtsstuben  reichlich  beschaffen 

könntest  '• 

Dromo:  „l>u.  Herr,  thust  ja.  was  dir  Ehre  macht,  und  hast  nie  un- 
terlassen, was  nur  irgendwie  zur  Obliegenheit  eines  guten  und  fireigebigeu 
Hannes  su  gehören  schien.  JeUt  aber  habe  ich  dich  um  eins  dringend 

zu  bitten.  Du  fragst,  was  da.«*  sei.  Dass  du  uns  nnmlich  ^T.startf^n  iiu't-^'est, 
den  We^  zu  Wagen  zurdckzulegen;  Sidonius  ist  wie  auch  dir  nicht  un- 
bekannt ist,  schlecht  zu  I'usse.  weshalb  er  lieber  zu  Wagen  als  su  Fuss 
den  Weir  zunicklegen  möchte." 

Bariholomaus:  „Es  ist  nicht  unbedenklich,  den  durcli  Steine  und 
Baumwuneln  unsicher  gemachten  Weg  zu  Wagen  zu  machen.  Im  ver- 
gangenen Jahre,  als  ich  zur  Reise  in  meine  Heimat  ein  Mietgespann  be» 
stiegen  hatte  und  bereits  bis  zum  achten  Meilensteine  meines  Weges  ge« 
kommen  war,  kippte  der  Wagen  an  t'incni  h'MA  i  .i  si  i  hi  rnlen  Baumstanuuo. 
au  dem  :*ich  die  Rndroit«'n  _'-H'^t<)«<sen  hatten,  um  und  fifl  auf  mich,  der  ieh 
herausgeworfen  Ujul  lorigeschleudert  war  und  rücklings  aiu  Boden  lug, 
und  bedeckte  mich.  Soll  euch  nicht  ein  ahnlicher  Unfall  treffen,  so  ist 
grosse  Vorsicht  anzuwenden.  Geratener  jedoch  scheint  es  mir,  wenn 
ihr  zu  Pferde  in  die  Heimat  reiset,  statt  zu  Wagen.  Ich  habe,  wie  du 
weisst,  ein  asturischfs  Pf'.,(I  von  hM^om  Cinui-  für  Sidonius;  wenn  ich 
ein  zweites  für  dicli  iKiitc.  .s<>  kunntri  iiir  bi-idt»  ifiten. 

Kaum  hatte  ii  h  meine  Rede  l)eeadei.  als  .Megaiiipsus  sagte:  .,Mach 
dir  keine  Sorgen,  gnädiger  Herr.  Es  ist  hier  in  der  Herberge  ein  Strassen- 
bettler;  der  bat  einen  Packesel,  welcher  seine  Kinder  in  den  beiden  rechts 
und  links  herabhangenden  Körben  zu  tragen  pflegte.  Diesen  könntest  du, 
da  er  sich  vor  drei  Tagen  einen  zahmeren  zum  Tragen  seiner  Kleinen  ge- 
kauft hat,  für  f'iiK'n  «reriniren  Frei-:  rtr'toheii  und  ilin  dann  mit  vergolde- 
ten Schildchen  und  bemaltem  Sattelzeug  und  purpurnen  Decken  und 
«dlberbeschiagenen  ZQgeln  und  gestickten  Gurten  und  hellklingenden 
Schellon  schmücken,  so  dass  er  nicht  als  Esel  erscheint,  sondern  als  Pferd 
mit  Eselskopf,  welches  dem  lMuino  i  Im  i.so  gutansteht,  als  eiu.'<t  das  Pferd 
mit  dem  Ochsenkopf  dem  Al(  \  indi»r.  KOuig  von  Macedonien.  la,  und  was 
ich  beinahe  vergessen  b.'irfr,  zu  erwiihnen,  dieser  Esel,  <ien  icii  meine,  ist 
hübsch  von  Ansehen,  flink  im  Laufen  und  ausdauernd  im  Kitt,  und  er 
wird  den  Dromo  nicht  nur  behende,  sondern  auch  sanft  hinflbertragen, 
da  er  mit  tüchtigen  Hornschuhen  von  dem  Lateruenmachermeistor  ver- 
sehen ist.*^ 

Er  hatte  diese  Spöttereien  noch  nicht  be<'ndigt.  als  Dromo  in  diese 
Worte  ausbrach:  „Geh  zum  Teufel  mit  deinem  Packesel  und  höre  auf,  mich 


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14.  Des  Bartholomaus  von  Köln  sagenhaftes  Sendschreiben.  169 


zu  verhöhnen,  sonst  werden  die  Furien  die  Fackohi  halten!  Verstehst  du 
das,  zweibeiniger  Esel?" 

Megadipsus:  Warum  sttmit  du  mir  denn?  Wenn  du  nicht  auf  dem 
Beel  reiten  willst,  so  sefoBe  dich  auf  dae  geftflgelte  Boss  des  Perseua.  Was 

kUnimore  ich  mich  durum,  auf  welchem  Tiere  du  reitest,  ob  du  auf  des 
Esels  Buckel,  oder  des  Kutorn  Rück^^n  oder  zu  Fuss  deine  Reise  unter- 
nimmst? Alles,  was  ich  genagt  lialien  mag,  das  siehe  an,  als  habe  ich  ea 
in  deinem  Intercaae  gesagt.  Indessen  wäre  es  meiner  Ansicht  nach  besser, 
du  setztest  dich  auf  den  Rücken  des  Katers,  als  dass  du  au  Pusse  den 
steinigen  Weg  in  den  Sonunertagen  surOcklegtest  und  dir  infolge  der 
langen  Anstrengung  des  .Marsches  einen  Wolf  zuzögest.  Ich  besitze  einen 
Kater  mit  hübschem  Ko])f.  schwarzen  Augen,  spitzen  Ohren,  feiner  Nase, 
niedlichem  Miuide,  einem  mit  vereinzelten  öpUrhauren  besüettju  Kiun, 
dickem  Nacken,  feistem  Klicken,  mässig  vorstehendem  Bauche,  behaartem 
und  zur  richtigen  Lange  ausgestrecktem  Schwanz,  netten  Fassen,  glAo- 
zendem  Fell,  kastrierten  Schenkeln,  kurz  und  gut,  ein  ganz  prftehtiges 
Tierchen.  Diesem  lege,  wenn  es  dir  beliebt,  den  Halfter  an.  wie  einem 
Wallach,  und  beateige  ihn  dann,  auf  dass  du  nicht  .als  Landsknecht  mit 
dem  Esel,  sondern  mit  dem  Kater  auftrittst.  Ausserdem  habe  ich  sechs 
riesige  Mause,  welche  ich  in  meiner  mit  aogehrannten  SpeckstUckchen  ver» 
seheoen  Mausefalle  innerhalb  der  letzten  drei  Tage  im  Weinkeller  zu 
meinem  Gau  dl  um  gefangen  habe;  diese  magst  du,  in  ein  Sückchen  einge- 
schlc^sen  als  i'utter  für  den  Kater  mitnehmen,  duuüt  du  so  das  Geld, 
welches  du  liir  das  I'utter  eines  derartifren  Lasttieies  ausgeben  wirst,  zu 
deinen  Sparpl'enuigcn  hinzulepen  k.uinst  iiml  reiclier  \vir?«t.''' 

\V;ilirend  er  alu'r  iiuch  am  JSchwutzen  war.  <la  knirschte  l^rnmo  mit 
den  Z.Ihnen,  und  er  würde  ihm  mit  der  gebailieii  l'uust  ins  Ge.siclit  sre- 
schlagen  haben,  wenn  ich  mich  nicht  ins  Mittel  gelegt  und  den  Schlag 
seiner  drohenden  Faust  mit  meinem  Arm  abgewendet  hatte,  indem  ich 
sprach:  „Höre,  Dromo,  wenn  etwas  im  Scherze  gesagt  ist,  so  nimm  das 
doch  nicht  ernst,  namontlicli  das  niclit,  was  ein  betrunkener  und  seines 
Ver-slandes  nicht  mftcliti^^er  Mensch  in  seiner  Bierlaune  gej^u;^!  liat." 

Drunm;  „Es  will  nur  nicht  gefallen,  dass  man  die  Schuld  jedesmal 
auf  das  schiebt,  was  stumm  ist  luid  nicht  sprechen  kann;  denn  das  Bier 
wttrde,  wenn  es  plaudern  konnte,  sich  dagegen  verwahren.  Aber  nur 
Menschen,  die  gar  nichts  taugen,  nehmen  sogleich  ihre  Zuflucht  zu  der 
Bozichtif;-ung  der  Trunkenheit,  gleichwie  zu  einer  Preistfttte  im  Tempel, 
und  meinMii.  dass  alles,  was  sie  Böse:«  «rethan  haben,  nit  lit  ihr^r  Ver- 
messenheit,  sundern  der  Tnuikenheit  zur  Lnst  gelegt  weiden  nUisse.  In- 
dessen wäre  CS  meiner  Meinung  nach  weil  gv  rechter,  wenn  man  derartige 
Menschen  doppelt  stnfte  fUr  ein  doppeltes  Vergehen,  nämlich  das  der 
Trunkenheit  und  der  Vermessenheit*' 

Megadipsus  aber  entgegnete  Ihm:  ..Derjenige  muss  fOr  schuldlos 

angesehen  werden,  der  flas  tbut.  was  die  (Jütter  ihn  zu  thun  zwingen. 
Osirif.  von  dessen  Hauch  ich  beseelt  hin.  /.wingt  mich,  die-ip  spasshaften 
Sticheleien  gegen  dich  vorzubringen.  Wenn  du  in  meiner  (ieistesverfassung 
wärest,  würde  Ich  mich  um  keinen  Preis  verleiten  lassen,  auch  nur  ein 
Witzwort  und  wäre  es  das  harmloseste,  gegen  dich  fallen  zu  lassen." 


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170    Mitteilungen  d.  Geü.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Scliulgcech.  VII. 


Da  sprach  Dromo:  „Herkules,  von  dessen  Hauch  ich  beseelt  bin» 
zwingt  mich,  die  Hände  mit  deinen  Backen  in  unsanfte  BerOhnrng  su 
bringen  und  dein  verwegenes  Mundwerk  mit  den  Pftusten  zu  bearbeiten, 
damit  es  aufhört,  derartige  Witie  auf  mich  su  machen.^' 

Dipso  Zänkerei  würde  nun  unter  ihnen  noch  längere  Zeit  angodauort 
haben,  wenn  ich  nicht  geglaubt  hatte,  es  verlohne  sich  nicht  der  Mühe, 
in  einem  lort  denselben  Wortwechsel  auzuhöreu.  Ich  befahl  also  beiden 
SU  sdiwtigen  und  ihre  ▼oriauten  fangen  auf  die  ^elle  su  sQgdn.  Und 
mgleieh  griff  ich  in  meinen  Geldbeutel  und  entnahm  demselben  swaodg^ 
Mark  in  Silber,  welche  ich  üroino  als  Zehrgeld  für  die  Beiden  vonAlllte» 
iiulciii  ich  safrtf!  ..Dronif»,  hier  sind  zwaiizi;;  Mark  in  Silhrr.  von  denen 
jedes  Stück  ui«>hr  wert  ist  als  vi»»r  von  unscrn  Silhorinilnzcn,  tiio  miin 
Staber  nennt.  Siehe  nach;  wenn  es  nicht  stimmen  «ollte,  werde  ich  es 
berichtigen.'* 

Noch  hatte  Dromo  diese  nicht  in  seinen  Beutel  gesteclct,  als  Pannen» 
in  das  Gemach  tritt  und  meidet,  dase  unser  lieber  Philotimue  mit  seinen 

zwei  T.ohndieneni  in  dem  Flur  unseres  Hauses  stehe  un  l  mich  XU  einer 
leisten  Rehkeule  oinladn.  Als  ich  ilas  hörte,  spracli  ich:  I'armeno.  sage 
nifinfin  liehen  Fhilutinius,  ich  würde  sofort  zu  ihm  kommen  und  mit  ihm 
zum  Seiimause  gehen."  Indem  aber  Parnieno  abtrat,  richtete  ich  an  Dromo 
folgende  Ansprache:  „Lieber  Dromo,  morgen  wirst  du»  w&hrend  Sidoniua 
reitet,  den  Weg  xu  Posse  machen,  weil  du  eben  Icein  Pferd  hast  Du  hast 
auch  wahrhaftig  kcins  nötig,  da  du  ja,  wenn  ich  nicht  irre,  die  Tiger 
Armeniens  und  dio  Pfeile  der  Parthor  nn  Schnnlli^'^koit  überholen  kannst, 
was  die  Uebersetaung  deines  Namens  an/.udeuten  scheint:  Dromo  heisst 
n&nlich  Scbnelliäufcr.  Und  damit  du  dir  auf  dem  rauhen  Wege  die  I'^sse 
nicht  wund  läufst,  so  siehe  die  Schuhe  an»  dio  du  vor  drei  Tagen  geflickt 
und  mit  Sehuhnllgeln  beschlagen  hast* 

Und  damit  richtete  ich  meine  Rede  an  Sidonius,  indem  ich  also 
sprach:  .Lieber  Sidonius,  ich  werde,  wie  du  gehOrt  hast,  bei  mtüncm 
Philotimus  spf»rs»cn.  dor  im  Flur  meines  Ifansps  auf  mich  wartet,  um  mich 
zum  Essen  abzuholen.  Du  hingegen  und  mein  Dronm,  ihr  werdet  heute 
Abend  fröhliche  Tischgeuossen  sein.  Mein  KQchenmeister  Parmeno  wird 
euch  reichlich  mit  Speisen  versorgen,  und  mein  Mundschenk  Megadipeus» 
der  auch  zugleich  mein  Hausverwalter  ist,  vollauf  mit  Uetranken.** 

Eben  hatte  ich  diese  Bemerkungen  gemacht«  da  eriiob  sich  Sidonius, 

nahm  seinen  Hut  ab  und  orgriff  mninc  Reclitn.  indnm  or  sprach:  „Jetzt 
aber  will  ich  mich  von  dir  \  t^rat)!*<  liii'd('n.  mein  lierr,  iitul  dir  lilr  die  un- 
vergesslicben  Wohlthaten,  die  du  mir  erwiesen,  da  icli  sie  dir  niclit  ver- 
gelten kann,  wenigstens  Dank  sagen,  wenn  ich  vielleicht  morgen,  wo  ich 
von  hier  aufbrechen  werde,  keine  Gtiegenheit  finden  sollte,  von  dbr  Ab- 
schied zu  nehmen:  denn  es  ist  ja  mOglicb,  dass  ich  mich,  bevor  du  dich 
aus  dem  Betto  raffst,  von  hi^r  aufmachen  und  dfu  bostimmtm  Marsch  an- 
treten muss.  Lt'bt»  also  wohl,  mein  Herr,  und  verfüge  über  mich  al» 
deinen  unterthflnigsten  Diener!" 

Darauf  sagte  ich:  „Auch  du,  lieber  Sidonius,  lebe  wohl,  komme 
glQcklich  Uber  und  grosse  den  Pancratlus,  deinen  Herrn,  vielmals  von 
mir.  Nochmals,  lebe  wohl!" 


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14.  De«  BarUiolomäus  von  Küin  sageuhaltea  ^endschreibeu.  171 


Mit  diesen  Worten  ging  ich  aus  dem  Gemach  und  eilte  in  den  Haus- 
flur, wo,  wie  ich  vorbin  erwftbnte,  mein  Preuod  Philotimus  mit  Minen. 
Lohndienem  stand.  Sobald  dieser  mich  erblickt  hatte,  sagte  er:  .Aber  da 
m^st  ja  lange  auf  dich  warten!   Es  hat  schon  sechs  Uhr -geschlagen,  es 

ist  Zeit  7:11  fspf^ison,  lass  im»  ntich  I1lPi^er^V(lbnung  zum  Abendessen  gehen;, 
alles  ist,  wie  ich  wcis.s.  recht  lecker  zubereitet,** 
»So  lass  uns  doiiii  gehen,"  versetzte  ich. 

In  stilclier  WVise,  mein  lieber  Pancratiu^,  liabo  icii  mit  Dir  brietlich, 
wie  mau  zu  sagen  pflegt,  gescherzt.  Aber  Du  vsiröt  Dich  vielleicht  schon 
jetat  wundem,  dass  ich  nicht  ttberall  Wahrscheinliches  vorgebracht  und 
nicht  immer  bei  den  Personen  und  Sachen  das  Delcomm  gewahrt  habe, 
nach  den  Vorschriften  der  Redekunst,  sowie  auch,  dass  icb  nicht  Uberall 
die  Kürze,  Anmut  und  Eleganz  der  kftmiarhnn  Sprache  beobachtet  habe. 
Aber  Du  brauchst  Dich  nicht  zu  wundern,  wenn  ich  nicht  vom  Alter  morsch 
gewordene  Zaunpfahle  mit  Purpurlappeu  behängen  oder  taube  NOsse  mit 
Ooldsdiaum  Qbeniehen  mochte.  Du  hast  ohne  Zweifel  schon  längst  ge> 
wittert,  was  ich  damit  sagen  will,  da  Du  ja  ein  Mensch  bist,  der  eine 
feinere  Nase  hat  als  ein  Jagdhuiui  oder  vielmehr,  beim  Herlcules»  als  ein 
ausgehunf^pftor  Geier,    Doch  ;j:eiiug:  hiervon. 

üebrigcn»  weisst  Du,  wie  oft  und  dringend  ich  Dich  schon  früher  ge- 
beten habe,  dass  Du  mir  die  Geometrie  des  Euklides,  die  Untersuchung- 
Uber  die  Planeten  und  die  Metaphysik  des  Aristoteles  mit  den  Erläute- 
rungen des  Thomas  von  A<iuin  wieder  zustellen  möchtest.  Aber  Du  hast 
sie  hislanp:  noch  nicht  zurückgeschickt:  lass  sie  mir  also  demnftchi^t  wioder 
zukommen.  Lebe  wohl  und  bestelle  an  den  Doctor  Dietrich,  einen  auf 
dem  Gebiete  der  Philosophie  vorzuglich  bewanderten  und  in  der  Arith- 
metik nicht  minder  als  in  der  Geometrie  erfhhrenen  Hwm,  in  meinem 
Namen  die  herzlichsten  GrQsse.  Nochmals,  lebe  wohl! 

Deventer,  den  10.  Juli  1490. 


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172     Mitteiliuigeu  d.  Ges.  t.  deutsche  Eraiohungs-  u.  ^Schulgesch.  VU. 


15. 

Weimarisefie  Schiilordnuiis^  von 

Voa  Ludwig  Weniger,  Direktur  des  Cjymuasiunia  zu  \Veimar. 

Die  mit  der  Weimarischen  Stadtkircbe  zu  S.  Peter  und  Paul 
verbundeoe  Schule,  aus  der  das  beutige  Gynmasium  hervorgegangen 
ist,  reicht  bis  in  das  fUnföehnte  Jahrhundert  zurück.  Seit  1443 
iNiirde  sie  vom  Rate  der  Stadt  erhalten.  Aber  erst  nach  der  Re- 
formation gewann  die  Schule  festere  Gestalt  und  höhere  Ziele.  Die 
auf  Veranlassung  der  Reformatoren  und  ihrer  Nachfolger  in  den 
Jahren  1528,  1533.  1554,  1570,  1573  und  weiterhin  vorgenommenen 
Kirchen-  und  Schulvisitationen  kamen  auch  ihr  zu  gute  und  forderten 
ihre  EntWickelung. 

Luthers  Sendschreiben  »An  die  Radherm  aller  stedte  deutsches 
lands*  vom  Jahre  1524  hatte  in  Weimar  die  Wirkung,  daas  Kur- 
fürst Johann  von  Sachsen  1525  alle  KirchengUter  dem  Stadtrat  ttber^ 
wies,  der  daraus  drei  Geistliche,  sowie  einen  Schulmeister  mit  zwei 
Gesellen,  besolden  sollte  i).  1528  fand  die  erste  Visitation  statt. 
Der  ältesten  Schulordnung  scheint  der  von  Melanchthon  ver- 
fasste  Sächsische  Schnlplan  am  Schlüsse  des  „Unterrichts  der  Visi- 
tatom ym  Kurflirstenthum  zu  Sachsen"  (Wittenberg  1528)  zu  Grunde 
gelegen  zu  haben.  Die  dort  empfohlene  Einteilung  der  Schüler  in 
drei  Haufen  war  auch  in  Weiinai*  <liirchgefUl)i1,  M  ie  aus  der  Visitations- 
urkunde  von  1533  henorgelit.  Ihr  ent-sju-ach  ofVenbar  die  Anstellung 
eines  Schulmeisters  und  zweier  (leselien;  denn  jedem  der  drei  Lehrer 
war  eine  der  Klassen  zugewiesen. 

Zwanzig  Jahre  si>ärcr  wurde  eine  nouo  S.  bul ordnung  von 
dein  Diakonus  an  der  Stadtkirclie  M.  Kaspar  Müller  abgefasst,  dem 
durcli  Wrfügung  der  Ilei-zöge  Johann  Frifdri-  h>  des  Mittleren  und 
Jobauu  Wilhelms  vom  .fahre  1548  an  Stelle  des  hochhetagten  Super» 
intcndenten  Grau  die  Aufsicht  über  die  Stadtschule  anvertraut  worden 

')  Die  DarätcUung  stutzt  öich  auf  G.  Heiland,  Beitra^fO  zur  Geschichte 
des  Gymntisiums  zu  Weimar.  Weimar«  1859.  V^l.  0.  Franc Ice,  Regesten 
zur  Geschichte  des  Gymnasiums  au  Weimar.  Weimar  issl. 


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Ii).  \\  euiiurische  Si-huiordnuiig  von  lü62. 


17» 


war.  Diese  Schuiurduuiif;  ist  nicht  erhalten.  Indes  ^\  ird  iilMTÜffert, 
(lass  bereits  um  lööÜ  ein  vierter  Lehrer  angestellt  war.  Müliei's 
Werk  hatte  wenig  Erfolg  und  kurze  Dauer:  die  Lehrer  hielten 
hartnackig  um  liergebraciiten  lest  uud  behalten  sich,  so  gut  es 
eben  ging. 

Von  1554  an  lasst  sich  ein  EiiiporltHiheu  der  Schule  wahr- 
nehmen. In  die«eni  Jahre  fand  eine  drille  Visitation  statt.  Wegen 
des  Anwachsens  der  S(  liiiJer/.alil  wurde  auf  Itefehl  der  füi-stlichen 
IleiTSchafl  ein  runiu  r  Ldin  r  ajigestellt.  Das  Jahr  darauf  erhielt 
die  Schule  in  M.  .l(»liaiin  Wolf,  geboren  in  Weimar  1524,  einen 
jugendtn.scheu,  dun  li  Wibaen  und  Tliatkraft  auisgi-zcichiieten  Leiter^). 
Nach  fast  zwanzigjähriger  AVirksainkcit  wurde  W^ilf  1574  als  Gegner 
des  Synergismus  seines  Amtes  entsetzt.  Nachdem  er  eine  kurze 
Zeit  als  Adjunkt  der  philosophischen  Fakultüt  in  Wittenberg  thätig 
gewesen,  erhielt  er  (nachweislich  vor  1576)  das  Rektorat  der  Schule 
in  Regensburg;  1586  wurde  er  in  seinen  alten  Wirkungskreis  nach 
Weimar  zurück  berufen  und  1595  sogar  zum  Bürgermeister  gewählt. 
£r  starb  am  3.  November  1602  im  78.  Lebensjahre. 

Unter  Wolfs  erstem  Rektorate.  löGi,  erlüelt  die  Schule  ein 
neues  Haus,  das  Baum  für  fünf  Klassen  und  die  Rektorwohnung 
bot.  Zugleich  erfolgte  eine  Aufbessenmg  der  übrigen  Verbaltoisse. 
Da  den  Tier  Gesellen  täglich  eine  Stunde  mehr  an  Arbeit  zuwuchs, 
80  bewilligte  eine  herzogliche  Verfügung  vom  9.  Januar  1662  jederar 
eine  Zulage  Ton  1  Malter  Korn,  in  der  Erwartung,  „dass  Schul- 
meister  und  Gesellen  ilire  Stunden  ohne  alle  Versäumnis  mit  Fleiss 
abwarten  wttrden,  damit  nicht  allein  die  Jugend  nicht  yersäumet» 
sondern  auch  diese  übrige  Darlegung  neben  der  ordentUehen  Be- 
soldung gebührlich  vei'dient  werde*.  Wenige  Tage  darauf,  nSmlieh 
am  14.  Januar  1562,  wurde  eine  neue  Schulordnung  eingeführt, 
durch  die  fortan  der  Lehrplan  fes^estellt  und  eine  Richtschnur  für 
die  Zucht  geschaifen  werden  sollte.  Eben  diese  Schulordnung  wurde 
im  Jahre  1570,  als  wiederum  eine  Visitation  im  Werke  war,  neben 
einem  «Venseichnus  Etlicher  Mengel  vnd  gebrechen  der  Schuldiener 
zu  Weunar'',  den  damaligen  Visitatoren,  das  ist  dem  Superinten- 


<)  Näheres  Ober  J.  Wolf  bei  J.  8. 0.  Schwabe,  CommeDtatto  de  Schola 

Vinarienal  — ,  Vinariuc  1816,  p.  75.  Von  ihm  orschienen  u.  a.  1569  Annales 
VinarifiiHos.  ffrnpr  lö7*>  der  Stich  eJnoM  snrp^^fnltif^  nufirenoinmoiion  Plans 
der  Stadt  Weimar,  des  erHten,  den  os  giebt,  für  viel»»  Frageii  dor  Orta- 
geschichte  cino  wertvolle  Quelle.  Uebor  die  AufYQhrung  biblischer  Dramea 
durch  die  Schaler  unter  Wolf  vgL  G.  Heiland,  lieber  die  dramatiecheD 
AttflUhniugen  im  Gymnauum  su  Weimar.  Weimar  IttoS.  S.  6  IT. 


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174   MitteiluDgeu  d.  (ieä.  i.  deutsche  Erziehuugs-  u.  Schuigosch.  VII. 


denten  M.  Baithulomaeus  Rosinus.  deu  beiden  Hofräten  Heinrich 
V.  Erlla  und  Dr.  jur.  Kilian  Gohlstein  und  dem  Schösser  Nickel 
Fuchs  aus  Weimar,  überrei(  ht  und  damit  die  Bitte  um  Bestätigung 
verbundt'u.  ^Zum  Zwelfften  vnd  letzten",  heisst  es  wörtlich,  .bitten 
wir  auch,  E.  W.  vnd  G.  wolle  nu  auch  ^  userr  Schulordeuung  vnd 
Leges  Scholasticas.  die  wir  hiemit  vbergcbenu,  vulx'schwertt  durch- 
lesenn  vnd  crwegen.  vnd  do  darann  kein  mengel  noch  gebreclieu 
befunden,  dieseibigen  günstiglich  auch  mit  euerem  suflfragio  be- 
krefttigen  vnd  bestetigenn,  da  aber  etwas  duranu  zuenderu.  oder 
zu  bessern,  wollen  wir  E.  W.  vnd  G.  rath  vnd  Weisung  guet  willig- 
lich vnd  gerne,  gemeinem  nutz  zum  bestenn.  folgenn".  Das  Ver- 
zeichnis der  Mängel  und  mit  ihm  die  lateinische  Schulordnung  von 
1662  befinden  sich  im  Weimarischen  Gesamtarchive  in  einem  Akten- 
bande, betitelt  „Kirchen- und  Schulvisitations-Akta  1569 — 72,  vol.  III. 
Keg.  55",  an  dessen  Ende  auch  der  Beschluss  eingeheftet  ist,  in 
-dem  die,  vorher  namentli^  angefahrten,  Visitatoren  der  Schul- 
ordnung ihre  Bestätigung  erteilen  und  einige  Bemericungen  sSfCh- 
lichen  Inhalts  hinzufügen.  -Den  wesentlichen  Inhalt  der  Schul- 
ordnung hat  G.  Hefland  in  seinen  »Beiti-ägen  zur  Gesehidite  des 
Oyrnnasiums*  1859  wiedergegeben.  Natürlich  kann  dieser  Auszog 
die  lateinische  Urschrift  nicht  ersetzen. 

Die  Schulordnung  zerfällt  in  zwei  Abschnitte.  Der  erste, 
Abetsehiieben  «Ordo  lectionum  In  Schola  Vinariensi  pro- 
positus  anno  a  nato  Christo  MDLXII.  XIX.  Gal.  Februarü  qui  fbit 
dies  Felicis  Martyris^  ist  eine  selbständige  Leistung,  die  in  der 
Hauptsache  offenbar  von  Johann  Wolf  herrOhrt.  Er  enthält  den 
Lehrplan  Ton  sechs  Klassen,  aufeteigend  yon  Sexta  bis  Prima; 
Secunda  und  Prima  sind  in  der  Hand  des  Hektors  vereint.  Re- 
miniscenzen  an  den  Sächsischen  Schulplan  Melanchthons  schimmern 
durch,  doch  zeigt  sich  überall  ein  zielbewusster  Fortschritt  Uns 
fällt  die  starke  Betonung  des  Didaktischen  gegenüber  dem  Historischen 
auf.  Der  Katechismus  Luthers  wird  deutsch,  lateinisch  und  griechisch 
gelernt,  dagegen  tritt  die  biblische  Geschichte  zurück.  In  den 
Sprachen  spielt  Grammatik  eine  ttbergrosse  Holle.  Von  Schrift- 
stellern werden  gnomische  und  solche,  die  für  das  Lateinsprechen 
nützlich  sind,  gelesen.  In  Tertia  beginnt  Griechisch,  in  Secunda 
Dichterlesung  und  Dialektik.  Deutsch  und  Realien  sind  ganz  ver- 
nachlässigt. 

Der  zweite  Abschnitt,  überschrieben  ,.De  cura  gubernandi 
mores  pueriles*  enthält  die  Regelung  der  Zucht  durch  Schul* 
gesetze.  Er  stimmt  zum  grössten  Teile  wörtlich  mit  dem  ent- 


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15.  Weimarische  Schulordnung  von  15G2. 


175 


sprechendeü  Stück  eiiKT  Eiseiiacher  Schulordnun«^  von  1551  überein, 
die  von  dem  Rektor  dn-  düiti','en  Schule,  Audie.iri  Roätius,  abgefasst 
ist  wnd  dessen  UntorsL-hrift  träd').  Andreas  lioötius,  geboren 
22.  Juuuar  1525  in  (Jiiheu,  kajii  lo38  auf  die  .Schule  zu  Eisenach, 
an  der  sein  Bruder  Sebastian  Rektor  war.  1542  bis  46  studierte 
er  in  Wittenberg.  Auf  Empfehlun«;  des  Superinteudeuten  Justus 
Menius  wurd«>  er  1546  als  Tertius  an  der  Eisenacher  Schule  an- 
gestellt, danach  1548  zum  Konrektor  eruannt,  1551  als  Nachlülgor 
-des  Bartholomäus  Rosin  US  ins  Rektorat  berufen.  Am  11.  September  1551) 
wurde  er  Diakonus  an  der  Georgenkirche,  starb  aber  schon  am  23.  Ok- 
tober. Gleich  im  ersten  Jahre  seines  Rektorats,  also  1551,  hatte 
«r  die  erw&hnte  Schulordnimg  ausgearbeitet.  1555  wurde  sie  den 
Visitatoren  vorgelegt  und  von  diesen  durch  Namensunterechrift  ge- 
nehmigt. Auch  die  Eisenacher  Scliulordnung  ist  in  die  zwei  Ab- 
sehnitte,  Lebrplan  und  Sctiulgesetze,  zerlegt.  Den  Lehrplaa,  über- 
schrieben De  cura  provehendi  stndia  puerlUa,  bat  G.  Schmidt  im 
Osterprogramm  des  Eisenacher  Realg}'nma8ium8  Ton  abge- 
druckt Die  Schulgesetze  unter  dem  Titel  De  cura  provehendi 
mores  pueriles  waren  bereits  1854  von  K.  H.  FunkhAnel  in  seinen 
Beitragen  zur  Geschichte  der  Schule  III  veröffentlicht  worden. 

Ist  der  erste  Teil  unserer  Weimarischen  Schulordnung  von 
1562,  der  Lehrplan,  von  der  Eisenacher  Ydllig  unabhängig  aus- 
gearbeitet» so  deckt  sich,  wie  wir  sahen,  der  Wortlaut  des  zweiten, 
der  die  Schulgesetze  umfasst,  mit  der  Arbeit  des  BoGtius  fast  ganz. 
Abweichungen  finden  sich,  aber  es  sind  verhftltnismflssig  wenige; 
teils  solche  stilistischer  Art  oder  durch  die  Ortsverh&ltnisse  veran- 
lasst, teils  allerdings  audi  auf  wohlbegrUndeter  Ansicht  und  praktl* 
scher  Erfahrung  der  Weimarischen  Schulmfinnner  beruhend.  Zur 
bequemeren  Uebersicht  sind  die  einzelnen  Punkte  des  Inhalts  in 
dem  Weimarischen  Texte  durch  Ueberschriften  gekennzeichnet.  Bas 
Kapitel  der  Eisenacher  Gesetze  De  tribus  signis  seu  notis  discipUnae 
scholasticae  ist  durch  den  abweichenden  Abschnitt  De  notationibus 
scholasticis  ersetzt,  und  im  Zusammenhang  damit  steht  eine  Aenderung 
auch  im  letzten  Stttcke  «Custodum  officia". 

Welchen  Umständen  es  zuzuschreiben  ist,  dass  man  in  Weimar 
ein  gutes  Stack  der  Eisenacher  Schulordnung,  wenn  auch  Uber- 
arbeitet, sich  aneignete,  laset  sich  vermuten.  Superintendent  und 

„ADdreaa  Boätlus,  Ludimoderator."  Das  Folgende  uach  K.H.Funk- 
h&nel,  Beitrage  rar  Gsaehichto  der  Schute.  10.  Eiaenach  1854.  VgL  G.  Kahn, 
Segesten  xur  GeMhiohte  des  Caii  Friedrich  -  Gymnaahmwt  zu  BiMoach« 
Biaenach,  1894. 


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176     MitteiluDgen  d.  Gea.  f.  deutache  Eniehungs-  u«  Schulgeseh.  VII. 


damit  Ephorua  der  Weimarischeo  Stadtseliule  war  voa  1&69 — 62 
M.  Bartholomäus  Rosinus  (Rossfeld).  Rosinus  hatte  toh  1544 
bis  51  als  immittelharer  Vorgänger  des  A.  BoStius  die  Eisenadier 
Schule  geleitet  t  dann  war  er  von  1551—59  Diakonus  an  der 
8.  Qeorgenlcirche,  und  in  dieser  Stellung  mit  dem  Ephorat  der 
Etsenacher  Schule  betraut  gewesen,  was  in  der  Eisenacher  Schul- 
Ordnung  selbst  ausdrücklich  überliefert  ist^).  Und  wemi  es  dort  zu 
Anfang  des  zweiten  Abschnitts  hetsst:  ^leges  igitur  scbolae  oon- 
gestas  bis  quotannis  recitamus/  und  gleich  darauf:  ,Uic  nt  auctoritas 
aliqua  bis  legibus  circumdetur.  praemittitur  ab  inepectore  scholae 
praefatiuncula  de  reTerentia  debita  his  legibus.  Deinde  recitatio 
fit  a  ludimoderatore  coram  toto  coetu  scholastico  etc.**),  so  sehen 
wir,  dass  Rosinus  die  Eisenacher  Schulgesetze  so  genau,  wie  wenig 
Andere,  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatte.  Seiner  Empfehlung 
also  wird  deren  Aufnahme  in  die  Weimarische  Schulordnung  zu 
Terdanken  sein. 

Welches  Ansehens  aber  auch  sonst  das  Werk  des  Andreas 
Boitins  sich  erfl?eute.  bezeugt  die  Tlwtsache,  dass  die  Ratio  ad- 
ministrandi  Scholas  triviales  pro)K>sita  in  visitatione  ecclesiarum 
et  scholarum  sub  Ducatu  luniorum  Piindpum  Saxonias*^  von  1573^ 
auf  Grundlage  eben  dieser  Eisenacher  Schulordnung  abgefasst  ist^). 
Abgesehen  von  der  Einleitung  und  einzelnen  methodischen  Aus- 
führungen, sowie  etlichen,  durch  die  Bestimmung  für  den  aUgemeinen 
Gebrauch  vieler  Schulen  gegebenen,  Weisungen,  stimmt  ihr  Lehrplan 
völlig  mit  dem  Eisenacher  Qberein.  Das  Gleiche  ist  bei  den  Schul- 
gesetzen der  Fall,  nur  ist  diesen  noch  ein  Kapitel  .De  colleganim 
officiis"  zugefügt,  das  in  der  Eisenacher  und  der  Weimarer  Fassung 
fehlt,  weil  dort  der  Inhalt  aus  dem  Schosse  der  Lehrerschaft  selber 
hervorgegangen  ist.  Uebrigens  weichen  die  Weimarischen  Schul- 
gesetze in  höherem  Grade,  als  die  Ratio  administrandi  des  Jahres  1673, 
von  dem  Eisenacher  Original  ab. 


1)  Sdimidt  S.  18:  „Utilissiraam  igitur  operam  navat  ecbolae  noatrae 
vii"  doctrina  pietateque  nxci  llentissimuH  M.  Bartholoniueus  Rosinus,  in- 
spector  Scholas  nosi  i  «  (c.  Vjrl.  FunkhJlnel  a.  0.  S.  87.  Uehpr 
Kosinus:  Wette,  Hidior.  .Nachrichten  d.  Kesidentz  Stadt  Weimar.  Weimar 
1787,  8.  m-j  IV. 

*)  Funkhftnel  a.  0.  S.  10. 

*)  Als  Hencoglich  Sächaiache  Schulordnung  von  157S  ahgedrackt  bei 
Vormbaum,  Ev.  Schulordnungen.  I.  S.  obO  ff. 

*)  Dies  lehrt  der  Worttsut  und  bestätigt  Schumacher,  Merkwürdig- 
keiten der  Stadt  Eiaenach.  Eisenach  1777,  S.  80. 


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15.  yreimariBthe  Schulordnong  von  1562. 


177 


Wie  veit  die  Eisenacher  Sofaulgesetee  als  eigene  Leistung  des 
Andreas  Bofitius  zu  betracliten  sind,  lässt  sich  schwer  entscheiden. 
In  all  diesen  Schulzuchten  des  sechzehnten  Jahrhunderts  kann  man 
einen  Steele  Ten  wiederltehrenden  Einzelsatzungoa  erkennen,  und 
zwar  nicht  blos  solchen,  die  zu  allen  Zeiten  Geltung  haben  und 
sich  eigentlich  von  selbst  verstehen.  Zum  Beispiel  das  Verbot 
des  Badens  im  Freien,  des  Gleitens  auf  dem  Eise,  das  Qebot  des 
Lateinsprec  hens  und  anderes  dergleichen  findet  sich  schon  zu  Anfang 
des  XVI.  Jahrhunderts  in  den  damals  weit  verbreiteten  gereimten 
Scbttlerregeln  1)  und  vielfach  sonst.  Eine  Untersuchung,  ob  die 
Etsenacher  Gesetze  in  unmittelbarer  Beziehung  zu  bestimmten  Vor- 
gangem stehen,  muss  zunächst  unterbleiben.  Ein  Einblick  in  das 
leichter  zugängliche  lilaterial  hat  eine  Abhän^i<;keit  nicht  ergeben. 
Wer  als  Schulmann  jemals  selbst  mit  der  Abfassung  solcher  Be- 
stimmungen betraut  gewesen  ist.  wird  die  Verpflichtung  gefiihlt 
haben,  zum  Besten  der  Jugend  Gutes  von  anderwärts  zu  entlehnen, 
ohne  dabei  seine  Selbständigkeit  preiszugeben.  Tliaten  dies  doch 
auch  die  Gesetzgeber  im  grossen  Styl  zu  allen  Zeiten.  So  soll 
denn  auch  dem  einstigen  Kektor  von  Eisenacb  das  Verdienst  nicht 
geschmälert  werden,  dass  er  ein  fUr  seine  Zeit  sehr  achtungswertes 
"Werk  gescliatten  hat.  Man  that  in  Weimar  wohl,  dieses  Stück  der 
Schulordnung  von  der  Scliwesteranstalt  zu  übernehmen,  freilich  auch, 
es  aus  guten  Gründen  in  Einzelheiten  abzuändern. 

Im  nachfolgenden  drucken  wir  die  ganze  Weimarische  Schul- 
ordnung von  15ü2  wörtlich  ab.  wie  sie  in  der  Reinschrift  1570 
den  Visitatoren  eingehändigt  worden  ist.  Sie  umfasst  im  Oi  itrinale 
30  Seiten  Folio.  Im  ei-sten  Abschnitte  sind  die  Ueborschriften  der 
einzelneu  Klassen  mit  roten  Buchstaben  iresehrieben.  Am  Schlüsse 
fügen  wir  den  WOitlaut  der  Bestätigung  durch  die  Visitatoren  und 
deren  Bemerkungen  hinzu. 


ORDO  LECTIONVM  IN  8CHOL.\  VIXARIKNSI  I'ROPOSITVS  ANNO  A  NATO 
CHRISTO  MDLXli.  XIX.  CAL.  FEBKVAHii   q\l   FVIT  DIES  FELICIS 

IfABTYRIS«). 

SBXTAB  CLASSIS  LBCTIONES  BT  BXERCmA. 
Praeclare  a  Nasianxeno  dictum  est.  i'^x^f»  «lüivtdiv  «cA  t^.oc  isokt  9«4v, 

Quaro  hora  septima,  qua  hyberno  tempore  piieri  in  .«tiidia  conveniunt,  ne 
illotifl  iimnibu«!.  vH  potius  illota  et  impiira  monte  «tndia  üteranun  inrho/'ntur. 
ünus  puerorum  c  superiore  ordiue  huius  clasais,  quinque  uudä  capita  Cate- 

'I  Herausjfegeben  von  B ah  1  mann  in  Kehrbachs  Mitteilungen  der 
Geselläch.  f.  deuische  Erzieh.-  aScbolgeseh.  Iii,  IW         ff.,  vgl.  ii.81.87.88. 

Folgt  eine  leere  Seite. 

MitteUuog«ii  cL  Qes.  C  d«ut8cb«  Emieb.-  u.  Schulgeschicbte.  vn  2  1897.        1 0 


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178    Itittoilungeii  d.  Ges.  t  deutsche  Bnidningii-  iL  Sehulgesch.  MI. 


chisml,  cum  fonunia  precum,  (|uu  se  mane  »urgentes  Deo  commendant, 
Gf'rmanire  et  clara  vn(n  rocitabit.  Huic  pio  aiispicio  alij  (hin  jinori  addent 
expositionem  unius  pajtis  Catr«  hismi,  a  virn  saucto  Luthord  traditam, 
idque  clara  voce,  ut  et  caeteii  audire,  et  isla  quotidiana  recitatione  discere, 
et  memeriae  infigero  queant'). 

lACto  sie  pio  fUndamento,  ad  ipaaa  lectiones  aeeeditur,  Primum  prae- 
e«ptor  singulia  ordinibus  proponit.  clara  voce  ter  quatorvo  recitans,  certum 
penpiim.  fpu  locum  in  u>itatis  übcHif'.  Grammatica  niniirum,  Donato  et 
Elcmcntali  puerili,  quud  vocaiit.  Deinde  omnpf  ordine  bis  ante  diniiägionein 
Ä  schola  audiuntur^  hoc  modo:  Praeccptor  in  Hitiguliä  ordinibug  et  decurijs, 
audit  Decuiiones,  qui  ubi  bend  peneum  suani  absoluerint,  committuntur 
Ulie  cae(te]rt  ordtne  iuttituendi  et  audiendL  Quod  ■!  ij  nesciveilDt  pro- 
posltani  lectionem,  aut  saepius  haesitaverint,  annotantur,  et  praeceptori 
postea  iudicantiir,  ut  dotiuo  ab  illo  audiantiir.  Ad  hanc  aiiditionem,  quae 
sedulo,  praeceptorc  Semper  praeseaie  üeri  debet»  et  recoguitiunem  erratorum 
ut  mliümum  opus  est  horis  duabus. 

Reliquumtenipue  ante  horam  decimaiD,totum  seriptionibus  attribuitur, 
et  recitationi  paradigmatnra.  Hoc  tempore  et  pennae  pueris  rudioriboe 
parandae  et  coiicinnandnp  sunt,  nehanim  dofr-rttim  stuio  praotn^ant  ifr^aviae. 
Hortanrii  otiam  sinpuü  sunt,  ut  aemper  in  proiuptu  babeant  libellos.  (|uibus 
in  hoc  geuere  exercitij  utaatur.  Slntque  ij  coutexti,  ot  uon  temere  couuoiutL 
et  fluitantes.  Haec  exerdtia  observantur  nuine  pw  totam  aoptimanam, 
ezceptis  dtebu»  Mercurij  et  Sabbathi,  in  quibua  exigua  accedit  nariatto,  ut 
poeten  scquetur. 

Die  Vfin-ris  loco  scriptionia  re<'itantnr  uncabula  latina,  et  aententiae, 
quao  ilia  septimana  prnpositao  fiuM  Uüt.  Qui  recitarunt  pensum,  nihilonünus 
scripta  sua  abaohiuai,  uL  iiura  duodceima  praeceptori  corrigcnda  ofTerant. 


Horn  duodecima,  ut  et  hoc  etudiorum  initium  alt  faustum  et  auspi* 
catum,  recitant  superioria  ordinia  pueri  certoa  paalmoa,  Germanici«  bae 

recitatione  quadrans  horae  transmittitur.  Deinde  succedit  scriptnrum 
emcndatio.  in  qua  non  tantiim  perporam  exarata  diapunguntiir.  sod  ctiam 
ueri  et  compendiosi  Uterarum  duciutj  munestrantur.  Absoluta  hac  ücriptoruin 
correetionc,  lectioncs  eo  modo  et  ordino,  quo  auto  mcridiem  proponuntur, 
et  audiuntur.  Et  minoribua  ac  rudioribua  praeterea  bina  latina  vocabula*), 
caeteria  vero  etiam  brevis  aliqua  pia«  aut  moralis  aeotentia  in  tabula 
annotatur,  quam  in  suos  libellos  descriptara  et  praeceptori  ante  egreesum 
4  iudo,  et  domi  parontibti«',  nna  cum  binia  vocabuli;«  n^eitont. 

Die  MercuriJ  mane  recitatis  prccibua,  ut  et  supcrioribua  dicbus  factum 
eet,  certum  penaum  pro  captu  pueromm  proponltur  in  Catecliiamo  Germanleo, 
quod  deinde  omnea  redtent  praeceptori.  Minorea  recitant  nuda  quinque 
capita  catechisoii  cxun  adiunctis  predbus. 

Die  Sabliathi  post  prpco>?  ordino  aiiditmtur  recitantes  menioritor  oam 
catechiBuii  i)arttMii.  quam  die  Mereurij  Icu'^'mi'  lantiim  didicerunt.  Qui  autem 
per  aetatoui  cult-chisiiui  longiorem  oxplicalioneui  iiuudum  addiscere  i)()S3unt, 

iJ  Am  Uwtcl»  von  andrer  Uand:  Et  sUUim  aubUcero  IcctioDem  rnius  capitis  ex  BibliJ« 
latinig  ot  GermaolcJa. 

>)  Am  Rande  von  anderer  Hand:  aut  «tiam  i>lura,  ut  magnatn  eopiam  Tocabulorum 
«olUgara  poaaint. 


lo.  Weimariache  SehulordDung  von  1662. 


17» 


«t  lectionis  imporitl  aunt,  sola  quinque  cspita  com  IbrmuliB  precum  r«citimt^ 
Postrema  hora  Evangelium  aeqnenti  Dominica  publicö  ezplicandum,  ali» 

<]i)Oties  a  praeceptore,  et  deinde  a  pupiis  clara  voce  xpcitahir.  nt  unam 
mit  nltcram  pcntentiaro.  qnam  praeceptor  indicavcrit  indo  cxcorpant.  et 
memoriae  intigant,  quam  postero  die  et  praeceptori  in  schola,  et  domi 
parentibus  memoriter  recitare  queant 

QVINTA  CL ASSIS. 
Pietatia  exerciüa  in  hac  clause  fere  eadem  sunt,  quae  in  superiure. 
Kam  manö  Bemper  nuda  eapita  Catochiaini,  latind  ab  aliquo  puerorum  reci- 
tantur.  Bt  poste«  duo  alli  unam  partem  cum  latina  ezpoaitione  Lutiiori, 

itidem  claru  uoco  caeteris  attcnt^  auacultantibus  pronunciant.  Deinde  tra> 
duntur  formae  declinationum  ot  cnnius'atioTnim  usque  ad  Imram  nctauam, 
qua  ea,  quae  in  prouerbiia  Salomonis  praecedeuti  die  rclicta  euut,  Gram- 
maticö  exctttiontur,  et  considerantur,  ne  pueris  desint  Hegolarum,  et 
inflnionm».,  com  in  nomlnibua  tum  in  uerbia  exempla. 

Caeterum  hic  ordinamus,  ac  conatituimuä,  ut  praeceptor  hnios  claseis, 
non  tantnm  ohiter  themata  indicet,  »od  ctiam  in  tabtila  annotot.  adipatque 
8ingnulo8,  irt  ea  in  stin.s  libellof  dilif^-enter  doHcribanf .  ({un  et  r!i>'  Sabliathi, 
«t  in  aemestri  e:^a^^i^e,  illum  suum  coilectain  thesaurum  uucabuiorum,  et 
breviomm  formnlanim  praeeeptorib.  monetiare,  et  praocipna  mamoiitnr 
recitare  queant  Nona  bora  Bl^ologiae  praecqita  breviora  ezplicantnr. 

Horae  Pomeiidianae. 
Daodecima  bora  decantato  hyrano,  quo  Spiritus  sancti  auxitimn 
implorator,  onmes  in  Muaicia  exercentor.  Volumm  autem  Cantorem  non 

tantuni  superioruni,  sed  etiam  inlVriorum  ordinum  in  hac  arte  tradenda« 
habere  rationem.  Quare  diebus  Lunao  et  Martis  per  tolam  hnnim  praecepta 
cum  additis  exemplia  pueria  explicandi»  et  respondendo  inculcabnntur. 
Bequentibus  autem  duobns  diebns,  cum  dimidia  bora  praeceptia  tradendit«, 
tranaacta  ftaerit,  reUqunm  tempus  repetitioni  insigniormn  eantilenamm 
attribnetor  in  Musaeo  separate.  Ne  autem  cantore  absente  turbae  exei* 
tontiir,  ant  tomptis  imTtilitnr  a  minonbua  teratur,  constitnot  semper 
alitpiem  puenun  cx  Primania,  qui  minores  canendo  sednlo  et  diligeuter 
exerceat. 

Prima  hora,  Balomonis  Pronerbia  expimnntnr,  et  Grammatlcd  ezptt- 
cantur.  Qaod  si  anguatia  temporia  aliqoa  in  proposita  lectione  inexplleata 

relinqnantur,  seqnenti  die.  bora  octava  ut  supra  indicauimus  excutiuntur. 

Ultima  hora.  Catonis  Diaticha  Qnintae  et  Qnartae  dassl  stmul 
enarrantur  ä  praccpptor»'.  (jui  alia«  soli  quartu''  chissi  praepnt. 

Die  Mercuiij  priuribua  üuabua  horia  scripta  inspiciuninr  et  corri- 
gmitor.  VolomoB  antem  praeceptorem  singnlarem  apad  bun  puoros  a^ibere 
diligentiam,  ut,  aaauefadat  omnes  ad  pictoram  llterarum  non  tumoltuariam, 
sod  elegantem  et  eradltis  boc  noatro  seeolo  probatam.  Proponnntur  aiitem 
hia  rudiorihtis  ad!>i!<'  nnf^ris  non  Kpi^itolae  integrae,  aut  Innfriorf"^  Poriodi, 
sed  tantuiit  brov^  st-ntentioiae,  lingua  nobia  uernacula  ex  b'cliuiiibua  pro- 
poaitia  deaumptae,  ut  faciliua  uocea  ad  latinam  cumpoeitiunem  neceaaarioa 
iienari  et  inqnirere  poaaint  Nona  hora  brevioree  et  naitatioree  Begulae 
Syntueoa  ezplicantur,  et  adduntor  exempla  plnra,  at  paeri  faeitius  eae 
intelligant  et  in  aeribendo  aeqoantur.    Die  Satnrni  hora  septima  uenoe 

12» 


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180    Mitteilungen  d.  Gea.  t  deutsche  ErziehuugS'  u.  tichulgescb.  YII. 


8tigelij  sammutu  Euangelij  seqaentis  Dumiiiicau  complect^nte«,  cum  prapci- 
pua  illiuB  EuangeliJ  sententia  exponuntur.  Octava  iiiHpiciuutur  eomtueu» 
tarioli  paerorain,  «t  inlraDtur  momoriter  raeltare  «j^Ueata  uoeabula,  et 
bre^iorea  loquandi  formulaa.  Mon»  a^onitor  Catoebiaaras  Lntheii. 

QVARTA  CLASSIS. 
Doetrlna  Catechialiea  In  Ubello  Lutberi  tradlta«  optima  est  Bpitome 
doctrinse  propheticae  et  ApoatoUcae,  quare  et  in  superioribus  classlbiia  peiv 

petuo  retinetur,  et  recitatur  ante  lectionis  raatutiiün^  initium.  Post  preces 
primus  über  Bpistolantm  Ciceronis,  quaa  Sturmius  t?elej^it  enarratur.  In 
expUcandü  iä  »ervetur  modus,  qui  aetati  puerili  et  tenerae  adhuc  est 
aacommodatua.  It»  niminun,  ut  poat  interpretationam  Qeram  et  ueniaculae 
lingoae  conuraiaitein  explicantur  uooea  nngulae  Graanuitied.  Sittplicibiis 
uocabulis  adEtymologiae  praeceptaexcusais.monstretur  oonstructionum  ratio. 
Deinde  phrases  et  formulae  loquendi  inde  excerpantur.  et  pupria  in  tabula 
ne  toties  et  ade«)  turpiier  in  scribendo  errent,  annotentur.  DanUa  tarnen 
oper»  est,  ut  aon  aliunde  peregrinae  phrases  huc  accumulentur,  quae  saepe 
longiorea  simfc»  aut  obacurtorea«  quam  ut  eaa  teaella  aetaa  eapere»  aut 
memoriae  infigere  queat.  Tandem  ut  pueri  has  pbraaea  pland  anaa  fadantv 
et  in  qiiiilibpt  occasione  ijs  recte  uti  possint.  Arfrunicntum  Germanicum  ita 
proponatiir,  et  applicefiir  ad  andita^  iam  fornuilar^.  iit  oas  oitra  mapnum 
laboremeo  accommodare  putjsint.  Hora  octaua  praocipuue  rogulae  Syntaxeoa; 
Nona  varo  praecepta  Etymologiae  explicantur,  idquu  perpetno  obaarvatur, 
dlebua  Lonae,  Uakia,  lovia  et  Veneria. 

A  Heridie. 

Duodecinm  bora  in  Muaieia  eo  modo  et  diligentia  ezercentnr,  ut 
dictum  eet.    Prima  Aemtpi  fubulae  iiiinorr^  u  Caraerario  conscriptae  ez> 

p(munttir.  ot  ricrmariic;-  oxriituuitur.  Socuiida.  Disticha  Cafi-Tiia  enarrantur. 
Die  Mercurij  matutinae  hurae  scripturum  emeiuliitiuiif'  cunsuraantur,  Scd 
hic  uolumus  praeceptorem  primum  colligcre  siugulurutu  argumenta,  ne  in 
Scbola  primum  componanturt  et  tot  furta  committantur.  Vitia  Indicentur 
Clara  uoce,  et  iubeantur  caeteri  omnea  attentd  auacultare  emendationenu 
Sie  tempoa  aub  emendatione  non  ignauo  ocio  et  nuf^atioiübua  pueri  terent». 
et  praeceptor  nna  et  eadpm  oppra  pmdorit  omnibus.  Hoc  in  genero  omnibus 
praoceiitoritiiis  dicimuä  sicut  et  illud  superiua  de  a^Buefaciendin  pueri» 
ad  elegantem  literarum  picturam.  Cauendum  praetcrea,  ne  nimium  fcstinetur 
in  conrigendo.  Hortandi  etiam  et  cogendi  aunt  ainguU  pueri,  ut  argoment» 
au»  in  elegantea  et  ben^  contextos  libelloa  Germanica  et  latind  conacribant. 

Sabbathi  dies  sacris  potisaimum  et  censurae  seu  examinationi  phra- 
aiiim  pt  alionnn  mnmorabiliiim,  (jiiao  per  tutain  septinianam  tradita  aunt^ 
tribtiitur.  Septima  iutinum  Euangelium  cum  additia  SStigelij  uersibus  expo- 
nitur.  Octaua,  phraaea  et  alle  in  eemmentariolia  annotata  repoacuntnr. 
Nona  Cateclüamua  Lutheri  explicatur. 

TERTIA  CLA8SIB. 
Hymno  et  precibus  abaolutia,  diebua  Lunae,  Martia«  lovIa  et  Veneria 
hora  aeptima  huic  clasai.  secundua  et  tertius  über  Ejjistolarum  quaa  Stur- 
mius ex  Cicppviio  siolPErit.  f>narrantur.  eudoni  forü  modo  MxpHrationis  obser- 
uato,  qui  in  su{»eriore  quarta  claaae  praet*criptu8  ewt,  niHi  (juod  bic.  (|uaedam 
paulu  uberiua  truduutur.  Hora  OCtaua  Syntaseoa,  nona  autem  Etymologiae^ 


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lö.  Weimariach«  Schulordnung  von  lö62. 


18i 


praecepta  perpetuo  expununlur.  et  reposcuntur  tnemoritor  ea,  inuie  a  prae- 
ceptore  pueri  iusai  sunt  recitare.  Diebus  Veneria  et  levis  adultioribua  hora 
aonftpandigmAtft  OraManiin  dttdltiialkmiim  etiam  propomintur,  ut  eomftlitt« 
«d  teenndam  clasMin  piMparentur. 

A  Merldie 

Duodecima  exercentur  cum  toto  coetu  in  Mu^ia.  Prima.  Aeaopi 

fabulae  minores  ä  Camerario  conscriptae  exponuntur,  et  Germanice  excu- 
titnittir.  Secunda  Bucoliea  Virgil^  enarrantur,  et  aumma  diligentia  ad 
praecepta  Gramroatica  examinantur. 

Die  Mercurij  matutinis  hori&  acripta  corriguntur  eo  modo,  qui  in 
^uarto  ordtne  Indicatus  eat.  Recitantur  et  ultima  iiora  regulao  Syntazeoa, 
qnarum  certus  numerus  k  praecept<>re  propositus  est. 

Die  Siibhathi  so})tima  matutiiu'i  Eiumgelium  l:itim^  csixinltiir.  Octaua 
censura  phrasium  iiliorumquo  memoraViiliuin,  qiiao  per  totaiii  scptinianam 
tradita  fuerunt,  instituitur.  Nona  cate(hi^^rnus  Lutlieri  enarratur,  cum 
paucis ietifl deftnltionibus,  Dei,  legis,  EuangeliJ,  peecati  etc.').  Et  Üb  omni- 
biis  absolutis»  adultiorea  diaetmt  ezpoaere  nuda  qulnque  capita  Graed 
«atechiami,  quae  poetea  in  aecunda  daase  memoriter  recitant  loco  precom. 

BBCVNDA  BT  PRIMA  CLASSIB. 

PneroB  qui  Lndimoderatorl  peeuliariter  erudiendl  et  informandi 

commissi  sunt,  in  duos  ordines  seu  classes  distribuimua.  Nam  4]ui  primua 
ex  tertia  claflse  addncuntur.  pt  in  Hraecis  literis  parum,  in  Dialecticif«  iipro 
nihil  perceperunt.  ncc  uersibiis  scriliciKHs  exercitati  sunt,  socuiulao  classi 
annumerantur,  in  qua  ubi  aiiuuin  cum  laude  versati  fueriiU,  iu  primum 
<»rdinem  recipinntur. 

Pietatia  ezereitia' liic  parum  diaeedunt  ab  ^  quae  in  tertia  elaaae 
habentur.  Nam  perpetno  matatini.s  horis,  pnst  hymnum  decantatum.  lee- 
tioni  praemittitur  rpcitatio  alininis  partia  CatochiHrai  liUthori.  quo  absoluto 
adduntur  breues  definitiones,  Dei.  Legis,  Euangelij,  peccuti  etc.  ex  libeüo 
Catechistico  (Chytraei)  seu  methodo  D.  luanuis  Wigand!'). 

Die  Veneria  nada  quinque  capita  Catecheaia  Oraecae  eum  forroutis 
precam,  quibus  ad  menaam  utimnr  recitantur,  et  die  Lunae  recitatio  Graeci 
Buangelij  aliarum  lectionam  pium  est  auspicium.  Huic  pio  fundamento,  sen 
rr-citationi  succedit  Kpistolarum  familiarium  Ciceronis  explicatio  ab  hora 
soptima  usque  ad  ottauam  diebus  Lnnae  Martis  et  Veneris.  Nam  die 
Veneria,  haue  ipsam  horam  Graecae  lectioni  Heaiodi,  Phocylidis  aut  alterias 
«uthoria  Graed  attrlbnimoa.  Octaua  bora  uaqae  ad  nonam  R^Utloni 
Gateeliiami  in  templo,  ant  habitae  lectionL^  destinata  est.  Nona  diebna 
Lnnae  et  Murtis  (irarcae  Qrammaticae  Bpitome  explicator.  Diebua  varo 
iovia  et  Veneris  Dialectica. 

A  Meridie. 

Finitu  Musices  exeroitio  diebas  Lunae  et  Martis  Comoediae  Teren> 
tfanae,  bora  prima  enarrantur,  Diebua  uero  Jonie  et  Veneria  Grammatlca 
Ladna  repeütor,  Loco  Terenty  interdom  Dialogi  Cieeronia  de  amicitia  et 
aenectute  proponontur.  Hora  aeeunda»  diebua  Lunae  Martis  et  loois  Aeneis 

i>  Am  Rande  von  aadrer  Hand:  et  duabua  ret  trlbut  quMitioaibut  ex  tneUiodo  I>.  leao. 
Wigand!. 

*}  CtiytrMi  durch ifoitli-icbea.   Uie  dann  fulKt^udt-tt  WurU;  vua  aad«it«r  il»ud. 


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182    Mitteilungen  d.  Ges.  £.  deutsche  ErziehuDgs-  a,  Schulgesch.  VIL 


I 


Virg-iliana  uel  G*M»r{ä:ica  expiicantitr.  Die  ihti»  Von'Tis  notao  aiuliiinttTr.  ot 
uersuä  EtJiici  ex  optünia  pojjtis  selecti  expoiiuutur  et  meiuoriter  recituniur. 
Vbl  «imiil  ftunt  cobortationes  ad  nitMa  et  mores  honeetd  regendoe. 

Dies  Mercurü  emendationi  ecriptoram  prosae  et  Ugalse  orationis  tri- 
buitur.  Vitima  hora  neinpe  ab  octaua  usque  ad  nonam  fiant  concertationes 
di3])Utandn  et  scriboiifio.  Vtrtnri  premij  loro  dntur  superior  w^deg  eiu» 
quem  uicit.  Uora  geptima  die  Sabbathi  Euaugeliutn  Graece  explicatur 
et  praecipuae  doctrinae  breoiter  indicautur.  Octaoa  themata  excutiuntur,  et 
ezercentur  pneri  dedinando  et  eoniugando  Graecd;  Nona  breue  ezamen 
instituitur,  in  quo  phrases  aliaque  meraorabilia  illa  septiinanatradita.  repos» 
cuntnr.  ot  in!*piciuntur  übclli  in  quibus  ea  annotata  comprohenduntur. 
Deinde  dimidia  hora  tribuitur  Mithodo  dnctrinae  C'hristianae  I^octoris 
Wigandi,  ut  dofinitiuno»  antea  traditas  melius  et  rectius  intelligaiit,  et  itÄ 
paulatim  alias  etiam  qoaestionee  ad  alendam  neram  pietat^  oecessariaa 
eognoseant,  et  memoriae  infigant.  In  ezplicatione  autem  iam  dietarum 
lectionttm  is  soruatur  modus.  i{ui  pupiis  in  Iltens,  iam  aliqiiantutum  pro- 
gresais,  accomodatus  c^t.  F.t  cum  plurimum  reforat  utriiisque  Gramraaticoa 
praecoptu  in  ludis  literarijs  diligontor  percepisse,  omnia  qua  tiori  potcst 
diligentia  in  latinis  et  Graucia  authoribu»,  ad  quatuor  Granitnatice»«  partea 
examinantiir  et  ezcutinntnr,  et  monstratnr  usus  slmpUeimn  et  coniunctaram 
noeum,  nt  postea  in  loqaendo  et  propoaiti«  argvmentts,  qnae  nt  plorimiim 
ex  auditis  lectionibus  desomtntur,  eas  rectÄ  et  tempestivd  acoomodare 
posslnt. 

Dies  DruninicuH  tntu^  est  destinatus  auHcuItationi  piarum  concionum 
et  earuiidem  repetiüoni,  quae  fit  post  finitam  vespertinara  conciouem. 


1>K  CVKA  ÜVliERNAM)!  MORES  i'Vi:ien.FS. 

Altera  oiticii  nostri  pars  nersatur  in  regentlit*  muribus  pueritiae, 
esqne  difficilior  et  aerumnosior  est  in  iiac  temporum  corruptiunc,  cum  et 
pablica  et  domestlca  ezempla  maxime  pueritiae  noceant  et  parwitnm 

negligentia  conflrmetur  discipllna(>  contemptus. 

Ne  tarnen  officio  nosttro  dcsimus.  {iraostamiis  quod  ])ossumu8.  et  ut 
plura  pi)S8iniU8  DEV.M  oramus.  Proponimu»  igitur  liasro  ic^e?^.  quas  et 
aliä»  et  certis  diebus  po.-^t  oxaxuina  repetimuü  et  explicamu«,  nostris  »cbo> 
lastieis  semandaa. 

1.  Quid  domi  fieri  debeat 

Prindpio  etsi  aitae  domestieae  inspectlo  et  guberaatio  praedpn» 
parentibu»  et  bospitibus  mandata  est,  nec  nos  de  ea  commod^  legcs  eoique 

praescribcre  jMigsumus:  tamon  in  fronore  praocipimus.  ut  Scholastioi  tnetnores 
majuluti  diuini  honorent  huoö  partiitr-,  Iimc '»*'t.  ut  grati  agtioacant  ingentia 
eorum  bene&cia,  et  orent  pro  eit»,  oijsequaiitur.  et  tribuant  eis  reuerentiam 
debitam,  errata  ipsonim  boni  consnlentes.  Sint  etiam  diligentes  in  repeten> 
dis  lectionibus.  Pugiant  Ignaviam  et  somnoleatiam,  nee  recnsent  Interdiua 
Bubire  labore»  domestieo«.  Surgant  manS  in  tempore,  ubi  manibus  et  fkdfr 
Jotis,  capillorjiip  i^fxo.  irrntin«  a'^ant  DH('  pro  nortuma  cuHtodia  et  rellqui» 
beneficijf,  et  ardenler  ab  eu  Huceessus  et  giibernatiuneni  suorum  Btudiorum 
pctant.  Deinde  acceptis  libris  repetaut  et  ediscant  quae  ante  meridiem 
tenere  debent  in  Ludo.  Argumenta  sua  tarn  ligatae  quam  prosae  orationia 


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lö.  Weimarische  öcUulorduiuig  von  lö62. 


183 


doini  dilippiiter  tMinijxtsita  a<'  (h'scripta  in  luduin  iiil'crunt.  Post  caenrun 
flüpaa  uiiu  atque  allere  hoiu  cubilum  concedaiii,  uec  ui^iiiaä  in  mullam 
noelem  extendanl  Kam  interapestiva  studia  et  ingenij  et  corporis  nires 
debilitant.  AasueBcant  potius  maturö  cnbitu  «arg^.  Hoc  ad  longaevitatom 

plurimum  cnndurit,  ot  matutinum  tempua  studija  est  conuenientlHainium  ut 
dicitur.  AVKOKA  EbT  AMICA  MVSIS.  Discant  ctiam  ciuilitatem  in  accu- 
bitu,  et  admiiiiätratione  mensae,  de  qua  re  extant  clegantissima  praocepta 
miiltoriuiL 

II.  Quid  in  publico  aea  plateis  deceat 

In  publico  Scholastici  prae(i]iup  sint  modesti.  ac  reuereantur  tucita 
honiinum  iudicia.  Non  curaitent,  nec  diu  in  uia  piiblioa  morentur  inepta 
curioaitate  inbiuutes  onmibuä  rebuB,  quae  uulgu  geruutur.  Nudeut  uero 
eapita  coram  niro  HonorabüL  Non  ludant,  non  laaciviant  in  glacia  et  niue. 
Natationes  seu  lotionea  aestioas  in  fluminibuB,  quib.  plurimum  inest  periculi« 
uitent.  In  vestitu  reuereantur  bonorum  uirorum  oculoa.  Exerant  manus  ö 
togiB  seu  pallijs,  (juao  non  siiit  niiiiiö  brtniia.  scd  •j:onija  euntium  tegant, 
»intque  ea  omnia  manieatu.  naui  caetera  uiatonnn  sunt,  et  pucnim  mapriä 
deformant  quam  urnant.  Calceoa  niundo^  Imbeant,  peronum  et  ptleorunt 
neue  rusticia  relinquatur.  lUa  oero  diaaecta  et  nimia  laxa  et  turgida  femini- 
cruralia»  qoae  oanltas  et  luxna  perditonun  hOminum  ezcogitauit,  proraus 
intcrdicimua  omnlbua  acholaaticia.  Problbemna  etiam  geatationem  gladiorum 
et  aicarum  aeu  pugionum. 

III.  Quid  in  ipso  ludo  Htorarif)  fieri  velimus. 

In  ludiun  caufant  Scholastici  no  tardius  ueniant.  In  quo  ut  minus 
isit  tuuiultuum  abt^entibus  pracceptoribus,  uolumur^  ut  qiiilibet  nimul  atque 
ingresaua  ludum  flierit,  suum  locum  oecupet,  nec  liuläquam  rine  granibue 
cauaia  in  aUena  claaae  conapiciatur.  Praeaentibus  et  introenntiboa  praacep- 
toribua  tribuatur  debitua  bonos  et  reuerentia.  Domi  quilibet  didicerit.  quae 
in  liulo  tenerc  dohpf.  Vicinua  non  insusnrrf»t  aut  adniurmnrot  uicino  suo 
uliquid  recitaati  ue  ipsiua  ncgligentiam  boc  modo  conbrniet.  Quae  reci- 
tauda  sunt  ea  studeant  pueri  clara,  diatincta  et  tardiuscula  pronunciaüune 
elferre.  Latinö  cum  ubique  loquantur,  tum  praecipue  in  ludo  coram 
praeeeptoribus.  Inter  praelegenduin  non  garrlant,  nec  interiin  al^a  rebuR 
occupati  aint,  s^d  toti  pi  luU  ant  al»  ore  praeceptoris.  Omni  moniento  sint 
instructi  Charta  et  caiamo,  ut  annntont  nicjitid  aiinotatti  dignum  audiant. 
Nun  eshibeant  praeceptori  argimicnta  ab  aiija  composita  pro  suis.  Nec 
(luisquam  quaeatuB  lUieuiua  gratia  uel  alla  quaeunque  de  cauao,  ulteri 
argumenta  eidiibenda  componat,  ut  praeeeptor  noacere  poaait  caluauie 
in^M-nium,  et  profectum  in  disc  ndM.  Si  cum  praecept^re  uel  uiro  hono- 
lahili  luquenduni  est:  atent  puori  ([uieti.  et  pedibus  compositis.  ot  tierofunde 
euni  cum  quo  luquuntur  intueautur.  Nihil  nec  emant.  n«'c  ut  ndant.  nec 
permuteut  inscijs  praeeeptoribus.  Dent  operam  ut  rea  propriaa  custodiaut. 
Quod  aiquid  ab  alija  andaaum  offendunt,  non  retineant,  aed  ad  praecep- 
torem  afferent,  ut  reatituatur.  In  latrina  nec  diu  morentur,  nee  tumul- 
tuentur,  aed  aiot  uerecundi,  et  inuicem  reuereantur  ae.  Nec  quist^uam  in 
allum  locum  uadat  ad  CToneratioiH'm  alui  aut  noMicae.  Locus  t'ti:ini  ipxp 
ita  conscruc'iur  ne  cousptfctu?*  ocuios  grauiter  ollendat.  Dilijrant  i^v  mutuu 
omues  ut  Iratres.  Si  quia  ab  altero  laesus  sit,  aciat  sibi  tarnen  non  licere 
uerberare  queuquam,  aut  uUo  modo  ezercere  uindictam:  sed  praeceptori 


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J84  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung«-  u.  Schulgesch.  VII. 


ultionem  rellnqiiat,  qoi  re  eognita  poensun  sonti  irrogabit  pro  modü  delictL 
Qoae  diseordiae  iutet  aeholaeticos  in  ludo  oriuitar  in  ludo  et  oompo- 
nantar.  Nee  ea  quae  in  ludo  geruntur  foraft  efferri  ooluraoa.  In  toleiandis 

vf»ro  poenis  nemo  sit  rebt^llis.  Sunt  qui  clani  solent  dolero  ea.  quae  pu- 
blieae  utiiitatid  causa  a  praeceptoribu»  in^cripta  ^^unt  tabulia  horum  petu- 
lantiam  seuere  prohibemus,  et  ai  quos  tales  depreheuduriinus  grauiter  in 
eiDS  «nlmadnertomus.  K  quis  laaciuiena  in  Indo  fregerit  aliquid,  et  reficere, 
Sd  «HO  eomptu  tenetar«  «t  inauper  etiam  uapulabit.  Cam  exennt  acholastiei 
A  IndOt  aut  ex  alia  classe  in  aliam,  praecipue  renereantur  praeseutiam 
praeceptorum.  nec  cursittMit.  nec  tuinultiiontiir,  nec  strepltum  excitent 
tancjuam  jKuiimfntum  aut  ;,Tadiia  |)e'rfracturi.  OmnOH  uero  qui  in  aliam 
locum  Htudiurum  causa  probcinci  cogitant.  prius  couBulant  ea  de  re  Ludi- 
rectorem,  nee  talem  mntationem  temerö  iiiei  poat  oeitata  Examina  aaacipiaiii» 
Bent  antem  op«T«ai  neperpetratla  turpibna  fadnoribiia  aat  ofltoais  paren- 
fibna  et  hospitibus  hinc  abire  cogantur.  Impetrata  antem  dimissione 
primnm  praoccptoribuä  singuUa,  poatea  etiam  hoapitibaa  reaerenter  gratiaa 
agant,  atque  ualedicant. 

IV,  C^uae  iji  teinplo  facienda. 
In  templum  nemo  ante  tempne  tntroeat,  prlua  autem  omnee  Scholaatici 
in  ludum  eonneniant^  ut  totus  coetua  eimul  inde  in  templum  eat.  Inter 
eundum  nemo  uel  cum  comite  suo,  uel  cum  alio  quoquaiu  cunfabuletur,  sed 
taciti  ac  <inc  tnurmure  oant  ut  scholasticos  decet.  Nam  si  ut  nari  at  Homerus, 
eiercitua  Graecorum  prope  iniinitus  modestissimo  silentio  prugredi  sulitus 
est;  turpissimum  certe  eat,  coetum  Schuladticum  nun  ea^e  eadem  modeatia. 
Cum  nero  in  congreesibus  Becleaiae  non  solum  multi  pij  et  aancü  homlnea 
congregati  eint,  aed  etiam  ipse  flliua  Dei  cum  Banctla  angelia  praesens  ibi 
adsit:  uenerentur  pueri  omnibus  modis  locum  sacrum,  et  ingredientea 
tenipluni  rapita  nudent.  quod  idem  etiam  in  egressu  faciendum.  Inter 
canündum  nemo  rideat  aut  fabuletur,  nemo  priuatim  aliquid  lecticans  aliud 
agat.  Nemo  etiam  m  ä  coetu  cauenüum  »egregana,  seorsim  stet  tanqoam 
immunia  ofBciorum  echolaatloorum,  aut  Interim  in  inferiorem  templl  partem 
foeminia  dastinatam,  deapielat.  Omnea  pariter  ad  librum  quam  proxime 
possunt,  accpflant  ac  canant,  ut  gtudinsam  s;uam  operam  cantori  probent. 
Quod  si  cautilr-nai'  (k'miain(ae  cauendae  sunt,  pueri  aint  iuHtructi  suis 
enchiridijs.  Conciones  sucraa  attcnte  audiaut  ac  memoriae  mandare  conentur, 
ut  poatea  et  praeceptoribna  et  parentibua  de  ija  rationem  reddere  queant. 
Nomini  vero  leau  Saluatoria  nostri  omnes  eaplUbua  apertis  aasurgant,  uel 
genua  flectant.  8i  satis  loci  est  schulasticiä  ut  atrueturae  illi  transuersae. 
quam  luricam  appollure  liceat,  pectore  incuiiibom  possiiit.  iiicumliant  auscul- 
tandi  gratia,  aed  niodesie,  et  cedant  loco  honoratiorihur*.  .-^i  ipii  adupniaiit. 
Quod  si  parum  loci  uacat,  inciuile  est  ita  urgere  latus  itoiieHti  uiri.  ut 
quasi  loco  Buo  eum  remoturus  uidearis.  Nemo  ante  tempua  6  templo  ae 
aubdueat  Pinita  condone,  cum  Ecclesia  pubUce  Deo  gratiaa  agit  pro 
quotidianis  benefieijs,  ac  deprecatur  iram  Dei,  pestem,  famem,  bella,  et 
alias  miHorias  puhlicas:  adiung'ant  puori  Krclosiac  precibus  etiam  sua-i.  ot 
cogitet  unu.-<<)\iidcpu'  etiam  sua  iiitfi »'hs«'.  si  status  Reipub:  et  Kcclesiao 
saluus  eit.  Diebu:«  Lunae  in  euurrutioae  Cateclüt^mi  et  slmiliter  Diebus 
MereuriJ  et  Veneria,  cum  caput  e  nouo  Testamente  breuiter  ezplicatur  et 
precea  fiunt,  quilibet  ratione  auae  classis  deputatum  albi  locum  occupet» 


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16.  WeimariBche  Bchuiordnung  von  1562. 


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nec  maiorea  retrocedanr  in  itif?iil<w  pt  HPÜaa  tanquam  Lucifug-ae.  Cum  ante 
copulatioDcm  publicam  spousi  et  ypon.sue  nuptialis  psaimus  in  templo  usitato 
jnore  caneudus  est:  eauduit  scholastici  ne  uel  in  templo  uel  in  coemitorio 
diseummt,  uel  tumttltaentar,  conueniftiit  autem  omnes  in  locoin  templi  ipais 
•deatinatimi.  qui  a  coetn  canentium,  ehori  appellationem  retinet,  ibiqae 
tranqTiille  aduenftira  sponsi  comitumque  eius  expectent.  Qui  templo  aut 
*5chnla  emanore  uolunt.  nou  solum  ueniam  petant  ä  praccoptore,  sed  etinm 
ostendaut  grauem  causam,  qua  impediantur.  In  primis  uero  diu  Veneriä 
nemo  emaneat  temer^  nial  ipae  neniena  aiU  impetret  k  praeceptore  ueniam. 
Peregrini  nunquam  in  palriam  diaeedant  nlai  petita  et  impetrata  uenia  eiim 
auae  claaaU  praeceptore.  tum  etiam  h  Ludiractore.  Temeraria  iutamenta, 
et  malas  erecrationes  uerberationes  inntuas,  obscncnns  Kermones,  furta, 
mendacia,  et  id  ^enus  alia  prcccata  uitanda  esse  noruiit  scholastici  ex 
doctrina  Decalogi,  cuius  uiolationem  cum  Deuä  iustissimus  Iudex  seuere 
puniat,  caneant  omnea  ne  etuaniodl  peccatia  poenaa  dinlnaa  albi  et  alijs 
attrabant  Teaaerae  ant  ehartae  Inaoiiae  non  inueniatttar  apud  Beholaetieoa, 
ut  ne  suspicerour  quidem,  eos  solere  eiuamodi  hidoa  exercere,  qui  ä  puerili 
«etate  debpiit  pssr»  alionissimi.  Si  qui  clain  in  suis  Imspitijs  aut  alibi 
compotationes  inslituent,  uut  in  doniiri'trum  8Uorum  uel  alitirum  coimiuiis 
ebrij  deprehenai  fueriut  experientnr  dignam  aeueritatem  noatraiu  in  caati- 
.gando.  Ne  ad  nn^tlaa  qiridem  qttenqoaai  nolumva  accedere,  niai  pennieeti 
Lndünoderatoria,  ä  quo  u  qni  propter  proptaqnaon  cognatlonem,  qaam  uel 
cum  aponao  uel  cum  sponsa  habenU  ueniam  accedendi  ad  nuptiaa  impetra- 
bunt,  uitent  aaltatione^.  Indos  illitos,  ebrietatem  *>f  ^cTirriloH  cum  tympano 
obambulationes,  ac  ne  ulla  ait  occafio  peccandi  h,^^  rebuM,  fu^iant  consnrtia 
«Orum,  qui  non  aolum  haa  honeatisaiman  acholaaticaä  lege^  derideat,  aed 
etiam  oppidanonun  magiatratnam  edicta  ttiolare  andent 

In  tmiaennm  nero  atndeant  scbolaaticl,  cum  omnea,  tmn  pimecipue 
maiorea  natu,  tit  hono  exemplo  alija  praceant,  nec  aua  pertinacia  inoitent 
«tiam  minores  ad  diaciplinae  contemptum.  Sic  et  praoccptornm  gratiam  mere* 
buntur,  fcliciuaqoe  in  diacendo  progredientur,  et  praomya  a  Deo  ornabnntor. 

De  poenis  uiolatarum  logum. 

Proetra  i  gnbernatoribas  elaboratur  in  condendia  et  promulgandia 
legibus,  nisi  poenae  etiam  proponantor,  qnibns  improboram  petalantia 
-eo^rceatur.  Poenaa  igitur  anmemua  &  tranagreaauribna  harum  legum  pro 
modo  delictorum.  Siqui  intordum  pefcant  upI  iucuria  uel  Icuiusculis  rohus: 
aliäa  uero  praeceptoribus  probant  suam  modestiaui  ac  diligentiam,  poterunt 
uel  ueniam  imprudentioe,  uel  aaltein  poenarum  mitigationem  mererL  Quod 
•i  qnia  aaepina  mia  in  re  peccat^  aut  aliqnotlea  admonltoBi  non  tamen 
atadioae  nitat  peccata  non  poteat  mderi  incnria  peccare.  Qni  noro  mani* 
feetum  diaciplinae  contemptum  prne  ae  ferant,  aut  data  opera  cooaultaqne 
spe  impunitatia  peccabunt  scueriua  ä  nobls  fasti^abuntnr  aut  redeant  in 
xiiani.  (Quorum  noro  petulantia  nullis  1)11(^11!^  (>mendari  pute^^t.  eos,  niai 
epem  meliuriä  uitau  ostendent,  t^iudt^m  ex  auoietate  Scholaaticoruni  eijciomua, 
nt  membrum  fai  corpore  incnrabiti  morbo  affbctam,  enae  recidendnm  eat, 
ne  pars  ayneera  trahatnr. 

De  notationibus  Scholaeticis. 

Ad  disctplinam  alcndam.  et  ronsnruandum  pxorritium  latine  loquondi, 
conatituimua   in  achola  noatra  etiam  nutationea,   ut   nimirum  noteutur 


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186    Mitteilung«!  d.  0ml  f.  deotsche  Brziehunga-  n.  SeliuigeBdi.  VII. 


ruBticitatis  seu  malorum  moninif  item  Gennanicae  etinemendataeloeuttonis» 
quictinque  in  lioc  genere  deliqudrint.  Indicantur  autem  notati  die  Veneria 
ana  com  caeteiis  ti<ins(rres8oribus  legum  nostrarum.  Et  tum  s«  ucl  recita- 
tione  uGrsuum.  uei  Epistoiaruni  Ciceronis.  uel  Sent«^nti;inim  Sahnnonis 
libernrp  co^jimtur.  Damns  aiitfiTi  omnibns  pupri«  faruliaiein  notandl  buhs 
condiBcIpulo».  et  qui  tutu  hebduiuuUe  nulluui  iiutauerit  poenae  supra. 
scriptae  ipse  aubiecttts  eat  Rusticltatia  uel  malorum  morum  notantur  qui 
tardiue  in  ludum  uenerint,  qui  eine  comite  templum  ingreaii  fuerint,  qui 
in  deductione  funeruin  aut  alias  inter  eundum  in  templnm  aequatani  soriem 
non  tennorint,  aut  ordinpm  f*\\nv  clat^sla  deaenierint,  qui  pilf»nlum  trnns- 
uersuo)  luorc  n.ilitari  rapili  jinposuerint.  aut  pallium  humeri«  inieceriat. 
Qui  inter  prut'icgendum  fabulati  fuerint.  Qui  oseitaater  auscultauerint, 
aut  alije  interim  rebus  oceupati  füerint.  Qui  in  ludo  dormitauerint  Qui 
cachinno  uel  alio  ineiuili  etrepitn  peccauerint.  Qui  uel  foria  uel  In  Ludo 
c-orain  praoceptore  uel  alio  honorabili  uiro  capita  non  nudauerint.  Qui  ia 
templo  uel  in  ludo  audito  nominn  lESV  non  flcxorint  frmna  ac  rapita  nu- 
dauerint. Qui  scurriliter  uulg'u  iucesserint  non  exertis  manibus  e  toj^is 
aeu  pallijä.  D«iiquo  qui  in  abftwtia  praeeeptomm  turbauerint,  aut  irnmo* 
deatö  peratrepuerint.  Hi  ommea  Bi  sint  primae  aut  sejcundae  daaaia  in 
poenam  »uao  incuriao  uiginti  uerauB  aut  aliquan\  Epiatolam  Cleeronia 
memnritcr  rcritabunt.  Si  sint  trrtian  aiit  quarfar«  dassis.  decem  uersihu» 
aut  dinüdiata  Epistola.  aut  tribus  scnttMitiis  pifiuorbiorum  Öalonionis  reci- 
titis  liberabuntur.  inemendattaej  locutionia  uotantur,  qui  incougrue 
aliquid  protulerint,  uel  inter  recitandum  uerba  nimis  celeriter  praecipitaue^ 
rint.  Item  qui  argumenta  negligenter  uel  compoBueriut  uel  deBcripserint. 
(iermauicae  locutionia  notantur,  qui  eolloquentes  cum  suis  rondiacipulia 
uel  in  ludo  uel  loris  nornacti!a  lingun  \m\  fuorint.  Kr  I  i  (juidem  omnes 
»imiliter  li!>orahmit  i crta  recitatione  sicut  supra  tüctum  eat  de  ijs  qui 
ruBticitatitt  notati  luerunl. 

Hae  Bunt  poenae  leniorum  peceatorum,  quae  admittuntur  incuria,  aut 
eirore  quodam,  non  tamen  Baepe.  Qui  uero  de  grauioribua  accuaabuntur 
a  cust^)dibus  acerbiorcs  poenas  luent.  Operae  precium  autem  est  ut 
etiam  custodibus  leges  praescribantur  He  ip!«orum  Offices. 

CVSTODYM  OI-I-'ICIA. 

Cuhtodes  pubiici  obseruent.  quicunque  ex  toiu  numero  Bcholasiicorum 
in  publico  uel  luserint  uel  cursitaueriut  uel  clamauerint,  uel  in  glacie  uel 
nine  lasciuerint.  Itm  qui  in  templum  una  cum  eoetu  Seholasticorum 
non  ingressi  fuerint,  uel  qui  inibi  nott  diligenter  cecinerint^  oceupati  in- 
ferim  alijs  robiin.  et  in  uniiiersuin  (pii  non  ea.  <|ua  debent  esse  in  loco 
sacro.  inndestia  niorurn  fn*'iini.  u<'l  ipii  se  inde  sine  iienia  subduxerint. 
item  qui  recusant  i^ub  concione  Catechismi.  et  quaudo  precea  fiunt  diebua 
Mercurij  et  Veneris  buo  loco  stare.  Item  qui  dum  exeunt  non  recta  per 
graduB  descendunt,  aut  sese  mutuo  urgentes  tnmultnanturf  uel  qui  omnino 
in  alicna  classe  conspicientur  sine  grauicauBa.  Item  qui  in  latrina  immo- 
desti  fuiTint.  uel  alio  ad  exonerandtim  altuim  iiel  vesiram  ruerint. 

Custodes  prinati  uerrant  )»aiiiiii<Mita  simrinn  Ici  turionun  quotie^eunque 
opus  est:  minimum  uero  bis  sin^uli.s  hebdomadis.  Ne  autem  puluis  ©xci- 
tetur  aepergant  ea  leniter  pura  mimi,  remoueant  ex  angulis  telas  aranea- 
rnm,  uideantqne  ne  mieae  uel  fruBta  panis  in  angulis  uel  fenestris  relln- 


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15.  Weiumrischo  Schulorduuug  von  1562. 


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quantur.  Sordeö  uero  non  in  angulos  abdent,  sed  in  locum  a  nobis  mon- 
stratuni  efferent.  Praeterea  inspecto  Catalogo  suae  classis  obseruabunt, 
qui  ex  suis  condiscipulis  uel  ludo  uel  templo  emMieant,  quoa  looo  et 
tempore  constitato  nominatim  indicabaut.  Deniqne  indicabunt  praecop- 
tori  suo,  quicqtud  praeterea  a  auis  praeter  deeorem  et  ordinem  fieri 
uidebunt. 

Haec  studLosü  et  fideliter  cnrabunt  t^uicunquo  cuätodum  ot'ticio 
fungentiir.  Sdant  etiam  ei  ncgligentee  fuerint  in  faeiendo  offieio  aut 
connioere  ad  aliquonim  malo«  moros  uolnerint  in  se  redimdaturas  esse 
poeoas  illaa  quae  BOntibus.  quorum  nominibttS  ipsi  parcimt,  irrogandae 

pssrnt.  f'xistiment  se  inhonostc  farrro,  si  malofironim  prauitatem 
inUict'iU;  Nani  ut  loseph  honestisüiiue  ot  uptime  momtua  adolesccna.,  pa- 
renti  peccata  fratrum  pl6  iudicabat  ut  coörcerentur  et  cmcndarentur:  Ita 
et  eustodes  in  ludo  idem  fscere  possunt  Sed  fiat  indicatio  emendationis 
causa»  et  absit  inuidia  et  odium  iniustum. 

Huc  i^tur  modo  non  sulum  leges  bonestomm  morum  praoscribimus 
sed  ptiam  popnrirum  comminationom  addimn«*.  Et  no  huoc  pint  inania 
verriculiiTiicnta.  sriluli)  inquininus  et  animadin'rtimus  in  delicta  inipruburum 
Idque  Iii  quuiidif,  et  piuedertim  die  Veneria  qui  coguoaeendis  delictis. 
SdiolssticlB  destlnatns  est 

Haue  formam  sequimur  in  administrando  ludo  nostro  literario. 
Petimus  autem  ab  omnibus  literatis  et  ßapientibus  viris,  qui  uel  legent 
haec.  uel  aliocpii  cognitam  habent  rationeni  administrationis  no^trao  Srho- 
lao,  ut  8i  quid  in  quacumiu  •  re  desiderent.  cdnsilium  nobis  suum  imper- 
tiant  ac  declarent,  quid,  qua  ratione  tieri  possit  commodius:  PoUicemur 
nos  honuD  consilijs  et  admonitionibus,  pro  eo  atqne  debemus,  publicae 
utilitatis  causa«  aequissimis  animis  obseeuturos. 


Am  Ende  des  Bandes  steht  der  BeschlusH  der  ol)en  S.  174 
geuanutcu  Visitiitoren  von  1570,  dann  ein  Abschnitt  ^die  Schul 
belangendt**,  an  dessen  Scbluss  es  hei88t: 

„T>ip  v!»i>rgT'bf»nno  Schulordiiunge  vndt  Le^ps  srlioIasticaH  haliPn 
wir  die  Visitaturos  \  crlcsiMi  vndt  vns  golallen  laswen,  dieselben  auch  durch 
vnsere  Subscripticm  confinnirt  vndt  beötottiget. 

Hierttber  aber  haben  wir,  die  visitatores«  feiner  verordnet: 

Dass  alle  morgen  in  der  Schul  Ein  Ctepittel  der  Biblien  Lateinisch 
vndt  te:ifs<  h.  durch  die  Knaben  soll  gelegen  werden. 

In  prima  classe  Suil  Jdethodus  doctrinae  D.  lohannis  Wigandi  tracUrt 
werden. 

in  aecunda  classe  Solion  allein  ettliche  touUsche  »piae^stiones  aus  ge- 
melttem  Methodo  proponiret  vndt  getrieben  werden. 

In  caeteris  vero  classibus  der  Latinische  vndt  teutsche  Cateclüsmus 
Lutheri  gelernet  werdenn  (sampt  dem  kleinen  corpore  doctrinae  M.  Mathei 

ludlcis)'). 

Die  verordneten  In»pectürcä  Sollen  alle  Quartal  die  Megdleiu  Schule 
visitiren." 

I)  Das  EingcklMiiinerte  von  anderer  Ilaod. 


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188    Hltteilungen  d.  Gm.  t  deutsche  Bnlehunga-  u.  Schulgesch.  VIL 


16. 

Zur  Geschichte  der  SchulblbeL 

Voll  Dr.  F.  Dix,  Direktor  der  höhereu  Mädcheaschulo  in  Flensburg. 

Im  S.  Hefte  des  4.  Jahrganges,  1894,  berichteten  wir  Über  den 
Stand  der  Schulblbelfhige.  Dieser  Bericht  reichte  bis  in  den  An- 
fang des  Jahres  1893.  Es  sind  seitdem  vier  Jahre  verflossen.  In 
dieser  Zeit  hat  die  Sache  nicht  still  gestanden»  vielmehr  sehr 
vesentllehe  Foitsduitte  gemacht.  So  ist  die  Bremer  Schulbibel  in 
mehr  als  44000  Exemplaren  verbreitet,  in  Hamburg  in  allen 
Schulen  eingeführt  und  in  Elsass-Lothringen  und  im  Fürstentum 
Birlcenfeld  ist  die  Erlaubnis  zur  Einführung  erteilt  vrorden.  Die 
29.  schleswig-holsteinische  Lehrerversammlung  richtete  im  vorigen 
Jahre  an  das  Königliche  Konsistorium  und  an  die  Königliche 
Regierung  die  Bitte,  in  Volks-  und  Mittelst-hukMi  ein  biblisches 
Lesebuch  zu  gestatten.  Eine  Antwort  ist  allerdings,  so  viel  wir 
wissen,  darauf  nicht  erteilt  wordeu.  Auch  die  allgemeine  deutsche 
Lelirerversammlung,  die  im  vorigen  Jahre  im  Hamburg  tagte,  hat 
sieh  mit  grosser  Mehrheit  goiron  den  f  m  I»raii(  h  der  Vollbibel  in  der 
Volksschule  t  rklart  und  ein  biblisches  Lesebuch  verlangt.  Die 
Konferenz  der  Keligi«»nslt'lii>'r  höherer  Schulen  in  der  Provinz 
Sachsen  bat  wegen  der  S«  iuilbibel  eine  Umfrage  gehalten.  Von 
34  Schulen  waren  33  für  eine  Schulbibel,  davon  30  für  die  Bremer, 
3  schwankten  zwischen  dieser  und  der  Voelker-Stra^ks.  Die  evan^ 
gelischen  Beligionslehrer  höherer  Schulen  in  Schlesien  haben  vor- 
geschlagen, dass  die  von  Rheinland  und  Westfalen  sich  vereint 
mit  ihnen  an  das  Ministerium  wenden  möchten  wegen  Einführung 
der  Ureraer  Schulbibel.  ~  In  der  letzten  Generalsynode  war  die 
Mehrheit  gegen  eine  Schulbibel,  Hofprediger  a.  D.  Stöcker  für 
dieseli)e.  Es  wurde  kein  Beschluss  gefasst,  sondern  die  Sache 
aufs  nächste  Jahr  vertagt. 

Die  Eisenacher  Konferenz  wird  1898  über  die  Schulbibel- 
frage verbandeln  und  man  hofft,  dass  dort  die  Herstellung  eines 


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16.  Zur  Geschichte  der  iSehulbibei. 


189 


einheitlichen,  deutschen.  liil)liscl)en  Lesebuchs  anp:ebahnt  wird. 
Denn  es  ist  drinjrend  zu  wUüScheu,  dass  nicht  eine  Zersplitterun*; 
eintritt  durch  den  (lebmuch  verschiedener  biblischer  Lesebüffipr, 
sondern  das8  alle  evangelischen  Volksschulen  Deutschlands  ein  und 
dasselbe  Buch  gebrauchen. 

Eine  sehr  rasche  Verbreitung  hat  das  Yom  eTai^elischen 
Oberkirchenanit  empfohlene  biblische  Lesebuch  Ton  Voelker  und 
Strack  gefunden,  das  bereits  iu  sechs  Auflagen  A'orliegt.  Diese 
neueste  Auflage  hat  den  alttestamentlichen  Text  erweitert,  frühere 
Uinstellunixen  beseitigt  und  gliedert  den  Inhalt  noch  mehr  als 
früher  durch  Ueberschriften. 

Wie  In  Pireussen,  so  tet  auch  in  Sachsen,  Weinuur,  Ck>buTg, 
Württemberg  and.  wie  schon  gesagt»  in  den  Reichslanden  der 
Gebrauch  ebaes  biblischen  Lesebuchs  grundBfttzlich  gestattet  In 
Preussen  nur  das  von  VoelkeisStrack* 

Die  beiden  genannten  Sehulblbeln  stimmen  darin  überein,  dass 
sie  geben,  was  gelesen  w«  rdcu  kuuu,  weichen  aber  darin  von  ein- 
ander ab,  dass  die  Bremer  mehr  das  . Biblisch",  die  Voclker- 
Stracksche  mehr  das  .Lesebuch"  beHMit,  d.  Ii.  dass  die  Bremer  den 
Wortlaut  der  Bibel  sorgfältig  gesichtet  darbietet  zur  freien  Ver- 
fügung des  Lehrers,  wahrend  die  andere  dem  Lehrer  ültrrall 
Weisungen  giebt  diircli  Kinleitungeu,  Einteilungen,  Erklärungen 
von  Liedern  und  Katechisniusstücken.  durch  subjektive  Beigaben 
^  erschiedenster  Art.  Diese  beiden  Bücher  haben  bis  jetzt  die 
weiteste  Verbreitung.  Jüngst  ist  iiineu  ein  drittes  zur  Seite 
getreten,  da.s  biblische  Lesebuch  für  den  vSchnl gebrauch  von  Otto 
Schäfer,  iiektor  der  Bethmannscbule  in  Fiaiikiurt  am  Main,  und 
Lic.  theol.  Albert  Krebs.  Gymnasialprolessor  ebenda.  Diesterweg. 
Frankfurt  am  Main  I89ti.  Das  alte  Testament  umfasst  liiei  26d, 
das  neue  229  Seiten  gegen  454  und  301  iiu  Bremer  Lesebuch. 
Papier  und  Druck  sind  bei  weitem  nicht  so  gut  wie  bei  diesem. 
Die  Ausscheidung  geht  sehr  weit,  wie  die  Verfasser  sagen  so  weil, 
,dass  niemand  daran  denken  kann,  in  dem  Auszug  einen  dauernden 
Ersatz  für  die  Vollbibel  zu  sehen."  Mau  denkt  an  Lessing  und 
fOrchtet,  dass  einer  kommt  und  sagt:  ich  bin  der  Niemand.  Diese 
Meinung  hängt  ja  nicht  vom  Umfang  des  Lesebuches  al>,  sondern 
Ton  der  Behandlung  im  Unterricht  Hat  dieser  Verlangen  nach 
tieferem  Einblick  erweckt»  dann  wird  der  Niemand  nicht  aulli-eten, 
die  Dicke  oder  Dttnne  des  Buches  aber  wird  Um  nicht  hindern. 
Trotz  der  weitgehenden  Ausscheidung  bringt  auch  diese  Bibel 


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190    Mitteiiungeu  d.  Ged.  f.  deuUciie  ErzieUuugä-  u.  Öcliulgeäch.  Vü. 


iiiiiiier  noch  m*'lii-.  als  die  Schule  unteni<  htlich  durchaibeiteu 
kann,  und  Ikast  vieicti  wc^,  was  manche  fiii-  uiiontbehrlirh  halten 
■^^erden.  Wo  ist  also  die  Grenze?  Die  beiden  anderen  Schiiibiijeln 
nehmen,  wie  uir  nu  im  n,  «Irin  Text  i;:eirenüber  die  richtige  objektive, 
die  Frankfurter  Bibel  eiiio  mehr  subjt-ktive  Stellung  ein,  und  bie 
bevoi-mundet  den  Ldiier  noch  weit  mehr,  als  die  Voelker-Stracksche 
Bibel.  Aber  in  der  äusseren  Einrichtung,  z.  B.  Spaltung  der 
Seiten,  Zählung  der  Vt  isr.  lolgt  das  Schaefersche  Ltsebueh  dem 
Beispiel  des  lUemer.  Alh-6  dii  .-cd  zeigt  einen  höchst  erfreulichen 
FortschriLt  der  Schulbibelsache. 


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n.  Lehrer  und  Schüler  des  Mittelalters  in  Bildern. 


191 


17. 

Lehrer  und  Schüler  des  Mittelalters  in  Bildern. 

Brgaozongeii  su  Heft  1,  Jahrg.  VII,  189  7,  Bayern-Heft^  Seite  6,  BUd  8, 
von  Pfarrer  Dr.  V«lk  in  Klein  Wintemlieim  bei  Maina. 

iHeses  ivraiiach'scliü  Bild  iat  deu  Keuuerii  der  Holzschnitte 
bekannt  als  .,Die  lieilige  Familie  im  Saale*.  Eine  !)( srlmMbung 
davon  ^;iebt  Heller  in  seinem  L.  Kranach  S.  126  der  zweiten  Auf- 
lage, Xürnlterg  1854.    Er  bemerkt  dabei: 

Dieses  vurzügiiche  Blatt  wird  audi  liäulig  ,,die  heilige  Familie 
in  der  Scimie  "  genannt.  Es  gieht  liit  rvon  ältere  Abdrücke  mit 
dem  Liede:  .,Voö  ad  se  Puori  etc.,  mil  welchem  zu  Wittenberg 
die  Kinder  zu  Schulen  werden  getUi*et  Am  Tag  S.  Gregorii, 
Verdeutscht: 

Der  Herre  Christi,  ir  Kindlcin  klein, 

Rufft  euch  zu  sich,  lieblich  und  lein.  ' 
(20  Zeilen  Gedicht.) 

Es  gehört  somit  dieses  Bild  zu  den  „Einladungsbildern",  wie 
"wir  ein  älteres  besitzen  in  dem  Züricher  Kalenderbibl  von  1508, 
dessen  Wiedergabe  innerhalb  der  Mitteilungen  noch  be vorstellt. 

Welcher  Keiehiuai  au  einschlägigen  Bildern  Überhaupt  in 
Wiegendrucken  vorlianden  ist,  ergiebt  sol'orl  eij»  Blick  iu  die  Ver- 
zeichnisse der  Wiegendrucke  eiir/.elner  Bibliotheken.  So  sind  z.  B. 
in  dem  auf  Veranstaltung  des  kath.  Adniinistrationsrates  des 
Kantons  herausgegebenen  Verzeichnisse  der  Incunabeln  der  Biblio- 
thek zu  St.  Gallen  (18öO)  die  Werke  mit  Holzs(  hnitt\eiv.ierungen 
in  einer  besonderen  Gruppe  S.  XXV  im  Anhange  verzeii  hnet.  Es 
befinden  sich  dabei  15  Werke  mit  Titelbildern,  in  denen  „Lehrer 
und  Schiller"  dargestellt  sind. 


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192   Mttteiltuig«ii  d.  Oes.  t  denlaclie  Enieliiiiigs-  tt.  Behulgesch.  VIL 


Geschäftlicher  Teil. 


mtteüangen  über  die  aroppen  der  Gesellsohaft. 

1*  Cliiippe  Oesttnreldu 
Ueber  die  rOhrige,  yon  grossem  Erfblge  begleitete  ThAtigkeit 
der  österreichiBelien  Gruppe  untemchtet  der  von  Herrn  Direktor 
Prof.  Dr.  Haimak,  dem  Sduiftnihrer  der  tetenreiebiechen  Gruppe, 
auf  der  JabresYersamiiiluDg  in  Wien  am  15.  Mai  d.  J.  Torgetragene 
und  baLd  darauf  veröffentlichte  dritte  Jahresbericht i),  der  im  Fol- 
genden zur  Kenntnis  der  Mitglieder  der  Geseilschaft  gebracht  wird: 

B  BchoUa  oomia  nostr»  «das,  divitiae  onmes. 

Inschrift  (un  QyiunuHiuiii  dos  Püfif-  Kvon.-nrliisttrr. 

Die  Hoffnnng  auf  oino  weitere  gedeihliche  Entwicklung  der  öster- 
reichiHchcQ  Gruppe  fOr  deutsche  Erziehungs-  und  iSchulgeschichte,  welche 
der  Vorstand  in  seinem  vorjahrigen  Borichte  xiun  Aasdracke  brachte,  hat 
im  Verlaufe  dieses  Jahres  an  Zuveritodgkelt  gewonnen.  I>enn  wahrend 
im  Vorjahre  nur  mit  Hilfe  der  Berliner  Geselbchaft  ein  besonderes  Heft 
von  Arbeiten  der  österreichischen  Gruppe  veröffentlicht  werden  konnte, 
wurde  es  ihr  heuer  ermöglicht,  scihstflndi^'-  soh  iic  I'ublikutionon  herauszu- 
gobeu.  Dasä  der  Vorstand  mit  dietier  erireulichou  Mitlciluug  neiiien  dies- 
jährigen Bericht  eröffnen  kann,  dankt  die  Osterreichische  Gruppe  der 
Munificeos  8r.  Bxcellens  des  Herrn  Untcrrichtsminii^tors  Dr.  Paul  Frei- 
herrn Gautsch  von  Frankenthu in.  Dieser  hat  laut  hohem  Erlaus  vom 
4.  Februar  1M97,  Z.  Hl (52,  sich  bewo^i  ri  getunden,  „der  Osterreichi-rhen 
Gruppe  der  Gesellschatt  tur  deutsche  Erziehungs-  und  Öchulgeschichte  zum 
Zwecke  schulgeachicbtUcher  Publikationen  einen  Betrag  von  600  fl,  ttt 
bewUligen." 

Desgleichen  hat  der  Grosaiadust Helle  Herr  Karl  Wittg^onstein 

durch  Vermittlung  de»  lvr><rierunf!r^r:ites  !>••  I^^rpror  Ritter  von  Möll- 
wald  der  österreichischen  Gruppe  einen  lietrag  von  lUü  fl.  hochherzig  au- 
gewendet. 

Ueberdies  hat  auch  9e.  Durchlaucht  der  Herr  Fttrst  Pran» 
Aueraperg  heim  Eintritte  in  die  Mitgliedschaft  der  Oatenreichiachen 

I)  Gr-t<>1l<trhafl  rtlr  dentacbo  ErztehunKH-  und  Srtaulerachlchte.  Dritter  Jahrosbericbt 

(l»T  i'ist'Tri'ii  1i1m'1i4Ti  Urui>ii>'.  V(irtr<'ti  nk'i>ii  in  <l(>r  ■Tjilin'HVenKAinmltuif;  am  I&.  Mai  Wü.  Wil'ri 
ltftl7.  VurJag  der  U.  0.  d&r  Uosollst^bafl  flir  dnutei'he  EniDhuogS'«  und  Scbulg«8cliicbt«. 
l>rttck  TOii  Kudolf  BntezovRky  und  j^öbne,  9 10.  S. 


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Mitteilungen  Ober  d.  Orupp.  d.  Gesellscb.   1.  Gruppe  Oesterreich.  19S 


Gruppe  eine  Uebor/.ahluii^  v(in  7  fl.  freleistet,  die  auBschUesslich  tUr  Zwecke 
dieser  Gruppe  verwendet  werden  können. 

Indem  auf  diese  Welse  su  den  von  8r.  Msjestftt  dem  Kaiser  Im  Vor- 
jahre atlergnadlget  gespendeten  200  11.  noeh  700  hinnkamen,  wurde  es 

der  österreichischen  Gruppr"  prtn<»i;licht,  mit  8elb8tAndigen  Publikationen 
Obor  die  einheiniischf  SchuIgBtichichtf  h'Tvor/utrcten.  Darum  g-ebnhrt  den 
grutitftnUtigen  Spendern  «ler  wUrmste  Dunk,  den  hiermit  der  Vorstand 
öffentlich  abzustatten  sich  gedrängt  fOblt 

Unter  d«i  beim  RedaktionBaassehusse  eingelaufenen  Manudcripten 
waren  es  hauptdftchlich  zw^m.  dit^  durch  ihren  grösseren  Umfang  eine  Auf- 
nahmo  in  die  »Mitteilung^cn  der  {'rosellachaft  für  deutsclie  Hrziehungs-  und 
fcjchulgoHchichtp"  uninügUch  machten:  „Die  (Jeachiclite  des  Piariaten- 
g^mnadiumä  in  liorn'  von  P.  Friedrich  Endl  und  ,Dio  Geschichte  der 
Bavoy'schen  Ritterakademie''  von  Prof.  Johann  Sehwarx.  Der  Vorstand 
besehloss  deshalb,  diese  Arbeiten  /.unrichst  an  publisieren;  und  zwar  wurde 
feetgentelU.  dasa  unter  dem  Titel  .Beitrüge  zur  «österreichischen  Schul- 
und  Erziehuiigögeschichto"  zwanglose  Hefte  heruusge^i-hen  werden  sollen, 
die  den  Mitgliedern  der  Gruppe  unentgeltlich  verabfuigt  werden,  und  dass 
das  erste  die  Oeschiehte  der  Savoy'aehen  Ritterakademie  enthalten 
soll,  weil  diese  eine  eigenartige  und  für  die  theresianische  Zeit  eharak- 
teristiscbe  Anstalt  ist,  die  als  aelbstHndiger  Organismus  im  Verbände  mit 
der  then»sianif»chen  Akademie  noch  gegenwartig  besteht.  Es  dürfte  in  der 
nüchsteu  Zeit  dies  Heft  zur  Auegabe  gelaugen;  daa  zweite  Heft,  das  auch 
baldigst  erscheinen  soU.  wird  die  Geschichte  des  Piaristengymnasiums  iu 
Horn  bringen. 

Neben  diesen  Vcniffentlichungen  ist  noch  eine  Abhandlung  zu  er- 
wähnen, die  im  Vi.  Jahrgänge  (p.  122 — 150)  der  Mitteilungen  der  Gesell- 
schalt tih-  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgesehichte  \on  dem  Vorstands- 
mitgliede  k.  u.  k.  Sektionsrat  Dr.  IC  Schrauf  erschienen  ist.  Sie  be- 
handelt »den  Entwurf  des  P.  Gratiao  Manc  über  die  Reform  der  Ostern 
reichischen  Gymna.sien  vom  7.  Juli  1775". 

Indem  der  Vorstand  auf  diese  für  Oestnrreiclis  Schulgesehichte 
wertvollen  Beitrage  als  die  deutlich  sichtbaren  Fruchte  seiner  Tharigkeit 
hinweist,  kann  er  gleichzeitig  auch  anderweitiger  Bemühungen  gedenken, 
die  er  im  verflossenon  Vereinqjahre  zur  POrderang  der  patriotiaehen 
Zwecke  der  Oeterreiehiechen  Gesellsehafkegmppe  nieht  ohne  Erfolg  anter- 
nonunen  hat.  Diese  bewegten  sich  in  swei  Richtungen:  der  Vorstand 
musste  Minf'rseits  Mitglieder  gewinnen,  um  dl"'  fn  iferiellen  Einkünfte  zu 
mehren  und  Unterstützungen  fUr  seine  patriotischen  Bestrebungen  zu  er- 
lialten,  audererseits  Mitarbeiter  heranzieheo,  die  ihre  Kraft:  der  Erforschung 
der  heimischen  Schul-  and  Erxtehungsgeschlehte  widmen. 

In  heiden  Kichtungen  fand  er  sich  wesentlich  geffirdert  durch  den 
im  vorjährigen  Berichte  hervorgehobenen  Erlass  des  hohen  Ministeriums 
ffir  Kultus  und  ünterrlcht  vom  ö.  Mürz  18%,  Z.  8UV2,  ex  lb9'>.  Die  k,  k. 
SchulrlUe  der  einzelnen  Provinzen  liatten  infolge  dieses  hohen  Erlasses  an 
die  ihnen  unterstehenden  Organe  Weisungen  erteilt,  den  Intentionen  des 
hohen  Ministeriums  su  entsprechen.  Das  zeigte  sich  in  den  Anfragen  und 
Mitteilungen,  die  au?  mehreren  Krünhindern  bei  dem  Vorstände  einliefen, 
wobei  insbesondere  der  Umstand  rühmend  hervorgehoben  zu  werden  ver- 

Mittsilongen  d.  G««.  f.  doutocbe  ffmieli.-  u.  Schulgeocbicht«.  VII  2  1687. 

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194   Mitteilungen  d.  Ge«.  £  dentaehe  Bniehungt-  o.  8chu]geechj  Vn. 


dient,  dwsa  diese  auch  aus  dem  Kreise  der  Volksschidlehrer  stammten.  Im 

Vorjahre  konnte  schon  die  Sendun^r  eineg  wertvfillon  srhulgeschichtlichen 
\Verko8  aus  OherHsferreich  (V'öcklabrack)  und  von  Akten  aus  dorn  Horzog- 
tiun  Salzburg  (Liofer)  erwähnt  werden«  in  weh'h"  letzterer  sich  der  Ein- 
sender ttttsdracklich  auf  einm  Erlass  des  Salzburger  k.  k.  Laadeaschul- 
rates  b«rle£ 

Im  gegenwärtigen  Vereinsjahre  zeigte  sich  die  Teilnahme  fQr  die 
HestrebuTig^en  der  österreichischen  Verein^gnippe  in  erhöhtem  Maasse  und 

auch  in  anderen  Kronländern. 

In  Lieder-Oesterreich  haben  sich  die  I^aben-Bttrgerechole  im 
IL  Wiener  Besirk,  Schwarzingergasse,  und  die  Uftdchensehttle  Im  3CVI.Beiirlc, 
Wichteigaase,  zum  Beitritte  gemeldet. 

Was  Ober^Oesterreleh  anbelangt»  so  Ist  von  d<nt  das  Staatsgymnasium 

in  Linz  der  Osterreich ischen  Gruppe  «Icr  Gosellschaft  für  deutsche  Erziehongs- 
und  Schulgeschichtf  lioipctreten.  Iiislx/'soudere  ist  die  Förderung  hervor- 
zuheben, welche  der  k.  k.  Bezirkshauptmann  von  Gmundon,  Baron 
Aichelburg-Labia,  dem  Vereine  angedeihen  lässt.  Auf  seine  Anregung 
ist  ea  wohl  sorackzoführMi,  dasa  auf  Antrag  des  Schulleiters  Anten- 
gruber  und  durch  Beschluss  der  Bezirkslebrer^Konfereos  in  Gmunden  im 
August  1890  die  Bezirkslehrer-Bihlinthfken  von  Gmunden  und  Ischl  der 
österreichischen  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte 
als  Mitglieder  beigetreten  äind. 

Und  wie  viel  Sinn  imd  Verständnis  er  selbst  l'Ur  die  Bedeutung  der 
Schulgesehiehto  besitzt«  zeigt  der  Schulkataster,  den  er  bei  der  Beslrfcs- 

hauptmannschaft  in  Gmunden  im  Jahre  1891  begrOndete.  Seine  Anlage  ist 
so  vortrefflich.  dasH  fr  in  künftiurt'ii  Zeiton  oin  vorzttj^liches  Quellenwprk 
fi\r  die  Schulgi'^rhichtt'  dvr  Bezirke  (riiuiiKi'Mi  und  hehl  abg:cben  wird.  Es 
wäre  daher  gewiss  wünschenswert,  wenn  auch  iu  aiidereu  Bezirken  dieses 
Beiq^iel  Nacludunung  fände.  Dadurch  sei  ea  gerechtfertigt,  dass  das 
Schema  dieses  Katasters  in  der  Beilage  (A)  abgedruckt  erscheint. 

Aus  Salzburg  langte  im  April  ein  Schreiben  des  Direktors  dtr 
Rnrgerschule  Ferd.  Thyin  ein.  wol<  h«>.s  den  Roitritt  des  dortigen  Bezirks- 
schulrates in  Aussifhr  stf-lltp.  dor  aucli  taktisch  erfo!g"tP. 

Ans  Steiermark  traten  da?*  II.  Staatsgymnasium  in  Graz,  die  Lehrer- 
bildungsanstalten in  Graz  und  Marburg  dem  Vereine  bei;  der  Bezirks- 
adkulrat  von  Knittolfeld  hat  mit  Dekret  yom  20.  April  1896,  Z.  394,  die 
Mittelungen  der  Gesellschaft  den  Volksschulen  «npibhlen,  weshidb  sich 

der  Ortsschulrat  von  Knittelfeld  mit  einer  Zuschrift  vom  2G.  November 
1896  an  den  Vorstand  um  Aufklfinmgen  tlber  die  Modalitftt'm  des  Bezuges 
wandte.  Eine  gleiche  Antrage  kam  von  der  Schulleitung  in  Aussee,  ddo. 
21.  Jnll  1896. 

Als  ein  neuer  Mitarbeiter  meldete  sich  der  Oberlehrer  Herr  Alfred 

Ostermayer  in  Schölbing  (bei  Hartberg)  in  Stei^mark.  Er  berichtete 
in  einem  Schreiben  tiber  seine  bisheripro  Th.itip;kpit  auf  dem  Gebiete  dor 
Schulgeschichte  und  verwies  aui  seine  Arlieiten  in  den  „Mitteilungen  des 
historischen  Vereines  für  Steiermark".  Der  Vorstand  schatfte  die  betreS'endeu 
Hefte  an,  wobei  er  auf  Verwendung  des  Dr.  Ilwof  vom  Verein  eineii 
f^Sssigten  Preis  zugestanden  erhielt. 


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Mitteiluntjen  über  d,  Grupp.  d.  Gesellsch.    1.  Gruppe  Oesterreich.  195 


In  Böhiuen  hat  der  k.  k.  Lundesschuh-at  mit  Erlu»9  vom  25.  April 
1896,  Z.  10824,  die  UnterstOtsun^  der  Oeterreichiachen  Gruppe  fOrBniehaogs- 
lind  Bcliulgeschichte  den  ihm  unterstehenden  Schulen  empfohlen.  Infolge 
desson  meldete  Herr  Direktor  P'ranz  N.  stlfr.  ddo.  19.  Juli  1896,  Z.  409, 
den  Beitritt  des  Gymnaaiums  zu  Ijeitmeritz  und  sandte  {j^l eichzeitig  zwei 
Jahresberichte  desselben  von  den  Jahren  1»77  und  187b,  in  welchen  der 
dunalige  Direktor  Heinridi  Klafiak  die  Geschlclite  des  Leltmerltser 
Gymiittdiune  bearbeitet  hat  Deegleicheu  trat  daa  Gymnariiim  in  Böhmiach- 
Leipa  und  die  Staatsmittelschnlf»  in  Reichenberg  dem  Vereine  bei. 

Da  die  Kihl.  Bezirksachulrätc.  den  Weisungen  des  hochlöbl.  Landes- 
schulrates  folgend,  an  die  Volksachulen  Aufforderungen  erlieaaen,  die  Beätre« 
buogen  des  Vereines  zn  nnteratutsen,  ao  langten  von  den  Besirkaacliul- 
fftten  in  Nenhaua  (ddo.  16.  JtutI  1896)  und  Jnngbnnalau  (ddo.  14.  Juli  1896) 
Anfragen  um  die  Bedingungen  des  Beitrittes  ein:  die  Volksschule  Herms- 
(lorf  bei  Nir'mpa  in  Böhmen,  die  Bürfrcrschule  und  die  II.  Volkfischule  in 
Kurlsbad,  die  Bürgerschule  in  bchunborn  bei  Niedergrund  und  die  Orts- 
ieh rerbibliothek  in  Weipert  meldeten  ihren.  Beitritt;  die  Schulleitung 
Bleiswedel  liess  durch  den  15bl.  BezirlLSSchulrat  Leitmerltz  (ddo.  11.  Oktober 
1896,  Z.  2621)  die  Mitteilung  an  den  Vorstund  gelangen,  dass  an  dieser 
SchvUf  <'in  rrkumlrnbucli  sei.  wclclics  Vcrdrdininp'pn  in  Schtilsachnn,  an- 
fangr^Mid  mit  dem  Jahre  lb2ö,  eiithallo,  die  zulV>Ifr<'  bisclml  lichen  Konsistorial- 
Autlrages  vom  ib.  August  1841,  Z.  3249,  mit  bezug  auf  den  §  221  der 
politischen  Schulverfassnng  ausanunengesteltt  wurden. 

Auch  in  MUmn  liat  der  k.  k.  Landeeaohulrat  mit  Brtass  vom 
80.  Mörz  1896,  Z.  2845,  den  Schulen  dio  Fördonrng  der  Zwecke  des  Ver- 
eines nahegelegt.  Mit  Berufunj,'  auf  diesen  Erlass  meldeten  sich  die  Volks- 
schulen zu  Witkowitz  und  Mlstck  durch  den  Bezirksschulrat  von  Miatek, 
ddo.  81.  Deiember  1896,  «tm  Beitritt 

Die  bisher  angefttlurten  Bmingenschaften  dankt  die  österreiehiaehe 
Gesellschaft  deutadier  Ensiehungs-  und  luil^^eschiehto  der  Unterstützung 
ihrer  Boatrebuitfren  von  seitcn  d<  r  fiohen  l^e;j:ierung  und  spricht  ihr  hier- 
für den  wärmsten  Dank  mit  der  Bitte  aus,  auch  fernerhin  ihr  patriotisches 
Unternehmen  zu  fördern. 

Doch  auch  der  Vorstand  war  bemttht,  die  Teilnahme  und  -das  Inter- 
esse für  seine  Bemühungen  in  weiteren  Kreisen  zu  verbreiten.  Zminchst 
diente  ihm  zu  dle^ein  Zwecke  das  im  vorigen  Vereinsjahre  h('raiis':^<';rebf!\o 
Austriahelt.  !)a.ssell)e  wurde  in  verschietlenen  Zeitschriften  und  Zeifunpt'ti 
besproclieu    und    hierbei    zugleich    der   Bealrebuugen    der  Gesellschaft 

gedacht.  , 

(Et  Mgm  hl«r  die  Nmneti  «let  t>«tr.  ZeHuni^fn  wul  Zeiteehrlfteo.) 

Ausserdem  wurden  durch  pprsönliche  lutervontion  einzelner  ^Üt- 
g'lieder  des  Vorstand'>s  Exemplar*'  des  Austriaheftes  und  der  Jahresberichte 
an  namhafte  Persönlichkeiten  ver:>undt,  um  diese  flir  die  Zwecke  des  Ver- 
eines aa  interessieren  und  zu  gewinnen.  Um  s])ezieU  in  Wiener  Schul* 
mAnnerlorelsen  die  Teilnahme  für  die  Bestrebungen  der  Österreichischen 
Gruppe  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schidgeschichto  wach  zu  erhalten, 
hielt  di'r  Ohmann  des  Vorstandes  Kei^ierunp^Hrat  Dr.  Egger  von  Mf^ll- 
wald  im  Verein  „.Miitelschule*  einen  Vortrag,  der.  anknüpfend  an  das  im 
Manuskripte  vorgelegte  Werk  P.  Fr.  EndUs  «Geschichte  des  Piaristen- 

13* 


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196    Mitt«iliiDg«a  d.  Ges.  f.  deutsche  Endehunge-  o.  Sehulgeach.  VII. 


Gymnaaiume  in  Horn*,  dessen  Bedeutung  wOrdigte  und  steh  im  allgemeinen 
ober  die  schulgeschichttiehen  Puhlikatlonen  der  jfingslen  Zeit  und  ihre 

Wichtigkeit  VPrbr(Mteto. 

Diese  Bemühungen  dm  Vorstandes  blieben  nach  beiden  Richtungen 
nicht  ohne  Erfolg:  Sie  führten  dem  Vereine  neue  Mitglieder  und  neue  Mit- 
arbeiter SU. 

Unter  ersteren  sei  vor  allem  Sr.  Durchlaucht  des  Fftrsten  Frans 

Auersperg  gedacht.  ist  das  erste  und  bla  jetzt  leider  einzige  Mit- 
glied des  hohen  Adels,  d:vs  lit'iii  Vereine  hoitrnt  und  ycine  ppwis^»  .schönen 
und  patriotischen  Zweckt^  zu  tordem  sich  entscliIoi>ä.  Gerade  von  dieser 
Seite  konnte  der  Erforschung  des  heimischen  Schul-  und  Erziehungswesens 
die  ausgiebigste  Hilfe  gew&hrt  werden.  Denn  die  SprOsdinge  des  hohen 
Adels  sind  im  17.,  18.  Jahrhunderte  und  in  der  francisceischen  Zeit  die 
mächtigsten  Förderer  vaterländischor  Kunst  und  Wissiongchaft  gewesen, 
von  deren  zielbewusster  Thätigkeit  gar  vinlo  herrliche  Kunstwerke,  Samm- 
lungen, Bibliotheken  und  Archive  noch  jeut  deuLlich  Kunde  geben.  Welch' 
glAoaende  BlAtter  konnte  die  fleterrelehlscheGnippe  für  deutseheBrsiebungs- 
und  Behulgesdiicbte  der  vateriindischen  Kulturgeschichte  Anfügen,  wenn 
sie  in  die  Lagr  versetzt  würde,  die  Erziehung  uIl'  der  her\-orTagenden 
ürandseigneura  zu  ert'nrsschon  und  darzulegen,  die  ah  wahre  Aristokmteu 
des  Geistes  unser  herrliches  Oesterreich  mit  Werken  und  Pflegestatten  der 
Kunst  nnd  Wissensehalt  scfamockten!  Wir  begrUssen  deshalb  den  Beitritt 
8r.  Durchlaucht  in  der  freudigen  HoChung;  dass  sein  Beispiel  in  den 
Kreisen  des  hohen  Adels  Nachahmung  finden  werde. 

Es  sei  femer  gesUittet,  darauf  hinzuweisen,  da-s«  nnfcr  den  neu  ein- 
getretenen Mitgliedern  Herr  Uofrat  Dr.  Anton  Kezuk  aus  dem  Unterrichts- 
ministerium und  Universitata-Prof.  Theol.  Dr.  Anton  Weiss,  d.Z.  Rector 
Magnifieus  der  Universitlt  Gras,  erscheinen.  Sie  ^d  Repräsentanten  von 
zwei  Faktoren,  auf  deren  Gunst  die  Osterreichische  drupp*'  hohen  Wert 
legt,  der  rntorrichtsverwaltunj»  einer-,  des  gelelirten  Klerus  andererseits. 

Die  Erfolge,  welche  iler  Vorstand  bei  der  Anwerbung  neuer  Mit- 
glieder aufzuweisen  bat,  sprechen  sich  in  dem  Status  der  Mitglicuerzalu 
ans,  die  sich  t<«  114  im  Voijahre  auf  182  erhöhte. 

Leider  beklagt  auch  die  OsteiTeichiselie  Gruppe  den  Vertust  dreier 
hervorragender  Hitglieder,  die  ihr  durch  den  Tod  entrissen  wurden.  Es 
sind  dies  P.  Franz  Xav.  Benda,  der  Provinzial  des  PiariBten-Onlens. 
Kegierungsrat  und  Museumsdirektor  Dr.  Albert  11g  und  üofrat  Adolf 
Lang.  Die  Verdienste  Dr.  Albert  Ilg's  liegen  auf  ebiem  Geldete,  welches 
der  Thltigkeit  des  Verehies  ferner  liegt.  Als  gewiegter  Kunstkenner  hat 
er  sich  um  die  einheimische  Kunstgeschichte  viele  allgemein  anerkannte 
Verdienste  envorhen.  Seine  Werke  nnd  seine  Vortrage  haben  wesentlich 
dazu  beigetragen,  daas  das  Verstfindnis  der  vatcrlftndisclien  Kunstwerke  in 
weite  Kreise  verbreitet  and  die  Leistungen  der  einheimisclien  Künstler  all- 
gemein bekannt  imd  gewUrdigt  wurden. 

Die  beiden  anderen  Abgeschiedenen  gehörten  zu  den  bedeutenden 
Schulmannern  unseres  Vaterlandes.  Provinzial  P.  BeTida  wirkte  lange 
Zeit  —  über  40  Jahre  —  erfolgreich  im  T.ehramte  und  stand  seit  IsS'J  an 
der  Spitze  desjenigen  Ordens,  der  sich  um  das  t^chulwesen  Oesterreichs 
die  grOssten  Verdienste  erworben  hatte.    Hofrat  Lang  war  einer  der 


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Mitteilungen  (Iber  d.  Grupp.  d.  Uesellsch.   I.  Gruppe  Oeeterreich.  197 


«rsten  Sebfller  das  rOhmlieliftt  balauiiitOD  UidvenltitttohreiB  Dr.  Boniti 
und  erwarb  sieh  all  GyimuwialproflBMor,  Direktor  und  Laadee-SdinliiiBpdctor 
^in  Tirol,  Marburg  und  Wien)  grosse  Verdienete  um  die  Ausgestaltong  der 

Gymnasipn-  zuletzt  wirkto  »]^  Hofrat  und  Rpforont  im  k.  k.  rntorrichtä- 
ministerium.  Sein  konziliantes  Wesen  und  »eine  durch  eine  vielseitige 
Bildung  unterstützte  Beredsamkeit  bleiben  allen  in  der  Erinnenuig,  die  mit 
Ihm  Terkehrten. 

Auch  die  Bestrebungen  des  Vorstandes,  Mitarbeiter  an  der  ebenso 
wi'  !iti_'''  n  :Ati  dringenden  Tliätig-keit  doa  VereinoH  prwprben,  waren 
von  Erfolg  begleitot.  Insbesondere  ist  unter  denjeuiiri n  liorrcn,  die  ihre 
Kräfte  unserer  GeHellHclialt  zur  Verfügung  stellten,  der  im  Ruhestände 
lebende  Landeo^Schulinspektor  Dr.  Josef  Gobans  hervonnheben.  Dieser 
aandte  einen  yon  ihm  verfiMSten  Bericht  Ober  die  Bntwicklfmg  dee  Volke« 
Schulwesens  in  Kiruton  in  der  Zeit  von  1870  — iss'),  dor  bei  Tvoon  in 
Klagenfurt  erschienen  ist  und  der  Bibliotlxek  des  Vereines  einverleibt 
wurde,  und  zwei  Manuskripte:  das  eine  ist  eine  Promemoria  des  Ferdi- 
nand Preiherrn  von  Bouttler  Uber  Errichtung  eines  8tadien>Konviktes 
in  Klagenftnrt  de  dato  Wien  6.  Februar  1806  (aas  dem  steiennirkisehen 
Landesarchive),  das  andere  ein  Zirkulär  des  k.  k.  Kreisamtes  Klagenftnt 
4Ua  samtliche  Bezirks-  und  Patronatsherr^rhaften  und  Dominien  ,  wp^ren 
Beförderung  dea  Srhidwesens"  vom  10.  April  1811.  Das  im  Einzeldruck 
vom  J.  1811  vorliegende  Zirkular  glaubte  die  österreiclüsehe  Groppe  der 
Gesellscliaft  als  Beilage  dee  Jahreaberlehtes  (B)  bringen  an  sf^en,  weil  es 
Yon  allgemeinem  Interesse  ist  and  einen  Einblick  in  die  erfrealidie 
Thntigkeit  des  Staates  auf  dem  Trcbiete  dee  VolkMchalwesens  in  der 
traurigen  Zeit  der  Franzosenkriege  gewahrt. 

Ausserdem  teilte  Dr.  Josei'  Gobans^  mit,  duss  der  Oberielirer  und 
Besirksscbtdinspektor  Hugo  Moro  In  Hermagor  eine  voilstandige  Dar- 
ateilnng  des  kämtischen  VoUcssehnlweeenB  seit  1870  liefern  werde,  und 

dass  der  kllrntiriche  I.amle.^schnlrat  einen  amtlichen  Rericht  über  seine 
'  Th&tigkeit  für  dan  Jahr  lyuo  in  AutJ-siclit  genommen  habe. 

Ueberdies  kam  aus  Kärnten  ein  Bericht  des  Schulleiters  Alexander 
Berger,  der  In  einem  weltenilegeiien  Sebnlhaitse  in  Dreifaltigkeit  auf 
dem  Sonntagsberge  mit  Treue  md  Fleias,  aber  gegen  khrgUchen  Lelm 
seine  schweren  Pflichten  erfüllt.  Zur  Ehre  seines  Standes,  der  gerade 
jetzt  den  heftl^rsten  Angriffen  ansj^esetzt  ist,  sei  im  Anhang  (Heilage  C) 
ein  Auäzug  aus  diesem  die  Schulverhaltnisse  vieler  unserer  GebirgslAnder 
treffend  charakterisierenden  Bericlite  mitgeteilt. 

Als  Manuskripte  sind  femer  eingelaufen: 

Bine  Iu.-«truktiun  für  den  Schulmeister  and  Kirchendiener  von  Alt» 
Münster  aus  dem  Jahre  1G99  aas  dem  Sallnenarchiv  in  Isclil  vom  Regiemnga- 
rat  Dr.  Egger  von  Möllwald. 

Eine  Arbeit  Uber  die  Laudsctialtstschulu  iu  Liiu  von  Prüf.  Dr. 
Khull  in  Graz. 

Aut^züge  aus  dem  Pfarr-Gedenkbach  von  Ntederliollalirimn  von  dem 
dortigen  I'farr-I'ruvisMr  Herrn  Hauer  Anton,  die  einzt'Incn  Daten  (liier 
Pfarrer.  L<^lirer  und  Ge}ii1tV»n  in  dieser  Ortschalt  enthalten  und  einerseits 
bis  ins  Jahr  1754  hinaui  und  andererseits  bis  ins  Jahr  iHiü  herabreichen. 
Boiche  Milteilangon  aind  um  so  freudiger  an  iMgrOasen,  als  gerade  Qber 


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198    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  denteelie  Entehimgs-  u.  Scbulgeseh.  VH. 


die  Geschichte  den  Volksschulweeens  uneeres  Vaterlandes  namentlich  in 
(ipr  Znit  vor  rkr  politischen  Scbulverfessang  die  Qaellen  aosserordentUch 

spärlich  flitsscn. 

In  Aufsicht  gestellt  wurden  nebst  dpu  borcils  erwähnten  Beitragen 
noch  sulche  von  Prof.  Josef  Wichner  in  Krema,  dem  VerfafMjer  des 
Büchleins:  „Aas  dem Stadieratftdtchen''  Brinnerongen  und  Bilder  ans  dem 
Gymnasialleben  (Wien  1896),  dass  einen  Interessanten  Einblick  in  die^ 

Lebensverhaltnisse  unserer  Gymnasialschüler  gewährt.  Der  Verfattsor  er- 
klnrto  sich  bereit,  Akt^n  zur  Schoigeschichte  von  Binden«  aus  der  Zeit 

von  ITiK)— ls4f)  /.u  li«'t»'rn. 

Dergleichen  stellte  Vcoi'.  Eymer  Wenzel  aus  Budweis  eiue  Arbeit 
fil>er  den  Wiener  Bischof  Natisea»  der  als  Kanselredner  und  Schriftsteller 
auch  für  die  Jugendersiehong  und  namentlich  für  die  Heranbildung  der 
Theologen  erfolgreich  wiricte,  In  Aussicht 

Dagejren  hat  der  Vorstand  der  Anre^j^un^^,  die  Pater  Maurus  Kinter 
in  der  letzten  Generalversammlung  gegeben,  bei  den  hochwÜrdig»teii 
Geueralübten  des  Bencdiktiuerordeos  um  Unterstützung  der  Vereinsbe- 
etrebung  durch  Publikation  der  auf  Schule  und  Unterricht  beattglichen 
Konstitutionen  des  Ordens  anvosucben,  bisher  noch  nicht  Folge  geben 
können. 

Vielmehr  wandte  er  sieh  durch  den  um  die  Schulgeschichte  Oester- 
reichs wohlverdienten  I'rof.  1*.  Tassilo  I.  ebner  an  den  hochwOrdipon 
Prälaten  in  Krenismünster  mit  der  Bitte  um  geneigte  Auskunft,  auf  weiche 
Art  die  österreicliische  Gruppe  an  den  Benediktinerorden  herantreten 
könnte,  um  eine  Auegabe  der  Konstitutionen  und  Schulordnungen  dessel- 
ben zu  veranstalten,  aus  der  seine  hohen  Verdienste  um  Schule  und  Er- 
ziehung ersichtlich  waren.  Der  Herr  Prülat  empfahl  dem  V<>r.st;iiide, 
sich  mit  seinem  Anliegen  an  die  Aebte  der  einzelnen  btifter  zu  wenden. 

In  bezug  auf  die  Abfassang  einer  THbIfograpbie,  an  der  der  Vorstand 
als  einer  wichtigen  Aufgabe  den  Vereines  lesthlül,  konnten  bis  jetzt  die 
Arbeiten  noch  nicht  in  systematischer  Weise  in  Angriff  genommen 
werden. 

Doch  erOflhete  Herr  Prof.  H.  F.  Wagner  von  der  II.  Staatsreal- 
schule im  II.  Bezirke  dem  Vorstande,  duss  er  als  ProA'ssor  an  der  Lehrep- 

b!ldun^'-t*?»nstalt  in  Salzburg  nnd  I.inz  das  Material  zu  einer  Schulbiblio- 
graphie von  Salzburg  und  Obero.'^türreich  bis  zum  Jahre  ISTü  fast  voll- 
ständig besitze,  und  von  der  Schul bibliographie  der  übrigen  Alpculander^ 
namwitliclL  Tirols  und  der  Steiermark,  auch  manches  gesammelt  habe. 
Allerdings  könnte  er  nn  «Mnc  Ordnung  und  Sichtung  erst  dann  schreiteUf. 
urenn  er  vom  holien  Ministerium  t  iiii'U  T'rluub  erhielte,  da  er  an  Neur- 
asthenie leidend  sciion  mit  EriVdlun^'  .Heiner  Lehrpflicht  mehr,  als  es 
seiner  Geisuiidheit  /,utragUi:]i  is-t,  in  Anspruch  genommen  sei. 

Die  Bibliographie  über  die  Bücher,  Aufsatze  nnd  Vpr^rdnun^en  des 
gesamten  Erziehung»-  und  Unterricbtswesena  in  den  Landen  deutscher 
Zunge,  welche  gegenwärtig  erscheinen,  publiciert  im  Auftrage  der  Gesell* 
Schaft  f(ir  di'uts  lie  Erziehung  und  Schulgeschichte  in  Berlin  Dr.  Karl 
Kehrb»ch.    Hievon  sind  bis  jetzt  neun  Hefte  erschienen.  Der  Preis  ist 


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Mltteilungea  über  d.  Grupp.  d.  Goaellsch.    1.  Gruppe  Oesterreich.  199 


per  Jahr  auf  20  Mark  featgeiatit.*)  Bs  wflre  lu  wOiwcliaii,  daaa  diaies 
verdieDStvollo  Unternehmen  In  Oeateireich  mehr  Forderung  ftnde,  ala  dies 

bisher  der  Fall  war,  u.  zvf.  sowohl  durch  Bestellung  der  wertvollen  Publi- 
kation, als  auch  diirch  Mittrilimir  des  Titol;^  und  InhaltPH  ']<^r  p'w/'A- 
noa  Anfs?»t7.e  seitens  der  iistorreichi-schpii  Srhrirtstcller  und  Zeitjjchnt'teu. 

Wie  im  Vorjahre  kann  der  Vorstand  auch  in  diesem  Jahre  berichten, 
dass  er  Abhandiungon  und  Werke  Ober  schulgeschichtUche  Fragen  von 
«inaehien  Herren  und  von  Korporationen  gespoidet  erhielt,  welche  den 
Grundstock  zu  einor  auf  das  Bchul»  ttttd  Braiebnn gewesen  sich 

besieheiid  cn  Bihliiithek  hiMon  -oHon. 

Neböt  den  in  diospm  BtTicliro  schüii  erwähnten  Geschonkon  ist  zu- 
nächst hervorzuheben  der  iu  eiuer  l'rachtuusgabe  reproduzierte  „Actus 
publicus  oder  öiTentlidie  Uebnngen  ans  der  militärischen  Wissenschaft, 
welche  den  80.  September  1789  am  Vorabende  des  Geburtstages  Sr.  k. 
und  k.  Majestät  Kaiser  Karl  VT.  von  dem  Iiif^^enieur  Scholaren  des  Chaos'- 
öchen  Stiftes  gehalten  wurden".  liui  erhielt  in  drei  Exemplaren  der 
Verein  durch  Vermittlung  des  Herrn  k.  und  k.  Öektionsrates  Dr.  Karl 
Schrauf  von  dem  Direktor  der  teeknisch«!  Militärakademie  Herrn  General- 
major Adolf  Schneider. 

P.  Tassilo  Lehner,  Professer  am  Gymnasium  in  Kremsmünster, 
tlbennittelte  durch  den  Obmann  des  Vorstandes  seine  fOr  Oesterreichs 
Schulgesrhichte  höch.st  beachtenswerten  Abhandlungen:  „P-  Simon  itetten- 
bacher's  Stellung  zum  Griechischen"  und  „P.  Simon  Rettsnbaelier's  plda- 
gogisch'didaktlsche  Grundsätze**  In  den  Programmen  des  GymnasimBS 
von  Kremsmünster  au»  den  Jahren  1894  und  1895  imd  die  mit  Unter- 
stützung der  Leo-Ge?ienöcluift  veröfTentrulite  Ansfrahe  von  „Rettenbacher' s 
lateini.sclieii  lyrifchi-n  Gedichten"  (Wien  isHö»,  denen  eine  Biograpltie  des 
Dichters  und  Schulniunuca  beigegeben  ist.  In  diesen  Arbeiten  wtlrdigte 
der  Herausgeber  die  Verdienste  dieses  Mannes,  der  an  den  bedeutendsten 
Schnlmftnnem  des  XVII.  Jahrhunderts  gehört»  und  dessen  lateinische  Dich« 
tiingen  jetzt  in  den  Klostersrhnlen  zu  Maredsou^'  in  Belgien  Und  Diflsentis 
in  der  Schweiz  neben  denen  Horazens  gelesen  werden. 

Das  Mitglied  der  österreichischen  Gruppe,  üniverwitatsprofessur  Dr. 
Georg  LOaehe,  spendete  das  1.  und  2.  Heft  des  Jahrbacbes  der  Gesell- 
schaft fttr  die  Oeschiidite  des  Protestantismns  in  Oesterreich  (XVm.  Jahrg.), 
in  welchem  er  eine  Abhandlung  hZu  Melanchthons  vierter  S&eularfeier" 
veröflentlichto. 

Das  Mitglied  des  Vorstandes,  Gymnasialdirektor  Dr.  Jos.  Loos, 
schenkte  den  zur  25 j&hrigen  JubUfturosfeler  herausgegebenen  Jaliresbericht, 
worin  »die  ersten  25  Jahre  des  k.  Ic  Msximilian-Gjrmnasiums  in  Wien"  ge- 
sddidert  werden. 

Der  Pädagogische  Verein  in  Lemberg  (Towanry^fwo  pedafi-di^iczne) 
ptnd»"  Statuten,  den  letzten  Jahresbericht  und  ein  Verzeichnis  seiner 
i'ubiikatiunen. 

Indem  die  Zahl  der  Akten,  Hefte  und  BOcher,  wenn  ancli  in  be- 
adieidenem  Uaasee,  von  Jahr  an  Jahr  sich  stetig  mehrte,  geriet  der  Verein 


*)  Miti;lio<ler  ilor  Gosellsctiaft  bexldhon  d«n  JabTganff  m  «rmlHiIctem  Ifniae  (SB  pCL 
iUbatt  ausscbUo«sUch  des  rorto). 


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200    Mitteilang6ii  d.  Ges.  f.  deutsche  ErziehungB«  u.  Schulgesch.  VIT. 


in  grosse  Verlfg-ciiheit,  wo  er  diese  Objektp  aufbewahren  ^lollto.  Dicsf^m 
fühlbareu  Bedürfnisse  half  der  hochwflrdige  Herr  Kektor  P.  Michael 
Hersaii  ab,  indem  er  ein  Zimmer  im  PiariBtenldoater  mit  einem  Kastea 
der  Oeterreiehieehen  GeaeUsebaftognippe  eiaitumte,  wo  de  die  Akten  und 
Geschenke  aufbewahren  kann.  Der  Schriftführer  der  Gruppe»  P,  Dr. 
Pröll,  tibernahm  die  Aufsieht  übpr  dieses  ihr  Archiv. 

Gegenuber  der  vielseitigen  Hilfe,  die  dem  Vorstände  zuteil  wurde» 
fohlt  er  eich  verpfliehtet,  all  den  Herren,  welche  die  Bestrebungen  des 
Vereines  förderten,  und  epeziell  denen,  deren  Verdienste  im  vcnrliegenden 
Jahresberichte  namhaft  gemacht  sind,  den  wBrmsten  Dank  fOr  ihre  mate- 
riellen und  geistif^fMi  Untersttitztingen  anfztr^prechen.  An  diesen  Dank 
knUpft  fr  füp  Bitto,  das»  die  geehrten  Schulvorstände  aller  Schulkate- 
gorien angesichts  der  Ferien  die  Mitglieder  ihrer  Lehrkörper  freundlichst 
anffordeni  mOgen,  in  jenen  Orten,  wo  sie  die  Ferienxelt  anbringen,  die 
Gemeinde*,  Pfarr-  nnd  Seholarchive  durduafonehen,  um  Quellen  fOr 
die  heimische  Scliul  und  Erziehungsgeschichtc  aufzufinden. 

Zum  Schlüsse  glaubt  der  Vorstand  mit  BefriedigunL'^  darauf  hin- 
weisen zu  können,  dass  das  dritte  Jahr  einen  sichtbaren  Fort> 
sehritt  in  der  Bntwiefclnng  der  fisterreichieehen  Gruppe  der 
Gesellechaft  fllr  deutsehe  Brsiehnnge-  und  Sehulgescbiehto 
bekimdet,  und  er  schöpft  dw^us  die  Hoflfhung;,  dass  sie  auch  in  Zukunft 
wachsen  und  prcrleihen  und  in  erfoltTreich"!-  'l'h!Uig:kpit  sirh  entfalten 
werde  zur  Ehre  unseres  heiniatliohen  Stliulwesens  und  zum  Ruhme  unseres 
Vaterlandes  und  seiner  bildiuigslreundlichen  Herrscher. 

Es  fulgeii  öüduim  S.  18 — 24  der  Reclienschaftsbeiirht  und. 
diiij  Mitglieder- Verzeichiiis.    Den  Srhluss  bilden  drei  Beilagen: 

1)  Schulkataster  von  Gmunden  (begründet  durch  Bezirkshauptmann 
Baron  Alehelbuig^Labla  1891.) 

IM  Ein  Circular  „wegen  Beförderung  des  Sclnihvesens",  das  am 
10.  April  1811  von  dem  K.  K.  Kreisamt  Klagenfiirt  erlassen  wurde.  Es 
ist  unterzeichnet:  v.  Fradeneck,  v.  Spiegelfeld,  von  W  olf. 

8)  Aus  dem  Berichte  des  SchuUeitere  Alexander  Berg  er  in  Drei- 
faltigkeit auf  dem  Sonntagsberge  (Kärnten). 


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18.  U6ber  die  aiteeten  VorleaiuigsTeneichiiiaM  etc. 


201 


IS. 

t 

IJebor  die  iiltost^n  Voiiesuiigsverzeichiiisse  derphilo- 
sophittclicu  i'akulüit  an  der  Leipziger  Universität. 

Von  Dr.  Branio  Btülwl,  Oberbibliotliikar  an  der  KOnigL  Oflieatl.  Bibliothek 

in  Dresden. 

Von  dem  Reichtum  der  wissenschaftlichen  DLsziplinen,  von  den 
zahlreichen  Fächern,  in  welche  die  einzelüen  Wissensdiaften  zer- 
fallen, von  der  Ausdehnung  bezw.  Entwicldung,  welche  dieselben 
in  neuerer  Zeit  erfa  lue  II  haben,  bekunnnen  wir  eine  ungefähre  Vor- 
atelliing,  wenn  wir  die  j&hrlioh  zweimal  erscheinenden  Verzeich- 
nisse der  Vorlesungen  an  unseren  höheren  deutschen  Lehranstalten, 
vor  allem  an  tinseren  Universitäten,  einer  Durchsicht  unterwerfen, 
und  es  wäre  sicherlich  ein  verdienstliches  Unternehmen,  auf  Grund 
dieser  Vorlesungsverzoichniöse  von  Zrit  zu  Zoit  eine  vergleichende 
Zusammenstellung  d^r  wisseiis( hat i liehen  Disziplinen  zu  veran- 
stalten'), ans  der  wir  daiiii  ersehen  könnten,  was  geirenwiiriig  an 
unseren  (ieutschen  Hocliselmli'n  «gelehrt  wird.  Nirgends  mehr  als 
liierl)ei  würden  wir  «'inen  Einblick  gewinnen  in  die  unerinessliehen 
Furfsrlniile,  welclic  dir  ^leiftii^e  Entwicklung;  der  "Menschheit  im 
VeiglL'ii  li  mit  der  \'eiL:aii^eiiheit  u'tMiiaeht  hat.  iiiui  wenn  uns  lieut- 
zutage  die  Erkenntnis  dirser  Fortschritte  aus-serordciitlirli  erleichtert 
ist  und  imuiii'  mehr  erlfichtert  wird,  so  ist  es  dagegt^u  schwer, 
ein  klares  l^ild  beisnieif>weise  von  der  Ptlege  der  Wissensciiatten 
im  15.  und  IG.  Jahrhundert  au  den  damals  bo.stehonden  Universitäten, 
von  der  Thätigkeit,  welche  die  Leiirer  derdt  Hten  entfalteten,  aus 
dem  uügeheuereji.  zum  grossen  Teil  aber  auch  unverarbeiteten 
Materiale  über  die  Geschichte  der  Universitäten  zu  erhalten. 

')  Fdrdio  Vni  l'-siiTipT>n  nbf-r  deutsche  ErzioluiDtTH-  und  SoludgOrfcliichto 
an  deutscIi'Mi  riii\ ci^itau'n  i.-t  dan  hekamitlieh  von  F.  A8chers()n  in  den 
.MittoiliitJgeir  dieser  Ücscdlschatt,  .itihrg.  I,  1891,  S.  Iü2;  lü,  Ibüa,  S.  127, 
IV,  1894,  S.  284;  V,         S.  69,  vnternommeu  worden. 


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202     Miiteilungen  d.  (iea.  £.  deutsche  Erziehuugs-  u.  Bchulgeacli.  YIL 


Allerdings  ist  in  neuerer  Zeit  viel  iuv  die  Ifebunsr  uiul  \vis,sen- 
schullliche  Verwertun}^  dieses  Mjit^'rialcs  ;:;e.-rlH'lirii  und  durcii  eine 
j^anze  Anzahl  trefflicher  l'iildikalioneü  aiml  unsviv  Kenntnisse  über 
das  frilhere  rnterrichuswi  sfii  erheblich  erweitert  worden,  iiiiiin  rliiii 
aber  bleibt  noch  8o  manches  zu  tliuii  UUri;^,  und  diese  und  jene 
Uuivei-sitat  harrt  mit  Scluneraen  iiotli  immer  auf  ihren  Öpezial- 
historiker.i) 

Für  die  Geschichte  einer  der  hedeatendsteii  deotachen  Um- 
versitaten,  nämlich  Lei|i/.i<;s.  besitzen  wir  nun  bereits  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  einige  ^grundlegende  Arbeiten,  die  wir  dem  im 
Jahre  1891  verstorbenen  Friedrich  Zamcke  verdanken.  Es  sind 
dies  vor  allem  „Die  urkundlichen  Quellen  zur  Geschichte  der  Uni- 
versit&t  Leipzig  in  den  eraten  150  JaJiren  ihres  Bestehens  (also  von 
1409~1555)^  Leipzig  1867,  und  ^Bie  StatutenbQcher  der  Uni- 
versitftt  aus  den  ersten  150  Jahren  ihres  Bestehens",  Leipzig  1861. 
Das  letztere  Werk  bietet  ein  Qberaus  reiclihaltiges  Material  für  die 
Verfaasungsgeschichte  der  Universität  dar,  aus  welchem  wir  auch 
Kenntnis  von  den  in  den  einzelnen  Fakultäten  traktierten  Lebrgegen- 
ständen  nehmen  können,  ja  wir  finden  darin  das  nachweislich  älteste 
systematisch  angelegte  Vorlesungsverzeichnis,  das  wir  von  der 
Leipziger  Universität  besitzen,  wiedergegeben.  Es  trägt  die  Uebeiv 
schnlt:  »Lehr-  und  Stundenplan  für  idle  Fakultäten,  basiert  auf 
Herzog  Georgs  Reformation.  Vom  Jahre  15^9"  (p.  34—42),  ediert 
auf  Grund  einer  von  Vogel  im  4.  Bande  seiner  handscliriftlichen 
Kollektar^een  verfertigten  sehr  mangelhaften  Abschrift  des  nicht 
mehr  ci'lüdtt  iit'n  Oi i,i:in;iles. 

Maunigfacli«'  im  Lnufe  der  Zeit  an  der  l'niversität  eingerissene 
üebelstände  und  Misshräurhe  hatten  Herzog  Georg  von  S.e  !!^^en 
(reg.  V.  1500 — 1539).  der  bekanntlich  ein  grosser  Freund  gelehrter 
Bildung  war  und  dem  das  Gedeihen  der  Universität  wahrhaft  am 
Herzen  lag,  bewogen,  im  Jahre  1&02  eine  Reformation  oder  lleor- 
«ranisation  in  allen  Faivultäten  vorzunehmen''^).  Au  diese  Reformation 
hatte  sich  dann  ein  ziemlich  lebhafter  und  kritischer  Gedank^'naiis- 
t<au8ch  zwischen  dem  Herzog  und  den  UuiverBitätsklueru  auge- 


')  Am  tier  Eiwjij^iing  licrau».  duas  eine  intensivere  Durchforschung 
der  Geschichte  der  UuiversiUlten  sich  immer  mehr  als  notwendig  erweist, 
wird  die  GeseUlBchaft  fttr  deutscbe  ErsiehunffB>  imd  Schulgeschichte  ihren 
bereits  bestehenden  Veronenthchun^'un  wahrscheinlich  demnächst  eine  neue 
liiniufOgen,  durch  die  diesoui  K  H    inisse  abgeiaolfen  werden  soll. 

5) 'Die  rlai.tiif  liezügliclie  l  rkunde,  dat.  Leipzig  s.  November  (dinstage 
nuch  Leonhurdi  coniessoris)  bei  Zarncke,  J.  c.  p.  27 — '46. 


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18.  lieber  die  ältesten  VorlösuugtJverÄC'ichuisde  etc. 


203 


knüpft,  bei  dem  unter  andern  auch  zu  wiederholten  Malen  die 
Spnicho  auf  die  Art  uud  Wei.se  der  in  Zukunft  zu  haltenden  \'or- 
lesun^en  gekommen  war.  Als  ein  Hauptühelstand  und  Besehwerde- 
grund hatten  sich  hierbei  die  höchst  ungenügenden  Besoldungs Ver- 
hältnisse der  Lehrer  herausgestellt,  welche  diese  geradezu  veran- 
lassten, durch  Nebenämter  ihren  Unterhalt  zu  verbessern.  Sehr 
schlimm  waren  namentUeli  «Ue  Lehrer  der  Artistea-  oder  philo- 
sophischen Fakultftt  daran.  Die  Reformation  Tom  Jahre  1502  hatte 
unter  andern  bestimmt»  dass  alle  Vorlesungen  in  dieser  Faioiltftt 
imiBonst,  wir  würden  jetst  sagen  publice,  gehalten  werden,  und  dass 
die  Lehrer  hierzu  von  den  Mitgliedern  In-  and  ausserhalb  der 
Fakult&t  ausgew&hlt  oder  ausgelost  werden  sollten,  doch  war  es 
den  Lehrern  auch  gestattet,  ausserordentlicher  Weise  Qeld  für  ihre 
Vorlesungen  zu  nehmen.  Jeder  Lehrer  las  nun  einen  Kursus  über 
die  Ihm  halbjiUirlioh  durch  Wahl  oder  durch  Los  zugefallene 
Miaterie,  nach  dessen  Beendigung  wiederum  eine  neue  Wahl  statt- 
fand. Diese  halbjährlich  wechselnden  Lektionen,  die  man  walzende 
LelEtionen  (leetiones  tomatiles)  nannte,  wurden  in  grössere  und 
Ideinere  (majores  und  minores)  oder  höhere  und  niedere  geschieden, 
ein  Unterschied,  der  mit  dem  ganzen  damaligen  Ctuirakter  der 
Universitäten  zusammenhing,  die  ja  gleichzeitig  die  Stelle  unserer 
heutigen  Gymnasien  vertraten,  zu  dem  höheren  Unterricht  erst  vor- 
bereiten mussten.  Abgeschafft  wurden  die  walzenden  Lektionen  im 
Jahre  1557,  als  sich  die  Besoldungsverhältnisse  durch  die  vorher 
eifolgten  ziemlich  reichlichen  Schenkungen  des  Herzogs  Moritz  an 
die  Universität  wesentlich  gebessert  hatten. 

Ein  gOnsttger  Umstand  war  es  nun,  dass  ein  Jahr  nach  £r- 
lass  der  Beformation  des  Herzogs  Georg  im  Jahre  1503  ein  Gönner 
der  Universität,  der  Kardinal  Melcliior  von  Meclcau,  Bischof  von 
Brixon,  ihr  zweihundert  rheinische  Goldgulden  zu  Gunsten  gewisser 
Lektionen  in  der  Artisten-  und  in  der  the(»l<t;;i>chen  Fakultät  testar 
mentarisch  bestimmte,  welche  Bestiimnung  indirekt  die  Veranlassung 
zu  einer  neuen  Studienordnung  wurde.  In  dem  Entwürfe  zu  der- 
selben, der  nach  dem  Tode  des  Kardinals  ^lekhior  am  3.  März 
1509  verfasst  woiden  ist*),  wird  verordnet,  dass,  weil  viele 
Leiitionen  infolge  geringer  Besfddung  von  den  Lehrern  nachlässig 
betrieben  würden,  statt  so  manclier  übei-flüssigen  Lektion  nur  wenige, 
aber  nützliche  mit  reichlicher  Besoldung  gehalten  werden  sollten, 

M  Ahi^cd ruckt  im  UrkuiidcnlMn  Ii  ih  r  Univeraitflt  Leipzig,  Cud.  diplum. 
Saxon.  il,  11,  ur.  27y,  p.  d"l~a74,  Leipz.  IbT'J. 

•« 


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204   Mittollungeo  d.  Oea.  t  deutsche  Eniehungs-  u.  Schtilgeech.  VII. 


WOZU  Jährlich  250  Quldea  von  der  Artisten-  und  der  theologischen 
Fakultät  mit  Zuhilfenahme  der  von  dem  Kardinal  Melchior  testa^ 
meotariBch  bestimmten  Summe  vorzustrecken  seien. 

Diese  in  deutscher  Sprache  konzipierte  Studienordnung  ist  nun 
als  der  VorlAufer  des  oben  erwähnten  lateinisch  verfassten  und  mit 
Motiven  versehenen  Lehr-  und  Stundenplanes  vom  Jahre  1510, 
allerdings  nur  soweit  sie  sieh  auf  die  philosophische  Fakultät  be- 
zieht, anzusehen.  Wir  wollen  hier  auch  nur  die  Lehrgegenstände, 
die  in  dieser  Fakultät,  welelie  man  ja  von  Haus  aus  als  die  wichtigste, 
als  das  Fundament  der  anderei)  I'ilviiltäten  /.u  betrachten  pflegte, 
ins  Äuge  fassen,  zuvor  aber  tlUc-htig  die  >tiiilien  streifen,  die  vor 
dem  Jahre  1519  in  Leipzig  betrieben  wurden'). 

Bekanntlich  hat  kein  ^chrit'tsteller  de»  kla^^sischen  Altertums 
einen  solchen  Kiutluss  uiif  den  geisti<;en  Entwicklungsgang;  des 
Mittelalters  ausgeübt  wie  Aristoteles.  Die  Bedeutung  dieses  grossen 
Lebirmeisters.  die  vornehmlich  in  der  Universalität  seines  Wissens 
beruht,  lernen  wir  erst  kennen  und  würdigen,  wenn  wir  uns  mit 
der  Geschichte  des  Unlerrichtswesens  an  den  l'nivei-sitilten  beschäf- 
tigen, eiiio  Bedeutung,  die  han}tt«inchlich  auch  noch  durch  die 
Autorität  und  llrrrsrbaft  seiner  Philosophie  wjfhrend  der  ]>!iKe/t'i( 
der  Schohistik  erhöht  wurde.  Wir  sfossen  daher  in  den  stdir  diirf- 
tigen  Stndieiiverordnungen  der  inittelalt€rliciien  ri>iversitaien.  die 
wesentlich  auf  der  Lehre  do-  >iel)en  freien  kunsif  liernhcn.  in 
ereter  Linie  immer  auf  die  Lulerweisuug  iu  deu  iichriftoa  des 
Aristoteles. 

So  wur<lc  iu  den  iiliealen  Staturen  der  Leipziger  Aniaicn- 
l'ukuilai  \uni  Jahre  HU9 — 1410  mit  Zusalzbetjrhlüshen  i)is  zum 
Jahre  1445  für  die  Krlaui^ung  des  untersten  akademischen  Grades, 
des  Bacealani e;ii>.  die  Keüuüiis  der  „Libri  jirioruni,  poste- 
riorum  (  an a  I  \  t  icu rum).  e  lenchui  um,  j«  h}  sicoruni.  d.  i.  de 
|»hysica  auM-uJtatione  oder  de  physicu  uudilu,  de  aninia,** 
und  für  die  Erlanj^un;;  des  höheren  Grades,  des  Magistcriunib,  die 
der  „Libri  topic<»runi,  de  caelo,  de  geueratione  et  corru- 
ptione,  libri  metheororum.  parva  naturalia.  d.  i.  de  sensu 
et  sensato.  de  sompuo  et  vigilla,  de  memoria  et  remini- 
scentia,  de  longitudine  et  brevitate  vitae  etc.,  femer  libri 

'i  V'Mi^^l.  Uber  (Ion  St.ind  «b'r  StiKÜnn  an  d>  i  L<  iji/,i:j<'r  Uijivorsitilt 
ini  Aüt.iii^  1'*,.  .Jahrhuiuiürts  «l'u'  AMunniUinfr  von  j  'cl ician  i  i»*s>i  liOii>Kig 
und  \V ill«Mibt'iy:  »Ein  Beitrag'  /.iir  8acii.>5i.si  li<  n  K'-Iunnahujisgeschichte" 
im  Nouen  Archiv  f.  d.  81lch!iijM;ho  üMehichro  etc.«  Bd.  10,  p.  41^-93. 
Dresden  I89ö. 


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Ib.  Uebor  die  ftiteateu  Vorlcsimgsvcr/.('ii  lmisöo  etc. 


205 


ethicoruiu,  iioliticonim,  yconoiniLonim  uud  mctaph vsika" 
verlangt.  Dazu  kniiipn  laut  der  dritirii  Sliitiitciircdakiidii  vnu 
1471  —  1490  für  das  Magisierium  noch  die  .libri  rheiuricorum ' 
hinzu. 

Nächst  Alislotole«,  dessen  erwähnte  Schriften  deu  Schülern  in 
schlechten  latrinfHchen  l'ebersetzunsion  vor«j;etragen  wurden,  koiiuut 
von  griochischcji  Autoren  in  dem  ersteu  Jahrhundert  des  Bestehens 
der  I^riji/.iger  Universität  nur  noch  uud  zwar  gleich  von  Anlang 
au  für  das  Magi.steiiiun  Euklid,  der  Mathematiker,  in  Betracht. 

Die  rönii.schen  Schriftsteller  liutltii  wir  zu  dieser  Zeil  nur 
dunii  Duuiit  und  Pi  isrian  vertreten.  Jener  ist  ziiiii  nrstenmale, 
und  zwjjr  in  der  küizt  ivu  Jkarhcitung  seiiKM-  lateiiiisrlicn  Gram- 
iiiHÜk,  als  Donatus  minor,  in  der  Studienordnung  der  jdiilo- 
sophischen  Fakultät  von  1436  —  1465  als  notwendig  für  das  Bacca- 
laureat,  dieser  als  Priscianus  hrevior  bereits  in  den  Statuten  vom 
Jahre  1410,  ebeufalls  als  notwendig  für  das  Baccalaureat.  erwähnt. 

Von  den  Schriftstellern  de»  Mittelalters  genoes  das  grOsste 
Ansehen  in  der  Schule  Petrus  Hispanus^)«  dessen  «tractatus* 
oder  „parva  loglcalia*',  d.  i.  System  der  Logik«  in  Leiiizig  für 
das  Baccalaureat  erforderlich  war.  Für  das  Magisterium  wurde  die 
Logil(  des  Wilhelm us  Hcntisberus  (Henbrus).  von  Autoren  des 
15.  Jahrhunderts  Öfters  auch  Mos  Tysberus  genannt  (gestorben  um 
das  Jahr  ISöO),  verlangt.  Sie  ist  zusammengefasst  in  der  Schrift 
yj)e  sensu  comi>osito  et  dtviso"  und  in  zwei  Bearbeitungen  des 
Gebietes  der  Sophismen^,  wurde  aber  dann,  weil  sie,  wie  es  in 
der  Reformation  vom  Jahre  heisst,  zu  wenig  fruchtbringend 
sei,  mit  der  Rhetorik  des  Aristoteles  vertauscht.  Wir  finden  femer 
bei  dem  Unterricht  in  der  Lojnk  schon  in  den  Statuten  der  philo- 
sophischen Fakultät  vom  Jahre  1410  die  «vetus  ars*  für  das 
Baccalaureat  angeführt,  womit  also  auf  die  Scheidung  des  Aristote- 
lischen  Systems  der  Logik  in  die  vetus  logica  oder  vetus  ars. 
zu  welcher  man  die  Categoriae  (Praedicainenta)  und  Peri 
HerinfMieias  (de  interpretatione)  und  in  <\\r  nova  logica, 
zu  welcher  man  die  libri  i»rioruni.  posteriorum  analyti- 
corum.  libri  topicorum  nebst  soph.  elenchorum  zählte,  hin« 
gedeutet  wird. 

^)  Bekanntlich  Pseudonym  fUr  Papst  Johann  XXI.,  der  aus  Lissabon 
gebürtig,  vorher  Kardinal  und  Bisehof  von  Prascati  war,  1276  zum  Papat 

erwählt  wurde,  aber  schmi  dt^n   1'".  Mai   1277  starb.    Siehe   Ober  ihn 
Praotl,  Geachichtt'  der  Logik  im  Abondlantle  Ul.  ü.  äSlT. 
3)  Siehe  Traiitl  1.  c  IV,  p.  öü-  'JH. 


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206    Mitteilunireii  d.  Oes.  f.  deutachA  BniehUDgs-  u.  Sehtügescb.  VIL 


Wichtige  UntomchiBgegenstftnde  bildeten  dann  noch  für  das 
Baccalaureat  die  ^sphaera  materiali8^  der  « Algerismae, 
Algaritbmus*,  d.  L  Anleitung  zur  Kenntnis  und  Anwendung  der 
arabischen  Ziffern,  sovie  Rechnung  mit  dem  dekadischen  Zahlen- 
system, und  ,Oomputus",  und  fQr  das  Magisterium  die  Musilc 
nach  der  Lehre  des  Johannes  de  Muris,  des  berühmtesten  MusUc- 
theoretücers  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts Oi  sodann 
„perspectiva  communis*,  die  «theorica  plane tarum*,  und 
die  «arismetrica  communis"^'  (!). 

Dieser  Studienicreis  an  der  philosophischen  Fainilt&t  der 
Leipziger  Untrermt&t  im  15.  Jahrhundert  wurde  nun  durch  den  im 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  erlaasenen  deutschen  bezw.  lateinischen 
Lehr-  und  Stundenplan  wesentlich  erweitert,  vor  allen  Dingen 
aber  den  modernen  Forderungen,  wie  sie  durch  den  sich  immer 
niachtiger  eotwiciteliideD  Humanismus  bedingt  wtirdcu,  sollt«  die 
Universität  nicht  anderen  neu  aufstrebenden  Univei'sitäten  zurück- 
stehen, mehr  augepasst.  Infolge  der  Gunst  Herzog  Georgs  kam  der 
HutnaniBmus  in  Leipzig  nunmehr  zu  einer  öffentlich  autorisierten 
Vertretung^. 

Die  ftu88ero  Anordnung  der  Lelir-  und  Stundenpläne  anbe- 
langend, 80  wurden  die  Studien  nicht  mehr  dem  Baccalaureat  und 
Magisterium  angemessen,  sondern,  wenigstens  was  d^n  deutschen 
Entwurf  betriflCt,  in  höhere  und  niedfTc  (siehe  oben)  eingeteilt,  oder 
.jTo  majoribus  et  minoribus"  bestiraiiit.  auch  wurden  genau  die 
Jahreszeiten  (Winter  und  Sommer)  und  Ti^^esstundeu  tlii'  die  eia- 
zeln<Mi  Disziplinrn  fVstt,'f»sf»tzt. 

I"nt<M-  den  urieihisclieu  Autoren  stfht  aucli  iiier  witider 
ArivStutelfs  au  der  Spitze,  nur  sollten  jetzt  an  dio  Srclle  dei-  nllon 
barliurischen  lateinischen  Uebei-setzungen  meiner  Schritten  uud  die 
seiner  Kommentatoren  durchweg  neue  imd  elegantere  den  Vor- 
lesungon  zu  (iniiKit'  gelegt  werden,  so  z.  B.  die  der  griechistii- 
italienischen  ilninanisten  Ressitrion.  Ai*gyropulus.  Augustinus  Niphus, 
liermolaus  üarljarus,  Theodorus  Gaza,  Ueorg  V'alia*). 

')  Schrieb:  6p«euliuii  musieae  in  7  Bttcheni.  Siehe  Ober  ihn  Rob. 
Hirschfeld,  Joh.  de  Muris  etc.,  Leipzig  1884. 

')  In  der  Studienordnung  vom  Jahre  1519  heiset  ea  paritmetica 

COtDrauni»." 

*)  Siehe  T^nilspii,  fleschichto  de»  golehrten  Unterricht«  etc.,  2.  Aufl., 
I,  p.  92—107,  Leipzig  Ihihh 

*)  Paulseu,  1.  c.  p.  1Ü5,  lü6  ^iebt  irrtümlich  L.  VaUa  als  Ueber- 
setzer  an. 


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Ib.  lieber  die  älteäteu  Vürleauugsverxeiclinittse  etc. 


207 


AusBer  den  sdinu  obeu  ei'vviUint<'n  Seliriftni  warrn  für  das 
Studium  dPK  Ari,st(»ttles  nur  noch  die  „ jirobleiualu'"  und  die 
„magna  müialia"  crloiderlich. 

Als  griechiöclu'  KoinracnUitoiea  des  Aristoteles  werden  auf- 
gefüiirt  Themistius  (2.  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.)  super 
posterionim,  phisicorum,  de  anima,  parva  naturalia  und  Porphyrius 
von  Tyrus  (3.  Jahrhundert  n.  Chr.)  Isagoge.  handelt  Uber  die 
Kategorioen  d«6  Aristoteles. 

Von  griechiseben  Autoren  kommeD  nur  noch  in  Betracht  der 
Peripatetiker  TheophrastUB  ausfiresos  (geb.  372,  gest.  287).  der 
Begründer  der  Pflansenkunde,  mit  seiner  Metaphysik  (pro  majoribus), 
Euklid  (pro  majoribus)  und  Theokrit  (pro  junioribus).  Qrtechische 
Grammatik  wurde  zusammen  mit  einem  Dicht  nfiher  bezeichneten 
griechischen  PoSten  fUr  die  Jüngeren  nach  dem  Buche  des  oben 
erwAhnton  Uumaniston  Theodorus  Gaza  (gest.  1478)  gelehrt. 

Die  Lateiner  waren  in  den  neuen  Lehr-  und  Stundenplftnen 
zuYOrderst  mit  Cicero  und  zwar  mit  dessen  officia,  particiones, 
de  oratore,  epistolae  ad  Brutum  et  Quintum  fratrem,  ad 
Herenninm,  de  senectute,  de  amicitia  Tertreten.  Femer  soll 
pro  major.  Plinius,  der  als  ein  vortrefflicher  Autor  bezeichnet 
wird  und  fQr  den  ein  besooders  tüchtiger  Lehrer  auszuwfthlen  ist, 
gelehrt  werden,  weiter  Quinctilian  und  Priscian  und  schliessUcb 
von  den  Dichtem  Terenz.  Ovid  (Fasti)  und  Virgil  (Aoneide). 

Von  den  Autoren  des  Mittelalters  sind  liehufs  Erldftrung  ihrer 
Scliriften  in  'Ion  neuen  Lehrplänen  aufgenommen  worden: 
A V 0 r r 0 e s  (Abu  1  - Walid- Moluimmed - i hn - Achmed-i bn-Uosth d .  gest . 
1198).  der  berühmte  Kommentator  des  Aristoteles  mit  der  »Schrift 
.de  Bubstautia  (natura)  orbis-,  GilbertUB  l'orretanus. 
BiscJiof  von  Poitiers  (lehrte  von  1136  an  in  Paris,  <;f>>t  1154)  mit 
seinen  «sex  prlncipia',  ül>er  welche  Prantl  (1.  c.  II,  p.  223) 
das  nicht  sehr  schmeichelhafte  Urteil  frdlt:  .Ein  klägliches  Mach- 
werk, welphes  wahrscheinlich  nur  ilurch  die  Borniertheit  des 
AlbtMliis  Mai^iiiis  zu  Ansehen  iiinl  Geltung  kommen  konnte",  das 
aber  i lui/dfiii  in  fast  sämtliche  älteste  lateinische  Uebei-setzungen 
des  Aristoleles  liber^r^ijanf^on  ii^t  Sndnnn  Thomas  von  Aquino. 
der  einflus-si-fj«  »Icr  Srlmhistiker  (!:•'•».  1224.  irf>st.  1274)  mit 
den  IxMilt'ii  SclihlU'U  ^di'  mfe  et  t'.-s<ii  t  ia "  und  .de  para- 
logi.^ nionini  argutiis"",  lern<'r  Juhauiies  de  Sacinbus«  «>  ans 
Halifax  in  Vorkshire  (gest.  1256?  in  Paris),  der  mit  seiner 
^Sphacra"  die  Astronomie  in  gleicher  Weise  vertiitt  wie  Kuklid 
mit  seinen  Werken  die  Mathematik.   Als  neuere  (jlrammaiiker  er- 


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308    Mitteilungon  d.  Ges.  f.  deuteehe  Bndehnng»-  u.  SchnIgMCh.  VIL 


scheinen  noch  Pirothus  Sipontinus,  d.  i.  Nicolaus  Perotto  oder 
Perot  aas  Saasoferrator  ErzÜschof  von  Siponto  oder  Hanfredonia 
im  NeapolitaniseheD  (gest.  1480),  dessen  nRudimenta  gramma- 
ticjes  Latinae*,  oder  Manutius  Aldus  (der  altere,  gest.  1515). 
dessen  »Institutiones  grammaticae  Graecae"  gelebrt  werden 
sollten.  Endlich  erscheint  auch  in  den  neuen  Plünen  Petrus 
Hispanus  mit  seinen  »Septem  tractatus**  wieder. 

An  den  in  deutscher  Sprache  verltosten  Entwurf  des  auf  der 
Reformation  der  Leipziger  Universität  vom  Jahre  1502  beruhenden 
Lehr-  und  Stundenplanes  fUr  die  Artisten-  oder  philosophische 
Fakultüt  schliesst  sieh  nun  im  Urlcundenbuch  der  Universität 
Leipzig  (1.  c.  nr.  280,  p.  874 — 75)  weiter  ein  lateinisch  konzipiertes 
undatiertes  Verzeichnis  der  von  den  Dozenten  derselben  Faicultftt 
.sub  stipendio  cardinalis  atque  faeultatis  artium'  (s.  oben)  zu  hal« 
tenden  Vorlesungen.  Neu  ist  hierbei  der  Unterricht  in  der  (latei- 
nischen) Qrammatil;  des  Diomedes  (lebte  in  der  zweiten  Ilülfte 
des  4.  Jahrhunderts)  und  der  in  der  I.ektUre  der  Briefe  des  jün- 
geren Vilnius.  Auch  wird  hier  die  Scheidung  der  Aristotelischen 
Logik  in  die  „vetus  ars"  oder  .vetus  logica*  und  in  die 
^nova  logica"  (s.  olien)  scharf  betont.  Uei)er  die  ars  vetus 
schrieb  Antonius  Andreas  (gest.  1320)  ,Scri|)t{i  seu  expositiones 
super  artem  veterem  et  super  Boetiuni  de  divisionihus."' 

Unter  don  T.ehrern,  die  das  Los  oder  die  Wahl  lür  die  ein- 
zelnen Disziitliiieu  (es  waren  darunter  Theolog;rn,  Juristen,  auch 
ein  Mcdi/iiioi)  ^M  troflen  und  dcion  llesoldiins^  für  jede  Lektion  in 
diesem  lateinischen  Vem'ichiiis  ;iii^ei:cl)eii  wii  d,  ist  keiner,  der  sie!» 
als  Philosoph  oder  irriffhibcher  oder  iaU'iiiistlici'  Phili)lng  einen  be- 
sonderen Nnmon  «gemacht  hat.  Den  prs^teii  wiiklirhcii  Lehrer  der 
griechischen  Siirach'-.  Her  in  Lriji/J;;.  alh-idiiigs  nur  zwei  Jahre, 
\on  1515 — 1517,  ai.>u  iiugefalir  um  ditvscibe  Zeit,  aus  welcher  das 
Verzeichnis  stammt,  wirkte,  den  Ijigläiider  Richard  Crocus,  finden 
wir  nicht  mit  aufgeführt.  Durch  ihn.  ficr  sich  des  grössten  An- 
sehens als  Lehrer  erfreute,  sowie  durcli  seinen  Nachfolger  Petrus 
Mosellanus  (P.  Schade  zti  lirultig  a.  d.  Mosel,  gest.  1524).  gelangte 
das  Studium  des  Griechischen  in  Leijfzig  zu  hoher  Blüte,  und  war 
die»  auch  die  erste  Disziplin,  mit  welcher  die  i.fi[»/:iger  Universität 
sich  besonderen  Ruhm  erwarb 

')  Ueber  die  AnfiUigc  den  ixtiei  lii^'chf'n  Sdirliiim«  in  Lpipzi«?  und  ühor 
Crocus  vgl.  ü.  Bauch-Breslau:  L>ie  AiitluigP  des  Studiums  der  griechischen 
Sprache  imd  Litteratur  in  Norddeutschland.  ^Mitteilungen  Bd.  VI,  lbü6, 
8.  168  ff.) 


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19.  Christoph  Schelleoberg  de  viftitattonlbua  etc.  209 


19. 

Chrjjstoph  Sehellenberg 
de  Tlsitationlbus  seu  inspecüonibns  anniYersarllg 
seliolae  illiistris  Orimnnae  (1554—1575)  mit  den 
aiütlicheii  Berichten  der  Yisitatorcn. 

Heruuägegebeu  von  Prof.  Dr.  Paul  Meyer,  Oburlebrcr  an  der  Fürsten-  und 

Landessrhttte  Grimma. 

Dns  St  lirüiclion,  das  liieriiiil  der  Oeftentlithkeil  üborgeben 
wird,  isi  WHiirscheiiilich  in  den  Jahren  1574 — 76  niedergeschrieben, 
doch  nicht  mir  durch  sein  Alter  elirwürdis::  als  erster  Beitrag 
zur  Geschiclitf  iler  Fürsten-  und  Landebbchule  Grimma, 
zudem  btiuliend  auf  zuverlässigsten  Nachrichten,  verdient  es  beson- 
dere I^eachtnn^.  Der  Verfasser,  Christoph  Schellenberg  aus  Anua- 
berg  Uli  Erzgebirge,  entsiaiiiiutc  dürftigen  Verhältnissen,  aber  er 
war  ein  wackrer  und  gelehrter  Mann  und  errang  die  Freundschaft 
eines  Georg  Fabricius,  eines  Philipp  ^[elauchthou.  der  ihn  z.  B.  an 
seinem  Hochzeitstage  mit  einem  Briefe  und  einer  Festgabe  erfreute^). 
ScheUenberg  wirkte  in  den  Jahren  1557—76  als  Tertius  an  der 
Schule,  im  Jahre  1659  vermählte  er  sich  mit  Anna  Siber.  der 
Tochter  des  hochverdienten  ersten  Rektors  der  Anstalt.  Er  ent- 
schloss  sich  oiTenbar  erst  sp&t  zur  Abfassung  der  Visitationes, 
wohl  auf  eine  Anregung  Slbers  hin«  der  ilin  jedenfalls  forderte  und 
mit  wichtigen  Beitragen  versorgte^,  der  nach  Schellenbeigs  Tode 
auch  den  geeigneten  Fortsetzer  in  dem  begabten  Nachfolger  Schellen- 
bergs, Martin  Hayneccius,  gewann*). 

')  Abjjpdnukt  bei  Srhumacber  S.  H2  s;^  und  im  C  oqi.  Hof.  vol.  IX 
p.  918;  die  Anrede  lautet:  Intcgerrimo  viro,  eruditione  et  virtuto  prae.stauti 
Chr.  Sch.,  Amico  sno  S.  D. 

3)  Vgl.  S.  15. 

3)  Kr  war  ein  Scluili'i-  Sihcrs.  .^ii;^ustinor  1  "i'»»  — ri'.  Tortius  l.'j76— 
nachdem  er  weitnrliin  in  Aml)rr>r  nud  Braunsrhweig'  (jyinnasi«n  prfleitot 
hatto.  Ubertrug  ihm  die  iviirsiirlisische  i<egierving  läbb  das  Kekturut  des 
Moidanum,  das  er  22  Jahre  fest  und  weise  rerwaltete.  Er  starb  1611. 

MUtoiluoffea  d.  Oes.  L  doataotoo  Erstob.*  «.  Sclmigt  äobkbte.  vn  S  18B7.  14 


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210    llitCeOttiiKen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehimgii-  u.  Schulgesch.  VII. 


Dieser  fügte  eiue  EinleituDg  an;  es  finden  sich  auch  eiin>e 
ZuaAtse  und  Randnoten  von  seiner  Hand,  die  ich  nicht  m<  gge- 
lasBOD,  aber  ala  solche  bezeidwet  habe.  Seine  Feiteetzuog,  deren 
Drucklegung  ich  vorbereite»  ist  weit  ausführlicfaer  als  das  Sehriftchea 
Schellenbergs  uDd  verschafft  uns  das  anschaulichste  Bild  von  dem 
Leben  und  Treiben  in  der  Schule  und  von  den  Schwierigiceiten, 
die  dem  Relrtor  einer  FOrstenschule  sich  damals  entgegensteUten 

Der  Titel  der  Schrift  Schellenbergs  lautet:  de  visitutionibus 
seu  inspeetiontbns  anniveFSarüs  triam  scholarum  illustrimn  Grimanae, 
Misenensis.  Portensis;  er  verspricht  mehr,  als  der  Verfasser  hält. 
Denn  abgesehen  von  der  (erst  naebtrftglich)  vorangestellten  Dar- 
legung der  Visitatoren  des  Jahres  1554,  dem  denicwürdigen  Be- 
richt Melanchthons»  beschränlct  er  sieb  auf  Grimma,  wohl  mit  Recht, 
da  er  80  in  der  Lage  ist,  nur  völlig  Verbürgtes  niederzuschreiben. 
Die  ideine  Veränderung  des  Titels,  die  ich  vorgenommen  habe, 
soll  vor  Enttftuschuog  bewahren. 


Von  Werken,  die  »ir  BinfQhning  in  die  Immerhin  verwickelten 

Verhilltnisao  rlor  Ftlrstenpchulen  in  jpnor  Zoit  popignet  Bind  undmehr£nch 

von  mir  aiij<-ez(jgen  worden,  nf»nnp  U  li  t'ulf^eiido : 

K.  J.  Kösaler.  G^prhirhte  der  K.  S.  FUrsteu-  u.  Landesachule  ürimma. 

Leipzig,  Teubner  lü'ai. 
J.  A.  Httller,  Venach  einer  Geschichte  der  Fürsten-  und  Landochule  in 

UeiBsen.  2  Bde.  1787  u.  m9. 

Th.  Plathe,  St.  Afra.   Leipzig,  Tauchnitz  1879. 

Fr.  T'slm,  de  priBtina  UlustrU  Moldanl  diedpUnft.  Programm  der  Füraten- 

echulu  1800. 

Ch.  G.  Lorenz,  series  praeceptorum  111.  apud  Grünam  Moldani.  Programm 
der  FQratenachule  1849;  Bericht  Uber  die  tirOndung  und  Eröffnung 

der  L>andes9cbule  zu  Grimma.  Grirania  is:>n;  Grinimenscr  -  Album. 
Grimma  1850;  die  Stadt  Grimma  hiaUirisch  beschrieben,  8  Bde., 

IS  5^—70. 

H.  A.  t^chuiimcher,  hititoria  vitae  Adanii  Siberi.   Grimae  171U. 

K.  Kirchner,  Biographie  Adam  Sibere.  Cbemnitat  May  1887. 

Samuel  Pufeodorf,  cannen  saeculare   (in      Meyer  Samuel  Pufendorf. 

Programm  der  Pnrstenachule  Grimma  1894,  S.  1.'»— 'JS). 

Uober  die  Visitatioii'  ii  inöbesoiidcif  find»  t  sich  alles  Nötige  bei 
Müller,  IS.  113—116,  Lon  riz.  Bmrhf,  S.  Flatlie.  S.  7'J  76,  Kössler, 
8.  ia8  -i;3ü.  Ich  füge  hi«r  nur  wenige  Sätze  an  über  die  AutUngo  dieaor 
Binrichtung.  Pforta  und  Meissen  wurden  sunftchst  vom  Regierungesitse 
au«  beaufeichtigt«  doch  sehen  1544  entsandte  man,  um  ehie  xuvoriBssigere 
Kontrolle  herbeteufütireu,  ala  ersten  Visitator  den  in  Meissen  lebenden  ver- 
dienten Pädagogen  Rivius  (vgl.  Visitatiunsbericht  1554,  Plathe  t^.  i'"-',  23; 
**)  Hübsch,  coUectanea  III,  p.  lu;  Portam  etiam  (Hivius)  a  principe 
ad  explorandum  prugressu»,  quos  alumni  istius  loci  in  studüs  feetssent, 


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19.  Christoph  Schellenberg  de  vieitationibus  etc.  211 


Die  amtlichen  Berichte  der  Visitatoren  Uber  das  Mol- 
danum  aus  den  Jahren  1568—1575  ergänzen  nicht  nur  in  hOchst  will- 
kommener Weise  Schelienbeijgs  visitaliones.  sondern  orientieren  noch 
dardber  hinaus  in  zuverllks&iger  Weise  über  eine  Reihe  Ton  Ereig- 
nissen und  Ton  Zustünden,  die  in  derFlirstenschule  eintraten.  Ihre  recht- 
zeitige Veröffentlichung  war  mir  durch  die  Zuvorkommenheit  ermög- 
licht, mit  der  mir  der  Direktor  des  Königl.  Sftchs.  Haupt-Staatsarchivs, 
Herr  Geh.  Regierungsrat  Dr.  Hassel  die  Benutzung  der  Akten  er- 
leichterte. Ihm  sei  auch  hier  mein  auMchtigster  Dank  ausgesprochen. 

1.  De  visitationibus  «eu  inspectionibus  annlversariis 
trium  scUoiurum  illustriuui  Grimaiiae,  Miscncnsis,  PortensisI 
qaariim  omninm  prima  fnit  coepta  Anno  1554  Grimae,  et  ei 
visitatioDi  primae  iuterfuit  etiam  Philippus  Kelanchthon  et 
Camerarins  etc. 

In  qua  observatione  singnlorum  annorum  Visit atores 
nominatim  recenaiti  sunt:    interdum  et  alia   qnaedam  ad 

a.  C.  1Ö44  miaauB  est*).  Im  folgenden  Jalire  erteilte  der  kurf.  Rat  Georg 

V.  Komerstatlt  dem  Rektor  der  üniversitilt  Leipzig,  Leonhard  Badehoni,  den 
Atiftra«:?,  MoisHcn  zu  Ins^pizieron  (Fr.  Zarncke,  die  urkundlichen  Quellen  zur 
Go8chiehte  der  Uiüversitftt  Leipzig.  Abhiwdl.  der  K.  S.  Gcaelisch.  der 
Wisa.  8.  Band,  8.  S64— S6);  infolge  Bolnea  Berichte«  befahl  der  Herzog 
Morits  der  Leipsiger  Univerdt&t  die  Anfeicht  Uber  beide  Schulen  (Zarncke 
8.  545t  8.  660  ut  pnsthac  iUloe  et  Portensts  scholae  omncm  curam  univer- 
aitas  {j^ererct;  S.  (int; :  communibus  onmiuni  «uffraj^iis  nationum  visitatoroa 
srholfirnni  Hlfcti  sunt  IJoraerus,  CamorariuB  et  Mourerus).  und  in  der  That 
wurde  diuae  «eit  iö4(i  uuHgcübt.  *VgI.  Archiv  loc.  10  4üii  der  Univers,  tzu 
Leip»ickinBpectionCuravndorcbiungderchiirf.ScbidensaPfortenRl>elAnngend. 
Geatellot  im  Augustu  In  Jar  IbAO*.  Auch  für  Grimma  verordnete  man  von 
Anfang  der  Schulen  an  dieHelbo  Oberaufsichf  (*Arcliiv  Inc.  If)l()7  Schule 
tzv  tirym  lör>0,  Hl.  49:  es  soll  auch  .Jeriich  In  der  Silmloii  ein  ^^^mein 
t^xamen  gehalten  werden  Inn  beyseiu  zweier  oder  dreier  von  der  üniveraitet 
danni  verordent  personell*).  Im  Jahre  1564  beteiligte  sieh  Melanchthon 
an  der  Vuitntlon,  in  Grimma  nur  dioe  eine  *in  Pfortn  auch  1567,  und 
ein  Kcnkript  vom  18.  März  IhOO  ordnet  an,  die  Visitation  aolle  jnhrllch 
auch  ohuo  besonderen  Befehl  statttinden  mit  doir  Herren  von  Adel  und 
Melanchthon,  falla  dieser  nicht  verhindert  «ei*  Y)ji;l.  Flathe  S.  47L 
Im  Jahre  1558  erschien  '*auf  Grund  oiner  churf.  Verordnung  vom  12.  Julil6ö8 
(Archiv, Copial278,  Bl.  160b  u.  151*;  vgl.  nochRCasler  8. 180)2uer8t  ein  adeliger 
Inqxdctor  neben  den  rrofoäsüren,  dem  vor  allem  die  AufHichf  (tber  den 
HansvorwaltiT  oblag  (wieder  löGO,  litÜ'A.  darauf  or-(  1,'»7I,  vgl.  die  Visitations- 
bfiiclitc  Jahro  !.",(;7.  ♦;'».  74,  7.">).  Seit  dem  Jahre  löfi.'»  endlich  kamen 
die  Leipziger  in  begleitung  von  Witteuberger  Profeöäoren  ^unier  diesen 
Stehend  Caspar  Peucer,  Melanchthons  Bidam  bis  157d;  nach  seinem  Bturxe 
llbertrug  man  die  Visitation  eine  Zeit  lang  meist  Theologen). 

Vt  Die  t>o/<'ii'tin<'ion  XusUtr.r  vi>nlatiko  Icb  dor  ArpuodUcbeB  Mlttctlung  doB  Herrn 
l*Uri>toiuchulob«rltibn)r  1*.  Fleinuilug  io  Fforta. 

14* 

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212  JUitteitungen  d.  Ges.  f.  deutoclie  Ersiehung»-  ti.  Schiilgcsch.  VII. 


scholaist  ictis,  ad  pracceptores,  ad  oeconoiiiuni  portinentiu 
attinguntur. 

Yisitatores  seu  luspectores  Graecis  sunt  i^ftpw  et  itAt:^  Homeras 
OdysB.  V»  pa«.  120: 

lupiter  ipsos  viciscatur  duprccabiliä,  qui  et  alios  homines  iaspicit  et  plectit, 
quicuuque  puccat. 

Di'  V isitatoruni  officio, 
loannes  Sturmitts  llfaro  2,  epistola  C,  in  Classids  epistolis  ipsius: 
Scbolarchae  a  priucipio  institati  iuuc  itiilii  adiunxernni  adintores,  qui  ab> 
sente  me  aut  occupato  Curias  omncs  obirent  aut  quos  ego  mihi  advocarem 
propter  doctrinam  et  virtulent  et  authoritatem  in  caussis  gravioribnB: 
Casparuin    Hedioneni  Doitorem  Tiieologum  et   Christianum  Horlinuiu 
Mathoniaticum.    Hos  Visitatorcs  et  nie  RiMtoriiii  iioininabaiit  roH- 
quannii  schtilaruin  vombulis      Ar  T^iMtoris    jnidiMii  noineii  iiiniis  mihi 
vidctur  inagnifioniH.  taint  tH  Koniiuiniiiin  sil,  jui  Kectorcs  doiiiino«!  srMiipcr 
oderiiiit.    Visitatoris  vciu  appdlatio  di<;nitati  inuju-ns  vcstri  vidctur  iidiuo 
responderc  iieque  satisfaccrc.  Auiicitiae  cnii»  taiactüi  tribuutur:  natu  amicos 
Tisitamns,  cum  animos  relaxare  volumus:  tarnen  magis  delectationis  et 
voluptatis,  quam  studij  et  sollicitudinis  est.  Assidui  enim  vestri  labores 
sunt,  et  severa  vcstra  est,  hoc  est  diltgens  et  gravis  cora  non  soluni  in 
adolescentibus  castigandis,  vcnmi  ctiaiii  in  iiioiieadis  Praereptoribus  et  in 
tantis  consiltjs  et  in  ofücijs  luaiidandis.  in  probaiidis  otiani  et  interrogandis 
atqtie  doccndi«,  quotics  erit  opus,  adolesceutibns.   Sod  quia  id  vorabnlnm 
t't  iu  nlijs  scholis,  quas  AcadtMiiias  vocant,  vsti  n  rc  }«tuiri  est  «»t  in  nostras 
aduiissuni,   retiiiore  übid  )»1n(*ct,    mm  qnod  as-iduo  \üs  iavist  rr  oimrtet 
tribus  omncs  rotidie,  tum  quod  voi-abulum  vi  stris  oftirijs  atquf  laburibus 
cotidianis  iam  aibi  virtatcm  et  gravitatem  atqur  authoritatem  vindicavit,  non 
minus  quam  in  Graecia  et  in  sacrJs  cRo^niv  appeHatio,  quorum  Iionorificum 
munus  fiiit.   Hi  tres  primi  fncrunt  ludi  nostri  Yisitatores  atque  Praefecti, 
Anno  38»  delecti  a  Scliolardiis  Jacobe  Sturmio  pretorio  viro,  et  Nicoiao  Cnipsio 
Consnlari  senatori,  et  Jacobo  Heiero  tredeeimviro  militari  etc.   Item:  Tu 
nunc  Leonarde  Herteti  Yisitatorem  agis  sucressor  et  gener  Seveni  etc. 
Item:  T?«?o  tamen,  vt  pergas  porrn  faiere  et  Mitrbacbio  Theologo  Doctori 
et  Courado  Dasjpodio  Visitntori,  coIIi  lm-  in  hoc  muncre  adesse  etc. 

Ex  it'jT'>y^'i';«n  pliiiipj,  i  Mel.  •») '). 
Amiu  nm  eilffteu  tag  Scptembris,  sind  vff  (jhurfUrst liehen  bo- 

felU  zu  Grimm  aukoimnen, 

Randnote*  S(hellenbpr<rs :  K^ro  hoc  ex  aut.  descripsi  anno  1574, 
cum  ipsum  afferret  Dortor  .lungenuau. 

')  Das  Original  betindnt  dich  jetzt  im  K,  S.  Haupt»taat?arehiv  in 
Dresdon.    Bund  Rolif^rionssacheii,    Amü  l.V»4,   :..V  .",s   betr..  loe. 
i^cheUenberga  Absehriit  erwies  sich  bei  der  Vergleichuug  als  zuverlässig 
(abgesehen  von  orthographischen  Kleinigkeiten). 


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19.  ChrUitoph  Schelleuberg  de  visitalionibuö  clc. 


218 


1.  Doctor  Alesius, 

2.  Doctor  Wolfgajigus  Meurer, 

3.  loachimus  Oomerariiis,  vnd 

4.  Philippus  MeluichthoD*), 

vnd  habon  alsbald  dem  vcr^'^dter,  vnd  Rectoii  der  CharfttrsUichen  schul 
ongezeiget,  das  sie  bfucloh  betten,  anzuhören  wie  es  stehe,  In  der  schul 
mit  der  vuterhaldung,  lehre,  Versorgung  der  jugeDt^  einigktfit  der  per- 
sonca  etc. 

Daranff  vns  an>  vulgenden  tag  den  12.  taf^  Sept» mbiis, 

Erstlich  der  vcTwalter '")  von  diesen  vier  Artikeln  berielit  gcthau, 

I.  Zum  ersten,  von  den  legeutcn,  das  durch  gottcs  gnade,  zwisschen 
Ihm  vnd  ihnen,  auch  zwisschen  den  Legenten  selbs,  gutte  Einigkeit  sey, 
auch  sehe  er,  das  sie  ihrer  arbeit  varten,  vnd  niclit  ihre  stunden  ver* 
scumeu. 

II.  Zum  andern,  hatt  er  angezeigt,  das  das  einkbommcn  der  schul 
sich  nicht  erstrecke  vif  die  verordnet  vnterhaltung,  darumb  er  in  die 
euipter  schuMi.:  i^f, 

III.  zum  dritten,  das  aueh  vhcr  die  verordnete  Zal  der  jungen  viel 
mehr  knaben  im  zuge&aut  werden,  daraus  auch  vuradt  vudt  schulden 
vülgen. 

IV.  zum  virdeo,  das  noch  kein  Chnrftirstlicbe  ftmdatio  dieser  schul 
geben  sey,  vnd  so  die  fnndatlo  soll  gestellet  werden,  were  es  gntt,  das 
gewisse  gfltter  ernand  wQrden,  als  das  Closter  Nimmitsch, 
denn  zur  Ilansshaltung  bedurft  man  Ecker,  wisen,  gerten,  pferd  eto  vnd 
sey  grosser  vnradt,  so  man  alles  tegltcb  kauffen  soll. 

Diaes  ist  des  Verwalters  anzeigung  gewesen. 

Darnach  haben  vrir  den  Rector,  vnd  die  andern  Legenten  gebort, 
die  auch  berii  ht  haben,  das  sie  gutteo  gefallen  am  verwaltber,  vnd  der 
Speisung  haben,  vnd  sey  zwischen  ihnen  gutte  Einigkeit. 

Darnach  haben  wir  die  ordunng  ihrer  lection  beseiien,  die  vns  wol 
^'t  f.dli  n.  hüben  emach  vor  vnd  nach  niittiuj  bey  vier  stundoii.  die 
knaben  in  der  schul  olfeutUch  Exuniinirt,  vnd  bcsuuder  die  grüsscrn  iu 
beiden  classibns. 

Nun  khoaea  die  knaben  nicht  alle  glei«  h  sein,  aber  deojQOch  ist 
dieses  Christliche  werk,  am  mehr  er  theil  woU  bowant.  vnd  shid  ettliche 
dio  latine  prosam,  vnd  verss  schreiben,  vnd  smd  grammatici,  Ettliche  sind 
auch  In  dialcctica  wol  gevbet. 

«)  Kandnoto  b'chellojibergs:  M  Wulfgangus  Fusiiis  etiani  hinc  fuit 
in  Coinitnttt  liftnun  Visitatoruni :  qni  nnllis  litteri>  jn  aoTni^si*?.  vt 
postea  «  inpt  r  tartiini,  subilo  advenrnint.  —  Urber  Fusiu«?,  bibt:rs  ^^  liv\i^  ^^  ^- 
vater,  i^t  einzui^i  !pu  R,  A.  Leiuj». ,  Mag.  Wolfgang  Fues,  Chenndtz  1^77. 

Note  8<  itclleubcrgs:  Nirko!  Petzseh.  —  Er  war  Hausverwalter 
1552—55.  Vgl.  SchumachüT,  Anliang;  Lorenz.  Stadt  Grimma,  S.  lUNS; 
Rössler  S.  56. 


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214     Mitteilungen  d.  Ges.  L  deutsche  Erziehung»-  u.  Schulgeach.  VIL 


Die  Jüngsten  haben  wir  im  Catechismo  gebort.  Aus  welcher  ant- 
wortt  wir  befanden  haben,  das  sie  in  der  selbigen  ersten  tnter- 
weisnag  in  Christlicher  lehr  recht  Tnd  ordentlich  vnterwisen  wordcni.  De 
Mnsicis  exercitüs  triam  illnstrinni  scholarum  infra  in  Portensi  Ti^tatione. 

Meissen. 

V£f  den  11.  tag  Septembiis,  äiad  die  vorgeniclten,  Ductur  Alesius, 
Doctor  Wolfgangus  Meurer.  Joaehimns  Gamerarius,  vnd  PhiUppus  In  der 
ChurflIrstUchen  Schul  zu  Meissen  ankhomen,  vnd  haben  am  volgeoden  Tag 
morgens  den  Verwalter  Johann  Rosbach,  vnd  denRector,  vnd  Legenten 
alle  angleich,  von  der  vnterhaltang,  lehr,  Versorgung  der  Jogent,  von  einig- 
keit  vnter  ihnen  etc.  angercdt. 

Doraulf  der  Verwalter  Johann  Rossbach  gesagt,  er  sey  wol  zufriden 
mit  den  legenten,  hahon  <iv  aber  man(?el  an  inie,  das  worrlcn  sie  anroigcn. 

DoraufF  vns  (Hl'  lou'eultiu  ernaeh  bericht,  was  sie  uiaiim  l  hubia,  vnd 
sind  ettliclie  Artikel,  die  wir  auch  darfQr  achten,  das  sie  zu  erhaltung  der 
Schul  nottig  sind. 

L  Zum  ersten,  Diweü  nach  des  Herren  Bivii  tod  kein  vilBeher  ver« 
ordnet  ist,  welchem  Die  verwalther  vnd  legenten  ihr  notdurilt  in  für^ 
fallenden  sachen  anamzeigen  hatten.  Item,  der  gegenwertig  sejr  bey  dem 
irrlirlien  Examen,  etc.  bedenckea  die  legenten,  das  man widerurab  iemand, 
als  vffseher  verordnen  woll. 

Dieses  achten  wir  auch  nöttig,  vnd  haben  bedacht,  das  diese  beydo, 
als  inspectores  zu  verordnen  sind,  der  Bürgermeister  Anesurg,  vnd 
Doctor  Chri^topliorus  Medicus. 

II.  /um  andern  wird  bcgcrt,  das  besser  vk  vs  geschehe  mit  kochen, 
vnd  mit  dem  gdmnk.  der  ingent  gesnndheit  zn  gutt,  da  von  wir  auch  den 
verwalther  aogeredt,  der  sich  darzn  erbotten  hatt 

III.  Zum  Dritten,  wie  es  mitt  den  krancken  zu  halten,  Nun  ist 
itzund  in  neuen  gebende,  ein  stuben  für  die  krancken  gebauet,  dahin  kann 
man  di>'  I^^a[lcken  verordnen,  vnd  sie  da  besonder  speyssen,  vnd  sie  nach 
rath  des  Mrilioi  versorgen.  Davon  soltr  andi  di  in  Verwalter  bevehl  ge- 
schehen, auch  was  in  die  apotekeii  zu  beziden  sryu  winlt. 

IUI.  Zum  NinUn,  das  kleidung  zu  rechter  zeit  geben  werde,  vnd  in 
Bonderheil  bedcncken  wir,  dsvs  man  den  legenten  so  viel  tuchs  gebe,  dus 
sie  zimbliche  rocke,  nicht  so  kurtz,  daraus  machen  kOnncu,  als  ncmblich 
idero  zehen  eleu,  vnd  von  zimblichem  tuch.  Ton  diesem  artikel  bedencken 
wir  aucli,  das  dieses  ernstlich  zu  befehlen  sey. 

T.  Zum  Iftnfilen,  vom  waschen,  vnd  das  zu  Reinigung  der  jflngsAen 
knal)  11  m:ii'  frau  ^'ohalteu  werde. 

VL  Zum  Sechsten,  die  gebende  zerfallen,  vnd  werden  bfleher  vnd 
anders  von  regen  bescbedigt  Daruuib  ist  notti»?  zu  befehlen,  wie  es  mit 
den  gcbeuden  zu  halden  sey.  Vnd  h;il)('ii  die  li  crenten  für  sich  in  der 
schul,  nur  ein  gemach,  das  zn  eng  ist.  vnd  reirin  t  dorcin.  Atirli  ist  mangel 
des  holt/s  /.um  i>ffen,  Item  der  Cantor  vbei"siagei  dariuu,  daruiub  ist  von 


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19.  Chrlatoph  Schellenberg  de  viäitationibua  ete.  215 


not<  ii,  Ttiehr  stuben  den  legenteD  zm  Tcrordneo,  vnd  sie  mit  lioltz  zu 

versorgen. 

VII.  Zum  Siob^nden,  wird  bedacht,  das  ein  wechter  gehalten  werde, 
der  alle  nacht  ainbtier  gehe,  vnd  incrck,  ob  etwa  feaer  vffgeheu  wollt. 
Denelbige  weehier  wen  aneli  der  torlilUter,  der  m  rechter  Zeit  seUiwen, 
vnd  vflBiachen  solte.  Tod  so  kein  torfattter  ist,  ist  not  den  legenten 
scUttssel  m  gelwn,  du  sie  moreens  in  der  kelt  meht  vor  dem  thor  htrren 
mflssen. 

Tin.  Znm  Achten»  wird  gebeten,  des  vnser  gnedigster  Herr«  den 
legenten,  die  ehlich  sind,  etttiche  heusslin  in  dt  r  Sta<It  i;ii(Mli(i;1ich  geben 
wolt,  die  xuvor  der  vicarien  gewesen  sind^),  damit  sie  mit  ihren  Idndleia 
wonang  haben  moclitcn,  vnd  nicht  mit  hausszins  beladen  würden. 

IX.  Zum  N«  iin(l>  n,  das  die  loiaben  erst  nach  sechs  Jaren  ans  dieser 
Schul  gt  lasst  ii  werden"). 

Diese  Articki  l  haben  wir  aiit  Ii  für  wichtig  goacht,  vnd  bitten  in  vnter« 
thenigkeith,  vnser  gnedigster  Herr,  wolle  hie  von  gnedige  befelch  thun. 

Nach  diesen  berirhten  haben  wir  die  jupent  examinirt,  vnd  sonderlich 
die  Neuen  Stipendiaten,  die  anfallen  m  Thiolo^ria  zu  stuiliren^),  vnd  wie- 
wol  die  selbigen  neuen  Stipendiaten  vn^'leich  sind,  sn  ist  doch  war,  das  wir 
ettliche  viel  drunter  gefunden  haln  n,  die  zu  Leipzigk  woi  stuüirt  hüben, 
vnd  haben  ein  gutten  Anfang  in  Theulogia.  Doch  haben  wir  für  nützlich 
bedacht,  das  dieselbigen  neuen  Stipendiaten  alle,  ein  lection  Georgii 
Fabricii  in  lingua  latina,  Item  die  Dialelctitcen  hören  soUen,  das  also  der 
gantze  Hauff  als  eine  schal  sey. 

Vnd  lese  der  theologicus  lector  ein  ledion  in  Theologia,  vnd  eine 
in  lingua  Graeca»  vnd  halte  Disputationes,  vnd  so  ehr  noch  einen  gesellen 
bekhoniet,  sollen  sie  sich  vereinigen,  welrher  grarrc  ndi  r  Ebraiic  lesen 
solle,  vnd  sollen  beide  ihrer  Audienten  sclirifTtou  fordeni  vnd  enicndiren. 

Item  sollen  beyde  die  I)isputnti(mes  helffen  halten,  Item  srdhn  auff 
der  Andienten  sitten  acht  haben,  si*'  ^^traffen  vnd  aclitung  darauff  haben, 
das  sie  nicht  nusslauffen,  oder  zu  naclit  aussbleiben. 

Soll  auch  dieses  an'jefan<rene  Werek  erhalten  ^veI•den,  ist  not,  dem 
gedachten  theologieo  lectori  fürderlicii  einen  ireselh'u  zu/uordneii.  liilten, 
das  unser  gnedigster  Herr,  hiriun  gmdigliih  wolle  bevelch  tliuu.  Vud 
haben  wir  bedacht,  das  dazu  Caspar  Cruciger  tüchtig  sey,  der  gelcrt^ 
sflchtig,  vnd  friedelich  ist 

Ynd  dieweH  vnbeqnem  ist»  das  plkrrampt  dnrcb  einen  legenten  zu 
bestellen,  denn  der  pastor  ofit  zum  knmcken  erfordert  wird»  ist  not  ein 

*)  Platbe,  6.  85. 
*)  Plathe,  8. 145. 

Die  der  Meissner  FürHU^nsehule  angeg^liederte  theolutriHche  Schule 
erhielt  sich  nur  hin  ina  uAchst«  Jahr.   YergL  Flathe,  S.  141. 


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216    lIDttoiliiiigttn  <L  Gm,  f.  deuticlie  Bnlehiuigs-  il  Sdhidgeach.  VIL 


gewisse  besondere  Person  zum  Pfarrampt  zu  verordnen,  vnd  wer  da  z« 
beruffen  Nicolaus  Picus'),  der  die  Oeconomiam  zur  Pforten  regieret  batt. 

Pfort 

Tff  den  23.  tag  Septembris  sindt  D.  Wolffgftngus  Menrer, 
Joachimus  ComeniriuB  Ynd  Philippus  in  der  churfÜntKcfaen  schal  zur 
Porten  ankdimiü  ii,  Ynd  biiben  den  volgenden  Tag  den  Verwalter  Nicolftum 
Picum  vnd  den  Rector  vnd  Legintcn  allczugleich  von  der  Vnterhaltang, 
lehre,  Versorgung  der  Jugent  vnd  Einigkeit  vuder  ihnen  angeredt. 

Darauf  vns  pn^tlidi  der  Vmvalt.-r  lierirlit.  das  gutte  Einigkeit  vnder 
inen  allen  soy.  hatt  dabey  angezeigt,  (l:is  iiiii  die  last  dor  gro««:pii  Haus- 
haldung  zu  schwer  sey.  Em  ach  haben  der  liectur  vnd  legenU  n  ange- 
zeigt, das  sie  mit  dem  Verwalter  vndt  mit  der  l'nterbaltung,  speis  vnd 
gctrenckh  wol  zufrieden  sind,  vnd  nachdem  der  Hector  neulich  erst 
aakhommen  gewesen,  haben  wir  die  Yerzeichnus  der  lecÜoD  besehen«  vndt 
gebessert.  Emach  haben  wir  die  Jugent  durch  aus  examinirt»  vndt  wie 
wol  nicht  möglich  ist,  das  sie  alle  gleich  ^adt,  so  haben  wir  doch  welche 
fanden,  die  in  Graromatica  vndt  lateinischer  [sprach]*/  wol  zugenommen 
haben. 

Musica.  Mit  dem  singen  in  der  kir(  Ik  ii  ttglidi  vndt  an  den 
festen,  ist  in  diesen  dreyen  scbulen  ein  riirlie  Ordnung  vnd  nützliche 
Vbung,  vnd  Zucht,  daran  wir  ein  gutt  gefalli  ii  in  habt  liahcn.  So  haben 
wir  vns  auch  von  der  Jugcndt  sitten  erkundet,  vnd  durch  gottes 
gnaden,  nicht  Enormia  vicia  gefonden.  So  ist  in  allen  schulen  begeret, 
das  jerlich  durch  tQchtige  Personen  die  schulen  einmal  visitirt  werdeai 
das  von  fllrfallenden  sachen  durch  dieselben  visitatores  neben  den  Personen 
die  zur  Vffsehung  der  schulen  verordtn-t  sindt,  vnsern  gnedigsten  Herrn 
bericlit  gescheh,  vndt  also  diese  christliche,  nützliche  schulen  zu  gottes 
ehm,  der  Jugent  zur  bessening  vnd  der  kirchcn  zu  gutte  erhalten  werden, 
besonder,  dieweil  öffentlich  ist,  das  in  vielen  landen  Pfnrkirchen 
vnd  schulen  gantz  ledig  stehen.  Vnd  ein  heidnische  Mindthcit  vnd  Rottes 
vcraeiitung  ciugefUrct  wirdt,  davon  wir  vvarhaftigen  bericht  thuen  khonnen, 
dieweil  wir  viä  fremhder  Personen,  die  aus  andern  landen  in  die  Vni' 
versiteten  khommen,  hören  mflssen,  in  welchen  grosse  blinlheit  ist. 

Derhalben  wir  erstlich  gott  mit  hertzlichen  seuftzcn 
bitten,  das  ehr  die  herschaft  dieser  fand  gnediglich  regieren  vnd  bewaren 
wollen,  vnd  wolle  diesen  Landen  selig  regiment  frid,  vnd  narung  geben, 
vnd  darian  Ihn  (ttr  vnd  fUr  ein  Ewige  kirehen  samlen,  vnd  dazu  schulen 


Mtlllor,  S.  802  30'».  In  Tforta  wnr  er  Pastor  und  hn  Nchonamt 
Schulverwiilter,  also  (Iber  die  Oekononiie  ge.H(itzt.  SareerinH  wies  ihn  naeh- 
drücklich  darauf  hin,  dui^s  diese  beiden  Aemtcr  8icb  nicht  mit  einander 
vertrügen;  niemand  kOnne  zwoen  Herren  dienen. 

\  Fehlt  im  Original. 


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19.  Christoph  Sehellenberg  de  viditutiuuibus  etc. 


217 


vnd  rechte  studia  erhalten.  Wir  bitten  auch  iu  Vntertheuigkeit 
Tnd  Tmb  gottes  willen  msern  gnedlgaten  Henn,  seine  Gh.  F.  6.  woUen 
diese  sclraleii  gott  m.  lob  gnedi^ch  erhalten. 

Upnae  1556 
X*  Janaarii'). 

Vttolgaagiw  lieurer,  D.  Joachim  CameradiM,  PhiUppua  lielanchthon. 

Ganterariiis  war  damit  wenig  i&Meden,  dass  der  Bericht  erst  so 
spftt  abging,  wie  ans  einem  Briefe  an  Georg  von  Koroerstadt  hervorgeht, 
der  am  selben  Orte  aufbewahrt  wird  (Narrationem  inspectioiiis  illustriss. 
Scholarum  Pliilippus  Mel.  .  .  .  tandem  absolvit.  Eam  studui  quam  primum 
ail  i'uam  Praestantiam  mitti,  ut  illustr.  Principi  ofFerretur).  Er  empfahl 
dein  kurfürstlichon  Rate,  mit  der  Visitation  weiterhin  die  Universität 
Leipzig  zu  betrauen  (velim  autem,  si  reuovari  inspecüonem  ordinariam 
Ifbeat,  Taa  praestantia  eonsideret,  nnmqnid  Academiae  Lipsicae  istam 
cnnftlonem  committi  opoiteat  et  rectiasimom  fatomm  sit,  cum  ei  antea 
illa  eara  ftierit  coromissa).  Vgl.  S.  .2. 

Anno  MDLV. 

fHayiii'ccius  orprünzt:  Diess  Jar  1555  hatt  in  seinem  Ausschreiben 
an  die  Lantsihuft  vntcr  aiiilroii  Piinctcn,  Churf.  Augustus,  anrli  einen  von 
Schulen  gesetzet,  darinnen  er  die  drcy  Fttrsten-Sehuleu  zu  erludtcu  guedigst 
zugesagt,  wie  sie  gestift  sein,  anch  darin  zugesaget,  so  In  denen  Mangel 

')  Dem  Bericht  war  folg-endor  Brief  an  den  KnrfQreten  beigegeben 
(zum  Teil  gedruckt  bei  Pahn,  Ö.  6,  A.  22): 

liottea  gnad  durch  aeiucn  Eingcboruen  bon  Jesum  Christum  vnacrn 
Heiland  vnd  warhaflUgen  HellTer,  vnd  Bin  neu,  ftidUch,  vnd  frolich  Jar 
auvor,  dorcblettchtigBter  hochgebomer«  gnedigater  ohurfürat  und  beer, 
E.  eh.  g.  senden  wir  in  vnterthonigkeit  die  verzeichnua  von  gehaltner 
Viaittttio  In  den  dreyen  schulen  zu  Meissen,  Porten  vnd  Grimm.  Nu  wissen 
wir,  das  E.  cf.  g.  als  ein  huchlobiicher  christlicher  churt'urst  selb  be- 
trachten, daa  erhaltuug  solcher  acbulen  Gott  gefellig,  der  ehristUchen 
Kirchen  nutsUch,  vnd  xu  sucht  der  Jugend  gants  notig  ist,  vnd  ist  eben 
dieses  werk,  davon  der  altmftchtig  Son  gottes  spricht,  la-^set  die  kleinen 
kindfein  zu  mir  khommen.  denn  solcher  ist  daa  himmelreirh.  Dieweil 
denn  nicht  niüglich  ist  zu  rechter  erkenntnus  vnd  anruffuni^'  Hottes  ulmo 
votcrweiaung  vnd  lehre  zu  kommen,  so  geschihet  in  diesen  »chulen 
gewiaalich  dieser  dinat,  das  dem  Herrn  Christo  die  jugent  ftirgetragen 
wirt.  die  eroach  in  kirchen  vnd  schulen  dienen  soll.  Dununbe  wollen 
E.  cf.  ^.  gncdiglich  vnrl  vntcrlicli  dioso  loMiciie  vnd  chriatlicho  fumia- 
tionea  erhalden,  «(»iMlei  lirli  (iicweii  in  vielen  landen  teutscher  Nation  die 
fichuleu  vugeacht  sind  vnd  nicht  erhalten  werden,  daraus  heidnische  blint* 
heit  vnd  grobe  barbarey  folget,  davon  wir  viel  berichten  kdnnen;  denn 
viel  aus  andern  landen  in  die  vniversititen  khomen,  die  in  xiemlichem 
alter  noch  nicht«  von  christlicher  lehr  wissen,  vnd  erat  in  dieaen  landen 
die  kinderlehr  vnd  cutechismnm  /.n  lernen  ant'ahen.  Nu  wissen  E.  cf.  g. 
die  gnedige  verheiüsuug  des  Herrn  Cliristi,  wer  dem  geringsten  vnter  den 

« 


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318    MitteUw^en  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  VH 


ftlirftelo,  nottOrftigc  Zulage  zu  than,  item  darin  befohlen,  Es  sollen  die  Yer- 
wfttter  solcher  schulen,  durch  die  dazu  verordneten  «nfteher»  Torwamt  Tnd 
angehalten  werden,  den  Knaben  ire  Nolturftt  au  schaffen  rai  keinen  Ifoi^l 
oder  gebruch  leiden  zu  lassen.  Auch  auf  der  Schulen  einkommen  gut 

achtung  zugeben,  das  nichts  davon  entwendet  werde  etc.  Item  das  vn- 
tQchtige  vnd  vngehorsame  knaben  sollen  den  Visitatoribus  vorgcstellet 
werden,  vnd  ihren  Eltern  zugeschrieben  werden,  das  sie  die  innerhalb 
11  tagen  abliohlen,  wo  das  nicht  geschieht,  soll  ihnen  wohuung  vnd  kost 
abgeschnitten  werden  ') 

Anno  MDLVI. 

(Hayn. :  IIoc  anno  iiuUi  advenerunt  visitatores.  Et  codeni  anno  drca 
Michaelis  factos  est  oecouomus  Ludi  illustris,  Blasius  Becksteiu^j,  antea 
civis  et  judex  Ordinarius  oppidi  Griroae;  olim  rero  a  scripturis  et  re 
familiari  nobilis  Johannis  a  Ponickau,  primai^  consiliarij  Electoris.  Bei 
diesem  Verwalter  hett  sich  aHerl^  Yerenderong  zugetragen,  de  quibns 
supra.  Neben  welchen  auch  folgende  stücke  aufkommen.  Als  erstlich, 
das,  da  von  Anfaiigk  der  Schulen,  alhier  die  Churf.  Schul  alle  Sontoge 
Hpnrirt,  ht>tt  er  mit  verwilligung  dt  s  licrtoris,  Siberi,  angeben,  das  auch 
die  in  der  Sl.adt,  einen  Sontasr  viiil)  dm  andron  sintren.  nd  oxerrendos 
pueros.  Vor  «l<»r  l'rauc  t  j»!  (»niin  Wt  ibrr  dt-r  Ciiurf.  Schul,  hett  er 
einen  Stul  in  der  Kirchen  im  Kloster  bauen  lassen,  Ist  geschehen  Aimo 
1559.  Als  von  anfangs  der  Schulen  brenchlich  wer,  das  keinem  prae- 
ceptori,  zu  jeder  Zeit  des  tages,  versaget  wflrde,  auch  wol  etliche  Kannen 
Bier»  nach  gelcgenheit  ehrlicher  Leute,  welche  die  Schul  besuchen  wolten, 
in  seiner  Stube  zu  hohlen,  Ist  bei  Becksteins  Zeitten  (qnae  invidia)  ge- 
nieinen umb  der  lehr  willen  Einen  trunk  wasser  gibot,  dor  wird  bnlohnung 
empi'ahen.  Auch  sind  viel  chriätlicher  herzen  in  dieaen  i^chulen,  jung  vnd 
alt,  die  fttr  B.  cf.  g.  vnd  für  das  Vaterland  ernstlich  beten;  dieser  seulTser 
vnd  gebet  ist  gewissUch  nicht  vafruchtbar. 

Darumb  bitten  wir  in  vnterthftnigkoit  vnd  vmb  Gottes  willen  E.  cf.  g. 
wollen  in  l)et!"ichttinjr  dor  hohen  notturft  vnd  det*  {^rossen  cliristürhon 
nutzen,  vnd  göttliches  willens,  vnd  der  gnodigen  gottliiheu  vcrlu'i.-^.^iung 
diese  lobliche  vnd  christliche  schulen  in  B.  cf.  g.  Uiudcii  giicdiglich 
erhalden«  vnd  von  vregen  dieser  gebrechen,  die  wir  hier  antseigen, 
gnediglich  bevelicii  thun.  Dagegen  bitton  wir  von  Hortzen  den  all- 
müchtigon  Son  gottcs  Jcsiim  Christiun.  dfc  yhm  irrwi.sslif  h  im  mensch- 
licheji  prosrhlochto  mno  cw'i'j;  kin  hi  n  durrlis  ('\ iui^^cliuiii  vnd  nicht  anders 
aanileL,  Er  wolle  E.  i  t.  g.  vnd  E.  cl.  g.  gcnialil  vnd  den  jungen  t'ursten 
gnediglich  in  langem  Leben  vnd  seliger  regierung  erhalden  vilen  Christen 
zu  gutem,  Amen. 

Datum  zu  Leiptzik.  d<M  ima  Januarii  io56. 

')  Müller,  S.  174  ff.,  I-Iatlio,  S.  44. 

^)  Er  ritemimte  au»  dem  Marktflecken  MitL<  i>iH  im  Obcrpinz^au  und 
war  Schulverwalter  in  den  Jahren  ImÜ—Ül.  S.  Lorenz,  Stadt  Grimma, 
S.  1124,  Itötjsler,  S.  üü. 


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19.  Christoph  Bchelienberg  de  Tisitationibus  etc.  219 


klaget  worden  Hatt  damals  Inspector  Oeconomiae,  vir  nobilis,  der  gelerte 
IJndcnau  befolilen.  Jedem  teglich  1  halbstübchfu  toliron  zu  lassen.  Saget 
Feckstein:  „Ja,  das  es  aber  in  der  Schul  getruiicken  werde."  »Ei,''  saget 
der  Nobttis.  „Ich  geba  meinem  Benter,  wo  ers  will  aiutrinkeo,  das  mögen 
sie  aadi  thim  in  iren  B&nseni,  Et  hoc  decemo  anctoritate  diplomalis 
Angntd'*:  qnod  ex  süm  depromit  Also  ist  der  Schlaltnindc  in  der 
praeceptonim  Hftaser  kommen^). 

Anno  MDLYIL 
Eo  anno  ego  G.  S,*)  die  Petri  Pauli  Grimam  Teni,  accersitns 
literis  Adami  Siberi;  postea  soceri  mei,  ad  scholasticam  fanctionem  in 
iUnstri  Inda  provinciali  Electoris  Saxonici  etc.'),  quo  anno  nnlti  ad  nos 
missi  annt  vieitatores. 

Anno  MDLVm. 

f?popot  Lipsienses  huc  vpneruut. 

1.  Joach.  Camerarius  Acadeniino  T/ipsiensis  Rei  tor. 

2.  M.  Michael  Barth,  civis  mt  us,  Decanus  Lips. 

3.  M.  Leonbardus  Licius,  luedicuü. 

4.  D.  Pailtts  Helbom  Theologna. 

5.  Diteriena  a  Storschedel  nobilis,  dominus  oppidi  IfTtsacheu. 

6.  M.  Woifgangna  Fosios. 

Anno  MDL IX. 
NnlU  adTenemnt  Max» 

Anno  MBLX. 

1.  Camerarius  Vicerector. 

2.  Soctor  Mevreras,  medicns. 

8.  Andreas  Freyhnbins  Doct.  Theologiae. 
4.  Inrisoonsaltns  N. 
f).  Ditrioh  a  StorscbedeL 
6.  M.  licias. 

Anno  MDLXL 

Anno  MDLXII. 
Adfnerant  visitatores  die  9.  Augusti. 

Anno  1563.   Yeneruot  die  30.  Jnlg. 

1.  M.  Caspanis  Tungorman  Rector  lipsiensis. 

2.  loachimas  Camerarius. 

')  Weiteres  Uber  den  Schlaftrunk  und  die  Biervorpflej^unj^  der  Lehrer 
und  Schdicr  in  des  Haynecclus  annal.  acholasL  zum  Jahre  i&9L  Vgi.  noch 
Röaeler,  S.  27,  2b. 

^}  Christophorus  Schellen berg. 

*)  Dasu  merkt  Haynecdua  an:  C.  B.  sttcceseit  Georgio  ProeBcheilo 
Bttcholdino  mortuo  anno  eodem  MDLVÜ.  D.  2.  ApriL:  eul  Monnmentum 

cBt  in  templo  collcgii  talo:  D.  S.  Georgio  Froechelio  Bucholdino  Uterae 
hic  doc.  vis  a.  XXXIV.  lukU  üb.  IV.  Non.  April.  UDLVU. 


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220    Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deutache  Erziehung^-  u.  Schulgeach.  VII. 


8.  Victorinus  Strigplius. 

4.  M.  Leuiiitardus  Licias. 

5.  H.  liUirentias  Rttlicbias  Theologus. 

6.  Henrich  ab  Einside],  ards  Goldieensis  Praefeetna. 

Anno  M  T)  LXIII. 
die  XXI.  Julij  J'fopot  vencruut 

1.  Victorinus  Strigdius  Rector  Lipsiensis. 

2.  M.  Vaientinus  Tliau  Muthcmaticus,  Decanus  Lips. 

3.  Morrhiis  doctor  iuris 
l.  M.  Michael  liurili  uiedicus. 

5.  Bf.  lacobni  Strasborgus. 

In  sui  aftiiiis  comitutu  Victorini  Strigelii  tone  erat  et  Daniel 
Schnepflna,  Erhardi  darissimi  Tbeologi  F. 

Anno  MDLXV. 
I)ic  2b.  Augusti,  Visitatores  adfuerunt  Lipsienaes 

1.  GenrLrins  Cosana  Kector,  Inrisconaulttta. 

2.  Caiia-rarius. 

3.  Marliims  von  Dierbach  1.  V.  Doctor. 

4.  Victorinus  ätrigelius. 

5.  M.  Lanrentiua  Rnlichina  Theologoa. 

Et  liinc  primum  Witebergenses, 

1.  (^asparus  Peucerus,  mcdicus,  Doctor. 

2.  M.  GAaparua  Cmciger  Theologus,  et  poiiU. 

Anno  MDLXVI. 
Tempore  postis  nuper  ortao  die  24.  Inlij  veiienint 

1.  M.  .  .  .  Mosbach  medicua,  Rector  Lipsiensis. 

2.  Catnorarius. 

3.  Victuriiius. 

4.  l'i'trus  Hrlhrun  dnrtor  thcologiac. 

5.  M.  Caäparuä  luiigcnnaii. 

Et  Witebergenses 

1.  Caspiinis  Bourcnis  doctor. 

2.  M.  (^asparus  Crucigcr. 

Hoc  anno  tiG.  dimissi  sunt  alumni  propter  pestem  usque  ad  17, 
Nimicium')  cum  niagistris  abducti:  ibi  snbstitcruut  tantum  dies  8.  donec 
dominica  9.  Trinitatis  ibidem  mortntts  est  Kicolans  Hndeisen,  Grimenais, 
sepohos  in  pago  Groasbothen.  Et  eodem  die  moituna  est  et  Job.  Costts; 
tum  Igitnr  omnea  discipnli  domum  misai  sunt*). 


•)  Niiubachen. 

*)  Vgl.  iScIiumacher«  S.  Idö,  Lorens,  Bericht,     a2,  Kösaier,  ä.  40. 


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19.  Uhriatopli  BcbtjUenborg  de  visitatiunibus  etc. 

 «  


221 


Anno  1567'). 
Die  4.  Augusti,  veiierunt  Visitatores 

1.  Caspams  Peucerus  I 

2.  M.  Christophonis  PeteUus  /  Witibergeiise». 

1.  M.  loan.  Craneras  Rector  Lips.,  Halbentadiensis 

a.  Doetor  Petrin  Helbom 

3.  M.  LaaientiQg  Rnlieh 

4.  M.  Antonius  Kleiiiigk  Decanus 

5.  M.  Balthasar  GuUenu  ffledicus 

Anno  1568  *). 
Die  6.  Jum,  Visttatores  apnd  nos  tantum  pransi  sant^ 


Lipsenses. 


Lipsionscs,  qui  statim  a 
praiidio  abicrc  rursus  Mi- 
sciiam  versus,  rcinanentc 
apud  iios  intcrca  ('aTncrario 
patrc  prupter  calciiluiu. 


1.  Joachimvs  Canierarias. 

2.  M.  Tieonliardus  Lycius  Rertor. 

3.  Doctor  Freyhubius,  Theologiis. 

4.  M.  Balthasar  Gutlerus,  niedii  u.s. 

5.  Ludovicus  Camerariu!>  Joacliiiui  F. 
Die  antem  10.  July  venenmt  Witebergenaes  duo: 

1.  Doctor  Peacems. 

2.  M.  Henriens  MoUeras  Hambargensia,  Theologas. 

Die  vero  XI.  Jnttj  et  Witebergenaes  et  Upsenies  visitatores  umnea 

Bitnul  Geringsvaldam  profecti  sunt  ad  inspiciendas  ibi  res  scholastiras 
et  Pracceptores  Flacianissiinos ,  M.  Hieronyinuni  IlaubDldum,  oius  Indi 
Rectorein,  cum  suo  Collega  Cantore  . .  Melhomo,  quonini  h\c  obstrictua 
est  statini  mandato  priiicipis:  illc  autem  aiitcquain  prehendi  possct 
(dcprendi  miscruin  est,  Horatius)')  profugit,  et  poslca  per  Flacianos 
amicos  commeudatus  est  Ratiübuneuäibus,  quoruiu  Ludimagister  fuit  per 
aliqnot  annos. 

Anno  HDLXIX. 
Die  XXVni.  Julij  Yisitatoros  ?eneront,  qaoa  perpetaos  kaArrvt 
triam  aeholarnm  illnstrium  fore  hinc  aiebant:  ij  erant: 


1.  Canierarius. 

2.  Doctor  Andreas  B'reylwbiaa. 

3.  M.  K!cini?k 

4.  M.  üaspanis  Inn^nM-nian. 

5.  M.  Baltliaüur  Gutlerus. 

1.  Doctor  Ca.spar  Peucerus.  \ 

3.  H.  Henrieus  BloUema 


Lipsienses. 


3.  11  Christophonis  Pelchins.  ' 


>  Witebergenses. 


b)  Hayn.:  Andreas  Weher  baute  die  Uaachkammer  vber  der  Küchen, 
da  smvor  nur  ein  verloren  Dach  war. 


Weber. 


*)  Hayn,  meilct  an:  obiit  oeconomus  Beckstein.  Ei  sueeeartt  Andreas 


>)  sat.  I,  2,  184. 


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222    Mitteilungen  d.  Ge&  L  deutsche  Erzieliungs-  u.  Scbulgesch.  VII, 

  «  


Eodem  tempore  huc  venit  Doctor  Petrus  Practorins  Snperintftndons 
Zoioensis,  et  syndicas  quidam  eius  oppidi  cnia  ipsu.  Ibi  inter  coeDaiidum 
orta  disputationc  de  re  sacranicntaria,  et  facta  mentionc  Catechcscos  Prac- 
toriaaae,  quam  olere  OalTinismiiiii  ob^debat  Praetorio  Ad.  Sibems,  com 
nitro  citroqne  verba  iadala  inflammassent  tineta  vino  corda,  Siberns 
apeite  (bSM  et  Gamerarias,  et  Peneeius  Gabitum  discesaerant)  dixit  hae 
Toce  nsvs:  Ihr  seit  ein  Sacramentirer*). 

Die  16. 0  et  ob  r.  anni  buias  nows  oeoonomns  Antonias  Ricbaenban*), 
buius  illustris  lodi  coetnm  pascere  coepit  1b  dies  erat  domiidca  XIX. 
post  Trinitatis. 

Anno  M.B.LXX. 
TIL  Augosti  Tenerant  ad  nos  i^op«  acholastiei: 
1.  Doctor  Peacenis  mediena. 

3.  Doctor  HoUeras  Theologns. 

8.  C.iiiierarius  pater. 

4.  Ludovicus  Camorarius  F.'). 

5.  Doctor  Freyhubin«  Theologus. 

6.  M.  Volentinus  Thaii,  inatheniaticas. 

7.  M.  Balthasarus  Gutler,  medicus. 

Uli  MiHCtia  ad  nos  i  t  dienint  XIII.  Augusti,  ac  pustridie  hora  XI.  Lipsiam 
sunt  revccti.  Ipsis  vulentibuti  et  iubcntibas,  quam  abireot  hinc  hora  Xll. 
uoätri  scholastici  reliquam  eius  dici  ludendo  transegeront. 

Tisitatio  Scbolae  Illustris  Grinino^   Anno  Christi  M.DIiXXI. 

Mense  Angasto«), 

Die  XIX.  M.  Angnsti  Yisitatores  primnm  Lipsenses  Tenenint: 

I.  M.  Casparos  Inrmortruin.  f^encr  D.  Camerar^,  Jorisconsvltos 

II.  Dort.  Andreas  Freihub,  Theologus  doctor. 
III.  Daltasar  Gutlerus  medicus  licentiatos. 
HD.  M.  lohannes  Albinus. 

Hi  poätridie  statin)  Miscnam  abvecti  sunt,  ad  nos  inde  revereuri 
cuQi  Witebpf^onsibus  visitatoribns. 

Die  XXIIII,  ijdem  Misena  rcdierunt  Comitati  Witebergeusibus  visita- 
toribns, qni  etant: 

V.  D.  Gaspams  Pencems  Medicns. 
TL  H.  Leramiger. 

")  Sohellenberg  bemerkt  am  Rand:  oeconomns  lodi  iam  erat  Ant» 

Richzenhaii. 

^)  Schclienbcr^:  D.  Camerarius  antea  plerumque  etiam  advenit. 
')  Selminacher,  B.  110. 

»)  Lorenz,  Stadt  Grimma,  S.  1124;  Rösnler,  S.  «8. 
*)  Seine  Unterschrift  fehlt  im  Viaitationsbericht. 


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19.  Chriäloph  SchcUeaberg  de  vlaitatiojiibus  etc. 


223 


VII.  Haubold  a  StarticiuMii  l  nuvus  visitator'i  hinc  accessit. 
Die  XXVT.  a  prandiu  oiiincs  hiiic-  ili'^t-essenint. 

In  Ea  Visitatione  primum  Praocoptorp«  anditi  sunt,  et  quidoin 
scorsiiii  siiiinili,  vt  et  anno  superiore  1570.  deinde  occunomus  suas  qua- 
relaiä  ad  illos  retulit. 

Visitatorcs  binc  admunueruiit  Pracccptorcs,  ut  horis  Icctioiiuiu  oh- 
Mrratifl  düigeiitiiu  et  malniinB  lectiones  adirent.  Item:  liguis  in  arca 
abstinereat  ete. 

NB.  Item  ad  tatelam  (^toris*),  adiponuenint,  ut  quisqne  collega 
eins,  cam  esBet  inspector,  Cantiombns  io  templo  adesset,  propter  paeros, 
nl  easent  ibi  modestlores  et  in  canendo  attentiores: 

Ego  binc  eram  hoc  responsurus,  ei  nominatim  co  nomine 
folBaem  compellatus: 

I.  Scirc  Cantorein,  Müs  habere  distiiutas  offirinrum  operas  et 
horas,  et  queiiique  certo  tempore  haben,  <{nni]  ruret,  ayatque.  Mann 
hora  7.  et  vesperi  bora  3.  tinita»  operas  meas  oesi^are,  incipere  Cantoris 
in  templo  caiieutis. 

lam  qnod  ipsc  pustulet,  ut  Ego  iiispector  pneros  singulos  cogam  in 
ninm  chomm  ad  cantandom:  idem  aase,  ac  si  ego  ab  eo  poscam,  nt  ipse 
Inspector  in  meas  lectiones  congreget  et  compellat  moos  aaditorea.  Sed 
rectina  eat,  ut  quiaqne  annm  onna  p ortet  et  sno  loco  ac  tempore 
laciat  officium  snnm. 

II.  Et  tarnen  aestate  simul  et  hycme  pracsertim  e  vaporarijs  e^of,-!; 
ego  expello  in  nu)1nm  pucros:  id  qnod  ipsi  puen  de  me  testiticari 
COguntur.    Idem  üinuliti  r  et  Rector  tacit. 

ni.  M.  Schieiütius')  e.\  otij  abiindantia,  sacpius  iiiterest  Cantan- 
tibus  in  templo  ächolasticis:  qui,  si  libcat,  etiam  pro  Cantorc  sit  ibidem 
Gaator  et  Inapector. 

IT.  Mihi  tempus  studigs  meis,  quod  alioqni  multum  desidero,  cnm 
sam  Inspector,  eriperetar  iato  modo,  ai  pueria  in  templo  adesae  cogerer. 


')  Hestellt  durch  Verordnung!;  vom  23.  .luni  1571:  „wie  wir  dan  auch 
vorortlont,  das  Euch  dioso  itzifron  vnnd  die  kfhiffti<?oM  Visitationen  in  jeder 
»chuelcn  einer  vom  Adel.  aU  in  der  schuei  Meisgen  Heinrich  von  I'etzachwity. 
au  Redem,  in  der  Schuel  Grim.  Hauboldt  vom  Starachedel  vflf  Mutsnchen, 
vnd  in  dor  Pforten  Ditterich , . .  au  Beaaerstedt  beiwonen  vnd  aich  ein  jeder 
vf  den  tagk  ao  Ihr  oder  vnaere  Verwalter  Ine  benennen  werdet,  zu  Euch 
verfugen  soll,  die  wollet  an  aoicher  Visitation  mitauziehen.**  8.  Visltatious- 
bericht  1569. 

Kantor  war  15öü~-i590  Johann  Kciimiaun.  öiobe  Schumacher,  B.?«]?.; 
Lorenz,  seriea,  S.  29. 

*)  Schumacher,  S.  71,  72,  der  auch  ein  bitteres  Bpi^^umm  Scliellen- 
berge  anf  Reinmaan  mitteilt;  Loreoz,  aeriea  8. 16.  Ueber  alle  Lelirer,  welche 
seit  1650  an  der  Schule  wirlcten,  ist  Oberdies  Pufendorft  Jubelgedicbt  ein- 
zusehen 8.  24,20. 

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224    Mittdfaii^ati  d.  Get.  t  deutoche  Endtlraiigi-  n.  Sehulgeaeh.  VII. 


y.  Quid,  quod  fiire  plins  poeii  absiiiit  a  templo,  Gantmre  ipso 
Ihspectore?  quem  minns  timent  pueri,  quam  alios  praeceptores. 

VI.  TereDdam  mihi  est.  vltiosam  illud  dülX«tpiMinaKOTnfy:  nam  memini 
aliqnaiido  me  paulo  cnriosiorem  esse  in  eantaado,  et  non  solnm  pneros 
ad  canradum  inDpellere  freqnenter,  sed  me  etiam  interdam  in  compositiooe 
harmonid  Carminis  exercere,  primis  annis  praesertim,  ac  interdum  etiam 
mandare  scholasticis ,  quod  canerent,  et  quomodo  canercnt.  S<»d  eccc  ibi 
mihi  obicctutii  ab  illo  fuit,  quasi  e^^cm  polypragmon,  et  ille  uescire  prope* 
modum  se  dixit,  vter  pssft  Cautor  nostrum. 

VII.  Idem  optime  et  longissime  canit  PraesenÜbus  Yisitatoribos,  et 
auscultantibus  in  templo. 

VIII.  Maturius  intcnlutn  adsit,  iter  properat  domnni  niiiiiuiii. 

IX.  Dct  idcm  operam.  ut  oboedientiores  habeat  ad  caiitanduin 
discipulos,  iicc  apud  eos  ipse  suam  autoritatem  imminuat.  intempestivis 
interdum  declamationibus  in  schola,  et  invidiosis  atquo  insanis  ob- 
iurgationibus  pueronim  et  odiosis  collegarnm  suorum  vellicationibus. 

X.  Mihi  sie  videretur,  qaandu  aliu  ratione  vix  tieri  possit,  vt 
vnivenos  ac  singulos  paerot  balieat  sibi  in  templo  praesentes,  vt  ipsos 
egressos  e  lectione  Gantor  ad  sommos  sealanim  gradns  exciptat,  e  vesti- 
gioqne  in  temphim  addncat,  aateqaam  in  saa  conclavia  dilabantnr  ibique 
lateant. 

Eqnidem  mane  et  Tesperi,  si  Übet,  meae  elassis  pneros  omnes  ea 

ratione  trudam,  ne  necessc  sit  cos  postt  a  o  ('n])iculis  evocare  et  ezpeUere. 
Qnod  aotequam  fiat,  cantiancnlae  in  templo  finiuntur  etc. 

Anno  M.D.LXXII. 

Nulli  Visitatorcs  eo  anno  ad  illustres  Scholas  Klcctoris  Saxoiiici, 
missi  sunt,  absente  hinc  Principe  Angosto  in  Dauia  et  illnd  non  m an- 
dante, qni  princeps  die  18.  Novembris  huc  venit  ad  aprornm  venationes. 
Eodem  anno  Sy nodos  fuit  Orimae,  Pastorum  buins  ditionis  Ecelesiasticae. 

Anno  M.  D.  L XXI II. 

Maij  mensis  die  XX.  Lipsia  Ro.salebiam  versus  profecti  sunt,  et  inde 
Portam:  hinc  Lipsiam  revecti.  ad  nos  yenerunt  die  27.  Maij 

i  i  iinum  t'irca  lueridiim  Witeborgcnscs 

1.    Hcnricus  Mollcrus  Hamburgcnsis ,  sacrae  Theologiae  dfxtor.  ^^\. 

linguac  Hebraicae  Professor,  Acaderaiae  Witebergenhis  Hector. 
n.  Doctor  CaspaniB  Pencerus,  cnm  filio  Caspare  M. 
m.  Andreas  Freihab  Tbeologns  doctor,  Saganus. 
IUI.  Baldasar  Gntleras,  Mediens  doctor. 
y.  M.  lohannes  Albinos. 

Cum  illis  advenit  et  louas  de  Zeschau  et  Lorcntz  de  Schonbergk, 
meus  Condiscipulns  rctus. 


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19.  Cbriatoph  Schelieuberg  de  visitaUoitibua  etc. 


225 


Postridie  manc  ab  hora  7.  vsque  ad  9.  in  schola  cxaniinarunt  omnes 
et  siiiixuli,  nostros  gcholasticos  ox  hnrnm  scriptis  prosaicis  et  poSticis 

A  meridie  per  duas  lioras  idcm  feccrunt  •*). 

Sequcntc  die  2'J.  Maij  hora  circitcr  7.  manc  accerüituin  primuni 
oeconomum  interrogavcrunt,  si  qaid  Teilet  ad  se  refenre  etc. 

Posteft,  Contra  quam  antea  faotmn  aliqnoties,  Praec^tores  aecersiti 
nniveni  Amvl  (non  aeonim)  ei  eis  qaaesitimi  est,  faaberentoe  aliqnid, 
qaod  indicandam  esset  ipns 

L  Tel  de  oeconoroo,  et  tins  administratione  scholasüea. 
II.   Tel  de  Pueris,  et  horuro  vita  ac  studiis. 
m.  Tel  de  nobis  iiiTicem  praeceptoribns  ac  collegis. 

Roctor  Solas  respondü  et  paaca  in  genere  dixit  de  prioribiis 

querelis,  iam  non  repeteudis  etc. 

Ibi  D.  Peuceras  coepit  dicere  com  alia  tarn  baec  praecipue  nobis 

adinonendi  c;UT?a  snbijcori': 

I.  Inspi'otort  in  intcr  ]iidenduin  inpriinis,  pucris  pracsentem  esse 
Semper  oportere,  propteiea  quud  oeconomi  aucillao  et  famulitia  pronüscue 
coro  eis  Tersorontur,  et  mala  saepe  ederentar  tarn  ab  bis«  tom  ab  illis 
exempla  etc. 

IL  Rectorem  non  despicieadam.  neqoe  eo  iuseio  et  non  admonito 
prios»  coUegis  eins  a  lectionibus  emmendom.  sed  cum  ipsios  Tolnntate 

curandum,  vt  lectionis  hora  ne  omnino  sit  labore  vacua»  et  snbstituendus 
interim  alias  locu  absentis  pracceptoris,  vcl  aegrotantis,  vel  prrcgrinantis. 

TIT.  I.ij^nis  in  area  collocatis  abstinendura,  neque  piicris  ronce- 
dciuliiin,  vt  iiide  in  fornnces  ingerant,  neiiue  praeceptohbas  inde  auferendain 
ad  privatas  suas  habitatioucs  calefocicndas. 

Hoc  anno  post  hanc  visitationera  die  nimirum  Tltimo  long 
Elcctor  Saxoniae  hur  misit  (lip1(nn;t  illud  novnni  liinc,  de  rinno  Ten- 
tatiunis,  qui  rnrirrdprotur  imviciis  scliolasticis,  ut  pioliaroiit,  an  idoiioi 
eüseut  ad  discendum,  quod  maudatum  priucipi^  in  altcro  libru,  de  scko- 
larum  legibus  et  statutis*). 

')  Dieses  Mandat  er»'flhnt  Kösalor  in  seiner  Schulgeschichto  nirht 
(S.  218  -22.3  huiidi'lt  or  von  der  Aufniihrao  der  Älunuion^  Üer  Wortlaut 
int  fnlgpndor  (K.  S.  HuuptHtaatHurchiv.  loco  lOoOT,  S.  12;l):  „Vnna  hnhpn 
diü  hothgelarton  vnaerr  liebe  getreuen  Veronleuten  Visitatores  iiuch  vulii- 
brachter  Visitation  berieht  gethan,  wie  sie  es  allenthalben  befinden  vnd 
das  vnter  anderm  d'iss  der  fttmemb^to  gcbrcchenn,  das  /um  oftcrmal  Holche 
Knabrn  Tnn  vnn^ri-  Schulon  gi'scbickl  wfrdnnn.  \vi'l(  he  vonn  Nutur  zu 
denn  t«ludij3  Viitiichiiirk  \  riiid  vngoachickt.  Odor  aber  Koincn  will'ni  noch 
luat  dazu  haben,  auch  keine  discipliu  leiden  wollen.  Dadurch  dun  nicht 
allein  solche  Knabenn  selbst  Teneiunet  vund  Inn  Ihrer  Jugendt  andere 
hantterong  Tonnuiehmen  vnnd  m  lernen  gehindert  Sondern  auch  venn 
Ihnen  andre,  welche  Inn  l!in  n  Studija  wol  nutz  Bchaffon  können  vnnd 
zu  ziehen  weren,  vorfurth  werden,  Tnnd  andtlich  diss  daraus  erfolget,  das 

llittoUunBeu  d.  Qei.  f.  deatmsb«  Erstob.-  v.  Sebnlctwiaclito.  VIX  8  ISIV.  |5 

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226     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsctie  Erziehung^-  u.  Schulgcäch.  Yll. 


Scorsim  Peuc«ruä  dixit,  Nos  iu  hac  scliula  peius  pasci  quam 
Porienaes  Pnieceptons.  Hos  anten  i^aeri  gmiter,  com  nos 
minus  qaeTelanim  in  medium  aiBnimiis>). 

De  Eselio  Witebergensi,  puero  perdito  et  desperato,  qai  prias 
anfttgerat,  sed  commendatns  denno  literis  WIttebergensiiim,  reeeptus 
fnerat,  et  postea  nihilo  ^Mtns  melior  accusatos  est  apnd  Visitatores»  et  Iii 
rogati,  vt  enm  removerent  ex  hoc  coetn  nostro.  At  illi  aUo  nsi  consilio 
vtigis  Tolaernnt  ipsam  caedi  coram  se  praesentibus,  vt  eo  inaior  esset 
torror  alijs  rontumacibus  scholastiris.  Sed  vehementer  restitit  Rector  ne 
id  tieret,  tyranuidem  dicens  esse-)  etc.,  quaravis  Peneenis  diceret,  simile 
exemplum  sese  Witcbi  rpae  nnper  statnisse,  in  quodam  scholastico  suo, 
Nurembergici  Patricij  tilio,  qui  can  eris  poenaui  recusaaset  et  timuisset  in- 
famiain  cxclusiuitis  ex  Acadeiuia  etc.  Offeusi  igitur  valde  sunt  vibita- 
tores  ista  Bectoria  nostri  recuaationet  et  Peuceras  ndnafcus ,  se  de  ea 
relatnnun  in  anlam  etc..  obgciens  nobis,  nos  iam  Tirgas  e  Indo  nostro 
exterminasse,  et  exemplnm  vindicandae  nequitiae  in  pneris  sustoHsse. 

JBgo  seorsim  si  foisaem  interrogatns  tnnc  a  TiBitatoribns,  vt 
proximo  et  alia  visitaüone  fnerat  factum,  respondissem,  ad  iJla  tria  ab 
ipsis  percontantibas  proposita,  in  haac  ferne  sententiam: 

I.  De  oeconomo.  Me  non  omnino  nibfl  habere,  qnod  improbem 
et  de  qno  qnercnduni  sit,  praesertim,  cum  som  inspector.  Habere  oom 
rationem  praoscriptam  nos  pasrendi.  sed  posse,  si  vi'llet,  mulfa  facere 
melius.  Srd  pliirima  ab  eius  famulis  et  ministris  n*'gligcntius  tiori,  cuiiis 
gent'Hs  si  qua  mihi,  Inspectori  praesertim,  obvia  sunt,  stutim  Eectori 
indico,  vt  is  de  ipsis  corrigendis  oeconomuin  admoueat. 

Si  rorus  esset  nnisicus,  dicerem  eum  semper  eadein  cliorda  oberrare 
h.  e.  Semper  eosdem  cibus  caraesque  eodeui  mudo  apparari,  euia  parcere 

oolclie  Beneficia  vbel  AOasbraucht  vnnd  dieselben  andern  gutten  In  fpenijs 
die  sonst  armuts  halben  Vomi  Stndiren  ablusHen  müsHeu.  ab- 
«jeBch Mitten.  Doniitt  nun  Holche  Mi^sln i'uch»»  so  den  Schulen  bcwliwcrlicb 
vnnd  sihodplirh  nieht  ferner  fiiireisscii  mugen,  So  begeron  wir  hiermit 
befehlende.  Ihr  wollet  hinturo  der  Knaben  su  vff  vim»eron  bcfehlich  Inn 
vnsere  schule  geschickt  werden,  das  Erste  Jahr  wol  wamehmen,  wie  sich 
ein  Jeder  Inn  seinen  Studija  auWse  vnd  da  vber  fleisHigeB  Vermahnen 
vnnd  Anhalten  aui'b  ander  datzu  gehörige  Miitell  an  Ihnen  nicht  f^uttor 
nutz  odtT  fnieht  zu  schaffen,  dieselben  alsdan  nach  ansspang  des  Jahrn 
VDsem  Visit«toribu8  Namhattig  machen.  Vnd  do  sie  neben  euch  an  Ihnen 
nicht  stmderliche  Hofbungr  Ihres  StudireiM  befinden  Kennen  Bolche  Ihren 
eitern  wiederumb  anheim  schicken.**  Wie  milde  trotx  dieses  vortrefflichen 
Befehle.^  in  der  Praxis  verfahren  wurde,  erbellt  s.  6.  aus  dem  Vorgehen 
der  Visitatoren  im  Jahre  lö75. 

Ein  altes  gutes  Lob,  abor  das  laute  Klagen  war  einträglicher. 

')  RöBsler,  8.  144.  Sonst  wurde  nicht  mit  Bcblägen  gespart,  vergl. 
S.  143. 


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19.  Christuph  äcliellenberg  (lo  visitationibus  etc.  227 


iiitcrduni  butyro,  iiitordiira  aioinatis,  piaosertim  in  Vitulinis  Caniibos  Con- 
diendis,  possc  cum  ctiain  variaie  fercula. 

II.  Plnrima  quaedan  video,  luspector  cimi  snm,  in  pueris»  digna 
animadvenioiie  et  emendKÜone,  non  tolenuida:  qnae  ego  si  qaa  Bnnt,  vt 
ipse  possim  ea  eorrigere,  verbis  ireibsribasque  corrigo;  sin  mümi»  defero 
ad  rectorem,  ad  oeconomum,  si  quid  ad  hone  pertinet,  vt  sive  hiiiiis 
ministri  anctllacque  sive  nostri  discipiili  delinquant,  statim  vindicetar,  et 
ompndetur:  vt  ne  sit  opus  ea  ad  adventuin  vcstrum  differri,  noiinuUi  tarnen 
sunt  iiidurati,  ({iii  intcr  exaininanduin  possuiit  vobifl  indicari.  vestris 
obiurgatiuuibus  (-astii^andi  et  niinis  lacti^äeudi  etc. 

III.  Ad  collegas  meos  quod  attlnet,  cum  iis  aiiqaot  salis 
modios  (iain  sunt  roei  comparos  coUegae  et  familiäres)  per  annos  mnltoa 
abamnpai  rel  confeci.  Eonrai  mores  iU  feto»  vt  debeo,  et  vt  ipsi  meos 
etiain  ferunt,  assaefictos  dadam  sum  eomm  convictiii,  vt  non  deceat  me 
eoram  nomine  qaidqaam  vel  defeire  ad  vos. 

Die  29.  Maij  hora  prima.  Visitatorcs  invitati  ad  coenam  eins  diei 
Buchatri supra  Leisnicium,  in  aedes  lonae  de  Zescbau,  indo  postridio 
Miscnam  perroxerunt.  Lipsienses  die  3.  lunij,  huc  redierunt,  circa  meridicni, 
ac  nobii^riim  Nimibschim  vecti  Bont  etc.  Postridie  hora  quiuta  matutioa 
Lipsiam  reversi. 

Anno  M.D.LXXIIII. 
Generalis  Omnium  Ecclesiarnm  et  scholaram  Visitatio  ") 

Die  15.  Nov.  duo  Visitatores  hnc  venere,  tempore  scilicet  illo  contro- 
versiarum  de  Toena  dominica.  Henricus  Salmnthns  Doctor  Theologiac, 
Lipsieosis  Pastor  et  Siiperindentons  {sie!'':  ot  Caosar  a  Bretenbarh,  zix 
Perit'/,  non  prorul  a  Koeta,  ao  statim  postridie  ad  sc  vocariiiit  Paj>tores 
paganaruni  Ecclesiurum,  cum  suis  doumüs,  et  auditohbus  etc.  et  camm 
ptimnm  rationes  reditnum  Eeclesiastieonim  inspezemnt,  qaaram  rationnm 
tria  exemplaria  singoli  Pastores  exiiibere  coacti  snnt 

Ae  qaibnsdam  ad  ana  salaria  aliqnid  est  additam,  qmbnsdam  vero 
petentibuB,  NIHIL. 

Postea  mutne  inter  Pastores  et  anditores,  et  ipsos  fundi  doniinos 
qnerelac  nnditac.  et  cTnininatan.  ot  compontae  snnt,  et  plnrima  impedita 
ant  controvorsa  in  melius  redacta. 

•)  Bebellenberg:  ^^Heitatio  scholae  bnins  tone  nnlla  fnit,  propter 
tnibas  de  re  saaramentaria  excitatas,  et  prioribas  visitatoribns  nonnolUs 
cnstodiae  traditia. 

')  KloHterbuoh  bei  Tanndort  (Lyisnig). 
Ueber  den  Sturz  dos  Kryplocalviuismue  in  Sachsen  vgl.  CalUnicb, 
Kampf  nnd  Untergang  des  Melanehthonlsmue  I.  8.  186ft.  Kluekhohn,  Der 

Stur«  des  KryptooalvinismuB  in  S.  I.'T  }.  Hist.  Zeit.  is.  —-  Von  den  Inkaion 
Wirkun^on  dor  Katastroplif.  ilireiii  Kinflu^*«  uufiiiiHr«'  Scliido  handeln  Schu- 
macher, S.  110  ff.,  Kirchner,  S.  115,  Kössler,  8.  49;  a.  auch  Flutho.  9.  51  ff. 

.  15* 

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228    Mitteilunisen  cL  Gee.  t  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VII 


Taiiilcm  Articuli  de  Coena  domini,  iidem,  qui  in  Germanico 
libro  00  anno  cdilo,  hoc  titulo:  kurt;;  Bekenntnis,  vnd  Artikel  vom  heiligen 
Abt  iidmal  dos  leibs  vnd  bluts  Christi,  <  oiitinentar,  sunt  propositi  pastoribus, 
et  dominis  fuiidi,  ut  subscriberoiit,  itaquo  feccmnt 

Visitatorcs  Grimoe  in  arce  habitaverunt,  et  id  uxecuti  sunt  per  dies 
14  contiBttOfl,  cum  totom  dlem,  excepta  nna  alqne  altera  praadii  eoenteiiae 
hör»,  istis  laborilnu  molestiisque  iDgentibiis  absnmerent 

Die  dominlca,  qua«  Hariae  oblationi  dicata  tunc  erat,  scilicet  lOU. 
Novetnbris,  dvo  Pastorea*)  in  noBtrae  acliolae  templo  ad  minlateriiim 
ETangelii 

I.  Vnus, 

II.  Alter. 

Ordinavit  eos  doctor  Salmutlms  hoc  modo,  vt  vidi; 

Ordinatii)  pastorum  duoruni  Gritnae. 
Dortor  Salmuthus  stabat       rcmo  loco,  tcrgo  innixns  altari,  facie  ad 
populum  versa.    Ad  eins  siiustrum  lalus  astabat  nostcr  Superintcndcns, 
D.  Christophoms   Winzerus,   nuper  quidem  eleetus,    et   exorsus  suum 
mmigteriam  Pastorale,  sed  uotidum  ioitiatus  ritu  poblico,  sivc  Investitus. 

Diaconomm  alter,  M.  Adamas  Zimmennanas,  ad  dextrum  altaria 
Gonrn,  in  latere  stabat,  alter  HieroDymna,  N.  Geringawaldensis,  ei  ipae 
naper  ad  id  ministeriiim  aceeptaa,  ad  ainistram  comQ. 

Duo  antern  ordinandi,  genibus  nitebantor  medio  altaris  gradn,  et 
a  tergo  cortim  quatuor  pueri,  etiam  flexis  genibus  procumbentes. 

Finita  id  fiebat  eonciooe,  airi»qiiam  Coipas  et  aanguis  Christi 
porrigitur  cummunicantibus. 

Primnin  oniniuni,  Vcni  Sanete  spii  it  its,  reple  tun  in  in  Corda 
fidelia  etc.  C'lioruä  Sciiolasticus  canebat,  et  alter  urdinandoruni  legcbat 
CoUBctam.  PostM  alatini  D.  Salmslbas,  interrogabal  ulmmqae  Ordinandmn, 
de  saa  fide  et  confeaaione,  ex  Symbolo  Apoatolioo,  et  vellentne  in  vera 
doctrina  persererare,  et  damnare  haereticam  etc.  De  officio  item  auo  eo» 
admonebat,  ex  loco  Pauli,  in  4.  cap.  ad  Timothenm,  Et  ad  Philippenses, 
de  officio  scniorum,  de  canibaa  non  pareentibus  suo  gregi.  Eaqae  verba 
explicabat,  et  officium  iUud  esse  apiritus  Sancti,  et  ab  eo  imponi  ministris 
docebat. 

Ad  oiniiia  illa  iiüerrogatn  ordinandi  respomlprit :  Ja,  Ja. 

Hic  iam  ab  ipso  ordiuaute.  et  alijs  oiaiiibus  ministris  manus 
imponuuiar  ordinandis.  lüde  hunc  textum  praelegebat  Salmuthus!  Fax 
Tobis;  sicut  misit  ine  pater,  ita  et  ego  mitto  vos^.  Addebat  hic  Precationem 
Domioicam  pro  ipsis  ordinandis:  et  aliam  precationem,  in  qua  etiam  illa 
insunt  verba:  Messis  copiosa  est  et  panci  operarii,  mitte  ergo  operarios  in 

»)  Scheilenberg;  luvestitus  est  iiinc  simul  Christopüorus  Winzerus 
Superintendens  Grimensis. 

•V  Bv.  Joh.  20,  21. 


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19.  Christoph  Seheneabwg^  de  WaitationlbiM  «te. 


229 


messem.  His  peractis,  ordinandis  elaves  Ecclesiae  maaduitir,  et 
tradniitiir,  hoc  est  potestas  dstnr  doeendi  in  Eededa,  et  sacramenta 
dittrümendi;  et  üla  verba  reeitantnr  ad  ordinatos  iam  Ifiniatros,  ex  1.  Petri 
capite  5.  Oennanice:  Paacite,  qaantam  in  vobis  est»  gregem  Chriatii, 
enram  flUaa  agentes,  non  eoacti,  aed  volentes;  non  tnrpiter  alfectaiilea 
lacniin,  sod  proponsr»  nnimo:  neqne  cca  dominiam  cxorcentes  advontti? 
rlerns,  sed  sie,  vt  sint  ext-mplaria  gregis.  Et  cum  apparuerit  Ule  Pastorum 
princepH,  reportabitie  iihniarcossibilem  gloriae  coronara  etc. 

Et  haec  appendix:  Gratia  doiaini  noätri  lesu  Christi  vobis  iiobisque 
miütiplicctar  etc.  Ad  extreuiuin  de  cocua  participabant  isti  duo 
onünati  Paatores  primo  loco,  deinde  leliqoi  Gominiimeantea*  Poet  extremain 
vero  Benedictionem  ad  totnm  popalnm  dictum:  der  Herr  bebfltte  Dich  etc. 
Gaaitar:  Ite  in  orhem  anlTerenm  etc. 

Kursus  de  Visitatione. 
Die  Saturni.  XXVII.  Novembris,  Nos  iUustris  ludi  Praceeptores, 
hora  3.  Pomeridiana  a  domiaie  ▼iaitatoribns  in  areem  aeceratti  snmos, 
qnoe  D.  Henricaa  Salroathiw  Germanice  in  hanc  fere  aententiam  est 
alloctttoa: 

„Optimi  et  doetisaimi  viii,  domini,  et  amici  cariasimi.  Nihil  est 
doblj,  quin  de  honim  tcmporuni  controversijs  in  Articnlo  de  Coena  domi- 

nica  i'xortis,  vobis  satis  sit  cognitum;  de  quo  articulo  per  annos  L  nostrae 
ccrlcsiae  rect*«  stm^^crunt,  ff  viianrini  Conscnsu  atque  ore  docuerunt,  doner  p^r 
pauculos  annus  pruximos  quidani  »•  nostris  ausi  sunt  novas  dissonsioiieb 
et  erroresj  de  codem  articulo  in  medium  prufcne,  los^uo  vivu  voce,  et 
scriptis  primum  clani,  deinde  palam  iu  vulgus  cditis  spargere.  De  quibus 
iUnatriasiniiis  piineepa«  Angustns  Elector  Saz.  dominus  noster  deraen- 
tisftimas,  Cerüor  üMtna,  snoe  Theologos  et  Snperintendentea  Torgam 
convocari  cnrayit,  illasqae  controTersiaa,  et  eantm  anthorea  perqniri  et 
examinari  mandavit;  tandnniiue  verara  de  Sacrosaacta  coena  Christi 
aententiam,  et  vaitatam  nostris  Ecclcsijs  doctrinam  tueri^  et  de  ea  Articntos 
conscribi,  quibus  omnes  Theologi  et  sui  stipeiutiati  alijqnc  iionntilli  subscri- 
berent,  cdixit,  Mox  etiamtypis  eadiMn.  m"  i"  Torgae  acta  sunt,  et  subscripto- 
rum  noinina  excusa  sunt.  Quem  libriim  quoniam  vos  oinnps  et  singulos 
Icgisse  arbitramur,  quid  in  eo  insit,  percopistis  haud  dubie.  Nos  vcro, 
nobilissimos  et  generosissimus  liic  Caesar  de  Breteubach,  et  ego,  ab 
illnatrissimo  Electore  Angnato  etc>  ad  hoc  in  Hianicas  Eccleaias  miaai 
legatiqae  Visitatores  snmns,  nt  omnibos  Ecclesiamm  ministris»  aimulqne 
scholarom  Praeceptoribos,  enm  libram  proponeremus»  etillommanbscr^ones 
exlgeremus.  Quanquam  igitur  nobis  pcr^uasiasimnin  est,  Yoa  Praeceptores 
huius  s(  hola«'  Hh  rtorialis  et  sentire  et  docere  recto.  de  coena  praesentis 
(■(trpori'  s:iM,"i!in<  !U(.'  tilü  dfi,  ncc  nilquam  orroris  alii  nius,  aut  diversae 
beutciUiue  Hümme  äUüpecti  eslis;  tauieu  (.'um  iUusiris-iinus  EJcctor  nobia 
de  Omnium  Ecclesiamm  et  scholaruni  iiisptitiunc  utque  examiiiati«»ne 
generale  mandatuni  dederit,  ab  eo  vos  excludere   nobis  nüuime  licet. 


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230    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziebunga-  u.  Schulgesch.  VIL 


Petimus  igitur,  vt  hmc  iibro.  qoi  nuper  Germanice  editus,  alfiniiativas  et 
Veras  seatentias  de  coeua  dominica,  itemque  negotivas  et  damnandas 
continet,  ne  gravtfmini  tnbaciibere,  ttqjn  ita  Testro  aasenia  et  subscriptioae 
TOS  verae  Eccleiiae  membra,  tealesque  ineonnptoe  Teritatis  ewe 
ooraprobetia.* 

His  dictis  libnim  mann  aeriptnin  in  foHo  protulit,  nobiaqne  propo- 

suit,  et  legendi  eius,  si  forte  cuperemus,  vel  non  ante  legissemns,  copiain 
nobis  fecit.  Tunc  Adamus  Sibrrus  iHnstris  ludi  Rector,  socer  nvMis 
carissimus,  suo  nostroquc  roliegaruni  siKiniiii  immine,  quaesivit,  vtrum 
eadcin  cssenf  in  hoc  libro,  quem  nobis  offerrent  i^in  eum  libnim  smi 
niMtutiu  inscripst  raiit  omues,  ad  quos  vcneraut  visitatatores  prius  quam  ad 
nos),  perscripta,  qaae  in  iUo  Oermanico  tjJsSs  exumo,  Cai  titalna:  karts 
BekentniB  viid  Artikel  vom  heiligen  Abendmahl  des  leibee  Tnd 
blnts  Christi  etc.  Com  eadem  inesse  vterqne  Tiaitator  tesponderet»  ibl 
mens  socer  dixit»  se  minime  dabitare  id  TOce,  et  mann  saa  testari  qaod 
corde  crederet,  et  aperte  libenter  veram  de  reali  pracsentia  Corporis 
Cliri.sti  in  sacramonto,  eiusdomque  rorporali  manduoationc  sentcntiam 
cuntitc  ri.  Atque  ita  accepto  libro  ralainoque,  haor  verba  (quae  siia  manu 
exarata  eodfin  die  in  srheda*}  mihi  tradidit)  8ubscri[)tinni  nomiuis  sui 
praemisit:  In  negocio  couiiac  sacrosanctae  vigeat,  duminetur, 
et  triumphct  invicta  veritas  verborum  D.  N.  lesu  Christi  sine 
figtira  Sophistica,  siTe  forma  illa  sit,  sive  modus.  Qnod  enim 
semelloqnitnr dens,  neciterat,  nee retraetat,  et qni simpliciter 
credit,  optime  credit,  inqnit  Angaatinus''). 
Tum  sabscripsimus : 
I.  Adamus  Sibenis  illustris  ludi  K. 
II.  M.  lohannes  Srhreincnis  etc. 

III.  Kgo  Christophorus  Si'hellenbPfiriiis  illustris  ludi  Oriinonsis  Collcga, 
candem  de  Sacrosancta  coena  dominica  Confessionem  mea  subscriptione 
approbo, 

IT.  Kgo  M.  Wolfgangus  HeMhom  ete. 
T.  Ego  lohannes  Beinman  Gaator  etc. 

Eodem  die  ante  meridiem  subscripaemnt  etiam  acholae  Senatoriae 
praeceptores, 

I.  M.  Wolfgangus  Auhems  fVibergensis,  Bector. 
n.  Martinas  Tschaa  Grimensis,  Baccalaureas. 

*)  SeheUenbeig:  £am  scbedam  oompactam  inrenies  in  mearam 
^istolarum  YOlnmine,  pagina  686.  Briefe  and  Blatt  aind  Terloren  ge« 
gangen. 

^)  Haec  verba  Siberns  anno  sequente  inaemit  in  sao  Breviario 
Ohristiano  in  annotatis  ad  prosam  Aquinatis,  de  coena  Dominica;  ubi  et 
haec  verba  praerodnnt:  Smnnnt  boni  oro  rorporis  pariter,  et  fidei: 
siimunt  malij  ore  taatum  corporis.  Ucbcr  das  Breviarium  vgl.  Kirchner, 
S.  135. 


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19.  GhfiBtopli  Sdielleikberg  d«  viaifaktionlbus  etc. 


231 


m.  Yalentiniis  Hasa,  Woroensis,  Gantor. 
Item  Miniatri  Ecdesiae  Gtiraenaia: 

I.  ChristophorasWiiiEemtDresdeiisia.  PastoretSaperiatetideiiaOrimeiiBia. 

II.  M  Adamus  Zimmerrnan  Leisnicius,  Diacnnas. 

JIL  HierODymus  Haaboldus  lerichswaldcnsis,  Diacnnn?. 

Postridie,  Dominica  Adrentns,  qui  erat  XXVIII.  Novembris,  in 
nostro  templo  concioneni  andlverunt  ambo  visitatores,  qui  a  nostro 
oeronomo  deimun  ;at  sor<»)  ad  prandium  invitati,  nos  suum  ad  prandium 
invitarunt  Igitur  mens  Socer  et  M  Schreinenis  et  ego  (reliqui  duo 
collegae  et  ipse  oecouoinas  non  iuit  invitatiisj  in  arcc  cum  Visitatoribus 
pranai  somna,  et  largiaa  nomiihil  Tmuni  praesertim  bibimna,  et  yterqne 
Yisitator  hunaniasime  nobiseum  est  collocatus.  Cum  Caeaare  a  BreteU' 
bach  vetua  erat  mihi  fiuuiliaritaa  ante  XYIIL  aimos  \ntebergae  incboata; 
eaqne  praecipue  in  canasa  ftrit,  tt  ab  ipso  faivitarer  conviva.  Ego  n 
istam  fomiliaritatem  mibi  adhue  colendam  et  magni  faeiendam  esse 
intpllp^prct ,  e\  vt  oain  in  postonim  qnoque  nobis  integram  rnancrp  me 
rupere  aiiimadverteret ,  ipsuni  sine  aliquo  mci  avT|;j.oTJv<|)  hinc  deredcro 
nolui.  Itaque  dono  dedi  ipsi  priiTnnii  Annales  Misuenses  Geortrij  l-'abricij, 
Cuios  discipnlus,  vt  et  ego,  in  eaucm  vrbe  olim  faerat;  dcindc  libros 
meorum  Epithalamiorum ')  Coropactos:  tertio  loco,  Imaginem  Crucis  Christi, 
quibas  subscr^ti  erant  veraiciili  Adoniei.  Hie  ea  grato  animo  et  ore 
aecepit,  et  neaeio  qnae  promiait,  mfld  meisqne  Uberis'),  qnibua  ceite  pro 
ea,  qua  nunc  est  autoiitate  et  gratia,  commodare  poteat  pluriraum.  YiftA 
▼aleatque  dia  superatea  Caesar  ille  pietate,  Tirtnte,  doctrina  praestans. 
Post  horam  2.  Grima  nvocti  «imt  Bornam  versus,  a  quo  non  ita  longo 
abest  domns  eius  Seritz,  Eoetae  tarnen  oppidulo  vidnior« 

Anno  M.1>.LXXT. 

Die  30.  Maij,  qui  erat  dies  Lunae  post  festnm  Tiinitatia,  viaitandae 
scholae  nostrae  eauaa  Lipsia  huc  Teneront  dno  tantnm  viri: 

I.  Casparus  longeimann  I.  V.  Doctor,  gener  Camerarij,  Reetor 
Lipsiensis  (qui  etiam  anno  71  Rector,  hic  fuit  Yisitator,  et  sob  eo  Bectore 
mens  filius  eodom  hoc  anno  est  relatus  in  albom  stndiosonun  lipsienainm. 
ist  est  Zerbirensis). 

II.  Andreas  Fri^yhubius  Tlicoloffiae  doctor. 
Witebergensium  professoruiii  iiuiius  venit. 

Lipsienses  boram  ante  tatam  veqiwtbuun  Tenerc,  quomm  iusau 
invitati  sumua  ad  snam  coenam  oeconomo  ipso,  Antonio  Biduenhano 
nngolos  noa  invitante. 

Poatridie  (31.  Maij)  bora  6.  roatutina  vaeaa  nobis  fbit,  vt  semper 
antea»  a  lectionibna  pnblicis.  Eadem  bora  aoeeraiti  snmns  ab  ipsia  Vtsita- 


')  Zwei  Bücher.   Vertfl.  Schumacher,  S.  y>->:  Ltiiojiz  >sL>ri('t<.  8.  121. 
Siehe  diu  Geachlochtstafel  bei  Schumuciier,  ti.  b(i,    Anna  äiher 
schenkte  ihm  sieben  Kinder,  von  denen  vier  den  Vatw  aberlebten. 


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Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsclie  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


toribus,  et  Rector  nobis  priiuum  legit  mandatuin  illubtnäsiiui  Elcctoris 
Sazoniae  de  hac  et  Portensi  sehola  iiupiciendA  etc.  et  iidem  diio  per* 
petni  erant  Yisitatores,  yt  erat  in  diplomate  priacipie 
Saxoniae. 

Tum  interrogavit  nos,  si  quid  Ydlemiu  proferre  Tel  de 
oeconoino  vel  de  nobis  ipsis  vel  de  paeiü.  Beetor  respondit,  et  paginam 
obiulit,  in  qua  quacdam  annotata  fucrc,  quomodo  olini  tractati  sint  et 
pueri  et  praeceptores ,  Germanice').  Deinde  addita  etiiim  quaedani  viva 
voce,  vt  de  candelis  parvis,  de  litrni^  laalis  et  cuuctautor  praebitis,  de 
atrainento,  quod  ego  dixi  raiius  c^uam  oliui  et  parcius  dari,  item  de 
mnndo  paue.  de  fractis  scamiiia  in  lectorio  etc. 

Hora  7.  iam  audita  matntiiiae  preees  «mit  cantatae. 

Hora  8.  soUtit  lectionibas  praeceptores  perfbneti  sunt. 

Hora  10.  poet  fioilam  schoIasUcorom  jHraiidiiim,  praeceptores  cam 
l^itatoribns  sunt  pransi.  Sed  ante  piandium  Visitatores  Oeconomo  propo- 
suerunt,  quae  a  Rcc  torc  in  ipso  desiderari  erant  iudicata,  quae  omnia  sc 
in  melius  restituturuni  promiserit  oecnnomus,  et  siniul  qnasdam  qncrelas 
et  ipse  adniiserit  in  suis  purgationibus,  vt  scamna  t'rantri  in  Bacciia- 
nalibus,  dum  locu  suü  motu  disijccrentur  et  spectatoribus  offerreutur  etc.  Item 
panis  mundi  culpaui  esae  pistorem,  qui  hac  vice  nimis  multos  paues 
coxerit;  Idem,  Candelas  plares  poseeadas,  si  priores  esaent  nimis 

'  Aufbewahrt  im  Archiv  10597  (Visitation  Anno  1577),  Bl.  81.  32. 
Er  stellte      B.  fest:    zum  Ersten  haben  die  Vnrwaltor  mitt  den 
coptoribus  teglich  matizeit  gohulton,  Solches  hatt  dur/.u  gedienett,  das 
Sie  seibat  gesehen,  wie  das  Essen  angerichtett  vud  aus  der  Küchen 
gereichet  worden 

Zum  Andern  scind  den  Prftceptoribus  nach  gelegenheitt  der  Zeitt 
H'hvM-  fnii>?  viid  ald.  Schnurlcii,  Blaulioclit,  Str.r,  Laclis,  Ahll.  brlc]F,en  vad 
dergleichen  gespeissct  wnrdfii  vnd  l»is\v(>yhMi  allzu  vhertleissi^k*. 

Zum  Achton  sfiiul  zum  Schlaftrun^^'k  [gegeben  worden  nicht  eine 
äeliulkannel  allein,  sundcni  zwo  vnd  etwas  drdber; 

Zum  Neundea  «eiud  \siiitLer  Zeit  licht  gegeben  worden,  welche  von 

eecbsen  ahn  bis  vmb  achtte  stunde,  das  die  luiaben  vmb  gebrechen  des 
lichts  nicht  haben  sa  bette  getrieben  ddrffen  werden; 

Zum  Zehenden  seind  den  Icnaben  bisher  g^eben  vnd  Pappir, 

Tiotten,  Schueh  vnd  Tuch  zu  rochtter  Zeitt  ausgeteillet  worden; 

Zum  £yl ritten  wurde  denlLnaben  eynem  Jeglichen  eyn  pfloctcenbett 

gegeben: 

Zum  Dreitiieiienden  wurden  in  den  Leclorijs  Calheder,  Bencke, 

Leuchter,  Offengelender  erhalden  vnd  gebessert. 

Zum  Viersehenden  ist  auch  den  Kranken  nach  gelegenheitt  ander 

Spcl^^'O.  dan  den  Gesunden,  geweift  worden. 

Zum  F  a  nffzeh  (■  ndcn  ist  dit"  ThOr  vfVa  Was>;er  ftcissigk  verwahret 
wdnicn  vnd  die  Bleiche  hindcr  der  BadsEuhon  ^^clcficn ,  das  obgleich  das 
gosiniio  gowolt,  den  knaben  kein  bos«  lixcmpei  gegeben; 


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19.  dulstopb  ScbeUflnberg  de  viaitatioiiibiu  «te. 


23S 


parvae,  sed  tun»  et  famidos^)  mnltos  gafturari,  et  vendera  intw- 
dum  etc. 

De  ligiiis  nobia  canetaater  et  non  iasta  mennra  praebitiB»  neu  tarn 
Bnam  esae  colpam  qaam  Forsteroram,  <|ai  illa  seearl  eararent  etc.  Item 
Atramentam  dari  matore  et  safficienter  ad  scribam  sanm  pertinere. 
Cid  id  mandavit.  Ego  nd  hoc  capot  obiter  dbd,  me  andiTisse  a  soperioribna 
oeconomis  et  srribis,  se  X  florenos  pro  atramento  qnotannis  expensos  in 
ratioDum  saanim  rodices  rettilisse.  Item  se  iam  olim  in  omnibHs  puornnim 
spondis  curassR  culritras  lancas,  sive  fomenticias  (?  vielleicht  plum.)  saa 
centones,  gcflorkpn  bett;  si  denno  sint  cnrandae,  oportere  de  eo  ad 
principoQi  refern,  nani  esse  magni  prctij  mcrces  illas. 

Hora  I.  etc.  ingressi  sunt  anditoria  ibique  examinanint  paeros 
Tsque  ad  4.  horam  fere.  Eodem  die  pranai  coenatiqae  omnes  nos 
praeceptores  somos  cam  ip^  YiaitatoribaB,  n  et  postridie.  (Oeco- 
Bomtu  eo  die  fremait  firendnitqne,  et  gettibas  iram  immit  et  pastim  mnr- 
mnraTit). 

Die  1.  Innij  hora  6.  ingresai  rvamu  anditoria  eiaminanrnt. 

Horam  ante  8.  templnm  iogressi  andiTimoa  omnes  M.  MeUbomnm 
conoionantam. 

Hora  10.  omnes  nna  snmns  praori,  A  prandio  stsüm,  12.  hora 
aonante,  rltimnm  ingresd  scbolam  Frimam  admonnernnt  ambo,  et  Sector« 
et  Freyhnbioa  scholasticoe  ad  maiorem  pietatem  et  diligentiam;  inprimis 
vcro  istos  pessimos  pneroSt  qni  in  medium  ante  ora  visitatoram  snnt 
coosütutip  qui  eraat 


Zum  Siebensehenden  giengen  die  Prnceptores  nicht  viell  spaciran 
Sollten  aucli  Iliro  Lese-  vnd  Inspection  stundo  weder  halb  noch  gantz  ver- 
aeunieu,  Vsserdem  du  eyner  icranck  oder  souöten  nötiger  geschoflft  wegen 
sein  Ambt  nicht  versorgen  könde,  seine  Stunden  mitt  einem  andern 
welcher  yff  solche  Zeitt  trej  vnd  ledig,  bestellen. 

Zum  Achtseh enden  wurden  in  diese  Chnrf.  Scfanl  aus  den  Stedtten 
armer  vnd  vnvermügender  leutte  vnd  nicht  der  Bargermeistert 
Richter  etc.  Kinder  geschicket. 

Zum  Neunze h B nd en  wurden  fein  erzogene  vnd  tugliche  k:i:ilH*n 
zum  atudiren  aus  den  Stodttt'ii  vnd  soiKsten  zu  dieser  Schullo  voruidin  tt. 

Zum  ZwautzigHten  ist  für  eynem  Jaio  ein  Churf.  belehl  an- 
kommen, das  die  praeceptores  mit  eynem  jeglichen  Knaben  von  der  Zeitt 
ahn,  da  ehr  in  die  Schul  geschicket  wird,  Annum  tentationis  sollen  aus- 
halten, vnd  so  ehr  als  dan  befinden,  das  ehr  zum  stu  ! i  r  u  nicht  tflchtigk 

"(Irr  mich  sonsten  mutwilligk.  Ihren  Fdtom  aoll  wiod":    uilieini  jrf'srhicket 
Hnof'  )»anca  de  multis;  ad  ssi  cx  parte  euMTMiabuntur, 

umiua  quuu  uuuc  recte  habentur,  praeclare  agtftur  cum  C'chuiu  bac  pro- 
vinclali:  Bta  minusi  sed  caetera  dicere  nolo. 

>)  lieber  die  £amuli  vgl  Flathe  S.  llö,  ROssler  S.  ai6. 

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254  HltteUungen  d.  Ges.  t  dentache  Bixlehiuig«-  u.  Sohnlgeech.  VII. 


1.  Sura«!*) 

2.  Harcna^) 

3. 

4.  loannes 


Hobner 

Voctus  J) 
Breithut 
Pfeifer 
Hertzog  »f) 

Fuiak '') 


Kichter,  fratres 


Torgenses 


5. 
6. 

7, 
8. 


Eilenbargenses. 


Hi  octu  nequam  uceiTinie  sunt  obiurgati,  additis  miaiä,  ni  ud  luülturem 
frugem  se  recipcreut,  statini  excludeudos.  Couctique  sunt  ydeni  isti  stipu- 
lata  mann  promittere  visitatoribiis,  et  oobis  Praeceptoribas,  miitiirain 
seriamqae  momm  atqne  negUgentiM  emendatioiiem,  et  rnntationem  in 
melius.  Postea  regressi  in  oeconomi  vaporaiimii  in  commune  nos 
praeceptores  et  occononmm  ad  coucordiam  et  placidam  rernm  inter  nos 
transactiooem  cohortati  sunt.  Indc  hora  prima  pomcridiana  Lipsiam 
revecti  sunt,  non  Misenani,  nam  eo  venturos  fortassis  ^Vit(  Ht>rirenses 
Visitatores.  Eo  die  proliriscentibus  Vi'sitatoribus,  et  vnicntibus  ac 
iubontihiis.  srliolastici  uostri,  reliquum  diei  quod  erat,  aninii  relaxationibns 
et  lusibuä  deterunt. 


*)  Hayn,  fügt  iduzu:  aufugit  anno  77.  —  Grimmenscr  Album  S.  42 
(in  diesem  Werke  ist  Schellenbergs  Schrift  von  Lorens  noch  nicht  benatst). 

^)  H.:  aufugit  anno  78  G.  Aprilis.  —  Gr.  Alb.  S.  44  (nennt  als  Weg- 
gangstag 15.  April  1578). 

^)  H.:  Ifotthftns  Hnfner  ezchistts  anno  76.  —  Gr.  A.  S.  41. 

^)  H.:  tandem  exclusus  annu  78.  —  Gr.  A  S.  43.  Dem  Yisitations- 
bericht  Ton  1577  wurden  ScbQlerlisten  beigegeben  mit  Zeugnissen  Aber  die 
einzelnen  Schfller  (Ton  Hayneccins  geschrieben,  K.  S.  Staatsarchiv,  loco 
10597,  No.  28};  In  ihnen  findet  sich  folgendes  Urteil  Aber  Vogt:  halt  kein 
ingeninm,  Mangelt  ihm  auch  an  vleis,  studirt  nichts,  wer  derbalben  etwas 
anders  mit  ihm  vorzunehmen.  Ist  diesmal  abwesend,  vnd  der  vrsacb  nicht 
e^mminirt  worden. 

H.:  Daniel  —  aufugit  ipso  anno  75  8.  lul^.  —  Gr.  A.  S.  43. 
0  H  :  ßenedictus  —  Gr  A  8.  43.   Auch  dieser  veriiess  die  Schule 
vor  der  Zeit  am  5.  Mai  1576. 

>?)  H. :  Johannes.    Eiectus  tandeni  anno  77  22.  Nov.  —  Gr.  \.  S.  41. 

—  VisitntidTisbprirlit  1577:  Hat  nichts  zu  studiren,  ist  mutwilligk.  Tardi 
ingenij.    Spc  i  nullius. 

l'elrus  —  Pirnensis.    Tandem  auftigit  Anno  77    -  Gr.  A.  S.  42. 

-  Visitntionsbericht  1577:  Ist  weder  from  noch  vleis«itrk,  viiiid  einmal  aus 
der  äi'lmlen  ohn  alle  vr.sai  Ii  aus  lauter  Mutwillen  ausluuflen  . .  Weil  dann 
keine  hofhungk  von  ihm,  wer  nichts  besser,  denn  das  er  ans  der  sehnle 
gnomen  vnd  etwas  andres  mit  ihm  versucht  wflrde. 


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19.  Christoph  Schcllenberg  de  visitationibus  etc. 


235 


Nachschrift  des  Uayneccius. 

Hunc  Cddiceiii  Dunavit  Martmo  Hayneccio  successori  etc.  socer 

SchelienbLTgii  Ad.  Sibems. 

Christopherus  Scliellenbergius,  qui  praccedentia,  sibi  ipse,  et  sua 
mm  eonsignata,  Toluit:  ObHt  diem  sniun  dintuni«  tabe  estMostM  XI  (sie). 
Gal.  Febroar.  Anni  lesu  Giristi  MDLXXyi.  Tanmlatue  in  Sacra  aede 
CoUegii  scholastici  illastriB  ad  Middam  post  altaro;  infra  snbUmiorem 
exstrnctionem  alteram  eins  aedis,  quae  scholasUeum  fllnatris  ludi  chorum 
anatinere  solet.  Tomvlo  saxain  iocoinbit,  opera  Siberi  aoceri  hac  inscri- 
ptione  donatnm: 

Chr.  Sac. 
Christ  Schellenberg.  Annaberg. 
Gene,  et  CoU. 
Ad.  Siberus 
MDLXXYI.  XHL  Kl.  Febr. 


Ein  leidiger,  aber  charaktoristiaeher  Sefalasa! 
Schumacher,  S.  84/85  erzählt  Folgendes:  SdieUenbcrgius  quataor 
liboroa  anpersütes  reliqait  ofpbanos  nihilqne  diviüamm  et  opum,  inida 
ttiitriri  poaaent.  Avus  igitar  rogsrit  et  iDTitavit  amicoa  Schellenber^ 
praeaertim  vero  Du.  Ehrenfridam  ab  Ende,  nt  in  bae  neoeaaitate  Yidiiae 
et  nepotibua  anccarreret: 

At  quia  adhuc  restant  poeri  Uni  atqae  pnellae, 
Estquc  minus  nihilo,  ande  qneant  natririer  isü: 

Vos,  cum  Schelnbprpo,  qneis  consuetndinis  nsns 
Cessit  et  inter  aniur  Holironis  propter  alumaos, 
Consulite  in  medium  et  natis  succurrite  amici 
Tuque  adeo  in  primis, 

Quem  pueruui  docuit.  cui  primae  tradidit  artea 
.  Christ ophonia  fratrique  too:  deprome  benigna 
Dextra  aliqoid,  tibi  Siracidea  quo  dieere  poant: 
Sie  orbo  genitor  miaerae  vidaaeque  maritoa. 


3.  Am  den  amflicheii  Bericht«ii  der  Ylsltatoren. 

(K.  S.  Hanptstaats-Archiv  loc.  105U7,  No.  1 — 4.) 

15.VH«): 

1  hueii  ili'iauach  /u  wissen,  duss  >vir  auff  empfangenen  Churf.  beveih 
versoliiener  tage  Erstlich  vns  gehn  Grimme  verfuegt  vnd  doselbst  in  der 
Charf,  schneie  neben  dem  Gestrengen  Emvhesten  Herrn  Dietrichen 

Undatiert.    Archiv  loc.  in. "07,    Bl.  193/0!.     Untorzpichnot  von 
Camerarius,  HelburUf  Barth  und  Lyclus,  auf  die  auch  der  Verwalter  (eod. 

*«■ 

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236     Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deutsclie  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VIL 


Storsrhcdcl  bey  den  Lercrn  vnd  dem  Verwalter  vmb  alle  gelegenheitt  der 
schuelu  dess  orts  befragett,  vnd  von  den  Preceptoribus  oder  irenthalbca 
sonderbche  Uage  noch  beschwerd  (derwegen  namlichtr  BMldang  vnd  be- 
richts  TOD  nOten)  nit  venramnien.  So  haben  wir  snnrt  in  irem  wesen  vnd 
der  knabcn  institatioDt  anch  aUem  bevollenem  scholambt  anders  nit  be- 
funden dann  vleissige  aQssriehtnng  vnd  Versorgung  ires  ambts 
in  allen  stneeken. 

Der  Herr  Ycnvalter  aber  liatt  die  Haosshaltnng  vnd  was  derselbigen 

zugehörig  belangend  auff  unsrn  befrapning  allcrl(  y  iiotweiidiyc  bericht  ge- 
than,  den  wir  <ro betten  schrifftlichen  zu  verfassen  vnd  ihnen  denselben  hie- 
rait  E.  G.  L  dinstlit  hs  vleis«;  vbprpobcn  .  .  . 

Es  haben  ancli  die  praeceptores  in  der  srhuel  Grimnio  angcMigt, 
das  der  kraiu  ken  kn:iben  halben  offtermals  von  nutiicn  seye,  eines  iirizts 
rathe  zuhaben,  vnd  bietbeu  derwegen  zu  vorschaffeu,  dass  durch  den  Vor- 
walter einem,  so  dar^u  sich  gebrauchen  wolle  lassen  zu  Leipzigk  jerlich 
aas  der  schneien  etwas  gegeben  (wie  anch  in  den  andern  zweyen  Ghnrf. 
schulen  geschichet).  Darmitt  in  diessem  Falle  fnnieralich  die  armen  knaben 
mt  vertenmbt  werden,  haben  wir  fiir  ein  sonderlich  notwendig  stnedie  an 
beriiditen  nit  vnteriassen  sollen*}. 

Was  die  Praeceptores  vnd  ire  läre  belangend  ist  sinniger  mangell 
noch  feil  diess  ortes  nit  beAmden  vnd  vormerkt,  das  wolgeschickte  knaben 
in  dieser  Schneie  erzogen,  deren  viele  sere  arm  itznnt  nsch  ansgaage  be* 
stimpter  Jaren  zn  nntzlichen  volnziehung  Ires  Stndli  fOrdening  bedflrUisn, 
ohn  welche  sie  zu  bescfawerlicber  verlassnng  deswlben  gedrungen  werd«i. 
So  erzeiLTii  sirb  anrh  von  der  liaushaltunge  nicht  sonderliche  oder  newe 
klage.  Fünu-mlirb  wirt  jzcbeten,  die  Schule  mit  Znlage  des  weines 
gnediglich  zu  bedenken.  An  den  Kellern  befindet  sich  besclnverlirher 
mangell  also  das  in  denselben  das  Getrencke  anch  mit  sunderlicbem 
grossem  vleisse  zu  nützlichem  gebrauche  nit  danren  will.  Dertwegen  des 
Herrn  Verwalters  beiicht  zn  vornehmen  sein  mochte. 

Unterschriften:  M  Leonhartus  Lycins  Bector, 
Andreas  Freyhabe,  tbeologns  D.,  Andr.  Moreh>  I.  T.  D., 
Andreas  Ellinger  Medic,  D.,  Joachim  Camerar., 
M.  Martinas  Wilischins. 


loc,  ßl.  24,  20,  2h,  29)  sich  bezielit.  Po  war  dieser  Bi'iirht  dem  Jahre 
ITi/iS  zuztiwoTsfMi.  Der  Vorwalter  l)at  z.  15.  um  clif  Bcseitii^uiig  dos  Prhindcl- 
dachs  der  öeliule,  den  Neubau  einer  Scheune  iu  liardtiu,  um  die  Lieferung 
von  Wein  (aus  der  Kellerei  su  PfSorta  und  Leipzig)  and  Bier  (Torgpau)  und 
klagt  aber  das  unsureidiend«  Einkommen  der  Schale,  die  der  KurfOrst ' 
doch  mit  einem  ziemlichen  Vorrat  gnftdJgst  bedenken  könnte. 

')  ROdsler,  B,  112.  Vgl.  auch  die  Vintationsberichte  aus  den  Jahren 

lö6b~70. 


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19.  Christoph  Schelleuberg  de  vtäitatiouibus  otc.  237 


IMSs 

Die  Verordneten  dieses  Jarcs  zu  der  Churf.  Schulen  Visitation  sindt 
zu  Grim  ankckuuimen  am  30.  tag  Julij.  Oohiu  sieb  auch  der  Gestreng 
Ebrarest  Tnd  EdeU  Her  Hainrieh  vom  Einsiedel!  Haoptmatm  m  Ooldilz 
vetfUget,  vnd  nnd  des  ortes  die  Sachen  allenthalben  der  gestalt  befunden, 
das  einiise  sonderliche  Idage  nit  Tonnerlrt»  Tnd  wüsten  sie  andres  nichts 
SU  vermelden,  dan  war  vor  vieren  Jam  angezeigt,  famemlich  die  gncdigste 
Vergünstigung  anlangend  in  der  Schneien  holtzern  zn  teglicber  notwcmdiger 
besserung  der  Sclmlgebäude  Holtz  zu  bauen  (doch  mit  vorwissung  vnd  an- 
weisung  der  Förster)  ...  Do  auch  dem  Gestrengen  Ehrnvehstcn  vnd 
Edeln  Hainrieh  vom  EiusiedeU  obgenant  ein  ansdrficklichcr  bevehl  von 
Churf.  Durchliiuchtigkcit  gegeben  auff  die  Schule  vud  deren  Versorgung 
anffisehen  vnd  achtung  zu  geben,  würde  solches  ohn  ZweyfcU  der  Ch.  Schuel 
nm  bestendigen  guten  anlßiehmen  vnd  bessemng  gereichen. 

Inn  Churf.  Sclnu  lc  Grimma  .  .  .  habt  ii  alle  sachcu  woll  hcfiimlon. 
liiJil  (üi'woil  angezeiget,  dass  die  l'raeceptores  daselbst  ilircntiialben  einer 
gesclji  H  benen  Ordnung  bednrfften,  ist  ein  kurtzt  r  bci^riff  Uervvugcn  von  den 
Yisitatom  vnderschrieben  ihnen  zugestelt  Unnd  der  Herr  Verwalter  ver- 
mahnet ward,  dass  er  anch  hinfüro  vleiss  anwende,  damit  die 
knaben  mit  nottwendiger  wolgekoebler  spejrs  versorget  seien.  .  .  Und  di- 
weil  vnder  den  Prfteeptores  diss  orte  keiner  ist  der  in  der  Arithmetica 
sich  sonderlich  gevbt  bette  nnd  die  za  lehren  vnderstehen  wollte:  also  ist 
fur<,'e?(  hingen,  man  mochte  einen  frommen,  wolgeschiekten  ledigen  gesellen 
in  die  schuel  zu  den  andern  Praeceptoribus  vnderhaltcn,  weither  die 
Arithmetica  die  knaben  wol  lehren  kontlio  vtmd  in  der  WorluMi  ein 
Predigt  für  die  knaben  thiien  snllte  (dann  allein  am  sontag  vnd  Ii  in  tage 
die  knaben  ein  predigt  haben  vimd  ist  docli  autig,  dass  sie  inn  der  vvoche 
auch  ciiismahls  predigt  boren),  vuud  bette  dieser  seine  wohiiuug  bcy  imcht 
vnd  tag  in  der  Schule  "). 

Und  Erstlich  findet  sii  b  in  drr  wider  anircriciitetcn  t'liurf.  Schule  zu 
Grimma  kein  kla^'o,  die  liaiislialtuiiL',  der  in-er  vnd  knaben  versorcrntiL'e 
belangend,  auch  kein  mangel  ahn  der  Institution  vud  disciplina 


')  Undatiert.  Arehiv  lue.  10597,  Blatt  l'io  47.  AufT?latt  244  worden 
al«  VisitatoriMi  lUr  WittfuhtTf?-  (von  dort  gingen  »io  nach  MeiHj^eii  und 
Grimma)  benannt:  Uektur  Co»aus,  v.  Diembach,  Htrigel,  Hülich  und 
Cameraiius.  8o  war  daa  SchriftetQck  dem  Jahre  1666  xusuwelsen. 

*)  RMsIer,  B.  118. 

'l  Wegen  der  Pest  muaaten  die  Behfller  am  lt.  Angnat  1566  ent> 

lassen  nnd  die  Schule  geschlossen  worden,  sie  ward  erst  am  28.  April  1567 
wieder  oröffaet.  KOasler,  S.  4a  Da  der  Visitationsbehcht  auf  dieses  Er- 


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238     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Er/iehungs-  u.  Schulgeacli.  Vli. 


noch  sonst  irtrents,  aussi  rhalb  auch  Y<irinals  erinerten  fBrnemlich  drcyer 
Stücken  zum  Ersten,  das  einer  des  orts  mangelt,  der  die  kuabcu  in  der 
Arithmetica  vnd  RecfanuBg  Tnterwejsett  vnd  ?bete,  wie  etwa  durch  Johan 
Flacher  seligen  geschehen;  zum  Andern  das  zu  wenig  Predigt  fBr  die 
k)i«ben  gehalten  werden;  zum  Dritten,  das  Niemandt  ans  den  Präcepto* 
ribns  die  Nachtt  bey  Tnd  in  der  Schneien  Ueibtt  ?nd  alda  seyne  bey- 
wonnng  vnd  lager  hatt  .  . 

Nach  dem  dann  vor  Jarcn  bcy  einer  jeden  der  dreyen  charf.  Scbnien 
einer  vom  Adel  zu  sonderlicher  auffsehung  auff  dieselben  geordnet  vnd  in 
den  Visitationibus  gogenwertig,  aber  nuh  bis  in  das  dritt  jar  hieran  mancrfl 
gewesen,  auch  itznndt  an  keinem  ort  iemandts  erschienen,  do  diuli  solche 
vieler  vnd  iitcr^'klichcr  vrsach  halben  »it  zu  vnterlassen,  wcrc  darauff 
churl".  befehl  zu  ihuu  oder  geschehener  zu  emeuwen,  danuit  auch  etwa 
n  vnnvorsehener  Zeitt  ilfe  Ihenigcn,  so  der  hansshdtnag  Tontendig.  an- 
kamen vnd  eigentlich  erfaliren  kanten,  wie  vberall  mit  den  Sachen  vmb- 
gegangen. 

1508'): 

Auff  gnodipston  Churf.  bevelh  hatt  Zu  der  Clmrfürsil.  .Schuele  be- 
stendige Visitution  .  .  aus  den  vier  Facultäten,  welclie  v  nabgewechseltt 
jerlicU  hinfortt  der  Visitation  beywouen  .  .  sollen,  alle  sambt  oder  in  das 
meyste  teyl,  vnd  ist  Camerarins  selbst  zn  Grimme  vnd  Geringswald  mit 
gewessen  vnd  dnrch  schwauheitt  ferner  zn  vorreysen  gelnndertt  worden. 

Und  befinden  sich  in  der  Chart  Schale  za  Grimme  alle  sache 
dermassen  angerichtet  vnd  bestellet,  das  man  nichts  zn  klagen, 
wie  dan  anch  desselben  orts  kein  klage  vermarcktt 

Es  wird  aber  durch  die  Praeceptores  angezeiget,  das  je  bey- 
weilen  knaben  dohin  geschickt«  die  noch  in  schreiben  vnd  lesen,  auch  Decli- 
niren  vnd  Coiyngiren  gar  vn^ri:rn)n(1*'t.  Dieweil  dan  solchs  der  Schul- 
ordnung zuwider  vnd  «nch  dm  knnbcn  nachtoil}<_',  i^t  bovohlen  oh  dor 
Ordnung  zu  halten  vnd  dei-.:c?taltc  knaben  nit  anzunehmen.  Man  achtet 
auch,  das  ratlisani  vnd  nützlich  sey  vnd  fast  die  nott  erfordern  wolle, 
einen  Medicum  tu  Lciptzigk  zu  der  Scbuclcn  (wit>  aut  h  vor  gesc liehen)  zu 
bestellen')  vnd  deretwegeu  dem  Herren  Verwalter  bevelh  zu  tUuu,  auff  die 

cignis  ganz  offenbar  bezug  nimmt,  miiHs  er  dem  Jahre  löü?  angehören 
(nicht  1566).  Er  ist  uiuliitiorr.  An  hiv  loc.  1UÖ97,  BL  2ö2— ö5,  auch  die 
Unterschriften  d<'r  Visitatoren  tehien. 

')  Tndatiert.  Archiv  loc.  lor»'.)7,  131.  144  u.  1!"^  fd-  i  eiits]tiechendo 
über  I'forto  BL  146-  Ab).  Der  liericht  Uber  Grimma  hat  di«  ünterHchritton 
Joachim  Camerarius,  Andreas  Freyhube  D.,  Baltassar  Ootler  Leonhart. 
LyciuB  M.  Der  bricht  Aber  Pforta  bringt  die  dort  Pehlanden  henu:  Caspar 
Peucorus  D.  und  Hcnricus  Moller  M.  Danach  ist  es  der  Bericht  der  Visita^ 
toren  des  Jahres  166b. 

3/  Siehe  Viöitatiousbericht  1569/ld70. 


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19.  Christoph  Schellenberg  de  vUitationIbus  etc. 


2S9 


anzeigen,  ob  etwan  ein  woltangliche  Person  aas  Leipzigk  hienu  kdhte  ver- 
ordnet werclen  ....  Diweil  dan  hirvor  der  Fnndatiou  halber  meldnag 
gethaa  vnd  dieselbe  noch  nicht  in  das  wergk  gerichtet  ist,  wird  abermalt 

Tnderthenigst  erinnert  vnd  ^'(-bchten,  zu  bedenken,  ob  nit  aller  mögklichen 
vrsachen  halber  dieselben  in  dieser  vnd  den  andern  Ghnrf.  Scholen  mm 
forderlicliston  aufzurichten  sein  solte  .  . 

Ans  Grimme  sind  die  Visitatnro«?  lant  Churf.  brfehls  pen 
Geringsw a! (1  ktniirn  vii<i  ist  der  bericht,  wie  man  die  Sachen  doselbst 
befanden,  alsbald  durch  den  Schösser  za  Gnmme  vberseodet. 

IM»: 

Haben  erstlich  mit  allem  vleiss  die  praeceptores  vermöge  Gbarf. 
bevelhfl  befragt  vnnd  verhöret  einen  ieden  insonderheit,  vnnd  von  allen 
vnd  einem  jeglichen  guten,  laatem,  eigentlichen  bericht,  fbmemlicb  die 
Christliche  eintrechtige  lehre  vnnd  consensns  doctrinae  ecclesiasticae 

in  diesen  landen  betreffend,  eingefordert,  doinit  meniglich  woll  begnügen. 
So  ist  auch  sonst  kein  mangel  ahn  der  schnei  lehr  noch  ander  klage  ver- 
merkt. Pefindet  sich,  das  (nott  loli)  diese  schuclc  mit  praocept  orihTi«; 
wol  versehen,  sich  auch  die  praiM  cjitores  mit  dem  Verwalter  vnd  er, 
der  Verwalter,  mit  Inen  woll  vrrtiat,M'ii  vnd  in  gueter  eynigki;it  sein.  Es 
werden  au(  Ii  in  der  Ilaushaltutig  gar  keine  vnrichtigktMt  vnHeiss  oder  nach- 
Iftssigkeit  gespUret  vnd  sind  beide  theil  ires  ambts  erinnert  vnnd  dem» 
selben  getreolich  vonostehn  vermanet  Die  prilceptores  haben  der  knaben 
halber  vermeldet,  das  mehimals  in  die  schneie  geschickt  werden  wdche, 
ao  noch  in  lesen,  schreiben  vnnd  Decliniren  vbcl  institnirt  sein*),  vnd 
Tber  das  mit  vngestalt  der  Kleidunge  vnnd  freiheit  sich  ttirlit  wie  schtUer 
er/eiprn,  deren  gleirhwoll  die  visitatoros  ottHrhc  (vrulcr  \v<'lchon  zwcen 
von  Allel)  insonderheit  fürgenommen  vnd  mit  worttii  gostratVt  haben.  Was 
dann  sonst  vor  ein.  jur  undertheniirst  \cnntlilrt  vnnd  erinnert,  wird  in 
aller  underthenigkf'it  gebethen  nochiaals  zu  betrat  hten.  Nemlich  einen 
Medicum  za  der  schneie  aus  Leipzigk  (wie  znvor)  zu  bestellen^),  item  ub 
nicht  ettliche  von  Adel  der  Visitation  ierlich  beimwonen  hevelh  zu  tbun*), 
anch  die  fandation  der  schneie  allenthalben  aafborichten.  Es  wUl  anch 
die  noht  erfordern,  das  ein  bsondere  tangliche  pcrson  bestelt  vnnd  gehalten 
werde,  der  Knaben,  welche  etwa  krangk  werden,  zu  warten*)  vnd  hievon 
dem  Verwalter  vevelh  zugeben. 

Es  befindet  sirli,  das  diese  schneie  mit  wein  nicht  woll  versehen, 
das  doch  liilliu'  ^<  in  sulte,  dieweil  der  ort<  viel  fische  gespeiset  wf^rden. 
vnd  das  von  der  schucle  einkhomen  woll  soviel  ohu  allen  nachteil 

))  Randbemericung  de«  Kurrorsten  Auguat,  loc.  10597,  BI.  142: 

»ollen  vorthin  k^ynen  annemen  vnd  do  sye  im  cxamon  eolUcho 
knaben  befynden,  dyselbigen  wider  heymachicken. 
kössler,  8.  112. 
•)  S.  2.  U),  A,  1, 


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240    Ifitteilungen  d.  Gee.  f.  deutsche  Brziehungs-  a.  Schulgetch.  Vn. 


ersparet  kttnte  werden,  dammb  guter  wem  vngcf herlich  bey  30  Eimer 
gekraffl;  do  man  andre  Verfügung  nicht  timii  wolle,  Tand  weiss  der  Ter> 
Walter  biervon  gnthen  bericht  vimd  AlrBchlege  nt  thnn,  wird  avfia  nnder- 
theaigvt  gebeten,  Ohnrt  Dareblenchtigkeit  weite  distheUs  der  ecbaden 
gnedipt  miltigkcit  eraeigen,  und  bevelhen,  das  der  Terwalter  dises  stneks 
halber  c:i>liöret  werde. 

Die  praeceptores  bitten  anf's  vmkrthenigst  zu  befürdem,  das  bei 
der  schnei  in  Grimma  liibliotlieca  oder  libcrey')  anpericht  vnnd  erhalten 
werde  zu  irer  der  iiraecej)! uruiu  Nutturft.  Hicniuff  diu  visitatorea 
underthenigst  bitten,  die  schuele  disfals  auch  guedigät  zu  bedenkeu. 

imt 

In  der  Sehne]  Grimma  haben  die  Yisitatores  die  Sachen  beider  die 
Institution  der  Knaben  sampt  der  Disciplin  vnd  die  Haushaltung  in  guter 
richtigkeit  befunden,  Vnd  obwol  die  knabcn  vngleich,  deren  auch  ein  put 
teil  neulich  hinein  kommen,  so  sind  dncli  die  meisten  wol  bestanden. 
Was  abt-r  iiianprols  befunden  vml  fiidnitiiu'  beduiift,  «la?  ist  abgeschaffet 
worden,  auch  der  Disciplin  halben  wider  etliche  nüttüiiugcr  enist  für» 
gewMidet.  Die  Geb  rechen  aber,  darOber  sieh  bdde,  dfe  PriLeeptom 
ynd  der  Terwalter  beaehweret  haben,  sind  ittmemlich  xweieiiei  gewesen, 
eines  Hedici  halber  vnd  wegen  des  abbraebs  des  weim. 

Was  einem  Med i cum  anlangt,  Jsts  an  dem,  das  die  andern  beide 
schalen  nach  nottdurft  Tsisoi^set,  die  Pforten  ans  der  Nanmbnr^  Meissen  ans 

der  Stadt,  vnd  hat  derselben  Medicorum  ein  jeder  seine  Jarbestallung  ans 
der  Schulen,  Grimma  aber  aUeine  ist  gar  mit  keinem  Medice  versehen, 
vnd  obwol  fttr  der  Zeit  einem  von  lieiptzi?  eine  bestalhincr  gocreben  von 
zehen  tuleni,  so  ist  es  doch  vngelegen  daniinb,  fias  Lciptzig  weit  ent- 
legen, vnd  der  Medicus  allwef,'e  mit  neuen  Mikusten  der  Sciiulen  hat 
mtlssen  abgeholet  vnd  widerumb  hingefürct  werden.  Darumb  die  Yisitatores 
bedacht,  weil  sich  ein  Mediens  sn  Leiptzig  augegeben,  als  wolle  er  anf 
bestallong  der  Sehnlen  vnd  des  Radts  sich  wesontiich  von  Haas  vnd  H<^ 
gegm  Grimma  wenden  rnd  allda  Ihme  tin  CSorpns  anrichten,  es  solle  der 
Schalen  gerathen  sein,  das  man  Ihme  Jeriieh  eine  bestallong  Tff  30  oder 
zum  wenigsten  yff  25  fl.  zn  machen  bette,  vmb  solche  bestallung  vfT  der 
knaben  fleissig  zu  warten.  Dann  ohne  des  so  vil  vnd  mehr  auflFgelauflFen 
ist,  wen  man  einen  von  Tieiptziior  vher  seine  bestalhmg  hat  holen  mtlssen. 
Derenthalbcn  die  Visitatores  vnsem  gnedigsten  Herrn,  cbni  (jhurfürsten  zu 
Sachsen,  vndertbcnigät  bitten,  seine  Churf.  g.  wolle  in  solche  bostalluog 
gnedigst  willigen   .  . . 

Ton  dem  abbrach  des  Weins  ist  vormals  aach  erinnemng  geschehen, 
vnd  ob  wol  die  Jar  der  Terwalter  von  der  Scholen  einkommen  aas 
gnädigster  vervilligong  etlichen  Wein  erkanfil  hat,  so  wollen  sich  doch  die 

RöPsler,  S.  215. 
'j  Randbemerkung  dos  Kurf&rsten:  fiat. 


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19.  Christoph  Schellenborg  de  viaittttloiubuä  etc.  241 


chikommen  küiitTtig  oiie  liesc  liwonnii;  so  fem  nicht  erstrecken,  darüber 
wttrdc  die  Schule  in  schulden  gerutheu.  Dieser  vrsach  Iialben  vnd  weil 
der  Prfteeptonim  vtd  Knaben  geinndUidt  eaweüeii  ein  trandc  wein 
erfordert,  bitten  abermals  die  Ylaitatores  vndertbenigit,  vnser  gnedigster 
Herr  wolle  die  fArhin  gewilligte  Anzal  eimer  weios  kflnfltig  der  Sehnl 
Grimma  aus  der  Pforten  folgen  lassen.  Dieselben  wollen  sie  mit  der 
Scholen  pferden,  wans  die  Zeit  ist,  abholen  ohne  irgents  jemand  beschwenug. 

1571: 

Der  Verwalter  berichtete  den  Vieitatoren.  er  habe  das  Jattr 

130  Scheffel  Roggen  um!  1<h)  Schefl'el  Hafer  borgen  mUsaeii;  Deckung  sei 
möglicli,  wenn  die  Gelder  der  Kostknaben  bossor  oiui,'lngt.  n  (diese  wurden 
von  dttii  Visitatoren  bedroht) ;  notwendig  soi  die  Auöbe«*8erung  des  Ducha 
und  des  Türmleina  der  Kin  he,  der  Schule  für  nOtzUch  halte  er  dio  Anlage 
einea  Karpfienteichea.  Seine  Wunsche  voranbringen  und  zu  empfehlen» 
erboten  sich  die  Viaitatoren,  doch  vermahnten  Sie  ihn,  keine  unnötige 
Kosten  dadurch  herbeizuführen,  dass  er  erwachsene  Kinder  und  mehr 
Gesinde  im  Hause  haho,  als  ihm  zuprestandpn  sei:  weiter  teilten  sio  ihm 
mit,  e«  seien  klagen  über  Speise  und  Trank,  auch  über  die  Kleidung,  die 
den  Knaben  nicht  zu  rechter  Zeit  gegeben  worden  a^  laut  geworden.  Br 
gelobte  Beeaerung  nach  jeder  Richtung  hin.  Im  Bericht  heiaat  es  dann 
weiter: 

Diweil  auch  zwischen  dem  Verwalter  vnd  den  Präcepturibus  ein 
missverstandt  entstanden,  dessen  vrsach,  das  er  selten  zu  ihnen  nliri  den 
gemeinen  tisch  in  ccnaculnm  kompt,  dadurch  dan  vil  Irrungen  ab- 
gewandt werden  können,  haben  die  Visitatoren  zwischen  uomeUen  Personen 
denselben  missverstandt  vffgehoben  Und  erstlich  dem  Verwalter  vermüge 
des  Chnif.  befhels  ernstlich  vferleget,  den  Präccptoribns  mehr  vnd  Oüter 
bey  zu  wonen,  darnach  beyden  bevholen,  was  ein  teil  an  dem  andern  fQr 
mangel  finde,  von  denselben  sich  mitt  einander  frenndlich  zn  vnterroden, 
dieselben  abschaffen  vnd  einander  die  Hendc  reichen,  wie  es  für  der  Zeit 
brenchlich  gewesen  sey;  das  sie  sich  zu  beiden  teilen  zn  thnn  erboten  haben. 

Es  ist  üinen  auch  zu  beiden  teilen  emstlich  bef holen,  dem  Verwalter 
vff  sein  gesinde.  den  Prilceptoribus  vtT  ihre  knabcn  gutt  flcissig  acht  zu 
geben  bey  tag  vnd  nacht,  das  ein  jeder  das  seine  warte  vnd  des  andern 
sich  verscldahe  .... 

Lm  der  Inöfitution  der  knabon.  wie  (lii-scibc  von  dm  jirac- 
ceptoribus  den  Visitaturn  inu  schrillten  angestelt^it  haben  diu  Visitatoren 
dismal  nichts  zn  endem  befanden.  So  sind  die  knaben  in  dem  Ei  am  ine 
dermassen  bestanden,  das  die  Visitatozn  gar  ein  gntt  gen&ge  vnd 
gefallen  an  ihnen  gehabt  haben.  Tnd  da  sie  die  Praeceptoren  einen 
jeden  inn  Sonderheit  gehöret,  die  gebrechen,  so  von  einem  Jeden 
fürgebracht,  nachmals  in  geraein  vermöge  der  Schulordnung  vnd  iron 
legibus  mitt  allem  fleiss  eiidcni  vml  abzuschaffen  bi  fohlen  Sonderlich 
aber  ist  ihnen  mit  ernst  vtlVrlet^t,  acht  daruff  zu  tirlirn,  die  nacht- 
inspection  von  deme,  dem  dieselbe  zu  verrichten  bcfhulen,  recht  vnd 

MiU«Uaogen  d.  Oes.  t  doutsob«  &Yioh.*  u.  Sohulcesotüclit«.  VU  3  1897.  \ß 

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242    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Enüehungt»-  u.  Schulgesch.  VU. 


fleissig  bestellet  vml  die  kiiaben  keineswegcn  alleine  gelassen  werden. 
Bftii  sotten  danron  künftig  klagen  oder  berichte  einkonunen,  worden  die 
Visitatores  vermacht  von  wegen  der  ernsten  Ghurf.  befbele»  «o  derentbalb 
ergangen,  diesen  mangel  femer  mit  beschwer  anxabringen. 

1573: 

Es  i^t  eine  gemeine  klage  in  allen  vier  Schulen'),  das  ufft  knaben 
hinein  gethan  werden,  allein  der  vnderhalt  halben,  die  ontworler  gar 
von  Natnr  vntüchfitr  zun  stndijs  sind  vml  vngeschickt  udci-  über  keinen 
willen  vnd  lust  darzu  habt  n,  viid  knim  disciplin  leidon  wollen,  auch  offto 
sich  erklcrcn,  das  sie  zu  »tudiieu  nicht  gedencken,  darüber  so  verhetzen 
vnd  verfllrcn  sie  mit  sieh  andere,  die  sonst  vol  an  regieren  vnd  an  xleheii 
weren.  Derselben  sind  eüicho  den  Yisitatoribas  fllrgestellet  worden,  die 
biss  inn  das  sechste  Jar  inn  den  Scholen  blieben  vff  anhalten  vnd  flehen 
der  eitern,  aber  wenig'  stndiii  haben.  Sind  nhu  erwachssen  vnd  zu 
anderer  Handtierung  vntOchtig,  dann  sie  sonst  zu  nichts  andrem  getHi^Sa 
vnd  gewolinct  wurden  vnd  Schemen  sich  nunmehr  alters  halben  ottwas  m 
lernen  oder  anzufangen,  das  der  .lutreiit  ^'i  höret.  Solche  gcwonheit  di»  - 
weil  sie  den  Schulen  bcsclnverlich  \  iid  st  liedlicli  ist,  danimb  das  denen  so 
das  Churf.  beneficium  geniessen  vnd  vbel  aidegea,  nicht;»  geholffeu, 
aiMlem  aber  die  tüchtiger  darzu  weren,  solche  far  dem  maule  weg. 
genommen  wird,  haben  die  Tisitatoren  doch,  vff  Ghurf.  gnedigste  erklerang, 
bedacht  diesen  gebrechen  knniltig  allso  abanhelffisn,  das  allen  knaben  so 
inn  die  Scholen  genommen  werden,  mm  wenigsten  das  erste  Jar  anr  probe 
vnnd  com  Yersuch  Jhar  gestattet  werde,  vnnd  bey  denen  man  spflret  vn- 
tOchtigkeit  zum  studiren  oder  Vnwillen,  das  dieselbigen  aussgangs  Jhars 
alsbalt  hinaus  geschaffet  vnnd  andere  an  ihre  stat  geordnet  wttrden. 

Zum  andern  gehet  auch  eine  irpmeine  klaye,  das  man  mitt  der 
electinn  der  knaben  so  inn  die  Sctiulen  auss  den  Stedten  verordnet  vnd 
geschickt  werden,  nicht  riclttigk  vinbfielic  vnnd  das  oftmals  aus  t;unst, 
arme  wolgcschickte  tüchtige  knaben  vhergangen  vnd  Ver- 
stössen, andere  aber  als  der  ffirncmsten  sühne,  die  es  wol  am 
wenigsten  benötigt  weren,  aus  gnnst  fttrge zogen  vnd  eingeschoben 
werden.  Diesem  gebrechen,  weil  die  Yisitatores  fftr  ihr  person  nicht 
haben  oder  wissen  zn  rathen  oder  absu^Hfen,  haben  sie  von  dem* 
selben  allein  vnseni  Gnedigsten  Herrn  dem  Churfttrsten  zn  Sachsen  etc. 
erinnern  wollen,  ob  niclit  ein  weg  wer  diesem  zn  rathen . . . 

Znm  Dritten  ist  auch  eine  gemeine  klage  der  krancken  knaben 
halben,  das  diesclbi^  nicht  genügsame  nntttirftiee  wartiinu'  liaben,  dieweil 
sie  allein  von  den  anr!ern  knaben  geptletret  vnd  gewartet  werden,  die 
nicht  srenui?sani  verstehen,  wie  vnnd  wann  sie  zu  speisen  sein  oder  die 
Medicin  abwarten  suUcu  mit  einnemen,  schmieren,  schwitzen,  reinigen 


')  Pfurta,  ürimma,  Meiaeeu,  Kosalcbeu. 


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1».  Christoph  Schellciibcri;  du  vuitaüouibua  etc. 


243 


vnd  dergleicln  ii,  Auch  das  Wnchpn  inn  poferlirben  kranckhriten  iiirlit  aus- 
sU'hf'ii  vormüKon  vnd  sonst  Jugeiit  halben  zu  solchen  Dienst<ii  verdrossen 
vnd  beschweret  sind.  Vml  worden  tliirrh  solrhs  unrichtig  warten  Süuder 
Zweiffei  offt  kranrk*'  vtrwarhiset,  die  suust  möchten  erhalten  werden. 
Wolle  derfaalben  der  Sehnten  nottnrft  Bein,  das  gewisse»  alte,  ventendige 
penonen,  mann  oder  weib,  m  solchem  warten  (so  oft  es  von  nöten) 
beateilet  werden,  welches  one  sondre  grosse  Yokosten  oder  beschwemng 
der  Scholen  wo!  geschehen  kan,  wan  mau  ihnen  gleich  etwas  gewisses  ver« 
ordnen  sollte  . . . 

Inn  der  Schnleu  Grimma  haben  die  Visitatoren  die  Ynderhaltang 
der  Praeceptorum  vnd  knabcn,  desgleichen  auch  die  Lehr  vnd 
Instittttion  belangend,  keine  klage  oder  niangel  befunden.    Dan  die  knahen 

znm  meisten  wo!  bestanden  .  .  .  Sonstcn  a))>  r  die  kiiiibon.  das  iresinde 
vivd  soiidorlirli  die  Rürpcr  vnd  iMiiwoner  Inn  der  Stadt  liclaiiüfml ,  sind 
ettliehe  gcbrcelien  zum  ti  il  vom  Verwalter,  zum  teil  von  Praeccptoribus, 
zum  teil  von  beiden  fürbracbt  wurden. 

Die  knaben  belangend  ist  den  Prnereptnribus  niitt  enist 
befoidtMi  worden,  vtl"  dieselben  vlcj'ssigcr  aclit^^ugeben  vnd  ^^-^on  iliiicii  auch 
ettwa»  uitlir  cnist  zu  gebrauchen,  den  nmttwillen  zu  welirun  vnd  zu 
steuern;  sonderlich  das  die  Inspectores  stets  umb  vnd  bcy  den  knaben 
bleyben  vud  verhütten,  damitt  sie  sich  des  Oeconomi  gesinde  eutscblagen 
vand  schaden  zu  thnn  enthalten. 

Dergleichen  ist  dem  Oeconorao  bcf holen,  sein  gesinde  allso  zu 
lassen  vnd  zu  regieren,  damit  sie  der  knaben  mQssig  gehen  und  das  heim- 
liehe  practieiren  md  partiren  mittHnander  vntenregs  lassen. 

Der  15  ürj::('rscliaftt  hallx'ii  liab^n  beyde  teil,  der  N'crwaUer  vnd 
die  Praeceptores  kiaK"-  ciii;,'cliraclit,  das  sich  eine  Zoittlaiiu'  her  dieselbe 
mitt  gcwalt  vnd  iiiil  liauffcn  inn  die  Schulen  gedrungen  vnd  die  knaben  an 
sich  gezogen  haben,  vnd  obwol  der  Verwalter  diesem  allem  so  viel  möglich 
geweret,  so  habe  es  doch  nicht  heUTen  wollen.  Weil  dan  daraas  entlieh 
beiden  der  Hansshaltnng  vnd  der  Disciplin  mercidiche  zerrOttung  vnd 
Vmtrib  hatte  folgen  wollen,  haben  die  Visitatorn  den  Bttrgermeister  vnd 
Richter  der  Stadt  fleissig  ermanet,  ihren  Bargcrn  solches  idndringcn  inn 
dip  Schule  m  vntersagen  bey  einer  gebttrlichen  harten  straffe.  Das  sie 
sich  zu  thuD  erbotten  haben. 

Ks  haben  aneh  die  ^sitaftom  nicht  vnterlassen,   von  ettlichen 

gebrechen,  so  cttwa  der  Praeceptorum  halben  anderswo  an  sie 
gelangt  i!),  dirsellte  in  criiuieru  mit  ernster  ermanang  zum  vleyss  vnd 
zur  eiuigkeit  durcheinaudcr  .  .  . 

Der  Ernvheste  Gestrenge  Haubolt  von  Starschedcl  ist  dissmal  bej 
den  andern  Visitatom  nicht  gewesen,  hat  sich  entschuldiget,  das  er  wegen 
der  steaer  eiuuamc  in  Leipzigk  nicht  abkommen  künne. 

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244    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehuji^fs-  u.  Schulgesch.  VII. 


Haben  füllenden  tas  vor  Mittag  <leii  Cliurf.  jüngst  aussgegaageiieii 
bet'ehl  dieser  \  j!5UuUoii  iialbtju  vorgelialtteii  uid  Uuiuuff  vou  Ihnen  bericht 
begeliretf  wats  Yor  Immg  vnd  gebrechen  vnter  Urnen  s^st  fürgefallen, 
auch  welcher  viiderweisaDg  der  kaabenn  itsiger  Zeitt  bewandt  wehre. 
Doraoff  dann  erstlich  der  Sehnlenn  Rector  vnd  die  andern  Pii- 
ceptores  ein  Jedw  Inn  eonderheit  angezeiget,  dass  awischeD  Ihnen 
selbst  gote  einigkeit  scy,  sii  h  auch  derselben  hinfort  gegen  ein- 
ander zu  befleissigeii  erbot liiii,  haben  sicli  auch  crklLTot.  dass  sie 
mit  der  Speise  vnd  trauck  vnd  soiistcn  mit  dem  vf  nvalter  wol 
zufriedenn;  hinwindcr  der  Verwalter  vbcr  die  praocppt  ores  nicht 
geklagt,  bich  auch  auf  vnserc  erinaciuag  erbotenn,  so  oft  das  er  durch 
erhebliche  vrsacheu  luu  der  Uaussbaltung  vud  soustcu  nicht  verhindert 
wttrde,  ann  der  Praceptora  gemeinen  tisch  znkommenn  vnd  doselbst  vonn 
▼offallenden  saehen  sieh  frenndtlich  vnter  einander  za  bereden.  So  aeind 
auch  etidiche  geringe  gebrechran,  so  itaimd  Terman^et,  auf  vnsere 
erinnening  geenderC  vnd  abgeschaft  wurden  .  .  .  Znm  andern  . .  seindt 
die  Präceptores  erinnert  worden  . . .  keine  stunden  zu  verseumen,  auch  die 
nächtücho  Inspcction  von  domo  so  os  gebühret  mit  fleiss  zu  halten  vnd 
sich  also  allenthalben  Ihrem  ampt  geuiess  zu  ( rzeigen.  Hierüber  ist  Ihnen 
auch  vermeldet,  welcher  gestnlt  es  mit  Ihren  so  wdI  als  mit  vnsenn  Jhär- 
lichen  Examiniren  hinfort  gehaltenn  werden  solle,  Nemlich  dieweil 
gebreudilich,  dass  vonn  den  Präceptores  zwey  Jh&rliche  sondeiliche 
Examina  Öffentlich  gehalten  werdenut  so  sollte  derselben  eines  bis  vff 
vnaere  Ankunft  mb  Trinitatis  aufgeschoben  . .  werden.  Zum  dritten 
aeind  nach  mittage  desselben  vnd  Vormittage  des  folgenden  tages  alle  vnd 
jede  knaben  durchauss  in  den  stücken  der  Christlichen  lahr  des 
Catechisnii  vud  auderu  artihus  dorinn  sie  bissanher  vnf errichtet  vud 
geübet  worden,  auch  in  vers  vnd  Pr<>?am  srhrciben  vorhorot  vud  exaniiniret 
worden,  vnd  seiud  <ler  mehrer  theil  dcrselbigen  Ihrem  alter  vnd  verstand! 
nach  wül  bestanden,  das  man  billich  drumb  gott  dem  allmechtigen  vnd 
vnsem  gncdigstcn  Churfürsten  zu  Sachsen  zu  danken.  Vnd  ob  wol  etzliche 
wenige  etwas  nachlässig  vnd  muthwillig  befunden  vnd  derfaalhen  in  sonderiieitt 
den  anderen  zum  absehen  vns  öffentlich  voigestellet  vnd  von  uns  zum 
jleissigen  stndiren  vnd  guter  disciplin  erinnert  worden,  So  haben  sie  sich 
doch  dermassen  dorauf  erzeiget  und  bcssening  zugesagt,  das  auch  der> 
selben  halben  hinfort  gute  hofiiung  zu  haben. 

Gebrechen  so  vnderthenigst  zu  berichten  gebeten  word»: 

Erstlich  .  .  wird  es  vnserm  gncdigsten  Herrn  anheim  gestellet,  ob 
sein  GImrf.  6.  einen  vom  Adel  hinfort  wieder  zu  dieser  srhuh  u  Visitation 
verordnen  wollen;  mm  nudern  als  auch  Inebcvor  inu  Jedes  kiuiben 
kauimer  ein  Flocken  bette  LTorduet  wordcnn  vud  dieselben  bcttenn  zum 
mehrem  theil  nunmehr  verbraucht  vud  abgegangen,  So  hatt  der  Verwalter 


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19.  Clifivtopli  Sclieneiilierg  de  ▼iBltatlonflras  ete.  S45 


vnd  die  PrSoeptores  gebetenn  ,  daa  der  abgang  solcher  bettenn  fftr  die 
gar  wnieii  gnadoikiiiAeo  fridemmb  za  erBetsenn  möchte  »igelassen  Tnd 
erianbet  werdemt. 

Zum  drittepn  bitten  die  Präceptores  vndcrthenigst,  das  diese 
schule  mitt  einer  gnedigsten  Zulage  bedacht  werden  möchte,  domit  eine 
Bibliothecam  doselbst  aoznrichtenn    irie  dann  za  Pforten  bewilliget. 


>)  Siehe  aehon  Vialtationabericht  1669. 


240    l[itteUiingeiid.Q«i.f.ddtiteeh«Bnl«hiings-ii.8cha]geBeh.  VII. 


20. 

l>ie  Feier  des  Grei^üriustestes  an  der  Aiiuaberger 
Lateinschule  im  XVI.  Jahrhundert. 

£iu  quellenmässiger  Beitrag'  zur  Geschichte  dieses  Festes. 

Pavl  BairtuBoh,  S(>uniiorol)(<rlohrer  in  Aiuiabdr;^ 

(Künig^reicU  Sachsen). 

Ueber  das  Gregoriusfest,  seinen  l^i-spi-ung  und  seine  Feier, 
ist  in  älterer  und  neuerer  Zeit  bereits  viel  geschrieben  worden.') 
Trotzdem  liefern  namentlich  dl4>  örtliclien  Quellen  noch  manchen 
interessanten  Beitnig,  so  auch  die  Annabcrirer. 

Das  genannte  Schul-  und  Kindorfr'st.  dessen  gebrauciilichstor 
Name  beltanntlich  Aon  dem  mittelalterlichen  Schutzpatron  der 
Schiile,  dem  Papste  (iregor  dem  Grossen,  abgeleitet  wird,  das  aber 
in  Annaberg  —  wohl  in  KiinnerunL:  ;in  seino  älteste  Heimat,  das 
alte  Korn  —  auch  gern  rallados  festiuu  genannt  wird'^),  wurde 

*J  Allein  in  dieaem  Jahre  Ober  das  Gegoriusfeet  an  e&chBiflehen 
Schulen  drei  Arbeiten  erHChienen:  H  Dnbritz:  Etwas  vom  ulten  (iregurius- 
festo  in  sHchsiöchnn  StAdteii  {Wim.  Beil.  d.  „Leipzg.  Zt-.  '  1897.  Xo.  80). 
—  E.  H«  \  iloareich:  Das  Gregnritisfest  im  Hi\chsi3chea  Hrzgebirg-e,  mit 
boHunderer  Berttcksichtiguug  Freiboigcr  Vcrhaltuistio  (Mitteil,  dos  Froiberger 
Alteitumaver.,  Heft  88).  —  P.  Bartuaeh;  Die  Annaberger  Latehiaehnle  sur 
Zeit  der  ersten  Blute  der  Stadt  und  ihrer  Schule  im  XVt  Jahrhundert: 
Bii>he  dort  iL  Haupttell,  III,  8  (unter  Erziehungsmittel,  spesieU  Be- 
lohn un  gen  ^ 

')  Mit  letzterem  Namon  ^oileu  die  iücaigen  humanitjtiächen  Bericht- 
erstatter olmB  Zweifel  auf  den  Znsammenhang  doi  Kinderfeetea  ihrer  Zeit 
mit  dem  alCrömieehen  Feste  der  Quinquatrus  hinweisen,  die  su  Ehren  der 
Minerva  von  ullon,  die  diesn  ü<<ttiii  als  Schutzpatronin  verehrten,  ulso 
auch  von  dm  le  rnenden  Kindern.  '^>'\Q\ort  wunl'  ii.  V.  r;xi.  Ovid.  Kast.  III 
bUU  ff.,  inabes.  bl5:  Pallada  nunc  puori  teiuTampi^-  inaio  jniellae,  Qui  benc 
placarit  Pallada,  doctus  orit.  Ob  dieser  Zusammcnhaug  iu  Wirklichkeit 
existierte,  ist  eine  andere  Frage. 


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20.  Die  Feier  des  Gregoriusfestes  etc. 


247 


aus  dem  katholischen  Miitrlalter  auch  in  die  protestantische  Schule 
herübergeüümmeii.  In  der  Auiiaherger  T^iteinschule,  dir»  ^vie  diu 
Stadt  Annaberg  selbst  auf  der  Greirze  zwisclieii  Mitielaltei-  und 
Neuzeit  ^^r-i^rUndet  worden  ist  (1498/U9),  und  die  im  XVI.  .lulir- 
huudert  nach  Zahl  der  Lehrer  (5—6)  und  Schüler  (bis  TuO).  der 
Klassen  (5 — 6)  und  Lehrzimuicr  (4),  üu(  h  Art  des  Uiiterrichts- 
bt'tr  iebes  und  der  Eraehung  neben  den  ;^'rö8si.  n  iiiid  besten 
Schulen  des  Sachsenlandes  einen  Platz  verdieut  'l.  ist  es  jedentalls 
schon  sehr  tiüh,  vielleicht  schon  1512  (nach  chronikalisoliem 
Berichte),  sicher  aber  lange  vor  1572,  in  welchem  Jalire  es  eine 
IJmfonnuug  erfuhr,  eingeführt  gewesen,  und  bei  der  Vorliebe  des 
Er/.gebirgers  für  derartige  volkstümliche  Feste  (man  denke  nur  an 
die  Anoaberger  .Käth-I)  ist  es  kein  Wunder,  dass  die  Feier  hier 
sowohl  zur  YoUen,  glftnzendsten  Entfaltung  gekommen  ist,  als  auch 
bis  in  unser  Jahrhundert  hinein,  bis  1824,  dch  erhalten  hat^. 

Wie^sie  am  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  (um  1589),  sowie  einige 
Zeit  vorher  (vor  der  Reorganisation  1672)  verlief,  darQber  giebt 
uns  der  bekannte  Ännaberger  Chronist  und  berfihmte  Schuirektor 
des  XVI.  Jahrhunderts  M.  Paulus  Jenisius  oder  Jenisch  (später 
Hofprediger  und  Ronsistorial- Assessor  in  Dresden)  in  seinen  1589 
augelegten  Ännales  scholae  Annabergensis  einen  vollständigen, 
wenn  auch  kurzen  Originalbericht.  In  Kapitel  V  genannter  Quelle, 
das  die  Uebeischrift  trftgt:  Scholae  instituta,  mores,  oonsuetudines, 
findet  sich  neben  anderen  interessanten  Baten  Uber  Schulordnungen, 
Examina,  dramatische  Aufführungen.  Ferien  etc.  folgende  Be- 
schreibung dee  Schulfestes: 

PALLADOS  FESTVAI. 
l'ueros  ad  schnlam  ronvocanili  talis  quondam')  ratio  usuipata,  ut 
totus  grex  Schola^ticub,  parvubä  solummodo  exclusis,  qui  per  aetatis  ac 
corporis  imbedUitatem  prodire  non  possent,  tripartito  agmine  per  arbem 
qnotidiano  colta*)  incederent  inque  civiam  aede«  admissi  modot  facerent 
mnsieos  eo»que  orationft  latina  ant  germanica,  nt  ad  Scbolam  filios 

')  Ausführlich  ist  (Iber  Gründuug,  Geschichte  und  Gestalt  dieser 
trutz  ihrtT  Bhcnmiigeii  Bertihruthoit  (sogar  Mcianchthnn  Ix'clirto  sie  mit 
oiiieui  üeiiucho!)  bulbvergesseuou  SScholu  Auimbergeusis  iu  des  Xerümen 
obehgenaiuiteiii  Buche  (Beilage  s.  4.  Ber.  des  K^L  Lehreneininaraj  berichtet. 

')  Aafgfehoben  'Wttrde  derGregoriiuumsag  in  den  «aeheltchen  Scholen 
—  nach  mehrmalifT*^'")  Anlaufe  177:)  und  IbOö  —  erst  durch  das  Volke- 
echulgcaetz  vom  6.  Juni  iHlib.   An  seine  äteile  trat  das  moderne  Behulfest. 

•■')  Vor  lü72  unten). 

*)  lu  AUtagskleidung. 

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248    Mitteilang«a  <L  Geo.  f.  deutoche  ErdelmiigS'  u.  Schulgeoch.  WTL 


mitterent,  per  emn»  eai  dtcendi  partes  mcniiit»ebaiit*)«  in^tarent  Singalis 
agminilms,  qiaoe  Qioros  appeHainnt,  ex  adoltioribiu  qaidam  praeerat,  qni 

Mnsicos  concentns  moderarotur  ac  reliqnos  in  officio,  dam  per  platcas 
irent,  inque  rivium  aedibus  contincret.  Fiebat  hoc  veterum  iiisUtuto  ipso 
Groporii  die')  aut.  ?i  n?rh  ronsfitutio  asperior  incideret.  paulo  post: 
<iuravitque  consnetmio  ca  ud  aimam  usqa«  1572,  quo  tota  Ula  ratio  sab 
M.  Jagenteiiffolio  osl  inimutata''i. 

Parvuli  cuim  caadidati^i  prius  in  tcuiplu  convenirc  jnssi  äuut,  quos 
qaidam  Salvatoria  penoiuun  gerens^)  praeccdit;  seqauutar  paeri  Sjnn- 
pbonici:  medimn  agmen  Episcopi  quldam  habitnm  gerens  tenet^,  et  non 
roolto  postiUademate,  iceptro,  monflibaa  anreia  ae  veete  precioea  andcttts 
paar  eqao  Tectas*),  cnjns  latera  »t^patoree  daadmit,  praeeiiiitibm  aliquot, 
qoi  proeeruni  persona?;  snstiiieiit  Atqae  baec  pompa  per  plateas  vrbiB  in- 
grcditur,  hymnis  ac  Musico  ronrcntu  apparatusqnc  splcndorc  parvuloniin 
animos  ad  se  alliriens.  ut  qui  cunctanter  alioqui  ad  Scholam  veniunt,  specta- 
culia  illia  deliniti  magoifacere  discant  rem  Scholaaticam,  ac  discipUoae 

*)  Durch  den  Sprecher. 
')  Am  12.  Mar*. 

')  M.  Nicol.  Jagenteuffel  aus  Königsberg-  war  in  Annaborc:  Supor- 
iotendent  1667—1574.  Durch  ihn  wurde  statt  d«a  seit  der  i^elormation 
vereinlachten  Modus  der  Feier  wieder  der  prunkvollere  des  ausgehenden 
Uitteiaitore  eingefOhrfc,  demaofolge  das  Fest  in  einen  Irirchttchen  und  einen 
weltlichen  Teil  zerfiel  (a.  Palraer  in  Herzogs  Realcncykl.  V,  865  ff.).  Diese 
Reorganisation  gab  den  spateren  Annaberger Cbr*  ni  tcn  und  Srhulrektoren 
M.  Georg  Arnold  iChronikon  Annacborgensp  und  Adam  iJauiül  Kichter 

(Umständliche  Chrunica  utc.  1746)  Aiilasä  zu  der  Üelmuptung,  das  (iregorius* 
fiest  sei  1672  nherhaupt  sttm  ersten  Mate  hier  gefeiert  worden.  In  anderen 
sachsiBchen  Städten  scheint  thataftclilich  die  Uregoriuefeler  in  der  ersten 
Zeit  nach  der  Reformation  geruht  zu  Iiabcn.  so  in  Freiberg  bis  1BS2  (Süss, 
Gcech.  des  Gymn.  z.  Freib.,  S.  öü  ü'.),  in  (irimnia  bis  \nH3,  in  Oschatz  bis 
löbH  etc.,  obwohl  die  Reformatoren  dem  Feste  durchaus  nicht  feindlich 
gogenttlter  standen. 

Richter  in  seiner  Chronüc:  ,in  weissen  Heni1)den*. 

*)  Oemeint  ist  .der  Salyator  oder  der  Herr  Christas  selber  als  der 
einige  und  obriste  Bchnlpatron,  der  nicht  allein  im  12.  Jahre  seines  Alt«rs 

die  grossen  Doctores  mit  höchster  Verwunderung  unterrichtet,  sondern 
auch  in  denen  jüdischen  Synagogen  gewaltig  golohret  hat."  (0.  Beonewits: 
«Entwurff  des  Uhralten  Gregorius-  und  Schulen-Festes  1652".) 

^  Die  Rolle  des  Bisdiofe,  nach  der  die  ganze  Pestliclilceit  wohl  auch 
das  Bisehoftspiel  genannt  wird,  fiel  demnach  auch  in  naehrefonnatorischer 
Zeit  nicht  weg.  Freilich  wurde  sie  von  der  des  „Kaisers*  mehr  und 
mehr  überstrahlt,  und  endlich  ging  ^ie  unter  dem  Schwärm  von  allego- 
rischou  Figuren,  von  Gullorn  und  Gütiiaueu,  Alusen  und  l-^ngoln,  die  sich 
namentlich  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  im  Festzuge  breit  tuacliteii,  ganz 
unter. 

Richter  a.     O.:  »der  Keyser  genannt* 


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20.  Die  Feier  des  Gregoriusfestes  etc. 


249 


so  suhniittant  cnpidius').   Usu  tandcm  receptum,  üt  concio  in  templo 

publice  hiiberotnr^;  oaqiio  pfrarfa  de  Soholi-;  enniniqno,  nni  Iis  pracstint, 
pareiitum  quorpie  ac  disripulorum  officio  Kpiscopus  prinmm,  hinc  pueri 
quidam  Snoptricr^ri  ad  poptilnm  dissorant,  factaque  naminis  divini 
invocationo  dictisque  ab  Ecdesia  prccibus  ordiuo  pucri  c  tmplo  iiymnuDi 
racrnm  eanentes  egrediantiir. 


>)  Mit  naiver  OlfenheU  wird  hier  sugeatandeo,  daaa  der  Kkuptaweck 
der  pomphaftoD  Feier  nicht  die  BdueUgang  der  Schiller  war,  aondem  die 

Anlockung  derer,  die  e^  wcrdon  wollten  oder  sollten.  Der  gl&nsende  Auf« 
7A}g.  durch  den  dip  Ivatoinscli  nie  nicht  nur  die  Herzon  der  Kinder  gewann, 
sondern  auch  die  Augen  der  Bürgerschaft  auf  sich  zog,  wnd  durch  den 
sie  —  auä  ihrer  ätillen  Verborgenheit  h.erau»tretend  —  als  offizielle,  von 
der  Obrlf^it  begflnstigte  und  bevoirechtete  Stadtochule  sich  erwiea, 
war  in  jener  ^ichulzwaoglosen  Zeit,  mehr  noch  als  heutsutage  die  Zueker- 
düte,  ein  n^Mii^cr  Aüspom  zu  Avilligem  und  flciHwipnm  Schulbe.such  und 
namentlich  auch  ein  nicht  zu  unterschntzendet«  Fürdernis  im  Kampfe  g-egen 
die  gefährliche  Konkurrenz  der  Neben-  oder  Beischulen,  bo  auch  in  Anna- 
berg, wo  damals  die  .verstatteten  6  deotsschen  Schnlea  der  Knaben  und 
Jungfraolein*  und  ausserdem  eine  Reihe  von  Privataehulen  (unter  ihnen 
auch  die  des  „berühmten  und  fürtrefflichen  Rechenmeisters  Adam  Ries") 
und  Winkelschulen  gern  dip  i^chnlfr  wf-gfin^rfn,  und  wo  l.'7t>  dio  Collogae 
schoiae  klagen:  „Es  lauflfen  ihr  viel  uns  der  schulen,  die  hernach  in 
deuteschen  schulen  sine  testimonio  angenommen  werden*  (Sftcha  Haupt* 
staatsarch.  Loc.  2012,  Visit.  1679,  Bl.  188b.  —  AuafQhrllcheres  darOber  s.  bei 
Bartu8ch,  Annab.  I^ateinsch.,  S.  8—6  u.  91f.).  —  Aehnlich  singt  der  dritte 
Vers  des  alten  GregoriuaUedee: 

Diess  Spektakel  zu  Ruhm  und  Preis 
Don  Künsten  wird  ^'■ohalten, 
Anreizung  giebt  es»,  auch  zu  Fleins 
Don  Jungen  und  den  Alten, 
Das«  Eltern  solin  anff  frischer  fartb 
Zur  schul  sendten  Jhr  klnder  sarth 
Und  tiott  es  lassen  walten. 

*)  Schon  nach  dem  kursSchmschen  Bchulptsne  von  1628  ^.sollen  die 

Prediger  die  leute  vcrmanon.  yhrekinder  zur  schule  zu  thun"  (Vormbaum, 
ev,  Schulordn.  T.  1).  In  der  kursiU  hsisrhen  Schidordnun'»'  von  158()  werden 
jährlich  zwei  Kchulpredigteu  angeordnet  (Vormbaum  a.  a.  0.  249,  261) 
In  Annaberg  wurden  solche  Bchulpredigten  schon  lange  vor  1580  floissig 
gehalten.  1617  dagegen  klagen  bei  der  Kirchen-  und  Schulvisitation  die 
Lehrer  Obmr  den  Superintendenten:  „In  toHto  Scholnstico  entbricht  Er  sich 
der  ppbOrlifhen  Schnlprodiirt,  fri\irt  di<'srll)i;^p  andoni  Collpgis  auf,  du  sich 
iiif'hr  gebühren  wnlte,  der  Schull  zu  willfahren,  diesoll)i;_'-e  zu  comnieu- 
diren,  nutz  undt  nothwendigkt^it  derselben  anzuführen  vnüL  als»»  bey  der 
Bürgerschaft  mehr  adfecUon  gegen  die  ScbuU  vndt  derselben  Diener  sn 
erwecken"  ^S&cha»  Hauptstaatsarch.  Loc.  2005,  Via.  1617,  Clag  vndt  Be> 
achwerungspuncta  der  Bchull  VI). 

* 

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250    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bndehung»-  n.  Selralgeadiu  VIL 


PecaniA  a  pneria  collecta*)  Lndimagistro  traditur,  qua  tyronrnlis 

tluiciiiaria,  iivae  passac,  amvfrdalap,  vpxrlla  rliartacea-),  p&im  bis  rocttis, 
qua«?  ob  recurrentps  in  sp  flexus  spinis,  a  duricie  crustnlaf  vucanf  ^i,  prac- 
bciitur  Idom  Ludiinagistor  de  pecuina  in  collppns  quitlpiain  ^)  crugat 
üsque  ob  praestituin  in  deducendis  per  plutcaä  pucris  ofüciuia  pruiidiolum 
praebet  et  coenam. 

Quaestiones  et  responriones  de  re  Scholastica,  quas  annuatim  in 
feste  PaUadoa  pneri  qnattuordecim  sceptrigeri  finita  in  templo  coneione 
tiU  iuvioesi  opponentea  et  respondentes  recitare  aolent,  in  gratiam  lectoris 
lioc  loco  adjectae*). 

Clu'i.stliche  fragen  und  Antwort  auf  8.  Uregori  Tag  von  den 

1.  Warumb  Pi  rdif^et  mann  auf  diesen  taji  von  Sclinlon? 

R  Dicweii  mann  an  diesem  Tage  die  neuen  Scliüb  rit  in  mit  fi'inon 
ecn  nionien  in  die  Schule  holet  *^),  soll  mann  die  Obrigkeit  vnd  Christliche 
Pfarrer  vnd  fromme  ültem,  SchulMeister  vnd  Schüler  erinncni,  wie  es  so 
ein  thener  vnd  klMüdier  Schatz  ist  vmb  eine  ObristUehe  fud  woUange- 
richtete  Schale,  Tnd  was  ein  Jeglicher  seines  Aiapts  nnd  Diensts  halben 
bey  der  Schale  thnn  soll. 

Auch  in  Annaberg  wtinio  demnach  beim  Umzüge  von  den  Schulern 
Geld  gesammelt  «Ein  Bettelgang*  ist  trotsdeBi  der  Gregoriusumguug 
in  Annaberg  nicht  gewesen  und  —  soviel  ersichtlich  —  nie  geworden. 

(Andere  in  Urimma,  vergl.  Dftbritz  a.  a.  0.)  Vielmehr  bewahrte  er  hier 
»tetä  8cineu  flaupt*  barakter  als  Schulfest,  im  Oegeosatse  au  den  zahl- 
reichen SingunifjT.iii^en. 

HoHinen,  Mandeln,  PapiurfiUi neben. 
*)  Brezeln,  «das  mit  jenem  Tage  unsertrennliche  Backwerk.* 
*)  Kandbemerkung:  Hodie  alnguUs  6  gr.,  Caotori  8  gr. 

Der  folgende  deutschp  Text  ist  im  wesentlichen  nieht  nach  don 
Aimabi^r^er  SchulanTialcn  zitiert,  wo  er  erst  npfiter,  unscheinenil  von  der 
Hand  de»  Kektor  M.  Johann  Vogelhaupt  (ii.  hier  I0o7— IGTü),  eingetragen 
ist,  sondern  nach  der  offenbar  alteren  Lesart,  die  sich  in  einem  in  der 
Leipsiger  Btadtbibliothek  aufbewahrten  Sammelbaode  Alterer,  handschrift» 
lieber  Annahergiana  findet.   Da  letsterer  Hand,  wie  in  „Annub.  Latein- 
schule"  8.  189  nachgewiesen  ist,  aiiH  den  Jahren  ]tVVi    IfJO^I  stammt,  so 
iat  damit  da»  hohe  Alter  der  Frageti  und  Antworten,  bezgl.  ihre  Entstehung 
und  Verwendung  zur  Zeit  dea  Jeuisius  im  XVI.  Jahrhuudert  erwiesen. 
*)  Vergl.  den  Anfang  des  oben  erwähnten  Gregoiiusliedea: 
„Ein  alter  Brauch  bei  Christen  ist, 
DaSB  man  zu  diofPii  Zeiten 
Die  .lug^end  durcli  di<'  Stadt  aufUeiit 
Und  in  die  Schul  thut  leiten. 
Idit  Klang,  Gesang,  lieblichem  Ton, 
Auch  mehrem  Ceremonien  schon 
Dies  Schulfest  wird  begangen"  etc.  etc. 


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20.  Die  Feier  des  Gregoriusfestes  etc. 


251 


2.  "Was  ist  denn  eine  Christliche  Schule? 

Es  ist  ein  rechter  Lustgarten  vnd  Paradeis  Gottes,  darinnen  Gott 
die  geteufliten  Kinderloin  unterweisen  lest,  damit  er  durch  ihre  unschuldige 
Zünglein  gelohet,  vnd  den  Teuffei  sein  Reich  zerstöret  werde,  vnd  darinnen 
er  lest  erziehen,  dii-  friede,  recht  vnd  d<'n  leutcii  Ihre  Gt  siindheit  erhalten 
helffen'),  Darunib  hatt  Gott  seinem  eiuigea  Sohn  ueben  allen  groseu 
Proplieten  aacli  lassen  Scbnle  halten. 

3.  Was  soll  die  Obrigkeit'')  bey  der  Schule  thun? 
Sie  soll  vornemblich  dahin  trachten,  wie  der  Hauptmann  zn  Knpcr- 
naum^J,  das  Schalen  erbawet  vnd  erhalten^)  vnd  das  sie  mit  Tüchtigen, 


AufTallig  it*t  es,  das8  hier  von  den  drei  Stilnden,  fHr  die  die  Anna- 
berger  Schule  wie  audere  ihre  Schüler  erziehen  woUlo  (statu»  ecciesiaHticus, 
8t  civilis,  st  oeconomicus)  nur  der  mittolste  aufgeführt  ist,  dorjejiige  der 
Politici,  denen  a«eh  die  Mediä  bdgeiftUt  werden.  VengL  Ober  den  Zweck 
der  Schule  des  Verl  Asnab.  Lateinaeh.,  8.  116  ff. 

')  Der  weltlichen  Obrigkeit,  an  die  bei  Einführung  der  Reformation 
d:ig  Scliulregimeiit  überall  überging,  wird  treue  FOrsorgp  für  d'io  Scluden 
sfiiun  von  Luther  Tind  Melanehth«in  oft  und  warm  iinH  Herz  g^elt-gt.  An 
unserer  Stelio  iat  mit  Obrigkeit  die  Ortaachulbehörde  gemeial,  albo  Sladt- 
pfairer  und  Rat,  in  deren  Hftnden  in  Annaberg  echon  in  der  kathoüacheo 
Zeit  und  endgültig  seit  der  Einführung  der  Reformation  (i.  J.  1639)  die 
Leitung  der  Stadtschule,  damit  freilich  auch  die  fast  alleinige  Für- 
sorge für  ihre  HrlmUung  lag,  und  denen  z.  B.  1555  von  den  Vinitatoren 
aneinplolüeu  wird,  „was  zu  beforderunge  der  Schulen  vnd  derselbigen 
Diener  vonnotten  sein  will,  jhres  vermugcuns  höchsten  vnnd  ganti  ge- 
trewen  irleiasee  su  befordern*  (Annaberger  Ratsarchiv  Vlait  1556,  Abschiede 
Art.  X.  —  Mehr  Uber  das  Schulreginicnt,  seine  Organe  und  Punktionen  •. 
in  des  Verfassers  „Annaberger  Lateinschule",  S.  19  Gi*). 

Von  ihm  riihmen  die  Aeltesten  seiner  t^tadt  (nach  Luthers  Ueber- 
setzung  von  Luk,  7,  Tj):  „die  Schule  hat  er  uns  erbauet." 

*)  Die  Annaberger  kamen  dieser  Verpflichtung  treulich  und  willig 
nach.  Binnen  IGO  Jahren  erbauten  sie  drei  SehnUillueer  (1512/14,  1549, 
1604),  von  denen  die  beiden  lotsten,  die  «steinern  xogeriehtet*  und 
„stattlich  erbawet"  waren,  unter  den  oft  recht  „vbel  gebeuethen"  Scluden 
der  engeren  und  weiteren  Umgebung  weit  hervorragten  und  weit  und  l)reit 
gerühmt  wurden.  Für  den  Neubau  des  Jahres  i6(.>4  brachte  die  Studt  in 
schwerer  2eit,  nach  dem  grossen  Stadtbrande,  1124  fl.  9  gr.^  Ja  nach 
anderer  Leaart  sogar  an  1866  fl.  auf  (also  nach  heutigeni  Geldwerte  gegen 
27(JO()  iNf.),  Sununen,  die  im  Vergleich  mit  dem  damaligen  Werte  der  Hauser 
(ein  Bürgerhaus  kostete  danial.--  in  Annaherg  26<Jfl.)und  den  Baukosfen  anderer 
Schulen  (die  stattliche  Schule  der  Naelibarstadt  SehnfcluTg  kostete  t1.)  un- 
gemein huch  siud.  ,Zu  vnderhulthuuge  der  ISchuelou'  etc.  werden  in  den 
viersiger  Jahren  des  XVI.  Jahrhunderts  j&hrlich  ,100  IL  vflb  wmügst'*  aus- 
gegeben.  (Ueber  die  Annabeiger  S^ulbautoi  veigL  „Aunab.  Lateinsch.** 
S.  44—52,  wo  auch  ein  interessanter  Grondris«  von  1649  sich  findet) 

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352    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deatsche  Emehung^-  u.  Schulgosch.  VIL 


Gottrsfflrchtis^en,  gelehrten  Vnd  vltisiptii  Icutt  n  bistellet  worden')  vnd  soll 
nach  dem  Exempol  Alphonsi  (':')  scIIh  t  mit  ziisrhoii,  (l;is  <lit'  Kinder  in 
uöthigen  vnd  nützlichen  Dingen  fein  richlig  vnd  trewlich  unterweiset 
werden^:  Tnd  soll  getrewe  Diener  nicht  leichtlich  Übergeben  Tnd  oflt 
wechseln,  sondern  sie  ihre  getrewe  Dienste  auch  geniesen  lassen*).  Denn 


')  Die  Sorge  für  ausreichende  Lehrkräfte  war  nicht  weniger  wichtig, 
die  Erinnerung  daran  in  jorn-r  Zeit  nicht  \\oni}x»T  nnfig.  als  die  br'zg'l.  der 
ScbuUokale.  Auch  in  diesor  Hinsiclit  war  in  Annaberg  trefflich  gesorgt, 
»uwohl  waa  die  Zahl,  ai»  auch  wus  die  Art  der  Lehrer  anbelangt.  Uiu- 
eichtUch  der  Btttrlce  des  Kollegium»  (5-6  ausser  den  Oblichen  Hlllbkraften) 
etond  die  Annabei^r  Schule  neben  Dresden«  Freiberg,  Zwickau,  liotpaig. 
Lobende  Zeugnisse  tlber  die  Tüchtigkeit  und  Treue  der  Annaberger  Lehrer, 
die  z.  B.  1575  «als  pclartp,  ^i)tsfiu'rcht5<;f>.  wf>l«»eschickto  MonnfT.  in  ihrem 
Dienst  vndt  Ampt  einigk,  getrewo,  vleisMig,  kegen  dorn  Rath  vnd  gemeine 
Stadt  danicwar  erfunden*  werden,  finden  sich  in  den  VisitatioDsbeiiehten 
und  sonst  an  Dutzenden,  eine  in  jener  Zeit,  wo  von  dem  Lehrerstande  als 
Ganzem  nicht  viel  üute:^  i:  i  e richten  war,  inunerhin  bemerlcenswerte  Br^ 
scheinung.  (Uebor  die  Annabcrgor  Lnhrer  —  Anstelhniir.  Vorbildung:, 
Alter,  Einkumm**n  etc.  —  vergl.  „Ann;il).  Lateinsch.".  S  »i'J—^D.^ 

Die  im  Mittelalter  fast  noch  ganz  fehlende.  uIjct  seit  der  Refor- 
mation allenthalben  eingeftlhrt«  Bchulauf»icht  wurde  auch  in  Annaberg 
fleissig  Ausgeobt  Oertlichc  Injektionen  durch  die  Im^ectores  seholae, 
den  Superint4^>iK]i  nton  und  die  Schoiarchen  oder  Schulberren,  wurden  all- 
wöchentlich in  Form  dtn  consnra  monim  und  censura  studiorum  abge- 
halten, Scliulvisitntionen  durch  die  Ubcrhrhördo,  das  Konnistorium,  fanden 
in  Annaber;::  von  I  .■>;I9— 10<K)  fünfzehn  mal  ntutt  (a.  a.  O.  S.  l'4  -  i'O)- 

Ebentallä  eine  in  joner  Zeit  recht  nötige  Muhniuigl  In  i^iiaaberg 
allerdings  waren  die  Beeoldungsverhftltniese  zeitiger  und  gOnstiger  ge- 
regelt worden  als  an  den  meisten  sAchsi^chcn  und  uusserafichsiechen 
ScliuliMi  ;4-loicher  Art.  Sdion  \><^\  Einfilhrunj^j^  drr  nofnrDiatinn  InJ^O  be- 
zo^^en  dip  Annabcr^-or  LclinT  Icsten  Gelialt  und  zwar  an  barem  Gelde,  die 
vielen  Nebeneiukllntte  ungerechnet,  der  Schulmeister  HAt  fl.,  iSupremus  und 
lledins  je  &0  fl.,  Infimns  and  Cantor  je  40  11.  (Nach  Akten  dea  Annaberger 
ISatearchivs.)  Trotsdem  nuin  also  in  Annaberg  die  Lehrer  ihre  treuen 
Dienste  geniessen  lioss.  klagen  1017  die  Vjsitatoren  auch  hier: 
„die  mutatione»  seien  hier  crebrae  mit  denen  Praeeeptoribua  und  seher 
schädlich  den  Schulen,  die  geringen  SStipendia  aber  verursachten  solche 
crebras  mutationes"'  (Hauptstaatsorch.  Vis.  1617,  Loc.  2(X)^,  BL2h7a),  und 
nicht  ohne  Grund,  denn  in  der  «weiten  Hälfte  dea  XVI.  Jahihunderta 
wurden  in  Annaber^  angestellt  U  Rektoren,  ir»  Konrektoren  und  24  Bacca- 
laureou,  es  amtierte  also  oin  Rektor  ndcr  Kmirektfir  nur  durchschnittlich 
4 — ü  Jahre.  l>ir>  allgemein  Itciuerkbure  l'nruhe  innei  halb  der  Lehrerschaft 
zeigt  sich  also  auch  m  Annaberg.  (Eine  ausführliche  Darlegung  der  Gehalts- 
verhUtnisse  des  XV).  Jahriiunderta  a.  in  Jüinab.  Lateinsch.",  S.  7d1L,  s. 
dort  auch  das  gleichseitige  Blnkommen  der  Geistliehen,  des  SeharEnchters, 
der  Maurer  und  andet-er  Annuberger  Beamten  imd  Arbeiter,  sowie  gleich- 
zeitige Preise  iUr  LebonsuHtteL  Kleider  etc.) 


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20.  Die  Feier  des  Gregoriuafeütes  etc. 


353 


vnib  einer  Christlichen  Schulen  wilh'ii,  da  mann  taglich  Gott  lobi  t  vad 
anrnffet wird  oftmals  eine  gautze  Stad,  Kii*cb,  regiuient  vud  die  uohrung 
gesegnet. 

4.  Was  soll  ein  Christlirhor  Pfari  t  r  b»  y  der  Schulen  thuiT.^ 

Kr  soll  flrr  Scbnh  n  chiiicli  auf  (irr  ('auci'll  gedcncken,  vndt  si.'  mit 
Gottf's  Wortt  pieiher»  vinl  fördern  bclff*  ii,  vud  ihr  bey  der  Obrigkeit, 
Reichen  vnd  Sterbenden  leuten  iui  bebten  gedencken"-'):  auch  daran  sevni! 
das  Fried  vnd  Einigkeit  zwischen  Sclml  \iid  Pfarr  gepflantzet  vod  erhalieu 
werde*)  Ynd  soll  nicht  mit  der  Schule  theilen  wie  die  alten  Chorherren, 
die  behielten  die  Zinsae,  80  die  Fürsten  zur  Schulen  geben,  vn4  die  arbeit 
brfohlen  sie  Tngesefaickten  leuten').  Sie  sollen  anch  sehen,  das  die  jugend 
rein  in  CatechiBsmo  aufwachse*),  vnd  sollen  sich  amier  Schüler  getrew- 
liehen  annehmen,  d;is  >ie  können  Btlcher  haben  vnd  fortkommen*').  Denn 
dieweil  sich  Gottes  Sohn  nicht  gescbcniet  batt  Schul  zu  halten,  sollen  alle 
Christliche  Pfarrer  ihnen  die  Schulen  auch  lassen  getrewlich  befohlen  seyn. 

*)  Gebetet  wurde  in  der  Annaberger  Behüte  täglich  sechs  mal. 
*i  Ueber  die  Schulpredigten  s.  oben!  I>ie  grosse  „Annidberglflche 

KirehenordnungvnndtSchulbeatellung''  vom  Jahre  1578  beHtimmt  in  Punkt 
XV:  Bey  den  Krankon  vnd  sterbenden  pcscliieht  billich  Vormnlinung  durch 
die  üiaeon,  eo  »ie  benuchen,  daa  ein  Jeder  nach  seinem  Vermögen  vnd 
guten  Willeu  die  Kirch  vnd  Schulen  mit  Jhrem  gut  auas  miltigkeit  be- 
denoken^  etc.  Von  dem  gttt«iBrft)lg  dieser  Vermahnong  aeugen  die  vielen 
und  hohen  Legate  für  die  Schule  (im  XVI.  Jahih.  annJUiemd  60,  einselne 
bis  SU  1000  und  2000  fl ). 

^)  Diese  Mahnung  ist  in  jenen  Zeiten,  da  .,nnfnials  zwirfchen  denen 
Pfarrern  und  Schnl-Persnnen  Zwietracht  und  L'neiuigkeit  entstehet"  (Kur- 
öiithö.  Schuiurdnunj^  v.  lübU)  nicht  üburfliitjtiig.  In  Anuaberg  acheiut  sie 
fhst  durchgangig  beherzigt  worden  zu  sein,  mit  wenig  Ausnahmen,  in  denen 
die  Geistlichen  den  Lehrern,  s.  B.  „dem  allhier  bertthroten  Rectori  Job. 
Rivio,  vielen  Dumpf  und  Tort  angethan/^ 

*)  Ans{)iolung  auf  die  katholische  Aera,  die  in  Annaberg  bis  zum 
26.  Juli  löay  dauerte. 

*l  Hoinbeit  d.  b.  liekenntnismflssigkeit  de«  tiljuiben»  und  der  l^ehre 
wird  namentlich  in  der  von  religiösen  Lehratreitigkeiton  übervollen  zweiten 
Hftlfte  des  XVI.  Jahrhunderts  wieder  und  immer  wieder  betont  In  Anna- 
berg ergab  die  oft  und  scharf  gettbte  Bekenntniskontrolle  fast  stets  be* 

friedigende  Hesnltato.  „Catecbismus  Lulheri  wird  getrieben  ohne  allen 
vordecbtigen  Zusatz"  fHauptstaat:^.uTh.  Via.  159s.  I^,,-.  v;(M).  jJl.  ;520;. 

*)  Ansgiebijje  I'ürsor^e  lür  arme  Schüler  war  in  <ien  Zeiten  hnU] 
nach  der  Hcfurmation,  wo  äieh  einerneits  die  Schüler  in  der  Mehrzahl  aus 
den  mittleren  und  unteren  Stftnden  rekrutierten,  und  wo  andrerseits  das 
bisherige  kostenlose  Klosterstadtum  wegfiel  und  das  mittelalterliche  Bettet- 

studentontum  und  Bettel.schülertum  bcschrllnkt  werden  sollte,  doppelt  nötig. 
In  Annaberg  fiel  dank  dem  lieichtura  und  der  ..miltigkeit'*  der  HfVrg'er 
diese  Unterstützung  der  „Uuvormugeudeu"  ganz  besonders  reichlich  aus. 


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254   Ifitteilungon  d.  Ges.  f.  deutsche  Erjsiehunga-  u.  Schulgesch.  VII. 

(  ■■  -  ■    ■    »   -    -.. 


5»  Was  sollen  fromme  Eltern  bey  der  Selmlen  thnn? 

Sie  sollen  ihre  Einderlein,  die  ihnen  Qott  bescliehret,  Gott  sa  ehren 
vnd  dem  Yateriftode  som  besten»  vleissig  in  die  Schnle  schicken  vnd  sie 
nicht  an  der  lehre  daheime  verseamen,  welches  eine  grose  SQnde  ist*): 
Vnd  sollen  täglich  fOr  ihre  Einderk  in  beten,  Gott  wolle  ihre  stodla  segnen, 

vnd  sollen  die  TiPhror  in  ehron  halten  vnd  sich  danckbar  gegen  sie  erzeigen 
wi>  Ilannu  Sainuclis  ^[iittcr  that-  So  will  Gott  vmb  des  gebets,  emsts 
vnd  danckbarkcit  willen  der  eitern  diu  Kinder  wohl  geiubten  lassen. 

6.  Was  sollen  getrew  Schulmeister  thnn? 

Sie  sollen  ihre  Schfllleilein  lieb  hshen  vnd  fiterlich  meynen,  Tnd  in 
der  ftircht  Gottes,  neben  den  sprachen,  guten  Künsten  vnd  ehrlichen  Sitten 
mit  allem  vleis  aofidehen'),  ?nd  sie  mit  (^pff  vnd  beacheidenheit  attch' 

reichlicher  als  wohl  in  den  meisten  deutschen  Städten.  Von  den  («4»  aus- 
wärtigen SchtUem,  die  1666—1570  aufjuenommen  wurden,  waren  608  Heu' 
dikanten,  d.  h.  AInioBenempfinger,  ,qui  ▼Ol  in  ecludn  vel  In  civlum  aedibus 

civil! m  munificentia  sustentantur".  Ihre  Zahl  verhielt  sich  zur  Zahl  der- 
jenig^en,  „qui  euo  sumptu  vivunt",  1556  wie  36  :  6,  1558  wio  öS  :  G,  1559  wie 
70 : 9  etc.  Der  „vorrath"  des  BogenaDoten  Schttleralmoseus  (Aerarium 
seholastlcum)*,  d.  b.  der  SUpendlenfondabellef  sieb  1617  nach  aktenmassigen 
Berichten  auf  rund  8600  IL,  also  auf  mehr  als  60000  IL 

*)  Bchttlswang  gab  es  noch  nicht,  höchstens  eine  Art  moniliechen 
Zwange.  Von  Annaberg  aber  berichtet  1578  der  Superintendent  den  Visita- 
toren: ..Halten  alle  ihre  Kinderlein  vloisr^I^  zur  Kirchen  vnd  Schulen" 
Pauptstaatsarch.  Vis.  157H,  Loc.  2012,  Bl.  ö4:i). 

')  Der  Aunaberger  Hektor  M.  Friedrich  Wolfeshusius  (Rektor  hier 
1694/95,  spater  in  Leipatg  Rektor  dar  Nioolalsehnle,  dreimal  Rector  Magni- 
fieoe  der  Universität  etc.)  bemerkt  fai  einer  lüer  gehaltenen  Schnhede 

treffend:  talem  esse  uniuscujusque  filium  foris,  qualem  ipsura  parentea 
velint  enso  (inmi.  und  mahnt  die  Eltern  1.  zur  häuslichen  Zuchtttbung:, 
2.  zur  Hochachtung:  der  Lohrerarbeit  —  um  der  Söhne  willen.  Letztere 
Mahnung  ist  um  so  nötiger.  Je  allgemeiner  und  empfindlidier  sich  damals 
die  Undankbartceit  der  Eltern  gegen  die  Lehrer  und  die  Oeringachatsung 
ihrer  Arbeit  an  den  Kindern  bemerkbar  machte.  Der  Chemnitier  Rektor 
Uaynecciua  nngt  in  bitterer  Ironie: 

„Wer  frnnil)de  Hunde  zeucht  vnd  nehrt/ 
Vnd  aridfi  '  louto  kindor  lert,  / 
Der  lu'iei^t  duuor  die  helsdie  pein,  / 
Das  muBB  er  lan  sein  tranckgelt  aein.** 

Aebniiche  Klagen  hören  wir  von  Luther  (das  Lehramt  sei  ,,bo  schändlich 
veracht,  als  sey  es  gar  nichts*')  und  Melanchthon,  aus  Chemnlta,  Schlettau  etc. 

Pietas,  Utterae  (nach  ihrer  formalen  und  materialen  Seite  gesondert 

in  linptae  und  :ir*'^s),  virtus  —  in  v5Hifj:cr  Vrrnaclil.lssifnmij:  der  Hsthe- 
tisclu'ii  Bildung  —  das  sind  bekanntlic}i  die  Schulziclp  der  ImniiinititiHrhPTi 
Zeit,  wie  das  neben  oder  nach  Melanchthon,  Sturm  etc.  auch  die  Auna- 
berger Schulordnungen  klar  und  bestimmt  aussprechen. 


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20.  Die  Feier  des  Gregoriusfeetes  etc. 


255 


tigen'),  vnd  sie  ofiPt  aar  Gottseligkeit  und  elire  vermahnen,  vnd  ihnen  gnte 
exempel  mit  betrn,  singon  vnd  Kleidung  fnrtrappn'\  damit  sie  die  liebe 
Jugend  nicht  ergein,  vnd  sollen  vmlj  dir  Eltern  vnd  Kinder  Undanck- 
barkeit  willen  nicht  nngodultig  werden,  vnd  die  Srliulcu  übergehen,  nnd 
das  gfwis  seyn,  da  sdion  die  Welt  ihre  getrewen  Dienste  vnd  niit/liciu' 
Arbeit  nidit  aeliftet  nodi  Mobnet,  das  (9iri<tiM  Jesus  mit  aeiiMB  lidien 
I^gelein  bey  ihnen  in  der  Setanle  ist  md  lest  ihm  ihn»  arbeit  gefallen« 
vnd  will  sie  bie  seiflieh  vnd  dort  evi^cb  rOhmen  Tüd  besahlen,  mit 
grossen  ehren  vnd  einer  vnvenrelddicben  Krone'). 

7.   Was  sollen  Christliche  Schüllcrlein  thun? 

Sie  sollen  dem  Exempel  Christi  nach,  £jem  vnd  willig  in  dir  Sclmle 
gehen,  hertzlich  beten,  vlcissit'  zuliönn,  gftn'wlich  npctircii*},  ihn'  Prae- 
Ceptorcs  lieben  vnd  ehren,  vad  ihnu  Ernst  vnd  Hefftigkeit  zu  gutthaltcu 
vnd  ihre  menschliche  Ahl  vnd  gebredien  mit  Eliae  mantel  sndecken*)t 
vnd  sollen  in  gedult  das  bittre  Kranit  vnd  armselige  Brod  ans  EUsae 
Tflpffen  eine  xoitiang  essen  vnd  ihrer  Lehrer  Fleiss  vnd  Sorge  ihr  leben* 
lang  nicht  vergessen,  vnd  ^  ihnen  etwas  in  Christi  nahmen  gegeben  wirt, 


0  Die  Mahnung  zum  Masehalten  im  Strafen  war  bei  der  Brutalität 

do8  damalif^en  Strafverfahrens,  die  wieder  durch  die  Unbandij^keit  der 
Juprend  Ix'dingt  war  (s.  ..AniKib.  Tjateinsrh.''  S.  IfiO  ff..  S.  f.).  «ehr  am 
Platze  und  ertönt  auch  in  den  Annuberger  Schulordnungen  immer  wieder- 
Die  Lehmr  sollen  s.  B.  ,4m  stFalIiB&  nicht  pultem  mit  grausamen,  vnerhOrten 
LandeflknechtiBchen  Huehen  oder  andern  Ulsteiliehen  schmaheworten'*,  sollen 
ausser  von  den  erlaubten  virgaram  correctionibus  nicht  auch  noch  von 
colaphis  (»t  eapif nn)  quassationihtif*  (?ebrauch  marhcn.  sollen  überhaupt 
^nicht  gar  zu  runsch"  sein  (vom  aJid.  ruoren  =  Schlagen  zum  Zwecke 
des  Autreibens,  voruehmlich  dea  Viehea). 

*)  Das  Vorbild  der  Lehrer  ist  als  bestes  Bndehungsmlttel  in  Anna- 
berg achon  frtthe  erkannt  und  gefördert  worden,  s.  B.  in  der  Schulordnung 
von  157s:  in  moribua  regendie  pmelaceant  ^1  sobrietate,  vestimentorum 

Convenientia  et  tegumentorum  non  monstrosa  usurpatione  etc. 

')  ^'^rgl-  liUthers  tihnlicho  Mahnung,  der  I.olitor  mü.ssc  ..niclif  .sehen, 
wie  m  die  Welt  vorlolmet  und  hält,  sondern  wie  e»  Gott  aclitet  und  an 
jenem  Tage  rQbmen  wird*^  Trotz  dieser  schünou  Worte  ging  dem  da- 
maligen Lehrerstande  als  Gansem  die  geforderte  und  aUseit  nötige  ideale 
Auffassung  ihrea  Berufes  noch  funt  vftUig  ab«  Die  meisten  Bcruf^trjlgor 
s:th<  n  hn  Lehramte  nur  einen  Durchgangsposten  su  anderen  einträglicheren 
Aemicru. 

*)  Bei  dem  damaligen  last  rein  niemuralLven  Lelirvertaliren  bestand 
die  Aufgabe  der  Schüler  nur  darin,  das  Yorgetrageno  zu  tiureu  und  eiu- 
suprttgen.  Genauerea  Ober  die  Lehrmethode  a.  in  „Annab.  Lateinsch/*, 
S.  140  ir. 

•)  Vergl.  1.  KSnige  19,  19. 
•j  Veigl.  2.  Könige  4,  88  IT. 


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256    Miiteiltiiigen  d.  Gea,  t  deutsche  Ensiebuiigs-  uu  Schulgeaeh.  VIL 


wolil  vnd  nützlich  anlegen').  Vnd  sollen  des  gewis  seyn,  Gott  wolle  sie 
cmohren  vnd  zu  ehren  bringen,  als  die  n-chtcn  Barnabas  vnd  Propheten 
KiiKU  r,  wie  er  denn  die  Schüler  Elisae  wunderbarlich  emehret  vnd  iUkn 
Schülern  die  veilieisung  gegeben  halt,  mann  wird  essen,  vnd  wird  über- 
bleiben*). 

QaaesÜoBoin  barom  redtatione  peracta  totas  grex  Sebolasticas 
sequentem  precatianeulain  mm  oratiene  Doninic«  elara  voce  snbiicit: 

Scbulgebetlein. 
0  dn  vahrer  Sobn  Gottes,  unser  ewiger  Priester,  der  da  Eindedein 
liebest,  vnd  heisest  sie  za  dir  kommen,  imd  «ilt  dnrcb  ihre  nnscholdiga 
Zflnglein,  dir  ein  cwigos  lob  viul  preiss  zurichten,  vnd  deine  feinde  ver- 
tilgen. Wir  bitten  dich,  du  oberster  Kirch  vnd  Schnlvater,  du  wollest 
uns,  vnd  alle  Schüllcrlein,  vnd  Chrisflielic  Jugend  gnfldi^dich  segnen,  vnd 
sie  zu  (lein*  11  elirm.  in  Gott'^eligkeit,  Zucht  vnd  guti'U  Künsten  erziehen, 
vnd  Eillc  Christliclifii  Scliulen  vnd  Schulfretmde  erhalten  und  ihnen  ihre 
trewe  vnd  Vorsorg  reichlich  vergelten,  damit  d»*in  Reich  gemehret,  vnd 
unsere  nachkommen  treWe  Lehrer  vnd  Christliche  regenten  haben,  der  du 
als  unser  ewiger  Bischoff  xnd  Tater,  alle  Schulen  vnd  Sirchen  durch 
deinen  Geist  bestellest  vnd  regir^t,  tob  nun  an  biss  in  Ewigkeit.  Amen^ 

*)  In  Aniiaber^'  hatte  man,  wie  die  Ahnosenordnung  '  om  Juliro  löTTi 
erwähnt,  Stipendiaten  „otlt  bey  nächtlicher  weyle  uff  denen  BiorbttJacken 
oder  Bonetm  in  heimlichen  Gelacken  vff  den  Spielplfttaen  vndt  nicht  aber 
ihren  rtudÜB  beftmdttl'^ 

•)  Vergl.  2.  Könige  4,  43. 

')  Ein  ähnliches  Schulgebet  aus  dem  XVI.  Jahrhundert  findet  sicli 
zwischen  anderen  hand»chrit'tiichen  Notizen  auA  jener  Zeit  auf  den  letzten 
leeren  Bl&ttem  eiues  alten  Bandes  der  Auuaberger  Kircbenbibliothek  eiu- 
getngw,  der  einige  alte  Drucke  (Agenda  Hersog  Heinrichs,  gedr.  loa6, 
Ordnungen  der  HerzOge  Brnst  und  Albrecht,  gedr.  1678  etc.)  mthftlt.  Da- 
selbst beiset  es: 

Ein  Collect  am  Schnlfet^t. 
Lost  die  Kindlein  zu  mir  kommen,  vnd  weiiret  Ihnen  Holches  nicht.  AlieL 
Daxm  solcher  ist  das  Reich  Qottea.  AlleL 

0  Herr  Jesu  Chrlste,  Du  Brunn  Aller  weissheit,  vnser  eyniger  prae- 

ceptor  vnd  hoher  Priester,  den  der  himlische  Vater  vom  himel  zu  hören 
befohlen  hat,  der  Du  inn  der  Zeit  des  fleische»  Jünger  inn  Peine  Schul 
gefordert,  vnd  tretlliche  ieut  erzogen  hast,  die  vou  Deyuer  Menschwerdung, 
leyden.  Sterben  vnd  AuferstdiUDg  geprediget  haben,  vnd  der  Du  wilt,  das 
man  die  kindlein  au  Dir  bringen  soll,  auf  das  Du  durch  Ihren  mund 
gepreiflset  werdest,  vnd  hant  Allzeit  ein  gnedigo»  auge  auf  Kirch  und 
Schulen.  Wir  bitten  Dirh  herzlich.  Du  wollost  Kirch  vnd  sc1iu1*mi  schützen 
vnd  erhalten  vnd  lehrer  vnd  Schüler  segnen,  ihre  hertzen  inn  einem  Geist 
mit  lieb  verbinden,  daa  sie  einander  hertzlich  meynen»  trewlich  lehren,  inn 
Zucht  vnd  selig  Künsten  aufwachsen,  vnd  Dein  wort  inn  Ihnen  versiegeln, 
das  gelerte  leute  auss  Ihnen  werd<'n,  dardun  U  reyne  Lehre,  Fried  Vnd 
Zucht  erhalten  vnd  Dein  Reich  gemehret  vnd  Dein  liebes  wort  reyn  vnd 


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20.  Die  Feier  dea  GregoriusfeBtea  etc.  ,  257 


In  enger  Verbindung  mit  der  Gregoriusfeier  erscheint  in 
Aimabeig  im  XVI.  Jahrhmidert  ein  Ableger  des  mittelalterlichen 
Rutenzuges,  d.  h.  der  feierlich -fröhlichen  Einholung  der  zur  Züch- 
tigung nötigen  Kuten,  n&mlich  die  Kusticatio,  eine  Art  von  Schul- 
spasiergwg  oder  Scbulspieltag.  In  alterer  Zeit  wurde  sie  »nach 
verbrachtem  Schulfeste also  wohl  zumeist  am  Tage  nach  dem 
Gregoriusfeete,  abgehalten,  seit  1577  fknd  sie  jährlich  zweimal 
statt.  Jenisius,  der  in  Kapitel  V  der  Annales  auch  die  ratio 
feriandi  behandelt  imd  dort  die  schulfreien  Tage  iu  feriae  statao 
und  feriae  coDceptivae  einteilt  und  letzteren  auch  den  Schulausflug 
beizahlt,  schreibt  darüber  folgendes: 

Feriae  concepHvas  dicimus.  quas  ob  caussani  aliquani  houestam 
vel  Magistratus  vel  Scliolae  iuspectores  indicunt  Quo  refereudum 
putamus,  quod  anno  77  institutum,  ut  vore  ineunte  rursumque 
adulta  aetate  auturanove  grex  pueroruni  ad  locum  alicpiem  apricum 
extra  urhera  dcdncatur.  Kiii^ticationeni  appellandani  censemus.  In 
])riitis  iiarviili  lusitant:  inajoros  a  cantn  sacro  iufipient^s  hido  ft 
ipsi  bt'  ohlectant,  tandciiii|Ut'  fi-uiidilju.s  iiistructi,  velut  ac 
liamalia  agerentur,  ad  Vrbeiu  atquc  iu  iSüholam  odas  sacrafi  caneutes 
revertuutur. 

Auf  eine  Verschmelzung  dieser  Rusticatio  mit  der  Gregorius- 
fcier  deutet  der  Festbericht,  den  K<  ktor  Arnold  vom  Jahre  1612 
giebt:  „Den  22.  April  ist  boy  scliönen  Wetter  das  Gregori-  oder 
SchuUfest  gehalten  worden:  Woljry  die  SchuUjugend  schön  ge- 
.srhiiiüükt,  ordentlich  uft'n  Böhl  berge  spaUireiid,  nebens  denLehreiii  mit 
stliöner  Musick  gefiihret,  doselbst  sieh  erlu.stiret.  wiedfiimi  t'rölig  au- 
heim  begleit<>t,  unterwegs  mit  Gesang  den  lieben  Gott,  wegen 
Schutz  und  Krhaltung  der  Schulen,  gedancket  worden.  Dahmahls 
der  sugeuaiiuie  Keyser  Jobst  SeilTert  Sohn  gewesen." 
(Chronikon  II.  ud  10 12.) 

Spater  wurden  mit  dem  Grcgoriusfeste  wie  auch  anderwärts 
(na^h  Kuothe  in  Bautzen  schon  1418),  die  dramatischen  Auf- 
führungen verbunden,  die  hier  von  1559  bis  1786  fleissig, 
in   der  Regel  aller   zwei   Jahre,    abgelialten   wurden*).  In 

lauter  auf  die  N&chkouuncu  gebracht  werde  vnd  sie  uiicli  irowe  iwhrcr 
viid  Regenten  haben,  der  Du  iselbst  alle  Kirchen  vnd  Schulen  beätellest, 
hochgelobet  inn  ewi^keit  Amen. 

Nfthere  Angaben  über  Nutzen,  Art  und  Stoff,  Ort,  Zeit  und 
Sprache  dieser  SchulkoinfUüon.  die  in  Annahrri!;  mohr  als  in  faat  allen 
a.'ichaischen  Stadtou  und  annähernd  in  dt  i .si  llii  ii  \  ollkommcnlu  it  wie  in 
der  Straiisburgür  Akademie  gepflegt  worden  üu  seiu  scheinen,  b.  in  „Ajmub. 
Lateineeh.«,  £i.  lo6~161. 

UiKvUuPgm     Ues.  t  deutocb«  Ersiob.-  u.  SeholCMClilebl«.  VU  8  ieV7.  Yl 

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238   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutoehe  Bniehungs-  q.  Schulgesch.  VII. 


den  Einladungsschreiben,  die  Mitt«  des  XVIII.  Jahrhunderts 
Rektor  Kichter  erlftBBt,  ^iit  es  als  ^eine  alte  löbliche  Gewohnheit 
unserer  Vorfahren,  bey  dem  instehenden  GregoriusfeBte  unsere 
geliebete  Schuljugend  auf  der  IJühne  auftreten  ztt  laSBen"^).  Da- 
neben aber  blieben  auch  Gottesdienst  und  Umzug  als  wesentliche 
Bestandteile  des  Festes  in  Uebung.  ja  bei  der  wachsenden  Freude 
an  Scherz  und  Pomp,  namentlich  am  Vermummen,  drängte  sich  der 
Festzii^:  immer  mohr  in  den  Vordergrund.  AVie  derselbe  aber  an 
anderen  Orten  .Ania.>i.s  zu  Ausbrüclu'n  wüster  Roheit  oder  arger 
Frivolität  gab"  und  daher  hie  und  da  beschränkt,  ja  aufgehoben 
wurde,  so  erschien  um  1684  auch  in  Annaberg  -bezgl.  des  Festum 
GreiTorii  eine  besondere  Ainudnung  zu  abstellung  aller  unanständigen 
Mis.^brüuebe  iiudt  Incoiiveiiieiitien".  In  welch'  überinubener  Aus- 
gelassenheit trotzdem  die  Fe.stCeier  zu  Anfani;  des  g<»genw artigen 
Jahrhundeits  verlief,  davon  giebt  nach  dem  miindücheu  Bericht 
von  Äugenzeugen  Sj>iess  ein  anschauli^ljoi»  Bild-). 

Der  späteren  Ausartung  gegenüber  bietet  der  oben  gegebene 
]{ericht  aus  dem  XVI.  Jahrhundert  —  und  darin  eben  liegt  sein 
Hauptwert  —  das  anmutende  ]M\d  einer  massvollen  und  siuuvullen 
SeluiUeier.  die  mit  vergnüglichem  Scherze  in  weiser  Mischung 
erzieherischen  Ernst  zu  verbinden  wusste. 

1;  A.  D.  Richter:  Catalf^B  discipulonimv  quos  Schola  Annabergenris 
docult  Titelblatt. 

Pnigrainm  der  Annaberger  Realschule  von  lb62  über  Aborglttubeu, 
Silteu  uud  Gebräuche  des  Obereragobirge» ;  das  betreffende  8tttck  ist 
abgedruckl  von  Heydenrelcb  a.  a.  O. 


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21.  Aus  Heinrich  v^'  TreitachkCd^IHhUlerzeit. 


259 


;iTY 


21. 

Aus  Heinrieh  von  Treitsehkes  Sehülerzeit^). 

Das  Gymnasium  zrnn  Heiligen  Krem  in  Dresden  oder,  wis  wir 
bescheidentlieh  nodi  zu  sagen  pflegen,  die  Ereuzsdiale,  nennt  ans 
diesem  Jalulnmdert  drei  ilirer  Schiller  mit  besonderem  Stolze: 
Theodor  KGrner,  Richard  Wagner  imd  Heinrich  von 
Treitscfake.  Merkwürdigerweise  konnte  sie  die  Namen  der  beiden 
ersten  bis  noch  nicht  vor  langer  Zelt  in  ihren  Sohfllerlisten  oder 
in  sonstigen  untrüglichen  Aufeeichnungen  nicht  nachweisen,  obwohl 
der  Besuch  der  Eieuzschule  für  Kfimer  doreb  eine  alte  und  nicht 
unglaubwürdige  Ueberliefenmg  behauptet  wurde,  fUr  Wagner  durch 
sein  und  seiner  Schulfreunde  Zeugnis  ausser  Zweifel  stand.  Dass 
Carl  Theodor  KOrner  die  Ereuzschule  in  der  That  besucht  bat, 
ist  dann  wohl  zuerst  durch  einen  Brief  seiner  Huttor  an  die  Tante 
Christiane  Sophie  Ayrer,  geb.  KOrner,  erwiesen  worden,  den 
Karl  Elze  in  den  »Vennischton  Blattern*  (Kothen  1875)  ver- 
öffentlicht hat.  Es  heisst  in  ihm:  «Carl  (diesen  Vornamen  ver- 
wendeten die  Eltern  für  ihren  Sohn  in  seiner  Jugend  allein  als 
Rufnamen)  lernt  recht  viel  auf  der  Creuzschule,  der  Vater  ist  zu> 
frieden  ..."  Dieser  Brief  mms  um  das  Jahr  1805  geschrieben  sein 
(vgl.  S.  4  der  Schulnachrich teu  der  Kreuzschiile  vom  Jahrie  1892). 
Wenn  nun  trotzdem  Körners  Name  nicht  in  der  Aufnahmeliste,  die 
aus  jener  Zeit  vollstänflifi:  erhalten  ist,  verzeichnet  steht,  so  hat 
man  das  darauf  zurückgeführt,  dass  die  Kreuzschule  damals  ausser 
den  vom  Rekter  aufgenommenen  ScbQlem  auch  noch  von  so- 

^)  Dies«  HittoUungen  wollen  nur  ab  eine  Are  von  LttekenbttaBer  be- 
tiAchtot  werden  für  einen  eingehenderen  Beitrug  nus  der  Geechtclito  der 

Kreuzschule,  der  der  Schriflleitung  zugesagt  war,  aber  infolge  plötzlklipr 
VerhitKlenin^  dos  Herren,  der  die  Arbeit  Übernommen  hatte,  nicht  bereit 
geatolit  werden  konnte. 

17» 


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260    Uitteilungen  d.  Gea.  f.  denticIiA  Bntehungft-  n,  Bchulgesch.  VH. 


genaimten  Privatisten  besucht  wurde,  die  von  einzelnen  Klassen- 
lehrern zum  Untendeht  zugelassen  waren. 

Von  Richard  Wagner  Ist  erst  im  Jahre  1883  anlflsslich 
seines  Todes  durch  den  damaligen  Rektor  der  Schule,  jetzigen 
Obersehulrat  Professor  Dr.  Friedrich  Hultsch  ermittelt  worden,  dass 
er  doch  in  der  Aiifoahmeliste  verzeichnet  ist,  aber  unter  dem 
Namen,  den  seine  Mutter  durch  ihre  zweite  Verheiratung  mit  dem 
Schauspieler  Geyer  erhalten  hatte,  als  »Wilhelm  Richard  Geyer, 
Sohn  des  verstorbenen  Hofschauspielers  Geyer,  geb.  in  Leipzig  den 
22.  May  1813,  recip.  am  2.  December  1822,  CL  V,  2.  Abtheil.'' 
Er  hat  dann,  wie  sich  nun  aus  den  Programmen  und  Gensurtabellen 
nachweisen  Uess.  die  Kreuzschule  bis  zur  Unterselcunda  und  bis 
ins  Schuljahr  1827/28  besucht.  Nur  unter  dem  Nameo  Geyer  war 
er  auch  seinen  Hitschfllem  bekannt,  von  denen  einer  erst  vor 
wenigen  Jahren  gestorbeik  ist,  ein  anderer  noch  in  Dresden  lebt 
Seit  dieser  Feststellung  wird  nun  diese  Seite  der  Kreuzschul- 
matrilcel  von  Wagners  Verehrern  mit  gebührender  Ehrfüroht  be- 
trachtet; sie  wird  demnächst  auch  iu  einem  Urkundenwerke,  das 
eine  opferwillige  eoglische  Enthusiastin  über  sein  Leben  vorl^ereitot, 
in  IJclitdriuk  mit  der  nötigen  Beglaubigung  vervielfRltigt  werden; 
Auch  seine  llalbjahrscensuren  werden  dort  mitgeteilt  werden,  die 
ihn  fast  fUr  seine  ganze  Schulzeit  als  einen  trelflicheu  SchUier  kenn- 
zeichnen. 

Ueber  Heinrich  von  Treitschkes  Krouzschulzeit  (1846  bis 
1851)  fliessen  die  Quellen  sclion  reichlicher.    Vor  allem  lebt  in 

l''riedrich  Hultsch  noch  derjeniitic  seiner  Mitschüler,  der  die  obereten 
»S(  liiilklasseii  neben  ihm  und  wie  er  seltener  Auszeirliniiiii^  wiirrlig 
besuclit  hat.  Auf  seine  Mitteiluugeu  geht  auch  unter  auderm  zurück, 
was  Bailleu  im  23.  Jahrp:an£^  der  „Deutsclieu  Kundschan "  (1896), 
S.  99  1".  und  uoeli  mehr.  \va8  Theodor  Sehiemann  in  dem  -Die 
^  Kreuzschuir-  iiliersi  hriebenen  Abschnitt  8eiüe8  lUiches  .Ht'inriuh 
von  Treitseliketj  Lehr-  und  Wauderjahre  1834 — 1866"  (MUuclieu  und 
Leipzig  180G)  beri(  ht<  i  liat.  Die  Schule  ist  auch  noch  im  Besitze 
der  fünf  mhi  ihm  bei  der  Keifeprülung  im  Juhre  1851  geschriebenen 
Arbeiten  uud  der  ersten  Fiussung  seines  Gedichtes  .Die  Ditmarschen", 
diis  er  am  14.  April  1851  bei  der  öffentlichen  Feier  der  Entla-ssung 
von  der  Soiiule  vorgetragen  iiat.  Kr  hat  mir  wenige  Jahre  später 
in  seinen  ^Vaterländischen  Gedirhteu"  ((iöttingen  1856)  eine 
Dithtiiug  unter  derselben  ,\ufschritt  veröffentlicht,  aber  der  Ver- 
gleich der  beiden  Fassungen  zeigt,  wie  die  geistige  lleifiiii-^  i^«  l  ade 
dieser  Lebensjahie  bei  ihm  auch  das  dichteiische  Formgeiühl  ent" 


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21,  Aus]  Heinrich  von  Treitocbkes  SchOlerzeit 


261 


wickelt  hat.  Der  Haupts^edankonj^ang  der  Dichtuiip:  ist  allerdings 
der  j;l»M('he  <:rf)licbeii.  Doch  sind  /iiirlchst  die  eiulritendon  Verse 
dt  r  ersten  l-assung  we^'j;*^t<iH''"  •  von  denen  Aufaug  und  End©  zur 
i*robe  mitgeteilt  worden  mögen: 

Bist  du  denn  ganz  vorfrossen.  gewaltiges  Geschlecht 
Der  alten  deutschen  Heiden,  mit  deinem  alten  Recht? 
Seid  ihr  denn  ganz  versehollen,  ihr  Männer,  kühn  und  frei. 
Mit  hellem  Schwerterklauge,  mit  Saug  uud  Melodei? 

Steig'  denii  aus  deinem  Ural>p.  gewaltiges  Geschlecht 
Der  alten  1  )ilinars('heu  mit  deinem  alten  Recht, 
Steig'  auf,  du  \  olk  \ou  liauerii,  in  deines  liulimtis  Glanz, 
Mit  deinem  i.oweuniule  ijn  wilden  Sehwertertan/. 

Ferner  ist  ein  ganzer  Teil  der  (usten  Fassung  niciit  mit 
lieHi hergenommen,  .Wibcn  Peter-  genannt,  in  dein  erzählt  ward, 
w'w  dieser,  der  sciiönste  Manu  im  I.ande  der  Ditmarsclieu.  sich  für 
wiederholte  z\bweisuiig  vor  dem  Freigerii'hte  zu  Meldorf  rächte 
und  währeiKl  einer  Sturmflut  die  verlassenen  Dörfer  anzündete: 
^Ihr  hal)t  micii  ahgewiesen:  nun  zünd*  ich  euch  zum  Dank  —  leli 
uili  eueii  dämmen  helfen  —  eine  leuchte  heil  uud  biauk!"*  Er 
überfällt  dann  vou  llelguland  aus  häufig  die  Boote  seiner  Sta!nm«»H- 
genossrn,  bis  diese  sich  zu  einem  Zuge  gegen  ihn  vereinen,  aut 
dem  Eilande  landen  und  die  steilen  Felseu  uach  der  Kii'obe,  iu 
die  er  sich  geflüchtet  hat,  lüuaufkletteru: 

Sie  dringen  in  die  Kirche,  sie  8eh*n  den  FUtchtling  nicht. 
^HOrt  ihr  ihn  auf  dem  Boden,  ihr  Männer,  hOrt  ihr  nicht?" 
Sie  feuern  ihre  BQchsen  wohl  durch  die  Decice  ab; 
Horch!  welch*  ein  dumpfes  StOhnen;  dann  Stille  wie  im  Grab. 

Und  Blutesströmo  rieseln  auf  den  Altar  hinab. 
Dann  eilen  sie  zum  Boden  und  tragen  ihn  herab. 
Da  lag  der  schön«'  Totf.  das  Au«/  gehrorhcii  schon, 
Xuch  spielt  um  seiue  Züge  eiu  stolzer,  kalter  iiohu. 

.,So  sterbe,"  spricht  ein  Bauer,  »ein  Jeder,  der  die  fland 
VerrAtrisch  zu  erhelien  wagt  gegen's  Vaterland.* 

in  den  anderen  drei  T«'ileü  der  Dichtung  .Die  Heramingstädter 
Schiaehf.  .,Die  letzte  Fehde"  (in  der  ersten  Fassung  „Das  Ende" 
genannt).  .Schlussgesang"  sind  nur  wenige  Verse  unverändert 
geblieben;  der  schülerhafte  Charakter,  der  dem  diciiterisclieu  Auh- 


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262    Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VIL 


druck  des  im  siebzehnten  Lebeunjahre  steht  i  Ion  Abifurientea 
begreillicher  Weise  noch  eigen  war.  Ist  eiiitr  l)('stiiümteren, 
markigeren  Sprache  gewichen,  die  ErziUiluiii;  beruht  im  Ganzen  wie 
im  Einzelnen  aul'  eingehenderer  Vor.stellung  von  den  geschichtlicheii 
Vorgängen  wie  vou  deu  Lebens verhaitnisseu  des  Volkes. 

Ueber  die  deutsche  ReifeprUfkingsarbdit  H.  t.  Treitschkes 
urteilt  schon  Schiemann  a.  a.  0.  S.  42  auf  Grund  eines  Auszugs  Ton 

Uultsch,  <Im.>^s  sie  für  ihn  ungemein  charaixteristiach  ist,  weil  sie  .,mit 
dem  Pathos  des  Sechzehnjährigen  einer  Empfindung  Ausdruck  giebt, 
die  lür  sein  ganzes  Wesen  be/ei(  bueud  ist.  Es  ist,  fast  möchte  man 
sagen,  ein  Hymnus  auf  die  Durchdringung  jeder  Leben sthiuigkeit 
durch  den  Gedanken  der  Liebe:  Triebe  zum  Beruf,  zum  Vaterlande, 
zu  Gott  schärft  den  Blick  zur  Erkenntnis  des  Idealen  und  .fülirt 
mit  freudig  ernster  Begeisterung  unbeirrt  und  sicher  dem  hohen 
Ziel  entgegen".  Und  das  war  ja  im  letzten  (irunde  die  Kraft,  die 
sein  ganzes  Leben  durchgeistigt  und  ertiillt  hat,  Liebe  und  un- 
bedingte Wahrliaftigkeit,  nur  dass'  die  erste  ihn,  wo  es  not  that, 
auch  zum  leidenschaftlichen  Hasser  mai  hen  konnte,  und  dass,  wo 
die  zweite  fehlte,  er  unerbittlich  streng  iiikI  rücksichtslos  durch- 
zugreifen pflegt»' "  Weil  es  sich  sonach  hier  gb  ichsam  mn  eine  Art 
von  Bekenntnis  eines  Charakters  handelt,  der  ausserurdenllich  friili 
in  der  Richtung  gefestigt  war,  die  seinem  ö[>äteren  Wirken  seine 
Redentiing  verleihen  sollte,  und  zugleich  um  einen  ebenso  friiben 
Beweis  einer  grossen  Begabung,  su  wird  rs  uia  der  Molchen  .Jugend- 
arbeiten gegenüber  nötigen  Zurückhaltung  vereinbai'  sein,  wenn  wir 
einige  Sätze  aus  ii»r  mitteilen.  Die  Aufgabe  war  vom  ilektur  Klee 
gestellt  in  dem  Goetheschen  S[)ruehe:  .Wer  recht  will  thuu  immer 
und  mit  Lust,  der  hege  wahre  Lieb'  in  6iuu  und  Brust."  Der 
Eingang  der  Arbeit  lautet: 

^Der  Mensch  wirkt  nie  mit  einer  seiner  Geisteskräfte  aHein.  Die 
Anlaf»en  seines  Geistes  sind  so  mannigfaltig  und  stehen  in  so  en?rer  De- 
/ielinii^  zu  einander,  das«  sie  sirh  gegenseitig  durchdringen  und  bestimmen. 
Das  Vorlierrschen  der  einen  derselben  über  die  anderen  richtet  «ich  nach 
der  Individualität  oder  vielmehr  bedingt  die  Eigentümlichkeit  der  Iudi> 
Tidnen.  Jm  AllgH&ehiai  abor  kann  man  domoeh  behaupten,  das«!  das 
Oemllt  mit  seinea  versdiiedeaen  Afecten,  in  Neigung  und  WiderwiUen, 
Schmers  und  Freude,  auf  die  HandluQgsweiBe  des  Menschen  den  grOasten 
Einfluss  abe,  ibr  zu  Omnde  liege.*' 

Nachdem  er  von  hier  aus  den  Uebergang  zur  Aufgabe 
gefunden,  sagt  er: 


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21.  Aus  Heinrieh  von  Troitschkos  ScbQleneit. 


_Es  liefft  in  den  Menschen  ein  unbecrreifliche^  Etwa<?,  das  mnn  Hera 
oder  (ifiniit  zu  tieuiien  pHegt,  das  launenhaft,  uni-rliittlirli  dem  Mcnsrlien 
Gesetze  vorschreibt;  man  kann  es  beugen,  es  dem  Gesetze  der  Vernunft 
nnterwerfen,  man  kann  mit  kräftigem  Willen  die  oft  thdrichte  Neigung 
beherrschen  —  aber  seiner  inneren  Neigung,  der  Stimme  «te  den  Tiefen 
eeines  Wesene  entgegm  handeln  nnd  doch  Grosses  nnd  Heriliches  schaffen 
—  nimmermehr.  Oer  Henseh  ist  so  unendlich  weit  Ton  dem  Gottlichen 
entfernt,  dass  er  mir  mit  seinem  ganzen  Wesen,  im  TolIen  Einklang  mit 
sich  etwas  Grosses  und  Herrliches  wirken  kann;  nimmermehr  aber,  wenn 
er,  uneins  mit  sich  selbst,  nur  einen  Teil  seiner  Kriifte  auf  sein  Werk 
verwendet.  —  Wenn  der  Menseh  ylüt/.lich,  wie  von  einem  zündenden 
Strahl  von  oben  i^etroffeu,  mit  «seinem  sranzen  Wesen  sich  auf  ein  Werk 
legt,  ohne  sich  klare  Rechenst  hat't  Uber  öeiu  Beginnen  geben  zu  können, 
dann  isl  der  frohe  Wille»  das  fteadige  Studien  tber  ihn  gekommen,  rnd 
er  kann  etwas  Grosses,  etwas  GAtÜiches  vollbringm,  und  so  ist  manches 
Knnstwerk  wie  in  einem  Rausche  göttlicher  Begeisterung  entstanden.''  — 
„Diese  Neigung,  dieser  inne  re  Beruf  zu  einer  Beschftftigang  wird  nur  alljEU- 
oft  von  Jttnglingen  bei  der  Wahl  ihres  Herufes  vemaciilassigt;  wie  oft 
wird  nnr  aus  Rücksicht  auf  die  baldniöglichste  Versorgung  für  dies  oder 
jenes  Fach  entschieden;  dodi  die  Reue  kommt  bald;  und  ebenso  schwer 
rächt  sich  die  Thorheit  mancher  Elteni  an  ihren  Söhnen,  die  wider  ihre 
Neigung  zu  einem  Berufe  gezwungen,  mit  allen  Kräften  ihrer  l'tlicht  zu 
genflgcn  streben,  ohne  die  Leere  ihres  Innern  ausfüllen  zu  können,  und  im 
vergeblichen  Streben  zu  Grunde  gehen.  —  Nicht  als  ob,  weil  die  Liebe 
das  Bedingnis  jedes  tQchtigen  Handelns  ist,  man  sich  durch  eine  innere 
Abneigung  von  manchen  Bescbftftigangen  abhalten  lassen  und  in  ihr  einen 
Yorwand  unserer  Trägheit  finden  dflrfe;  mit  aller  Kraft  unseres  Willens 
müssen  wir  diese  Abneigung  zu  unterdrücken  streben;  aber  wehe  dem,  der 
«rp.rrn  die  Hauptrichtung  seiner  Thätigkeit  eine  tief  eintjewnrzelte  Ab- 
neigung hat.  Die  Hindernisse  der  Natur  lassen  sieh  überwinden:  das 
stotternde  Oryan  des  Deniosthenes  bildete  sieh  zur  tzewaltigen  Donner- 
stimme, aber  die  innere  Abneigung  gegen  einen  Beruf  ist  anbesieglich : 
ein  Schiller  konnte  nie  ein  tüchtiger  wQrtembergischer  Regimentschirurg 
werden.  Die  Neigung  umgiebt  uns  mit  unttbersteiglichen  Schranken,  deren 
Macht  wir  fühlen,  die  zu  erklären  oder  zu  besiegen  wir  umsonst  ver- 
suchen. —  Wer  aber  mit  wahrer  Liebe  seinen  Beruf  eigriüen,  der  mag 
die  heitere  Stirn,  den  frohen  Blick  kühn  der  Zukunft  entgegen  richten; 
denn  dann  wird  er,  wenn  er  sieli  selbst  treu  bli  ibt,  nach  seinen  Kräften 
(Irosses  leisten."  —  «Wohl  ist  es  rilhrciid,  ein  Kind  zu  sehen,  d;is,  von 
reiner  Liebe  zu  „unserem  liehen  Gott''  durchdrungen,  das  Heiligtum  der 
Kirche  mit  einem  .,Guten  Morgen,  Gott!"  begrUsst  und  so  ein  von  reiner, 
unschuldiger  Frömmigkeit  gebeUigtcs  Leben  führt;  aber  ernst  und  gross 
ist  das  Bild  des  Mannes,  der  von  dem  Baume  der  Erkenntnis  gekostet, 
mit  richtiger  Einsicht,  mit  sch&ifercm  Blicke  sein  Ideal  erkannt  nnd  mit 


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264     Mitteilungeu  d.  Gm.  f.  deutäclie  Erziehuugs-  u.  Bchulgesch.  VII. 


freudig-eruster  Begeisterung  unbeirrt  und  sicher  dem  hohen  Ziele  entgegen* 
geht.  Wohl  giebt  e«  viele  Menschen,  die  recht  handeln  und  gewiBsenhtft 
ihre  Pflicht  erfftUen,  doch  nur  ans  einer  Art  von  inetiDctmftssigem  Pflicht- 
geffthle;  doch  wie  tief  stehen  sie  unter  dem,  der  mit  freudiger,  ans  der 
Erkenntnis  hervorgehender  Liebe  zu  seinem  erhabenen  Berufe  wirkt,  dessen 
ganxes  Tichten  und  Trachten  von  dem  befrachtenden  Tau  der  Liebe  aber- 
gossf»n,  dessen  Lebon  gleichsam  ein  prosses,  inbrflnstif^'os  Gebot  ist.'*  — 
„Und  wahrlich,  oiii  trrosser,  ein  »erbebender  Gedanke  ist  es,  das  trfiiize 
grosse  Menscbentresi  lilcrlit  als  »  in  Geschlecht  von  Brüdern  zu  betrachten, 
sie  Alle  mit  gkicluir  Liebe  zu  umfassen,  freudig  und  rüstig  für  sie  zu 
wirken,  wie  von  ihnen  auf  uns  eingewirkt  wird.    Es  ist  der  Triumph  der 
Seibrtbeherrschnng,  der  Selbstverleugnung,  sich  freundlich  in  die  Memchen 
SU  fttgen,  ihre  Schw&chen  zu  tragen  and  trotz  der  tiefen  Einsicht  ihrer 
M angelht^^eit  aus  reiner  Liebe  fttr  sie  zu  wiiken.  Doch  diese  reine, 
freudige  Hingebung  an  die  Menschen  schliesst  die  Abnei^'img  gegen  die 
Bdsen  nicht  ans;  es  ist  der  Triumph  der  Liebo.  wolii/nthun  denen,  die 
nns  hassen,  die  zu  segnen,  die  un«'  fluchen;  und  trotz  der  tiefsten  Ab- 
neigung gegen  die  Srblechten  oder  gegen  Andere,   von  denen  wir  uns 
abgcstossen  fühlen,  doch  stets  edel  und  gerecht,  selbst  gepen  unsere 
Feinde,  zu  bandi  In,  eine  Handlungsweise,  die  nur  aus  der  reinsten,  tiefsten 
Liebe  entspringen  kann.   Und  diese  Lehre  von  der  idlgemeinen  Menschen- 
Hebe,  diese  ist  es,  welche  das  Christentum  von  allen  anderen  Beligionen 
unterscheidet  und  ne  zu  der  vollkommensten  von  allen  macht.  ^Gott  ist 
die  Liebe  und  wer  in  der  Liebe  bleibet,  der  bleibet  in  Gott,  und  Gott  in 
ihm'*  —  fürwahr,  wenn  das  uiinzc  Neue  Testament  nur  diesen  einzigen 
grossen  Spruch  enthielte  —  schon  er  reichte  hin,  dem  Christentum  den 
Stempel  reiner  Or(l«se  tuifzndrücken!"  —  T»Wie  die  Liebe  einst,  nnrh  einer 
alten,  sinnvollen  Sage,  die  Teile  des  Chaos  verband  und  einti',  wie  sie 
neirli  beute  in  der  Nnttir  sich  äussert,  ihr  Wachsen  und  Fortbestehen 
bedingt,  su  suU  sie  die  Grundlage  unseres  Wesens  sein;  und  immer  wird 
der  einfach^grosse  Spruch  des  Dichters  wahr  bleiben,  der,  oft  angegriffen 
als  ein  Mann  ohne  Beligion,  gerade  dnrch  diesen  Spruch  bewiesen,  dam  er 
den  Geist  des  Ghiistentums  besser  verstanden,  als  seine  Angreifer,  die 
Vergüssen,  dass  das  Wesen  des  Christentums  gerade  in  seiner  Lehre  von 
der  Liebe  liegt,  dass  also  fast  alles  Grosse  und  Schöne,  das  ein  Mensch 
vollführt,  im  Grande  christlich  ist  —  immer  wird  der  &|irach  des  Dichters 
wahr  bleiben; 

„Wer  reclif  will  tliun  immer  und  mit  Lust, 
Der  hege  wahre  Lieb'  in  Sinn  und  lirusi.- 
Dresden,  im  August  1897.  St. 


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est.  Die  Bntwlckelnng  der  Stftdt  böh.  TOchterBchule  xu  Dresden.  265 


22. 

Die  Entwickelung  der  Städtischen  hl^hcrcii  Töchter- 
schule zu  Dresden. 

Von  Professor  Dr.  OosL  Heiiismann ,  Direktor  der  Jiühereii  Tochterschule 

in  Dresden. 

Die  hGheie  BUdoogsanstalt  für  die  veibliebe  Jugend  zu 
Dreeden,  die  ehemalige  «RathstGchteisebule*.  welche  nach  mancherlei 
Wandlungen  jetet  den  Namen  „Stödtische  höhere  Töchterschule* 

führt,  reicht  in  ihrer  Entstehung  bis  in  die  Anfangszelten  unseres 
Jahrhimd(?rtB  ziirUck.  Im  Jahre  1806  beschloss  der  Rat  zu  Dresden, 
nach  dem  Muster  der  bereits  bestehenden  höhereu  liürgersf^hiilca 
für  Knabfii    m  f  UnteiTiohtsanstalt  mit  gesteigerten  Bildungszielen 

aueli  für  Mädchen  zu  bej^rUnden;  auf  der  Meissnei-  (  Jasse,  —  also 
in  D resden  -  Neustadt  wnrd  ein  Lokal  für  sie  ermietet,  ein 
Hatsmitglied  mit  der  besonderen  Vertretung  beauftragt,  und  ein 
Direktor  in  der  Person  des  Magisters  Haan  ernannt,  welcher  mit 
einem  „Oollahorator"  und  einer  Lehrerin  den  Schulbetrieb  in  Gang 
setzt«.  Als  M.  Haan  schon  nach  /woi  Jahren  we^'Cii  Kränklichkeit 
sein  Amt  niederlegte,  folgte  ihm  im  Direktorat  sein  bisheriger  Mit- 
arbeiter, Magister  Meyer,  und  tjleirhzeitiir  wtirde  die  Anstalt  nach 
Dresden  -  Altstadt  verlt  ;;t  in  ein  Cebäude  auf  der  Brüdergasse, 
in  welchem  sie  bis  zum  Jalue  1S76  verblieben  ist.  Anfänglich 
waren  au(-h  in  diesem  neuen  Heim  die  Schulräume  nur  orniiftct; 
als  aber,  etwn  «mu  .laliiv.ehnt  später,  djis  Haus  zwani^swcise  ver- 
kauii  weidm  niu>>ie,  und  der  Hat  dem  nunmehrigen  Kigetitünier, 
Herrn  Gemeiuderitlitci'  lJurner,  vorstellijLr  machte»,  ^wie  das  von  ihm 
erstandene  Haus  für  die  gegründete  weiidiche  Unterri<;lil.^anstalt  zu 
deren  zweckmüösiger  Einrichtung  sehr  wünschenswert  sei^.  ei  kläiio 
der  neue  Besitzer  in  grosshei"ziger  Weise,  .dass  er  zur  Be- 
förderung des  liiMböichtigten  woblibäLigen  Zweckes  seine  Er- 
ste bunirsrechte  all  die  weibliche  Untemcht^anst.ilf  al»tret4Mi  und  zu 
Ounsteii  der  piae  cauHae  allen  weiteren  An.sprüchen  an  das  gedachte 
Grundstück  entsagt  haben  woUo".    Solchergestalt  gelaugte  die  Aa- 


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266    Hitt^uiigeii  d.  Ges.  f.  dentBch«  Bniehuiigs-  n.  Schulgeseh.  ML* 


statt  in  den  Besitz  eines  eignen  Hanses,  nnd  als  dasselbe  spftterhin 
anderweit  vericanft  wurde,  eines  ansehnlichen  StiftungsvermOgens, 
dessen  Zinsen  zum  Betrieb  der  Schale  verwendet  werden  mflsaen. 
Im  Jahie  1831  erfolgte  die  Peninonierung  des  Direictors  M.  Mejer; 
an  seine  Stelle  trat  Magister  Schöne,  welcher  wiederum  im  Jahre 
1846  durch  Direkter  Richter  ersetzt  ward. 

Inzwischen  war  die  Anstalt  Ausserlidi  wie  innerlich  ansehnlich 
gewachsen;  nachdem  ihre  Klassenzahl  von  drei  oder  vier  bis  auf 
acht  gestiegen  war,  Torband  man  mit  ihr  im  Jahre  1847  eine  Fort- 
bildongsaustalt,  die  erste  in  Sachsen,  welche  den  Zweclc  haben 
sollte,  konfirmierten  Mädchen  nicht  bloss  Gelegenheit  zu  geben,  den 
in  der  Schule  gelegten  Grund  zu  befestigen,  sondern  sich  auch  mit 
solchen  Gegenständen  rlos  Wissens  vertraut  zu  machen,  die  über 
das  Schulziel  hinausreichen.  Die  zu  diesem  Zwecke  aufgesetzt« 
,,Selekta"  sollte  aber  noch  Höheres  erreichen:  die  jiingoii  Mädchen 
mit  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  ausrüsten,  welche  sie  befAhigteu, 
als  Erzieherinnen  und  Lehrerinnen  sich  eine  selbständige, 
ehrende  und  sorgenfreie  Stellung  zu  verschaffen.  Diese  Befugnis, 
eigentliche  Lehrerinnen  auszubilden,  hat  die  Anstalt  freilich  später 
wieder  aufgeben  und  den  eijijpntlirben  Seminarien  überlassen  müssen; 
damals  aber  haben  binnen  20  Jahren  34  Lehrerinnen  und  Er- 
zleherianen  ihre  Vorbildung  in  der  Ratstöcbterschulo  gefunden. 

In  der  zuletzt  geschilderten  Gestalt  bestund  die  RatetiW  lifer- 
schüle  bis  ztrm  Abgang  des  Direktors  Dr.  Ludwig  Erdmann  Ivielilrr 
7Ai  <Js1»  rn  18G8.  Seit  üirer  Begrümbirii:  bis  zu  diesem  Zeitjinnkte 
hallt?  sie  eine  ganz  eigenartige  SoudersLeiluug  bebaii{)let;  sie  war 
weder  eine  eigentlich  (Ml'entlit  be.  noch  eine  eigentü«  be  private  An- 
stalt, weder  eine  wirklich  höhere,  noch  eine  Voiksseiiule  gewesen. 
Hauptsächlich  durch  eine  Stiftung  unterhalten,  wurde  die  Kats- 
töchterschule von  einem  Direktor  geleitet,  dessen  Ernennung  vom 
Rate  zu  Dresden  erfolgte;  der  Rat  gewährte  auch  gegen  Miet- 
zahlung die  Schulräume  (die  freilich  in  dem  genannten  Haus  auf 
der  Drüdergasse  ungenügend,  winklig  und  tinsfer  waren),  behielt 
sich  auch  vor,  einzeliieu  Lehrern,  die  ihren  ganzen  Lebeusberuf 
dem  Dienst  der  Schule  gewidmet  hatten,  Ständigkeit  und  Pensions- 
berechtigung zu  gewähren;  im  übrigen  aber  war  die  Verwaltung 
und  Leitung  der  Anstalt  Sache  des  DireiitoTS,  der  sie  auf  seine 
Rechnung  und  Gefahr  fibemahm,  die  Lehrlcrafte  ernannte  und 
bezahlte,  die  Lehrordoung  festsetzte  und  nur  insoweit  unter  der 
Oberaufsicht  der  Schulbehörden  stand,  als  durch  die  landesgesetz- 
lichen Bestimmungen  die  Ueberwachung  des  Schulwesens  vor- 


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23.  Die  Botwidcelou^  der  Stadt.  hOh.  TOchtencbnle  su  Dresdeu.  267 


geschrieben  ist.  Da  gescbab  es  im  Jähre  1868  beim  RtteldiitI  des 
Direktors  Dr.  Richter,  dasa  der  Rat  und  die  Gemeindevertreter  von 
Dresden  beschlossen,  die  Anstalt  völlig  zu  einer  (Ufontlichen  am* 
sugestaltent  sie  in  städtische  VerwaUung  su  nehmen,  mit  einem 
festangestellten  Lehrerpetsonal  auszustatten,  und  ihr  eine  neue  Lehr» 
YerfaSBung  zu  geben,  welche  der  in  den  gehobenen  Bildungs- 
anstalten  tOr  die  mftnnliche  Jugend  nicht  mehr  minderwertig,  wenn 
auch  nicht  gleichartig  sein  sollte.  Dehn  wfthrend  für  die  Knaben- 
bildung  längst  schon  in  hinreichender  Weise  durch  alle  möglichen 
AbstufÜDgen  von  höheren,  mitfieien  und  einfachen  Unterrichts- 
anstalten  gesorgt  war,  hatte  man  über  das  MaasB  dessen;  was  die 
Bezirlcs-  und  BQrgerschule  nach  den  Forderungen  des  VoUcsschul- 
gesetzee  bietet,  für  die  Mftdchenbildung  nichts  weiter  gethan;  die 
Vermittelung  höherer  Kenntnisse  an  das  weibliche  Gesdilecht  blieb 
den  Privatschulen  überlassen.  Das  sollte  nun  anders  werden. 
Ueberau  in  Deutschland,  zumal  in  unserem  grausen  Nachbarstaat 
Preussen,  regte  sich  der  Qedanke,  dass  auch  die  weibliche 
Jugend  berechtigten  Anspruch  an  höhere  Bildungsstätten  liabe, 
weil  das  Maass  der  einem  Mädchen  zu  gewährenden  Summe  Ton 
Kenntnissen  und  Ferüglceitett  je  nach  Stand,  Rang  und  sonstigen 
Lebensinteresaen  sehr  verschieden  ist,  und  den  einen  gerechtfertigter 
Weise  nicht  vorenthalten  werden  darf,  was  man  den  anderen  in 
ausgiebi^,'ster  Weise  längst  gewahrt  hat.  Das  weibliche  Pfliclitleben 
ist  wahrlich  nicht  bescluäni\t  durch  die  Aufgabe,  Hausfrau  und 
Mutter  zu  werden;  das  Weilt  eines  gebildeten  Mannes  soll  auch 
die  geistige  Gefährtin  ihres  Gatten  sein,  ihn  verstehen,  mit  ihm 
zu  Rate  gelieu  könnten;  sie  soll  iliii  durch  unverwelklielie  Vorzüge 
auch  dann  nocli  lesholu  kümieu,  wenn  das  Alter  und  di"  Stürme 
des  Lebens  den  vergünglichen  Staub  aujnntiger  Jugendblüte  von 
iliren  Wangen  h inweggeweht  haben.  Vor  allem  aber  ist  es  des 
"Weibes  gottgeorduete  Aufgabe,  nicht  allein  scliwere  leibliche 
Mutterpflichten  auf  sich  zu  nehmen,  sondern  auch  _den  goldnen 
Morgen"  ihres  Kindes  allseitig  zu  überwachen,  das  heranwachsende 
Geschlecht  zu  erziehen,  zu  belehren,  das  Samenkorn  des  Guten, 
Wahren.  Schönen  in  die  kindliche  Brust  zu  ptlanzen,  und  zwar 
nach  Maassgabe  der  eigenen  ('ni|>fang<'nen  Jiiliiiiug,  die  den 
Menschen  selten  im  Stich  lässt;  denn  entwickelter  Versland,  Ein- 
sicht und  Ueberlegung  zeigt  überall  den  besseren,  vernünftigeren 
Weg.  Wer '  wollte  verkennen ,  dass  gerade  die  erste  An- 
regung, welche  das  Kind  von  der  Wi^e  an  durch  die  Mutter 
emptaugt,  oftmals  ausschlaggebend  für  seine  ganze  spätere  Lel>ens- 


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'268    MitteUnngen  cL  Get.  f.  deutaehe  Brdehuiiga'  n.  BcIuilgMclL  VII. 


^richtoDg  sei?  Qewiss  ist  es  ein  scihOnes  Wort  Jean  Pauls,  der  da 
sagt,  man  kdnne  erzogene  Kinder  gebfiren,  wenn  die  Mütter  selber 
■erzogen  wftren.  Wie  hirnlos  und  roh  klingt  dagegen  die  oft  gehörte 
banale  Phrase,  dass  ein  Mftdchen  nicht  soTiel  su  lernen  brauche; 
•Qüt  ein  wenig  Lebensidugbeit  und  gesundem  MenschenTerstand  finde 
•die  Mutter  instinldiTisch  dasjenige  Ton  selbst,  was  ihrem  Kinde 
jfromme.  Wie  oft  lehrt  die  Erfahrung  das  Gegenteil!  Wie  oft 
findet  man  die  Kinder  mit  sogenannten  Muttersünden  behaftet, 
Muttersanden,  die  anderen  Menschen  unausstehlich  werden  kGnnen, 
•die  aber  die  gute  Mutter  an  ihrem  Liebling  übersieht,  nicht  aus 
bösem  Willen,  sonderu  aus  bliüdor  Liebe,  aus  Mangel  an  Verstand 
•und  Erkenntnis.  Wolle  man  daher  der  weibliciien  Jugend  den 
Weg  au  höherer  Schulbildui^  wenigstens  niclit  verschliessen. 
sondern  gewahi-en,  soweit  er  von  ihr  selbst  begehrt  und  für  nötig 
erachtet  wird.  Von  derartigen  Erwägungen  ausgehend,  besciilossen 
die  städtischen  Behörden  Dresdens,  die  bisherige  Ratstiich terschule 
in  dem  Sinne  neu  zu  gestalten,  dass  sie  eine  <ler  Realstthiüe  gleicii- 
wertige  innere  und  äus.sere  Organisation  erhalte  und,  wenn  auch 
naturgemass  unter  Berücksichtigung  anders  gearteter  Interessen  des 
wciblicheu  Gesclilfclites.  zu  einer  liildungsreife  emporfilhren  sollte, 
weiche  die  Zick'  der  iiohoron  Volkssrhiiln  fihorsteigt.  Der  Name 
.Ratstöchterschule"  wurde  durch  tli»'  licy.cichnun'jr  .Städtische 
liöln  re  Töchterschule"  ersetzt;  v'm  ans  akademisciien ,  Semina- 
rist IscIkmi  Lohrern  und  Lehrerinnm  /usaimnengesetzter  Lehrkörper 
sollte  für  den  Sehnlhchii-l»  i^pschatteii  ^verdon.  Die  unmittelbare 
Leitung  der  Schule  legte  der  Rat  zu  DrcsdtMt  in  die  Hände  eines 
in  diesem  l^'aehr  schon  erfahrenen,  im  « )t  li mi-n'rt'n  i^eschulten 
Mauues,  de»  DirekJurs  Alwin  X'iT'lor.  der  schon  zwei  gleich- 
gerichtete höhere  MädcheuHchuleii  in  rreiissen,  die  zu  Ferlelierg 
und  die  zu  (iörlitz,  eingerichtet  und  dirigiert  hatte,  und  von 
welclieni  sich  d»Mnn{ich  erlndlVn  lies.s.  <lasö  er  auch  den  Neuaufbau 
der  Uretjdener  Schwesteranstalt  in  richtiger  Weise  leiten  und  sie 
auf  die  zt  itgemässen  iiahncn  unter  Fühlungnahme  mit  den  allerorts 
in  Deutschland  siel»  aufthueuden  Mädchen-Dildungsanstalten  lüiireu 
werde.  Selbstverständlich  konnte  Victor  die  Umformung  nicht  mit 
einem  Schlage  durchführen;  denn  es  galt,  mit  bestehenden  Ver- 
hältnissen zu  rechnen,  auch  unser  Publikum  erst  an  die  neuen  Ideen 
KU  gewöhnen;  aber  das  Ziel  selbst  unverrOckt  im  Auge  behaltend, 
hat  er  in  achtjähriger  Thätigkeit  die  alte  Ordnung  mit  weiser  Hand 
allmählich  in  die  neue  histtbergeleitet,  und  allen  Hindernissen  zum 
Trotz  ist  die  letzte  Frucht  seines  Arbeitens  und  Strebens  denn 


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22.  Die  Entwiekelung  der  StädU  höh.  Töchterschule  in  Dresden.  269 


auch  das  Zustandekommen  einer  vollentwickelten  zehnklassi^en 
Schilift  gewesen.  War  ihm  auch  selber  nicht  beschieden,  noch 
wähn-iid  t'iu;iici- Amt8thMiiz:keit  als  Leiter  der  Tr>ol»tersclmle  seinem 
Workr  <l(>ii  Schliissstein  einzufügen,  so  gebührt  iliin  doch  (I;i>t  un- 
bestreitbare Verdienst,  dass  es  wesentlich  seinen  Jiemüliun<4<  ii  zu- 
zu^i^h reiben  ist,  wetm  der  schöne  Bau  bald  darauf  seine  VoUeuduiig 
erreichte. 

Das  eivstt;  von  Victor  ausgegebcni  scluilprogramm  (1869) 
lÄsst  denn  niicli  .sofdrl  die  Tendenz  erkennen,  vnn  welcher  das 
Neu-Organi.safioii.swerk  getragen  sein  soll,  wenn  auih  der  Vedctsser 
es  für  anL'enu'sscn  hftlt,  ül)er  seine  letzten  Pläne  und  Ziele  noch 
nicht  mit  voller  Oll'enheit  ans  Lii  ht  zu  treten.  Die  Schule  setzt 
sich  aus  sieben  Jahre.sknrscu  zusammen,  welche  als  Klawsen  die 
Namen  Prima  bie*  Septinia  führen;  den  Abschluss  nach  oben,  einen 
achten  .lahreskursus,  bildet  die  Selekta.  Mit  hinein  acht  jäh  rii^cn 
Unterricht  musste  also  damals  versucht  werden,  eine  die  N'olk.s- 
schulo  übei-steigendc  IJildung  zu  erreichen,  und  da  der  Eintritt  in 
die  Am^talt  mit  dem  Beginn  der  Schulptlichtigkcit,  also  mit  dem 
06Cb8t6ii  Lebensjahr,  zusammenfiel,  so  miisste  bei  regelrechtem 
AuMcken  der  ÄbscMosB  des  Gesamtkorsus  mit  dem  vierzehnten 
Lebensjahre  Tollendet  werden  Icdnnen:  das  erscheint  Icanm  aus»* 
reichend  lür  OrganisieruDg  emes  hdheren  Unterrichts!  ViStor  erldart 
selbst,  dass  zur  Durchführung  das  Hilfamittel  unerlftaslieh  sei,  die 
AufrQckung  in  höhere  Klassen  nach  ^loglichkeit  zu  erschweren, 
wahrend  der  Lehrarbeit  allerdings  nicht  unwesentlich  der  Umstand 
zugute  icomme,  dass  die  Töchter  derjenigen  Stande,  fUr  welche  die 
Anstalt  vorzugsweise  bestimmt  sein  sollte,  schon  von  Haus  aus  im 
allgemeinen  besser  vorgebildet  und  auf  den  Unterricht  der  Schule 
vorbereitet  sind,  als  die  Schülerinnen  in  den  Volksschulen,  mithin 
ein  nicht  geringer  Teil  der  Anfangsarbeit  dem  Lehrer  erspart 
bleibt  Aber  dass  auch  damit  Viötor  sein  Bildungsziel  für  un- 
erreichbar  halt,  spricht  er  selbst  in  den  Worten  aus:  „Teils  ist 
dies  innerhalb  der  auf  diese  Weise  sich  ergebenden  sieben  Schul- 
jahre nicht  möglich,  teils  und  besonders  auch  deshalb  nicht,  weil 
eine  grössere  Verstandesreife  zur  Eifassung  der  w^eiteirgohenden 
BilduDgsmittel  unabweisluh  nötig  ist.  und  diese  sich  in  so  frühen 
Jahren  noch  nicht  findet.  Wenn  die  Anstalt  die  Schülerinnen  nicht 
bis  zum  16.  und  17.  Lebensjaiirf?  behalten  kann,  so  ist  es  völl^ 
unmöglich,  den  Schülerinnen  eine  wirklieh  tiefere  und  umfassendere 
Bildung  zu  geben Aus  diesen  Worten  lässt  sich  zugleich 
unschwer  erkennen,  welchem  Endziel  Victor  entg^enstouerte. 


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270  Mitteilungen  d.  Gee.  f.  deutache  Braiehungs*  n.  Sehulgeech.  VII. 


Mit  sieben  fest  angest<?llteii  Lehrkräften  (zwei  akademischen 
und  zwei  seminaristischen  Lehrern  und  drei  Lehrerinneu)  ging  der 
neue  Leiter  an  spin  Werk,  die  Anstalt  innerlich  und  ausserlich 
auszubauen  und  zugleich  den  Unterricht  in  Gnnj^  zu  setzen.  Von 
diesen  orston  Mitar'  fitfn-n  ist  nnr  einer  noch  an  der  Schule  fhäti;:. 
der  damcilii,'e  PredigUuutökandidat  und  Dr.  phil.  Auj^ust  Wim -'he. 
der  in  nunmehr  28jahriger,  unemiütlliiher  Thfitii^keit  s-eine  i^auze 
Kraft  und  seine  reiche  Erfnhning  für  die  Entwickeliing  und  das 
Aufblühen  der  Anstalt  und  des  iiöh^ren  Madrhenschulwesena  über- 
haupt eingesetzt  hat.  Auch  ausnerlialb  tieiuer  amtlichen  Thätigkeit 
ist  WuiiSülie  eine  Zierde  unserer  Anstalt  geworden;  sein  Huf  als 
Gelehrter  und  Schriftsteller  hat  ihm  von  der  Universität  Jena  den 
Titel  eines  Doktura  der  Theologie  honoris  causa,  sowie  die  Er- 
uenuuug  zum  rrofessui'  von  Sr.  Majestät  dem  König  von  Sachsen 
eingebracht.  Noch  jetzt  arbeitet  er  in  ungebrochener  SchaÖeuskraft 
als  Lehrer  und  Gelehrter  weiter. 

Der  von  dem  Direktor  unter  Mitwirkung  des  Lehrkörpers 
festgestellte,  behördiicli  genehmigte  Lehrpian  zeigt  in  seiner  ersten 
Gestalt  folgende  Uebersicbt: 


LehrgegeDStftude: 

Selekta 

II 

1 

III 

1 

IV 

V 

1 

VI 

i 

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22.  Die  Eolwickeluug  der  Stadt,  hüh.  TüchterBchule  zu  Dresden.  271 


Zwei  Jahre  späTcr  tritt  Viötor  mit  nimm  ikmiom  Lehrplan 
hervor,  dessen  Neurraug,  abgesehon  von  einjgeu  uiibedüut«üdcn  \'or- 
aohiebungen,  hauptsächlich  in  der  Eiuniu'iinir  des  Turnunter- 
richtes bestand:  freilich  ist  er  in  seinen  scliüchterüen  AnfVt!iL'<'n 
nur  mit  vier,  iin  folgenden  Jahre  nül  sechs  Wochenatunden  lür 
die  <;an/,e  Schule  angesetzt.  Weiche  gerini^e  \Vi(hti<:keit  man 
ihm  damals  zuschrieb,  und  weh  he  grosse  Bedeutung  man  ihm  lieute 
(15  Wochenstuu(ien)  beilegt,  bezeugt  die  gesteigerte  Fürsorge,  die 
man  seit  einem  halben  Jaiirhundort  dem  körperlichen  Wohl  des 
heranwachsenden  Qeschlechtes  zugewendet  hat. 

Die  folgenden  Jahresberichte  der  Anstalt  weisen  nur  unbedeutende 
Veränderungen  des  Lelirplans  auf,  in  der  Hauptsache  ist  1)18  zum 
Jahre  1376  nach  diesen  Feststellungen  gearbeitet  worden.  I)al)ei 
behielt  aber  der  Leiter  sein  Endziel  unablässig  im  Auge,  die  An- 
stalt vom  Achtklassensystem  zum  Zehnklassensystem  weiter- 
zuführen, sobald  die  Räumlichkeiten  des  SchulgrundstUckes  und  die 
Frequenz  der  Sidiule  dies  gestatten  wurden.  Die  Ansichten  der 
Behörden  und  die  Stimmung  im  Publikum  zeigten  sich  der  Er- 
weiterung im  allgemeinen  geneigt,  nur  über  den  Zweck  de«  Ganzen 
schienen  sich  zwiespältige  Ansichten  zu  bUden;  es  wurden  Stimmen 
laut,  welche  die  Aufmerksamkeit  der  Stadtvertreter  auf  die  Not- 
wendigkeit der  Vorbereitung  fttr  dss  praktische  Leben,  d.  h.  fUr 
ein  Fachstudium,  liinwiesen.  Vletor  nimmt  von  vornherein  ent- 
schieden Stellung  gegen  die  Bestrebungen,  die  höhere  Töchter- 
schule zu  einer  Fachschule  zu  machen.  Er  wird  hierin  bestärkt 
durch  die  inzwischen  stattgefUndene  allgemeine  deutsche  Veisanun- 
lung  von  Lehrern  und  Lehrerinnen  höherer  Mädchenschulen  zu 
Weimar.  Die  von  etwa  150  Mitgliedern  aus  ganz  Deutschland 
besuchte  Versammlung  hatte  eine  Reihe  von  Beschlossen  gefaest, 
um  die  höhere  Mädchenschule  in  ihrer  Eigenart  und  in  ihren  unter- 
scheidenden Merkmalen  von  allen  anderen,  namentlich  ihnlichen 
Bildungsanstalten  für  das  weibliche  Gfeschlecht,  zu  cliarakterisieren 
und  ihr  eine  einheitliche  Organisation  zu  schaffen.  Eine  hlerttber 
abgefasste  Denkschrift  wurde  an  die  Regierungen  sämtlicher 
deutscher  Staaten  eingereicht;  der  preussische  Unterrichten[iini.<iter 
liess  darauf  eine  Versammlung  von  Reglern ngsbeamten  und  Fach* 
männem  zusammen  treten,  um  mit  diesen  die  hocliwichtigc  Frage  zu 
beraten  und  weiteren  EntSchliessungen  entgegenzufUhren;  in  Sachsen 
hat  Viötor  dem  damaligen  Kultusminister  v.  Gerber  die  Denkschritt 
in  persönlicher  Audienz  überreicht,  freundliche  Aufnahme  und  die 
Zusicherung  gefunden,  daas  man  die  ausgesprechenen  Wünsche  in 


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272    Mitteilungen  cL  Güd.  1.  deutäch«  Braiehuug»-  u.  ächulgeach.  VU. 


wolilwoik'iid«'  Eiwüjijuug  ziohpii  werde.  Uiit-er  drii  (lamaii«;eii  ]^e- 
öchlüösieii  ist  aiK'h  in  Puukt  2  die  Erklärung  eülhalU'u.  du««  die 
höhon'  MfidclH  nst  Imlo  den  Charakter  einer  Fachscluile  zurückweise. 
Demnach  Uliirlt  Niötors  Ansicht  die  Oberhand.  Zur  ferneren 
Wahrung  und  (iellendmachuiii^  der  in  Weimar  fonnulit  rtt  u  Leit- 
sätze gilindeto  sich  der  all'^cinciin'  dcuidche  Verein  von  Diiigonten 
und  Lehrern  an  höheren  .Mädchciiscliulen :  derselbe  schluj;  auch  in 
unserem  en«j*'irii  X'aterlande  seine  \\  uiiüiü  und  führt«  zur  IJildung 
eines  Zweigvereins,  dessen  Leitung  den  Herren  Direktoren  der 
Mädchenschulen  in  den  drei  (trossstfulteu  des  Landes.  Dr.  Nöldeke- 
Leipzig,  Victor  -  Dresden  und  Llols ch er  -  Chemnitz  übertragen 
wurde. 

Was  der  Herr  Minister  v.  (Serber  in  mündlicher  Audienz  zu- 
gesagt, hat  er  gehalten.  Die  Entwickelung  der  Mädchenschulfrage 
schien  im  Königreich  Sachsen  durch  ihn  einen  unerwartet  günstigen 
Anlauf  zu  nehmen.  Bei  Beratung  eines  n- uen  Gesetzes  für  die 
höheren  Unterrichtsaustalten  legte  die  Hegieruntr  den  Kannnern 
folgende  Bestiininunu  vor:  „Für  höhere  Töchterschulen,  welche  so 
eingericlilüt  sind,  dass  sie  die  Ziele  di  r  hölieren  Volksschule  über- 
steigen, werden  die  (irundsät/x-  ihrer  Organisation,  die  Aufsiclits- 
behörde,  sowie  die  Verlialiuisse  der  Lehrer  und  Lehrerinnen  an 
denselben  von  der  ohersten  Schulbehördc  Ix'stinimt."  Damit 
scliien  der  liodeu  gewonnen;  Sachsen  hätte  mit  seinem  Müdchen- 
schulwesen  an  die  Spitze  einer  neuen,  zeitgemässen  ]?(\ve;^'nng 
treten  können.  Aber  die  Stände  itiinten  die  Aufnahme  der  Be- 
stimmung in  das  Gesetz  ab  und  ert(  ilien  »h  r  Suuitsregierung  nur 
die  Ermächtigung,  «bis  auf  weiteres  die  \'ei  lialtnisse  solcher  höherer 
Töchterschulen,  welche  so  eingerichtet  sind,  dass  sie  die  Ziele  der 
höheren  Volksschule  übersteigen,  soweit  thunlich,  nach  den  r.estiin- 
miui.^'en  des  Gesetzes  über  die  Gymnasien,  Uealschuleu  und 
Seminare  zu  regeln." 

Damit  war,  so  nahe  am  Ziel,  ein  neues  Hindernis  gegeben.  Frei- 
lich kein  unübei-steigliches;  denn  in  Wirklichkeit  handelte  es  sieb 
nun  der  Hauptsache  nach  nur  um  die  Bereitwilligkeit  der  grösseren 
Stadlgemeinden  -  -  es  konnten  überhaupt  aur  Dresden,  Leipzig  und 
Chemnitz  in  Frage  kommen  —  hinreichende  Mittel  zu  gewähren 
für  einen  angemessenen  Etat  der  Ansialt  und  tiir  entsprechende 
Lehrerbesoldung,  letzteres  um  se  wichtiger,  als  man  sonst  liätte 
befürchten  müssen,  nur  niinderweilige  Kräfte  zu  g*'winn<'n:  für 
Dresden  im  besouderou  war  auch  noch  unimigäugliche  Vorbedingung 


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22.  Dio  Eatwickeiuiig  dar  üVXdl.  höh.  Tüchtcrtichulo  2U  Drcädeii.  273 


einer  zehuklasHlcren  vSchule  die  Erwerbiuig  eioeb  ueucu,  räumUcb 
genüjienden  ScInilLMiiiidstUckes. 

Dass  letüLerer  Wunsch  rasclu^r,  als  erwartet,  in  Erfüllung 
gin«;,  ist  zum  irross^en  Teil  der  Anri';^Muitx  Ihrer  Majestät,  unserer 
erlauchten  Kr»iii;,'iu  Carola  zu  dauivcu,  welche  gelegentlich  ihrer 
Anwesenheit  l^ui  den  OsterprUfungen  im  Jahre  1875  dem  Wunsch 
AuHdnick  gah,  da.ss  der  Seliule  bald  schönere  und  geräumigere 
Lukale  zur  Verfügung  stehen  möchten.  Nachdt'in  .laiire  liuig  ver- 
gebliche Anstrengungen  gemacht  wonicii  waren,  cinfii  i^coignoten 
Platz  für  einen  Neubau  zu  üiiden,  hol  dich  Oelegeuheit  zur  Er- 
werbung eines  Grundstückes  in  der  Laugestrasse  (jetzt  Zinzen- 
dorfstrasse)  für  den  Kaui'preis  von  249000  Maik.  Es  bestand  aus 
einem  Tillenarttgen  Vorderhaus  mit  Piivatwobnungeu .  einem 
60  Meter  langen  und  32  Meter  breiton  Schulplatz  mit  Qartenanlagen 
und  einem  aus  Erdgesehoss  und  zwei  Stockverken  beetotienden 
Schulhaus,  das  an  der  Hintorseito  des  Platzes  fllr  ein  bisheriges 
Privatinstitut  erbaut,  vom  störenden  Strassenl&rm  entfernt  lag, 
ausreichend  licht  und  Luft  und  die  Möglichkeit  freier  Bewegung 
der  Schaiexinnen  wahrend  der  Pausen  bot 

Auch  historische  Bedeutung  haftet  an  diesem  Grundstock:  das 
Vorderhaus  ist  seinerzeit  von  dem  berühmten  Bildhauer  Ernst 
Rietschel,  dem  Schfipfer  der  Lessingstatue  zu  Braunsehweig  und 
des  Lutherdenkmals  in  Worms,  erbaut  worden  und  diente  ihm,  wie 
zwei  anderen,  Itaum  minder  gefeierten  Kttnstlem,  den  Malern 
Ben  de  mann  und  Julius  Hühner,  viele  Jahre  lang  als  Heim. 
Zu  Ostern  1876  erfolgte  der  Umzug.  Man  durfte  erhoffen,  dass 
die  neuen  Rftume  aisbald  auch  der  Anstalt  neues  Publikum  an- 
locken würden,  Platz  dazu  schien  hinreichend  vorhanden.  Gleich- 
zeitig sollte  auch  auf  Victors  erneute  Anregung  der  Ausbau  der 
Anstalt  zum  ZehnklaHsensystcm  praktisch  seiner  Verwirklii-Imng 
entgegengeittlirt  werden,  d.  h.  die  Selekte  als  ein  vom  eigentlichen 
Schulkursus  sich  absetzender  Oberbau  wegfallen  und  für  zehn  voll- 
entwickelte Klassenstufen  eine  neue  Unterrichtsordnung  eintreten. 
Die  völlige  Durchführung  war  freilich  nicht  unmittelhar  zu  ermög- 
lichen. Durch  Spaltung  der  einen  Klasse  in  zwei  traten  mit  Ostern 
1876  zunächst  neun  fllr  sich  beslehende  Jahreskurse  ins  Lehen;  für 
die  zehnte,  oherste,  holVto  man  ebenfalls  in  B&lde  eine  hinreichende 
Anzahl  Schülerinnen  zu  linden. 

Dagegen  zt'i'jtc  sirh  das  Kr)ni'j:lTcht'  Kultusministerium,  nach- 
dem es,  wie  ol»en  ausgeführt,  die  l'ra-^e  wp^en  Neiiregehmg  des 
höhereu  AlÄdcUeoschulwesens  so  warm  befürwortet  hatte,  nunmehr 

MiUaUttBcvn  d.  Qm.  t  d«n1ache  Enieh.-  u.  ScbolgMChleble.  VH  S  1W7.  |g 

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274     Mitteiluiigeu  d.  Ges.  f.  deutsche  Eruehaaga-  u.  Schulgesch.  Yil. 


nif'bt.  sofort  geneigt,  von  seinem,  ihm  durch  die  Sfandc  cin- 
geiäuiiiten  Iicrlite  Gebrauch  zu  machen  und  die  end.£:iltitrf  An- 
erkennung unserer  Anstalt  im  Atisii;ihniefa11  ohne  Weiteres  aus- 
zusprechen. Auf  eino  bezügliclie  Vor8telluiii;  des  Rat^is  gab  es  zum 
Bescheid,  dass  es  sein  endgiltiges  Urteil  üljer  die  stüdtisciie  liöhere 
TöchterBciiule  zur  Zeit  noch  aussetzen  mtisse:  zur  Begründung 
machte  es  geltend,  dass  im  sächsischen  Volksschulgesetz  vom  Jahre 
1873  auch  die  höhere  Volksschule  vorgesehen  sei,  und  dass  es  sich 
niciit  empfehle,  dem  Organismus  des  Volksschulwesens  kurzer 
Hand  die  Spitze  abzubrechen.  Dies  veranlasste  in  der  Folge  einen 
mehrfachen  Meinungsaustausch  zwischen  der  königlichen  und  der 
städtischen  Behörde,  his  eudUch  ein  Provisorium  bewilligt  wurde, 
laut  dessen  das  Mmisterium  die  Inspektion,  besonders  bezüglich 
der  Äusseren  Gesehäfte«  dem  Rate  xu  Dresden  ttberliess.  aiuserdem 
aber  zur  Ckkinspektion  em  Mitglied  des  Uinisteriums  bestellte,  so 
lange,  «bis  sich  aus  der  Weiterentwiekelung  der  Anstalt  ei^ben 
haben  würde,  ob  dieselbe  dauernd  nur  ala  hdhere  Volksschule  zu 
charakterisieren  und  unter  das  Volksscbulgesetz  zu  stellen  sei,  oder 
ob  die  Frage  über  das  hdhere  M&dchenschulwesen  und  die  fragliche 
Anstalt  sich  inzwischen  soweit  kUrte,  dass  eine  AusDahmeetellung 
gerechtfertigt  erscheine*. 

In  Ausführung  oben  beregter  Ministerialverordnung  wurde 
durch  Erlass  Tom  4.  Januar  1876  Herr  Dr.  Bornemann,  Geheimer 
Schulrat  im  Königlichen  Kultusministerium,  zum  Coinspektor  er- 
nannt. Unter  seiner  Oberleitung  ist  dieses  jüngste  Glied  unseres 
TatorlAndisehen  Schulorganismus  zu  herrlicher,  Torher  kaum 
geahnter  Blute  gediehen,  so  dass  das  Kfinigreieh  Sachsen  bezüglich 
seiner  Füisorge  für  die  Mftdchenbüdung  hinter  keinem  anderen 
deutschen  Staate  zurückgeblieben,  vielen  unter  ihnen  sogar  weit 
vorausgeeilt  ist 

Noch  eines  anderen  Hannes  sei  hier  gedacht:  des  inzwischen 
langst  aus  dem  Leben  gescliiedenen  Stadtrats  Otto  Leonhard 
Heubner.  deinen  Bemühungen  um  die  Anstalt,  in  deren  Entr 
Wickelung  er  mit  dem  ihm  eigenen  Scharfblick  einen  bedeutsamen 
Fortschritt  erkannte,  ist  es  nicht  zum  geringsten  Teile  voriiehaiten 
gewesen,  Mittel  und  Wege  zu  finden,  um  sie  aus  einer  bescheidenen 
Stiftnngsschule  zu  einer  grossen  öffentlichen  Bildungsanfitalt  empor* 
zuheben.  — 

S(i\vpit  war  es  Victor  gelungen,  sein  Werk  dem  Ziele  ent- 
gegeuzuführen.  Die  Vollendung  war  ihm  nicht  bescbieden.  Der 
Hat  ernannte  Um  zu  Michaelis  1Ö76  zum  Kektor  des  Annen -Beal- 


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22.  Die  Bntwiokeiung  der  Stadt  höh.  Töchterachnle  zu  Dresden.  276 


gymnasiunis.  Aii  seine  Stelle  wurde  der  Virfasser  vnrliejxondor 
Arbeit,  bis  dahin  Oberlehrer  am  Krr^iizi^yinn.isiuin  zu  Dresden, 
berufen.  Ol)wobl  ron  einer  eicrentliclien  ( Jelelirtensclnile  herüi>er- 
geaumineü.  war  icii  im  Mii(k'iieniinterrieht  kein  Neulinj;,  konnte  niieli 
daher  auch  rasch  orientleren  und  mit  frischer  Lust  und  Kraft  die 
Pläne  meines  V(M  f,'Hnut  r.s  zu  den  meiuigen  machen,  i  leilich,  die 
Verhältnisse  sciuenrii  nicht  allzu  ermutigend.  Von  den  im 
Organisationsplan  vorgedciiriel>enen  zehn  Klas.sen  Ix-standeu  bei 
meinem  Amtsantritt  nur  neun,  meistens  nur  dünn  besetzt.  Die 
erste  Klasse  existierte  nur  auf  dem  Papier,  die  zweite  übernahm 
ich  mit  4  Schülerinnen,  die  noch  dazu  .wegen  erflillter  ScUul- 
ptlicht"  alle  bereits  abgemeldet  waren,  die  dritte  Klasse  hatte  13, 
die  vierte  8  Schülerinnen;  nur  die  Unterklassen  waren  etwas  voller. 
AlitM-  bald  fing  die  Zahl  au.  erfreulicli  zu  waclisen.  Im  zweiten 
Jahi  e  nai  h  meinem  Antritt  konnte  ich  eine  erste  Klasse  mit 
Iti  J^chiilerinneü  eröffnen:  auch  der  Kachwuchs  von  unten  wurde 
stärker,  nach  und  nach  mussien  emzelne  Klassen  in  Parallel- 
abteilungeu  gespalten  werden;  von  1877  bis  lö86  stieg  die  Zahl 
der  Klassenabteilungen  von  9  auf  15. 

Mit  der  äusseren  Fortentwickelung  Hand  in  Hand  ging  die 
Vollendung  des  inneren  Ausbaues.  Zuerst  erfüllte  sich  die  Hoff- 
nung auf  Anerkennung  der  Schule  als  höhere  Bildungsanstalt. 

Geeenfiber  dem  Zustandekommen  des  vollen  Zehnklassensystems 
Hess  das  Köni;^liehe  Knltiisministeriuin  die  letzten  Bedenken  fallen 
und  hob  zwei  gleichgerichtete  Mädchenschulen  des  Kr)ni2:reiches 
ans  dem  Rahmen  der  Volksschule  heraus:  die  städtische  höhere 
Miuiclieiiseliulo  ZU  Leipzig,  widehe  unter  der  Leitung  des  verdienten 
Dr.  Nöldeke  stand,  sowi»  iji;sere  stadtische  luihere  Tr^eht^^rschiile 
ZU  Dresden,  lieide  sind  bisiier  die  einzigen  MädcUeusühuien  des 
Landes  geblieben,  die  diesen  Vorzug  gemessen. 

Aus  dem  damals  aufgestellten  Organisatiousplau  der  Schule 
seien  folgende  Bestimmungen  von  allgemeinerem  Luteresse  herror- 
gehoben: 

Die  höhere  Töchtei-schule  hat  die  Bestimmung,  der  weiblichen 
Jugend  diin-h  Unterricht  und  Erziehung  auf  religiü.s-sittlicher  Grund- 
lage eine  Ausbildung  zu  geben,  weiche  die  Zieln  der  liölieren 
Volksschule  übersteigt. 

Sie  hat  aber  nicht  die  Bestimmung,  ihren  Schülerinnen  durch 
Aufnahme  von  Fachstudien  eine  bestimmte»  auf  Erwerb  berechnete 

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276     Ulttoilungen  d.  lies.  f.  doutache  Erziehungs-  u.  Schulgcsch.  VII. 


Lelx  nsrichtung  zu  geben:  sie  legt  viel\nehr  den  Sihworjuinkt  ihres 
Tüuuä  lediglich  in  die  Vermitteluiig  allgememer  höherer  Bildung. 

Die  höhere  Tdchterschule  ist  eioe  städtische  Öffen^cbe  Schale, 
wird  vom  Rat  zu  Dresden  unter  verfassungsmässiger  Mitwirkung  der 
Gemeindevertretung  verwaltet,  und  soweit  die  Zinsen  des  Stiftungs- 
Icapitals  und  die  Einnahme  an  Schulgeld  den  Aufwand  nicht 
decken,  aus  städtischen  Mitteln  unterhalten.  Mit  Vorberatung  der 
Schulangelegenhelten  ist  der  fttr  die  stadtischen  höheren  Bildungs^ 
anstalten  niedergesetzte  Ausscimsä  beauftragt.  Das  Königliche 
Ministerium  des  Kultus  und  öffentlichen  Unterrichts  übt  über  die 
Anstalt  <hi8  <)l)erautsichtsrecht  aus  und  bildet  für  deren  innere  und 
äussere  Angelegenheiten  die  oberste  Instanz. 

Die  Inspektion  des  Religionsunterrichtes  nach  evangelisch- 
lutherischem Bekenntnis  (welchem  die  bei  weitem  überwiegende 
Anzahl  der  Schülerinnen  angehört)  steht  unter  der  Aufeicht  der 
Königlichen  Superintendentur  Dresden  I  (nicht  wie  bei  den  Volks- 
schulen unter  dem  ParochialgeistUchen). 

Die  Schule  besteht  aus  zehn  aufsteigenden  Klassen,  welche 
sich  in  drei  llauptstufen  gliedern.  Die  Unterstufe  umfasst  die  drei 
letzten  Klassen  Vlll.  IX,  X.  die  Mittelstufe  V,  VI,  VU.  die  Ober- 
stufe die  Klassen  I  bis  IV.  Der  Unterricht  wird  in  Jafareskursen 
erteilt,  welche  von  Ostern  zu  Ostern  gehen. 

Die  Aufnalime  der  Schülerinnen  erfolgt  mit  dem  sechsten 
Lebensjahre:  bei  regelniäasigem  Aufstt  ii^'eii  (liirch  die  zehn  Klassen 
schliesst  der  Gesamtlehrgang  mit  dem  vollendeteu  äechzehuleu 
Lebensjahre  der  Schüleriii uea  ab. 

Der  Unterricht  wird  teils  von  akademisch  gebildetem,  teils  von 
seminaristischen  Lehrern  und  Lehrerinnen  erteilt.  An  der  Spitze 
des  Lehrerkollegiums  steht  der  Direktor.  Die  Zahl  der  akademisch 
gebildeten  Lehrer  richtet  sicii  nach  der  Zahl  der  Klassen,  welche 
die  Ul)erstufe  (Khisso  I  bis  iV)  oiitbält,  wobei  Normal-  und 
Parallelklassen  in  Kecliiniiig  m  bringen  sind.  Soviel  solche  Klassen 
bestehen,  soviel  akademisch  L,'ebibh»te  Lehrer  sind  anzustellen.  Der 
Direktor  ist  in  die  Zalil  derselben  eiazurechucu.  Unter  denselben 
darf  sich  ein  Theoiog  beiluden. 

Die  Unterrichtsgegenstande  sind:  Religion  nach  evangelisch- 
lutherischem  Bekenntnis,  Denkübungen,  Lesen.  Schreiben,  Rechnen, 
deutsche,  ftanzösische  und  englische  Sprache,  Geschichte«  Geo- 


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23.  Die  Biitwi«keliii«  der  Stildt  höh.  Tflehtefechule  zu  Dresden.  277 


graptiie,  Naturgeschichte,  Physik  und  Chemie,  Lltteriitur  und  Kunst- 
geschichte, Mythologie,  praktische  Eniehongslehre,  Zeichnen, 
Singen,  Turnen,  weibliche  Handarbeiten.  FUr  die  technischen 
Fächer  darf  der  Direlctor  auf  Grand  ärztlichen  Zeugnisses  und 
längstens  für  em  Schuljahr  Befreiung  gewähren. 

Die  Zahl  der  Schülerinnen  darf  in  den  Klassen  drr  Mittcl- 
II nd  Untei*stufe  40,  in  den  Klassen  der  Oberstufe  30  niclit  üher- 
Hchreiteii.  Werden  diese  Zahlen  dauernd  überschritten,  so  muss 
eine  Teilung  der  Klasse  eintreten. 

Dei  Neuaufbau  der  Lehrordnung  weist  für  die  voll  (Mit  wickelte 
Anstalt  einen  starken  Zuwachs  an  Lehrstunden  auf:  dieselben  sind 
gegen  früher  222  +  6  auf  294  vermehrt,  d.  h.  um  66  Stunden,  bei 
einem  Zuwachs  Ton  swei  Kiassenstufen: 


Schematiacher  Lehrplan. 


1 

Lehrgegenständo: 

1 

OberBtafe 

Mittelstufe 

Unteratufe 

II 

III 

IV 

V 

VI 

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VIII 

IX 

X 

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Kuudtgeächiditd 

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ErziehUDgslehre 

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1 

1 

2 

2 

2 

2 

2 

2 

2 

2 

Summa 

26 

27 

1  92 

1  32 

32 

1  82 

82 

80 

27 

1  24 

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378    UittftiluDgen  d.  Ges.  t  devtadie  Bniehuag«'  u.  8dnt]gesc]i.  VII. 


Die  Sttindenzalil  mag  hoebgegriffen  eischeinen  und  ist  auch  in 
den  Jahren,  wo  die  Ueberbttrdungsfrage  das  Schlagwort  von  Aor 
giifTeu  gegen  alle  Schulen  war,  des  öfteren  angefochten  worden. 
Um  sie  Terstftndlicb  m  finden,  mag  man  bedenken,  dass  in  jenen 
Jahren,  wo  es  sich  vonugswelse  darum  handelte,  die  Anerkennung 
der  Madchenschule  als  höhere  Büdungsanstalt  zu  erkämpfen,  das 
Bestreben  sich  geltend  machte,  durch  hochgespannte  Anforderungen 
zu  beweisen,  dass  die  Ziele  der  Volksschule  in  der  That  ttber- 
schritten  seien.  Bio  Zeit  hat  hier,  wie  Überall,  mit  sachter  Hand 
dem  Uebereifer  entgegengewirkt  Auf  einer  Fachkonferens  des 
sächsischen  Vereins  fQr  das  höhere  Ifftdcfaenschulwesen  m  Leipzig 
im  Jahre  wurde  auf  meine  Anregung  beschlossen,  einen  all- 
gemeinen,  für  die  höheren  Töchterschulen  des  Königreichs  Sachsen 
berechneten  Lehiplan  unter  Ausscheidung  alles  dessen,  was  sich 
nach  den  bisherigen  Erfahrungen  nicht  bewährt  hatte,  auszuarbeiten 
und  namentlich  über  das  Maass  der  einzuhaltenden  Anforderungen 
sich  zu  verständigen.  An  dieser  Neuaufteilung  wurdo  in  einer 
Ileihe  von  Konferenzen  drei  Jafire  lang  gearbeitet,  durch  eine  ver- 
gleichende Uebersicht  der  berufensten  Anstalten  dieser  Art  in  ganz 
Deutschland  eine  grundlegende  Vorarbeit  für  die  Beiatungen  und 
lieschlüsse  geliefert  und  dann  durch  Fachreferenten  die  Besprechung 
über  die  einzelnen  TTiitorrichtsgef^enstrinde  weiter  geführt.  Die 
Feststell  11  ii<;en  sollten  imiiit'r  noch  den  einzelnen  Sclnilen  die  nötige 
Freiheit  »gewähren,  lokalen  lnteres4>eQ  gerecht  zu  werden. 

Bei  diesen  Arbeiten  stand  uns  als  wertvoller  ^^itl)erater  und 
Förderer  der  Herr  Geheime  ."^»  hulrat  Dr.  Bornemann,  unser  Vor- 
gesetzter ans  dem  Künigliclien  Kiiltiisininisteriiini ,  zur  Seile,  und 
auf  einer  letzten  VerHauimiunf,'  zu  Dn-sdcn  im  SepU'Uiber  1885  sind 
uniei'"  allgemeiner  Zustimmung  die  lI;ai|(t]Mi!ikte  eines  säe  lisiischeu 
Konualiehrplans  für  die  höhere  .Madchen.scliule  festgesetzt 
worden  (ietra<;eii  von  dem  Gruiidgedankeu  nach  Bestimmung  eines 
verniiufligen,  körperliches  und  geistiges  Wohl  gleielierweise  ab- 
wägenden Maasses  8iüd  8ie  von  nun  au  die  Normen  für  unsere 
Arbeit  geworden.  Als  höchste  Stundeir/iffer  für  die  Ol'eik lassen 
sind  30  wöchentliche  Lehrstuuden  angcuuiiiuien .  welche  für  die 
Wüchenta^je  die  Zeit  von  8  bis  1  Uhr  auj^fülleu;  für  die  tlinf 
Unterklassen  wird  die  Höchstzitl'er  sclirittweise  von  22  bis  29 
Wochenatunden  angebahnt.  Der  Ueberlastung  bei  fünfstündigem 
Unterricht  ist  durch  Pausen  vorgebeugt,  deren  längste  eine  volle 
halbe  Stunde  wfthrt.  Die  Gesamtziffer  aller  Stunden  ist  von  294 
auf  277  herabgesetzt,  wie  folgendes  Schema  darthut: 


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22.  Die  Eatwickelung  der  Stadt,  höh.  Töchterschule  zu  Dreaden.  279 


Oberstufe 

— 

;  Milteistute 

1 

l.nterstufo 



Lehrgegenatand: 

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'Kl. 

Kl. 

Kl. 

Kl. 

Kl. 

Kl. 

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5 

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5 

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85 

4.  Eii/jlirich 

4 

4 

4 

4 

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.  

16 

6.  Geacliiolito 

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2 

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1 

Iß 

6.  Geogruphie    .  . 

1 

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2 

2 

2 

2 

1 



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2 

8 

2 

2 

2 

2 

2 

14 

h.  Rt'chriGn  ... 

2 

2 

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3 

8 

4 

4 

4  1 

29 

y.       iiri'iDun  «    .  , 

2 

3 

4 

13 

IM.  Zeirlinpii    .    .  . 

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2 

2 

2 

1 



1 

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11.  Siugon  .... 

1 

1 

1 

1 

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1 

1 

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8 

12.  Turaen  .... 

8 

2 

2 

2 

2 

1 

1  1 

18 

18.  Handarbeiten .  . 

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i 

2 

2 

2 

2 

2 

-1 

20 

14.  Emehungslehre 

2 

GesamtBahl 

1 

30 

80 

30 

30 

29 

29  1 

J 

23 

22 

277 

Seitdem  haben  wir  nach  diesem  Plane  gearbeitet,  und  er  hat 
sich,  abgesehen  von  einzelnen  kleineu  Mängeln  imd  UuvoUkommen- 
hcitcn,  die  wir  zu  beseitigen  aufmerksam  betlissen  waren,  voll- 
standig  bewährt.    Alles  vernünftige  Leben  ist  Streben  aus  der  Un- 

vollkommenbeit  heraus  nach  steinender  V^ervollkommnimg.  Von  fler 
heilifren  Pflicht  unablässigen  Ringens  nach  dem  Besseren  durch- 

driiDj^en.  liahon  wir  uns  in  unserer  Arbeit  nicht  beirren  lassen  tmd 
werden  uns  nicht  beirren  ias.sen.  sol;ui2;e  die  heilijre  Pflicht  der 
Heranbildung  der  weiblichen  Ju^^^nd  in  unsere  Hand  y*>le«j^t  ist. 
Wohl  haben  wir  auch  dem  Tadel  jederzieit  ein  williges  (Jhr  ge- 
liehen; allein  nicht  in  allen  Fallen  ist  es  möglich,  geäusserte 
Wünsclie  sogleich  in  die  Praxis  umzusetzen.  Ueber  das  Maass 
eines  der  weiltlicheii  JuL'fiid  zu  vermittelnden  Wis>t  iisstofre8  gehen 
die  Aüschauungeu  hinuueiweit  auseinander,  und  sollte  man  nach 
den  Ansichten  und  Ansprüchen  Einzelner  verfahren,  so  würdeu  wir 
nicht  viel  weniger  höhere  Töchterächulen  gründen  müssen,  als  es 
Familien  gieht,  welche  mit  Töchtern  gesegnet  sind.  Reachtenswert 
blo!l)t  vor  allen»  die  Forderung  eines  weitjeu  Alauöahaitens .  dalici 
soll  auch  unser  Streben  nicht  allein  bei  einer  Ilerabmiuderuag  der 
Unteriiclitsstundea  stehen  bleiben,  sondern  auch  in  der 
iSichtung  der  Stoffmasse  von  einem  haushälterischen  Geiste 
getragen  sein,  der  sieb  bis  zu  möglichster  Vereinfachung  aucii  des 


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280    Ifitteilungeii  d.  Ges.  f.  dentache  Srclehiuig»*  11.  Schiilgeach.  Vn. 


Schalbfiehermaterials  entreckt  In  diesen  Bestr^biu^n  stehen 
wir  nicht  allein,  sondern  finden  Büdchalt  in  der  gesamten  Fach- 
genosaenschaft  unseres  grossen  deutschen  Vaterlandes.  Und  in  der 
UebereiDstimmung  vieler  Denkender  und  redlich  Strebender  liegt 
eine  gewisse  Gewähr  für  die  Richtiglieit  der  eingeschlagenen  Bahn. 

Nur  zweimal  sind  wir  mit  wichtigeren  Neuerungen  Ton  der 
bestehenden  Lehrordnuog  abgewichen,  und  zwar  im  Sinne  einer 
abennaiigen  Belastung:  durch  HinzufQgung  von  zwei  Turn- 
stunden für  Klasse  I  und  II  und  durch  Einrichtung  zweier  Kurse 
in  der  Gab  eisberger  Stenographie  für  AreiwiUige  Teil- 
nehmerinnen aus  den  Oberstufen. 

Voll  Gottreriaittien  schauen  wir  auf  die  Weiterentwickelung 
unseres  Lehr-  und  Erziehungswerkes.  Wir  sind  uns  bewusst,  einem 
hohen,  heiligen  Zweck  nachzustreben,  indem  wir  uns  der  weiblichen 
Jugend  bis  zum  beginnenden  Jungfhiuenalter  annehmen.  Von  der 
Tugend  der  deutschen  Jungfrau,  von  der  Pflichttreue  der  deutschen 
Gattin,  Ton  der  Tüchtigkeit  der  deutschen  Mutter,  von  der  Bildung 
der  deutschen  Erzieherin  hän^  die  gedeihliche  Zui^nnft  unseres 
teui'CD  Viilrilaiidt's  und  seitici-  zukünftigen  Ge.schle<dUer  ab. 

Die  höhere  Mädchenschule  hat  allerdings  auch  ihre  Gegner 
und  Feinde  gefunden.  In  der  Presse,  im  geselligen  Verkehr,  in 
öffentlichen  Verhandlungen  von  Landes-  oder  (ienieindevertretern 
hat  man  sie  schonungslos  angegritT'en,  und  häutig  dabei  sich 
nicht  von  ruhig  abwägenden,  objektiven  Urteilen  leiten  lassen, 
sondern  zur  Uebertreibung,  ja  zu  iSpott  und  Hohn  gegriffen.  Möchten 
doch  die  Widersacher  bedenken,  dass  einzelne  Mängel  und 
Irrtümer  nnch  keinesw<"„vs  berechtigen,  über  ein  grosses  (Janze 
'I'Mi  Stab  zu  brechen,  und  dass  es  unendlich  schwerer  hält,  an 
Sirlle  des  BemängeltiMi  ein  P>e8Sere.s  zu  setzen,  wflchf's  i:«»gen  alle 
Wünsche  und  Anforderungen  siegreich  standhält,  ohne  diesen 
Hintergrund  erzeugt  das  abs|)rech(»ndr*  \U-\r\\  nur  Srhfiden .  und 
besonders,  wo  es  sich  um  dlo  1i'"l»liohsLfn.  dul'li^^si.«[i  Blüleii  unserer 
Menschonsrhaft .  um  dit^  jungen  Mfldchon  liandelt.  Auch  die 
Mädchenschul»'  nuiss  einem  reinen,  klaren  bpiegcl  gleichen;  jeder 
unvorsichtige  Hauch  irübt  ihn! 

Möge  Gott  unseren  Bi.sliebungeu  um  das  leibli<'he  und 
geistig«?  Wohl  der  uns  aavertrauteu  weiblichen  Jugend  mit  seinem 
Segen  nahe  seiu! 


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28.  Zur  OMddehto  d«utBeher  FQnteneniehung. 


281 


28. 

Zur  GeBchickte  deutscher  f  Ursteuerziehuug. 

Nach  dem  Plane  der  M.  0.  F.  vom  Jahre  1883  soUten  in  be- 
sondereQ  Bänden  dieses  grossen  Sammelwerkes  auch  die  Akten  zur 
Erziehung  der  Prinsen  und  Pnnzessinnen  deutscher  FQrstenhflueer 
und  des  Hauses  Habsburg  verOiTenflicht  werdeo.  Von  den  auf 
diesem  Gebiete  unternommenen  Arbeiten  Ist  bis  jetzt  erst  ein  Band 
erschienen:  „Geschichte  der  Ei-ziehimg  der  bayorisclit  n  Wittels- 
bacher von  den  frühesten  Zeiten  bis  1750''  von  Prof.  Dr.  Friedrich 
Schmidt  (M.  ih  P.  XIV.  Bd.,  CXXV,  4G0  S..  Register  üO  S.)  Der 
zweite  (Schliiss-)Band  liegt  bereits  iin  Manuskripte  vor.  Was  die 
ü1>rigeii  FUrstenhAuser  anbelangt,  so  ist  es  nur  möglich  gewesen,  für 
die  Habsburger  und  llohenzoUern  geneigte  Bearbeiter  zu  finden.  Hin- 
sichtlich des  Wettinischen  Fürstonhauses  war  beabsichtigt,  die  Sachseii- 
Albertiiiischo  nnd  die  Snchsen-Krnestinische  Linie  getrennt  zu  bear- 
beiten, und  es  war  in  der  lieilage  der  Ausgabe  des  Planes  der  M.  G.  1*. 
vom  Jahre  lb83  darauf  hingewiesen,  dass  die  auf  die  Sachsen- 
Ernesliuer  bezügliche  Arbeit  l»ereits  in  AngiitV  ircnommen  worden 
sei.  Leider  war  der  Pearbeiter  später  verhindert,  das  nniernoninit  ne 
Werk  weiter  zu  fördern.  Was  aber  das  Sachsen-Alberlini.sche 
Haus  befrittt,  öu  war  es  dem  Ib  rausgebor  der  M.  G  P.,  Herrn 
Professor  Dr.  Karl  Kehrbach,  trotü  vieler  sehi  ifi  lirher  Pemühungen 
und  mehrfacher  persönlicher  Rücksprache,  besonders  in  dun  Jahren 
1883  und  1»85  in  Leipzig  und  Dresden,  nicht  gelungen,  eine 
geeignete  Kraft  zu  finden,  die  die  Bearbeitung  der  nach  verschie- 
denen Kichtuugt'U  hin  ;ui.-,^t  ist  wertvollen  Materialien  zur  (Jeschichto 
der  Füi-stenerziehung  im  \V»  liiiiis(  lien  llau.se  Sachsen-Albertinischer 
Liuiu  übernonmiOu  hätte.  Kleinere  Beitrage  dazu  sind  seither  in 
Zeitschriften  und  Progrannuen  allerdings  mehrfach  erschienen.  Zu 
ihiieu  gesellt  sich  jetzt  auf  Wunsch  des  Vorstandes  der  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgescbichte  die  nachfolgende 
Arbeit 

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282    llitteilungAii  d.  <3m.  f.  devtMh^  Bnlehviig»>  v.  8ehii%«8c1i.  VTL 


Zar  Oeschiehte  der  Prini enentelmiig  der  Wetter. 

Von  Sohulrat  Prof.  D.  Dr.  titomv  MBUmf,  Ktaigl.  BesirkBaehallii^dklxH' 

in  ZittML 

Die  llerzüge  JohaDii  Erust  und  Friedrich  von  Sachseu- 
Weiniar  auf  der  Universität  Jena  1608  bis  1610. 

^lit  niluender  SorjrfVilt  hatte  Herzog  Johann  liiJ).  l)esoüders 
nach  seiner  l  (  hcrsiech^hiii;:  vuu  Altenburg  nach  Weimar  im  Jahre 
inOH,  die  Kr/it'himt:  seiner  zahlreirhen  Sohne  ül)erwacht.  Von 
seiner  Willensstärken  (iernaidiii  Dorothea  Maria^)  imt«rstüt/.t.  hatte 
er  ))eri»önlich  nicht  nur  der  hölischen  Ausbildung,  sondern  auch  der 
(  JestaUun«;  des  Unterrichts  seine  Aufinerksahikeit  zugewendet.  Als 
er  inm.  35  Jahr  alt,  am  31.  Oktober  1605  st^irb,  da  nahm  sich  die 
Witwe  unter  vergeblichem  Ankämpfen  gegen  kurfürstlichen  Einfliuss*) 
mit  dem  },T<jssten  Eifer  der  Erziehung  der  Söhne  an.  Jedes  Jahr 
zweimal  nuissteu  diese  in  ötfentlichen  Prüfungen  ihre  FortscIiriUe 
darthun*). 

Bald  regt«  sich  bei  den  ältereu  Prinzen.  Herzog  Johann  Ernst*), 
geboren  um  21.  Februar  1594,  und  Herzog  Friedrich,  geboren  um 
1.  Marz  1596,  das  Verlangen,  die  Studien  auf  der  Universität  Jena 
fortzusetzen.  Nachdem  die  Mutter  bereits  am  24.  April  1607^) 
dem  KuiiHrsten  Christian  II.  von  Sachsen  als  \  oruumd  die  Bitt« 
der  Söhne  befürwortend  vorgetragen   und   dessen  Dilliguug  des 


'1  K.  Hopf,  HiHtoriBch-üencalogiacher  Atlas,  Abt.  I,  Deutschland. 
Gotha  1858.  8.  152,  No.  268 e.  —  Kamill  von  Sehr,  Genealogie  dflr  in 
Europa  ngieranden  FOrstenhJluaer.  2.  AnJl.  Leipzig  1870.  8.  146,  Tafel 
CXLV.  Hoftneistcr,  Geo.  Eberhard,  Das  Haus  Wettin  von  seinem  Ursprünge 

bu  cur  neuesten  Zeit  ii.  s  w.    lit^ipzig,  Spamer  1S89.  — 

Zur  Erziehung  des  Herzug.-*  Johann  hat  Karl  Kehrbach  einen  Beitrag 
geliefert.  Mitt«il.  EI,  S.  29— «Studierordnung  der  Herzogin  Dorothea 
Sttsanna  von  Weimar  für  iliren  Sohn,  den  Hersog  Johann  von  Sachsen- 
Weimar  (1588).'* 

*)  O.  Th.  Stichling,  Die  Mutter  der  Bmestiner.  Wefanar  18<iO. 
«)  A.  a.  O.,  S.  70ir. 

*)  Ein  Protokoll  Ober  eine  solche  Prüfung  zu  Weimar  enthalt  Loc. 
I0()<i7.  Herzog  Johann  Ernst  etc.  im  Haupt-Staats  An  luv  zu  Dresden: 
Elxaiuen  puhllcum  habituui  Yinariae  Anno  MDCVill,  Aprilis  XIX  et  XX. 

*)  B.  G.  von  Hellfeld,  Leben  Johann  Ernst  des  Jüngeren.  Jena  1784. 
—  6.  B.  Heermann,  Naehlese  zu  dem  Beitrage  der  Lebensgescliielite 
Johann  Ecnets  dee  Jüngeren.  Weimar  1786.  6.  7$  fF. 

•)  A.  a.  0..  %  78  f. 


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2;].  Zur  Geschichte  deutscher  Pürsteiierziehung.  283 


Planes  erlaogt  hatte'),  zog  sich  die  Ausführung  über  ein  Jahr  hin. 
Da  erneuert«  sie  (his  Gesuch  am  16  Mai  1G08.  Rereita  eine  Woche 
s}>ritor  erklärte  der  Kurfürst  sich  mit  den  Vorschlägen  einver- 
standen, vollzog  die  Instruktionen  für  die  Erzieher  und  entschul- 
digte das  Hinausschieben  der  Angelegenheit  damit,  dass  „wegen  der 
jetzigen  ganz  hosen  Leulff  <1.  h.  während  dor  die  Höfe  damals 
lebhaft  in  Anspruch  nehni<Miden  Unionsverhaudluii!^'«'?i  —  an  der 
recbtaeitigeu  Ausfertigung  cl(  r  Schriftstücke  gehiudort  wordeü  sei. 

So  zogen  denn  am  7.  Juli-*)  die  Prinzen  von  Weimar  nach 
Jena.  Zur  Leitung  und  Erziehung  waren  ihnen  als  Hofmeister 
Kaspar  von  Teutleben^),  als  PrÄzeptor  Friedricli  Hortleder*)  bei- 

gegobon,  tlio  air^owiesen  wurden,  ausser  an  die  Herzogin  Dorothea 
Maria.  ai\  den  Kurfürsten  von  Sachsen  als  Vonmind  von  Zfit  zu 
Zeit  üix'i  *Ien  Foitgaug  der  Studien  üuor  Zöglinge  eiugeheude  13e- 
riciite  eiir/ii^en(l(ML 

Ltnztt're  sind  im  Könitrli'  licn  Hauj)tst;tatsar<'hive  zu  Dresden-^) 
«TluiltMi)  und  l)iet<'u  mit  ihrer  Fülle  von  ciuzeineu  Zügen  einen 
rt'sst'iudcn  Einblick  in  der  Vvhv/.rii  Lehen  nnd  Treiben,  ihren  Hof- 
halt und  ihre  wissensrhan liehe  lieschäftiming.  Xamontlicli  rsind 
drei  SchririHiücke,  ein  von  Hurtleder  entworfener  Lehi'iilan  umi  zwei 
Piiifungöprotokolle  von  Wichtigkeit.  Sie  ergänzen  das  lelieiisvolle 
Bild,  das  Moriz  Kitter^)  in  seiner  auf  einer  Herlinei-  Ilandsehrift 
ruhenden  Studie  über  die  sUiatsmännisclie  und  p(diüssclie  Jiüduiig, 
öuwie  deren  Bedeutung  f\\r  die  S|>ät«re  Haltung  der  l'rinzen  ent- 
worfen hat.  Diese  Fi'kiinden  enthalten  genaue  Aagaheii  über  Lehr- 
ziele imd  Mülliode.  üijer  Leiiibücher  uud  Lelirgegenslände. 

1)  KurfOest  an  die  fQr»tiicbe  Wittib  zn  Weimar,  28.  Mai  1608.  An- 
weisung'^ des  Kurrursten  an  die  Regienings-  und  Kammer-Rate  su  Weimar 

vom  23.  Mai  IGÜS. 

Bericht  Ka«par  voti  Teutlebens  vom  21.  JuLi  1608. 
*)  Allir.  Deutsche  Biographie  87,  61G. 

Ebenda  l:?,  iriä.  —  Ott.  Stahins.  Bulla,  ((u.tiu  .  .  .  donnl  .  .  .  Fridoriro 
Horileder.  Lipciiae  l<ilO  (Kgl.  öff.  Bibliothek  iii  Dresden.  13iogr.  erud.  L>. 
Un,  72}. 

*)  Loe.  10667.  Herzog  Joliann  Emst  und  Hersog  Friedricli  au  Jena 
bei  1607.  8.  9.  10.  Das  Aktenetttck  ist  nicht  paginiert.  Da  die  Sebrift- 
stticke  im  ganzen  nach  der  Zeit  geordnet  sind,  so  sind  sie  unschwer  au 

Huden. 

^)  AI.  Rittor,  Friedrich  Uortleder  alsLelirer  der  Herzoge  Joimnn  Eru^t 
und  Friedrich  von  Sachaeti-W^nua'.  Neues  Archiv  f.  d.  Sftehs.  Geseb.  u. 
Altertumskunde  1«  18B-202.  —  Vgl.  auch  StIchUog,  a.a.O.,  8.  70 IT.  — 
Heermann,  a.  a.  0.,  8.  70 11. 

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2d4    Hitteilungten  d.  Oes.  1  deutacbo  Bnlelittiiga-  n.  Behntgesch.  Vtl. 


Von  Interesse  ist  zunächst  ein  Bericht  Friedrich  Hortleden') 
vom  21.  Juli  1608,  in  dem  dieser  Icun  nach  dem  Eintreffen  der 
Prinzen  einen  eingehenden  Lehrplan  übersendet.  Charakteristiseh 
für  die  Zeit  ist  die  starke  Betonung  des  Lateins.  Wfthrend  die 
bisher  erworbene  Bildung  der  Prinzen  im  allgemeinen  Anerkennung 
fand,  erschien  das  Latein  nicht  sicher  genug  begründet,  infolge- 
dessen eine  genauere  grammatische  Schulung  in  Vorschlag  gebracht 
wurde.  In  seiner  Antwort  warnte  der  KurfQrst  den  PrRzeptor  vor 
Ueberbfirdung  der  Prinzen^.  Er  solle  «vor  allen  Dingen  aber  dahin 
sehen,  dass  1. 1.  L.  L.  mit  vielen  Lectionibus  nicht  obruirt,  sondern  mit 
guter  Beliebung  bei  den  Studien  behalten  werden  mögen,  auch  neben 
dem  Hufmeister  Euch  beniühon,  dass  1. 1.  L.  L.  an  feine  höfliche 
Gebilde  und  Sitten,  in  Reden  und  sonsten  sich  gewöhnen  und  die> 
selbe  gebrauclieu''. 

Kurze  Zeit  nach  der  Ankunft  wurde  Herzog  Johann  Emst 
zum  Rektor^)  der  Univei-sität  gewählt  und  trat  seine  Würde  am 
10.  August  IftOS  an.  In  festlichem  Zuge  wurde  er  von  den 
Professoren  in  Ui«  Cniversitatskirche  geleitet,  hier  mit  den  Zeichen 
des  Amtes  feierlich  bekleidet  und  hielt  dann  eine  lateinische  Hede 
de  lege  regia  Germanorum  über  eine  halbe  Stunde  lang  „mit 
solchem  Wf)hlnnst;md  und  fürstlicher  Tapferkeit,  dass  sich  mäniiiglich 
darob  voiwiiudert  und  wir  Diener  gute  Hoffnun«;  pfoschnpft,  es 
wprdt»  diese  Vererhirkinii:  nicht  ühel  angewendet  sein"'*).  Das 
übliche  CüUviviiHu  fand  am  Tage  darauf  statt.  , Unnötiger,  Über- 
mässiger Anfi^aiii:-  sollte  (lahei  vfM'mi»'d<'n  werden. 

Eine  l'e.-^onders  \virjitiL,'e  Seite  der  Korresjtondenz  l)ii(irt(Mi  in 
dieser  Zeit  die  Auscinandersel/iinj^eii  iibei-  di*'  Fütiriiii;:;  des  lluiis- 
haltes;  denn  mit  eiserner  Slieiige  wurde  vom  Kurfürsten  darüber 
gewacht,  dass  die  Knai)en  möglichst  einfach  erzriL^en  würden  und 
die  Hofhaltung  nicht  zu  viel  kostete^).    An  drei  Tafeiu  wurde 

1)  Erwähnt  bei  HeUfeld,  a. «.  0.,  B.  17 1 

')  KurfOrat  au  Hoitleder,  &  Anguet  1606.  Vgl.  auch  von  Hellfeld, 

S.  197  f. 

')  Beior,  iSyllabu«  Rortnntm       Prnfpssonjm  .TeneiiHiiim  ]>.  170  sequ. 

*)  Bericht  Teutlebonj*  vuiu  1«.  August  lt>0^  l>io  iietlo  war  von 
Hortloder  verl'aaat,  vgl.  Ritter,  a.a.O.,  S.  lUtif^  wo  »ich  auch  üühero  Au- 
gabon  Über  Inhalt,  VerhSltnia  xur  zuit^cnöasiachen  Litteratur  und  Druek 
finden. 

^)  Vp:b  z.  B.  die  dem  Berichte  Teutlebens  vom  2t.  Juli  160S  beipo- 
!e;rte  Berechnung  über  die  Auagaben  des  Haut«ba!t-i:  würhnntlich  93  Gulden 
la  Gr.  a  Vfg.,  jlUirlich  4>n>6  Gulden  17  Gr.  Eine  andere  i.Uto  rechnet  für 
Hpoiflcn  und  üetrAnko  die  Woche  m  Guldon  13  Gr.  >/•  ^'^iS-*  das  Jahr 


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23.  Zur  Geschichto  dcut»cher  Fürntenerzi^hung. 


285 


gespeist.  An  der  ersten  sjissen  die  Prinzen  mit  dem  Hofmeister 
und  Piü/t-ptor,  die  zweite  hiess  die  Truchsesstafel,  die  dritte  das 
Beitischieiu.  Zu  ersterer  wurden  öfter  Professoren  der  Univeinität 
geladen;  nach  einer  Anweisunsr  des  Kurfürsten  sollte  dies  nur  Soun- 
Ui^s  geschphen  und  nur  einer  oder  zwei  preladen  werden.  Kaspar 
von  Teiitlelxm  liatto  an  den  fiiist liehen  Tisch  urepriin.t^lich  auch  den 
Tauzmeister,  einen  j;el)orenen  lialienei^  iicrangezogen  ,\veil  er 
nicht  allein  elirliclion  Ilerküniuions.  soiidei-n  auch  ehrbar,  aufrichtig; 
und  Mnstrfiflichen  Wandels,  höflicher  und  anmuliger  Stimme,  auch 
ein  filier  Latinus  und  der  Muöik  fast  erfahrener  Meister"  sei  Der 
Kiiriürst  billigte  dies  nicht  und  ordnete  an,  da.sü  der  THU/Jueister 
und  der  Bereiter,  der  ursprünglich  mit  bedient  hatte,  besser  von 
der  Tafel  wegbliebe.  <la  man  Ursache  habe,  bei  Tisch  «von  anderen 
wichtigeren  und  nützliclieren  Sachen  als  vom  Tanzen  und  Bereuten 
zu  reden,  die  wir  sonst  zu  ihren  gewissen  Zeiten  und  ihren  Stunden 
wohl  das  ilirige  verrichten  lassen  können". 

Wie  hier  vom  Kurfürsten  in  einzelnen  Fällen  genaue  Anord- 
nungen erlassen  wurden,  so  waren  für  den  Hofmeister  und  l'räzeptor 
eingehende  und  strenge  Amtsvorschriften  und  Dienstanweisungen 
ausgefertigt  worden 2),  die  von  den  Beamten  um  so  sorgfaltiger 
beachtet  wurden,  als  jede  Uebertretimg  sofort  scharf  gerügt  wurde. 

Auch  den  Prinzea  waren  ernste  Mahnungen  mit  auf  den  Weg 
gegeben  worden.  Mit  gtossem  Eifer  erklRrton  die  Mandel  in  ibr^ 
Briefen  ihre  BereitwUüglceit,  eich  den  Anordnungen  zu  fügen,  und 
sprechen  die  Hoflbung  aus.  dass  die  Examinatoren  mit  ihnen  zu- 
frieden sein  wflrden'). 

Eine  solche  Prüfung  fand  in  besonders  feierlicher  Weise  am 
14.  und  15.  Dezember^)  1608  in  Gegenwart  zahlreicher  Vertreter 

4öü4  üulden  ü  Gr.  2  Pfg.  (ohne  das  Licht  für  den  Wintor).  Wöchentlich 
etwa  70  Gulden  erscheinen  in  einem  Berichte  vom  10.  Oktober  16Ü8.  Be- 
sQgUch  des  Getrttnkes  hatte  der  Hoflnetster  mit  den  AmtBunterthftoen  ver- 
handelt, daes  sie  gutes  Bier  den  Eimer  für  IG  Gr.  gegen  VerachQttung 

der  Goif^to  um  den  Marktpreis  zu  Jena  lioforton.  Auch  das  l?niiif»n  (Jf? 
Biers  in  Weimar  wurde  ins  Äuge  gefasst.  iJcriclit  T(>utl»'l)(>ns  an  (ifn  Kur- 
fUroten  vum  10.  Oktober  lüU8.    Der  Kuriürät  uti  die  Kuuiiuerrille  und  iienl- 

meister  m  Weimar,  den  16.  Oktober  1608.  Vgl.  auch  den  Bericht  Aber 
Bpeiae  und  Trank  vom  2.  Oktober  1608. 

1)  Kurfürst  an  Teutleben  vom  8.  August  160a 

«)  Kittor,  a.  a.  0.,  S.  189. 

')  Schreiben  der  Prinzen  an  den  Kurfürsten  vum  21.  Juli,  18.  August, 
10.  Oktober  1608. 

*}  Die  Universität  überreicht  bei  dieser  Oolegenheit  ein  godriicktcs 
Gedieht.  Von  HoUfeld  S.  19,  Anm.  g, 

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2b6      Mitteilungen  d.  (Jes.  i\  dcutachc  lii/.ielmngs-  u.  Scliul^etich.  Yll. 


«les  Holes,  <lor  Universität  und  der  Kii-ciie  statt.  Dm  einstellende, 
nuter  No.  2  «l»f;edruckte  Protokoll  lässt  erkennen,  in  w^loher  Weise 
nnd  mit  welchen  Zielen  der  Unterricht  von  den  Lehrern  ertoilt 
Aviirdeu  war.  Dem  llntenichtsbetriebe  der  Zeit  gemäss  wui'de  das 
Uedächtuiä  stari^  iu  Ausprucb  geooinmeu. 

Der  Ausfall  der  PrUfuqg  rief  bei  den  Primeii,  dem  Iturfttrst- 

liehen  Hofe  uod  nanKMttUch  der  Mutter  hohe  Befriedlgimg  hervor. 
Voll  etolzer  mOtterlicber  Freude  selilckte  sie  ein  I'rotokoU  nach 
Gotha  und  wurde  von  hier  aus  lebhaft  beglück wttnecht'). 

Ueher  den  Fortfi;ang  und  die  Uichtung,  die  die  Studien  der 
Priuzeu  im  folgenden  Jahre  nahmen,  unterrichtet  das  Protokoll  der 
Prüfling,  die  am  10.  Februar  1610  In  Jena  gehalten  wurde  (Bettage 
III).  Hier  spielte  die  grammatische  und  syntaktische  Schulung 
wieder  eine  grosse  Rolle.  Eine  für  das  Haus  der  Wettiner  politisch 
l>edeutsame  Stelle  aus  dem  lateinischen  Sleidanus*)  —  Herzog 
Heinrichs  Antwort  an  Herzog  Georgs  Gesandte,  seine  kirchliehe 
Stellung  betreffend  —  wurde  übersetzt,  dazu  etwas  Arithmetik  be- 
handelt. Auch  diesmal  hatten  sich  die  Prinzen  des  vollen  Beifalls 
ihrer  Lehrer  zu  erfreuen,  besonders  Herzog  Johann  Ernst. 

Dies»M-  bat  s]»i4t«'r  die  hier  crworijene  lU-hri-i-scbung  der 
lateinischen  SjMache  j^ut  verwenden  können,  da  er  ant  srinen  Reisen 
mehrfach  l»ei  \vichti<;en  (ie)«'genheiten'''K  so  hei  (h'ni  Knij>r;tni!:e 
dmch  Jakob  I.  von  KnirliUMl,  bei  Bethlen  (;;il»or  und  sonst,  lateinisch 
zu  sprechen  war  nnd  sicli  dalxi  durch  seine  Sprach- 

kt'iintnis.  wie  bei  den  rnrnicren  dun  h  cdlt  ii  Aiiölaiul  und  ritter- 
liches Auftreten*),  «grosse  AnerkennmiL;  erwarb.  Seine  späteren 
|iolitischeu  Anschuiningen  zeii;en  den  «luutiiiden  Einlluss  Ilorlleders*'*) 
'Uebritjens  hal>en  sich  von  den  i '.rüdem  mehrere  einen  augeseheueu 
Numeu  erworbeu^j. 

')  Elionda  S.  196  da.s  Schreiben  der  Her/og-in  Durotlieu  Maria  vom 
<>.  Januar  ItiOii,  S.  l'J7  die  Autwoit  Herzog  .lohauu  Cattimirs  vom 
17.  Januar  1609. 

*)  Ritter,  a.  a.  0.,  S.  194. 

>)  Heermanii,  a.  a.  0.,  8.  81,  AnmerlcUDg. 

*)  Ebenda  8.  82. 

»)  Ritter.  ».  a.  0.,  8.  197  ff. 

^)  Vgl.  B.  Ritoe,  Johann  Priedrieh  d«r  Sechste,  Herzog  su  Sachsen, 
Emestl  Iii  »eher  Linie.  Neustadt  a.  d.  Orla  1827.  —  AUgemeine  Deutsche 
Biographie  18,  Itiö 


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28.  Zur  üowhldito  deutlicher  Pnratonanielnuij^ 


267 


Bericht  Friedrieh  Horileders  an  den  Kurfürsten  Christian  II. 
von  Sachsen,  Jena,  den  21.  Juli  1608,  onthaltend  den  Lehrplan 

für  die  Herzö^je  .Jolianu  Ernst  und  Friodrirh. 

(üauptataataarchiv  zu  Drosdon.    Lü(  .  10667.    Uerzug  Johann  Ernst  und 
Friedrich  zu  Jena  hol.  1607.  8.  9.  10.) 

Ourchleiichtigstcr,  Hochgcborncr,  giifdicrstcr  Cliurfni*st  und  Hn :  I  ,. 
Churf.  G.  seiiid  meine  unterthenigste  pflichtschuldige  Dit-nstf  höi  iisin- 
Mttgliclikcitt  zuvor.  Gnedigster  Churfürst  und  Herr.  Obschon  E.  Churf. 
6  freundliche  liebe  Pflegsühn,  die  Durchlauchtige  Hochgebome  Fttrsten 
und  Herren»  Herr  Johan  Emst  und  Herr  Friederkh,  Hertcogen  zue 
Sachsen  etc.,  gebrfldere,  ]1  auch  G.  F.  ond  H.  in  gnten  kOnaten  und 
spradien  dermassen  hiebem  geflbet  und  enogen  worden,  das  L  F.  6. 
darinnen  nach  Gelegenheitt  ihres  Alters  ein  ahnsehnUchs  fttr  sich  bracht. 

8o  haben  doch  I.  F.  6.  das  Fundament  in  der  Lateinischen  Sprach 
so  grflndlich  nicht  gelegett,  das  niitt  besondorm  Nutz  xue  hfiheA  studiß 
geschritten  wenieii  knnte.  (Sondern  es  mtisscn  I.  F.  0.  zum  wenigsten  noch 
ein  Jahr  lang  stetigk  und  wol  in  Grammattcts  cxerciret  werden. 

Drrowi'i^cn  auf  Rath  und  Gnttaclitou  sowol  meines  grosgttnstigen 
Herrn  i'ollcum',  des  Herrn  Ilofuifistt-rs,  des  von  Teutlebens,  als  des  vorigen 
Wciinariscli€U  piarccitiot  itt  und  Hcni,  M.  Wulfgan^k  Heidors,  proft^^myris  al- 
hier,  hab  I.  F.  G.  studia  ich  wöchentlich  also  ahngeätellett,  das  Montags, 
Dienstags»  Mitwoehens,  Donnerstags  und  Freitsgs  bis  ttmb  2  Uhr  nach 
])lBttage  nichts  anders,  den  die  J^puM!ae  Okerwm  et  jPltn(j  Junwrü,  des- 
gleichen die  Comoediae  TermHü  und  Fabulae  Aeaopi  je  ein  auäor 
wöchentlich  umb  den  andern  erstlich  ausgelegt,  hernach  a4  difmdoffiam 
et  regtths  (irammattcns  exomimrd  und  dan  teglich  ad  imäaitionem  der 
ziorlif listen  Arten  /u  reden,  so  in  der  Ledwn  zu  befinden,  ein  Artrnmontlein 
gegeben  und  geniachett  wirdt.  lu  welchen  cjereitijs  Htifli  sirii  atn  h  M. 
G.  F.  und  Herr,  Herr  Johan  Ernst,  dcnnasson  ahnb-sst,  das  ich  zue  Gott 
verhoffc,  S.  F.  G.  sollen  innerhalb  Jahresfrist  ein  Arguincntt  ohn  sUien 
Fehl,  Herr  Friederich  aber,  M.  auch  G.  F.  und  Herr,  als  vor  welches 
F.  G.  Herr  Johan  Emst  beides  an  Alter  und  guter  Gedechtntts  einen 
grossen  Fürsprungk  hatt,  ein  leidliches  Aigamentiein  schreiben  können. 

Femer,  so  werden  t  F.  G.  Freitags  nach  Hittag  von  2  bis  umb 
3  Uhr  von  dem  Superiniendentm  alhier,  Hern  Johan  Mi^om>),  in  saeris 
unterwiesen,  worzu  er  dan  den  caierhi»mnm  Luiheri,  welclien  der  Herr 
Hofprediger  zu  Weimar  fur  die  Fürstliche  Junge  Herrschaft  doselbst  etwas 
weiter  ausgeführt  und  des  MnHluu  i  ludicis  cmjmx  dodi  iiutr  auserlesen. 

Des  Sonnabends  aber  vor  Mittag  zu  Wiederbolnng  iJrr  alten  h<  fi>mum, 
nach  Mittag  zu  Auslegung  des  Lateinischen  Evungelij  und  vamctihrum 

Vgl.  G.  HtlUer,  VerfassungiK  und  Verwaltung»geachichte  der 
sächsischen  Landeskirche.  Leipzig  1896.  II,  195  (Beitrage  s.  Säehs. 
Kirchengeschichte,  Heft  10). 

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2Ö8     Mitteilungen  d.  Ges.  £.  deutsclie  Eraiehuugs-  u.  Schulgesch.  Vil. 


f!f  Ksfij  von  mir  ;ilm:,'<'liaUfn  Ist  il  ni  nncli  /eilt  lihriiik,  dieselbe  wirtl  zu 
Vtrlcsuug  des  liiiuiviikriegs  beim  Sictil'"'"  unter  aiideni  auch  zue  deiu 
Eude  aliiigeweudett,  weil  derselbe  Gc-lcgeubcitt  gibt  I.  F.  G.  iu  die  iomos 
Lilien  m  fahren  und  diurimieii  bekant  m  machen. 

Hierüber  so  lenicu  I.  F.  G.  tcglich  aus  einem  bewehrten  Lateinischen 
auctare  «in  schön  cfüium  oder  prooer^um. 

Werden  die  woche  einroahl  in  eine  leeHoitem  piMiam  wie  dan  audi 
gemeiniglich  in  eine  düputatümem, 

Ittgleleben  des  Sontagt  sweimahl  nnd  xweimahl  Mitwocbens  und  Frei- 
tags in  die  Kirch  geführett 

Und  beten  Abends  und  Morgens  fleis^gk  ihren  Abend-  and  Morgen- 
sogen  mit  Wiederholung  der  Psalmen  des  Catet^tsmi  and  der  Gebehtlein 
nmb  glückseligen  meeeswm  ghtdiiomm, 

Yer^flge  E.  Churf.  G.  in  der  initrudion  dem  Hern  Hofemelster  und 
mir  gnedigst  gegebenen  Befehlichs. 

Wu  nulm  E.  Clmrf.  G,  diese  meine  unteilheiiigstc  Almwi  isung  ilir 
gnedigst  gefallen  lessett,  bin  ich  pHiclitschuldij^'k  mit  ahnwundung  alles 
Utttcrthonigstcn  höchsten  Fleisses  in  Deroselbcn  fortzufahren. 

Hiomitt  E.  Chmf.  G,  zu  guter  langwiri^'er  Gesundheitt  und  glück- 
li(  In  r  Kl  pi  riuig  Gott  dem  Almechtigen,  Mich  aber  zu  Deroselben  G.  unter- 
thenigst  befehlend.   Jena,  dea  21-  Juh'j  muto  G08. 

E  Churf.  G. 

untertheiiigstiT  grliorsamer 
Friederich  Horttleder. 

Bericht  Uber  die  erste  am  14.  und  15.  Dezember  1608  in  Jena 
mit  den  Herzögen  Johann  Ernst  und  Friedrich  von  Sachsen- 
Weimar  gehaltene  Prftfang. 

(HauptstoataarcJiiv  in  Dreoden.  Loc.  10667.  Hersog  Johann  Emst  und 
Hensog  Friedrich  au  Jena  bei.  1601.  8.  9.  10.) 

 Und  ist  aogestaltes  Examen  Tolgenderweise 

gehalten  undt  verricfatet  wordenn. 

Nach  gehaltener  und  angehörter  Mittwoehspredigt,  so  frne  moi^nts 
umb  7  Uhr  angegangen  und  nach  8  Uhm  sich  geendet,  hat  der  Herr 
Snperintendens ')  den  Eingang  gemacht  mit  einer  Lateinischen  praefatimt 
in  welt  licr  er  zu  Ende  kürzlich  borichtot,  was  die  Furstl.  stuilin  nilc  Ilerr- 
schallt  Ijislicr  fiir  rnrcilia  pi'fiaii'^  cri  lüibtt  nnd  wie  weit  Sie  in  denselben 
profteiii,  Als  neudich,  das  In  \  do  Ili-rren  Gehrüi  ilere  eczliclio  TO  Psalmen 
auswendig  geleniet  undt  dann  auch  den  Catechiäsnuini  Luüieri  minorem 
deutzsch  und  lateinisch  fertig  rccäiren  künten  und  leczlich  auss  der 
Kinderlehr  Herrn  M.  Abrahami  Langen  das  erste  nnd  ander  Heubtsttck 

')  Johann  Major,  vgL  oben  iin  Berichte  Uortledera. 


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28.  Zur  GMeblebte  deutscher  POrsteneniehung. 


289 


mit  aussweDdiglomeii  bis«  auf  ein  klein  Kestlcin  in  18  recä(ätmibu8  vol- 
fiUhrei,  wie  solches  das  Kjumrn  pobon  wilnlc,  Udfiovis  jyrnrfafw. 

1.  Darauft'  hat  der  Herr  Suporiiitiudens  das  Kxaiiion  aiiKcfnnj^cn 
und  die  bcyde  Herzogen  aHernntim  Ljcfrairpt  auss  der  Kinderlelir  und 
1. 1.  G.  G,  lassen  recitiren  die  prd€(fomena  dt  nccessiiuic  vorabulo  definitione 
angine  et  äivüüme  Catedtünni  und  ein  gutt  Theil  auss  dem  ersten  Gebott 
sowohl  als  anss  dem  andern  and  dritten,  das  viertte  Gebott  ist  mit  seiner 
Ansslegung  (anss  des  Herrn  Hoffpredigers  pampkran)  nach  aUen  Sprftchen 
vnd  Exempoln  ganea  heigesagt  worden,  ans  den  andern  wiedenimb  etwps, 
das  Achte  Gebott  grosses  theils.  Der  Besdilnss  HL  Zehen  Gebott  volstendig 
ohne  Ausdassang  einiger  Frage. 

Im  andern  Heubtstflckc  haben  bcyde  H<rzogen  nicht  allein  die 
drey  Glaubens  Arttit ull  verhis  Lntheri  nnfini,  «rleichwie  auch  mit 
DcmliKfo  von  ihren  iiiiadt  n  ^Tschehen,  sondini  i  s  si  indt  auch  die  fur- 
nembsten  und  fa^t  iiieibteun  l^'ragcn  beym  ersten  und  andern  Aiticul  hin- 
«■kommen.  Dann  obwoU  L  L  6.  G.  dtoselbe  alle  geleraet,  haben  Se 
doeh  wegen  loiraer  Zeit  nicht  alle  mögen  repotcat  und  recätFci  werdenn. 

Znm  dritten  ist  bieraaff  die  r^^äMo  norporis  Dodrinae  Matthaci 
ludieis ')  erfolget,  auss  welchem  1. 1  G.  G.  alle  30  locos  fterfieete  ei  iniegrt 
«tue  haetiUäiom  mit  Verwondernng  aller  Ahnwesenden  können  memorüer 
dargebenn. 

Und  weil  sicli  f^as  cirrpn^  (Jorfrinar  in  allen  locis  auf  den  Catrchismum 
Lutheri  referird,  ids  ist  aucii  /»er  haue  occcmonem  derselbe  mitgenommen 
und  Lateinisch  rccitiret  worden. 

Die  Psalmen,  Gebet  uud  Sprtlcho,  so  beydcn  Ihren  F.  G.  G.  bekandt, 
haben  dissmahl  müssen  nachbleiben,  damit  es  nf  einmahl  nicht  zuviel  und 
snlang  wttrde,  sintheroal  ohne  das  das  Examm  aber  2  ganzer  Stunden  ge* 
wehret  p. 

A  meridie. 

2.  LeeHambiM  saerü  koe  rtto  fdieäer  peradts  hatt  der  I¥aect^rior 
FHederich  Hortteder  jira«»uaM  mOMneula  lafiwi^  folgender  gcstalt 

examinini. 

Erstlich  haben  Ihre  F.  F  G.  G  beyderseit';  nach  niittaire  umb 
'2  Uhr  den  loi-tint  Tercntij  in  srena  f.  ad.  1.  Atuiriac  antalii  inic ;  iKun  i.s 
]H>dqH<im  t'xcessit  fucphrbis  Sosiu  j>.  unti  srhliessenile:  obmiuinin  amicoH 
vo'äas  (HÜitm  jxtrif  p.  tapinurd  uud  fertig  ausgelegt, 

DaroufT  ist  aingularum  voctim  ett/mtloyia  et  StfnUtxii  examinird  und 
naeh  solchem  JSxamne  alsobaldt  ein  argumentlein  ad  imäationem  prwd' 
puarum  phranium  et  tfofborum  ^»  leefioms  äidirä  tmnexa  contestatione 
praec^/Ums,  das  er  zur  versian  dessvlbeu  Ihr.  F.  G.  G.  in  keine  wege  be< 
ftrderiich  gewesen. 

Als  nun  1. 1.  P\F.  G.  G.  solch  anjnmeni  in  praeseutiu  Duminormn  et 
Praemäum  examini$  d  Tedium  reuwtis  tarnen  Ubri»  vorfertigei  und  in 

Allgemelno  Deutsche  Biographie  14,  666. 
llitt»Jliwg«ii  d.  G««.  t  doutwbo  Bnieb.'  a.  ScIiatSMelitelito.  Vn  S  ÜBT.  |9 

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290     Mitteiliuigreii  d.  ües.  f.  deutsche  Erziehung«-  u.  8chulgesch.  VII. 


ihn-  frcwöluilirhe  ArfrftmenthlicUcr  ufs  roiiio  papyr  pfhrarlit,  hatt  dasselbe 
(lor  l'nwrjitor  vhira  ri,rr  lu  rgelescn,  initt  angeheffter  Bitte,  es  woltpn  die 
Ili  rrcii  Kjiiniin'tfiirrs  selbst  die  ArffutnenthWrher  ansehen  und  die  vorigen 
Attfumtniu  gtgeii  iiziges  hiilteu.  Daraus  wUrde  sich  befinden,  das  nicht 
alleine  smdero  dergleichen  mehr  von  Ihr.  F.  G.  6.  verfertiget,  sondern 
auch  das  ftiiBSgenomiiienen  Somtabend  and  Sontag  kein  Tagk  in  der  Wochen 
entweder  fnrubergangen,  das  nicht  die  Ursache  dansu  nfh  Band  veReichaet 
wehrOt  wammb  das  gewönliehe  extrcifwm  unterlassen  wordenn. 

Nachdem  aber  der  Tagk  über  solchem  Examine  fiinibcrgangen  und 
iczt  der  Seiger  funff  ülir  war,  ist  das  Examen  iflnts  di'ei  solcher  gestaltt 
geschlossen,  das  zu  endt  vnni  J'raerejttore  gebeten  worden,  die  ahnwesendcn 
Herrn  Exantifinfnrcs  woltcii  unbeschwert  jjer  un-nsinpirm  rtiffoifit/'J  i'nfrr 
coenundum  vd  poid  <v<-ii(i»i  ^\ch  bey  I.  F.  G.  G.  erkundigen,  was  dit  selben 
aus«  dem  Sclddano  bcJialten,  Denn  I.  F.  G.  G.  heilen  in  libro  J  et  5 
emimefiiarianm  Setndam  die  gancse  Hüforum  des  Banrenkrieges  lej/endo 
zum  Ende  gebracht,  sowohl  aach  w  h'bro  10  die  gancse  Hutoriam  der 
wjedertenlTerisi^n  iumulien  zu  Ifflnster. 

WeMu  s  dann  anch  geschehen  und  Im  Wercke  sich  dermassen 
löblich  befonden,  das  es  die  Hcrni  Kjaminatorpn  mit  T.nst  und  Verwun- 
demng  angehöret,  wie  I  F.  G.  G.  solclie  Iliston'en  allen  rirrKnisi'in(i(s- 
nacb  /II  iTzehlcii,  nteriia  caumrum  fein  zu  pmtdcrtren.  Und  wann  gleich 
ddntn  ujxra  ist  etwas  jtfrfxratn  nllri;ni  worden,  iiaben  I.  F.  G.  G.  nicht 
alleiue  sulcbe  errores  di'j/tciitjiunet,  sondern  auch  cum  sint/tUari  (amen 
medesUa  et  verecunde  et  dehntet  sa  emendirw  und  wu  und  wie  es  ge- 
scliehen  und  zugangen,  zu  ensefalen  gewnst 

15.  Pce  ein  bris. 

Den  volgc'Hileii  Tag  i.st  frubc  uiab  H  übr  das  Examen  wietleruiab 
jjiacseniibus  omnibus  supcn'us  anmutaiis  jtraesidibus  angefangen  wordenn, 
do  praemma  ttt'dem  oratiuncula  latina  die  promlna  nnd  Sentenfiae  anss 
den  Fiämlis  Teren^  zu  dem  Ende  eoUfffirtf  <)as  I.  F.  6.  6.  tAglich  anss 
denselben  lernen  solten  sind  reeäiret  worden.  Inmassen  I.  F.  6.  G.  die- 
selben per  Ändriam  et  totam  fire  Euniu'hnm  gar  fertig  nacl)  einander 
reeäird  und  per  (jcrmnm'm      hTia  und  Spricliwörter  expom'ret  haben. 

Hicrbey  aber  der  l^raiciptar  errinnert,  das  er  snleh  c.m'n'iitfm  eine 
Zeit  liero  unterlassen  und  iiuftiescliohen,  indelnne  er  vermercket,  das  noch 
in  praeccj'tt^  tjrammatiris  iindiu  ad  cnin  -  ,.i!<UH  si-lidam  et  ftcrferfam  tru- 
Uitionem  mccsmn'a  binterslellig  wereu,  mit  welchen  1.  V.  G.  G.  bisliero 
nicht  betten  belegt  und  mdeätni  werden  kOnnm,  indeme  mit  Flefes  dohin 
zn  sehen,  das  I.  F.  G.  G.  bey  Lust  erhalten  und  mtUOfudine  Praec^tcmm 
von  stndiren  nicht  abgeschreckt  noch  atteriret  werden  mOchtenn. 

Hdbte  derowegen  anstadt  der  Proveifnorum  und  Sententianm  Biren 
F.  G.  G.  tf  plich  zn  lernen  gegeben  die  verha  mit  ihren  praetcritis  nnd 
supinift,  welche  auss  des  Herrn  Mi-Imiclii.  grosser  Grammait''n  jre- 
nohmmen,  welche  Perba  dann  L  F.  G.  G.  per  omm  4  cot\fuyationei  cum 


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2tf.  Zur  (ietichichte  deutscher  FUrstencnuehuiig. 


291 


inferprdationc  Gramtnatüa  jirMieräis  et  su^inü  fertig  von  aufaug  bis  zu 
ende  erzehlet  undt  autgesa^t. 

So  ist  auch  ferner  voiu  J'raeceptore  gemeldet  worden,  das  Herzogk 
Johann  Ernst  uf  der  UmversiUi-  Jbena  di«  regulas  de  vtrbis  awmaUst 
Herczogk  Friderich  die  signt'ticaiumes  adoetffUfmm  cum  mtu  advei%iü,  wie 
die  denn  auch  voriges  Tages  angehöret  worden^  Mit  angehefllen  fernem 
Beriehl  des  HeFCxegea  Johan  Grasten  zu  lernen  hintersteUigk  wehren, 
die  anomda  nonu'nn  in  ffenenbut  ä  casihus  sowohl  die  eonjMffatia»e8 
vethofum  (kfhin  orum  d  a/wmalorum  et  Grammrfica  majori. 

Herrzogk  Fride riehen  aber,  sowohl  dieses,  als  die  Vcrsslcin  de 
nominihns  defectivü  in  numero  singulari  et  pluraU.  Itcm  die  Figurae 
Sgnüutds: 

Hierauff  habtu  ihre  F.  G.  G.  angesagt  die  leditmcfi,  welche  Sie  zu 
Weymar  I'rueccpiore  M.  Barthdomaeo  Wintcro  luemoriae  mandirt  and  auss* 
wendig  geleniet  nnd  den  Anfang  gemacht  Ton  dem  ausgescheiten  Kern  der 
praee^^itümm  polii{ewum%  welche  ein  prinfs^ ammywut  ad  fUtumprmo- 
genäum  in  FrancOsischer  Sprache  znsammengetragen  nnd  D.  Jacob 
I^ornicz*)  veiiird  und  edirei,  die  dann  Ihr  F.  G.  G.  von  Anfisog  bis  zu 
Ende  fast  ohn  p\n\(i  Anstossen  recitiret. 

So  seind  auch  nnss  dem  gnamdhgico  Uilneri  eczliche pruvertna  und 
Spricbwörtf^r  horj?('sat,'tt  worden. 

Danu'ben  hat  der  Pmcccjiior  auch  erwehnet,  das  Ht  rc/ogk  J*»han 
Ernst  über  die  "JOOO  vocabiäa  laiina,  Herczogk  Friederich  in  die  1000 
sampt  den  laHim  vemmlis  BeMtij  in  die  Evan<jelia  eum  rgthmü 
GermameUt  Item  xweyen  pnoribw  Hhris  Catoma  dtsiü^orum  ntaroUam 
noch  redHrm  nnd  hersagen  kOnten.  Weib  aber  die  Zeitt  verflossen  ge- 
wesen  nnd  die  ahnwesenden  Herren  Examnatores  daAir  gehatten,  es  können 
anss  dem,  was  r^eUret  worden,  Dir.  F.  G.  G.  yn'frrhif;  Jinide  ditjni 
gnungsamb  abgenommen  werden,  als  ist  in  dem  Naliincn  des  AUincrhtigen 
nff  dissinal  dns  Kidmcn  vnm  nrnliarum  miiont:  latina  gest  lilossi  n. 

Daraurt"  (I<m-  Herr  Cami //an'Hx^)  an  I.  F.  G.  G  (iiUi<iriiii(trniin 
ortdionem  gelialtuii,  Ihr.  F.  ü  ü.  Fltiss  liocli  gcruhmet  und  das  auch  hin- 
fuhro  dcrglciclicn  vou  Ihr.  F.  G.  G.  geschehen  mochte,  vermahnet,  wie 
dann  nichts  nunders  den  Herrn  Holbneieter,  Herrn  Superintendenten  nndt 
Praee^^itorem  errinnert,  auch  binfnhro  dergleiehen  Fleiss  anxawenden  und 
in  ihren  ahnbefohlenen  Diensten,  wie  denn  kein  Zweiffol,  sich  trew  und 
fleissigk  zu  erwciss»*n. 

Dehme  der  Herr  Hoffmeister  Caspar  vonn  Teutleben  gesuitwortct  und 
wie  solch  Examm  abgangen  fideliter  zu  ref'enren  gebeten  p.   Auch  «uo» 


')  Stit  hling,  tt.  a.  0.,  S.  üü:  Aureiv  dogniatii  politicu  Ludovici 
Praticomm  rej^is  ad  Phtlippum. 

*)  Vgl  Uber  diesen  auf  natlonalOkononiischein  Gebiete  bekannten 
Schriftatelier  All|?.  Deutsche  Biographie  8,  17ö  f. 

•)  Wolfgang  Speit. 

19» 

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292    Mttteilungea  d.  Ges.  f.  (ieuU»ehe  Eniehmig»-  u.  Schuli^eseh.  VII. 


Ihmini  SiqHriHicniknU's  ef  jyracrejttm'ta  n<mtne  sich  zu  allen  inenscblkbcn 
uodt  niuglickun  Fleiss  auerbotcnn  p. 

Friedrich  Hortleders  Bericht  Aber  die  am  14.  Februar  1610  in 
Jena  mit  den  Herzögen  Johann  Ernst  und  Friedrich  von  Sachsen* 

Weimar  angestellte  Prftfnng 

(Hauptstaatsarehiv  in  Dresden.  Loc.  10667.  Herxog  Johann  Bmet  und 
Henog  Friedrich  su  Jena  bei.  1007.  8.  9.  10.) 

.......  Als  hab  ich,  Friederich  Hortleder,  nach  dero  im  Ein- 
gang gethaner  Ahnzeig,  worttmb  I.  I.  F.  F.  G.  0.  bis  dabero  bei  der 

Grammatik  und  Uebung  in  Lateinischer  Sprach  allein  behalten  und  mit 

vielen  und  schwerern  Udiom'bus  nicht  haben  beschwerctt  und  verwirrett 
werden  sollen  noch  kfjunen,  obbcncnten  IJ.  Fehruarij  nach  3  Uhren  zne 
Mittage  Iiis  nach  fünfen  aus  der  Graniniatick  nur  allein  dasjeiii^'c  jcuo 
cjcuiHiniivH  für  die  Hand  genommen,  so  I.  I.  F.  F.  G.  (5.  seit  der  Zeitt 
dessen  hiebcvor  den  13.  ^sic)  Veceaibris  Anm  ü'08  gelialteuen  ejcaminis 
gelernt  nnd  vor  rieh  bracht 

Und  haben  demnach  aus  dem  verbesserten  Auszugk  der  Grammatickcn 
JPküij/jji,  so  der  Schmeltser  zugcnahmet  irird,  and  dem  Troeedorfjßo  L  L 
F.  F.  G.  G.  ingesamt  ersehlet  ?on  praee^iü  e^meiogim: 

1.  Die  nomina  amomiüa  in  g^teribw  ambus  dedinatümüma  sambt 
ahngeheAer  Deutscher  Auslegnng  aller  derer  darin  and  in  andern  praee^piüf 
so  folgends  recäirt,  gesetster  Lateinischer  Exempel. 

Herr  Friedorich  aber  in  diesen  anemalü  nomimbw  besonders  die 
nomina  anomala  in  numeris,  wie  dieselbe  in  den  Yerssleia  ASr  td 
mmdu8  ete.  begriffen,  welche  Herr  Johan  Emst  schon  vor  der  Zeitt  des 
ersten  examitus  gekontt. 

2.  Die  reyulas  Trocedorf'ßJ  de  deäinatime  notm'num  campositorum, 
3*  Herr  Jolian  Ernst  die  sjjecns  ntminuin  ikrtmioruin  una  cum 

ftunaraltbtts  ans  dem  Schmeltzer.  Herr  Friederich  aber  allein  die 
Humeralia. 

i    Bcidü  llerru  die  reyalua  ietzbemeltes  Schmeltzers  ii&  fiyuri» 

vvrOorum. 

5.  Die  W7>"/' ri  )  fia  im  j«  is'nailm  miit  at:  i'oci's  coniineHUa  sambt 
etzlichen   audcni    dar/u   gehörigen    und  dem    Troccdorffio  mauglenden 

6.  Herr  Friederich  die  regnh»  Trwtäxurffij  de  verbit  tmomaiü  ymere 
modo  Umpare  eot^ffotione,  so  Herr  Johan  Emst  anch  schon  gelernt  ge* 
liabt.  Beide  Herrn  aber  das  supptementum  anom«d<frum  eot^gatione  aus 
dem  Schmeltzer. 

7.  Desg^eielien  beide  Herrn  die  eon/ugaUones  verttonm  anamalorwn: 
Ai'o  Salve  Vale  Ave  Faxo  Cedo  Inß.  Inqnio  9«u  inqwm  (^uaeso  Memini 
Odi  Caepi  Novi  et  caeterarum. 


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23.  Zur  Geschichte  deutscher  Furstenerziehuug. 


293 


8.  Herr  Johaii  Emst  die  vurian  siyuifkaiiones  adverbioium  loci  bei 
dem  Schmeltzer.  So  Herrn  Friederichen  in  praecc^ü  etjfmologicis  zae 
lemn  nur  noch  aUdne  flbrigk  neben  den  t^aeeibm  nomumm  daivatoruM. 

In  Smtm-i 

aber  halt  Uerr  Johan  Ernst  auf^'osaf^t  dio  rcifuias  Tri/cedorfft/  de  usk  d 
differetiÜß  pronomintim  recipructtium  et  rdiäimi'um  und  daiiiit  seine 
recitaiwnem  geschlossen,  weil  S.  F.  G.  in  ien  andern  Regeln  allen  der 
Sjfnfaxu  gettbt  nod  er&hren,  nnd  sowol  in  diesem  Stflck  der  Grammatick 
als  in  etyrndoffieü  mchls  mehr  zue  lernen  flbrigk  und  hinterstelligk  hatl. 

Herr  Friedericli  hat  reeäüt  die  figwras  Syntaxeos  als  sgitäteem 
«yfepat»  t^Mod^  H  rdigiuas.  Zn  dem  andern  Rest  in  Syniaaci  ist  auch 
schon  ein  guter  ahnfangk  gemacht  Weil  es  aber  schon  q>abt  gewesen» 
als  ist  dieses  Tages  examcn  hicmit  geendet  worden. 

Des  andern  Tages,  welcher  wnr  der  15  Fdmtnrij,  hab  ich  früe 
morgens  ümb  ;u  lit  Uhr  im  Eingang  envt  hnt,  d;is  in  (Tmmmaticis  prnctia's 
nnd  enarnoults  aKfiorilma  Herr  Jolian  Knist  dun  Ii  Gottes  Segen  so  weit 
koniineu,  das  S  F.  G.  bei  eineiii  iialben  Jahr  ihre  Lateiuisclte  iectiones 
selbst  zimliclier  massoi  sm  verdentschen  ahngefangen  und  «mgularum  voeum 
expedäam  raHonem  etjfmciogieam  et  Spntaxeos  gegeben. 

Hicrinnen  nnbn  S  F.  G.  zu  yersuchoi  ist  auf  Guttachten  des  Heirn 
Hofpredigers  M.  Ahrahatui  Lm^  deroselben  eine  Uiüon  aus  dem 
Lateinisclicn  Slcidano  fürgelegt  worden.  Darinne  commenfariorum  h'hro 
12.  erzehlett  wird,  was  der  Horlilöblichr  und  Clinst<:eli!re  Fürst,  Hertzog 
Henrich  /u<:  Saclisen  seines  Ili  rrii  15ruf'dorn  Ht^rtzoiik  Gürgens  Geseilten 
7A\T  Autwortt  f^cKobcii.  als  ilinic  (lieselbcn  die  siicrrssöm  in  brflederlirlier 
Erbsehatfl  mit  dem  Beding  aliugetragen,  wufcru  er  Land  und  Leute  bei 
der  hergebrachten  B&bstischen  rdigion  ruhigk  bleiben  lassen  wttrde. 

Denselben  loeum  Skiäam  haben  auch  seine  F.  G.  alsobald  in  Gegen- 
wart der  Herrn  Prttsidenten  nnd  Zeugen  des  examam  yor  sich  genomraeut 
verdolmetscht»  conäruiH  und  eines  Jeglichen  Worts  rectam  et  emvenientem 
raHonem  dymdo(ficam  gegeben. 

ITetten  auch  ihn  grössers  Thcils  wiederümb  ins  Latein  versetzen 
sollen,  wo  nicht  die  Zeit  erfodert,  das  ich  car  ein  klein  Argtimentb  in  von 
3  Zeilen  S.  F.  G.  dirtirrn  und  dnbeneben  mich  darauf  beruffen  nitisseii, 
dass  deroselben  profedus  genugsam  gtfbiiülm  t  werden  k^^nte,  aus  d(  n»  n 
argumcntis,  so  vor  dem  cjcamine  in  unsern  gewöhnlichen  Studieistuuden 
gemacht  worden. 

Inmittels  hatt  Herr  iUederich,  weil  S.  F.  G.  alters  wegen  datun 
noch  nicht  gelangt,  das  sie  eine  Lateinische  Uetim  selbst  mehrentheils 

verdeutschen  ki>ntten,   eine  Fabel  Cnmeranj  exponiti  und  Grammaiice 

resolrid,  so  deroselben  vor  dem  cjaminc  vorgelesen  worden.  Daraus  hatt 
seiner  F.  Gn,  Herr  M.  Winter  ninb  Vermeidung  Verdachts  willen  ein 
Ar^ruuient  gt  u'i  Ix  n  Weichs  auch  S.  F.  G.  leidlich  und  wohl  ios  Latein 
gebracht  und  autgewiesen. 


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294     Mitteilungen  d.  Uea.  i.  deutsche  £i%iehuu|^  u.  Schulgeach.  VII. 


Narh  wclcliein  I,  I.  F.  F.  G.  G.  beiderseits  aoch  alle  verba  1.2.^ 
und  4  cm/uyatiinus  mit  ihrer  auslcgung  jfw/w^mifi.!?,  sttpinis,  inßniUisU  wie 
dieselbe  bei  dem  Scbmeltzer  nach  der  Lenge  befunden  werden  zur  Prob 
reeäiiif  das  bei  den  Nengdeniten  keUombm  der  alten  doch  nicbt  ver- 
geasen  worden. 

Und  ist  also  vor  dieses  Mahl  das  Fttrstliche  examen  mitt  der  Half 
Gottes  ^flcklich  volbrai  tit  und  beseblossen  worden. 

Dan  so  viel  des  Herrn  Superintendentm  theil  betrifft,  was  dcisclhe 
in  fiorns  und  Arälimeiius  examimrt,  davon  wirdt  er  Selbsten  förderlichst 
zu  berichten  wissen. 


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24.  Die  erste  Urkunde  der  Dresdner  Taubatummen-Anatalt  etc.  295 


IHe  erste  rrkuiiAe  der  Dresdner  Taubstiimmen- 

Aiistiill  aus  dem  Jailire  1828. 

Ein  Blatt  aus  deren  J ugeudgeächichto. 
Von  Uofrat  H.  &  Stdtsner,  Direktor  der  Tattbetummen-Anstali  xu  DreKleu. 

Im  Jahre  1825  trat  in  Dresden  das  Freiherrlieh  von  Fleteh«rache 
Schullehrerseininar,  die  Stiftung  einer  Freiftwi  von  Pietcher,  ins 
Leben.  Zum  Direlctor  desselben  wurde  Franz  Ludwig  Zabn,  spftter 
Seminardirekftor  zu  Mflrs  am  Rliein,  berufen.  Dieser  wurde  durch 
den  Umstand»  dass  ein  neben  dem  Seminar  wohnender  taubstummer 
Knabe  öftere  in  das  Seminar  Icam,  zu  dem  Versuche  angeregt^  den 
armen  Knaben  zu  unterrichten.  Eine  Schrift  des  Züricher  Taub- 
stummenlehrers Scherr,  in  welcher  dieser  die  MöglichlceU»  taub- 
stumme Kinder  mit  hörenden  zugleich  zu  unterrichten,  erörtert  und 
die  Schriften  des  Schulrats  Graser  bestärkten  ihn  in  seinem  Vor- 
hallen. Er  nahm  den  Knaben  —  und  bald  nachher  noch  zwei 
andere  Taubatuiimie  —  in  die  Freischule  des  Seminars  auf  und 
beschäftigt«  sie  gemeinsam  mit  den  übrigen  Kindern.  Ausserdem 
wurden  aber  die  TaubstunimeTi  noch  täglich  zwei  Stunden  unter 
seiner  Leitung  von  Seminaristen  unterrichtet.  Einer  derselben, 
Johann  Friedrich  Jencke,  zeigte  besonderes  Interesse  für  die  taub- 
stummen Kinder.  Er  hatte  bereits  im  Elternhause  durch  den  Ver- 
kehr mit  einer  taubstummen  Magd  sich  einige  Gewandtheit  im 
Gebrauche  der  Gebänlensprac^hn  (»rworben.  und  zu  ihm  fühlten  sich 
die  Taubstummen  nm  meisten  liin.i:eznn;pn.  Direktor  Zahn  fragte 
ihn  darum,  ob  er  sich  ganz  dem  lltTiile  eines  Taubstummenlehrei*s 
uidiiien  wolle.  Jencke,  eine  tief  religiöse  Natur,  sah  darin  eiueu 
Fingeraeig  Gottes  und  orklfirte  wirb  hierzu  bereit. 

Am  14.  (>ktcd)er  18i^8  überualim  Jencke  allein  den  Unter- 
richt der  Taubstumuieu,  und  dieser  Tag  gilt  als  der  Grüuduugätag 


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296  MittMJungen  d.  Ges.  t  deutache  Bniehungs*  vl  Schnlgeuh.  VIF. 


der  Dresdner  TaubBtonmi^-ADStalt.  Direktor  Zahn  aber  richtete 
nunmelir  an  die  Administratoren  des  Fletcherschen  Seminars  das 
Gesuch,  mit  dem  Seminar  ein  kleinea  Taubstummen-Institut  zu 
verbinden.  Dieses  Schriftstück»  die  erste  Urkunde  der  Dresdner 
Taubstummen -Anstalt,  ist  wertvoll  und  hat  allgemeines  Interesse. 
Es  lautet: 

Au  die  hochverehrten  Herren  Adiniaiätiatcjreii 
des  Freihcrriich  von  Fletelierschen  Schollehrerseininars. 

Seit  angefUhr  einem  Jahre  nahmen  wir  einen  taubstummen  Knaben, 
dessen  Vater  neben  dem  Seminar  wohnt,  in  unsere  Freischule.  Er  wnrde 
neben  den  flbrigen  Kiodem  im  Sdireiben  unterrichtet,  und  schon  die  6e* 
wöhnnng  an  Ordnung  und  Beschftftignng  hatte  den  Knaben  sichtbar  ver* 
ändert.  Dies  gab  die  Veraulassunj,',  dass  wir  seinen  Unterricht  soigfiUtiger 
zu  behandeln  gedachten,  zugleich  auch  den  Zweck  im  Auge  behielten,  die 
Pominnriston  mit  der  Mctlindo  dfs  Taiibstummrnniifoirirlitf  bekannt  zu 
raarhen,  damit  sie  einst  im  Stande  waren,  jedes  laubstumme  Kind,  das 
sich  m  ihrer  Gemeiudc  vorfände,  mit  zu  unterriclitcu. 

Auf  meijie  Erkundigung  fanden  sich  auch  bald  uuch  zwei  andere 
Tanbstnmme,  und  alle  Drei  werden  jetzt  mgleich  mit  den  Kindern  der 
Freischule  unterrichtet  und  erhalten  täglich  noch  zwei  Stunden  besonders 
Unterricht  unter  meiner  Leitung  von  einem  Seminaristen.  Die  Bemthungen 
sind  nicht  ohne  Erfolg  geblielien:  sie  haben  in  kurzer  Zeit  einfache  Silben 
schon  recht  deutlich  aussprerhcn  lernen,  und  wissen  viele  Dinge  der  sinn> 
liehen  Anschauung  schriftlich  zu  benennen 

Dies  hat  mich  nnf  den  Gedanken  gchiarht,  ob  nirht  bei  unserui 
Seminar  ein  kleines  Xaubstummcuinstitut  errichtet  werden  konnte. 

Was 

A.  die  Notwendigkeit  betrifft,  noch  mehr  für  die  Bildung  der  un- 
glücklichen Taubstummen  zu  sorgen,  so  geht  diese  daraus  hervor,  dass 

1.  im  Königreich  Sachsen  wohl  gegen  GOÜ  Taubstuinnre  vurlianden 
sind,  indem  man,  nach  anderweit  angesteltten  Zlhlungen,  gegen 
600  auf  eine  Million  rechnet. 

2.  Von  diesen  600  mögen  ohngeffthr  300  noch  «nterrichts- 

fähig  sein. 

3.  In  Leipzig  sind  zwischen  10  und  50  Taubstumme  untor- 
gehracht:  bleiben  also  wenigstens  noch  2^)11  solche  Unglück» 
liehe,  die  ganz  der  Verwildenintr  liingegeben  werden. 

4.  Wenn  auch  das  Loipzit'cr  Institut  tun  die  Hälfte  erweitert, 
würde,  so  würde  dem  dringenden  litdürtnisse  nur  zu  einem 
geringen  Teile  abgeholfen. 

Was  nun 

B.  die  Möglichkeit  betrifft,  etwas  Durchgreifendes  fOr  die  Bildung 
aller  Taubstummen  zu  thun,  so  mtlssten  hier  woU  die  ntohsten  An* 


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I>io  erate  Urkunde  der  Dresdner  Taubätummen  Anstalt  etc.  297 


fordorungcn  an  die  SchulIuhrer^Seminarieii  za  machen  sein.  Dies 
könnte  geschehen,  wenn 

1.  die  Zöglinge  dr-rsolbon  niil  der  Uiitcrrichtsmothode  der  Taub- 
stummen  bckiiiiiii  ^'cmacht  würden,  und  diese  dann  in  iliren 
künftigen  W'irkungskreisen  die  Taubstummen  zugleich  mit  den 
hörenden  Kindern  za  unterrichten  lernten. 

2.  Würden  aol  diese  Weise  die  taubstummen  Kinder  vorderhand 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  nntenichtet,  so  liene  es  sich 
vohl  für  ctie  Skdnuift  leicht  bewerksteiligeii,  dass  In  jeder 
Ephorie  ein  SckuUehrer  angestellt  würde,  der  besonderes 
Talent  zur  Taubstummenbildung  hätte,  und  dem  dann  die  in 
den  übrigen  Schulen  bis  zum  Lesen  und  Schreiben  gebrachten 
Taubstummen,  zur  Vollendung  ihres  Unterrichtes,  auf  einige 
Jahre  noch  überlassen  würden,  was  wohl  ohne  bedeutende 
Kosten  geschehen  könnte,  die  jeder  Kreis  selbst  tragen  würde. 

3.  So  konnte  also  in  nnsenn  Yaterlande  leicht  ha  Werk  gesetst 
werden,  eine  durchgreifende  Sorge  für  alle  Tanbstnmmen, 
weldier  Wohlthat  sich  noch  kein  Land  erfreut  Die  Institnte 
würden  dann  nur  die  Pflegerinnen  der  wahrhaften  Taubst uiDmen- 
Methode  sein  für  di^enfgen,  die  es  zu  einem  besonderen 
Grade  der  Ausbildung  bringen  sollten. 

C.  Fm  aber  dies  allgemeine  erfreuliche  Resultat  hervorzubringen 
mildsten  notwendig  Taubstummfninstitutp  mit  dtni  Scminaricn  des 
Landes  verbunden  werden:  fllr  den  Meissner  Kreis  mit  (icin 
Fletchcrschen;  für  das  Erzgebirge  mit  dum  Freiberger,  für  das 
Vogtland  mit  dem  Plauenschen;  für  die  Lausitz  mit  dem  Bautzuer 
oder  Zittaver. 

Und  nirgends  Iftsst  sich  ein  Tanbstummenlnatitat  mit  so 
geringem  Kostenaufwand  errichten,  als  bei  einem  Seminar,  weil 

nirgends  soviel  Lelirkräfte  vorband  i    i  i  l    als  hier;  aber  anch  für 
die  Seminarien  selbst  wflrden  manche  Vorteile  daraus  hervorgehen. 
Was  nnn  demnach 

I).  die  Torteilo  betrifil,  die  die  Errichtung  eines  Tanbstnmmenlnstituta 
namentlich  fllr  unsere  Anstalt  haben  k(^nnte,  so  liegen  diese 

1.  schon  im  Obigen,  indem  es  in  unserer  Zeit  bald  als  allgemein 
notwendif;  erkannt  werden  wird,  dn^^s  Seminarien  ihre  Zöglinge 
auch  als  Taubstummenlehrer  bilden. 

2.  Der  Taubstummen-Unterricht  trägt  auch  zur  allgemeinen  Aus- 
bildung eines  Schulmannes  viel  bei,  indem  hier  besonders  die 
Lautmethode  am  grOndlichston,  die  Spruch«  und  Begrtlb* 
entwicklttng  aufs  genaueste  and  schftrfete  betrieben  werden  mnss. 

3.  Die  vielleicht  durch  die  Gnade  Sr.  M^jest&t  des  Königs  m 
erlangende  Anstellung  eines  eigeiicii  Taul)stumnicnlehrer8  Würde 
auch  &iT8  Seminar  insofern  vorteilhalt  sein,  als  derselbe,  da 

* 

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298    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  tl(Hii>ch.'  Krzir-hungR-  u.  Schulgosrli.  VII. 


er  von  den  Seminaristen  unterstützt  wflrdo,  wiederain  mm 

Unterriehl  im  Seminar  gebraucht  werden  könnte. 

4.  WOrdn  in  Zukunft  ein  ordcntlirln's  Taii]»stnTnmoniiistitnt 
gegrtindet,  so  mflssto  ps  allerdings  mit  dem  Seminar  ver- 
bunden bleiben,  wenn  der  Hauptzweck,  die  Taubstummen- 
bildung allgemein  im  Lande  zu  machen,  erreicht  werden 
sollte.  Diese  Yerbindung  mit  unserer  Anstalt  denke  ich  mir 
ohngefilhr  so: 

a>  Die  Admlnistretion  des  Seminars  hätte  aneh  mgteich 
die  Administration  des  Taubstummeninstitots. 

b)  Se.  Ifiaesittt  der  König  besoldete  vielleicht  gn&digst 
einen  Lehrer  oder  Hesse  in  die  Kasse  der  Anstalt  ebe 
namhafte  Snnune  fliessen,  wovon  ein  Lehrer  besoldet 
and  ein  Lokal  gemietet  werden  könnte. 

c)  Es  könnte  sich  auch  ein  Verein  bilden,  der  fllr  die 
leibliche  Notdurft  der  Taubstammen  Sorge  trflge,  der 

aber  nur  dir  Zöglinge,  dif  or  ni  versorgen  im  Stande 
wäre,  (kr  Administration  zur  Aufnahme  ins  Seminar 

vursrlilüf/e. 

ii)  Auch  das  Wirtschaftliche  eines  Taubstnninu  uinstituts 
Hesse  sidj  mit  unserer  Wirtschaft  vereinigen,  wenn  es 
nämlich  genau  ausgemittclt  würde,  wie  hoch  die  Be- 
köstigung eines  Tanbstammen  komme.  0nd  es  Hesse 
sich  so  wohl  aach  eine  Erspaniis  in  unserer  Wirtschafts- 
einrichtung  machen. 

Dies  sfaid  die  diesfallsigen  Bemerkangen,  die  ich  der  geneigten 
Beurteilttog  Ew.  Excellenz  and  Hochwohlgeboren  voilegOt  and  in  tiefer 
Verehning  und  treaer  Ergebenheit  verharre. 

Dresden,  den  24.  November  1828. 

Franz  Ludwig  Zahu. 

Das  Gesuch  wurde  von  den  Adminit^tratoren  geneliinigt,  und 

man  heschlo.ss.  mit  dem  Seminar  eine  Taubstnnnnenschule  zu  ver- 
Idnden.  Se.  Majestät  der  Küni«?  verwilUgte  au(;h,  zunächst  auf 
sechs  Jahre,  eine  jährliche  Unterstützung  von  löOThalem.  Jencke 
wurde  nach  seinem  Ah^an^e  vom  Seminar  1830  mit  einem  (Jehalte 
von  100  Thalern  als  Taul)Stummenlehrer  angestellt.  .letzt  rührte 
Bich  auch  das  Königliche  Seminar  in  Frie<Irichstadt- Dresden.  I><m- 
Leiter  desselben,  Seminardirektor  Otto,  hattt»  sich  in  Leipzig  mit 
dem  Tauljstuiniiiommtcrricht  !u>kaiiiii  u^'inaclit  und  errichff'te  18!^0 
eine  Taubbtuuimen^jchule,  weicher  die  llegieruug  ebeufaiiä  eine 


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24.  Die  erste  Urkunde  der  Dresdner  Taubstummen-Anstalt  etc.  2Ö9 


Unteretütztiiig  von  150  Thalern  verwilligte.  Zwischen  den  beiden 
jungen  Anstalten  entatand  aber  min  eine  kleine  Fehde  und  da 
beide  zu  ihrer  Existenz  die  Unterntützung  des  Publikums  brauchten, 
80  nahm  aiirli  dieses  fllr  und  wider  Partei.  Das  Fletchersrhe 
Seminar  stand  im  Gerüche,  eine  pietistische  Richtung  zu  be- 
günstigen, während  das  Friedrichstädter  einer  freieren  Richtung 
huldi'f^tc.  Tin  , Dresdner  Anzeiger"  wurde  mit  Beziehung  hierauf 
h'bhaft  iic'^en  dif^  Flctclicrsrhe  Taul)Stiimnienschule  agitiert  und 
man  surhtc  ihr  <lie  'i'eiliialiin»'  dos  Publikums  zu  <Mitzi«>ht'ii.  Da 
die  Direktion  der  L<'ipxi;;or  'l'unlistuiiiuicnaiistÄlt  sich  autb  fui-  das 
Friedriebstädter  Seminar  erklärte,  sd  ;;iiig  Jencke  auf  einige  Zeit 
nach  Berlin,  um  sich  im  dortigen  Taiib^tuinmen-Institiit  weiter  zu 
unterrii;bteu.  Trotz  allr  i-  Scbw  ierigkeiten  aber  gedieh  die  Fletehersehe 
Taubstuinmenschule,  während  die  Friedrichstädter  i>ereits  is;^6 
wieder  einging.  1831  gab  Zahn  unter  dem  Titel  ^Die  Taul>- 
stummenschule  zu  Dresden.  Ein  Wort  zum  Pesten  der  Taub- 
stummen im  Königreiche  Sachsen"  den  ersten  Pericht  heraus,  in 
dem  er  mitteilt,  dass  bereits  zehn  Taul>stumme  Umrrrielil  rrhalten. 
1832  ging  Zahn  nach  Möns  als  Seminardirektor.  In  Jencke  halte 
er  aber  den  rechten  Mami  für  die  junge  Anstalt  gefunden.  Die 
Verhältnisse  waren  mehr  wie  armselig;  aber  der  junge  Jencke 
hatte  ein  felsenfestes  Gottvertraueu  und  einilussreiche  Freunde, 
dabei  var  er  rubig  und  besonnen,  genOgsam  und  sparsam,  arbeitsam 
und  von  zäher  Ausdauer.  So  gelang  ihm  Grosses.  Da  die  Ver- 
bindung mit  dem  Seminar  eine  gedeihliche  Entwickelung  unmöglich 
machte,  so  stellte  er  1853  die  Anstalt  auf  eigene  Fflese,  und  als 
er  1835  durch  eine  Landeskoliekte,  welche  5620  Thaler  ergab,  in 
den  Stand  gesetzt  wurde,  ein  bedeutendes  QrundstQck  zu  erwerben, 
da  war  die  Zeit  der  schwersten  Not  rorUher,  zumal  nun  auch  die 
Regierung  sich  energisch  der  Anstalt  annahm.  VoUe  62  Jahre  hat 
Hofrat  Jencke  die  Dresdner  Taubstummen- Anstalt  geleitet  und  zu 
.    einer  der  ersten  Deutschlands  erhoben. 

Am  4.  August  1893  starb  der  verdienstvolle  Mann.  Sein  An- 
denken wird  stets  in  Ehren  gehalten  werden.  Jetzt  zahlt  die 
Dresdner  Taubstummen  «Anstalt  mit  der  Voi'schule  in  Plauen  bei 
Dresden  und  dem  Asyl  fUr  erwachsene  taubstumme  MAdchen 
262  Zöglinge,  welclie  von  23  Lehrern  und  8  Lehrerinnen  unter- 
richtet werden.  Der  Wunsch  Zahns  und  Jenckes,  dass  alle  taub- 
stummen Kimier  Sachsens  erzogen  und  unterrichtet  werden  möchten, 
ist  -  dank  der  treuen  Fürsorge  der  sächsischen  Regierung  -  in 
Erfüllung  gegangen;  denn  die  Leipziger,  wie  die  Dresdner  Taub- 

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300    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  doutdchc  Ensiehungs-  u.  Sehulgeach.  \'1L 


Stummen-Anstalt  sind  derart  erweitert  worden,  dass  allen  goholfen 
wird.  IJeide  Ari.sl.alt»Mi  /.ählou  zur  Zeit  Zr»<:lin«;o,  welche  von 
2  Direktoren.  35  sti  iHÜ'^oii  Lehrern.  4  lliirsl«hrern .  1  Kindel^ 
gartnerin,  4  liehreni  für  teclinisjche  Fä<;lier  und  10  Nadelarbeit*- 
Lehrerlnneii  unterriclttet  werden.  Der  (iesunitant'wund  aber  betragt 
jäiHUeh  27('»{)5(>  .Mark,  wozu  die  8iaat.skasse  eineu  Zuscbuss  von 
250122  Mark  gewährt. 


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36.  GrOndung  der  ftltesten  Bttchsmchen  Realsehnle  (Leipzig)  ote.  301 


25. 

ürUuduii^  der  HltosteD  süchsisehen  Realschule 
(Leipssig)  und  ihre  ersten  Kehieksale. 

Von  Dr.  Rvniuam  Barg». 

Gleichzeitig  mit  der  seit  dem  Kndf  des  \ori''f'?i  Jahiiiuiiderts 
einsetzenden  Ditterenzierun«?  d»*r  mciischlichen  <  lest  llschaft  war  in 
Deutschland  eine  Wi-feinming  der  Bililuiig.sln'dürlui.sse  eiuher- 
gegangen.  Die  massiven  F<irin>»n.  in  deiK  ri  bisher  die  Aufnahme 
der  lUkluug  ortolgt  war,  erwiesen  Kicti  weiten  Kreisen  der  Be- 
völkerung gegenüber  als  unzureichend.  Ein  in  der  Ausübimg  neuer 
qualifizierter  Berufsaiten  wirtschaltlith  erstarktes,  infolge  der  von 
Frankreich  ausgehenden  Freiheitsbewcguug  uiüinlig  gewordenes, 
durch  die  Auteiluuhnu!  au  dem  Aufschwünge  der  deutschen  Natioual- 
litteratur  und  an  den  deutschen  Freiheitskämpfen  zu  frohem  Selbst- 
gefühl gelangtes  Bürgertum  ward  weder  durch  die  elementare 
Volksschulbildung  befriedigt,  noch  auch  fand  es  seioe  Rechnung  bei 
den  ausschliesslich  itlr  die  künftige  QelehrteDlaufbahD  vorhereitendeo 
Gymnasien.  Es  heisclite  einen  BiLdimgsgang,  der  seinen  im 
modernen  Leben  und  seinen  Anforderungen  wurzeinden  Interessen 
entsprach.  Er  wai*d  iiim  gewährleistet  in  der  Realschule. 

Freilich  fehlte  viel,  dass  dem  neuen  Bildungsverlangen  so- 
gleich entsprochen  wäre.  Die  Realschule  hat  sieh  ihre  Existenz  in 
hartem  Ringen  ericämpfen  müssen.  Naturgemftss  war  dieser  Kampf, 
da  die  obersten  Schulbehörden  auf  jegliche  planmfissige  FOrde> 
rung  der  Realschule  zunächst  verzichteten,  dui'ch  lokale  Verhältnisse 
bedingt  und  ist  in  den  verschiedenen  Teilen  Deutschlands  auf  ver« 
schiedene  Weise  geführt  worden.  Der  sebulgeschichtlichen  Forschung 
erwachst  daher  hier  mehr,  als  auf  anderen  Gebieten,  die  Aufgabe, 
Borgf Altige  Einzeluntersuchungen  vorzunehmen^).    Erst  wenn  es 

')  Dies  Ertnrderuis  erkeunt  auch  Fr.  PauUen,  (ieschichto  dua 
gelehrten  Unterrichte,  II,  p.  548  Anm.  an. 


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302    llitteiliu)gen  d.  Ges.  f.  deutsche  Entlehungs-  u.  Schulgeseh.  MI. 


gelungen  ist,  für  die  Enislehiing  der  Realfiehulen  versehiedeue 
Typen  herauszuarbeiten,  wird  man  zu  einer  konkreten  Geeamt- 
ausehauung  Uber  die  Änfünge  des  Kealschulwesens  gelangen.  80 
dürften  auch  die  folgenden  AusfOhrungen  fiber  die  Entetehuug  der 
Leipziger  Bealschuie,  der  iiitesten  des  Königreichs  Sachsen,  nicht 
aufiBchliessHch  von  lokalgeBchichtlichem  Interesse  sein*). 


Noch  zu  einer  Zeit,  da  in  Preussen  das  Realschulwesen 
bereits  eine  erste  staatliche  Organisation  erhalten  hatte  (1892), 
war  im  ganzen  Königreiche  Sachsen  keine  einzige  Realschule  vor- 
handen. Diese  Thatsache  ist  nicht  ganz  zufallig.  Denn  in 
Preussen  lagen  die  Umstünde  fUr  ei^ie  Befkiedigung  des  BedOrfliisses 
nach  der  Gründung  von  Realschulen  günstiger.  Durch  die  nach 
der  Beendigung  der  Freiheitskriege  voigenommenc  Reform  des 
in'eijssischcn  Gymnasiahvesens  waren  viele  Latoinsi  luilen,  besonders 
der  kleineren  Städte,  welche  nicht  zu  Gymnasien  erhoben  worden 
waren,  der  alten  Bereclitigungen  verlustig  gegangen  und  damit  der 
Lebenskraft  beraubt  worden.  An  sie  knüpften  die  neuen  Be- 
strebungen an:  diese  Anstalten  liessen  sich  <lurch  entspreciiende 
Reformen  zu  Realscliulen  umwandeln,  ohne  dass  hierfür  ein  bedeu- 
tender Kostenaufwand  erfordert  nnd  die  bestehende  Äussere 
Organisation  wesentlicii  verändert  wurde. 

In  Sachsen  hnton  sich  den  Anhängern  der  neuen,  realen 
liiidungsrichtung  dnaitii:*'  ;;iiiistige  Anlehnungspimkte  nicht.  Sollten 
ihro  Wüiische  Verwirkiii  Iniiii;  find«'n.  so  schien  nichts  ührii;  zu 
l>l('ilM'ii,  als  neuo  Kealfinstalfcii  ins  Lel»eu  zu  rufon.  Vor  dein  d-cnif 
Yciiiuiidonpn  tiiianzirllcn  iJisiko  ai>er  scheuten  die  maassgenei.  l«  u 
Heliiirden  um  so  mehr  zurück,  als  d.unals  in  Sachsen  der  (;niad- 
sat7  die  Regel  bildete,  dass  J^mIo  Sihnlr  aii::;sL:hliesslich  durch  die 
Schulgelder- KinuahmHi  ihr  Ausgabeubudget  ohne  staatlichen  oder 
kommunalen  Znschuss  l)estreiten  müsse. 

Auch  iu  Leiftzig.  wo  dorh  bei  dem  reiben  (Jeisto  eiiiei-  durch 
grossartige  Ilantiei.-ibe/jfliungeü  .(Ul  das  jtraktische  Lebt'n  bin- 
gewiesenen  Bevölkerung  der  Boden  lür  die  Begrüiuiuni,'  ein»  r  [Jeal- 
schule  besonders  günstig  sein  nuissfe,  ist  nicht  sogleich  mil  der 
planmässigen  Einriclitung  einer  derartigen  Anstalt  begonnen  worden. 
Vielmehr  ist  die  Leipziger  Realschule  gajiz  allmählich,  fjist  un- 
vermerkt, ja  häufig  unter  dem  latenten  Widerstande  der  Rats- 

')  Die  Darstellung  baut  sich  im  wescntlichon  atif  Leipziger  Rat«- 
ukten  uut,  deren  Benutzung  mir  die  städtische  Behordo  in  eotgegen- 
kommeindBter  Weise  geetftttete. 


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26.  Grflndiing  der  Alteaton  aäehelachen  Realecbiile  (Leipdg)  etc.  303 


behdrde  und  vor  allem  der  Stadtverordneten,  aus  der  Leipziger 
ersten  BUrgerscbule  herausgewachBen. 

Bas  Bedürfnis  nach  einer  Uber  den  VolksBehuIunterricht 
hinausgebenden  Vorbildung  fOr  das  praktische  Leben  hatte  sich 
freilich  schon  frühzeitig  in  der  Leipziger  Bevölkerung  geltend 
gemacht.  Bereits  im  Jahre  1803  war  die  Leipziger  Bürgerschule 
gegründet  worden»  die  als  Bildungsstätte  für  die  Söhne  der  besser 
gestellten  Bürger  gedacht  war,  welche  nach  erlangter  Konfirmation 
in  den  Kauflnannsstand.  zu  anderen  Gewerben,  auch  in  Forst-  und 
ökonomische  Institute  Obergehen  wollten Aber  diese  Anstalt 
hatte  in  keiner  Weise  deu  auf  sie  gesetzten  Hofbungen  ent- 
sprochen. Ein  V'iert^ljtthrhundert  nach  ilirer  Eröffnung  finden  wir 
sie  in  dem  Zustande  einer  unerhörten  Vernaehlässigung.  Schon 
ihre  äussere  Organisation  war  im  höchsten  Grade  niangdliafl. 
Neben  dem  Direktor  und  drei  ^Hauptlehreni"'  waren  an  ihr  nicht 
weniger  als  28  Hilfslehrer  und  Vikare  thäüg,  die  «so  unwürdig 
für  iiire  Thätigkeit  besoldet  —  nicht  honoriert,  sondern  des- 
honoriert"  —  wurden,  «dass  nur  Leipzigs  allgerühmte  Anziehungs- 
kraft und  AniK'hmlichkeiteu  es  erklriron,  wie  so  mancher  Ehren- 
mann, freilicli  nur  mit  Hilfe  einer  Ma.S!<e  von  PrivatÄtunden  oder 
sonstiger  ErwerUsniittel  einen  'IVil  seines  Lel)ens  und  seiner  Kraft 
einer  si»lchen  Sfellting  widmen  konnte"'-).  Verdrnss  über  die 
gediiiiklen  ökono  mischen  VcrluUtnisse  hattp  den  Lehrern  dor 
Bürgerschule  die  lienifr^frtMiiiigkcit  ireraul»l:  so  »laiuien  auch  diu 
Leistungen  der  Sciuiie  auf  einem  sehr  tiefen  Niveau.  In  dor 
zweiten  Klujsse  vermofhte  bei  einer  v<»rgenoinmenen  Priitiing  von 
50  Sciiülern  kein  einziger  ein  eiid'uche.s  Multi|>likHi.iuns('\rm|M'l  zu 
lösen;  Elementaii;eoiuetrie  ward  diktiert,  der  Ueligiunsunierriciit 
nach  sielten  Kateciiiäuien  erluiit.  Dem  79  Jahre  alten  Schreibe- 
lehrer Türk  fiel  schwer,  „seineu  eigenen  Namen  mit  einiger 
Zierlichkeit  aiifznzeichnen**  •''). 

Die  Folge  war.  dnaa  eben  tiie  Kreise,  für  weh  he  dir  liiirger- 
schule  berechnet  war.  sich  von  ihr  fern  iHelt^-ii.  Ein  lielVr  .Stand 
des  höiiereu  sliiatlichen  oder  kommunalen  Schulwesens  zieht  stets 
ein  vorübergehendes  Aufblülien  de.s  l'rivatschulwesens  nacl»  sich. 
In  Leipzig  zählte  man  im  Jahre  1832  nicht  weniger  als  16  Privat- 
scbulen.   Einzelne  davon  mögen  Tüchtiges  geleistet  haben.  Drei, 

»)  Ver^rl.  Stift  VITT  D  !'>.  V(,l.  TV  f.  t>17. 

')  Worte  dc8  neu  berut'enoii  Direivtors  Vngi-l  in  »eitior  Eingabe  an 
den  Hut  vom  ü.  Januar  ISiJa.   Stift  VIII  D  10,  Vol.  I  f.  2. 
•)  Vergl.  Stift  Vm  D  10,  Vol.  I  1 27. 


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804    Mitteilungen  d.  üee.  f.  deutecbe  Erziehung«*  u.  Seliulgeach.  VI!. 


die  Hander'sche,  Kichter'sche  und  Hager'sche,  verfolgten  sogar 
ähnliche  Ziele,  wie  die  preussischen  Realschulen ').  Wie  aber  hätten 
diese  Anstalten,  bei  denen  die  Rücksichten  auf  möglichst  hohe 
finanzielle  Ergebnisse  naturgeuiSss  die  ausschlaggebenden  waren, 
das  Verlangen  nach  einer  zeitgemSssen  BefiHrm  des  höheren  b&rger^ 
liehen  Bildung^wesens  in  Leipzig  auf  die  Bauer  zurQckdrftngen 
können?  Ganz  abgesehen  davon,  daas  durch  ein  geordnetes  kom- 
munales Bürgerschulwesen  eine  gute  Disziplin,  Einheit  und  Plan- 
mfissigkeit  weit  mehr  verbürgt  ist,  als  durch  Privatuntemehmungen, 
fehlten  letzteren  Überhaupt  die  umfassenden  lüttel,  wesentliche 
Reformen  in  grösserem  Maassstabe  durchzuführen.  Als  der  bisherige 
Direktor  Gedicke  ün  Jahre  18St  in  den  Ruhestand  trat,  war  das 
BedOrfnis  nach  einer  Reorganisation  der  Bürgerschule  allgemein, 
und  der  Stadtrat,  wie  die  fahrenden  Kreise  der  Bürgerschaft  waren 
darin  einig,  dass  die  Leitung  der  Schule  nur  einer  energischen 
Persönlichkeit  übertragen  werden  dürfe,  die  gewillt  war,  die  not- 
wendigen Refomen  durchzufahren. 

Da  war  es  nun  von  fjrößster  Bedeutung,  dass  bei  der  Wahl 
sich  die  Aufmerksamkeit  auf  einen  Mann  richtete,  dessen  vornehra»te 
Interessen  und  bisherigen  Leistungen  auf  dem  Gebiete  des  Real- 
schulwesens  lagen.  Es  war  Dr.  Carl  Vogel,  der  damalige  Leiter 
des  höheren  Bürgerschulwesens  in  Krefeld 2). 

Vogel,  1795  zu  Stadt  Ilm  in  Thüringen  geboren,  hatte 
in  Jena  Theolo<j:ie  studiert.  Bereits  mit  20  Jahren  trat  er 
nach  absolviertem  thonln<^ischem  Exanion  in  die  im  Jahre  IJSlü  ge- 
gründete Lang'sclip  Kr/icliun^'sansfalt  zu  Tharand  als  Lohrer  r-in. 
welche  bald  «laiaiu  nach  Wackerbarthsnihe  bei  Dresden  verlegt 
wurde.  Unter  den  Schülern  der  Anstalt  befanden  sich  viele  Aus- 
länder vornehmen  Geschlechts-''):  ihr^  Erziehung  liess  sich  ni<)if  in 
den  herkömmlichen  Formen  crymnasialer  nildun^r  vornehmen.  So 
ward  Vogel  schon  frühzeitig  durch  seme  Herutkthätigkeit  auf  eine 
vorui'teilslose  Auffassung'  des  Erziehtmj^swesens  hingewiesen. 

Auf  einer  grossen  Kcise  nacli  Kniiland.  Schottland  und  Frank- 
reich, die  er  als  Begleiter  eines  reichen  Barous  nnternahni.  er- 
weiterte sich  sein  Gesiciitbkteis.  und  erfuhren  insbesondere  seine 
neusprachlichen  Kenntnisse  wort  volle  Bereicherung.  Bald  nach 
seiner  Rückkelir  wurde  er  von  Lang  zum  Mildirektor  der  \Va(  ker- 

»)   Ver^rl.  ÖtiJt  VIII  1)  10.  Vnl.  II  f.  2. 

')  reb<?r  ihn  vorgl.  dri.s  Lcbonsbild  seiner  Tochter  Eüj^e  Polko 
, Notizen  und  Briefe  über  umi  von  Dr.  Carl  Vogel".   Leipzig  l?563. 
Vergl.  Elise  Polko,  L  &  21. 


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25.  Gründung  der  ikit«steii  silchaiachen  Realschule  (Leipzig)  etc.  305 


bartlisiuht-r  Erziehuügsanstalt  erwählt  (1821):  in  dieser  .Stellung 
erregte  er  durch  seine  hervorragenden  pädagogischen  Lt  iätungen 
die  Aufiiif  rksamkeit  weiterer  Kreise.  Alb  im  Jahre  1823  die  An- 
stalt —  nicht  ohne  Schuld  des  Direktors  Lang  —  infolge  von 
finanziellen  Schwierigkeiten  einging,  trat  Vogel  in  preussiache 
Dienste.  Dass  er  seine  Krftfte  künitig  der  Forderung  des  Real- 
scbulwesens  widmen  werde,  stand  sehen  damals  bei  ihm  fest,  und 
nicht  zum  mindesten  venichtete  er  deshalb  auf  eine  Th&tiglceit  in 
Sachsen,  weil  er  hier  bei  dem  Nichtvorhandensein  Ton  Realschulen 
keine  seinen  Wünschen  entsprechende  Stellunii;  finden  zu  können 
glaubte').  Im  Jahre  1824  folgte  er  einem  Rufe  als  Direictor  des 
gesamten  städtischen  Schulwesens  nach  Krefeld^.  Er  entfaltete  in  * 
dem  neuen  Wirkungskreise  eine  seinen  innersten  Wttnscben  und 
eigentOmlichen  Anlagen  entsprechende  Tbatigkeit.  Durch  Ver- 
einigung einer  lateinischen  Stiftungsachiile  und  einer  höheren  Stadt* 
schule  schuf  er  eine  neue,  den  Anforderungen  der  Zeit  genügende 
Anstalt.  Hierbei  tritt  uns  bereits  ein  (Ür  Vogels  spftteree  Wirken 
charakteristischer  Zug  entgegen:  seine  lebhafte  Abneigung  gegen 
lateinische  Halbbildung.  Durch  das  Schulten'sche  Testament 
war  er  gezwungen,  zunächst  die  lateinische  Sprache  als  Hauptlehr- 
gegenständ  beizubehalten.  £r  bedauerte  dies  lebhaft;  denn  nach 
seiner  Meinung  erforderten  .die  nächsten  und  dringendsten  lie- 
dürfhisse  und  Wünsche  hiesigen  Orts,  als  einer  Fabrik-  und 
Handelsstadt,  allermeist  die  Errichtung  einer  solchen  Anstalt,  durch 
welche  diejenigen,  die  sieh  einem  technisch -praktischen  Berufe  zu 
widmen  gedenken,  die  Gelegenheit  zu  der  ihnen  nötigen  wissen- 
schaflliclien  Ausbildung  nach  den  Forderungen  unserer  Zeit  gegeben 
werde"'*).  Wennschon  in  seiner  Handlungsfreiheit  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  beschränkt,  hat  er  es  dennoch  veratjinden.  der 
nt  iieii  Krefehler  Anstalt  in  allen  \vt^^enlli••lM'Il  Zii^^cn  das  (lepnic^e 
einer  Realschule  zu  verleihen  -  l'ifilich  l)tTi"ii»Me  sie  ziii^h'ich  auch 
als -Gelehrten- Vorbildungsschule'  auf  tlieSecundades  Gymnasiums  vor. 

In  Leipzig  war  Vogels  Name  bekannt  geworden  vornehmlich 
infolge  seiner  Waekerbarlhsruher  Thätigkcit^).  Für  seine  Berufung 
scheint  Itesonders  warm  der  Buchhändler  Aml)rosius  Barth,  der  zu- 
gleich StaUtverordoeter  war,  eiogetreteu  zu  sein.   Aus  einem  Briefe 

*)  Naeh  seiner  eigenen  Angabe  Stift  VIII  D  60. 

*)  Nach  Vogels  eigener  Aussage  (Stift  VIII  D  fiO)  1824,  nioht  wie 

Elise  Polko.  1.  c.  p.  .{6  nii;ricbt.  IvJ.x  .  . 

•)  Vogels  Wortfi  bei  VAise  Polko,  Le.  p.  4Ö. 
Vergl.  Stift  VIII  1)  60. 

MitU'iluogüu  U.  Gt'b.  f.  üouUt  lic  Ltxiult.-  u.  Sctiulge«cbic)iU<.  VII  H  lis&i. 

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306    Mitteilung«»!  d.  Ges.  t  deutedbe  Bniehnngs-  u.  Schulgesdi.  VII 


Vogels  an  ihn  vom  30.  April  1831  geht  hervor,  dass  Barth  — 
offenbar  im  EiDverstundDis  mit  dem  Rate  —  bereits  vor  der  Amts- 
uiederleguug  Gedickee  vertraulich  bei  ihm  aogefragt  hatte,  ob  er 
zur  Uebemahme  der  Direktorialstelle  bereit  sei').  Vogel  ant» 
wertete  zunflcbst  ausweichend.  Er  fühlte  nicht  das  Bedürfnis»  die 
Krefelder  Thaiigkeit  mit  einer  neuen  zu  vertauschen  und  lehnte  es 
jedenfalls  ab,  sich  um  die  Stelle  zu  bewerben.  So  sah  sich  der 
Rat  veranlasst,  dieselbe  öffentlich  auszuschreiben').  Trotz  zahl- 
reicher Bewerbungen  kam  man  doch  wieder  auf  Vogels  Berufung 
zurUck.  Am  3.  April  I83'i  schrieb  Stadtrat  Porsche,  der  Vorsteher 
der  Bürgerschule,  an  ihn.  machte  ihn  mit  den  Missstanden  des 
Leipziger  öffentlichen  Schulwesens  bekannt  und  versprach,  der  Rat 
werde  den  Direktor  bei  einer  Reform  desselben  unterstützen, 
, Oberhaupt  aber  den  gerechten  Wünschen  des  hiesigen,  für  alle 
guten  Zwecke  erwftnnten  Publikums  nach  einer  Verbesserung  der 
Bürgerschule  gern  und  aus  eigener  UeberzeUgung  entgegenkommen" 

Nach  einem  harten  Kampfe  entachloss  sich  Vogel  dazu,  von 
dem  ihm  ans  Herz  gewachsenen  Krefelder  Kreis  zu  scheiden:  am 
8.  April  1832  sandte  er  an  Porsche  seine  endgiltige  Zusage.  In 
dem  Schreiben  beisst  es  u.  a.:  «Seit  mehr  als  zehn  Jahren 
beschäftigt  mich  das  höhere  BQi^gerschulwesen  in  seinem  ganzen 

4 

Umfiulge,  und  hat  den  Hauptteil  meines  geistigon  Lobons  fQr  sich 
in  Anspruch  genommen,  da  ich  es  erkannte,  in  ihm  und  seiner 

würdigen.  zeitgomä8sen  Organisation  und  Gestaltung  Ixiiihe  eine 
Hauptbedingung  des  sicheren  Fortschreitens  auf  der  Bahn  ver- 
nünfrij;*  r,  ciiristlich-freier  Volksl)ildung,  dif  «  benso  weit  von  zügel- 
loser Frechheit  und  Uitro-Liberalismus,  als  von  geistiger  Knecht- 
schaft und  Obskurantismus  entfernt  ist.  Der  Keni  des  Volkes,  der 
Bilrgei*stHnd.  entbehrte  nur  zu  lange  der  gewünschten  und  so  nötigen 
Berücksichtigung  in   Befriedigung   seiner  UnterrichtsbedUrfnisse. 

»)  Der  Brief  Vogels  Stift  VIII  D  60.  Deraelbe  B.irtli  »chicktc  später 
vier  Söhne  auf  die  neugegrOndete  Realschule.  Vergt.  Bist,  statistiaehe 
Uitteiluogen  Ober  die  ereten  50  Jahre  der  Stadt.  Reatschule  zu  Leipzig 

vom  Direktor  (Jiesel.    Loipzifr         p.  23. 

^)  In  filier  Reiho  von  Zeitungen,  z  B.  in  dor  „Leipziger  Litteratiir- 
Zeitimg"  2'oü,  Okt.  ibül.  U.a.  heisst  es  in  dem  Ausschreibon:  „Und  da 
icOnftig  eine  den  Zeit*  und  IiokalbedOrfhiBroa  entsprachende  Erweiterung 
und  Vervollkomnmang  des  gedsebtea  Instituta  beabsichtigt;  wird,  wobey 
es  auf  die  einsiclitsvoile  und  werkth&tigc  Mitwirkung  dos  Direktors  vor- 
Süglic'h  ankommt,  so  prpel'en  sich  hionni»  dio  Wahlfriiu (i<  rnissp  von  «611)81." 

^)  Eine  Kupie  dieses  brieies  fand  ich  unter  Akten  aus  dem  Jahre 
lb4ü  eingestreut.    SUft  VIII  D  10,  VoL  IV  f.  216  f. 


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26.  Grttodung  der  alteAten  sächsischen  Realscbulo  (Leipzig)  ete.  S07 


während  für  die  Lundachulen  auf  der  vmm,  für  die  (ielehrten- 
schulen  auf  der  audereu  Seite  fast  alles,  was  nötig  scheinen  konnte, 
geschah'* '). 

Am  7.  Oktober  1832  fand  die  feierliche  Einweisung  X^o^els  in 
seiD  Amt  statt,  und  alsbald  nahm  er  die  Neuorganisation  der  Bür^u  r- 
scfaule  mit  alier  EntBchiedenheit  in  Angriff. 

Ein  glQoklicber  Enthusiasmus,  der  ihn  Uber  kleinliche  Ver- 
stimmungen hinweghob,  ein  Zug  aufs  Qrosse- Ganze,  entsprungen 
einer  elirlichen,  idealen  Begeisterung  fUr  seine  Lebensaufgabe, 
lassen  ihn  zu  seinem  Werke  in  hohem  Maasse  berufen  erscheinen. 
Wenn  etwas  zur  Beruhigung  gewisser  angstlicher  Seelen  beitragen 
konnte,  die  in  den  Realschulen  «Brutstätten  des  Materialismus,  der 
Irreligiosität  und  der  Revolution*  sahen so  war  es  die  PersOn* 
llchkeit  dieses  VorkAmpfers  realistischer  Bildung. 

Ein  fast  ttbergrofiser  Optimismus,  im  Grunde  auf  religiösen 
Ueberzeugungen  fiissend,  führte  ihn  öfters  zu  einer  Unterschatzung 
der  Hemmnisse,  die  der  DurcfafilhruDg  seiner  Reformen  sich  ent- 
gegenstellen sollten.  Stiess  er  dann  wider  Erwarten  doch  auf 
Schwiorii:kt'iten,  so  brauste  er  rasch  unwillig  auf,  und  seine  Er- 
regung hallt  auch  in  offiziellen  Schriftstücken  nach.  Er  offenbart 
auch  hierin  die  Eigenart  enthusiastischer  Naturen.  Die  Kunst, 
durch  diplomatisches  Entgegenkommen  liindemisse  zu  überwinden, 
hat  er  nicht  besessen.  Wir  brauchen  diesen  Mangel  nicht  zu  be- 
klagen: er  hat  ihn  in  schweren  Zeiten  davor  bewahrt,  auf  un* 
genügende  Kompromisse  sich  einzulassen. 

Iininoriiin  war  es  ein  sehr  günstiger  Umstand,  dass  ihm  bei 
der  IN'toiin  doy  Schiihvcsens  ein  Mann  zur  Seite  stand,  der  ihn  in 
wichtigen  Bt'/.i('liiiii'_M'ii  wcrtvtdl  frpjSnzte.  Es  ist  der  Vorsteher 
der  Bürsrorst  iinlc ,  Stadtrat  Po rsc Ii c  •').  Audi  I'ar-Hche  war  erst 
kürzlich,  im  Jalir**  1831.  von  seiner  Vati»rstadt  Zittau  nach  i.t  ipzi^j: 
berufen;  auch  er  von  dorn  Verlangen  l)PSf(»U,  zu  schiilVeii. 
dabei  voll  feinen  Verstiindniöses  für  die  Hedüirui:ise  des  Ltip/ij^^er 
S(.'hnhv('si'ns.  Schon  ><einp  regen  geistigen  Interessen  -  für  Musik 
und  Malerei  war  er  begeistert,  ja  in  seinem  Nactilasbc  fanden  si(  Ii 
eine  Heihe  zart  empfundene!  üedichte  bewalitien  ihn  vor  einer 
rein  l)ureaukratischen  Auffassung  seiner  Stellung,    in  allen  we?«ent- 

')  Stift  VIII  D  60. 

')  Urteil  Bilers  s.  Puiilson  II,  5öO. 

^1  robrr  ihn  vrr^l  dcti  wrirrtioti  Narhruf  Vo^el«  in  ili'ii  „Niich- 
richicu  vuii  dem  iiostcheu  der  Keui-  uud  ers^lea  l3Urgersehulc  £U  Leipzig 
1840/41"  p.  7  -  13. 

30* 

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• 

308    Ifitteilungen  d.  Gea.  t  deutsehe  Biziehiutgs-  tL  Sehulgeech.  VII. 


liehen  sadilicheD  Fragen  mit  Vogel  gleicher  Ansicht  und  ebenso 
uneimlldllch,  wie  er.  in  der  Befürwortung  der  notwendigen 
Reformen^),  besasB  er  doch  ein  ruhigeres  Temperament,  als  jener. 
Die  Beschwerden,  die  Vogel  bei  ihm  in  leidenschaftlichem  Tone 
▼erbrachte,  legte  er  dem  Bäte  mit  ruhiger,  sachlicher  BegrOndong 
vor>  Porsche  hat  das  Verdienst  der  BegrOndung  der  Bealschule 
stets  Vogel  sugeschrleben.  Er  spricht  einmal  gelegentlich  von  der 
Bealschule  als  Ton  emer  Anstalt,  «die  nach  den  Mustern  in 
andern  Staaten,  hier  ihre  Entstehung  den  Vorschlügen  des  aus 
Krefeld  berufenen  Herrn  Direktor  Dr.  Vogel  verdankt*^.  Und 
doch  ist  es  zweifelhaft,  wie  weit  Vogels  Plane  zur  Durchfuhrung 
gelangt  wären,  wenn  sie  nicht  in  Porsche  allezeit  einen  so  warmen 
Vertreter  beim  Stadtrate  gefunden  hätten. 

Das  erste  Vierteljahr  seiner  Amtsführung  benutzte  Vogel 
dazu,  die  Missstände  in  der  äusseren  und  inneren  Organisation  der 
Btlrgerschule  zu  beobachten,  Erfahrungen  zu  sammeln.  Reform- 
projekte reifen  zu  lassen.  Die  Ergebnisse  seiner  Beobachtungen 
und  Erwägungen  legte  er  in  einer  Eingabe  an  den  Rat  vom 
6.  Januar  1833  nieder*'').  Es  ist  das  erst^  Aktenstück,  in  welchem 
der  künftiETon  Leipziger  Realschule  Erwähnung  <?ethaii  wiid  Der 
I'at  der  Stadl,  auf  eine  ernstt^  Kritik  der  Zustände  au  der  Bürger- 
schule gefasHt.  miisste  füglich  doch  eretaunen  ob  der  geradezu  ver- 
nichtenden ])losslei;uiii;  der  vorhandenen  Schäden.  In  dem  ersten 
Teile  der  Denkschrii! .  weicher  eine  Kritik  der  bestehenden  Ver- 
hältnisse enthält,  werden  sehoniingälos  nacli  einander  die  einÄcliien 
Pimkte  autgezählt,  die  Vogels  Entriistunt;  iiervorgerufen  hatten: 
die  unwürdige  Organisation  und  gedrückte  wirtscliaitiiche  Stellung 
des  I^^ehrerkollegiums  (kr  BUrgerechnle:  die  Maugelhaftigkeit  des 
Lehrplans  und  der  Disziplin:  der  dürtti<;e  Zubtand  der  Schul- 
bibliothek: d;is  Ftlilen  eines  Zusaminenhaugcs  der  Bürgerschule 
mit  den  ültrigen  stiidtlscheu  Sihulen:  schliesslich  die  Unzuläng- 
lichkeil der  Lehrziele.  Unser  Interesse  richtet  sich  vornehmlich 
auf  den  letzten  Punkt.  Die  Ausführungen  Vogels  hierüber  lauten 
folgeudermaassen:  ^Es  entbehrt  endlich  die  Bürgerschule  der  ernsten 
und  bestimmten  Beziehung  auf  das  btti'gerliche  Leben  und  seine 
Anforderungen;  denn  ein  8eh0]er  mit  den  Kenntnissen  ausgerOstet, 

M  F.rj<t-:i  Uli  lieh  ist  tler  Pleit*?*  und  die  (5e\viHsoiihi»ftigkeit,  di©  er  auf 
seine  umtangreichen  berichte  im  den  Rat  verwendet  bat. 
•)  Stift  Vm  D  81  t  24. 
.    ^  Stift  Vm  D  10,  VoL  I  f.  2-12. 


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25.  GrQndung  der  ältesten  »ftchsiachcn  Realschule  (Leipzig)  etc.  309 


velehe  er  sich  bei  dem  augeublicklichen  Zustande  der  Schule  er- 
worben kann,  ist  nicht  im  Stande,  in  ein  Verhfiltnis  des  höheren 
bür«jprli<hen  oder  gewerbthfitigen  I^bens  einzutreten,  ohne  der 
Nachhilfe  in  der  allgemeinen  Vorbildim?  noch  zu  bedürfen, 
wi'lcln'  doch  jeder  in  seinem  Berufe  mitbringen  sollte.  Das  aber 
rnuss  einer  liiirgerschule  von  dem  Umfan^'e  wie  die  unsriije, 
Schande  bringen  und  ist  ein  faktischer  Beweiä  ihrer  Mangeiiiuttig- 
keit."  Es  ist  bezeichnend,  dass  —  von  unbekannter  Hand')  - 
bei  den  aüj^elührU'n  Worten  an  den  Kand  zunächst  einige  di«-ke 
Fragezeichen  gesetzt  und  alöUanu  die  Worte  geschrieben  öiud: 
j^quid  hoc  rei  est?  Keulbchule?''  — 

Die  Antwort  auf  die  Fragezeichen  erteilte  Vogel  gründlich  in 
dem  zweiten  Teil  der  Denkschrift,  der  seine  positiven  V^oi-schlage 
für  eine  Heform  der  Bürgerschule  giebt'^).  Darnach  will  er  letztere 
in  drei,  äusserlich  mit  einander  zusammenhängende,  nach  Methode 
desTInterricht^^  und  Lehrzielen  aber  verschiedene  Abteiliin?:en  gliedern: 
in  die  Elementarschule,  die  Btlrfjerschule  uud  die  höhere  Bürger- 
schule. Alle  Schüler  der  Anstalt  müssen  die  beiden  ersten  Stufen 
durchlatilen ;  die  Schüler  aber,  .welche  sich  einem  teclmisch-prak- 
tiächeu  Berufe  bestimmen,  der  mehr  als  Handferti<^keit  uud 
mechanische  Uebung  fordert"',  scheiden  uacli  erlangtem  12.  Jahre 
aus  der  eigentlichen  r.iirf^erschule  aus,  um  bis  zum  .hihre  die 
in  vier  Klassen  zertaiiende  höhere  iiuri^erschule  zu  besucheu- 
Ueber  die  Ziele  dieser  Anstalt  spricht  sich  Vogel  folgendermaassen 
aus:  _Die  Realschule  für  KuabeFi  entlässt  ihre  Zoglini^e  als  völlig 
und  gründlich  vorbereitet  für  jeden  ol*en  nälu'c  liezeichneten-')  Beruf, 
und  erwartet  für  ihre  Schüler  keine  weitere  Fortsetzung  des  Unter- 
richts als  diejenige,  welche  die  Wahl  eines  bestimmten  P.eruf.'? 
liedingt.  Deshalb  muss  sie  in  den  Realien,  namentlich  in  der 
Mathenuitik  und  den  Naturwissenschaften,  sowie  auch  in  den 
neueren  Sprachen  ihr  Ziel  höher  stecken,  als  es  die  Gymnasien 

1)  PorseheB  Handschrift  ist  es  nicht 

IMeser  xwelte  Teil  der  Denkschrift  ist  mit  unwesentlichen  Ver- 
änderungen gedruckt  zuerst  noch  im  Jahre  Ihiiii  (h.  u.)  iu  „Brste  Nach- 
richt Uber  die  beabsichtigte  Organisation  de«  Bürger- Schiilwosens  der 
iStadt  Leipzig  ls;i;5.  Leipzig,  Teubnor".  Wieder  ubgedruckt  ist  der 
Bericht  in  Vogels  Uavh  „Die  liUrgertjchule  zu  Leipzig  im  Jahre  lö42. 
Leipzig,  Ambr.  Bari;h^,  p.  1—8*  Doch  fehlt  bei  beiden  Drucken  das  im 
Ori^^nal  angeftthrte  „prilsamptive  Budget**. 

^  Fabrikanten,  KQnstler,  Kaufleute,  Oekonomen,  Berg^.  Porst-  und 
l'ostbeanite,  8ubalternbeamte,  Rechnangsflkhrer. 

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310    Mittoilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erzichuugs-  u.  Scbulgeach.  VIL 


thiin,  welelie  auf  Forttjetziiii-^  und  Ki;^;inzuDg  durch  die  akademischen 
Studien  rechnen  dürfen  und  inüssrir'). 

Man  sieht,  was  Vogel  ins  Lt  ioMi  rufen  will,  ist  nichts  anderes, 
als  ciiic  licalschnle.  Nur  in  ilircm  Unt('rl>an  reicht  dieselbe  noch 
iu  die  Jliirgertsclmle  hinein.  Vo^'el  veiv.iclitel  darauf,  eine  Heal- 
schule  mit  sechsjährigem  Kursus  einzurichten.  An  Steile  der 
beiden  ei-sten  Jahrgänge  lässt  er  vieirnelu-  den  Besuch  der  füufien 
und  vierten  Klasse  der  liürgerschule  treten.  Eine  faktische 
DitTerenz  iiiii  dtu  Leistungen  der  preussi.schen  Realschulen  trat 
dadurch  ainu-  um  so  weniger  ein,  als  den  Schülern  der  vierten 
Klasse  der  Bürgerschule  Gelegenheit  geboten  wurde,  die  Elemente 
des  Französischen  zu  erlcrneu^j. 

Die  Gründe,  die  Vogel  veranlassten,  die  Realschule  nicht  von 
vornherein  aus  dem  Organismus  der  Bürgerschule  auBzuschcideu, 
sind  UQSchwei*  zu  erketioen.  Er  kam  ebne  Zweifel  bereits  mit  dem 
festen  Vorsatze  nach  Leipzig,  hier  eine  Realschule  zu  begrOoden. 
Aber  sehr  bald  nach  dem  Eintritt  in  seinen  neuen  Wirkungskreis 
gewann  er  —  vielleicht  durch  vertrauliche  Rücksprache  mit  Poi'sche 
—  die  Ueberzeugung,  dass  weder  der  Rat  der  Stadt  noch  die 
Stadtverordneten,  wennschon  zu  einer  Umgestaltung  der  Bürger- 
schule die  Hand  bietend,  so  bedeutende  Mittel,  wie  sie  die  Xeu- 
grfindung  einer  Realschule  erforderten,  bewilligen  würden.  So 
konnte  er  auf  eine  Verwirklichung  seiner  Absichten  nur  rechnen, 
indem  er  die  neue  Anstalt  als  ein  notwendiges  Ei-gebnis  der  Neu- 
oiganisation  der  Bttigerschule  hinstellte.  Aus  diesen  Erwftgungen 
heraus  vermied  er  es  auch,  in  seiner  Eingabe  an  den  Rat  den 
Ausdruck  „Realschule*  zu  gebrauchen:  er  spricht  vielmehr  vou 
einer  «höheren  Bürgerschule*'.  Er  mochte  hoffen,  dass  man  diese 
gleichsam  nur  als  eine  Selekten-Abteiluug  der  allgemeinen  Bürger^ 
schule  ansehen  und  deshalb  anstandslos  in  ihre  Errichtung  wUli^n 
werde'). 

UebrigeiiH  nuhtn  Vogel  hi  seinen  Roorguiiiäuitoiisplun  aucit  den 
Gedanken  der  Begründung  (uner  hUheren  BQigerschule  (iiealecbule)  fttr 
Mädchen  auf.  Doch  kam  derselbe,  weil  sieh  eine  entsprechende  Zuld 
von  SrhfUcrinnon  nicht  meldete,  sanächst  nicht  zur  Ausführung.  Vergl. 
Stift  Vlll  T)  10.  Vol.  II  f.  ü^h. 

^)  Auch  dea  Lateinischen.  Vergl.  Vogel,  Die  iJUrgerschule  zu 
Leipzig,  p.  29. 

*)  Koch  am  18.  September  1888  —  4*it  Jahr  nach  der  wiiklichen  Br- 

öffhung  der  KeulHchuie  —  vortreten  in  der  That  die  Stadtverordneton  die 
Annii-ht.  iias8  die  Kealschulklu»äen  niclitd  als  Solektenklasseu  der  Bürger- 
schule seien.    ^t\(t  VlII  D  lU  Vol.  IV  f.  lai. 


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25.  Oründung^  der  ältesten  s.lchBischen  Rculschule  (Leipzig)  etc.  311 


Die  Vora€bläge  Vogels  machte  Porsche  alsbald  in  ihrem  voUen 
ümfauge  zu  den  seinigen.  Unennüdlich  war  er  in  dem  Bestreben, 
zunächst  die  übrigen  Mitglieder  der  Schulbehörde,  sodann  das  Rats- 
plenum  für  sie  zu  gewinnen.  Er  sprach  den  innigen  Wunsch  aus, 
.<lass!  sich  rt'clif  hnh\  Mittel  und  Wofr^  finden  mögen,  dieses  Projekt 
auf  eine  der  Stadt  Loip7.i<^  wiirdi^'e  Weiso  zur  Ausführung  zu 
bringen'*').  Kr  veisuhfit.  diese  höhere  liürgerschulf'  werde  sich 
als  ein  l)ebüuderer  Zweig  erst  künftig  aus  der  Mittribürgerschule 
bilden  und  mit  selbiger  in  Vereinigung  bringen  lassen'^. 

ludess  das  Ratspleuum  verhielt  sich  dem  Gedanken  der  Be- 
griirulun^  einer  höheren  Bürgerschule  i^ogcnüber  zunächst  ab- 
leliMt'iid.  Vogel  erhielt  zwar  die  Genugthiiiin!,'.  seine  sämtlichen 
Vorschlage,  soweit  Hie  eine  Neuordnung  der  Bürgerechule  selbst 
betrafen,  vom  Raiskol Icj^ium  gebilligt  zu  sehen Aber  elieii  in 
dem  Punkte,  der  ihm  am  meisteu  am  lleraeü  lag,  erreichte  er  vor- 
läulig  nichts. 

In  der  Plenarsitzung  vom  i".  Fetiruar  1803  ward  be.^chlo.ssen, 
Vo;^el  möge  an  die  Ausarbeitung  ririps  Planes  irf'h<Mi.  „drrsiclizii- 
liäclist  nur  auf  die  Vorschläge  lu  ziulit*.  wodurch  der  Bürgerschule 
aufzuhellen  ^ei*)*.  Damit  wai*  vor  der  ilaud  das  Kealschul* 
Projekt  abgethan. 

Ks  entspricht  ganz  der  'glilnliig  vertrauenden  Denkungsart 
Vogels,  dass  er  sich  durch  diesen  Bescheid  uichl  im  miudesteu 
eutmutiiron  Hess. 

Ks  kommt  ihm  der  (^edanke  gar  nicht,  dass  durcl)  den  Rats- 
bcsL-hiuss  die  He<;iiindung  der  Realschule  endgiltig  al)gelehnt  sei.^) 
Er  meint  niii.  der  liai  wolle,  .nnt  dem  Nöti«?sten  beginnend,  zu 
dem  MLudernötigeu  fortschreitend,  zwar  langsamen  iichritteä,  aber 


*)  Eingabe  vom  23.  Januar  1838.    Stift  VIII  D  lu,  Vol.  1  f.  y3b. 

')  Eingabe  vom  10.  Februar  18;{;J.    Ib.  f.  4a. 

Nach  Jahresfrist  Ist  die  lieorganisation  im  wesentlichen  Vogela 
Vorschlagen  entsprechend  volhtogen  worden. 

*)  Btift  VIII  D  10.  Vol.  I  f.  72b.  Der  Oiganisatloosplui  Vogels 
betr.  die  BOrgersehulc  ist  abgedruckt  in  seinem  Buche  «Die  fittrger- 

sclinle  SU  Leipzig  im  Jahre  1842".  p.  9ff. 

*)  Am  19.  Mai  1883  schreibt  er  sogar  voller  Zuv.'r^^icht  an  seinen 
Freund  Eichhorn,  es  sei  „der  Plan  zu  einem  Realgymnasium  oder  Real- 
schule in  allen  seinen  Teilen  entworfen  und  höheren  Orts  bis  auts  Jota, 
geoebmigt*  (B.  Polko,  L  c  p.  91),  wahrend  doch  thatsttehlieh  die  Ver> 
haodlungen  Ober  die  Realschule  erst  wieder  am  24.  Nov.  itt88  aufgenommen 
wurdeu. 


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8t2     Mitteüunj^cn  d.  ües.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgeach.  \TL 


sicher  dem  j^estecktt'U  Ziele  ont^c^fn-^chen"  JeckMifalls  wollte 
Vogel,  wenn  der  Rat  uichti*  ihal.  tüi  seiueu  Teil  weiter  für  die 
Idee  einer  Kealw-hule  Anhänger  gewinnen.  So  entschloss  er  sicii, 
seinen  gesamten  am  Ii  Jan.  I8.'5.i  beim  Rate  eingereichten  Orga- 
niaationsplau  im  Osieiptogramm  dea  Jahres  1838  zu  veröffentlichen. 
Hier  setzte  er  getrost  tiir  .höhere  Bün^'erschiile-  die  liezcichmmg 
^Realschule"  ein.  die  er  im  Original,  wie  wir  nahen,  vermiedea 
hatte. 

War  Vogel  nach  dem  Beschlüsse  des  Ratspleuums  vom 
27.  Februar  1833  rechtlich  dazu  befugt,  von  der  Realschule  in 
einem  Schulprogramjn,  also  einem  quasi  ulfiziellen  Schriftstücke, 
als  von  einer  geplanten  Zweiganstalt  der  Bürgerschule  zu  sprechen? 
Mir  scheint,  er  ist  —  wenudchou  uubewusst  —  damit  über  das 
Maass  seiner  Anilsbefugnisse  hinausgegangen.  Aber  sicherlich  hat 
er  mit  der  Veröffentlichung  des  Orgauisationaentwurfes  erreicht» 
was  er  wollte:  das  PublUuim  erhielt  eine  erste  vorläufige  Nachricht 
von  sein«  Absicht,  ein«  RMdschule  ins  Leben  zu  rufen  und  konnte 
nun  seinerseits  dazu  Stellung  nehmen. 

In  der  Thiit  ward  alsbald  seitens  einer  Reihe  von  Eltern, 
deren  Kinder  die  Bürgerschule  besuchten,  der  Wunsch  ausgespruchen, 
mit  der  bi.-^herii:en  Anstalt  möglichst  bald  eine  Realschule  zu 
verbinden.  Klieii  dies  war  es.  was  Vogel  gewünscht  hatte.  Jetzt 
hatte  er  (lelegeiilieil.  die  Materie,  welche  das  j;aUi>le(niiii  zunächst 
hatte  fallen  ia.ssen,  aufs  neue  zur  Sprache  zu  bringen,  und  der  iltn- 
weis  darauf,  dass  sich  innerhalb  <ler  Bürgerschaft  selbst  das  Ver- 
langen nach  der  Gründung  einer  Realschule  regte,  konnte  unmöglich 
seinen  Eindruck  auf  den  Rat  verfehlen. 

Nach  eingehenden  Be.«prechungen  \  ogels  mit  St  ««itrHt  Porsche 
verfasste  letzterer  eine  Denkschrift,  die  er  am  24.  Kovember  1Ö33 


')  Worte  im  OshTprogruium  der  Bürgersch.  188;i  p.  17.  Sp.»Vter,  im 
J.  1842,  spricht  er  in  Heiner  Schrift  „Die  Bürgerschule  zu  Leipzig-,  p.  9 
Anm.  flogpar  dem  Rute  aeioe  gröBste  Anerkennung  dafür  aas,  dass  er  nicht 
BO^eich  mit  der  tirOndung  «iner  RealschuLo  hegonnen,  dass  er  die  Orga- 
nisation von  unten  und  nicht  von  oben  her  angefangen  hal)e.  Wollte  er 
damit  dem  Stadtrute  nur  eine  Artif^keit  safren'.'  Jodenfallö  heiiiorko  icli, 
dtiaa  Vogel  iiu  J.  IbS'd  doch  einen  andern  Standpunkt  uU  im  J.  Iby2  cin> 
genommen  und  eine  möglichst  baldige  Erfiflhung  der  Realschule  damals 
gewttnsebt  hat  Recht  deutlieh  beweist  dies  das  Jener  1.  Eingabe  vom 
6.  Jan.  1838  angefügte  prUdumptive  Budf^et.  Hier  schätzte  er  die  Zahl  der 
Schüler,  welche  die  tiAhere  Uflr^-erHciiiile  besuchen  würden,  auf  4(X),  hielt 
uido  oüenbar  den  Zeitpunkt  zur  Erütfnun^  deräulbeu  ftU*  gekoiumeu. 


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2ö.  ürUadung  der  altoston  i^ächäischeu  liealschule  ^Leipzig)  etc.  313 


dem  Rate  zu*^eheü  lies8 [n  ihr  steht  der  Hinweis  auf  die  Wünsche 
der  iiurgemliaft  obenan.  Hie  Zwecke  und  Ziele  der  geplanten 
AuHtalt  Sri liUlert  Porsche  in  iihiili' her  Weise,  wie  dies  Vogel  bereits 
in  seiner  Kiugal)e  vom  6.  Januar  1833  irethan  hatte.  Den  Schwer- 
punkt seiner  Auölülinini;en  aber  legt  er  uut  eine  Zusammenstellung 
der  Momente,  welche  die  praktische  Durchführbarkeit  d«'s  Real- 
schulprojekts  ohne  grossen  Kostenaufwand  zu  gewährleisten 
schienen. 

Zun&chst  könnten,  so  fQhtt  er  ans,  BürgerschuUehrer  teüveise 
auch  fQr  die  Realschule  verwendet  werden,  da  die  Lehigegenatlnde 
auf  lyeideo  Anstalten  vielfach  die  gleieben  seien.  Ferner  wfiren  die 
Lokalitäten  der  Bürgerschule  so  reichlich,  dass  die  Realschule  in 
dem  Gebäude  derselben  gut  untergebracht  werden  könnte.  Bezüg- 
lich des  ftoanziellen  Punktes  btttet  sieh  Porsche  vor  weilgeheaden 
Vorschlägen,  auf  deren  Zustimmung  er,  wie  er  wusste,  doch  nicht 
rechnen  konnte.  Er  erkennt  die  Bedeutung  der  finanziellen  Seite 
des  Projektes  an.  Da  man  kein  sicheres  Uiteil  Uber  die  Zahl  der 
Schüler  hätte,  die  sich  für  die  Realschule  anmelden  wUrden,  so 
wäre  es  am  geeignetsten,  die  Eltern  und  Erzieher  von  dem  Plane 
ihrer  Eröflkiung  in  Kenntnis  zu  setzen  und  innerhalb  der  nächsten 
4 — 6  Wochen  die  Anmeldungen  für  Ostern  des  folgenden  Jahres 
entgegenzunehmen. 

Der  Rat  blieb  diesen  Vorschlägen  gegenüber  in  abwartender 
Haltung.  In  der  Sitzung  vom  14.  Dezember  1838  beschloss  er, 
die  Aufforderung  zur  Anmeldung  ergehen  zu  lassen,  „damit  man 
die  Sache  anderweit  in  Erwägung  ziehe.' 

Jetzt  galt  es  zu  werben  unter  der  Leipziger  Bürgerschaft  für 
die  neue  Anstalt  Denn  je  grösser  die  Zahl  der  Anmeldungen 
wurde,  um  so  mehr  war  der  Bestand  der  Realschule  gesichert. 
Vogel  war  unermüdlich.  Damals  schrieb  er  seine  auch  über 
Leip/ij;«  Weichbild  hinaus  bekannt  i^ewordene  Abhandlung:  „Ueber 
die  Idee  und  die  Einrichtung  einer  höheren  Bürger-  oder  Real- 
schule für  Knaben  und  einer  höheren  Mädehenscbule  zunächett  nach 
den  liedürfnissen  der  Stadt  Leipzig'-).  Es  ist  eine  in  ihrer  Be- 
deutung weit  Uber  ihre  spezielle  Veranlassung  hinausgehende 

*}  Ergeboiiäter  Vurtrag,  diu  Errichtung  einer  lioaUchulo  bei  der 
Borgerschule  betr.  Stift  VIII  h  LO,  Vol.  II  f.  1  IT. 

*j  ErBcbienen  lb84  bei  Barth,  in  2.  etwas  veränderter  Auftage  ebenda 
J889.  Wiederabgedruckt  ist  aio  in  Vogol«  Bürgerschule  p.  IG— 5s.  Daas 
ßic  vor  der  «'iitrteh«'idoiulen  Eingabe  i'orrtches  vom  lü.  April  Ib3i4  ver^ 
ött'eutUcüt  ist,  urgitibl  Stiit  VIII  D  lü,  VuL  II  £.  4Ü. 

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B14    Mitteilungen  d.  Gea.  t  deutselie  Bndehunga-  u.  Schulgeeeh.  VIL 


Apologie  der  Kealschule  überhaupt,  ausgezeichnet  durch  Wärme  des 
Tones  nicht  minder  alB  durch  Klarheit  und  logische  Schärfe  der 
Darleguiigeo.  Beredt  weist  er  auf  die  Notwendiglceit  einer  Ver- 
einigung  von  Wissen  mit  dem  Können,  der  Brlcenntnis  mit 
der  Qeschiciclicbiceit  hin. 

Ein  echter  Idealist,  wie  er,  der  Vorlcämpfer  flir  die  Real- 
schule,  allezeit  gewesen  ist.  will  er  jegliche  büigerliche  Thätigiceit 
adeln  zu  einer  » freien  menschlichen  Kunst".  «Die  Zeit  ist 
vorbei,  in  welcher  das  Vorurteil  galt,  und  die  Schulelnrichtungen 
bestimmten:  dass  die  bürgerliche  Thfitigiceit  eine  gemeine  und  un- 
erlle  sei,  die  also  beim  höheren  Unierrichte  keine  besondere  Be- 
rüclcsicbtigung  verdiene.  Laut  fordeii;  die  zu  grosserer  Reife  ge- 
langte Erkenntnis  des  Volkes  eine  grössere  und  sorgsamere  Berttck- 
Hichtigung  des  bürgerlichen  Lebens  in  allen  seinen  Verhältnissen 
von  Seiten  des  öffentlichen  Unterrichts,  weil  nur  dadurch  das  äussere 
Leben  eine  höhere,  veredelte  und  sittliche  Gestalt  gewinnen  kann.* 
Ein  tüchtiger  Bürger  müsse  zugleich  uucli  ein  gebildeter  Mann 
sein.  »Erst  <iaim  koiinon  und  werdfMi  auch  die  fr^'i^ii  Verfassungen 
der  Qemeindni  und  Stnateo,  welche  die  neueste  Zeit  gebracht  hat, 
zur  vollständigen  Wahrheit  werden,  wenn  auch  von  unten  her  die 
nötige  Bildung,  und  der  durch  echte  lJil(hiug  gereinigte  Wille 
hervorgebracht  und  in  mögliclist  weite  Kreise  verbreitet  sein 
werden.- 

Die  praktische  Wirkung  dieser  aus  warmer  Begeisterung 
heraus  geflosseneu  Schrift  war  nicht  eben  durchschlagend.  Solange 
eine  Schulgattung  noch  im  Werden  iiegritl'en  ist,  wird  sie  stets  mit 
dem  Misstraueu  oder  doch  der  Teiloahmlosigkeit  des  Publikums  zu 
kämpfen  hahon.  znni.tl  w»»nn  sie.  wie  dies  hei  der  Realschule  der 
Fall  war,  uirht  .uit  eine  t^rncrfllo  Fordeniiv^  von  seilen  der  Ke- 
girTtini;  zu  rechnen  hat.  Kiu  jeder  lurnlitr  erst  Erfahrungen 
s;iuiuit'ln.  die  Erfolge  abwarten:  so  zaudern  .selbst  die.  welche 
grundsätzlich  dem  ueueu  Bilduu^^sgauge  sympaÜiiäch  gegeuUber- 
atehen. 

Insgcsfinit  ertnli:!»'!!  25  Schiih  raiinicldungen  beim  Direktor 
Vog'  l.  Di'  scr  zwt  it'  lti'  keinen  AuKeiiblick  daran,  mau  müsse  mit 
soIcIh'iu  richülerbesiiuide  /Air  EröHuuug  der  Kealschule  stliiciien. 
Für  Porsche  al)er  war  es  keine  leichte  Aufgabe,  dem  Haie  gegen- 
ülier  noch  au  dciu  alten  Antrage  anl  U«  ;^rüjidung  eiiuT  Kealschule 
festzuhalten."  Dorli  nül  Vogel  gau/.  in  der  Ueberaeugung  eius.  dass 
eine  Stadt  wie  Leipzig  auf  die  Dauer  einer  Realschule  nicht  ent- 
behren könne,  ist  er  willig  und  freudig  für  dieselbe  eingetreten. 


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26.  Gründung  der  ältesten  sttdisischflii  Reftlaehttle  (Leipzig)  ote.  815 


In  fieiner  umftnglicben  Eingab«  rom  10.  April  1834  teilte  er  dem 
Rate  die  AnmeMuiig  der  26  Schüler  mit  und  beantragte,  nun  un- 
verzüglich die  Realscbule  zu  eröffnen,  und  zwar  «inftobst  die  dritte 
und  vierte  Klasse.  Für  beide  Klasaen  würden  zunficbst  zwei 
Zimmer  im  linken  Seitengebäude  der  Bttrgerachule  in  der  ersten 
£tage  genügen,  unmittelbar  neben  dem  Arbeitszimmer  des  Direlitors 
isoliert  gelegen^.  «Diese  Zimmer  sind  zwar  nicht  selir  gross,  aber 
hell  und  freundlich,  auch  sonst  mit  den  notwendigsten  Qerftt- 
scbaften  versehen,  so  dass  für  letzt  damit  auszukonunen  ist* 
Falls  sich,  wie  zu  erwarten,  die  Kealsehule  erweitern  würde, 
werde  man  die  in  der  Bürgerschule  angebrachten  Mietwohnungen, 
zunächst  die  des  Kaufmanns  Heyer  im  rechten  Ei-dgesehoss 
der  Bfii'gerschule ,  lUr  die  Realschule  beanspruchen  müssen. 
Die  Lehrkräfte  werde  man  teilweise  gewinnen  durch  Mitbenutzung 
von  BürgerschuUebreni.  „Ausser  finanziellen  Rücksichten  tritt 
übrigens  noch  die  hinzu,  dass  eine  solche  Stellung  für  pflichtgetreue 
Lehrer  ein  sehr  geeignetes  Mittel  zur  eigeiieu  feruereii  Fortbildung 
darbietet  Aber  alle  Lehrfächer  durch  lliirfj^erscliullehrer  zu 
besetzen,  wäre  unmöglich,  deim  notwendig  sei  .bei  einem  »olehen, 
neu  begründeten  Institute  auch  auf  die  individuellen  Ausichten  und 
Erwartungen  der  Eltfirn  einigermaassen  Kücköiclit  zu  nehmen*. 
Für  die  Fä(-her  Keligion,  Mathematik.  Naturwissenschaften,  Fran- 
Züsisrh  sei  die  Austeilung  hesouderer  Fachlehrer  unerlässlich.  Die 
Gehälter  für  sie  müssten  aus  den  Srhulgelder-Kiunahmen  besfrifteu 
werden,  die  bei  einem  jährlichen  Schulgelde  von  30  Thalern  und 
eiuer  Zahl  vou  *25  Scliüleru  «ich  auf  insgesamt  750  Thaler  beliefen. 
Im  einzelnen  stellt  Torsche  für  die  Fachlehrer  folirende  Sätze  auf: 

der  JJeligionslehrer       erhält  für  10—12  St.  wöchentl.  200  Thir. 

„    Mathematiklehrer        »  12      „        ,  200  , 

„   Naturgeschichtslehrer  ,     ,       8       ,  150  » 

„  französis<;he  Lehrer     „     .     9 — 10  ,        „  150  » 

,  Zeicbenlelirer  «     «       4      «        „  50  . 

Doch  sollen  diese  Gehaltssätze  nur  provisorisch  sein,  und 
Porsche  l>ehSlt  sieh,  bei  ihrer  geringen  Höhe,  neue  VorschlAge  vor. 
Die  Stadt  übernimmt  die  Lokalitaten,  das  Brennholz  und  die  Be- 
leuchtung. 

1)  stii't  vm  D  lU,  VoL  U  f.  4a-0s. 

'\  Ein  rmstand  von  g-ros^rr  II'HU'iitunf;.  Dio  Mitt"!  nir  (Inn  Bau 
piiifs  ht-Hundeiou  Kealbchulgebaudca  wui*de  der  Kut  ifuwisa  nicht  bewilligt 
liaben. 

4H» 


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316  lattdluagen  cLCfe«.  f.  deutoclM  Bni«hiuig»-  il  SehulgodcL  Vit. 


Auf  Vogels  DrAngeu  hin  legte  Porsche  dem  Rate  die  so- 
fortige Eröfl'uuiig  der  Realschule  am  1.  M&i  1834  ans  üerz.  «Es 
wttrde  dies  für  die  Schüler  den  weaentUclieii  Nutzen  haben,  daas 
auf  ihre  Bfldting  sofort  ein  volles  Jahr  bis  Ostern  1836  verwendet 
werden  und  sonach  von  dieser  Zeit  an  alsbald  der  fernere  Lehr- 
kursuB  beginnen  kann.* 

Auf  den  Rat  scheint  die  ISahl  der  für  die  Realschule  an- 
gemeldeten Schfiler  nicht  eben  grossen  Eindruck  gemacht  zu  haben. 
Am  26.  April  1834  besehlods  das  Ratsplenum,  wie  das  Protokoll 
besagt«  «nach  behufiger  Bekanntmachung  zur  Eröfltaung  der  ver- 
suchsweise (!)  eingerichteten  Realschule  zu  veischreiteu*  i). 

Man  sieht,  er  ist  nicht  dazu  entschlossen,  die  Einrichtung 
einer  Realschule  als  eine  definitive  anzusehen.  Wenn  der  Rat 
gleichwohl  in  allen  Punkten  Porsches  VorscbUgen  zustimmte,  so 
geschah  das  ohne  Zweifel  nur  mit  Rücksicht  darauf,  dass  der  Stadt 
durch  die  ErOfftaung  der  Anstalt  irgend  wesentliche  Unkosten  nicht 
erwuchsen.  Grundsätzlich  lehnte  er  es  ab,  das  finanzielle  Risiko 
auf  seine  Schultern  zu  nehmen.  \'ogel  hat  nicht  L'nrecht,  wenn  er 
spfiter  einmal,  im  Jahre  1840,  schreibt,  da«s  die  Kealschule  bei  der 
Teilnahmlosigkeit  der  städtisclien  liehörde  ilirer  Organisation  nach 
mit  den  Prlvatschuieu  auf  eine  Linie  zu  stellen  sei^). 

Immerhin  war  nach  so  manchen  Hemmnissen  das  vorlEufige 
Ergebnis  wertvoll.  Die  ErOfltaung  der  Realschule  für  den  5.  Mai 

war  beschlossen,  der  neuen  Anstalt  Gelegenheit  geboten,  ihre 
Leistungsfähigkeit  zu  erproben.  Das  Pul)liKiiTn  wurde  durch  eine 
oflizieile  Bekanntmachung  im  .Leipziger  Tageblatt"*'')  über  die 
Zwecke  der  Schule  aufgeklärt   Dieselbe  hat  folgenden  Wortlaut: 

«In  hiesiger  BOrgerschule  soll  nunmehr,  ausser  dem  auch 
ferner  ganz  ungestört,  wie  zeither,  fortgehenden  Unterrichte  in  den 
( iegenstftnden  allgemeiner,  jedem  BUrgerschQler  gebührenden 
liildung.  auch  zu  einer  Ubor  die  Letztere  hinaus  und  noch  nach  dem 
Zeitpunkte  der  Oonlirmatlon  zu  erlangenden  höheren,  mehr 
wissenschaftlichen  Bildung  in  Religion,  Mathematik,  Natur- 
kunde, Geographie,  Geschiclil»'.  deutsclier.  ftanzösisclier  und  eng- 
lischer Sprache,  Schönscineiben  uu<l  Zeiclinen,  nach  vielseitig  aus- 
genprocheneo  und  sehr  beachtenswertheu  Wünschen,  Gelegenheit 
gegeben  werden. 

ötitt  viif  I)  10.  Vol.  n  r  97. 

»)  ötitt  Vlil  l.>  io,  Vol.  iV  1.  im. 

')  1S84  Nr.  128.  Soonabend,  den  8.  Mai. 


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25.  Gründung  der  ältesten  sächsischen  ßeulscimle  (Leipzig)  etc.  3 1 7 


Zu  «lioseiii  Zwei  wird,  ohno  iu  das  Unterricbtsjrpbiot  dor 
li<>i(|('ii  ( J  viniiasieii  iiiui  der  Il;iii(lhin^ssrhiilp  ein/iitriTitVii .  die  Er- 
olTmin,^'  eiuer  dritten  A  Itt  lieilurig  der  l'in'^erschuio,  und  zwar 
zur  Zeit  für  'Äi^i^Ww^v  niäimlichen  Geschlecht^}  als  eine  sogen.'uuite, 
auf  vier  Cla^öen  1)»  rtM-luiefe  KV  al^^t  liule  in  (»hjtrom  Sinoe  vom 
5.  Mai  d.  J.  an  |>r()\ is(>ris<  ti  üegiiuieii.  jedoch  vor  jetzt  nur  die 
vierte  und  dritte  (  la^.-^e .  indem  dazu  geeignete  Schüler  bereits  au- 
gemeldet worden  öiud.  enichtet  werden. 

Indem  dies  zur  ött'entlichen  Kenntnis  gebracht  wird,  werden 
alle  diejenigen,  welche  von  nun  an  noch  ihre  Kiiider  und  Pfleg- 
linge, sie  mögen  zeither  in  der  Bürgerschule,  oder  anderswo,  öffent- 
lichen oder  l'rivat- Unterricht  genttssen  haben,  in  jene  dritte  Ab- 
theilung oder  Realschule  aufgenommen  zu  sehen  wünschen,  ihre  dies- 
fallsigen  Anmeldungen  dem  Herrn  BUrgerschul-Dlrector  Vogel  zur 
PrOfling  der  Qualification  der  Aufzunehmenden  zu  machen  hierdurch 
aufgefordert. 

Leipzig,  de»i  1.  Mai  1834. 

iJei-  Rat  Ii  der  Stadt  Leipzig. 
Friedricli   .Müller,  8tadtrath.- 

In  der  festgesetzten  Weise  ward  durdi  eine  einfache  Feier 
am  Montag,  den  5.  Mai  1834,  die  Leipi^iger  iiealscliule  erört'net. 
Die  Jb  Schüler,  welche  in  sie  eintraten,  wurden  auf  die  beiden 
Klas.sen  III  und  IV  verteilt  und  zumlchst  in  den  zwei  von  Porsche 
vorgeschlagenen  Lokalitäten  der  l^ürgerschule')  untergebracht. 

In  wie  ausserordentlich  bescheidenen  Anfängen  die  Leipziger 
Ffenlschule  auch  ins  Leben  trat,  ihre  innere  Orpmisation  hatte  do(;h 
manche  V'orzüge  vor  andern,  nnnuntlicli  preussischeu  Schulen 
gleicher  Gatturii;  vornus.  Wir  aalien.  dnss  in  Preussen  die  nn  i.'^ton 
liealschuleu  entstanden  waren  in  Anlehnung  an  alte  Laleinst  Inilen. 
(>iese?n  Umstände  w;»r  ihre  günstige  linanzielle  Ha.sierun^'  zu 
danken;  aiier  aus  eljcn  dem  Grunde  war  die  Freiheit  in  der  Ge- 
staltung ihrer  Lehipläne  hesclirankt  Das  Latein.  weNlies  in  der 
alten  Anstalt  das  beherrschende  lljinjjirach  gewesen  war.  li(\ss  sich 
füglich  nicht  mit  einem  Male  aus  dem  Lehridun  der  neuen, 
lelormierten  Anstalt  strej(  hm,  Da/Ji  kam.  dass  die  preussische 
llegierung  iu  der  i-n-tea  lliiUte  unseres  Jalirhnndert.s  für  die  Bei- 
behaltung des  Lateins  auf  den  liealschulen  eintrtit  Die  Fol;4en 
hiervon  konnten  nur  unerquickliche  sein.    Die  für  das  Latein  an- 

')  Dieselbe  ist  gegenüber  der  LeipBig<»r  Universität  am  Augustus- 
platze  gelegen. 


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318     Mitteilimgeu  d.  Gea.  t  deutsche  ErzLchuugs-  u.  Schulgcach.  YU. 


gnsotzto  StiiiKlciizalil  'j:('iiü^;te  V>ei  (h-\\\  iiu'ist  spcli^Jiihi-i'j'i'n  Kursus 
«'iitfenit  nicht,  eine  <Miii;:rnii;inss<>n  griiiidliche  Eiloniung  der  Sprache 
zu  <j;<'\v;ilii  lt'i?«teTi.  •  iilzog  al>ei-  andern  Fächern  w  i<  Ii ri«;e  Lehrstunden 
und  drückte  somif  dii^  Niveau  der  Oliri.^t'n  ]-''hiv,iele  heral».  Vogel 
selbst  hfitt*'  ähiilirht'  Krtaliruiigea  iii  Kreft-M  Ihm  der  UniwandluDg 
eiuer  lateinischen  Siiftschule  in  eine  I.'ralschule  niaciien  müssen. 

Ihnen  mochte  zum  guten  Tt  il  sein  leithafter  Wid«'rwin('  j^egen 
jenen  Mi?chty|>iis  vieler  Realschulen  entspriiiiLriTi  sein,  die  zu^^leich 
VorbereitungsaustMltfii  für  OyniTiasien  und  fiii-  h^hi  ic  liüru"''ili«lie 
Thäti*rkeit  sein  \vollti*ii.  ranhritlichkeit  drr  Lihr/.i.  lc  srhitMi  ihm 
für  seine  Leipzig'"!-  Jicalschuie  \viehtigstes  Erfonleniis  /ii  sein. 
Darum  aber  war  ein  Ausscheiden  des  lateinisclien  Unterrichts  aus 
ihrem  Lehrplane  unerlilsslich  Vogel  hat  kräftig  gegen  die 
M<'inuiiu'  aii;j:ekämpft,  als  ol»  lateinisrher  Unterricht  ein  notwendiges 
Merkmal  jeglicher  IkiIh-jou  liildujig  sei.  «Es  gielii  liihlnng  ohne 
Latein!  —  wer  will  das  leugnen!"  so  ruft  er  spätei-  eiiimul  aus^). 
„Denn  die  liöheren  Sprach-  und  Dciikgcäetze,  derou  Keimluis  aller- 
dings von  uiueni  walnhaft  Gebildeten  verlangt  werden  daif  und 
mubs,  lassen  sich  von  jeder  Sprache  absüuhierea. "  Mit  Stolz,  im 
Vollgefühl,  der  Vorkämpfer  eiuer  neuen.  sell»stsirheren  Bildtmg  zu 
aeiii,  wirft  er  die  Errungenschaften  der  modernen  Wis.sensehafteii 
in  die  Wagschale  gegenüber  dem  konstauteü  Bildungsschatze  der 
Antike.  „Die  Kunde  des  klassisclien  Altertums,  8o  viel  Auch  des 
Ecbtmenschlichen  in  voller  Herrlichkeit  und  Wahrheit  sich  in  ihr 
abäpiegelt,  —  sie  reicht  nicht  mehr  hin;  eine  neue  Zeit  ist  aus  der 
alten  erwachsen  und  mttndig  geworden;  wohl  ehrt  und  achtet  sie 
die  Mutter  und  wird  sie  ewig  ehren  und  achten;  allein  im  Geftthle 
ihrer  eigenen  Kraft  steht  sie  nun  selbständig  neben  ihr  und  bedarf 
nicht  mehr  des  Gängelbandes;  sie  will  ihre  eigene  Sprache  reden 

')  In  8'MniMi  Id(^en  und  Einrichtungen  euier  höheren  BOrgerschule 
p.  13  Anm.  i^ngt  er:  „L'ebrip'f n«<  ntoht  \vnh\  prwnrtPM.  (ia.s.s  mit  d(m  Kart- 
schritten wahrer  Bürgerbilduug  das  Vorurteil,  als  liillfe  ,.ein  wenig 
Latein*'  etwas  su  allgemeiner  Bildung  und  zu  Erlernung  anderer  (ueucror) 
Sprachen,  immer  mehr  verschwinden  werde.  Ein  wenig  Latein  hilft  su 
gar  nichtH,  oder  ea  ateht  doch  wcnigstons  der  dadurch  erzieh o  Nutzen 
in  keinen»  Vorhilltni.-^se  zu  dorn  dazu  erfonlerlichen  yioitaufwando.  Das 
Studium  der  aUon  Spruchou  fordert  Emst  und  Grttndlichiceit,  weuu  oa 
etwas  nützen  soll." 

>)  In  der  vortrefflichen  Rede  zur  Erinuerujig  an  das  zehnjährige 
Beetehen  der  Realschule.  Leipzig,  Fr.  Nies,  1844,  p.  7.  Dieae  Rede  hat 

Vogel  im  wesentlichen  wiederholt  in  der  Im  Osterprogramm  1860  ge- 
druckten „Kurzen  Geschichte  der  städt.  Roatechule  zu  Leipzig^'. 


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25.  Gründung  der  ältesten  säcbsiechen  Realschule  (Leipzig)  etc.  319 


und  aus  ihrer  ei<,'en»  n  Ooschichte  leriieti:  sie  hat  Steine  und 
Pflanzen  und  Tiere  iresamnielt  in  der  alten  !ind  neu<»!i  Welt.  Er- 
öcheiniingeii  und  Kiätte  l)*H>bachtet,  nach  deueu  sie  die  Alteu  ver- 
gebena  um  Autöthiuss  fragt, *■ 

Aus  der  Entstehnugsgescliichte  der  Leipziger  Realschule  or- 
giebt  sich  ohne  weiteres,  dass  sich  hier  ohne  Mühe  ein  Wegfall 
des  Lateins  erreichen  liess.  Die  lateinlose  Realschule  war  die 
natiiri^rniässe  Fortsetzung  <lrr  l?nri!:crsrhn1r'.  So  hat  —  trotz  der 
bt  drutt  uden  äusseren  Schwierigkeiten,  mit  denen  die  junge  Anstalt 
in  den  ei^sten  Zeiten  üires  lksteheus  zu  krun|d"en  hatte  —  Vogel 
eine  grosse  Freiheit  in  der  Ausarbeitung  des  Lehrplans  gehallt. 
Die  Leipziger  Poalseliule  ist  eine  iresunde  Neuschöpfung,  nicht  das 
Produkt  eines  künstiicheu  Kompromisses  zwischen  alt«u  uud  neuen 
Büdungselementen. 

In  der  näheren  Abgrenzung  ihrer  I^ehrziele  nun  ott'enbart 
Vogel  eine  weise  Mässigun;;.  Wie  vr  sicii  diigegen  verwahrt  hat, 
der  Realschule  den  Charakter  einer  Pseudo-Gelehrt(^nanstalt  zu 
geben,  so  scheidet  er  ihr  (Jebiit  nicht  minder  scharf  ab  gegen  die 
höheren  Fachschuleu.  Die  tierulsbilduag  kann  uuniöglich  in  der 
Schule  geboten  werden:  _wer  hier  vorgreift,  versündit^t  sirh  an  der 
Mens(  hlieil,  indem  er  ilire  Entwicklungsfrcibeit  bescliräukt  und  den 
Unmündigen  schon  in  eine  bestimmte  liichtuiig  zwätigt,  elie  der 
Grad  von  selhstiuidigem  Urteil  ei  reii  ht  ist.  welchen  die  Wahl  eines 
hölieVeu  ßeruls  uutwendig  vuiausserzt" Drastisch  schildert  Vogel 
einmal  die  Folgen,  die  eine  Aulnuhme  technischer  Studien  in  die 
Leiirpläne  der  Realschulen  halten  würde.  In  jeder  Stadt  würde 
sich  eine  solche  Anstalt  ander>  ge.stalteu:  wo  di<'  Tuchma(;herzunft 
überwiegend  wäre,  würde  man  sie  nach  deren  Jiedürfnissen 
organisieren;  iu  einer  Stadt  mit  Färbereien  würde  die  Chemie,  in 
einer  Handelsstadt  merkantilistlsche  Korrespondenz  und  doppelte 
Buchführung  für  den  Kern  des  Unterrichts  angesehen  werden*). 

Ich  meine,  das.s  eius  der  grössten  Verdienste  Vogels  um  die 
Realscliule  eben  in  der  klaren  Erkenntnis  ihres  eigensten  Wirkungs- 
gebietes besteht 3).    Was  Vogel  den  Schülern  seiner  Kealanstult 

M  Vergl.  die  oben  citierte  Rede  p.  4. 

')  Da.s.-i  er  .seine  reherzeugunj;en  teilweise  itiis  eiiiciu  sorgföltijjen 
b^tuüium  der  duumligcii  piUlugogiächcii  Litteratur  gewann,  versteht  aich 
von  selbst  Als  seine  hauptsächlichen  GewAhrsmanner  nennt  er  in  der 
Einleitung  seiner  Schrift  ,Jdec  mul  Einrichtung"  etc.  Niemever.  Z-  rronner» 
Schwarz,  DinkmaDn,  Spiiielce,  UarniAch,  Oblert,  Mönnich,  Schubart, 


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320    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung»-  u.  Schulgesch.  VII. 


mit  auf  den  Lpbfnswpj:^  i^fhcii  will,  ist  eine  allgemeine  höhere, 
aber  in  sich  (liirchaiis  alt^'t'schldssoic  HildunE^,  die  sie  in  den  Stand 
setzt,  sich  jeglichem  praktischen  Bernfe  n  »'li  erlanj?toni  Abgangs- 
zeugnisse zuzuwenden  odei-  alshnld  in  t  iiie  liöhere  Fachlehranstalt 
—  wie  Handels-,  Forst-,  Berg-,  (jewerbe-  und  landwirtschaftliche 
Schule  —  überzugehen.  Er  will  die  Schüler  dazu  rüsten,  im  Ge- 
triebe der  Welt  einen  festen  Stand  zu  gewiimen,  und  insbesondere 
der  Industrie  soliea  durch  die  Uealscimle  neue  geistige  Kräfte  zu- 
geführt werden.  Wie  empört  ihn  der  Vorwurf,  duas  die  Lehrer 
und  Freunde  der  Realschule  sich  zu  Dienern  des  groben  Materia- 
lismus herabwürdigten!  Stolz  weist  er  darauf  hin.  dass  gerade 
durch  die  realen  Anstalten  eine  immer  vollkommeneie  .Emanzipation 
der  Menschheit  vom  Dieuste  der  niederen  ^'aturkrüftc  und  des 
fohen  Stoffes"  emelt  werde. 

Bereits  in  seiner  Schrift  „Idee  und  Kiiiiiclitung"  etc.  (p.  11) 
liatte  er  den  für  die  neue  Anstalt  berechneieu  Stundenplan  ver- 

Onentüclit.  welchen  ich  hier  folgen  lasse: 


Lehrgegenstaode 

Klasse  I 

Klasse     Klasse  III 

Klasse  IV 

Summa 

2 

2 

4 

4 

12 

Mathematik  .... 

6 

6 

6 

6 

24 

Naturkunde  .... 

6 

6 

4 

4 

19 

Oeograpliie  .... 

2 

2 

2 

2 

8 

Geachichto  .... 

8 

3 

2 

2 

10 

Deutsch  

4 

6 

5 

6 

20 

Französisch  .... 

6 

6 

4 

i 

19 

Englisch  

4 

4 

2 

10 

Sc-hönschroiben    .  . 

2 

8 

6 

Zeichneu  

4 

4 

3 

8 

14 

1 

2 

8 

1  dti 

1  86 

1  »e 

1  - 

Von  einzi'liieu  Dilferenzen  al>gesehen,  ist  die  SLundi  uverteilung 
ganz  ähnlich  derjenigen  der  heutigen  sächsischen  Realschulen;  in 


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• 

25.  Gründuug  der  iUtesten  sächsischen  liealschule  (Leipzig)  etc.  o2i 


der  Znh]  und  Art  der  behandelten  LehrgegenstÄude  herrscht  sogar 
vollßtäudige  Uebereinslimmimg  mit  diesen. 

Freilich  besteht  zwifsclHjn  dm  iHMitit^en  Realschulen  Sachsens 
und  der  von  Vogel  begründeten  keineswegs  das  Verhriltnis  der 
Kontinuität.  Es  ist  bekannt,  dass  gerade  die  Lelaphine  der  s^eh- 
sischen  Realschulen  die  mauniglachsten  Wandlungen  in»  Laute  der 
Zeit  durchgemacht  liaben').  Die  ältesten  unter  diesen  Anstalten, 
dtinmier  ;uich  unsere  Leipziger  Realschule,  haben  sich  unter  der 
Einwirkung  der  politischen  Ereignisse  seit  dem  Jahre  1866  in 
ni«chem  Aufschwünge  zu  Realgymnasien  mit  neunjährigem 
Kursus  herausgebildet  und  gehören  somit  zeitweilig  einer  ganz  neuen 
Schulgattung  an.  Haben  doch  die  Realgymnasien  nicht  nur  einer 
sehr  bedeutenden  Zahl  von  Besuchern  der  Hochschulen,  sondern, 
wie  insbesondere  das  Leipziger  Realgymnasium,  auch  einer  Reihe 
von  angesehenen  Hochschullehrern  an  Universitäten  und  tech- 
nischen Akademieen  ihre  wissenschaftliche  Vorbildung  verlieben! 

Aber  so  ursprangUch,  unaufhaltsam  und  innerlich  notwendig 
auch  diese  Entwicklung  von  der  Realschule  zum  Realgymnasium 
vor  sich  ging,  so  machte  sich  doch  bereits  in  der  Zeit,  da  sie  be- 
gann, der  alte  Gedanke  einer  höheren  bürgerlichen  Bildung 
aufä  neue  mit  Entschiedenheit  geltend,  und  das  neue  Bedfirfhis 
fand  seine  Befiiedigung  in  der  Begründung  neuer  eigentlicher 
Realschulen  mit  sechsjährigem  Kursus.  In  Leipag  rief  im  Jahre 
1871  Konrad  FriedlBnder  eine  solche  Realschule  (die  heutige  erste 
stadtische)  ganz  im  Sinne  und  Geiste  Vogels  ins  Leben.  Dass  man 
überhaupt  in  der  Organisation  der  heutigen  Realschulen  ganz  auf 
die  Grundsätze  zurückgekommen  ist,  die  Vogel  l)ei  dei-  Einrichtung 
der  Leipziger  Realschule  leiteten,  ist  ein  Beweis  für  den  sicheren, 
praktischen  Blick,  den  er  bese^iseu  hat. 

Gegenüber  den  bedeutenden  Vorzügen  in  der  Einrichtung  der 
Leipziger  Realscliule  treten  die  Mängel,  die  ihr  bei  der  Neuheit 
der  Schulgattung  und  der  Unmöglichkeit,  auf  genauen  Be- 
obachtungen zu  fussen.  anhaften  mussteu.  in  den  Hintergrund. 
Nur  zwei  scheinen  benu-rkensweit.  Einmal  hat  Vogel,  so  weise 
er  auch  in  der  Auswahl  der  für  die  Re;ilschiile  in  l'.etraeht 
kommenden  Fäelier  verfahren  ist.  doch  innerliall»  tlei-  tin/.elnen 
Untorrichtämuterieu  liiu  und  wieder  das  Maass  der  ^Vnforderungen 

Einen  guten  Ueberblick  Uber  die  Geacbichte  der  sachsischeii 

Ut^alat  hulen  gewahrt  die  rrogramniiibhundhmg  der  Leipzi/jror  Rcalachule 
I.  Oiiiining  von  1872/73:  ..Hin  Wort  zur  Entwicklung  des  KeaischulwQBenB 

in  fc^aehsou"  von  Dr.  E.  Frledr.  Alfr.  Oertol. 

MiMeUui>g«Q  d.  G«b.  f.  deutsche  Elnieb.-  u.  ScbiügaMbiobt«.  VU  8  18»7.  21 

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322    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehuags-  u.  Scbulgeach.  VIL 


ül»ers'fhrittcn ,  die  man  billigerweise  an  16jährige  jungo  Menschen 
stellen  kann.  Von  den  Schülern  der  ersten  Klasse  ^e^lan,L;te  er  im 
Deutsrhen  Fertigkeit  im  .freien  mündlichen  Vdrtrau'.  wie  ihn  das 
stcialisbüj-gerliche  Leben  tä^^licii  mein-  zum  Bedürfnisse  macht",  im 
Französischen  neben  ^'ramiuatischer  Reinheit  im  Ausdruck 
auch  Fertigkeit  im  Sprechen ').  Auffälliger  noch  sind  die  An- 
forderungen in  der  Mathematik,  \seil  sie  hier  nicht  nur  in  einem 
all'^emeincn  Postulat*,  sondern  in  einer  genauen  Fixierung  des 
Lehri)lans  ihren  AusdnK  k  fanden.  In  der  Arithmetik  will  Vogel 
die  Schüler  luhren  ^bis  zur  Dillerentialrechnung,  weil  es  nöthig  er- 
scheint, die  nach  Beendigung  eines  vollständigen  Kursus  in  der 
Realschule  abgehenden  Schfller  in  den  Stand  zu  setzen,  auch  ohne 
Hilfe  des  Lehrers  sich  durch  Lesung  reia-wisseDSchaftlicher  Werke 
Uber  mecbaniacbe  Naturlehre  und  rechnende  Qeomelrie  zu  unter- 
riehten*.  Die  Geometrie  schliesst  «nach  grOndlicher  Behandlung 
der  Stereometrie  und  Trigonometrie^  in  Kkase  I  mit  den  Haupt- 
sfttsen  aus  der  Lehre  Yon  den  Kegelschnitten,  der  mathematischen 
Geographie  und  der  Astronomie"*). 

Dabei  leitete  Vogel  vohl  yomehmlich  der  Wunsch,  seine 
Schüler  so  Torbereitet  zu  entlassen,  dass  sie  ohne  weiteres  in  die 
höheren  technischen  Lehranstalten,  unter  denen  besonders  die  poly* 
technische  Schule*)  in  Dresden,  die  Bergakademie  in  Freiherg  lud 
die  Forstakademie  in  Tharand  in  Betracht  kamen,  Ubergehen 
konnten.  .  Er  hat  seiner  Realschule  damit  ein  2<iel  gesetzt,  das  die 
Realanstalten  mit  sechsjährigem  Kursus  auf  die  Dauer  nicht  fest- 
zuhalten yermochten:  die  Aufgabe  einer  genttgenden  Vorbereitung 
für  die  technischen  Akademieen  haben  erst  die  Realgymnasien  gelöst. 

Ein  zweiter  Mangel  hängt  mit  der  Verteilung  des  Unterrichts 
auf  die  Lehrer  zusammen.  Um  in  allen  F&chem  möglichst  gOnstige 
Resultate  zu  erzielen,  vormied  es  Vogel,  soweit  es  anging,  Bürger- 
schullehrer für  die  Realschule  zu  verwenden.  Es  gelang  ihm,  fast 
für  jegliches  Spezialfach  einen  besonderen,  akademisch  gebildeten 
Lehrer  zu  gewinnen^).   Dadurch  war  ja  die  Gewähr  für  eine 

*)  Vogel,  Die  Bürgerschule  p.  SJ  ^.i 

*)  Die  Trigonumetrie  ist  aua  dem  Lehrplun  der  heutigen  iie^d- 
schulen  volligr  aasgeschiedeD. 

•)  Vogel,  Die  BOrgerochule  p.  H4/G5. 

*)  Das  Bpatere  PolytechDiknm  und  die  heutige  technische  Hoch- 
schule. 

^)  Bo  gab  08  besondere  Lehrer  Ittr  PraosOsiach  und  Englisch,  ebenso 
fur  Physik_uiid  Chemie. 


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25.  Gründung  der  ältesten  sachsischen  Realschule  (Leipzig)  etc.  323 


gründliche  wissenschaftliehe  Unterweisung  der  Schiller  gegeben; 
aber  auf  der  andern  Seite  bestand  die  Gefahr  einer  übermässigen 
Zersplitterung  in  der  ünterrichfsverteilutig,  die  aus  erziehlichen 
Gründen  bedenklich  war.  Indem  thatsächlich  die  Schüler  in  jeder 
Klasse  von  allen  Lehrern  der  Anstalt  unterrichtet  wurden.  tVhlte 
ihnen  —  besonders  denen  in  jüngerem  Alter  —  der  so  notwendige 
erzieherische  Einfluss  eines  Lehrers,  welcher  eine  f^ntsscre  Anzahl 
von  Unterrichtsstunden  auf  sich  vereiuiL,'t  hätte  iiml  zu  den  Scliülen) 
seiner  Klasse  in  liäuli;;«  pei-sfinliehe  lierühnmg  getreten  wäre. 
Erst  allmählich  erfolLite  eine  Aenderuni:  in  diesem  Zunfainle.  indem 
mehrere  verwandte  Difizipiiueu  iu  einer  iQasse  auf  eineu  Lehrer 
übertragen  wurden. 

Das  waren  Mängel,  die  in  der  Praxis,  «<>  wie  sie  lühlbar 
wurden,  bith  abstellen  Hessen,  die  innere  Lebensfähigkeit  der 
Anstalt  al)er  mit  nichten  gefährdeten. 

Wohl  aber  ergaben  sich  ans  äusseren  VerauUussungen 
Schwierigkeiten,  die  das  Wa<  hstum  der  jungen  Anstalt  zu  ver- 
künuuern  drohten,  ja  ihren  Bestand  in  Frage  .stellten.  Paulsen 
hat  einmal  gesagt'),  die  (iesrhiihte  der  einzelnen  Realschulen  ent- 
halte meist  ein  gut  Stiu  k  i.eidensgeschichte:  für  die  Leipziger 
Realschule  triftt  dies  in  vollem  Maasse  zu. 

Voi-  allem  waren  die  finanziellen  Grundlagen  der  AnsUilt 
liorli^i  mungelliuft.  Da  diesi«ll»e  —  abgesehen  von  der  Beschaffung 
der  Lokalitäten  —  ausschlies>li('h  auf  ihr  eigenes  Einnahmenbudgot 
angewiesen  war,  .so  ergaben  sich  für  die  Lehrer  Gehalte  von  einer 
ausscrordentliclien  Geringfügigkeit. 

Wie  stolze  Hoffnungen  hatte  Vogel  auch  auf  das  äussere  Gedeihen 
der  Anstalt  geselzil  In  seiner  ersten  Eingabe  au  den  Rat  vom 
6.  Januar  1853  hatte  er  ein  .,präsumptivcs  P)ii(iget"  der  Realschule 
aufgestellt  und  bei  einer  voraussichtlichen  Zahl  von  400  Schülern 
10000  Tiiuler  jalirliehe  Eiiiiialunen  herausgerechnet.  Die  Hegrujidung 
von  sieben  ordentlichen  LehrersteJleü,  davon  vier  mit  800,  drei  mit 
600  Thaleru.  hatte  er  ijii  Voraus  bemrwürt<3t.  Jetzt  betrug  im 
ersten  Jahre  die  Gc^sanit-Einnahme  bare  750  Thaler.  Diese  Summe 
kommt  ungefähr  dem  Gehalte  des  letzten  ständigen  Lehrers  an 
einer  heutigen  Koalschule  gleich  —  eine  Thatsache,  welche  l)e- 
merkenswert  genug  bleibt,  auch  wenn  man  das  Sinken  des  Geld- 
wertes seit  jener  Zeit  berücksichtigt.  Und  von  den  750  Thalem 
sollte  die  Besoldung  eines  ganzen  Lehrerkollegiums  bestritten  werden! 

*)  Oeachtebte  dea  gelehrten  Untenicht«  II,  548  Amn. 

21* 

Üigi 


324     MilteiluiigcQ  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung«*  u.  Schulgesch,  VIL 


Auch  in  den  folj^enden  Jahren  ändorte  sich  an  diesem  un- 
wiirdiiren  Zust^mde  weni«;.  Die  Zahl  iWv  Sdnilcr  nahm  allerdings 
stetig  zu.  fJätcrn  18 konnle  man  zur  Erolluung  der  /.writcn 
Klasse  selneiten '):  Ostern  183G  ward  auch  die  ei-sto  KUisse 
hiDzugefüj^t^).  AlitM  die  Orüsse  der  Zunahme  entspra<!h  doch  nicht 
den  gehegten  Krwii innren.    Die  Frequenz  der  Schule  stellt  sich 


für  die  ersten  zelui  .lalue 

1  olgendermajissen  ^) : 

1834/35 

33 

1839/40 

90 

1830/36 

61 

1840/41 

100 

1836/37 

86 

1841/42 

103 

1837/38 

99 

1842/43 

104 

1838,39 

94 

1843/44 

III 

Ein  Hani)t;j:riind  für  die  verhältnismässig  g«'ringe  Zahl  der 
KeaUthUler  überhaupt,  wie  besniidei-s  den  schwaclien  Besuch  der 
eräten  Klasse^),  ist  ia  dem  Umstände  zu  suchen.  da.ss  die  mit  dem 
Abgangszeugnisse  \on  der  Realschule  abgehenden  Schüler  auf 
keinerlei  besondere  Iterechtigungen  Anspruch  hattea.  Hierin  waren 
die  preussischen  Schulen  der  Leipziger  weit  voraus:  schon  die  In- 
struktion vom  8.  März  183'i  hatte  dpii  meisten  preussischen  Real- 
anstalten  weitgehende  Jle<  hit'  ein«j:eräumt*).  Vo^cl  spricht  Ii  voll 
bitteren  Unmuts  darüber  aus,  dass  es  an  «einer  durchgreifenden 
gesetzlichen  Nötigung"  fehlt,  ,deu  Kursub  in  einer  äolchen  Weise 

>)  Stift  vin  D 10,  Vol.  n  f.  m. 

')  Ib.  VoL  III  f.  77.    Porsche:  „Sie  (die  Realschule)  entstand  ta 

Osten\  18:U  mit  25  S*  hnleni.  welche  in  Klasse  III  und  IV  vorteilt  wurden. 
Im  nnch  stfolgendeji  Jahre  ward  .  .  .  bei  4ö  Schtilem  .  .  .  die  Ute  Kl.isse 
hinzugefügt.  An  Ostern  1836  waren  ...  77  Schiller  vorhandou  und  es 
konnte  nunmehr  die  Ite  Klasse  hergestellt  werden." 

Darnach  ist  die  auf  efaier  unrichtigen  Mitteilung  Herings  im  Pro- 
^^ruiiim  der  RealHchule  1800  p.  IV  fu^äondc  Angabe  Giesels.  Hint.  6tat. 
Mitt<-ihTng'on  p  zw  liei-i(  liti>rfMi.  <]ii^s  Opfern  1^:55  die  2.  und  1.  Klasse  OT» 
gleich  mit  je  0  S(  liiilorn  erötfnet  worden  wftreu. 

')  Giesel,  Ht3t.  Stat.  Mitteilungen  p.  lS/19, 

*)  Noch  im  Jahre  1848/49  waren  nnter  den  14L  Bchalem  der  Anstalt 
neben  80  achUlem  der  4.,  16  Sehttlern  der  8.  und  22  Schfilem  der  2.  Klasse 

nur  8  ScbOler  der  ersten  Klasse. 

*  Vergl.  darOber  Oertel  p.  7.  In  Sachsen  ward  zuer^st  durch  eine 
Verordnung  des  Königl.  Finaiizminiateriunia  vom  2.'».  Mai  I.S.M)  da»  Abgangs- 
seugnis  einer  Koalschule  für  die  Auftiahme  in  die  Königl.  Porstakademie 
SU  Tharandt  sur  Bedfaigung  gemacht.  Einige  neue  Rechte  brachte  das 
Regulativ  vom  2.  Juli  1860  den  sachsischen  Realschulen,  ihre  volle  Gleich- 
stellung mit  den  preussischen  aber  erfolgte  erst  in  dem  NachtragreguUtiv 
vum  2.  Dezember  187ü. 


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2Ö.  GrUiiiiung  der  iiUeüte:!  sndisUchen  lieabchulü  (Leipzig)  etc.  325 


zu  volleuden,  wie  er  lür  die  GymuMsicii  in  liezitshuiig  auf  die 
Uiiiversität  l>estelit- ').  Vorläufig  hieltt  ii  äicli  —  enteprechend  der 
Schüler/ahl  —  auch  die  Lehrergehalte  auf  einem  tiefen  Niveau. 
Eine  Zusaiameustelluiig  der  Beäolduugeu  der  BealschuUehrer  für 
die  Jahre  1834  bis  1839  ergiebt  folgendes  Resultat: 


xj  III    uoiiiOi  lur« 

4.00"* 

xoov 

2uÜ 
Tblr. 

äoo 

450 

ÖOO 

500 

500 

ilatheinaük  

200 

aoo 

880 

880 

880 

880 

160 

200 

300 

äoo 

800 

800 

- 

100 

100 

100 

100 

*>"vi  1 
»VW 

200 

275 

300 

aoo 

—  _ 

aoo 

50 

75 

luo 

luu 

ItX) 

25 

25 

25 

25 

25 

25 

25 

100 

Rofhnoii  

UX) 

1«) 

KJO 

Deutach,  GeBchicht«,  Geographie 

200 

800 

8U) 

Das  Sfhliinniste  dabei  war,  das?*  selbst  di<'se  i;enr)iffü«4igen 
Besoldungen  den  Lehrern  von  seitrii  Siadi vi-iwaltimi;  iiirht 
garantiert  waren.  Von  Jahr  l\\  Julir  wurden  diu  Gt  lialU'  aufs  ut'ue 
besclilossen.  und  mit  Bangen  harrten  der  Direktor  und  das 
Kollegium  auf  die  Xeuanmelduugen  der  Schüler,  von  deren  Zahl 
die  Höhe  der  ßesolduugcu  abhiog.  Die  Lösung  dieser  fioanziellen 
Frage  brachten  selbst  Porsches  unablässige  ßemtthuogen  nicht  zu 
Stande.  Vergebens  ^'ies  er  darauf  hin,  dass  auswärtige  neu« 
gegründete  Realschulen,  wie  die  zu  Gotha,  Hannover  und  Berlin, 
fortwährend  bedeutende  Zuschüsse  erforderten,  ohne  wesentlich 
mehr  als  die  Leipziger  Anstalt  zu  leisten^. 

Umsonst  auch  betonte  er  das  moralische  Recht  der  Real- 
sehullehrer  auf  eine  höhere  Dotierung,  die  nur  in  der  Voraussicht, 

')  Vogei,  Die  Bürge rtM^hule  p.  UU. 

^)  VergL  Eingabe  vom  80.  llftn  1887.  Stift  VIII  D  lu,  Vol.  UI  f.  180. 


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S26    MlttoilungAn  d.  Gea.  t  deatsch«  Bniehungs-  u.  Skshulgeach.  VIL 


alsbald  eine  gesicherte  fixistonz  und  eine  ihrea  Leistongen  ent- 
sprechende Besoldiing  zu  erhalten,  ihre  Stellungen  angenommen 
hftiten.  Der  Rat  und  die  Stadtverordneten  aeigten  gegenflber 
Porsches  Vorschlügen  kein  Entgegenkommen.  Die  Gehalte  der 
Realachullehrer  sind  —  von  venigen  Aenderungen  abgesehen  — 
trotz  ihrer  Dürftigkeit  in  den  Jahren  1837  bis  1846  die  gleichen 
geblieben.  Dabei  trug  die  Behörde  kein  Bedenken,  noch  j&hrUche 
Ueberschflsee,  die  durch  die  Schul<;clder-EinQahmen  bei  der  Real- 
schule erzielt  wurden,  in  die  Stadtkasse  lliessen  zu  lassen^). 

Daas  bei  dieser  Stellungnahme  der  Behörde  zur  Realschule 
auch  deren  Ausstattung  mit  Sammlungen,  Apparaten.  Hilfsmitteln 
höchst  primitiv  war,  Torsteht  sich  von  selbst.  Für  den  natur- 
wissenschaftlichen Unterricht  musste  in  den  ersten  Jahren  der 
Natu^eschichtslehrer  Reichenbach  seine  PriTatsammlungen  der 
Schule  zur  Verfügung  >it«  llen,  und  es  kostete  MUhe.  ihm  dafür  eine 
Oratifllcation  von  25  Thalern  zu  erwirken.  Der  ]»hyäikalische 
Apparat,  welcher  der  Realschule  v(»u  der  Bürgerschule  zur  Be- 
nutzung gestattet  wurde,  war  gäuzlich  unlirauchbar.  Es  gelang 
Vogels  Hinweisen  auf  die  Unenthehrlichkeit  physikalischer  Lehr- 
mittel, ohne  welche  ,<laa  Gesetz  stets  ohne  den  Reweis  der  wirk- 
lichpu  Erscbeinung"  bliebe,  wenigstens  einige  Mittel  für  Neuan- 
schatVungen  bewilligt  zu  erhalt^^n.  Als  er  aber  im  folgenden  Jahre 
1838  auch  das  Naturulienkal>inett  in  einen  den  Anforderungen  des 
Unterrichte  entsjjrechciidrn  Zustand  hriirj^on  wollto.  vpr\v<M'trerten 
die  Stadtverurdiictcii  l»t'liai'i-licli  dits  liifi^Tir  rrtordcrliilicii  (ielder. 
Porsche  wies  ihncii  i;*'L,'<Miül>t'r  auf  dir  linlien  Lehriiele  der  Ueal- 
schnle  hin  und  betonu*,  man  dürie  die-scllic  nicht  mit  wenig  brauch- 
baren »Selektonklasscn  verwechseln:  das  loi/.tt'  nur  noch  den  Wider- 
spruch der  Stadtväti  r.  lu  einer  geharnischlr'u  Krkläiunfj:  führten 
sie  aus.  dass  die  Ivealschule  lediglich  als  ein  Anhängsel  der  Bürger- 
schule zu  belracliteii  sei,  wesliall)  mau  sich  keinesfalls  um  iliret- 
willen  in  Unkosten  stürzen  diiile'-). 

Nichts  konnte  \'oi:>-\  sc  hwerer  verletzen,  als  derartige  prinzi- 
pielle AuslUbruJigeu.  durch  welche  die  Selbstäudigkeit  seiuer  Keal- 

^  In  der  von  den  Lehrern  der  Realschule  im  Jahre  1846  verfaseten 
und  «le  Mannekript  gedruckten  ^enkachrift  in  Betreff  der  atadtiachen 

Realschule  zu  Leipzig''  werden  p.  17  dit'so  UeborschüHse  in  den  oraton 
zwf)!f  Jahren  mit  }'^"^5  Thalern  ntw  i-s  zu  \u>vh  berechnot,  da,  wie  die  Ilat^s- 
uktcu  ergeben,  eiu  Iftl  liiervon  ula  Urutilikatioueu  an  die  Lehrer  der 
Heulschule  verteilt  worden  ist, 

*)  Stift  Vm  D  10.  VoL  IV  t  181. 

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26.  Grfindiuig  der  alterten  aäcbslacbea  Realschule  (Leipzigj  etc.  327 


schule  angefochten  wurde.  Lud  doch  musste  «t  sich  jedesmal  auf 
derarfiire  Auseinandersetzungen  gefasst  niaclien,  wenn  er  auf  die 
eigeimiiige,  von  dem  Wesen  der  Bürgerschule  grundsätzlich  ver- 
schiedene Bedeutung  derselben  hinwies. 

Der  Hat  stand  in  dieser  Beziehung  doch  auch  im  wesent- 
lichen auf  demselben  Standpunkte  wie  die  Stadtvei-ordneten.  lu 
einem  Berichte  an  den  Bat  vom  2.  April  1838  hatte  Porsche 
ausgeführt,  dass  .din  ol)f'icn  Klassen  der  Hiirj;erschule  nicht, 
wie  man  zum  Teil  immer  n<K'h  zu  ijlaiibcMi  scheint,  als  die 
unteren  einer  Realschule  gelten  Krumen,  diese  vielmehr  ilircn 
(M\'cuen.  auf  l'oriliihliiiii,'  genau  berechneten  Unterbau,  ihre  be- 
sonderen Tu t er k lassen  haben  muss,  wenn  nicht  ein  imvollstiui- 
diges.  hedeiiiiiiigh  und  wertbises  Stückwerk  des  Wissens  iiervor- 
gclieii  und  die  Realschule  lle^'ritV  und  Zw«M-k,  mithin  ihre  Existenz 
verlioren  roII"').  Dautben  lindet  ^iicb  von  der  Hand  eines  unbe- 
kannten Stadtrats  die  bezeichuende  iUndbemeikuug  geschrieben: 
, Darin  lie<;t  cln  n  der  Irrtum,  obgleich  die  Sache  so  oft  und  so 
klar  entwickelt  worden  ist,  Ceber  den  oheren  Kla.«^sen  der  Büriccr- 
schule  kann  wuiil  uücli  eine  Selekta  stehen,  diese  wird,  kann  und 
soll  aber  nie  eine  Realschule  ersetzen.* 

Ali^fi  nicht  einmal  n]^  eine  llealschule  ward  die  neue  Anstalt 
von  ilirer  vor^'eseiüten  Behörde  aiierkannt.  wiewohl  sie  sich  in  iliren 
Lei8tun;.:en  ^'etrust  neben  jede  andere  Realanstalt  siollen  konnte! 
Ks  gehörte  wahrlich  ein  ^'rosscs  Maass  Unverdro.sbenheit  von  Seiten 
deö  Direktois  Vogel  und  des  Lehrerkollegiums  der  Realschule  da- 
zu, tiotz  des  mangelnden  Verständnisses,  das  man  fort^'e setzt  ihren 
autuplernden  Bemühungen  entgegenbrachte,  nicht  zu  veraageu  und 
auf  bessere  Tage  zu  hott'eü. 

Und  gerade  in  dieser  schworen  Zeit  traf  die  Realschule  ein 
hart<'r  S(  hlag:  am  14.  Mai  1840  starb  ihr  Vorsteher,  der  Stadt- 
rat Boi-sciie-).  Die  geschätlsmännische  Kürae,  die  den  amtlicbeD 
Schriftstücken  seines  Nachfolgers  eigen  ist,  belehrte  Vogel,  dass  er 
bei  ihm  nicht  ohne  weiteres  auf  ein  gleich  warmes  Entgegenkommen 
zu  rechnen  habe  wio  bei  Porsche.  Es  trat  bei  ihm  ein  Getuhl  der 
Kntniutigung  ein.  Kr  war  entschlossen,  von  der  Leitung'  der  Keal- 
scliule  zurückzutreten,  wemi  nicht  dereu  Lehrern  von  der  Stadt  eine 


')  II),  f. 

")  Nachricht*'!!  von  dem  Beätehco  der  Real-  und  ersten  Bttrgerdchule 
zu  Leip/ig  iö-lU/41,  p.  16. 


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828    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Ktzii  iuuigö-  u.  iScIiulgeöch.  VII. 


fesie  Aiistt'lliing  7,ii^esich<3rt  werde.  Aus  dieser  Stiinmuug  herauö 
schi'ieb  er  am  1.  Juli  lÖ-iO  den  rolu'fMidcu  i>rieP); 

„V'eielulesiier!  Ihre  gestrige  verlrauliriie  Zuschrift,  für  wcIcIk* 
ich  Ihnen  herzlich  und  ergeheust  danke.  Ueiührt  die  Lebenftlrag«» 
einer  Anstalt,  wckhe  sowohl  Ihr  Kollegium  durch  mehrfache  Be- 
scliliibbe  und  iieivanntmachungen  als  auch  die  K.  Krei^direktion 
durch  Reskript  vom  24.  ()ktol>er  v.  J.  tXir  einen  .wesent- 
lichen integrierenden  Teil  der  Hllj^cjuciiRU  liüigersi  hule"  erklärt 
hat.  Ist  aber  die  Realschule  wirklich  organisches  Glied  dt  s  grossen 
üauzeu  uüseres  städtischen  Schulwesens,  so  müssen  ihre  resp. 
Lehrer  auch  Teil  haben  an  den  Rechten,  die  von  denen  der  resp. 
Schwesteranstalten  beantragt  werden.  Wollte  man  dieses  ihnen  ver- 
veigeni.  so  setzte  man  sie  priüctiBch  in  die  Kategorie  der  Privat- 
lehrer herab,  und  Idste  die  Realschule  selbst  aus  dem  Organismus 
der  OffeDtlichen  Schulen  der  Stadt>  was  einer  Aufhebung  derselben 
gleich  zu  achten  w&re.  Wohl  weiss  ich  conArmatio  nil  dal  novi, 
habe  damit  seit  Jahren  die  immer  wieder  sich  erneuernden  An- 
sprüche meiner  Kollegen  auf  diese  Anerkennung  seitens  der  vorge- 
setzten Behörde  beschwichtigt;  allein  jetzt,  wo  sie  sogar  für  die 
Lehrer  der  Armen  schule  beantragt  werden  soll,  bei  deren  An- 
stellung und  Wahl  die  städtische  Behörde  —  soviel  mir  bekannt 
ist  —  ebenso  wenig  wie  die  KOniglicbe  beteiligt  ist  oder  kon- 
kurriert, können  die  Lehrer  der  Realschule  nicht  zurückgesetzt 
werden,  ohne  in  der  Öffentlichen  Meinung  zum  Nachteile  des  Ganzen 
zu  leiden  und  für  ihre  eigene  Person  entmutigt  zu  werden.  Das 
Letztere  aber  wäre  um  so  bedauerlicher,  als  jnan  anerkennen  muss, 
dass  diese  Anstalt  den  hohen  Standpunkt,  welchen  sie  augenblicklich 
in  der  Meinung  des  Publikums  und  stijumfähiger  Männer  des  In- 
und  Auslandes  einnimmt,  nur  durch  das  uueigeuniltizige,  behnn liehe 
Streben  ihrer  Lehrer  zu  danken  hat,  und  worin  sie  zu  erhalten 
für  mich  bei  der  Geringfügigkeit  ihrer  Besoldungen  keine 
leichte  Aufgabe  war.  Und  für  alles  dieses  sollten  sie  jetzt 
hinter  den  Lehrern  <ler  .Vrmenschule  zurückstehen?!  —  Nein,  das 
kann  und  wiU  ich  im  fp?^teii  Glauben  an  die  Gerechtigkeit  Ihres 
von  mir  so  hochvocln tcu  ('olIr«:ii  nicht  glaubenl  —  Denn  daas 
die  Realschule  l';i c  h  Idircr  li.it.  k;inn  ihr  hier  ebeiiso  weni^^  zum 
Präjudiz  tr<'rci<  li»'n.  als  man  keinen  .'Vii>tiiiid  nimmt,  <\c\\  Mathematikus 
oder  lieügiouslebrer  au  einem  U^mua^ium  zu  kuutirmiereu,  sofern 


»)  Stift, Vill  D  10,  Vol.  IV  f.  163.    Die  PcrtJünlichkeit  des  AUressateu 
näher  zu  beatiuimeu  war  mir  unmöglich. 


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25.  Gründung  der  Ältesten  8ftf"ll^is(■luMl  Rrulschulc  il^oipzi^!  efc  ^29 


er  einmal  alB  ordentlicher  Lehrer  angestellt  wird.  Nur  soMk'  aber, 
und  keineswegs  solche»  welche  nur  einzelne  Stunden  gehen,  habe 
ich  zur  Konürmation  aus  dem  Collegio  der  Lehrer  der  stadtischen 
Realschule  vorgeschlagen,  weil  nun  einmal  die  Organisation  einer 
solchen  Anstalt  die  Teilung  der  Lchrarbeit  nacli  Fächern  \md  nicht 
nach  Klassen  notwendig  macht.  Uebrigens  hat  keiner  clor  Vorge- 
schlagenen nur  ein  Facli\),  mit  Ausnahme  der  Lehrer  der  fran- 
zösisrhcn  tind  englischen  Sj)rMilie,  die  jedoch  ihrei'  Wiclitigkeit 
willen  zu  den  Ilaupttaehern  «gerechnet  weivh'u  müssen  und  deshalb 
ancli  nicht  für  einzelne  tituuden  angestellt  und  bezahlt  werden, 
sundern  tiir  ilire  allgemeine  Wirksamkeit  für  die  Anstalt  al«  ivhissen- 

ordinarieu  und  Diszi})linai inspektaren  Uebrigens  lege  ich 

diese  hochwichtiire  Angelegenheit  mit  vollstem  Vertrauen  in  die 
Hände  Ihres  hochverehrten  Collegii.  welcljes  ja  die  Realschule  ins 
Leben  gerufen  und  bisher  in  ihrem  Gedeihen  gefördert  hat,  und  da- 
her uiclit  wollen  kaim,  dass  sie  bei  dieser  Gelegenheit  in  ihrem 
innersten  Leben  uud  ihrer  Ehre  gefiihrdet  und  in  die  Reihe  der 
l'riva! schulen  zurückverwiesen  werde,  deren  Direktion  sich 
mit  meiner  öffentlichen  amtlichen  Stellung  kaum  länger 
vereinbaren  lassen  dürfte.  üass  sie  dabei  von  Ihnen 
freundlich  und  warm  werde  vertreten  werden,  bin  ich  fest  überzeugt 
und  im  Voraos  dafür  ei^ebenst  dankbar.  Mit  walu-er  Hociiachtung. 
Ihr  treu  verbundener  1>.  Vogel.* 

Solche  Vorstellungen  verfehlten  ihre  W  irkung  nicht.  In  der 
Ratssitzung  vom  22.  Auguäi  lä4ü  wurde  l>eschlo8sen.  dass  die 
Stadt  die  Garantie  für  die  Gehalte  der  Rcalschullehrcr 
übernehmen  sollet). 

Eine  Erhdbung  der  Gehaltssätze  erfolgte  aber  auch  jetzt  noch 
nicht.  Koch  volle  sechs  Jahre  waren  die  Einnahmen  der  Lehrer 
an  der  Realschttle  um  ein  BetrftchtÜehes  tiefer,  als  die  an  der 
Elementar-  und  Ärmenechule.  In  dieser  Thatsache  fand  der  neue 
Schul  Vorsteher  nichts  Auff&lliges,  ^da  —  wie  er  später  einmal  aus- 
führt^ —  es  sich  bei  der  Realschule  nicht  um  eine  für  die  Gemeinde 
unumgAnglich  notwendige  Elementarschule,  sondern  nur  um  ein 
wünschenswertes  Ausbildungsinstitut  für  nur  im  ganzen  wenige 
Gemeindemitglieder,  ja  nicht  einmal  ausschliesslich  für  solche, 
sondern  in  sehr  bedeutender  Anzahl  für  Fremde'  handelt. 

')  Freilich  rechnet  dabei  Vogel  Algebra  uud  Geometrio,  Nutur- 
gMchichte  und  Physik  ab  verschiedene  Fächer. 

')  Ib.  f.  188. 

*)  Stift  Vin  D  lö,  VoL  n  f.  8S. 


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330     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutachp  Erziohungs-  u.  Schulgosch.  VII. 


Am  Ende  erweist  der  Einzelne  sich  doch  ohnnulchtig  gegen- 
über der  Macht  erdrückender  Verhältnisse.  Dann  tritt  der  Augen- 
blick ein,  da  er  Umschau  halt  und  Fühlung  anstrebt  mit  Elementen, 
die  unter  der  gleichen  Ungunst  des  Geschickes  leiden  wie  er.  In- 
dem er  sich  mit  ihnen  verbindet,  kräftigt  ihn  das  Gpfühl,  das  Glied 
eines  (laiizon  zu  sein,  und  giebt  üim  das  durcii  gemeinBHme  Aus- 
sprache gestärkte  Bewnsstsein  seines  moralischen  Hechtes  Kraft, 
im  Kampfe  für  seine  iüteresseu  und  die  Sache,  die  er  vertritt,  zu 
beharren. 

Diese  Gemeinsamkeit  d*»r  Inieresssen  war  es.  wrh  he  die  lieal- 
schulmännor  Deutschlaü<ls  im  Jahre  1845  zum  erst.  n  Male  veran- 
lasste, in  Meissen  zur  Beratung  ihrer  Aogeiegt-uhcileu  zusammen- 
zutreten. Den  eifrigen  Bemühungen  Vogels  war  es  in  erster  Linie 
zu  danken,  dass  die  Versamnilui^g  wirklich  zu  stände  kam.  Die 
Rückwirkung  dieser  Versammlung  auf  die  Haltung  der  Lehrer  der 
Leipziger  Kealschule  ist  unverkennbar.  Es  war  auf  derselhen  auch 
ihrer  gedrückten  SteJIung  gedacht  worden.  Der  beste  G«  \uiiii  aber, 
den  die  Leipziger  Realschullehrer  aus  ihr  -zogen,  war  eine  neue 
Zuversicht,  der  Glaube  an  die  Zukunft  der  Sache,  in  deren  Dienst 
sie  sich  gestellt  hatten.  Aha  ein  Nachklang  jener  Versanunlung 
stellt  sidi  eine  im  Jahre  1846  Ton  den  ordentlichen  Lehrern  der 
Realschule  rerfasste  und  als  Manuskript  gedruckte  «Denkschrift  in 
Betreff  der  stftdttschen  Realschule  zu  Leii)zig*  dar.  In  ihr  treten 
die  Lehrer  nicht  minder  für  die  ganze  Schulgattung  wie  für  ihre 
persdulicben  Interessen  ein.  Denn  eben  die  grosse  Bedeutung  der 
Schulgattung  erfordert,  dass  ihre  Lehrer  eine  entsprechende  Lebens- 
stellung erhalten.  So  gipfelt  die  Schrift  in  der  Forderung,  dass 
jeder  ordentliche  Lehrer  der  Realschule  nach  dem  Maasse  seiner 
Stundenzahl  mindestens  dem  Best  besoldeten  unter  den  Bürger- 
BchuUehrem  an  Gehalt  gleichgestellt  werde. 

Vogel  befürwortete  bei  Zusendung  der  Schrift  an  den  Schul- 
Yorsteher  Stadtrat  Herold  warm  diese  Wünsche.  ,In  keinem  Falle 
denken  Sie,**  schreibt  er^),  »Ton  der  Denkschrift  etwas  Ungebühr- 
liches; denn  wenn  auch  die  Verfasser  in  eigner  Sache  sprechen  und 
pro  ans  et  focis  streiten,  so  sind  sie  doch  fem  von  jeder  An* 
maassung  und  wissen  es  wohl  zu  wOrdigen,  was  die  ungünstigen 
Zeitverhältnisse  verwirkten  und  verschuldeten  bei  der  ailerdings  bis 
jetzt  noch  prekären  Stellung  unserer  Realschule,  von  welcher  das 
Ausland  weit  mehr  weiss  als  das  Inland  —  ein  H.  Ministerium 


17.  Man  1846.  Büft  Vin  D'U»  Vol.  U  t  Ii. 


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25.  Grllndung  dyr  ältotjten  sAchaiachen  Realacbule  (Leipzig)  etc.  331 


des  Kultus  und  öffeutlichen  Unterrichts  nicht  ausgeschlossen  — 
und  welche  Fremde  einer  weit  grösseren  Aufmerksamkeit  gewürdigt 
haben,  als  das  heimische  Publikum,  wenigstens  soweit  es  nicht  un^ 
mittelbar  beteiligt  ist.' 

Eh  jrenllgp.  das  Ei  j^ddiis  der  Verliandlimgen.  die  im  Uate  Uber 
die  beaiitni<;tc  Erhöhung  der  (tHialte  geflihrt  wurden,  iiiitzuioilen: 
aiji  8.  Januar  1847  beschlos.s  der  Hai.  iiauli  Maa.s.sgaljc  der  in  der 
Denkschrift  gemachten  Vursrhläge,  die  (iehaltc  der  vier  volll)«'- 
schäi'tigten  ordentlicln  n  Lehrer  der  Realschule  auf  öOO  Thalei-  zu 
erhöhpn').  Die  Stadtverordneten,  die  ausdrücklich  anerkannten, 
dass  ^<lie  Bof^oidung  dieser  Lehrer  zu  ihren  Leistungen  bisher 
in  keinem  richtigen  Veriiältnis  gesianden  hat",  ptlichteteu  diesem 
Beschlus.se  einstimmig  i)ei-). 

Damit  war  ein  Erfolg  eraielt.  wt-lclu  r  den  dauernden  Bestand 
der  Leipziger  Realschule  sicherte.  Des  Näheren  zu  schildern,  wie 
dieselbe  dank  dem  mini.'^teriellen  Regulativ  vom  2.  Juli  iöUÜ  end- 
giltig  uurf  ihrer  Vereinigung  mit  der  1.  Bürgerschule  losgelöst  und 
zu  einer  Realschule  mit  sechsjährigem  Kursus  erweitert  wurde, 
wie  sie  im  Jjihre  1871  zu  einer  Realschule  1.  Ordnung  mit  sieben- 
jährigem Kursus,  bereits  im  Jahre  1874  zu  einer  solchen  mit  acht- 
jährigem Kursus  umgewandelt  ward  und  wie  schliesslich  aus  der 
Realschule  das  heutige  Lei]>ziger  Realgynmasium  hervorging:  all' 
das  zu  schüdem  würde  zu  weit  fOhren.  Auch  verlAuft  diese  Ent- 
wicklung ganz  typisch  in  Uebereinstimmung  mit  anderen 
Bichsischen  Realschulen  und  entbehrt  der  indiYidu eilen  Momente, 
die  die  Oiündungsgeachichte  der  fOr  das  sächsische  Realschulwesen 
bahnbrechend  und  Torbildlich  gewordenen  Leipziger  Realschule  so 
interessant  nuicben. 

>)  Ib.  f.  42. 
3)  Ib.  f.  53. 


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332     MitteUun/rcn  c\.  Ges.  f.  (leutselig  l>/,ir'liiing:s-  u.  Schulgeach.  VII. 


28. 

Oeschielite  des  MilifSr-Erztehimgs-  und  Bildunss- 

wesens  im  Köiii^eich  Sachsen. 

Diese  Arbeit  bildet  einen  Teil  des  18.  Bandes  der  ilonumenta 
Germaniao  Pa<Hlngo«;ica.  Titol: 

(i<'S('lii('hte  dt'.s  Milititr-Krziehungs-  und  BilduniB:swe.sens  in 
den  Landen  deutscher  Zunge.  V'on  B.  Polen,  Königl.  preussieclK  iu 
Oberst  a.  I).  Band  V:  Sachsen  —  Schaumburg- Lippe  —  SchleSwig- 
Holsiein  —  S<^wei»  —  Kmigreieh  Wesifalm  —  Württemberg, 
Berlin.  A.  Hoftautnn  &  Comp.  1807.  Grofls- Oktav.  [VI]  403 
8«i(eii. 

Das  Werk  behandelt  nach  einer  einleitMiden  üeberBicht  1.  Das 
Kadettenkorps  (1692 — 1836).  «Von  allen  in  den  Landen  deotseher 
Zunge  gegenwiitig  bestehenden  Hflltai^firzLehungs-  und  BUdungsan- 
stalten  ist  das  Dresdner  Kadettenkorps  die  älteste.  Es  ist  zugleich  die- 
jenige Anstalt,  in  welcher  zwei  jetzt  verschwundene,  eine  Artillerie- 
und  eine  Ingenieur^Schule«  zeitweilig  aufgegangen  sind.''  2.  Die 
Militär-Bildungs- Anstalt  (1835 — 1851)  nebst  der  besonderen  Ab- 
teilung:  Die  Unteroffizier-Abteilung  (1841-1851).  3.  Die  Kriegs- 
schule (1851—1850).  In  diesem  Abschnitt  wird  ein  besonderes 
Kapitel  den  „Portepee-Junkern  der  Reiterei'',  Uirer  Ausbildung.  Er- 
nennung und  Verwendung  gewidmet  4.  Das  Kadettenkorps 
(1859-1896).  5.  Die  Artillerieschule  und  deren  Fortsetzungen: 
T)io  ArtiUerieschule(l 766  — 181 1),  die  Artillerieakademie  1811  — 1816). 
die  Militärakademie  (1816—1828,  1828—1831,  1831—1835),  die 
ArtUlorieschule  (1859-  1866).  6.  Die  Ingenieur- Akademie  (1734— 
18  lO).  7.  Die  Unteroffizierschule  und  die  Uuteroffiziervorschule 
(1868—1896). 


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27.  Deutsehe  Sprache  und  Lltteratiir  am  Philanthropln  In  Dessau  etc.  338 


27. 

Deutsche  Sprache  und  Litteratnr 
am  FhUanthropiu  iu  Dessau  (1775—1:93).') 

Von  KaA  Kebrbaob»  Berlin. 

£8  ist  l>ekaimt,  dasB  die  PhilaDthropinisten  den  Unterricht  in 
den  Sprachen  reformierten.  Ihre  Reformen  erstreckten  sich  auch 
auf  den  Unterricht  in  deutscher  Sprache  und  Litteratur. 
Das  Deutsche  war  bis  dahin  mit  geringen  Ausnahmen  in  den  höheren 
Schulen  Stiefkind.  Wenn  öfter  und  sogar  noch  neuerdings  behauptet 
worden  ist,  dass  »seit  Luthers  Auftreteu '  für  Pflege  und  Ausübung 
der  deutsclien  Mutteröprache  in  der  Schule  eine  warme  Sorgfalt 
entwickelt  worden  sei-),  so  ist  das  nicht  zutreflend.  Denn  in  den 
Unterrichtsplänen  des  Humanisten-  und  ßeformationszeitaLters  ist 

^  TÄB  folgende  Abhandlung  ist  aus  Anlaaa  der  Peier  der  25jahrigen 
Desententhätie^eit  meines  vereiirtea  Lelirers  und  Freundes,  des  Professors 

der  deutschen  Philologie,  Dr.  Ed.  SieTSrs  in  Leipzig,  dessen  ältester  Zu- 
hörer ich  bin.  ont^itanden.  Auf  Anrefrini'-r  Ho  ?  Professor*«  I>r.  K.  Kauffmann- 
Kiel  und  des  Privutdozenten  Dr.  John  Meie r  Halle  wurde  von  eiuer  Anzahl 
SdiQler  des  Jubilars  eine  Reihe  von  Aufsätzen  verfasst,  die  am  Tage  der 
Peier  unter  dem  Titel:  «Plillolo^aehe  Studien.  Pestgabe  für  Bduard  Sievers 
zum  1.  Oktober  1896.  Halle  h.  8.  (M.  Niemeyer)  1896.  Gr.  9>  VI»  441  &«* 
überreicht  wurden. 

In  diesem  äammelbando  beüudet  sich  meine  Abhandlung  auf  den 
Seiten  874— 4U0. 

Wenn  ieh  dieselbe,  die  ausBchliesslicli  für  den  angegebenen  Zweck 

als  ein  Teil  der  Fentgabe  verfasst  worden  ist,  jetzt  in  unseren  „Mitteilungen'^ 
wieder  abdntckcn  las-<e.  90  folg-e  ich  damit  nur  den  von  don  verschiedensten 
Seiten  gegebenen  Anregungen,  die  in  dieser  Abiiandiung  niedoi^elcgten 
Ergebnisse  meiner  Nachforschungen  den  Mitgliedern  unserer  Gesellschaft 
und  sodann  einem  weiteren  pftdagogischen  Interessentenkreise  leichter 
angtaplich  zu  machen.  Der  nachfolgende  Abdruck  folgt  gvn.ai  der  Vor- 
lage der  Festgabe,  nur  ist  die  Glt'Mirnitiir  in  dio  durch  rürai.sche  iiilTern  (I — IV) 
bezeichneten  Abteilungen  aulgegeben  und  die  angewandte  Orthographie  in 
die  fUr  die  Mitteilungen  angenommene  neue,  sogenannte  Puttkamwsche, 
umgesetst  worden. 

Rieh.  Hodernmnn ,  UniversitJltsvorlesungen  in  deutscher  Sprache 
um  die  Wende  des  17.  Jahrhunderts,  Dias.  Jena  Ibdl. 

imtoilniicw  d.  Get.  t  <l«uUt<Oio  finicb.-  u.  j!c(inlsc«cbichto.  VII  4  1607.  22 


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334    Hitteilungeit    Ges.  f.  deutsche  Eraiehungs-  u.  Sdiulgescli.  VII. 


fast  nirgends  von  der  deutaiihen  Sprache  als  Unterrichtsfach  die 
Bede.  Wenn  ja  in  LektLonsplAnen  für  höhere  Schulen  Deutsch 
erwlbnt  wird,  so  erstreckt  sich  das  auf  den  eleineiitareu  Lese-  Mud 
S<'hreibiinterricht,  oder  in  den  mittleren  und  oberen  Klassen  auf 
IJeboi-seizcn  aus  einer  fremden  Sprache  ins  Deutsche  und  umgekehrt. 
Iin  Mittelpunkte  des  gesamten  Unterrichts  stund  die  lateinische 
Sprache  und  Litt^  r.itur.  die  zu  beherrschen  das  oberste  Ziel  der 
Schule  war.  Ist  doch  allgemeiii  bekannt,  dass  die  SchCiler  im 
Verkehr  mit  den  Lehreru  und  unter  sich  atisschliesslich  lateinisch 
redf^n  mM««fpn.  und  dnss  die  üuterhalTuiii;  iu  der  Muttersprache 
oder  der  ( icinjurli  von  deiu^ciicn  Woi-rj'ii  liart  iM'strat't  wurde.  So 
sehr  galt  das  Latciiiisrlir  als  das  W'i'S'iitliclistt'.  dass  sogar  daran 
gedacht  wurde,  die  deuischen  Sclinl*'!!  in  den  kieiueu  Städten,  dio 
iil^rierens  luci-vitMis  Pnvaluuleruehiiiuiige]i  waren,  ganz  und  gar  ab- 
ziiöcliairen.  da  durch  sie  die  „latfdnischen  verderbt  würden  und 
viele  Schüler,  die  zum  LutcLuuiit»  rrichl  und  also  zur  Ehre  Gottes 
und  zur  Verwaltung  eines  geineiuen  Nutzens  geschickt  sind,  ver- 
säumt werden"  1).  Diese  Bevorzugung  dos  Lateinischen  vor  dcui 
Deutschen  blieb  auch  in  den  darauf  folgenden  Jahihunderten  im 
Unterricht  der  liOheren  Schulen  biestehen. 

Freilich  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  es  nicht  an  Ver< 
suchen  gefehlt  hat,  der  Temachlässigteu  deutschen  Spi-ache  im 
Unterrichte  der  höheren  Bildungsanstalten  einen  würdigeren  Platz 
zu  verschaffen.  Bekannt  sind  die  Versuche  xon  Hererlingb  bis  auf 
Thomasius.  der  deutschen  Sprache  beim  Vortrage  auf  denUniversitüten 
gleiche  Rechte  wie  der  lateinischen  zu  erringen^.  Auch  für  die 
Einführung  und  grossere  Berücksichtigung  der  deutschen  Sprache 
in  dem  Unterrichte  der  liateinschulen  erhoben  sich  bereits  im 
16.  Jahrhundert  einzelne  Stimmen.  Es  sei  an  Paracelsus  erinnert 
und  an  einen  seiner  Anhänger,  über  den  neuerdings  Sudhott'^)  einige 
Isa<  liriclitcn  gegeben  hat.  Zu  praktischen  Kesultati'U  jedoch  liabeu 
anscheinend  die  Vorschläge  dieser  .Männer  an  den  liateinschulen 
nicht  geführt.  Im  17.  Jahrhundert  aber,  selbst  während  des  30- 
jährigen  Krieges,  mehren  sieh  die  Stinitnen:  hier  ist  in  ei-ster  Linie 
der  Restrebungen  des  Ratichius  und  Cuiuenius  zu  ged<Mikeu,  dert  u 
praktische  Durchrührnng  in  einer  Anzahl  von  Schulen  versucht 
wurde.   Es  sei  hier  besonders  an  die  Schulen  in  Weimar  und 

')  Instruktion  Herzog- Ulrichs  v.  Württemberg  an  dieViaitationartttelölSw 

')  Vgl.  Hoderinann  l.  c:. 

")  Mitte;  hingen  der  Geaellachaft  1.  dl^cU.  Erz,'  u.  Sckulgeäch.^  ö.  Jahrg. 
S.  b3— ÜÜ, 


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27.  Deutsche  Sprache  und  Litterattir  am  Philanthropin  in  Deaeau  etc.  336 


Gotha»  um  deieu  Beform  sich  die  Ratlchiaaer  Eromayer  und  Reyher 
Terdient  gemacht  haben,  erinnert  Eiomayer  war  ob  auch,  der  fttr 
den  Sehulgebrauch  die  erste  deutsche  Grammatik  in  deutscher 
Sprache  schrieb^).  Neben  diesen  Männern  seien  genannt  Veit 
Ludwig  Yon  Sedcendort  der  «teutsche  redelainst  und  teutschen 
Stylus*  forderte,  Balthasar  Schupp,  der  Verfasser  des  teutschen 
Lehrmeisters,  August  Hennann  Francice,  der  in  der  Lateinschule 
deutsche  Oratoria  und  Uebungen  im  Stylus  germanicus  verlangte^ 
aber  die  Uebungen  erst  wünschte,  wenn  der  Schüler  recht  viel 
Bealien  im  Kopfe  habe.  (}os<  hickte  Rede,  Briefschreiben  und  ein 
gutes  Carmen  sind  sein  Ziel,  ja  er  vensendet  wöchentlich  eine 
Stunde  auf  die  Poesie^.  Auch  Flattich  verlangt  Uebungen  in  der 
Muttersprache  und  rechnet  dazu  das  deutsche  Verscriiachen*''). 

Aber  nicht  nur  für  den  Unterricht  in  den  Lateinschulen  hatten 
eich  diese  einzelnen  Stimmen  erhoben,  auch  in  den  der  Kavalier- 
büdung  gewidmeten  Werken  des  17.  Jalirliuiulrits  von  Tscliirfihanss, 
Kemm^^rich  und  dem  pseudonymischen  TalaiiderVi  wird  Kcnninis 
der  (dcutsclien)  Muttersprache  und  Uebun;;  in  derselben  verlangt. 
Tahuider  fordert  sogar  .professores  der  deutschen  eloqueuz'*  auf 
den  Akademien.  Aber  es  scheint  doch  bei  der  Theorie  geblieben 
zu  sein,  und  wenn  man  an  die  damalif^e  ]k'.>^chatlt*nh»'it  der  einen 
traurigen  Misciimasch  von  Französisch,  DeuUch  und  Lateinisch  dar- 
stellenden Sprache  der  vornehmen  Kreise  dieser  Zeit  denkt,  kann 
mau  niclit  einmal  bedauern,  dass  die  wülilgemeinten  Vorschläge 
nicht  allgemein  in  die  Praxis  umgesetzt  worden  sind.  Beiläufig  sei 
hier  bemerkt,  dass  in  der  deutschen  Fürstenerziehung  schon  frUh- 
seitig  Unterricht  in  deutschen  Sprach-  und  StQftbungen  auftritt^). 

TJeberbliekt  man  aber  die  zablreichen  Dokumente,  die  uns 
über  den  faktischen  Bestand  von  Unteiricht  und  Erziehung  in  den 
höheren  Schulen  des  17.  Jahrhunderts  Aufeehluss  geben,  so 


Peutsche  (rrauimatioa.  Zum  newen  methodo  der  juxend  zum 
besten  zugerichtet.  Für  die  weyni  n  l  ische  schuol.  .\utr  s(>iuU?rbaron 
farsH.  gn.  befehl.  Gedruckt  zu  Weymor  durch  Johann  Weiduern.  Im 
jar  1618. 

*)  Vgl/u.  a.  K.  A.  Schmtd,  Gesch.  d.  Erz.,  4.  Bd.,  1.  Abteil  (Stuttg.  1896). 
*)  Ebenda  8.  810. 

*)  Siohn  (Inorg  Stoinhausou,  Dio  Mc'i'i  r/ii  hung'  iui  Zeitalter  der 
Perücke  (Mittcilungeu  der  Geseliach.  f.  dtoch.  Erz.-  u.  ächulgescb.«  4.  Jahrg., 
1894,  S.  224). 

•)  QeAchiehte  d.  Bnloh.  d.  bayr.  Wittelsbaeher  von  Prof.  Dr.  Fr.  Schmidt 
(Honun.  G.  Paedag.  Bd.  14).  Im  Register  werden  unter  den  Stichwortesn 
Deutach  und  Briefe  die  betreffcndea  Stellen  verzeichaot. 

22* 

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83Ö   Mittoilungen  d.  G«s.  f.  deutoehe  BniehimgB-  u.  Scholgeeeh.  VIL 


muss  bemerkt  werden,  dass  das  dadurch  gebotene  Gesamtbild  eine 
grosse  Vernachlässigung  der  deutachen  Sprache  iiu  Unterrichte  zeigt, 
das  durch  einzelne  Versaelie,  der  deutschen  Sprache  m  ihrem  Bechte 
SU  verhelfen,  kaum  Terftndert  wird  und  wohl  auch  durch  zukünftige 
Forschungen,  die  noch  eine  Reihe  Yon  Einzelfallen  zu  Tage  ftrdern 
können,  nicht  verftndert  werden  wird. 

Im  18.  Jahrhundert  mehren  sich  die  Zeichen  der  WertschatzuDg 
unserer  Muttersprache,  und  als  das  Horgenrot  der  klassischen  Periode 
unserer  Litteratur  aufgeht«  nehmen  auch  die  Bestrebungen,  der 
deutschen  Sprache  Eingang  in  die  Schule  zu  Terschaffen,  zu;  uud 
nicht  nur  in  Norddeutschland,  dem  Gebiete  der  Luthersprache» 
sondern  auch  in  Oesterreich,  wo  mit  der  Regierungszeit  Karls  VI. 
das  nationale  Empfinden  und  mit  ihm  die  Schätzung  der  deutschen 
Sprache  sich  steigerte,  Im  Jahre  1747  erscheint  dort  die  erete 
deutsche  Sprachlehre,  «die  kaiserlich  deutsche  Grammatik  von 
Johann  Balthasar  von  Antesperg^^  und  zwar  im  Auseliluss  an  die 
obersfn  hf-ist  h-lutherische  Form  des  Neuhochdeutschen.  Um  dieselbf^ 
Zeit  und  noch  vorher  hatte  I^rnaz  Würz  aogetangen,  seine  Schüler 
in  deutschen  Aufsätzen  zu  üben. 

Bald  folgte  der  Jesuit  D'  tti^  der  1766  oino  Sammlung  kureer 
Gedichte  aus  den  neueren  Dicluem  Ueulsciilaiids,  das  erste  Lese- 
buch in  Oesterreich,  herausjrab^). 

In  KorddeuLschlaiid  gniiipieren  sich  alle  Bcftrebunfreu  tür 
deutsche  Sprache  und  Litieratur  um  Gottsched,  dessen  gram- 
matikalische Arbeiten  weithin  gewaltigen  Eindruck  machten  und 
zu  zahlreichen  BcarbeiLuiigeii  tuhitoü,  unter  driifii  sich  auch  ein 
Lehrbuch  prosaischer  und  poetischer  WohliLtieuheit  befindet,  das 
der  spätere  Begründer  des  Dessauer  Philanthropius,  Jobauu  Bern- 
hard Basedow»  17&6  in  Kopenhagen  herausgab. 

Sein  Interesse  an  deutscher  Sprache  und  Litteratur  bethütigte 
Basedow  auch  noch  später  und  mit  ihm  eine  Anzahl  von  MSnuern, 

M  yn\.  K.  Kehrbach,  Jahresbericht  über  die  Litteratur  zur  dtsch. 
Erz.-  u.  rtriuilf^oschirhtf»  des  Jahres  lh;>;>  (Jahresborichte  für  neuere  dtsch, 
Litteraturgesch.,  Bd.  4,  Abt.  1,  i^r.  22i»i,  Stuttgart,  Uüachen  lb95 

')  Ueber  die  Verdienste  der  Jesuiten  um  den  deutschen  Sprachunter- 
richt vgl.  die  Ausgabe  der  Ratio  studiorum  etc.  von  P.  Pachtler  nnd  P.  Duhr 
(Monumenta  üermauiae  paedngog:ica,  Bd.  2,  5,  !),  15),  worin  das  Stichwort 
Deutsch  im  Register  die  nötigen  Anhalte  bietet,  forner  P.  Duhr,  Die 
Btudieuordnung  der  Geeellachatt  Jesu  (Froibur;r  i.  H.  1896.  Bordcri  im 
Kapitel  «Muttersprache*  S.  107—118.  —  Im  entgegeiigi  .^ptzteti  Sinne  au:^sert 
eich  Fr.  Kluge,  Von  Luther  bis  Lessing,  2.  Aull.,  Kap.  9  »Oberdeutscblund 
und  die  KathoKken"  B.  128—144. 


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27.  Deutocbe  Sprache  und  Litteratur  am  Philanthropin  in  D«watt  etc.  337 


die  an  jener  grossen,  anf  ^e  ySIllge  ümgestaltimg  von  Emebung 
und  Unterricht  abzioleoden  Bel  egung  teil  hatten  nnd  durch  die 
Schaftüng  des  Pbilanthropins  zu  Dessau  die  Augen  der  g^ 
samten  gebildeten  Welt  auf  sieb  richteten.  Mit  grosserem  Nach- 
drucke, als  es  bisher  geschehen  war,  forderten  sie  die  Einfügung 
des  Unterrichts  in  deutscher  Sprache  und  Litteratur  in  den  Lehr- 
plan der  höheren  Schulen. 

Eüie  befriedigende  Darstellung  der  philanthropinisttscben  Be- 
strebungen auf  diesem  Gebiete  fehlt  bis  jetzt.  Die  grosseren  Ge- 
Schichtswerke  über  Unterricht  und  Erziehung  bringen  nur  spftrliche 
Nachrichten»  die  im  wesentüicben  dem  Basedow'schen  Methoden- 
buche oder  dem  philanthropinistifichen  Erziebungsplane  fUr  Marsch* 
lins*),  der  zwar  von  Bahrdt  verfaast,  aber  doch  nicht  ohne  Basedows 
EinflusB  und  wahrscheinlich  auch  nicht  ohne  seine  Einwilligung  er- 
schienen ist,  oder  der  Trapp'sciien  Pädagogik  entnommen  sind* 
Auch  die  zahlreichen  Monograpiiien,  deren  Aufzahlung  im  einzelnen 
ich  mir  versage,  gehen  hierüber  nicht  hinaus,  selbst  nicht  das  neueste 
und  umfangreichste  Werk  Uber  den  Philanthropimsmus,  das  Ter> 
dienstliche  Werlt  von  A.  Pinloche •"'j. 

Durch  die  folgenden  Untersuchungen  sollen  alle  bis  jetit 
vorhandenen  Schriften  und  Werke,  von  denen  einzelne  violloicht 
au!=!  nkonomisrhon  (iründen  sich  ein  näheres  Eingeben  auf  dieses 
Tliema  v*'rs;mrn  niussrcn.  tM-gnnzt  werrl^n'*). 

Die  iSchiiler  d»-^  IMiil aiith rupiiis  sollen  zuerst  und  vor 
anderem  die  Mnttf  rsiuache  eiienien,  damit  sie  sich  deutlich  und 
bestiiimil  ausdrücken  können.  Vor  allen  Dingen  iiiüsst'  d  ilur  s^p.sorgt 
werden,  dass  die  Kinder  von  den  ersten  Jahren  an  nuM-tenteils  nur 
mit  solchen  Personen  umgeheii.  die  die  Laudessprai  in;  in  gewissem 
firade  richtig  sprächen.  Die  Unsitte,  Kinder  vor  dem  6.  Jiüire, 
wie  es  damals  in  den  vornehmen  Kreisen  üblich  war,  schon  mit 
Latein  oder  Französisch  zu  plagen,  wird  getadelt.    Sie  sollen  rein 

')  Das  Methodenbuch  für  Väter  und  Matter  der  F.iniilieii  und  Völker 
von  Johann  Bcr.ihard  Basedow,  P.  P.  in  AUona  und  Bremen  17"o. 

Phtluutliropiuischer  £rziebung»plau  oder  voUutüadige  Muchriebt 
von  dem  ersten  mriiidichen  PhilanthropiD  so  Manchlins.  Fmnkf  a.  M.  177Sb 

*)  A.  Flnloehe,  Geschichte  des  Phitaathropinismiu.  Deutsehe  Be* 
arbeitun^  von  J.  Rauschenfels  und  A.  Pinloehe.  Leipzig,  Fr.  Brandstetter. 

^)  Den  liebenawllrdigcn  Förderern  meiner  kleinen  Abhandlung,  den 
Vortttehem  der  von  mir  w&hrend  meines  Aufenthalts  in  Dessau  benutzten 
Bibliotheken,  den  Haren  Geheimer  Hofrat  Dr.  Hosftns,  Oberschulrat  Prot 
Dr.  Krttger,  Hofrat  Kulpe  sei  hier  nochmals  hersUchst  gedankt 


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338     Mitteilungeu  d.  Gea.  f.  deutsche  Enuehungs*  u.  Schulgcsch.  VII. 


und  gut  sprethen,  sollen  sich  wie  mündlich  so  aiRh  srhrüilicli  gut 
ausdrücken,  sollen  zur  Lektüre  der  Muster  der  j^t  l-iiiidt neu  und 
ungebundenen  Rede  angeleitet  werden  und  die  deutsche  Grammatik, 
besonders  die  Orthographie,  gi-ündlich  erlernen,  aber  erst,  nachdem 
die  Zöjrlin<;e  schon  einige  Fertigkeit  im  kurrekteu  Gebrauche  der 
Sprache  erlangt  haben  In  einem  höheren  Kursus  soll  darauf 
noch  eine  Anweisung  zur  Wuhiredeuheit-j  u;egel)eii  werden. 

Wfihrcnd  der  Emile  Rousseaus  in  seinem  12.  Jahre  kaum 
wissen  soll,  was  ein  Buch  ist  und  also  bis  zu  diesem  Zeitpunkt« 
auch  noch  keine  Lesettbuogen  gemacht  haben  soll  ist  Basedow  bis 
in  sein  Alter  darauf  bedacht,  Methoden  zu  erfinden,  die  ein  Mheres 
und  rasches Lesenlenien  möglich  machen*).  Noch  in  seinem  62.  Lebens^ 
jähre,  „noßh  Tielen  theologischen,  philosophischen  und  pädagogischen 
schweren  Arbeiten",  drdngt  ihn  «sein  Gewissen*  dazu,  von  neuem 
der  Verbesserung  der  Lesemethode  sich  zu  widmen,  praktisch  als 
Lehrer  in  dem  Institute  der  Frau  Ealisky  in  Magdeburg,  theoretisch 
durch  sein  »Neues  Wei'kzeug  sum  Lesenlehren''  (2.  Aufl.  Leipzig 
1787).  Bereits  in  seinen  ersten,  das  Lesenlernen  betreffenden  Ver- 
öffentlichungen hat  er  herrorgehoben.  dass  die  Kunst,  Lesen  zu  lehren, 
▼on  ihrer  leicht  erreichbaren  Vollkonmienheit  weit  über  die  HSlfte 
entfernt  sei.  Verderbt  sei  diese  Kunst  nicht,  sie  sei  niemals  gut 
gewesen.  Eine  jede  selbst  auch  , kleine  Annäherung  zur  Voll- 
kommenheit dies  r  Kunst"  sei  wielitig.  Er  weist,  wie  viele  andere 
das  vor  und  neben  ihm  auch  gethan  hatten,  auf  die  grosse  Plage 
hin,  die  das  Lesenlernen  den  Kindern  verursache,  auf  das  dnbei 
ausgestandene  Leiden  der  ächuler,  das  Einilaas  auf  ihr  gaum 

»Die  Grammatik  der  Landessprache  musa  einem  jeden  die  oratA 
•dn;  in  toteo  oder  fremden  bedarf  er  dann  keuier  andern  Regeln,  als 

durch  welche  die  Abweichunj^eu  derselben  von  jener  schon  bekannten  ge» 
Ichrot  wrnlon;  denn  das  FebereinBlimmende  darf  man  ala  bekannt  vorauB- 
eetzen."  ^Üasi'duws  Methodonbuch,  Altona  1770,  Ö.  2Ö9.) 
'J  Poetik  und  iilietorik  (schöne  KüBste). 
Im  vorigen  Jalirbutiderte  hielten  es  auch  hervorragende  Gelehrte 
nicht  unter  ihrer  Würde,  auf  Verbesserungen  'der  Leaemcthude  su  denken, 
ja  dieser  Fr.i^f»  doi^  Elomentanintprnchtf  öffneten  sogar  die  hervorragenden 
Zeitschriften  der  (lain;ili<^'-on  Zeit  ihn-  Si>alten.  Fr.  (iodike  (Aristutele.-*  und 
Basedow  oder  Fragmente  übur  Ejüiehungs-  und  Schulwesen  bei  den  Aitun 
und  Neuen,  BerUn  und  Leipzig  1B79,  S.  12o)  ist  der  Meinung,  .daas  zur 
VerferUgung  eines  Abc-  oder  Lesebuches  mehr  Scharfsinn  und  Beurteilungs- 
kraft als  zur  Kompilation  eines  dickon  Quartantoii  j^ohArn'*.  Auch  Herder 
hat  sich  mit  der  Lesemethode  beachältigt  und  im  .Jahr*'  17--  ^  ciiM'  Lpselibel 
herausgegeben.  (Vgl.  Aütteilungeu  der  Gesellschaft  tür  deutsclie  Kr^ichuiiga» 
und  Schulgeschichte,  Jahrg.  1,  Heft  1,  8.  98.) 


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27.  Deutache  Sprache  und  LiUeratur  am  Philajithropin  in  Dessau  etc.  339 


Leben  haTic.  Es  käme  darauf  an,  dass  die  Kinder  mit  der  min- 
desten Unlust  das  LoBcn  lernten.  Trotz  aller  dieser  ^Yahrend 
seines  ganzen  Lebens  tortgesetzten  Bemiümngen  ist  Basedow  docli 
iiiclit  über  die  Budistabiermethode  hinausgekommen.  Das  ist  um 
80  auffallender  r»ls  zwei  Zeitgenossen  von  ihm,  Amand  Schindler 
und  F.  X.  Iloliuatin,  bereits  für  die  Einführung  der  Lautier- 
Methode  thätig  waren,  und  es  wohl  kaum  denkbar  isi,  dass  Basedow, 
der  aiisdriicldich  behauptet,  die  LitterMtiir  des  Elementar-Leso- 
unterriciitcö,  „die  merkwürdigsten  der  Schriften  dieser  Art",  durch- 
studiert zu  haben^),  beide  Autoren  nicht  keuiieü  gelernt  halten  soll. 

Auch  die  beiden  Phüanthropinisten  Campe  und  Vogel  haben 
l^iicichterungen  im  Lesenlemen  geschaffen,  sind  aber  ebenfalls 
nicht  über  das  Buchstabieren  hinausgekommen.  Ob  Schweig- 
häuser und  Simon,  die  yon  1775  — 1777  als  Lehrer  am 
Phj]«athiopin  thfttig  waren»  mit  den  Ton  ihnen  Terfossten 
Fibeln  Uber  Basedow  und  Campe  hinausgegangen  sind,  kann 
ich  nicht  feststellen,  da  Ton  ihren  Eibeln  kein  Exemplar  aufzu- 
finden war. 

Was  Olivier,  der  als-  Vertreter  der  Lautiermethode  an- 
gesehen werden  kann,  anbelangt,  so  habe  ich  nirgends  einen  Beleg 
gefunden,  dass  er  wfthrend  seiner  15  jährigen  LebithAtigkeit  am 
Philantliropin  seine  Grundsätze  im  Unterrichte  selbst  yerwerfcet 
habe  oder  durch  andere  habe  verwerten  lassen.  Dagegen  ist 
wohl  anzunehmen,  dass  er  in  seinem  eigentlichen  Unterrichts^ 
gebiete,  dem  Französischen,  seine  Methode  zur  AusfUiirung  ge- 
braeljt  hat.  Seine  erste  Schrift  über  die  Anwendung  seiner 
Methode  im  deutschen  Unterricht  erschien  •  erst  nach  der  Auf- 
lösung des  Philanthropins.2)  Das  ist  auch  der  Fall  mit  den 
Arbeiten  Salzmanns  ^  und  Wolkes^)  über  den  elementaren  Sprach- 

Neues  Werkzeug  S,  1—2,  und  Unorwartlich  grosse  VerbeMeTOng 
der  Kunst  Lesen  zu  lehren,  Leipzig  und  Hamburg  llbb,  S.  3. 

Die  Kunst  Lesen  und  Rechtöchreiben  zu  lehren  auf  ihr  einzig- 
wahres,  höchst  einfaches  und  untrügliches  Grundprinzip  zurückgeführt. 
Bnter  theoretischer  TelL  1.  Bd.  Dessau  1801.  —  üebsr  Olivier  vgL  auch 
Hcinr.  Fochner,  Die  Methoden  dos  ersten  Leseuntenichts.,  Berlin  1882, 
g.  I;M  ff.  uiul  C.  Kohr,  Gesch.  d.  Methodik.  1.  Bd.  (Gesch.  d.  deutsch, 
Uati'rr.  in  der  Volksschule,  (iotha  18S9),  ö.  60  IV.  Nach  Fechner  S.  140 
hat  Olivier  bereits  auf  dem  Philanthropin  einige  Hilfsmittel  auch  für  das 
Deutsch-Lesen  ausgearbeitet. 

^  Konrad  Kiefers  Abc-  und  Lesoboehleüi,  oder  Anweisung  anf  eine 
leichte  und  angenehme  Woisr»  d:H  Losen  zu  lehren. 

*)  Ersto?  Lesebuch  für  sechs-  bis  zwelQarigo  Kinder  und  fUr  ire  fiboL- 
lerenden  und  erzihenden  freunde.    Berlin  und  Leipzig  1820. 


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340     Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VH. 


Unterricht  Allerdingi?  wird  bereits  aus  dem  Jahre  1776  berichtet, 
datiö  WoLke  ,mit  zweien  kleinen  I't  iisiouisteu  eine  Probe  seiüer 
neuen  i.rliuduug  zur  Krloichteruüg  de«  Lessens  ^MMiiacht  habe"^). 
Worin  jedoch  diese  Krk-ichterung  bestand,  wird  iiichl  init<reteilt. 
Auch  in  seinem  Berichte  an  den  Fürsten  Tiauz  vuu  De6.>?au  vom 
Mfirz  1782  spricht  Wolke  Ton  einer  für  die  unterste  Klasse  des 
PliilanthropmB  bestimmten  Arbeit»  in  der  er  dfts  Lesenlemen 
^befördern*  'wiU^.  Ob  diese  Arbeit  aber  gedruckt  worden  ist, 
konnte  nieht  festgestellt  werden. 

Üaa  Lesen  sollen  die  Kinder,  wie  alles  andere  im  Philau- 
thropin,  spielend  erlernen.  Den  Leüeübungen  an  der  Lesemaschine, 
an  der  Tafel  oder  im  Buche  gingen  dreierlei  Spiele  voraus:  das 
Spiel  der  xiubspraihe'),  wobei  dem  Kinde  zuerst  NOkale  und 
Konsonanten  vorgesprochen  werden  und  dann  aus  einzelnen  Worten 
die  Lippenbucbstaben  (tn,  b),  die  Zuugeubucbstaben  (d,  l,  n),  die 
Kehlbuchstaben  {h,  g)  und  die  Zahnbuchstaben  («,  sck)  von  den 
Kindern  herausgefunden  werden  müssen.  Darauf  folgt  das  Buch- 
stabeni^iel  (Kleines  Buch  für  Eltern  und  Iiehrer,  S.  69):  dem 
Kinde  werden  82  weisse  Karten  in  die  Hftnde  gegeben«  auf  denen 
Volrale  und  Konsonanten  aufgezeichnet  sbid.  Zuerst  wird  die 
Karte  mit  dem  a  ausgegeben»  dann  die  mit  den  folgenden  Buch- 
Stäben.  Darauf  müssen  die  Kmder  aus  dem  Kartenhaufen  die 
einzelnen  Budistaben,  die  ihnen  vorgesagt  worden  sind  und  deren 
Qestalt  sie  sich  eingeprägt  haben,  aussuchen.  Das  Buchstabier- 
spiel, das  auf  das  Buchstabenspiel  folgt»  soll  die  Zusammensetzung 
der  Buchstaben»  das  Syllabieren,  üben.  Die  Kinder»  die  sich  bei 
diesen  Spielen  auszeichneten,  wurden  belohnt»  sei  es,  dass  sie 
Rosinen,  Birnen  oder  Aepfel  zu  essen  bekamen,  ein  Bild  ansehen, 
auf  einem  Instrumente  spielen»  einen  besonders  verzierten  Uut 
aufsetzen  durften  oder  von  den  anderen  Kindern  eine  ehrerbietige 
Verbeugung  erhielten. 

Zur  Erleichterung  fordert  Basedow  eine  Buchstabiertabelle, 


1)  Perd.  Lentae»  Beitr.  x.  gesch.  der  philantiiropuie  üi  Dessau  u.  Manch» 
Uns.  S.        Bcila^^e  zum  29.  Jahresbcr.  des  erang.  BehuUehrenemjnars  in 

Karlsruhe  i KarlHrulu-.  Cli.  Th.  Groos  1876). 

3)  F.  P.  iiietzold,  Wolke  am  Fhilanthropin  au  Dessau,  Leipsiger  Dlaa, 

1890,  S.  112. 

')  In  der  üeschichte  Franzend  (Basedow,  Element.nrwfrk,  Bd.  1» 
B.  22  ff.)  wird  eine  Eutwickelung  der  Sprechübimgeu  vom  IVühfotea  Kin- 
desaltw  m  gegeben. 


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27.  Deuucbe  Sprache  und  Litteratur  am  FbUanthropin  ia  Dessau  etc.  ö41 


,1d  der  die  Lippon-,  Zungen-,  Kehl-,  Zähnebuchataben  u.  8.  w.  zu- 

aammengestellt  sind"^). 

Um  '{t  ri  Kinderu  die  Lesoübungeii  aiigenohm  zu  machen. 
"Wählt  Ol-  in  isemen  Uebimgsbüchem  vorzugsweise  Worte  und  Satze, 
deren  Inhalt  den  Kindern  lieb  ist:  meistens  beziehen  h'w  sirh  auf 
Speisen  und  (jeliüiike,  im  Gegensatz  zu  den  sonst  üblichen  Bücliern 
den  Elementarunterrichts,  die  fast  ausschliesslich  biblische  Stolle 
und  moralische  Sprüche  enthielten. 

Eingeübt  wird  zmiät  hst  nur  dnü  kleine  deutsche  Alpli.ibet^), 
dessen  Figuren  die  Kinder  nach  Bu.sedow  am  leiclitesten  an  ge- 
backeneu Buchstal)en  kenneu  lernten,  was  Wolke  schon  früher 
betUrwortet  hatte.^)  Basedow  schlägt  allen  Erostes  Tor,  dass  in 
jeder  grossen  Stadt  ein  eigener  Sehoibfteker  oder  bei  jedem 
Bücker  ein  eigener  Korb  mit  Schulware  sei.  Nach  seinen  Er- 
fahrungen bedürfe  ein  Kind  4  Wochen  des  Buchstabeneseens,  um 
das  ganze  Alphabet  sich  eingeprägt  zu  haben.  Der  Schwer- 
punkt wird  bei  allen  diesen  Lesetthungen  auf  die  gute  Aussprache 
gelegt. 

Mit  welcher  Sorgfalt  das  Lesen  am  Philanthropm  gettbt 
wurde,  geht  aus  den  Erörterungen  Jaspersons*)  hervor.  Zum 
guten  Lesen  gehüre  nicht  nur  reine,  deutliche  Aussprache  einzelner 
Buchstaben,  Silben  und  Wörter,  nicht  nur  die  mechanische  Fertig- 
keit; im  fliessenden  Vortrag  ganzer  Sfttze  und  Perioden,  sondern 

>)  Band  1,  B.  81  von  Basedow,  Das  Elementarwerk,  ein  Vorrat  der 
besten  Brkenntnisse  sum  Lernen,  Lehren,  Wiederholen  und  Nachdenken, 

A  Bftndc,  Dessau  1774. 

Virl.  T.  H.  Bii^^fflow.  Klfine.s  Buch  für  Kindrr  aUf»r  Stünde.  Erstoa 
Stück.  Mit  drey  Knptertalein  1771  („die  Veruuntt  h,1tto  uns  nur  ein 
Alphabet  empfohlen*),  Neues  Werkzeug  S.  91.  —  MerkwtU'dlgerwei«e  will 
Basedow  im  Plane  des  wahrim  PhUantbroplnume  das  elementare  Lesen  an 
dem  kleinen  lutoinisehen  Alphabete  iomen  lassen  (Plan  des  wahren 
Philanthr.  r?r.  n.  StfJrk  do?  l'hilanthr.  Archive,  Dessau  177«),  6.'>).  \n 
dem  Kinderbuch,  das  er  beabsichtigte  herauszugeben,  sollte  der  erste 
Teil  „mit  lanter  Lettern  des  kleinen  teutschen  Alphabets  gedruekt",  der 
«weite  and  stärkste  Teil  sollte  „teutsche  kleine  und  grosse  Lettern**  und 
der  dritte  „laiiter  lateiniiichen  Druck  mit  unteruiiscliten  grossen  und  kleinen 
Lettern"  enthalten.  Er  macht  dubei  in  einer  Anmerkung  den  Vorschl.ng, 
„teutöche  Bücher  nur  mit  lateiniächeu  Lettern  drucken  zu  lu&sou*',  die 
Kmder  brauchten  dann  nur  die  zwei  lateinischen  Alpliabete  lesen  und 
•ehreiben  zu  lernen. 

■)  Padagog.  ünterhandl.  1777. 

*)  Etwas  über  die  deutschen  Lesesttind'Mi  im  Institut  (Philanthr. 
Journal  für  die  Erziehung  und  daa  Publikum.  Vierte.s  Vierteljahr  dos 
fünften  Jahrganges.  Dessau.  Im  Wonnemond  1784,  S.  o47~60aj  iS.  549. 


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342     Mitti  ilunpren  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehunps-  u.  Schulgoscli.  VII. 


auch  eine  richtige  Abmossnng  des  Tones  «nd  die  geschickteste 
Modulation  der  Stimme.  Von  allen  Lehrern  wird  verlangt,  dass 
sie  durch  ihr  Vorlesen  den  Schülern  ein  nachalinnin?r^wert(  s  Bei- 
spiel gehen').  Da,  wo  das  nicht  der  Fall  ist.  wird  es  getadelt. 
Bo  an  dem  LeJirer  Lenz,  an  dem  hoi  der  PrüfuDg  am  19.  Oktober 
178Ö  die  saclisisciie  Provüizialau^spraciie  bemerkt  wurde-). 

Zur  Förderung  im  mündlichen  korrekten  Gehrauch  der 
deutschen  Sprache  waren  am  Phiianthropin  in  dr-n  or^^ten  Jahren 
seines  Ijp=!teheu8  füi*  die  Zöi:linp:p  der  mittleren  und  unteren 
Klassen  noch  besondere  Konversationsstunden  eingerichtet, 
die  vom  Jaini.a-  his  .Tohannis  1778*)   von  NpiH»ndorf  mit  der 

2.  Klasse  dfi-  kleinen  rhilanthropisfen  in  wiMlunt lieh  ß  Stunden 
abgehalten  wunlcn.    Von  Johnnnis  177Ö  bis  U>t< m  1779  hat  die 

1.  und  2.  Klassi'  der  kloinfn  Fhilaiithropisten  wKlieutlich  2  Kon- 
versationsstunden (Mittwoch  und  J^t»nn;ilMMid  von  2 — 3  Uhr),  die 

3.  Klasse  jedoch  täglich  von  6 — ^  Ulir  und  zwar  mit  der  1.  und 

2.  vereint^),  so  dass  die  1.  uüd  2.  Klaase  wöchentlich  14  Kuu- 
versationsstunden  hatten. 

Bei  der  Ausijüduug  im  mündlichen  Auxii  iick  liat  Ikir-cilow 
auch  «innial  an  das  Knmöd iens pielen  gedaciit.  Auch  von 
Baladl  wiifl  in  dem  pliilaiiihropischen  Erziehuugsplane  als  Schluss 
der  Deklaniatiunäübungen  das  Komödienspiel,  für  das  in  Mai-sch- 
lins  ein  eigenes  Theater  eingerichtet  worden  war,  aulgestellt. 
Es  sollten  aber  nur  besondere  EindelicomÖdien  zur  Auffilhrung 
gelangen^).  In  seinem  Elementarwerk  (Bd.  4  [1774].  S.  246) 
dagegen  erklfirt  Basedow  sowohl  das  Komödienspiel  als  auch  die 
Oflrentlichen  Redeübungen  für  ein  schädliches  Spielwerk  und 
schlagt  statt  dessen  vor:  Vorlesungen  im  Hause  oder  in  der 
Schule  vor  einer  grosseren  Cresellschaft  mit  daraufTolgenden 
Diskiissionen,  femer  Memorieren  und  VortrAge  erst  kleinerer,  dann 
grosserer  Reden,  zuletzt  kurze  ^Extemporalreden*.  Trotzdem 
sind  auch  späterhin  (nach  1774)  Komödien  aufjgefOhrt  worden,  so 


>)  Ebenda  S.  ö52. 

^}  ProtoknlU  iich  der  mdagogischen  Gesellschaft,  8.  78. 
3)  I'ndag.  liit<^rhandl.  17"h 

*)  0.  Franke,  Beitrage  zur  Gesch.  des  Philanthropina  zu  Deasuu  (K. 
Eebrbacb,  Mitteilungen  der  OeBellsch.  f.  dtscb*  Erziehungi-  n.  Scholgesch.» 
Jahrg.  2  (1892)  B.  40). 

*)  Pliilanthropi«ti9Pher  Erziehungsplan  oder  voll^tfliidipn  Narhricht 
von  dem  erraten  wirklichen  PMlanthropin  zu  Marschlins,  Frankfurt,  a.  2iL 
1776,  S.  6G  u.  371. 


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27.  Deutsche  Sprache  und  l/Uteiatiir  am  Philanthropin  in  Dessau  etc.  343 


nach  dem  grossen  Examen  am  15.  ilai  1776').   Am  24.  November 

desselben  Jahres  fiihren  die  .kleinen  Pensionistea"  ein  von  ihneo 
selbst  gefertigtes  Lustspiel  auf.^  Auch  Neuendorf 3)  berichtet 
von  .Kinderschauspielen'*,  und  am  27.  Dezember  1782  wird  ein 
von  S.uid  r.  einem  Lehrer  ain  PhÜanthropiu,  abgefasstes  Schauspiel 

aul'get'üiirt/*) 

Mit  den  TVbüH'JT'^n  im  Sprechen  und  Lesen  wurden,  nachdem 
das  Srhreibeu  in  ih  r  unlerstcu  Kla.sse  in  besonderen  Schreib- 
stuiidm  erlernt  wurden  war.*)  IJehnnuMMi  im  schriftlichen 
Ausdruck  verbunden.  Hierbei  tral«Mi  auch  schon  frramniatil\a- 
lisehe  Beb  brunL^cn  ein.  oluie  dass  jednrh  den  Scliüh  nt  zuuäch.st 
eine  wirkliche  Unuuuiauk  in  dif  llaiido  gegeben  wurde.  Di  iin 
man  könne,  sagt  Neueudorf und  zwar  in  Uebereinstimmung  mit 
Basedow,  Campe,  Trapp,  Wolke  u  a..  auch  ohne  nur  das  Wort 
Grammatik  zu  neuueu,  schon  frülizeitig  Sprachriciitigkeit  fiben 
und  beim  Fortschritt  die  meisten  grammatikalischen  Kegeln  in 
dem  übrigen  Sprachunterricht  erwerben,  so  dass  die  Zöglinge, 
wenn  sie  spftter,  nach  Absolvierung  der  mittleren  Klassen,  die 
Grammatik  in  die  Hände  bekommen,  die  Hauptsache  derselben 
schon  ziemlich  wissen.  Diesen  Weg  habe  das  Phüantfaropin  ge- 
wählt und  die  Jugend  auf  denselben  gleich  vom  Anfonge  des 
deutschen  Sprachunterrichtes  geführt.  —  Tritt  nachher  der  eigent- 
liche grammatische  Unterricht  ein,  so  verlangt  Basedow^  Deklir 
nations-  und  Eonjugationsilbungen.  die  I<ehre  vom  Satze  und 
Kenntnis  der  grammatischen  Kunstwörter.  Er  fordert,  dass  viel 


J.  G.  Schummel,  Fritzens  Reise  nach  Dessau  u.  s.  w.  und  P.  B. 

von  rjnchow,  Authen tisch o  Xarliriilit  u.  8.  w.  (s  Neudrucke  pAdago- 
giecber  Schritt 'ti  von  A.  Richter,  C,  Ö.  i-A  u.  7iJ. 
3)  Vgl.  F.  Loutz  1.  c.  S.  .'}S 

')  Is'uchricht  von  der  gegenwartigen  Vcrfasaung  des  Erziohungs- 
institulB  SU  Dessau.   Dessau,  im  Mal  1785,  S.  61. 

*)  Sander,  G.  F.,  Pusillana,  ein  Schauspiel  In  4  Aufsogen,  im 
DessAuiscben  Ersiehungsinstitute  aufgeführt  d.  21,  Dexember  1782. 
Dessau  1183. 

*)  Auffällig  i.st.  (l;ls^<  im  Philanthrupin  die  Sehroib-Lese-Arcthode  nicht 
zur  Anwendung  gekomuien  ist,  obwohl  r»in  nhemaliger  hervorragondor 
Lehret-  des  Philanthropins*,  Ernst  Chru.  Trapp,  sie  vertritt  (Versuch  einer 
Pädagogik  V,  B.  Chr.  Trnpp.  Berlin  1780,  B.  861—362).  Vgl.  auch:  Allge- 
meine Revision  des  gesammten  Schul-  und  Erciehungswesens  hrsg.  v. 
J.  H.  Campe,  1"  Tf>il,  Wien  und  Braunschweig  1701. 

«)  Nachrichr  ^. 

')  Eleuieaturwerii  iid.  4,  b.  210. 


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vi44    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deuti^che  Erziekungs-  u.  iSchiilgearh.  VIL 


diktiert  und  von  Zeit  zu  Zelt  nach  dorn  Nominativ  des  Nomens ^) 

und  dem  Infinitiv  der  Verben  gefragt  werde.  Spfitcr  vrerdc  die 
Syntax  ihnen  erklärt  und  jede  Regel  durch  mehrere  Bf'isi.iele  er- 
läutert. Den  psycliologischen  Grundsätzen  des  Unterrichts  zu- 
widerlaufend ist  Pxisedows  Vorschlag,  dass  der  Lehrer  ein  gram- 
matikalisch sehr  fehlerhaft»^s  Buch  mit  bekanntem  Inhalt  zusammen- 
tragen möge.  Die  Schüler  sollten  sodann  alle  Fehler  «sowohl 
wider  die  Regeln  der  Endigungen  als  wider  den  WoiilauL'  ver- 
bessern. Basedow  halt  es  lür  nützlich,  ein  solches  Buch,  worin 
die  Fehler  in  Klassen  gebracht  werden,  füi-  jede  Sprache  diucken 
zu  lassen. 

Grosse  Aufmerksamkeit  wurde  der  Orthographie  zugewandt. 
Die  hervorragenden  Philaiitli  10}) iuisten  des  Dessauer  Philanthropius, 
Basedow,  Campe,  Trapp,  Wolke,  haben  sich  mehrfach  damit  be- 
schäftigt, ohne  jedoch  in  den  Einzelheiten  übereinzusünuiien. 
Dieser  Gegenstand  hatte  in  der  damaligen  Zeit  allgemein  die 
Geister  erregt,  unter  ihnen  auch  Elopstock^.  dessen  Partei  das 
Philantbropin  (Wolke)  nahm,  wenn  es  auch  nicht  TOIlig  sidi  ihm 
«oschloss.  Durch  diese  Teilnahme  aher  wurde  eine  derbsatyrische 
Schrift  hervorgerufen^. 

Die  VerGffenÜichungen  des  Phila&fhropins  sind  zum  Teil  in 
einer  Ten  der  damals  allgemein  Üblichen  Schreibweise  abweichen- 
den, aber  nicht  Iconsequent  durchgeführten  Orthograplüe  gedruckt 
Der  Grundgedanke  bei  diesen  Reformbestrebungen  war  der«  es 
solle  nichts  Ueberflflssiges  gethan,  nicht  Buchstaben  geschrieben 
werden,  die  gar  nicht  ausgesprochen  wllrden.  Wenn  die  vielen 
fiberflttssigen  Buchstaben  ausgelassen  würden,  so  werde  dasLeseu- 
lemeu  erleichtcit;  denn  je  kürzer  die  Worte  geschrieben  würden, 
um  so  schneller  könnte  man  sie  ttbersehen.  Den  Schreibenden 


')  Basedow  glaubte  den  bekannten  lateinischen  Kunstwörtern  dorcb 
Abkftrzung  der  EndsUben  ein  deutsches  Ansehen  Ngeben  zu  können.  Statt 
shigulBria  sagte  er  sin^lar,  etfttt  maaculinum  mascuUn,  statt  verbum  ein 
▼erbe,  statt  die  nomina  die  noniens.  (Btteedow,  Lehrbuch  proeaiedier  und 
poptiBcher  Wohkedenheit  in  verschiedenen  8ebreibarten  u.  e.  w.,  Kopen- 
ha^^cn  iTöG.) 

^)  Uebor  spr&cbe  und  dicbtkunst.  fragmente  fou  Klupätock,  H:un- 
burg  1779. 

')  Die  allemcuesto  deutsche  Orthographie  des  18.  Jahrhunderte, 
erfunden  von  Klopstock,  nachirivihmt  von  d*^m  Dossmii-^chen  Er7;if»hnng8- 
institute.  ausgezischt  von  der  gelehrten  Welt,  und  Ubergej^angen  in  die 
VergesscnhoiL  Herausgegeben  von  einem  Mcnnonitcn.  Frankfurt  und 
Leipzig  1779. 


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27.  Deutsche  i^prnche  und  Litteratur  um  Philanthrupin  in  Dessau  etc.  345 


aber  würde  viel  Zeit  und  viel  Papier  oi-spart.  BerechiRie  iUn-M 
Wolke,  dass  die  „'£)eut8d)cu''  durch  Aniiahint'  seiner  ^Sclneibregel- 
lehre"  (d.  i.  Orthoj,'raphie)  jährlich  10  000  Jahre  Arbeit  oder 
5  Millionen  Thaler  für  ^uuütse  staben"  (Buchstaben)  ersparen 
würden*).  Das  e  als  Dehnungszeichen  soll  von  nun  an  wegbleiben: 
di  statt  die,  si  statt  sie,  dittm  statt  dienen  u.  a.  m.  Ebenso  geht 
es  mit  dem  also  fiOm  statt  fUkim,  hnn  statt  l^ren,  Oren  statt 
OkftH,  fdt  staHifehlL  dt  wird  in  k  umgewandelt,  daher  Stük  statt 
^Sck;  Uf  in  m:  Nuam  statt  NuiMeii.  Die  DoppeUtonsonanz  rnntj 
NR,  U  wird  Yereinfacht,  also  Qtwm,  Himt,  Schal,  kel,  wU  statt 
£7ai0tNfi»  stimmi,  SekaU,  hdl,  witt;  S8  wird  zu  eiofa«shem  «:  FteU 
iOr  Fleu8.  —  Wolke  will  auch  die  erste  Gestalt  der  Worte 
wiederherstellen  und  achreibt  daher  axe  (weil  lateinisch  axi»),  fw 
(engl  fogs),  oxe  (engl,  osr)  statt  aekte,  fudts,  oehse^).  Er  weist 
darauf  hin,  «dass  hisher,  wenn  eine  Silbe  lang  oder  gedehnt  aus* 
gesprochen  wird,  gewöhnlich  bald  dieser,  bald  jener  Buchstabe, 
der  sonst  nidit  nötig  wftre.  cum  Zeichen  dieser  Dehnung  gebraucht, 
und  bald  so.  bald  anders  eingeschoben  oder  angesetzt  werde,  .  .  . 
ferner,  dass  viele  Silben  gedehnt  ansgesprochen  werden,  ohne  dass 
man  ein  Dehnungszeichen  setzt" ^.  Die  ^wildfremden  Buchstaben* 
ph  und  c  düifen  nach  seiner  Meinung  nicht  beibehalten  werden, 
ebensowenig  der  Gebrauch  dreier  Zeichen  (ph,  /*,  v)  für  einen 
Laut*).  Oleicliwohl  will  er  mit  seiner  neuen  Orthographie  nicht 
FO  weit  gehen,  „dass  man  die  Siinuhe  j^ati/,  nach  der  Aussprache 
biegen  nilisse".  Er  hat  sogar  einige  h,  die  später  allerdings  n^ch 
getilgt  worden  uiiissten,  zunächst  stehen  lasifu.  damit  sich  ,nur 
erst  da.N  Auge  an  die  Auölasöung  desselben  in  dm  Silben,  die  mit 
einem  S(lt)stlatite  enden,  einigennassen  gewöhne."^)  Basedow 
schreibt  ck  (kk)  in  den  Fällen,  in  denen  naeh  seiner  Meinung 
beide  k  gehört  werden,  also  wecken',  ebenso  U:  setzen. 

*)  Anleit  zur  deutschen  (jeBuuitsprache  ucler  zu  Krkennnng  und  Be- 
richtigung einiger  (zu  wenigst  20)  tausend  Spraclilehler  in  der  hoch- 
deutschen Mundart.  Von  Cbristfan  Heinrich  Wolke,  Dresden  1612,  8.  M  ff. 
Von  dem  Gesichtspunkte  der  Ersparung  aus  betrachtet  auch  der  PhilAn- 
thropinist  Villaumo  in  seinem  »Praktischoii  Ilandburh  fOr  Li'hror  in  liürg-er- 
und  Landschulen  (iJe.ssau  17Si.  Im  Verlage  der  luatltuttibuchliaudlung)* 
die  orthographische  lieform. 

')  Wi  die  Rechtschraibunc^  der  deutsehen  Sprache  bestimmter,  im 
ganasen  gleichförmiger  und  leichter  werden  kann  (Philanthrop.  Journal, 
4.  Quartal  den  2.  Jahrganges,  Dessau,  Juli  1179,  8«  611). 

^1  KItenda  S.  GO!). 

«)  Kbenda  S.  Üi9. 

•)  Ehend*  8.  «11. 


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346     Mitteilungea  d.  Ges.  t  deutsche  Bniehunga-  u.  8chulgeach.  VII. 


Bei  anderen  Lautverbindiingen  gehen  die  Philanthropinisten 
Hiebt  soweit  wie  Klopstoek»  der  die  Regel  aufstellte,  die  Worte 

80  zu  schreiben,  wie  man  sie  nach  einer  guten  Aussprache  hörte, 
also:  ßr  färde  sin  di  ärdepfel  samt  den  hleUern  statt  vier  pferde 
äikn  di  erdäpfel  samt  den  blättern  (so  Wolki )  oder:  es  fäll  fU 
sUtt  es  fehlt  vil  (Wolke).  Auch  Trappt)  hat  die  Kogel  aufgestellt: 
„Schreibe,  was  du  hörst!"  fügt  aber  hinzu:  „Siehe  auf  die  Ab- 
stammung der  Wörter!  Siehe  auf  Verlnn«:pning  der  Wörter! 
"Richte  dicli  nach  der  ^lode!"  und  bemerkt  zugleich,  dass  diese 
Kegeln  oft  einander  aiil'hi'l)cn. 

Die  Schwierigkeiten,  bestimmte  liegein  aufzusirllcn,  haben 
die  Philanthropinisten  auch  wohl  eingesehen,  und  sie  kniniD'Mi  daiia 
immer  zu  dem  einzigen  Auswege,  durcii  vit'lcs  Leseu,  DikLiereu 
und  Korrigieren  die  nötige  Sicherheit  im  orthogiapliischeu  Schreiben 
bei  allen  Sckülera  zu  erzielen.  Auch  Tra[>p  sieht  das  Bedeiiklii  lie 
in  der  Regel:  „Schreibe,  was  du  hörst*  ein  und  veiiuugl  daher 
mehr  Uebung  im  Abschreiben  als  im  Diktatschreiben,  da  die  Ortho- 
graphie mehr  eine  Sache  der  Augen  als  der  Ohren  sei.  Dabei 
Verden  im  einzelnen  folgende  Voracluifton  gegeben:  „Wenn  einem 
etwas  korrigiert  wird,  so  soUen  alle  Anteil  nehmen.  Es  soUen 
den  Kindern  oft  WOrter  mit  Verstössen  gegen  die  Orthographie  an 
die  Tafel  geschrieben  werden  nnd  man  soll  sie  dann  sagen  lassen, 
wie  es  recht  geschrieben  werde*.  Auch  in  dem  Bericht  von  1778 
^dag.  Unterhandlungen  7.  Stück)  wird  von  Trapp  erzählt,  dass 
er,  um  die  Schüler  des  Philantbropins  in  der  Orthographie  und 
im  rechten  Gebrauch  der  Unterscheidungszeichen  zu  befestigen, 
bisweilen  nach  Anleitung  der  Basedowschen  Teutschen  Grammatik 
etwas  Fehlerhaftes  berichtigen  lasse,  »welches  eine  sehr  gute 
Uebung  sei^ 

Dass  hierbei  die  Belohnungen  und  Strafen  eine  grosse  Rolle 
spielten,  ist  ganz  im  Geiste  der  Fhilauthropinistcn^.  Basedow 

*)  Versuch  eiuer  Pädagugik,  Berlin  I7t^. 

.Wenn  es  in  der  Kirschenzelt  ist,  bekömmt  jeder  dos  Morgens 
ein  oder  awel  Dutzend  Kirschen,  die  ihm  aber  nicht  in  die  Hilndo  gogehm 

werden,  sondern  vor  eeineu  Augen  in  Schiichtelchon  oder  andern  GoiiLssen 
etehen,  dio  mit  dem  Namen  der  Schüler  hrt/^cichnct  aind,  so  tlass  ein  joilor 
das  Seinige  kennen  kann.  Wenn  nun  der  Lehrer  die  Utk-lier  durclmieht, 
idnunt  er  tOr  jeden  Fehler  aus  dem  Schnchtelchen  demjenigen,  der  ihn  ge< 
nacht  hat)  eine  IQrsehe  und  legt  sie  in  ein  besonderes  Geßit».  Soviel 
einer  nun  Fehler  macht,  soviel  Kirschen  ist  er  dos  Mittag^s  weniger,  und 
die  verlorenen  worden  an  die  Bedienten  aus^^etoilt.  Weitorlün  im  Jalir 
macht  man  es  mit  anderem  Obst  ebenso,  um*  duss  ein  Aplel  oder  cijio  Birn 


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Deutsche  Sprache  und  Litteratur  am  PhUauthropin  in  Dessau  otc.  S47 


Terlangt,  dass  die  Kinder  fehlerhaft  Geschriebenes  Terbessert 
kopieren  sollen,  wobei  Yorher  die  orthographischen  Regolu,  «wenn 
die  Kinder  sie  verstehen  können",  Toigeführt  werden^). 

Fehler  in  der  Bechtaehreihung  soleher  Wörter,  die  selten 
Torkommen,  müsse  die  Jugend  selbst  in  ein  S4Areibbuch  eintragen 
nnd  das  Verbesserte  nebst  dem  Fehlerhaften  hinschreiben. 

Jasperson  in  seinen  noch  ungedruckten  und  bisher  nicht  be- 
nutzten Berichten  Uber  seine  französischen  und  deutschen  Stunden 
teilt  unterm  23,  September  1782  mit,  dass  er,  „um  die  ortho- 
gi-aphischen  Uebungen  auf  melir  als  eine  Art  lehrreich  und  allge- 
meia  iotorpssant  zu  nukchen",  die  Gescliichte  des  misstrauischen 
und  furchtsamen  Dionys  za 'Syrakus  ans^cwütilt  habe,  sie  dann 
von  einem  Schttler  periodenweise  an  die  Tafel  sclireiben  und  darauf 
die  Fehler  von  den  übrigen  der  Reihe  nach  habe  verbessern  lassen. 
Er  habe  dabei  die  allgemein  brauchbaren  fiegeln  der  deutschen  > 
Orthographie  augebracht. 

Wenn  trotz  aller  dieser  Bemühuut^en  es  sich  bei  den  Prü- 
fungt'ii  herausstellte,  daf<s  die  Schüler  selbst  in  der  obersten 
Klrtsse  noch  Verstösse  gegen  die  Orilioij;iaphie  maehten,  so  lässt 
sieh  (las  nur  aus  dem  Umstände  erklären,  dass  eine  bestimmte 
Orthographie  nicht  konsequent  durchgeführt  war.  Die  im  riiilan- 
thropin  benutzten  Bücher  zeifir^^n  die  verschiedeiiaitiirste  Schreil»- 
weise,  ebenso  uie  die  VeruHeuilichungen  des  I*hilauthropius  selbst. 
Nicht  einmal  iju  philanthropischen  Lesebuche  sind  die  Regeln,  die 
Wolke  für  dasselbe  aufgestellt  hatte  2),  befolgt  wordeu.  Dazu  kam, 
dass  die  im  Philanthropin  angewandte  Methode,  wonach  die 
Schüler  verbesserte  Worte  mit  den  fehlerhaften  in  eütem  Hefte 
nebeneinander  eintragen  mussten,  und  wonach  ferner  der  Lehrer 
Worte  und  Sfttze  abslchüich  falsch  an  die  Wandtafel  aufschrieb, 
damit  die  SchOler  sie  nachher  verbesserten,  eine  Sicherheit  im 
Orthographisch  richtig  schreiben  nicht  aufkonmien  lassen  konnte, 
da  auf  diese  Weise  das  Bichtige  mit  dem  Falschen  dem  Auge 
und  Gedftcfatois  sich  gleichwertig  einprägte. 

nur  durch  vier  Fehler  ganz  vorlohron  gehen  kann.  Hat  man  kein  übst 
mehr,  so  thue  man  dasselbe  mit  anderen  esabaren  oder  nicht  easbarou 
Dingen,  die  den  IQndern  Ueb  sind.  Man  wird  in  knrzer  Zeit  es  dolitn 
bringen,  dasa  sie  gut  buclistabieren  und  richtig  schreiben  lernen.*  Trapp, 
Pädagogik  S.  109— liü. 

Basedow,  Teutsche  Grammatik  \^Eleinentar\vetk  4,  L'IT). 
^  Wolke,  Von  der  deutschen  Rechtschreibung  (philanthropisches 
Lesebuch  fOr  die  Jugend  und  iro  Freunde.  Das  virte  Virteljar  des  *Jton 
Jahrgangs.  Dessau  im  julius  1*79. 


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348    UttteUungeii  d.  Ge«.  f.  deutsche  Braiehnngs*  u.  Schulgesch.  VII. 


"Bei  den  schriftliclien  Arbeiten,  die  eich  an  die  zabl« 
reichen  Uebuiigen  im  mttndlicben  Ausdrucke  ansdüieBBen  oder  mit 
ihnen  einherlaofen,  Terlangt  Basedow  mit  der  Beschreibung  anzu- 
fangen. Wie  bei  den  Lese-  und  Spreebfibungen  nur  Stoffe  ver- 
wendet wurden,  die  den  Kindern  in  Wirldichlceit,  im  Bilde  oder 
Modell  vorgefahrt  werden  konnten,  so  sollten  auch  die  ersten 
schriftlichen  Uebungen  sieh  mit  dem  beschäftigen,  was  die  EiAder 
mit  den  Sinnen  wahrnehmen  kOnnen. 

Die  Schüler  sollen  zunächst  ein  Zimmer,  ein  Haus,  einen 
Garten,  eine  Gegend,  eine  Stadt  beschreiben;  sie  sollen  sodann 
erzftblen,  was  sie  erlebt  oder  gelesen  und  was  andere  ihnen  erzählt 
haben.  Daran  sollen  sich  Lebensbeschreibungen  und  Charakte- 
ristiken anschliessen,  wozu  Nepos  und  Plutarch  benutzt  werden 
können  oder  besser  Personen  des  Familien^  und  Bekannten- 
kreises. Die  schriftlichen  Arbeiten  erstreckten  sich  weiterhin 
auf  Buchhalten,  auf  Abfassung  von  Kontrakten,  Testamenten, 
Zeugnissen,  kurz  auf  alles,  was  Basedow  ,recbt^Angige  Schriften** 
nannte  % 

Die  Schiller  sollen  angehalten  werden,  eine  «weitlfiutlge'' 
Schrift  in  einen  tabeUarisch  gescliriebenen  Ausmg  an  bringen. 
Diese  Ausarbeitungen  wurden,  wie  der  Bericht  ttber  den  Unter- 
richtsbetrieb  am  Philanthropin  vom  Januar  bis  Joliannis  1778^ 
mitteilt,  teils  dem  Schaler  von  dem  Lehrer  aufgegeben,  teils  der 
Wahl  des  SchOlers  Oberlassen,  ebenso  die  Form  der  Darstellung, 
nur  teilt  der  Schaler  dem  Lehrer  mit,  «was  er  die  künftige  Woche 
liefern  will*.  Fttr  diejenigen  Schaler  der  oberen  Abteilung  des 
Philanthropins.  die  zum  Studium  bestimmt  sind,  bedarf  es  noch 
umfangreidier  schriftlicher  und  grammatischer  Uebungen. 

Sie  mttssen  einen  gegebenen  Vortrag  verkürzen,  verlftngem 
und  auf  andere  Art  bearbeiten,  sie  mOssen  remitierte  Beden  in 
referierende  und  referierte  in  recitierende  Form  verwandeln,  sie 
mOssen  eine  Bede  oder  Abhandlung  in  eine  »tabeUarisdie  Vor* 
Stellung  bringen  und  die  Hauptsachen  verkürzt  vortragen*.  Denn 


1)  Basedow,  Blementarwerk  Bd.  4,  8.  244  imd  Basedow.  Die  durch 

•wähl  des  Nützlichsten  elenu  t  t  isch©  teutsche  Grammatik  der  philunthro- 
pischcn  SemiiKire  in  Anhalt.  irnd  zu  MarBChlins  in  BUndten  und 

anderer,  die  ihnen  gieichlörmig  werden  wollen.  Leipzig,  Crusius,  177Ö, 
8.  120  ff. 

*)  Pftdsgog.  Cnterhandlimgeii,  7.  Stflek,  S.  606. 
>)  Kachrieht  8.  25. 


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27.  Deutsche  Sprache  und  Litteratur  am  Philaatbropiu  in  Deaau  etc.  349 


nichts  bilde,  wie  Npuendoif-^)  in  seinem  Berichte  über  den  Unter- 
richt im  Philantli](>iiln  mitteilt.  Gedanken  und  Sprache  mehr,  als 
die  mannigfaltigen  LJebuugeu  in  schriltiK  lien  Arl>eiten  und  Auf- 
sätzen. Man  habe  dalnT  im  Philnntfiropin  groäseu  Wert  auf  diese 
Uebungen  gelegt  und  die  Jugend,  sobald  es  sich  thun  las^^^e,  dazu 
angehalten.  Solche  stilistischen  Uebungen  sollen  aber  nur  uuge- 
feleilt  Averdeu  an  Materien,  die  der  Schüler  bereit«  kennt  und  er- 
fasst  hat  oder  die  seinem  IntercsseukreiH  angehören.  Sonst  werde 
weiter  nichts  als  Wortkrämerei  ausgebildet*).  Die  einzelneu 
schriftlichen  Arbeiten  liest  der  Lehrer  vor  und  beurteilt  sie  iu 
Rttcksicht  auf  Gedanken,  Ausdruck  und  Grammatik"*.  Die  dabei 
gegebenen  «Kegela  werden  jedesmal  laut  wiederholt,  von  dem 
Lehrer  sowohl  als  von  den  SehtUera,  und  mit  vielen  Beispielen 
erlAutert".  Auch  für  diese  stilistischen  Arbeiten  wurden,  wie  filr  - 
die  orthographischen  (siehe  oben  S.  346  t),  «nach  Verhältnis  ihres 
Wertes*"  Belohnungen  erteilt,  die  in  «BUleten  des  Fleisses"  be- 
standen, wodurch  der  Schüler  sich  .goldene  Punkte  auf  der 
weissen  Keritentafel'*  erwerben  konnte. 

Wie  im  vorigen  Jahrhundert  überhaupt,  so  wurde  auch  am 
Dessauer  Philanthropin  dem  Brief  schreiben  grosser  Wert  bei- 
gelegt und  von  Basedow  eingehende  Vorschriften  dafür  aufge- 
steUts).  Bereits  vom  zehnten  Jahre  an  sollte  der  Zögling  unter 
Anführung  seines  Lehrers  wöchentlich  wenigstens  einen  Brief 
schreiben*),  und  zwar  zunfichst  an  solche  Personen,  die  er  duzen 
konnte;  ^denn  jede  Uebung  mttsse  durch  Elemente  anfangen*. 
«Man  muss  ihr  (der  Jugend)  anfangs  nicht  zu  gleicher  Zeit  die 
Sorgfalt  für  ein  Ceremoniell  auftragen,  welches  wider  den  Bat  der 
gesunden  Vernunft  von  der  Mode  erfunden  worden  ist*  Dem 
Zöglinge  müsse,  ehe  er  sich  selbst  Überlassen  werde,  ein  gutes 
^Titularbuch  wegen  der  äusserlichen  Einiichtung  der  Briefe  nach 
der  Mode"  bekannt  gemacht  werden;  auch  werde  er  hingewiesen 
auf  eine  Anweisung  zum  Briefschreiben  (Briefsteller).  Dabei  wird 


Basedow.  Teutscbe  Grammatik  (Elementarwcrk  Bd.  4,  S.  212). 

*)  EtoiiMiterwerk  Bd.  4,  8.  886  ff.  und  Teutache  Onmmatik  der 
phDanthroplmettachea  Seniinare  in  Anhalt<Dee8aa  und  bu  HarBchlins  in 
Bündten  und  anderer,  die  ihnen  gleichförmig  werden  wollen.  Leipng  1775, 
&  114—119. 

')  Im  Jahre  1777 — 7S  berichtet  Trapp,  dass  er  :im  ersten  und  fünf- 
zehnten Tage  jedes  Monatd  eine  Stunde  zum  Briefschreibeu  benutze. 
(Pädagog.  Unterhandl.  1778,  7.  Stück,  Nr.  26). 


MitUiUimgea  d.  Qm.  t.  deuuutiv  Erziuti.-  u.  Scbulgeechiclitc.   Vli  4  1987.  23 

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350   Hittoilungen  d.  Ges.  f.  deutaehe  Enlehungs-  u.  Sehulgeecfa.  VIL 


das  Euch  von  Stockhausen  empfohlen  i),  ferner  Sammlungen  von 
gedruckten  Briefen;  auch  werden  die  Briefe  der  Frau  von  Sevign6, 
T.  Maintencoi,  die  Sammlungen  yon  BQssy  und  Geliert  ganannt 
Diese  soll  der  Schiller  freilich  nicht  auBschreiben,  aber  sie  lesen, 
besonder  »knrs  vorher;  seine  Seele  wd  dadurch  zu  dem  Tone 
des  Bilefetiles  etwas  gestinunt*.  Das  Btiefechreiben  wurde  aber 
nicht  nur  in  bestimmten  dalQr  angesetsten  Tintenichtsstunden  gettbt, 
die  ZO^^inge  waten  auch  verpflichtetk  an  bestimmten  Tagen,  den 
«Brieltagen*,  wiiklidie  Briefe  an  ihre  AngehOiigen  und  Freunde 
zu  schreiben.  Für  die  grosseren  Philanthropinisten  fiel  seit  dem 
16.  November  1777^  der  bestimmte  Brieftag  weg,  doch  wurde 
jeder  ^Privataufseher"  der  grösseren  verpflichtet,  seine  Untergebenen 
anzuhalten,  ,die  nötigen  Briefe  zu  schreiben  (welches  am  be- 
'  quemsten  Sonntnjrs  Nachmittag  gestheheu  kann)",  sie  selbst  zu  ver- 
siegeln und  auf  die  Post  zu  schicken.  Für  die  kleinen  blieb  jedoch 
der  Brieftag  bestehen. 

Das  Ideal  des  Dessauer  Philanthropins  im  Unterrichte  deut- 
scher Sprache  und  Litteratur  ist  die  Fertigkeit  der  Lehrer  und 
Zöglinge  im  guten  mündlichen  und  schriftlichen  Ausdrucke. 
Dieses  Ziel  wird  nicht  durch  Grammatik  erreicht  —  denn  es 
könne  einer  in  einer  Sprache  ein  meisterhafter  Schriftsteller 
werden,  ohne  jemals  etAvas  von  der  Grammatik  derselben  zu 
lesen^)  — ,  «ondern  duruh  ^Ueltuni;  des  Geschmackes  an 
gut<Mi  Sclirit'tsteliern'**).  Solche  ücbnncjcn  begannen,  wie 
oben  343)  er\\ähnt  worden  ist.  schon  frühzeitig.  Nachdem  das 
mechanische  Lesen  erlernt  war,  ging  es  an  die  Lektüre  von  Lese- 
stücken der  damals  üblichen,  tür  diesen  /weck  verfasäten  Lehr- 
mittel. Für  die  mittleren  und  untereü  Klassen  wurden  benutzt 
Bochows  und  Weisses  Kiuderfreund,  das  Öitleubüchlein  für  Kinder 
in  gesitteten  Ständen.  Beispiele  der  Weisheit  und  Tugend  von 
Feddersen,  ivleuie  üüschäftiguüg  liu*  Kinder  von  Funk,  das  plü- 


Job,  Christoph  Stockhaueens  Grundsätze  wohlf»in£r<*rirhtetpr  Briefe, 
nach  den  besten  Mustom  der  Deutschen  und  Ausländer,  nebst  beigelügten 
Erläuterungen  imd  fixempeln.  Wien,  veilegt  bei  Joh.  Thomu  Bdlen  von 
Trattnern,  ksiaerL  kOnigL  HofbuehdraekttiL  und  BuchiUtadieni.  1766. 

»)  Protokollbuch  der  Pädngopßchcii  Gr  1'  chaft  S.  16.  —  Das  Pro- 
tokollbuch der  Gpspllschaft,  deren  ordentliche  Mitglietler  die  Lehrer  do» 
Philanthropins  waren,  befindet  sich  in  der  üerzogächeu  Bibliothek  za 
DesBan. 

>)  Hetfaodenbnclk  8.  248. 
Bbd. 


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27.  Deutsche  Sjtrache  und  Litteratur  am  Phitanthropin  in  DessAU  etc.  351 


lanthropiscbd  Lesebuch  (auch  für  die  obere  Klasse),  die  Dessauiach« 
Jugendzeitung  und  der  Jugendbeobachter. 

Es  wird  danach  gestrobt,  dem  Vortrnjrr'  des  Tif^senden  , Nach- 
druck und  Grazie  mitzAttcilen  und  in  seine  .Stimme  Geist  nnd  Loben 
zu  brinf^eu*.  Dies  ist  natürlich  nur  denkbar  unter  der  Voraus- 
setzung einer  genauen  Kenntnis  des  gelesenen  Stückes,  daher  mit 
der  Lektüre  .die  genaueste  Zergliederung  des  Autors'  vorbunden 
wird.  Es  geiien  da  die  Leseübungeu  nach  und  nach  in  pCigent- 
liche  Uebungen  des  Verstandes  über  uud  iühren  uns  zu  kritischer 
Beurteilung  sowohl  der  Schreibart  als  der  Gedanken  unseres  Ver- 
iHssei-s."  Neben  der  sprachlichen  Retrachtungsart  laufen  moralische 
und  sachliche  nebenher.  In  welcher  Weise  das  gesch.ili.  geht  aus 
Jaspersons  Bericht  ,  Etwas  über  die  deutschen  Lesestunden  im 
Institut"  1)  hervor.  Es  werden  nicht  nur  „die  Bedeutungen  der 
Ausdrilcke,  der  richtige  Sinn  der  Redensarten  aufgesucht*,  sondern 
vir  ,»nebmen  nun  auch  die  Sachen  selbst  vor  und  holen  yon  seinen 
(des  Verfeesers)  Erzählungen  und  Behauptungen  den  Stoff  her,  die 
Kräfte  unseres  Nachdenkens  su  scharfen,  indem  wir  die  uns  be^ 
kannten  Wahrheiten  mit  den  von  ihm  Torgetragenen  unbekannitezen 
yergleichen,  und  daraus  fttr  die  Mdglich-  und  Unm<)gliehkeit,  Wahr- 
•  heit  oder  Wahrscheinlichkeit.  Gewiasheit  oder  Ungewissheit  derselbea 
Schlüsse  zu  ziehen  lernen.** 

In  der  Lehrprobe,  die  er  dabei  mitteilt  (16.  Stück  der 
Dessauischen  Jugendzeitung  Ton  1782)  finden  sich  übrigens  keine 
sprachlichen  Bemerkungen.  Auch  in  seinen  noch  nicht  TerOffent' 
lichten  Berichten  ist  nur  einmal  von  orthographischen  Uebungen 
die  Rede  (vgl.  oben  S.  346);  hier  überwiegt  vielmehr  die  moraUsdie 
und  sachliche  Betrachtungsart.  In  manchen  Stunden  dagf  i^fii  wird, 
wie  Jasperson  selbst  mitteilt,  hauptsäciüich  auf  Ausdruck  und 
Sprache  gesehen  und  alles  gesammelt,  was  zur  Bildung  des  Stiles 
zu  wissen  erforderlich  sei^.  Bei  der  Lektüre  von  Försters  Reisen 
hat  Jasper.son  dif  Schüler  belehrt,  dass  die  Menschen  ursprünglich 
nicht  zur  Bosheit,  Fai><  hheit  und  Ungeroehtii^'keit  u.  s.  w..  wie 
allgemein  angeriomnu  n  werde,  geneigt  gewesen  seien,  sondern  djiss 
sie  erst  dazu  gekommen  sind  durch  den  Kinfluss  der  ,iresittptf>n 
Völker.''  Ein  anderes  Mal  hat  er  ihnen  i»c;^reitlich  gemaclit,  dass 
der  Götzendienst  eine  Erfindung  einiger  schlauer  Kopte  gewesen^). 

■)  PhilAnthrop.  Joarnal,  5.  Jfthrgang  (1784),  4.  Heft,  8.  6fi6, 

^  JaspOFMUt  Etwas  ttber  die  deuCschon  Lesestundoii  im  Inetituti 

B.  604. 

^)  Jttfiperüou,  Bericht  vom  Juni  ITöl. 


23* 

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352    Mitteiiuugen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung^-  u.  Schulgeach.  V1L 


Ei"  üpsf.  iliiit'H  (laei  W'cisse  sciH'  Urania  vom  ^^  iii(l.--|»it'l  vor.  uiii  zu 
zeigen,  dass  die  Rachsucht  sehr  verabschüuuugsiwüidi.t;  macht,  uud 
weist  darauf  hin.  wie  edel  das  Vergeben  sei.  Eine  Kei.seboschri'i- 
bunjr  aus  dem  Jugend beobachter  veranlasst  ihn,  mit  seinen  Scliülera 
Elcineulargeugraphie  zu  treiben,  über  den  Handel  in  Ut  r  Levante, 
über  Wechsel,  Aj^Hiunaiiouen,  Obligationen,  Banknoten,  Postverkehr 
u.  8.  w.  zu  sprechen.  Bei  der  Geschichte  von  Columbus  wird 
Geographie  getrieben,  der  Globus  und  die  Karte  erklfirt  und  werden 
schliesslich  aiithmetische  Uebungen  angescbloesen,  als  es  gilt,  den 
Wert  des  Goldes  zur  Zeit  des  Columbus  in  die  , derzeitigen'  Werte 
umzusetzen^).  Dass  mit  der  Wahl  der  LesestQcke  trotz  der  geringen 
Schülerzahl  Fehlgriffe  vorkamen,  gesteht  Jasperson  selbst  zu,  indem 
er  erklärt^  er  habe  G^Jckingks  Epistel  gelesen,  aber  bemerken 
müssen,  dass  wegen  ihrer  Schwierigkeiten  die  Schüler  kein  Inter- 
esse dafttr  gezeigt  hfttten^. 

Von  den  damaligen  Dichtern  werden  nach  den  überlieferten 
authentischen  Ifitteilungen  Uber  den  Unterriditsbetrieb  im  Pbilan- 
thropin  namentlich  aufgeführt:  Geliert,  Gessncr,  Gückingk. 
E.  T.  Kleist,  Klopstock,  Weisse.  In  den  mittleren  (2.  und  3.) 
Klassen  scheint  Geliert  besonders  beliebt  gewesen  zu  sein; 
wenigstens  gebt  aus  dem  Protokollbuche  lien'or,  dass  in  den 
Prüfungen  der  2.  Klasse  vom  6.  Mai  1791  und  vom  22.  April  1793 
Gellertsche  Fabelß  und  Gedichte  deklamiert  wurd«m.  In  einer 
früheren  Prüfung,  am  22.  Mai  1786,  wurde  „ein  Versuch  gemacht, 
den  ersten  Oesaug  des  Todes  Abels  (von  Gessner)  zu  lesen",  und 
es  wird  im  I^rotokollbuch  (S.  84)  bemerkt,  dass  die  .Schüler 
grösstenteils  mit  Empfindung  der  poetischen  Stellen  gelesen  hatten 
mid  dass  mnn  daraus  schliessen  duifte,  dass  sie  ein  prosaisches 
Stück  erst  recht  gut  und  fertig  lesen  würden. 

Sowohl  in  der  obei*steu  Klasse  der  ersten  Hauptabteilung  des 
Philauthropins,  die  die  Schüler  vom  6.  bis  etwa  zum  15.  Lebens- 
jahre umfasste,  und  für  alle  l)ürgerliclieii  Berulsarteu,  ausser  für 
die,  welche  eine  aliademische  Vorbildung  verlangen,  vorbereitet, 
als  auch  in  der  zweiten  Hauptabteilung,  der  die  Schüler  vom  15. 
bis  zum  18.  Lebensjahre  angehören,  um  für  die  Universität  sich  Tor> 
zubereiten,  werden  die  »besten  klassischen  Schriftsteller 
unserer  Nation*  teils  stellen-  teils  auesugsweise  gelesen,  nach 
den  Regeln  des  Geschmackes  beurteilt  und  grössere  Ausarbeitungen 


»)  Bericht  vom  25.  Februar  1782. 
«)  Bericht  vom  Juni  1781. 


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j7.  Deutsche  Sprache  und  Litteratur  um  Philänthropin  in  Dessau  etc.  353 


geliefert!).  Auch  werden  , viele  üebuügen  der  gemeimiUUigeu 
Wohlredenheit*  angestellt*). 

Für  die  akademische  Abteilung  wird  als  ein  Gegensatz  zu 
der  .überhand  nehiiicnden  Lesesucht  solcher  Bücher,  welche  die 
Unschuld  keineswegs  befördern,  das  Studium  der  besten  vater- 
Iflnrlischen  Schriftstoller  als  eine  Hauptsache  bezeichnet, 
wozu  die  Eleven  des  Pliilanthropins  anciehalten"  würden.  Von 
den  „besten  Diilitfiir  tritt  uns  in  der  ersten  Klasse  zunäciist 
E.  T.  Ivleist  entgegen,  det^spn  Ode  an  die  preussischo  Armee  nach 
einigen  vornn<:osrhirkten  Fi-a^^m  über  den  Charakter  dor  Ode  in 
der  rrüt'ung  am  17.  Olitober  1785  gelesen  wurde.  ^Die  meisten 
lasen  mit  einer  traurigen  Stimme."  Nur  ein  Zögling  las  „mit 
der  richtigen  Tunsetzuiig"  ^^).  Aus  der  Prüf  »mg  vom  25.  Oktober 
1787  ^vird  berichtet,  dass  ein  Teil  von  Klopstocks  Messias  von 
Schülera  vorgelesen  wurde.  Die  erste  Klasse  wird  in  den  Proto- 
'  kollen  über  die  Prüfungen,  die  vom  Jahre  17S6  1793  statt- 
gefunden haben,  nur  noch  einmal  erwShnt,  nämlich  in  dem 
Berichte  Uber  die  Prüfung  vom  6.  Mai  1791,  in  der  der  Schfiler 
Bbeinfarth  eine  toh  ihm  angefertigte  Rede,  «woriii  er  viele 
historische  Kenntnisse  gezeigt  hatte**,  Torliest.  Hit  welchen  Bich' 
lern  aber  die  Schiller  noch  bekannt  gemacht  wurden,  kOnnen  wir 
indirekt  aus  den  Werken  schliessen,  die  die  Lehrer  beim  Unter- 
richt gebrauchten.  Von  Trapp  wird  mitgeteilt^),  dass  er  sich 
der  Yor&bungen  Sulzers  bedient  habe.  In  diesem  lange  Zeit 
hindurch  mit  Recht  beliebt  gewesenen  Werke,  das  in  seinen  3 
ersten  Teilen  Musterstllcke  der  Prosa  und  Poesie  enthfilt,  sind 
von  deutschen  Dichtem  vertreten:  Bodmer,  Claudius»  v.  Creuz, 
Geliert,  Gessner,  Uagedorn,  llaller,  E.  v.  Kleist.  Klopstock, 
Lichtwer,  Nicolai,  Wieland.  Auch  Ramlers  liatteux,^)  der  nebsA 
Breitinger  (Kritische  Dichtkunst,  Zürich  1740)  zur  Benutzung  im 
Unterrichte  der  schonen  Wissenschaften  (Wohlredeuheit)  empfohlen 


^)  Jaspenon,  Btwas  Aber  die  deutschen  LeMatundeo  im  Institut» 

8.  60.". 

^)  Ncuendorf^  Nachricht  von  der  gcgeuwürtigen  Verfassuug,  Dessau 
1785,  8.  12. 

>)  Protokollbuch  S.  72. 

*)  Pädagogische  Unterhandl.  1778,  S.  60C  ff. 

Einleitung  in  die  schönon  Wi^si  nscli  if! nn.  Nach  dorn  Pranzö.sischen 
des  Herrn  Batteux  mit  ZusäUeu  vermehrt  von  C  \V.  Ramler.  —  Diese  Zu- 
•fttse  haben  sich  von  Auflage  zu  Auflage  besonders  dureb  Belcgo  ans 
deutschen  Dichtem  vermehrt. 


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354    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutache  ErziehuugB-  u.  Schulgesch.  VII. 


wircP),  und  der  vou  Trapp  beuiitzt  worden  ist.  enthält  Proben  aus 
deutschen  Dichtern,  die  bei  deu  Eröneruugeii  über  die  einzelnen 
Dichtungsarten  vorgelesen  und  besprochen  wurden.  Beim  Idyll 
handelt  es  sich  hauptsSchlirh  um  Gfssner,  dessen  ^It  i.alkas  nebst 
E.  V.  Kleists  Irin  s^chon  1775  von  Du  Toit,  einem  Lehrer  iim  i'iulau- 
thropin,  in  dem  Tlaue  einer  Erziiehungsanstalt^)  als  gute  Lektüre 
und  geeignet  für  den  Unterricht  bezeichnet  worden  war.  AuBBerdem 
Verden  einige  Anonyme  aufgeführt,  die  wohl  Ramler  zum  Verfasser 
haben.  Für  die  epische  und  dramatische  Dichtung  fehlen  Belege 
aus  der  deutschen  litteratur,  dagegen  sind  bei  der  Fabel  GeUert, 
Gessner,  Hagedon,  Lichtwer;  bei  der  Lyrik  Gleim,  Hagedorn, 
Klopstock,  Lange,  Weisse;  bei  der  Satyre  Canitz,  Haller, 
Bamler  und  beim  Epigranun  Ewald,  Gleim,  Gdtz,  Hagedom, 
Lessing,  Logau,  Opitz,  Wemike  Tertreten,  Wenn  Spazier") 
berichtet,  dass  er  die  ZOglinge  des  Philanthropins  in  der  Rhetorik 
und  Poetik  nach  Eschenburg  unterrichtet  habe,  so  ist  anzunehmen, 
dass  auch  er  seine  Lehren  an  das  Vorlesen  und  Besprechen  dich- 
terischer Produktionen  anknüpfte,  da  Eschenburg  ausdrücklich  er- 
klärt, dass  mehr  als  alle  Kegeln  die  Lesungen,  Erklftrungen  und 
Anwendungen  der  beskn  Cluster  wirken*),  ebenso  wie  es  bei  Schütz^) 
der  Fall  war,  dessen  Werk  Trapp  1778  seinem  Unterrichte  in  der 

')  Basedow  verlangt,  das3  Ramlers  Batteux  stückweise  erklärt  werde 
unter  Lesuog  einiger  Epigramme  und  Fabeln,  Lehrgedichte  und  Satyren, 
Idyllen,  Elegieii,  Odeu,  eines  HeldengedichteB  und  einiger  Dramen  (Ble- 
mentarwerk  i.  Bd..  zehntes  Buch:  das  Nötigste  der  Gnunmatik  und  von  der 

Wohlredenheit,  g.  261. 

«)  radagog.  Unterhandle  12.  btuck,  1778. 

*)  Carl  Pilger,  Roman  seines  Lebens,  8.  Teil,  Berlin  1796,  B.  169. 
*}  Joach.  Bsdienburg,  Entwurf  einer  Theorie  und  Litteratur  der 

schönen  Wissonschaften,  Berlin  u.  Stettin,  Friedr,  Nicolai,  1788,  Vorrodn. 
Eschenbtirg  |3rab  später  1788  eine  Beispieleammlung  zur  Theorie  und  Litte- 
ratur der  schönen  Wissenschaften,  Bd.  1—8,  heraus  (Berlin  u.  Stettin),  die 
aber  Spazier,  obwohl  sie  sieb  in  der  Bibliothek  des  Philantliropins  befand, 
nicht  mehr  benutst  haben  kann,  da  er  bereits  1184  Dessau  verlassen  hat. 

*)  Lehrbuch  zur  Bildung  des  Verstandes  und  des  Geschmacks.  Zum 
Behufe  des  öffentlichen  Schul-  und  Privatunterrichts  verfase<^t  vnn  Christian 
Gottfried  SchttU.  Erster  Band,  Halle  177ö.  Zweiter  Band,  Halle  1778. 
Schots  wQnscht  ausdraddich,  dass  niemals  eine  blos  trockene  Theorie  an 
die  Stelle  des  lebendigen  Studiums  der  erhabensten  Denkmaler  des  Ver- 
standes und  Witzes  gesetzt  werde.  Ausser  den  oben  bei  Sulzer  und 
Ramler  erwnhnten  Dichtern  treten  bei  Schütz  noch  auf:  Blum,  Bürger, 
Cramer,  Funk,  Uoethe  (Werther;,  Gotter,  Schiebeier,  Schlegel,  Willamov. 
Von  Prosaikern  sind  Raphael  Meng»  und  Wlnkolmum  mit  Auazttgen  ans 
Ihren  Schriften  beracksiehtigl. 


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27.  Deutsche  Sprache  und  Lttteratur  am  Philanthropiti  In  Dessau  etc.  355 


ersten  Klasse  des  Philantropius  in  der  Bildung  des  Geschmackes 
und  des  deutschen  Stiles  zu  Grunde  legtet). 

Trappt)  giebt  auch  aa^  "wie  die  Antozen  behandelt  wurdeiL 
Der  Lehrer  liest  zunAchst  ein  poetisches  oder  prosaiaches  Stüde  lant 
▼or  und  giebt  es  darauf  einem  Schüler,  des  es  «naehmachen'  muss; 
Gedanken,  Wendungen  und  Ausdracke  des  Autors  werden  beurteilt, 
seine  Abeicht  aufgesucht,  sein  Plan  vorgelegt  und  gezeigt,  ^e  die 
Gedanken  hieraus  entstehen,  wie  einer  den  andern  erzeugt,  wie  sie 
unter  sich  mit  dem  Ganzen  zusammenhangen.  —  Auch  das  Aus- 
wendiglernen schöner  Stellen  wird  empfohlen,  doch  dflife  der 
Zögling  nur  das  lernen,  was  er  yöUig  yerstehe  und  selir  gut  ge- 
lesen habe.  Diese  Methode  Trappe  deckt  sich  mit  den  Vorschlagen, 
die  Sulzer  in  dem  allein  zum  Gebrauche  der  Lehrer  geschriehenea 
4.  Teile  seines  Werkes  (Von  dem  Zwecke  und  dem  Gebrauch 
dieses  Buches)  ausgesprochen  hat.  und  die  heulagen  Tages  noch  be- 
folgt zu  werden  verdienen. 

An  die  LektUre  und  Erläuterungen  der  Prosaiker  und 
Dichter  schloss  sich,  wie  Jasperson^)  mitteilt,  in  der  obersten 
Klasse  eine  kurzo  Uebersicht  der  deutsch  eu  Litteratur  nebst 
Erörterungen  cinii^er  allgem  eine  r  Grund  sä  tze  der  schonen 
Wissenschaften;  letztere  alh'idings  nur  mit  Scliülern.  die  sich 
filr  die  Universität  vorbereiteten').  in  dem  Ötuudeniilanr  dos 
Philanthropins,  der  vom  Januar  bis  Johannis  1778  befolgt  wonJen 
ist,  find  für  die  1.  und  2.  Klasse  der  gnisseren  Pensionisten 
wochenlUch  3  Stunden  zur  Bildimg  des  (Jescliniacke.^  und  des 
deutschen  Stiles  bestimmt.  Für  die  1.  Kla-sse  der  kleineren  l'hi- 
lanthropinisten  sind  6  Stunden  wöchentlich  für  Leseübuniren  ange- 
setzt; die  2.  Klasse  der  kleincrcü  rhilauthropinisteu  hat  iu  wöchent- 
lich ü  Stunden  Rechtschreibung  und  freie  Stunde  zum  Umgange  ab- 
wechselDd  mit  der  1.  Klasse,  ausserdem  6  Stunden  Ucbuugeu  im 
Lesen  lehrreidier  Bficher.  Für  die  Klasse  der  Famulanten  sind 
6  Stunden  wOcbentiich  für  Hebungen  im  Stil  und  in  der  Secht- 
echreibung angesetzt. 

In  dem  Lehrplane  für  die  Zeit  von  Johannis  1778  bis  Ostern 
1779  sind  für  Trapps  «philosophische  und  poetische  Lektionen,  auch 
StilUbangen  in  deutscher  und  lateinischer  Sprache"  12  Stunden  in 
der  Wodie  bestimmt.  Für  die  damals  existterende  kaufinftnnische 

^)  Padagog.  Unterhandlungen,  1778,  8.  625. 

^)  PüUagog.  Unterhandlungen,  177b,  S.  6Ü5i. 

^  Etwas  über  die  deutBcben  LeseBtunden  iip  Institut,  8.  605. 

*)  Nenendorf,  Naehrieht,  8.  12. 


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356    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutacho  Erxiehungi-  u.  Scliulgeadi.  VIL 


Klasse  fanden  tftglich  tod  9 — 11  Ubr,  also  12  Stunden  wöchentlich, 
kaufinftmiisGbe  Lektionen  statt,  die  in  der  Hauptsache  in  schrift- 
lichen Arbeiten  bestanden.  Die  3  Klassen  der  kleineren  Philan- 
thropinisten  haben  wöchentlich  je  6  ^Leseatunden'*.  Die  Famulanten 
haben  täglich  von  9 — 11  Uhr  Uebungen  in  schriftlichen  Arbeiten 
und  im  Rechnen. 

Von  OBtern  1779  bis  Ostern  1780  bestehen  drei  deutsche 
Klassen,  auf  die  wöchentlich  je  6  Stunden  entfielen.  In  dem 
Studionplane  Neuendorfs  wird  mitgeteilt,  dass  4  deutsche  Klassen 
best.tndrii  haben,  von  denen  die  4.  wöchentlich  8,  die  3*  6  und 
die  beiden  oberen  je  4  Stunden  hatten. 

Als  Lehrer  ftir  den  deutschen  Unterricht  werden  genannt: 
Andreae,  Basedow,  Honiiann.  .Talm.  Ja.-)U'rson.  Kolbe.  Lippoldt, 
^lochel,  Peters,  Richter,  Sander,  Scüüts,  Sciiuke,  Spazier,  Trapp, 
Vogel. 

Wer  dor  vor  sLehenden  Darstellung  mit  ;\iil'rnei  ksaiukeit  getWI-^t 
und  in  der  Or?.tlii(  hte  des  deutschen  Erziehunga-  und  ünterHuiiKs- 
wcsrns  nicht  uabewaiidcrt  ist.  wird  zugestehen,  dass  niemals  vor- 
her weder  theoretisch  noch  piakrisch  mit  solchem  ^Saclid! iirk  die 
Einführung  des  Unterrichts  in  deutscher  Sprache  und  Lilteraliir  in 
den  Lchiplun  einer  höheren  Leliraustalt  gefordert  und  aufgenoniincu 
worden  ist.  Und  wenn  Ba.sedow  und  Trapp  auch  weiter  nichts 
gtiban  hätten,  als  ihre  theoretischen  Forderungen  fUr  den 
detttseben  Unterricht  aufeusteUen,  so  ^rOiden  sie  sidi  doch  wenigstens 
ein  Verdienst  um  die  Entwickelung  des  Systems  der  Pädagogik  er- 
worben haben,  es  sei  denn,  dass  man  systematische  EriJrterungen 
ohne  ihre  Umsetzung  in  die  Praxis  für  akademische  Betrachtungen 
ohne  Weit  erachte,  ein  Standpunkt  der  Beurteilung,  durch  den 
mancher  berühmte  pädagogische  Sjstematiker  aus  den  Tabellen  der 
Geschichte  der  Ersiehung  und  des  Unterrichts  beseitigt  werden 
mOsste.  Wenn  mehrfach  und  auch  von  Spazier,  einem  Lehrer  des 
Philanthropins,  der  ein  sehr  UDgOnstiges  Urteil  über  das  Institut 
gefällt  hat,  behauptet  worden  ist,  dass  es  nur  zwei  lobenswerte 
Dinge  am  Philanthropin  gegeben  habe,  n&mlich  den  Beligions- 
unterricht  und  die  kör|»crliche  Ei7.i*^hung,  so  wird  nun  wohl 
niemandem  zweifelhaft  sein,  dass  auch  der  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  und  Litteratur  nicht  allzu  fern  von  jenen  „lobenswerten 
Dingen"  stehen  dürfte,  und  Pinloche,  der  im  übrigen  sich  dem  Ur- 
teile Spazier.s  anschliesst.  hat  ganz  recht,  wenn  er  erklärt,  es  sei 
lohf>iid  nTizuorbniuen.  dass  die  Philunthropinisten  die  Notwendigkeit 
nachgewiesen  hätten,  «in  die  Erzieh uagBprogramme  eine  Menge  in 


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27.  Uouuchc  Sprache  und  Littorutur  am  rhilaiithropiit  iii  Dessau  etc.  357 


der  That  niitzliclicr  Diiiiro  aiif/Muehiiien.  welcii»'ii  «lir  sclii.ilusti.sche 
PadajTügik  die  Auliialiiiie  veiweij^ert  habe",  und  wenn  er  iu  erster 
Linie  zu  dieam  niit/.liclieii  Diniron  das  Studium  der  Muttei-s) »räche 
rechnet.  Nitiualö  vdilit  r  und  noch  lange  nachher  sind  in  hrdieren 
Schulfü  jsu,  wie  im  rhilanüirupiii,  die  deutschen  Lehrstunden  als 
die  wichtigtt'ii,  (l;ts  Studium  unserer  besten  vaterländiscUen  Scliritt- 
täteller  als  die  Hauptsache  bezeichnet  wor<l»'n 

Wenn  in  vielen  Büchern  tH>er  ileii  Philantliropiuismus  l»is  in 
die  neueste  Zeit  hinein  immer  und  immer  wit  Ufi-  betont  wird,  da.ss 
(Vw  Fbilantliropiuisten  nur  als  Vertreter  des  N'ülzlirhktMisprin/jps 
uü/.uselien  seien,  wonach  der  Zögling  nur  das  zu  wi^öeu  brauche, 
was  er  in  seinem  zukUulligeu  praktischen  Berufe  nötig  habe,  so 
beweisen  doch  Pläne  und  Ausführung.  Theorie  und  Praxis  des 
deutschen  Unterrichts  am  Philanthropin  das  Gegenteil.  Wie  hätte 
sonst  im  Unterricht  der  ersten  Abteilung,  die  für  alle  höbereu  Be- 
rufsarfeen  mit  Ausoalinie  derer,  die  ein  akademisches  Studium  er- 
fordern, vorbereitete,  Keuntnls  der  deutseben  Litteratur  und  eine 
EncN  klopftdie  oder  kurze  historiscbe  Uebersicht  der  Wissenschaften 
verlangt  und  dargeboten  werden  icönnen?  Wie  hatte  in  der  zweiten 
Abteilung  die  Theorie  der  schönen  Wissenschaften  nach  den  Werken 
von  Eschenburg,  nach  Ramlers  Batteux,  nach  Schütz  und  Sulzer 
getrieben  werden  kGnnen?  Gewiss  wird  Spazier  in  vielen  Dingen 
recht  haben,  und  es  werden  die  Verhältnisse,  die  er  schildert,  vor 
allem  die  Vielkdpfigkeit  der  Direktion,  der  Mangel  an  ineinander 
eingreifenden  Lehiplänen  trotz  wiederholter  Versuche,  hier  Abhilfe 
zu  schaffen^),  FeblgrilTe  in  der  Wahl  der  Lehrer,  der  Mangel  an 
zweckmässigen  Lebrbflchem  (die  indes  im  deutschen  Unterrichte 
nicht  gefehlt  haben)  dem  gedeihlichen  Fortgange  des  Unterrichts 
oftmals  entgegen  gewirkt  haben.  Doch  will  es  mir  scheinen,  dass 
hierdurch  in  erster  Linie  der  Unlerriclil  in  den  klassisciien  Sprachen 
gelitten  hat;  abn-  nueh  nielit  zu  allen  Zeiten.  Giebt  doch  Spazier 
selbst  zu,  das8  in  <ler  letzten  Zeit  —  er  ist  anfangs  1785  abge* 
gangen  —  auch  auf  diesem  Unlerrichtsgebiete  zuweilen  Besseres 
geleistet  wurde.  Man  darf  nur  die  von  Pinloehe  nicht  gekannten 
Lehrberichtc  <les  Magisters  Friedrich  Willielm  G(ilze-')  \m 
1780 — 81  nachlesen,  um  über  gewi.sse.  freilieh  kurze  Perioden  des 
Iiii>tituts  aucil  biusichÜLcb  des  altäiu'achüchen  Unterrichts  eine  bcH^^ere 


'l  Neuendorf,  Nuchricht.  S.  iM  und  1.* 
-j  Vgl.  U.  Frttttke  1.  c.  ö.  au-  IS  uud  .Metzoid  1.  c.  S.  1U7. 
Ü.  Kranke  1.  c.  S.  181—201. 


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358     Mitteiluugen  d.  Gcä.  f.  deuttjcike  Erziehuuga-  u.  Schuigesch.  Vil. 


Meiiiuijg  zu  gewinnen.  Es  scheint  mir  iilx'rhaupt,  dasj^  man  ge- 
wöhnlich das  Philanthropiu  zu  sehr  in  Bausch  und  liogen  beurteilt 
und  nicht  bea<htet,  dass  es  zu  verschiedeutu  Zeiten  ein  vei-schie- 
denes  gewesen  ist.  Hätte  der  deutsche  Unterricht  niclUi»  geuugt, 
80  vOrde  Spaaier  sicher  keine  ScbOler  gefunden  haben,  die  seinem 
Unteiricbte  in  der  Tbeorie  der  Dichtkunst  und  Beredsamkeit  nach 
EBchenburg  hätten  folgen  können?  WUrde  sich  in  seinen  unent» 
geltlichen  Privatstunden,  in  denen  er  allgemeine  Encyklopftdie  nach 
Sulser  lehrte,  alsdann  eine  «auserlesene*  ZaU  von  Zöglingen  einge- 
funden haben,  von  denen  er  selbst  sagt,  dass  sie  seine  ausser- 
ordentliche Mtthe  reichlich  durch  Fleiss  und  Liebe  belohnten? 

Wenn  von  den  ftigsten  Feinden  der  philanthropinistischen 
Bestrebungen,  den  Vertretern  des  Homanismus,  Jahrsehnte  hindurch 
in  oft  weitschweifigen  Aufsätzen  und  Bttchem  die  härtesten  An- 
schuldigungen gegen  das  Philanthropin  erhoben  worden  sind,  so 
Icann  man  nur  bedauern,  dass  diese  Gegner  nicht  Zeit  gefunden 
liaben,  das  zu  prüfen,  was  die  Fhilanthropinisten  für  den  Unter- 
richt in  deutscher  Sprache  und  Litteratur  theoretisch  und  praktisch 
Gutes  gewirkt  haben.  Es  hätten  dann  sicher  so  beschämende  Zu- 
stände nicht  eintreten  können,  wie  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts 
in  Schulpforta,  einer  Anstalt,  die  lange  Zeit  hindurch  als  das 
Prototyp  eines  Gymnasiums,  dessen  Einrichtungen  weithin  nach- 
geahmt wurden,  galt.  Nicht  nur.  dass  deutsche  Litteratur  im  Lelir* 
plane  dieser  Anstalt  nicht  aufgenommen  war.  man  tadelte  und  Ter- 
bot  sogar  die  Privatbesctiäftigung  d»'r  Schüler  mit  den  deutschen 
Khussikern.  wie  denn  auch  zu  joner  Zeit  der  berühmte  Rektor  der 
Schule  und  hervorragende  Vertn-ler  der  klassischen  Philologie, 
Dlgen,  entsetzt  War.  als  man  1817  die  im  Phiianthropin  so  beliebt 
gewesenen  und  allgemein  gerühmten  Leibesübungen  auch  in  Schul- 
pforta einführte  und  die  Itegierung  aus  Berlin  ihm  tür  den  Turn- 
unterricht ein  S])ringpferd  schickte,  das  er  nach  <Ier  Meinung  des 
ebenfalls  berühmten  I'hilologon  ({ottfried  Hermann  nicht  hätte  an- 
nehmen dürfen,  da  der  T'nktor  einer  litterärischen  Schule  nicht  auch 
Stallm<'ister  cinfs  höl/mi-  n  Pferd»'s  soin  Könne WfMin  Ausbil- 
dnn«r  der  Köi|H'rkiriftr  und  KrziehiiiiL,'  m  uationalf  in  Itcnkrü  und 
Fühlen  das  Kennzeit  lit-n  des  (lyinii.isiums  <lci-  ( ii  iei  lien  j^ewt.'isen 
war,  so  ist  dm  Philauthropiu  durch  sciue  l'tlügc  nationaler  Littera- 


K.  Euler.  iSchulpluria  ^   Voseiache  Zeitung  ls'.»a,  Nr.  21)  und 
K.  Kohrbach,  Jahresborichto  f.  ueuore  deutacho  Litteratur,  Bd.  4,  Abteilung 
1,  6,  Nr.  186. 


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27.  DeuUche  iSprache  und  Litteratur  am  Philanthropin  in  Dessau  etc.  3ö9 


tur  und  seine  Ptlej^e  der  Leil>ei5Übuugen  dem  ürt}'i)us  des  Hym- 
nasiums  näher  gekomnieu,  als  jene  Anstalten,  die  mit  den  griechischen 
weiter  niclits  als  den  Kamen  gemeinsam  hatten  und  die  wohl  auch 
bei  der  Abfassung  ihror  Lehrpläne  das  klassi^^cho  Altertum  nicht 
im  perikk'ischen.  soudeni  im  grainmalistisclien  Zeitalter  der 
Alexandriner  zu  finden  glaubten. 

Den  Philanthropinisten  aber  sei  ihr  Wollen  und  Wirken  für 
die  Einftihi-ung  deutscher  Sprache  und  Litteratw  in  den  ünter^ 
richtsplan  der  höheren  Schulen  uu vergessen! 


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ii60    Mitteilungen  d.  Ges.  £  deutsche  Erzieliungs-  u.  Schulgeach.  Vil. 


26. 

Johannes  Toltz, 

ein  Schii]lehrer  und  Prediger  der  KeforiiiationsKeit. 
Von  Ford.  Cohm,  Paator  prim.  in  Bschershausen. 

Unser  Johannes  Toltz  ist  vielfach  mit  anderen  Mftnnern, 
namentUch  mit  dem  Wittenbeiger  Domherrn  Johannes  Dolsch  oder 
Doltz  verwechselt.  Schon  dadurdi  wird,  abgesehen  von  Tolts* 
Utteranscher  und  pädagogischer  Bedeutung,  ein  kurzes  Lebensbild 
von  ihm  gerechtfertigt.^) 

Der  Irrtum,  dass  Toltz  mit  dem  Wittenberger  Domherrn 
identisch  wäre,  öiheint  durch  V.  L.  v.  Seclcendorf  (Gomment. 
hißt,  et  apoiog.  de  Liithcranismo:  ed.  U  L\\iH.  1694)  aufgekommen 
zu  sein.  Obwohl  er  S.  27f;a  lit  riclitet  hat.  dass  Doltz  1523  soliou 
gestorben  war.  legt  er  ihm  doch  iu  seinen  Scholia  ad  Ind.  I, 
Ko.  XXI  den  1526  (ä.  schreibt  wohl  irrtümlich  152Ö)  erHchienenen 
Toltz  »chen  Sermon  «Von  den  zweyen  Schwestern  ..."  (Jio.  V)^ 
bei,  den  er  als  posthum  gedacht  haben  mag,  wenn  ihm  der  von 
ihm  vertretene  Widerspruch  klar  'geworden  ist  .1,  C.  Olearius, 
der  1724  (Arnstadii)  Toltz' Sermon  .vber  das  Christliclie  lol>gesang 
Ein  kindeleyn  so  lobiglich  .  .  .      (No.  IIU)  neu  herausgab  (vgl. 

Herrn  Professor  D.  Kawerau,  der  durch  seine  eingehenden, 
unten  mehrfach  benutstteu  Mitteilungen  meine  Vermutungr,  dass  Toltx 
weder  mit  Bolsch  noch  mit  Bernhardi  etwas  zu  thun  habe,  mir /m  (><>wi9a- 

heit  orhoh,  safre  ich  für  stnup  f^ütif^f  T'nteratützung'  meinen  horzlirhsffn 
Donk.  Ausserdem  danke  icli  «l'-n  Herren  Pa.sfor  D.  Buchwjild  in  Leipzig, 
Pfarrer  D.  Enders  in  Oberrad,  l^rofcssor  Dr.  Erler  in  Königsberg,  Pastor 
Kaiser  in  Reiehenhach,  Oberlehrer  Dr.  Kttck  in  Rostock,  Fnstor Nicolai 
in  Geilsdorf,  Oberlehrer  Dr.  Stntzner  in  Zwickau,  sowie  den  Verwaltungen 
.nllfM-  im  bibliopTnphischrii  Vr'r7»'!ichnis  genannten  Bibliotheken  herzlicbet 
für  ihre  g-ütif^en  .Mitteilungen  und  Iiemf)hiingen. 

^)  Die  den  Titeln  in  Kluuimeru  iiinxugei  (igten  Mummorn  verweisen 
auf  das  8.  S78  abgedruckte  „Verzeichnis  von  Tolts'  Schriften." 


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28.  Joliauiies  Toltz,  eiu  Schulltibrer  u.  Prediger  iler  Reioruiatiuuszeit.  361 


die  Kezeiibiou  in  Fortges.  SaDimlmi^'  v.  Alten  u.  Neurn  Tlieol. 
Sachen.  Leipz.  1724.  S.  1069  tl.).  und  Greg.  Lauge  mack, 
der  Toliz  Ilundbüchlein  (No.  1)  in  seiner  llistoria  eatechetica  II 
(Oreifsw.  und  Strals.  1733.  S.  457  tt'.)  erwähnt,  halten  auch  beide 
den  Domherrn  für  den  Verfasser  der  von  ihnen  bespfochenen 
Schriften. 

Der  Brief  Luthers  an  Spalatiii  (Aiilang  1524),  in  dem  er 
diesen  gewinnen  will,  gleich  ilau  einige  Psalmen  zu  Gemeinde- 
gesängen umzudichten,  und  ihm  schreibt,  dass  er  auch  Joh.  Dölzig, 
den  kurfürstlichen  Rat  und  Marschall,  um  das  Gleiche  gebeten  habe 
(Endera,  E.  L.,  Dr.  M.  Luthers  ßriefw.  IV.  S.  273),  giebt 
B.  Q.  Schöber  Veranlassung,  sich  in  seinem  „Beytrag  zur  Lieder- 
Historie*'  (Leipz.  1759.  S.  29)  mit  der  uns  interessierenden  Pei^ 
sonenfrage  zu  beschäftigen.  Er  yermutet,  dass  Luther  mit  Joh. 
Bolzig  den  Bomberm  Doltz  gemeint  habe,  wird  von  J.  B.  Biederer, 
der  in  seiner  ,  Abhandlung  von  EUofQhrung  des  teutsohen  Qesangs 
in  die  ev.  luth.  Kirche*  (NUmb.  1759.  S.  101  ff.)  auf  Seclcendorfs 
Nachricht  hinweist,  dass  der  Bomherr  schon  1523  gestorben  sei, 
allerdings  eines  besseren  belehrt,  bleibt  aber  in  seinem  »Zweyten 
Beytrag  zur  Liedei^Uistorie''  (Leipz.  1760.  S.  21  ff.)  bei  seiner 
Behauptung  und  ftthrt  nun  zum  Beweise,  dass  der  Bomherr  selbst 
1528  noch  gelebt  habe,  die  Joh.  Toltz*schen  Schriften  in  ziemlicher 
Vollständigkeit  an.  In  seinem  «Beytrag  zu  den  Beformations- 
urlninden'*  (Altdorf  1762.  S.  19  iL)  kommt  Biederer  auf  die 
Frage  noch  einmal  zurück  und  beweist,  dass  der  Domherr  und  der 
Verfasser  der  von  Srhöher  frcnnnntcn  Sermone  u.  dgl.  verschiedene 
Personen  seien.  Trotzdem  sind  sie  auch  später  noch  verwechselt, 
so  nn<  !i  neuerdings  in  dem  Artikel  „Joh.  Toltz*  in  der  AUg. 
Deutschen  Biographie,  Bd.  38.  S.  430  f. 

Eine  zveite  Verwechslung  Toltz'  mit  Joh.  Ik»rnhardi  aus 
Feldkirch  Gndet  sich  in  Luthers  Briefwechsel  von  Enders').  Im 
Jahre  1520  erschienen  zwei  Verteidigungsschriften  für  Luther,  eine 
gegen  den  Augustiner  Alveld.  deren  Verfasser  sich  Johannes  \'elt- 
kirch  nennt,  und  eine  gegen  die  Löwener  und  Kölner  Theohjgen, 
die  Joh.  Doelsch  Veltkirciieiisis  geschrieljen  hatte.  Verfas.ser  der 
ersteren  Schrift  ist  der  Profes.sor  Joh,  Bernhardi  aus  Feldkirch 
(Corp.  Bef.  I.  S.  165  ff.  201) ;  indem  Enders  (a.  a.  O.  XL  S.  399. 


M  Nach  ihm  wohl  in  ßut  hsvuid,  G.  Zur  Wittenborgcr  Stadt-  und 
Universitüts-üeschichte  in  der  Uetormation.szeit.  Leipzig  1893.  S.  102. 
Anm.  1. 


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362     Mitteilungen  d.  Ge&  £.  deutsche  Erziehungs-  u.  bchulgesch.  VII. 


No.  302.  Aniii.  10)  ihm  luiii  ;in<  h  die  kiztere.  von  dem  Domherrn 
(Knaake  in  lAithors  Werkfu.  Wriiu.  Ausg.  VIT.  S.  171)  vorfasste 
Schrift  beilegt,  vermutet  er  auH  ihrem  Titel  düss  lU'inh;ir(li  auch 
Doelsch  geheifisen.  und  meint  in  ihm  den  zweiten,  von  dem  Dom- 
herrn zu  uüierscheidenden  Doltz  gefunden  zu  liaben,  der  jenen 
üherlobfe  (Endei-s  a.  a,  O.  III.  S.  129.  iSo.  42G.  Aum.8;  IV,  S.  187. 
Nu.  684.  Auju.  6.) 

Die  Verwirrung  löst  sieb  auf  folgende  Weise.   Wir  haben 

zu  unterscheiden: 

1.  Den  Domherrn:  Johannes  Piliatori.s  Dolseh  (Dülscii,  Dölsth, 
Doltz)  de  Veitkirch  —  auch  kurzweg  Feldkirch  genannt:  immatri- 
kuliert in  W'ittenberg  J504  (Foerstemann,  C.  E.  Album  acad. 
Vitebergensis.  Lips.  1841.  S.  13):  Raccalaureus  1504,  M  tirtJ^ter 
1506.  recoptus  in  senatum  artisticum  1509  (Kes^tlin,  Jul.  Die 
l*accalaurei  u.  Mag.  d.  Witt,  philo.«^.  Fakult.  Halle  1887  t\\  1. 
S.  4;  23;  28);  admipf^n«?  ad  bililiani  15Ü9.  Imld  darauf  Canonicus. 
später  Custos  an  der  Seiiiosskirclit'.  Seiitentiariiis  IT)!!,  Bacc.  for- 
matus.  ad  leeluram  libr.  III  et  IUI  Smt.  Lonib.  admissus  1512 
(Foerstemann.  C.  E.  Lüht  Deeaiioruin  Factilt.  Throloi^icae  Acad. 
Viteb.  Lips.  1838.  S.  5:  10:  12):  W.  Ö.  1616  lieklor  der  Uuiver- 
sität  lAlt..  S.  03);  Lic.  iheol.  1517  (Dec.  S.  21):  Dekan  der 
philos(.}>h.  Fakultät  1520  (Ba( u.  M.  II.  S.  9  u.  24):  Doetor 
theol.  23.  Juli  1521,  aufgenonimeu  in  dl»'  theol.  Fakultät  und 
theol.  Dekan  1521/22  (Dec.  S.  25  f.).  Er  ist  aiituii;;.s  für  Lullier 
{Enders  a.  a.  0.  I.  S.  188)  und  schreibt  gegen  die  Löwener  und 
Kolner  Theologen  (s.  d.  Titel  i.  d.  Weini.  Ausg.  a.  a.  0.);  später 
ist  er  gegen  die  Umgestaltung  des  Qottesdienstea  in  der  Schloss- 
kirche (Seckendorf.  Comm.  L  §  130.  Add.  I.  d.  £ndei8  a.  a.  0. 
IV.  Ho.  684  Z.  21  ff.);  er  liest  1522/23  noch  Uber  Lukas  (Spala- 
tins  Annalen  b.  Biederer,  Beytr.  s.  d.  Ref.  Urk.  S.  21;  Kawerau,0. 
Der  Briefw.  d.  Just.  Jonas.  HaUe  1884.  S.  85.  Anm.  1)  und 
stirbt  am  29.  Juli  1523  (Enders  IV.  S.  187).  Disputationen  von 
ihm  sind  in  der  Fortges.  Sammlung.  1706.  S.  147  f. 

2.  Den  Wittenberger  Professor  .lohauues  IJtinliardi  aus  Feld- 
kirch, ebeiit'all»  kui/.weg  Feldkiich  oder  Velcurio  genannt  (so  Corp. 
Ref.  I.  S.  884).  Bruder  des  Bartholomäus  Bernhardi.  des  Proi)Stes 
von  Remberg,  und  Schüler  Melanchtiions,  (Corp.  lief.  I.  S.  201; 
Enders  1.  S.  58.  No.22.  Anm.  3).  Er  ist  immatrikuliert  S.-S.  1512 
als  Johannes  Bemhart  (Alb.  S.  42;  das  de  Veitkirch  ist  aus  der 
Vörden  Reihe  zu  seinem  Kamen  zu  ziehen);  Baccalaureus  1515, 


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28.  Johaaneä  Toltz,  ein  Schullehrer  u.  Prediger  der  Reforumtionszcit.  363 


Magister  1519.  ad  facultatem  recpptiis  152u  (Hacr.  u.  Mag.  I.  S.  16; 
II.  S.  17  u.  '24:  v('I'.ü;1.  llartfeider,  Karl.  Pliilipp  Melanchlhon. 
Mon.  Genn.  Paed.  Vll.  Berlin  1889.  S.  509);  er  bchreibt  gegen 
Alveld  (W  t'iin.  Ausg.  VI,  S.  280;  so  schon  Riederer  in  Beytr.  z. 
Ref.  Urk.  S.  22):  er  ist  der  Verfass«  r  einer  Pliysik  (Bacc.  u.  M. 
1.  S.  10^)  und  Herausgeber  von  Knismus"  De  du])lici  fopia  verboruni 
(Corp.  »Ref.  II.  8.  784:  Hartfelder  a.  a.  O.  S.  27 ft./:  1530  ist  er 
Kektor  (Alb.  S.  13ö);  Ib'ä'A  liest  er  noch  den  Quintilian  (Buchwald, 
Zur  Wittenb.  Stadt-  u.  Ua.-Ge8ch.  S.  102);  1534  ist  er  schon  tot 
(Corp.  Ref.  a,  a.  0.)- 

S.  Johannes  Tolts,  aus  Plauen  i  V.  gebfirtig. 

Er  ist  im  W.^.  1511  unter  dem  Rektorat  des  Professors  der 
Theol.  M.  Paulus  Sebiller«  der  auch  aus  Plauen  stammte,  auf  der 
Leipziger  UnlTersitftt  immatrUcnliert');  er  wird  also  etwa  1495 
geboren  sein.  Am  14.  September  1615  unter  dem  Rektorat  des 
Godehard  LQderl  aus  Halle  a.  S.,  unter  dem  Dekanat  des  Johannes 
Rogge  aus  Braunschweig  bestand  er  als  288ter  Ton  64  Examinanden 
das  Bakkalaureatsexamen  und  wurde  bald  danach  promoTlert*). 
Er  determinierte  unter  dem  Magister  Johannes  Koel  aus  Leipzig, 
den  er  sich  nach  der  Vorschrift  unter  den  Magistern  der  Meissener 
Kation  ausgewählt  hatte.  Arm  kann  er  nicht  gewesen  sein,  denn 
die  Oebtthr  fttr  die  Promotion  ist  ihm  weder  erlassen  noch  gestun- 
det Magister  ist  er  in  Leipzig  nicht  geworden;  sein  Name  findet 
sich  in  der  Leipziger  Matrikel  nicht  weiter.  Ueberhaupt  ist  es  mir 
nicht  gelungen,  für  die  folgenden  Jahre  bis  1526*)  bczw.  Anfang 
1529,  wo  uns  Tolts  als  Schulmeister  in  Plauen  i.  V.  begegnet, 

')  Nach  Bacc.  u.  Mag.  II.  S.  17.  Anm.  1.  ,D.  Medio.  I'hysic.  Cycuaeua* 
Bcheint  er  seitweise  in  Zwidum  gewesen  m.  sein. 

3)  Erler.  Georg.    Die  Matrikel  der  UniveFsitat  Leipzig.   I.  Leips. 

iso:,.  S.  .-,14;  „Johannes  Töltz  de  Plawon.  G  yr.  dt.  tohim  Hallmsi-.  Der 
Zusatz  l)fdeutet,  dass  T  oist  bei  seiner  Meldung  zum  BakkulauitMts- 
examen  »eine  gauzo  iminairikulationsgebUhr  dem  damaligen  Kolctor  ent- 
richtet hat 

*)  a.  a.  0.  Ii  6.  485.  »Joannee  Toiti  de  Flawen*. 

*)  Dass  er  schon  1526  Schulmeister  in  Plauen  gewesen  sei,  bemerkt 
Buchwald  im  Archiv  fOr  Gesch.  d.  dtsch.  Buclihandcl.^.  XVI.  S.  49  (No.  S8, 
Anm.  1,  in  der  es  tlbrigens  statt  1529  heisseu  muss  löüb).  Auf  meiae  Au- 
frage^ woher  er  die  Notiz  habe,  konnte  B.  mir  leider  keine  bestimmte 
Anslcunft  geben,  vermutet  aber  aus  dem  Rothschen  Briefwechsel  auf  der 
Zwiclcuuer  Ratsschulbibliothek,  —  Kiederei-  t  !'' ytrai,-  zu  den  Reformations- 
urkiindpn.  S.  H"-  meint  irjrondwo  ;;o|csen  /.u  haben.  Toltz  sei  auch  in  Lief- 
land gtiwesen.  Wenn  das  nicht  ein  Irrtum  ist,  so  mag  es  in  dou  Jahren 
gleich  nach  seinem  Studium  gewesen  sein. 


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364    Mitteiluiigeu  d.  Ges.  t.  deutsche  Erziehujogs-  u.  Schulgesch.  VII. 


urkundliche  Naclirichteii  ili>t  [-  ihn  aufzufinden.  Viell<'irht  hat  er 
von  T.eipzlg  aus  sich  noch  /.um  Studium  imeli  Wittenberg  bci^i'beu  i): 
eiü  Brief  MelanchthonH  «n  ihn  aus  drin  .lahre  1554  (Corp.  l>'.ef. 
IX.  S.  914)  läpst  fiiif  tili*'  Rfküiiiitsrhufl  zwischen  beiden  Mauuern 
schliessen.  aluT  ja  juuli  aus  spiiierer  Zeit  —  vielleicht  aus  den 
Tagen,  wo  Tuilz  zum  Zweck  seiner  Ordination  sich  in  Wittenberg 
aufliielt  (s.  u.  S.  37.'>)  —  .^Uunmen  kann,  ja  iiiöglicherweise  nur 
durch  Toltz'  Sohn-)  veranlasst  ist.  Mit  zit'uilicli<  r  Sicherheit  dürfen 
wir  indes  vermuten,  dass  Toltz  schon  vor  1526  in  seiner  Vater- 
stadt sich  uiedergelasseu  und  sich  dort  verheiratet  hat.  Sein  eben 
erwähnter  Sohn,  Augustinus  Bochz  [!J  Plawensis,  -wird  sehon  im 
W.-S.  1638/39  in  Wittenberg  immatrikuliert  (Alb.  S.  174),  nuias 
also  doch  schon  am  1522  und  zwar  in  Plauen  geboren  sein^. 
Ob  nun  Toltz  gleich  Ton  Anfang  an  als  Schulmeister  in  Plauen 
gewirkt  hat,  ist  zweifelhaft.  Jedenfalls  ist  sein  «handbuchlyn  für 
iuiige  Christen"  (No.  I),  das  er  schon  in  der  Adventszeit  1525 
nach  Wittenberg  sendet^),  um  es  dort  approbieren  und  drucken  zu 
lassen,  nach  seinen  eigenen  Worten^)  ein  Schulbuch  und  wird,  wie 
andere  von  Toltz  verfasste  Schulbttcher^),  aus  der  Arbeit  der 
Schule  hervorgegangen  sein.  Neben  seinem  Schulamt  hat  Toltz 
aber  oifenbar  —  wenigstens  von  1526  an  —  in  Irgend  einer  Weise 
ein  Predtgtamt  versehen^).   DafQr  sprechen  mehrere  Sermone,  die 

>)  Dasa  wir  Joh.  T.  im  Album  nicht  fiuden,  braucht,  weil  «s  nicht 
absolut  vollständig  ist,  nichts  dagegen  zu  beweisen. 

*)  Gorade  im  Jalire  1554  war  Aug.  Tolts  wieder  in  Wittenberg  ge- 
wesen (8.  u.  S.  377). 

')  „Plawenais"  ^^»'ht  doch  wohl  auf  den  Geburt siu  t  Auf  den  dama- 
ligen Wohnort  des  Vaters  kann  es  nicht  bezogen  weriien.  du  Joh.  Toltz 
damals  hOehst  wahrscheinlich  Pfarrer  in  Burkstein,  jedenfliUs  nicht  in 
Plauen  war. 

*)  Vgl.  die  VoiTcde  il.  Hiu  hor;  von  I5iigenhagen. 

In  der  Vorrode  zur  Uaterweiäuug  junger  Christen  ,ynn  dreien 
heuptstuckeu"  (No.  XI). 

•)  No.  xn— XV. 

')  Wenn  T.,  wie  wir  angenommen  haben,  wirklieh  in  «Ueser  Zeit  in 

Plauen  gelobt  hat,  scheint  or  allerdings  nicht  offiilell  oin  Predigtamt  be- 
kleidet zu  haben;  sonst  wJlre  er  wnhl  in  dem  Vlait.-Protokoll  v.  V>'29.  wo 
auch  mehrere  Vikare  aufgeführt  sind  {».  Mitteilungen  d.  Altcrtumsvereins 
sn  Planen  l  V.  VI.  1887.  Kommissionsverl  v.  P.  E.  Neupert  8.  XIV),  in 
irgend  einer  Weise  mit  erwähnt  Aber  vielleicht  hat  er  in  dieser  Zeit  des 
roborgangß.  wo  es  an  geeigneten  Predigern  fehlte,  nur  mehrfach  au >::(•- 
holfen  wolil  besonders  in  Festzeiten  (s.  die  \Veihnarht«?{)redigt:  No.  IUI. 
die  Piii*sioiJäj>rodigt:  No.  X.  1.  Teil,  die  üslorpredigten:  No.  VI  und  Vil, 
die  Predigt  z.  liimmclf.  Mariä:  No.  Vj  — ;  ist  vielleicht  auch  für  Nik. 


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2b.  Johannes  Toltz^  ein  Schuliehrer  u.  Frediger  der  Keformaüouäzeit.  365 


er  in  diu  Jalneii  1526  und  1527  herausgab  und  grössti^ntoils  bei 
Michael  Dluiii  iu  Leii»zi}j;,  den  er  wohl  noch  von  seiner  Studien- 
zeit her  kannte,  teils  auch  iu  dem  ihm  noch  näher  gelegenen 
Zwickau  drucken  liess;  dafür  sprechen  auch  seine  Tropi  bibiiaci 
(1.  Teil:  1526  —  No.  II  u.  IIa:  2.  Teil:  1528  —  No.  III),  ein 
IIQfsbuch  namentlich  für  Predip:er').  um  iii  dit-  liedo weise  der  Bibel 
einzufühlen.  Das  Buch  hat  fiiie  Zeit  lang  otleubar  Aiikluiig  pe- 
tuüdeji-),  aber  die  eigene  Arbeit  Toltz'  daran  beschränkt  sich  im 
wesentlichen  auf  die  Idee,  auf  die  ihn  wohl  Luthere  Vorrede  zum 
.Psalter  deutsch  nach  Art  hebr.  Sprache^  (1524.  Erl,  Ausg.  37, 
S.  104  ff.)  gebracht  hat,  einsAlne  ^  und  nieht  nur  hüdliehe  — 
AusdrQcke  der  Bibel  herauBzugreifen,  als  Stichworte  hinsustelleD 
und  zu  erklären;  die  ErkU&ruDgen  selbst  bat  er  zum  grössten  Teil 
wörtlich  aus  Luthers  Schriften  entlehnt  Namentlich  lisst  sich 
das  bei  den  umfangreicheren  Erldftrungen  des  2.  Teila  der  Tropi 
nachweisen,  wfthrend  für  die  durchweg  kürzeren  und  weit  zahl- 
reicheren Abschnitte  des  1.  Teils  die  Vorlagen  nicht  so  leicht 
aufzufinden  sind^.  Infolge  des  1.  Teils  der  Tropi  seheint  Toltas 

Ilgener  eingetreten,  von  dem  ob  in  gen.  ProtokuU  heisst:  .predigt  nicht". 
M<^lleher  Weise  hat  er  auch  einige  Jahre  in  der  Nahe  Plauens  ein  Pfiufr- 
amt  bekleidet.  Die  Vorrede  sur  weit  Abhandl.  in  No.  X,  in  der  er  seinen 
—  leider  ungonunuten  —  Putron  anredet,  so  duss  m&n  an  eine  Patronats* 
pfftrre  denken  könnte,  braucht  dafür  iilU  nUn^r!*  nicht  beweisend  zu  spin. 
denn  die  Scijule  in  Plauen  stand  in  einem  .\bhnngigkeit8vorh.'Utnia  zum 
deutschen  Orden,  dessen  Komtur  iu  PI.,  damalü  Georg  EuUier,  wohl  von 
T.  als  sein  Patron  bezeichnet  werden  konnte.  (Vergl.  Uitt  d.  Alt.  Ver.  su 
PL  1880.  &  86.)  JedenfoUs  wird  man  .  ino  Predigtthatigkeit  Toltz  an 
nehmpn  müssen,  solange  man  die  betrotlVndr'  S^rnioiif  nicht  ils  einfach 
enüehut  nachweist.  Duss  T.  sie.  die  den  Eindruck  wiiklich  gehaltener 
Predigten  machen,  nur  für  den  Druck  geschrieben  haben  sollte,  ist  mir 
unwaiirschelnllch.  Die  Tropi  bibl.  allein  brauchten  allerdings,  sumal  sie 
grösstenteils  Kompilation  sind,  nichts  zu  beweisen. 
')  Siehe  den  Titpl  rlcs  2.  T.üh;  No.  III. 

')  Ks  ist  von  Harth.  We.Ht heimer  in  seinen  Tropi  insigniorc?'  V.  nt 
N.  Test.  (Basel,  1527),  iu  deren  Vurrede  er  T.  e.  virum  celebri  nomine 
nennt,  benutzt  und  vermehrt  (Unschuld.  Nachrichten  1716.  8.  25  f.). 

Im  1.  Teil  sind  nachweisbar  benutzt  in  den  Abschnitten:  Gerieht 
und  Gerechtiglceit;  Wahrheit:  Angesicht  —  Der  Psalter  deutsch  nach  Art 
hebr.  Spnu-he.  a.  a.  O.  H".  109.  UTI:  in  den  Abschnitten:  Wie  man  die 
Schrift  geistlich  auslegen  soll^  Wie  gar  oiues  einföU.  Sinnes  die  Schrift 
Ist ;  Von  Buchstaben  und  Geist  lehren  —  Luthers  «Auf  das  ttberchrlstl., 
flbergelstl.  u.  QberkUnstl.  Buch  Bock  Brosers  zu  Leipzig  Antwort'.  Brl. 
Ausg.  21.  '2."iS  f.  L'itL',  271;  in  dorn  Abschn.:  Der  Friede  sei  mit  euch  — 
Die  Ain'nsrving  des  'S'.  Psalms  v.  l'rJl  n.  a  O,  :v.}^.  vi  ri;!.  ICi'istlin, 
Martin  Luliier  1.  4.  Aufl.  S.  4M);    in   den   ÄbsciiiuLif n.    Dit*  eiserne  Kut; 


MilluiluDgea  d.  Ufa.  f.  UeuUebo  Krzivh,-  u.  .Scliulgc.S':liicnu.'.    Vü  4  issöT. 


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366    Mitteilungen  d.  lies.  f.  deutsche  ErBiehongs-  u.  S^chulgesch.  VII. 


AngrittV  wegen  seines  JBücherschreibens  erfahren  zu  haben,  cje^jen 
«liü  er  in  der  Vorrede  zum  2.  Teil  sich  ernstlich  verwahrt 
und  als  deren  Grund  er  ^eid  und  Abgunst  meint  erkannt 
zu  haben. 

Von  1S39  an  bis  Weiimaehten  1636  >)  linden  vir  Toltz 
zweifeilos  als  Sohulmeistor  in  Plauen.  Einige  Nachrichten  Qber 
ibn  geben  uns  die  Visitationsprotokolle  von  1529  und  1583.  Bei 
der  Visitation  am  4.  Mftrz  1520  wird  sein  und  des  Kantors  Qehalt 
festgesetzt;  er  erh&lt  40  Gulden  bar  und  6  Klafter  HoK  jedenfalls 
mehr»  als  ein  Kaplan  (lütteil.  d.  Altertnmsver.  in  PL  VI. 
S.  XXVII  f.);  bei  der  Visitation  am  4.  April  1583  hat  man  «Rede 
mit  ilmi  gehabt*«  und  er  ist  «gescbiclct  befünden*  (a.  a.  O. 
S.  LVI);  aucb  wird  ihm  ein  lang  gehegter  Wunsch  erfOUt«  den  er 
schon  1529  ausgesprochen;  er  bekömmt  jetzt  neben  dem  Kantor 
noch  einen  Lokaten  zur  Hilfe.  Wichtiger,  als  diese  Nachrichten, 
ist  der  zweifellos  von  Toltz  verfasste  Lektionsplan  der  Planener 
Schule  V,  1529,  der  uns  bei  den  Visitationsakten  im  Grossheizogl. 
Gesamtarchiv  in  Weimar  erhalten  ist,  un<l  den  ich  hier  aus  den 
Mittrillingen  des  Altert  ums  verein«  zu  Pliiuen  i.  V.  1880.  8.  39 
abdrucke,  weil  diese  Mitteilungen  nicht  leicht  zu  beschaffen  sind: 

Cathaloj^us  lectionum  scholae. 

Primc  r1a!«(iis  pueris  prelegitur  [!j  elementa  latina  una  cum  vucabulis 
rerum  a  prandio. 

Sccunde  classis  pucris  Douatus  oiitc  prandiuro,  Catouis  sententiae  a 
praadlo, 

Teriie  classis  est  etbimolo^a  Pbilippi  Melancbthonis  ante  prandiam» 
a  prandio  autem  fabelte  Esopi,  qui  e  altemis  repetitar. 

Opfer  der  Gorerhtig'keit;  Sohn  Onttps  küssen  —  Oporatinnos  in  I'-^almoH. 
Op.  ex.  1(J,  7a,  107  ff.  b6.  Namentlich  aus  den  Uperatioaes  scheinen  aber 
noch  weit  mehr  ErklanmgeD  entlehnt  zu  sein.  —  hm  2.  Teil  aind  benutzt 
in  den  Abschnitten:  «Sehers  Gesieht"  bis  „Speer,  Pfeil"  Luthers  Auslegung 

d.  Proph.  Habakuk.  Erl.  Ausg.  42,  18  f.  lü.  :?0.  :V2  t  89,  7«.  78.  s4.  86.  99. 
!n;i:  in  den  Abschnitten:  „Meer"  bis  „Brot  u.  Wasser"  Der  Troph.  .Jona 
ausf^elegt  a.  a.  ü.  41,  ff.  365.  877  t.  !J«7.  8i)4;  in  den  Abschnitten: 
»Der  Gottlose"  bis  „Schatten"  Die  Auslegung  der  vier  Trostpsaluien  a.  a. 
O.  88.  379  ff.,  892.  408  410.  414.  429.  488.  488.  447;  In  den  Abschnitten: 
«Licht»  Flnsternuss*  bis  „Christus  Zunamen'  Die  Epistel  oder  Propbecei 
Jesaift.  so  man  in  dft  (  in istnips^o  liesot  a.  a.  0.  lö  Aufl.)  S.  71  ff.  Ts. 
95.  ;*7  ff.  und  in  doii  Al>scliiiiit(Mi :  „Uewöchs"  bis  «t^u  wahr  der  Herr  lobet" 
Eine  Epistel  aus  dem  l'rupiietcri  .Tereniia  a.  a.  0.  41.  11)2  f.  20H  ff.  *>Ih.  • 

*)  Noch  der  Plauener  „Geui.-Kasten-Hechnung"  v,  l./J'j— lö4u,  vergl, 
MitteÜungon  d.  Alt-Vereins  s.  PI  im.  S.  41. 


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28.  Johannes  Toitz,  ein  SchuUebrer  u.  Prediger  der  Reformationaseit  367 


Qnürtt-  flassis  .syntaxis  riusdt-in  Pliilippi  ante  prandium,  comedie 
terentiaue  a  prandio,  septimanis  variatur. 

Christianismi  capita,  decalogus,  symbolum  apostolicam  et  oratio  do- 
miaicadie  Mercurii  Bimplidasime  onarrantur. 

Miuioa  singnlis  diebus  a  prandio  rocoUtnr.  EYaogelium  Matthei 
ad  preces  veapertinaa  et  latine  et  germanice  in  ede  sacra  legitur. 

logrediuntor  ladmn  literaritun  mane  Ideme  hora  quinta,  cstate 
scxtn,  rlimittiintiir  liiemo  ortava,  pstate  vero  nona,  reTertontar  sabinde 
undecimu,  denimn  hora  tcrtia  doinos  repetuut. 

Porro  ut  ptieris  sutistiat,  nobis  ad  iiiodum  opus  esset  collega  tertio* 
atqoi  meuut  est  imlicare,  vestrum  constituere. 

Schon  MUlkr,  der  den  von  mir  benutzten  Abdruck  besorgt 
hat,  hat  a.  a.  O.  S.  40  darauf  hingewiesen,  dass  der  Lektionsplau 
zeige,  .wie  mau  in  den  mittleren  Städten  die  Forderuugeu  des 
Humanismus  und  der  Reformatoren  —  [wie  sie  im  sftchsisohen 
Schulplan  Melanehtbons  von  1528  ausgesinochen  waren]  —  (bat- 
aftdilich  verwirklichte*.  Der  sächsische  Scbulplan  hatte  das 
3  Elassen-System  sd  Grunde  gelegt  ;  bei  Toltz  finden  wir  4  Klassen. 
Daraus  ergeben  sich  von  seibat  einige  Aenderungen,  andere  folgen 
daraus,  dass  nur  zwei  Lehrer  vorhanden  sind.  Letzteres  ist  wohl 
der  Grund  dafOr,  dass  die  erste  —  unterste  —  Klasse  nur  nach- 
mittags beschilftigt  wird.  Sie  lernt  dann  auch  nur  die  Elementa 
latina  una  cum  vocabulis  rerum  —  letzteres  wie  im  sfichsisehen 
Scbulplan  (s.  Erl.  Ausg.  24,  66)  — «  wfthrend  Donat  und  Gate,  die 
nach  der  Wittenberger  Schulordnung  von  1533  (FOrstemann,  0.  E. 
Neues  Urkundenbach.  Hamburg,  1842.  S.  390  f.  vergl.  Heft  56 
der  Schrift,  d.  Ver.  f.  fief.  Qesch.  S.  55)  Übrigens  auch  erst  in 
der  zweiten  Klasse  traktiert  werden,  der  folgenden  Stufe  reserviert 
bleiben. 

Die  Fabeln  Aesops  und  Terentius,  die  nach  dem  sächsischen 
Schulplan  beide  sdion  in  der  zweiten  Klasse  getrieben  werden 
sollen,  von  denen  die  Praxis  im  Wittenberger  Plan  von  1633  aber 
auch  Terenz  der  Oberstufe  zugewiesen  bat,  werden  nach  Toltz: 
Aesop  in  der  dritten,  Terenz  in  der  vierten  —  obersten  —  Klasse 
behandelt:  und  über  Tereutius  gehen  Toltz'  Anforderungen  über- 
haupt nicht  hinaus.  Auch  Prosodia  bat  er  bei  seinen  boschränktfu 
Lehrverhältnissen  gestrichpii:  im  übrigen  bewahrt  er  di»'  vdu 
Melanchthou  vorgeschriebene  Folge :  Et^mologia^)  d.  i.  Formenlehre; 
Öyntaxis. 

')  Nach  MelanchthonH  eigener  Erklärung  in  seinor  Grammatica 
latina:  id  o^t  propriota.s  dictionis,  docet  enim  discrimiua  casuum  in 
dictonibus  (^t'orp.  Kef.  XX.  S.  240). 

24* 

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^8    mtteiliuigeii  d.  Gm.  f.  deutsche  Endehiiiig»-  u.  Sdndgeacfa.  vn. 


Die  von  ihm  benutaten  Sehulbttdier  bftt  Toltz  e.  T.  selbst 
Torfasst  oder  doch  ftlr  seine  Zwecke  bearbeitet  Letzteres  gQt  von 
der  Syntax  Melanchthons,  die  er  durch  alleilei  HUftnmittel  dem 
Vetstftndiiis  der  Anfänger,  der  «schverfUligen"  Schüler,  wie  er 
sagt,  angepasst  bat^).  Er  hat  dem  lateinischen  Text  vielfach  die 
deutsche  Uebersetzung  iiinzugelOgt,  er  bat  die  Verse,  die  als 
Beispiele  angeftlhrt  werden,  slcandiert,  hat  griechische  Wörter 
durch  lateinische  ersetzt*)  und  hat  namentlich  das  ganze  Buch  in 
Tabellenfonn  herausgegeben,  um  durch  diese  Anordnung  den  Ueber* 
blick  zu  erleichtem  und  dem  GedSchtnis  zur  Hilfe  zu  kommen. 
Von  den  recht  zahlreichen  Kürzungen  abgesehen,  ist  der  Text  bei 
Toltz  1.  g.  derselbe,  wie  bei  Melaocbthon,  und  auch  Einteilung  und 
Reihenfolge  entsprechen  sich  im  wesentlichen.  Nur  ist  Toltz  offen- 
bar bestrebt,  den  Stoif  in  kleinere  Abschnitte  zu  zerlegen.  So 
zerfallt  das  Nouuii  b*  i  Toltz  in  17  Abteilungen  statt  wie  bei 
Melanchtbon  in  13;  das  Verbum  in  9  statt  in  4.  Eine  Terändert^ 
Anordnung  zeigt  dt  r  Abschnitt  Syntaxis  verborum  cum  obliquis» 
dw  bei  Toltz  in  22  Abteilungen  zerf&Ut,  indem  zu  ihm  die  verba 
mercandi,  die  regulae  teinporis,  die  mensurae  et  spatia  und  die 
«rbium  nomina,  die  bei  Melanchtbon  davon  getrennt  st<}hen,  hinzu- 
gerechnet werden.  Beim  Gerundium  fügt  Toltz  die  VerV)in(lun[r: 
mihi  le^endum  est.  die  bei  Melanchthon  foblt.  iils  Appendix  hiuzu 
und  über  opus  est  bildet  er  ciiir  cii^tMie  KciTrl'').  Die  Lehre  von 
den  Praepositiones ,  die  Melanrhtlvtn  in  seiner  Syntjixis  (iherliiiupt. 
nicht  behandelt,  für  die  er  viehiiehr  auf  seine  Ktyniulogia.  d.  h. 
auf  seine  latein.  Grammatik,  vorweist,  eigänzt  Tolt/.  aus  dieser. 
Das  ist  aulTallend.  weil  Melanchthons  ( iranunatik  nach  dem  SturideD- 
plan  doch  auch  iü  Tulu"  Schule  gebrain  hi  wurde.  P>enierkenswert, 
weil  die  Belesenheit  des  Verfassers  dadurch  bewieaeu  wird,  sind 
noch  einige  Hinweise  auf  die  Ele;j;auüao  Iniini  sermonis  des  Laur. 
Valla  (vejgl.  Hartfelder,  Melanclilhun.  S.  268),  auf  die  T'araphrasis 
des  Erasmus  (d.  i.  rai'aj)lirdi3is  in  clegantias  Laur.  Vullae  ;  erst 
1529  erschienen,  also  damals  noch  ein  neues  Buch!  vergl.  Biblio- 


8.  den  Titel  unten  No.  XV. 

*)  So  r:^<{9ciRe  dnrch  »ppositio;  aueh  bei  Melanchthon  in  der  Aus- 
gabe V.  1589. 

Dux  et  autor  nobis  opus 
est.  Germa.  wir  bedurffen. 


Opus  est  huic  tuu  iudicio. 
i.  e.  der  bedarff. 


Froiilc 

vorn  an 

[   Horn,  j 

Opus  A 

fnr  sich, 

Tcrf?o 

Exlgit 

zurück, 

AhL  j 

,  binder  sich 

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28.  JohamiM  Tolts,  ein  SeliuUeluer  n.  Prediger  der  Reltonnationaseit.  869 


theca  Eiasmiai».  Gand,  1898.  S.  152)  und  auf  Prisdaaus  de 
CoBBtruetione  (Hartfelder,  a.  a.  0.  S.  272).  Um  einen  Einblick  in 
den  Charakter  dea  Bucliea  zu  geben,  drucke  ich  Beinen  Anüutg 
ab,  den  man  mit  Corp.  Ref.  XX.  S.  488  f.  Teigleicben  mag: 

Oratio.  2)ie  übt. 
Est  integre  sententiae  expUcatio. 
^«nnanica«,  3fl  «ymr  oolfommeit  mcYititim,  «in  mifsbrfl^itg. 

u  e.  XXk^ü  aber  ZÜgeH 

0«  Nealnet   IParvnla  prima. 


8ubsUintiuam  et 
AdiectinniD 


Nominale 


Pronominale 


Participialc 


Nominale. 

Amicns  eertns  in  re  in- 
eerta  ceniitar. 

Eodt'in   GtUL-re  1  Proiioiniiiak'. 

Nnmero  et  casa  { IntrafOttOnim  deb^  qnls* 


coberent. 


Altera. 


Interrogatiaum 
et  Rosponuuam. 


InteTiogatiniim 
Beddiiinnm 


Gener« 


Numero 

AUqnando 
etiam  Caan 
ipao 


<Bennamce.€vn 


Conueninnt  yt 


qnS  mSnCfg  stt&m. 

Participiale. 

NuUüä  (\U  änussils  iblt 
ämfcQs  öpes. 


Intcrro.   Cuius  senteutia 

est? 

Rt'sponsiuum.  Ciceronis. 

Die  mihi  DamrtA  cUiQa 
pßcüa  an  M6Ubei? 

nOn,  Tömm  A^gOnls. 


Relatinom 

enm  anter. 
substantiuo 
nccesse  est 


ßenere 


Nomero 


5ra0e    liooertlen  bas  ifi 

nuitt 

iij. 


fraget« 

i3cid7cib  ©nb 
antwort  gibt. 


Antec.: 

consentire,  cMns  ae- 1  Litteras  accepi  toaa. 
quentirerborespondet,  \  ^\g^: 


Relatinum 
Antecedens 


2>eflb 
bctg 


Que  mihi  magno  voluptati 
fuemnt  t.  e.  febr  lÄfKg. 

wortlcin. 


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370    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziebungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


Qunlissnnmsnb- 1  Casum 
stajistiuum  ad- 
sciscit,  a  quo 
mntnatar: 


tuj. 

ivt:  Talis  est 
Ciuitas,  qnales 
Niiit  piincipom 



Genus 


moree. 
T. 


Adsciscere 


3ufüg«n, 
(ßattcti, 


ISubstantinuin  ctun  snbstantiuo 
Genitiuo  casu  iunguntur.  Vt 


Sub.  Sub. 
Cr98c!t  ämOr  nQmml,  quäntum  Ipsä 
pecOnYS  crfiacTt 


Nihil  pocuniae,  pro  uuUa  pecunia. 
TL 

(Comp, 
ynifle  ai^ientam  «st  anrO,  vlrtQtlbfis  aOrom. 

AblatinoB.  Yt    1  Et  Tilim  est  argentnm  quam  auinm.  • 

IL  B.  w. 

Selbst  verlasst  bezw,  zusammeugostellt  hat  Tolu  das  J^ehr- 
buch  für  den  ersten  lateiniscbpn  Unterricht,  die  Elenienta  puerilla 
ad  latiuae  lüiguao  lectioiieiu  perdiscendam  usui  futura,  1529 
(No.  XIII).  Das  Buch  beginnt  mit  den  Buchstaben,  die  nach 
Vokalen,  Diphthongen  und  Kousonajuen  uatirscliieden  werden. 
Dann  folgen  Lrsciibim^en :  zuerst  sämtliche  Konsonanten  immer  mit 
Vokalen  zusaiainLügesetzL:  ba,  be,  bi,  bo,  bu  u.  s.  w. ;  dann  andere, 
ziuu  Teil  sehr  wnnderliche  Zusammensetzungen  (gdu,  sbu  u.  a.), 
zum  Teil  auch  wirkliche  lateinische  Wörter;  dann  die  zehn  Gebote, 
der  Glaube«  das  YateruDaer,  das  Benedicite  und  Gratias«  und  zwar 
immer  eist  lateinisch,  dann  dentscli«  ol»wohl  man  das  Umgekehrte 
erwarten  sollte,  bis  auf  das  letzte  StQck  mit  Silbentrennung,  also 
zum  Buchstabieren  eingerichtet  Weiter  sollen  die  Kinder  an 
Dialogen  geübt  werden.  Der  erste,  der  nur  in  lateinischer  Fassung 
vorliegt,  Paedologia  Monitoria  betitelt,  ist  den  CoUoquia  des 
Erasmus  entnommen  (i.  d.  Ausg.  v.  A.  Montanus,  Lips.  1684,  die 
mir  vorliegt,  S.  44  IT.);  der  andere,  der  wieder  erst  lateinisch, 
dann  in  deutscher  Uebersetzung  erscheint.  De  Summa  Christianismi 
überschrieben,  ist  Tolts*  eigene  Arbeit.  Trotz  seines  religiösen 
Inhalts  scheint  er  Tolts  heim  religiösen  Unterricht  nicht  gedient 
zu  haben  1).  Die  Vocabula  rerum,  von  denen  die  Knaben  jeden 


')  Er  wUrdo  sonst,  da  er  auch  aug  dem  Jährt;  l.VJ'.^  ?«tanimt,  der  Aus- 
trage Toltz'  im  Lektionsplau,  dass  Decal.,  iSymb.  und  Ur.  domin.  im 
Kcligionsunterricht  kurs  erklart  würden,  direkt  «idereprechen,  da  er  nicht 


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2b.  Johannes  Toltz,  ein  Schullelurcr  u.  Predl|;er  der  Reformation Bzeit.  371 


Tag  ihr  Pensum  auswendig  zu  lernen  l)ek(nnmen.  machen  den 
{^•össteu  Teil  und  /Ji<;ieic;li  düü  Schliiss  dütj  Bufhe»  aus.  Sie  sind 
in  lulgeiidü  Abüchnilte  geit4»iU:  De  i>eo  et  de  rebus  eueleötibus ; 
De  aquis  et  terris:  Xoniiua  legiunum  et  gentium;  Nomina  civitatuni 
er  Idcorum:  De  domo  et  eins  partibus:  De  vniiu  su|iellectiIo  et 
iustrunientis  rusticorum :  De  supellectilidoiiiesticu;  De  vaiiiin.in  otl'ici- 
narum  instiumeotis;  Devasiscoquiuariis: Vusaaquatica:  Mensaiia;  Vasa 
potoria;  Vasa  conservatoria;  De  temporibus;  De  bumine  et  eins 
partibus;  De  variis  coloribus;  De  vestibus:  De  cibi  generibus: 
De  potus  generibus;  Votabula  cognationis;  Nomina  dignitatum 
ecclestasticaium ;  Nomina  dignitatum  secularium;  Nomina  opificom; 
De  aribus;  De  piacibiis;  De  animalibos;  De  Termibns;  De  arbori- 
btis;  De  fhictibus;  De  herbis  et  floribua;  De  aromatibus;  De  fru- 
mentis;  De  lapidibus  et  gemmie;  De  metallis;  De  templo  et  rebus 
ecdessiaatidB;  De  libiis;  De  ponderibua;  De  moneta;  Quedam 
adiectlva  nomina;  De  niimeris.  Bei  der  Auswahl  bemerlcen  wir 
die  Rttdcsicbt  auf  die  EiforderniMe  des  tSglicben  Lebens.  Hinter 
jedem  Substantivum  ist  Qeschlecbt  und  Deklination  in  EUrze  an- 
gegeben: z.  B.  Qt,  m.  d.  2  SS  mBiinlicbeii  Geschlechts,  nach  der 
IL  Deklination. 

Den  Freitag  hat  Tolts  in  seinem  Lektionsplan  dem  Religions- 
unterricht gewidmet.  Der  sllchsische  Schulplan  hatte  dafür  den 
Sonnabend  oder  Mittwoch  empfohlen  (ErL  Ausg.  23  S.  68),  aber 
auch  die  Wittenbeiger  Schulordnung  yon  1638  hat  den  Freitag  be- 
vorzugt (Föistemann  a.  a.  0.).  Eine  ganze  ^Reihe  von  Schul- 
büi  hern  zeugen  Ton  Toltz'  Eifer  gerade  bei  diesem  Unterricht 
Er  scheint  an  ihn  sunftchst  ziemlicb  hohe  Anforderungen  gestellt 
zu  haben,  dann  aber,  durch  die  Verhaltnisse  gezwungen,  in  seinen 
Ansprüchen  zurückgegangen  zu  sein.  Die  Vorrede  zu  seiner 
„Untenveisiing''  (No.  XI),  die  ums  Jahr  1526  geschrieben  sein 
mag,  giebt  sein  ursprüngliches  Programm  uns  folf^endermaassen  an: 
.Zuuor  vnd  ehe  man  dieses  gesprech  buchieu  handeL  sol  man 
erstlich  die  iungen  Christen  den  schlechten  l)lossen  text  der  zehen 
gebot,  des  glaubeiis  vnd  vatervnsers  a\o1  vnterweysen,  wie  ynu 
der  leyheu  Bibel  «geschrieben  ist,  vnd  als  dann  dainarh  das  naeh- 
uoigend  examen  vnd  i^^esprerhr  funveuden.  Zum  dritten  vnd  letzten 
das  haiullMii  lilrn  mir  ylincn  practieirn  vnd  von  wort  zu  wort  aus- 
wendig auil'zusagen  leren."    Während  der  Lektionsplaa  aus  dem 

eine  HrkKlrung  dieBer  Stücke  esthfllt.  l'ebrigens  wird  er  in  einem  Bimde 
der  :\Ion.  üerni   Paed.    „I>te  evang.  KatechinuiisverBuehe  vor  Luth«ra 

Euclüridion"  abgedruckt  werden. 


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372    mtteiliuigeii  d.  Ge«.  t  deutBche  Entobung»*  u.  Schulgeeeli.  VII. 


Jahre  1529  vier  Stufen  kennt,  werden  hier  beim  Religionsunter- 
richt nur  drei  Stufen  unterschieden.  Vielleicfat  erkiftrt  sich  das 
einfoßh  so,  daes  Toltss  seine  Schiller  UTsprQnglich  ttherhaupt  in 
drei  Klassen  geteilt  hatte;  Tielleicht  hat  er  auch  beim  Religions- 
Unterricht  die  zweite  und  dritte  Klasse  zu  einer  Mittelstufe  Ter- 
bunden  und  eo  bei  dieser  Diseiplin  immer'  die  Dreiteilung  beibe- 
halten. Auf  der  Unterstufe  benutzt  er  die  Laienbibel  (s.  Schneider, 
K.  F.  Th.  D.  H.  Luthers  Id.  Katechismus.  Berlin,  185$.  S.  77  IT.), 
die  er  gleichzeitig  als  Lesebuch  gebraucht  haben  wird.  Aus  ilir 
lernen  die  Anf&nger  den  Text  der  zehn  Geln^te.  des  Glaubeos  und 
des  Vaterunsern  einfach  auswendig;  die  aus  Luthei-s  Schriften  kom- 
jiilierteii  Erklärungen  werden  nicht  berücksichtigt.  Für  die  Ober^ 
stufe  dient  Tolta'  Handbüchlein  (No.  I).  das  auch  .von  wort  zu 
worf  auswendig  gelernt  werden  soll.  Es  enthält  nicht  eine  Dar- 
stellung des  Katechismusstottes.  sondern  P>klärungen  der  wichtig- 
sten liegritte  der  christlichen  Lehre  in  40  Abschnitten:  Gesetz. 
Evangelium.  Glaube  u.  s.  w.  (s.  Kawenui.  (J.  Zwei  älteste  Kate- 
chismen d.  luth.  Ref.    Halle  a.  S.  löiH).  S.  8,  Aum.  2). 

Während  hier  also  die  hunianisti^äch«'  Unterricht.'<iin'tliode  der 
loci  communes  (▼ergl.  Plitt,  G.  L.  Dir  Loci  coinm.  Ph.  Melanch- 
thons  in  ihrer  Urgcstalt.  2.  Aull.  v.  Th.  Koide.  Erl.  u.  L^z.  1890. 
S.  33)  zur  Anwendung  kommt,  hat  Toltz  in  seinem  Uuterrichts- 
buch  für  die  Mittelstufe,  in  der  .Unterweisung",  eine  andere 
Weise  der  Humanisten  befob^-  Zunächst  zur  Uebung  im  Latein- 
sprechen verfassteu  diese  ihre  Gesprächbücher^),  die  dann  gleich- 
zelti'j:  dfo  Schüler  iitiff  die  gesprächsweise  bohandelten  GtL'»!! 
stände  Ix'lt'hrten.  I^-i  dieser  Methode  wurde  di«'  Aiifmerksaiiilviit 
«ranz  and»  rs  i;f'r<'s>cli.  als  wenn  der  Stotf  in  tnn  kcntT  Altliandlung 
^ (ULrt'traLTtii  wärt',  Dir.-;!'  l 'ntrmchtsform  verwendet  Toltz  auch 
Im  im  iellgi(isen  Llnterriciit,  indem  er,  an  Luthers  Kurze  Form 
(VaL  Aus;;.  22.  S.  1  ft'.)  sich  anlehnend,  die  drei  alten  Haupt- 
.^tUcke  --  l>ek;iln-^'.  Credo.  Vaterunser  —  in  der  Form  t  iiics  seel- 
sorgerlicheu  (icbiiräclis-j  zwischen  „Pfarrer"  iiml  .. IMuikiudt"  be- 
handelt,   Üchou  durch  diese  Benennung  der  n-deudeu  Personen*) 

')  Die  Colloquia  des  ErMmw,  die  Paedologia  des  Petrus  Mosellanua 
die  belcannteateu  dieser  Go8prach»bueher,  vgl.  lieft  I  der  «Texte  und 
PocBchuDgen":  A.  BCuner,  Die  lat.  Schülergesprache  d«T  Humanisten.  1. 

')  Das  soll  der  Ausdruck  pxamon  in  der  Vorrede  wohl  bedeuten. 

')  Man  könnte  die  Üenennungen  ja  dadurch  erkiareu,  dass  dm  Buch 
für  den  kirchlichen  Gebrauch  sei  bestimmt  gewesen,  wenn  es  durch  seine 
Vorrede  nicht  aasdrQckUch  als  Schulbuch  ervriesen  w&re. 


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28.  Johannes  Toltx,  ein  Schuüebier  u.  Prediger  d^r  Heioruitttiouäzeit.  373 


ist  (las  Buch,  das  Toltz  iiiclit  zufällig  ein  cjeaprech  buchleü  genuDiit 
hat.  von  nnderen  Katerhisinfii  iü  Frage  und  Antwort  unterHchieden, 
die  nur  Lehrbiu  hei-  s^ein.  alter  nicht  gleichzeitig  die  N'orstt'liuug 
eines  wirklich  süitttindeudeu  Gesprächs  erwecken  wollen;  und 
diese  Wahrnehmung  wird  durch  den  ganzen  Charakter  des  Buches, 
80  gleich  durch  die  umstäudlicben  erstell  Fragen  und  Antworten, 
bestätigt'). 

Die  gleichzeitige  üebting  im  LaU^iusprerlion  scheint  Tolt/.  dalMM 
zunächst  nicht  ins  Auge  gefasst  zu  lialien;  wir  l\ennen  soinc  Unter- 
weisung nur  in  einer  deutschen  AnSL'abe;  vielmehr  stheiut  er,  da 
selbst  (las  relMingslnieh  der  Uberstul'e  nur  deutsch  vorliegt,  den 
Iieiigiousuutei-ri(  ht  autangs  auäschliesslich  in  deutscher  Sprache 
erteilt  zu  haben. 

Spnter  hat  er  das  aber  offenbar  geändert.    Wir  haben  nicht 

nur  den  IVxt  der  Hauptstücke  und  Gebete  in  den  Eleraenta  pue- 
rilia  in  lateinischer  und  deutscher  Fassung;  auch  die  Elementa 
pietatis  (No.  XIU  u.  XIIU)  liegen  uns  deutsch  und  lateinisch  Tor 
und  werden,  wie  jene,  in  beiden  Sprachen  in  Toltz'  Schule  aoa^ 
wendig  gelernt  worden  sein.  Die  Elementa  pietatis  scheinen  aber 
überhaupt  eine  zwcife  Phase  ijn  Toltz'schen  Ueligionsunterricht  zu 
bedeuten.  A\  ir  kennen  von  der  Unterweisung  nur  einen  Druck  und 
auch  vom  Handbüclib  in  keinen  Einzeldruck  nach  1526.  Schon 
das  macht  wahrscheinlich,  dass  beide  Biidier  sich  als  untauglich 
«  rwiesen  haben,  von  Toltz  ül'i'eschafti  und  nicht  melir  neben  den 
Elementa  idetHtis  von  1580  lu-nutzt  worden  sind.  Auch  hat  Toltz 
schweilii  li  so  viele  verschiedene  Üücher  in  seiner  Seinile  Lrebraiicht. 
Die  \'erNvandts('hafl  der  Eb'inenta  pietatis  mit  Luthers  Knchiridion 
lässt  vieiniclir  ^el•lnuten.  dass  letzteres  gleich  nach  .meinem  Er- 
scheinen in  der  IMaiiener  Schule  einiieführt  ist,  dass  es  sich  dann 
als  liuch  tür  die  Uher-stufe  erwiesen  und  das  Haiuiliüclilein  ver- 
drängt hat,  und  dass  nun  Toltz.  um  der  MilteLstule  ein  auf  da.^ 
Enchiridioii  vorbereitendes  Duch  in  die  Hand  zu  geben,  seine 
Unterweisung"  bei  Seite  gesetzt  und  seine  Elementa  pietatis 
verliisst  hat.-) 

')  Da  das  HandbUchlehi  sowohl,  wie  die  Unterweisung  ebentalls  in 
dem  8.  370,  Anm.  1  erwähnten  Bande  der  Hon.  Germ.  Paed,  abgedruckt 
werden,  eo  gehe  ich  hier  nicht  Aveiter  auf  sie  ein. 

')  Vergl.  auch  die  Eiiil.  dor  Elem  iiiet  in  der  dtöch.  Ftissnng:  ,Es 
mnd  etliche  knabon  khüiis  VL-rneinone  vnd  behalten»,  deaon  z\i  j^ut  sind 
uuehfolgende  gosprech  vnd  lüalogi,  »uffa  kürzest  vnd  allereiufeltigst  vertasset 


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374    Hittoilungen  d.  Gle.  f.  deutsche  Bniehungs«  u.  Sclralgesch.  VII. 


Der  Unterricht  in  Dialogform  hat  sich  auf  der  Mittelstufe 
offenbar  bewfthrt.  Denn  die  Elementa  pietatis  sind  für  jene  ein 
besonders  charaklerietificliee  Beispiel.  Das  beweist  schon  die  Wahl 
der  redenden  Personen,  die  je  dem  behandelten  Stoff  entsprechend 
wechseln.  Das  erste  Gesprftch  Aber  die  zelm  Gebote»  den  Glauben 
und  das  Vaterunser  in  kurzer  Zusammenfassung  spielt  in  der  Schule: 
es  reden  der  Paedagogus  (in  der  deutschen  Fassung:  Lehrer)  und 
der  Puer  (SchOler).  Bas  zweite  Gesprftch  über  die  heilige  Taufe 
führen  der  Catechista  und  der  Oatechumenus.  Babel  könnte 
man  an  die  Katechese  in  der  Kirche  denken,  wenn  nicht  die 
deutsche  TJebersetzung,  wo  der  Pathe  mit  seinem  Pathkinde 
redet,  uns  auf  den  mittelalterlichen  Sprachgebranch  hinführte. 
Nach  diesem  bedeutete  Catechismus  den  Unterricht  in  den  Haupt- 
punkten des  CbriBtentums  —  namentlich  auch  über  die  Taufe  — , 
den  Ton  Bechts  wegen  der  Pathe  —  daher  Catechista  —  dem  von 
ihm  zur  Taufe  gebrachten  Kinde  —  Catechumenus  zu  erteilen 
hatte.  1)  Das  dritte  Gespräch  führt  uns  eine  Vorbereitung  aufs 
heilige  Abendmahl  vf.r:  dor  Seelsorger  (Pastor,  dxach.  Pfarrer) 
redet  mit  seinem  BeichtkiiHle  (Ovis,  dtsch.  Kind).  Neben  diesen 
GesprAchen  enthalten  die  Element^!  pietatis.  als  ob  sie  uns  die 
Muster  zeigen  wollten,  nach  denen  Toltz  gearbeitet  hat,  noch  zwei 
Dialoge,  von  denen  der  eine,  den  wir  schon  in  den  Elenientii  puerilia 
fanden,  aus  den  Colloquia  des  Erasmus  entlehnt,  der  andere  aus 
jenen  und  der  Paedologia  des  Mosellauus  kom|>iliert  ist.'^  — 

Weihnarhtf'ti  1536  —  d.  h.  nach  der  Gewohnheit  der  Ke- 
formatiouszeit.  (l;is  .lahr  mit  >Veihiia<-liten  zü  he^nnnen.  wolü  An- 
fang 1536  —  \i"^U'  Tnltz  sein  Srliiilaiiit  in  l'laiien  nieder.  Wohin 
er  damals  sicli  g»'\sandl.  darüber  giel»t  nm  venniitlich  ein  SchttMlx  ii 
des  Kickel  Sack  in  Ueylsdorf  an  Stephau  lloth,  den  ^tadtsclu'ciber 


worden,  Gott  gcb  das  sie  sich  bosseru  vnd  zu  andern  C'atechbaii»  go- 
BcMckt  werdeo.* 

1)  Aiiffiillend  Ist  die  erate  Frage:  cur  petis  Uvacnim  baptiBin»tu?  . 

al8  ob  08  sich  \xm  einen  erwachsenen  Täufling  handelte,  der  erst  auf  die 
Taufe  vorbereitet  würde. 

^}  In  dem  unten  folirendon  Verzeichnis  der  Toltzschen  Schriften 
iindeu  wir  iu  deui  Titel  der  datierten  Ausgabe  der  Elem.  piet.,  die  wohl 
jedenfalls  Original-Ausgabe  i8t>  den  Zusatz:  In  tres  dialogos  eonlecta«  in 
der  undatierten  den  Zusatas:  in  quinque  d.  Eratere  redet  deshalb  nur 
von  3  Dialogen,  weil  sie  den  aus  Era«:rn.  Coli,  entnommenen  und  den  ans 
Erasm.  und  Mosell.  kom^Mlif^rtPn  nicht  initzTihlt.  sniidprn  diese  als  Anhang 
betrachtet.  Letztere  enthalt  an  erster  iStelJe  den  Dialog^  De  Summa  Christ, 
aus  den  Elcm.  puer.,  dann  die  8  IMaloge  Uber  den  Katechismus,  darmif 


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2ü.  Johannes  Tolto,  eiu  ächuUehrer  u.  Prediger  der  Reformationszeit.  375 


in  Zwickau,  v.  7.  Juli  1538  Knude  (Roth'sche  Briefsanuuluug  der 
Zwickauer  Katsschulbibl.  VI,  124).  In  diesem  Geleitsbrief  für 
Toltz  und  soiiien  Begleiter,  die  Sacks  Söhne  auf  die  Zwickauer 
Schule  bringen  und  bei  Stephau  Roth  empfehlen  sollen,  heisat  es: 
«Herr  Johann  Toltzen  meinen  beLehneten  pfarror  mm  Buicksteia 
vnd  lieben  geTatter*".  Da  kaum  anzunehmen  ist,  dass  Tolts  seit 
1536  sehen  ein  anderes  Amt  bekleidet  hat,  da  wir  ihn  femer  schon 
eine  VertrauenssteUung  bei  seinem  Patron  einnehmen  sehen,  die 
eine  Bekanntschaft  von  wenii^tens  einigen  Jahren  Yoraussetzt')» 
so  wird  die  Belohnung  mit  der  Pfane  su  Burkstein  für  Tolts  die 
Veranlassung'  gewesen  sein,  aus  Plauen  fortzugehen.^  Bei  dieser 
Berufung  ist  Tolts  —  wenn  die  gleich  abzudruckende  Bestallung 
Toltz*  fOr  Beichenbach,  die  uns  das  beweist*),  nicht  einläich  ein 
feststehendes  Schema  wiedeigiebt  —  in  Wittenberg  ordiniert  und 
einer  PrQfüng  unterworfen.  Unter  letzterer  ist  in  jener  Zeit  frei- 
lieh  „nicht  ein  Examen,  das  auf  eine  eigentliche  wissenschaftlich 
theologische  Bildung  sich  richtete",  zu  verstehen,  sondern  nur  eine 
»Prüfung  des  betrefiTenden  nach  der  reinen  evangelis('hen  Lehre" 
(Rietschel,  G.  Luther  und  die  Ordination.  Wittenb.  1883.  S.  81). 
Jene  Bestalluni::  vom  29.  August  1541  redet  auch  von  Pfarr- 
Aemtern,  die  Toltz  seit  seiner  Ordination  bekleidet  h&tte. 

den  aut  Br.-Moa.  kompil.  Dialog:  und  endlich  den  aua  Br.  entlehnten. 
Wenn  die  letztere  Ausgabe  nicht  ein  Nachdruck  ist,  mit  dem  Tolts  nichte 

zu  thun  hat,  sondorn  wirklich  Pinn  vnn  T.  besorgte,  so  müsstpn  wir 
1,  annehmen,  daas  dvr  Dialo-^^  De  Summa  Chri^^t.  duch  von  T.  direkt  xutn 
reiig.  Unterricht  gobrauclit  ist,  wobei  dann  aliordings  die  Differenz  mit  dem 
Lelctionspl»ii  bestehen  bliebe  (a.  8.  fi70,  Anm.  1);  und  2.  dem  kompilierteB 
DhUog  eine  grOesere  Bedeutung  beilegen.  Der  Braamische  bleibt  auch  in 
dieser  Ausgabe  ungezählt.  -  Die  drei  Dialogo  über  die  5  Haupt» 
stocke  sind  unten  deutsch  und  lateinisch  abgodriickt. 

<)  Die  Bekanntschati  küuuto  ja  freilich  auch  schon  aus  früherer  Zeit 
stammen,  da  Geilsdorf  bei  WeischUt«  nicht  weit  von  Plauen  entfernt  ist 

^  Barkstein,  su  röm.  Zeit  berflhmter  Walllshrtsort  mit  swei  dicht 
neben  einander  gelegenen  Kirchen,  ist  heute  keine  Pfiure  mehr.  Nachdem 
man  dir»  f>ino  Kirche  schon  t':!;!  dem  Untergang-e  gcwoilit  hatte,  um 
wenigstens  die  andere  iu  Bau  und  Besserung  erhalten  zu  können,  Uberliess 
man  von  etwa  1644  an  auch  diese  dem  Verfall.  Toltx  ist  also  einer  der 
letxten  Pfarrer  von  Burkstein  gewesen.  Sein  unmittelbarer  VoigOnger 
war  M.  Wolfg.  Ochsenhiiuter,  ein  Bayer,  dem  er  1541  auch  in  Reichenbach 
folgte.    S.  Milt.  d    Altortumsvor  zu  !'1an«'n  i.  V  VI.  ?.  LVllI. 

•)  Die  Aufzeichnungen  de»  Wittfiiherger  Ürdinicrtr»nhuch08,  herausg. 
V.  Bucliwald,  1:  Lpz.  1894;  H:  Lpz.  1895,  können  uns  darüber  keine  Aus- 
kunft geben,  denn,  obgleich  Ordinationen  schon  vom  36.  Oktober  i6B5  an 
gehalten  wurden  (Ordiniorteni).  II  S.  III),  beginnen  die  Aufzeichnungen 
doch  erst  mit  dem  24.  Juni  löa?  (a.  a.  0.  1.  S.  1). 


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S7d    lUttttilangeii  d.  G«s.  f.  detttechft  Eniehungs-  iL  Sehulgeaoh.  VII. 


lat  dio  Hehnalil  nicht  in  übertragener  Bedeutung  auf  die 
Tefscbiedeneii  Funktionen,  die  Toltz  als  Pfarrer  von  Buricatein 
anegeübt  liat»  zu  beziehen^),  und  ist  unsere  Vermutung  riditig.  dass 
er  von  Plauen  nach  Burkstein  gegangeu,  so  würde  er.  also  in  den 
Jahren  1539  bis  Mitte  1641  noch  in  einem  anderen  Pfammte 
thlUäg  gewesen  sein.  Sicher  ist,  daes  Tolts,  prAsentiert  von  Joseph 
Levin  Hetzsch  in  Mylau  und  dem  Rat  der  Stadt  Reichenbach  als 
Inhaber  des  dortigen  deutschen  Ordenshauses,  vom  Landesfürsten 
am  29.  August  1541  mit  der  Pfane  zu  Reichenbach  betraut  ist. 
Die  betreffende  Urkunde  ist  uns  in  Olischer,  Entwurff  einer 
Chronica  der  alten  VoigÜftndischen  Stadt  Reichenbach.  Leipzig  1729. 
S.  57  f.  aufbehalten.  Weil  das  Buch  sehr  selten  ist^  drucke  ich 
sie  mit  einigen  unwesentlichen  Kürzungen  hier  ab: 

„Von  Gottes  Gn.  Wir,  Jobannes  Friedrich,  des  Heil.  Rom.  Beicfaa 
Ertz-Miirsfhall  und  Cliurfürst,  Burfrgraf  zn  MaLr(lel)nrtr  ninl  Johann  Emst 
Gebrüdore,  Hertzo^rcn  zu  Sachsen,  Landgrafen  in  Thüringen  und  Marg- 
grafen /II  Meissen  bekeiiiu  ii  und  thun  kund  gegen  mrtiinidich:  Nachdem 
Unsere  liebe  Getreue.  Joseph  Levin  Metzsch,  zu  Mylau,  und  der  Rath  zu 
Reiclienbacb,  Ton  ihrer  selbst  und  der  gantzen  Gemeine  wegen,  Herrn 
Johann  Döltzen  zu  eisem  Pfiirrer  gegen  Reichenbach  beniffes,  und  Uns 
bewast,  dass  gedachter  DOltz  durch  Unsere  Gelehrten  der  Heil.  Schrift 
zu  Wittenberg  examiniert,  za  einem  Seelsorger  und  Pfarrer  tQchtig  und 
"Wohl  geschickt  befunden  und  dazu  von  ihnen,  nach  recht  christlicher  Weise 
ordinieret,  «  r  sich  auch  dar;nif  ein  zeithero  in  Unserem  Fürst«  iiflmm,  mit 
Versorgung  i'tarr-Aetntt  r  «  liiistlich  gehalten,  reiner  Lt  hr  und  trutni  Lfbens 
befli?^f»n,  das?  Wir  ihn  derhalben  zu  einem  Pfarn  r  m'<s*-u  Rt  ichenbach 
contiiniiret  und  bestätiget  eonfirmieren  und  bestätigt  ^  ihn  hiermit  in  Kraft 

dieses  Biieffs,  also,  dass  er  die  Gemeine  und  eingepfarrten  daselbst  

iieissig  versehe  und  sich  mit  Ceremonien  und  demselben,  und  wie  durch 
Unser  Yisitatom  seind  allenthalben  geordnet  gemSss  ludte  .  .  . '.  Und  be* 
fehlen  allen  und  jeden  Amtleuten  ehrbaren  Männern  und  sonderlich  obge- 
meldten  Joseph  Levin  Metzsch  und  dem  Vorsteher  des  tentschen  Pfarr- 
hauses zu  Heichenbach,  dem  Kath  und  Vorsteher  gemeinen  Kastens  daselbst 
gedachten  Johann  Döltzen  bei  angezeigter  Pfarr  m  schützen  und  zu  hand- 
haben auch  darob  zw  sein,  lias^  ihm  das  Kinkouimen  der  Pfarren  .  .  .  . 
jllhrlichen  gereidu  t  und  uuvermind»  rt  gelassen  wcrdo,  ihme  auch  jederzeit 
gebührlich  helfiFen,  deren  gescliieht  llnsere  gäntzliche  Meinung.  Zu  Urkund 
etc.  m  Torgau,  Montags  nach  Bartholomaei,  Anno  1541.'' 

In  Reichenbach  ist  Toltz  bis  an  seinen  Tod  geblieben.  Von 
Burlc8tein(?)  aus  hatte  er  seinen  Sohn  Augustinus,  der  in  Plauen 
die  Schule  seines  Vaters  besucht  hatte,  auf  die  Wittenberger  Uni* 

An  die  von  uns  angenommeuü  Predifjtihatigkeir  früherer  Zeit  zu 
denken,  verbietet  das  „darauf*  der  Urkunde. 


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28.  Johannes  Toltz,  ein  Schuliehrer  u.  Prediger  der  Hefurmationszeit.  377 


versitat  ^'csclückl,  wo  er  als  pauper  c;:ratiH  (W.-S.  1538/39)  ünnin- 
trikuliert  wurde.  Am  15.  Oktober  1539  promovierte  er  zum  Bai  (  < 
laureuR  (aii<  h  gratis,  Bacc.  ii.  Mag.  III.  S.  6)  und  ^scheint  sich  fiaun 
noch  mehrere  Jahre  iü  Wittetiberg  aufgehalten  zu  habiii.')  Ohne 
.sich  zuvor  den  Magister-Grad  zu  erwerben,  den  er  erst  am  15.  Fe- 
bruar 1554  erlaugte  (Bacc.  u.  Mag.  IV.  S.  14),  ist  er  dann  zu  seinem 
Vater  nach  Reiciienbach  gegangen,  ist  hier  anfangs  Schulmeister 
(Olischer  S.  58)  und,  nachdem  er  am  27.  Juli  1547  in  Wittenberg 
ordiniert  war  (Witt.  Ordiniertenb.  I.  S.  55.  No.  878),  Diaoonus  ge- 
worden und  hat  als  solcher  den  alternden  Joh.  Toltz  treu  unter^ 
stützt^  Im  Jahre  1554  verlor  dieser  seine  Frau,  bei  welcher  Ge- 
legenheit ihm  Melan<^thon  den  schon  erwfthnten  Brief  vom 
11.  September  1564  (Corp.  Ref.  IX.  S.914)  schrieb;  im  Jahre  157^ 
starb  Joh.  Toltz,  etwa  80 Jährig.  Sein  Sohn  Augustinus  folgte  ihm 
als  Pastor  von  Reichenbach;  vom  30.  November  1573  datiert  seine 
Bestallung  (Olischer  a.  a.  0.)^).  Augustanus  ist  nicht  so  alt  geworden« 
wie  sein  Vater.  Er  ist  am  24.  Januar  1585  am  Schlagfluss  ge- 
storben. 

Auch  Paulus  Dolscius  Plawensis  scheint  ein  Sohn  von  Job. 
Toltz  gewesen  zu  sein.^)  Er  ist  Mon.  Qerm.  Paed. VII,  S.  102  unter 
dem  Dolscius  zu  verstehen,  dem  Melanchthon  eine  griechische 

Ueliorset/.niii:  der  Augustana  vcrfasst  hal^);  1730  ist  diese  als 
Dolscius  eigene  Arbeit  von  L'hrist.  Reineccius  herausgegeben 
(Feuerleiii.  .T.  Guil.  Bibl.  symb.  N(»r.  1768.  F.  S.  62.  ^'o.  344).  Wo 
Paulus  studiert  iiat.  habe  ich  niciit  <uifüDdea  können.  Am  11.  August 
1551  hat  er  !?ich  in  AViltenbcrg  den  Magist»»r-<  Jrad  erworben 
(Bacc.  u.  Mng.  IV.  S.  1 1).  hat  längere  Jahre  die  Schule  in  Halle  a.  S. 
gebMtet  (Witt.  Ordiniertenb.  II.  No.  4Ü5  u.  ö.  s.  im  Heg.  i.  ist  1560  in 
Italien  Doktor  d<'r  ^hvllzin  und  endlich  Bürgermeister  geworden 
(Bacc.  u.  Mag.  a.  a.  ü.  Anm.  6). 

1)  Am  16.  Mal  1643  finden  wir  ihn  m  Wittenberg  (Areh.  f.  Oeaeh.  d. 
dtsdi.  BochhandeU.  XVI.  S.  S40.  No.  794). 

*)  1662  hat  or  Joseph  I^i'viii  Mctzsch  Ehefrau,  1571  Jos.  I.ev.  Metzsch 
selbst  (Wo  I.eiohpurcdo  gehalten.  Beide  ReUeu  aind  nach  Olischer  S.  5H 
in  \Vilti.'nbyrg  gedruckt. 

^)  Als  Tostor  von  keiciietibat  h  wird  er  orvvähnt  W  iit.  Ordiniurteub. 
II.  8. 168. 

*)  D.  Kawerau  machte  mich  darauf  aufmerkaam,  daoa  Toltx  ala  guter 
Lutheraucr  seine  SOhne  Paulu:^  und  Aiijpistinue  nenntw 

')  (  itat  ans:  I  :it!r.  Ludovicu!^,  Orationc«  de  votoris  Ecclesiae  certa- 
rainilm».  t>.  474.  vergl.  btrobei,  Ü.  T.  Misceil.  litt.  Inh.  V.  ö.  143  und  Corj). 
Ref.  XIX.  8.  497  1. 


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378    Mitteiluu^ea  d.  ües.  f.  deuteche  EraLeliuugs-  u.  Schulgeach.  VIL 


Yerzeichnis  Ton  TolU?  Sehrffleii» 

BABMrlRniSVll :  Dt»  unter  dra  «lozelnen  Titoin  stotKond^n  nttht  aJnfie1itainmert«n 

Buchsl-alien  verweisen  «uf  den  T  ini.>r1,  un<l  xwar  bedeuten  Tt  K^'^ili:].  Uibt.  in  Ti'-tV.'r. 
»r  =  Stadtbibl.  io  Breslau:  D  =  Kgl.  öfT.  Bilil.  in  Dresdey;  l  iii?.-Bil>l.  in  I.»!)  /!-: 

M  =  Kk'l.  Hof-  u.  StaatiJ-Bibl.  in  Mlinelicu  ;  W  =  H.tzok'I.  Bibl.  in  Wolf.  nbUUel ;  Z  ^ 
80bulbil>l.  in  ^wickuu.  Dun'liwei;  ist  aueli  dos  BUdiothekstzeichen  nnire^eben.  Die  ftltlKtt' 
kkUDtnvrten  Buchstiiben  verweisen  nuf  l>ibliOKr.  ^Ve^l<e,  und  7v\,ir  V  Mit  PMizer,  AniUll»« 
typograpbici ;  W  »uf  Weiler,  E.  Ropertorium  tjpozr,  NOfdI.  1^;  Wl  auf  do»seQ  1.  Sapplom. 
KOrdL  1874;  WH  auf  d«tsea  2.  Suptdem.  NKrdL  188&  —  Die  Titel  I,  4  und  U.  8  sind  nur 
nacli  'Weller  angeif>>beii,  da  mir  die  betr.  Dnirke  nirhl  zu  (ji-bole  stHndi-n.  —  I)ie  Tit*  '  -'n>'\ 
niügticbst  den  Originalen  nuchtfubildft,  Uucb  ist  das  übcrjfesct/tf  t  der  Umlaute  tuoJemisierl. 

1. 

,  1.  i£vin  Itiirfi  lianh-  j  budiiun  /  tia  iun-  |  gc  Cbriftcn  /  fouicl 

yljn  511     miffon  roit  nötcn.     Jabomi.  eol^.  j  IDittemb.  l52o. 

lu  BordUro:  \iiitpn  Lucrccias  Erninrdun'; 
a.  E. :  (ßcörücft  5U  irittcmbcrcj.  \  durd?  ^or^  2iI}aiP.  |  Un.  etc.  \52ö. 
16         in  8":  letzte  8.  leer. 

B  :  Eo.  öäöO.  —  Z  :  1.  VUl.  13.  (VV  :  3996). 

2.  %n  Kurf  I  l^oilblßudir^it  |  für  iun$e  C^rtfteit  foutel  ;  yl^n  su 
»tffen  I  pon  ndien.  ||  Jo^a.  Soff.  |  IDWemberQ.  !536. 

In  Bordflre:  offenes  Portal;  unten  das  Wappen  von  Mich.  Blum 
in  Leipvig,  von  swei  Engeln  gehalten, 

15  BU.  in  8*. 

B  :  Eo.  5362.  —  M  :  Äse.  49152.  (W  :  3996). 

3.  %n  Rur^  ^anbi"  ,  üüt(jlc0n  /  füi  Junge  .  ii^ntten  /  fo 

v\{  jn  5u  mif'  >  fen  oon  tidUen.  \\  jo|^linn.  Coif.  jj  IDtttm' 
Iwr^.    M.D.XXVI.  3ac, 

In  Burd.:  whIhho  Ornamente  auf  schraffiertem  Grunde. 

16  BU.  IQ  8*;  lot/.t.  P,l.  leer. 

M  :  A^.  4915iü.  (\V  :  3997). 

4.  Cyn  fur|  ^an6t-  |  i>fi4|ldii  /  fflr  311119«    (C^rtfien  /  fo  ptl  jn  j 
tptffen  von  [  ndlten.  •  3o^ann.  CoI$.  j  1526.  0.  O. 

Mit  TiteleinfasBung. 
16  Bll.  in  80;  1.  Bl.  leer. 
(W :  8998). 

5.  if^rn  fiorfß  \  Iiantboo.-F  vox  ymi-        vI[ni)ton  /  fo  rdc  cn  notl? 

JTTatth^i  jm  rj.  I  •  j  K.iniot  her  ibo  niv  /  alle  öc       bc»  j  mütjct  Dnnde 
beladen  )yn  /  yd  ;  ipyl  jtr  porqixncfcn  j|  2n.i)..^'-^»j. 

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2S.  Joliauueä  Tolu,  ein  üchuUehrer  u.  Prediger  der  Ueformationsaeit.  379 


In  RandleiBteD*). 

a.  £.:  <j  na  ^tboxii)  /  \  Dar  na  jm  frpj.  yat 

alf50  ©orl^.  j  D»  fpj.  ^ag^es  Jel«ruarij  /  trefft  tubwfdi  Dte^ 
geöructet  my. 

16  Bll.  in  8*;  1.  S.  leer 
W:368.   1.  Theol. 

n. 

1.  9tt  (e0(t0ttt  fi^rtft  {  2(ct  /  IPeYfe  /  pnb  gebraud^.  |  Cropi 

Btbliaci.  I|  Jc^iinn.  &dl|.  |  <ße6i:d<ft    XDittembcrg.  1526. 

Li  Bord.:  unten  Chrlstoa  am  Krens  iwiaeh«n  den  Schachern. 
Auf  J7&  (vor  dem  R^tor):  Signet  v.  Q,  Rhaw  in  Wittenberg, 
darunter:  <Sk6rflcft  }u  WrXttmUt^  /  6urc(}  |  3or$  Ht}am. 
2(nno.  etc.  1(526. 
A  bis  Kt  nnd  e.  leeres  El.  in  8^ 

B  :  Bg.  684.  ~  Er  :  8  S.  722.  —  W  :  1164.   91.  Tlieol. 
(WI :  401). 

2.  JDer  SfQlicien  i  $<firiff  Hrf  /  I  tnertfc  /  tnib  {  f^t^vm^.  ! 

Cropi  23ibliavt.     Jo^nn.  Zoiii.  ,  ^326 

In  Kandleisten. 

Das  Kcgister  beginnt  auf  L  *2!l 

a.  E.:fi  jobjt  <9utfne<i}t.  [in  NUmbergJ. 

A  bis  if ,  12  Bogenlagen  in  8*;  1.  EL  leer. 

D :  Hist.  eccl.  E.  900. 2.  (P :  Bd.  VII.  No.  289.  —  W :  8993). 

3.  Der  l?ayli(jcn  ge=  !  fdirifft  ^rt  /  IDeyfe  /    vnb  gcbraudj.  |  (Lropi 
Bibliaci.  |  Johann.  Zol^.  !  M.D.XXVl. 

o.  0.  Titek'intassung. 
69  gez.  BU..  1  BL  leer,  7  BU.  llegiatcr,  2  Bll  1.  in  b".'-) 
(W ;  3992). 

11^ 

1.  Dtv  h 

i3ibliaci.  CEvn  fiirl-^  luinMMid>lvii  für  iunö»c  vLl;ii)tvii  /  j  )o  i>icl 
Y^n  )Uipi|fen  von  nötcn.  ,  jofian.  ^ol^. 

Die  obere  und  untere  Rttndleiate  ebenso,  die  rechte  und  linke 

ähnlich  wie  die  im  Titel  dos  Kostocker  Katechismua  1625  in:  Wiechmann- 
Kadow,  C.  M.  Ii  >arhiiu  Sltiter's  ftltestes  rostocker  Gesangbuch.  Schwerin,  1858. 

')  N;i('li:  Weller.  8992  Anm  neu  anfi^^r-Io^t:  1^27  bei  K.  Peypus  in 
NOniber^'-  und  lö27  in  Strassburg-.  iM'idf  in  h".  Narh:  WoicrnMCnczyrtski, 
Th%;dauru8  libellorum.    Leipz.  IbTü:  1527  in  9»  bei  üutkncoht  in  Nürnberg. 


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SSO    MiUeilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Emohuugä-  u.  ä<;hulgesch.  VII. 


DIetallM  Bord.,  wie  11,1. 
Das  HandbOchlein  beginnt  auf  K. 
o.  0.  u.  J.  |G.  Khaw  in  Wittenberg], 
a.  E.:  ^ubc  öifcs  ^udjlyns. 
A  bis  L  in  8";  die  beid.  letzt.  Bll.  leer. 

>I :  Dogm.  657. 

2.  jDer  Bein^itit  |  fd>rifft  art  /  ipc^fs  /  m  !  qehrmdf,  Cro»  I 

pi  l^ibhaci.      ri  (f  in  furfe  ^anötbüd^Iin  für   jun^e  Cbriftcn  / 
pü  in  I  yii  iv\]icn  vom  nc  '  tcn.  "\  Jo^Ull  £öl^.  |  Jj^ 

In  Bord.:  unten  ö  tuu/ondi>  Kngel. 
Das  Handbüchlein  beginnt  auf  11. 
a.  E.:  Xoriuha-ge.  per  Frideriaon  F<^/pm.  ]  M.D.XXVIJ. 
A  bis  J  in  8";  1.  Bl.  leer.») 

B  :  Bg.  685.  —  W  :  1133.  6.  Theol.  und  996.  Theol. 

m. 

1.  jBibUcorum  Zvü'  porü  pars  altera  |  non  ^tni" 
feitba.  II  Bon  l|iaili0ec  #df  {  Itd^er  defd^nfft  tpe^fe  511 
reben  / 1  btt  Tinbtt  toyl  /  oUen  (C^cit  /  fflr*  |  nMUe^  /  vn^tftUUn 
paftorn  |  vnb  pteöicantö  faft  nü^  |  vnb  ^an^  9ÜI.  ||  <ßott  bevx 
^emn  /ecr/ lob  vnb  '  prcyfs  in  migfait '  3Imen.  '\  Jo^att. 
JDufciuö  ^Inno.  M.D.XXVllI.  ;|  IPittcmbcicj. 
A— G  in  8";  letzt.  Bl.  leer. 

D  :  Hi8t.  eccl.  E.  900,  4.  —  W  :  1183.  ö.  TbeoL 

bü.  I  Von  ^eyli^er  6dtH<^et  $f(^rifft  |  wcy^i  sSre^en  /  5er 
2In5er  teyl  /  |  allen  ^^riften  ffirnemlt«]^  /  |  pndeflt>ten 


Paftorn  vnb  |  preMcanten  fafi  nfi^  |  pnn5  ^an^^  9ät 
<5ott  bem  ^errra  /  e«r  / 10&  ond  |  preyfi  in  «oi^favt  ^men. 
jDttfdu«.  I  :(nnom.2).X3epiii  ||  lüittenkrvj.') 


Joan. 


1)  Nach  \Vcllor  -.ms  Anm.  oea  aufgelegt:  1527  bei  J.  Gutknecbt  ia 

Nürnberg  und  1636  in  Wittenberg. 

In  dem  int«  n  Initint  n  David  mit  der  Harfe:  auch  das  BliHtchf?n 
irft  rot.  Das  üetsperrle  III,  1  Zeile  1—4,  lü,  12;  III,  2  Zeile  1  U  ist  iin 
Uriginui  rot. 


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2b.  Johannea  Toltz,  eiu  Schuliehrer  u.  Prediger  der  Rei'urmuüuuBzeit.  3S1 


a.  E.:  (ßctrucft  58  Hünnbcraf  /  buvd}  1c}ans  j  (£Y^?cunatt>a:  von 

^tandfmt  |  1^  W-  -^.D.  vnb.  XX,  piij. 
A— G  in  8";  1.  Ö.  leer. 

M  :  Polem.  1815.      Z  :  1,  XIV,  11. 

ira. 

€on  ßurl|cr  unb  fnpf  |  im^liörfirfjer  liefiQei  |  bener  Sermon 
n^tt  I  bü»  C^nKßi^e  fotige  |  fang  ^in  fititde(e0it  { 
(o6t0ßii$  if  ons  gtBo  |  ten  ^mU  u*  \\  $nimnt^^  9n% 

||.  1526. 

In  Bord.:  rechts  and  Unks  je  e.  groeae  Bftule;  unten  ein  Lowe, 
a.  E.:  <ScönuR  5U  ttfp^  bmdf  ZYltt^I  Blum.  Darunter:  Schluas- 

vignette:  2  Drachen. 
4  Ba  in  4*;  1.  S.  leer. 

B :  Ctt  6516.  —  Br :  4  S.  278.  —  D  :  Bist.  eccl.  £.  357, 
10.  —  W  :  240.  60.  Qu.  —  Z  :  XVH.  Vm.  16.  (W  :  4000). 

V. 

JB^on  bcu  ;u)cijcu  \d}  \  tnclicrn  iliact^a  nnd  {  ntaria 
JEuc.  U).  h(iB  (fua  I  0enum  tnef^s  mann  {  am  fe^  btt 
fimeCfarf  |  jßlarie  fiefef.  jl  Ja^anne«  tnX^,  || .  ^526. 

Bord,  und  ganse  Aueetattung  dieselbe,  wie  bei  No.  HU. 
a.  E :  ^kbtndt  5U  Ce^pfSd^  öurd^  XXtidttl  Blum.  Schlusavignette, 

wie  bei  No.  IUI. 
4  BU.  in  4«;  1.  S.  leer. 

B  :  Cu  6522.      Br  :  4  S.  278.  —  W  :  370.  TheoL  -  Z : 
XVll,  VIII,  16.   (\VII:  (89M)). 

VI. 

%n  *r»cnnonn  |   von   ^cr  rilfcltiacti  frucht  |  6e5  gcftorbacn 

it>e>^forn  I  Ich  2]ialt?.  l  o.  Jliarci.  8.  €u  ,  cc.  9.  vnb  3oE?an.  \2,  f 
Jol^on.  STolfi.  !  .  \r)2(K 

In  Bord.:  oö'.  Fenster;  unton  halten  2  Engel  ein  leeres  Wappen- 
schild. 

a.  E.:  (f5c6rucft  511  Ccypfsaf  buxd^  iliidjcl  r>Ium.  Daruuter  Schlu«>i- 

vignette.  wie  bei  No  Uli  u.  V, 
4  BU.  in  4*;  1.  S.  leer. 

Z  :  XVn.  VIII.  16  und  XX.  VIII.  11.   (Wn :  (40on ). 

MtU«iluog«n  d.  Oea.  f.  deutsch«  Erzieh.-  u.  .Sctiuli^eschichte.  VII  i  IbOT.  25 

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883   lOttoanngwi  cL  Oei.  t  dmitaelie  Bxiiehungs-  il  SdudgMeh.  Vn. 


VII. 

Jfott  ^ettt  0\  I  Uximtm  Ottb  {  CeßatiMiit  3ii«fii  <£hvm  1 1  0115 
^cm  ^iDdlffim  Copitt«!  |  6c»  andern  hvtit6  \  ZRoft.  ||  Jd^.  i^^dff  || 

Bord.:  unten  4  nackte  Knaben,  von  denen  2  mit  einem  Hund 
Rpiplcn  :  rnrhts  und  links  liftlt  je  ein  nackter  Kn.  e.  ati  e.  Saale 

befestigt.  Hing. 

0.  0.  [Leipzig  bei  Michel  Blum;  vgL  No.  VIXU-l 

15  BU.  in  8". 

B  :  Bm  5380.  —  W  :  990.  Theol.  und  1003.  12.TbeoL  — 
Z  :  I.  Vni,  13.  (P  :  Bd.  U,  No.  3124.   Wl  :  402). 

VIII. 

1.  IDaul^er  rnfcrc  ge»  i  $eyt   auffrur  ^^^  morcf  j  lid^  groffc  pnluft  enV 
fprungcn     c]irünMfid>cr  '  hcfdjicö  aus  t'cr  bovH«     gen  fd?ricfft  auff 
cylff  i  articfcl  fambt  öem  b««  j  [ctjlu»  gcj^eUctt  ,  öurdi  i  3ö<iiiJiciu 
(Cölfecn  11  1526 

In  Bord.:  off.  Fenster;  rechte  und  links  je  e.  Sftule. 

a.  E. :  Schiusa  Vignette:  2  Engel  halten  «.Wappenschild  m.  d. 
Wappen  v.  Michel  lUinn  in  Leipzig. 

0.  O.    23  IUI.  in  8»;  1.  8.  leer. 

Z:  I,  XIV,  11.—  W:  1Ü03.   12.  TheoL 

2.  Xüanfftx  onfe»  |  rc  gejevt  /  auffrur  vn  \  mcrrflid^  groffc  on-  j  lufl  cnt« 
[prungenn  /  ;  grfinMidter  b9\dtiib  |  aus  ber  E>evligcn  fd;  |  ricfft  auff 
«flff  orfi»  I  («I  fambt  Xmn  be<  ]  fcEtliis  geiltet  / 1  burd)  3ol|ait>  |  nem 
Caitjen  II       D.  |!|i>i. 

In  Bord.:  off.  Fenster;  ob.  in  d.  spitxwinkeligen  KrOnung  e.  Schild 
m.  Monognunm. 

a.  £.:  auf  B.  7»:  <0ebnicrt  ju  ^orbt  burdr  XTIelc^tov  |  Sodrffen 
3tt  ber  2(rd)cn  /  [  bei  5ant  m\dftL  |  III.  D.  froj.  auf  B  7b 
und  B  8*  je  e.  Holzachnitt, 

16  BU.  iD  8«;  1.  S.  leer. 

B  :  Flugscfar.  1526.   12.»   D  :  TheoL  evang.  catecb.  48. 

VIIIL 

J^on  f(bam»  |  gefui^fe»  ||  Mit  bat  \  ies  I  m^s  ^«t 
tnettfc^  i^te  |  auff  9t\m  begecet  /  tfi  ent<  |  tfcber  fleyf^' 


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28.  JohannM  Tolti,  ein  Bchnllehrer  u.  Prediger  der  Befonnattoneseit  383 


Iid)e  lüoi  I  luft  /  3CYtIid?  gutt  /  j  obbei  iDelUid?  elj  [  re  / 

Dieselbe  Bordüre,  wio  No.  VII. 

a.  £.:  die  Michel  lUumäche  Schlussviguette. 
8  Bll.  in  8^  1.  S.  leer. 

Z:  1,  XIV,  11  (WI  :372). 

X. 

Üttt  fii^dn  nfi|tii^  i  tractetlen  von  red^tfd^affner  \  anbad}t 
5U  ^em  t^eioem  |  onb  fdfUu^en  Uybcn  C^ti  |  (H  pnfers  ^eylanös.  | 
porigen  aus^cc^dnQnen  See  |  monen  t>aft  öienftltd^.  || 

ü^ie  fern  ntait  ^  \  vmb  <Bottts  eiPtge  mrfel^ung  |  hc' 
fummem  foU  /  guter  $tfinMltc^er  |  bef^evM  btt  BIHkit.  ||  J[ol|fait. 

Der  swelte  Teil  beginnt  auf  B4ik 

2Tt.r.JE3eDti.  I  3are. 
20  Bll.  in  8«;  1.  S.  leer. 

D  :  Hist  eccL  E.  900,  6.  —  Z  :  I,  XIV.  11. 

XI. 

JKe  WÄtt  ilttl-'  I  0C  Cßriffcn        |  örcyen    t^euptftucfcn  bcr 

$e»  I  I^cn  gcpot  (SoMts  /  6cs  |  (Slotifcens  /  pn5  Da  |  ter  pnfers  / 

auffs  i  furt>t  mtonrei  |  fen  fol.  |  Jonii.  ^of^.  | 

In  Burd.:  ott.  l-enster;  obeu  Hundbugen;  unten  halten  2  Bogel 
das  Wappen  vw  Hi<Ael  Bluin  In  Leipzii^. 

a.      Michel  Blumeche  Schlussvigiiette. 

12  Bl.  in  8";  die  3  letzt.  S.  leer. 

W :  1003.  3.  Tlieol.  —  Z :  I,  XIV.  11. 

xn. 

^  ELE  I  MENTA  PVERILIA  I  ad  latinac  linguae.  lerHonefn  | 
jterfJifrt'nffani  ufiii  fvtura.  Adiunrfh  f/ia;/»!/.v  JJi»  j  aloffis  gf*  Latino  ^ff  \ 
Gcrmanico.     Joania.s  iJulrij.      M  I >  XXIX 

In  Bord.:  rechte  v.  Besch.  Petrus,  links  Paulus;  ob.  i.  d.  Mitte 
Medaillonbnd. 

a.  E.:  Imprefzum  Cygneae  ptr  GiAvidan  KamU.  \  Afmo  dtmim.  M.D.XXIX. 

40  Bl.  in  8^;  1.  S.  leer. 
Z  :  II,  VUI,  24. 

25* 

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384    .Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung«-  u.  Schulgcsch.  VII. 


XÜL 

1.  ^  ELE-  I  MENTA  PIETATIS  |  IN  TRES  DIALO- 1  gos  breuir> 
fimos  I  coniecta.  |  I  ChiiltiaDU'miu.  |  II  Baptiftaius.  |  UJ.  Eucha- 
liftia.  II  lOANN.  BOLTZ.  |  Wittembergae  |  M.D.XXX. 

Id  Bord.:  weisee  Drachenhaupter  auf  schndllertem  Grunde, 
o.  0.  16  BI.  iQ  8*;  1.  S.  leer. 

D  :  Hist.  eccL  E.  890,  2™.  —  Z  :  I,  XI,  17.  (P :  Bd.  IX. 
No.  217). 

2.  ELEMENTA  pietatis.  y\  Qüinq^  Dia^  '  logos  bi\niif= 
fimos  I  coniecta.  |i  "  Jüiimin.  JDalti.  ,( 

£)oratms.  j  Quo  fcmel  tft  imbuta  rccens  feruacit  |sn:|  ohorcm  ,  Cefta  bin. 
0.  0.  u.  J.   20  Bl.  in  8°;  die  3  1.  Seii^^n  le«r. 
Br:  1210. 

xiin. 

1.  3nÖoff  Cfii  ift  lidicr  lere  /  ynit  örey  |  fur^e  Dialoaos  |  pcrfaffet. 
II  Jt^an*  jDolt^.  I  l  Summa  ^cs  C^nflentumH.  1 2  Cauff«.  1 5  Sacra* 
ment      2Utats.  |  (530. 

In  B  rd  ;  rochta  u.  linka  Sftule;  uut  n.  ob.  veisae  Arabedcen  a. 

achrnfV  'rruiuk>. 

a.  E.:  O^ct^iüdt  ju  ITittembcrö  5ur<^  |  (Beerten  K^oo.  |  (ööO. 
8  Bll.  in  H'»:  1.  S.  leer. 

D  :  Theol.  evang.  catecb.  48. 

2.  Slt^ntf  C^tU  I  fHt(^  Ine  /  {n  btey  j  fut|e  Diolo^os  |  perfoffd. 

II  iol^lllt  jDdCf .  I  {  Suma  bts  C^rtften^  [  tumb$.  |  2  Caujfc  | 

3  Sacramet  bes  2Utai».  |  (530. 

Ih  Bord.:  rechta  u.  liulca  Säule;  imt.  groaae  Birne  u.  kl.  Apfel; 
ob.  e.  Traube,  an  der  Bogel  aiebeii. 

a.  E.:  ^1  ^etnuft     XiSxmbtt^  bey  |  6eor9  tPacf^ter. 

D  :  Theol.  evang.  catecb.  117.  —  W:  1196.  6.  Theol. 


Dieae  Zeilen  sind  so  geordnet: 


1 


2 


Summa  (L^nfüanif« 

Uli. 

(£ated?ifmo  fcu  (£^ri« 


De  ftianifmo, 

3  Baptifmo. 

4  €u:l^ariftia 

ö  1  ptelate  pucrili. 


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'2b.  Johanuea  ToIU,  eiu  Schullehrer  u.  Prediger  der  Helürmatioudzeit.  385 


XV. 

1.  EPITO  I  MATA  SYNTAXIS  |  PHIUPPI  MELAN.  | 
A  lOHÄN.  DVLCIO.  IN  REM  |  TARDIVSCVLORVM  |  OON- 
GESTA:-  |  Quicquid  pi^dplfis.  sftö  |  Mals,  vt  cYtö  dicta  | 
Peretpiät  finiml  ddcilea,  tS-  |  nSAtq^  ftdelSs.  Flae.  m.  or.  Boe. 

In  Randleiste:  Blattwerk,  unter  d.  u.  Baad  derselben: 
MDXXXIL 

a.  Has  Philipp!  HolanehthoiB  de  Syntax!  |  pf^ptides,  k  Joäne 
Duldo  in  Typoa  c9 1  modUIlme  c^^troctas,  lipei^  Valentiuua 
[so!]  I  Schümann  lünuna  diligentia  in  rem  ftu- 1  diofae  ittUTen- 

tatia  excumtw  |  Anno.  M.D.XXXXI. 
30  BU.  in  8*;  1.  S.  leer. 

L.  (Corp.  Ref.  XX.  S.  346). 

2.  £PITO*  I  MATA  SYNTAXIS  |  Philipp.  Melancfa.  a  Johä.  | 
Bulcio,  in  rem  tardiufcu-  |  lorum  congefta.  |  Quicquid  preclpfös, 
Sfto  I  braute,  Yt  cm  dicta  |  PSrcTplnnt  2niml  ddcües.  |  tön«atq| 

flddes.    Flae.  m.  ar.  ]  FbeiL 

In  Randleiste  Blattwerk, 
a.  E.:  Dieselbe  Bemerkung,  wie  bei  der  Ausg.  v.  1532,  nur  hier: 
Valentinus;  iuuentutis  und  Anno.  M.D.XXXUI. 

30  Bll.  in  8". 
M  :  Enc.  2. 


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386     MitteUuogeu  d.  Ges.  l.  deutsche  Erziehungs-  u.  bchulgesch.  Yil. 


Abdruck  aus  dvr  deutschen  Ausgabe  der 
j^leinciita  pietotis".^) 
(2(0.  xim,  1). 
[Aij]  Smnma  tnm  <$fiicifMtmlm 

C€K€K,  U)ic  ptcl  ift  einem  *£i^rifkji  ju  u?iffcn  von  nöUcn? 

CiCH.  bmnV  SC^P.  Die  ^(i^in  gepot,  6er  6Iaube,  vnb  bas 
Vokc  vnfer. 

CCHCK  IDte  t?eiffen  6ie  ^el^oi  ^epot?  Du  folt  ni<^t  anöcre 

<0dtter  ^o&eit  ic. 

€€H(£H  tPos  ift  bds  ynii  ctnet  fummo  gefaxt?  S<£Qt>.  IPtt 
t9er6en  baean  ^Umt,  wk  vnt  ons  mit  ^bcnäm,  »orten  pn^ 
iDercfen  M6e&  ^cn  iSolt  on^  bem  nel^iflen  Rotten  follen. 

ZDos  [A3&]  fin^  »ir  6ott  f^fuIMg  mit  ^eöditcfen?  5£Q.  Dos 
mir  y^m  pon  ^et^en  pertramen. 

C€H.  XOqs  mit  morten?  Dos  mir  feinen  nrnnen  onruffen 

pn6  Q^ntbeftn, 

C€H€H  IDos  mit  mer(fen?  SCQX>.  Dos  mir  ber  fflnöm  mfiffi^ 

gelten  pn6  <C5otts  mort  pleifjtg  ^dren. 
€€H.  HOte  fol  id^  meinem  ne^ificn  Menen  mit  9e5an<fen?  S£Q.  So, 

boB  \d}  yI?>"  Pon  ^ertjcn  (jünftia  foy. 
£€H<£K  XDie  mit  morten?  SC1?P.  Dos  it^  ni<l^ts  or^es  Pon  ytfm 

tcbc. 

£€H£K.  ITte  aber  mit  irercfen?    S€^.  Was  tct}  pon  yl^m  tcfoben 

w'xlf  öosfelb  fol  id}  yl^m  aud}  tt^uen. 
£€K.  Dennach  nu  aud;  6er  menfd}  foldfs  pon  yt^m  felbs  ju^oUen? 

5(££).  iHit  nidjte,  fon6ern  <ßott  mus  fein  9na6e  6a5U  ^eben. 
£€H.  IPomit  erlangt  man  [AiijJ  (ßotts  ^ul6e?   S(£Q.  Ducc^  6en 

einigen  glauben. 

£€H(f  rOas  gleubftu?  S(£^P.  3dj  gleub  an  6oU  öen  poter  aU» 
mcd}tigen  tc. 

Die  Abdrucke  geben  genau  die  Origiuule  wieder;  ntir  ist  der  Text 
der  Originale  fbrtl«ufend  gedruckt,  wahrend  hier  In  den  Abdroeken  je 

eine  Frage  und  Antwort  einen  Absatz  bilden.  —  Di(>  Drucke  No.  XIIII,  2 
beivr.  No.  Xlll,  l'  sind  nicht  berücksichtigt.  wr»il  sie,  wiv  ans  ihr^n  Drnrk- 
Mikrn  ersiclitlii  h  wird,  offenbare  r^achdrucke  sind  und  keine  nennens- 
werten Varianten  haben. 


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2a  Johannes  Tolts,  ein  BchuUehrer  11.  Prediger  der  BefonnatiwuBcil  887 


Abdruet  aus  der  latefnisehen  Ausgabe  der 

„Elementa  pietatis". 

(No.  XIII,  1). 

[Aijl         €AT£CU18MV8  TEL  CHRI8TIANI8MYS. 

PAEDA606VS. 
QVOT  sunt  Chiistiams  neeessario  addiseenda?  FVER.  Tria. 

PAEDAGOGVS.  Quaonam?  PV.  Decalogus,  aymbolum  apostolieum 
et  orado  dominica.  s 

PAE.  DecaloguB  quis  est?  PV.  Non  hatebis  Beos  aUem»  et 
reliqiia. 

PAE.  Quid  Jiaec  dbi  Tolnnt  in  genere?  PV.  FtaescribuDt  quic- 
quid  oogitata,  loqaela  ac  re  ipaa  tatn  deo  quam  proximo  ä 

nobis  praestandum  sit.  10 
VAE.  Cogitaudo  quid  Deo  debemuB? 

VV  I'idutiani  cordifi. 

PAE.  Quid  loquendo?    PV.  luuocationem  a€  beoedictioiiem  sai 

nominis. 

PAE.  Quid  operandol:*  PV.  Ferias  canüs  et  auditum  Terbi.  is 

PAE.  Vt  vero  inser-  {A2^  uiaui  proximo  cogitatione?    PV.  Si 

quando  ei  px  animo  bcno  roluero. 
VAE.  Quo  modo  autem  liiigua  ipsa?  PV.      quid  simstre  de  ipso 

ili<-ain.  ao 
PAE.  (^uo  pa<  to  öp.'iibus?   PV.  Vt  quicquid  mihi  ipsi  cupio  üeri 

hoc  itidiin  alijs  tndam. 
PAE.  Sunt  ne  luiinanae  vires  tanto  onpii  paros? 
l*V.  Miüime,  »od  dexiro  adiMxnie  jii*i[iii  i<»  numiuo  opus  est, 
PAE.  Quid  conüiliat  homini  diuinaiii  gratiam?   PV.  Vna  fides.  20 

l*AE.  Quid  credis?   PV.  Credn  in  deum  patrem  omiiipott;ntem. 


6  a.  R.  Bio.  20  [8  ff.]  —  10  ».  R.  Hat.  22  187  ff.]  —  21  a.  IL  Hat  7 
(12].  —  25  ».  R.  Rom.  8.  [28J. 


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888    lUtteilungen  d.  Gea.  t  deutsche  Bnlehunge-  u.  6ci^«lge8ch.  VIL 


CO.  Saft  an  mit  f urt5en  tpocteit/  voas  bu  von  ^tt  öem  ooter  ^Iciibfl. 

SCQ.       qHsmb  ^entsli^,  bos  er       aQe  creaturen  etfc^affen, 

ouc^  bcs  er  olbs  icgtce  vnb  cr^ott. 
£€H.  tOie  pon  <5ott  6em  Soit?  SCQ.  Den  ^olt  ic^  oot  meinen 
5       einigen  eclöfer  pnb  ^eylonö. 
C€H.  VOk  heim  fm  ben  ^eUi^en  ^etfl?  S(£QP.  Des  Hn  gewis, 

bds  6er  menf<^  on  fein  einge^un^  pn6  mitn»icclun9/  öos  aOer 

minftc  nic^t  t^un  fan. 
C€K.  U>ie  rflffefhi  ^tt  an?  S€^V.  Vakt  vnfer      5u  bifl  ym 
10  l}ym^, 

£<£K<CH.  Perfaf  os  allcf-  ynn  ein  fumma.    SCQP.  KürtjUd)  bauon 
$u  rcöcn,  Birten  mir  alles,  fo  vns  an  fcel  vnb  leib  Don 

ndtten  ift,  öod;  6er  geftatt,  6a9  oUe  nad)  <Sotte5  miOen 
geridjtet  treröcn. 

15  £€K  Dos  tft  ein  red}t  9e(»et,  fonfl  mdc^fiu  nid^t  n>ol  fpredyen  Umtn. 

*  * 
* 

[Aiüj]  dauffr* 

IParfimb  be^erfhi  6es  Cauffs?   B^ICl)  Barumb  6as  y^n 
Cl^riftus  pnfer  ^cylanö^  vnb  bk  en>i$e  mor^t  felbft  ^at  auff* 

gefetzt. 

»  B.  XDo  6a?  B.  ZUott^.  am  legten.  ICanffet  fte  ym  nomen  6es 
X>alers,  i>n6  6es  Sons,  i>n6  6es  ^eiligen  geiftes. 
B.  IDoi^u  nfi^ct  es?  B.  gu  6er  feelen  feligfeit,  Denn  toer  6a  ^leubet 
i>n6  ^etauffi  wir6,  6er  fol  fefi^  oer6en,  als  er  ons  felbs  ivfaQli, 
8.  QOas  iß  6{e  Cauff?  3.  €s  tfl  ein  ^eilig  }ei<i^n,  <5otts  9na6en 
86       on6  eines  busferüften  lebens. 

B.  tPie  Mcnimfla  6as?  B2{tCQ.  <BIeicf7  als  wir  ynn  6as  n>a|fer 
^etttud^t  o66er  6amit  begoffen,  on6  [A4^]  entlid}  wibet  I^eraus 
gebogen  iper6en.  So  auc^  foHen  vir  ^fc^tid^en  bdfen  Iflflen  vn6 
be9ir6cn,  teglicl^  abwerben,  on6  yn  einem  neiDen  iDan6eI  mit 
8u       C^riflo  aufferfie^en,  toad^fcn  rn6  5un^emen. 

B.  mit  n>em  bQeugftu  6as?  B.  Durd^  6en  ^eiligen  paulum  su  6en 

Kontern  am  fec^ften. 
B«  IDie  lang  tpert  6ie  Cauff?    B.  Das  gant^e  leben  aus,  bis  ynn 
6en  to6,  6enn  man  fol  6en  alten  Ubam  Ymer6ar  mit  (£rifto 
8B       creii^gen,  vnb  ftc^  ol^eit  6es  beften     <5ott  oerfeljen. 

21  Matth.  2b,  19.  —  82  Röm.  6,  4. 


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28.  JohAnnes  Tolts,  oin  Schullehrer  u.  Prediger  der  ReformaUoiissoit,  389 


PAE.  Die  suiaiiiaLüii  ijuid  certi  liabeas  de  Duo  patre?  TV.  Nou 
dubito  quiü  ouiüia  condiderit,  foueat  et  seruet. 

FA£.  De  fiUo  Dei  quid?  PV.  Hirne  eredo  esse  meum  adseriorom 
ae  Baluatorem.  s 

PA£.  Quid  Tero  de  apiritn  sancto?  PV.  Mihi  exploFatum  est^ 
hoiniaem  citra  eiua  adflatum  ne  tantilliim  qaidem  poBse. 

FA£.  Qua  latione  opem  Del  implo-  [Aü]}  ras?  PV.  Pater  noster 
qui  es  in  coelis  etc .  lo 

PAE.  Bern  omnem  vno  yerbo  complectore?  PV.  In  summa  petimua 
quaecunque  vel  anuno  vei  cotpori  neoessaiia  sunt»  ea  tarnen 
lege,  vt  singula  ad  amussim  diuinae  Toluntatis  exigamus. 

PAE.  Probe  TOtum«  neque  enim  aliter  recte  dlxeriSt  Amen.  a 

[A3^1  BAPTIHlim 

GATECHISTA. 

Q\R  petis  lanacrum  baptismatis?  CATECHVMENVS.  Quia  id 
ipsum  CbristuB,  Teritas  et  Salus  nostra.  iastituit. 

C.  \  bi  ivdm'f       Matthaei  vltimo,  BapLi^aiitea  eoö  iu  uomine  patria  20 

et  filij  et  Spiritus  saiicli. 
C.  lü  quem  vsum?    C.  Ad  saiutem  animae.    Qui  enim,  ft  ipse 

adfirniat,  crediderit  et  bapisatus  fuerit  saluus  erit,  Marci  Tltimo. 
C.  Quid  est  baptismus?   C.  Est  Signum  resipisoentiae. 

C.  Qui  hoc  intelügiB?  0.  Sicut  aqua  immeigimur  vel  abluimur.  ita 
Teterem  liominem,  camiB  inquam  adfeetus,  necesse  est  morti- 
lieaie. 


C.  Testimonio  caius?  C.  Diui  Pauli  ad  Rhomanos  sexto. 

G.  Quo  Tsque  duiat  eins  effectus?  [Aiii]]  C.  Per  onmem  vitam, 
Nam  Semper  adfligenda  est  caro  nostra  et  nunquam  non  de 
Deo  patre  per  Christum  in  bonitate  sentiendum.  » 


2  a.  R.  Gene.  1.  Acto.  17.  [26]  —  4  a.  R.  Luce.  2.  (II)  Tit.  2.  [13]  — 
7  a.  R.  Joan.  lö  |26|  ■-  9  a.  R.  Mat.  6  [11  ft.J  —  13  a.  R.  1.  Jo.  ö  [Uf.j  — 
20  a.  R.  Mat.  vlümo.  [2»,  19)  —  28  a.  R  Uar.  16  [lej  ^  81  a.  R.  Roma.  6  (4|. 


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390    lütteauiigeii  d.  Gm.  f.  deutaehe  Bniahimga-  a.  Sdnil^MclL  VII. 


(Besiniv't  ]id)s  and)  iuit^e  pnmflnMge  finMcin  su  touffen?  B.  VOcbcMj 
nt<^t        Cl^riftus  6er  ^crr  i)at  Gefprod^n,  Caft  5ie  fin6Idn  5U 
mir  fönten,  bmn  yl}t  ift  bas  t^v^elreid;.  ZHatt  xix. 
8.  t)<ir$tt  vdl  <ßott  fein  ^nab  9«ben.  B.  Dnrd}  Cl^riftum  3^efiitn 


pA^*2IKK£K  irnrfmib  achcftu  511  05ones  ttfdi,  mein  Kn6.  K^ZID. 
Das  mid)  nadj  o^ottcf-  and5  rcrlait-st 
1"  P;J2(H.  tPic  fo?    H.  Das  id)  ein  armer  *jroffcr  junöer  bin. 

P^K.  5o  t}öte  id}  tpol  6u  ^eöencfeft  öein  ieb«tt  ju  Seffern,   ü.  3a 

P^21K.  IPomit  bas?    Ii.  Durdi  6cn  erlaub«»  an  vibrijtum  j^cfum. 
p.  ITaju  fol  6ir  bcmi  öas  Sacromcnl?   K.  Soldjcn  ^Iaul)en  öamit 
i**        5uftercfen  vnb  Dcrnenjcn, 

P.  IPos  ifts  Dor  ein  Sacrament?    'KJ  €s  ift  ber  xvavc  loib  rnö 
bas  matt  blut  Pitfers  [Aö^]  Ikben  i}crrn  jbeiu  tbrifti  rntcr 
ober  mit  bcm  broö  rn6  trein,  t»ns  C^nft^leubi^en      cffcn  pnö 
triiicfcii  von  Cl^rifto  folbs  ciiujcfatjt. 
^'  Pj^<^.  Jft  6i»5  nu  genug?    Ii.  Ztcin  iraipn,  [oiiöcrn  idj  rnus  6er 
pcrlyeiffung  (£1)li)Ii  gkuiben. 
P^.  IDeIdye  ift  es?    "H.  ZTemlid?  bk,  Zumct,  cfjct,  öas  ift  mein  leib 
6er  für  eudf  0eben  n>ir6,  Pes  gleidjcn  com  feldj,  Das  ift  6er 
fddt  6es  neigen  Ceßaments  \nn  meinem  I)Iut^  6as  für  eu^  t>n6 
^  .     M.  pergoffen  mir6  }U  oergebung  6et  fuit6en,  foldjs  tt^uet^  fo  offt 
yfy[  irincfet;  5U  meinem  9e6ed?tnis.  TSlait,  xxvi. 
pj2{H.  XOie  9e6enA  man  6es  to6e9  Ct^rifti  rec^t?   K  Qnn  bem  6as 
tnt  6en  felbtgen  als  ein  ^nu^tl^uung  für  alle  fun6e,  Ye6erman 
oecffinöt^en,  (£^fto  6em  Qerm  ynn  lief)  on6  Id6  noc^jfol^en  rnö 
">  gleichförmig  oei6en.   ^  Cor*  xi. 

P^2ÜIS(£S  St^e  6as  6u  oon  ^^en  gleubefi,  ime  6u  mit  6em 
munöe  befennefl,  6enn  6arattff  loil  läf  6tr  6as  ho<^nnr6tg  Sacra* 
ment  reic^n  vnb  mitteilen,  (ßott  porlef  6ir  ^eyl  onö  feligfeit  ^aju. 
Vftxt  allen  feinen  ausenoelten  btxtdf  C^nftum,  TXXtl^TX. 

Ö  Matth.  19,  14.  —  26  Matth.  26,  26ff.  —  ao  1.  Cor.  11,  26  ff. 


vnfem  ^eyknb.  ^men. 


[AvJ 


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2b.  Johaunes  Toltz,  ein  SchuUehrer  u.  Prediger  der  Reformationazeit.  391 


C.  (Jüügruit  De  etiam  hoc  symbolum  lactentibus  recena  natis? 
C.  Quid  ni,  Enim  uero  Christus  dixit,  Ne  prohibeatis  pueros 
ad  me  venire,  taliuni  est  enim  reg;num  cuelorum. 

C.  Ciementissiiiius  Dens  bene  coepta  secundet.  C.  In  Christo  Jesu 
seruat^re  nostro   Amen.  ft 

[A4''J  EYCJUBISXU. 

PASTOB. 

QVid  accedis  meDsam  Domioi.  mi  puer?  OVIS.  Quia  ad  fbaorem 
Dei  adspiro. 

P.  Quid  ita?  O.  Nempe  quod  mole  peccatorum  praemor.  lo 
P.  Certum  igitur  est  resipiscere?  O.  eciam  Domine. 

1*.  Qua  nani?    O.  Per  tidem  Christi. 

P.  Ad  quid  vero  tibi  symbolum  conferl?  O.  Ad  eiusmodi  fiduciam 
corroborandam,  instaiirandamque.  is 

P.  Quid  est  sacramentnm  Altaris':*  O.  Est  Neruni  corpus  et  verus 
sanguis  Doniiui  nostri  Jesu  Christi,  sub  pane  et  vino  nnbis 
Christicolis  ad  luaaducandum  ac  bibendum  ab  ipso  Christo 

institutuiii. 

P.  1(1  ne  ü08se  et  facere  satis  est     0.  Mioime,  verum  [AvJ  oportet 

rae  diuina»'  pnlli«'itacioni  credere. 
P.  Cniusmodi  est   illa?    ().  Ea  nimiriim.  Acci|»ite,  edite,  hoc  ebt 

corpus  meuiu  quod  pro  voliis  datitr.    Ad  euudem  modum  de 

calice.  Hoc  poculum  uouuui  TeäUimeüturu  est  in  meo  sanguiue. 

qui  pro  vol)i9  et  multis  funditur  in  remissiunem  peccatorum,  2r, 

hoc  facite  iu  luei  rouuneiuoratioiieni. 
P.  Quo  pact<i  mortis  Dominicae.  quis  probe  meminerit':'   O,  Nenipe 

vt  eaiu  ipsani  oinnis  peccati  ex{üationem  cunctis  praediceia, 

adeoque  et  sufferendo  et  diligendo  Christum  ipsimi  referam. 

PASTOR.  Quod  proAteris  ore.  fac  credas  corde,  eo  enim  nomine, 
iatud  saeramentum  tibi  impertiam,  Deus  optimus  Maximus  bene 
vertat. 

O.  Credo  Domine,  Chmtus  Jesus  mihi  fldem  adaugeat,  P.  AMEN. 

3  ft,  R.  Mat  19.  [14]  —  18  a.  R.  Bom.  8.  [28J. 


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392     Mitteilimgea  d.  Ges.  f.  deutsche  Enieimugs-  u.  SSehulgesch.  VIL 


29. 

Der  erste  OrganiHationsplan  der  „H'öliem  Oewerb- 
schiile^^  zu  Chemnitz  aus  dem  Jahre  1836. 

Von  Dr.  X.  Vcttrn,  Lehrer  an  den  teelinlechen  StutelehreneUUten  in 

Chemnits.^) 

Die  heutige  ,li»iliore  (Jcwt  i  bschule''  zu  Chemnitz,  flereu 
erster  Ort^aiiisationsplan  hiüruutiT  /.um  Alxlruck  gekiugt,  Iic^muu  h\a 
mittlere  Uewerbschule  mit  Ostern  1836  ihr  erstes  Schuljalir.  Die 
holie  Staatsregierung  hatte,  wie  aus  einem  i>ei  den  Akten  der  Au 
stalt  befindlichen  Schreiben  der  Kreisdirektion  zu  Zwiclcau  vom 
12.  Februar  1835  an  den  damaligen  Amtshauptmann  von  Polenz 
hervorgeht,  ursprünglich  beabeicbtigt,  in  Chenmite  eine  , höhere 
gewerbliehe  Büdungsanstalt  nach  dem  Miuter  der  in  Dresden  be- 
stehenden" KU  ertiehten  und  dafür  einen  j&hrlichen  Zuschuss  von 
4000  Thalein  aus  Staatsmitteln  in  Ansprach  su  nehmen.  Ausser- 
dem sollten  an  yerscfaiedenen  Orten»  und  zwar  zunächst  in  Plauen, 
Leipzig  und  Zittau,  als  den  Hauptpunkten  der  industriell  hervor- 
ragenden  Landesteile,  mittlere  Qewerbschulen  errichtet  Verden. 
Der  beantragte  Zuschuss  you  jährlich  4000  Thalem  fOr  Ghenmitz 
hatte  die  landständische  Bewilligung  nicht  gefunden,  es  waren  viel- 
mehr der  Rogierung  im  Ganzen  3000  Thaler  zur  Errichtung  von 
mittleren  Qewerbschulen  zur  Verfügung  gestellt  worden.  Nach 
reiflicher  Erwägung  und  längeren  Verhandlungen  mit  dem  Stadt- 

')  Die  folgende  Arbeit  war  ursprliii^liili  bestimmt,  einen  TpW  des 
dritten  (Suchsea-jUettes  zu  bilden.  E»  be»tuud  die  Absicht,  iu  diesem,  der 
diesjährigen  deutachen  PhilologouveraAmmlung  gewidmeten  Hefte  alle  Typen 
■iclMieeher  Unterrichteanstaltea  durch  kleine  historieche  AufUltio  oder 
Abdrucke  von  uriaindllchem  Material  vorzufahren.  Ans  Mangel  an  Raum 
—  einzelne  der  angenommenen  Arheiton  liessen  «ich  nicht  zusammen- 
streichen —  musstc  auch  die  Einfügung  dieser  bereite  im  Satz  vorliegenden 
Arbelt  unterbleiben. 


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29.  Der  erete  OrgtuiisatioDsplan  der  .Uüheni  Uew  erbschule "  etc.  393 


rat  besehiuss  das  Köniirliclie  Ministerium  des  InntTii.  oiiif  miiilerü 
(lewerbschule  zu  Chemuitz  unter  ripwahrimg  von  jährlich  1625 
Thalern  aus  dem  bewilligten  Fond  und  eines  einmaligen  Betrages 
von  1500  Thalern  zur  ersten  Kinrii^htung  unter  der  r.edinunmg  zu 
gründen,  dass  die  Stjult  Cheniaitz  ein  geeignetes  Uiiterriclitslukul 
dauernd  und  uiieiitgeltlich  zur  Verfügung  stelle.  Da  die  Stadtver- 
tretung auf  diese  Bedingung  einging,  und  der  nunmehr  zwischen 
den  Königlichen  und  stadtisehen  Behörden  abgeschlossene  Vertrag 
ebenso  wie  der  vorgelegte  Organisationsplaii  die  AUeriiOcbtte  Geneh- 
migung fand,  lioimte  die  Anstalt  am  2.  Mai  des  Jahres  1836  er- 
Oflbet  Verden. 

Zur  Gew&hning  eines  llttclitigen  Einblicks  in  die  Entwiclceliing 
der  vor  61  Jahren  begrOndeten  Schule  magen  einige  loirze  An- 
gaben ttber  den  gegenwi^tigen  Zustand  derselben  dienen:  Die 
.Königlich  höhere  Gewerbschule"  ist  derzeit  die  erste  der  unter 
dem  Kamen  ^Technische  Staatslehranstalten*  vereinigten  Schulen. 
Sie  zerfftllt  in  Abteilungen  fttr  mechanische  Technilc,  chemische 
Technik,  Hochbau  und  Elektrotechnik,  die  ihr  Pensum  in  jfVs  bezw. 
4  Jahren  erledigen. 

Zum  Eintritt  in  die  Höhere  Qewerbscbule  berechtigt  der  Be- 
sitz des  Freiwilligenzeugnisses,  vorausgesetzt,  dass  auf  demselbea 
Mathematik  und  deutsche  Sprache  mindestens  mit  2b  zensiertslnd.  oder 
das  Bestehen  einer  entsiire(  henden  Aufnahmeprüfung.  Der  Nachweis 
vorhergegangener  praktisrtu  r  Thätigkeit  kann  insofern  als  Auf- 
nahmebedingung gelten,  als  bei  dem  derzeitigen  Andränge  zur 
'schule  in  erster  Linie  junge  Männer,  welche  eine  gewisse  Praxis 
lünter  sich  hab<>u.  Berücksichtigung  ßnden. 

Von  den  mein*  als  1000  Schülerii.  welche  die  Techniselien 
8tiiatslehran.stai(en  jährlich  besuchen,  entfallen  ungefähr  350  «auf 
die  Höhere  (Qewerbscbule.  Zu  bemerken  ist  hierbei,  da.ss  sämt- 
liche Schulen  viole  Aspiranten  (Ostern  95  die  rjewerhsehiile 
allein  74)  toils  u»'i;en  l'laf/.niHugelö,  teils  wegen  ungenügender  Vor- 
bildung Zill iirk weisen  mussten.  Diis  Schulgeld  beträgt  bri  der 
Höheren  tiewerbschule  für  IJeiciisdeutöche  120  Mark,  für  Ausländer 
240  Mark  jähiUch. 

OrgaiiiaationMplan  fttr  die  Uewerbticliale  zu  Cbemnitx. 

§  1. 

Die  Geworbschule  zu  Chemnitz  hat  den  Zweck,  Denjenigen,  Hl«  sich 
dem  prnktisclu'n  Gewcrb?lob'^n  im  Bereiche  des  Handwnrk'-  odor  l'ahrilc 
betrieben  zu  widmen  tr»  lit nk.  u,   G(.'lejrenh»'it  zu  einer  i!ii\u  l!>'ilürtni>.seii 
entsprechenden  wissensoiuili liehen  Ausbildung  darzubieten,  und  dadurch  ins- 


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394    Mitteilungen  d.  Ges.  L  deutsche  Erziehungs-  u.  Sehulgeach.  Vll. 


besondere  zur  YcrToUkommnuDg  des  vaterländischen  Gewerbwesens  bei- 
zutragen. 

Der  LehilcreiB  der  Anstatt  imtBclilieist  jedoeb  die  tedmbeiieii 
Wissenschaften  nur  bis  za  dem  Punkte,  bis  za  welchem  die  Kenntnis  der> 
selben  fttr  den  rationellen  Gewerbsbetrieb  flberhanpt  Bedfirfhis  ist,  indem 

das  hdbcre  und  umfassendere  Realstudium  den  daftlr  bostimmten  allgCo 
meinen  oder  besonderen  Bildongsanstalten  Torbehalten  bleibt.  < 

s  . 

Die  Sonntagsschule  des  Handwerkervereios  za  Chemnitz  wird  mit 
der  Gcwerbsi-hule  insoweit  zu  einem  Ganzen  vereinifjt,  al?  sie  in  geeig- 
neten l'  illlen  die  Stelle  einer  Eleineatur-  oder  Vorbereitungsklasse  vertritt. 

I)i('sell)p  steht  nat-h  wie  vor  unter  der  bt'sonderen  Leitung  und  Auf- 
sicht des  Ilaadwerkervereius  und  behalt  iia  wesentlichen  ihre  dernialige 
Einrichtong. 

Pie  SonntagsMshnle  soll  xunldist  Handwerksgesellen  und  Lehrlingen, 
die  sich  mit  den  Elem«iten  der  JlCathematik  und  Zeichenkonat  neben  ihren 

praktischen  Bemfisarbeiten  bekannt  machen  und  flberhanpt  ihre  in  der 
Volksschule  erlangten  Kenntnisse  befestigen  nnd  erweitern  wollen,  die  Ge- 
legenheit hierzu  darbieten. 

Sodann  sind  aber  auch  Diejenigen,  denen  es  für  die  Teilnabrae  an 
dem  Lnteniebtc  in  der  (rcwerbsrbnie  noch  an  der  erforderlichen  Vor- 
bildung gebricht,  an  die  Sonntagsschule  zu  verweisen. 

Desgleichen  ist  solchen  Schillern,  die  sich  swar  die  fttr  den  Eintritt 
in  die  Gewerbachule  flberhanpt  erfbrderliche  Fertigkeit  im  Lesen  and 
Schreiben  angeeignet  haben,  die  aber  in  der  mflndlichen  nnd  schriftlichen 
Handhabung  der  Hnttersin'ache  noch  mehr  oder  weniger  zu  wflnschen 
flbrig  lassen,  die  Anftiahme  in  die  Gewi  rbs(  hulo  nur  nnter  der  Bedingung 
zu  bewilligen,  dass  sie  gleichzeitig  auch  die  betreffenden  Unterrichts- 
stunden bei  der  Sonntagsscbule  besuchen. 

Die  Gewerbschule  zerfallt  in  drei  verschiedene  Klassen,  von  denen 
jede  auf  einen  einjährigen  Kursus  eingerichtet  ist,  daher  denn  auch  der 
gesamte  Unterricht  der  Regel  nach  einen  dreijährigen  Kuri^us  umfasst. 

§  4. 

Die  unterste  oder  dritte  Klasse  bezweckt  die  Erlangung  einer  all- 
gemeinen Bildung  in  den  Anfangsgrflnden  der  Mathematik,  l'hväik  nnd  des 
Zeichnens,  ohne  die  q»eiielle  Biehtung  aof  das  technische,  mechanische 
und  chemische  Studium,  welche  der  Unterricht  in  den  beiden  oberen 
Klassen  verfolgt 

§  5. 

Die  zweitr  oder  mittlere  Klas^ie  ist  srbon  mehr  der  Vorbereitung 
auf  das  praktisch-mechaiiischc  und  chemische  Studium  gewidmet,  und  es 
sind  Geometrie,  Trigonometrie  etc.,  theon  tische  Chemie  und  Maschinen- 
zeichnen hauptsächliche  Untcrrichtsgcgcnstünde  derselbeu. 

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29.  Der  erste  Orgfuiiäatiousplan  der  .Uöfaem  Gewerbschule"  etc.  395 


Beide  unteren  Klassuu  werden  mit  Erf*»lg  von  rlenon  zur  Vorbereitung 
benut7t  werde»  können,  welche  siel»  zur  Pharmazeutik  i>der  Kaufmann- 
schaft, zum  Studium  des  Berg-  oder  Bauwesens,  der  Forst-  oder  Land- 
wirtschaft ftnf  den  dam  bettimmtea  Anstalten  aasbüden  vollen. 

§  6. 

Die  erste  oder  oberste  Klasse  hat  hauptsaclilicii  die  mechanische 
und  clieniisciie  TeebnOc,  ab  Grundlage  eines  rationellen  Geweibbetriebs» 
zum  Zweck. 

Ob  sie  daher  gleich  nnr  bis  an  dem  Punkte  führt«  wo  die  obere 

Abteilung  der  technischen  Bildnngsanstalt  in  Dresden  beginnt,  so  wird 
dorli  ;mf  die  letzterer  vorbehaltenen  praktischen  Uebnngen  bei  der  Gewerbe 
schale  za  Chemnitz,  soweit  thanlicbp  Bedacht  genommen  werden. 

Der  Lehrplan  stinunt  mit  dem  der  unteren  Abteilung  der  Dresdner 
Bildungsanstalt  in  der  Hauptsarhe  fiberein,  nnd  es  Wird  im  Laufe  des 
ordentlichen  dre\jähngeu  Kursus  gelehrt: 

I.  In  der  unteren  Klasse. 

1.  Beschreibende  Geometrie  wöchentL   3  Stunden. 

2.  Zahlen-  und  Buchstabenrechnunp  bi«?  zu  den 
quadratischen  Gleiehunpen,  iiigi.  dvii  arith- 
metischen und  gLouietrischen  Progressionen         „        ö  ^ 

3.  Experimentalphysik  mit  einem  Vortrage  ttber 
Nalnrknnde  in  technischer  Begehung  nnd 

über  die  Anfangsgründe  der  Chemie  ...        „       4  „ 

4.  Projektionslehre  und  Schattenkonstmktlon, 

Zeichnen  nach  Vorlegebliittern   „        6  . 

5.  Freies  Handseichnen  (in  allen  Klassen  gleirh- 

zeitig)   „      12  » 

II.  In  der  mittleren  Klasse. 

1.  Geometrie  (Lonpometrie,  Pliininietrie,  Stereo- 
metriel.  vhviu'  nnd  sphnrisdie  Trigonometrie. 

Lehre  von  den  Kegelschnitten   „         5  „ 

2.  Theoretische  Chemie   „        3  - 

3.  Zeidinen  nach  Mascliinen,  Modellen,  Tor- 

legeblftttem,  PerspektiTe   „       8  „ 

4.  Freies  Handzeichnen  (gemeinschaftlich)   .  .        „      12  „ 

ÜL  In  der  obersten  Klasse. 

1.  Maschinenlehre,  TerbundenmitmalfaematiBcher 
Plqrsik  nnd  der  beschreibenden  Darstellung 

der  hauptsächlichsten  mechanischen  Gewerbe         ^       12  „ 

2.  Allf^emeine  teclinische  Chemie,  verbnnden  mit 
der  br-'ichroiln'iKlt'n  Darstellung  der  vorzdg* 

liebsten  chemischen  Gewerbe   „        3  „ 


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396    Jtfitteiliuigen  d.  Ges.  t  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgeach.  VII. 


3.  Praktisch-chemisrhp  Uebunfren  wöchenU.   8  Stunden. 

4.  Mathematisches  Zeicliuen  ^init  der  2.  Kla&se 
gemeiasdiafliiGh)   ^       6  « 

5.  Freies  HandzeichneD  (gemeinschafUidi)  .  .        ^      12  ,f 

6.  NaturiniBde  (technische  HinenJogie  nnd  a]l> 

gemeine  Prodnkteolefare)   ,       3  „ 

Der  üntemcht  im  srchitektonisclien  Zeidmen  and  in  der  fransd- 
sischen  Sprache  bleibt  fttr  jetzt  von  dem  Kreise  der  Lehrgegenstände  ans* 
geschlossen  nnd,  was  letztere  anlangt,  dem  Privatnnterriclitc  Qberlassen. 

Der  oben  mit  aufgoführtp  Unterricht  im  freien  Uandzeichnen  wird 
für  jetzt  in  drr  auf  den  Etat  der  Gewerbschule  überKclienden  Kästncrsi  luMi 
Zeichenschule  unter  Erweiterung  der  Lchrstunden  ortcilt,  aucli  kann  der- 
selbe noch  ausserdem  bei  der  Sunntagssrhule  mit  benutzt  werden. 

§  8. 

Es  wird  vorausgesetzt,  dass  Diejenigen,  welche  mit  der  Absicht  in 
die  Gewerbschule]  eintreten,  um  sich  eine  vollständigere,  technisch-wissen- 
sebaftliche  Ausbildmig  anzaeignen»  den  ordentUchen  Lehrkarsns  jeder 
Klasse  Tollstindig  imie  halten. 

Sollte  jedoch  bei  einzelneii  Schfllem  wegen  ihrer  besonderen  Yer- 
hiltlliase  es  fttr  wttn^olionswi  i  t  gi  lialtr-n  werden,  hiervon  eine  Ausnahme 
zu  machen,  so  haben  sie  sich  behufs  der  fb  Stimmung  der  für  sie  passenden 
Unterrichtsfdcher  am  Anfange  jeden  Lehrjahres  nn  den  Vorsteher  zu 
wenden,  der  ilincii,  unti  r  Kürksprachf  mit  dpn  betrelTciiden  Lehrern,  so- 
wie mit  tliurdii  lister  lierüiksiclitigimi:  ilircr  Yt-rhältaissc,  die  erforderliche 
Anweisung  erteilen  wird,  welcher  sicli  der  Schüler  zu  unterwerfen  hat. 

Nicht  minder  haben  die  Lehrer  solche  SchtQer,  die  in  der  schrift- 
lichen Handhabung  der  Hntterq»rache  noch  nicht  die  erforderliche  Uebnng 
nnd  Festigiceit  besitzen,  zum  Besuche  des  dentschen  Sprachonterrlchts  an- 
zuhalten. 

§9. 

Um  in  die  Aii-^falt  aufgenommen  zu  werden,  wird  erfordert: 

a)    ein  Alter  von  wenigstens  11  Jahren; 

b    d(  r  Nai  hweiäi  der  erfolgten  Sehutzpockeiiimpfung; 

c)  geliorige  Benutzung  des  früheren  Schulunterrichts  und  namentlich 
Fertigkeit  im  Lesen,  Schreiben  nnd  den  gemeinen  Rechnungs- 
arten; 

d>  die  erfolgte  kirchliche  Konfirmation. 
Der  Aufzunehmende  hat  sich  hierflber  durch  Beibringung  der  ge- 
hörigen Zengnisse,  sowie  wegen  des  Erfordeniisses  unter  c  durch  eine 
Prüfung  vor  dem  Lehrervereine  auszuweisen. 

§  10. 

Erwachsene  und  in  selbständigen  Verhältnissen  stehende  Personen, 
welche  an  einzelnen  rntt'rrichtsfärh'  rn  'IVil  zu  nehmen  wtinschen,  können 
dazu  von  dem  Vorsteher  Erlaubnis  erhalten. 


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89.  D«r  erste  ürgaiiiaatioiisplaii  der  »Höhem  Gewarbschnle*  etc.  397 


Sie  werden  als  blosse  Zuhörer  betraditet  und  sind  den  Schnlgesetzen 
nielit  unterworfen. 

§  11. 

Bei  der  Aufnahme  verpflichtet  sich  der  Schiller  mittelst  Handschlags 
zur  pünktlichen  Befolgnng  der  ihm  bekannt  zu  machenden  Gesetze  der 
Anstalt,  von  denen  ihm  gleichzeitig  ein  Exemplar  einzuhändigen  ist. 

§  12. 

Jeder  Srhfller  tritt  in  der  Regel  in  die  unterste  Klasse  ein,  wenn 
ihn  nicht  die  in  di  r  einen  oder  anderen  "Wissenschaft  liereits  erlangten 
und  bei  der  Autnabmepnuuiig  bewährten  Vorkenntnisse  sofort  zur  Teil- 
nahme an  dem  Unterrichte  in  einer  der  höheren  Klassen  befähigen. 

Für  die  minder  Vorbereiteten  und  Diejenigen,  welche  bei  dm 
Untorriclite  hmter  den  üebrigen  zarttck  bleiben,  werden,  dafem  thnnlich, 
▼on  den  Zöglingen  der  oberen  Abteilung,  gegen  ein  billiges  Honorar,  Vor« 
bereitengs«  und  Repetitionsstanden  erteilt  werden. 

§  18. 

Der  üebergang  ans  einer  unteren  in  eine  höhere  Klasse  erfolgt  nich 

der  m  Ostern  jeden  Jahres  stattfindenden  PrOfium  und  ist  nur  solchen 
Zöglingen  gestattet,  welche  ihre  Befähigung  dazu,  nach  dem  Urteile  des 
Lehrervereins,  genügend  beurkundet  liaben. 

§  14. 

Von  den  Schfllem  ist  fÖr  den  Uuterhciit  ein  Honorar  zu  ejitncliten, 
dessen  Betrag  vor  Anfang  eines  jeden  Lehijuhres  beütimmt  werden  wird 
und  in  der  untersten  Klasse  bis  auf  weiteres  8  Thlr.,  in  der  niitftleron 
10  Thlr.,  in  der  obersten  12  Tblr.  jfthrUch  betrogen  soll. 

Der  gftnzüche  oder  teilweise  Eriass  der  festgesetsten  Geldbeitilge 
auf  den  Grund  bescheinigter  Mittellosigkeit  bleibt  anf  die  Anzeige  des 
Vorsiehers  der  Sehol-Kommission  vorbehalten« 

§  15. 

Der  Au'itnft  aus  der  Anstalt  erfolgt: 

1.  durch  Entlassung  nuch  Ablauf  der  Zeit,   die  für  die  Aus- 

bildnn<r  des  Zöj?ling8  bestimmt  gewesen  ist; 

2.  durch  Entlassung  wegen  Untieissies; 

8.  durch  Ansschliennng  als  Strafe,  in  den  dorch  die  GesetaEO 
der  Anstalt  bestimmten  Fällen. 

§  16. 

In  dem  §  15,  No.  1  gedachten  Falle  ist  dem  abgehenden  Sdifller 
ein  Zeugnis  anszn stellen,  welches  teils  über  die  von  ihm  an  den  Tag  ge- 
legte wissenschaftliche  Befilhigung,  mit  Rücksicht  darauf,  ob  er  eine  all- 
gemeine Tind  vollständige,  oder  nur  eine  teilweise  Ausbildung  geancht  und 
erhnUi'u  liat,  teils  über  sein  sittliches  Verlialtt  ti  Auskunft  giebt. 

Solche,  die  wp^en  TTntl»'isses  entlassen  oder  mr  Strafe  ausfie-^eldosst  n 
werden,  haben  auf  ein  Abgangszeugnis  keinen  Ansprucli,  oder  erhalten  nur 
ein  Zeugnis,  in  weiefaem  der  Entlassnngsgmnd  angegeben  ist. 

üittoiluitgc-n  d.  (je»,  t,  dcuisriie  Kr^k'li.-  u.  .^ehuli^eschichio.  VII  l  181*7.  2Ö 

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598    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutacho  Erzielmugs-  u.  Bcimlgesch.  VIL 


§  17. 

Für  die  Beaufsichtigung  der  Gewerbschule,  in  Unterordnung  zunächst 
unter  dfo  Ereisdif«lrtioii,  irfrd  ein«  Sdmüioiiiiiiiaaioii  gebildet,  welclie  be- 
Btebt  ans 

einem  Komminar  der  Staatsreglening» 

einem  BGtgliede  des  Stadtrats, 

dem  Vorsteher  der  Gewerbschule  und 

einem  IVfitgliede  der  Einwohners<  haft,  welches  die  Stadtverordneten 
innerhalb  oder  ausserhalb  ihres  Mittels  je  für  die  nächstpu 
sechs  Jahre  zu  walilcn  und  zur  BestfltijsniTip  zu  präsentieren 
haben.  Für  dieses  Mitglied  wird  jedesmal  ein  Stellvertreter 
gewAtalt,  der  in  BelündeniagBfiUlen  an  den  Sitnu^^  der 
Kommission  Teil  nimmt 

§  IB. 

Im  allgemeinen  gehurt  zu  den  Geschäften  der  Schul-Kommission : 

die  Beaufsichtigimpr  der  Anstalt  im  allgemeinen,  in  Beziehung  auf 

den  Gang  des  Unterrichts,  die  Disziplin  etc.; 
die  Erstttttnng  jahiüeber  Anseigen  Uber  denZaslnod  derGewerb- 

scbnle  nnd  die  bemericenswerten  Ergebnisse  des  Terflossenen 

Ldiijahres,  welcbe  dnrcb  die  Kreisdireiction  an  das  Ministerinm 

gelaiifjren; 

die  Eröffjmnp:  gutachtlicher  Vorschläge  wegen  Besetzung  erledigter 
LehrerstcUen,  Veränderangen  im  Lehrplane  and  in  der  Ver- 
fassnnp  dfr  Anstalt; 

die  Ansf  hatfunü;  von  Bedürfnissen  zur  Vervollständigung  der  Lehr- 
mittel, soweit  die  Krilfte  der  Schulkasse  hinreichen; 

die  Bewilligung  von  Erlassen  an  anbemittelte  Sdittler; 

die  ErOlliittng  gutacbtlicber  Vorschläge  wegen  Bewülignng  von 
Prftmien  nnd  Belobungen  an  ansgezeichnete  Scbfller; 

die  Oenebmignng  nnd  Vollziehung  der  Abgangszeugnisse,  welcbe 
von  dem  Vorsitzenden  der  Söhulkommission  und  Ton  dem  Vor- 
steher gcmeinschaftlieh  bt  w  irkt  wird; 

die  KontroUicninjr  des  Kassenwesens; 

die  Oberaufsicht  über  die  Sammlungen. 

§  10. 

Die  unmittelbare  Leitung  der  Gewerbschule  liegt  dem  Vorsteher  der 
Anstalt  unter  Mitwirkung  des  Lehre rvereins  ob. 

§  20. 

Der  Yorsteber  hat  im  allgemeinen  über  die  Yollziehunc:  der  Gesetze 
der  Anstalt  und  über  den  ordnnnfrsmässigen  Gang  des  Unterrichts  zu 
wachen.  Er  leitet  die  Beratungeu  «les  Tiehrt  rvereins,  beruft  die  ausser- 
ordentlichen Vei-sammlungen  desselben,  verfiissl  und  vollzieht  die  an  die 
Schttlkommission  zu  richtenden  Anzeigen  in  den  Fällen«  in  denen  der 

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29.  Der  erste  Organisatiunsplan  der  .Höhom  Gewerbachule*'  etc.  399 


mündliche  Vortrag  bei  selbiger  nicht  ausreicht,  und  hat,  soweit  nicht  die 
Kompetenz  der  Schulkommission  selbst  dabei  eintritt,  den  amtlichen  Ver- 
kehr zwischen  der  Anstalt  und  den  zu  ihr  in  Verhältnissen  stehenden 
dritten  Personen  za  besorgen. 

§  21. 

Der  Lehrerverein  besteht  aus  dem  Vorstelier  als  Vorsitzendem  und 
deiycnigen  Lehrern  der  Anstalt,  welche  die  vorgesetzte  Behörde  dazu 
6raeiuit. 

Die  Ztiaehong  anderer,  als  der  dem  Lehrenrereiiie  in  der  Eigeii- 
aekaft  ordenüicher  Mitglieder  aagelUVrenden  Lehrer  mit  beratender  Stimme 
bei  einzebien  in  ihr  UnteiTiehtsfiush  einsdilaj^nden  Gegenständen  bleibt 
dem  Vorsteher  Torbehalten. 

§  22. 

Die  GeschMte  des  JLehrervereina  sind: 

1.  die  Aufnahme  neuer  ZOglinge  und  deren  Einweisung  in  die 
betreffenden  Abteflnngen  und  Klassen,  wobei  jedoch,  wenn  es 
sich  um  die  Aufiiahme  von  Ausländern  handelt,  zuvörderst  die 
Genehmigung  der  vorgesetzten  Behörden  einzuholen  ist; 

2.  die  Besclilussnalime  liber  das  Aufrücken  dfr  SchtUer  aus  den 
unteren  in  die  oberen  Ahtcilnngen  und  Klassen; 

3.  der  Vorsriilag  zu  Pramienverteihins^en; 

4.  die  Ausstellung  der  Abgangszeugnisse,  welche  dem  Vorstande 
der  §  17  ^pnannt«'n  Behönle  zur  Vollziehung  vorzulegen  und 
von  dem  Vorstelier  zu  kontrasigniereu  sind; 

5.  die  Handhabung  der  Sehuldisziplin  nach  Maassgabe  der  Ge- 
setze der  Anstalt; 

6.  die  Er(yffnung  gutachtlicher  YorschUge  über  etwaige  YerSn- 
deningen  in  der  Organisation  der  Anstalt,  in  den  Gesetzen 
für  die  Schttler  und  in  dem  Lehrplane,  sowie  ttber  die  Ter* 
Tollstandignng  «ler  materiellen  nilfsmittel  des  Unterrichts  und 
der  zu  dem  Institute  gehörenden  Sammlungen. 

§28. 

Der  Lehrerverein  versammelt  sieh  regelmftssig  alle  vierzehn  Tage 
und  ausserdem  so  oft,  als  er  von  dem  Vorsteher  oder  auf  Veranlassung 
des  Kommissars  zusammenbemfen  wird. 

§  24, 

Dem  Vorsteher  sowie  den  zu  dem  Lehrervereine  gehörigen  Lehrern 
liegt  es  ob,  auch  die  Privatstudien  der  Schttler  und  deren  sittliclies  Be- 
tragen, so  weit  thunlich,  zu  beauftichtigen. 

Zu  dem  Ende  sind  die  letzteren  dergestalt  unter  die  betreffenden 
Lehrer  zu  verteilen,  dass  sich  jeder  derselben  der  Spezialaufsicht  Aber 
eine  bestimmte  Anzahl  von  Schttlem  zu  unterziehen  hat. 

2«* 

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400    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


1 


§  25. 

Die  mit  der  iinätait  künftig  etwa  zu  verbindt  ndt  n  Sammlungen,  in- 
gleichpn  das  chemische  Laboratoriam  stehen  unter  der  speziellen  Anfsicht 
der  damit  zu  beauftragenden  Lehrer.  Die  Art  und  Weise  ihrer  Benutzung 
dmdi  die  ScbOler,  soivfe  darcii  das  grönere  PabUkam  wird  dnrdi  beBon* 
dere  BegalatiTe  bestimmt  w^en. 

§26. 

Der  Königl.  Kommissar  Ist  bestimmt,  die  Verbindung  zwisebea  der 
Begierang  and  der  Anstalt  sa  erbstten.  Er  bat  das  Becbt,  an  allen 
Sitmngen  des  Lebrerrereiaa,  inglelcben  an  allen  Yerbandlnngen  der  Schal- 
kommission Teil  za  nehmen,  and  Ahrt  solchenfalls  in  beiden  den  Vorsitz. 
Aach  bedürfen  alle  Berichterstattangen  der  Srlmlkommission  seiner  Teil» 
nähme  und  dt-sfalliuc  Beschlüsse  wenigstens  nacliträ^dicher  Genehmigung. 

Dagegen  stellt  es  dem  Kommissar  frei,  in  vorkommenden  Fällen 
ohne  Kunkurrenz  der  Schulkomroission  Berichte  über  den  Zustand  der 
Anstalt  an  die  vorgesetzte  Behörde  zu  erstatten. 

§  27. 

Der  vorstehende  Organisationsplan  tritt  mit  dem  nach  Ostern  dieses 
Jahres  beginnenden  Lehrjahre  in  Wirksamkeit. 


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oO  Z.  Ccsch.  d.  Prinzen-  u.  Prinzessinnen-Erziehung  d.  Hohenzoiiorn.  401 


30. 

Zur  Geschichte  der  Prinzen-  uud  Pnuzessinuen- 
Erziehung  im  Hause  Hohenzollern* 

Das  seit  geraumer  Zeit  für  die  Ausgabe  der  M.  G.  P.  in  An- 
*jiitV  goiiüinmeuo  Wt-rk  ist,  uaciideiii  leider  mehrfache  Hinderniase 
üt'u  stetigen  Fortgaug  der  wichtigen  Arbeit  aufgelialteu  hatten, 
endlich  soweit  gediehen,  dass  jetzt  ein  Ijesserer  Ueberblick  über 
den  Umfang  des  Werkes  möglich  ist.  Dieses  wird  in  drei 
MoDumeDtabändea  eracheinen;  ausser  dem  Urkuodenmaterial  liegen 
für  die  einzelnen  Bftnde  bereits  TeUe  der  Darstellung,  die  den 
Urkundentoxten  Torausgehen  sollen,  vor. 

In  die  Arbeit  liaben  sieb  geteilt  der  Geh.  Ärcbivrat  Dr. 
Grossmann,  der  Kgl.  Haus-Arclilvar  Dr.  Schuster  und  Prof.  Dr. 
Friedrich  Wagner  in  Berlin.  Beim  weiteren  Vorracken  der  Arbeit 
waren  innerhalb  des  Vorstandes  mehrfache  Bedenken  ge&ussert 
worden.  Erstens  ob  die  Gesellschaft  sich  erlauben  dürfte,  ohne 
ausdrückliche  Genehmigung  Sr.  Majestät  des  regierenden  Königs  von 
Preussen  die  Herausgabe  zu  untemelunen.  Eine  Genehmigung  war  auch 
8.  Z.,  als  die  Arbeit  begonnen  wurde,  von  dem  hochseligen  Kaiser  und 
KGntg  Wilhelm  dem  Grossen  nicht  eingeholt  worden,  dem  Vorstand 
war  aber  bekannt  geworden,  dass  Se.  Hajestat  der  Kaiser  Friedrich 
noch  als  Kronprinz  dem  geplanten  Unternehmen  warmes  Interesse 
entgegeogebraclit  hatte. 

Zweitens  schien  es  zweifelhaft,  ob  für  den  Fall  einer  Erlaiilmis 
der  Herausgabe  die  ( iir/elnni  Herausgeber  und  der  Leiter  der 
Monumenta  QermanLae  Paeda^ogica  aus  eigener  ^laclitvoUkommen- 
heit  die  Auswahl  aus  den  angesammelten  Materialien  für  die 
Veröffentlichung  treffen  dürften,  oder  ob  es  nicht  nötig  sei,  fli-  s 
unter  dem  Schutze  und  Deistand  eines  von  8r.  Majestät  zu  erliit- 
tenden  Beirates  zu  thun.  Uel)er  dl^^^c  Punkte  hatte  der  Herausgeher 
der  M.  G.  P.  mehrfach  Gelegenheit,  mit  Sr.  Excelleuz  dem  Herrn 


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402     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgescii.  VII. 


Kultusminister  Dr.  Bosse  mündlich  zu  veihandelu.  Einer  Aureguiig 
Sr.  Excellenz  folg^Mid,  hatte  unser  daiualiger  Vorsitzender,  der  fiirst- 
bischöfliche  Delegat  unil  ai)usioli.st'he  Protonotar  Propst  Dr.  Jahuei 
an  den  Herrn  Minister  am  19.  Oktober  1896  eine  Eingabe  gerichtet, 
in  -weither  Se.  ExceLlenz  gebeten  wurde,  die  Allerhöchste  Erlaultnis 
zur  Herausgabe  des  Werkes  hochgeneijjtest  zu  vennitteln  und  die 
Frage  über  die  Notwendigkeit  eines  Beiiates  in  Erwägung  ziehen 
zu  wollen. 

Am  25,  Jan.  1897  gelangte  der  Bescheid  des  Herrn  Ministers 
an  den  Vonitzenden,  in  veldiem  der  Vorstand  der  Gtosellschaft 
ersoelit  ▼urde, 

„behufs  etwaigt  1  Einreichung  au  AllerhrK-hster  Stelle  den 
Plan  des  Unternehmens  in  übersichtlicher  Zusanmien- 
stellung  vorzulegen.  Neben  eingehender  Darlegung  Uber 
Zweck,  Inhalt  und  Ausfahrung  des  Werkes  werden  die  za 
beracksichtigenden  Personen  und  wissenschaftlidieii  Quellen, 
sowie  auch  die  zeitliche  Grenze,  bis  tn  weicher  die  Fort- 
fOhrung  beabsichtigt  ist,  genauer  zu  bezeichnen  sein." 

Dem  Wunsche   des  Herrn  Ministers   wurde  durch  Ueber- 
reichung  einer  eingeiienderen  Darstellung  entsprochen.    Im  weiteren 
Verfolg  der  Angelegenheit  unterbreitete  der  Chef  des  Civilkabinets,  , 
Se.  Excellenz  der  Wirkliche  Geheime  Rat  Dr.  von  Lucanus.  Sr.  Majestät 

dem  Kaiser  und  König  den  Plan  und  die  Bedenk*  ii  der  Gesellschult 
zui'  Ailergnädigsten  Keuutnisnahmo  und  Entscheidung. 

In  einem  Schreiben  xoni  8.  Oktober  1Ö97  teilte  darauf  Se. 
Excellenz  der  Herr  Minister        Hosse  dem  Vorstand  mit, 

„dass  Se.  Majestät  der  Kaiser  und  König  von  dem  vor- 
gelegten IMane  zur  Ileranngabo  eines  Werke?  über  die 
(Jeschii  lik-  der  Prinzen-  und  Prinzessinneu-Erzieliung  im 
Hause  llulienzoliern  Alierguüdigst  Kenntnis  genoimneü  und 
zu  genehmigen  geruht  haben,  dass  von  der  Ernennung 
eines  Beirates  zur  Prüfung  des  eitigeliefert^n  Manuskriptes 
und  zur  Beratung  über  die  äussere  Gestaltung  des  Werkes 
Abstand  genommen  werde.  Einer  Allerhöchsten  Erlaubnis 
zur  Herausgabe  de«?  Werkes  l>e(larf  es  nicht;  wegen  der  ^ 
Benutzung  des  K<>iiil;1:  lien  llausarcliivs  fiii-  die  Zwecke  des 
Werkes  hat  der  Herr  Minister  des  Königlichen  Hauses  das 
Geeignete  veranlasst." 

Da  der  Vorstand  glaubt,  dass  den  Mitglii  deru  nähere  Mit- 
teilungen Uber  das  Werk  erwünscht  sind,  so  giebt  er  aus  dem 


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80. 2.  Gesch.  d.  Prinzen-  u.  Priuze8suineo-£r«iehujig  d.  HohensoUeni.  403 


Sr.  Exfellenz  dem  Herrn  Kultusminister  lür  den  Vortrag'  l)ei 
Sr.  Majestät  bostimmten  Schriftstücke  die  folgenden  Mitteilungen. 

Zunächst  wird  einleitend  in  dem  Berichte  kurz  liervorgehoben. 
Avas  die  Gesellschaft  für  deutsche  Eraiehungs-  und  Schul ireschichte 
für  das  Kapitel  deutscher  Fürstenerziehung  bereits  ^el<  i>t»'t  habo 
und  darauf  hinirewieson  wie  re(;ht  Prof.  Dr.  K.  Kclirbach  liatte,  als 
er  in  seinem  iiurzgeiassteu  l*hine  der  Monum.  Germ.  Paedag. 
1883/04  Darstellungen  zur  Geschichte  der  l'nuzi  n-  und  Prinzessinnen- 
Erziehnng  in  den  deutschen  Fürstenhäusern,  das  Haus  Habsburg  ' 
eingeschlossen,  als  integrierende  Bestandteile  der  Mon.  Genn.  Paedag. 
aufnalim  und  mehrfach  seiner  Verwunderunj;  dariil)er  Ausdruck  gab, 
dass  diesem  Gebiete  historischer  Forschung  bis  dahin  uirgends  eine  • 
der  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  angemessene  Werischätzung  zu 
teil  geTV'orden  sei.  Denn  nicht  nur  für  die  Geschichte  des  Erziehungs- 
.und  Unterrichtsweseu  seien  diese  Arbeiten  Uber  Fttistendncielnuig 
wichtig,  sondern  auch  fttr  die  politische  Geschichte»  da  manche 
politische  Ereignisse  ihre  Begründung  und  Erklärung  zuweilen  nur 
finden  könnten  in  den  GrundsAtzen,  nach  denen  die  Erziehung  des 
Staatsoberhauptes  geleitel  worden  sei,  und  in  den  Stoffon,  die  der 
Unterrieht  dem  jungen  Forsten  dargeboten  habe.  Das  SchriftstUek 
führt  dann  weiter  aus,  dass  nach  den  bisher  gewonnenen  Resultaten 
die  Erziehungsgeschichte  des  erlauchten  Hauses  der  HohenzolXem 
nach  yersehiedenen  Bichtungen  hin  ganz  besonders  wichtig  sei  und 
vor  allem  geeignet  sein  werde,  im  Volke  VerstiUidnis,  Verehrung 
und  Treue  für  unser  Herrseherhaus  zu  erwecken  und  zu  mehren, 
indem  sie  einen  Einblick  gebe  in  dessen  gewissenhafte  und  hoch- 
herzige Erziehungsgrundsatze. 

Die  Eingabe  des  Vorstandes  fährt  nun  wörtlich  fort: 
«Auffallender  Weise  ist.  obwohl  die  Geschichte  unseres  hohen 
Herrscherhauses  seit  Jahrzehnten  auf  das  eifrigste  erforscht  und 
behandelt  worden  ist,  doch  die  Jugend-  und  Erziehungsgeschichte 
hierbei  bisher  nicht  genügend  berücksichtigt,  noch  weniger  im 
Zusammenhange  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  dargestellt 
worden. 

Weder  in  Rankes  zwölf  Büchern  Preussischer  Geschichte  noch 
in  Droysens  Geschiebte  der  Preussischen  Politik  linden  sich  irgend- 
wie befriedigende  Nachrichten  über  diese  Punkte.  Allerdings  ist 
die  Erziehung  des  Grossen  Kurfürsten.  so\^ie  die  seiner  Kinder, 
aueh  die  Jugendf'pscbielitr  des  l\.öiiii;s  l-'ri<'drif*h  IT,  so  gründlich 
ri-foisrhf  und  behandelt  wordeu,  dasH  für  die^»-  Fürsten  nur  eine 
Isachiese  möglich  sein  wii-d;  aber  sonst  widmen  selbst  Einzeln- 


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404    Mitteilungen  d.  üea.  t.  deutsche  Erziehungs*  u.  Schulg^ch.  VII. 


schrifteii  über  diosoii  und  jenen  ?f<MTscher  uewühnlifh  diesem 
Gegeustande  nm-  <:eriuge  Aufnicrk.samkeii.  Uüd  \\a6  sich  darliber 
iu  sukheu  Werkeu  lindei,  das  bind  uur  vereinzelte  Nachrichten 
über  die  regierenden  Fürsten;  von  deren  Gescliwistorn.  so  be- 
deutende und  eiiitliiäöieicho  Persönlichkeiten  sich  auch  d  f runter  be- 
finden, ist  wenig  die  Rede.  Hier  ist  eine  Lücke  in  Fui^chung  wie  ^ 
Darstellung  vorhanden,  die  ausgefüllt  zu  werden  verdient.  Es 
handelt  sich  alsu  darum, 

eine  Jugend-  und  Erziehungsgeschiuhte  sämtlicher  Fürsten 
und  Fürstinnen  aus  dem  Hause  Hohenzolleru  und  zwar 
zuniieliist  nur  der  kurbrandenburgischen  und  königlich 
preussischen  Linie  zu  bearbeiten. 

^Notwendig  ist  diese  Arbeit  schon  in  Ikzug  auf  die 

a)  regierenden  Fürsten.  -  Iis  ist  doch  in  hohem  Grade 
unbefriedigend  (z.  B.  in  Riedels  Gesch.  d.  Preuss.  Königshauses),*  f 
einige  unbestimmte  Angaben  über  die  Sprachkenntnisse  des  Kur- 
fürsten Friedricli  I.  zu  lesen  oder  von  Kurfürst  Friedrich  II.  nur 
zu  erfahren,  dass  er  in  seiner  Jugcn<l  einige  Jahre  am  polnischen 
Hfife  zugebracht  habe.  Auf  Avelclier  Grundlage  Kurfürst  Albi*echt 
(Achill)  seine  umfassende  Weit-  und  Mensehenkenntnis  sich  an- 
geeignet habe,  ist  bislier  zn  ermitteln  kaum  versucht  worden.  # 
Woher  bei  seiiieni  8ohne  Johann  drr  Beiname  Cicero  stammt,  mit 
welcher  Bererlitigimg  er  ihn  tiilirt.  i^^t  kriti.'^ch  noch  nicht  unter- 
sucht. Ueher  die  Ei-ziehmii:  .ln;icl)inis  I.  imd  II.  ist  I)i.-<lier  sn  gut 
wie  nichts  bekannt  gewesen;  nicht  einmal,  wo  Joacliim  L  seine 
Jugend  zugebracht  hat,  ist  iigendwo  erwähnt. 

Dass  bei  dem  Mangel  an  Akten,  natürlich  also  auch  an  Ev- 
ziehungsakten,  vor  150U  die  Telterlieferung  eine  späriielie.  niüh.sam 
zu  SHinnieliide  isi,  erscheint  .->ehr  frklärlicli :  aber  auch  vom  Kur- 
fürsten .lüliann  Georg  wu.sste  man  l>i.slier  kaum  mehr,  als  dass  er 
auf  der  L'uiveröilal  Fraukt'url  a  <).  studiert  habe.  Die  Jugend- 
geschichle  seines  Sohnes  Joacliim  l'riedrich,  seine  Teilnahme  am 
Türkenkriege  Kaiser  Maximilians  Ii.,  zu  dem  ihn  sein  Lehrer  Dr. 
Hübner  begleitete,  ist  noch  unertoischt.  Von  dieser  Zeit  an  be- 
ginnen erst  Instruktionen  für  Hnimeistor  und  Lehrer,  die  in  den  \ 
meisten  Fällen  bisiier  unliekaniit  geblieben  sind. 

Aber  sell).NL  in  der  neueren  Zeit  werden  noch  mancherlei 
Lücken  aiis/ufnllen  sein.  Das  Krzi'liunu>jnurnal  des  Grafen 
Schwerin.  .«)\vie  vor  allem  die  von  ihm  angelegte  Sammlung  der 
Jugend  briete  seiner  Zöglinge,  wird  noch  manche  Ausbeute  für  eine 


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80.  Z.  Gesch.  d.  Prinzen-  u.  Prinzessinnen-Erziehung  d.  Uohouzolieru.  405 


genauere  Forschuof;  darbieten.  Was  Fairster  in  seinem  Bin  he  üUer 
König  Friedrich  WiDieliii  I.  aus  der  Zeit  vor  deiu  Hegiei'iiu^ti- 
antritt,  giebt,  ist  niclit  uusreiclieiid  für  das  Verstanduis  der  eicren- 
«tiügeu  Entwicklung  dieseü  Füreten.  Während  der  Stotf  für  die 
Jugend  und  Erziehung  König  Friedri»:h  11.  (durch  Koser)  im  wesent- 
lichen erschöpft  sein  mag,  ist  für  die  Nachfolger  noch  so  weuig 
gethan.  das»  für  sie  erst  grundlegende  Arbeiten  vonunehmen  sein 
werden. 

b)  Weuu  nun  schon  Jugendzeit  und  Bildungsgang  der  regie- 
renden Herren  noch  wenig  erforscht  und  bekannt  ist,  so  darf  man 
sich  nicht  wundern,  wenn  dies  mit  der  Erziehuugsgeächicbte  der 
Geschwister  noch  weniger  der  Fall  ist.  Und  doch  giebt  es  auch 
unter  den  jüngeren  Brüdern  so  bedeutende  Hanner»  dass  die  Fi  age 
beantwortet  zu  werden  verdient»  wie  sie  das  geworden  sind»  als 
was  sie  im  späteren  Leben  auftreten.  Um  nur  einige  Beispiele 
aozufUhren:  Der  Kardinal  Albrecbt  von  Mainz,  der  Administrator 
Christian  Wilhelm  von  Magdeburg,  der  Generalfeldoberst*  Mark- 
graf Johann  Georg  von  Jügemdorf.  die  Markgrafen  Christian  von 
Bayreuth  und  Joachim  Emst  von  Ansbach,  der  jung  verotorbene 
Kurprinz  Karl  Emil,  der  Bruder  Friedrich  d.  Gr.  Prinz  Heinrich» 
Prinz  Louis  Ferdinand,  Prinz  Adalbert  dttifen  bei  einer  solchen 
Darstellung  nicht  unberficksichtigt  bleiben. 

Auch  unter  den  Prinzessinnen  finden  sich  so  bedeutsame  Per- 
sönlichkeiten, wie  die  Tochter  Johann  des  Alchimisten»  Barbara  von 
Montua.  welche,  ebenso  gelehrt  wie  kunstsinnig,  eine  Zierde  ihres 
Geschlechts  war:  die  Töchter  Albrecht  Achills,  von  denen  einige 
durch  ihr  tragisclies  Geschick  (Elisabcili  von  Württemberg.  Barbara 
von  Krosseii)  Tt  ilnaiime  erregen;  jene  Tochter  Joachim  I.,  Eli>;ib»'th, 
welche  nach  Braunschweig  vermÄhlt,  jung  verwitwet,  trefüidi  für 
ihren  unmündigen  Sohn  regiertr-  und  für  ihn  tiefUur«  hd:H  lit«-  liafc- 
ßchlnge  eigenhiindig  niederschrieb;  Maria  Eleonore,  die  (Miiialilin 
Gustav  Adolfs,  die  Markgräfin  Wilhelmine  von  Bayreuth,  die 
Schwester  Fn<Hlri<  h  d.  Gr.,  die  Kaiserin  Charlotte  von  Kussland. 

Abor  iiirht  nur  der  politische  und  biographische  r4o- 
sirlit^i.iiiikt  wird  bei  dieser  Arbeit  zu  berücksichtigen  öeiu,  Süüderu 
aucl»  der  kulturhistorische  und  L^one.i  loiri,«cbe. 

Es  ist  zwar  j^rliwt'i-  lir^it-itlirli,  nlicr  doch  rine  ThaLsachc.  dass 
in  der  Geschichte  der  II^^Immi/uIIci  ii  eint'  K'eihc  von  gt^'nealogisclien 
Fragen  noch  nicht  erii.s(  hifdcii  ist.  Dir  Siauiiutafel  von  Siillt'i  ied 
zeigt  sich  je  Innirer.  desto  uii/.iivfrlH.ssiger.  Fs  musstt-  auf  breiter 
Gi'uudlage  eine  durchaus  neue  Arbeit  geschaö'en  werden.    So  wai- 


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406     Mitteilungen  d.  Ges.  i.  deutache  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


es  doch  an  der  Zeit,  eine  «'nd<;iltige  Entscheidung  darüber  herbei- 
ziifübrcn,  ob  Kurilirst  Friedrich  II.  eineu  oder  zwei  Söhne  gehabt 
hat.  und  wann  derselbe  bezw.  dieselben  gestorben  sind.  Die  Ge- 
burtä-  und  Sterbetage  bedürfen  in  der  neueren  Zeil  durchgehend 
einer  Vei  ilizieruni!:,  da  Stilllried  den  Unterschied  zwischen  altem  und 
neuem  Kalender  nicht  berücksichtigt  hat.  Es  verdient  hervor- 
geli<'I>en  zu  werden,  dass  der  Regierungsau  tritt  Kurfürst  Georg 
Wilhelms  nicht  auf  das  Jahr  1619,  wie  bisher  stets  gelehrt  worden 
ist,  sondern  in  (ias  folgende  Jahr  1620  fällt. 

Wenn  die  Erziehung  der  Söhne  und  Töchter  diep^^s  Geschlech- 
tes im  Zusammenhange  erforscht  und  da^restellt  wird,  so  darf 
der  Zustand  der  allgemeinen  Bilduni:  und  d«T  Erziehungsgnmdsätze 
in  dein  betreffenden  Zeitabschnitt  nicht  unberückeiehtis^t  bleiben. 
Schon  jetzt,  bei  der  noch  nicht  al)geschlossenen  Sammlung  des 
Stoffes,  sprin^rt  in  die  Augen,  dass  bis  zu  den  Söhnen  Albre.  ht 
Achills  das  Vorbild  der  rittcrliciien  Eraiehung  im  Mittelalter  maass- 
gebend  war,  dass  bei  Joachim  I.  der  humanistische  Zug  der  Zeit 
Einflusfl  gewann,  dasb  im  16.  Jahrlimulert  unter  dem  Einlluss  der 
Reformation  das  religiöse  Moment  Itesonders  stark  betont  wurde, 
diiüs  von  den  Brüdern  und  Söhnea  Joachim  Friedrichs  an  —  sie 
wurden  inlolge  eigentümlicher  Altersverhältnisse  zusammen  erzogen 
—  zur  Ausbildung  die  ,.grosse  Tour"  durch  Europa  und  der  Be- 
such Iremder  Universitäten  als  notwendig  befunden  wurde,  und 
dass  nach  dem  jetzt  vurlicgendeu  3Iaterial  erst  recht  spät  die  (.so- 
zusagen) politische  Erziehung,  die  unmittelbare  Vorbildung 
zum  Begeoteoberufe,  zu  ihrem  Rechte  kam.  In  den  Rahmen 
jeder  Zei1|»eiiode  bineingestellt,  wird  die  Darstellung  dieser  Yer- 
hSltnisse  auch  fOr  die  allgemeine  Würdigung  der  Bildungs^  und 
Erziehungsfragen  nicht  ohne  Wichtigkeit  sein. 

Der  Begriff  « Jugendgeschic htc"  wird  dahin  verstanden,  dass 
die  Lebensgeschichte  der  einzelnen  Fürsten  in  der  Kegel  bis  zu 
ihrem  20.  Lclo  nsjahre,  die  der  Prinzessinnen  eveiit,  nur  bis  zu 
ihrer  Vermählung  geführt  werden  soll.  Kurze  Ausbiiekc  auf  die 
weiteren  Schicksale,  falls  sie  noch  ni<-ht  bekannt  sein  sollten,  sind 
nicht  ausgeschlossen,  besonders  soweit  sie  sich  als  unmitlelbai'e 
Ergebnisse  der  Erziehung  darstellen. 

Die  Ausführung  ist  in  der  Weise  gedacht,  dass  zunächst 
eine  lesbare  Darstellung  einzelner  Lebensbilder,  unterl)rochen 
von  eiiil«  1 1 «  M l'  H  und  zu.sammenfassenden  Ab.schnitten,  gegelien  wird. 
Der  wissenschalüicho  Apparat  (^Kritik  der  bisherigen  Leistungen, 


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dO.  Z.  Oeach.  d.  Prinzeu-  a.  Prinzessinaea-Erziehung  d.  HobenzoUern.  407 


Angabe  und  W'üidigUQg  neueu  Stoffes)  würde  anmerkuDgaweiae 

beigefügt  werden. 

Als  besonderer  Teil  wUrdo  dieser  Darstellung  ein  Urkunden- 
buch  beigegeben  werden,  welches  sowohl  das  gesamte  Urkunden- 
wie  AIvtenmaterial  zu  beiilcksichtigon  hätte.  Schon  «^cdnickte  Ur- 
kunden würden,  wonn  die  Edition  einwandsfroi  erfolgt  ist,  nur 
als  Regesten  einj^ctufit.  neues  Material,  wenn  os  von  erheblieher 
Wirhtip:ke!t  i^r  in  extenso  verött'entlicht  werden.  Hei  ei^'enhändigen 
Briefen  würde  drr  Abdruck  diplomatisch  j;etreu  erlulgeu,  wahrend 
bei  Instruktionen  u.  r.  w.  jede  erlaubte  Hilfe  aur  Förderuog  des 
VersUlndnisse.s  an/jiweiulen  wäre. 

Ueber  die  wissenschaftliche  Grundlage  des  Werkes  ni(pj;»'n 
noch  einig«'  Au.sfuhruugen  gestattet  sein.  Dass  die  gedruckten 
Werke  (Dai-ötellun^en  wie  UrkundenbUcher)  in  möj^lifhster  Voll- 
fctundiirkeit  herange/.ü^jen  weiflen,  bedarf  kaum  der  Erwähnung. 
Daneben  soll  aber  aucli  eine  uinfas.«?ende  Ausbeutung  archivalischen 
Stoffes  st^^ttfinden.  Eben  darin  wurde  der  Hauptwert  dieser  Arbeit 
zu  suchen  öein.  Denn  mit  Hilfe  des  bisher  liekannt  gewordenen 
^laterials  würde  besonders  in  der  älteren  Zeit  nicht  weit  zu  kommen 
sein.  Mau  wird  sich  aber  für  diesen  Abschnitt,  wo  in  den  Archiven 
zusammenhängende  Stücke  Uber  Jugend-  und  Kizieliungsgeschichte 
fehlen,  nicht  auf  Nächstliegendes  beschränken,  bondern  das  <j:anzo 
überhaupt  vorhandene  Material  durcharbeiten  müssen.  Wie  not- 
wendig das  ist,  mögen  eiiiijj:e  Beispiele  zeigen, 

Den  Tod  des  Sulmes  Kurfürst  Friedrichs  Tl.  genauer  zu  be- 
stimmen, war  nur  durch  eine  Durchsicht  des  Urkundenrepertoriums 
im  Geh.  Staatsarcliiv  niö";lich.  —  Ohne  Durchforst huag  der  gesamten 
Bestände  des  ehenialigeu  Plassenljurger  Archivs  wäre  es  schwerlich 
gelungen,  etwas  über  die  lazieiiuug  Joachims  1.  festzuslellen,  da 
sich  in  beiden  Berliner  Archiven  nicht.s  darüber  findet. 

Eben  daraus  ergiebt  sich  aber  auch  die  Notwendigkeit,  archi- 
valische  Reisen  für  unsere  Zwecke  zu  unternelnuen,  wie  eine  solche 
schon  nach  Dresden,  Bamberg.  Würzburg,  Neustadt  a.  d,  Aisch, 
Erlangen,  Nürnberg  und  München  gemacht  worden  ist.  Ks  liat 
sich  dabei  herausgestellt,  dass  ausser  den  Archiven  auch  die  lUidio- 
theken   auf  Codices  und  Leliri)üclier  zu  untersuchen  sein  werden. 

So  fand  sich  sowohl  in  der  P)ildiothek  des  Germanischen 
Museums  in  Nürnberg  wie  in  der  Hof  und  Staatshildiothek  in 
München  je  pin  alehiinistiscliei-  ( '»idex  dei-  dein  Ivtjrfürslen  Friedrich  1. 
gewidmet  ist;  das  Verhältnis  der  beiden  Handsdiriftcn  zu  einander 


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400     Mitteilimgeu  U.  Ges.  t  Ueutache  Erziehunga-  u.  Schulge«ch.  VIL 


sowie  ihre  n^ziehtintr  zw  dem  Kiiifiirsteii  nn<l  soinoni  ältesten  Sohne 
Johann,  der  von  seinen  alrhiiiiisiiseheii  Bestrebuugcu  seinen  Bei- 
namen erhalten  liiit.  bleibt  uocli  zu  iinU^röucijen. 

Eine  Handschrift  der  Wiener  Bibliothek  l^eweist,  dnss  nnter 
dem  genannten  Marki^ralen  .bjhMiin  die  riasseiiburg  Sitz  »gelehrter 
Studien  gewesen  ist,  wäiirend  eine  Ihindsehrift  der  Göttinger 
Bibliothek  darauf  hinweist,  dass  auf  der  Kadolzluirg  von  147r>  —1499 
Terenz,  Sallust  u.  a  in  usum  Delphini  abge.schriebcn  worden  sind. 

In  Erlangen  befinden  sich  die  litterarischen  Schätze  des  Klosters 
Heilsbronn.  Wenn  irgendwo,  so  werden  dort  die  herüliinten  „teutscheu 
les|mecher",  weUlie  Kurfürst  Friedrich  i.  im  Kadoizbui-ger  üaus- 
vertrage  seinen  Ööbnen  ans  Herz  legte,  zu  suchen  sein 

Eine  lateinische  Grammatik  von  1402  (eine  der  üitesten. 
die  im  Druck  vorliegen)  ist  dem  Markgrafen  Friedrich  von  Ansiweh 
und  seinen  Söhnen  gewidmet;  unzweifelhaft  ist  sie  auch  für  den 
rnteirieht  Joachims  1.  benutzt  worden;  es  finden  sich  Exeni|tlare 
im  Berliner  Ilausarchiv  wie  in  der  Bibliothek  in  Münciien  mit 
hnndschriftlichen  Bemerkungen;  vielleicht  gäbe  ein  sonst  auf- 
bewahrtes Exemplar  Aufscblusä  Uber  die  Beziehung  des  Veifaäsers 
zur  Prinzenerziehung. 

Wir  wissen  genau,*)  duss  Joarhim  1.  für  seinen  alte^^teu  Solin  die 
l>raecei>la  aslrologica  eines  gewissen  Nanno  aiKs  denj  Lateinischen 
ins  Deutsche  übersetzt  und  in  der  Vorrede  das  Wort  angeführt 
hat:  illileratum  Principem  simileni  e.sse  asinu  coronato.  Es  wird 
nach  diesem  wichtigen  ^fannskript  in  Archiven  wie  Bibliotheken 
gesucht  werden  nnissen.  W  ahrscheinlich  wird  dadurch  das  über- 
ans  dürftige  Material  für  die  Jugendgeschichte  Joachims  II.  wesent- 
lich ergänzt  wer<len.  Möglicherweise  bieten  auch  die  in  Breslau 
beruhenden  Bestände  der  Bibliothek  der  ftüheren  Universität  Frank- 
furt H.  0.  noch  mancherlei  Stolf  für  die  Darstellung  der  wieseo* 
schaftliehen  Ausbildung  der  KurfQisten  Joachim  II.  und  seines 
Sohnes  Johann  Qeoig  dar. 

Aus  dieser  kurzen  Uehersicht  ergiebt  sich  schon,  dass  so  um> 
fassende  Untersuchungen  nicht  gelegentlich  werden  gemacht  werden 
können,  sondern  dass  es  notwendig  sein  wird,  einen  oder  mehrere 
Gelehrte  fllr  einige  Zeit  ausschliesslich  damit  zu  beschäftigen. 

£s  kommt  dazu,  dass  es  wünschenswert  wSre,  dem  Werke 
eine  Reihe  von  bildlichen  Darstellungen  beizugeben.  Authen- 
tische Proben  forstlicher  Handschrift  in  eigenhändig  geschriebenen 

F.  Uildcalieizi),  Dr.  med.  Yitae  Joachim!  11.  et  Joujiuis  etc.  1592. 


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30.  Z.  Gesch.  it.  Pnnzen-  u.  Prinzessinnen-Brziehung  d.  HohenzoUern.  409 


liriefeü  sUid  ein  nicht  mi\vi(  hliges  Alaterial  für  die  Charakteristik 
wie  für  die  Kultur<;eschi(  hte.  Auch  auf  diesem  Gebiete  ist  noch 
manches  zu  thuu.  So  sind  die  bisher  veröffentlichten  Autograjiha 
Albiecht  Achills  (bei  Mimitoli.  liei  Bcrnei  j  als  falsch  zu  bezeichnen. 
Auch  die  bisher  gegebenen  Porträts  müssen  einer  kritischen 
Sichtung  unterzogen  werden  und  bedürfen  einer  vollständigen 
Sammlung.  Verhandlungen,  welche  mit  der  DkektioQ  des  Hohen- 
zollemmuseums  angeknüpft  worden  sind,  lassen  mancherlei  Be- 
reichern ng  auf  dleeem  Gebiete  erhoffen;  ebenso  hat  sich  gezeigt, 
dass  trote  Stillfrieds  fruchtbringender  Tbatigkeit  in  den  firAnJcischen 
Ländern,  besonders  in  Ansbadi,  noch  manches  Unbekannte  vor- 
handen ist.  Es  befindet  sich  dort  in  den  Sammlungen  des  historischen 
Vereins  fUr  Mittelf^anlcen  ein  noch  Überhaupt  nicht  bestimmtes  Bild 
eines  brandenbuigischen  Kurflirsten  —  die  Embleme  liennzeichnen 
ihn  als  solchen  —  sowie  eine  hOchst  merkwürdige  malerische  Dar- 
stellung des  Kurfürsten  Joachim  II.  in  polnischer  oder  ungarischer 
Tracht,  vielleicht  aus  den  Zeiten  seines  THrkenzuges  herstammend. 

Endlich  käme  in  Frage,  ob  die  Darstellung  durch  Ab- 
bildung der  Schlosser,  wo  die  jungen  Farsten  ihre  Ausbildung 
erhalten  haben,  zu  illustrieren  wäre.  Es  ist  dafttr  in  yeischiedenen 
Werken  Stillfrieds  reichhaltiger  Stoff  zusammengetragen;  doch  sind 
diese  Quellen  der  Belehrung  durch  Format  und  Preis  weiteren 
Kreisen  schwer  zugänglich.  — 

Nach  den  bis  jetzt  vorhandenen  Materialion  liesse  sich  die 
Zeit  bis  zum  Grossen  Kurfürsten  ausschliesslich  in  einem  mSssig 
starken  Baude  von  ca.  320  Seiten  Text  und  ca.  480  S.  Urlninden* 
buch  zusammenfassen. 

In  weiteren  zwei  Bänden  von  annähernd  demselben  Umfaü{;e 
würden  die  späteren  Geschlechtsreihen  l)is  zu  Kaiser  Wilhelm  dem 
Grossen  und  seinen  Geschwistern  zu  behandeio  sein.*' 


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410    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Ersiebungs-  u.  Schulgescb.  YU. 


81. 

Texte  und  Forscliunq:en  zur  Geschichte  des 
Unterriclits  und  der  Erziehung  in  den  Ländern 

deuteeher  Zunge* 

Band  L 

L  Mh,  Mi  Utiliiluln  Sclller^esprlcli  to  Houilte 

AiusOge  mit  Blnleltungen,  Anmerkungen  und  KameH'  und  SftchregUter. 

Erster  TeU: 

Tom  Manuale  seholarinni  Iiis  HegtndorfÜnns  c.  1480- 1580. 

Berlin,  J.H«mr!tes  Nachfolger  18»7.  Gr.««.  (IV),  112  8.  2,00  M. 

Schon  seit  geraumer  Zeit  hatte  sich  die  Notweiuü'jk'Mt  herausgestellt, 
zwischen  die  bisherigen  Voriiffentüclmngen  der  Oos'  II  1  ift  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgest  liicLte,  die  ^Monumenta  Germaniao  raedagogica** 
nud  die  „Mitteilungen  der  GeseUdchaft**  ein  weiteres  Glied  einzufügen»  da 
unter  den  der  Qesdlsehaft  xam  Abdruck  eingesandten  Manuskripten  sich 
nur  zu  häufig  solclw  befanden,  die  besonders  wegen  ihres  ümfanges  fltr 
keine  der  bestehenden  Veröffentlichungen  sich  eigneten,  deren  wertvoller, 
gaos  im  Sinne  der  Bestrebungen  der  Gesellschaft  gehaltener  Inhalt  indes 
ihre  Veröffentlichung  wünschpn<?wprt  erscheinen  Hess.  Das  gab  Veran- 
lassung dazu,  dass  der  nns  leidtr  in  diesem  Jahr?*  entrissene  Herr  Professor 
Dr.  Lommatzsch,  damals  Mitglied  drs  RtHlaktioiis-Ansschusses,  einer  An- 
regung des  Herrn  Proftäsor  Dr.  Kehrbai  h  folge nd,  auf  der  dritten  Gene- 
ralversammlung der  Gcsellscbait  am  3.  April  1395  den  Antrag  zu  „einer 
£rgftuang  der  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen*^  der  Gesellschaft 
stellte.  (Vergl.  MiU.  Jahrg.  DI.  1893.  Geschllftl.  Teil  S.  XVU  ff.)  Aeussere 
Gründe  verzOgerlen  bislang  die  AusftUimng  des  von  der  Generalversamm* 
lung  angenommenen  Beschlusses,  und  erst  Jetzt  erschehit  das  erste  Heft 
der  „Texte  und  Forschungen." 

Wie  der  Verfasserin  der  „Einführung'*  mitteilt,  verdankt  seine  Arbeit 
ihre  Kutst<'hnn?T  dem  Prof.  Dr.  Karl  Kehrbach,  der  die  BeliandliniLr  der 
Collo(iuien  in  einem  besonderen  Bande  schon  in  seinem  „Kurzgetassteu 


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ni.  Texte  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  Unterrichta  etc.  411 


Plan  der  Monumcnta  G<'rmaniae  Paedagogica"  (Borlin  1883/^1,  A.  Hofmann 
it  Co.,  S.  ?'2.)  cmpfohlini  hatte.  Der  vorliegende  erste  Teil  umfasst  einen 
Zeitraum  von  10  Jahren  und  behandelt  das  Manuale  scholarium,  Niavis, 
Huendeni  und  Corvinus,  Erasmus,  Moäellauuä  und  Hegendorffinus.  Der 
Verfasser  erwähnt  die  „Vulgaria  Terentii^  die  in  den  80  er  Jahren  des 
XV.  Jahrhonderts  encMen,  wegen  ihrer  sacUidien  Anordnung  als  einer 
ttberans  ntttdiehen  Vorarbeit  für  die  Abfossnng  Ton  Gesprächen  und  weist 
nadi,  dass  auch  dem  Mittelalter,  ja  selbst  dem  Altertum  solche  Schaler- 
gesprdche  nicht  fremd  waren.  Er  kommt  weiter  auf  das  1878  erschienene 
Werk  von  L.  Massebicau:  „Les  colloqnes  scolaires  du  seizieme  sierle  et 
leurs  autcurs",  das  er  als  ein/ige  grössere  Vorarbeit  kennt,  die  er  abt^r 
als  äusserst  unvollständig  bezeichnet,  da  Niavis,  Huendem.  Corvinus, 
Wininaiinus,  Duncanus  und  Zovitius  gar  nicht  darin  erwähnt  werden,  und 
deren  bibliographische  Angaben  durch  ihn  ganz  wesentlich  ergänzt  und 
beriehtigt  werden  konnten.  Bei  dieser  Gelegaihdt  gedenkt  er  dankbar 
einer  Anregui^  der  Geaellscbaft  für  dentscbe  Eraehnngs*  nnd  Schul- 
gescluchte,  die  „eine  exakte  Pflege  der  Bibliographie'*  au  einem 
ihrer  obersten  Grundsfttse  gemacht  habe. 

Die  lateinischen  SchQlergesprftche  sind  ans  der  „ebenso  wohlgemeinten, 

wie  unglOcklirh  ausgelaufenen"  Absicht  der  Bnmanisten  hervorgegangen 
der  reinen  lateinischen  Sprache  für  alle  Unterhaltungen,  nicht  nur  wissen- 
schaftlirlier,  sondern  auch  vertraulicher  Natur,  Ein'jang  zu  verschaffen. 
Da  der  Begriff  Schillrr  sicli  nicht  auf  die  'rrivialsrhüler  besrhriVnkt,  sondern 
sich  aneli  auf  die  studierende  Juuend  rrstreckt,  und  da  inl'ulgedessen  die 
Gespräche  neben  Vorkommnissen  aus  dem  Bereiche  des  Schul-  und  üni- 
versitAtslebens  auch  solche  des  täglichen  Verkehrs  Uberhaupt  enthalt«!,  so 
ist  es  klar,  dass  dieselben  in  ihnr  Mannigffiltigkeit  nicht  allein  wertvoll 
sind  ftr  die  Gesciüchte  des  Unterrichts  nnd  der  Erziehung,  sondern  auch 
als  eine  kostbare  Quelle  angesehen  werden  mQssen  für  die  Kulturgeschichte 
ihrer  Zeit. 

Drr  Verfasser  des  Manuale  scholarium  ist  unbekannt,  wie  auch  Ort 
und  Zeit  seines  Entsteliens  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen  sind,  Ea 
enthält  in  seinen  Gesprächen  Nachriehten  Über  dif  Universität  Heidelberg 
um  1480  und  wirtt  intereRsante  Streitiirhter  auf  das  damalige  Lebt  n  und 
Treiben  der  akademischen  Hörer  und  Lehrer.  So  werden  z.  B.  die 
„hustiludia'^  erwähnt,  kleine  ritterliche  Uebungcn,  die  von  deu  Studenten, 
allerdings  gegen  den  WÜlen  der  Universität,  besonders  um  Fastnacht  ver- 
anstaltet wurden. 

Eine  kOetliche  Frohe  des  Kauderwalscbes,  welches  die  Beane 
sprachen,  giebt  des  Niavis  nur  wenig  umfangreicher,  aber  höchst  inter- 
essanter „Dialogus  in  quo  literamm  Studiosus  cum  beano  quammvia 

praeceptionum  imperito  loquitur".  Der  V<>rfassör  giebt  das  erste  Gesprftdi 
vtdlständig  im  "Wortlaut  wied<  r.  und  wir  können  es  uns  nicht  versagen, 
wenigstens  den  Anfang  desselben  an  dieser  Stelle  aozof Ohren: 


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412    MiUeiliujgeu  d.  Ges.  f.  deutache  Eraiehungs-  u.  Schulgesch.  VII. 


Scoribal:  Benevenis,  Florine!  Ille  filiuü  pistoris  dixit  mihi,  quod 
tu  vcnisti,  et  ego  ita  cum  de  foro.  ut  pes  faciunt  mihi  awe.  Florinus: 
Gratia  tibi  pro  hac  tua  in  me  benevolentia  sit  atque  adeo  maxima!  Scor.: 
Pf 6  Florine,  venisti  iam  de  alta  schola?  Flor.:  Probe  narras,  quia  disei- 
plinamm  nemo  virtottimqae  metilnr  futigiom.  Nee  Socrates  potdt  nec 
Plate  apprehendere  scientiamra  extremnm  qaidran  altttudinis  teraiinnm. 
Soor.:  Ei,  per  deum  sanctura,  tu  bene  stodiüsti!  Seit  nniis  ita  bene  in 
lila  alta  schola  sttulere?  etc. 

Wenn  auch  das  Manuale  noch  viele  jjrammatischf  Schnitzer  und 
Gt'rmanismen  aufweist,  so  hat  der  Verfasser  doch  zweifellos  humanistischo 
Bildung  genossen,  wie  u.  A.  seine  Verteidigung  der  Dichter  im  5.  Kapitel 
erkennen  lässt. 

Neu  herausgegeben  warde  das  Manuale  von  Pauli»  Niavis,  der  als 
der  eigenUicbe  Yater  der  SehQleiieqiriclie  m  beseiclmen  ist  Das  Leben 
der  Trivialschfller  schildein  die  Oeaprttehe  des  Andreas  Hnendem,  der 
heute  so  gut  wie  vergessen  ist,  trotzdem  er  der  erste  Deutsche  war,  der 
„gegen  die  weitschweifigen  und  dunklen  mittelalterlichen  Lehrbücher  für 
c'\no}\  einfachen  und  praktischen  Betrieb  des  lateinisrhcn  T'nterriclits  ein- 
trat", und  des  Laurentius  Corvinus,  der  als  einfr  der  erlolgreichäteu  Bahn- 
brecher des  Humanismus  in  Schlesien  besondere  Beachtung;  verdient.  Bevor 
sich  der  Verfasser  nun  zu  Desiderius  Erasmus  wendet,  erwähnt  er  eines 
kurzen  drastischen  Dialogs,  der  den  Anhang  »i  einer  von  dem  ZwoUer 
Rektor  Hermann  Tonrenttans  besorKten  erklftrenden  Ansgabe  von  Hymnen 
nnd  Sequenzen  bildet  und  besonders  deshalb  merkwardig  ist,  weil  er  neben 
dem  lateiiüscben  Texte  eine  niederdeatsche  Uebersetzang  aufweist.  In 
ausführlicher  Weise  sind  die  Familiarium  colloquiorum  forroolae  bez. 
CoUoquia  familiaria  des  Erasmus  behandelt.  Der  Verfasser  dfbt  an  der 
Hand  der  Drucke  ans  Frobens  Oftixin  in  P>a?el,  die  die  neuen  Iledaktiom  ii 
des  Werkes  ininu  r  zuerst  gebracht,  eine  eiugeiiende  Untersuchung  über 
die  Formen  der  CuIlo'iuiÄ  gerade  in  ihren  Anfangsstadien  und  über  die 
Erweiterung  der  Sammlung  bis  zu  ihrer  vollendeten  Gestalt.  Petrus 
Mosellanas,  dessen  Pidalogia  folgt,  schildert  die  Zustande  an  den  Trivial- 
schulen  nnd  an  der  trniveisttftt  zu  Leipzig  zu  Begum  des  16.  Jahrimnderts. 
Den  Beschlnss  des  Heftes  machen  Chrirtopborus  Hegendoifißnos  und  seine 
Dialogi  pueriles,  die  zweifellos  durch  Mosellanus  veranlasst  and  beeinflnsst, 
aber  allerdings  in  der  Korrektheit  des  lateinischen  Stils  nicht  an  ihn 
heranreichen. 

Der  2.  Teil  soll  von  Rarlandns  l)is  Corderius(1520  15G1)  reichen, 
also  wiederum  einen  Zeitraum  von  4u  Jahren  umfassen,  und  ein  aus- 
führliches Namen-  und  Sachregister  zu  dem  ganzen  Werke  bringen. 

Paul  Berger. 


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Mittellungen  ober  die  Gruppen  der  GeeoUachaft. 


418 


Geschäftlicher  TeU. 

Mitteiiangen  über  die  Qrappen  der  Geseilscliaft. 

1.  Gntpiie  Oeiterreleh. 

In  Heft  n  der  Mitteiiangen  dieses  Jahrgangs  warde  in  dem  fiericht 
über  die  gedeihliehe  Entwiclclung  der  Gruppe  Oesterreich  darauf  hingewiesen» 
dass  die  Gruppe  demnächst  beginnen  warde,  unter  dem  Titel 

„Bsitrige  xur  Marrehihliehen  Erzieliungf  wid  SolnilgWGliidrte*' 

zwanglose  Hefte  hemuszugeben.   Das  erste  Heft,  dessen  baldiges  Er- 

sclK'iuen  bereits  aiigekündipt  war,  ist  inzwisclioii  orsrhienen.  E's  holiandelt 
die  Gesrhiclitc  dor  Siivoyischoii  Rittor  Ikademie  in  Wien  vom 
laliro  ITtt» — 177"^.  ilürni  Vi  i-fasscr,  Prof.  Dr.  Johann  Schwar^r.  mit  nn- 
freiiieincni  FItisvc  di,-  iiiniaiiLM (^iffjon  Materiali«n  in  voller  Beiierrsclmntr 
des  StolVt-s  vt  rurbciiet  lial,  luid  zwar  unter  dem  Gesiohtsptinkt.  d;uss  „die 
Geschichte  einer  grossen  Erziehun^sanotait  ein  Spiegt  lbild  ihrer  Zeit"  sei. 

Das  Heft,  oder  vielmehr  Bncli,  iftt,  Tontlglich  ausgestattet,  bei  Wilhelm 
BraumttUer  in  Wien  erschienen,  umfasst  166  Seiten  Text,  sodann  ein  Vorwort 
und,  was  besonders  dankbar  zu  bcgrflssen  ist,  ein  Namen-  und  Sochrogister 

Die  österreichische  Gruppe  der  Gest^llschaft  hat  ihr  We  1  '  in  «  in 
Torzftgliches  Bildnis  der  Stiftcrin  der  Sav«)\  ischcn  Ritter- AkadLinic.  der 
Herzogin  Marie  Theresia  Felicitas  von  Savoyen  bt'i'j-i-^pbr'ti  i^t.  liim 
östcrrf^ichi-rhi'u  Minister  tür  Kultus  und  TFnfprrirht.  dem  l  r<  ihi-jTn  Gaiirsfii 
V.  Friinkt  iUhurn,  als  .,dem  milchtigen  FurUerer  ihrer  Bestrebungen  in  daiili- 
barer  Verehrung"  gewidmet.  In  einem  der  nächsten  Hefte  soll  eingehender 
über  den  Inhalt  des  Werkes  berichtet  werden. 

2.  (iruitpe  Hessen- Nassau 'Wuldtrk. 
D(;r  Vorstand  der  (  fruppr  Hessen-Nassau- Waldeck  ha»  seinen  Plan,  mit 
der  diesjährigen  ■_*2.  Versammlung  des  Vi  ii  ins  von  i>elirern  iiohercr  Unler- 
richts-Anstalteu  der  Provinz.  licssen-Nassiiu  und  des  Fürstentums  Waldeck  in 
Marburg  eine  Versammlung  der  Mitglieder  seiner  Gmppo  zu  verbinden, 
leider  nicht  ausfuhren  können,  da  der  Vorsitzende,  Herr  Geheiraerat 
Kannegieseer  in  Kassel,  durch  Krankheit  verhindert  war,  die  nötigen 
Vorbercitnngen  treffen  und  an  der  Versammlung  teilnehmen  zu  können. 


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414  MitteiL  d.  Gea.  C  deutsche  Ersieh.- 11.  Schulgeech.  VII.  (SeaehftfU.  Teil. 


Einen  t^r!»atz  hat  aber  Herr  Oberh'lirer  Dr  Knabe,  Her,  wie  unseren  Mit- 
glicfJprn  bfk^nnt  ir-t.  nntcr  der  Aegide  Kannegips«pr<5  mit  hitippboiidoni 
Eifer  di»*  Uildiiii::  der  (huppe  bewirkt  ImUe,  durch  einen  auf  der  Ver- 
sammlung gehaltenen  Vortrag  geboten. 

Dieser  Vortrag  „über  die  Gesellschaft  fUr  deutsche  Erziehung^-  und 
Sehulgeschicbtc**  ist  abgedruckt  in  den  Verhandlungen  Aber  die  erwähnte 
Versammlung  (Marburg,  Drucli  von  Fr.  SDmmering.  1897.  8^  68  S.)»  die 
soeben  dem  Hanptvorstand  unserer  Gesellschaft  angegangen  sind.  In  kuraen 
Zttgen  schildert  er  di*  Gründung  der  Gesellschaft,  ihre  bisher  entfaltete 
wissenschaftliche  Bethätigung,  die  für  die  nächste  Zeit  geplanten  Veröffent- 
lichungen, die  Bildunp  und  Thätigkeit  der  Gruppen  und  kommt  dann  auf 
die  von  der  Gnipj)i'  Hessen- Nassau -Walderk  7:uiiiirhst  zu  unternehmonden 
Arbeiten  zu  spreciieu,  indem  er  dabei  um  die  Mitarbeit  der  Teilnehmer 
der  Versammlung  bitt<;t. 

Als  erste  grundlegende  Arbeit  wurde  aufgestellt  die  Herstellung  eines 
„Yerzelcbnisses  aller  bisher  gedruckten  Werke  und  Aufs&tse  zur  Erziehungs- 
und Schnlgeschiehte  unserer  ProTinz»  wie  dasselbe  far  den  Begierungs- 
besirk  Cassel  vorliegt  in  I>r.  Ackermann:  Bibliotheca  Hassiaca.  B.  Kb. 
1884  nebst  ö  Nachträgen". 

Xarh  Analogie  des  im  Auftrat'»  der  Gruppe  Rheinprovinz  von  den 
Gf'lioiinrat(Mi  Dr.  Deiters  in  Koblenz  und  .lüreen  Dona  'Meyor  in  Honn  ver- 
i'a>sten  Verzeielinis^es  der  in  den  Schulprograiniiieu  der  höheren  Li  lnauRtalten 
<ler  Kheiuprovinz  niedergelegten  Abhandlungen  zur  Schulgeschiclite  soll 
auch  ein  Verzeicbuis  für  die  Hessengruppe  hergestellt  werden.  Ebenso 
schlägt  Knabe  vor,  gleich  den  Gruppen  ßa^em  und  Oesterreich  innerhalb 
der  Ifitteilungen  ein  Heft,  dessen  Inhalt  sich  ausschliesslich  auf  die  Gruppe 
Hessen- Nassau -WaUedc  bezieht«  herausmgeben. 

Als  Notwendigkeit  fordert  er  ferner  die  planniässige  Durchforschung 
der  einzelnen  Archive  der  l'rovinz  nach  schulgeschichtlichem  Material  und 
wünscht  ausser  l'^rn  die  Herstellung  rincs  Verzeichnisses  „der  in  unserem 
Gebiete  in  frnliercn  Zeiten  L'ehraneliten  S(  hulbüeher**.  Um  die  Ziele  zu 
erreichen,  sei  übrigens  der  V(  rsammlungsurt  Marburg  die  beste  Ceutralstelle. 
da  er  durch  seine  Universität  und  sein  bedeutendes  Archiv  sowohl  die  geeig- 
neten Männer  für  die  Arbeit  als  auch  umfangreiche  areliivalische  Schätse  snr 
Durchforschung  darbftte.  —  Da  Herr  Oberlehrer  Dr.  Knabe  inawischen 
«ine  Berufung  zum  Direktor  der  Marbnrger  Realschule  erhalten  hat,  dürfen 
wir  bald  die  ersten  sichtbaren  I^^lege  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit 
der  Gruppe  Hessen -Kassau -Wolderk  erwarten. 


Weitere  Hf  rit  lite  über  die  Thätigkeit  anderer  tinippeii  werden 
im  nächsten  Helte  folgen. 


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üeschüftl.  Teil.  D.is  gcsuiuio  Erziehimg»-  ci.  ünterrichtswesen  ete.  415 


Das  gesamte  Erziehuiigs-  und  Uiiterrichtswesen 

in  den  Landern  deutscher  Zunge. 

lUbliogruplüschcH  Ver^i^cti  hiiiä  und  Inhalltiuiigube  der  Bücher,  Aufailtzo  und 
behördlichen  Verordnungen  sur  deut«ehen  Kraiehungs-  und  Unterrichta- 
wi»seD8cbalt  nebst  MUteilongen  Ober  LehrmiiCeL 

Von  nnserem  grossen  bibliographischen  Unternehmen  sind  bis  jetzt 
13  Hefte  fertiggestellt.  Das  letzte  Doppelheft  14 — 15  des  ersten  Jahr- 
ganges befindet  sich  in  Vorbereitung  und  wird  Ende  des  Monats  auS' 
fredruckt  sein. 

Es  pcht  aus  di^'scr  Mitteilung  horvor,  dass  die  ursprünirlii  ]i  ■  Absicht, 
das  ^anzc  litterarische  Material  eines  Jahres  in  \'J  Hcfleu  lUir/aiiiptcn. 
sich  nicht  ausführen  Hess,  trotzdem  wir  das  Mann^kiiiit  tfu  liii'  1«  t/tun 
Hefte,  soweit  es  sich  um  die  Inhaltsangabe  von  liürhern,  Zeitscliritteu 
u.  s.  w.  handelt,  ungemein  gekürzt  hatten. 

Wenn  nnn  zwischen  dem  Erscheinen  des  Doppelheftes  10—11  und 
dem  des  folgenden  als  Scldassheft  gedachten  Heftes  ein  nngewOtinticb 
Innger  Zeitraum  verstrichen  ist,  so  findet  dies  seine  Erldftmng  in  dem 
l'mstandi .  (hisä  bei  dem  Sammeln  notwendig  gewordener  Nachtrftge  und 
«ler  Durchforsrhung  neuer,  uns  zugänglich  gewordener  Zeitschriften  u.  s.  w. 
Spuren  uns  bisher  nicht  /nr  Vrrfflpin?  gewesener,  auf  Erziehung  und  l'nter- 
richt  bezüglicher  Materialien  uufL'-di  rkt  wurden,  denen  nachzugehen  wir 
uns  im  Interesse  einer  noch  grösseren  Vollstündigkeit  unseres  Werkes, 
verptiichtet  fühlten. 

Die  Schwierigkeiten,  die  sich  unseren  Bemühungen  entgegenstellten, 
konnten  aber  trotz  der  VeriAngerang  der  Arbeitszeit  und  der  Vermcbrnng 
der  Hilfskräfte  nicht  eher  bewältigt  werden,  als  es  geschehen  ist  Das 
Resultat  unserer  erneuten  Kachforschungen  aber  hat  uns,  wie  oben  bereits 
gesagt,  gezwungen,  ftir  den  ersten  Jahrgang  noch  3  Hefte  zuzugeben. 

Die  Arbeitsleistung,  wie  sie  in  den  erschienenen  \'.\  Heften  sich 
»ihtrhlir-ken  l;i'-«t,  wird  wohl  am  deutlirli«;teTi  dnrrl!  fulLMinl.  /üTcni 
gekciinzcii  liiK  t.  Es  sind  in  Heft  1  l.'.  l.'iM»  selbständige  Werke  mr 
deutschen  Kr/iehungs-  und  l'ntcrrirliiswissenschaft  vorgeführt  und  4359 
Aufiifitae,  Verordnungen,  lte.sehreibungeu  von  Lehrmitteln,  die  im 
Jahre  1896  erschienen  sind,  verzeichnet  worden.  Zur  Herstellung  des 
Verzeichnisses  der  Aufsatze  wurden  1320  Zeitschriften  durchforscht,  von 
denen  020  uns  Beiträge  geliefert  haben. 

Da,  um  eine  möglichst  grosse  Genauigkeit  zu  erreichen,  die  Schrift- 
leitung mit  fast  sünitlicheii  Verfassern  von  Büchern  und  Aufsätzen  wegen 
der  Abfassting  der  Inhaltsangaben  ihrer  .\rheiten  sich  fre\v5linlirh  erst  in 
Verbindung  setzte,  so  wird  auch  durch  diesi  u  l  instand  eine  Verzögerung 
im  Erscheineu  der  Helte  erkUirlicU  werden. 

Den  vollstiindigen  Abschluss  wird  aber  der  1.  Jahrgang  nicht  mit 
seinem  letzten  (15.)  Hefte  erbalteOt  sondern  erst  dann,  wenn  das  ungemein 
schwierige  Namen-  und  Sachregister,  an  dessen  Herstellung  seit  dem 
Juli  d.  J.  unansgesetzt  von  dem  Herausgeber  und  seinen  Hilfekräften  gear- 
beitet wird,  abgeschlossen  ist. 

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Mitteüa  Offen  d.  Gm.  t  deutMhc  Endeh.-  u.  SchulgeMh.  VII.  Aualgan. 


Veriac  von  0.  L.  Srsohfeld  in  Leipsig. 

Das 

ÖFFENTLIOHE  ONTfiRRIGHTSWfiSfiN 

im  Dentsdun  Rtiebe  ud  iE  din  ftbriütQ  auopiiMlieE  Kaltarlindiii. 

Von 

Dr.  A.  Petersilie, 

Profeaaor  und  Mitglied  des  Königl.  statistiscben  Bureaus  in  B«rlin. 


LTelL 

I.  Theoretische  (iruiidla^o  und  geechichtlicho  Entwickeluug^  de^  ött'onC- 

lichen  Unterrichts.    iL  Vorwaltiingsgorichtliche  (iliedening  des  öKent» 

liehen  Unterrichts. 

29  Bogen, 
n.  Teil. 

HL  VerfaBBUngsmttBsige  Organisation  des  Öffentlichen  Unterrichte, 

89  Bogen. 

Preis  M.  2i^~  ,  in  2  Halbfranz-Einbrnufe  gebunden  M.  82,—. 

Dieses  eoeben  eracbienene  Werk  ans  der  Feder  des  in  Schullcrelson 

rühmlichst  bekannten  Herrn  Verfassers  stellt  „Das  öfTentlicho  l'nter« 
rirhtsweson"  im  Sinn<'  einos  praktischon  Hundbuchs  nach  der  schulvcr- 
fassuDgs-  and  schul vcrwaltungsmussigen  Seite  dar  und  dQrftc  bald  ein 
Hanssehatz  fttr  die  gesamte  Lebrerwelt  werden! 


Verlag  v.  J.  Harrwitz  Nachf.,  Berlin  SW- 

lolzsciliiiitarboiteii.  •f^:3*^ 


Diiterrlelitsinodilie 
I     I  <>rlaut.  Texl.  in  Buchform    nur  5  H.  U.i 

loilijil  iiAtli  /.<jicli:iiii"y  (jjft  Aujj.ibo  I    I  Werk  eij-nti  Mih  fnn^chst  vorzüglicti  ?iim 

dM  Kwoeki*.  I    PUnctrrichit-    m    II  i/«chiiittarbeiteii  für 

-    Reparaturen.    !'M'.'lP:"r.,t,.,.n  P        Vorerrück>c,c.       Aber     a,K:h     alle  d.e. 

'  «'i  hr  ihre  freie  Zeil  der  l;cs  h.i'^tiKiing 

HPnmapckaiiCOn     WlÄ*l*tiH*  m>t  Hi>l'schniuarbciien  widmen,  werden  dai 

.  nOmerblldUbBII,       in  SaclMen  Werk.  da«  für  ihre  Arbeiten  so  «chön«  Vofw 


X3U       '1      itIqI   I  i         I  ■     ■  Vi  groMe  VorKige-Tafeln,  enihahenit  ca. 

rnySlK.  bileK  irOieCU.lii>.       f^foo  vorzugl.  Inhograph.  AbhUdutigen  mit 


Verlny  von  Friedr.  Vieweg  &  Sohn  iu  Braunschweig 

Krsl  VT  kuiYt  iii  .  (•«'•hit  ni'n  um!  h.  n  it--  mehrfach  zur  Einflihriing  gelangt. 
U,      TOM  CirOKütl.  ItMÜlKClioii  Oberzell  II  Irnt 

s==  amtlich  zur  Kiiinihnmt;  eiii|»fokleii  . 

Vierstellige  loguitinisciie  i.  ^iionetrisiibe  Tafeln 

neM  den  nüHgea  HlUstafeta. 

Ueraiiagpgvlii'n  von  P*  Vr«'iitlelu.  Direktor  des  iUMl?ymna»inroB  Karlsruhe. 

Prt  i-^  kMrl.  (K)  I'fß. 

B»>i   l.i'jihsi.  hfii-tiMi   Neucinführungen    >t'  l:iMi    .l.  n   \:<^\,i-n   i;.-luinl.'ii.  den 

i  'I  I  1 1 1  ■  I  •  \    ni  (:  1 .1  I  <.■    I  I  I'  I 


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Mitteilungen 

der  Qesellschaft 

Ar 

deatsohe  £rziehungs-  und  Schulgesohiohte 

Im  Auitrage  der  Gesellschaft  herausgegebeu 

▼oa 

KARL  K£HRBACH 

Jalirgttig  Tm 

Berlin  1898 

A.  Hofmann  &  Comp. 


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Inhaltsyerzeichms. 


Seit« 

1.  Wfiiuarisich».'  Sdnilonliumi'    vou   l<»lo.     Von  Linlwi^  Weiiiiier, 

Direktor  de*  Gy  mnasiums  in  Weimar   1 

2.  Friedrich  KUcbelbecker.  Ein  Beitrag'  mr  Studiengeschichte  Witten- 

berg^^ und  Leipzigs  im  18.  Jahrhundert.  Von  Dr.  Hans  Zimmer 

in  46 

3.  Zur  (feschicht»'         Stadtscliiil»-  in  Wrnlaii  (Könip".  Sachsfn)  in  diT 

Mitte  des  15.  JaLthundurt».  SvU»i  i  Uernfung^uikuudeu  für  den 
Rektor  <i7(K»<,  Kantor  (1759).  Organisten  (1744)  und  Kollabonitor 
(174l>.  Von  Dr.  F.  Tetzner-Leipzig  83 

4.  BesprcL-liun;.'  von  Bernhard  Kaissers  GeMhichte  des  Volksschulwesens 

in  Wüittemlterir  SM 

ö.  Befipiechung  vuu  l»aul  Seidels  Holu-nzollern-Jalnbucli  DO 

6.  ErgSnznngen  und  Berichtigung  zu  Johannes  Toltz,  ein  Schullehrer 

imd  Prediger  der  Refomiatiouszeit.  Von  Fe rd.  Gohrs.  (Mittig. 

VII  [18117]  .S.  -Miü  ff.)  IMi 

Vorwort  zu  H.  l't  i'  :i  lOrdenslielt)  I-IA' 

7.  Zur  Pflege  <iei  Brielsteller-  und  K<innuIarl»(it'l)er-IJtlrialiir  im  (,'iüter- 

ciinperordeu.    Von  Dr.  Otto  U  rillnberger  Ord,  Cist.  iu  Wil- 
hering  97 

8.  Franziskaner  in  Bayern.  Von  \\  Parthenius  Tinges,  0.  Fr.  Min. 

L.  ktor  d.  Thi  ol.  in  München  137 

9.  Die  ältesten  St urliitiplänp  des  ,fesuit*'ui.'vnin!isiums  in  Köln.  Von 

Bernhard  Duhr  Ö.  J.,  Exateu  (Holland)  13() 

10.  Ueber  die  wissenschaftliche  Heianbildnug  der  Piaristen  im  17.  und 

18.  Jahrhunderte.  Mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  dentitche 
(sc.  österr.)  Ordens-Provinz  von  I'.  Krifdrieli  Endl.  0.8.0.^ 
Archivar  des  Benedictiner-Stil'tes  .\ltenbiirg  in  Viprl«'r-()i>st«»rreich  147 

11.  Kleine  Mitteilungen  ülter  Alll>ayerns  älteste  Klosterschnlfii.    a)  Die 

Klosterschule  zu  .Salzhurg.  h)  Wohin  ging  Erzbischof  Arno  von 
Salzburg  in  die  Schule?  Von  Max  Paittltuger,  Benefiziat  bei 
St.  Peter  in  Mflnch» n  178 

12.  Die   Schul-(Jeoi:raphit'   des    .\htes   Anselm  Desing  (().  S.  B  )  für  da.-* 

Benedi(  tiner-(;\ iuna.>iiini  7.u  Krenisnu"ln->ter  a.  d.  .F.  174;5.  \'ou 
l^ruf.  Dr.  Allmunn-Altiug  er,  (0  .S.  B.^  Kremsuu'luster  .  .  .  lb'2 
18.  Der  Dominikaner  und  Wiener  l'uiversitÄlsprofessor  IVtru«  Qazzanign 
Ober  den  pädagogischen  Wert  der  seholaHtii»chen  Methode  deM 
achtzehnten  .Taluiiumlcrts.  V^n  P.  Thomas  M.  Wt-hofer.  i»rd. 
Pra»'d  .  Doktor  der  TlieoloLMc  ii?id  Philosophie,  ProlV.osor  au  der 
Minerva  in  Koni  IUI 


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I  nhalt  ei  verzeicliuifi . 


14.  Dit*  KliK-ttTK-liiiU'U  ilfi-  l  rsaiiiitriiiii»"!!  in  Krlurt  von  ItlüT  his  zur 

(jt'j.a*u\vart.  Vou  Dr.  lUeol.  Frauz  .Scbauertt',  Tlarrfr  in  Krtiirt  198 

15.  Die  Regularkanomswa  des  August meronlens  unter  dem  Titel:  Kon- 

gregation Unserer  Frau  oder  de  Xotre  Dame.  Von  Dr.  Emil 

Uttendorfei  .  Doiukapitular  in  Münrli«n   203 

lö.  KurzjT  Aii;:zuL''   <lvr    Erzicliunffs-  und    I  nr-  i  i  ii  (it>  -  ( ii -rhiclif«'  (l»'r 
5>alf:«iiiiH'riunfn  in  Hnyt'ni.    Von  *'ineni                tl«'>  ♦  »rden?;  der 
Salesianerinnen  zu  St.  Jost  pli  auf  Zaii^lx-r^'  207 

17.  Die  g(>i;enwSrtii?  im  Gebiete  des  DeutM;hen  Reiches  tbJU.i|fen  Frauen- 

f  irnosscnschafttMi  l'iir  l  ntcrricht  und  tlr/iebung«  Eine  Ueli«'rsicht 
mit  iri^iii.Ti  und  stutisiiiich'-ii  IltMtifrkiinL'fTi.  Von  Dr.  Max 
H t" i ni  b II (' lirr,  l'rofcssor  tl«  r  I)'it.'iuiitik  am  Köuiirl.  ]^yc«'iiin  in 
Bjuul.org  211 

18.  Die  Unirersittlt  Paderborn  (Teil  I)  Quellen  und  Abhandlungen  ron 

1«514    isos.    Von  Jos«'ph  l'n  i.-ieü  (B«-si)rfihung)  287 

19.  Der  Innnanistisclie  Sohulnu.'isttr  IVtrus  Tritonius  Athesinus.  Von 

F«'rdiivand  Cohrs.  Pastor  prini  in  Kschcrsbauscn  261 

20.  L  eber  IJartholumaeus  Colouicusis.  B^-itra«;  zur  Geecbicbt«  dtfs  Uuma- 

nismns.  Von  Karl  SOnnecken.  Seminar-Oberlehrer  in  Liegnitas  278 

21.  P.  Simon  Rett«nbacber»  ein  Österreichischer  Pädagoge  aus  der  Reform- 

zeit  des  17.  .Tahrhunderts.    Von  P.Tassilo  Lehner,  Professor 


am  Oymnasiuni  in  Krcnisuifinstcr  806 

22.  Weiiuariticbe   Scbulordnuug  vou  1070.    Von  Ludwig  \Vt*uif:er, 

Direktor  des  Gymnasiums  in  Weimar  831 


CtoMhSflUcher  Teil. 

Bericht  aber  die  fflnfle  ordentliche  GeneralTersaDunlung  der  Qesell- 

sdiaft  »  2ii 

Vorzi'icbnis  der  Kuratdrialmiti'UfdiM*  .    .   256 


Mitteiiungeu  aus  drn  (iruj  i  t-n  der  GetjelUehaft.  Gruppe 
Anhalt.  Gruppe  Bayern.  Orupiie  Oesterreich,  Gruppe  Pommem. 
Gruppe  Schweiz.  Gruppe  Thflringen.  Gruppe  Württemberg .  .  868 


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Vorwort 


Nach  dem  i.J.  1888  verölTHiitlichtcü  riaiie  der  Moii.  (tomii.  l'ard. 
sollte  innerhalb  dieses  ■wiriseiiscbaftlicheD  Unteniehuicn»  aucli  das 
Liziehurigs-  und  Studienwesen  der  kalholischen  Ordensverbindungen 
zur  Dai-stellung  gelangen.  Wie  bereits  in  der  Beilage  zu  der  Neu- 
ausgabe dee  Planes  vom  Jahre  1884  mitgeteilt  werden  konnte, 
ttbemahm  fUr  den  Jesuitenorden  P.  PacbÜer,  nachdem  der  damalige 
Ordensgeneral  P.  Beckx  die  Erlaubnis  hierzu  gegeben  hatte,  die 
Bearbeitung  des  urkundlichen  Materials  zur  Studiengeschichte  der 
Gesellschaft  Jesu*}.  Es  waren  auch  mit  gelehrten  Mitgliedern 
anderer  Kongregationen  wegen  gleichartiger  Arbeiten  Verhandlungen 
angeknüpft  worden'),  und  die  Teilnahme,  welche  die  VerGffent- 


')  Das  Work  ersclüen  In  vier  Binden  (MGP.  II,  V.  IX,  XVI)  unter 

dem  Titel:  Ratio  stmlionim  et  institutione»  sciioiusticue  Socii'tiiiis  Jesu 

per  (ternoaniara  olim  vi^^entea.  Collectae,  concinnatae,  düucldatae  a 
G.  M.  raclitlor  S.  J. 

')  Wie  aus  der  Beilage  der  zweiten  Auflage  des  Flaues  8.  ö  ü.  zu 
ersehen  ist,  hatten  bis  sum  Jahre  1888  folgende  Ordensndtglieder  ihre 
Mitwirkung  in  Aussicht  gestellt:  P.  Albin  Crerny,  Bibliothekar  u.  Kapi- 
tular  im  Stifte  St.  Florian;  P.  Donifln  0.  P.  in  Rom:  P  K.  Ebnt^r  S  J. 
in  Linz;  P.  Ehrte  8.  J.  in  Horn;  Prof.  Dr.  I-'rieas,  !  ^ihliothckur  im  Bi>ne- 
dikUoerstifte  Seitenstetten;  P.  O.  Kerostock,  Chorherr  des Stitcea  Vorau; 
P.  II.  Kinter,  Bibliothekar  und  Arehivar  im  Btlfte  Baigem;  Prof.  Laad' 
Steiner  (0.  P.  Sch..),  Bhrendomherr  in  Wien;  P.  Prof.  Dr.  N.  Lshinger, 
Kapitular  des  Benediktinerstittoa  Si.  Paul  in  Klagenfurt;  P.  G.  Meier, 
Kapltular  im  Benediktiuerstifte  Maria-Einsiedeln :  P.  G  Paclitler  8.  J.  in 
Blyenbeek  (Holland);  Pr.  Prof.  L.  Prüll  in  Oberhollabrunn;  P.  0.  Rott- 
manner,  Bibliothekar  im  BenediktinerstUt  St.  Bonifai  in  Manchen;  P.  H. 
Bchmid, Knpiinlar  und  BtbUothelur  im  Stift Kransmaoeter ;  0.  Behweltier, 
Chorherr  des  Stiftes  Herzogenburg;  P.  Y.  Staufer,  Bibliothekar  im  Stifte 
Mf^lk;  P.  Pro^  H  ri brich  in  Melk;  P.  A  Weis  im  Cistor- onsprstifte 
Renn  bei  Gradwein-,   P.  J.  Wicbner,  Archivar   im  Beoediktinerstifte 


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II 


Vorwort. 


lichuDgeu  der  ^IGI\  iu  den  Kreisen  d*  r  Ansrehörigeu  katholibtlier 
Orden  fand,  liess  liotleu.  dass  l>ald  alle  bedeutenderen  Ordeus- 
geoossenscbatiten  innerhalb  der  Monumenta  vertreten  sein  wfirden. 

Leider  bat  sich  diese  Erwarturg  bisher  nicht  erfOlit  weil  die 
Auffindung  und  Kutzbarmachung  des  Quellenmaterials  gerade  hier  > 
ungemein  grosse  Schwierigkeiten  darbot. 

Schon  die  internationale  Organisation  des  Urdenswesens  und 
der  Umstatid,  dass  manche  Orden  bestanden  haben  lange  vor 
ihrer  Einführung  in  deutsche  liüider.  ei-schwert  die  Quellenforschung 
in  höchstem  Maasse.  Femer  ist  durch  die  wechselvollen  Schick- 
sale einzelner  Orden,  namenHidi  aber  durch  die  zu  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  erfolgte  Säkularisation  auch  in  der  Entwicklung  des 
Ordensschulweaens  der  Zusammenhang  {'mit  dem  Alten  vielfach 
aufgehoben»  der  grössere  Tdl  der  bezilgllchen  Materialien  verschleppt 
oder  Tonüchtet  worden.  Dazu  kommt  noch,  dass  bei  einigen  Hltereu 
Orden  in  den  froheren  Zeiten  wahrscheinlich  nur  spärliche  Auf- 
zeichnungen Uber  ihre  Unterrichtseinrichtuugen  gemacht  woHen 
sind«  vielmehr  die  mündliche  Ueberlieferuug  rorgeherrscht  haben 
wird.  In  solchen  Fällen  ist  man.  um  eine  wenn  auch  nur  annähernd 
richtige  Vorstellung  von  dem  Gewesenen  zu  gewinnen,  geuOiigt, 
nach  indirekten  Belegen  zu  suchen,  was  bekanntlich  noch  viel  müh- 
samer ist.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  ersclieint  die  IlerbeischafViiiig 
genügenden  Materials  für  den  einzelnen  Forscher  kaum  möglich. 

Wie  daher  unsere  Gesellschaft  in  einzelnen  Ländern  und 
Provmzen  zur  Bildung  von  territorialen  Gruppen  geschritten  ist, 
um  durch  sie  die  Sammlung,  Sichtung  und  wissenschaftliche  Ver- 
arbeitung des  Quellenmaterials  zur  Schulgeschichte  dieser  Dlnder 
und  Provinzen  vornehmen  zu  lassen,  so  hat  sie  auch  versucht,  iu 
ähnlicher  Weise  die  scbulgeschichUichen  Studien  innerhalb  der 
katholischen  Orden  zu  organisieren.  Indes  haben  die  Bemühungen 
um  Einrichtung  einer  oder  mehi'erer  Oidensgnippen  bisher  noch 
nicht  zum  Abschluss  geführt,  obgleich  eine  Anzahl  von  Mitgliedern 
der  Gesellschaft,  die  zugleich  Ordensgeistliche  sind,  vor  allen  der 


Admont;  P.  D,  Willi,  Prior  im  CiaterzieiiBerstitte  Mehrerau;  P.  C.  Zldek 
O.  Praom.,  NovizonmeiBter  im  Cliorherrnstiite  Ncu-Reiach  (Mfthron.) 

Während  der  daraiit  iütgeuden  Jahre  i^t  die  Zahl  der  Mitarbeiter 
aus  den  Ordenakreiaen  immer  grösser  geworden.  Bei  der  GrQudimg  der 
GeMlIschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeechichte  tratea  auch 
eine  Reihe  Vertreter  der  verschiedenen  Kongregaüonea  in  das  Knra» 
torium  ein. 


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Vorwort. 


m 


geistliche  Rat  un<l  Kapitul.ir  V.  Maurus  Ktntor  im  Beuediktiuer- 
stifte  Kaigerii.  lebhaft  dafür  eintiütt  u. ') 

Dass  jedoch  dieses  Gebiet  der  Uiiterrichtsgesciüchte  in  den 
Ver<itt'entlichuugen  der  Gesellsciiaft  nicht  vernachlässij!;t  worden  ist. 
beweist  ausser  der  oben  genannten  Ausgabe  der  Jesuitica  auch  der 
Inhalt  cinzolnor  Jalirgäuge  der  .. Mitteilungen" ''^).  Um  ah^r  diesen 
\vi(  htigen  Forschtingf^n  einen  kräftigeren  An?<tf>?5s  zu  g>'ben  und 
zugleich  die  Notwendigkeit  einer  \'eieini«j:nng  geei^'neler  Kräfte  vor 
Augen  /u  führen,  wuivle  liesrhl<'s.seii .  ein  Heft  der  Milteilungeu 
ausschliesslich  T'eitriii;eii  im-  Er-ülehungs-  uiul  l  iiterriehtsgeschichte 
der  Männer-  uud  Fraueuorden  zu  widmen,  ihusselbe  sollte  ein 
Seiten.stück  sein  zu  den  sogeuanuten  Gruppenhetton,  die  zur  Be- 
lelding  der  schulgeschichtliclieu  Forschuügen  für  einige  Länder  ver- 
ütleulUchl  Worden  sind^). 

Die  von  der  Schriftleitung  seit  einem  Jahre  mit  Angehörigen 
fast  aller  Orden  und  mit  katholischen  Historikern  gepflogenen 
öchriftlicheu  und  mündlichen  Verhandlungen  haben  uns  in  den 
Stand  gesetzt,  das  vorliegende  (Do})pel-)Heft  herausgeben  zu  können. 
Unsere  Absiebt,  alle  in  Betracht  kommen  den  katholischen  Ordens* 
Verbindungen  in  dem  Hefte  durcb  einen,  wenn  auch  nur  kleinen, 
Beitrag  Terzuftihren ,  liess  eich  leider  niebt  verwirklichen.  Es 
werden  dafür  in  spateren  Heften  noch  Ergänzungen  dargeboten 
werden  durch  Arbeiten,  die  fttr  das  Ordenshefb  nicht  rechtzeitig 
fertig  gestellt  werden  Iconnten.  Was  aber  das  Wertvollste  ist:  die 
von  unserer  Gesellschaft  gegebenen  Anregungen  sind  Überall  auf 
fruchtbaren  Boden  gefallen,  so  dass  jetzt  die  Erreichung  der  ein- 
gangs bezeichneten  Ziele  naher  gerüickt  erseheint. 

Wir  erftlllen  hier  gern  eine  Dankes])tlicbt  ausser  gegen  die 
Herren  Verfasser  der  hier  vorliegenden  Arbeiten  auch  gegen  alle, 
die  mittelbar  an  der  Veröffentlichung  des  Ordensbeftes  Anteil 
haben.  An  erster  Stelle  sei  den  bochwQrdigen  Herren  ErzbischOfen 
und  Bischöfen  von  Breslau.  Köln,  Paderborn,  Strassburg  und  Trier 
gedanict,  die  durch  wertvolle  Mitteilungen  Uber  die  Ausbreitung  und 
Oeschichte  der  religiösen  Orden  innerhalb  ihres  Sprengeis  oder 


»)  Vgl.  Mittelluugen,  Jahrg.  HI,  Geschaftl.  Teil,  iS.  XVII  ff. 

Uebor  dio  inittelaltprüclipii  Dom-  und  Kluaterschulen  öiehe  Mitt.  I. 
42  u.  VII,  I;  über  die  Auguötiaor-Ereniiten  Mitt.  V.  39;  Ober  die  Beno- 
diktliier  Mitt  I,  248,  V.  215.  VH,  85;  über  Jeauiteu  Mitt.  UI.  194,  IV,  5  u. 
247,  V,  aiß,  VII,  81;  Ober  die  Piartoten  V,  216.  VII,  29«, 

Es  liegen  vor:  für  Bayern  Juhrf,-.  VII,  Heft  1,  lÜr  Oeilerreich 
Jahrg.  V,  Uett  3.  lUr  Sachsen  Jahrg.  VU,  Heft  4. 


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IV 


Vorwort. 


durch  Hinweise  auf  geeignete  Mitarbeiter  in  bereitwilligster  Weise 
dem  UnterDehmen  ihre  Unterstützung  geliehen  haben.  In  ftbnlicber 
Weise  haben  auch  die  hochwttrdigen  Herren  Prof.  Dr.  Frz.  Falk 

in  Kleinwinteruheim  bei  ^lainz.  Dr.  Fi-z.  Httlskamp,  geh.  pSpstUcber 
Kammerherl'  in  Münster  i.  W..  Dr.  J.  Jungnitz,  erzbischöfl.  ArchiT- 
direktor  und  geistl.  Rat  in  Breslau,  P.  Dr.  A,  Rösler.  0.  S.  Redempt. 
zu  Muntern  in  Steieniiark.  Kuratus  Schwartz  in  Berlin.  Dr.  Specht, 
Donikapitular  und  geistL  Rat  in  MUnchen,  Dr.  Wokcr,  Domkapitiilar 
und  ^eistl.  Rat  in  Paderborn,  Pfarrer  Dr.  Wurm  in  Hausber«;e 
a.  il.  Porta  Westfalica  und  noch  viele  andere  uns  nützliche  Rat- 
schlage und  Fingerzeige  gegeben,  denen  allen  wir  hiermit  für  ihre 
uneigennützige  MUhewaitung  unseren  Dank  aussprechen. 

Berlin,  im  Oktober  1898. 

Prof.  Dr.  Karl  Kehrbach. 


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1.  Weimarteehe  SiAnlordnuDg  von  1610.   Voo  Ludwig  Weniger.  1 


1. 

Weimarische  Schulordnung  von  KllO. 

Von  IiUdwig  W«nJg«qr,  Direktor  doB  Gymoasiums  iu  Weimar. 

Wem  es  obgel^en  bat,  eine  SchtilordnuDg  auszuarbeiten,  der 
weiss,  wie  gern  man  sieh  der  Illusion  hingiebt.  dass  das  sorgfiUtig 
erwogene  Weric  auf  ferne  Zeiten  das  Gedeihen  der  Anstalt,  fQr  die 
es  bestimmt  ist,  sichern  werde.  Leider  lehrt  die  Erfiihrung,  dass 
die  meisten  dieser  Arbeiten  nur  ein  Alter  von  Jahnsehnten  erreichen. 
Im  Laufe  der  Jahre  setzt  sich  Neues  an,  andere  PersönlichJceiten 
machen  ihren  Willen  geltend,  umwälzende  Gedanken  dringen  von 
aussen  heran,  und  Schicksale  fiben  iliren  Zwang  aus.  Auch  bei 
ruhigen  Verliiiltnisson  wird  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Siclidmg  not* 
wendig,  <iio  erkannte  Mängel  beseitigt  und  gemachte  Erfahrungen 
verwei"tet.  £s  ist  ebenso  lehrreich,  die  F'oitsrhritte  zu  verfolgen 
und  den  Einfluss  umgestaltender  Mächte  zu  beol)achten,  wie  es  an- 
ziehend i.st,  im  Hiublici<  auf  ähnliche  BemUhungeu  an  anderen 
Orten  die  Entwickelung  der  Lehrkunst  im  Laufe  der  Zeiten  kennen 
zu  lernen.  Indes  nur  wenn  sie  vollständig  und  im  Wortlaute  zu- 
gänglich gemacht  werden,  ist  es  mö'^lich,  den  Zusamm**nhang  der 
Schulordnuugtn  unter  einander  rcj^Tziistellen.  Solche  Veröftent- 
lichungen  liefern  dann  den  Kohstott' für  eine  erfolgreiche  Darstellung 
der  äcliuigeschkhto  nach  ihrer  wesentlichäten  Seit«.^) 

*)  Freilich  ist  dabei  wohl  zu  bedeuken  —  was  boroits  mehrrach 
horvorp;'<'ii()bon  worden  ist  — .  dat<H  di»' Au>>;alio  flfr  Scluiln|-(Iiniii;r''n  nicht 
immer  ein  Spiegelbild  des  wirklieiion  lietriebes  vou  l  at-'i-riclii  und 
Erziehung  in  den  Schulen  ist.  Es  hat  sich  nur  zu  oft  bei  näherer  Be- 
trachtung horau.sgeHtellt,  dass  viele  von  den  wohlgemeinten  Bestimmungen 
einzaln«r  Sehulordnangen  nur  auf  dem  Papier  gestanden  haben  und  nie- 
mals in  die  Wirklichkeit  übertraffen  worden  sind.  Visitations- Protokolle 
und  Stniidonpl.'hio  frebon  hierfdr  oft  drastische  Belejr«',  nnd  e»  müssen 
daher  diese  vielfach  als  minderwertig  angeüeheneu  Dukumcuto  von  der 
historieeheo  Forschung  in  den  gegebenen  Fallen  immer  mit  beraDge/.ogeu 
«erden.  D.  Red. 

UlttoOtmgen  d.  Ge«.  f.  detttsrlie  Enteh.«  «.  Sebuls«iebIobto.  VIII 1  180S.  i 

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2     lUtteUungen  4L  Ges.  f.  deutsehe  BraehmigB-  o.  Sdralgeseli.  VIII. 


An  der  Weimarieehen  Schule  läsat  Bich  jetzt  die  Entwickelung 
ohne  bedeutende  Ldclcen  durch  die  Zeit  von  mehr  als  drei  Jahr- 
hunderten, Ton  ihren  AnjfAngen  bis  zur  Neuzeit,  Terfolgen. 

Auf  die  Ton  uns  im  vorigen  Jahrgänge  mitgeteilte  Schul- 
ordnung von  1562^)  folgte  eine  neue  im  Jahre  1610,  der  nur  eine 
Dauer  von  acht  Jahren,  nfimüch  bis  zur  EtDfQhrung  des  auf  Ra- 
ticliius*  Ideen  aufgebauten  „Neuen  Methodus*  Johaunes  Eromayers, 
beschieden  gewesen  ist.  Sie  soll  im  Nachfolgenden  veröffentticht 
und  in  ihren  Zusammenhängen  erlflutert  werden. 

Die  Schulordnung  von  1562  war,  wie  wir  sahen,  wahi-schein- 
lieh  von  dem  Reictor  Jobann  Wol  f  verfasst  und  wurde,  solange 
Wolf  die  Leitung  der  Weimarischen  Schule  führte,  zunächst  also 
bis  1573,  dann  von  1586  bis  1595,  festgehalten.  Die  kurzen 
Zwischenrektorate  des  zerfahrenen  Bartholomäus  Httbner  von  1574 
bis  78  und  des  unbedeutenden  Georg  Milo  von  78  bis  86  hatten 
keine  Veranlassung  zu  Neuerungen  geboten.  Von  1595  bis  1602 
war  Wolf  Bflrgenneister  von  Weimar  und  behielt  als  solcher  Ein- 
lluss  auf  die  Stadtschule.  DemgemSss  wird  man  auch  unter 
Johannes  Roth,  der,  bereits  seit  1571  als  Lehrer  an  der  Schule 
thfttig,  1596  Wolfs  Nachfolger  wurde  und  bis  1600  das  Rektorat 
verwaltet  hat,  die  Im  stehende  Schulurdnimg  ohne  besondere  Aen- 
derung  beibehalten  haben.  Wenigstens  wird  nirgends  von  einer 
Neuerung  berichtet.  Auch  innere  Gründe  sprechen  dagegen.  In 
der  Schulordnung  von  1610  schimmern  die  Bestimmungen  von  1562 
überall  durch.  Dass  etwa  die  hei-zoglii-h-sächsisi  he  Schulordnung 
von  1573*),  die  auf  Boetius'  Eisonaihor  Schulplan  /uHif^kgeht. 
in  Weimar  eingeführt  worden  soi.  wird  nirgends  erwähnt:  es  lag 
Icein  Gnind  vor.  das  eben  (1570)  bestätigte  Werk  bereitä  wieder 
durch  ein  neues  zu  ersetzen. 

Hatte  man  in  Weimar  1562  zwar  den  AbschniU  von  der  Zucht 
der  Ar])eit  des  Boetius  entnommen,  so  war  <ler  Lelirplan  doch 
eine  selbständige  Leistung,  die  Anerkennung  verdiente.  Auch  zeigt 
die  Schulordnung  von  1610  keine  Anklänge  au  die  anderw&rts 
massgebende  von  1573. 

Im  Jahre  1601  wurde  auf  Empfehlung  des  Jenaischen  Super- 
intendenten Mylius  M.  Georg  SaXzhuber  als  Rektor  an  die  Wei- 

»)  Mittel  lungcu  VII,  lb97,  S.  172  ff. 

*)  Ratio  adminifllrandl  echolas  triviales,  propoait«  in  viaitatione  eccle- 
■iamm  et  fleholantm  sub  Dacattt  Juniorum  Prineipum  SaxonhM,  Jeoae  1678; 
bei  Vormbaum,  E.  8ch.  O.  I,  ö«0  ff. 


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1.  Weimarieche  8ctrak»rdniiiiff  toh  1610.  Von  Lwiwlg  Weuigci  .  8 


malische  Schule  berufen  uud  blieb  bis  zu  seinem  Tode  (1615)  im 
Amte.  Salzbuber  genoss  den  Huf  eines  tUchtigeu  Gelehrten  und 
Schulmanns  und  hatte  eich  bereits  an  anderen  Orten  unter 
Behwiengen  Verbaltnissen  bewahrt, 

Die  Sebnle  besass  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  nach  wie 
vor  ihre  sechs  Klassen.  Die  unterste  hatte  man  wegen  der  Qber- 
grossen  Schttlerzahl  zeitweis  in  zwei  Abteilungen  zerlegt,  dafür  die 
Klassen  Secunda  und  Tertia  vereint  Die  Leitung  der  Prima  lag 
in  der  Hand  des  Beictors,  im  Griechischen  unterrichtete  er  Prima 
und  Seicunda  zusammen.  Hit  Salzhuber  als  erstem  Lehrer  wirlcten 
gemeinsam:  2.  der  Konrektor  Jonas  Q  lein  er,  Klassenlehrer  der 
vereinten  Secunda  und  Tertia,  seit  1613  durch  M.  Johann  Friedrich 
Bochmann  ersetzt;  d.  Johann  Weber,  Klassenlehrer  der  Quarta; 
4.  der  KantDr  Heldiior  Vulpius,  als  Liederdichter  und  Komponist 
angesehen^,  Klassenlehrer  der  Quinta ;  5.  Heinrich  Koppe,  Klassen- 
lehrer der  Sexta;  6.  Jobann  Meise,  CoUega  infimus. 

Die  Aufisicht  der  Schule  führte  neben  dem  Stadtrate  das  kirch- 
liche Ministerinm,  d.  h.  die  drei  Geistlichen  der  Stadtkirche  zu 
Peter  und  Paul,  ni&mllch:  1.  der  Superintendent  D.  Antonius  Probus 
von  1587  an,  gestorben  1612  im  Alter  von  74  Jahren;  2.  der 
Diakonus  M.  Martinus  Rntllius  1586—1618;  S.  der  Diakonus 
Johannes  Maior  1592—1609,  danach  kurze  Zeit  K  Philippus 
Kirchner,  sodann  (bereits  1610)  M.  KWn^  Schönfeld,  gestorben 
1625*"').  Die  Oberleitung  lag  in  den  Händen  des  Superintendenten 
Probtts.  Als  sich  bei  diesem  alliiiählich  die  Last  der  Jahre  bemerkbar 
machte,  wurde  ihm  1610  der  fürstliche  Ilofprediger  D.  Abraham 
Lange  als  Beistand  im  geistlichen  Amte  und  künftiger  Nachfolger 
ziijreordnet.  Ein  Jahr  nach  Prohns  Tode.  1613.  wurde  Lange  zum 
Generalsuperintendent^n  ernaimt.    Er  starb  Weihnachten  1615*). 

Dieser  um  das  Schulwesen  eifrig  bemühte  Mann,  der  nachmals 
in  die  Katichischen  Handel  in  |>einUcher  Weise  verwickt  lt  werden 
sollte,  übernahm  nun  auch  gleich  bei  seinem  Eintritte  die  Ober- 
aufsicht der  Weimarischen  Schule.   So  ist  es  gewiss  kein  Zufall, 

*)  xSüheres  Uber  S.  in  meiner  Abhandlung  Hatichius,  Kromaycr  und 
der  Neue  Methodut  an  der  Schule  zu  Weimar  II,  Zeitechr.  t  Thfliing. 
Ge«chlehte  XYIII«  1897,  8.  870. 

*)  Jtaticliiua,  Kromayer  etc.  a.  0.  S.  450.  Iti, 

*)  Wette,  Uistor.  Nachrichten  v.  der  berühmten  Keaidents •  Stadt 
Weimar.  1,  1737.  S.  a77,  8%,  3«J9  ff. 

AufifQbrlich  über  Lange  Abh.  Ratichiue,  Kromayer  etc.  II,  a.  O. 
8.. 811,  878,  884,  886,  449. 

!♦ 

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4       MitteUimgeu  d.  Ges.  1.  deutsche  Erzieiiuiiga-  u.  ^chulgesch.  VIII. 


dass  in  demselben  Jahro   IßlO  die  neue  Schulurduung  erlassen 
wurde.    Da  Rektor  Salzliubn  in  den  neun  Jahren  seiner  bisherigen 
Wirksamkeit  au  ein  sulrlies  Werk  nicht  liei angetreten  war,  darf 
kaum  vorau^ipjesetzt  werden,  diiris  er  es  gewesen,  der  sich  jetzt 
einer  solclieu  Arbeit  unterzog.    Dies  bestätigt  denn  auch  der  Inhalt. 
Allerdings  hat  Salzhuber,  wie  wir  sehen  werden,  Material  geliefert, 
das  in  vialeii  Bestimmungen  Verwendung  fand.  Aber  die  einlei- 
tenden Gnmdzfige  tragen  die  Unteracbrift  •Ministri  Ecclesiae  et 
senatus  Vinariensis*',  und  aucli  die  weiteren  Auslttlirungen  bekun- 
den die  Baratellung  einer  Perafinlichkeit,  die  Uber  den  Rektor  ge- 
stellt war.  Hierfür  kommt  aber  ausser  I^ange  kein  anderer  in  Be- 
tracht; mag  er  auch  mit  den  geistLichen  AmtsbrUdem  und  Rats- 
mitgliedem  fiber  den  Gegenstand  yerhandelt  haben,  so  gebohrt  ihm 
doch  offenbar  das  Hauptrerdienst  an  der  Leistung  und  trflgt  er  die 
Verantwortung  fttr  das  neue  Werk,  auch  ist  er  spfiter  daiQr  ein- 
getreten^). 

Die  Landesregternng  ftthrte  von  160S— 1605  Johann,  der 
Stammvater  aller  folgenden  Emeetiner,  seit  1593  mit  der  trefflichen 
Dorothea  Maria  von  Gothen  vermählt,  ein  FUrst,  der  ein  warmes 
Herz  für  die  Schulen  des  Landes  besass  und  dies  seiner  Gemahlin 
ebenso,  wie  den  nachgelassenen  Söhnen.  vereiM  hat.  Unter  ihm 
wurde  durch  Erlass  vom  23.  Januar  1604  <hi>  lunkommen  des 
Kektors  und  der  Lehrer  an  der  Weiniarischen  Stadtschule  erhöht 
und  dazu  die  Summe  von  1600  Guiden  verwüligt  Als  Herzog 
Johann  am  31.  Oktober  1605  verstarb,  übernahm  Kurlllrst 
Christian  II.  von  Sachsen  die  Vormundschaft  über  seine  acht  un- 
mündigen Söhne  und  nach  Christians  Tode  1611  dessen  Bruder 
Johann  Georg  I.  bis  zum  Jahro  1615.  Unter  Johann  Georg 
Avnrdo  1612  ein  Konsistoriinn  errichtet,  dem  die  Angelegenheiten 
der  Kirche  und  Schule  untergeordnet  waren. 

Offenbar  im  Zusammenhange  mit  dem  KinUitl«'  «h-s  nnH  u  In- 
spektors-^j  laud  eine  Visitation  der  AA'eimarischen  ^?ehuie  sliUt,  die 
einer  gründlichen  Reform  dit-  Wege  bahnte.  Allgemein  waren 
Klacren  laut  geworden,  im  Weimarischen  Ratsanhive-'')  beliiidcl 
sich  von  Salzhubers  Hand  ein  lateinischer  lierit  lii  an  die  Scho- 
larcheu  und  Inspektoren  der  Stadtschule.    Es  sind  neun  eng  be- 

^)  Abh.  Raticbiua,  Kromayer  otc.  II,  a.  0.  8.  aso  f. 

^prDxitna  acholae  Viii;irit'ii8i.-~  \  irtitationo'"  heisst  es  zu  Anfang 
der  Bchulorduuug,  derou  üenohmiguag  durch  EriasB  vum  18.  Augtut  1(^10 
erfolgte. 

*)  HifliorlBchea  Archiv  I,  27,  55,  Schulordnungen  von  1610.  48.  50. 


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1.  Weimariache  BehnlordnuQg  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  5 


Mhiiebene  Seiten  auf  Foliobogen  rauhen  Schreibpapiers;  die 
zehnte  bat,  ebenfalls  von  Sakbnbers  Hand,  die  Aufecbrift  ,Äd  D. 
D.  Sdiolarehfts  et  inspectores  GymnaaU  Vinarienais* Das 
Schriflstack  gevOhrt  einen  so  deutlichen  Einblick  in  die  damaligen 
VerhUtnisse  und  in  die  Entstehung  der  neuen  Schuloidnung,  dass 
seine  wörtliche  Mitteilung  lohnend  erscheint 

£e  zerfUlt  in  34  Abschnitte-)  und  einen  Anhang  über  die 
Abnahme  des  Schulliesuchs  in  9  Punkten  und  lantet«  wie  folgt: 

Hennuila  09 öX.uaT?  in  deetrina  «t  dlgcIpUna  Scholae  Tinar. 
corrigenda  vna  cum  brefi  Bectoris  apolegia. 

[lo  dem  folgi-nden  Tcxto  sind  dio  Ahbrovlnturen  aufgolust,  dlo  Accent«  auf  den  latoinUchen 
WSrtwti,  du  dlo  S<»liriMliart  im  Miinu!*kript  inkonseiiiiont  ist,  Hbopall  wetrgt- lassen.] 

1.  CoUegflo  in  rlorendo  iiuüorom  curam  et  indiistriam  adhiboant 
posthac:  rAptt>-(Ti  et  iiou  nccessariu  ad  ostentationem  magis,  quam  ad  utilitatem 
comparata»  litent.  in  tradenda  Grammatiea  utraqae  regolanim  et  inprimis 
ezceptionnm  dextram  et  perspicaam  ezplicationem  institaaDt:  et  ut  puer! 
praecepta  vera  et  vtilia  probe  inteUigere,  et  memoriae  nandare  qneant 
opcram  dent:  Icctiones  hAbendas  praeceptores  praemeditentur:  pere- 
grinationes  crebras  (ut  hactcnus  factum)  fugiant.  Nam  eo  ipso  diBCipuIi 
ad  ncgligentlam  et  petulantiam  invitantar:  ut  lectioonm  intermissionem 
taceam. 

2.  Negotia  dotnestica  ot  alia  a  labnribiis  srholastiris  alicna,  ul 
coUoquia,  cougressus  vel  roUogarum  vel  peregrinuruiu,  lectiones  vel  scrip- 
tiones  remm  novarum  aut  literarum,  non  üs  horis,  quibus  docendam  est, 
Sfucipiantnr  et  institnaotar,  sed  penso  abeolnto.  Hic  aemper  necesaaria  et 
ineTitabllia  excipiuntur. 

3.  Non  patiantar  diacipuloa  auoa  inter  docendum  excurrere  ant 
alien«!  traeta»  et  nugaii:  neve  ipsi  in  saia  negoeüa  eiqtediendia  ab  aoa- 
ealtationibna  abstrahant  eos,  et  ad  opera  senilia  adhibeant.  Xam  in  pro* 
grcssv  impediiintur,  et  fastidium  literamm  in  iiadem  gignitar.  Hinc  illae 
Toces  qaemlae:  non  ndfni,  non  adfui. 

4.  Ordinem  dorendi  a  D.  scholarchis  praesrriptum  absque  illnniin 
consensu  tcmere  nun  mutent  aut  ab  eo  recedant:  nec  etiam  pneria  h.'j>ÜMi 
persuadeant:  sc  longe  mcliorn  »?ocfMo  possc. 

Reritationem  lertionum  diligentius  obsri  vtnt :  t  t  iit  iu  medium 
pröducti,  libris  clausis,  sin«*  nlionim  insnsnrraf  ii»iie,  proposita  tarde, 
distinctc  et  aiticulate  pronuncicul,  eiticiuiit.  iiic  multa  dcsiderautur  in 
omnibas  fere  classibna. 

1)  Dazu  (pier  geschrieben  von  anderer  Uand:  Schuelordnung  belan« 
gende  Anno  Domini  1010.    No.  19. 

*)  SaUhuher  zahlt  8S,  hat  aber  die  Ziffer  24  an«  Venehon 
flbergangen. 


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6        Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


C).  Siimmam  ot  inaudltam  paene  nonimllüium  if^iaviaiTi  ncf^IigeiitiaiDt 
H  ]r"inm  et  prni n  i^toruiii  subsannationeni,  troiisductionoiu  et  contompttim 
»cnus  et  gravionbus  suppliriis  puniant  Naiii  rnulti  sine  onini  metu  et 
reverentia,  sine  praemeiiitutione  lectionuia,  sine  iiioribus  et  pietate  ad 
auditoria  accedant.  Doctores  Ecclesiae  hac  iu  parte  pro  suggcstu  pare&> 
tes  et  cives  moDere  deberent:  quo  etdoctrlnftm  et  disciplinun  domestlcam 
Buoram,  magis  sibi  carae  et  cordi  esae  peterentnr,  ao  saepios  eos 
in  ludniii  literariam  et  templmn  mitterent.  Nam  hactenns  iUonim 
ne^igentia  progressilras  discipolonim  plnrimam  incommodavit. 

7.  Usum  et  exercitationem  latinae  lingoae  in  superioribns  dasaibus 
maiori  studio  et  mnlcta  prosequantvr,  saoqae  ezemplo  pnerls  praeluceant. 

üic  quoquo  non  parnm  desideratnr. 

8.  Proiuinriationem  f^raccae  et  latinae  linguae  tardarn  clarain  et  di- 
stiiictam  perpetuo  urgeant:  vitia  corri^rant,  t  t  in  scribendo  orthographiam 
Icgitimani  obsorvcnt.  Nam  plerique  in  itiferiuribus  classibus  pessiine 
pronunciant;  dum  uequc  Spiritus,  neque  aerentus  et  distinctioncs  observant: 
et  istsk  3^a>.;i.ccia  dcinde  in  prima  classe  admodum  difficolter  etiam  cum 
iactora  temporis  emendantnr.  Hic  mvltifariam  a  eollegis  peccatnr, 
partim  ex  insdtia,  partim  vero  negligentia:  nt  in  ezamioationibtts  de- 
iwebenditor. 

9.  Styli  purioris  et  clcgantioris  maiorem  rationem  habeant:  e 
Cicer[oi)c],  Caesare,  Salustio  et  similibus  argumenta  cum  emendationibus. 
non  ex  antiqaa  Bibliomm  venionet  vel  ex  postillis  semibarbaris  desn- 
mantur. 

10.  Examinationes  liinae  quotauuis  institui  possunt.  una  privata, 
altera  publica:  sed  it&  ut  progressiones  semel  tauluni  adniittantur: 
quo  pueii  in  cnriis  inferioribna  Grammaticae  regulas  eo  melius  percipiant 
et  cum  fructa  ad  anperiores  tiibna  ascendere  poasint. 

lt.  In  primam  classem  ex  aecunda  nemo  recipiatnr:  nisi  qui  latinae 
Grammaticae  regulas  omnes  perdidicerit,  et  in  Graeca,  paradigroa  decli* 
nationnm  et  coningationum  cum  regulis  necessariis  callnerit:  idque  facile 

fini  ))oterit,  si  et  praeceptor  snas  boras  fidcliter  compleverit,  et  disci|)iili 
domcsticns  lucobrationes  cum  obedientia  et  diligentia  scbolastira 
coniunxerint. 

12.  Cum  iioiiiiuUi  hactenus  in  docendo  admoihun  tanle  progressi 
sint:  et  propter  z'iy^y^u.  atque  absentiam  (quam  tumoii  impudeater  negant, 
licet  lippis  et  tonsoribus  uota  sit)  in  bonis  autoribus  cum  iactura  tcmpuris 
et  pneromm,  paacos  versus  obiter  tantnm  abaolverint:  D.  scholarchae 
postbac  singulis  certom  pensum  proponant»  quo  et  de  praeceptorum  et 
disdpulorum  praesentia  et  assiduitate  constet.  Nam  pancitas  lectionum 
et  repetitionum  Tel  crebram  absentiam  vcl  praescntis  negligentiam  nruMiit 
magnam.  Et  quod  interdum  a  eollegis  negligitur,  id  ab  imperitis  vel 
invidis  et  malcvolis,  Rr-i  tori  imputatur:  sicnti  in  privativa  inspoctiono  olim 
factum  et  adhuc  Hcri  solet.   Verum  »v^tv^ü  novae  et  positivae  iuspectioiiis 


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1,  WeliMiladie  Sehiilordnmig  von  1610.  Von  Ludwig  W«ntg«r.  7 


focile  indicabitp  quid  distenk  um  lupinis.  Telioi  igitar  tntiqiia  iam  anti- 
qairi  et  non  renoTari:  praeserlim  eam  Toritas  narrationiim  saepo  adalta- 
i^lnr,  et  miitca  pro  Elepbaato  oMrodator:  Diacos  intn  moroa  peceatnr 
et  extra. 

1^'.  I,ectione8  rlassis  primae  et  minui  et  mutari  possunt:  nt>  anditores 
obniauitur  et  iustas  querolas  do  moltitudine  ad  alios  effuudere  queant 
iiut  in  cxerritationibtis  styli  Graminatici  et  Ulmtorioi  impediaiitur :  Cum 
plerique  siut  peregriui  et  dura  premuutur  Servitute  iu  suis  liospitiis.  Quo 
fit»  at  domesticae  IncnbraUo&ea  raiiorea  aint  et  aaqiiiia  a  lectiMlboa 
pvblicis  abeaae  eogantor. 

14.  De  Nomendatore  latino  et  graeco  per  onuies  clasaea  deliberan- 
dum  pato.  Dialogoa  latmi  aennonte  et  elegaatiaa  in  qnarta  daiae 
habemus. 

1.').  Conipcndium  Mellen  rcmovendum  et  vcl  Crusii  vel  Gollii  in 
scholam  inlrodutt-udum  esse  censeo.  Eius  prima  tiiociiiia  in  fiirirta  curia 
inchoari,  in  tcrtia  et  secnnda  continiiari  et  plura  in  declinatiombus,  coniu- 
gationibus  ac  reguliä  addi,  iu  pniua  rcgolae  omues  cum  iu  Etymologia, 
tum  syntaxi  absolvi  possunt. 

16.  Translatione  sen  progreasione  imtitiita  pniewptorea  nq^riorea 
Semper  per  mensem  nnnm  vel  altenim  repetant  ea,  qnae  in  Inferioii  daase 
didicenint,  ne  ezddant,  ant  sapeiiora  addiscaotar  inferioribna  neglectia  et 
oblivioni  tmditis.  Hinc  cnim  ficri  potest»  nt  in  examinationibus  supcriores 
clasaes  ignorent  rudimeotu  GrammaticeSf  qnae  in  inferioribus  didicerunt. 
Ilinc  etiam  illa  eantilena  absoim  col!'^"nn!rn  infrrionini,  quando  cloriantnr 
SUDS  (liäci})uln::»  maius  in  pracceptis  grammaticae  opcrae  pretlum  fecisse 
sccundanis  tcrtianis  et  quartanis. 

17.  Prosodia  Claii  in  secunda  classe  iuclioauda  \nietur:  ita  ut 
vulgares  et  usitatas  rcgulas  edL$cere  iubcautur.  Iu  primaui  classem 
Dialectica  et  Khetorica  Loasii  post  examinationem  invehatnr  et 
Compendinm  aliqnod  theologicnm  meis  qnaestionibns  sobaütuatar  pro 
arbitrio. 

18.  In  ultima  classe  Grammatirae  tirocinia  et  Cati  cliisnii  exerdta- 
tlones  mainri  indusfria  sunt  instituenda:  alia  negoria  in  aliud  tempus 
reücioTuia,  nec  oscitanter  oftiriuni  faciendum,  ut  hactenus  factum. 

19.  MinoH's  spu  pusilli  alpUabetarii  non  sunt  confundendi  rum 
suporinribns  propter  iucelium,  scd  suo  praocf^ptori  relinqucndi:  ne 
in  declinatiomim  et  cr>niu^ati()num  paradignialis  sujioriores  impc- 
diautur,  et  aptions  ad  quintam  classen»  in  progrossioailm.s  «'Hiriantur. 

20.  Tertia  clasiis  cum  qimrta  coniungenda  videtur:  quo  srcundani 
in  utraque  Grammatica  et  caeteris  Icctionibus  lelicius  et  cxpeditius  pru- 
grediantnr,  et  cum  fructu  in  primam  dassem  traducantur.  Nam  inter 
caeteras  causas,  de  qnibua  supra»  haec  non  niininia  fitit:  quod  rarietate 
leetionnm  nnlla  praesertim  antegressa  praemeditatione  et  i^iarum  renini 
occupationibus  distradua  praeceptor  ignavos  snos  et  negligentea  disripuloa 


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8       llilteiliusB&  «LGea.  t  deutsche  Bnielnin^-  u.  SduilgeBch.  VJSW 


ad  miiiorem  libenlium  artiam  notidani  perdueere  non  potaeriL  Qaae 

etiani  mnsa  me  movet,  ut  posthac  novitios  primae  classis  in  secnadam 
remittere  non  cogitem,  cum  ibi  in  Grammaücis  nnllam  progresüonem  per- 
sentiscam. 

21.  Ad  musicam  tradendam  et  exercendam  liactenos  Cantori  intimie 
classis  pracccptor  alter  adiunctus  foit:  sed  iuterim  iutiuü  fueruut  ueglecti. 
Caator  itaque  solvs  doceat  ot  exerceat  musicam  et  in  moderanda  voce 
ac  sonis  Tel  vocibus  distribnendis  deztre  saos  informet 

23.  Giammatica  Stropbii,  quae  conftisio&em  et  impedimentum 
haetemia  attalit,  extnrbetnr  et  Grammatica  Philippi  malor  secondanis  pfo- 
ponatnr:  ex  qua  regolas  necessatias  et  faciliorea  cum  suis  ezceptionibas 
diBcant. 

23.  In  tertia  et   qaarta  classe  compendium  latinae  Grammatieae 

bactenas  receptrim  rptincatur.  In  Graeca  docliimtiones  simplices  una  nm 
rinrui  tritim  vocom  proponantur  et  ut  lecüouis  graecae  fuadamenta  fideliter 
iaciant,  curator. 

[24].*)  Discipulorum  absentiaiii  teinerariaiii  rt  arbitmriam  gravius 
plectant:  nec  facile  schedis  illorum  fictis  et  fucalis  babeuut  bduin.  Nec 
locum  habeat  iUud  xpr^jf  j^etov,  ut  dicuut:  uuluut  obtemperare  pueri, 
pareotes  oienduntur:  diadpali  bonae  indolis  a  studiis  abstenentur,  et  si 
quae  sunt  aliae  frirolae  ezcusationes:  quia  praeeeptoris  est  non  tantnm 
docere,  sed  etiam  disciplinam  obaerfare  et  pueroram  commoda  respicere: 
quod  a  seguibus  et  osdtantibns  praeceptoribus  minime  fieri  solet 

(25)  .  Non  singuli  suae  tantum  classis  disciplinam  sibi  commendatam 

liabcant:  praesertim  in  pnblicis  eongressibus,  sed  Universum  coetnm 
scbolastirum  diligentius  obsenrent,  praesertim  in  templo,  plateis  et  funemm 
dedurtinnibus:  ubi  in  illorum  praesentia  magna  est  dis(  ipulomm  öi-rt-h: 
de  qua  iiiulti  quf^runtur,  ot  qunm  ipspiiiet  ib  prehendo  quotics  ordo  inspcr- 
tioniö  niki  püscit,  ut  diebus  Jovis  et  Solis:  ubi  tanta  est  morum  ljar!).'iiii  ?, 
tantus  motus  et  strepitus,  tanta  discursatio,  ut  in  illa  ( umpescctida  M;iu- 
menter  sit  laborandum  et  desudandum.  Si  Oollegae  caeteris  diebus, 
qaibns  soli  templam  ingrediuntnr,  facerent  officium  et  in  turbatores. 
discnrsores  et  nugatores  animadverterent  pro  ratione  delictomm:  nostra 
discipUna  non  laboraret  et  multis  ego  molestiis  sublevarer,  nec  etiam 
tot  iniquas  vocntas  parentom,  qui  seTeritatem  meam  traducunt,  andire 
cogerer. 

[26)  .  Ne  sint  pueris  etiam  raolcsti  exigi'nda  poouniaria  mulcta,  aut 
praetextu  alterius  rei,  dum  pro  iiv^Tcsi^n  honoraria  tiadfant  ab  omnibus 
sine  discriniino,  disccdcntibus  tostimonla  offenint  ceifa  ijeninin,  et  alias 
niiras  teclmas  nummos  extor  inrmii  iiiv(  niuiit.  Hinc  jKiiTiitrs  vehementer 
offenduntur  quotidianis  cxactiouibus  et  ad  veiba  parüui  idonea  contra 
scholara  effutienda  impelluntur:  dnm  scholam  quaestuaiiara  institoriam  et 

*)  Verschrieben  steht  im  Originale  25  u.  a.  w. 


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I.  WeiuuuriBche  Sdinlordnung  von  1610.  Von  Ludwijp  Weniger.  9 


nmomacam  dictitant:  tenoioris  eti«m  fortonte  hoimnes  rapn  modnni 
oBeraotar. 

|27].  Didactram  sive  Minervale  collegae  a  peregrinis  ne  poscant, 
aut  eos  ad  solutionem  illius  adigant,  quia  istud  nccideiis  ad  salarium 
Rectoris  pertinet,  sed  a  civibu«;  exigant,  ea  tamen  moderatione,  qna  par  et 
aequum  est,  ne  ultra  modum  prodeant 

[28].  Disciplina  scholastira  in  exercitationibus  }>ii  tatis,  niüdostiac  at 
doctrinae  negligentcr  et  oscitantcr  Iiactenus  adiaiiiistrata  iuit,  dum  a  \nc- 
dbns  rcligiosis,  a  sacris  concionibus  et  lectionibus  sese  temere  subducentes 
minqtiam  vel  raro  meritis  poenis  snbiecerant,  et  ea  in  re  Tel  &Torem  et 
gratiam,  vel  mnnnsciila  respexemnt  Quare  serio  Ulis  mandandam.  nt 
posthac  accaratiorem  iUina  liabeant  raüonem.  Kam  pleriqae  hoc  nomine 
odio  proaeqnnntiir  me,  qnasi  ego  solus  suos  filiolos  in  ordinem  cogere  ac 
fcrulae  subjicerc  velira:  cum  mcae  dassis  non  sint  auditores,  et  caeteri 
ooUcgac  illonim  mortis  et  studia  facile  ferro  possint.  Hinc  etiam  nascitur 
iliud,  quod  in  iiift  rioi  ilms  tribubus  licentiae  assueti  postca  ad  primam 
curlaia  evecti,  severioreiii  culculum  et  censuram  ferre  recusent,  et  hinc 
discedere  malint,  quam  morum  barbarie  et  in  studüs  negligentia  deposita 
ad  meliorem  fragem  sese  recipere. 

[29J.  Majorem  etiam  in  noanallis  desidero  obedientiam.  praesertim 
in  its»  qoae  acholae  rationes  respiciant.  Nam  a  me  hnmaniter  appellati 
et  moniti,  nt  diUgentiara  in  docendo  et  conaerranda  disciplina  debita  adbi- 
bereut,  ne  Gymnasium  hoc  malo  andiret,  ex  süentio  et  vnltu  et  subsecntls 
coUoqoiis  ilLoium  animadverti :  meam  privatam  et  separatem  admonitionem 
pnrnm  gratatn  e^so,  et  aliud  tiiliil  cfücere,  nisi  conspirationem  contra  me 
et  varios  apud  alios  caiamnias  et  criminationes. 

|?>0j.  Rixae  et  contcntiones  odto^ae  rollegarum  (Nam  nuUa  mihi 
cum  ipsis  privat a  iutercedunt  iui^ria)  per  quam  multos  annos  srholam 
nostram  del'ormaiites,  et  tani  docti  inam  quam  disriiiliuaui  lubefactaiilct, 
omniuo  sub  gravi  pocna  üunt  interdicenda.  Sunt  «  tiim  quidam  a  sui^ 
affecttbng  tantopere  absorpti,  nt  pnblicae  paris  et  concordiae  caasa  nallum 
Terbnlnm  impmdenter  elapsnm  degintire  possint  et  sunm  illud  cacol^thes 
alionim  exemplis  speciose  excnsare  snaqne  enormia  9?40.^«r«  proisus  aut 
extennare  sciant,  nt  nibil  iam  dicam,  qnod  snas  exorbitationes,  suam  ab- 
sentiam  et  negligentiam  per  sammam  contumeliam  apud  ali<»s  mihi  imputare 
noti  oniVicsratit :  vrnim  a-ko'Ms  vestra  posthac  nnllo  negotio  mendacium  a 
veritate  disr-  riicrr  ]M)terit. 

In  ti  !nj>l.>  ]ir!i(>c*'ptores  pietate  ac  religiosis  moribus  lininiin 
pracbeant  exempluiu  disLipulij,.  omucs  una  ingrediautur  et  ujodcsliam 
cuetus  srholastici  procurcnt,  intcr  concionandum  et  orandum  nun  Icgant 
ant  scribant  aliena,  pneros  nngantes.  tnmnltnantes,  dormientes  et  discar« 
rentes  observent  et  excnrrendi  illis  temere  copiam  non  fadant.  Hic  multa 
desiderantar  et  pleraque  omnia,  quae  bic  pneris  non  sunt  coneedenda,  a 
coUegis  designantnr,  praesertim  me  absente.    Alter  praeceptor  sextae 


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10     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deateche  Bniehunge-  v.  Sehulgeeclt  vm. 


dsssls  ad  legendua  diBciplinam  pornm  aptu  eit  jj^jiteraiimm  dafectnni. 
Gonsvltnm  itaqae  esset,  ut  alter,  qni  etiam  libenlias  habet  Stipendium 
infinios  [?]  pusillos  ad  istum  rhonim  ronütaretnr,  ne  tanta  esset  confaaio 

et  qucrelanim  tandeni  finis  sequeretur. 

|321.  Intor  docendum  coram  pnoris  alios  praeceptores  eommque 
(lisciplinani  et  ddctrinnm  non  traducaiit  et  rarpant  atque  aatoritatem  Ulis 
detrahant:  qiii;i  in  contemptum  collof^aruni  et  laxation^m  disriplinae  hoc 
cadit.  Nam  pucri  äxfit^t«  luborantes  suuin  tantuiu  praeceptoreiii  colent  et 
metuetit»  caeteros  snsqne  deqne  habebnut. 

[33].  Nec  etiam  aliarnm  classiam  discipulos  blandis  verbis  ad  se 
pertinhant  expiscaturi  quid  praereptores  loquantor,  doeeant.  agant»  vel 
illos  tanquam  dandestlnos  Gorycaeos  constitaant  snoram  praeceptoram. 
Kam  illft  res  ad  animornm  distractionem  et  pneronim  oontnmaciam 
ac  pctulantiam  facit:  ut  taceam  iUos  ad  mendacia  et  proditiones 
assucfieri. 

f;U).  Concionatorps  pro  sngfo^tn  v.ot\  carpant  scholac  statrnn,  sed 
paitiuos  cf  rivcs  muneaut.  deiit  operaiu  quod  (?)  tilii  t»t  aiii  percgriui 
cum  domesticas  repetitiones  et  lucubrationes  instituaat,  tum  crebrius  tcmplum 
et  scholam  ingrcdiaatur.  Kam  publicis  istis  velllcationibus  idiotae  et 
eexpcToi  ad  eontemptam  scbolae  et  praeceptoram  instigantar  ntqni  nitro 
nostram  gymnaaiom  in  Antieyram  ablegatnm  Telient. 

II. 

Cor  numeru»  bcholai^tiooruiu  luaioruui  et  iieregriuorum 
decrescere  vldeatur. 

1.  Quia  iam  plurcs  novae  scbolae  in  vicinia  extructae  et  iu- 
choatae  sunt,  nbi  bonestns  reeeptns  et  hospitium  gi  atuitnm  datur. 

2.  Quia  fatalis  caiamitas  omnes  tarn  pnblicas  quam  privatas  scbolas 
invasit,  cum  et  doctrina  et  discipUna  prior  sordeat. 

3.  Qnia  mntationes  et  alternationes  scholasticoram  non  sunt  novaet 
sed  admodom  retostae  nec  nostrae  propria  sed  mnltis  commonlB«  cum 
et  respnblirac  literariae,  non  tantnm  eii^es,  snas  babeant  conversiones 
periodicas  et  tam  annos  quam  mcuses  suos  climactericos. 

1.  Quia  in  cl;!««ibns  iiiferioribii?  ad  veram  diligentiain  et  obo- 
dientiam  ac  iiuMlcstiam  nun  cxcitantur  ut  ])ar  erat.  Hinr  priinani  facti 
antiquum  obtinere  voluut,  cum  in  vita  et  moribuä  tum  ia  discendi  ratioiie: 
iuliibitiones  et  castigationts  admittere  uuluiit,  sed  alibi  'fatvviivr^v  licentiani 
pluris  faciunt,  quam  piam  et  salutarem  vitioram  correctionem  in  nostra 
schola. 

5.  Quia  pauca  snnt  bospitia  liberalia  et  gratoita  eaque  sie 
comparata,  nt  saepenumcro  disciplinae  scholasticae  debitum  reddere 
neqnoant  :  (luamvls  in  barbaris  moribns  etiam  intetdum  culpa  baereat. 

6.  Quia  post  luem  contagiosam  lama  apnd  exteros  sparsa  est, 
honestum  et  liberalem  locum  Tinariae  peregrinis  non  amplius  dari. 


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1.  Weimsriadie  Sdnilordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  11 


7.  Qaia  non  tatitnin  occapationilmt  domettidB,  verum  etiam  exemplis 
malii  et  negligentia  dominornm  a  tcbola  abatrahantnr. 

8.  Qaia  licentiam  et  prava  eodalicia  rifl^diori  et  contractiorl  di«ci* 
plinae  longa  praefenmt. 

9.  Qaia  patativa  et  privativa  Gymnasü  noatn  autpectio  harnm  reram 
fere  omninm  causa  e«t  praecipna.  Kectoris  vel  doctrina  vel  diaciplina  eat 
causa  per  arcidens:  cum  nemo  di-cipnloruin  bona  conscientia  nisi  ab  nliis 
sednctua  vel  instigatua  de  paucitate  lectionum,  quarum  tortiam  partcm 
reddere  nequeunt,  conqueri  possit:  inspinantnr  lectiones  et  puertinun 
progreaäus  explorentar:  haud  dubie  aiiigulorum  pracceptorum  excuaationea 
Tel  vacillabunt  vel  luatificabuntar. 

M.  G.  S.  lt.  Sch.  Vi:') 


Ueberblicken  wir  den  Berieht  des  Rektors,  so  stellt  8i(^ 
allerdiugs  heraus,  dass  die  Zustände  an  der  Weimaiiechen  Schule 
damals  keineswegs  erf^uliche  waren.  Die  Lehrer  thaten  nicht 
ihre  Pflicht.  Sie  Hessen  es  an  gewissenhaftem  Bleisse  fehlen,  kamen 
unvorbereitet  in  die  Klassen»  trieben  wAhrend  des  Unterrichts 
Privatangelegenheiten,  fehlten  ohne  Entschuldiguug,  hielten  den 
Lehrplan  nicht  ein  und  erreichten  infolge  dessen  auch  nicht  die 
Ziele.  Die  Zucht  war  schlaif;  man  liess  vieles  durch,  brauchte  die 
Schiller  auch  zu  Privatgeschäften.  Jeder  kümmerte  sich  nur  um  seine 
eigene  Klasse  und  liess  bei  den  Schülern  der  andern  jeden  Unfüg 
geschehen,  als  ob  sie  ihn  nichto  angingen.  Daher  trat  bei  dem 
öffentlichen  Auftreten  des  ganzen  Coetus,  das  damals,  bei  dem 
engeren  Zusammenhange  mit  gottesdiensäicben  Handlungen,  in  der 
Kirche,  lieim  Singen  vor  den  HSusern,  bei  Hochzeiten  und  Leichen- 
begängnisscD,  häufiger  stattfand,  als  jetzt,  eine  Zuchtlosigkeit  an 
den  Tag,  die  den  Ruf  der  Schule  schädigen  musste.  Der  TToktor 
wurde  nicht  als  Vorgesetzter  gebührend  geachtet,  im  Kollegium 
herrschten  ärgerliche  Streitigkeiten.  Den  Schtilern  wurden  unter 
nichtigen  Verwänden  Geldzahlungen  zugemutet  und  dadurch  mancher 
Verdruss  bei  den  Kitern  erregt.  Die  Geistlichen  erlaubten  sich  die 
Zustände  der  Schule  auf  der  Kanzel  zu  kriti8ier<^n  und  setzten 
sie  riaflnrc'h  in  den  Augen  der  (Jemeindo  hernb.  Aik  h  di*'  Eltorn 
hieittii  die  Knnbon  nicht  zum  Srhtilbesuch  iiiul  zur  Krlülliiiii:  ilinT 
Schulj)llirluen  an.  Die  Auswäiti<;rii  fanden  wt'nij:^  tl'ite  (^uarliere 
und  blieben  sich  vioil'acli  -s<'ll»st  ilberlasscn.  K.s  kam  dazu,  dass 
eiue  ansteckende  Krankheit  (vielleicht  die  l'esl)  in  den  letzten 
Jahren  den  Aufenthalt  in  Weimar  lu  Misskredit  gebracht  hatte. 

*)  D.  i.  Magister  Georgltia  Sabhuber  Bector  Bcholne  Vinariensia. 


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12     Mitteilimgeii  d.  Gee.  f.  deutacshe  Bisiehungs-  u.  SchulgeMh.  VIIL 


Auch  im  Unterricht  selbst  blieb  vieles  zu  "wttnsehen.  Bie  Aus^ 
spräche  war  schlecht,  besonders  in  den  Unterklassen.  Im  La- 
teinischen behalf,  man  sich  mit  ungeeigneten  Vorbildern:  die 
klassischen  Muster  der  Prosaiker  des  goldenen  Zeitalters  Hess  man 
unbeachtet.  Ueberhaupt  lagen  die  Studien  ebenso  danieder,  wie 
die  Sitten. 

Man  sieht,  dass,  wenn  nnr  die  H&lfte  dieser  EUagen  begrOndet 
war,  eine  gründliche  Besserung  der  Verhaltnisse  dringend  not  that 
BasB  auch  der  Rektor  seiner  Pflicht  nicht  gehörig  nachkam,  bezeugt 
ein  Schreiben  des  Superintendenten  Probua  vom  16.  Juni  1604,  in 
dem  über  «Bes  Schulmeisters  ftrgerUches  Saufen"  geklagt  wird.^ 
Im  Jabre  1606  sollte  er  sich  wegen  dreitägiger  Versäumnis  einen 
Hausarrest  gefallen  Inssr  n.') 

Durch  welche  Mittel  man  nun  den  ud erfreulichen  ZustHiideu 
abzuhelfen  gedachte,  zeigt  die  neue  Schulordnung  vom  Jahre  1610. 
Sie  steht  in  einem  alten  Urkundenbuche  des  Weimarlschcn  Gym- 
nasiums, da.s.  lange  verschwunden,  im  Jabre  1891  auf  dem  Chore 
der  Stadtkirche  wieder  aufgefunden  worden  ist,  und  über  <I.is  wir 
im  Osterprogrammo  des  Weimarischen  Gymnasiums  von  1892  aus- 
führlirlier  berichtet  haben.  Das  in  diesem  Buche  auf  lilatt  4  ff. 
abschrilllieli  mit^^etoiltf»  Aktenstück  trägt  die  Uebei-schiil'i  .Leges 
s-cholasticae  j  Pro  srlKda  Vinariensi,  Praeceptores  potissitiiimi  ot 
.sciiulaictias  concerueutes''  und  besteht  aus  fünf  vei'schiedenen  Ab- 
sclmitten. 

Der  erste  enthält  in  lateinischer  S|»raclie  den  Eutwuri"  einer 
Organisation  der  Schule,  die  man  als  .Sehulverfassuug'*  bezeichnen 
kann.  Er  trügt  die  üntei  schrill  ^Miuibtri  Ecclesiae  et  senatuc; 
Vinarieusis"  ohne  Datum.  Dieser  Entwurf  wurde  dem  Kurfürsten 
Christian  II.  uis  vonnundschaftlichem  Regenten  eingereieiit  nnter 
üinMeis  auf  die  alliiemeineu  Klagen  über  die  Schule,  deren  kürz- 
lich erfolgte  \  issitatiüu,  den  darüber  an  den  Kurfürsten  erstatteten 

')  Grossherzoglichos  Archiv  H.  'J942b. 

-I  Im  Htf^dtiscb. I  II  Hist.  Archiv  1,  27,  54  findet  sich  Knnzt'pt  und 
Heinachritt,  tolgender  Veriügung:  „Uieweil  M.  Goorgius  Balzhubor  Hector 
Scholae  ohne  Vorwiflsen  des  Horrn  Superintendenten  vudt  des  Raths  alhier 
als  Scholae  Inspectoribm,  vonn  hindäimen  abgerdaset,  vndt  ganxer  drey 
Tags  aich  aoderweut  ohne  Uhrsachen  vonn  der  Schneien,  wie  vor  dessean 
auch  zum  offtern  f^oi^chohen.  abscntirot.  als  wirdt  doinsclbi^MMi  hiermit 
auferlof^et,  dag  er  «ich  der  Schuolon  hitiföriior  cisornii.  vnntil  in  dor  Schnel- 
wuhuuug  bid8  aui  t'eruoru  beHcheldt  inuüu  bullen  Hulle,  darnach  er  sich 
hatte  aue  achtenn.  Slgnatum  Weimar  denn  22.  Ifariii  Ao.  1606.  |  Antonina 
Protnia  Doetor  vnd  Superintend.  m.  p.  |  Oemeldt  |?]  |  DerRattb  sue  Weymar." 


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1.  Weinukrlsehe  Sdralordnnng  ▼on  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  13 


Bericht  «od  demen  erfblgton  Auftrag.  Den  Inhalt  bilden :  t.  Eiine 
Instruktioik  des  Beictors  und  der  Lehrer;  2.  Allgenieine  Weisungen 
Uber  die  Lehrart;  3.  Allgemeine  Weisungen  Aber  die  sittliche  Er- 
ziehung der  Schiller  (darin  auch  die  jährliche  Auflllhrung  einer 
lateinischen  Komödie);  4.  Die  Einrichtung  einer  halbjährlichen 
schriftlichen  und  mündlichen  ölTentlichen  Prüfung  mit  schriftlicher 
Zensierung  der  Leistungen»  und  einer  jährlichen  Versetzung.  Nach 
jeder  Prüfung  soll  den  Lehrern  die  Unterrichtsaufgabe  des  nächsten 
Halbjahrs  vorgeschrieben  werden;  5.  Die  Zusammensetzung  der 
nächsten  Aufsichtsbehörde,  des  Scholatchats,  und  deren  Obliegen- 
heiten. 

Den  zweiten  Abschnitt  bildet  die  unter  dem  13.  August  1310 
erteilte  Bestätigung  des  mitgeteilten  Entwurfs  durch  EurfUrst 
Christian  II.  in  deutscher  Sprache.  Danach  soll  genannte  Ver- 
fassung feierlich  (d.  i  wohl  Ton  der  B^zel  der  Stadtkirche)  ver- 
öffentlicht werden.  Die  Mitglieder  der  Aufsichtsbehörde  werden 
ernannt,  ni&mlich  zwei  aus  der  Geistlichkeit,  zwei  aus  dem  Stadtrat, 
zwei  aus  der  Bürgerschaft;  ausserdem  soll  Superintendent  Lange 
standiger  Oberaufseher  sein.  Zu  den  Prüfungen  soll  jedesmal  ein 
fürstlicher  Rat  abgeordnet  werden,  auch  sollen  die  Scholarchen 
alle  halben  Jahre  gleich  nach  der  Prüfung  Beriebt  erstatten. 

Als  dritter  Abschnitt  folgen  wieder  lateinisch  Leges  Scholas 
Vinariensis  in  2  Kapiteln,  betreffend  1.  Zucht  und  Sitten;  2.  Unter- 
richt und  Lemweise,  nftmlich  die  allgemeinen  Pflichten  des  Fleisses 
und  das  Verhalten  im  Unterricht  Das  Ganze  entspricht  aUo  dem, 
was  wir  jetzt  als  «Schulgesetze"  bezeichnen. 

An  diese  Schulgesetze  schliesst  sich  als  vierter  Abschnitt 
(im  Urkundenbuche  durch  eine  leere  Seite  vom  Vorhergehenden 
getrennt)  ein  allgemein  gehaltener  deutsch  abgefasster  Entwurf 
eines  Lehrplans,  der  zwar  die  Ueberschrift  trfigt:  ,Ad  latinae 
linguae  in  aoluta  et  ligata  oratione  cognitionem  gehöret,**  aber  sich 
nicht  blos  auf  das  Lateinische,  sondern  auch  das  Griechische, 
Dialektik  und  Rhetorik  lieziebt  und  ohne  genauere  Abgrenzung  der 
Klassen  (mit  Ausnahme  der  Prima)  in  17  Abschnitten  den  Unter- 
richtsgang von  unten  nach  oben  vorschreibt.  Angehängt  sind  in 
Form  einer  Note  Vorschlage  über  einzelne  Punkte,  darunter 
Enipfelüung  des  Rechenunterriehts  unter  Hinweis  auf  die  kurfOrst< 
liehe  Schulordnung. 

Als  fünfter  Abschnitt  gehört  hierher  der  im  Urkundenbuche 
nach  einem  Zwischenräume  von  8  leeren  Biattejm  aufgezeichnete 


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14     Mitteilungen  d.  Gee.  t  deutache  Bnlehung»-  u.  SehulgoaclL  vm. 


Stundenplan  von  1610,  der  die  Ausfttfarung  des  allgemeinen  Lehr- 
plans darstellt.      Wir  lassen  mm  den  Wortlaut  folgen: 

U.B.  Fol.  4.  LE(;ES  SlHOL.iSiK  K 

Pro  schola  YinAiieniti,  Praccepteres  potiitüluium  et  i^eliolarcliag 

eeaceraeates. 

Qaandoqnidem  cum  ex  commani  querela,  tarn  prorima  echolae 
TinarienBia  vidtatione  9fdk^aat  in  ea  nonnaUa  deprehenderimns,  eaqne  Sere- 
lUBaiinoElectoriSaxoniaeDomjno  noatro  dem^iitiaaimo,  aicutüpain»  eelaitndo 
Dobis  iniunxent,  ezposaerimns:  Ferro  nobia  mandatnm  e<t,  ut  leges  scbo- 

lastiras  conscribereraus,  quaruni  sancta  et  accarata  observatione  apparena 
malum  non  soluin  <  '^rngi,  sed  ctiam  in  posterum  tetra  ronfnsio  ceu  prae- 
sentissima  et  communis  puerorum  et  adolescentum  pcrnii  iea  pniecaveri  et 
averti  possit.  Nos  itaque  officii  et  dobitae  b«mili*5iiiu'  subicrtioiiis,  nec 
uon  publicae  salutis  ratione  babita,  huic  iiianduto  obtentpcrare  debuimus 
ac  Toluimus. 

Hoc  vero  dum  meditaremar  et  de  modo  cogitaremas  eurem  nobis 
vellicabat  sapienüssimna  Rex  Salomen,  qui  Proverb.  22  t.  28  graviter 
moaet:  Ne  transferas  terminoa  aotiqnoa,  qaos  pOBaeiunt  patres  tai.  Qua« 

propter,  ne  vel  vetemm  sanctioaea  aniiquare,  vel  novas  condere  velle 
videremur,  id  saltem  hac  vice  corrigere  \ oluiinus.  qnod  non  tarn  ex  legum 
defectu,  qnnm  oanindcm  neglcrtu  in  jx-ius  ruisso  dopreliendimus. 

Tsta  vorn,  quae  iiistauratione  seu  redintegratiune  opus  babeiit,  quiuque 
i-apitibu.s  (Oinprchendi  poäsunt. 

Primo  eniro  Rector  aeholae  et  coUegae  eaeteri  in  instum  et  decen- 
tem  ordinem  redigendi.  Deinde  mam  cuique  pensnm  et  operarum  tele 
assignanda  est.  Tertio  aererior  in  scbolanostra  pietatis  etmorum  cenaura 
inatitaenda  et  augenda  est  Quailum  Inatrationes  eolmnea  aeu  exaroina 
concemit.  Qointum  vero  acholarcbas  et  diligeatem  legum  euatodiam. 

De  prImo  eflcio 
acilleet  Beeterla  ei  GeUeganiH. 

Reetor  8<^lae,  cum  dax  Sit  et  antesignanus  totiua  chori  acholaatici, 
pietate  in  DEVM  scria,  gravitate  decenti,  honesta  morum  gabeniatione, 
teniperantia   et  sobrietatc  auctoritatem  suani  tueatur,  eamque  siugulari 

humnnitate  ita  temperet,  nt  non  solum  discipuli,  veniin  ctiam  rollegae 
omnes  ipsum  diligant,  obscrvciit  et  revereantur.  l'ateniurn  itaque  cum 
erga  diäcipulus,  tum  coUaboratuies  amorem  et  diligentiam  non  solum  in 
Icctionibus,  sed  etiam  universi  corporis  scholastici  gubernatione  ab  ipso 
rcquirimus,  ac  proinde  rariaalme  eum  a  achola  abesse  T<riinmaa.  Quod 
ai  gravea  forsan  eaaaae  interdum  ipsum  avocent,  inspectoribns  et  soho< 
larchis  eaa  exponat. 

1)  Abgedruckt  in  der  Abhandlung  „liatichius,  Kiomayer  otc."  I.  Zoit- 
schrift  fQr  Thnring.  Geachiehte  XVIII,  1896,  8. 246  f.  in  abweichender,  dem 
Stundenpläne  von  1644  anbequemter  Ordnung. 


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1.  Weimurische  bchulordnuug^>.4^oii,16Ji^,   .V^it^Ludwig  Weniger.  15 

Totuiu  corpus  scholasticum  iuxta  leges  et  hasce  constitutioaes  regat, 
neqae  latnm  ungaem  ab  ijs  ausu  proprio  defleetat  Si  qnae  vero  indderiot, 
qaa»  Hma  et  emendatione  opns  habere  Tidebnntiir,  illa  extemplo  inspectO' 
rOnu  et  acholarctaia  rignifieiÄit^). 

Singalis  diebns  «tatim  andita  hora  Reetor  non  solam 
praesto  sit,  ted  omnes  etlam  inapiciat  classeB,  et  operum  det^ 
iit  unusqutsquc  tcmpestive  opprarnm  telnm  auspirotur.  Qua- 
propter  neiniiiein  ex  collegis  vcl  unius  Imnilae  spatiuin  absque 
Rectnris  venia  et  permissu  a  scijala  abesse  vel  statioaem  suam 
aliud  agendo  desererc  vcl  negligcre  volumus.  Rector  Bcholae 
nostrae  habenas  ita  moderabitur,  ut  et  collegis  coeteris  sua  cuique  saita 
tecta  maneat  anctoiitas,  utqae  acholastid  non  solnm  praeeeptores  snae 
elaadB,  sed  omnes  pariter,  etiam  inferiornm  tribaum,  praeeertim 
in  templo,  in  plateis  et  congreisibaa  publicit  observent  et 
roTereantiir.  Quod  si  forte  aliqaid  in  uno  vel  altera  collega  anfanad' 
veraione  vel  ;i(lnionitiono  dignum  obscrvaverit,  de  eo  privatim  ac 
renioti«!  subitris  ilhim  moneat,  nc,  si  intemprstivc  et  coram 
coft  u  sclidlast  iro  id  fiat,  p  rae  (  e  j)  t  o  li  pariat  coutetuptum,  ethac 
ratidiie  piuU  rvia  et  contumacia  üchulabtioorum  alatur. 

Concordiae  invicein  studeant  omncs,  hac  cuioi  vel  sola  molcstias  la- 
bomm  tadle  Buperabnnt,  et  Dominos  mandabit  desoper  benedictionem  et 
Titam  nsque  in  secnlnm.  Lites  itaqne  inter  collegas  Lndimoderator  neqoe 
ipse  serat,  neque  alibi  subortas  crescere  sinot:  sed  simnl  ac  apparnerint 
in  herba  conterat»  Tel  componendas  scholarchis  exponat 

Caput  secuuüuai 
De  doceadl  rattone« 

Ad  opera  cum  Rectoiis,  tnm  hypodidascalonim  quod  attinet, 
requirtanns  ab  omnibns  pietatem»  fidelitatem»  dexteritatem  et  assiduitatom, 
ita  nt  xp'i^!^^'        *-*vni  Epichanno  tradidisse  vere  et  cum  laude  propriae 

conadentiae  approbatione,  aiidiant  Spartam  itaque  unnsquisquc  i^iiam  urnet. 
Cumqiie  singiilanini  rlassium  lortiones  rertis  schematibus  delineatac  siiit 
illam  bypntypo'iin  arettratc  iibiinn«  ob«orvari  volumus.  Niilla  itaqitr  miitatio 
insalutatis  Sclinl.ircbis  (mtaiula.  I'raeceptorc«  d(»ini  b'rtiduo  niitfiuain 
discipulis  jMupoiiaut  praemeditciitur.  Opcram  iiupiimib  dabuot  PratM  cptotvs, 
ut  praect'ptiont's  Grammaticas  ita  pueris  tradaut  et  inculccut,  ut  cas 
matare  imbibant,  et  integre  suo  quisque  loco  et  ordine  ediscant. 

In  Gnarratione  vero  anthorum  ita  versentar,  nt  pneris  praxis  Gram- 
malicae  praedpae  monstretur  quo  ad  imitationem  probatorani  antboram 
et  loqttt  et  scribere  possint  Dictata  itaqne  £-:£f.o7f««  «al  MEpcpx«  cen  sto* 
diorum  remorao  <^  temporis  pemidosa  dispendia  inpostemm  intermittantur. 
Qnae  vcro  ad  ouiusris  authoris  verum  ac  gcnninum  intellectum  inonstrandum 
et  illustraadam  necessaria  sunt,  ea  paucissimis  aunotaada  subjjciautur. 

*)  Da«  gesperrt  Gedruckte  rot  nnterstricben. 


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16     IBtteUnngen  d.  Gm.  f.  deutedie  Eniehongs- «.  Schulgeseh.  Vin. 


Utqne  memofiMD  omiis  seieDtiu  ^  «mdittoiifs  IhetMurani  a  teneiis 
exeolaat,  et  copiam  idoneomm  verboram  in  ntraqne  ÜDgiia  sehola«  nostiae 
difcipnU  sibi  comparent.  Lectiones  omnas  memoriae  mandabnnt  Qaa  in 
re  tamenea  iageniomm  babenda  est  ratio,  ne  Icctionam  prolixitato  obraantar, 
et  privs  odisse  literas,  quam  diligere  et  nmpli  rti  incipiant,  Styli  porro 
exprritinm  in  utraque  lincnia  cnm  in  nrosa,  tum  ligata  oratione,  praeceptores 
sedulo  urgoant.  et  singulari'm  industriam  ft  diligpiitiam  adhibeant.  ut 
disfipuli  non  sdIuih  praeceptioiii's  riraiiimaticas,  verum  etiam  ea,  quae  ex 
bouis  auloribuij  audivcrt'  ad  usum  trausferrc  et  imitari  discant.  Uac  iii 
ratione  nttUam  diUgemiam  nalhrnque  rtadfam  et  operam  nimiam  vel 
snpervaeaoeam  esse  eerto  tibi  penuadeant.  Gamditatem  et  veniacali 
sermonis  abasam  in  ichola  in  dasaibos  soperioiibus  laline  loqaeodi  oou* 
saetadine  refrenabnnt  et  corrigoit  In  lectionnm  recitaüonibna  haed» 
tationee  csnbras,  nimiam  linguae  volabilitatem,  uisnsnrrationes,  libromm 
inspectiones  et  id  genus  alia,  Pmo^cptorcs  in  disdpnlis  non  feraat,  sed 
sab  poena  scbolastica  hisce  omnibus  iaterdicant. 

Capat  tertiam 
De  Mornm  gaberiiatione. 

De  morum  civilitate  elegantes  (luidcm  et  pi-ac<lari  extant  libelli: 
loterim  tarnen  paucos  hoc  tempore  reperias  srholasticos,  qui  exemplo  illos 
exprimere,  vitamquc  ac  mores  ad  pietatem  ac  libtiestatem  componere 
studeant.  Reotorem  itaque  et  collegas  coeteros  act  uratos  et  graves  morum 
ceusores  deinceps  esse  yolumus.  Qui  cnim  in  litteris  profidt  et  in  moribas 
defidt,  iUe  plus  defedsse,  quam  profedase  rede  dicitur.  PmeceploFes 
igitnr  pia  et  honesta  monun  gabematione  toti  coetnl  echolastloo  praehiceaiit, 
et  caveant  sednlo,  ne  qnid  impiaair  barbamm  aut  illiberale  diedpali  de 
ipsis  vel  videant  vel  aadiant.  Discipnlos  postea  adhortentur  scrio,  ut 
p^)tati  studeant,  concioues  et  lectiones  sacras  attente  audiant  1 1  discant. 
inque  assiduis  poenitentiae  et  invocationis  exercitiis  ad  mmn  transferant, 
mcruin  honestate  domi  forisque  vitain  liierariam  oment:  Et  in  vestitu, 
iiK  ( ssu,  sermone,  risu  et  univcrsi  corporis  habitu  ita  sc  gerant,  ut  lucu- 
lentum  discrimeu  inter  lioniiiien»  barbarum  *al  «RflrfJwwv  et  a  literis  hnma* 
nioribus  esdusum  nppareat.  Qaod  d  qnid  indecori  in  aUqao  obaervaTorint» 
verbis  id  ipsum  statim  emendent:  qnae  n  floccipenderint  contnmaciores» 
vlrgA  castigatiomB  stnltitiam  e  cordibns  taiium  puerorum  exterminabnnt: 
boc  enim  sapientiBsimi  Regie  8q>ien8  consUinm  est  Proverb.  22. 

Et  ne  Praeceptorcs  latcat,  quales  se  ipsnrnm  discipiiU  etiam  illis 
absentibus  gcrere  snleaiit:  coriracos  ^nh  firtc  sileutii  et  reddeiidae  rationis 
stihoment:  qui  veiboruni  petulaiitiam  et  iiiorum  barburicm  uotent,  et  ad 
praiceptores  sclieilulis  ronsiuiiataia  dei'erant,  ut  in  transgressores  pro 
dolifti  ratione  animadvertere  possint.  Curaque  secundum  Quiutülanuin 
}»erluceant  mores  et  quodammodo  ex  oratione  cognoscantnr,  et  notam  Sit 
Henandri  dictam:  TpdT^c  fo9'  6  Ttährt  xt»  }i]f0VTO€,  lA  Xiijos,  Praeceptoree  snos 
diedpulos  aesnefaciant,  ut  decenter  et  ilextre  in  publioo  loqni  et  sibi 


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1.  Weimarische  Schulorduuug  von  lülO.   Von  Ludwig  Weniger.  17 


coRimissa  sulerter  exequi  &>tudeaut:  euui  m  üoeia  amgulis  annis  discipulos 
snOB  Imtrandos  qnui  fieetor  in  theatnim  prodaeet  et  eomoediam  publioe 
spectandam  exldbelnt  latinam,  quam  cum  oonsilio  inspectorum  elagerit 
FInilo  examiM  pnblico  honflstae  ncnatioDia  gratta  id  fiel  «»iimiodiBaiiiie. 

Taput  f|nartiim 
De  Exauiloibu»  et  rrouiutiouibim* 

Bina  qaidem  examina  quut&nnis  instituenda  esse  censemas,  suffu  iat 
vern  iina  piieronnn  ex  infcrioribus  classibas  ad  supenores  tramilaüo:  £x- 
cipioutur  tarnen  hic  pueri  quorum 

Ingeniaüi  coelestc  suis  volocius  aunis 
Surgit,  et  ingratae  fert  male  damna  morae. 

PobUcam  togatoram  militaiii  Instrationein  seniper  piaecedat  privata 
»nguloram  diacipoloruiii  per  singularom  claasiuni  Praeceptores»  accurata 

explonitio  per  oinnes  Icctiones:  et  pr;i''cer)torcs  non  solum  anscnltare,  sed 
etiam  annotarc  dcbent  et  referre  in  peculiareni  lilirum')  aii  ciirn  usuin 
conhcieiidum,  quomodo  unusqiiibque  ex  'iualib»>t  Icctioiu-  responderit. 
Istuni  libruDi  postea  noa  cum  scripto  extempore  couipoäito  censorum  uculis 
subycient  in  publicu  examioe,  ut  eo  rcctius  et  certius  de  unius  coiusqae 
iodole»  diligentia  et  profeciu  indieare  posaint.  Examina  publica  Semper 
praecedente  die  Dominico  pablice  e  suggesta  Bignificari  debent^  et  cives 
qnicDnque  Tolnerint  isti  actui  Panegyrico  adease,  ad  enm  inTitari. 
liiberum  etiam  erlt  oninibus  ad  examen  publicum  acccdentibus.  quoscnnque 
voluerint  ex  scliolastir:,  intorrogare,  vcl  ex  lectionibus,  quas 
praccedt'iitp  vonipstri  audiverunt.  vnl  ex  scripfis,  quae  velati  specimen 
profet  tiis  exbiburrunt:  Xohimus  euini  in  cuiiisi[uo  gratiam  vd  .m  ribi  vcl 
quai-unque  ratione  aliquid  ücri:  rcspectus  per^onaruni  iiic  uullus  iiuquc 
malevolentiae  aut  odii  privati  ullos  esto.  Finitu  examine  Scholarchat' 
praeceptozibos  ttnioscuiusque  dassis  certnm  pmsam  seqnente  semestri  ab* 
solvendnm  distribnere  potemnt.  Gumque  dies  diem  docere  soleat,  Bector 
scbolae  et  GoUegae  coeteri  qoolibet  tempore,  cumprimis  vero  finiUs  ex- 
aminibUB  Srholarcliis  significent,  si  quid  detrimenti  Remp.  literariam 
rapere  animadverterint,  nt  matnre  de  remedys  idoneis  cogitatioaes 
suBcipiant. 

Caput  qnintum 
De  Seholarebis  et  eonun  oflleio. 

Scbolarcbae  qnatnor  constitoi  possent:  duo  ex  Ministerio:  et  duo  ex 
Senatu:  aljj  bis  duo  adiungantur  ex  faonestis  et  literatis  eiribus.  Officium 
herum  est,  nt  sint  custodos  legum :  quaproptcr  bini  singulis  mensibus  bis 
scholam  visitent  diebtts  identidcm  variatis  ac  diversis.  Scbolam  ingressi 
et  doctrinam  et  mores  observent,  et  de  omnibus  diligenter  sciscitentur, 

Damit  lat  unser  Urkundrabuch  selbst  gemeint 

lUtteUiufm  d.  Q«a.  t.  deutwbe  Eraieh.«  u.  Schialgeachiebte.  VllI  1  180K  O 


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18      Mitteiluagen  d.  Ges.  f.  deutBcho  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  Vill. 


rationemque  doceudi  ac  discciidi  cxplorent,  au  äit  legibus  tousentanea: 
PneeeptoreB  insnper  ac  discipulos,  si  forte  opus  esse  Tiderint,  officg  sni 
admoDeant»  neque  legee  acbolasücas  vHa  ratione  contemni  ant  lattefMtari 
patiaDtar.  Jndicea  denique  sint  ac  arbltri  n  vel  inter  CoUegas  Utas  ortae 
ftaerint,  vel  coatttmaeea  diadpuli  aat  eorum  parentes  praeceptoribna  litem 
moverint,  vel  alia  ratione  raoleati  Ulis  fueriot.  In  eiusmodi  cootrovertys 
et  motibus  intcrposita  snn  authoritat' ,  loj-mn  pt  scholae  aostrae  Praecep* 
tonunque  iutcgritatem  et  existiinatiouem  tueantur. 

Qnod  rolii[uum  est,  rogamns  aotenmm  fiiium  DEI,  Dominum  nostrum 
JESVM  CEKiSTVM,  ut  ipse  proptcr  sauctissiini  nominis  «sni  glorinm,  vulnera 
Ecdesiae  et  scholae  nostrae  sauet,  et  amoenuni  pietatis  et  umuigenae 
cruditionis  ^JTty-Tjptov  in  imc  urbe  manu  sua  plantet,  idque  contra  irapietatem, 
barbariem  et  dTa«f«v  C^Tlopicam  tueatnr.  Benedicat  etiam  ex  alto  cum 
docentiuin,  tarn  discentium  laboxibns,  ut  ez  scbolis  eeu  limpidissinus  bono- 
rom  fontibns  aalatares  rivuli  in  Eecleaiain  et  politias  longa  lateqne  deri- 
ventar.  Amen. 

Ifinistri  Eccleaiae  et  aenatus  Yinarienna. 


Twi  Clattea  Gaaden  ChriatiaB  der  ander 
BwCaof  ane  Sacliaaen»  JUIeh  Clere  Tsd  Bergk^  Chorflrat  Tiid  Tormaadt. 

Wirdige  vnd  woHplaite  lieben  andechtige  vnd  gctrewe,  das  vnsera 
iflngatlieben  gnedigsten  bevelich  die  aehr  nohtwendige  Correction  dea 
bieaigen  BChalwesens  betreffende,  ibr  eucb  eareaüieüa  nicbta  habt  erwinden 
lassen,  vod  etlicbe  Gapita»  weason  dch  nemlicb  Rector  vnd  GoUegae  gegen- 
einander, 50  dann  auch  gegen  die  ao  ibnen  anvertruwete  Jugend  Heydas 
in  docendo,  als  auch  forniatione  inorum  vnd  disciplin  betzeugen  sollen, 
Ingleichnnss  wie  die  Jehrlicben  Examina  vnd  trniisloc  ationcs  anzuestellen, 
vnd  was  sohliesslichcn  das  Anibt  drr  Srholari  hcn  sein  solle,  abgefasset, 
vnd  zue  Papier  gebraciil,  aucti  uns  ad  revideudum  vberschicket,  daran  ist 
VBB  TOB  £ttch  xae  sonderbabien  vnd  gnedigstcu  gefallen  geschehen.  Nicht 
swelvelnde,  der  Allmechtige  Gott  werde  diesen  Dingen  ein  gnediges  ge- 
deyea,  gltteklichen  nfltzlichen  fortgang  mildiglicben  verleilian»  damit  da^ 
durch  kQnfftigk  aein  Göttlieber  nähme  gepreiset,  auch  kircben,  aehnlen  vnd 
Policeyen  erbawet  werden  m<^oi. 

Haben  demnach  gemelte  Capita  von  anfang  bis  zum  ende,  durch 

vnsere  in  Vormundschaft  anhero  vcrordente  Cantzler  vnd  Käthe  lassen 
durchlesen,  vnd  dieweilen  wir  darbey  (ausser  was  vnten  der  Schnlan  hen 
halben  erwehnet  wird)  nichts  weiferc  zue  erinneru,  Ist  nunmehr  noch 
dieses  vbrigk,  das  solche  orduuag  lordcilichst  puhlicirt,  vnd  darüber 
vleissig  gehalten  werde.  Darauf  begehren  wir  nun  in  VorniundschaiTt  des 
weiland  Hoebgebomen  Farsten  vnseres  freundlichen  lieben  Tettem,  Bruders 
▼nd  Geuattera  Herrn  Jobanaen  Hertaogen  «ue  Sachsen  p.  loblicher  ga- 


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1.  Weinuu'ische  Schulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weuig«r.  19 


dechtnils  hinterlassener  junger  Hflrrschafft  hiermit,  ihr  wollet  gemelte  Capita 
(die  wir  Euch  denn  zue  dem  Intent  hierbey  wüdrumb  mit  zue  rürke 
senden)  vngesaumbt  gebflorlichea  ablesen  vnd  publicireu,  auch  ihnen  den 
MmbUicben  Schnelcollegis  mit  «rast  demaodim  Tod  aoferiegen,  das 
d&wleder  keiiier  bey  venneidnng  unserer  eusenten  Tognade»'  Tod  est* 
letmng  seines  diensta,  handeln  solle. 

Die  Scholarchen  belangende,  wollen  wir,  das  zwarten  ihr  M.  Lange 
perpetnus  inspector  sein  vnd  bleiben  sollet,  neben  Euch  aber  sollen  hier- 
mit zup  Scholarchen  bestellet,  vnd  verordnet  sein,  Erstlichen  ausm  Ministerio 
ihr  beide  Üiaconi  M.  Martinas  Kutilius  viid  M.  Elias  Sch^^nfeld,  folgends 
auss  den  Rahtspersonen  ihr  D.  Heinrich  Ludwi;;:  vnd  Johau  Kreich,  beide 
Bargemeistern,  vnd  sollet  ihr  ietzbenaute  hierüber  uuä  der  gemeinde  M. 
Joban  Heindrichen  rad  Hanss  Poppenden  JOngeni  sue  Eneh  aneziehen,  vnd 
ihnen  kratl  dieses  an  Tnsere  Stadt  befehlen,  das  sie  sich  dieses  wereks 
Tnterüuigett,  vnd  was  ihr  Ambt  mit  mch  bringen  wird,  der  gebOer  vnd 
fltnnn  besten  Verstände  nach,  neben  eneh  verrichten,  vnd  ihrestheils  die 
schulen  als  Seminaria  Ecclesiac  et  Reipublicae  Bestes  treulichst  befördern 
helffen  sollen.  Damit  aurli  vber  abgesetzten  Capitihns  vnd  andern  Legibus 
desto  steiffer  geh;  Itr  n  vnd  l)oides  dorentcs  als  discentes  desto  hesser  in 
(ifticio  erhalten  werden  niüegeu.  Als  seiud  wir  gemeinet,  zue  ieden  Examiui 
(aut  vorgehende  eure  ünterthenigstc  andeutungc)  icmands  aus  obbe- 
rürten  Unseren  in  Vormundschaft  Räthen  abzuordnen,  vnd  denselben  bey- 
wohnen  zu  lassen,  Vnd  sollet  Vns  ihr  die  scholarehae  aUe  halbe  ihar  nach 
gehaltenem  Ezamtne,  was  die  Praeceptores  gelesen,  vnd  wie  die  Jugend 
profidreft  euren  anslDhriichen  schriffUiehen  bericht  vorwenden.  Vber  das 
vnd  eudtlichen,  bevelilon  wir  auch  Enrh  in  gesambt  das  ihr  vber  vid- 
gedachter  neuer  Ordnung  mit  allem  Fleiss  lialtet,  kein  person  disfals  an- 
sehet, vnd  do  ihr  von  einem  vnd  dem  andern  Praeceptore  ichtwas,  wo- 
rinnen  er  nemlirhen  darwieder  handien  würde,  erfahren  vnd  iniM  n  werdet, 
denselben  im  lall  es  von  nöthen,  vns  vngescheuet  anzeiget,  vnd  vnserer 
ferneren  verordnungc  darauf  gewartet.  An  derac  allen  vollbringt  ihr  vnsem 
gnedigsten  willen,  vnd  snvoriessige  meinnnge.  Datnm  Weymar  am  13.  Augusti 

Anno  16ia  Wolff.^an-  So.umerfelt.    D  [?] 

Den  wirdigen  vnd  wullgclart^n  \'nsem  Ii»  hi  n  Andcchtigen  vnd  ge- 
treuen Herrn  Hoffpredi<.'(  r  vnd  Diaconi»,  auch  dem  Ralbe  zue  Weyinar, 

Ps.  1'6.  Augusti  Anuo  d.  1610. 


Legen  Schölte  Vlnariensls 
Disirlbnt»  in  dno  rapitn,  dlsctpltnam  et  doetrinam. 

Caput 

De  disciplina  et  iiioril>iis. 

1.  Cum  ]^rtiu^  rcliä^iüsa  >it  inultr  iniiiiiiini  virtutinii  rt  ipsius  fclicita- 
tis^  uec  tantum  huius  vitue,  verum  etiam  beutac  immortalitatis  promissiones 

2* 

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20      Mitteilun^^en  d.  üea.  f.  deutachc  Erziehungs-  u.  Schulgeäch.  Vill. 


habeat  luculentissimas:  omues  et  siiiguli  reip.  nostrae  literariae  cives, 
DEYM  Opt.  Max.  pie  et  devote  colanto,  diligunto»  metnonto  et  invocaato, 
et  fidnciam  snam  in  illo  solo  coUocanto,  Ooena  Dominica  saepe  atnntor. 
Nam  timor  Domini  inititun  sapieotiae. 

2.  Maae  et  vesperi  preces  pias  pro  felid  in  Stades  racceaan,  pro 
«onaervaidone  Eecleaiae  et  acholae,  pro  magiatratu,  ooncionatoiibns.  inspec- 
toribma,  parentibns,  Praeceptorilma  ad  DEVH  fnndnnto,  s.  aancto  DEI 
nomine  ne  abataator. 

3.  Conciones  sarras  et  preces  publicas  nc  negligunto;  dies  festos 
lectionibns  sacris  et  versioni  concionis  tribuuiitü:  subsellia,  parietes  vel 
picturas  atramento  ne  contummanto  vel  findunto  aut  dissecuiito. 

4.  Inter  orandum  et  concionandum  ne  nupantor.  ridento,  discurrunto, 
leguuto  aut  ridiculis  gestibus  ooetnm  turbanto,  aut  cubiti«?  aut  popliti- 
tibus  innituntor  et  fnlciuntor:  8e»l  uttentr,  modeste  et  religioso  cum  silen- 
tio  coucioiies  matutmiis  et  vespertinas  uudiuuto;  ad  aonitii  .lESV  proiuin- 
tiatum  Caput  nsdanto;  primae  et  secandae  curiae  disdpuli  etlam  exci« 
pionto  et  latlne  domi  reddonto. 

5.  Diebna  featis  omnes  scholaatici  acholara  ingrediuntor  panlo  ante 
aeciuidnm  polsam,  et  Erangelij  eiplicationem  attente  et  com  aitoitio  an* 
dinnto;  pottea  bin!  ac  biid  ordine  ac  abe  raorom  barbarie  ad 
templum  s>  sc  recipiunto,  per  scalas  sine  strepitn  pednm  ascendiuito,  loca 
seciuduni  classittm  ordinem  capite  aperto  occapaoto. 

6.  Ad  Mnsicam  fignralcm  a  cantore  vocati  omnes  sine  tergiversatione 
statim  snrgUDto,  et  sunvitatis  magis,  quam  clamoris  habita  ratione 
cnndnunto:  singuli  psalmorum  et  Evanj^ilionira  libros  secum 
ferentes  apertis  ci^itibus  pulpitam  sine  risu«  murmurc  et  garritu  circum- 
stanto. 

7.  E  templo  ante  finltam  eoncionem,  cantiones  et  preces, 
nisi  eztrema  urgeat  necesaitas,  ne  egreditintor,  aed  cum  nni- 
verao  coetn  modeste  in  gcholam  rerertnntor  et  Praeceptornn^ 
dimissionem  expectanto*), 

8.  Mane  ot  duodecima  omnes  sdiolustici  in  schola  ante  preces  in- 
choatas  adsunto,  et  ab  ijs  labores  suns  auspicantr>r. 

9.  Munditiem  in  vcstibtis  et  toto  corpore  diiigenter  scrvanto;  capilbis 
pectunto,  manus  et  facieui  abluuutu,  os  eluunto,  caloeos  exleieunfn.  crin«'> 
longiores  calamistratos  non  alunto,  vestes  coloris  varij  nun  usiirpanto: 
decenter  per  plateas  pallio  non  post  tergum  reiecto,  aut  brachio  nudato 
et  ezerto,  incedanto;  paedagogiaa  suas  fideliter  administranto;  hospitia 
inscio  Bectore  ne  mutante. 

10.  Practereantes  viros  graves^  concionatores»  senatores,  literato^. 
praeceptures  aut  bonestas  matronas  ac  virgines  cnpita  aperiuntoi  appellati 
7Tio(b  sto  i't  clare  respoadento,  titulo  honoris  et  dignitatis  una  com  gestibns- 

Das  gesperrt  Gedruckte  unterstrichen. 


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1.  Weimariaehe  Seluilordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  21 


decentüms  adhibifis:  Lapidibns  vel  globis  et  massia  niveia  caoea,  anseiea 
et  honunes  ne  petooto,  aat  in  tecta  et  fenestras  ea  iacalantor,  ant  per 
glaciem  foruntor. 

11.  In  plateis  aut  extra  portam  temere  ne  vagantor,  colludunto, 
aut  ab  nffirio  pictatis  et  honestatis  aliena  conscctantor,  aut  discipünam 
scholasticam  insectandi  occasionem  turbae  promiscuae  praebeuto; 
inprimis  in  funerum  deductionibus  uode&tiam,  ordinem  et  sUeatiain 
observanto. 

12.  Qui  pompas  nuptiales,  fanebrea  ant  alias  apectabunt  cavento 
petulantiam,  memorea  Terecandiae  et  matnre  ad  chonini  symphoidacom 
seae  confeninto«  anteqnam  sponsa  templnm  ingrediatar:  invitati  ad  nuptias 
propinqnornm  com  üliteratis  Hasicos  vel  inlerdia  vel  noctn  in  plateis 
ne  seqnimtor;  eompotationes,  Inxmn  vestinm  et  omnem  sconilitatem 
fuginnto. 

IH.  Scholaiii  iugressi  siiiguli  in  suas  classes  sesc  recipitinto,  ibi  cum 
silentio  liorain  prccationis  et  lectioiiis  expectantes;  ne  jicr  fenestras 
prospiciunto,  nun  per  subsellia  disi-urruuto,  tabulis  in^rripta  nun  deleuto. 
fontaces,  scainna.  cathedras,  parictes  cultris  non  discindunto,  perfodiunto, 
ant  aliud  damnam  infemnto  illis;  mnlto  minns  daves  adolteriiräs  habento: 
vel  pro  libria  cbartas  lasorias  vel  tesseras  importanto :  com  aeqnalibns 
sais  ne  rixantor,  lodnm  pro  sno  arbitrio  ne  deseronto. 

14.  Pugiones  et  cultros  grandiores  togati  nostri  militcs  ne  babento. 
sed  libris  et  reliquis  armis  ad  Musarum  castra  pertinentibus  iustnicti 
sunto,  quia  in  sc minario  religiosae  pietatis  et  iiteranim  humanionun  Martern 
dominari  nüluinus. 

If).  Elccmosynam  et  stipcni  oätiatim  petentes  currendo  per  civitatcm, 
vel  concentu  harmunico  victus  et  amictus  subsidia  quaereutes,  inprimis 
morum  sanctitaü  studento,  a  riids»  intempestivis  nugis.  alijsque  ineptgs 
abstinento»  in  canendo  vocis  mqderaüonem  et  saavitatem  observanto,  dads 
dnetum  et  tactum  seqnuntor:  praetereuntibna  et  nranascola  offorentibtts 
capita  cnm  gratiarum  actione  nndanto;  matnre  conveninnto  et  ante  nltimnm 
actom  sese  ne  subducunto. 

IH.  Ctistodcs  et  nioruin  censores  sive  aperti  sive  clandcstini  prirai 
suuto  in  classibus,  instnicti  requisitis  necessarijs,  conclavia  aperiunto  et 
clauduntu,  paviun  nta  et  pcrgulas  studiose  verrunto,  pulvcrein  e  libris  pu- 
blicis  cxcutiuntü,  surdes  et  quisquUias  in  locum  destinatuin  exportanto, 
fomaces  a  sordibns  mundanto,  telas  araneomm  abstergunto,  et  ne  quid 
damDi  coeteri  condisdpuli  domieilio  Mnsanim  inferant,  sednto  cavento: 
absentea,  tarde  venientes,  rixantes,  tnmultuantes,  et  vemacnlo  sermone 
ntentes,  annotanto. 

€apnt  aecaadom 
De  doetrina  sea  dtBoeadl  ratlone* 

1.  Qoi  in  prindp\|8  religiosae  doetrinae  et  coeteris  hnmaniomm 
literamm  Stüdes  magnum  operae  prettum  facere  et  tandem  in  censn  et 


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22     Blittailungfin  d.  Gm.  f.  deutMhe  Brtiehung»-  u.  Bchulgeaeh.  VUL 


wmeto  Ifteratomm  faaberi  enpit,  enm  laboris  et  molestliiiiim  qnotidiaiift- 
ram  nOD  oportet  esse  iinpAtileateiii,  sed  awidimin  et  Induatriom, 
tarn  in  schola  publica,  quam  intr»  prlTatos  et  domestieoa  paiietes. 

2.  Mane  igitur  surgonto,  et  operaa  anteliicanas  inprimis  memoriae 
ac  difiicilioribns  destinanto  meditationibus;  praemeditantor  suas  lectiones 

audif  ii  hi?,  quac  per  intogrnm  diem  in  schola  sunt  praestanda  probe 
expcniiunto,  et  ad  ea  i»u  pracparantn:  quo  deiude  a  meridie  bospitibos  suis 
in  necessarijs  operara  suam  locarc  possint. 

?>.  Cum  hora  praefinita  illos  iu  pulaci»tram  vcl  pulverem  literarium 
evocat,  libris  necessarijs  uääumptis  in  scbolam  seso  conferunto  ad  äuam 
coriam,  et  locum  a  Praeceptore  assiguatum  occupanto;  übros  cum  instra« 
mentia  reliqnis  depromnnto,  lectionem  vet  ezpoaeodam  Tel  reeftandam  all« 
qiioties  ant  aoll  tot  com  altero,  silentio  debito,  relegnnto. 

4.  A  Praeceptore  prodncti  et  inssi  reeitare,  interpretaii,  ezhibere 
qnippiam,  aine  tergireraaüone  id  üacinnto,  clare.  diatincte,  tarde  et  actiea- 
lata,  «ine  insnaoiratione,  danais  vel  depoaitis  libris,  eoram  caatigationcs 
aat  animadversiones  meritas  aequo  animo  ferunto;  eos  parentnm  loco 
bnbonto,  a  donatioDibns  et  Yeoditionibna  vel  libromm  vel  aliaram  reram 
abstinent  (1. 

5.  Argnmenta  latina  vel  graeca  iu  librum  peculiarem  refiTiinto, 
eumqne  sartum  tectum  servnnto,  ut  et  alios  libollos  auuutatioauia:  in 
reddendia  argumentia  pnritatem  et  latiuitatem  spectanto,  et  phrases  e 
lectionibns  petnnto;  diatinctionea  membromm  et  periodorom  et  nsnm 
latini  aeimonis  perpetno  obserranto,  aive  in  acbola,  aiTe  eztra  yersati 
ftierlnt, 

6.  Yaria  et  inutüia  csculenta,  ut  prona,  poma,  pyra  agrestia,  uures 
et  similia  primae  aetati  perniciosa,  non  importanto:  quia  ronsuetudo  ista 
non  tantum  valetudini  incommodat ,  sod  ctiam  studiorum  proq:ressu8  im- 
pedit,  et  crebra  natorae  reqoiaita  flagitat;  patamioa  ne  in  paTimeutuin 
ab\jcinnto. 

7.  In  exponendo  latino  vcl  gracco  aatore  ordinem  syntaxeos  sequun- 
tor:  lectionea  omnea  memoiiae  mandanto;  et  inprimis  regulas  Etymologiae 
et  SyntaxeoB  in  ntraqne  Grammatica  ad  nngnem  ediacnnto»  et  exempla 
regolannn  interpretari  diacnnto. 

8.  Gapita  pietatis,  Cateeheain,  Iioeoa  theologicoa,  Paalmoa,  precea 
latinaa  et  graeca.s,  cordi  et  curae  sibi  e»m  patiuntor. 

9.  In  orthographia  UHitafam  literanim  pi- tnram  obs'Tvanto,  affecta- 
taiii  illatu  et  Sabaudicaiii  fugiunto.  no  litcta  iiteram  scandat.  atit  ponatur 
una  pro  altera,  ravento:  verf*ion<'H  vcrnaculaw  ot  latina«,  a  pmcccjitdrilms 
data»  libris  autborum  no  illinunto,  prae^ertim  graecis:  quia  res  i^t« 
lectionem  graecamm  dictionam  depravat.  et  parit  ignaviam. 

10.  Äi  repetitionibna  priyatia  et  domeaticia  Incubrationibns,  ad  alios 
antorea  ne  fiat  progreaaio,  prinaqnam  ordinarija  lectionibna  aatia- 
fecerint:  vesperi  anteqnam  cubitnm  eant,  anccinctam  eonim  omninm. 


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I.  W«imariiebe  Scliulonliiwig  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  23 


qaae  per  totnm  diem  didicentnt,  egeront,  legenmt  oensaram  institiiiiiito, 
aecondttin  illad: 

Non  prius  in  dalcem  declinos  loinina  somnnm, 

Omnia  quam  longi  reputaveris  acta  diei. 

11.  Librum  in  quem  elegantes  sintcntiae  grueoap  vel  latinae 
referantnr,  sibi  comparanto,  et  quae  obiter  a  praeceptoribus,  vel  etiam  pro 
roncione  utiliter  e  patribus  addacuntur,  inscnbunto:  Lucos  communes 
colligunto;  slDgularia  et  rariura  in  authoribus  propositis  annotanto. 

12.  Noctamas  et  alias  intempestim  Incnbrationes  matnre  faginnto: 
tempns  dinnmm  bene  diapeiiaanto;  et  inprimis  matatinom  recte  coUocaato; 
oe  ingenia  ignaTo  otio  torpescant,  cavento. 

13.  Negligentes  scholaHtirr  ^  t  vagabundos  adolescentes  veluti  pestem 
certissimam  aversantor  et  fugiunto.  Studionim  vero  et  deieetationnm 
causa  horis  succisivi«  cum  indnstrija  et  bonis  rongrediuntor. 

14.  Didactrnm  conHtifutuiii  iusto  tempore  statim  post  receptionem 
ad  sex  menpea  solvunto,  et  peregrini  quidem  Rectori;  civea  vero  et  aolici 
collegia  tradunto. 

Haa  legea  nniTenaa  et  aingalaa  qnilibet  acliolaaticaa  amore  potiaa 
virtntit,  quam  formidlne  poenae  eoinmo  atndio  obaemt;  et  Becnndnia 
iUaa  totnm  vitae  snae  cardenlnm,  atadia  et  mores  inatitaat;  idqve  nt  per- 
ficere  poeait,  a  DEO  Opt.  Max:  qnotidiania  et  ardentibna  votia  apirttna 
aaacti  petat  anxilinm. 

AMEN. 


Ü.  B.  fol.  lö.  .\d  I:i1in;i'  liiisnw 

in  goluta  et  llt;ata  orationc  cognitionem  gehöret. 

T. 

Das  die  Knaben  vor  allen  Dingen  fertigk  vnd  redit  leinen  lesen, 
aneh  biemoder  die  gemeimten  Tocabnla  aiUBwendig  lernen  Tnd  all  meblich 
ad  pingendaa  litcras  gewobaet  werdean,  darbey  dann  die  Praeceptores 
inferionim  dassinm  sich  keine  mnbe  noeb  fleiss  soUenn  verdriessen  lassen. 

IL 

Hieraof  sollen  folgen  panuligmata  Dedinadonnm  et  conjugationum 
et  praecepta  Etymologica  «x  Donato  et  epitome  Graminatices  ex  Phiüppi 

Melaiichthonis  Grammatica  excerpta.  Dicss  buclilcin  solbnin  die  Knaben 
nd  ungucin  auss\Ncndig  lernen,  doch  inn  solcher  Ordnung,  wie  itzo  gemelt 
vnd  balt  folgenn  wird. 

m. 

Damit  sie  anch  den  Usum  mit  den  Fraeceptis  conjunglren,  vnd  an 
Torrath  lateinischer  woit  täglich  me  nehmen,  können  neben  dem  compen« 
dio  Grommaticea  den  kleineren  Knaben  Catechismns  Latinna,  Sententiae 
Solomottis,  Disticha  Gatonis,  vnd  die  CoUoqnia  pnerilia,  der  Bonns  dies 
genant  exponiret  vnd  ansswendig  zue  lernen  anfgegeben.  Sonderlich  aber 
die  infiexiones  nominum,  Pronominnm,  et  Teibomm  ans  angedeuteten 


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24    Mitteilung«!!  d.  Ges.  f.  deuteebe  Braiehonge*  u.  Scbnlgesch.  VIU. 


LecUonibiis  mit  ibnen  fleisig  getrieben  Tod  dabej  Paftinra  indeclinabDinm 
sigaificadones  gewiesen  auch  anas  einem  bewerten  Nomendatore  etlicbe 
Latein  wScbendtlich  annwendigk  me  leinen  aofgegeben  «erdean. 

IV. 

Wenn  sie  nu  Etymologiam  zimlichen  gefasset  vnd  in  Declinationibaa 
et  Conjugationibus  wohl  rjevbet,  auch  einen  Vorrath  lateinisi^her  worter 
gesamlet  haben,  Soll  ihnen  Syntaxis  aus  obenjorezoc^cneni  t^pitome  fleisig 
vnd  deutlich  gelesen,  mit  exempeln  dentsch  vnd  lateinisch  die  Re^iulae 
explicirot,  auch  dus  sie  dieselben  auswendigk  lernen  augchalten  werdenn. 

V. 

Hienieben  werc  es  im  Zeit,  das  den  Knaben  Epistolae  Ciceronis 
minores  et  faciliores  die  Fabulae  Camerar^  vnd  seine  Dialogi  in  quibns 
pora  latioitas,  gelesemi,  vnd  daraus  Urnen  wöebentlieh  ein  seriptum  gege- 
ben, fnd  wie  sie  sieb  ins  Tertiren  schidken  vnd  die  Praeceptioaes  Gramma- 
tices  ad  naam  transferiren  selten  Itlndlicb  Tnd  verstendlich  ibnen  gewiesen 
warde. 

VI. 

Es  sollen  auch  die  Knaben,  so  halt  da?  rxcrritinm  styli  mit  ihn<^n 
vorgenommen,  zum  Nachschla-^enn  angowiest  n  werden,  zue  wi  lchem  ende 
denn  liiertzn  dienliche  hUcher,  uls  Thesaurus  Fabri,  Lexicon  Tnliugae 
Sturmij  ion  der  Schuelen  beyhanden  sein  soltenn. 

vn. 

Weiiji  ühuii  die  schucler  ihr  Compendium  fedigk  geleniet,  auch 
congrue  ächreibeu  konten,  so  solte  Ihnen  denn  also  die  Grammatica 
Fldlippi  gelesen  ancb  die  TOrmmbsten  Auctores  in  Lingua  Latina  Cicero 
ynd  Terentins  interpretiret  vnd  an  sswendig  zne  lernen')  aufgegeben 
werden,  vnd  sollten  die  Praeceptores  in  enarratione  auelomm  nur  ad 
praxin  Grammatices  et  Latinae  linguae  proprietatem  et  elegantlam  sehen, 
vnd  alles  hiertzu  vndienlichen  dictirens  vnd  vnnotigen  memorirens 
sieb  gentzliub  enthaltenn. 

VIII. 

Es  mussten  nu  mehr  auch  den  Knabenn  etwas  schwerere  vnd  weit- 
leuftigore  Argumenta  gegebenn,  vnd  inn  allen  doliin  gesehen  werdenn,  das 
sie  ad  iinitatiouem  probatoram  Auctorum  schreiben  lemeten. 

IX. 

Inn  dieser  (Ihisse  konte  auch  die  Prnsodia  angefangen  vnd  Ihicolicn 
Virgilij  neben  einem  andern  Poeten  so  ein  rein  vnd  leicht  Elegiacum 
Carmen  geschrieben  gtlesenn,  oder  wochendlich  etliche  Versus  senten- 
tiosi  nach  der  Construction  versetzet  ihnen  nach  Verses  arih  zue- 
sammen  zae  bringen  vnd  damacb  anaswendig  sue  lernen  aufgegeben 
werden. 


*)  Das  Gesperrte  unterstrichen. 


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1.  Weiinariache  Sehahndnu  ng  von  1610.  Von  Ludwig  Weiiig«r.  25 


Eb  wül  aneli  na  melur  Zeit  sein  QrMcanim  decliDttionum  61  Coi^ii* 
gatioiimiL  Paradigmata  et  commiiiiioia  Orammaljees  Gnecaa  praecepta  ine 
traffiren.  5>(>  muste  auch  Ysus  gratia  neben  den  Giieehisehen  Catediiamo 
et  Evangclijs  DommicaUbos  Oratio  Isocratis  ad  Demonienm  Grammatice 
expUciret  werdeniL 

XI. 

Wenn  inn  iet2t  bcmeltnin  Lrrtinnihus  die  Knaben  wühl  gevbet.  die 
Praecepton's  aiirh  v«  nii<  rkcnu  wurüenn  cum  aetate  judicinm  in 
plerisqae  cresinre,  so  kömucnn  dieselben  ad  sapremam  Ciassem  cTcbiret 
werden. 

XU. 

Dabey  denn  woU  inn  acbt  sae  nebnienn  das  damit  nicht  zne 
eilen  sein  wolle,  sondern  allein  die  in  hanc  tribnra  in  erhebmn, 
so    ihre    Orammaücam  I^atinam  qno   ad  praecepla  gnungsam  ge- 

fa^^set,  dieselbige  tollerabiliter  ad  usum  transferiren  vnd  Grammatice 
schreiben  köntenn,  auch  in  gmeeis  leidliche  ioitia  hattenn  damit  sie  ad 
uberiorem  ingenii  cnltnm  capiendum  desto  geschickter  weronn,  vn«!  der 
Rector  nicht  mit  versaumuni,'  der  Maionim  fla--^  erst  verdriess  mit  ihnen 
treiben  muste,  das  sie  ex  intVrioribus  rlassiuu..  rnitbriugeim  sulU  n,  Prac- 
properae  enim  trunalationeb  puriunt  cunfusiont^ä  et  Praecepturibus 
aeque  ac  disdpnlis  non  honori  sunt  sed  oneri.  Et  vitinm  primae 
eonooctioniB  raro  corrigitnr  in  secvnda.  Ingegen  soll  anch  die  so  pro- 
motione  digni  propter  bonam  indolem  nicht  hindern,  sondern  vilmehr  vor 
andern  fordern. 

xin. 

In  suprema  Classe  wolte  nu  vomemblichen  neben  der  Doctrina 
pietatis,  davon  Oben,  vnd  was  nocli  in  Praeceptionibus  Grammaticis  der 
Rector  zue  trartiron  hctte,  praxis  Grammatires  zue  treiben  sein,  Erstlicii 
in  Classicis  Latinae  linguac  authoribus  Cicerone  et  Terentio  vnd  darnach 
in  styli  solutae  et  Poeticae  orationis  assiduo  exercitio,  et  Lutine  loqucnd 
familiari  consuetudinc.  Dazuc  denn  nicht  vndienlichcn  das  man  Veniaculae 
lingnae  notam  so  wobl  inn  dieser,  als  inferioribns  Qassibns»  darimien  exer- 
citiom  Latinae  lingnae  getrieben  wird«  anordnete. 

.  XIV. 

Hierneben  musten  Liüri  Aeueidos  Virgily,  Gramiuatice  explicirct 
Ynnd  die  schneier  ad  imitationem  angewiesen  werdenn,  Es  were  auch  nicht 
böse  wenn  Praeceptor  Elegiacam  Carmen  etwas  so  vor  die  Knaben  ex 
Ovidio  oder  einem  andern  gneten  poeten  dabey  gelesen  wurde. 

XV. 

Inn  dieser  Classe  solte  auch  nahn  ein  vollkommene  Grat>ca 
Granunatica  gelesenn»  vnd  propter  nsum  .  Liber  Qyracidis  Graece 
▼nd  dameben  ein  Pon  Hesiodns  oder  ein  ander  interpretiret  werdenn. 


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26     Mittenimgen  d.  Ges.  t  deot»*«  MifaB^  «.  UmIipmIl  VH. 


XVI. 

Es  kontenn  ancb  die  Majores  inn  dieser  Gtasse  woehentlich  etwas 

ex  Graeco  in  latinam  et  vice  versa  vertiren,  nebenn  denen  gewöhnlichen 
argnmonten,  so  nu  ino)ir  nach  gelegenheit  des  profcctos  et  jadicü  disceu- 
Üam  zne  Eriiohen  sein  wolltenn. 

XVII. 

Sonderliche  aber  konte  nahn  mehr  der  Eector  auch  mit  nut7.  Prae- 
cepta  Dialectices  et  Rhetorices  ex  quaestionibus  Lossij  et  Georgy  M«^oris 
den  Discipulis  primae  et  sapremae  Gassis  propooireii  vnd  mit 
exompUs  iUnrtrireii  das  sie  ad  Tervm  harom  artinm  nsmn  aageftlnet 
wnidenn. 

Not». 

1.  Hierbey  will  zne  bedenckenn  sein  weme  Lectio  prosodiae 
et   Poi^seos   vnder    dea  CoUegis  aofzaetragen?     Ob  nicht  Johaoni 

Webern. 

2.  Item  ob  nicht  dem  Cantori  die  Lectio  Musices  alleine  zue 
befehlen,  als  darauf  er  vomemblichen  bestellet  sich  auch  am  besten  darauf 
verstehet 

8.  Es  solle  aach  einer  Aritlmietices  initia  den  Knabenn  lesen,  Ob 
tticlit  Henriens  Koppe  od  der  Gonrector  dasne  zoe  gebrandienn?  Man 

könte  nach  anweisung  der  Churfttrstlichenn  Scbnel  -  Ordnung  Montag  die 
Stand  Tonn  12  biss  auf  eins  dartsne  nebmenn. 

L 

Anlangend  die  Mores  Sollenn  die  Praeceptores 
nicht  allein  mit  ihrem  eigenen  exempel  Sondern  anch  mit  vieisiger  auf 
acht  vnd  vattcriirher  Castigation  dieselbigenn  also  regiren,  ut  sint  honesti, 
et  scholasticis  digni 

U. 

Vnnd  dieweil  Sie  nicht  alletzeit  vad  aller  orter  vmb  die  Knabenn 
sein  küiincnu,  were  Sonderlich  bey  bewuster  groser  dissolutione  nicht 
vnnotig  das  mau  cor>'caeos  sub  fide  sUeuti^j  et  couditione  reddendue 
rationis  bestellet«,  so  die  «lonnia  notireten  Ynd  den  Praeeeptoribns 
wochenilicb  Tbergeben,  die  dann  nacb  befindnng  der  Vbermass  Vnzhnb* 
lieben  «tcess,  Erstiidi  mit  wortenn  sne  straiTen  Ynd  wo  dan  nicht  helffenn 
Woltem  mit  der  Bntthen  der  Znefat  denn  bosenn  wnrdenn  zne  Stenern 
wissen. 

III. 

Dieweil  aucli  viel  daran  gelegen  ist,  das  die  Knabenn  Vor  leuthen 
redenn  vnd  das  ihr  Fornilii  h  anbriengeim  vnti  ausrichten  lernen  so  snll 
iherlich  finito  cxamine  eine  coiuoedia  entweder  ex  ierenlio  oder  eine 
andere  nach  guet  acbtenn  der  inspectomm  agiret  werdenn.  welches  dann 
nicht  allein  ad  nsnm  Latinae  lingnae,  Sondern  anch  ad  eonformandos 
mores  sehr  dienlichenn  ist. 


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1.  'Waimarisclie  Sehidordiiiiiis  von  1610.  Von  Ludwig  Wonlger.  27 


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1.  Weimarische  Sebulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  29 


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1.  Weimariflche  Schulordnung  von  1610.   Von  Ludwig  Weniger.  31 


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32   .  Mitteiliuigeii  d.  Ges.  f.  dentaehe  ERdebung«*  n.  Scbulgesch.  VUL 


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evangelio 

Caput  ex 
catechismo 

cum  quaestio- 
nibus  rccitatur 

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Compend. 
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Nomen 

Lunae 

Comp. 
Gramm.legitur 

Catechismus 
Germ, 
rccitatur 

Psalmi 
recitantur 

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Grammat. 
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Martis 

Catechismus 
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stionibus 
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leguntur  et 

recitantur 

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Proces 

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Mercurij 

>xta. 

Grammatica 
legitur 

Catechismus 
Germ, 
rccitatur 

Psalmi 
recitantur 

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Compendium 
legitur 

Nomen 

Jovis 

Comp. 
Gramm.legitur 

Catechismus 
latinua 

Colloquia  pue- 
rilia  leguntur 

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,  Colloquia  pue- 
rilia  leguntur 

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Evancel.  cum 
Epidtola 
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1.  Weimarische  Schulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Wenigef.  SB 


Auf  den  folgenden  Blättern  des  Urkundenbuehes,  dem  wir  die 
Erhaltung  der  Schulordnung  und  des  Stundenplans  von  1610  ver* 
danken,  folgen  nun  (fol.  SO  bis  174)  die  SchfOerlisten;  die  Angaben 
Uber  den  durchgenommenen  LehrstolT  und  die  Zensuren  der  Schiller 
aller  Klassen  fttr  jeden  der  Lehrabschnitte,  Halbjahre  oder  Schul- 
jahre Ton  1610  bis  1617.  Diese  Mitteilungen  sind  flberaus  lehr- 
reich und  gew&hren  einen  ziemlich  genauen  Einblick  in  den  Unter- 
ricbtsbetrieb  der  gedachten  acht  Jahre.  Sie  sflmüich  abzudrucken 
würde  KU  weit  führen,  auch  wenn  man,  wie  sich  Ton  selbst  Ter* 
steht,  auf  die  Scbfllemamen  Torzichtet. 

Nicht  unwichtig  ist  aber  ein  Einblick  in  die  SchUlerzahl 
aller  Klassen,  die  wir  im  Nachstehenden  mitteilen.  Es  waren 


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27 

31   82  119  89 

387  , 

1.  Juni  1612 

16 

9 

12 

32  82  101  104 

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14.Dezemberl617 

21 

14 

30 

34     71  84 

257  , 

Ferner  wird 

wenigstens 

ein  Einblick  in 

den 

Betrieb  des 

ersten  Schuljahres,  vom  Fi-tilijahr  bis  zum  Herbst  1610  und  von 
da  an  bis  zum  I.Mai  1611,  willkommen  sein*),  wahrend  der  übrige 
Stoff  fUr  die  weitere  Darstellung  benutzt  werden  soll. 

Jlmifriiatlo  1«><-ti«*uDni  ab  «xniiiliiutione  venia  anno  ir»l(>  usque  ad 
autiuuuakMii  priiiiiie  cia»i»it>  discipall»;  propo.sitaruiu: 

1.  Ccnnpendium  Tlieoiogiae:  locus  de  scriptura  sarra.  —  2.  Preces 
et  symbola  graeca,  —  3.  Epistolae  et  Evangelia  gracca.  —  4.  Dialcctira 
Lossij:  nsque  ad  Praedicamenta.  —  5.  Rhetorica  Lossij:  usque  ad  status. 
6.  Isocratis  oratio  ad  Nicodem  ab  initio  usqne  ad  Terba  flla:  oTiav  uiicM|ac8« 
8tlv  ctvot  T«v  ifHwi  ^mOxintvvs  tat  t/^v  i:4Xiv,  «>s  ^fn],  itmxfysrm.  —  7.  Hesiodus- 
Opera  et  dies  ab  initio  versus  46.,  nltimus  est:  ^pr«  ß«wv  dn^^oiTo  xal 
T|jiH'5vti>v  raXotejjYuTv.  —  8.  Gnunniatica  Qraeca.  —  9.  Cato  Maior  Ciceronis: 
lectionis  primae  initium:  Xon  sunt  in  senertutc  vires?  finis:  Sed  quid  ego 
alios?  ad  me  ipsum  iam  revcrtar.  —  10.  0  rat  in  Cicoronis  pro  S.  Koscio, 
principiam:  Tametsi  boc  quidem  miuime  latet,  quud  ita  piomptom  est; 

Den  Berieht  vom  Herbete  1614  Uber  die  Sommerarbelt  haben  wir 
in  der  Abb.  Batlchiue,  Kromayer  etc.  II.  a.  0.  8.  872  ff.  abgedruckt. 

Mlltollmisvn  d.  Oes.  f.  deutsche  Bniefa.-  u.  SebulirBicbicbtei.  Till  1  1898. 


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84     Mitteilungen  d.  Gos.  f.  deutsche  ErziebuQj^ä-  u.  bchulgesch.  VIII. 


fiuis:  in  hac  vitu,  iudices,  quos  sumptus  <^uotidianos,  quas  efifusiuiies  ficri 
patatia.  —  11.  Qfammatiea  latiaa.  —  12.  Yirgilios  lib.  6.  Aeoeiil.  ab 
initio  venas  70;  iiltimns  est:  Lisüioam  featosqne  dies  de  nonÜDe  Pboebi. 

—  18.  Horatins.  Oda  secanda  et  decima. 

Lectiones  ^ecuaduuis  et  tertiatiis  h(»c  scmestrl  proitoisitae: 
1.  Catechismus  Latinus  toUis.  —  2.  Graecus  Lossij  totus.  — •  3.  In 
compendio  theologico  secondaal  octo  quaestiones  primi  lod,  tertiani  Tero 
decem  piimi  et  secnndi  didicernnt.  —  4.  Grammaücam  PbiUppi  a  verbo  ua- 
que  ad  fincm  aadWerunt.  —  5.  Slyataxis  tota.  —  6.  Septima  ecloga  Tir- 
gilü  cum  pnuü  Gramm,  et  prosodia.  —  7.  In  locis  Mnrmeliy  15  disticba, 

—  8.  In  Graeca  Grammat.  secundani  nomen  et  verbum,  declinationes 
simplices  et  rontractas.  verbum  in  artiva,  ])n>-siva  et  media  voce. 
Item  -oiiio  in  activa  taiituni.  'rerti.nii  vero  declinationc*?  >iinplires  cum 
conjagat  verbi  tjztw  ia  activa,  passiva  et  media  voce  didiceruut.  —  'J.  In 
Cicerone  primani  inferiores  cum  secundanis  7.  epistolas  lib.  13,  audiverunt. 

—  10.  In  Terentij  Eunucbü  ^dcm  cui^uuctim  duas  sccnas  videlicet  [?]  sep- 
ttmam  4.  et  prhnara  5.  actus.  Una  n.  bore  tantnm  in  septimana  mihi 
Gonceditur.  —  11.  Arithmetica  Pfscatorie  primanis  et  secnndanis  a  prin- 
cipio  nsqne  ad  mnltiplicationem  per  nnicam  boram  praelecta  est  — 
12.  Exerdtinm  poeticum  conionctim  andivenuit  primani  et  secundani. 

Beelgnatlo  leetlonam  ab  «xamlnatlone  Tema  nsqne  ad  antnnnalem  aane 
1610  pneris  qnartae  classts  propoaitamm. 

1.  Oateclüsmns  latinus  D.  Martini  Lathen  cum  explicatione  et  Tabula 
oeconomlca.  —  2.  Compeadinra  etymologiae  et  syntaxeos  totnm.  — 

3.  Epistolam  37.  3S.  39.  libri  I.  a  Sturmiu  selectaniin.  —  4.  Colloquia 
scholastica  Maturini  Corderij  28.  29.  30.  31.  32.  33.  lib.  I.  —  5.  Fabulae 
Aesopi  Camerarij.  1.  De  gallo  rcpcrtore  unionis.  2.  De  lupi»  et  agno. 
3.  De  muro  et  raua.  4.  Dr  rane  et  frusto  camis.  —  <i.  Distirlia  Catonis 
30.  31.  32.  33.  3-1.  30.  ijti.  37.  38.  lib.  I.  Hic  incipieiului  Quae  culpa 
sülcs  etc.  —  7.  Nomenciator  caput  12.  De  aedificijs;  continet  vocabula  138. 

—  8.  Evangelia  dominfcalia  cfim  disticbis  Stic^elij. 

Qaintaiionim  loctioiics  in  exainlno  autuninall  A.  WAO  recitatae: 
1.  Recitaveruiil  ratrcliisimiin  ironuaiiicum  totum  cum  ijnaestioiiibus 
D.  Koäiui.  —  2.  Quidaiji  Catrc  iiisiui  latiai  trin  priora  capita,  caeteri  priinum 
tantum  caput.  —  3.  Salomoiiis  provcrbiorum  capitis  21.  proverbium  priuium 
usque  ad  16.  —  4.  Gramroaticam  qnidaro  anperiomm  totam»  reliqai  nomen. 

—  6.  CoUoqniomm  pnerilium  coUoquinm  primnm  nsque  ad  9.  —  6.  Ca- 
tonis quaedam  diaticha.  —  7.  Nomeaclatoria  capnt  12. 

Gonsignatle  leetlonnm  aextae  classls  In  examine  autumnall  1610. 
1.  Cateclüsmaui  gcrmanicum  totum  cum  quaestionibus  Rusini  sape- 
riorea  mediocriter  recitare  noverunt.  —  2.  Decem  paalmoa  nempe  51.  53. 
Ö4.  61.  70.  72.  90.  91.^  93.  110.  memoriae  mandaruut.  —  3.  Tria  capita 


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1.  Weüuarisohe  Schulordnung  von  1610.   Von  Ludwig  Weniger.  35 


cx  N'omenclatore,  0.  et  7.  ex  veteri,  priinum  caput  ex  novo  recitare  didi- 
ceruut.  —  4.  Superiores  in  scribendo  et  iegeudo  mediocriter  se  exer- 
cneront. 


IlMiguatiu  leetiouum  al>  examioatione  autumnall  anno  UiUi.  asque  ad 
vernani  anno         dlscipnlig  prinme  dassls  proposltwmiii. 

1.  Ex  rompendio  sacro  «äocunüiini  locum  de  tloo  et  tertinm  de 
persona  Christi  ust^ue  ad  ijUiiestionem  30.  —  2.  Precationes  et 
^jmbola  graeca.    —    3.  Epistolae  et  evaagelia  latina  et  graeca. 

—  4.  Ex  Dialecticis  LoBsij  a  praedicamentis  vsqae  ad  postpraedi- 
camenta.  —  5.  Ez  Bbetoricis  einsdem  a  stattboa  vsqae  ad  genns  deli- 
beratiwin.  —  6.  Ex  Tirgil|j  üb.  6.  Aencid.  versas  192;  primns  est:  Te 
qttoque  magna  manent  regnis  penetralia  nostris,  ultimas:  Nuni  unimis  opus, 
Acnea,  nnnr  pi  i  tore  firmo.  —  7.  Ex  Horatij  Hb.  I.  rarm.  oda  12.  20.  22, 
ex  lib.  2.  carm.  oda  2.  10,  10.  —  8.  Ex  Hcsiodi  lib.  I.  operum  et  dicmm 
versus  91,  priinus  est:  Uli  'Ata  Expj-U  /'SKwAiw^f^x  tppe^lv  / :  v.  ultimus: 
o'jx  ihiwr^  iirA'j^zzi  Oeot;  ot  'UÄj;i.-"iv  l/ousiv.  —  Q.  Ex  oratioue  isotratis  ad 
Kicoclem  lectionis  primae  initnim:  libAtst«  U  dv  awt&c  iati  asMtov  r>'x^'f.Tfieir^i 
etc.,  finis:  mtpü  "iffi  ^iyyfi  ^Mcvvtv*  k"^^^  MxaXmf».  —  10.  Ex  Giceronia 
Catone  ICaiore  initinm  primae  lectioiiiB:  Primiim  haboi  aemper  aedales  etc; 
finis:  Potest  eiiim  qoicqoam  esse  absnrdiiis,  quam,  qno  mbiiui  viae  restat, 
eo  plus  viatid  qmaerere.  —  11.  Ex  oratione  Giceronis  pro  A.  Licinio 
Ardiia  poeta  exordium  et  narrationcm;  verba  ultima  sunt:  iit  domus,  qiiae 
hnic  ad«il<  sccntiao  primn  fucrit  cadem  esset  familiarisslma  senectuti.  • — 
12.  Excrcitium  utriusc^ue  Grainmatices. 

Leotlones  ab  exaiuiue  aututuuuli  t^ecuudauih  et  tertiauig  proposltae  IdlU 

1.  Gatechismns  latinus  totns.  —  2.  Gatechis.  graecns  Lossij  totas. 
3.  In  cnmpendio  theolofrico  scrundanis  a  secundo  usque  ad  5.  locum 
25  fin:\pst.;  Tertiani  vero  a  tertio  m(]nt}  ad  11.  lociim  80 
quaestioiii's  oniut.  ■ —  4.  Grainmatica  Pliil.   a  pritn  ipin   usque  ad 

verbura.  TLitiaiü  Epitomcn  audivcre.  —  5.  Syiitaxis  Iota.  —  G.  Octava 
ecloga  Tirgilij  cum  cxposit.  praxi  Gram,  et  prosodia.  —  7,  In  locis  Mur- 
meiy  38  disticba.  —  8.  In  graeca  grammat.  secandani  nomen,  prono.  et 
Terbnm,  decliuat  simpli.  et  contractas,  verb.  tvstio  in  act.,  pass.  et  media 
voce.  Item  ixUm  in  act.  voce  tantam.  Tertiani  vero  totum  compendium 
didioiTunt.  —  9.  In  Cicerone  secundani  10  episttdas  ex  lib.  1.'5.  audivere. 

—  10.  In  Terentij  Eunut  li.i  7  sccnas,  videl.  2.  3.  4,  5.  0.  7.  et  8.  actus  5. 

—  11,  In  Arithmefira  priinani  et  secundani  multiplira*.  divis.  prnfir<"^sinnTim 
arith.  et  geomc!.  item  regulam  de  tri  audiveruul  ]><  r  imam  linr.  in  septi- 
mana.  —  12.  Exer<  itium  puetn  am  primaui  et  secundani  couiuuctim  iuxta 
ordioem  praeseriptum  tructaruut. 

8* 

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86     IfitteQiingQii  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehungs-  n.  Schulgescb.  Vin. 


QuartM  clMSIe  pnerl  tUb  eza»fauitloiie  antiuniiall  aaal  1910.  nqm  ad 

TeniaiB  tm.  I9ti  dldleerutt 

1.  GatecbiBmam  D.  Lathen  germanicum  et  latioum  cum  explieatione 

aliquoties  repetiverant,  addita  tabula  oeconomica.  —  2.  Epitomen  Gram- 
matices  semel  atque  itfimm  perdidiceriiDt.  —  ?>.  Regulas  syntaxeos  oinnes 
ad  unguem  recitant.  —  I.  Episfolam  Cireron.  'MK  10.  11.  12  \'\.  lib.  I. 
Sturmian.  mcmoriae  mandarunt  et  veniaculo  sermone  redüere  didicerunt. 
—  5.  Colloquium  sdiolnsticum  34.  35.  36.  37.  38.  39.  10.  11.  42.  43.  44. 
45.  4G.  47.  18.  lib.  I  CoUoqu.  Maturini  Corderg.  —  6.  Fabulam  Aesupi 
5.  6.  7.  8. 9,  10.  11.  12.  memoiiae  mandantnt  et  genuanice  reddere  di- 
diceront.  —  7.  Distichon  Gatoms  1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  9.  10.  11.  12. 13. 
14,  15.  16.  17.  18.  19.  20.  21.  22.  23.  lib.  I.  8.  Ex  nomenclatore 
Caput  13.  de  supeUeetile  domestica.  quod  continet  vocabula  144, 
cap.  14.  de  rc  equestri  et  militari  vocabula  53,  cap.  15.  de  instrumcntis 
üperariis  vocab.  255.  —  9.  Evnti{,'eli;i  dominicalifl  orania  cum  distichia 
Stigelij  exponere  et  grammatice  iuterpretari  didiceiuut. 

Qiintaaonw  leetteneai»  quaa  in  examiae  Tcnall  aa«l  1611.  redtaTenuL 
1.  Gatechismnm  gennanicom  totnm.  —  2.  Quiniine  capita  latini.  — 

3.  Proverbia  Salomonia  capitis  21.,  16. 17.  18.  19.  20.  21.  22.  23.  24.  25. 
26.  27.  28.  29,  80.  31.  —  4.  Grammaticam  totam.  —  5.  Colloquia  pueri- 
lia  ab  initio  usqne  ad  colloqninm  vii^esirnnm.  —  6.  Capita  aliquot  Nomen- 
chitoris.  —  7.  Disticha  quaedam  Catonis.  —  8.  Dicta  eTaugelioram  cum 
distichis  Stigeiy. 

CoBSlgaatie  lef^oaum  Inflsae  clusls  In  examine  venuilt  Uli. 

1.  Catechismum  Lntheri  germanicum  cum  quaestionibus  Rosini  tole- 
rabiliter  rccitare  novorunt.  —  2.  Viginti  psalmos  memoriae  mandaverunt, 
nempe  111.  113. 114. 120. 121. 123.  124.  125.  126.  127.  12S.  130.  131.  133. 
134.  137.  144.  146.  149.  150.  —  3.  In  Nomenclatore  septem  capita,  vide- 
licet  1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  mediocriter  rccitare  didicerunt.  —  4.  In  scribeiido 
et  legendo,  in  latina  et  vemaeiila  liugua  superiores  progressum  fecerunt 
non  poeoiteiidiuii. 

An  die  Angabe  des  durchgenommenen  Unterrichtsstoffes  der  Klasse 
sctaliesst  sich  im  Urknndenbuche  jedesmal  die  Zensierong  der  Schfller  an. 
Es  wird  nOtzlicb  sein,  aber  auch  genflgen,  wenn  wir  «In  einzelnes  Bebpiel 
herausheben.  Es  handelt  sich  um  den  Primauer  Johannes  Wachsmuth 
aus  Langensalza  im  Herbat  1610  (U.  B.  fol.  35  r.).  Am  Rande  steht  unter 
der  üeberschrift  Cnnsura  tronprnlis  vitue  t  t  morum:  Modeslu«!,  pius, 
obediens.  Res  anffusta  domi.  Diligeus:  re|)Ctitiones  privatas  uro  rationc 
temporis  vacui  satis  multas  instituit.  31eni(jria  felix.  ludicium  mpdiocre. 
Ingenium  felicissimum.  Vivit  aliena  quadra.  Bignus  meliore  fortuua  et 
promotione.  Im  Hauptraume:  Compendlum  Theologiae:  Bene. — Preces 
etsymbola  graeca:  Bene.  Bespondit.  —  Evangelia  et  Epistolae  Oraecae: 
Beete.  Dialectica  Los^j:  satisfecit.  —  Bhetoriea  l40ssy:  satisfedt.  — 


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1.  Weimariselie  Schulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger,  37 


JaocnteB:  tolorabills.  —  Hietiodus:  tolerabilia.  —  Grammatica  graeea: 

plcraqtie  tenet.  —  Cato  Maior  Cicoronis:  et  hie  probat iir,  —  Oratio 
Cicerunis  pro  S.  Rosv-io:  Satis  cummode.  —  Grammatica  lalina:  Parum 
desideratar.  —  Yirgilias:  tenet  oranes  versus.  —  Horatins:  Odas  daas 
didicit. 

Man  erkennt,  ilass  sich  die  Zensnr  der  Leistungen  zunächst  auf  das 
Ergebnis  der  Prafuiig  bezieht,  aus  der  sich  dann  aber  aiu  li  ;iuf  die  Arbeit 
des  Schülers  im  Halbjahr  schliessen  lüsst.  Entspreehend  ist  die  Beur- 
teilung jedes  Einzelnen  der  übrigen  Primaner.  Die  Zensur  der  Schüler  iu 
den  anderen  Klassen  ist  kürzer  abgemacht,  gewährt  aber  ebenfalls  wert- 
volle Elnblidte  in  den  Schulbetrieb. 


Gehen  wir  uun  auf  den  Inhalt  <i»'r  Schulordnung;  von  1610 
ein,  80  tliidot  sich  die  Bemerkiiiii;  in  der  Eingabe  des  ( ieibtlicheu 
MiniRteriuius  und  des  Stadtrats  (oben  8.  14).  da*?s  es  sich  nur 
xim  eine  Verbesserung,  nicht  um  eine  Erneueruii'j;  (l»'r  bestehenden 
Satzungen  handelt,  bestätigt.  Die  alte  Grundlage  ist  festgehalten, 
80  die  Unterrichtszeit  von  vormittags  im  Sommer,  von  7  bis 

10  im  Winter,  nachniiiuigis  von  12 — 3.  An  den  Mittwoch-  und 
Sonnabendnachmittagen  fällt  die  Schule  aus.  Der  Singunterricht 
liegt  in  der  Hand  des  Kantors  und  findet,  wie  aneh  schon  im 
Sächsischen  Schulplane  Melanchthons.  in  (ier  ersiun  Nathmilt<igs- 
ötunde  statt.  Ebenso  wird  an  den  schnftiicben  Uobungen  im 
lateinischem  Styl  jeden  Mittwoch  Vormittag  fUr  die  Klassen  Quarta 
bis  Prima  nach  wie  vor  festgehalten.  Die  KatechismusUbangen 
deutsch,  lateinisch,  griechisch,  je  nach  den  Klassen,  bilden  den 
Hauptteil  der  religiösen  Unterweisung;  die  Ferikopen  des  nächsten 
Sonntags  werden  gleichfalls  in  allen  Sprachen  gelernt.  Dialeictik 
und  Rhetorik  bleibt  der  Prima  vorbehalten;  Proeodie  und  lateinische 
Dichterlesung,  Terenz  und  Viigil.  beginnt  in  der  mit  Tertia  ver- 
einten  Secunda,  Hesiod  in  Prima.  In  den  Mittelklassen  bleiben 
Oiceros  Briefe  von  Sturm  eingeführt,  desgleichen  die  Aesopischen 
Fabeln  des  Camerarius,  in  Quarta  und  Quinta  Gates  Distichen,  in 
Quinta  auch  die  Provörbia  Salomonis. 

Wie  im  liOhrplane,  so  sind  auch  in  den  eigentlichen  Schul- 
gesetzen die  grundlegenden  Normen  von  1562  unveiindert  Die 
Schüler  sollen  Mh  aufstehen  imd  sich  für  den  Unterridit  vorbe- 
reiten,  nicht  in  die  Nacht  hinein  sitzen.  Die  Vorschriften  für  die 
Haltung  in  der  Khisse,  in  der  Kirclie.  anf  der  Strasse.  Überhaupt 
beim  uirent liehen  Auftreten,  insbesondere  bei  Hochzeiten,  die  Sauber- 
keit iu  der  Kleidung,  das  Verbot,  Watfen  zu  tragen,  die  £insetzung 


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S8      ICitteilangen  d.  Gm.  f.  deutsche  Bralehungs*  u.  ScbulgeBefa.  VIIL 


von  AiifseberD,  custodes  oder  oorycaei,  alles  das  begegnet  in  den 
Weisungen  von  1610  wie  in  denen  Ton  1562.  Auch  die  Auf- 
führung lateinischer  KomOdien,  die  bereits  Jo.  Wolf  eingeführt 
hatte,  wird  beibehalteD. 

Allein  auch  die  Klagen  und  BesserungsvorsohUge  Rektor 
S&lzh  Ubers  in  der  Eingabe  Ton  1610  (Nonnulla  crfoOifbara  etc. 
oben  S.  5  fi'.)  finden  mit  bewusster  Auswahl  Verwendung.  So  in 
dem  Abschnitte  de  primo  officio  !N  i  toris  et  Colleganmi  Ii  ■  Weisung, 
dass  kein  Lehrer  ohne  ilie  l^laubuis  des  Rektors  den  l'nterricht 
versäume  (ssoXfiaxal,  2,  12),  dass  die  Lehrer  nicht  blos  die  eii,M'nfMi 
Schüler,  sondern  auch  die  der  andern  Klassen  im  Auge  behalten 
sollen  (25,  28),  die  Mahnung  zur  Einigkeit  (30).  In  dem  Abschnitte 
de  docendi  ratione  wird  bestimmt,  dass  der  Lehrplan  festgehalten 
und  keine  Aenderung  ohne  Erlaubnis  dfr  Scholarchrn  vorircDommen 
werde  (4.  12),  dass  die  Lehrer  sicli  lUr  den  UnttM  rieht  vorbe- 
reiten fl).  Die  Verordnung  über  das  Lateinsprechrn  in  den 
obereil  Kla.ssen  (7).  über  die  deutliche  Aussprache  der  t>(hiiler 
(8),  ist  gleichfallfj  auf  Salzhuliers  IJericht  zurückzuführen.  In  dem 
Kapit«!  de  niorum  gubeniatione  tretlen  wir  eine  Hinweisung  auf 
das  gute  Beispiel  der  Lehrer  (31j,  über  Anstand  und  gute  Sitten 
auch  in  der  äu.ssem  Haltung  (25,  28).  Sodanu  wird  die  Durch- 
führuug  zweier  Piülungen  bei  einmaliger  Versetzung  ebenfalls  in 
Salzhubers  Denkschrift  (10)  empfohlen,  und  der  Vurschiag,  dacis 
die  Scholarcheu  nach  der  Priit'unir  jedem  Lehrer  sein  bestimmtes 
Pensum  vorschreiben,  rührt  von  ihm  her  (12).  Dais  Gleiche  gilt 
von  der  Weisung  über  die  Zahlung  des  Schulgelds  der  einheimischen 
Schüler  an  die  Lehrer,  der  auswärtigen  an  den  Rektor  (27).  In 
dem  Abschnitt  Ad  latinae  linguae  cognitionem  finden  wir  die  Ein- 
führung eines  Vokabelbuehs  (14).  die  Bestimmung  über  die  Nach* 
ahmung  guter  Autoren  (1,  9),  Uber  die  Einführung  der  grösseren 
Grammatik  Melanchtfaons  statt  des  Stropbius  (22),  Uber  die  Ver- 
setzung nach  Prima  nur  bei  genügender  Reife  (11).  die  Erwägung, 
ob  nicht  dem  Kantor  allein  der  ganze  Singunterricht  zu  Ubertangen 
sei  (21),  übereinstimmend  mit  den  Antragen  des  Belttors/  Somit 
darf  man  den  Vorschlfigen  Salzhubers  einen  immerhin  betrftcht- 
lichen  Anteil  an  dem  Inhalte  der  neuen  Schulordnung  zuschreiben, 
wenn  auch  die  Abfassung  des  Qanzen  im  wesentlichen  den  Scho- 
larchen, d.  i.  in  letzter  Hinsicht-  dem  Superintendenten  D.  Lange, 
auf  Rechnung  zu  setzen  ist. 

In  der  den  Vorschriften  über  den  Unterriehtsbetrieb  ange- 
bängten Nota  findet  sich  bei  dem  Vorschlage  über  die  Einführung 


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1.  Weimarische  Behulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weiügor,  89 


der  Arithmetik  in  der  Stunde  von  12  bis  t  Uhr  (S.  26)  die,  wie 
der  Stundenplan  zeigt«  für  Prima  und  Secunda  durchgeführt  worden 
ist,  ein  Hinweis  auf  die  Kurfttrstllche  Schulordnung.  Gtomeint 
ist  die  zum  grossen  Teile  wörtlich  mit  dem  entsprechenden  Ab- 
sdmitte  der  Wfirtembeigiscben  Kirchenordnung  von  1569  ttber- 
einstimmeode  Schulordnung,  die  der  Kursftcbeischen  Kirchenordnung 
vom  1.  Januar  1580  beigegeben  ist*).  Dort  heisst  es  wörtlich.  »Auf 
den  Freytag  soll  das  Kxcrcitium  musicae  eingestellet  nnd  von 
zwölff  biss  auf  ein  Ulir  die  Arithmetica  gelesen  werden.  Es  sollen 
aber  die  Praeceptores  keine  andere  Aritbmeticam,  denn  Piscatoris, 
und  daraus  in  quarta  Classe  alleine  die  Speeles,  in  quinta  aber 
die  gautze  Aritbmeticani  lesen').  Nun  entspricht  der  Quarta  und 
Quinta  bei  der  umgekehrten  KLissenbezeichnung  in  Weimar  die 
Secunda  und  Prima.  Auch  das  Ruch  von  IM-^cator  hat  man  ein- 
geführt, wie  der  Bericht  Uber  den  orteilten  Unterricht  (oben  S.  84  f. 
zeigt.  Dass  man  statt  des  Freitags  die  Mittagsstunde  der  Montage 
gewählt  bat,  ist  nicht  von  Belaug. 

Wiebtiger  als  diese  Einzelheit  erscbeiut  die  Tbatsache.  dass 
dem  Verfasser  der  Weimarischen  Schulordnung  von  1610  bei  der 
Ausarbeitung  die  Kurfürstliche  von  1580  überhaupt  vorgelegen  hat, 
und  es  drängt  sicli  die  Frage  auf.  ob  er  auch  sonst  diese  wertvolle 
Urkunde  beriutzt  hat.  Ein  Vergleich  zeigt,  dass  sich  Ueberein* 
Stimmungen  finden.  Z.  B.  in  der  Einsetzung  des  Kuratoriums,  be- 
stehend aus  Pfarrer  und  Ratsherrn'*),  in  der  Einrichtung  der  Prü- 
fungen und  der  Versetzung  der  Schüler,  der  Benutzung  solcher 
Bticher,  wie  des  Cato,  der  Proverbia  Saloinonis,  der  Ciceronischen 
Brit'tV  und  Fabeln  des  Camorarius.  der  Graniniatik  Melauchthons. 
der  Evan«;eli»'ü  in  don  dici  Sprachen,  in  der  Unterweisung  der 
PriniaiK-r  in  Ixlitturik  und  Di.ib'ktik.  Es  sind  dies  aber  Ein- 
richtungen, dir  sich  in  Weimar  schon  1562  finden,  ^lan  darf  an- 
nehmen, dass  den  Verfassern  der  Kur-^ärhsisiheii  Schulordnung,  <lie 
bei  ihrem  Werke  viele  andere  Sclnilonlnungen  niclit  blos  die 
Würteiabergischo  benutzt  liabon,  auch  der  Weiiuarische  Schulplan 
von  1562  vorgelegen  hat.    Im  Übrigen  zeigt  sich  dagegen  unsere 

')  Vormbaum.  Ev.  SchuiordoUDgen  1  3.  6S  ff.   Ueber  den  Einflu.'js 
Jo.  Sturnis  .auf  hcidr  Soliiilirdmin^rf''i  8.  HaunuT,  Gesch.  d.  P.  I,  S.  29j{. 

'■')  Ab^^edrurkt  liri  Vurmbaum  a  O,  L  S.  ff. 

•)  In  der  Württim bergische u  Schulordnung  ist  diese  Bestimmung 
nicht  enthatten. 

*}  Vormbaum  «.  O.  I,  26t. 
»)  Vormbaum  a.  0. 1^  282. 

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40     Mittoilimgen  d.  Gm.  t  deutache  Bniehangs-  u.  Behulgesch.  VDI. 


Schulordiniiig  von  1010  durchaus  unabhängig  von  der  Kursachsisehen. 
sie  ist  aoflschlieaslicli  nach  den  Bedlirtuissan  der  Weimarischeo 
Schule  abgefasat,  während  die  Koraaehsische,  allgemein  gehalten, 
für  alle  Stadt-  uud  Landsehulen  bestimmt,  und  darum  auch  ausge- 
führter im  einzelnen  erscheint.  Uebrigens  enthftlt  sie  auch  wesent- 
liche Abweichun£::;pn. 

So  ist  die  Weimariache  Schulordnung  von  1610  mit  all*  ihren 
Vorzügen  u?ifl  Mängeln  ein  sell)stftndiges  Werk,  üass  sie  gegen 
die  bisherigen  Satzungen  einen  Fortschritt  zum  Bessereu  bekundet, 
lässt  sich  nicht  verkennen.  Ihre  Haupt  Vorzüge  liegen  in  der 
nengeor^lnctcn  und  fester  gefügten  Verfassung.  E«?  wird  der  Scho- 
larchat, heutzutage  würdo  man  sagen  rin  Kuratorium,  eingesetzt, 
bestehend  aus  zwei  Mitgliedern  <l«'r  stiidtischen  Gf^istlichkoir  aln 
Vertretern  der  KLiche,  mit  der  die  Srlmlc  durch  Gottesdienst  und 
Unterrichtswosen  aufs  engste  verbunden  ist:  2  Räte  vertreten  die 
städtische  Belionie.  die  den  Patronat  innehat  und  für  Erhaltung 
der  Schule  un<l  Iksoldung  der  Lehrer  vornehmlich  Sorge  tragt. 
2  Abgeordnete  aus  der  JUii-gerschaft  vertreten  die  Eltern,  die  ilire 
Kinder  der  Schule  auvertntueu.  So  wird  eine  vernünftige  Instanz 
geschafl'en.  der  die  Ueberwachung  der  Anstalt  obliegt.  Hierzu 
kommt  der  eiste  Geistliche  als  oberster  Aufseher.  Inspektor  oder 
Kidiurus  genannt.  Er  giebl  die  Eiit.scheidunL:.  ihm  liegt  die 
Initiative  und  die  Zusammenfassung  der  Beratungen  des  Kura- 
toriums ob,  auf  ihm  lastet  die  Hauptverantwortung  und  ebenso 
gebührt  ihm  das  Uauptverdienst  für  das  Gedeihen  der  Schule.  Er 
Yeimittelt  zwischen  dem  Kuratorium  und  der  landesfttrsüichen  Orts- 
behörde. Welche  Bedeutung  der  £phorat  fUr  die  Entwiclcelung 
der  Schule  in  Weimar  fortan  haben  sollte,  lehrt  noch  im  17.  Jbdt. 
die  Geschichte  der  ratichianischen  Bewegung,  lehrt  im  18.  die 
Wirksamkeit  Herders.  Die  Einrichtung  bestand  bis  1849. 

Die  zweimal  jährlich  vorzunehmenden  OffentlicheD  Prüfungen  boten 
Gelegenheit,  den  Stand  der  lioistungen  ordentlich  kennen  zu  lernen. 
Die  Einladung  dazu  von  der  Kanzel  herab,  die  Erlaubnis,  dass 
jeder  der  Gftste  sich  Äugend  beteiligen  durfte,  die  Abordnung  eines 
fürstlichen  Hates  bekunden  das  Bestreben  der  Obrigkeit,  die  Stadt* 
schule  zu  fördern  und  die  Teilnahme  an  der  Erziehung  des  heran- 
wachsenden Geschlechts  anzuregen  und  wach  zu  erhalten,  sie  dienten 
auch  nicht  wenig  dazu,  Lehrer  und  Schaler  zu  treuer  Pflichterfüllung 
anzuspornen.  Audi  diese  Einrichtung  hat  sicli  bis  in  die  Neuzeit 
erhalten  und  in  der  Folge  wiederliolt  eine  bedeutende  Rolle  ge- 
spielt. Die  im  Anschluss  an  die  Prüfungen  den  Lehrern,  wie  den 


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L  Weimariiclie  Schulordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Weniger.  41 


Aufsehern,  «gebotene  Gelegenheit,  Mangel  anzumelden  und  Ver- 
,  besserungen  vorzuschlagen,  verbunden  mit  der  Feststellung  der 
neuen  Lehmofgaben  für  die  Lehrer,  dienten  gleicbfalla  dazu,  eine 
gedeihliche  Weiterentwickelung  zu  Terbttrgen.  Ebendahin  geM(rt 
die  halbjährige  Berichterstattung  der  Scholarchen.  Einmal  im 
Jahre  fand  das  Aufirttcken  der  reifen  Schüler  in  hfihere  Klassen 
statt.  Dadurch  wurde  der  Fortschritt  der  Schüler  gewährleistet 
und  zugleich  der  Unruhe  Torgebengt,  die  mit  halbjähriger  Ver- 
setzung verbunden  zu  sein  pflogt.  Die  Grundlage  fUr  die  Ver- 
setzungen bildete  die  schriftliche  Feststellung  der  Leistungen,  das. 
was  wir  jetzt  Zensur  nennen.  Obgleich  diese  Auflehnungen  zu- 
nächst in  den  Akten  der  Schule  verbUoben,  so  schufen  sie  doch 
eine  Qewfthr  für  die  Gerechtigkeit  der  Beurteilung  und  dienten 
-zugleich  dazu,  die  Leistungen  auf  der  notwendigen  Höhe  zu  er- 
halten. Somit  war  eine  bestimmte  Organisation  hergestellt,  die 
zwar  nicht  in  allen  Stocken  als  eine  neue  Einrichtung  gelten  darf, 
immerhin  aber  das  Verdienst  hat,  das  bewfthrte  Gute  zu  befestigen 
und  straffer,  als  bisher,  zusammenzufassen. 

llicr/ii  treten  im  l",iii/,elneii  eine  Reihe  gesumler  Maasregeln 
in  Kr/iehMii^j:  und  IJulerricliU  (ioUeölurcht  ist  das  er'ste  (Jesetz 
der  Sdiuie  und  wird  durch  den  Zusammenhang  mit  dei-  Kirche 
le1»e!i<!ii;  erlialtm.  im  Vereine  damit  stellt  die  ilkge  der  ('ln»ral- 
mn.sik,  deren  l'rüchte  s<  hon  damals  und  si»äter  noch  hl  erlreuliclien 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  des  evaiigelischon  Kirchenliedes  zu 
Tage  traten.  Anzuerkennen  ist  das  Einschreiten  gegen  die  ein- 
gerissene Laxheit  in  /uchL  und  rnterrielii,  der  Ernst  bei  der  Ver- 
setzung iu  iiüli'  ic  Klassen,  das  in  jener  Zeit  besonders  notwendige 
Bestreiken,  Sauberkeit  und  Orduuug  herzuötellfn  und  ;l^^tällclige 
Uuiluiig  in  der  Schule,  wie  im  öttentlichen  Aultreten,  zu  emelca. 
Sehr  zu  loben  ist,  dass  man  die  Aufmerksamkeit  auf  deutliche 
und  reine  Aussprache  richtet  und  dementsprechend  auch  auf  eine 
gute  Handschrift.  Die  Forderung  grammatischer  Gründlichkeit,  so 
weit  sie  nicht  das  Mass  ttherachreitet,  verdient  gleichfalls  Auer* 
kennung.  Auch  die  Aneignung  eines  reichen  Vokabelschatzes  ist 
unter  Hinblick  auf  das  Endziel,  das  man  sich  zu  stecken  genötigt 
war,  nur  zu  billigen.  Die  Richtung  auf  das  Gnomische,  die  aus 
Bachem,  wie  der  Cato,  die  Sprüche  Salomons  und  des  Jesus 
Siracb,  den  Werken  und  Tagen  Ilesiods  u.  a.  nachweisbar  ist  und 
schon  in  der  Schulordnung  von  i5G2  entgegentritt,  hatte  das  Gute, 
den  SchiUern  einen  Schatz  praktischer  llausweisheit  mitzugeben. 


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43    Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deotsclie  Bralehungs-  n.  Schalgesch.  VID. 


der  ebeoBO  im  blirgerliclieiL  Leben«  wie  im  künftigen  Predigtamt, 
nOtaliche  Verwendung  fand. 

Diesen  Vorzügen  ider  neuen  Schulordnung  stehen  aber  auch 
erhebliche  Mftngel  gegenüber,  Mangel  allerdings,  die  sie  zum 
grosseren  Teil  mit  den  meisten  Sehulplftnen  der  damaligen  Zeit 
gemein  bat.  Zunächst  hatte  die  Einrichtung  des  Scholarehats, 
namentlich  die  Stellung  des  Epborus,  das  BedenkUche,  dass  sie 
die  Vollmachten  des  Rektois  wesentlich  einscbrftnkte,  diesem  daher 
auch  ein  gut  Stück  der  Verantwortung  abnahm  und  anderseits  auch 
die  Sicherheit  raubte,  deren  er  für  sein  schwieriges  Amt  notwendig 
bedurfte.  Dies  ist  ein  Umstand,  unter  dem  die  Weimarischen 
Rektoreo.  so  lange  der  Ephorat  bestand,  also  bis  in  die  Mitte 
unseres  Jahrhunderts,  zu  leiden  gehal>t  haben.  £io  grosser  Uebel- 
htand  war  auch  die  mangelhafte  Ausbildung  der  Lehrer  für  ihr 
Amt;  entweder  zehrten  sie  von  den  Erinnerungen  an  die  eigene 
Schulzeit,  oder  die  Selbständigeren  unter  ihnen  waren  nur  txi  leicht 
geneigt,  eigene  Wege  zu  geben  und  den  An.scliluss  an  die  Arbeit 
der  Amtsgenossen  zu  vernachlässigen.  Djis  Bildungsziel  der  ge 
samten  Schularbeit  war  zudem  imklnr.  Galt  es  dio  Vorbereitung 
für  die  Universitätsstudien  zu  bescliafTm .  sn  hatte  man  doch 
weniger  deren  Bedürfnisse,  als  das  llerkummen.  vor  Augen,  das 
nach  wie  vor  an  dem  alten  Trivium  Grammaüiv,  Rhetorik  und 
Dialektilv  festhielt.  (I»mi!  /f^'eiiüber  noch  nicht  einmal  das  Quadri- 
viiim.  Arithmetik.  ( leometrie,  Musik  und  Asfnmomie.  zu  seinem 
Nullen  Keciite  kam:  <lenn  Arithmetik  wurde  nur  spärlich.  Geunietrie 
und  Astronomie  j^ar  nkht  betriel)en.  Ohne  Zweifel  hatte  man  vor 
allem  die  Ausbildung  künftiger  (»eisllicher  im  Sinne;  denn  die  andern 
lierulsaiieii  Hess  man  ausser  Acht.  Den  Hauptunterricht  machte 
das  Lateinisclie  aus,  und  zwar  im  Hinl»lick  auf  Sprechen  und 
Schreiben:  die  Schriftsteller  ktuan  nur  als  Hilfsmittel  für  diese 
beiilen.  Ziele,  daneben  zur  Kiuübung  der  Grammatik,  in  Betracht. 
Auch  die  lateinische  Komödie  diente  dem  gleichen  Zwecke.  Das 
Griechische  tritt  zurück;  von  den  Schi'iftstellern,  die  w  mit  Recht 
als  die  schönsten  und  besten  Vorbilder  klasaschen  Geistes 
betrachten,  Homer,  Sophokles,  Plate,,  die  grossen  Geschichts- 
schreiber, wurde  keiner  gelesen.  Dies  liegt  im  Geiste  der  Zeit, 
und  der  Vorwurf  trüft  nicht  die  Weimarische  Schule  allein.  Aus 
derselben  Auffassung  flieset  die  'icaum  glaubliche  VernachlAssigung 
dessen,  was  das  bürgerliche  Leben  erfordert  Ueber  die  beschrankte 
Vorbildung  im  Rechnen,  die  man  sudem  auf  die  obersten  Klassen 
versparte,  ist  schon  oben  gehandelt   Geometrie,  Geschichte,  £rd- 


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1.  Weimariaehe  Bdratordnung  von  1610.  Von  Ludwig  Wenfgor.  43 


künde,  KaturwiBseDscbaffc  wurden  gar  niebt  getrieben.  Die  Mutter- 
spraebe  nur  gelegentlich,  insoweit  sie  durch  die  alten  Sprachen  unbe- 
wusst  mitgefördert  wurde.  Dass  fremde  neuere  Sprachen  nicht  gelehrt 
worden,  versteht  sieb  für  damals  von  selbst  Es  ist  erstaunlich, 
dass  sich  die  Weimariacben  Bürger  mit  so  einseitiger  Ausbilduog 
ihrer  Söhne  «ufHeden  gaben,  umsomehr  als  doch  anderwärts  bereits 
auf  eine  praktische  Ausbildung  der  Jugend  Rücksicht  genommen 
wurde 0.  Besoudfrs  sträflich  war  der  ITnleirielit  der  Kleinen  ver- 
nachlässigt. Weit  über  100  Schüler  in  jeder  der  Elementarklassen, 
wie  sich  annehmen  lässt,  viele  von  zartem  Alter,  olme  bewusste 
Methode,  auf  das  Zuhören  und  allmähliche  Nadiabmen  angewiesen: 
80  musste  jeder  der  kleinen  Jungen  sehen,  wie  er  nach  und  nach 
in  den  Lehrstoft'  hineinwuchs,  freudlos  und  ohne  das  BedÜrfoia 
seiner  Kinderjabre  berücksichtigt  zu  ünden. 

Gehen  wir  auf  das  Einzelne  ein,  so  erregt  es  Bedenken,  dass 
in  der  neuen  Schule  die  Elassenaul^aben  mehr  skizsiert»  als  scharf 
umgrenzt  waren,  ein  Mangel,  den  man  auch  bereits  nach  wenigen 
Jahren  selber  erkannte.  Eine  andere  Klage,  die  bald  laut  wurde,  ' 
betrifft  das  Vielerlei  der  Unterrichtsgegenstftnde.  Bei  aller  Einseitig- 
keit des  Lehrstoffe  traf  der  Vorwurf  das  Bechte.  Es  war  verfehlt, 
wenn  die  Primaner  in  einem  halben  Jahre  von  Cicero  das  Buch  über 
die  Pflichten  und  eine  Bede,  femer  Horaz  Ineben  Veigils  Aeneis 
lasen,  im  Griechischen  Hesiod,  Isokrates,  Jesus  Sirach  und  die 
Perikopen,  die  Sekundaner  im  Lateinischen  Terenz,  die  Bucolica, 
Ciceros  Briefe  und  Murmellius.  die  Tertianer  Munnellius,  Ciceros 
Briefe,  die  Fabeln  d»  s  Oamerarius.  die  Gespräche  Cor<liers,  die 
BiK'olira  und  die  Evangelien,  die  Quartaner  Ciceronisclio  Briefe, 
Cordiers  Gesiuitche,  die  Fabeln,  den  Cato  und  den  Katechismus, 
die  Quintaner  Oordiers  Gespräche,  die  Sprüche  Salomons,  den  Cato 
und  den  Katechismus.  Die  Lesung  eines  Schriftstellers  fand  mit- 
unter in  einer  einzigen  Wochenstunde  statt,  eine  Einrichtung,  die 
sich  noch  nie  bewährt  hat.  weil  Lehrer  tnid  Schlllfr  don  Zus.immcn- 
hani:  mit  dein  Unterrichte  der  Woche  vorher  verlieren.  Der  Ti  Ih  I- 
staiid  tritt  uni  so  stfirker  hervor,  wenn  man  zusieht,  wie  wenig  in 
jedem  einzehieu  Lesest inke  fertit;  gebracht  wurde.  "Her  llnter- 
riditsbericht  über  den  dun  hgenommenen  Sinti  Iji.sst  dies  deutlich 
erkenuen.    Im  Sommer  1610  lasen  die  Primaner  von  Isokrates 


*)  Schon  Jjiither  in  der  Seluiit  au  die  Hatshorru  zielt  auf  eino 
solche,  vgl.  V.  Raomer,  Gesch.  d.  Päd.  V  166  ff.,  178  ff.,  besondem 
aber  Michael  Neander,  ebd.  282  ff. 


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'  44    Hitteilimgen  «L  ües.  f.  deutache  Ccsiehungs-  u.  Schulgesch.  VIIL 


aus  der  Rede  an  Nikokles  etwa  3 V4  Seite,  Tom  Cato  Major  3 Vt  S.. 
au8  Ciceios  Rede  fttr  Roedus  A^t  S.  heutigen  Teubnersehen  Textes, 
Ton  Hesiods  W.  u.  T.  46  Verse,  aus  der  Aeneis  70  Verse,  you  Horas 
2  OdfflL  In  dem  längeren  Zeiträume  vom  Herbst  1610  bis  «um 
1.  Mai  1611  Ton  leokrates  &Vs  S.»  vom  Cato  Major  7  S.,  aus  der 
Rede  fOr  Ärchias  nicht  ganz  2  S..  aus  Hesiod  91  Verse,  aus  der 
Aeneide  192  Verse,  von  Horas  6,  keineswegs  umfan^eicbe  Oden. 
Die  Frage  liegt  so  nahe,  warum  las  man  nicht  nur  einen  Prosaiker 
und  nur  einen  Dichter,  aber  diese  eingehender?  Indes  erkennt 
man  el>on  auch,  dass  die  Schriftst«41er  als  Mift«'!  zur  Einübung 
und  Auttrischung  der  Grammatik,  8tyli.stik  und  Frosodie  dienten, 
dass  das  Verständnis  ihres  Inhalts  Nebensache  war.  Ii^  den 
übrigen  Klassen  stand  es  ähnlich,  so  weit  sich  nachkommen  iHsst. 
Zu  der  Art  des  Ik'triel)8  gehört  das  viele  Auswendiglernen.  .Man 
einsieht  dies  deutlich  aus  der  Zensierung.  Das  Compendium  Mutiere. 
Isokrates.  Hesiod.  Vergil.  Honi/.  Terenz,  der  Kati^rhismus  in  allen 
drei  Sprachen,  die  Slurmscbeo  Hriele  Ciceros.  die  Colloquia  scho- 
lastica,  dio  Aesopischen  Fabeln,  die  Vroverbia,  dor  Cato,  die 
Psalmen,  die  Evangelieu,  die  Kegeln  der  GruuiiuHiik,  alles  wird 
wort  lieh  dem  Gedächtnis  anvertraut.  Wie  weit  dabei  auf  vorher- 
^ehendt's  Ver.siäüduis  geaehen  worden  ist,  lässt  sich  nicht  er- 
kciiiieu.  Man  begreift  die  später  laut  werdenden  Klagen.  Im 
Keligionsunterricht  erwies  sich  Hutters  Compendium  bald  als  m 
schwierig.  Auffallend  ist  die  geringe  Heinicksichtigung  iku  Bibel 
nach  der  historischen  Seite;  liier  müssen  die  Perikopcn  allein  aus- 
reichen; vom  alten  Testament  lernten  die  Schüler  nur  Psalmen 
und  S])ruch Weisheit  kennen. 

In  Hinsicht  der  Zucht  tritt  als  bedenkliche  Massregel  die 
Einsetzung  von  Sdiülern  als  Aufpasser  besonders  hervor;  auch 
dies  war  eine  zu  jeuer  Zeit  noch  bei  den  meisten  Schulen  durchgeführte 
J^tassregeL  Dass  die  PensionsverhAltnisse  im  damaligen  Weimar 
schlimme  waren»  die  hfiuslicben  Umstände  zerstreuend  wirlcten,  die 
SchOler  viel  den  Unterricht  versäumten,  sind  Uebelstünde,  die 
veniger  die  Schule  und  deren  Satzungen  treffen,  als  soziale 
Schäden»  mit  denen  diese  schwer  zu  Icämpfen  hatte. 

Bei  aller  entschuldigenden  KUcksicht  auf  Zeitanschauung  und 
äussere  Lage  lässt  sich  nicht  behaupten,  dass  die  Schulordnung 
von  1610  ein  Meisterstttck  schulmännischer  Weisheit  bildete.  Das 
Beste  ist  ohne  Zweifel  die  wohlgeordnete  Verfassung,  und  diese 
ist  es  denn  auch,  die  sich  bei  allen  sonstigen  Veränderungen  ttber 
zwei  Jahrhunderte  im  wesentlichen  gehalten  hat.  Dass  man  bereits 


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1.  W'eimarische  Schulordnung  von  1610.   Von  Ludwig  Weniger.  45 


venige  Jahre  nach  Kinfdhning  der  neuen  Satzungen  wieder  mit  den 
Zuständen  am  Gymnnsium  im/.ufrieden  war.  lu'kunden  Aeusserungon 
aus  den  Ki'eisen  sacliversläudiger  Beurteiler,  die  sich  erhalten 
haben.  In  dem  Visitationsprotokolle  von  1650  wird  gelegentlich 
ein  l^eiii'ht  Langes  von  1613  erwähnt,  der  eine  genauere  Fest- 
setzuug  der  Klasseuzii'lo  verlangt.  •) 

Man  wundert  sich  nur,  dass  der  Ej)horus  nicht  selber  dazu 
schritt  eine  solche  Festsetzung  mit  der  Lehrerschaft  zu  vereiubareD. 
]>to  RatldiianisobeQ  Ndueruogea  begannen  eben  damals  sich  geltend  zu 
machen.  Batichius  war  bereits  im  September  1612  zum  ersten 
Male  in  Weimar  aufgetreten  und  hatte  Qeneralsuperintendent  Lange 
bitter  angefeindet-  Wir  dürfen  Uber  diese  Hftndel  auf  unsere  Dar- 
stellung in  der  Abhandlung  aber  BaticliiuB»  Eromayer  und  den 
Neuen  Methodus  in  der  Schule  zu  Weimar  verweisen.  Die  Neue 
Methode  wurde  1617  von  Kromayer  ausgearbeitet  und  am 
8.  Januar  1618  eingeführt.  Damit  wurde  die  Schulordnung  von 
1610  beseitigt,  nachdem  sie  zunächst  nur  8  Jahre  lang  geltend 
gewesen  war.  Kromayeis,  nach  Raticbius'  Grundsätzen  aufgebauter 
Sdiulplan  hielt  sich  bis  1644.  Dann  lebte  die  alte  Ordnung»  wenn 
auch  mit  manchen  Abänderungen,  aber  ohne  doch  eine  neue  Bedalction 
zu  erfahren,  bis  auf  weiteres  wieder  auf. 

M  VgL  Abb.  Ratichius,  Kromayer  etc.  II,  a.  a.  0.  .8.  8bO  f. 


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46      Milteiluugtiu  d.  Ged.  f.  deuUjche  Erziehung^-  u.  Sehuigesch.  VIII. 


2. 

^edrich  Kttchellt^eeker. 

Ein  Beitrog  zur  Studieogesehiehte  Wittenbergs  und  Leipzigs 

im  18.  Jahrhundert 

Von  Dr.  Haxw  Zimmer  üi  Leipzig. 
Vorwort. 

Friedrich  Basilius  Küclielbeckpr  ist  in  der  Geschichte  der  deutschen 
Kultur  und  Litteratur  ein  uubekaiiüter  Manu,  und  nur  durcli  einen  Zufull 
bin  ich  auf  ihn  anfinerksam  geworden.  Ob  ich  recht  getban  habe,  ihn  aus 
der  Yeigessenheit  herauszuziehen,  muss  meine  Arbeit  aelber  entscheiden 
lassen,  aber  das  ist  sicher:  hätte  ich  n  n  r  den  Dichter,  nicht  ench  eine 
<2aelle  fUr  die  Kaltorgeschicbte  des  18.  Jahrhunderts  in  ihm  gefiinden,  so 
h&tte  ich  angestanden,  es  zu  thun. 

Icli  selber  habe  aus  KUchelbeckers  Angaben  nur  das  herausgezogen, 

was  für  die  Studiengeschichte  von  Interesse  ist.  Uebergungen  habe  ich 
die  zahlreiclien,  über  meinoin  Zwcrko  feniHeironden  Blätter  und  Bltlten  zur 
KiiUnr"f?rliirhte  iin  allgeiiieiiirrcii  Sinne,  die  man  son^t  noch  von  diesem 
Baume  ptiiirkiu  könnte.  Aber  ich  umpfelde  meinen  Kollegen  von  der 
Kulturgeschichte  aus  aufrichtiger  Ueberzeugung,  hier  auch  ihrerseits  eiiuual 
Ernte  sn  halten. 

Vom  dritten  Abschnitt  an  liegt  meine  Arbeit  nur  noch  in  den  An- 
merlcnngen.  Absichtlich  ond  mit  einer  gewissen  Selbstfiberwindung  habe 
ich  diese  nicht  mit  den  Auszttgen  aus  Küchelbeckers  Werk  zu  einer  ab- 
gerundeten Darstellong  Terschmolzcn,  wie  es  mich  reizte,  sondern  den 

eigentlichen  Text  ganz  nieinem  Gewäbrsinanne  eingerftumt.  Denn  nur  so 
konnte  ich  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  seiner  Angaben  erreichen, 
raein  besrlicidencs  liciwerk  nnr  so  scharf  von  jenen  scIuMdm.  Dn«-  dadurch 
die  Fonn  der  K.ijMt*  1  drei  bis  fünf  nüchterner,  scheni  itis«  Ikt  und  dürftiger 
gewordcu  ist,  als  sie  hätte  werden  könneu,  mag  man  damit  entschuldigen, 
dass  der  der  folgenden  Blätter  doeh  eben  ganz  in  KOchelbeckers, 
gar  nicht  in  meinen  Worten  liegen  soll. 


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2.  Friedrich  KodMlbeck«*.  Bin  Beitrag  zur  Stndieogeachiehte  etc.  47 


Liebenswttrdige  Untentatxang  fand  ich  dnndi  die  Herren  Geh.  Re- 
gleniiigsnt  von  Bote  (Dresden«  Köoigl.  Akademie  der  Kttnste),  Gymnasial« 
Oberlehrer  Prof.  Dr.  F.  A.  Branse  (Leipzig,  Thomasschole),  Dr.  Wilhelm 

Fabricius  (Marbart;),  Gymnasialdirektor  Prof.  Dr.  Guhraucr  (Wittenberg), 
Prof.  Dr.  Hermann  Sochier  (Halle  a.  S.\  Pastor  Gustav  Vogel  (Frohburg), 
ferner  durch  das  Königlich  Sächsische  Justizministerium,  da«;  rvairjelische 
PfanaiDt  r]t  r  Stadtkirche  zu  Wittenberg,  den  Stadtrat  zu  Penig,  die 
liibliottn  k^vi  r\valtiin<;en  zu  Berlin,  Dresden,  Halle  und  Leipzig.  Urnen 
allen  gebührt  mein  uutrichtiger  Dank. 


L  Leben. 

Der  Schriftsteller,  dem  die  folgenden  Bogen  irewidmet  sind, 
hat  in  dem  wichtigeren  seiner  beiden  Werke')  zahlreiche  Angaben 
Über  seine  Lebeusschicksale  bis  zum  Jahie  1801  gemacht.  Von 
diesen  Mitteilungen  lassen  sich  die  einen  diiK^h  urt  hivalische  Er- 
kuiuligungen  n.  s.  w.  erhärten,  die  auderou  nicht  weiter  belegen. 
Aber  da  sich  der  Mann  bei  jenen  als  einen  durchaus  glaubwürdigen 
Menschen  erweist,  liegt  kein  Grund  vor,  ihm  bei  diesen  zu  miss- 
tnuen.  Ich  stehe  also  nicht  an,  im  folgenden  seine  eigenen  An- 
gaben Uber  sein  Leben  mit  dem  zu  verweben,  was  Ich  aus  Eirchen- 
hUchem,  Schulakten,  durch  freundliche  Mitteilungen  u.  s.  w.  Aber 
ihn  zusammentragen  Iconnte. 

Friedrich  Basilius  August  Küchelbecker  ist  am  28.  Juni  1776 
zu  Wittenberg  a.  E.  geboren  und  am  30.  desselben  Monats  auf  den 
evungeüsch-lutheriflchen  Glauben  getauft;  worden^.  Sein  Vater. 
Friedrich  Basilius,  hatte  die  Rechte  studiert^,  war  aber  dann  in 
kaiserliche  MÜitftrdienste  getreten,  zum  Lieutenant  befördert  worden 
und  bis  nach  SiebenbQi^en,  Ungarn  und  der  Türkei  gekommen*). 
Friedrich  war  das  Alteste  Kind  aus  seiner  zweiten  Ehe;  seine  erste 
Frau  hatte  ihm  bereits  einen  Sohn  Karl  geschenkt^),  die  zweite 
gebar  nach  Friedrich  noch  ein  Mftdchen.  das  Christiane  Henriette, 
und  einen  Knaben,  der  Carl  Heinrich  genannt  wurde.  Henriette 
kam  am  25.  Dezember  1778,  Heinrich  am  5.  Oktober  1780  zur 
Welt;  getauft  wurde  erstere  drei,  letzterer  vier  Tage  nach  der 
Geburt«), 

Seines  Amtes  war  der  Vater  Küchelbecker  in  Wittenberg 
Kurfürstlich  Sfichsiacher  General  -  Accis  -  Assistenz  *  Einnehmer^); 
»Zöllner"  nennt  ihn  kürzer  der  Sohn^.  Er  ist  am  6.  Juni  1792 
sechzig  Jahre  alt,  zu  Wittenberg  gestorben  und  am  10.  desselben 
Monats  ^mit  der  Vs  Schule  bejgesetzt*  worden*).   Von  Friedrichs 


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48    Mittellungeii  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehungs-  vu  Sehnlgeecli.  VUL 


Mutter,  Dorothea  EüBabeth  geh.  Mttller  aus  Babnm^^,  erfahren 
wir,  daes  sie  eine  hftusliche,  frommet  in  jeder  Beziehung  brave 
Frau  war,  die  ihren  Mann  wie  ihre  Kinder  verständig  va  allem 
Guten  anhielt  1'). 

Seinen  ersten  Schalunterrl€ht  erhielt  KOchelbecker  in  der 
Vaterstadt.  Er  trat  am  20.  April  1781  in  die  Sexta  des  Witten- 
bei^er  Gymnasiums  ein  ^'),  blieb  zwei  Jahre  in  dieser  Klasse,  aber 
nicht  etwa  .sitzen',  sondern  frelwiUig  oder  auf  Wunsch  seiner 
Eltern,  und  ging  dann  glatt  bis  Sekunda  (IV  1784,  III  178&, 
II  1786).  In  der  Schillerliste  der  Sekunda  wird  er  im  ersten 
Jahre  chaiakterisiert  als  vetemosus  interdum,  im  zweiten  Jahre 
dagegen  als  naturae  dotibus  insigniter  omatus.  Er  erscheint  als 
Schüler  der  Sekunda  noch  in  den  Schulnachrichten  vom  Mai  1790, 
und  zwar  mit  der  Charakteristik  null!  cedit.  In  denen  vom  Juni 
1791  ist  unter  den  Abgegangenen  aufjgefUhrt  Friedericus  Basilius 
Kuechelbecker  in  scholam  quae  Lipsiae  floret  Thomanam. 

Erfolgt  war  aber  der  Abgang  vom  Wittenberger  Gymnasium 
schon  im  Anfang  des  Jahres,  denn  nach  S.  83  des  index  scholae 
Thomanae,  d.  h.  der  von  1767 — 1841  reichenden  Aufnahme- 
Matrikel,  wurde  KOchelbecker  am  80.  März  1791  m  die  Leipziger 
Anstalt  aufgenommen,  und  zwar  nach  Sekunda  i').  Er  selbst 
schrieb  in  das  album  Thomanorum  (1730 — 1800).  in  das  sich  die 
Schüler  eigenhändig  eintragen  mussten,  folgende  Worte  (S.  448. 
Nr.  247):  Ego  Fridericus  Basilius  Aug.  Kuechelbeckerus,  Viteber- 
gensis,  natus  anno  Christi  1776.  patre  F^iderico  Basilio,  vectigalario, 
leceptuB  sum  in  scholam  Thomanam,  ordinls  amplissiml  benefido, 
poUicitus,  cum  reliqua  in  foimula  obligationls  expressa,  tum  me 
mausurum  in  hac  schola  annos  tres.  Adscriptus  sum  classi  secundac- 
Haec  auteru  scripsL  a.  d.  V  Cal.  Junias  MDCCLXXXXI'*). 
Darunter  bemerkt  der  fiektor  Fischer:  disoessit  honeste  die  4  Mail 
A.  C.  1797. 

Dass  Küchelbecker  von  Sekunda  ab  noch  sechs  Jahre  lang 
die  Thomasschule  besuchte,  erklärt  sich  bei  der  Freiheit  und 
SelbstbeBtinimung,  die  den  SchOlem  damals  bekanntlich  noch  in 

dieser  Be/Jehung  gelassen  war,  zwangbts  aus  seinen  eigenen 
Worten'^).  Er  Hrt<;f,  er  iiabe  zwar  in  Wittenbelg  genug  gelernt, 
um  sich  auf  der  Universität  inskribieren  zu  lassen: 

„Sonnt  exponieren 
den  Horas  vom  Anfang  bis  zum  End 
vnd  kOmmerlich  's  Griechische  Testament. 


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2.  Friedrich  Kllchelb«cker.  Ein  Beltn^  sur  Bhidiengeschichte  etc.  49. 


'  EooBt  aadi  waa  Aatiqiutttaii  dtttiebeii, 
wiisste,  «er  Rom  «rbant  hatt,  gar  eben, 
wie  hoch  die  S&ul  des  Tnyauna  sei, 
und  noch  mehr  solehe  Schnarrpfeiferei.*^ 
Wat  jedoch  sogleich  fort: 

„Sähe  dann  aber  an  den  Jammer, 

wenn  die  Jungen  ai!<  ihrer  Srhulkanimer, 

mit  Milchgesichtern  und  glattem  Kim 

lanfen  zur  Univt  rsitat  hin: 

tragen  di)rt  Stürmer  und  mächtige  Öporeo, 

mOeseB  ddi  Uunea  den  Esel  bohren; 

aehen  aneh  in  die  Kollegia 

und  sperren  auf  die  ICftnler  aUda; 

denken  noch  gar,  sie  wären's  selber 

und  gebehrden  sich  me  die  jungen  Kftlber. 

Dachte:  lieber  will  ich  mein  dummes  Zeug 

nuirlien  auf  der  Schul  mit  einander  gleich, 

da  schadtfttj  dir  blos  bfi  Präzcptoren 

und  die  edle  Zeit  ist  euiiuai  verlohreu. 

Denn  daraof  rechnet  ich  ein  und  allenial, 

dass  ich  dnmmer  Streiche  eine  grosse  Zahl 

wttrde  laufen  lassen  in  meinem  Leben; 

und  hatte  mich  frölich  drein  ergeben, 

denn  junger  Wein  und  ein  junger  Geist 

gar  gern  aebien  alten  Schlauch  zenreisBt^«).'' 

Er  hatte  sich  nicht  yerrechnet;  die  sechs  Jahre  auf  der 
Thomasschtile  genügten  nichts  seine  Jugendlust  zu  zügeln:  er  hat 
noch  Burschenstreiche  genug  voUfUhrt,  als  er  1797  die  Dniveisitftt 
Wittenberg  bezog,  um  drei  Jahre  lang  die  Rechte  zu  studieren 
Seinen  Unterhalt  verschafften  ihm  Stipendien  und  Unterrichts- 
stunden im  Flötenspiel,  die  er  erteilte;  Wohnung  hatte  er  bei 
Mutter  und  Schwester  genommen*^). 

Letztere  heiratete  einen  seiner  Freunde,  der  in  Toigau  sein 
Brot  gefunden  hatte.  Als  nun  infolgedessen  die  Mutter  mit  dem 
Sohne  allein  blieb,  drängte  sie  in  ihn,  sein  juristisches  Examen 
abzulegen,  und  er  bestand  es  auch  glüddich*^).  Die  Acta  Facul- 
tatis  Juridicae  in  Ac.  Witteberg,  enthalten  f.  658^  die  Eintragung, 
dass  Kttchelbecker  am  10.  Juli  1800  pro  Praxi  et  Notariatu  ge- 
prüft worden  und  das  Pr&dilcat  dignissimus  erhalten  habe*^).  Einige 
Wochen  vorher  hatte  er  sich  bereits  den  Eandidatentitel  erworben^'). 

Sein  Bruder  Heinrich  war  Kaufmann  geworden,  dann  aber 
zur  Malerei  übergegangen;  als  Kttchelbecker  sein  .Leben"  schrieb, 

Mitteiluoffda  d.  Q«a.  t  deutscbe  iSneleli.-  n.  £Schulg«Bcbtcfata.  VIII  1  mn.  a 


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60    Uitteilniiffeii  d.  Ges.  f.  deutaehe  Bnieliuiigt*  u.  Scbulgescli.  Vm. 


besuchte  er  gerade  die  Dresdener  Akademie").  Der  Stiefbruder. 
Karl,  hatte  «auch  einmal  die  Rechte  studiret  aber  sie  nicht  ganz 
absolYiret*^,  Schliesslich  war  er  ia  Ansbach  Sektetär  geworden 
und  hatte  dort  sein  Auskommen  sowie  Frau  und  Eind^).  Zu  ihm 
untemahmnun  EUßhelbecker  im  Juli  1800  von  Wittenberg  aus  eine 
Fuesreise,  gleich  nach  seinem  Exarnsn^).  üeber  Leipzig,  Hof. 
Bemeck,  Baareuth,  Streitbeig,  Erlangen  und  Fannbacb  gelangte  er 
nach  Ansbach  und  nach  einem  Aufenthalte  von  fünf  Wochen^) 
fiber  Bamberg,  Kloster  Banz,  Saalfeld,  Jena  und  Ltttzen  surfick 
nach  Wittenberg.  Auf  der  Rückreise  hatte  er  einen  Be- 
gleiter. »Er  hiess  Oertel,  war  aus  Baireuth  gebürtig,  und  reisete 
als  Jftger  angethan,  von  Ansbach  mit  mir  nach  Berlin  zurück* '0- 
In  Wittenberg  lebte  Kfichelbecker  von  jetit  an  allein,  denn 
seine  Mutter  war  nicht  lange  nach  seiner  RQckkehr  zu  ihrer  ver- 
heirateten Tochter  nach  Torgau  gezogen  ^).  Dieser  Umstand  wirkte 
nicht  günstig  auf  Kii(  helbecker  ein;  die  alte  Burschenlust  erwachte 
in  ihm,  jetzt  ungehindert  durch  die  Rücksicht,  die  er  bisher  auf 
die  Mutter  hatte  nehmen  müssen*^).  Er  erteilte  zwar  wieder 
Flötenstundeu  und  dazu  Unterricht  in  der  Rechtswissenschaft,  aber 
da  er  kein  Amt  und  Uberhau])t  keine  bestimmte  Arbeit  hatte,  blieb 
ihm  viel  müssige  Zeit:  ,Die  füllt  ich  mit  unnützer  Frölilichkeif^O). 
ünangonehmo  Foljxon  hatte  eine  Schlagerei,  in  die  er  mit  sechs 
anderen  .Musen"  ganz  wider  Willen  von  vierzig  „Philistern"  ver- 
\virkolt  wurde:  zehn  Onlden  Schmerzensgeld,  die  Kosten  des 
richterlichen  Verfahrens  und  zwölf  Tage  Karzer  waren  das 
Resultat 

Nach  einer  solchen  Erfahrung  begann  er  Sehnsucht  nach 
einem  ruhigen,  geregelten  Fainilienleben  zu  einijliinleii^^,  aber 
leider  durchkreuzte  das  Schicksal  seine  nAchsten  Zukiuiitsj.iane. 
Dem  nassen  Winter  löOO  entstieg  die  Seuche  des  Scharlachlielters, 
und  als  die  Studenten  in  Scharen  die  Stadt  verliessen.  11  oh  auch 
Küchelbecker  mit  zwei  .Hausimrschen"  nach  Geyer^*).  In  diesem 
erzgebirgischen  Städtciien  wollte  er.  als  Re])etitnr  seiner  beiden 
Begleiter,  eigentlich  flcisöig  arbeiten,  aljer  als  andere  Kommilitonen 
den  Ort  ebenfalls  aufsuchten,  entspann  sich  ein  studentisches  Leben, 
das  nicht  zurückstand  hinter  dem  Wittenberger**). 

Im  Frühjahr  1801.  als  sich  die  Seuche  gelegt  hatte,  kehrte 
Ettchelbecker  in  die  Heimat  zurUck^),  sollte  die  Vateiutiidt  aber 
sehr  bald  ganz  verlassen  mOssen.  Wieder  war  es  ein  Skandal, 
dem  OT,  auch  diesmal  ganz  unschuldig,  zu  Johannis  1801  zum 
Opfer  M:  er  wurde  vor  das  akademische  Gerieht  geladen  und 


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2.  Friedrich  Kllchelbecker.  Ein  Beitrag  zur  Studiengeachichte  etc.  61 


erhielt  zugleich  mit  zwei  Freunden  das  consilium  aheiiiidi:  in  drei 
Stunden  hatten  sie  die  Stadt  zu  räumen.  Ein  Vierter,  ein  Adliger, 
kam  mit  sechs  Tagen  Karzer  weg***).  Küchelbecker  wendete  sich 
nach  Leipzig,  und  hier,  bei  eioem  Freunde  im  Qua]*tier,  Bchreibt 
er  sein  •Leben*.  Er  scbliesst  es  damit,  daas  er  nun  virlilieh 
ins  Pbiliaterleben  übertreten  wolle,  damit  ihn  sein  braver  Schwager 
in  Torgau  nicht  mehr  mit  seinem  Scbweisse  zu  nähren  brauche, 
und  er  versichert: 

«Sollte  übrigens  irgend  ein  Leeer  begehren, 
von  meinem  Leben  das  fem're  zn  hOren^ 
so  thut  mirs  leid!  xwar  eisAhlt  Ichs  gern, 
aber  mein  GlQcks-  und  Unglaks-Stern, 

sowohl  Schale,  als  Kern, 
bleibt  ihnen,  meine  Herrn! 
Von  Jczt  An  Fern." 

Er  hat  recht  behalten,  lieber  sein  T.ehen  nneh  1801  Hess 
sich  irotz  fleissigen  Naohforschens  nichts  ermitteln,  al«  dass  er 
am  5.  Juli  1804  als  Advokat  in  den  kursachsiseheu  Landen  zu- 
^'elassen  und  veritflichtet  wurde**),  und  das»  er  am  7.  Januar  1814 
gestorben  sein  solP'*). 

.Einen  i^esundeii  Leib,  zwei  helle  Augen,  zwei  feste  Arme" 
brachte  Küchelliecker  mit  auf  die  Welt  ^^').  alier  wäre  sein  Gesicht 
auch  „leidlich*  gewesen,  so  liättr  es  dorh  zugleich  „tinster*  aus- 
ijesehen.  erzählt  er*').  Auf  der  Thoniasschule  habo  er  „vom 
Kin^reu  und  Balp:pn  ein  Plus  hekunimeu  an  der  recliien  Schulter", 
uikI  daf^  habe  ihm  auf  sein  „ganzes  Leben  im  lauern  ein  n  tinstern 
Ton  gegeben"*^). 

Da«  ist  das  einzige,  was  wir  iil)er  Küdielbeckers  Aousseres 
erl'ahren^').  aber  vou  dem  „finsteren  Tuu"  ist  in  seinen  Werken 
nicht  viel  zu  spüren.  Der  junge  Dichter  macht  vieluiehr  den 
Eindruck  eines  heiteren,  ja  lustigen  und  zu  Zeiten  wohl  auch 
ein  wenig  leichtsinnigen  Menschen,  dem  es  auf  einen  gelegentlichen 
Hurschenstreich  nicht  ankommt,  der  einen  reichen  Quell  erfrischenden 
Humors  und  schlagfertiger  Satire  besitzt  und  dabei  doch  ein  braver, 
tüclitiger  Mann  und  in  seinen  Grundauschauungen  ein  sehr  ver- 
nünftiger Mann  ist. 

Bei  jeder  Gelegenheit  ausserordentlich  selbständig  in  seinen 
Ansichten  und  stets  bestrebt,  sieh  „von  dem  gewöhnlichen  Tross 
zu  erheben",  vertritt  er  als  oberstes  Lebensgesetz  den  Wahlspnich: 
„Wahrheit  ist  ein  gutes  Ding.''  Gegen  sich  wie  gegen  andere 
aufrichtig  bis  zur  Selbstironie  und  scharfen  Opposition,  bedenict  er 

4* 

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fi2     MilteUiingen  d  Geft.  f.  deutoeh«  ErdciIiti]iK»>  u.  Schulgesch.  Vm. 


sieh  keinen  Augenblick,  selbst  die  jüngste  Vergangenheit  in  den 
Bereich  seiner  kritiselien  Betrachtungea  za  ziehen,  und  das  Giiösste 
an  OiTenlierslgkeit  hat  er  in  der  Schilderung  derUniTersitatageriehts- 
verliandluDg  geleistet  die  zu  seiner  Relegation  führte. 

Die  Geheimniskrämerei  der  studentischen  Oriiea  ist  ihm  zu- 
wider, und  so  j?em  er  dem  wahren  Verdienste  gerechte  Aner- 
iiennuDg  zollt,  so  wenig  hält  er  von  dem  ^ganzeu  gclchrteu  Wust" 
der  Sei  ml  Weisheit:  er  ist  vielmehr  für  eine  gesunde,  natUrliehe 
Lebensweisheit  eingenommen,  und  er  ündet  sie  in  dem  vertrauten 
Umgang  mit  der  Natur,  im  Studium  der  Alten,  .der  Römer  Früh- 
ling und  edler  Blftt",  und  nicht  zum  mindesten  auch  üu  eigeneu 
Nachdenken,  Spekulieren  und  Meditieren.  «Es  ist  ein  Glttck,  dass 
hei  mir  die  heftigsten  EmpfindoDgen  in  das  Gebiet  der  Vernunft 
übergehen,  wenn  ich  ihnen  nur  ungestört  nachliängen  kann**,  sagt 
er  in  der  «Quintessenz**  (S.  41)  seihst.  Was  endlich  noch  be- 
sonders angenehm  an  ihm  berdhrt,  das  ist  seine  ungekünstelte 
Frömmigkeit  und  vor  allem  die  grosse  Liebe  zu  seinen  Eltern 
und  Geschwistern,  die  immer  von  neuem  an  den  verschiedensten 
Stellen  seiner  beiden  BQcber  sichtbar  wird. 


n.  Werke. 

Von  Friedrich  Kttchelbecker  sind  zwei  Werke  im  Druck 
erscliienen: 

1.  Quintessenz  meiner  Fusswanderung  in  süddeutsche  Oetjendeu 
im  Jahre  1800  in  üechszeim  wahrhaften  Abeiitiicuern  vuu  Friedrich 
Küchelbeclver.  Mit  Kupfer  und  Music.  Penig,  1802,  bei  Ferdinand 
Dienemann  und  Compagnie.  l  Blatt  Titel,  1  Blatt  Inhalt,  I — XU. 
13—186.  Das  vor  den  Titel  gebundene  „Kupfer'  stellt  Küchel- 
becker  dar,  wie  er,  FiOte  blasend,  im  Fenster  eines  alten  Wart- 
turmes sitzt  und  in  eine  Morgenlandschaft,  die  Umgegend  von 
Bemeck.  liinausblickt;  es  gehört  zu  Kapitel  V.  Der  Radierer  ist 
nicht  angegeben.  Die  zwischen  S.  60  und  61  eingebundene  „Music** 
bietet  eine  Komposition  des  Abschnittes  VI  (»Die  Wahnsinnige  in 
♦«**•,  in  Vereen)  von  C(hristian)  G(otthilf)  Tag  (1735—1811. 
Kantor  zu  Hohenstein  in  Saclisen).  Ich  benutze  das  Exemplar  der 
Berliner  Königlichen  BibUothek:  S.  16221. 

2.  Mein  Leben  auf  Schulen  und  Universitäten  bis  Johannis 
1801.  in  einer  Art  Verse  abgefasst,  die  sich  etwas  besser  als 
Knittelverse  lesen  lassen.  1802  Penig,  bei  Ferdinand  Dienemann 


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2.  Friedlich  Küehelbeeker.  Bin  Beitrag  sur  StiidietigeBCliiebte  etc. 


und  Compagnie.  1  Blatt  Titel,  1—156.  Ich  benutze  das  in 
meinem  Besite  befindliehe  Exemfilar. 

Voü  diesen  beiden  Werken  ist  die  in  Prosa  abgefasste  „Quint- 
essenz" zuerst  geschrieben  worden;  doch  war  sie.  als  Kapitel  X 
des  .Lebens"  zu  Papier  gebracht  wurde,  noch  nicht  gedruckt**): 
sie  ist  zwischen  Juli  1800  (Reise  nach  Ansbach)  und  Johannis 
1801  (liüher  kann  das  „Leben"  nicht  geschrieben  sein),  das  „Leben" 
zwischen  Johannis  1801  und  1802  (Jahr  des  Ersciieiuens)  aufge- 
zeichnet worden. 

In  dem  „Vorbericht"  zur  .Quintessenz"  sagt  Küchelberker, 
<M<!;entlich  wäre  er  ein  Narr,  dass  er  sicli  als  Schriftsteller  ni<-ht 
.hinter  die  seit  einiger  Zeit  so  beliebte  Maske  eines  hessischen, 
preu.ssischen,  kaiserlichen  oder  etc.schen  Offiziers"  versteckte.  Er 
redet  von  „wertherischen  Kaclitexcursioüen".  empfiehlt  sich  seinen 
Rezensenten  durch  ein  Gebetlein  .,ad  inoduin  Fiscliarls",  von  dessen 
„Gargantua,  auch  fiarganzvoU  und  Garkautenvoll  oder  Gurj^ellang, 
Gurgelstrotza"  er  eine  genaue  Kenntnis  verrät,  und  bittet  endlich, 
ihn  nicht  „für  einen  Kachkömmling  Jean  Pauls*'  zu  halten,  „wenn 
ich  gleich  vielleicht  einige  Familienfthnlichkeit  haben  sollte;  Jean 
Paul  BoU  und  mnes  ohne  Nachfolger  bleiben,  seine  Fehler  mochten 
sich  sonst  leichter  vererben  als  seine  Tugenden  —  und  er  nimmt 
den  Beifoll  des  Publikums  auch  ohne  Anweisung  dahin,  ich  aber 
bedarf  dieser  gar  sehr/*  Er  wendet  sich  deshalb  an  die  Rezen- 
senten, die  ilmi  eine  solche  Anweisung  auf  das  Wohlwollen  der 
Leser  ausstellen  sotten,  und  begründet  seine  Bitte  damit,  dass  er 
„ein  Nagelverwandter  des  guten  Geschmacks  von  der  prosaisch* 
satyrisch-romantiBchen  Linie"  seL 

Er  hat  damit  seine  litterarische  Persönlichkeit,  wie  sie  in 
diesem  Buche  sich  offenbart,  gar  nicht  unpassend  charakterisiert: 
er  schildert,  was  er  sah,  in  Anlehnung  an  das  Muster  Jean  Pauls 
in  der  Kleinmalerei  und  den  humoristischen  Parfeieen,  an 
das  der  ftlteren  Romantiker  in  der  Verwertung  des  Stimmung»- 
gehaltes. 

Im  übrigen  lührt  der  „Vorbericht"  noch  dii-ekt  in  die  Er- 
zählung hinein.  In  einem  Zwiegespräch  mit  der  Mutter  entwickelt 
sich  KUchelbeckers  Absicht,  die  Reise  nacii  Ansbach  anzutreten, 
angeblich,  um  über  den  sehrelbsaumigen  Bruder  Karl  sichere  Nach- 
richten einzuziehen,  mehr  aber,  weil  er  «grade  die  rechte  Stimmung* 
hatte,  „ein  grösseres  Stückchen  von  der  Welt  zu  besehen,  als  man 
von  den  StadtthQrmen  meines  Oeburtsortes  (im  iihysischen  und 


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54     lUtteilungeti  d.  Gm.  t  deuteehe  BntfthungB-  u.  SchuJgMch.  Vni. 


Utterarisdieii  Süme)  erblicken  konnte."  Zeigt  sicli  Kfichelbecker 
in  der  ,  Quintessenz"  ziemlicli  abhAngig  von  seinen  Vorbildern,  so 
bedeutet  das  »Leben"  in  jeder  Beziehung  einen  Fortschritt.  Zwar 
auch  hier  bat  er  ein  Vorbild  nRmlich  Kortums  .Jobsiade*.  aber  er 
steht  seinem  Muster  hier  weit  selbständiger  gegenüber  als  dort*) 

III.  Das  Wittenberger  Gymnasium. 
Bei  dem  Vermerk  ttberKficbelbeckersÄulbahme  in  die  Stadtschule 
steht  die  Notiz  ,4  J.  VI".  Es  bedeutet  das.  dass  er  mit  4  Jahren 
in  Sexta  eingetreten  sei.  Wirklich  war  er,  wie  aus  der  Biographie 
hervorgeht,  im  April  1781  noch  nicht  fünf  .lahre  alt.  Das  war 
wohl  besonders  frtth;  (Unfj&hrige  Schüler  aber  sind  in  den  alten 
Verzeichnissen  des  Gymnasiums  wiederholt  angeführt*^). 

Die  Schule  war  ein  GymnaHium  (Lyceum.  Gelehrteiischule) 
und  bis  1793  die  einzige  Anstalt  fiir  die  Bildung  der  männlichen 
Jupond  in  Wittenberg  *^).  Der  Unterricht  begann  mit  den  Elemen- 
tarieii.  aber  schon  in  Quinta  wurde  mit  dem  Lateioiscbeo.  schon 
in  (^uaria  mit  dem  Griechischen  begonnen. 

In    Sexta    lernt»'    mnn.    wie    KO(h<'lh»>cker    erzählt,  das 
Lesen  bis  zur  völligen  l'ertigkeit,  ferner  Schreiben  und  Rechnen. 
Die  Quartaner  waren 

.,z!i  allen  Zeiten  aurh  Knrrcntaner, 
lielVu  Sonntags  in  die  Häuser  hinein 
und  HiUe»  doi  cfaristtidien  GlaolMm  schrein; 
trugen  L^erhoten  und  blane  Hftntal  auswendig 
und  bSlkften  uimI  modnlirten  nnbSndig.* 
In  Tertia  trieben  die  Schüler  noch  »Langes  EoUoquia"*^ 
piivatim  aber  las  KUchelbecker  —  «schon  im  sehnten  Jahr",  wie 
er  auch  hier  ganz  gewissenhaft  der  Wahrheit  gemiss  ausrechnet  — 
den  Curtius  Rufus. 

Der  Relctor^.  der  in  Frima  unterrichtete,  war  ,alt  und 
schwach", 

,(lorli  stiuid  er       PtH-jfln  keinem  nach 
uud  klopfte  mit  zierlichen  Haselstöcken 

*)  Auf  eine  faisftihrlicht»  Inhattsangabo  dor  in  dor  ..(^tiintesHonz"  gr©- 
Bchiiderten  Abeuteuer,  wie  sie  der  Herr  Vcrt'aaaer  in  seinem  Manuskript 
uns  darbietet,  glauben  wir  au  diesem  Orte  versiebten  su  dfirfeo,  weil  sich 
kebie  Beatandteile  ▼ovfinden,  die  sich  auf  die  Geschichte  dea  Unterrichte- 
und  Studienwesens  beziehen.  EbenBO  unterlassen  wir  die  Inhalteangabe 
des  zweiten  Werkes  von  Küchelbecker  „Mein  Leben  auf  Schnl^n  und  Uni- 
versitiUcn  bis  Johannis  1801"  hier  wiedoriugeben,  weil  dasselbe  borpits 
in  der  Biographie  erzählt  und  auch  die  folgenden  Kapitel  ausfülirUch 
darüber  berichten.  Anmerlcung  der  Redaktion* 


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sl  Prtedrieh  Kadhelbeek«r.  Bin  B«itng  war  Studlengmchlelite  ete.  65 


uns  reinlich  den  8tanb  ans  den  Jacken  ond  BOdcen. 
Doch  brachten  wir't  an  ihn,  nnd  gaben  nns  Hflhp 
PrOgel  m  terdienen  spat  nnd  firfih." 

Ein  anderer  Lehrer,  dessen  Kfichelbecker  gedenkt,  war 
Konrektor  Henriei^^). 

„Konrektor  Henrici  pflog  keinen  za  schlagen, 
sondern  thäts  uns  mit  dttrren  Worten  sagen, 

wenn  wir  Benkels  waren  nnd  faul; 
drum  scheuten  wir  sein  satyrisches  Maul. 
Man  könnt  aber  bei  dem  Manne  was  lernen: 
er  iiatte  die  Weislicit  aus  naheu  und  fernen 
Zeiten  und  L&ndern  zusammen  gebracht 
nnd  lockt  nns,  nnd  lehrt  nns  mit  ihrer  Macht.*' 

Ueber  den  Religionsunterricht  in  Prima  erfahren  wir 
endlich  folgendes  interessante  Detail. 

«Damals  irar  anf  der  Wittonberger  Sehnte, 

nm  nnsre  Seelen  vonoa  FenerpAihle 

zu  bewahren,  die  Methode  im  Schwang, 

dass  wir  Primaner  d» n  Ireifaclien  Gang 

zum  Himmelspförtlein  mit  Fleiss  erlernten, 

und  dass  wir  vom  rechten  nns  einst  nicht  entfernten, 

spazierten  wir  zur  Prob  auf  den  falschen  herum, 

nämlich  in  Hutteri  Compendium^"): 

draub  der  Rekt4>r  die  Transsubstaution  dozierte 

indess  ihm  oft  einer  die  Perticke  venierte, 

mit  dem  Eckerober,  oder  einem  Hasenschwanz, 

welcher  ihm  stnnde  TortreSlich  ganz! 

Ueber  diese  Lehre  kam  er  nie  hinaus, 

sondern  blieb  immer  bei  der  verbrannten  Maua, 

weicht'  die  Pfaffen  mit  List  mussten  hasch»^!i, 

weil  sie  pfiog  von  den  Oblaten  zu  naschen.^ 


IV.  Die  Leipziger  Thomasschule. 

Wo  Küchelbecker,  im  dritten  Kapitel  seines  , Lebens-,  von 
seiner  Uebersiedelung  auf  die  Leipziger  Thomasschule  berichtet, 
entwirft  er  zunächst  in  wenigen  Versen  ein  satirisch  geftobtes  Bild 
von  der  ätadt  Leipzig,  das  folgendermaassen  lautet: 

„Ist  aber  Leipzig  ein  feines  Städtchen, 

voll  dürrer  Knaben  und  blasser  Mädchen, 

h;it  Konzert^'),  Oper  und  eine  schöne  AUee^-), 

da  hält  Frau  Venus  ihre  Assemblee. 

Bas  Ganze  aber  thnt  Merkur  r^eren 

nnd  die  nenn  Mosen  können  sich  kanm  rühren 


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56    Hittolliuigeii  d.  Ges.  f.  dentsdie  Endehung»-  iL  Behulgwcii.  Vm. 


vor  Fuhnnaiuiawagen  und  Eftofmannsgnt 

and  Ladendienem  im  Bonaparte  Hut 

Und  die  Herrn  Kauf-  und  Haiidelslente 

srluippten  selbst  den  Apoll  auf  die  Seite, 

wenn  er  wollt  so  vermessen  sein 

nnd  treten  einher  auf  dem  breiten  Stein 

Giebt  aber  dennoch  dort  viele  Magister, 

doch  achtet  sie  schlecht  der  schnöde  Philister, 

und  hAlt  sie  gefaogea  in  seinem  Scholdbnch 

und  fahrt  über  sie  manchen  schweren  Fluch. 

Drum  mht  anch  Plntns  Segen  mit  nichten 

auf  der  armen  Magister  Schreiben  und  Dichten! 

sie  crschrcibcn  und  erdichten  nur  Kupfer  statt  Gold, 

ist  aber  einer  des  andern  Ehrenhold.  * 

Wie  er  in  aeinem  Berieht  aber  das  Wittenbetger  Gymnasium 
in  den  Gestalten  des  Bektors  Measersehmid  und  des  Eonrektora 
Henrici  zwei  Tereehiedene  Charaktere  wiikungsToU  g^nfibeistellen 
konnte,  bo  hebt  Kttebelbecker  noch  schärfer  den  tiefen  Gegensatz 
im  Wesen  des  Leipziger  Rektore  Fiseher  und  ,Vater*  Hillers 
iierror.  Der  Rektor  Fischer^)  erscheint  vor  allem  als  Pedant, 
der  in  zShem  Kampfe  gegen  kleine  Aeusserlichkeiten  es  nicht 
duldete,  dass  seine  ThomasschUler  Stiefeln  trugen. 

,Aber  et  gefiel  des  Scholarcfaen  Blicke, 
wenn  min,  benebit  einer  infamen  Perttcke, 

wollne  Strümpfe  trug  nnd  kleine  Schuh- 
schnallen  und  knöpfte  die  Weste  zu 
bis  nii  (U  n  Hals,  ohne  Halstuchschleife, 

keine  Sannnthose,  sondern  kleine  steife 
Acnnelaufsriiliige,  und  wenn  das  Haar 
unter  der  Azel  glatt  verschoren  war."^  '). 

Die  Folge  davon  war,  dass  ihn  die  jungen  Burschen  oft  zu 
hintergehen  suchten: 

yBa  kam  ich  erst  hinter  die  Schliche  recht, 

nnd  lernte,  wie  man  von  aussen  äoht- 
rcktorisch  scheinen  kennt  nnd  im  Stillen 
leben  nach  seinem  Lüster  und  Willen: 
wie  man  sich  neben  dem  Srhnlnu  istt  i  rock 
'n  bunten  und  Sporeu  und  Knutenatock 
and  SteifsticfeUi  hielt  und  Lederhosen, 
um  ausser  dem  Sehulgebände  sn  kosen 
ittcognito  mit  einem  schönen  Ehid, 
oder     schleichen  in  die  Oper  geschwind. 


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2.  Friedricli  KQchslbeeker.  Bin  Beitrag  zur  StadiangMchichte  ete.  57 


Dem  um  war  gar  scharf  das  Theater 
vertiotheii,  weil  iisend  ein  EircheiiTater, 
in  irgend  einem  Opere, 
darttber  gerufen  bat  sein:  Web!*"^ 

Im  Abrigen  war  Kflehelbecker  für  seinen  Rektor  voller  Hoch- 
achtung: 

^Sonst  war  der  Sektor  ein  Mann  wie  Eisen, 
so  fest  nnd  brauchbar;  er  liatto  die  Weisen 
von  Kom  und  Attika  bas  studirt 
und  draus  die  Varianten  sich  annotirt: 
war  eisern  redlich  und  glaubte  darneben, 
das  Griechische  diene  zum  ewigen  Leben." 

Sein  phllolof^isoher  Eifer  war  so  gross,  dass  KU»  hf'lbecker 
uur  einen  riiistand  kannte,  der  ihm  den  Aufenthalt  auf  der 
Thomasschule  zu  Zeiten  eiii  wenig  verkümmerte,  und  das  war, 
wenn  der  Rektor  seinen  Schülern 

^schwal 

macht  mit  einer  variana  lectto 

ana  dem  Saida  oder  dem  Hesychio. 

Da  hab  ich»  so  recht  im  inoem  begriffen. 

es  sei  kein  Schecrmesser  so  S(  harf  <z:e8chlifren, 

es  führe  kein  Sclincidor  'no  Nadel  so  spitz, 

als  eines  grainniatisrhcn  Kritikers  Witz. 

Unser  Rektor  war  der  subtilste  darunter, 

der  streift  einem  Floh  den  Balg  herunter 

nnd  gerbet  den  Balg  und  machet  ihn  gar  — 

wenn  der  Floh  nur  ans  Griechenland  war'^.'' 

Von  Adam  Hiller.  der  bekanntlich  von  1789—1800  Kautor 
an  der  Thomasfichulc  war.  rühmt  Küchelbecker,  er  sei  ^.ebenso 
redlich,  doch  so  rostig  nicht"'  wie  der  liektor  gewesen. 

„Er  pllog  sem  Gesicht 
gern  unter  uns  Kindern  zu  erheitern, 
rOgt'  unsere  Felder  ohne  wettern 
nnd  längeren  Groll;  sein  weiches  Herz 
nahm  an  nnare  Fanden  wie  nnaeni  Scbmenc'*^). 
War  in  seinem  Leben  an  ^elen  Orten 
geehrt,  noch  öfter  verkannt  wurden 
und  bitter  «rekriinkf.  und  Traute  doch 
kiudlif  li  dem  Menschenherzen  nocii. 
Und  erzählte  mir  oft  in  den  Abendstunden, 
wie  er  Tugend  gesucht  und  selten  gefunden, 
und  hoffte  dann  mit  glflabiger  Kraft 
anf  Tugend  jenseit  der  Pilgerschaft; 


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68     lOttelluiigeii  d.  Ges.  f.  deutache  Erxlehiinga«  it  Sefanlgetch.  VIIL 


and  sagte  mir  glSheDd  dann:  Jftnglingl  bewahre 

des  Herzens  Reinheit  bis  an  die  Bahre! 
und  stund  ich  dann  da,  mit  fliegender  Brust 
und  zitterte  hciuilic))  fOr  Math  und  fOr  Lnst^")." 

Der  81  lilkiitf  Kapellmeister  war  aber  auch  eia  unerBchrockener 
Kämpfer  für  den  Fortschritt: 

„Anch  suchte  Yater  Hiller*«')  mit  Eifer 

uns  arme  Jungen  von  alter,  steifer 

Mönrijsnorm  zu  entbinden  und  stritte  darum 

sich  oft  mit  den  andern  Kollegen  hprani***). 

Wir  Pennäle  traten  auf  beide  Partheien, 

und  manche  hielteus  mit  allen  zweien. 

Waren  aber  die  von  des  Bektors  Part 

oft  Jangen  von  bteer,  lieimlidier  Art, 

thaten  HiUem  so  gani  im  Stillen  kränken 

und  niemandem  Iclaren  Wein  einschenken. 

Da  traf  sicbs,  dass  es  dem  Hiller  gelang 

und  iltirch  beim  Leipziger  Ratho  er  drang, 

der  srhickto  dem  Rektor  ein  miit  litig  grosfjos 

Schreiben,  divss  wir  Peiuialo  künftigliin  blosses 

Kopfes  gehen  dürften,  weil  sich  unsre  Perücken 

zur  AnfUäruug  nicht  länger  wollten  schicken: 

da  schnitt  der  Rektor  ehi  Laxiergesicht 

und  liess  seinen  Aerger  sich  merken  nicht; 

wir  aber  nahmen  mit  behendem  Finger 

die  Teufelsbesen  und  warfen  sie  nunter  in  Zwinger, 

da  kamen  die  Hunde  nnd  bissen  siuh  drum; 

das  war  ein  PerUckengaudium 

Natürlich  aber  gab  es  in  Leipzig  auch  Leute,  die  fQr  diese 
befreiende  .That  kein  Yerstäiidoiä  hatten: 

„Sagten  aber  doch  einige  Stadtpliilisfer, 
als  wir  nicht  mehr  wie  Katerheten  nnd  Küster 
einher  gingen,  sondern  wie  uns  der  liebe  Gott 
belockt  hatte,  schwarz,  gelb,  braun  or  roth; 
das  wär  eine  Schand  und  ein  ärgerlich  Leben, 
sie  möchten  nix  mehr  ins  Karrentbflchsel  geben! 
Sdbst  Ton  den  PennAlen  sagte  mancher  Dommhat: 
eine  Perflcke  hfttt  anch  gestanden  gut** 

Vod  ironisch  fUgt  der  Dichter  diesem  Berichte  hinzu: 
«Da  seht  ihn,  dass  zu  allen  Zeiten 
die  Leute  dem  Wessen  das  Weisse  beatreiten.* 

lieber  seinen  Abgang  von  der  Thomasschule  erzfthlt  er 
folgendes: 


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2.  Friedrieh  Kachelberker.  Ein  BeltTtg  sur  Studteogeeehiobte  ete.  59 


.Schickt  mieh  aber  doch  min  VAlcdlxircn 

vnd  mnsst  'ne  Oration  memoriran, 

die  der  Rektor  hatte  selbst  gemacht; 

das  hat  mich  um  manche  Stunde  gebracht*®). 

Als  wir  nun  die  Reden  halten  thäten, 
gingen  dazwischen  Paukrn  nnd  Trompeten 
und  die  Pennälc  sangen  eine  Motette  ab, 
was  zoBammen  viel  Spektakel  gab. 
Dann  thät  ich  meine  Gläubiger  kontentiren 
nnd  liesB  mich  von  allen  gehörig  qnittiren, 
auch  vom  Rektor  Uber  meiiie  Sitten  nnd  Flein, 
der  gab  mir  ein  Zeognias  treflicher  Weis, 
ünd  Hiller  nahm  mich  an  seine  Brust 
und  sagte!  Sei  edel,  so  lebst  du  niitLunt! 
So  zog  ich  denn  muthi^',  mit  leisem  Trauern, 
nach  Wittenberg,  weg  von  Leipzigs  Mauern, 
war  geworden  um  volle  sechs  Jahr  älter, 
doch  wenig  verständiger  und  wenig  kälter; 
aber  ein  bischen  gelehrter»  das  ist  wahr! 
doch  wava  nnr  wenig  fttr  ganze  sechs  Jahr.** 


V.  Die  Wittenberger  Universität. 
Als  Küchelbecker  in  seine  Vaterstadt  Wittenberg  zurück- 
•gekehrt  war,  ,um  drei  Jahr  lang  der  Rechte  Honigseim  zu  saminoln 
und  hernnch  von  den  Waben  aufs  ganze  Lehen  zu  zehren  zu  haben 
wollte  er  sich  Jn  den  Blumen  und  Disteln  des  Corjms  jnris"  doch 
nicht  -SO  ganz  einnisleltr,  dass  er  sein*'  l>urschenzeit  nicht  ander- 
weit genossen  liiitte.  Er  sagt  darüber  —  und  diese  Stelle  gehört, 
weil  sie  gleichsam  die  Richtschnur  für  seine  ganze  Beurteilung  der 
Wittenberger  Universitätsverhältuisse  bildet,  gar  wohl  an  den  An^ 
fang  diesafi  Kapitels  —  ausdrQcklieh  folgendes: 

,Ich  habe  darüber  immer  so  gedacht: 

der  Mensch  ist  nicht  hlos  snm  Stndiren  gemacht, 

er  soll  seine  SGtspieler  lernen  kennen 

und  sich  die  jnngen  HOmer  abrennen; 

soll  nun  anfangen  sich  selbst  zu  regitTcn 
sich  nicht  länger  lassen  am  Gängelband  ftlhren. 
Dazu  mac  man  nun  nehmen  die  kurze  Frist, 
wo  man  joog  und  auf  Universitäten  ist: 
aber  Freiheit  mnss  da  sein  und  eigene  Wahl, 
souüt  bleibt  man  sein  Lebtage  nur  >'in  rennal. 
Dmm  soU  nntar^n^SuBchen-Gemeiiigeist  wehen, 
soll  einer  TOr  aller  Rechte  stehen! 


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60     lOttoiliingeii  cL  Ges.  f.  dentaehe  Bni«hu]igt-  u.  Schuigesch.  Tm. 


und  alle  Tör  einen!  aonst  tofs  Oanie  verlobren 
nnd'a  ergreifen  den  Kappsaam  die  Professoren. 
Diese  sollen  ein  lastigeot  tollen  Streich 

nicht  verfolgen  mit  Stralm  und  Plagen  gleich, 

sollen  denken:  wir  wnren  ancli  einmnl  jong 

und  liabens  getrieben  eben  toll  genungr. 

Denn  was  soll  aus  einem  jungen  Rosse  werden, 

wenn  maus,  gleich  alten,  steifen  Pferden, 

an  den  Beinen  gefesselt,  will  auf  der  Weide 

xwar  grasMi  lassen,  aber  die  wilde  Frende 

niclit  anatobea,  nicht  Uber  Ofaben  nnd  Zaun 

rasch  aetien,  nnd  alles  mit  Domen  verbaan, 

wo's  Hösslein  könnt  fallen  und  brechen  ein  Bein, 

nnd  den  ganzen  Tag  Hotte!  und  Scliwude!  Schrein?! 

Das  gicbt  Ackergaule  und  stätig  und  faul 

und  Muckers  und  furchtsam'  und  hurto  im  Maul. 

Freilich  mag  maji  ein  Ross  wohl  so  dressiren, 

dass  es  auf  der  Reitbahn  kann  brillircn: 

aber  k  la  Campagne  wird's  nie  taugen  sehr 

nnd  im  Leben  geht's  4  la  Campagne  her. 

So  BoUt'a  sein,  dacht  ich  nach  meinem  Verstand. 

Lasst  sehen!  wie  Ichs  in  Wittenberg  fand.* 

Wo  er  Uber  die  ThomasBcbuIe  erzahlt,  beginnt  Kachelbecfcer, 
wie  wir  gesehen  haben,  mit  einer  Schilderung  der  damaligen  Stadt 
Leipzig.  Aach  hier  geht  er,  in  seinem  sechsten  Kapitel,  Ton 
einigen  Worten  Uber  Wittenberg  aus.  leitet  sie  aber  gleich  Uber 
in  den  Bericht  vom  Vergnügen  und  Ton  des  Wittenberger 
Husensobn. 

„  ,Wer  von  Leipzig  kommt  ohne  Weib 
von  Wittc  iihr  rt'  mir  gesundem  Leib 
von  Jena  ohn  geschlagen, 
der  hat  von  Glück  zu  sagen!* 
nach  diesem  Spracbloin  sollte  man  glauben, 
als  flögen  in  Wittenberg,  wie  ein  Fing  Taabm 
ins  Feld  schwftnnt  nnd  wieder  ins  Tanbenhans, 
in  Hänfen  die  Krankheiten  ein  nnd  ans. 
Mit  nichten!  glanbets,  man  kann  zur  Stund 
rflstig  dort  sein  und  frisch  nnd  gesund^). 
Pro  primo  giebts  ziemlich  breite  Gassen***), 
ilii'  überall  niedere  Hütten  einfassen, 
und  die  Gassen  gehen  von  Osten  nach  West, 
da  wehen  die  Morgenwinde  mh  besst, 
anch  wehreta  k«in  Mensch  dem  scharfen  Nord 
in  die  Stadt  su  blasen  fert  and  fort. 


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SS.  Friedrich  KtUshelbecker.  Bin  Beitrag  mr  Skadieugescbichte  ete,  61 


weU  aehon  seit  den  siebenjährigen  Kriegen 
die  Häuser  gen  Nord  noch  im  Schatte  liegen**). 
Pro  secondo  strömet  der  Elbe  Flnss 
von  der  Stsdfc  noch  keinen  Biiclisenschnss 

nnd  es  reinigen  seine  frische  Wellen 

die  Luft  von  der  Pest  und  bösen,  schnellen 

Seuchen,  auch  kann  der  Student  alihie 

sich  ergützeu  mit  einer  Wa-'serparthie. 

Pro  tertio  ist  der  Luxuä  und  sein  VerguUgeu 

Im  Chnratädtlein  eben  nidit  hoch  gestiegen 

m«n  hit  dft  nicht  Oper,  Konzert,  Gerassel, 

Assemblee,  ja  nicht  einmal  ein  Bordell; 

pflegt  fleissig  Bier  statt  Wein  zu  trinken, 

folgt  nicht  der  Huren  Locken  und  Winken, 

sondern  deponirt  etwa  eine  rtinde,  frische  Magd, 

was  der  Gesundheit  bas  zusagt. 

Muss  also  wolil  jenes  SprQchleins  üraach 

wo  anders  liegen.  Und  brauchen  wir  nur  auch 

dem  ersten  besten  BiMfaans  za  gehen, 

so  werden  vir,  was  es  bedente,  sehen*^. 

Da  sitsen  die  mnutem  Husen  zusammen 

nnd  suchen  des  ewigen  Durstes  Flammen 

mit  vollen  Krügen  zu  löschen  au;^, 

und  singen  und  führen  einen  Teufelsaans. 

Einer  aber  sitzt  oben  an, 

der  am  besten  singen  nnd  schlingen  kann, 

den  neuut  mau  den  I  ruäes,  der  erhebt  seine  Sliaiuie 

und  brttUt  wie  ein  junger  Leu  im  Grimme; 

die  andern  mftssen  ihm  alle  pariren, 

und  darf  sich  keiner  vom  Stuhle  rfthren, 

darf  keiner  im  Gesänge  pecciren, 

und  keiner  plaudern  und  haseliren '^'*), 

sonst  thut  er  ihnen  zur  Strafe  diktiren 

j'iuen  Zit'hscliininiel''"),  oder  zwei, 

die  trinkt  man  in  einem  Zupe  frei. 

lia  jauchzen  die  Musen  voll  i^uat  und  Vergnügen 

und  wflnschen  ins  HSdels  Arme  zu  liegen, 

da  singt  man  der  Knabenseit  ein  Hoch! 

und  dem  Lande,  das  uos  gross  erzog. 

Auch  die  Lehrer  werden  nicht  vergessen 

und  pflegt  mau  ihre  Verdienste  zu  messen 

nach  ihrem  lTni^?an'-'e  nnd  Kordialität, 

und  lilsst  hoch  leben  seine  Fakultilt. 

Zuletzt  werden  wohl  uocli  die  Miidels  abgesungen, 

und  dabei  viel  Kannen  Bier  verschlungen. 


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62     IfltfeeihiDgeii  d.  Geo.  f.  deutwelie  Bniehangs-  u.  Schulgeach.  Vin. 


weil  jeder  gern't  «chOnste  Mftdel  bittest 

sodann  geht  man  illumiiiirt  tu  Dette. 

Da  seufzen  nnn  drflber  die  Professoivn 

und  geben  die  Kommencbbrftder  alle  verlobren» 

nnd  sagen:  dass  man  söfTc  so  arg, 

sei  ein  Hauptnaeol  /lun  frühen  Sarg. 

0!  ihr  lieben  Professorsleut. 

seid  l  ininal  billig  und  wahrhaft  gescheat! 

Was  habt  ihr  denn  gethan,  was  verfüget, 

das  besser  die  mntern  Studenten  vergnttget? 

Ibr  laest  ja  keine  Unterhaltnng  ein, 

*s  mOgen  Scbanapieler  oder  sonst  was  sein! 

was  sollen  die  jungen  Leute  beginnen? 

sie  mtJssen  aus  sich  selbst  herausspinnen 

die  rnterhaltung  und  die  lebendige  Lust. 

Sie  wollfii  aussclireieii  die  starke  Brust, 

sie  wollen  nun  jugendlich  frölich  sein 

und  sich  nicht  mit  euch  am  Spieltisch  ka stein. 

Und  wenn  auch  durch  euch  zu  der  Musen  Frommen 

roebr  getban  wAr,  so  soll  docb  nicbt  abkommen 

das  Singen  und  Trinken  ganz  nnd  gtuTf 

weil  Jugend  vom  Anfeng  der  Welt  jnng  war. 

Der  ebrsame  Leser  soll  aber  nicht  denken, 

als  wenn  sie  in  Wittenberg  immer  tr.lnkon ; 

man  b«^*r(  ibt  wltl  eben  das  Hauptwerk 

nirgends  ticissiger  als  in  Wittenberg. 

Fast  alle  hören  tieisäig  ihre  Kollegen 

und  thun  sie  zu  Hause  im  Kopfe  bewegen, 

oder  spreclien  mit  SVeunden,  oder  lesen  darüber, 

nnd  sbid  geschickt  als  liederlicb  lieber; 

manche  freilicb  sind  beides  zugleich, 

das  ist  den  Professoren  ein  Queerstreich. 

Frühmorgens  studirt  man  und  erlustiret 

Narbrnittaps  sich  ijnnz  iingenirot. 

Da  geht  niun  hinaus  auf  die  rot  he  Mark''), 

die  liegt  in  einem  Eiehenpark, 

hat  rothe  Wände  und  dreierlei  üier; 

man  bezahlt  hier  baar  — * 

All  dieser  Stelle  hiääo  ich  nur  einen  zwar  ganz  lustigen,  aber 
gar  nicht  zu  meinem  Zwecke  gehörigen  Schwank  aus,  wie  awei 
Studenten  deu  Wirt  der  Hüten  Mark  prellen,  und  fahre  nach  diesem 
«StQck  von  Intermezzo*'  sogleich  in  Kfichelbeckers  Texte  fort. 

•Da  miethct  man  einen  Philistergaul --), 
der  dflrr  ist,  aber  im  Laufen  nicht  faul, 


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2.  Priedricli  Küchel becker.  Ein  Beitrag  zur  Studiengeschichte  etc.  63 


sprengt  dann  Gallop  durch  die  schallenden  Gassen, 

mn  «ich  ▼or'n  M&ddn  sehn  zn  lassen; 

und  die  Frennde  nnd  Herren  Bmder 

nehmen  anch  ein  Boss  and  sprengen  wieder 

dem  ersten  nach  nnd  so  hezt  man  fort, 

bis  mau  kommt  an  einen  andern  Ort. 

Da  ist  Komberg,  dort  spielt  oinp  pute  Bande 

den  Hamlet  Shakespearn  im  Grabe  zur  Schande, 

und  kann  man  das  Tranerspiel  nicht  geniessen. 

60  giebu  doch  Spas  mit  den  jungen  Aktrisen 

ODd  man  sdiaut,  venn  ein  Knliseenfenster  aufgeht» 

wie  ein  Reitrod[  Ophelien  sftrtlich  nrnftht 

Femer  Koswig»  ein  lidites  AnhUtiscb  Städtchen 

hat  Zerbster  Bier  und  hübsche  Mädchen. 

Nuders tlorf  im  Walde  hat  starkes  Bier, 

da  sinji'  *  nn'l  trinkt  man  im  Grünen  hier. 

Wörlitz  mit  dem  englisrlien,  schönen 

Garten,  voll  wilder  und  milder  Scenen, 

wo  die  Kunst  mit  der  Natur  rang 

nnd  keines  das  andre  gar  bezwang 

nnd  darum  heide  Mnnd  an  Mnnd 

nnd  Arm  in  Arm  schlössen  den  ewigen  Bnnd, 

da  kehrt  man  beim  Moses  ein,  oder  beim  Hirsche 

oder  reutet  zur  Oper,  oder  zur  Pirsche 

nach  Dessnn  Tind  verjankeriret  dort 

sein  Geld,  dann  reutet  man  wieder  fort! 

Und  jagt  mau  zum  Thür  ein  und  setzet  den  Hut 

verkehrt  und  grölet  mit  frölichem  Muth 

sein  Gaudeamus  igitur  her, 

als  wenn  die  Welt  nun  unser  wär. 

Am  freisten  noch  ist  der  Wittenberger; 

und  aileuthalben  ist  es  ärger 

mit  der  lieben  Polizei, 

di<'  giebts  in  Wittenberg  keinerlei; 

man  raucht  auf  der  Strasse  seine  riVit'o  frei, 

man  schwärmt  nnd  lärmt,  macht  ein  Feldgcschrei: 

I)a  sind  keine  Schnurren  •    und  Stadtknechte 

und  Laubfrösche'*)  und  andre  solche  Hechte, 

die  um  einen  schnOden  Gewinnst 

lauem  dem  Burschen  auf  den  Dienst 

Freilich!  giebts  auch  da  zwei  Pedelle 

nnd  einen  Karzerknecht  zur  Stelle, 

aber  man  wünscht  sie  mit  Unrecht  zur  TTölle: 

das  erhöht  nur  den  Jnbcl  nnd  machet  ilm  keck, 

so  wie  manche  Speisen  der  Teufclsdreck* 


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64     IGttsQun^n  d.  Ge«.  f.  dentscbe  Endehiing»'  u.  Seholgeaeh.  VIIL 


Sonst  ist  der  Student  still  nnd  solide, 
▼oll  guten  Willens,  hält  Ruh  und  Friede, 

gereizt  aber  ist  er  wild,  einig  und  toU, 

bis  der  Philister  tlmt,  was  er  soll. 

Eh  soll  aber  der  Philister  bedenken: 

was  er  ist?  soll  sein  Herz  nicht  henken 

au  Hüffart  uud  Dünkel  auf  sein  Geld, 

um  das  er  ohnehin  den  Studenten  prellt 

Soll  im  niindsteii  kein  Prft  Terlangeo 

und  seinen  Eetecbismns  mit  dem  Spmeh  aafeogen: 

Schnster,  bleib  bei  deinem  Leisten  fein, 

so  magst  dn  gehen  in  Himmel  ein^^) 

Diese  goldnc  Lelire  haben  ich  und  viole  gnte  Brflder 

mit  dem  Stocke  gepredigt  hin  und  wieder, 

aber  den  Magnificis  schien  die  Methode  za  schwer, 

und  das  Karzer  wurde  selten  leer." 

Auch  im  -i-  i  t  ntra  Kapitel  hat  sich  Küciiellxcker  ein  be- 
stimmtes, abgesrhiosseues  'riieina  gestellt;  er  redet  hier  vom 
Verhältuis  der  Professoren  zu  den  Studenten  (»von  Pro- 
fessoren und  Kanonen  und  Pfundsporeo"). 

^Sagt,  was  ihr  wollt!  's  ist  ein  schlimmer  Staudpunkt 

der  Professor-  uud  Rektoratahl;  wenn  er  gleich  prunkt 

mit  rothem  Sammet  oder  ^oletten, 

mddit  mich  doch  in  so  einen  Stuhl  nicbt  betten ! 

Da  kommen  nun  aus  aller  Herren  Landen 

Mehr  hondert  Jünglinge,  ohn  andre  Bauden, 

als  einen  gemeinschalUichou  Zweck, 

zusammen  und  gehen  auch  wieder  weir. 

wie'd  ihnen  beliebt,  und  die  I'ntfi  ssort  ii 

bestehen  durch  sie  und  sind  alle  verlohrcn, 

wenn  die  Jünglinge  abziehn  auf  eiutual  — 

Denkt  nur  an  Nora  und  den  braven  Dahl'")! 

Und  es  soll  ein  Professor,  der  Bektor,  darneben 

regiertti  und  strafen  der  Jttn^inge  Leben, 

kriegt  auch  vmi  oben  dazu  Auktoiitftt 

und'n  Pedell,  der  mit  dem  Zepter  vonveg  geht; 

und  die  Professors  kt^nnen  alle  Rektor  werden 

und  regeln  der  Jünglinge  Wort  tnul  Gebehrdeii, 

und  wissen  doch,  dass  ihre  Subsistenz 

abhängt  von  der  Beuivolenz. 

Da  kömien  nun  wenig  den  Gesichtspunkt  finden, 

wie  sie  freie  Leute  sollen  regehi  und  binden; 

und  stellen  sich  manche  von  ihnen  zu  weit, 

und  manche  zu  nah,  manche  gar  von  der  Seit 


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2.  Friedrich  KQchelbecker.  Bin  Beitrag  zur  StudiengMchicIite  etc.  65 


Und  die  zu  weit  von  den  Jünglingen  stehen, 

denken,  wenn  sie  nur  ihre  Lebntonden  Tenehen 

und  das  Honorar  im  Sacke  lian, 

so  lültten  sie  sdion  genung  gethan; 

flbrigens  kUmmem  sie  sich  mit  nichten 

um  der  Jtlinglinge  Trachten  und  Dichten, 

leben  vor  sich  and  bannen  von  sich  weit 

Die  HOrer  mit  kalter  Hüflichkeit. 

Ru  rlits  um,  ihr  Herrn!      koimncn  Studenten 

nicht  blos  Hörens  wegen  von  allen  Enden 

zusammen«  sie  wollen  erlernen  aach 

des  Lebens  Sitte  und  feinen^  Brauch; 

dmm  sollt  ihr  mit  enem  Studenten  umgehen» 

ihr  müsstet  denn  selbst  keine  Sitte  veistehen. 

Die  andern  aber,  und  das  sind  die  jungen, 

leben  mit  den  Studenten  gar  ungezwungen, 

jubeln  mit  ihnen  und  saufen  dlinc  Scheu 

und  erzSfilon  iliri'  Jugendsünden  dabei. 

Das  mag  eben  so  wenig  taugen; 

ein  solcher  ist  in  der  Kommilitonen  Augen 

ein  allenfiRlIs  geschicktrer  Student, 

doch  verlacht  man  sein  Warnen  und  Regiment. 

Noch  andre  aber  tappen  gar  dameben, 

wollen  sich  nicht  ttbem  Srlmlstaub  erheben, 

treiben  junge  Männer  mit  ilin  ni  Bakel'*) 

zur  Woislieit  und  glauben  jeden  Spektakel 

mit  cirit  r  Schulmeisterweisnng  7n  hindern. 

und  biethen  Pfeffernüsso  den  fromiucn  Kindern; 

da  entbrennt  nun  in  des  Jünglings  Brust 

zornige  Yeraohtnng  und  bittre  Unlust, 

er  fühlt  seine  Reife,  er  fthlet  dm  Mann 

und  willmirm  Pedant  nichts  zu  schaffen  han. 

In  Wittenberg  war  von  diesen  drei  Fehlen 

fast  jeder  zu  finden!  doch  darf  ich's  nicht  hehlen, 

dass  mancho  Professors,  mit  verständgom  (rpmüthe, 

rni-;clit<  u  Lt  lirc,  Fronnd<*fbaft  und  ernste  Güte, 

und  im  Studenten,  wie  mirs  auch  recht  scheint, 

erblickten  den  jüngcrn,  unwissendem  Freund. 

Zu  den  meisten  ging  man  ohne  Zwang 

und  unterhielt  sich  breit  und  lang 

von  Studien  oder  andern  Geschichten, 

sie  rlr  Ii!  rten,  ohne  zu  unterrichten, 

und  scherzten  ohne  Gravität, 

man  merkts  schon,  wo  das  von  Herzen  geht. 

Milttilungen  d.  Ges. /.  dcuUcliu  Kii;t-li,- u.  Sciiulgtsclüclite.    ViiI  1  Im«.  ^ 

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66  .  WtteUungea  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehunga-  u.  Scbulgesch.  VIIL 


Andre  freilich  waren  vornehmer  und  kälter, 

doch  waren  diese  Herrn  auch  reicher  und  alter, 

die  sprachen  in  einem  hoben,  feineu  Ton, 

doch  ehrten  sie  BSttum  den  Hnsensohn. 

Sonst  freilich,  hevor  noch  die  helle  Laterne 

der  Anfldlning  brannt',  tof  voaenn  Sterne, 

und  die  gclphrtc  Welt  vorzüglich,  tief 

in  Pcdanteroi  begraben,  aufm  Rücken  schlief; 

sonst  freilich  wurden  die  guten  >Tn  v^n 

nur  schlecht  honoriret!  zu  Ritti  ishusen"») 

und  Kenchlin's  Zeiten  traktirt  ein  blosser  Doktenr 

den  flottesten  Porschen  doch  nur  par  Er! 

Da  gab*s  Pennalisrnns  und  Depodtoren*^, 

Beantf*),  Konnten,  nnd  seibat  die  Sektoren 

iisgten  den  neuen  Student  bei  der  Inskription : 

hat  er  abgelegt  seine  HOner  schon? 

Lieben  Brüder!  da  waren  noch  schlechte  Zeiten, 

die  will  ii  Ii  wenn  ihr  sie  nicht  kennt,  euch  deuten; 

ich  hab's  gelesen  mit  vielem  Vcrdniss 

im  Lustspiel:  Relegatus  Cornelius^'). 

Ein  damaliger  Rector  magnificns, 

wenn  wir  alten  Holsschnitten  glauben,  mnas 

besonders  gnt  bähen  ansgeiehen: 

wie  freilich  mnsate's  rotfae  Wbitlein  stehen 

zu  einem  tartariscben  Zwickelbart 

und  einer  Liripipiumsmütze     zart ! 

Damals  waren  Rektoren  nicht  Freunde,  nnr  Richter, 

und  sie  trugen  Kriminalpeflichter. 

kümmerten  sich  um's  Kleinste  mit  grossem  Fieiss, 

und  machteu  den  Burschen  die  HuUe  mit  heiss. 

Wollten  keinen  Jnhel  leiden  und  Possen, 

nnd  hätten  sie  gern  hei'n  Bflchem  TerseUosseo, 

nahmen  hei  Iqjnrien  immer  inolsis  an, 

der  Student  habe's  erste  Unrecht  gethan, 

hielten  jede  Schneiderrechnung  für  richtig 

und  nur  die  exceptio  deficrentis  pecnniae  wichtig. 

Strekten  des  Nachts  zum  Fenst(  r  "nans  ilire  Nas'; 

ob  der  Student  tumnltnire  auf  dtr  Gass: 

wussten's  ob  einer  in  s  Kollegium  lief 

nnd  drinnen,  oder  bei  aeiner  ^Rrthin  sehliet 

hekttnnnerten  gauut  sich  nm  die  ZaU, 


*)  Beanus  ist  nach  der  Etymologie  des  Cornelius  relegfttae  nichts 
als:  B— eanus  V-^t  V— slaos  N— esdena  V— itam  B-^tadioeomm.  (An- 
merkung Kochelbeckers). 


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3.  Friedrich  Kflehelbecker.  Bin  Beitrag  zur  StadiengeMdiidite  etc.  67 


wie  inel  einer  tranlc  Kannen  Bier  anf  einmal. 
Lanscblen  fleissig  mit  gesdifliften  Ohren, 

ob  einer  vorbeiklirrt*  mit  grossen  Sporen, 

und  meinten,  es  könne  in  steifen  Kanonen 

nur  ("In  unaaahros  Renoraistenbeiu  wohnen, 

sagten  auch,  deu  liielteu  sie  geringe, 

der  Abends  in  eine  Bierkneipe  ginge 

und  hätten  ihm  gern  schmälicher  Weiss 

ein'n  Prodnltt  gegeben  auf  Beinen  SteisB. 

Das  hat  sich  aber  nun  heut  nt  Tage 

ganz  nnd  gar  Terfoimt;  und  wer  noch  Klage 

flihrt  Ober  Rektoren  Pedantereien, 

dem  will  ich  das  Lustspiel  Cornelius  leihen. 

In  Wittenberg  hab  ich  zn  dieser  Comoedia 

das  Urbild  nicht  getuiiden,  denn  da 

gab  es  noch  immer,  von  Zeit  zu  Zeit, 

einen  Rektor,  der  von  so  etwas  weit 

entfernt  war  nnd  es  innerlich  fAhlte, 

daas  die  Bnthe  einen  Fenergeist  nicht  kühlte, 

der  wie  ein  Tater  mit  erwadiaenen  Söhnen, 

um  sie  znr  Ordnung  und  Zucht  zn  gewöhnen, 

zuerst  nach  ihrer  Liebe  trachtet 

und  sith  in  ihnen  selber  achtet. 

Und  Achtung  webt  Achtung,  und  Liebe  Liebe; 

so  oft  nun  der  Rektor  verminftif?  bliebe, 

blieben  oft  auch  die  Kommiiituuen  vernünftig; 

trieb  er  aber^s  Regieren  hart  nnd  sOnftig, 

10  träfe,  dasa  an  seinem  lialben  Zncfatjahr*"), 

tagtft^eh  ein  neuer  Skandal  war." 

Von  Orden  und  Duellen  ,, und  andern  dergleichen  Uni^likka- 
fSllen"  handelt  das  ganze  achte  Kapitel  Kilchelbei  kers.  Ich  kann 
die  ziemlich  lange  Einloitung,  die,  bei  Adam  und  Eva  anhebend, 
das  IJaÄüin  geheimer  Gesellschaften  bis  m  die  frühesten  Zeiten  der 
Menschengeschichto  zurückveifolgt  und  ihren  Wert  nur  iu  der  halb 
lini lügen,  halb  treuherzig  wanaenden  Darstellung  findet,  mit  Recht 
tibergehen  und  brauche  aur  das  anzuführen,  was  Küchelbecker  in 
dieser  Beziehung  über  die  Witt©nbei«,'er  Verhältnisse  sagt 

^Aiicli  in  Wittenberg,  hiess  <  s.  war  ein  Orden. 

wer  dabei  war?  bin  ich  iiiclit  inne  geworden, 

docii  äugte  man  gewiss,  er  wäre  da 

und  nenne  sieh  Blenmonrantin. 

'S  ist  aber  besonders  mit  soleben  geheimen 

Ve  rbindungen!  ich  kanns  nicht  xnaanunen  reimen, 

6* 


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68      Mitteilungeu  d.  Ges.  f.  deutsciie  Erziehung«-  u.  Schulgesch.  YIII. 


wie  sie  bestelm  können,  ohne  Widerspruch, 
geheim  und  auch  OffenUieh  eben  genug. 
Man  hört  imn,  es  giebt  Blenmonrantisteii, 
Desperatisten,  IndisMlabaitistenM)  — 

SchUmm  !  sag  ich,  ihr  Herren,  dass  man  es  hOit, 

schon  halb  ist's  Gehcimniss  dadurch  versehrt; 

denn  wenn  die  Welt  erst  den  Namen  weifs?, 

trachtet  sie  das  Ganze  zn  erfahren  mit  Fleiss. 

Anch  ich  hatte  von  Blfumouriinz  gehöret, 

das  hat  mir  oft  meine  liuhe  gestöret 

mit  Speknliren  «od  Achtung  geben, 

was  sie  Gutes  wirice  im  Stadentenleben? 

Und  weil  ich  davon  nichts  wirken  sah, 

ergrimmt  ich  auf  die  Bleamonrantia 

und  schalt  und  sankte  in's  Blaue  hinein. 

Doch  liab's  ein^csehn  hinterdrein, 

diiss  ich  vic'lloichl  inif  Gcspoiistcrn  gefochten, 

die  in  meinem  Kupf  nur  existiren  mochten. 

Drum  übergeh  ich  meine  Donquixntszüge 

gegen  Windmühlen  und  Marionetten,  und  fttge 

meine  nnmassgebliehe  Meinung  bei: 

ob  der  Orden  Stütze,  das  Duell,  recht  sei? 

hk  Witt«ibei|[  gab  es  nur  wenig  DneUe» 

nnd  ich  glaube,  es  wussten  die  muntern  Pedelle 

sie  meistens  genauer  und  früher  als  ich, 

denn  ich  kümmerte  mich  darum  wenig. 

Auch  hab  ich  eben  nichts  gespüret, 

dass  der  Maoristrat  darüber  inquirirel, 

wenn  Fäiua  gleich  manchmal  piano  blioss: 

der  odw  j^er  liat  einen  Antcbiss''')- 

Das  macU^*  er  recht!  denn  beim  Lichte  betraditet, 

und  nnsre  Gesetze  unveraehtet, 

durften  wohl  in  all  den  besondren  Fällen, 

wo  der  Stant  nnsre  Ehre  nicht  sicher  zu  stellen 

im  Stand  ist.  die  kleinen  Schlägereien 

auf  Akadeniieii  nicht  unrecht  «^ein. 

Es  fordert  nun  einmal  die  Mt  iiiung  der  Leute. 

zuweilen  das  Katzbalgen,  und  wer  es  scheute, 

wllr^  in  ihren  Augen  nur  ein  Schuft. 

Ich  weiss  es,  dass  man  hier  drein  ruft: 

Die  Meinung  der  Leute  soll  den  Weisen  nicht  kflm* 

aber  dies  mag  meinen  Satz  nicht  schlimmern;  (mern! 

denn  Ehre  ist  inclir  als  Luftersclieiiuing 

und  sie  besteht  eben  in  der  Leute  Meinung!*^ 


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2.  Fdedrieh  Küchelbeeker  etc.  —  Asmarkongen.  69 


AuBser  in  diesen  drei  zugammenhfiiigenden  Kapiteln  liat 
Kttchelbecker  noch  an  einigen  anderen  Stellen  hier  und  da  verstreut 
Bemerkungen  ttber  Wittenberger  üniversitatsverfa&ltnisse  gemacht 
Er  bestätigt^  daas  es  2u  seiner  Zeit^  wie  ja  auch  ohnebin  bekannt» 
erforderlich  war,  das  Studium  der  Jurisprudenz  mit  dem  der  Logik 
einzuleiten»  und  dass  es  auch  damals  Sitte  war,  einzelne  Vor- 
lesun^n  repetendo  zu  hOren,  Von  seinen  Professoren  nennt  er  als 
Vertreter  anerkennenswerter  Kechtssysteme  Zachari&  und  Kohl- 
schütter»)»  und  anschaulich  führt  er  die  Kleidung  des  FrUflings 
vor  —  „ein  seidenes  Strümpfe  Paar,  welches  hier  unentbehrlich 
war,  so  auch  Handschuh  und  einen  Degen**  —  wenn  er  mit  seinen 
Oppoiient<»n.  deren  jeder  wie  er  selbst  einen  Spiess  trftgt,  zu  Wagen 
nach  dem  Ort  der  Kandidatcnprüfung  fahrt.  Dem  heiteren  Schmause 
nach  gelungenem  Examen,  hei  dem  ,.wohl  dreierlei"  Gerichte  auf- 
getragen werden,  stehen  die  erbitterten  Streitigkeiten  zwischen 
Burschen  und  Philistern  gegenüber,  wenn  diese  den  Studenten 
„die  Spitze  bieten"  wollen  und  „oben  an  stehn  in  Zukunft  hin*'. 
Ja  auch  das  lustige  ..Sommerlogis"  beim  Karzerknecht  spielt  seine 
fröhliche  Rolle.  Aber  alle  diese  kleinen  Notizen  reichen  nicht 
entfernt  an  die  Mitteilungen  heran,  die  oben  aus  Kapitel  6 — 8  ab- 
gedruckt ^v(  rden  konnten,  und  ich  darl'  daher  meine  Auszüge  mit 
diesem  kurzen  Hinweise  schliesseu. 


Anmerkungen. 

')  Vgl.  Kap.  il.  Jch  citiere  sie  stets  mit  «Quiutesseuz'  und  „Leben* 
und  gebe  mit  den  hinter  diese  AbkOrsungen  gesetzten  Zahlen  die  Selten 
«n.  (Für  die  Biographie  Icommt  im  weaentUchen  nur  das  •Leben*  in  Be- 

trucht  ;  die  spftrlichen  biographischen  Angaben  der  „Quintessenz"  decken  sich 
mit  donon  dos  in  dioser  Beziehnn^^  viel  »imfOhrlichcrpri  „Lebens".  Natür- 
lich lät  davon  die  in  der  „Quintessenz'  g-oschildorte  Heise  ausgenommen^ 
sofern  es  sich  um  ilire  einzelnen  «Abenteuer"  handelt.  Einen  Gesamtüber- 
blick Ober  sie  eibJÜt  man  ebenfalls  nur  aus  dem  ^Leben**.) 

')  „Leben"  8.  Dazu  Taufl)uch  der  Stadtpfarrkircho  zu  Wittenberg 
von  1776.  Als  Gevattern  mIiuI  hier  angegeben:  Dr.  Christian  Friedrich 
Küruberger,  med  pra(  i .  Jungfrau  Henri^'fto  Aiifrnste,  Herrn  Heinrich 
Amadeus  Hasen's,  Churi.  äaclis.  Kreis- Amtsmauns  aUhier  liinterlassene  einzige 
Jungfer  Tochter,  nnd  Christian  Friedrich  Wetske,  iur.  practieus. 

^  „Leben"  6.  Noch  im  Wittenberger  Taufbuch,  bei  Friedrichs 
Geburt,  wird  er  stnd.  iuris  genannt. 

*)  „Leben"  ü.  \Venn  er  in  >>einer  Eigenschttft  ala  Leutnant  mit 
dem  kaiaerlichon  Heere  nach  diesen  Landern  gekommen  ist,  so  kann  Oa 
sich  nur  um  eine  kleinere  Expedition  gehandelt  liaben.  Bedeutendere 
kaiserliche  AktionMi  fielen  dort  bekanntlich  nur  In  die  Jahre  1787  und  179S. 


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70     Hitteilimgen  d.  Oes.  f.  deuttehe  Bnlehiings*  u.  BchuIgeMh*  VUL 


Im  prston  Fulli  aber  war  der  i\lter«^  Kücholbpcker  n  Jalire  alt,  und  1788 
oaßB  er,  l&ug^st  nicht  mehr  für  den  Kriegsdienst  tauglich,  ruhig  in  Wittenberg. 

*)  «Leben"  88.  In  den  Taufbiu-hern  dt^r  Wittenberger  Stadtpfarr- 
kirche  iat  Karl  nicht  eingetragen.  E»  ist  duauch  wuhracheinlich,  daB»  der 
V«ler  «ret  nach  d«r  G«1>iiit  Belnw  Sltosteii  SohtiM  nach  Wittenberg  ge- 
koinm«!  ist. 

«)  .Leben-  7,  25,  t?6,  28,  76,  82.  Dazu  Taufbach  der  Stadtpfarrkirche 
zu  Wittenberg  von  1778  und  1780.  Als  Gevattern  treten  bei  Henrielte  auf: 
die  Frau  eines  Steuer-Procuratora  und  Rechtapracticus,  der  Universitlkta- 
Geiichte-  und  Fiecue-Vamlter  Chrietiati  Friedrich  WoliT  und  die  Tochter 
des  TentiHlMiiea  Beisitzern  der  Wittenherger  Jurieten-Pekaltti  und 
Bürgermeisters  Dr.  Leonhard  Ludwig  Mencke;  bei  Heinrich:  ein  Kauf-  und 
Handelsmann,  die  Gattin  des  Miigi^ters  Kühler  von  der  Stadtschule 
(Gymnasium)  und  ein  „liataverwaudter,  auch  Kaut-  und  Handelsmann".  Man 
eieht  ans  allen  den  drei  angefahrten  Taufbuchsteileu,  daas  die  Familie 
Kfichetbeeker  in  den  beeeeren  Kreisen  Wittenbergs  befreundet  war  und 
Otaner  gefunden  hatte. 

^)  Das  geht  ebenfaUa  aua  den  Angaben  der  Taufbücher  hervor. 

»)  »Leben"  7. 

*1  .Leben"  Kap.  4.  »Quintessenz**  Kap.  4.  Dazu  Toteubuch  der  Stadt- 
pfarrkirche SU  Wittenberg  von  1792. 

1*)  8o  nennt  sie  das  Taufbuch  bei  der  ^tngung  von  Henriettena 

Geburt. 

„Leben"  7. 

Die  Angaben  über  Küchelbe<-kera  Besuch  des  Wittenberger  Gymna- 
siums verdanke  ich  der  liebenswürdigen  Mitteilung  des  jetzigen  Direk- 
tors dieser  Bildungsanstalt,  des  Herrn  Prof.  Dr.  Guhrauer.  Dazu  »Leben* 
Kap.  2. 

^  Die  Daten  ttber  Küchelbeekers  Aufenthalt  auf  der  Thomasschule 
flössen  mir  durch  die  freundlichen  Bemühungen  des  Herrn  Oberlehrer 
Prof.  Dr.  F.  A.  Brause  in  Leipzig  zu.    „Leben"  Kap.  3  und  :■>. 

")  Ausserdem  erscheint  Küchelbecker  am  27.  April  i79ü,  als  der 
Konrektor  Rost  sein  Amt  antrat,  als  zweiter  Primaner  in  der  Unterschrift 
samtMeh«:  BchOler  unter  einem  earmen  gratulatorium  und  im  Net^Jahra- 
programm  vom  81.  Desember  1796. 

^  »Leben«  14  und  15. 

Wahrscheinlich  gehört*!  er  auch  zu  denjenigen  Alumnen,  die 
Kapellmeister  Hiller  für  soine  Mtisikanfführungen  zu  In-stnimontuUsten 
heranbildete.  So  werden  seine  Kenntnisse  im  Flötenspiel  gewiss  hier  ihren 
Ursprung  gehabt  haben. 

<^  »Loben"  31.  Ueber  den  Tag  der  Immatrikulation  war  nichts  tu 
ermitteln.  Das  Album  von  Wittenberg  liegi  auf  der  KgL  UniversitM»^ 
blbiioth^  au  Halle  a.  S.,  doch  enthält  es  den  Namen  Küchelbecker  ebenso- 
wenig wie  die  gedruckten  Annab-n  von  Wittenberg.  Das  Wittenherger 
Archiv  ir^t  ebenfalls  in  Halle.  leidrr  aber  nicht  in  dem  ürade  geordnet, 
dttäs  über  die  akademischen  iStraten  KUeheibeckers  etwas  zu  finden  wflre. 

>^  »Leben*  76  und  68. 
.Leben"  77. 


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2.  Friedrich  XOchetbecker  ete.     Aumerkimgeii.  71 


Diesen  Auszug  aus  den  Pakult&tsakten  verdanke  ich  der  GMkte 
des  Herrn  Prof.  Dr.  Hermann  Suchier  in  Halle  a.  S.  Dazu  JLehoa'  8i. 
")  .Leben-  78. 

.Leben*  88.  Ein»  diel^b«xllgUebe  Anfrage  Ih^  Bekretwlttfc  der 
KSnigl.  Akademie  der  bildenden  KCknete  au  Dreeden  blieb  erfolgloa,  Um,  wie 

mir  mitgeteilt  wurde,  erst  im  Jahre  1806  Sehulerlisten  angelegt  worden 
Bind  und  mebrfiwibe  andere  NachSorscbimgen  ebenHaUe  au  keinem  Brgebnia 

i'Uhrteu. 

»)  .Leben-  8Ö. 

•*)  «L^en"  84.  Kach  „Quinteaeens*  Vm  war  das  Und  ein  Bohn 
und  hiess  Frans.  Eine  Anfrage  in  Ansbach  nach  Karl  Kflchelbeeker  bUeb 

erfolglos. 

, Leben"  84.  „Quintessenz"  Vorbericht. 

^)  Hier  ist  die  einzige  unrichtige  Angabe,  die  Küchelbecker  unter- 
gelanflm  [iat  Nach  .Quinteaaens*  51  wtre  er  bereits  Ende  Juli  auf  der 
Rfickreise  gewesen.  Das  ist  nach  »Leben*  88,  wo  gans  nnsweidentig  die 
Dauer  dea  Ansbacher  Aufenthaltes  mit  fnnf  Wochen  angegeben  ist,  nicht 
möglich,  und  mich  .Qiiinteasenx*  lü^p.  iX  selbst  weist  deutlich  auf  ^en 
i&ngerea  Beauch  Aiisbachä. 

'^J  .Quintessenz"  67,  Anmerkung. 

W)  .Leben*  81. 

»)  „Leben"  91. 

3")  „Leben"  92. 

3'j  „Leben-  IK?— 105. 

»)  .Leben-  106—107. 
^Leben''  108  und  112. 

**)  rrLebeo*  113~-118.  Eine  Anfrage  in  Geyer  bBeb  erfolglos. 
„Leben*'  117— Iis. 

^}  „Leben-  Kapitel  14. 

'*)  „Leben"  letztes  Kapitel. 

^  Gtttige  intteUung  des  KOnl^.  Sftch^ehen  JnatlsaüDiiteriuttB. 
Das  vermerkt,  aber  ohne  Quellenangabe.  Chr.  Gottl.  Ibysers 

»Vollständiges  Bücher-Lexicon",  Teil  III  (Leipzig  1835).  Eine  Spur  wies 
nach  Frohburg-,  führte  aber  auf  den  Pastor  Friedrich  Christian  Heinrich 
Küchelbecker,  der  als  theologischer  und  püduj^ogiöoher  Sclirit'tstoller  hervor- 
getreten ist.  Es  lug  dem  Zwecke  dieser  Arbeit  natürlich  gaxiz  fern,  genau 
festaustellen,  inwieweit  die  beiden  MUnner  mit  einander  verwandt  waren. 
An  anderer  Stelle  Ober  Chr.  H.  Kflchelbeeker  su  handeln,  wird  sich  Gelegen« 
heit  geben.  Schon  jetzt  aber  bin  ich  für  Mittcilung'on  Uber  ihn  Herrn  Pastor 
Gustav  Vogel  ia  Frohburg  zu  Danke  verpRichtet,  —  Der  am  29.  Auguat  1767 
verstorbene  Johann  Basilius  Küchelbecker,  der  vor  allem  lieiseachriften 
verÜMSte,  und  dessen  Biographie  Meusels  MLsodcon  der  teutschen  Scbiift- 
BteUer^S  VII,  895—396,  bringt«  ist  vermutlieh  der  Grossvater  unseres  Küchel- 
becker gewesen. 

„Leben"  7. 

„Leben"  W. 
*■)  ,J.eben**  00  und  81. 

Das  Titelbild  der  „Qnintessens*^  wird  niemand  fttr  poitr8tg«treu 

halten. 


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72     Mitteilimgeu  d.  Ges.  t  deutsche  Brzieliuiig«-  u.  Schulgesch,  VIII. 


**)  „Leben"  84  und  s5,  „Quinteaaciiz"  XII. 

**)  Freundliche  Mitteilung  des  Herrn  Prof.  Dr.  Guhrauer  in  Wittenberg. 
^)  Vgl.  iSpitzner,  „Geschichte  dee  Gyinnaaiiiiiii  und  der  Bchnlanstalten 
sn  Wittenberg*',  Leipiig  1880,  8.  XUL 

Joachim  Lange,  Schüler  und  Kollege  Fraockee,  der  1670  lu 
Gardplegeii  in  dor  Altniark  geboren,  1744  als  Professor  der  Theologie  in 
Halle  gestürben  ibU  ueherrachte  bekanntlich  lange  Zeit  mit  seinen  beiden 
sogenannten  Halle'ächeü  Graniinatiken  die  Schulen.  Die  griechische  ist 
«lerst  1705  erseidtiim,  und  ihr  folgte  1707  die  lateinische^  die  bis  sum 
Jehre  1819  in  sechzig  Auflagen  verbreitet  wurde.  Die  5.  Ausgabe  vom 
jLvTiro  !7l  1.  die  mir  vorliegt,  enthält  in  den  in  Dekurien  rolloquionim 
latinonim  am  iSchlusHe  des  Buches  auf  35  Seiten  WO  kurze  lateinische 
Gespräche  ttber  das  Grüssen,  das  Ankleiden,  über  Bücher,  Vorbereitung 
anf  die  Unterrichteetnnden,  AuflnericBamkeit  u.  •.  i  Welche  Stelhing  da« 
Bneh  in  der  Btndiengeeeldchte  des  18.  Jahrhunderte  einnimmt,  hat  Panlsen, 
„Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts'*  *  II,  898  dargelegt;  vgL  ebenda 
über  Lange  auch  L  l-^^'  "nd  II.  MO  f. 

^)  Der  Magister  Johann  Cliristiun  Mpsser^fiiraid,  geb.  172Ü  »l-^  Sohn 
des  liektorä  Johann  Heinrich  Meäserächmid  zu.  Weii^enfels,  studiertü  in 
Leipzig  und  wurde  17d5  Rektor  su  KlosterDonndorf.  Am  27.  April  1757 
-wurde  er  xum  Rektor  in  Wittenberg  gewfthlt,  am  22.  Mai  feierlieh  in  sein 
Amt  eingefflhrt.  Am  21.  Januar  1794  ist  er  nach  langer  Lehrthütigkeit 
gestorben.  Er  trat  vielfach  auf  dem  Gebiete  des  DeutHchen,  der  alten 
Sprachen  und  des  Hebräischen  als  Schriftsteller  aul  und  erwarb  sich  da- 
durch auch  den  Titel  eines  Baccalaureus  der  Theologie  (Weitz,  ,^Gelehites 
Sachsen**,  8. 166;  Meusel,  „Gelehrtes  Teutschland**,  4.  Ausg.,  Teil  2,  8. 147). 
Hehrere  kleinere  Schriften  sind  in  den  monumcnt.  acadom.  Viteberg.  dem 
Titel  naeh  angegeben.  Seine  Amtsführung  gereichte  dem  Wittenherger 
Gymnasium  nicht  zum  Segen;  die  Schule  ging  unter  ihm  ontächieden 
zurück.  Ostern  bis  Juli  1761  hatte  er  sich  eigenmftchtig  Urlaub  genommen, 
bis  ihn  ein  Schreiben  des  Magistrats  su  sdüenniger  RQckkehr  aufforderte. 
Aber  auch  sonst  gab  sein  Benehmen  zu  einer  wenig  freundlichen  Stimmung 
seiner  Vorgesetzten  gegen  ihn  V»  ranla^3un'r.  und  das  Misstrauen  gegen 
ihn  -war  unt«r  den  Ellern  der  Scliüler  so  stark,  tlass  er  seit  1758  immer 
höchstens  vier,  sechs  Jahre  lang  gar  keinen  Schüler  iu  seiner  Prima 
hatte,  sondern  alle  unmittelbar  aus  der  Sekunda  des  Konrektors  zur  Uni« 
veiritAt  oder  auf  andere  Schulen  Ubergingen.  Br  selbst  wurde  dadurch 
immer  verstimmter  und  missmutiger.  Ein  A\iftrag  des  Consistoriuras  an 
den  damaligen  Generalsuperintendenten  Dr.  Hirt  und  an  den  Magistrat 
„über  den  Verfall  der  Scbulzucht,  den  seit  Jahren  verspürten  Maugel 
einer  ersten  Klasse  und  einige  andre  Gegenstände  Untersnehung  ansu- 
bellen**  verUef  im  Sande:  es  blieb  unter  Messerscimild  alles,  wie  es  war. 
Spitzner  S.  142,  Anm.,  vermutet,  die  geringe  Anteilnahme  Messerschmids 
an  seinem  Amte  sei  darauf  zurückzuführen,  dans  er  „lieber  ein  geistliches 
Amt  als  eine  Schulstelle  verwaltet  hatte."  Vgl.  bei  Spitzner  auch  S,  125, 
126,  liiö,  136,  141,  142. 

^)  Der  Magister  Johann  Christian  H eurici  war  als  Konrektor  Klassen- 
lehrer der  Sekunda.  Er  stammte  aus  Niederfrolma  bei  Chemnitz,  wo  sein 
Vater  Prediger  war,  besuchte  die  Fttrstenscbule  su  Grimma  und  studierte 


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2  Friedrich  Kachelbecker  e(e.  —  Anmerkungen. 


73 


in  Wittenberg.  Am  2ö.  Pebmer  1176  trat  er  am  Wittenberger  Gymnaeittm 

an  die  Stelle  des  bieberigen  Konrektors  Schutze  und  folgte  1791,  nachdem 

er  am  21.  April  soin  Pohnlaiiu  niedergelegt  fuittc,  seinem  Lehrer  Hillrr  nls 
Professor  der  Beredsamkeit  an  der  Univerijitil'.  Wittenberg.  Seine  Vor- 
lesungen ttber  AltertOmer  wurden  sehr  geschlitzt  (üroluuanu,  „Annaluii  der 
UnIveFBitftt  Wittenberg'%  Teil  8,  S.  121),  nnd  auch  In  eefaiem  Scbniamte 
halte  er  den  ernaMlchen  Willen  gehabt,  die  SchuU'  in  die  Hölic  zu  bringen. 
Ueber  seine  Schriften  vg-1.  MpusoI,  „Golphrtos  Teutschland"  III,  219  f,; 
XVIII,  120  f.  Er  starb  im  Februar  1818  zu  Wittenberg.  Vgl.  Öpitxner  130, 
14ü,  141.  147. 

^)  Das  „Compendiuin  locorum  theologicorum  ex  ücripiuris  aacria  et 
librü  concordlae  coUectum",  das  Leonhard  Uutter  (156Ü  — 1G16),  der  grosse 
Feind  dee  Calvlniunue  und  eiflrige  Vertreter  der  lutherlaehen  Orthodeacie, 
suerat  1610  in  Wittenberg  erscheinen  liess,  um  damit  die  ,JjOCi"  Ifelaneh- 
thons  7.XI  ersetzen,  behauptete  bekanntlich  lauge  Zeit  last  unangefochten 
die  er»te  StoHe  unter  den  tliecdof^ischen  Schulbnchern  Deutschlands.  Am 
Wittenberger  GymnuHlum  war  es  durch  Johann  öoger  eingefülirt  worden,  der 
1622  Rektor  wurde  (Spitmer  S.  86,  Anm.  1).  Der  Konrelctor  Beyer, 
Henricie  Nachfolger,  bedi«ite  rieh  unter  MeBserachmid  bereits  dee  Jobann 
Georg  I^o.senmüller  sehen  Religion.sbuches,  aber  Messerschmid  selbst  hielt 
bis  zuletzt  an  dem  veralteten  ..Compondium"  fest.  Spitzner  145.  Die  »drei 
Wege*  sind  uatttrlich  die  der  Lutheraner.  Keformterten  und  Katholiken  j  ttber 
die  TranaaubBtaatiation  iak  bei  Hutter  im  21.  Locua  (in  der  mir  vorliegenden 
Att^abe  von  162*2  Seite  24S  ff.)  gehandelt  Hier  wird  im  4.  Abschnitt  die 
Frage  erörtert:  ..Annon  Calviniani  «juoque  eodem  modo  intelligunt  verha 
Ini^titntinnis"'  und  mit  einem  schrofl'en  ..N'nn"  die  bekannten  rnter^rhiede 
von  dem  „vere"  und  ..tigurate''  einf^eieirei  Im  33.  Abschnitt  handelt  es 
sieh  um  die  Erwägung:  „l'luresne  abouiiimtiones  circa  Sacramentum  hoc 
fovent  Romanenees",  und  geantwortet  wird  mit  einem  entschiedenen 
^axime".  Diese  beiden  Abschnitte  also  behandeln  die  falschen  Weg^, 
auf  denen  Küchelbecker  und  seine  Mitschüler  zur  Prnbe  he^ml^^pa7ie^t 
sind.  Dass  der  Hekfur  über  diese  Lehre  nie  hinaus  kam.  will  wohl 
besagen,  dass  er  die  loci  22—34  aus  Zeitmangel  nie  durchsprach;  die 
Geschichte  mit  der  Maus  war  offenbar  ein  SchulwitK  Mesaersehmids,  im 
Hutter  steht  davon  nichts. 

*')  KQchelbccker  denkt  an  das  „(jewandhauskonzerf  (früher  „Urossea 
Konxert"),  das  in  seiner  gegenwartigen  Form  seit  1181  besteht.  Begründer 

dieser  wichtigen  Kun.steinri<;Iitung  war  der  IUir;^ermei«ter  K.  W.  ItfttUer. 
Er  braelite  zuei"?*t  ein  Direktorium  von  7:w<"itr  .Mii^^'-liedern  zusammen,  das 
ein  Abonnement  aut  vientndzwanzig  Konzerte  erutliioLe  und  Hiller  die 
Leitung  Ubertrug.  Daher  durfte  Carl  Neumann  in  seiner  warmherzig 
pieUltvollen  Schrift  »,Johann  Adam  Hiller.  Eine  bescheidene  WQrdiguing 
seiner  Verdienste  als  Mensch,  KOnstTer  und  Sehulmann*',  Leipzig  1804, 
8.  12,  sagen:  ..Gehört  ihm  (Hiller)  nicht  die  Stiftung  des  Leipziger  grossen 
Konzerts,  das  auf  diese  durch  manche  Vorziijre  auspezeichnete  Stadt  keinen 
geringen  Glanz  wirft  und  i.  J.  llbi  aus  seiner  MusikUbouden  Gesellsclmft, 
die  seit  117$  eimig  an  der  Stelle  des  entschlafenen  Öffentlichen  Konaerts 
stand,  hervoi^ging?'* 


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74     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  devtoche  Eniehung»-  u.  Schulgesch.  VUL 


Gemeint  kl  ier^liahniettplat«",  eine  Promenade,  die  rieh  nieprOng- 

Hch  vom  Rannst&dter  Thore  bis  zum  ThomaapfArtcheii  hinzog,  spfitor  er- 
weitert wurde  und  ihren  Namen  von  den  vielen  Kinderw  iirterinnen  erhielt, 
die  aicb  mit  den  ihnen  anvertrauten  Kleinen  dort  aufzuhalten  pflegten 
(vf^  eber  »aeh  Karl  Groese,  »Geechiclite  der  Stadt  Leipzig  von  der  ftlteeten 
bie  auf  die  neueete  Zeit",  Leipiig  1842«  Bd.  8.  861).  Das  war  der  Ort» 
wo  »die  feine  und  schOne  Welt  ihre  Promenade  hatte  und  sich  gegeoeeitig 
einander  pi-;\sf'ntierte." 

^)  Gepflasterter  Weg  für  Puaagänger  auf  der  Promenade. 

")  Johann  Friedrich  Fischer  war  von  1767—1799  Rektor  der  Thomas- 
fichule.  Ueber  ihn  handelt  austührlich  Christian  Victor  Kindervater, 
Prediger  stt  Pedelwits  nnwelt  Pegau,  in  e^er  Schrift  »Ueber  Johann 
FHedrich  Piaeher,  gewesenen  Reetor  dar  Thomasschule  an  Leipaig,  ale 
Schulmann.  Ein  Vereuch",  Leipzig  1801,  bei  Johann  Benjamin  Georg 
Fleischer.  Der  Verfasser  war  wie  K(lcht'nj(»ckor  ^in  Schtiler  Fischers,  aber 
schon  von  1774 — 78,  also  20  Jahre  trtlhcr  als  jener;  es  ist  daher  nicht  auffällig, 
daee  Kfichelbecker  den  alternden  Fischer  etwas  anders,  weniger  günstig 
beurteilte  als  Kindervater,  der  selbst  sagt  (8.  4),  er  habe  Fischer  «in  den 
Jahren  Hoiiie^;  Lebens  genossen,  wo  seine  gründliche  Gelehrsamkeit  und 
die  Kraft  seiner  mannlichen  Jahre  für  die  Schule  ...  am  meisten  wirlcte.*^ 

Kimlervater  a.  a.  O.  S.  102/3  sagrf :  Fischer  hielt  „sehr  strenge  b^i 
seinen  Untergebenen  auf  Ordnung,  Frugalitat  und  eine  ungesuchte  Wohl- 
anstiiiidiglceit  in  der  Ivleidung.  Es  mag  sein,  daas  er  hierin  von  Pedanterei 
nicht  gans  frei  war.  Stiefeln  a.  ausgenommen  bei  gans  Qblem  Wetter, 
schwar/e  Halsbinden  oder  andere  Kleidungsstücke,  die  seiner  Meinung 
nach  den  Renommist^m  nnkfJndigten,  konnte  er  durchaus  nicht  leiilen;  und 
ich  weis«  mehrere  Beispiele,  daas  die,  welche  dawider  sündigten,  mit  dem 
Carcer  oder  auf  andere  Weise  bcstrutt  wurden.  So  wenig  er  das  dulden 
moehte,  was  in  seinen  Augen  den  Anstrich  von  Rohheit  hatte,  eben- 
sowenig fand  das  Affektierte,  Weichliche  oder  auffallend  Neumodische  vor 
ihm  Gnade.  Gleich  sehlnas  er  —  es  ma;r  sein,  dass  er  sich  zuweilen  into  «— 
davon  auf  das  Innere.  '    Azel  s.  v.  w.  Perücke. 

^)  I\inLi(:'r\ atfr  ;i.  a.  O.  S.  104— 1U5:  ^Ebenso  wenig  erlaubte  er 
seineu  Schülern,  ein  Schttuspiel  zu  sehen.  Eis  geschah  freilich,  dass  je- 
auweilen  einer  und  der  andere  bei  dem  Inspelctor  sich  die  Erlaubnis  aus- 
bat, abends  ausser  der  Schule  su  bleiben,  unt«r  dem  Vorwande,  einen  in 
Leipzig  angekommenen  Verwandten  oder  Freund  zu  besuchen,  hennlich 
aber  in  das  Sehan«pi«>lhatm  ging.  Wehe  ihm,  wenn  es  verraten  wurde  und 
Fischern  zu  Ohren  kutn;  seine  Strafe  wurde  exemplarisch!  Da  galt  keine 
RQeksicht  auf  das  gegebene  StQck,  mochte  es  Lessingen  oder  den  ge- 
meinsten Stttmper  nun  Verfissser  haben;  Fischer  kannte  sie  ohnedem  nicht* 
Gegen  den  Tadel,  dem  der  Schulmann  deswegen  von  manchen  Seiten 
ausgesetzt  war.  nimmt  Kindervater  seinen  alten  Rektor  in  SchutJS. 

Anch  Carl  Xextmann.  elienfalls  ein  früherer  Schüler  der  Thomana, 
lukt  in  seiner  Schritt  „Johann  Adam  Hilter.  Eine  bescheidene  Würdigung 
aehier  Verdienste  als  Mensch,  Kttnstler  und  Schulmann,*  Leij^ig  lb04,  in 
mancher  Beziehung  ein  GegenstQclc  su  Kindervaters  kleinem  Buche,  &  14 
den  Sata:  „Die  Welt  nennt  ehrfurchtsvoll  des  grossen  und  guten  Johann 


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2.  Friedrich  KQehdbedcer  «te.  —  AnmerkuDgOD.  75 


Friedrich  Fischers  Namen,  dem  die  Schule  und  dae  Alumneum  unsterblfchen 
Denk  schuldig  ist".  Ueber  Fischers  Bedeutung  als  Philolog  sagt  Kinder* 

vater  a.  a.  O.  S.  8i»— 40  unter  anderem:  „Seine  IndU-es  sowohl  bei  diesem 
Buche  („ralftphatiif*"!  als  bei  mehrern,  die  er  Itearboitet  hat,  sowie  seine 
Anmerkungen  dazu,  enlhalten  einen  reichhaltigen  Schate  philulogiächcr 
Gelehrsamkeit,  die  ans  eigener  Beobachtung^  aus  ununterbrochener  Lesung 
der  Alten,  nie  aus  Registern,  WOrtert>flchem  und  ähnlichen  Ziehbrunnen 
geschöpft  war.  Seine  Aniniadversionen  über  den  Weller  werden  eine 
reiche  Fundgrube  für  den  (Ircwninatiker  bleiben;  und  gesetzt  auch,  dasa 
dieser  dichte  Wald,  ohne  Nachteil  des  üanzen,  selbst  tür  die  Bequemlich- 
keit derjenigen,  die  ihn  au  ilirem  Hausbedarf  brauchen  -wollen^  hier  und 
da  gelichtet  werden  könnte,  so  nehmen  doch  Sprachforscher  suverilsidg 
mit  Dankbarkeit  an,  was  Fischer  hier  geleistet  hat."  Interessant  ist  es, 
aus  Kindervaters  Mitteilungen  (S.  41)  zu  .seher»,  ein  wie  grosser  Feind  der 
Lange  sehen  «CoUoquia"  Fischer  war,  die  Kuchclbecker  auf  dem  Witten- 
berger Gymnasium  noch  in  Tertia  luitte  lesen  mttftseB.  —  ausführ- 
licheres Citat  aus  Kindervaters  Schrift  (8.  51 — 6S>  muss  ich  ttlier  Fischers 
philologische  Lehrmethode  geben:  J)ie  Interpretation,  welche  er  auf  die 
Uebersetzung  folgen  Hess,  war  so  besi  haften,  als  sie  igelten  auf  Schulen  zu 
sein  pflegt.  Vor  allen  Dingen  wurde  bei  verdorbenen  Stellen  die  richtigste 
Lesart  ausgemittelt,  mit  sorgialtiger  Prüfung  aller  der  Beweise,  welche 
das  Ansehen  .der  Handschriften  und  der  ältesten  Ausgaben,  der  Genius 
der  Sprache,  der  individuelle  Charakter  des  Schriftstellers,  selbst  der 
numerus  im  Ausdrucke  darbieten.  Hierauf  ging  er  zur  ErkUimn.r  der 
Stelle  selbst  ütier,  wobei  nicht  tias  Mindeste  in  Absicht  der  Ausdrücke 
übergangen  wurde.  Ihm  war  es  hier  nicht  genug,  zu  sagen,  das  und  das 
ist  der  Sinn,  oder  die  Stelle  mit  einer  knnsen  Paraphrase  absuthun.  Die 
Bedeutungen  der  Wörter  wurden  genetiseh  bestimmt^  die  ParHlIolstclIen 
aus  demselben  Autor  angezogen  und  immer  darauf  gesehen,  wie  si(  h  der 
Schrittsteller  aus  sich  seihst  erkläre.  Dabei  ptlegte  er  auf  die  Anmerkun- 
gen anderer  Gelehrten  h.iuüg  hinzuweisen.  Wo  die  Erklärung  aus  den 
Altertttm^n  und  der  Geschichte  geschöpft  werden  musste,  machte  er  mit  den 
Quellen  und  beiher  mit  ehier  Menge  dahin  einschlagender  Bficher  bekannt, 
die  er,  um  nfthere  Bekanntschaft  damit  zu  verschaffen,  ans  seinem  reich- 
haltigen I?flchervorrate  herlieh;  und  er  ompfand  es  allemal  sein  tibel, 
weon  der  Letzte  in  der  lüasse,  dessen  Amt  dieses  war,  nicht  von  Zeit  zu 
Zeit  zu  ihm  kam  und  fUr  seine  MitschOler  die  merkwürdigsten  von  ihm 
abholte.  Hau  f^aube  nicht,  als  wenn  seine  Interpretation  keine  Rücksicht 
auf  den  Geist  des  Schriftstellers  und  die  Schönheiten  der  Sprache  genom- 
men habe.  Da  bei  jedem  bedeutenden  Ausdrucke  gezeigt  wurde,  wanim 
der  Schriftsteller  so  imd  nicht  anders  geschrieben,  diesen  und  keinen 
andern  Tropus  gewühlt,  in  dieser  und  keiner  andern  Gradation  den  AiTekt 
habe  steigen  lassen;  da  jede,  auch  die  verboigenste  Anspielung  auf  Sitten 
und  Gehrfluche  oder,  wie  z.  B.  bei  den  Cieemmianischen  Briefen  jedes  in- 
dividuelle  Verhnltnis  derl^ersonen  gegeneinander,  jeder  sarkastische  S{)Ott, 
z.  B.  in  den  Keden,  und  jede  andere  leine  Eutrapelio  bemerkt  wurde,  so 
wird  man  wohl  eingestehen  müssen,  dass  er  seine  BchUler  auch  mit  andern 
Eigenschaften  des  Schriftstellers  als  mit  der  btoesen  Grammatik  und 
Varianten  bekannt  machte,  und  dass  er  sich  von  manchen  sehr  berühmten 


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76     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


Iiullnndischea  Phitolegeo,  deren  viele  mu  belesme  Gremmatiker  zu  sein 

scheinen,  zu  soim  m  Vorteile  unterachied.  Oft  tadelto  er  die  sogenannten 
ftsthetisclioii  Inti  rprrtationpn.  die  nur  mit  einem  praeclara,  nobilis  idea! 
ehcu  quam  pulchrum !  den  Leaer  oder  Zuhürer  abfertigen  und  die  genauere 
Brklftrung  dasu  schuldig  bleiben.  »Brklfli«  du  mir*,  pflegte  er  xu  sagen, 
«die  Stelle  recht  gründlich,  djunn  werde  ich  wohl  selbst  empfinden,  was 
schön  oder  nicht  scliön  ist,  uhne  dass  du  mir  es  zuschreieHt!"  Das  Vor- 
Bclireiten  bei  der  Interpretation  ging,  wie  man  au«  dem  bisher  Geeagten 
wohl  einsehen  wird,  langsam  von  statten,  lieber  den  Plutus  des  Aristo- 
phanos«  worüber  er  wöchentlich  vier  Stunden  las,  brachte  er,  als  ich  auf 
der  Schule  mur.  Ober  ein  Jahrsu;  aber  den  PhBdon  des  Plate  noch  etwas 
Iniigor;  Ober  ein  Buch  des  Cicero  von  den  Pflichton  ein  halbes  Jahr,  und 
diese  Langsamkeit  ist  sowohl  in  al><  anssorlialb  der  Schule  hilufig*  pretadplt 
worden.  Mau  hat  ihm  vorgeworfen,  dasa  er  die  Alten  nur  so  zu  erklären 
pflege,  als  wenn  alle  seine  SchOler  Philologen  von  Profession  werden 
soUcen."  Und  auch  gegen  diesen  Vorwurf  verteidigt  Kindervater  seinen 
Wohlthntcr  iS.  118—119)  mit  Wftrme. 

^"i  \  jarl  Neumaun  a.  a.  O..  S.  16—17:  „Es  gehörte  unter  seine 
Maximen,  die  fcSchüler  mit  VorlrauPn  und  frcuntilichpr  Liebe  zu  liehandeln 
und  in  ihnen  dun  Menschen  und  kumii^en  Bürger  des  Siaulä  zu  achten. 
Von  Jeher  haaste  er  den  Oruodsat«,  welcher  die  Untergebnen,  sur  Erhaltung 
des  Respekts,  in  strenger  und  scheuer  Ferne  zu  halten,  sie  selten  einer 
frpimdlirliprpn  Rede,  viel  weniger  eines  fortwnluenden  liobreiclien  rmgang-s 
zu  würdi^on  rüt  ....  l)ein  zu  Folge  war  er  oft  utul  gern  luilor  uns.  wie 
ein  Vater  unter  seinen  Kindern;  seine  Miene  war  freundlich,  sein  Tun  Hanfe 
und  kaum,  wenn  er  sOraen  musste,  empfindlich.  Hit  väterlicher  Liebe 
rügte  er  die  Fehler  seiner  ZOglhige,  nicht  Öffentlich,  nicht  bitter,  nicht 
mit  Schmiihnn^on  ....  sondern  auf  aeiner  Stube,  durch  liebreiche  Vor« 
stellungcn  und  Bitton. 

Neumaun  a.  a.  0.  S.  18 — 19:  „Er  begnügte  sich  nicht,  eicli  uns 
nur  in  seinem  wöchentlichen  Inspektorate  bei  Tische  und  bei  dem  gewöhn- 
lichen FrOh«  und  Abendgebete  zu  seigen,  sondern  ehe  wir  es  vermuteten, 
trat  er,  im  Sommer,  in  unsere  Zellen,  erkundigte  sich  nach  unserem  Stu 
dioren,  «rab  uns  gelegentlirho  Belehrung  und  Ermahnung,  fragte  nach  der 
Einteilung  uosrer  Zeit  und  sorgte,  doss  diese  nicht  mit  schlidlichcr  LcktUre 
verderbt  ward  Selbst  dm  Abends  in  der  sehnten  Stunde  durchwandelte 
er,  mit  dem  Lichte  in  der  Hand,  die  Tabulate  imd  sah  soigsam  auf  Ord- 
nung und  Anatand.  Im  Winter  kam  er  oft  zu  uns  ins  Cönakel,  ging  SU 
dem  und  jenem,  redete  mit  ihm  freundlich  und  gab  ihm  gute  Ratschläge. 
Oder  er  versaiiimeite  uns  um  sich,  unterhielt  sich  mit  uns  traulich,  er- 
zahlte uns  bald  etwas  aus  seiner  eignen  Lebensgeechichte  oder  aus  dem 
Leben  andrer  merkwOrdiger ,  lebender  oder  gestorbener  Uftnner,  und 
suolite  uns  so  unvMmerkt  manche  gute  Lehre,  manche  richtige  Ansicht 
des  .Menschen  und  der  menschllclien  Handlunpren  zu  geben."  Dass  Uiller 
auch  in  dieser  Beziehung,  wie  sonst  nucli  (»lt.  verkannt  wurde,  drirttber 
klagte  er  selbst:  , Armer  HiUerl  was  halt  es  dir  uuu,  dass  du  dich  mit 
deinen  Klo  dem  In  trauliche  Unterhaltungen  einliessest  und  bisweilen 
durch  eine  launige  Brs&hlung,  durch  eioen  hingeworfenen  schenshafton 
Einfall  sie  sum  ernsten  Nachdenken   Ober   Sittlichkeit   und  Unsitt- 


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2.  Friedrich  Kttdielbecker  etc.  —  Anmeikungen. 


77 


liebkeit»  Recht  und  Unrecht  briogen  wolltest?  Du  m  ja  uneiliOrte 
Neuemag!'' 

^)  Neumann  a.  a.  0.  8.  19;  •Vater  HlUer  (diesen  Nsmen  gab  ihm 
gern  jedes  Herz"  etc. 

ß'l  (tlcii  h  aiia  den  folgenden  Zeilen  geht  hervor,  d.nss  KUchelbecker 
unter  den  .andern  Kullegen"  vornehmlich  den  Kektor  Fischer  meint.  Die 
Gründe,  warum  ein  Thomasscbulrektor  mit  seinem  Cantor  nie  um'  beson- 
ders gutem  Foese  leben  konnte,  erörtert  eingebend  Neumann  a.  a.  0. 
8.  6—9.  Doch  sagt  er  (S.  9),  Fischer  habe  diese  Streitigkeiten  .vielleicht 
mit  weniger  Vorsichtigkeit,  aber  mit  ungleich  grosserer  Heftigkeit*  als 
seine  Vorgänger  fortgesetzt. 

üeber  dieses  „PerUckenguuUiuiu''  drückt  sich  Neumann  a.  a.  0. 
S.  22  sehr  allgemein  aus:  „Die  Zierde  der  Peruquen  fand  er  [Hiller]  fUr 
junge  Leute  su  vornehm,  oder  deutsch  —  m  Iftppiseh,  und  gab  dem  grauen 
Alter  einen  Schmuck  ziirück,  mit  dem  es  die  blOhende  Jugend  zu  lieb- 
reich und  freigebig  beehrt  hatte."  N.'lhore  Angaben  marht  er  nicht.  Diese 
Bind  lins  erat  jotzt  durch  Prof.  Dr.  Albert  Br:i\iso.s  gründliches  lS97er 
Tliomana-Programm  .Johann  Gottfried  Stallbaum"  Teil)  geboten  worden, 
das  auf  S.  24—25  ausfOhrUch  at>er  die  AtNiehaining  der  Peracken  handelt 
Die  RatsverfOgung,  um  die  ee  sich  handelt,  ist  vom  9.  Juli  1798. 
Das  IvoDZcpt  des  Btlrgermeisten?  .MQller  befindet  sich  noch  im 
Leipziger  Ratsarchive,  und  es  heisst  da:  „Es  vorlauter,  da><s  utiter 
den  Herrn  Lehrern  der  Thomasschule  Uber  Beibehaltung  oder  Abschaffung 
der  Perücken  und  Hintel  der  Scholer  sich  ein  Zwist  entsponnen  habe. 
Kaum  konnten  ttber  ausserwesentlichere  Dinge,  als  es  diese  «irklich  sind, 
die  Meinungen  gelehrter  Schulmänner  geteilt  sein,  bei  welchen  man  die 
IJeberzPugiing  voraussetzen  darf,  dass  die  llildung  des  Herfens  und  Vor- 
staudes  der  Schüler,  wenn  sie  ihre  eigenen  Uaare  tragen  und  un bemäntelt 
sind,  ebenso  g^Ockiich  von  rtatten  gehen  kOnne,  als  wenn  sie  runde 
Perücken  aufsetsen  und  Mftntel  umhftngen.'*  Es  IBsst  sieh  begreifen,  dass 
der  ironische  Ton  dieses  Bescheides  den  Kektor  zu  einem  .Laxiergesicht" 
veranlasste.   Der  Zwinger  lag  auf  der  Westseite  der  Thoraasschule. 

**)  Kindervater  a.  a.  0.  8.  7<<— 74  schildert  die  Anleitungen,  die 
Fischer  seinen  Schülern  ftlr  gutes  Deklaniiercn  gab,  und  fügt  hinzu: 
„Diejenigen,  welche  von  seinen  Schülern  Oflbntlich  valedlderten, 
sind  meistenteils^  auch  in  Absicht  des  Aeusseriichon,  mit  Beifall  gehört 
worden/^ 

Vgl,  A.  M.  Meyner,  „Geschichte  der  Stadt  Wittenberg  ans  urchi- 
valischen  und  andern  zuverlns8igf>n  fjuellon*'.  r)es8au  1845,  S.  123—124: 
„Ein  für  die  Stadt  sehr  nachteiliges  Vorurteil,  welches  man  früher  gegen 
sie  hegte,  war  die  Meinung  von  der  Ungcsundheit  der  Lage  und  der  Luft, 
die  SU  einem  bekannten  Sprichwort  Veranlassung  gab.  D.  Stensel  schrieb 
darüber  bei  dem  Antritte  seiner  Professur  der  Pathologie  ein  starkes  Pro- 
gramm unter  dem  Titel:  ..Prae'^idi»  .sanitntts.  quilnis  Vitehergn  nbund.'it, 
contra  trilum  proverbiura;  wer  von  Wittenberg  kömmt  mit  gesundem  Leib 
imd  von  Leipzig  ohne  W'eib  und  vou  Jena  ohne  Schlagen,  der  hat  von 
grossem  Glück  su  sagen*',  Wittenberg  1787,  4*  worin  er  dieses  Sprichwort 
▼Olllg  widerlegt.**  Vgl,  aber  Anmerkung  67, 


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78     Uftteilungeii  d.  Gea.  f.  «leatscbe  Bndebutig»>  n.  SehulgMch.  VIII. 


**)  Darüber  könnt«  man  Terschiedener  Aneicht  sein.  Küchelbecker, 
der  ausser  Wittenberg  nur  das  in  der  inneren  Stadt  noch  heute  durch 
auffftlHp  cngp  und  winkelige  Gassen  ausgezeichnete  lioipzigund  die  kleinen 
Orte  kannte,  die  er  aul'  seiner  Ansbacher  Heise  besucht  liatto,  l'aud  die 
Stranen  der  Vaterstadt  breit;  der  Berliner  Scbadow  dagegen  aagt  In 
seiner  Schrift  „Wittenbergs  Denkmäler  der  Bildnerei,  Baukunst  und 
Malerei,  mit  Iii  r  nischen  und  artiatiaeheo  Brlftutcningen**,  Wittenberg  182fi« 
8.  3:  „Die  Strassen  sind  eng." 

Bei  der  furchtbaren  Beschiessung  Wittenbergs  durch  die  Kaiser- 
lichen am  18.  Oktober  17iM>  wurden  sieben  Gassen  gAnzHch  einge- 
äschert, 120  Bftuter  binerbalb  der  Stadt«  über  200  in  den  Vorstädten 
zerstört 

Vgl.  Meyner  a.  a.  O.  S.  125:  „Ein  starker  Erwerbszweig  war  [in 
Wittenberg]  von  alters  her  die  Brauerei.  Im  Jalire  1513  waren  in  der 
Stadt  172  Brauhftuaer,  1801  gab  es  188  gans  und  12  balb  branberechtigte 
HAuser.  . .  Wetosbler  an  brauen  wwde  17Q$  merst  beachloaaen  und 
wiederholt  in  den  Jahren  1709,  1721,  1722  und  1727  alseine  in  der  Landes- 
verfassung und  den  Steue^^i^!s^^chreiben  gegrflndete  Bache  ernstlich  ange- 
ordnet.' Wer  sich  mit  der  Wittenberger  ätodtgeschicbte  beschäftigt,  der 
stAsst  immer  von  neuem  auf  Bemaricungen  Aber  das  Bier.  Bo  hat  s.  B. 
der  ehemalige  Rektor  Beyer  des  Gymnasiums,  ala  er  einiges  zur 
schichte  der  Schule  Gehiu-lges  aus  froheren  Urkunden  sammelte,  auch 
einen  langen  Proze??«  dr  s  I  i  hrerkollet^'iiin»^  mit  der  Wittenborger  Bratier- 
schaft  über  eine  von  jeueni  verweigerte  Abgabe  von  fremdem  Biere  er- 
wähnt, der  endlich  au  Gunsten  der  Lehrer  entschieden  wurde  (Spitzner, 
a.  a.  0.  8.  IX).  Ebenao  ersieht  man  aua  einer  ganzen  Reihe  von  Stellen 
aus  Grohmanns  „Annalen*,  eine  wie  grosse  Rolle  das  Bier  in  den  Rechts- 
verhflltniösen  der  Universitfttsverwandten  spielte,  und  ebendort  heilst  es 
Iii,  S.  25t;  ,Im  Jahr  1704  wurde  aul  das  hiesige  [Wittenber^ischej. 
Jenaische  und  Leipziger  Studentenleben  eine  Mtlnze  geschlagen,  auf 
weldier  daa  Charakteiiatisshe  desselben  folgendwmaassen  dargestellt  Ist 
In  der  Beschreibung  derselben  nämlich  heisat  es  (s.  Wittenbergiachea 
Wochonblutt,  G.  Stück,  ITsl):  .Die  drei  Studenten,  der  ii».  i^-(T  iji  der 
Mitte  mit  entflammten  Herzen  in  der  Hand,  der  \Vi'ten!ierger  zui"  Hechten 
mit  siecher  Miene  und  dem  Bierglase,  doch  das  Bucii  unter  dem  Arme, 
und  der  Jenenser  mit  entblOaatem  Degen  und  einer  grossen  Schmarre  auf 
dem  rechten  Backen.  Die  Ueberschrüt  ist:  Trahit  aua  quemque  voluptaa. 
Ueberdies  ist  auch  ausser  dieser  Mtlnze  das  Spricliwort  bekannt:  .Wer  von 
Leipzig  kommt  olme  Weib,  von  Wittenberg  mit  gesundem  Leib  und  von 
Jen»  ohne  Schiiten,  der  hat  von  grossem  Glück  zu  sagen"  [vgl  An- 
merkung 64].  Ich  musa  gesehen,  daaa  ich,  waa  daa  blasige 
Studentanleben  betrlflt»  aowohl  die  Wahriielt  dieser  HQnze  als  auch 
dieses  Sprichworts  in  der  Geschichte  des  frühem  Zustandes  unaerer  Uni* 
vorsitat  leider  bewährt  gefunden  habe.  S<  ])on  die  vielen  kleinen  aka- 
demischen Schriften  „de  ebrietate",  welche  in  den  damaligen  Zeiten 
Profeaaovan  und  Studenten  auf  unMrer  Univmsitilt  herauagaben,  sind 
tranxlge  Belege,  daaa  dieaes  Laster  damala  mehr  ala  bgend  etna  unter  den 
hiedgen  Studierenden  müsse  geherrscht  haben.  ...  Es  wäre  aber  traurig, 
wenn  wir  in  diesem  Fortrat  unaerer  Vorfahren  die  Jetaige  liebenaartwieder- 


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2.  Friedrich  Kflehribecker  etc  —  ADmerkuDg«ii. 


79 


finden  eoltten.  Denn  meii  Icnnn  mit  Wakrheit  sagen,  daae,  so  ftlinlich  viel- 
leicht auch  damals  das  PortrAt  gewesen  ist,  jetst  ancb  nieht  die  geringste 

FtanilipnühnHrhkeit  mehr  Qbrig  ist." 

'^^1  Wio  die  Hasen  M&nnehen  machen,  Poflsen,  Scherz  treiben,  wild 

und  unbnndig  lärmen. 

^)  Der  Ruf  .Zieh,  Schimmel,  zieh!*  begleitete  die  Aufforderung, 
stark  pru  poeuA  su  trinken.  Vgl.  FHedrieh  Kluge,  »Deutsche  Studenten* 
spraciie*,  Strassbniig  1896^  8.  186. 

Vgl  John  Meier,  «.HalUsche  Stndentensprache",  Halle  a.  S.  1894, 
8.  40:  „Die  gebrniirhlichaten  Ausdrtlcko  fflr  Geliebte  im  IS.  Jahrhundert 
sind  Amaute  und  Channunto.  Das  Hospitium  (1747)  erläutert  auf  8.  47 
den  Unterschied  zwischen  beiden  Bezeichnungen :  ,Eine  Amante  heisst  ein 
Frauenslmmer,  weldies  wflridieh  geliebt  wird,  eine  Ghannante  aber  Ist  nnr 
dicjjenlge,  welche  man  in  seinen  Augen  tot  artig  bftlt  Denn  es  kann  einen 
schon  jemand  charmieren,  ohne  dass  er  solche  wQrklich  liebt.'  Oft  war 
aber  auch  der  Unterschied  zwischen  Ainantc  trnci  Charmante  der  zwischen 
hoher  und  niederer  Minne.  So  kam  man  dazu,  trinkend  um  die  Charmaute 
SU  kämpfen  und  einen  Tirinkprozesa  um  ihren  Besits  su  ftthren,  bei  dem 
der  das  Mldehen  heim  fObrte,  der  die  weiteste  Gurgel  und  den  auagepieh- 
tetsten  Magen  hatte."  Ein  bekanntem  Beispiel  dafür  Ib  Zacharias  MRenom» 
misten",  S.  15  der  Ausgabe  von  1772. 

Die  jetzige  Domflne  Rothemark  (27  Ew.»,  noch  heute  mit  einer 
Bierbrauerei  verbunden,  liegt  in  einem  Eichenwaldctien  gegen  Westen  zu. 
Hs!yner  sagt  a.  a  0.  8. 121  (aus  dem  Jahr  lö4o>:  „Ein  Pttehter,  der  zugleich 
die  Punktionen  eines  Revierfitrsters  Qbemommcn,  bewfa^  die  Oftste  aus 
der  Stadt,  welche  sich  firOher  hier  nehr  zahlreich  einzufinden  pflegteo.* 
Unter  den  Gedichten  des  von  Leasing  L-*Motteten  Epigrammendichror«« 
Simon  Lemnius,  der  1538 — 88  in  Wittenberg  etudierte,  bezieht  sich  eiueü. 
»De  Sylva  Napaea*,  auf  die  Rothemark;  eine  deutsche  Uebersetzung  des- 
selben von  D.  Tieehimer  druckt  Meyner  a.  a.  O.  &  122  ab;  ebenso 
Orohmann  a.  a.  0.  I,  8.  191,  der  auch  die  lateinische  Fassung  giebt 

")  In  der  Rede,  die  er  bei  der  Uebemahnie  des  Rektorates  hielt, 
vergleicht  I-'riodrich  Taubmann  (von  l  — 1613  rrnfe.ssur  tier  Popsin  nnf! 
Eloquenz  in  Wittenberg)  „den  alcidennschen  Rektor  mit  dem  thebaiiischen 
Herkules  und  die  Beschwerden  uud  Lasten  desselben  mit  den  riesenmässigen 
Arbeiten,  die  dieser  verrichtet  hat*  Bs  heisst  da:  «Hier,  glaube  ich  wahr- 
haftig, hat  der  berOhmte  Herkules  von  Theben  mit  weniger  Beschwerden 
den  Xeinivi.schcn  Ijrtwen  erwtlrget,  als  der  Rektor  das  wilde  Geschrei  der 
Lereinstünnenden  Menge  von  Gläubigem  bündigen  kann.  Denn  wenn  or 
glaubt,  daas  er  mit  diesen  zu  Ende  ist,  so  kummen  zwanzig  andere  und 
bringuu  den  Studenten,  Johann  Biberius,  geführt.  Der  eine  ist  ein  Kauf- 
mann, der  swslte  ein  Schueter,  der  dritte  Schneider,  der  vierte  Wein« 
hftndler,  der  fUnfte  Kaffeeschenke,  ja  auch  der  Pferdeverleiher  vor 
dem  Thnre,  als  wenn  es  mit  denen  in  der  Stadt  nicht  genug  Wäre,  er- 
scheint."   Vgl.  Grohmann  a.  a.  0.  III,  8.  255. 

äo  belesen  die  stadtischen  Polizeimauuschaften  (.Häscher')  nach 
den  Sehnuiren,  die  sie  tragen;  es  sind  Holsl&stmmente,  die  sie  sum  Zeichen 
Buer  Wachsamkeit  ertOnen  lassen. 


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80     llitteiliuigend.G«8.  f.  deutsche  Bniehung8-u.8chii]g«tt:h  Vni. 


In  der  Diebessprache  so  viel  wie  GrttnrOeke,  Jftger.  Noch  John 
Meier  (a»  ».  0.  S.  50)  wird  das  Weimarer  Militär  von  den  Studenten  so 
genannt.  Ftlr  Küchelbeckcrs  Stelle  konimt  das  natürlich  nnr  sowoit  in  Be- 
tracht, als  man  violleicht  daraus  schlieasen  darf,  dass  auch  hier  (Stadt)- 
soldaten  gemeint  sind. 

^)  Es  handelt  sich  hier  vor  allem  um  die  ZUaft«  der  Stadt.  Sie 
konnten  es  offenbar  nicht  vergessen,  dass  sie  frflher,  schon  im  14.  Jshr- 
hundert,  denen  aller  anderen  Sta4te  des  Landes  vorgezogen  worden  waren. 
Denn  alle  diese  mussten  den  Streit,  den  sie  vor  ihrer  eij^enen  Lade  niclit 
schlichten  konnton.  vor  die  der  Wittenberger  Zünite  zur  Entscheidiing- 
bringen.  8o  erklärt  es  sich  gut,  dass  sie  einen  besonderen  Stolz  ent- 
Üklteten  und  »ein  Prft  verlangten",  aber  die  Geschichte  der  deutschen 
Universitäten  lehrt»  dass  noch  zu  allen  Zeiten  und  Uberall  Bursehen  und 
Philister  in  beständigem  Streite  gelegen. 

Diese   Anspielung   KQchelbeckers    vermag    ich    nicht  zu 

erklären. 

In  der  Originalausgabe  Druckfehler:  feinem. 

Stock,  vom  lateinischen  baculus. 

'^j  Konrad  iiittersbausen  (Rittershusius),  lööO  — 1613,  als  Rechtslehrer 
einer  der  glAnsendsten  Sterne  der  Altdorfer  Hochschule,  zugleich  aber 
auch  ein  grOndlicher  Phüolog.  Vgl  Aber  ihn  Bisenhart  in  der  »AUge* 

meinen  deutschen  Biograplüe*,  2S.  Bd.,  8.  698. 

^1  Vor  die  Depositoren,  eigens  dafür  angestellte  Tiearate  oder  nltere 
damit  beauftragte  Studenten,  wurden  die  vom  Gymnasium  auf  die  Univer- 
Bittlt  Kommenden,  die  beani  (angeblich  abgeleitet  vom  romauiäcben  beja- 
BUS,  bcjaune,  bec  jaune,  GellMchnatiel)  oder  Komuten  (OehOrnte)  gebracht, 
um  durch  eine  Ridhe  derber  Ceremonieen  von  ihren  »Httmem"  befreit  und 
ins  akademische  Leben  eingeführt  zu  werden.  In  Wittenberg  wurde  dieser 
Brauch  im  Jahre  178:3  abgeechafft,  und  an  seine  Stulle  trat  (wie  (Ibrfgens 
auch  anderwärts'  der  folgende,  von  dem  Grohmann  a.  a.  0.  III,  47  be- 
richtet. Dem  Depositor  mussten  frOher  von  jedem  neu  vigekommenen 
Studenten  16  Groschen  gezahlt  werden.  Die  philosophische  Fakultät  bat 
schon  1718,  »dass  ihr  ktinftig  dieses  Einkommen  gewidmet  sein  möchte, 
indem  sie  gegen  die  andern  Fakultäten  sehr  geringe  Einkünfte  hlltte. 
Sie  wolle  gegen  Erlegung  jener  iü  Groschen  jeden  neu  angekommenen 
Studenten  examinieren  und  ihn  zur  besten  Anwendung  seiner  akademischen 
Jshre  vermahnen  und  ihm  einen  Deposldonsschein  darttber  ausstellen. 
Der  jedesmalige  philosophische  Dekan  sollte  nämlich  dieses  Einkommen 
genieseon."  Trotz  dra  Widerspruches  der  anderen  KakultJ^ten.  die  an  diesen 
Einktlnften  auch  teilnehmen  wollten,  wurde  das  1722  zu  Gunsiron  der  i)hi- 
lufiophischeu  Fakultiii  auttgel'crtigtc  königliche  Dekret  llA'i  endgültig  be- 
stätigt. Ueber  die  Deposition  vergleiche  Wilhelm  Fabrldus  in  seiner 
Ausgabe  von  „Joh.  Georg  Schochs  Comoedia  vom  Studentenleben*, 
München  S.  io:,~\m  und  vor  ?!l"m  desselben  Verfassers  gehaltreiche 

Schrift:  .l)ie  akad<'nusche  Depositiun",  Frankfurt  a.  M.  IbUö.  l)anL'l)en  siehe 
Adoli  l^ernwerth  von  Bamstein,  «Beiträge  zur  Geschichte  und  ijitteratur 
des  deutschen  Studententumes",  Wünburg  1882,  8.  18  ff.  und  die 
hiteressante  Zusammenstsllung  bei  Grohmann  a.  a.  0.  m,  S.  218  f. 


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2.  Fri«dridi  Kflchelbecker  ete.  —  AnnerknngttD.  81 


*^  üeber  den  „ConielliM  rel«gatiu*  teilte  mir  Herr  Dr.  WUhelm 

Pabriciuci,  der  vortreffliche  Kenner  des  deutschen  Btudententum»  und  seiner 

LittprafTir,  folgendes  freundliclv>t  mit:  „Der  CnrnoKna  rclegatus  ist  zuerst, 
lateiuisch  verfaast,  von  dem  Ruetocker  Wichgrevius  herauagegohen  v.-orfloii. 
Der  Titel  lautet:  Cornelius  relegatus,  sive  Cunioedia  nova  festissime  lie- 
pingene  vitam  pseudoetudioeorum  et  eontlnena  nomraUoe  ritut  ncndemteoe 
in  Germania.  Acta  anno  JuMlaeo  RoetocU  in  foro  latino  .  .  .  Roatoekl 
1600,  femer  IROl,  und  Lipsiae  1602.  Die  VerhältJiisse  in  diesem  Stück  be- 
ziehen sich  lediglich  auf  Rostock "  Kücheibecker  hat  nicht  auf  dip**^ 
lateinisehef  sondern  auf  die  deutsche  Bearbeitung  des  Stuckes  Bezug 
genommen:  ^ComeUna  relegatne,  Eine  Newe  lustige  Comoedia»  welelie  gar 
artilg  der  falsehgenaoten  Studenten  leben  beschreibet  ...  in  Teutaebe 
Sprach  Obersetzt  durch  Johannem  Sommenim^  Pfarrherrn  zu  Osterwed- 
dingen .  .  Das  Buch  ist  schon  KtOö  übersetzt,  zu  Magdeburp-  zuerst 
ohne  Jahr,  dann  161Ö  erschienen.  Das  Titelblatt  zeigt  einen  rohen  Holz- 
schnitt, den  bekannten  Typus  Cornelius  darstellend,  ^ie  er  in  J.  von 
Heydens  Speeulum  Comellamim  ersdielnt.  (Bine  leicht  suganglldie  Nach- 
bildung davon  in  der  .neachichte  der  deutschen  Litteratur"  von  F.  Yogt 
und  M.  Koch,  Leipzig.  Bibliographisches  Institut,  18Vi7,  S  »  ubor  auch 
in  Fabriciua'  Ausjj^abe  von  ..Job.  Schochs  Comoedia  vorn  Stüde ntrn loben", 
S.  X.)  Ich  liabe  von  iSoaimers  Cornelius  das  im  Besitz  der  Kuiugiicben 
Bibliothek  sn  Berlin  befindliche  Exemplar  benntst.  In  der  2.  Seene  des 
2.  Aktes  sagt  daselbst  Cornelius:  „Beanus  Est  Asinus,  Nesciens  Vitam 
Studiosorum.  Bachant  Ein  Alber  Narr  Vnd  Stoltz.  Ein  grob  und  ungehobelt 
Holtz."  Wo  Küchelbecker  das  Auftreten  der  früheren  Rektoren  beapricht, 
denkt  er  vor  allem  an  die  8.  (letzte)  Scene  des  8.  Aktes,  wo  der  Koktor 
Fridericns  den  Cofnelios  mit  den  heftigsten  Scliimpfworten  bedenkt  und 
ihm  u.  a.  zuruft:  ,^lt  da  daa  MauL** 

^*)  Liripipium  ist  die  Mütze  der  Magister  und  Baccalauren. 

'^^  Drr  Rektor  der  Wittenberger  Universität  wurde  zweimal  im  .Jaiu-p 
neu  gewählt,  am  1.  Mai  und  am  Ib.  Oktober,  also  Ähnlich  wie  auf  anderen 
Uniyefsltaten ;  vgl.  Georg  Kanfinann,  „Die  OesehiiAte  der  deutschen 
Univerdtiten'S  3.  Band,  Stuttgart  1896,  B.  172  und  Anm.  2. 

Ueber  „Die  Studentenorden  des  18.  Jahrhunderts  und  ihr  Ver- 
hältnis zu  den  gleichzeitigen  Landsmannschaften'"  handelte  ausfuhr! icli  und 
sehr  lehrreich  Wilhelm  Fubricius,  Jena  Ib'JL  Ueber  Desperatidtea  und 
IndissolubiliUsten  vgl.  daselbst  besonders  S.  89. 

Im  Duell  erhaltene  Wunde.  Vgl  Kluge  a.  a.  O.  8. 79  und  ^helm 
Hauff,  „Mitteilungen  aus  den  Memoiren  des  Satan"',  Kap.  s  (Bd.  11,  8.  284 
der  Aua^^abe  von  Max  Mondheim,  Leipzig,  Bibliographisches  Institut, 
Meyers  IvlaHsiker-Bibliotheki:  .,Der  gute  Theoldge  wusste  nicht,  ■vsie  ilini 
geschah,  mein  «Sekundant  und  Zeuge  sprangen  uit  einem  Zollstab  hinzu, 
maassen  die  Wunde  und  sagten  mit  feierlicher  Stimme:  ,Bs  ist  mehr  als 
ein  Zoll,  klafft  und  blutet,  also  Anseh-— ss' ;  das  hless  soviel  als:  wdl  ich 
dem  guten  Jungen  ein  /.olllanges  Loch  ine  Fleisch  gemacht  hatte,  war 
seiner  Ehre  genug  geschelvn" 

Karl  Salome  Zacharia  von  Lingenthal  {geb.  am  14.  September  17ö9 
au  Meiseen)  hatte  in  Leip^g  erst  Philologie  und  PhUosophie,  dann  die 
Kochte  studiert  und  1792—94  als  Mentor  des  Grafen  zur  Lippe  in  Witten- 

lIMtotlunfaa  d.  G««,  t  il«nt«ch«  Snlsb.-  n.  ScbulgMeliJolilflb  VHX  1  1696.  0 

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82     liittelluniren  d.  G«8.  t  deutaehe  Eniehmiga-  iL  Schulgeaeh.  Vm. 


berg  Min«  Studien  forCgMOtst  Dort  wnrde  er  1795  Privetdosent,  beraite 

1797  ausserordentlichor  und  1802  ordontlichfir  I'rnfepsor  der  Rechte.  In 
gleicher  Bigenaehaft  seit  I8f)7  in  Heidelberg'-  rh  uig,  dtarb  er  dadelbat  am 
27.  Marz  1843.  Sein  Hauptwerk  sind  die  berühmten  .Vierzig  BUclier  vom 
Btent«  (1820—32).  Ked  ChriitiMi  KohliehOtler  (geb.  am  U.  Juni  1764  tu 
Dreeden)  beaog  1784  die  Univereltftt  Wittenberg:,  wo  er  neben  reehte- 
wiflaeosc haftlichen  auch  historiBche,  philosophische  und  besonders  theo- 
logische Vorlesungen  besuchte.  1791  zum  Doktor  der  Rechte  promnvi(«rt. 
habilitierte  er  sich  1792.  Drei  Jahre  darauf  wurde  er  „wegen  seiner  grOud- 
llehen  Rachtswisaenechaft  und  in  Schriften  und  Vorieeungwi  erwiesenen 
Oeeehidclichkelt''  eom  Snpemuoiecaraaseaaor  bei  der  Wittenbeiyer 
JurifltenHiknltAt  und  bald  darauf  zum  ProfSBaeor  de«  sächsischen  Rechte 
ernannt.  Von  1708— 182^  an  lebte  er  in  hoher  amtlicher  Stellung  in 
Dresden,  wo  er  luii  '.».  Februar  lb87  starb.  IvohlschUtter  war  der  erste,  der 
in  W  ittenberg  bei  seinen  Vorlesungen  über  römisches  Recht  sich  nicht 
mehr  etrenf  die  ^um  Vortrage  der  Reohtewiaaenachi^  achleehterdinge 
untengUchen"  Pandekten  anscbloss,  und  Zacharili  bi  kuunto  in  seinem  Auf- 
satz ,,T'"brT  (Iln  Methode,  nach  welcher  die  Rechtswi.-ispTi^^c  baft  gr^^*'"- 
wärtig  :Luf  der  hiesigen  | Wittenberger]  UnivorsitM  vorg(  traij:on  v«ird  - 

(Grohmanu  a.  u.  0.  III,  8.  I2b — iüS) :  „Der  Verfasser  dieses  Auisuuea  ist 
dieaem  Belapiele  gefolgt  üebeneugt,  daaa  daa  Naturrecht  gleichaam  ale 
eine  Methodologie  dea  poaitiven  Rechte  su  betrachten  aei,  hat  er  die  CoUegia» 
die  Bian  mit  dem  Namen  der  Institutionen  und  Pandekten  bezeichnet,  so 
weit  es  die  Natur  des  Gogenatandes  erlaubte,  der  Ürdnvuig  at)Zupr\.H3en 
gesucht,  die  durch  das  philosophische  Recht  für  den  Vortrug  des  l'rivat- 
re<Atea  beeltmmt  wird.** 


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8.  Zur  Geschichte  der  Btadtachtile  in  Werdau  (KOnigr.  Secheeii)  etc.  83 


8. 

Zur  GeHi'hiclite  der  Stadtschule  in  Wei*dau  (Köuigr. 
SaehBen)  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  ^) 

Nebet  4  BeruAingBUTlcttndeii  für  den  Rektor  (1760)«  Kantor  (1759), 
Ofgenieton  (1744)  und  Kollaborator  (1744). 

Von  0r.  V.  Tetnet-Leipiiff. 

lu  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  sorgten  für  den 
städtischen  Schulunterricht  zu  Wt^rdaii.  das  damals  ein  Landstädt- 
chen  von  1800  Linwolinoru  war.  vier  Lehrer:  der  Rektor,  der 
Kantor,  der  ^Urgaaist  und  Mägdleiü-Schulmeisler  •  und  der 
,  Kirchner,  Glöckner  und  Kollaborator". 

Der  Rektor  war  .seit  Alt^^TS  ein  Tiieologe;  vor  j^eiuer  Wal»l 
bekleidete  er  gewöhnlich  ein  Kaiitorat  und  ging  später  meist  in  das 
Amt  eines  Geistlichen  ülu'i.  Kr  wurde  vom  liiirjLrenneiwter  imd 
dem  liat  der  Stadt  angestellt,  die  Kin-hc  hatte  keinen  Kintluss  auf 
üeiue  Wahl.  Zur  Bewerbung  musste  er  ein  Gesuch  einreichen, 
djis  in  den  untertliänigsten  Bittworten  abgefasst  war.  Er  wohnte  in 
der  Schule,  musste  täglich  die  Elutben  6  Stunden  in  der  Keligiou. 
in  guten  KOnsten,  bes.  im  Rechnen,  in  Sptnehen,  Wissenschaften 
und  im  Anstand  unterrichten.  £r  empfing  alles  Schulgeld,  nfimlich 
8  Pfennige  vom  Kind  in  der  Woche.  Auss^em  hatte  er  Wohnung. 
Feld  und  Feuerung  frei  und  erhielt  seitens  der  Bürger  eine  be- 
stimmte  Zahl  Garben,  sowie  Geld  aus  dem  gemeinen  Kasten.  Im 
ganzen  war  der  Wert  der  SteUe  etwas  einträglicher,  als  die  des 
Kanters,  die  man  um  1800  auf  AOO  Thaler  schätzte.  Der  Reicter 
musste  nötigenfalls  den  Kantor  vertreten  und  umgekehrt  Er  ver« 
pflichtete  sich,  keine  Neuerungen  einzuführen,  das  Schulgeld  nicht 

•)  Die  vorliegende  Arbeit  war  ursprunglich  für  daa  „Sachsen -Heft" 
(Uitteilaiigen  Vit,  8)  beitimmi^  konnte  aber  In  dieiea  wegen  Mnngele  an 
Raum  nicht  aufgenommen  werden. 

6* 


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84    Mitteilungen  d  Gen.  f,  dantadie  Krdehuugs  u.  SduiIgMeh.  Vm. 


zu  erhöhen,  niit  gutem  Wandel  ein  Vorbild  zu  geben  und  vier 
anne  Knaben  umsonBt  su  nnterrichton.  Den  Hamen  Bdctor  fahtte 
er  seit  der  Reformation  statt  des  ITamens  SdiulmeiBter  und  behielt 
ihn  bis  1896.  Da  erfolgte  eine  Neuordnung  der  Schule,  an  deren 
Spitze  spftter  ein  Direktor  trat 

Der  Kantor»  gleiebfalls  ein  Theologe,  verfolgte  dieselbe 
Laufbahn  wie  der  Beictor,  dessen  Vorgänger  er  oft  var.  Seine 
Bewerbung  und  Wahl  geschah  wie  die  des  Beictors,  der  Schuldienst 
war  der  gleiche;  ausserdem  hatte  er  dem  Chor  Yorzustehen.  Seiner 
Bestätigung  ging  eine  Prol>e  voraus,  die  der  Zwiekaner  Superinten- 
dent vornahm.  Als  sich  1784  ein  Jurist  tun  die  Stelle  bewarb 
und  an  erster  Stelle  vergeschlBgen  ward,  wurde  er  im  Lateinischen 
aus  Cornelius  Nepos,  im  Griechischen  aus  dem  BOmerbrief,  ausser- 
dem in  Theologie  und  im  Katechisieren,  wie  im  Singea  geprttffe 
und  ftlr  nicht  '^rt  nügend  erklärt.  Kfintoren  treffen  wir  in  Werdau 
bereits  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts,  1815  hatte  der  Kantor 
200  Kinder  in  2  Abteilungen  zu  unterrichten.  Das  gelang  ihm  nur 
schwer,  zumal  er  alt  war.  Trotzdem  geschah  vorlaufig  keine 
Teilung.  Schulgeld  empfing  er  nicht.  crteUte  aber  Privatstunden. 
Seine  Besoldung  betrug  an  Geld,  Holz,  freier  Wohnung,  Niessnutz 
des  Feldes  um  1800  etwa  400  Thaler:  der  Kantor  .-«elhst  schätzte 
sich  mit  244 — ;-5üO  Thaiem  ein,  was  man  indessen  als  viel  zu 
niedri«;  bezeiclinele.  Im  1(3.  und  17.  Jahrhundert  versorgte  meist 
die  Kaiitorji;attiu  die  1579  eingerichtete  Mödehenschule.  Später  ging 
dies  Amt  auf  einen  besonderen  Lehrer  Uber. 

Der  Organist  hatte  früher  nicht«  mit  der  Schule  zu  thun. 
.1.  G.  Kiessling  (1709—24)  wird  als  der  erste  bezeiclmet,  der  zu- 
jxleich  .Mäi^dleinschulmeister"  war.  Die  Vorbildung  erhielten 
die  meisten  in  eiuer  guten  StadLsrluilf  (»der  durch  rrivalunterricht. 
Auch  Stadtpfeifer  und  liegimeutä]iauker  erliielten  solche  Stellen; 
seltener  bewarben  sich  Theologen.  1815  hatte  der  Organist 
300  Kinder  iu  geteilten  Klassen  zu  unterrichten.  Auf  ergebene 
Bewerbung  hin,  zog  der  Rat  Erkundigungen  ein,  wählte  ihn  dann, 
liess  ihn  proben  und  gab  ihm  darauf  die  Anstellungsurkunde, 
kraft  deren  er  neben  seinem  Eirebendienst  die  Madchen  im  Beten. 
Singen,  Schreiben,  Lesen  und  Rechnen  allein  zu  unterrichten  hatte. 
Er  bekam  freie  Wohnung,  30  Qulden  jährlich,  Ü  Klaftern  Holz 
nebst  Fuhrlohn,  die  »Accidentien*.  aber  kein  Schulgeld,  im  ganzen 
etwa  '/«  der  Besoldung  des  Kantors.  Eist  1880  wurde  der  Mädchen- 
schule ein  zweiter  Lehrer  beigegeben. 

Der  »Kirchner  und  Glöckner*  wurde  seit  1730  zugleich  zum 


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8.  Zur  Geaehidite  der  StadtadiuU  in  Werdaa  (KOnigr.  StchMii)  etc.  85 


•Kollaborator*  der  Knabenachule  gemacht,  d.  h.  ermuBsto  aUjShr- 
lieh  svischen  Martini  und  Osteni  je  eine  Stunde  Tor-  und  nach- 
mittags etwa  50  (l  J.  1815)  kleinen  Schillern  das  Buchstabieren 
und  die  eisten  leügidsen  Stoffe  lernen.  Die  Schule  irar  sein 
Nebeoamtt  der  Kiichendienst  die  Hauptsache.  Für  die  heiligen 
GrefBsse  und  dergleichen  musste  er  Sicherheit  stellen.  Er  hatte 
keine  besondere  Vorbildung  ausser  der  aUeigevOhnlichsten  Schul- 
bildung genossen  und  war  Tor  seiner  Anstellung  entweder  Vor- 
sRnger  (AdjuTant)  des  Kantors  oder  ein  gewöhnlicher  Handwerker 
und  Borger  der  Stadt.    Er  wurde  vor  der  Wahl  im  Lesen, 
Schreiben,  Rechnen  und  in  Religion  geprüft:  um  seine  Wahl  erhob 
sich  meist  langwieriger  Streit.   1743  meldeten  sich  2  Tuchmacher 
und  je  ein  T^einwebeTt  Schuhmacher,  Schneider,  Tischler:  1761  je 
ein  Stadtpfeifer,  Zeugmacher,  Tischler,  Tuchmacher,  1801  u.  a. 
auch  ein  Lehrer.    Man  wählte  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahi- 
hunderts  (liirchgangiij  den  Sohn  oder  Bruder  des  Vorfjanf^ers,  kur^ 
iVw  Familie  Olienauf,  die  der  Stadl  später  einen  ]^ür*;erineister  gab. 
Diese  Obenaufe  erfreuten  sich  der  G'nisf  des  Pastors,  nicht  der  des 
Rats.    Dem  Hande  l  rlv  nach  wurden  S«  Ii  i 'ider,  Zeugmacher.  Nadler 
^^ewfililt.   Die  meisten  schrieben  eine  schöne  Handschrift,  einige  aber 
aiii  h  recht  fchlf'rhHft.  und  statt  jener  gebräuchlichen  demütigen  Art , 
in  uubeabsiciiiigi   Iminoi  istischer  Weise  als   , guter  Freund"  des 
Rates.    Die  meisten  erzählen  ihr  Unglück,  ihre  Verdieubte  um  die 
Madt  und   versich<'rn  ihre  ewip^e  Daukbarkeit.     Die  Besoldung 
von  Seiten  der  Ivirclie  war  festi^rsetzt.  die  für  die  Schule  wai 
geriüg.    Sic   hetrug  G  Gulden   zu   'Jl  Groschen,  ausserdem  freie 
Wohnung  und  einige  Klafteru  Holz.  1815  wird  aUes  auf  180  Thaler 
geschätzt.    Grosser  Streit  herrschte  um  die  Besetzung.  Anfänglich 
besetzte  der  Rat  ganz  allein  sämtliche  Schulstellen  und  liielt  an 
seinem  Reehte  fest.   Am  7.  Juli  1765  Hess  er  durch  Zeugeneid 
bestätigen,  dass  er  ganz  allein  das  Reeht  der  Wahl  und  Berufung 
seit  Menschengedenken  ausgeübt^  nicht  bloss  fUr  alle  Rektoren. 
Kantoren  und  Organisten,  sondern  auch  für  die  Kirchner  und 
'  Kollaboratoren.  In  der  That  war  1743  der  Pastor  mit  seiner 
Forderung  vom  Konsistorium  abgewiesen  worden,  der  Rat  solle  ihm 
zur  Auswahl  drei  Bewerber  vorschlagen,  trotzdem  der  Ratskandidat 
den  Pastor  bedroht  und  ^.mechant*  behandelt  hatte. 

1765  erhob  nun  wieder  der  neue  Pastor  Einspruch  ohne  Grund, 
aber  diesmal  erkannte  ihm  das  Konsistorium  eine  Stimme  zu. 
Dabei  blieb  es,  trotzdem  der  Pastor  das  alleinige  «entseheidende** 
Hecht  der  Wahl  haben  wollte.   1815  wurde  von  Seiten  der  BQrger- 


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SG     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bndehungä-  u.  Schulgeach.  YIIL 


Schaft  verlaügt,  dass  umn  als  Koliitb(ti  atür  keinen  Handwerker,  sondern 
eiueu  (»rdentlichen  Lelirer  mit  besserer  Bezalilung  anstellen  solle. 

Werdaii  sei  kein  Dorf,  sondern  eine  , volkreiche  Stadt"  und 
ein  „Fabrikort".  Für  500  Kinder  seien  3  Klassen  uDd  die  wenigen 
Lehrer  zu  wenijr.  die  Winkelschulen  und  Privatlehrer  aber  seien 
weniger  wirksam  und  doch  kostspieliger.  Der  Kollaborator  solle 
zu  180  Thalem  noch  100  erhalten,  und  der  Zeugmaeher  solle 
Kirchner,  aber  nicht  Lehrer  sein.  Die  Verhandlungen  verliefen  im 
Sand,  weil  [die  Bürgerschaft  die  100  Tbaler  nicht  bewilligen  und 
das  eingeschulte  Leubnitz  Überhaupt  nicht  mitmachen  wollte.  Erst 
18S0  erfüllte  sich  jener  Wunsch,  und  seit  1836  ist  der  Kirchner 
nicht  mehr  Lehrer. 

Vergleichen  wir  vor  der  Kundgabe  der  vier  ilteston  Werdauer 
ßerufungsurkuttden  den  fetzigen  Stand  des  Werdauer  VoUcsschul- 
Wesens  mit  dem  im  Einleitungssatze  beschriebenen  vor  150  Jahren, 
so  ist  ein  ungeahnter  seltener  Fortschritt  zu  bekunden.  Die  Stadt 
hat  ihre  Einwohner^  wie  ihre  Lehrerzahl  verzehnfacht,  trotzdem 
Ijeubnitz  ausgeschult  ward,  das  jetzt  selbst  6  Lehrer  besitzt.  Werdau 
besitzt  jetzt  (1898)  2  Bürgerschulen  mit  2  Direktoren,  47  Lehrern 
und  2906  Schülern;  eine  Fortbihhingsschulc  mit  einem  Direktor, 
18  Lehrern,  525  Schülern:  eine  Handelsschule  niit  einem  Direktor. 
8  Lehrern,  855  Schülern,  ein*'  ^^^'ll.schule  mit  einem  Direktor,  drei 
Lehrern  und  50  Schülern  und  eine  Kealschule  mit  einem  Direktort 
8  Lehrern  imd  174  SchUlem. 

nir  vier  ältesten  Bfiufungsurkundeii  für  den  l^eklor  1760  (1). 
Kantor  1759  (2),  Organist  1744  (3).  KoUahoraU.r  1744  (4)  be- 
wahren eine  Ferra,  die  herkömmlich  war  und  fast  unverändert 
100  .lahre  fortdauerte.  Nur  beim  Kollaborator  wurde  der  alt*"  An- 
laiig.  Resetzunj;  durch  den  liat.  durch  „Herlx  i/idning  des  Pfarrers 
und  mit  Vorwiböen  des  Zwickauer  Superiuiendentcn"  verändeit. 
Der  Hl  1  erwähnte  Zürckler  slaramto  aus  Plauen  und  kam  1744 
als  Kektor  nach  Eibenstock,  Ilallbauer  war  eines  Werdauer  liückers 
Sohn,  hatte  Theologie  studiert  und  starb  sclion  1762;  seine  Nacli- 
folger  Messen  Heyer.  Storch  und  Engelmann  (1773—1820);  der  in 
2  erw&hnte  Werdauer  Kantor  (1759—73),  stammte  aus  Zwickau, 
war  der  Sohn  eines  Buchbinders  und  ktm  auf  des  Zwiclcauer 
Superintendenten  Weise  Empfehlung  nach  Werdau,  als  sein  Vor* 
gttnger  Götze  aus  dem  Altonburgischen  gestorben  war.  Der  in  3 
erwähnte  Krantz  war  zuvor  Organist  in  Meerane.  Spiess  Ktti'assier^ 
Regimentspauker  (t  1772). 


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a.  Zur  G«sebidtte  der  Btodttebale  in  Werd«u  (KOnigr.  Sacbeen)  ete.  87 


Die  BenutzuDg  der  Uifcunden  (Abschriften)  selbst  verdanke  icli 
der  Gttto  des  Werdauer  BQrgermeisterB  und  Rate,  denen  ich  hier- 
dnidi  meiiien  Dank  sage. 


1.  BemftingsiiTlLiuide  für  den  Bektor  ans  dem  Jahre  17<0. 

Wfar  BOi^gemeister  und  Rath  der  Stadt  Werdan  nhxkandeii  und  be. 
kennen  hiermit,  dess  nachdem  durch  erlangte  ajidenreite  Beförderung 
Herrn  Johann  Adam  Zflrcklers  der  hiesige  Schul>Rector-Dienst  sich  erle- 

diget,  und  dann  die  Nothdurffl  erfordert,  sothimon  Re  ctorat -Dienst  kraft 
des  uns  zustehenden  Rorlits,  Herrn  Juhanii  Gottfried  Halbatiern,  S.S.llic»/. 
Siudioso,  auf  dessen  danini  beschchoncs  j^ebührfiidcs  Ansuchen  confm'rd 
u.  aufgetragen  haben.  W</  t/;  und  berufi  n  demnai  h  in  Nahmen  der 
Heiligen  und  Hu<  ligelt»btcu  Dreyfoltigkeit  ermeldten  Herrn  Johann  Gottfried 
Halbauem  hiermit  und  Kraft  dieses  zu  erwehnten  Rector-Dienst,  dergestallt 
und  also,  dass  er  «olchen  auf  sich  nehmen,  und  des  ftrdersambsten  an- 
treten, die  Schnl'Jngend  in  dar  Furcht  Gottes,  der  reinen  Evangelischen 
mit  der  umgelndertenAngspnrgischenCon/^Mto»,  FonatiJia  Cmeoräiiae  und 
andern  %i//7;fy/ischen  Bflrhern  flberein  kommenden  Lehre,  guten  Ktlnsten, 
Sprachen,  Wissenschaften,  Hidlidn  ii  Sitten  und  andern,  nöthigen  Sachen 
fkleUhr  informieren,  und  nii1  erweisen,  ihr  mit  einen  Christlichen,  Gott- 
seeligcn  und  erbarn  Leben  und  Wandel  voruelir-n  und  sonsten  allos,  was 
7.\\  deren  Heilsamen  Besten  dienet,  uudt  diessfalls  einea  getreuen  und 
tlcissigen  Sehul-Lehrers  Ambt  ist,  jederzeit  gleich  seinen  Vorfaliren,  in 
ffircb  und  Schule  mit  unverdrossenem  Fleias  verrichten  und,  da  er  in  der 
Schul  Wohnung  allein  wohnt,  die  Schul-Stunden  frflhe  mit  dem  Confore 
Wechselsweise  anfangen,  sowoU,  wenn  der  (kmicr  abwesend  und  krank 
seyn  möchte  und  kein  Adjuvant  Chori  musici  alllder  zu  liabon  wftre,  oder 
auch  nach  dessen  Absterben  bey  währender  Vacanz  in  der  Kirche  und 
Schule  vor  ihn  das  Ambt  mit  singen  und  anderen  Verrirhttmgen  vorsehen, 
und  sich  jillenthalben  derniassen,  wie  er  es  get,'en  Gott  aller  Höchsten  und 
der  erbarn  Welt  zu  vtrantwurtteu  getrauet,  be/,eigen  und  niiffüliren  s(dl. 
Dargugen  ihm  dasjenige,  was  Herkommens,  und  seine  VoriaUren  an  Be- 
soldung, Schulgeld  und  il<x»tf6n<»V»  ' genossen,  wir  solcbea  alles  uns 
dfidr^  obne  abbruch  gereichet,  und  soviel  an  Uns,  danni  verholfen 
werden.  Jedoch  sonderlich  das  Schulgeld  vor  dch  nicht  erhAhmi,  und  efaiige 
Xeuenmgen  einfahren,  inglcichen  hergebrachter  Gewohnheit  gemäss,  4  arme 
Knaben  ohne  Schulgeld  unterrichten  solle.  Uhr-Kundlich  wir  ihm  diese 
Wf7f?Vw  mit  dem  Stadt  Insiegel  bedrücken  hissen  und  unterdes  regierenden 
Bürger-Meisters  eigenhändiger  Unterschrift  abgegeben.  So  geschehen 
Werdau,  den  29'"'  July  Ahhq  17f3(}. 

Bürgenueister  und  Rath 
allda 

Johann  Michael  Oberländer 
p.  t.  regier.  B.  Mstr. 


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88     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutwdie  Entehunge-  vl  SeludgeaclL  VUL 


2.  Bonifiiiigsiirkaiide  für  den  Kuitor  Tom  Jahre  1759» 

Wir  Bttcger-Heiater  und  lUtli  der  Stadt  Werdau  nlirkunden  nnd 

bekennen  hiermit,  dass  nachdem  durch  secl.  Absterben  Herrn  Johann 
Christoph  Götzens  der  liieiige  (7an/or-Dienst  sich  verlediget,  und  dann 
die  Notlulurft  erfordert,  sotlianes  (Aintutal  einen  andern  g:eBchicktcn 
Siibjrdo  zu  vcrtraut'n,  wie  bcrülirten  Caniar-Dicnst,  kraft  dos  uns  zu- 
stellenden Rechts  Herrn  Johatnt  Goithelf  Engelmatm,  S.  S.  Th:»!.  Sfudioato, 
auf  dessen  durum  beschehenes  gebührendes  Aoaucheu,  nach  vorgegangener 
gewöhnlicher  EsB/ioraiim  nnd  abgelegten  Probe  conferird  nnd  aufgetragen 
hab«!,  Voearm  nnd  bemfon  demnach  ia  Nahmen  der  Heiligen  und  Hoch- 
geiobten  Dreyfaltigkeit  enneldten  Herrn  Jchemn  Gotthtif  Engdmann  hier- 
mit nnd  kraft  dieses  zu  erwehnten  CSontor-Dienst,  dergestaUt  nnd  als«», 
dass  er  solchen  auf  sich  nehmen  und  des  fördersambsten  antreten,  den- 
selben seinen  besten  Vorstände  und  Vennögen  nach,  zur  Äusbrcit  nnd 
Beförderung  der  Ehre  Gottes,  treu  fleissig  und  unverdrossen,  abwarttcn 
und  verwalten,  dem  Choro  Mmiru  wohl  verstehen,  inaonderhuit  aber  die  ihn 
unvertraute  Schul-Jugend  in  der  Gottes  Furcht,  reinen  Evangelischen 
Lehre,  guten  Künsten,  Sprachen,  Wissenscliafken,  Höflichen  Sitten,  bevorab 
denen  Haupt-StUcken  unsers  Christlichen  Glanbens,  wie  solche  mit  deren 
Erlftntemng  in  den  Dresadener  C!8<AeeAtiim<>  enthalten,  fideüfer  tnformiren, 
ihr  mit  einen  ehrbam  und  exemjilarüchen  Leben  und  Wandel  vorgehen, 
und  sonst  en,  was  zu  derselben  Heyl  und  besten  dienet,  auch  diessfalls 
seynes  Ambts  seyn  wird,  in  der  Zoit  in  der  Kirche,  und  Schule  fleissiL' 
und  unverdrossen  zu  verrichten,  und  sich  allenthalben  dermassen,  wie  er 
oa  gegen  Gott  in  Himmel  und  de»  erbam  Welt  zu  vorautwortten  uanloukel, 
bezeigen  und  auüuuren  solle.  Dargegeu  ihm,  gleich  seineu  Vorfahren, 
Vierüg  Gfllden  jährliche  ordinair  Besoldung  als: 

27  f  — ,  — ,  ans  den  geistl.  Kasten 
10  f  — ,  — ,  aus  der  Armen  Spende 
3  f  ~,  "-t  aus  der  £atha-C&mmcrey 

nebat  dmen  gewöhnUchmi  AcadeiUim  und  holtx  an  drey  klafftem,  von 
dem  Geistlichen  Kasten,  auch  dasjenige,  was  bey  dem,  die  Canhnd  Be- 
soldung halber,  vor  den  GtocUlObl.  Constatono  zu  Leipzig  anhängigen  Procesa 

kfiüiftig  erkannt  werden  möchte,  gereichet,  ingleichen  freye  W<»hnung  und 
dasjenige  Stück  Feld,  an  der  Königswalder  Stra^^30,  eo  Weil.  Tobicn 
Wintern  gewesen,  zum  NieaBbranch  ein«?erRumet  werden  8<»11.  Dessen  zu 
riir  Kuiid  wir  ihm  diese  Vocatioa  unter  vorgedruckteu  Stadt  Inaiegel 
unter  gewöhnte  Öubscription  wisseadlich  ausgebt  eilet.  So  geschehen  und 
gegel>en  zu  Werdau  am  29.  April  Anno  1759. 

Der  Kath  d^elbtüt 
Zacharia-s  Zachar 
p.  t.  regier.  B.  Mstr. 

« 

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8.  Zur  Geschichte  der  SUdtechiile  in  Werdaa  (Kdnigr.  Sachsen)  etc.  89 


Beralluigsttrkiimde  fVr  den  Orgaaistem  mis  den  Jahre  1744« 

Wir  Bürger  Meisicr  und  liuth 

der  Stadt  Werdau,  nhrknndpn  und  bt  kenueü  hiennit,  dass  nachdem  durch 
sei.  Absterben  Herrn  ■lohami  KranUens,  der  hiesige  Organisten  und 
M&gdlein-Schulmeistcr  Dienst  sich  verlediget,  und  die  Nothdurft  erfordert, 
solch«!  Dienst  mit  einem  anderen  tnchtlgen  Sväigeäo  sn  besetien,  vir  be- 
xHhitea  Dienst  Kraft  des  uns  anstehenden  Rechts  Jokeam  Ckrütcph  S^^ütse» 
anf  dessen  dammbeschehenesAnsncben,  nadi  vorhergegangener  .E^orolum, 
und  ahgelegten  OrpvMufM-Probe,  cmfenref  nnd  angetragen  haben. 

Jkcurm  nnd  beinfen  demnach  im  Naman  der  Heiligen  nnd  Hoch- 
gelobten Dreyeüiüi^eit  eimtfdten  Herrn  Johann  Christoph  Spicss  hiermit 
nnd  Kraft  dieses  zu  enrehnten  Organitten  nnd  MAgdleiu-Schnlmeister 
Dienst,  dergestallt,  dass  er  solchen  des  fördersamsten  antreten» 

Den  Organi'sten-Ih'enst  hvy  dem  Offeiitli*  hon  Gottes  Dienste  seinen 
besten  Verb  lande  und  Vermögen  nach,  m  Befrinlerung  der  Ehre  Gottes, 
treu,  rieistig  und  unverdrossen  abwarten  und  verwalten,  insunderlieit  aber 
lUr  ihm  m  der  Mägdlein  Schule  anvertraute  Schul- Jin/t/id,  in  der  Gottcs- 
turcht,  reinen  evangelischen  Lehre,  bevorub  denen  üaupt-StUckeu  uuares 
chriatUcben.  Glaubens,  wir  solche  mit  denen  Erläuterungen  in  dem  Dresdner 
Gatechisamo  enthalten,  anch  in  beten,  singen,  sclir^ben,  und  rechnen 
treulich  infcrmörm,  ihr  mit  einen  erbam  und  förem/jMschen  Leben  und 
Wandel  Torgebn  nnd  »ich  ailonthalben  wie  er  es*  gegen  €k»tt  im  Himmel, 
und  der  erbani  Welt  au  Terantworten  gedenket,  bezeigen  solle. 

Dagegen  ihm,  ^oich  seinen  Yorfahrem,  als  Orgattut: 

26  Meissn.  Gfllden,  jährlich  ans  der  Raths  Kftmraerej 

ewei  Claftiern  deputat-YioMz 
und  zu  jeder  daffter  14  Pf.  ~  fuhrlohn 
aus  den  Oeistl.  Kasten. 

als  Mägiilein-Srhdnm'iftcr  —  jllhrl. 

2  Meisau.  Gfllden  ans  den  Geistl.  Kasten 
2  Meisen.  Gülden  aus  der  Kaths  Cümmerey 
ingleichen 

vür  Claffiern  dijntiat -Holtz  und  das  völlige  I'ubrh»l»n  darzu,  ebeiifallü  aus 

der  Baths  G&mmeery  gereicht 
mit  freyer  Wohnung  Tersehen,  und  die  gewdhnliche  AnddetOiaf  wie  solche 
die  Yorfahrer  in  beyden  Diensten  genossen,  erhalten  soUe. 

Dessen  su  uhrkund  wir  ihm  diese  VocaÜo»  unter  Tofgedmclcten 
Stadt«lnsiegel  und  gewöhnlicher  SubseripUon  wissentlig  aoagestdlet 

So  geschehen  und  gegeben,  Werdau,  den  1.  April  Anno  1744. 

Der  BaÜk  dtuelbst. 
Johann  Mu^a^  C^länäer 
p.  t,  regierender  Bargermeister. 


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90     MttteUungen  d.  ti«8.  f.  deutsche  Brsiehun^-  u.  Schulgesch.  Vin. 


4.  Benifliiigrafkmid«  llr  ito»  ColMNintor  (1744). 

Wir  Endesimtencliriebeiie  Pastor  und  Rath  der  Stadt  Werdau  Uhr- 
kanden  und  bekennen  hiermit,  dasi»  nadidein  dvrdi  Miebael  Obenanfii  er- 
folgtem tOdUehea  Hintritt  der  KirehBer  and  GlOckaer  Dienst,  wie  auch  die 
atmo  1730  dar  la  gerächte  Schal  CeUaberalur,  sieh  voledi^li,  Wir  mit 
Vonsisscn  ond  genehm  HlltQOg  des  Herrn  Supennkndenien  zn  Zwickaa* 
Gottfirid  Obenauffn,  Borgern  nnd  Schnpidf^m,  des  dtfuneti  Bruder,  zu 
sothanen  Kirchner  nit  l  Glöckner,  wie  aach  Schul  CMabm-ntor  Dienst  er- 
wehlet  und  erkuhrcii  haben.  Dociren  und  benifen  demnach  im  Namen 
der  hl.  Dreifaltigkeit  ermelten  Gotttrid  Obeiiauff  hiermit  und  Kraft  dieses, 
dergestalt  und  also,  dass  er  berührte  Dienste  des  fördersamsten  antreten, 
ia  solchen  sich  getrea,  fleissig  and  anverdrossea  erweisen,  dasjenige,  was 
die  Torigen  Kirchnern  and  GlOcImera  zn  than  schaldig  gewesm,  Teniehten 
aad  besorgen,  Uemechst  aach  hey  der  al^fthrllch  von  Martini  his  Ostern 
ihm  obliegenden  Schul  Informaium,  die  Jagend  aas  Gottes  Wort,  wie  es 
in  hl.  gettlicher  Schrift  alten  und  neuen  Testaments,  der  ungeänderten 
Angspurgischen  Ct/nf'esxton  Formnln  mnritrdt'fit'.  Schmalkaldisrhcn  Arfinrhi 
nnd  Luihen  grossen  und  kleinen  t'atichisnw  begriffen  und  enthalten,  unter- 
weisen solle. 

D;igegen  ihm  auch  die  gebühr,  was  seinem  Vorfahren  am  Kirchnor- 
dienst,  Yermfige  Verhandener  bestallung,  gegeben  worden  entrichtet  and 
besonders  vor  die  Schal  Infcrmatimt  all) fthrlieh  sechs  GlUden,  den  Gülden 
sa  Bn  aad  Zwaazig  Groscbea  geredmet,  aas  dem  Gemein  gereichet  werden 

sollen.  Uhrkundlicli  liaben  wir  diese  Y>m  ution  unter  nnsem  Petschaft  aad 
resp.  Stodt-Insiegel,  wie  auch  gewöhnlicher  Sitb  San^io»  ansgesteUt.  So 
geschehea  Werdaa  am      Jannari  anno  1744. 

J£.  l*eter  Paul  ]Va<fner  Pagf. 
S,  u.  Adj.  mpp. 

Dürgonnstr.  und  Rath  allda 
Johann  Michael  Oberländr 
p.  t.  reg.  B.  Melstr, 


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4.  Bernlmnl  Kaiwera  Getdiichte  des  Volkawhiilwesens  in  WOrtfiemberg.  91 


4. 

Bernhard  Kaissers  OeHcliiclite  des  Yolksschulweseus 

in  Württemberg.^) 

Der  TerfasBer  des  voiliegenden  Werkes  ist  bereits  durch  Modo- 
graphieen  den  weitesten  pidagogiecben  EreiseB  bekannt  Er  bat  teils  in 

Fachzeitscliriftcn  und  Inder  Tagespresse,  teils  in  Tinseren  .Mitteilungen"'), 
vor  allem  in  der  aus  Anlass  des  i'rijrihriuoii  l\ogierungvjiibil;"inrns  des 
Königs  Karl  von  Wtlrttenibfr?  veröffentlichten  Featsehrift  „rTescliiclite  des 
Volk8Sf:huIwesens  in  Württemberg'^  sich  als  genauer  Kenner  der  Schul- 
geschichte seines  engeren  Vaterhindes,  als  ein  unermüdlicher  Forscher  und 
Sammler  gezeigt.  Er  bietet  in  der  zweibändigen  „Geschichte  des  Yolks- 
sehnlwesens  in  Wllritemberg''  die  Frucht  seiner  reichen  arcbiTallschen 
Anabente  nnd  seiner  langjlhrigen  eingehenden  Stadien,  als  deren  Besaitet 
er  den  Sata  anlrtdlt,  daas  veder  der  Staat,  noch  die  Gemeinde  den  ersten 
Anstoss  zur  Gründung  von  deutschen  Schulen  gegeben  habe,  sondern  dass 
die  Kirche  als  ^Mutter  der  Schule  ilberhaupt  nnd  der  Schule  des  ge- 
meinen Volke^-,  der  Volksschule,  insbcsonden-"-'  ünzuerkcunen  sei. 

Zur  Kennzeichnung  der  Anlage  des  Werkes  sei  Folgendes  bemerkt : 
Nachdem  in  der  Einleitung  die  Geschichte  des  mittelalterlichen  Schul- 
wesens, speziell  des  niederen,  von  seinen  ältesten  Sparen  bis  zum  Aus- 
gange der  Epoche  verfolgt  ist  mit  der  aasgesprochenen  Absicht,  die  rege 
Schnlthfttigkeit  dieser  noch  viel  verkannten  Zeit  in  das  rechte  Licht  zn 
setsen,  g^ebt  der  Verfaaser  im  ersten  Abschnitte  nrkondUch  belegte  Mit- 
t^ongen  ttber  die  ▼orreformatorischen  Volksschulen  Württembergs.  Es 
wird  der  Nachweis  zu  führen  gesucht,  dass  die  Glaubensepaltung  und  die 
mit  ihr  verknüpften  Wirren  trotz  des  guten  Willens  der  Reformatoren 

*)  Geachiehte  dea  Volksachulwesens  in  Württemberg.  I5earbciiet 
und  herausgegeben  von  Bernhard  Kalaaer,  Oberlehrer  am  KOnig'l.  Schul- 
lebrerBeminar  Gmünd.  Erster  Band.  Daa  VolkHschulwetien  im  fVoherea 
Herzof^tum  und  im  jer7igf'!)  Königreich  Württcuiberg.  Stuttgart.  Jos. 
Kulh  scho  Verlagsbuchhandlung  ls;»5,  X.,  33G  S.  —  Frakt.  Dasselbe.  — 
Zweiter  Band.   Das  Voiksschulwescii  in  Neuwürtteniberg    lb97,  XI ,  uSn  S. 

*)  Hitt  III.  124.   IV,  147.  VII.  97. 


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92     lUttoUiingen  d.  Gm.  f.  deutsche  Bnlehunge-  u.  Sehalgeaeh.  vm. 


vorerst  eine  Ifissachtung  der  erzieheificheii  Arbeit  and  einen  VerM  der 
im  AnfbltQiai  begriiraen  Anstalten  herbeiftthrte.  Die  weitere  Entmcldnng 

des  wflrttembergischen  Yolksschulwesens  bis  zur  Anglicderang  der  nenen 
katholischen  Landesteile,  dessen  Grundlage  die  Schulordnung  des  Herzogs 
Christoph  vom  Jahre  1550  bildet,  findet  eine  mehr  grnndris«;irti'je,  aber 
darum  nicht  minder  gründliche  Behandlung.  Den  Bemühungen  der 
katholischen  Kirclie  um  die  Hebung  des  Schulwesens  in  Deutschland 
während  dieses  Zciiraumes,  der  Thättgkcit  Felbigers  und  der  Einführung 
seiner  Metho^  in  Wflrttemberg  ist  noch  ein  besonderer  Atochnitt  gevid- 
met.  Eine  sehr  eingehende  Derttellnng  etfthren  die  Sehnlgesetsgebnng  nnd 
die  sie  be^eit«iden  RefonnbewegoBgen  im  19.  Jahrhundert»  woranttt 
wieder  der  Streit  um  die  Schulaufsicht  den  breitesten  Raum  einnimmt. 
Mit  grosser  Klarheit  durch  keinerlei  ttberflfissige  Materialanhäufung  verdeckt, 
treten  die  schnell  aufwärts  gehenden  Tiinien  der  Entwicklung  nnd  schliess- 
lich die  Umrisse  der  gcfj;enwärtigen  Verfassung  hervor,  wobei  Kaisser  die 
Gt'S(  hichte  der  Volksschuhuetiiodik  allerdings  nicht  in  den  Kreis  seiner 
Forschungen  gezogeu  hat. 

Zwei  wertvolle  Ergänzungen  zu  diesem  allgemeinen  Teil  bilden  die 
sehr  ttbersichtlicheii  Aosftlhrungen  Ober  das  Entstehen  nnd  Werden  der 
FortbUdangsschnle  in  allen  ihren  Yersweignngen  nnd  die  Aber  die  Für- 
sorge für  Waisen  nnd  abnorme  Kinder.  Die  den  ersten  Band  be- 
sehUessende  Gkwchichte  des  Lehrerstandes,  welche  sich  besondns  dnrch 
die  Ffllle  des  herangezogenen  teilweise  noeb  onbekannten  Materials  ans* 
zeichnet,  greift  weit  über  die  territorialen  Grenzen  hinaus,  wie  denn  flber- 
linnpt  (Iii:  Beziehungen  der  Oes  utitentwicklong  zur  laudesgeschichtliclien 
stets  gebührend  berücksichtigt  werden. 

Unabhängig  vom  ersten  Bande,  sich  zu  ihm  verlialtend  wie  die 
Spezialforschnng  zur  systematischen  D;ir;>tellung,  bietet  der  zweite  Band 
das  meist  handschriftlichen  ürkuudeu  entnommene  schulgeschichtlicbe 
Hateiial  Inr  die  katbdBicheB  Landesteile  Wflrttemlmgs,  nach  den  geist- 
lichen nnd  weitUehen  Herrschaftsgebieten  geordnet  nnd  >nr  Oiientiemng 
ndt  allgemein  historischen  Notiien  versehen.  Die  Yerarbdtnng  des  reichen 
Stoffes  ist,  wenn  anch  auf  der  ersten  Stufe  der  Zusunmenfassung  stehen 
bleibend,  eine  streng  methodische,  indem  das  schnlgeschichtliche  Bild  der 
einzelnen  Herrschaften  ans  den  Sehnlakten  der  ragehörigen  Gremeinden 
gewonnen  wird. 

Dem  Verfasser  liegt  zunächst  daran,  «lurch  aktenmässige  Darstellung: 
der  Entwickeliing  de«  Volksschulwescn^  der  katholischen  Landesteile  und 
ihrer  Schulorte  nachzuweisen,  dass  man  katholischerseits  in  der  Sorge  für 
die  Hebung  und  Verbesserung  der  Volksbildung  in  diesen  Landesteilen 
gegen  andere  nicht  zurückgeblieben  ist,  und  dass  die  Regierungen  dieser 
Gebiete  redlich  bemflht  waren,  in  richtiger  Erkenntnis  der  grossen  yfMi- 
tigkelt  einer  gnten  Jngendeniebnng  derselben  anch  ihrerseits  ToUe  Anf- 
merksamkeit  za  «chenken.  Sein  Hauptsweck  aber  ist,  wertvolles  ecbnl« 


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4.  Bernhard  Kniaters  Geacbidite  dea  VolkMcbnlweaeiis  in  WOrttemberg.  98 


geschicliÜieliM  Miterial  um  Tageslielrt  m  sieben,  das,  interOMtot  Ar  die 
einaeliie  Gemeinde  und  wichtig  für  du  Gerne,  m  liefatigem  nnd  mUdem 
Urteile  Aber  die  Tergangenlidt  befibigt  und  tot  UebencbStmng  der 
Gegrawart  bewahrt. 

Obwohl  wir  Kaisser  in  aeinem  geringschätzigen  Urteile  Aber  die  Be- 
deutung der  Reformation  fflr  Erziehung  mul  Unterricht  nicht  hpi«^tiramen, 
und  obwohl  wir  crewünscht  hätten,  dass  das  proteptarttisrhe  Schulwesen 
eine  eiugehendere  Berücksichtigung  hätte  iiodeu  mögen,  eo  erkennen  wir 
doch  freudig  an,  dass  der  Verfasser  in  seiner  „Geschichte  des  Volks- 
scholwesens  in  Wfirttemberg'*  ein  in  hohem  Grade  TerdienstToUes  Werk 
gesebafhn  hat,  ein  Werk,  das  Uberans  vielfiÜtlgeB  Material  fibenicbtUcb 
dttstollt,  einen  steten  Einblick  in  die  Butwidcelong  des  gesamten 
deutschen  Schalwesens  gewährt  und  neben  seinem  fachlichen  pftdagogisdien 
Inhalt  reich  an  historisdiem  nnd  knltaigescbichilichem  Stoffe  ist 

Kaisser  hat  mit  seinem  Werk  einen  neuen  brauchbaren  Baustein  zum 
Aufbau  einer  Gosamtgeschichte  der  Erziehung  und  des  Unterrichts  in  den 
Ländern  deutscher  Zunge  f?eliefert  nnd  so  recht  im  Sinne  der  Bestrebun- 
gen unserer  Geselkcbaft^  deren  thätige»  Mitglied  er  seit  Jahren  ist,  ge- 
arbeitet Möge  sein  Beispiel  auch  in  andern  Ländern  deutscher  Zunge 
Nachahmung  hnden. 


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94     Wtteiliuigvn  d.  0«a.  f.  dmilMhe  Bnlehungs»  n.  SehulgeMli.  VID. 


ö. 

Das  Holienzolleni-Jalirbucli  Ton  Paul  SeideL^) 

IHeies  Werk  bat  die  Aufgabe,  „einen  Mittelpunkt  xu  bilden  fftr  die 
beute  ttberall  zerstreuten  Forschongen  Ober  die  Gescbicbte  der  Hobea- 
zoUem  vnd  ihre  Thlti^Mt  iBr  den  Staat.**  Der  Heransgeber,  Dr.  Paul 
Seidel,  der  Direktor  des  Hobensollem-Mnseiiiiie  und  der  Kunstsammlungen 

in  den  kAniglichen  Schlossern,  ist  wie  kein  anderer  geeignet  der  Leiter 
aller  der  Bestrebanc:en  za  sein,  die  eine  Sanunlung,  Sichtung,  Verarbeitung 
und  Herausgabe  des  reichen  littorarisrlion  und  bikilichen  Quellonmaterials 
der  Archive,  Bibliotheken  und  Kunstsammlungen  zur  Geschichte  des 
Uobenzollera  llauses  bezwecken. 

Wenn  wir  hier  auf  das  Jahrbuch,  das  ein  Prachtwerk  ersten  Ranges  ist, 
hinwdsen,  so  geschieht  da«^  weU  es  berufen  sein  wird»  an  der  Ltenng  der 
Aufjpiben  unserer  Gesellschaft  mitzuarbeiten.  Bereits  im  ersten  Jahrgänge 
bietet  nns  Seidel  unter  den  Miscellanea  Zolleraaa  dneu  Interessanten 
Beitrag  rar  Geschichte  dei  Fürst cnerziehung  im  Hause  Hohenzollem. 
Wie  unseren  Mitgliedern  bekannt  ist.  bat  unsere  Gesollsoliaft  seit 
Jahren  ein  umfangreiches  Werk  Ober  die  Geschiclite  der  Prin/en- 
und  Prinzessi  nne  n  -  Er/.icltuug  im  Hause  der  IloheazoUern 
in  Angriff  nehmen  lassen.  Wie  weit  dasselbe  bereits  gefördert  ist,  bat 
unser  Bericht  in  den  Mitteilungen  Jahrg.  YII,  Hft.  i.  dargelegt.  Die 
Seidcl'sehen  Veröffentlichungen,  welche  in  unserem  Werke  spftter  benutst 
werden  mftssen,  besteben  in  dem  Abdruck  von  Papieren,  die  sich  auf  die 
im  Jahre  1786  erfolgte  BemAing  des  Grafen  Karl  Adolph  von  Btllhl  mm 
Obristhofmeister  des  spftteren  Königs  Friedrich  Wilhelm  III.  beziehen. 
Besonders  wichtig  ist  ein  von  Brühl  dem  Vater  seines  Zöglings  vorgelegtes 
S('briff&tü<^k .  in  welchem  er  gewisse  „puneta  zu  hOcbst  dem  Api»rnbation. 
Abiiiukrung  oder  ganzlicher  Verwerfung  ühninass;xcblirli^  \  orschla^t.  Der 
Graf  erbittet  c'mp  Feststellung  seiner  Machtvollkommenheit,  soweit  ihm 
diese  zu  einer  gedeildichcn  Erziehung  der  Königlichen  Prinzen  notwendig 
erscheint.  In  richtiger  Erwägung  des  bedeutenden  Einflusses,  welchen  die 

')  Hohcn/.olicrii-.Iabrbnch  Porschnnf^pn  und  Abbildungen  zur  Ge- 
schichte der  Hohtiuzollern  in  ßruadeuburg-Preussen.  Herausgegeben  von 
Paul  Seidel.  Erster  Jalirgang  1897.  Verlag  von  Oieaecke  &  Devrient, 
Berlin,  Lelpaiff.  Gr.  i«,  208  S.,  H.  20,00. 


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5.  D«0  HobetuEollem-Jahrbtieh  von  P«ttl  Seidel 


95 


Unigebiiitg  auf  die  Jugend  ansmflben  pflegt,  wünscht  der  Graf,  dess 
wenigstens  der  Kronprini  bei  allen  Gelegenheiten  ron  seinem  Ober- Hof- 
meister begleitet  werde,  dass  die  sftmtlicbe  Bedienung  der  Königlichen 
Prinzen  dem  Ober-Hofnirist(?r  ^untergeordnet"  und  die  , Herrn  Unffr-Hcff- 
meister"  ihm  _untcrwürri<j;"^  sciü  solli  !i,  so  dass  er  „mit  di-nsolbcn  Ab- 
Änderungen  zu  machen""  im  Interesse  seiner  Zöglinge  bt'fugt  sei.  Es  soll 
ihm  aut  li  gestattet  sein,  „öfters  Personen  von  Verdienst  und  die  zur 
Bildung  des  Verstandes  und  Herzens  des  Königlichen  Sohnes  beytragen 
können,  rar  Tafel  and  OeaeUschaft  Ihro  Königl.  Hoheit  einznlnden,'' 

Hinsichtlieh  des  Unterriehtes  fordert  Brahl,  dass  er  allein  die  Ober« 
anfsicbt  Ober  die  Instruktion  der  König^ehen  Prinaen  führe,  dass  er  Uber 
diesen  „wichtigen  Gegenstand"  mit  den  üntcr-nofmeistem  in  Konferenzen 
verhandle,  um  über  die  „nötige  Auswahl  und  £inteUnng*'  der  ünterrichts- 
gegenst&nde  bestimmen  zu  können. 

Zur  Wahning  seinnr  Autorität  in  dieser  allseitig  massgebenden 
Stellung  verlangt  der  Graf  die  alleinige  Gewalt,  tiber  Strafe  und  Belolmuug 
befinden  zu  können  und  nur  im  äussersten  Falle  die  väterliche  Autorität 
des  Königs  anramfen.  In  allen  Stflcken  aber  bittet  er  den  König  nm  die 
«gnfldignte  Yersichemng,  dass  er  nnr  von  Allerhöchst  denenselben  abhängen, 
und  TOD  Niemand  Anderem  Befehle  ra  erhaltoi  haben  wird"  ond  gehalten 
sei,  dem  König  allein  „Rechenschaft  von  seinen  Handinngen  in  allen  bei 
aeinem  Amte  vorkommen  mögenden  Umständen  abzustatten." 

Für  diese  Machtvollkommenheit,  die  Brflhl  vom  K^Vnicr  <  rbittet,  ver- 
spricht er  diesem  am  Ende  des  Schriftsttickes,  dass  er  „dieses  Alles  durch 
unermüdeten  Fleiss,  unverbrüchliche  Treue  und  genaueste  Befolgung  der 
Königlichen  Befehle,  zu  verdienen  lebenslänglich  emsigst  beflissen  sein 
werde/*  .  . 

Friedrich  Wilhelm  IL  hat  dasn  eigenUUKÜge,  die  Vorschttge  dM 
Grafen  Brtthl  billigende  Bandbemerlmngen  gesetat  Ein  f^eictafidla  abge- 

druckter  Brief,  den  Friedrich  "Wilhelm  III  im  Juhre  1798  an  den  Grafen 
schrieb,  bezeugt  das  fortdauernde  irenndschafUiche  Verhältnis  des  Eönip 
zn  seinem  früheren  Erzieher. 


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96     Mitteiliiiigeii  d.  Ges.  f.  deutoche  Bniehnnga^  ti.  Sdiul^wcli.  vm. 


6. 

£rgäuzungeii  und  Berichtiguns: 
zu  Johannes  Tolte,  ein  SehuUehrer  und  Prediger 

der  Reformattonszeit 

(Mitteilungen  VII  (1897J,  S.  'dW  ff.) 

1.  zu  S.  361.  Zu  dem  am  Ende  des  Absatzes  „Der  Brief  Luthers  .  .  .', 
erwähnten  Artikel  der  AJlg.  Dmitsch.  Biogr.  Bd.  3S.  S.  l.'iO  f.  vgl.  dio  Be- 
sprechung Kaweraus  in  den  Jahresberichten  f.  neuere  deutsche  Litt.  Gesch. 
V.:  11,  6  Nr.  169. 

2.  zu  S.  302.  Von  dem  Domherrn  Dolsch  veröffentlichte  Koldo  eine 
Reibe  Thesen  unter  den  „Wittenberger  Disputationsthesen  aus  den  Jahren 
1516—1522".  Ztschr.  t  Kirchengesch.  XI  (1890)  S.  457  ff.  (Mitteüung 
des  Hezxn  Prof.  D.  Kolde.) 

3.  zn  8.  377.  Tod  Ptalns  Dobcku  Mit  mn»  griecinicb«  Elegie  tat 
den  Tod  des  Qeoig  Fabridus  in  „Georgio  Fabrido  epitaphia  .  .  .  scripta 
a  Joadi.  Gamerario.  I4ps.  1571.'*  Bred.  Stadtbibl.  4  89.  (BGtteihing 
des  Herm  Prof.  D.  Eaweran). 

4.  Der  mehrfiuh  (8.  364  u.  377)  enr&bnte  Brief  Melanchthons  an 
Job.  Toltx  (C.  Bef.  IX,  S.  914)  stammt  nicht  ans  dem  Jahre  1554,  irie 
ftlsddicb  angegeben,  sondern  ans  dem  Jahre  1559. 

Ferd.  Gohrs. 


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7.  BriAfitttUer-  u.  Ponnulubadidr-Litteratur  im  ClatonetansarordMi.  97 


7. 

Zur  PlU'^e  der  Briefsteller-  und  Formularbücher- 
Litteratur  im  Cistercienserordeu. 

Von  Dr.  Otto  QviUnbevgOT  Ord.  CitL  io  WUhoing. 

Wenn  Bich  auch  die  wiflsenschafüichen  Erfolge  der  Cistoroienser 
mit  ihren  religiösen  und  wirtschaftlichen  nicht  verglelehen  lassen, 
so  dürfen  sie  doch  keineswegs  an  letzter  Stelle  Terzeichnet  werden. 
An  der  ursprttnglichen  Gesetzgebung  des  Ordens  fand  die  Wissen- 
schaft allerdings  keine  StQtze;  ja  manches,  wie  die  Bestimmung 
der  Collectio  S.  Rainardi^),  diiss  niemand,  A^rdcr  Abt  noch  Mönch 
noch  Novize,  ohne  Erlaubnis  des  Generalkapitels  ein  Buch  verfassen 
dürfe,  -)  scheint  eher  von  wissenschaftlicher  Thötigkoit  abzuschrecken 
als  dazu  anzuspornen*).  Allein  Gesetze  bringen  häufig  nicht  jene 
Wirkimgen  liersor,  die  man  von  ihnen  entarten  sollte,  und  es  ist 
auch  kein  Zweifel,  dass  die  Wissenschaft  bereits  in  den  ältesten 
Zeiten  des  Cistercienserordens  seinem  Trium|»hzuge  durch  die  Lander 
Europas  folirto.  Dies  können  wir  schon  daraus  schliosson.  dass  sich 
der  hl.  Bernhard,  der  länger  als  ein  ^lonHchoii-ilter  den  ;j::es,tnit«n 
Ordf^n  behcrrschtf  iiiul  do^^son  spritpit'  Entwicklung  wie  kein  anderer 
beeintluhste.  üImt  die  StiidiiMi  t'uli:fii<l<'rmaasseu  anssfirieht:  Videar 
for<*an  nimius  in  suggiilatione  scicüüae  et  quasi  rri  n  l  endore  doctos 
ac  iiroliibere  stiidia  litteranim.  Ahsjt.  Nou  iguoro,  "juantuiii  eccle- 
siae  prolueriut  et  prosiut  iitierati  sui  sive  ad  refelleudos  eos,  qui 

M  Diese  GeaetzossammluDg  wurde  erst  nach  dem  Tode  Rainarda 
nach  Ph.  Guignard  (Lee  monumenta  primitifB  de  la  röglo  Cister- 
cienne,  Aualecta  Disioaensia  VI,  Dijon  lb7b,  S.  XV)  im  Jahre  Ub'J,  vom 
Generalkapitel  bestätigt. 

s)  Kap.  58,  bei  Uoignard  a.  0.  B.  266.  Vgl.  auch  Vita  loachinri, 
Act»  S8.  29.  Mai. 

3)  Doch  werden  auch  schon  in  der  CoUeeÜo  8.  Rainardi  Bchreibe- 
atuben  er w Ahnt: 

De  eeriptorüs.  In  omnibus  Bcriptoriis,  ubicumque  monacbi  scribtint, 
sttentinm  teneatur  eicnt  hi  dauetro  (Kap.  85,  bei  Qnignard  a.  a.  0.  8. 878). 

UltteUuogm  d.  Ge«.  r.  d«ut*cbo  Grsieh.-  u.  Schulgetchiebte.  VIU  ^3  1606.  7 

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^     Uittoilangen  d.  Gm.  f.  dttutaeh«  Bniehunga-  u.  Sehulgeach.  VQI. 


6X  adverso  sunt,  sive  ad  simpliceB  instrueados.  Denique  legi: 
Quia  tu  repulisti  scientiam.  repellam  et  ego  te,  ut  non  flingaris  mihi 
sacerdotio  (Os.  IV,  6);  legi:  Qui  docti  fUerint,  fülgebunt  quasi 
splendor  firmamenti,  et  qui  ad  iustitiam  erudiunt  multos,  quasi 
stellae  in  perpetuas  aeteniitates  (Dau.  XII.  3)').  Die  spätere  Gesetz- 
gebung stand  jedoch  der  Pflege  der  Wissenschaft  nichts  weniger  als 
kühl  gef?enüber.  Es  sei  hier  nur  der  Bestiinnimuug  des  General- 
kapitels von  1301  gedacht,  dass  der  Orden  durch  seine  Studien 
IciH  Ilten  solle  wie  der  Glanz  des  Himmels  mitten  im  Xeltel  dieser 
Weit.-)  Wer  nicht  die  Mühe  scheut,  in  die  Geschichte  des  Cister- 
cienserordeiis  etwas  tiefer  einzudringen,  wird  zur  üeberzeuguug 
gelangen,  das?  die  Wissenschaft  in  ihm  einen  bleibenden  Sitz  ge- 
"wonneu und  die  oft  wiederholte  Ansieht  Friedrich  Uurters"*),  es 
sei.  wenn  sich  in  vielen  ('isrHt.i.'nst'rklüstern  wertvolle  Bücher- 
samuiiiingeii  tanden.  dies  vorzüglicli  jenen  Mäuiirrn  zu  verdanken, 
welche  ihre  r.lMniig  gewonnen  hätten,  bevor  sie  in  den  Onb'i)  ire- 
treten  seien,  den  u'e.sciüchtlichen  ThatRaclien  nicht  eulsprichl.  Kunule 
auch  nach  der  Coüectio  8.  Kaiuardi^j  von  einer  äusseren  Schule 

')  Sermo  in  Tajitica  ranticorum  86.  bei  J.  Mabilloo,  Opp.  S.  Boroardi. 
Parisüa  1710,  IH,  Sp.  14o;!.  l)pr  hl  Bernliard  war  nhrlgons  nicht  der  erste 
Cisterclenser,  der  aeiue  Muasestuudeu  durch  ätudien  ausfüllte.  Sebou  unter 
Stephan  UM-diog,  aeioem  Lehrer,  hatte  die  Wiaseaaehftft  in  Citeaux  featea 
FuM  geftuwt.  Dtf  Poder  dieses  Abtes  entstunint  eine  gegenwartig  in 
Dijon  aufbewahrte  ReceoelOD  der  Vul^aia,  .ein  Werk  biblischor  Kritik,  das 
alles  übertrifft,  wa§  in  dieflom  I'^acho  dif  a:uloron  KlTiater  dit^aer  Zeit  ge- 
leistet haben,  ohn«  Cluny  aiiszunehnuMi.  ilpödoi  Be.stn>bunj?en  für  Wisaen- 
Bcbat't  und  Kuuät  doch  uUgeitieiu  bekaiiiit  »iiid"  \E.  Vacuudard,  Leben  dea 
hL  Bernard,  Obersetit  von  U,  Biarp,  Mains  189B,  I,  8.  110}. 

3)  Vgl.  Pr.  Winter,  Die  Cisterclenser  des  nordOfetlicben  Deutscblands» 
Gotha  1871,  III.  S. 

•)  Vgl.  Chry.sodt.  Hfnrit|uez,  Phoenix  losiviacena  eive  ordiois  ('ist, 
acriptorum  Angliae  et  Ui8puniae  serieH,  Bruxeilis  lü2(i\  K.  v.  Visch,  Biblio- 
theo»  Bcriptorum  ordini«  Clet.,  Du«ci  1619,  ColonlAe  1656;  Bertr.  Tissier, 
Bibliotbsca  Pfttnim  Cäst«  Bonofonte  1660—1669;  Rob.  Muüli,  Bibliotheea 
Cisterctense  Bapanola,  Burgoe  1796;  Xenia  BeroardinA,  Vindobonae  1891, 
U.  und  III.  Abteilung. 

*)  Geäcliichto  Papat  luouceoz  III.,  Hiunburg  li>i2,  IV,  8.  Ibl. 

')  Vgl.  Kap.  21:  Non  est  congnium,  ut  extra  portam  monasksiii  do- 
mna  aliqua  ad  habitandum  construatur  nisi  animaiium,  mit  Kap.  78:  tCuUns 
puerorum  doceatur  litteras  intra  monasterinm  vol  in  locie  monasterii,  niai 
ait  monachus  vel  reccptu.s  in  probutione  novitius.  <|uibi!n  tempore  loctionis 
dlacere  licet.  Et  notandum,  quia  nulluni  nisi  poät  quintum  deciujuiu  aeta- 
tia  Buae  anuum  in  probutione  nobis  pouere  licet  (bei  Guignard  u.  a  O.  S.  2oö, 
272).  Kap.  21  wvrde  tkbrigei»  nlcbt  lange  beachtet  und  in  gar  manchem 
Kloster  eine  iussere  Schale  errichtet  (vgl.  Harter  a.  a.  0.  8.  180). 


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7.  Briefokeller-  u.  Pormularbttdier-LUteratiir  im  CisUkrcleiiMrordeii.  d9 


(scbolA  exteiior,  sehoU  eanoolca)  in  CisterciemwiBtirteni  kaum  die 
Rede  sein,  so  erfreute  sich  doch  die  innere  (schela  intorior, 
eeliela  clauBtri)  im  allgemeinen  der  liebevoUaton  Pflege  und  ent- 
wickelte sich  in  manchen  KlOstom  zu  einer  BUdungeanstaU  ersten 
Raogea.  In  den  Ordeoskollegien  zu  Paris  Toulouse«  Oxford, 
Prag,  Wien  und  an  anderen  Orten*)  in  den  philosophischen  und  theo^ 
logischeo  Untorricbtogegenstftnden  ausgebildet,  trugen  die  fOr  das 
Lehrfach  bestimmteu  Ordensmitglieder  die  hier  empfangene  ITreude 
ao  geistiger  Arbeit  in  ihre  KlOster,  um  sie  auf  ihre  jüngeren  Mitp 
brtlder  zu  vererben.  Dass  ea  auch  nicht  an  Anstrengungen  fehlte, 
Männer  von  erprobter  Gelehrsamkeit  Ittr  den  Orden  zu  gewinnen, 
würde  denmach  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  auch  wenn  hieflir 
iiiclit  (las  ausdrückliche  Zeugnis  Bernolds  von  Kaisersheim ^  spräche.  ' 
Zahlreiche  rein  gelehrte  Arbeiten  dürfen  wir  allerdings  bei  den 
(  isten  ionsorn  des  Mittelalters  nicht  suchen.  Nach  dem  Vorbilde 
des  hl.  Bernhard,  der  bei  seinen  wissenschaftlichen  Kiörferungent 
obgleich  seinen  Gegnern  auch  in  der  Waffenrüstung  der  Scholastik 
gewachsen,  doch  fast  immer  das  praktische  Ziel  ins  Auge  fassto, 
gaben  sich  die  meisten  mit  der  Wissenschaft  nur  ab,  um  sie  ins 
Leben  zu  ziehen.  Dieser  praktischen  Richtung  verdankt  zum  Teile 
eine  nicht  iinl»edpntende  Zahl  von  Schritten  ihre  Entstellung',  die 
uni'M-  Unterrichts  werken  des  Mittelalters  eine  hervoi  rai^end»'  Stelle 
einnehmen,  nämlich  eine  Keihe  von  Hriet'stellern  und  Forninlai  biiclitTn. 
ich  sage:  zum  Teile:  denn  dass  ancli  die  eintliissreiclie  StfUuni;  iles 
Ordens,  seine  grosse  \'t'i  lireitu]|f:  und  die  cn^c  N'erbiudnn'^  der  ein^eluen 
Klöster  untereinander  und  mit  (  iteaux  auf  die  l'fle^re  diesen  Litteratur- 
zweiges  nur  förderlich  einwirueu  konnte,  ist  ausser  Frage*). 

In  «inem  Beschlüsse  des  Geiieralkapitelä  von  1322  hcisst  es  von 
der  l'nivorsitflt  zu  Paris,  dass  wio  ein  Quellpuiikt  di  r  Tilchtigkf  it  und 
Weisheit  mit  ihren  Stralileii  die  ganze  Welt  erleuchte,  und  werden  alle 
Klöster,  die  eine  eigene  Untoricbtsanatalt  besitzen,  autgefordert,  jederzeit 
dort  swei  Mönche  ausbilden  zu  lassen  (vgl.  Winter  «.  a.  O.  8.  45).  Die 
älteste  Urkunde,  in  der  von  einem  Studieniiause  der  Ciaterclenser  in  Paris 
die  Rede  ist,  stammt  aus  dem  Jahre  1227  (vgl.  H.  Uenifle,  Chartulariura 
uoivorsitatia  Parisieusls,  Parisiia  1889.  I,  S  5U9;  hier  |z.  B  I,  S.  219,  245» 
251,  28'*;  II,  S.  4-t8|  auch  andere  cie  Ciaterclenser  betreffende  Augabea). 

*)  Vgl.  Chryaoat.  Ueiiriquez,  Regula,  constitotiones  et  privilegia  ord. 
CUtt  Antverpiae  1060,  S.  102  It;  Winter  a.  a.  0.  8.  46  ff. 

Bei  L.  Rockioger,  Bricfstetler  und  Foniiotbflcher  des  11.  bis  14. 
Jahrhunderts,  (Quellen  und  BrOrtemngen  tnr  bayerische»  und  deutsclien 
Geschichte  IX.  S.  881  f. 

*)  Vgl.  W.  Wattenbach,  Iter  Austriacum,  Archiv  f.  K.  öatorr.  Gesch.- 
Quell.  XIV,  S.  55  f. 

7* 

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100   Hittollungen  d.  Ges.  f.  deutsch«  BniehungS'  n.  Schulgesch.  Vm. 


Schon  W.  Wattenbach*)  und  L.  Rockinger^)  haben  das  Ver- 
dienst, das  sich  der  Cistercienserorden  um  die  Briefoteller  und 
FoimularbOeher  erworben  hat,  ausserordentlich  genannt,  ein  Urteil, 
für  dessen  Riehtiglceit  die  ausgezeichneten  Werke  Bernolds  von 
Kaisersheim*)  und  eines  Anonymus  von  Baumgartenberg^)  allein 
schon  hinreichende  Belege  sind.  Wird  doch  die  Arbeit  des  letz- 
teren mit  Recht  als  »das  vollständigste  und  bedeutendste  theoretisch- 
praictische  Formukrbucb  des  Mittelalters'^)  bezeichnet.  Doch  ist 
noch  immer  viel  zu  wenig  bekannt,  welch  grosse  schriftstellerische 
RQhrigkeit  die  Cistercienser  auf  diesem  Felde  entwickelten.  Wir 
brauchen  nur  die  noch  gegenwärtig  blUhendoi  Österreichischen 
Stifter  zu  besuchen,  um  eine  nicht  unbedeutende  Zahl  von  teil- 
weise reclit  wertvollen  Briefstellem  und  FonnularbUchern  zu  finden, 
die  ontwedcr  h'wv  oder  in  anderen  Cistercienserklöstera  entstanden 
sind.  So  fesselt  uns  in  Hohenfurt  die  Arbeit  des  Priors  Johannes 
Staicze  (Cod.  49,  8.  15  in.);*)  Ossegg  besitzt  im  Formularbuche 
Cod.  75  (s.  14)^)  einen  Schatz,  der  wenigstens  zum  grössten  Teile 
dem  Fleisse  der  Cistercienser  zu  verdanken  ist ;  die  Bibliothek  von 
Zwettl  birgt  ausser  einem  für  die  Mitglieder  dieses  Stiftes  'j:e- 
Bchriebenen  Werkchen  (<'nd.  330,  s.  15)  ein  Fürnuilariuni  in  art^ni 
prosandi  compilatum  a  mouacho  ordinis  Cisten  ierisi-  (  '(hI.  29ö,  s. 
14?)^K  in  Heiligenkreuz  erinnert  uns  nelx'n  der  Summa  dictamiuis 
(Cod.  220.  s.  13/14).  welclie  dem  Al.te  SilVid  (1259—1261)  zuge- 
schrieben wird-^.  die  SammiiniL'-  von  lirielr'ii  Krmis:  Kiidoll's  und  anderer 
im  Codex  509  (s,  17)'^)  au  die  rcL'o  Timtigk<>ii.  w  elche  sich  hier  in 
der  zweiten  Hüllte  des  13.  und  zu  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  im 


»)  A.  a.  O.  S.  55  f. 

»)  A.  a.  O.  S.  XXXIV. 

>)  Bei  Rockingcr  u.  u.  0.  S.  Sa9  ff. 

*)  HM«uägcgeben  von  Roekioger  a.  a.  0.  B.  718  ff.  und  H.  Barwald« 
Pont  rer.  Austr.  II.  25. 

*)  H.  Breaaiau,  Urkundenlehre,  Leipzig  1689,  I,  S.  634. 

^  Vgl.  Xenia  Bernardina  II.  2,  8.  255. 

Vgl  Fr.  Palacky,  Ucbcr  Formelbacher,  Abhandlungen  der  k, 
böhm.  (Js.  d.  W.   V.  F.,  II,  S.  i.>:js  ff. 

»1  Vgl.  Xonia  Bernardina  II.    1,  S.  4i)0,  415. 

•'i  Die  Bt^m-'i kimg:  abbatis  Sifrid'i  rfUirt  nicht  vom  Frliroiber  der 
Summa  her,  r<otui»nn  win  jenor  apiUerun  Hand,  die  den  Codex  katalogisiert 
hat  (Vgl.  Joh.  KjtiUäclimar,  Die  Furmularbüchor  aus  der  Kaiulei  Rudülfa 
von  Hababurg,  lanabruck  1889,  8.  8). 

^  Vgl  Kretiachmar  a.  a.  O.  8.  81  t 


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7.  ßrieltiteliei-  u.  PormularbOcher-Litteratur  im  Ciatercieuaerordeu.  101 


Betriebe  des  Brief-  und  Gescliäftsstils  entfaltet  hat;')  insbesoudeis 
ist  PS  aber  Wilheriu^',  das  durch  Reichtum  au  Fürmularbüchcra 
hervorragt.  Eine  kuappe  Beschreibung  derselben  haben  die  Xenia 
Bernardiua^  gebracht,  wAhrend  die  «Studien  und  ^litteilungen  aus 
dem  BeoddicHner«  und  dem  dstereienser-Orden^*)  und  das  ^ÄrdiiT 
Itlr  österreicbiBcbe  Geechidite**)  Uber  mehrere  Sammlungen  ein- 
gehendere Untersuchungen  enthalten.  In  den  gegenwärtigen  Er- 
örterungen will  ich  nun  versuchen,  unsere  Kenntnis  jener  Arbeiten, 
die  von  StiftomitgUedem  herrlUiren,  nach  mehreren  Selten  hin  zu 
vervollstilttdigen. 

Welch  grossen  Wert  man  in  WOhering  schon  Mhzeitig  auf 
die  Formularbflcher  und,  so  dürfen  wir  wohl  hinzufügen^),  auf  den 
tJnterricbt  im  Brief-  und  GeschAffcsetU  legte,  zeigen  uns  die  aus 
dem  IS.  Jahrhunderte  stammenden  Handschriften  mit  den  Arbeiten 
Bonaguidas  von  Arezzo  (Cod.  IX,  136),  Guido  Fahas  (Cod.  IX,  134) 
und  Lodolfs  von  Hildesheim  (Cod.  IX;  130).  In  den  folgenden 
zwei  Jalirhunderten  mehrt  sich  die  Zahl  der  Codices,  in  denen  uns 
Briefsteller  und  FornmlarbUchor  Uberliefert  sind;  sie  bilden  melir 
als  den  zehnten  Teil  aller  Handschriften  (13  von  119),  welche 
dieser  Zf  it  angehören,  und  enthalten  über  dreissig  mehr  minder  tim- 
fangreiclx*  W  erke.  die  entweder  uurtheoretische  Anleitungen  zur  AbfaS' 
sung  von  Briefen  und  Urkunden  bringen  oder  aus  einer  blossen  Zu- 
sammensteUung  von  praictischen  Mustern  bestehen  oder  erstere  in 

Vgl.  P.  Schweixer,  Ueber  das  eg.  Fon&elbuch  Albreehta  I.,  Ulit- 
teUODgen  des  Instituts  f.  österr.  GeschichtsforSCbuDg  II,  S.  *J54;  Kretzsch> 
mar  a.  a.  0.   S.  in  H' :  0.  KtMilidi,  Hiiio  Wiener  BriefBammlung,  Mitteilungen 
aus  dem  vaticanischen  Archive  11,  S.  XXQI  tt'. 
*)  II.   2»  S.  1  ff. 

»i  XI,  8.  104  ff.;  XE,  8.  442  ff.;  Xin»  8.  84  ff.;  XVI,  8.  699  ff.;  XVII, 
8.  40  IT. 

*)  LXXII,  S.  2S3  ff. 

*)  V?:l.  Sipgm.  Günther,  (ieachichto  tl«s  mathpiiiali^chcii  ^nt^>rncht8 
iiu  deut£»cheu  Mittelalter,  Montim.  (ieriii.  l'aeiiag.  III,  S.  05:  „Heuixutago 
w&re  ee  freilich  mehr  ala  gewagt,  aus  einem  Bfleherkataloge  Schlflaee  auf 
daa  UBterrichtsweaen  zu  sieben;  allein  dieae  Bedenken  fallen  für  jene 
entlegene  Zeit  so  p:"t  wie  gUnzlich  fort.  Werke,  die  aut^ächliesslich  dem 
StndiuBi,  der  Weiterbildung  des  gereilten  tielehrten  dienen  sollten,  gab  os 
noch  kaum;  vielmehr  stund  die  gesamte  Litteralur,  über  welche  mau  zu 
verfügen  hatte,  in  ehkem  mehr  oder  minder  entachleden  ausgesprochenen 
Znaammenhang  mit  der  Schule.*  PQr  daa  apfttere  Uittehdter  au  ebier 
solchen  SchIus.sfoIgerung  im  allgemeinen  kaum  berechtigt  (vergl.  A.  Mougel, 
Dionysius  der  Karthftuser,  Mülheim  ISfls.  21  IT.V  dürfen  wir  sie  doch 
wohl  auch  tUr  diese  Zeit  gelten  lasaeii,  insoweit  es  sich  um  Briefsteller 
und  Formniarbacher  bandelt 


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102   IfftteUnngeii  d.  Ose.  t  d«iitieho  Bni«hiiii|;«-  u.  ßchulgesch.  VIII. 


Verbindung  mit  letzterer  bieten,  darunter  auch  mtlireic  Arbfiteu, 
welche  die  emsige  Thätigkeit  einiger  Mitglieder  des  Stiftes  Wilberiug 
geschaffen. 

Welcher  M5neh  dieses  Klosters  zaersl^  die  Anlage  von  Brief- 
stellern und  Formularbttchem  in  den  Kreis  seiner  Arbeit  gezogen 
hat,  ist  unbekannt.  Aus  den  ersten  zwei  Jahrhunderten,  welche  an 
dem  1146  gegrOndeten  Stifte  vorttberzogen,  findet  sich  keine  Spnr 
einer  derartigen  litterarischen  Thätigkeit.  Es  kann  allerdings  keine 
Frage  sein,  dass  man  in  Wllhering  schon  in  den  Ältesten  Zeiten 
bei  der  Anfertigung  von  Schriftstacken  Formulare  gebrauchte.  Das 
zeigen  uns  die  vorhandenen  Urkunden.  Und  wie  hatte  es  auch  in 
einem  Zeitalter,  in  dem  man,  wie  0.  Redlich*)  treffend  bemerkt, 
allfiberaU  nach  Stutzen,  nach  Mustern,  nach  Autoritftten  ausschaute, 
anders  sein  können?  Aber  als  Oeburtsstatte  eines  Formularbuches 
ersdieint  WUhering  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhundei-ts. 
In  diese  Zeit  ist  nämlich  die  Abfassung  eines  klfisterliche  Verhalt» 
nisse  betreffenden  Briefstellers  zu  verlegen,  der  zwar  nicht  auf  uns 
gekommen,  Uber  dessen  (testult  wir  aber  durch  eine  liefergehende 
Untersuchung  des  Werkes  De  kartis  visitaciouum  (Cod.  IX,  öb, 
V.  1—32',  B.  14/15)  eine  ziemlich  klare  Vorstellung  gewinnen 
kdiuien,  da  er  wenigstens  zum  grössten  Teile  in  dieses  übergegangen 
i§t.  Wir  können  ihn  etwa  mit  dem  dritten  Abschnitte  der  Kaisers- 
heimer  Summa  vergleichen,  den  sein  Verfasser  mit  folgenden  Worten 
kenn/j'ichnpt:  Tercin  vorn  pnptii  divorsas  litteras  sine  sahitacionilHis 
et  in  visitaciouibus  iiecessaiia».  ut  diftantes  formam  capiaiit  ab 
eisdem  ex  aliis  alia  culligt'ntes;^)  mir  handelte  das  WillH-rinL^er 
Formularbiicli  vrnmitlicli  bloss  über  Visitatidnsroces!^^  und  waren  der 
theoretischen  Anleituug  zur  Abfassung  vou  Jirieleu  meiner»'  prakti^i  he 
Muster  beigefügt.^)  ^lö'^'lich.  dass  der  Verfasser  noch  von  jener 
wissenschaftlichen  Rührigkeit  becinflusst  ward,  die  unter  Abt  Hermann 
(1333 — \<\bO)  so  wertvolle  Friiehte.  wie  Trior  Heinrichs  Tabula 
privUegiorum  mouasterii  in  Wilberlng*),  das  älteste  Totenbuch^j 

A.  a.  0.  8.  3t6. 

')  Bei  Rockinger  a.  n  O.    S.  $  15. 

•)  Näheres  hierllher  in  der  lunlritung-  zur  A»9gabr'  dofl  Formular- 
buclie»  De  kartia  viaitacionum,  die  in  Ueii  Sludieu  und  Mittetiungen  aus 
dem  Ben.-  and  dem  CI»t.-Orden  XIX  und  XX  erach«inbn  wird. 

*)  Hs.  im  Wilheringer  Archive. 

'  Vgl.  meine  Ausgabe  der  Mtesten  Totenbücher  des  Stiftes  ^Vilhorin{r.  * 
Quellen  un'l  Fonschnngen  tm  Gesphichto,  Litteratur  und  Spnjch'i  Of^tor- 
reich«    und    seiner  Kronlündor,    herausgegeben   von  J.  Hirn  und  J.  E. 
Wackerneil,  II,  S.  ö  ff. 


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7.  BriefMeller-  u.  FormalArbllefaer-Litteratur  im  Clstercienaerordeii.  103 


und  vtmi  Urbare^),  ber>urgebraciit;  möglich  auch,  dass  er aeboa  unter 
der  Einwirkung  jenes  Mannea  etand,  mit  dessen  Eintritt  in  Wilhering 
die  wissensfrohen  Zeiten  des  Abtes  Hermann  wiederzukehren 
schienen.  Dümlich  Friedrich  Meichsners. 

Wer  war  Friedrich  M.eich8n€r?  Ueber  seinen  Lebeusgaug  ist 
wenig  bekannt.  Zuufichst  kommt  eine  Stelle  in  Betracht,  die  ein 
in  der  Wilheringer  Handschrift  IX,  58,  F.  SS— -108  enthaltenes 
Formularbuch  einleitet.   Ihr  Wortlaut  ist  folgender: 

Cum  eiiim  quelibet  ecclesianim  curia  certum  stUum  et  formain  habere 
deberet,  cuius  per  defectam  stili  et  forme  transfonascio  vel  Cilrificacio 
littere  sephis  nosceretar,  qaapropter  siogvlis  et  omnibns  aociis  et  anncis 
ordinia  nnirersi  frater  Fiideriens  profenos  monaaterii  NonimontiB  ordinis 
Gysterciensis  vulgo  dicto»  Meyehsner  ssncte  Salcsburgeiisis  dyocesis,  vestro- 
ram  faniiUarinm  niinimus  cnm  omni  devocione  se  ipsum. 

Quoiiiam  sacrosancta  Roniana  ecclesia  mater  est  omnium  et  magistra, 
ipsam  ergo  unasquisque  dcbct  et  inerito  et  quantam  cum  den  potcst  in 
oiiiuibus  suis)  processibus  imitari.  Cum  igitur  soUempues  uoniiuUe  ecclesio 
et  regimina  quasi  omqia  personis  careant,  que  secunduni  formain  Romane 
cnrie  vel  ^  ydoneam  qualemcnmqae  habeaat  noticiam  eomm,  que  ad  artem 
pertinent  notaric,  sed  et  per  nonnullos  clericos  acta  causamm,  proeenus 
indicain,  defensiones  liciaia  et  alift  tarn  in  indiciis  quam  Mctra  interhomi' 
nes  emergeacia  conscribantur,  qui  licet  aiirt  pradentea  fbrsan  in  alüs,  ipiam 
tarnen  artem  tabeliionatus  Ignorant,  per  quam  bec  omnia  regnlantur  et  sine 
rjii.T  nnn  ])«.to'=t  in  talibns  quisque  procedere,  nisi  velit  cum  baculo  velut 
in  tcuebris  ambulare  palpans,  ex  quonim  palpitacione  indicibus  opprobriura, 
litigatoribus  incomnioda  proveniunt  sepe,  idcirco  fervorc^i  devociouis  in- 
ductus  et  tarn  vobis  quam  curiis  vestris  totiä^^ue  regiiiiinibus  satisfacere 
quam  utilitati  communi  sabvenire  desideram  hoc  meom  opus  tubmissum 

*)  Ha.  Im  Wilheringer  Archive,  —  Bezeichoeiid  für  die  Ideeu,  die 
Hermanns  Gebt  prHUlten,  sind  dio  Worte,  die  er  am  2fi.  Jmii  an  djp 
VorstPhung  des  Kluatera  Engelazell  richtete:  Cum  iuxta  verbum  lef^ia  du- 
nuturius  Bit  obligatus  ad  antydota  douatorl,  commiUimus  domino  abbati, 
priori  et  baieario,  qui  pro  tempore  fuerint;,  qaatenna  novum  regiatram 
compUent  studio  diligenti,  ubi  res  mobiles  vel  imiiiobiles  tarn  a  fuodatoro 
quam  allis  fidoHbus  u  prima  plantaclon)'  liniiis  loc  i  donatan.  prout  ex  rela- 
cione  scnloruin  vpI  scripturo  as.snrcJone  collif^tMC  jiotcruiit.  lucido  ronHcribi 
faciant,  ut  videltcet  aciri  poöäit,  quomodu  per  äuceegt^ioueä  ubbatum  regimeu 
hnius  monaaterii  aaaumencium  aive  eeiam  cedencium  aut  decedencium  ait 
huiua  domua  diapeoiacio  procurata,  memoria  huiua  eccleaie  benefactorum 
perhenni  teropciro  duratura  (Cod.  IX.  r.v.  F.  2-')  Der  Zeit  dos  .\bte8 
Hermann  j^eliört  aucb  d»  r  Vi  rt  iH.-^oi  jener  kleiuen  Wilheringer  Chronik  an, 
die  uns  im  Cod.  IX,  löö,  F.  l'  begegnet. 

*)  Cod.:  nee. 

*)  Cod.:  favore. 


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104    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutache  Erziehunga-  u.  Scholgeach.  Vm. 


hie  inchosvi,  per  qnod  aliqnoram  iastramentoram  conficiendoram,  ad  cansM 

videlicet  perdnenciam,  saffieien«  tradetur  noticia  et  actorum  conacriben» 
dornm  in  indiciis  dabitnr  vcrus  modus.  Scio  eoim  hoc  michi  presnm- 
ptnosmu  esse  et  niiniuin  inpufaiulnm,  cnm  sini  disripnlus  miDirnns  et  seri- 
bara  aliis  ad  doctrinam.  Sed  quin  priniuin  in  curiis  scculariter,  deinde  ia 
beata  roligimio  pcraeveravi  diucius,  stib  pluribus  doctoribus  et  aliis  quam 
pluribus  perfeclis  et  peritis  artem^j  huiasuiodi  cxercendo  aliqua  didici, 
licet  panca,  qne  quidem  etsi  mininia  alnl,  nonnnllis  qnandoque  prodeaM 
potemiit,')  cnm  aepe  minimnm  videatar  ipram  iffRonuitibas  easa  magnum. 
Et  igitar  qneao  suadpere  acribentia  affectnm,  wm  ignoranciam  altendentes, 
at  nbi  in  faoc^  minus  me  aeiverint,  quantumcanique  peritiaainii  aint  in 
alÜB,  cum  casus  oportonitatia  occurrerit,  ea  lagendo  proficiant.  Qni  vero  plva 
noverint,  biis  addare  potenmt^)  meritorie  eaqne  caritati?o  animo  emendara. 

Nach  diesen  Worten  unterliegt  es  sunSchst  Iceinem  Zweifel, 
dass  Friedrich  Meychsner  —  sonst  schreibt  er  sich  gewöhnlich 
Meichsner  —  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Werkes  dem  au^hobenen 
Cistercienseratifte  Neuberg  iii  Obersteier  angehörte.  Nicht  so  un- 
l)edingten  Glauben  verdient  jedoch  die  Angabe:  Quia  prijiiuni  in 
curiis  seculaiitor,  deinde  in  beata  religione  perseveravi  diucius,  sub 
pluribus  doctoribus  et  aliis  quam  pluribus  perfectis  et  peritis  artem 
huiusmodi  exercendo  aliqua  didici.  So  bestimmt  auch  dieses 
Zeugnis  lautet,  so  ist  es  dorh  mit  Vorsieht  aufzunehmen,  da  die 
ganze  Einleitung,  den  ei'sten  fiatz  ausLrenoinineii.  mit  unbedeutenden 
Abw*'irliungen  der  um  1289  von  loljaiines  J?(»n()niensäis  verfassten 
Summa  de  Iiis,  qiiac  in  foro  ecelesiastico  coram  quibuscumque  iudi- 
cilius  occurruüt  notariis  ronscribenda'').  entlehnt  ist.  Und  das 
Misstraiu'ii  muss  sicli  uocli  steigern,  wenn  wir  bei  nSherer  Be- 
trachtung liuden,  dass  Meichsn^^rs  Arbeit  im  we*<entliciieii  uirlits  an- 
deres ist  als  eine  Compilation  ans  der  Sujiima  Bunoniensis  und  der 
Summa  de  ordine  et  processu  ludicii  fc>]»irituaiis**).  Ea  drängt  sieh  hier 
uüwillkürlicli  die  Frage  auf:  Hat  der  Verfasser  jene  Stelle  über  seinen 
Lebensgaug  aus  .seiner  Vorlage  herül)ergenommeu.  weil  sie  auf  ihn 
paäste,  oder  bloss  deshalb,  weil  sie  einen  Teil  der  von  ihm  auch  sonst 
beinahe  wörtlich  ausgeschriebenen  Arbeit  Johanns  von  Bologna  bildete? 
Die  Aenderung,  welche  er  mit  den  Worten  des  letzteren:  (^uia  in 
Bononiensi  primo,  deinde  in  Romana  curia  perseveravi  diucius,  sub 

*)  Cod.:  artis. 
^)  Cod.:  poteriut. 

Cod.:  hac. 
*>  Cod.:  poteriut. 

Bei  Rockioger  a.  a.  0.  B.  608  ff. 

Bei  Rocicinger  a.  a.  0,  S.  993  ff. 


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7.  Brieieteller-  u.  Fonnularbttchor-Litteratur  im  Ciatercieaserorden.  105 


pliirihiiH  leiruTTi  doctoribus  et  aliis  tarn  iuris  quam  facti  jieritiB  artem 
liuiusmodi  oxereeuilo  ali(nia  didici ')  voi'^'eiiünyiieii,  scheint  allerdings 
für  erster«  Aniiahnif  zu  -|u  t  chen;  docli  ist  sie  kaum  im  stand» rlle 
Frage  endgiltig  zu  eutscheidea.  Wie  aber  dorn  immer  sein 
soviel  ist  gewiss,  dass  Meichsner  in  den  llerhtsi^es«  li.ilieii  kein 
Fremdling  war.  Datllr  si>ri<'ht  ausser  seinen  Werken  auch  der 
Umstand,  dass  er  1376.  UJ.  September,  zum  Reciitsbeiatande  (syn- 
dicus.  procurator)  seines  8tit'tt>s  t*niannt  wurde.  Die  betreffende 
Urkunde,  von  seiner  Hand  geschrieben,  ist  an  den  Kückdeckel 
der  Wilheriiiger  Handschrift  IX,  29  geklebt  und  lautet  folgender- 
maassen: 

NoTorint  anlTeni  lias  litteras  inspectori,  quod  nos  Haiarim  abbas 
totitsqne  convetitas  moaaaterii  Noaimontis  SalczpargeasiB  dyocesis  ordiais 
Ojrsterciensis  coastitaimas,  faelmns  et  ordinamaa  meliori  modo,  fonaa 

quibus  possimns  dilectam  filiam»  religiosam  vinim,  fnttrem  Fridericnm 
dicti  monasterii  nostri  professum  nomine  predicti  nostri  inonasterii  presen» 
tem  et  in  sc  mandatttm  spnnte  et  volantarie  snsripicntcm  sindicuin,  pro- 
curatorem,  actorem,  defensorem,  negociorum  gcstorem  ac  min«  ciuin  spc'  i- 
alem  in  oinnibus  causis  nustris  inotis  vel  movcudiH,  presentUnis.  j)roteritis 
et  futuris  contra  quascumque  persouas  ccclcsiusticus  vel  seculares,  cuius- 
cunique  gradus,  ordinis  vel  condicionis  extstant,  eoram  qaibascnmqae  iadi- 
eibas  ordinariia,  delegatis  Tel  snbdelegatis,  cxBecatoribaa  vel  aabexseeato» 
ribns,  commisaarlia,  coaaenratoriba«  et  aaditoribas  daatea  eidem  plenam, 
generalem  et  liberam  potcstateiu  agendi,  dcfendendi,  excipiendi,  replicaadi, 
duplicandi,  triplicandi,  quadruplicandi,  libellum  seu  libellos  vel  qnascumqae 
alias  pcticiones  summarias  offerendi,  litem  contestandi,  hirtiitieiituiii  de  ca- 
luiiipnia  et  vorifate  dicendi  son  altoriiis  ireucris  sacraiiicntuui  in  ariimas 
nostras  paraiuii,  poiiendi,  articuhiDdi,  pobicionibus  et  arliculis  respoiidendi, 
testes,  iastruiaenta,  prothocoUa  et  litteras  pmdiicendi,  defectus  et  criinina 
opponendi,  beaeficiam  abtoIucionU  siaipliciter  et  ad  caatelam  et  reatitn- 
cioois  ia  iategnun  peteadi  et  optiaendi,  reaaaedaadi  et  concludeadi,  sea- 
tenciaa  düfinitivaa  et  interlocutorias  aodiendi,  ab  ipsia  et  a  qaoUbet  gra« 
vaiuine  iUato  et  commiaato  appeltandi,  appellacioaem  proscqnendi  et 
a])p(  llaciones  petendi,  uuuni  vel  plnrea  prooiratores  substituendi,  substi* 
tutuiii  et  siibstitutos  relevandi  ipsosque  revocandi  et  causam  r-t  cau- 
sas  in  se  rcasaumendi  et  otimia  alia  faciendi  et  convertendi,  nie  in  buius- 
modi  raiisis  fuerint  nccessaria  et  oportuna,  eciam  si  negociuiii  cxtpant 
speciale,  ratum  et  gratutii  perpetuis  temporibus  habduri  quicqtüd  per 
dictum  procaratorem  Tel  ab  eo  aubatitatum  seu  aubatitutoa  actum,  gestam 
et  procuratum  fuerit  in  premiatis  et  qaoUbet  prenuaaorum.  In  cuias  rei 
testimOBioin  sigillum  aostrutn  duximua  preaeatibua  appeadeaduai.  Acta 
auat  hec  anno  domiai  MGCCLXX  aexto  aextadecima  die  meuaia  Septembria. 

')  Rockinger  a  a.  Ü.   S.  «04. 


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106    Mitteil ujigeii  d.  Gea.  f.  deutsche  Eiziehunga-  u.  Schulgeacli.  VlII. 


Wie  lanire  unser  Schriftsteller  in  Neiiber<;  gewirkt,  ist  unbe- 
kannt. Die  jüugsie  der  vuu  seiner  Hand  geschriebenen,  in  WUhering 
erhaltenen  Neuberger  Urkunden  stammt  aus  dem  Jahre  1383*). 
Walirscheiulich  hat  er  bald  darauf  sein  Stift  verlassen;  sicher  ist, 
dass  er  die  letzten  Jahre  seines  Lebens  in  Wilhering  zuge- 
bracht und  als  Mönch  dieses  Klosters  um  1400  gestorben  ist  Die 
Wilheringer  Todtenbttcber  enthalten  sum  3.  August  die  sehlichte 
Bemerkung:  Fridrjcus  Meichsner  monachus  et  sacerdoe.  Ein  spS- 
tereSr  wortreicheres  Jahrhundert  hatte  vielleicht  noch  einen  Aus- 
druck der  Anerkennung  beigefügt.  Hat  sich  doch  Meichsner  nicht 
nur  als  emsiger  Schreiber  ein  ehrenvolles  Andenken  gesichert,  son- 
dern auch  als  Schriftsteller  ein  bleibendes  Verdienst  erworben.  Die 
Wilheringer  Bibliothek  enthalt  nicht  weniger  als  neun  Codices,  die 
entweder  vollständig  oder  zum  grossen  TeUe  seine  Schriftzflge  auf- 
weisen, nftmlich  IX,  29,  F.  1—187;  58,  F.  30-120;  62,  F.  ;i9— 96; 
74,  F.  1— 8\  10—157;  75,  F.  1—168;  76,  F.  1—146:  81.  F. 
24—100  ;  82,  F.  1—158;  127,  F.  27—88.  rntrr  den  hier  über- 
lieferten Werken  finden  sich  auch  Meichsners  Arbeiten.  Origioalitat 
ist  nun  allerdings  nicht  ihre  Starke.  Das  gilt  besonders  von  den 
Formiüarbüchern,  die  im  ganzen  als  ziemlich  roh  gezijumerte  Coni- 
pilationen  zu  bezeichnen  sind.  Und  doch  liegt  das  Hauptvordi^Mist 
des  Bruders  Friedrich  gerade  auf  dem  Felde  dieser  Litteratur- 
gattung.  Können  seine  übrigen  Schriften,  die  Con[»ortacio  ydiotalis-), 
der  Tractatus  de  cyclo  lune')  und  die  Tabula  in  historiale^).  kaum 


^)  Auf  dem  HUckdeckel  des  Cudex  iX,  74. 

*)  Cod.  IX,  78,  F.  1—11  (Cod.  IX,  75,  F.  2'— 18').  Anfkn^:  Non  quod 
detruneatum,  vicioaum,  minuB  correctum  ox  parte  auctoris  de  Lusan  na 

lacobi  opusculum  modo  subscipions  ([iiovis  cornpcrissct,  *;ecl  ut  ali(|ua!is 
eius  distrarcin  fristiiliontitius  aaimiB  miiiori  patoecorct  dillicultat^'.  iiipogit 
frater  Fridericus  vulgo  vocatim  Meichsner  submissas  in  distinccioiiCH,  quate- 
niiB  faeiliuB  materlarum  Bennoclnator  diveraarum  Seriem  conprobaret,  qul 
opere  (Cod. :  operi)  eluadtm  uti  dignaretur.  —  Amor  dei  peccatum  consunit. 
Ibi:  Abictenduu)  est  .  .  .  Schluss:  Voluptati  in  principio  resistetur.  Ibi: 
Delfctäclnni  Explicit  con)iortacio  ydiotalis  fratris  Friderici  vulgo  Meichsner 
vucati  ipsam  conponentis.  Deo  gracias.  Quam  si  lector  dedi^^uatus  uou 
fuerit,  faeiliuB  exemplia  aubtiUbua  v«rbum  dei  pronuodatania  «rit  Die 
Arbeit  ist  ein  Sachregbter  auni  Compendium  moraliiun  laeobl  de  Luaanna. 

*)  Cod  IX,  81,  F.  24.  Anfang:  Liin«  a  aote  recedena  .  . .  Schlosa: 

premittitur  ibi  f.  An  der  Stirne  der  kleinen  Abhandlung  der  Name: 
Fridricuü  Meichsner.   Gegen  Bade  die  Bemerkung:  ab  incarnacione  do- 

mini  elnpsi  180b  aniii. 

*)  Cod.  IX,  76,  F.  13Ü' — 140'.   Anfang:  Historiale  parvis  submissis 
ideo  diatinccionlbua  lueDleneius  exhiberi  voivi  .  . .  ut  edam  verbi  dei 


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7,  Brlef«teller>  u.  FormutwrbUcher^Lkteratur  im  CiBterclen«erordeii.  107 


auf  einige  Beachtung  Anspruch  erheben,  fio  ifit  d«r  Weit  seiner 
Formularbttcher  nicht  gering  zu  schätzen.  Wenn  Bich  nümltch  hier  auch 
der  Verfasser  hftufig  so  abhängig  von  seinen  Vorlagen  zeigt»  dass  nicht 
allzu  viel  Übrig  bleibt«  was  er  sein  Eigen  nennen  Icann.  so  ist  doch 
zu  beachten,  dass  uns  in  diesen  Arbeiten  eine  nicht  unbedeutende 
Zahl  von  wichtigen  Schriftstttclcen  erhalten  ist 

Es  sind  im  ganzen  drei  Formnlarwerke.  die  wir  Meichsner 
zuschreiben  dürfen.  Das  umfangreichste  derselben  ist  die  bereits 
erwähnte,  im  Codex  IX.  58  enthaltene  Schrift,  der  eine  Hand  des 
endenden  14.  oder  beginnenden  16.  Jahrhunderts  auf  einem  am 
Vorderdecicel  {(lebenden  Pergamentbl&ttchen  den  Namen  De  processu 
iudicii  gegeben  hat.  Nach  der  oben  mitgeteilten  Einleitung  giebt 
der  Verfasser  zunächst  F.  SS' — S5  den  Inhalt  seines  Werkes  an 
und  beginnt  dann  F.  35  letzteres  mit  der  ersten  Abteilung  der 
Summa  Bononiensis*).  Die  Art  und  Weise,  wie  er  diese  hier  be- 
nutzt, kehrt  mehr  weniger  in  allen  Abschnitten  wieder,  fttr  die 
Johannes  von  Bologna  zur  Quelle  geworden  ist:  die  Grundlage  ist 
beinahe  wortgetreu  beibehalten. 

Meichsner:  Johannes  von  Bologna: 

De  operis  disposicione.         !  De  operis  disposidone. 

Licet  tractatus  in  secnlnribus  i  Licet  traciattts  instruinentomm 
partibus  instrumentorum  existant  inYtaliepartibusnpcos'?ai  idsit  diffntns, 
nPCO«:snrio  (lifTusi,  pro  eo  qtiod  tan-  pro  qnod  Ytalici  tanniuani  cauti 
tum  st'culares  tamquam  rauii  rjuasi  [  quasi  de  omni  eo,  '|iuul  ail  inviceiii 
de  omni  co,  quoci  aii  tnviceiu  contra-  |  contraliuut,  habere  volunt  publicum 
hunt,  habere  volunt  publica  instru-  instmineutuui,  quod  quasi  contrarium 
menta,  qnod  quasi  contrariam  est  est  in  Anglids,  videlicet  qnod  nisi 
in  religiosis  partibus,  videlicet  qnod  necessarinm  esset,  non  iiisi  rarissime 
nbi  necessarium  esset,  uon  tamea  j  petitor  instrumentum,  ideo  tractatam 
ttisi  rarissime  petitur  instrunientuin,  ipsum  formis  aüquibus  traditis  in 
idco  tractatuni  ipsum  formis  ali-  iudiciis  pt  circa  iudicia  quomodo 
quibus  trailoii';  in  indiriis  rf  citri  necessariis  breviter  pertransibo. 
iudicia  [uodamiuodo  uecessario  bre- 
viter pcrtractabü. 

faciliua  reperiat  sermocinator  quid  mistlei  conüneat  .  .  ,  Anunceiado  do< 

minica  muadus  sülvubatur  XI  .  .  .  Schluas:  Vit«  perversa  retrndit  e  relo. 
Unter  dem  HistoHale,  zu  d^m  hier  Mpiehsner  ein  Sachregister  geliefert, 
ist  nicht  das  bekannte  Werk  d<*3  Vincentiua  Bellovacensia  gemeint.  Es 
beginnt:   Legitur  in  libro  regum  .  .  .  und  endet:  etuu  subiungendam 

0  Bei  Rockinger  m.  a.  O.  S.  604  f.  als  IL  Abteilung  (I.  Abteilung 
^  Eittt(itung). 


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1(18    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eraiehungs-  u.  ßchnlgesch.  VIII. 


Deindft  rae  transferam  «d  ea, 
qoe  sab  esamine  iudicü  tarn  ordi* 
nariornm  quam  delagatoram  notariiB 
consciibenda  coneviront,  qaomni 

doctrioa  indigent  qnasi  soribentes 
ot  qiiilibet  premissi  tarn  seculnres 
tarn  rei;iilares.  Et  quia  hec  ina^ns 
neressaria  sunt  in  communihn?-  pre 
outnibuä  idii^  purtibus  iiotarie  sub- 
tilla,  idcirco  de  hiis  deo  Mdter 
proseqneitte  lacius  et  solempnias 
tractabo. 

Ultimo  scribens  vobis,  qualiter 
transscripta  instrunientoniin  et  litte- 
ramm  tum  apostolicarani  quam  ali- 
onim  tieri  dcbeant,  ut  siio  auttentice 
robur  türmitatb  obtineaiit. 

Formas  eciaiii  iiidulgüiiciurum, 
presentacionuni,  purgacionum,  pro- 
testacioDom  fiMsieDdanim  et  aliquos 
procesBQS  delegatoram  iadicnm  seu 
euecatomin  saper  prebendis  etbenefi- 
disauctoritate  apostolica  vonferendis, 
prent,  iaquam»  michi  dominos  mini- 
strabit. 


Deinde  me  transferam  ad  ea,  que 
sab  ezamine  iodicam  tarn  ordinario* 
nun  quam  delegatorom  notario 
scribeoda  concarrant,  qoonim  doctri- 

na  indigent  qnasi  scribentes  qailibet 
dicti  regni.  Et  qnia  ningis  liei^  in- 
noco«!<;aria  sunt  onmilMis  aliis  par- 
libiis  notari«',  idcirco  de  hiis  lacius 
et  soilempnius  pertractabo. 


Ultimo  scribara  vobis,  qoaliter 
transscripta  Uutramentomm  et  litte- 

rnnim  tarn  apostolicanim  quam  alia- 
I  rum  fieri  debcant,  ut  sui  auteutici 
robur  finnitatis  ubtincatU. 

Forniaä  eciaiu  iadulgiMicianim  et 
,  aliquos  processus  delegatorom  iadi* 
cum  sen  executomm  super  prebendis 
et  beneficiis  aactoritate  apostolica 
conferendis,  proat  mihi  dominos 
miiüstrabit. 


Bei  einem  mittelalterlichen  Sehrifist»'ller  an  sicli  wenig  auf« 
lallend'),  muss  hier  die  geradezu  sklavische  Abhängi}?keit  von  der 
Vorlage  doch  insofern  befremden,  als  diese  Inhaltsangabe  wohl  mit 
der  Begrenzung  der  Aufgabe  Johanns  von  Bologna,  nicht  aber  mit 
der  Ausdehntin«::  dn  Schrift  Mrichsners  ttbereinstinnnt.  Denn  statt 
zunächst  den  Tractatus  insirunieniuruni  kurz  zu  behandeln,  bietet 
uns  Meichsner  F.  35 — 42  die  b<  kannte  Summa  de  ordine  et  pro- 
ressu  iudicü  spiritualis,  auch  hier  mit  beinahe  wörtlichem  Anschlüsse 
an  seine  Quelle,  und  h\  42'--4ö'  eine  Abhandlung  De  formis 

<)  Vgl.  Petrus  v.Blols,  Bpiel;.92  (Magna  Bibliotheca  Patrum,  Coloniae 

IGls,  XII.  2,  S.  776):  Nos  quasi  uani  super  g:ip-antnni  hmrioroH  .-^umus, 
tjuorum  beneficio  long-itn  (|tiatn  ipni  sppf  ulamur.  dum  ami«|Uorum  (ractati- 
bu8  iuhaerentas  ele^autiorca  corutn  sententias,  quas  vetustaa  aboleverat 
homioumve  negleetus,  quasi  iam  mortuoa  in  quandam  novitatem  essentlae 
auscitamua  .  .  .  Scimus  .  .  .  a  doetoribus  alios  doctores,  aicut  Hieronymum 
de  libris  Origouia,  Auf^uBtinum  et  Bedam  de  libris  Arobrosü,  Ambrosium 
ven»  do  äcriptis  Ciceroiiis  et  Senecao.  Gre{joriuni  quoquo  do  scriptis 
Auguatiui  et  Uieronymi  uou  solum  aenteutias,  aed  verba  ipaa  in  causam 
mutui  accepisse. 


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7.  Briefsteller-  n.  Ponnularbtlcliejp-Littenitur  im  CisterdeiMerorden.  109 


inqaisicionwn.  Erat  F.  45'  beginnt  er  mit  dem  bei  Johannes  von 
Bologna  unmittelbar  auf  die  Inhaltsangabe  folgenden  Abschnitte  De 
proeuratoribasi).  an  den  er  F.  46'  ff.  die  übrigen  Teile  der  Summa 
Bononiensis  anreiht  Wichtigeren  Abweichungen  von  der  Vorlage 
begegnen  wir  nur  in  jenen  Abschnitten,  welche  praictische  Muster  ent- 
halten. Hier  stossen  wir  hie  und  da  auf  ein  anderes,  hftufig  auf  eine 
grossere  Zahl  von  Formularen;  oft  sind  Eingang  und  Schbiss.  fast 
immer  die  Namen  und  Jahrzablen  geftndert.  Kui-z  lassen  sich  diese 
Abweichungen  etwa  so  Icennzeichnen,  dass  Meu  lisner  die  Formulare 
der  Summa  Bononiensis  vermehrt  und  den  VerhältDisseD  der  Salz- 
burger Diöcese  um  1378  angepasst.  Da  uns  letztere  Zahl  oft  be- 
gegnet, so  werden  wir  kaum  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass  er 
seine  Arbeit  im  Jahre  1378  geschrieben  hat. 

In  eine  etwas  spätere  Zeit  ist  die  Abfassung  jenes  Formular- 
werks zu  verlegen,  das  die  ersten  Iß  Blätter  der  Handschrift  IX, 
74  einnimmt  und  lediglich  aus  einer  Zusammenstellung  von  praktischen 
Mustern  besteht.  Der  grossere  Teil  der  letzteren  bezieht  sich  nämlich 
auf  die  1379  für  die  Salzburger  Kircheuprovinz  ausgeschriobene 
päpstliche  Steuer,  während  uns  im  kleineren  die  Einladung  zunt 
Salzburger  Provinzialconcile  von  1380  erhalten  ist.  Dir  Sammliini; 
ist  vor  allem  für  die  Geschichte  von  nicht  zu  uutcrsuhätzeutlem 
Werte,  indem  sie  uns  einerseits  einen  intt  iessanten  Einblick  in  die 
Art  und  Weise  der  Kinliebung  päjistlicliei-  Sieiinn  und  in  die 
Schwit  iii:keiteii  enitl'net,  welche  den  Forderungen  des  römischen 
Stuhles  mauchmHl  t  nti^egentraten,  andererseits?  aber  beim  Verluste 
der  Canones  der  Sal/lturger  Svnode  von  1380  das  einzige  Zeugnis 
enthält,  das  uns  über  den  /weck  der  letzteren  Aufsehluss  zugeben 
im  Stande  ist.  Soweit  ich  sehe,  ist  bisher  nuj-  '  in  Stück,  die 
Urkunde  Urbans  VI.  vom  13.  Februar  1379.  bekanni.  Ks  tindt  i 
sich  Monum.  Boie.  XXX.  2,  S.  339  f..  No.  427  in  einer  Uikuude 
Heinrich  Eclieriins  vom  17.  Februar  13bO,  allerdiii.,'s  in  einer  etwas 
abweichenden  Fassung.  Unsere  Sammlung  zeigt  uamlich  manche 
Aenderuugen,  die  nicht  bloss  die  Eigennamen  (Urbanus  ist  z.B. 
in  Michahel  verwandelt),  sondern  auch  sprachliche  Eigentümlich- 
keiten betreffen;  doch  Ifisst  sich  nicht  behaupten,  dass  die  Spuren 
der  Ursprünglichkeit  der  Quelle  verwischt  seien.  Aehnlich  wird  es 
sich  wohl  auch  mit  jenen  Stücken  verhalten,  bei  denen  uns  ein 
Anhaltspunkt  zur  Vetgleichung  benommen  ist.  Wenigstens  spricht 
alles  dflfUr,  dass  sich  Meichsner  den  sachlichen  Inhalt  seiner  Vor. 


Bei  RockiDger  a.  a.  0.  8.  605. 


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1 10    BfitteilungeD  d.  Gea.  f.  deutsche  Enlehttiig»>  u.  6cliulge«cb.  VIII. 


lagen  abzuändern  nicht  erlaubt  bat.  Aber  bat  denn  wirklieh  die 
Sammlung  MeiohsiLer  zum  Verfafiser?  Das  ist  nun  allerdbg» 
an  keiner  Stelle  mit  klaren  Worten  gesagt  Aber  der  Umstand, 
dass  die  meisten  der  im  ersten,  grösseren  Abscbnitte  des  Werkes 
vorkommenden  Urkunden  das  Stift  Neuberg  betreffen,  lAsst,  wenn 
wir  zugleich  die  früher  geschilderte  Thfttigkeit  Meiehsners  in  Be- 
tracht ziehen,  wohl  keinen  Zweifel  darttber  aufkommen,  dass  Bruder 
Friedrich  nicht  blos  als  Schreiber  des  weitaus  umfhngreichsten 
Teiles  unserer  FormularsammluQg,  sondern  aach  als  deren  Verfasser 
zu  gelten  hat  Aehnlicb  verhftlt  es  sich  auch  mit  dem  Briefbteller, 
der  uns  in  der  Handschrift  IX.  81.  F.  05—99'  überliefert  ist  und 
auf  dem  Vorderdec-kel  von  derselbeu  Hand,  welche  dem  zuerst  be- 
spi'ochcneu  Werke  ^ileichtjueiä  den  Namen  De  processu  iudicii  ge- 
geben, als  Correetoria  bezeichnet  wird. 

Dieses  Formularbucli  zerfallt  in  zwei  Teile,  in  eine  Darstellung 
der  kunstniässigen  Anfertigung  von  Briefen  aller  Art  und  in  eine 
Mustersammlung.  Im  ersten,  F.  65—69'.  liandelt  der  V»  i  iasser 
nach  einer  verhältnismässig  ziemlieh  umfaugreichen  Eiuieitung 
über  die  fünf  Hauptbestandteile  eines  jeden  Schriftstückes,  die 
Salutacio.  Benivolencie  captario,  Narracio.  Peticio  !ind  Conelusio. 
Als  Quelle  dieses  Abschnittes  erscbfinen  «lie  ersten  vier  Kapitel 
der  Summa  dictamiimiii  Lndulfs  von  Ilildesheim').  IMe  AU- 
weichuDi^en  sind  im  ali^eiiieim'ii  gering  und  melir  foniieiler  Natur; 
"wichtigere  iiegegiieii  uns  l)ltis  in  der  Kinleittmi:  und  in  der  Ab- 
handlung über  die  Jienivolen<-i''  cafitario,  indem  iiier  die  abs^eleitete 
Quelle  etwas  reicher  ist  als  die  ursprüDgliche,  Der  zueite  Teil. 
F.  70 — 91)'.  enthält  eine  Sammluug  von  Littere  rorrectoriorum  stili 
diveräimudi,  von  MusLerslUckeu,  deren  Melirzalil  die  gewöhnliche 
Ordenskorrespondenz  vertritt,  llaulig  erscheinen  Urkunden,  welche 
sich  auf  die  Cistercienserklöster  Neuberg,  Säusenstein.  Schlierbacli  und 
Wilhering  beziehen.  Dem  Archive  des  letzten  Stiftes  liat  der  Verfasser 
unter  anderem  die  Urkunde  des  Papstes  llouorius  III.  vom  7  Ai»ril  1218 
entnommen,  deren  Wortlaut  uns  in  Prior  Heinrichs  Tabula  pri\  ilegio- 
rum  F.  1  erhalten  ist.  Ein  zwischen  den  beiden  Fassungen  an- 
gestellter Vergleich  ISsst  uns  erkennen,  dass  Meichsner  seine  Vor> 
läge  nur  unwesentlich  abgeändert  hat.  So  reich  die  Sammlung  ist, 
80  wirft  sie  doch  flir  die  Qeschichte  einen  nur  massigen  Gewinn  ab, 
da  aus  den  meisten  Stücken  aJle  individuellen  Angaben  entfernt 
sind^.  Ueber  die  Zeit  der  Abfassung  des  ganzen  Werkes  Iftsst 

Bei  Roekin^er  a.  a.  0.   8.  359—372. 
*)  Ein  far  die  Geschichte  SSuaeneteiti»  nicht  unwichtige«  Formnlar 


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7.  Briel^teU«iv  u.  Ponnularbaeher-Litteratur  im  Cisterdenaerorden.  III 


sieb  nur  soviel  sagen,  dass  es  vollendet  wurde,  nachdem  Meichsner 
iD  Wilhenng  eingetreten.  Darauf  weisen  die  uns  mehrfadi  begeg- 
nenden  Siiuren  von  Urkunden  dieses  Klosters  hin,  wahrend  sich 
die  Benutzung  von  Schriftstücken  des  Stiftes  Neuberg  ungezwungen 
daraus  erklärt,  dass  der  Verfasser  entweder  hier  seine  Arbeit  be- 
gann oder  eine  Anzahl  von  Urkunden  aus  seinem  ersten  Ordens- 
hause  in  sein  zweites  mitbrachte.  Letztere  Annahme  scheint  aller- 
dings etwas  gewagt  zu  sein;  indes  ein  Blick  in  die  Urkunden- 
sammlung des  Klosters  WilheriD^  zeigt  uns,  dass  mehrere  Stücke 
derselben,  zumeist  von  der  Hand  Meichsners  geschrieben«  ursprQng- 
lioh  dem  Stift  Neiiberg  angehörten.  Wenn  wir  diese  Thatsache  in 
Erwägung  ziehen,  so  dUii'eu  wir  es  sogar  nioht  für  ganz  unmöglich 
halten,  dass  auch  das  im  Codex  IX.  74  enthaltene  Formularbuch 
Meichsners  in  Wilhering  entstanden  ist. 

Ausser  diesen  Arbeiten  lassen  sich  auf  Meichsner  nur  noch 
ein  paar  Formulare  zurückführen,  welche  den  Schiuss  des  im  Codex 
IX.  58,  F.  1— 3'i  überlieferten  Werkes  De  kartis  visitaciririuin 
idlden  und  seiiir  Schrirtzii^^f  aufweisen.  Die  Obri^ren,  V(tn  aiidereii 
Händen  aufgezeichneten  Teile  dieses  Formularimches  ihm  /.uzii- 
schreiben,  sind  wir  aber  nicht  Iterecbti^.  Wir  werden  vielmehr 
kaum  irren,  wenn  wir  annebineii.  dass  sein  St^hatVen  für  mam  hen 
seiner  Wilheringer  Ordensgenüssen  zur  Autt'orderung  wurde,  den 
Weg  zu  betreten,  den  er  gei;amren.  und  in  diesem  Kreise  den  oder 
vielmehr  die  Verfasser  jem-r  Abaciiuiue  fiueijeu.  Ist  dem  wirklich 
so,  dann  müssen  wir  <liese  Anregung  höher  anschlagen  als  seine 
eigene  litterarische  TliiUigkeit.  Denn  die  Schrift  De  kartis  visita- 
ciuüum  ist  eines  der  bedeutendsten  Formularbücher,  die  im  Mittel- 
alter für  die  klösterlichen  Zwecke  gesciirieben  wurden.  Da  ich 
Uber  die  Zusammensetzung  und  die  Verfasser  der  einzelnen  Teile 
dieses  Werkes  und  Uber  andere  sieh  an  dasselbe  knüpfende  Fragen 
demnfiehst  in  den  „Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Denedictiner- 
und  dem  Cistercienser-Orden*  ansfQhrlicher  handeln  werde,  so  darf 
ich  mich  hier  auf  wenige  Mitteilungen  beschränken.  Das  Formular- 
buch  teilt  sich  in  zwei  Hauptabschnitte.  Im  ersten  erscheinen  zu- 
nächst  F.  zwei  umfangreiche  Muster  für  die  Anfertigung  von 
Visitationsurkunden,  das  eine  die  Männer-,  das  andere  die  Frauen- 
klOster  berücksichtigend;  an  diese  reihen  sich  F.  6 — 8'  Formulare 
für  andere  Gattungen  der  Ordenskorrespondenz.  Sind  hier  die  in. 
dividuellen  Bezeichnungen  beinahe  vollständig  unterdrückt,  so  zeigt 

habe  ich  in  den  Stadien  und  Mitteilungen  aus  dem  Ben.-  und  dem  Ciet- 
Orden  XIII,  S.  89  ff.  veröffentlicht 


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112    Mitteiliuigflji  d.  Get.  f.  deutsche  Sniehung»-  iL  Bchulgeseh.  vm, 

Bich  im  zweiten  Hauptabschnitte.  F.  9— 3J',  das  Ge},'entoil.  Dieser 
umfjisst  nämlich  eine  reichhaltige,  für  die  innere  (Jeschichte  der 
österreichischen  Cistercienserklöster  Fehr  wichtige  Sammlung  von 
8chriftstnekrn,  in  welchen  das  Hesond^Te  des  Inhalte,  auch  die 
Zeitangaben,  gewöhnlich  ganz  beibehalten  ist.  Alli  r  Wahrschein- 
lichkeit nach  sind  drei  Verfasser  anzunehmen,  von  denen  der  erst<3 
seine  Arbeit  mit  F.  20  ab^fs» ■hloss<'n.  der  zweite  den  Abschnitt 
F.  20—30,  MelehsiuT  aber  den  Schltiss.  F.  30—32',  hin/.ii<:efQgt. 
Die  Entstehtin«::  aller  drei  Teile  ist  in  die  Wende  des  14.  und  lö. 
Jahrhunderte  zu  verlegen. 

Auf  Meichsners  Einwirkung  ist  wohl  auch  jene  fast  nÄr  An- 
gelegenheiten der  klösterlichen  Disziplin  betrelleude  Sammlung  von 
Urkunden- und  Jiriet  forniularen  zurückzuführen,  welche,  um  1400  ge- 
Bchriebeu,  im  Codex  IX  124.  F.  130—133'  auf  uns  gekonimeu  ist. 
Vorausgeht  F.  127'— 12b  eine  von  anderer  Hand  aufgezeichnete 
Ars  dictaüdi,  vermutlich  ein  Auszug  aus  DybinuB^).  Möglich  nun, 
dasB  auch  dieses  fttr  den  ersten  Unterricht  im  Briefstil  Terfasste 
Lehrbuch*)  in  Wllhering  entstanden  ist;  ein  sidiwer  Beweis  Usst 
sich  jedoch  nicht  erbringen.  Dagegen  ist  kein  Zweifel,  dass  wir 
nur  hier  die  Geburtsstätte  der  angehängten  Mustersammlung  zu 
suchen  haben,  da  uns  in  letzterer  mehrere  Urkundenformulare  ent^ 
gegentreten,  deren  Vorlagen  dem  Wilheringer  Archive  entnommen 
sind.  Die  wichtigeren  StQcke  —  ihre  Zahl  ist  nicht  gerade  an- 
sehnlich —  habe  ich  in  den  »Studien  und  Mitteilungen  aus  dem 
Benedictiner«  und  dem  Cistercienser-Orden"')  ▼erOfTentllcht. 

Auf  die  Abfassungszeit  dieser  Briefisammlung  folgte  in  Wilhering 
eine  Reihe  von  Jahren  schriftstellerischer  Unthätigkeit  Die  Armut, 
welche  in  manchen  Urkunden  als  sehr  drilckend  bezeichnet  wird, 
und  der  in  ihrer  Begleitung  auftretende  Mangel  an  Priestern,  in 
Folge  dessen  sogar  einige  Stellen  mit  Mönciien  anderer  Ordens- 
h&user  besetzt  werden  mussten.  hemmten  in  dem  8on.st  gerade  da- 
mals mit  besonderer  Anerkennung  genannten  Kloster^)  den  Ausbau 

')  Vgl.  Studien  und  Mittüilungeu  aus  dem  Ben.-  und  dem  Uist.-Urdea 
XII,  S.  442. 

*)  Vgl.  P.  128':  Sed  pro  brevi  iuveaum  Informacioiie  hec  de  satuta- 
done  aufficiant. 

»)  XII,  S.  441»  ff. 

*]  1480,  80.  .Mai.  besiäügte  Bischoi  Leonhard  von  Passau  die  Privi- 
legien, welche  seine  Vorgänger  dem  Kloster  Wilherhig  ertheilt  hatten,  ob 
fervorem  reli^oni«,  qao  reiectis  aeeulf  yanitatibus  in  spiritn  hamüttatta 
altlssimo  inilitatiH.  odoremque  bone  fame  vcatre,  (|uointer ceteros  religlosoa 
noatre  diocesia  »pecialiter  prafnlgetis  (Orig.  Vg.  im  WilheringerArchive).  Bin 


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7.  BrietMteller-  u.  FormularbUcher-Litteratur  im  Cistercieiiekerorden.  1 13 


(I^T  We'jc.  die  M^^ichsner  und  soin  Anhang  gelichtet.  Wir  beBitzen 
aus  der  ersteo  Hali  tf  des  15.  Jahrhunderts  wohl  mehrere  Arbeiten, 
die  in  Wilheririg  ge.schrieben  wurden,  aber  keine,  die  hier  verfasst 
worden  wäre.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  ge- 
lang es  unserem  Stifte,  die  zwei  Menschenalter  zuvor  behauptete 
Stellung  in  der  Litteratur  wieder  zu  erriogeu.  Wie  damals,  so 
wurde  auch  jetzt  die  geistige  Bewegung  hauptaächlich  durch  Manuer 
vertreten,  welche  das  Feld  der  Ars  dictaudi  bebauten.  Als  der 
Älteste  und  zugleich  bedeutendste  unter  ihnen  erscheiAt  Konrad 
Pladoiffer.  Ueber  seine  Lebensverhältaisse  sind  wir  leider  nicht 
alka  trefflieb  imtenichtet.  Bisher  war  bekannt»  daas  er  in  Korr 
nenburg  (Newnburga  Foreneis)  geboren  wurde,  als  Wilberinger 
Mönch  an  der  Wiener  UniyeisitAt  1459,  29.  Mftrz,  das  Magisterium 
erhielt,  im  Wintersemester  dieses  Jahres  um  die  Begentia  nach, 
suchte,  1460  noch  seine  Lehrth&tigkeit  ausübte  und  wahrseheiulicb 
mit  dem  Wüheringer  Abte  Konrad  identisch  ist,  der  in  zwei 
Quellen  des  17.  Jahrhunderts  den  Kamen  Panstorfer  trSgt,  1467 — 
1470  regierte  und  am  18.  August  1475  starb  Ich  vermag  diesen 
Mitteilungen  nur  einiges  hinzuzufügen.  Vorerst  sei  der  Stelle  ge- 
dacht, weiche  in  dem  Ton  Pftsdorffer  geschriebenen,  in  der  Wilhe« 
ringer  Handschrift  IX,  106,  F.  1—48'  enthaltenen  Tractatus  de 
modo  dictandi  et  componendi  litteras  vorkommt')  und  es  wahr- 
scheinlich macht,  dass  Magister  Konrad  von  bürgerlicher  Abkunft  • 
war:  Si  officiatus  vel  mechanicus  scribit  alteri  officiato  vel  mecha- 
nico  eiusdem  officii  vel  artificii,  tune  Semper  addenda  est  illa 
particula  eiusdein  officii  vel  artificii,  ut  honesto  viro  lohanni  Päsdorffer 
doleatoh  in  Newnburga  P.  gnarus  eiusdem  officii.  Dann  begegnen 
uns  in  dem  gleichfalls  PäsdorfTers  Hand  verratenden,  in  demselben 
Codex  F.  121 — 211'  überlieferten  Formularbuche  nachstehende 
Briefe^),  von  denen  uns  der  eine  Bruder  Konrad  als  Stiulenten  an 
der  Wiener  Universität,  der  andere  als  Prior  in  WUhering  (14G5)  zeigt: 
Reverendo  in  Christo  patri  et  domino  Vdalrirn*)  abbati  monastfirii 
Hilariensis^)  frater  C^onrados)  professus  monastehi  eiusdem  se  hunüliter 

ahnUches  Lob  wurde  den  Wllheringer  MOnchen  um  dieselbe  Zelt  vom 

Herzoge  Albrecht  von  Onstorrctch  ppspondet  ( .  .  .  vlta  ro]i<];:i()3a  mnnimqne 
houeatatc,  quibn?  fratros  dicti  mouHstcrii  nun  parum  t  orruscaro  di>^no8CUii- 
tur,  benigne  inspectis  JPrior  Ueinricti»  Tabula  privilegioruiu  F.  122]). 

>)  Vgl.  MitteiL  d.  Ge«.  f.  deutiche  Bnieh..  o.  BehulgeBchichte  IV,  8.  L 

«)  P.  13. 

')  F.  ir,o.  211', 

*)  1452—1460. 

*)  Uilaria,  mouasteriuni  Hilariense  =  Williering. 
Mitteiluogen  ü.  ües.  U  ücut«c)ie  Erzieh.-  u.  .Sciiulgevchictite.  VUI  2;3  lbf*B.  ^ 

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1 14  MitteUung«!!  d.  Ges.  f.  deutsche  BniehungB-  u.  Sehiilgesch.  Vm. 


commeiidat.  Crebn  ünpidaacio  ob  preetandum  aazUinm,  qua  ad  Testnm 
patemitatem  ntor,  iternm  petere  me  «liqniintiBper  proluberet,  niti  vestre 
patemitatis  humanitaiem,  qae  io  omnea,  maxime  vero  in  sabiectos  diffiisa 
est,  animadverterein.    Ea  humanitas  me  audactcr  vestram  patemitatem 

monere  inhct.  Nihil  enim  est,  qund  mee  peticioni  vestra  reverenda  pater- 
Tiitas  üenotzan'  potorit,  si  iusta  peticio.  Sencio  namque  vestram  maiisuo- 
tadinem  tautam  fore,  ut  iam  auxiliom  vestro  liuniili  tilin  imjx'ndrrc  niinime 
desinat,  que  usque  modo  largissime  seniper  atque  gaudeater  tribuit.  Itaque 
ego  andaciw  ea  mansaetadme  atqne  hnmanitate  confisns  peto  bamiii  cum 
anbieedone,  tit  et  iternm  mee  sabveniatis  neceasitati,  que  plnrima  mihi 
iam  est  Festura  namqae  Hicbabelis  cito  aderit,  cam  dare  com  ceteiis 
l>aT8am  eiqpedit,  ut  vestra  paternitas  pemoseiL  Neque  latet,  quia  solo 
esn  homo  vivere  nequeat.  Sed  et  multa  alia  sunt,  quibas  homo  reficien- 
dus  est.  Tliis  ogeo.  Vestra  reverenda  paternitas  digtietur  hanc  repcllere 
jniseham,  que  nie  plurimunt  a  studio  retrahere  posset.  Ita  nanaquc  est, 
rnm  in  auiino  aliquid  est  molestie,  ut  nequeat  bomo  ad  cogitandum  ani- 
iiium  iustituere.  Mittat  vestra  paternitas  contra  yeuiis  rabiem  et  aquiloiüs 
ferocem  spiritum  Testes,  quia  [non]')  nisi  laceras  iam  habeo.  Tunicam» 
qua  mihi  ad  refectorium  ire  non  Ücet»  nnam  tantam  habeo  ac  cucolla 
qnidem  permaxime  opus  eat,  ut  vestra  reverenda  paternitas  cognoscet,  si 
Wiennam  adibit>  Quo  mihi  oibil  opCacias.  Bene  valetc,  reverenda  pater- 
nitas, et  ine  vestrum  et  vestre  salutis  in  oracione  memorem  recognoscite. 
Ex  Wienna.') 

Salutem,  qnenumquam  excidit.  Carior!  Iura  volnnt  et  leges  iiuperant 
amicicia?  bona  firln  fartas  inviolahiliter  permansuTK  Tnri?  bniusmodi 
laudabilis  executor  cssi'  dinoseitur,  qni  quos  amat  in  adversis  n<ni  deserit, 
in  prosperis  amplexatur  et  absente^  carissinie  veneratur.  Vos  igitur,  de 
quo  sie  loquimur,  a  quo  solo  soli  sie  utaauiur,  nobis  sit  pre  ceteris  vestra 
dileccio  carissima«  quod  Caritas  aingolarem  representat  omni  came  cariorem. 
Koverit  erga  kariisime  per  latorem  presenüa  vestra  dileccio,  quia  de  panno, 
de  quo  nobis  scribitis,  mittimus  vobis  per  presentem  5Vs  ulnas  et  infra 
spacinm  14  diemm  volnmns  habere  curam,  ut  amplius  subordinemus  de 
eodem  panno  vestre  dileccioni,  si  indiguerit.  Et  de  propina  a  dilecrione 
vestra  nobi*  facta  pro  nostro  pnsse  indnbie  ad  satisfaciendnm  erimus  parati 
et  pronipii  ad  nicrita  graiiaruin.  Insuprr  petimus,  quatenus  no-tri  omnium 
ex  parte  salutetis  doniinuni  nostnini  graciosnm,  dominum  visitatorem  cum 
Omnibus  sibi  äubiectis,  voaque  valere  desideramus  cum  uugniento  gracie 
dei,  proot  cordialiter  affectamus.  Ex  monasterio  Altovadensi')  per  t  etc. 
anno  hSY^ 


M  Fehlt  im  Codex. 

')  Fäsdortrer  studierte  ohne  Zweifel  im  Ciötercienaorordens-Colletfium 
zum  hL  Nicolaua.  YgL  Studiea  und  Mitteilungen  aus  dem  Ben.-  uod  dem 
Cist.-Orden  VL  1,  S.  124. 

*)  Hohenturt. 


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7.  Briei'steller-  u.  FormularbUcher-Litterutur  im  Ciätercieuäcrorden.  115 


Yenerando  et  in  Christo  karissimo  magistro  C(onrado)  priori  in 
Hilaria  anüco  et  fiantori  plnrimmn  selabnndo. 

Huheren  Wert  als  diese  NaobriGhten  Uber  Pfisdoilfeis  äussere 
Lebensverhaltoisse  besifzen  die  Zeugnisse  Aber  seine  innere  £nt> 
Wicklung.  Unter  diesen  verdient  wnftehst  der  Eingang  der  Bbetorica 
pro  epistolls  formandis,  welcber  im  erwabnten  Codex  IX,  106, 
F.  109—118'  enthalten  ist  und  PSsdorffers  SchriftzUge  aufweist, 
unsere  Beachtung: 

Conquestna  es  mecum,  mi  dilectiaBime  in  Christo  firater,  quod  hÜ, 
qni  de  epistolls  pertractarant»  qnomodo  componi  debeant»  nullam  suaTitatem 
Dallumque^)  dicoidi  leporem  assecnti  aliis  Impertiri  pollicentnr  quod  ipsi 

necdum  attigerunt.  Nam  cum  maltiplices  regulas  de  epistoUs  ornatissime 
conficiendis  dedcrint  et  quodsi  ad  cpistolas  conficiendas  accesserint,  sicati 
in  eonim  patet  cxcmplis.  insuavcs,  ymo  insipidi  et  insalsi  sunt.  Hoc  est 
queriniiinia  tua.  hoc  tua  dedignacio,  hoc  est,  quod  te  ab  eorum  prereptis 
et  doctriiia  sequcstrat.  Nimiruiii  prol'erto  numquis  non  dcdignulur  hcia, 
qui  monteä  aureus  polliceutur  et  ipsiiuet  nuu  habeant  uude  vivant?  Quis, 
inquain,  homm  non  stomacbetnr  Hoscenam  barbariera  loquendi*  qui  tocius 
eloquencie  infantissimi  comprobaotnr,  dura  eloqnendam  in  litteris  rigkmice 
scribendis  constare  arbitrantur?  Hü  niiras  tradere  de  rilonis  regnlas  do- 
centes  eligere  trisillabas  et  qnadrisillabas  dicciones  atque  totum  conatnm 
ingcnii  sut  Imic  lei  apponnnt,  quasi  ibi  sit  eloqaencie  vis,  ut  sonoritatem 
qiKindanr-)  rickmicam  consequantur,  quam  Cicero  eloquencie  foiis  vitandam 
magnopcrc  perswadct  id  imerilc  et  ineptum  esse').  De  lionua  iuepciis 
non  plura  dii  am,  cum  in  parte  illa  cofnioscis  et  aspernaris  Et  gaadeo 
tantum  luminis  tibi  accessisse,  ul  iioruui  obscuram  cecitatcin  auimad* 
verteres.  Hee  eoim  prima  est  discenda  m  ignorantiam  cognoseere  et 
cognitam  velle  devitare.  Quare  nt  tantam  errorem  eorom  evadas,  petlcio- 
nibns  tnis  condescendens  de  epistolls  conficiendis  snmniatim  tecnm  loqnras, 
quam  brevius  qoamque  comodius  potero,  tibi  qnod  sendo  aperiam  .  .  . 
Epistolarum  igitnr  partes  diamns  cansam,  intencionem  et  conseqnens  «  «  . 
Sed  qnia  obscurum  esse  posset,  qnomodi)  dicte  tres  partes  epistole  narrari 
possciit,  exempla  de  singuiis  ordinibus  tibi  inforiiis  annotabo  Semper  de 
pruua  et  eadem  re  loquendo  prirao  inripieus  ab  ordine  artiticiali,  in  quo 
primo  ponitur  causa.  ])u>f  intencio,  (Icrnuin  ccmsequens. 

Johannes  decretoium  studens  l'iatri  Cunrado  urdinis  Cistercieusia 
lectori  vel  magistro  salutem  plurimam  dicit.  DUecte  frater!  Tantus  est 
ardor,  qni  mels  in  precordiis  snbrepsit  *j  de  hnmanitatis  stodiis  conquirendis. 


')  Cod.:  nullamque. 

■'t  e  d.:  (|ueridam. 

)  HiPi   >(')ioitit  diceua  oder  ein  anderes  Wort  gleicher  Bedeutung 
uu^geluUeu  zu  äeiii. 

*y  Cod.:  eubpressit. 

8* 

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116   Mitteillingen  d.  Ges.  f.  deuteche  Erziehung»-  u.  Schulgesch.  VIII. 


at  nihil  mihi  smve  videatar  nibÜTe  iocnndmn.  nisi  Untisper  com  de 
hainseeniodi  atndiis  quicquam  legere  aat  degnstare  posaam.  JSeee  «ww. 
Gnperem  igitor  (SeetoiiiB  relhoricam  reacriberep  xA  habereni  librain  et 
doetorem,  quo  mediante  qood  tantopere  nandBci  afEecto  ita  radone  ymi- 

tan  possem.  AI  vero  dictum  libnim  uode  habere  possim  neqme  scio  ne- 
que  cogitare  qneo.  Hniasmodi  enim  liber  aut  ranis  aut  nullus  apud  nos 
est,  eo  (juod  nullus  est,  qui  aniinadvertat  huiusmodi  studia.  T^»  inirnrii). 
Quare  sit,  ut  ad  te  preties  meus  dirigam  vel  purrigsmi,  ut  dictum  librura 
a  te  merear  impetrare.  Quod  ut  facias,  te  eciam  per  mutuam  inter  nos 
amiciciam  oro  et  suppliciter  expostulo.  Ta  vero  tibi  pro  innata  clemencia 
atqae  mnnificencia  fac  exoratnm  te  mihi  prebeat,  nt  sdeni«  qaaiitl  fadas 
preces  meas  qnaatumearnque  earipendaa  me  doetain  evadere,  nt  tandem 
eogDoecam  non  mibi  Tacnnm  amorem  meum  tibi  Tacnum  ene.  Yale  ergo. 
JEn  eonsequem. 

lohannes  etc.  Conrado  etc.  Velb  ni,  Conrad»^,  qnod  tantus  ardor 
tibi  adesset  rethoricam  tuain  mihi  accomndare,  quam  eo  ardentissime  abs 
te  et  altematis  vicibus  a  te  petere  ijitcndebam.  Verum  cum  animadver- 
tercin  tibi ')  contiauo  illius  nccessariam  per  Iiuniaiiitatis  Stadium  *)  lecturam 
in  qua  te  exercere  sciebam,  hactenoa  destiti.  Ecce  inieneio.  Nnperrime 
tameii  aadivi  [te]^)  tiiaa  lecciones  ex  eodem  libro  temiiaaase  et  per  ani- 
plivB  libro  non  indigere.  Qao  fit,  nt  ad  te  fontem  deBideriomm  meorom 
eonüagiam,  presertim  com  nnaqnam  alibl  dictum  libmm  habere  poaaam 
coirectum.  Tuam  antem  nedam  correctum,  sed  correctissimum  novi. 
Qnare  te  obnixe  rnpo.  ct^),  si  pha.«?  est  diccre.  te  obtestor,  ut  dictum  librum 
presencinm  cum  latore  mihi  omittas,  ut  exemplum  exinde  in  scribendo 
habere  possim.  Ecce  causa.  Hoc  si  abs  te  impetravern.  nt  confido. 
tantum  efdcies,  ut  nie  bealitudinis  partem  vidtMin  assccutum,  quanduquideia 
intelligam  te  mihi  adeo  coniunctum,  ut  rem,  quam  maxiroe  caripendis  et 
qua  forte  dindua  indiges,  mihi  accomodare  non  dnbites^),  ymo  quoniam 
oognoTero  te  ndbi  vera  amieicia  coninnctnm  eaae,  qnl  volle  menm  tnnm 
esse  dicas  et  niüTersa  heo  mihi  efficias,  nt  yelim  nolim  peticionibna  tnia') 
in  posterum,  in  quibus  mihi  via  possibilibna,  dignas  exaadidonea  facerc  . . 
Igitur  facto  pro^)  antiquu  conswetudine  me  exaudias  et  me  tibi  etc.  £cce 
anuesucns,   Vale,  nt  valere  te  opto.    Ego  valeo  feliciter. 

Daran  schliesst  sich  eiu  den  gleichen  Gegenstand  betreffendea 


1)  Cod.:  te. 
•)  Cod.:  «tttdii. 
•}  Fohlt  hn  Codex. 

*)  Cod.:  ut. 

')  Cod.:  dubitas. 

•)  Cod.:  peticioues  tuas. 

')  Hier  ist  ofl'enbar  ein  Wort  auagefallen,  vielleicht  debeam. 
*)  Cod.:  per. 


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7.  Bii^0t6ll«r>  ik  PomiilwtteberJjiltantiir  im  CistereieiiMronleo;  117 


Scbreibea  mit  demselben  Auflsteller  und  Empfönger  und  dem  Batum: 
£x  WieimA  azmo  etc.  LVIIII.  Schon  aus  diesen  Proben  UsBt  sich 
entnehmen,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Arbeit  lu  thon  haben,  üi  der 
sich  der  freiere  Geist  der  Humanisten  zeigt,  und  vir  werden  keine&> 
wegs  überrascht  wenn  uns  weiterhin  die  Stelle  begegnet:  Hee  vida 
faeillime  fugies,  si  medium  iter  tenere  volueris  et  imitarl  iltos 
mores,  quos  nosti  daros,  nt  sunt  epistole  domini  Enee  episcopi 
Senensis.  Htt  enim  tales  sunt,  quos  sine  rubore  ymitari  possis  et 
allegare  et  shke  detrimento  sequi  suis  in  dictis,  tales  insuper,  quos 
fadllime  intelligere  possis,  si  diligenter  eorum  scripta  perlegere 
volueris.^)  Wer  ist  nun  aber  jener  Frater,  der  uns  aU  GtesinnuDgs- 
genosse  des  Verfassers  entgegentritt?  Es  liegt  nahe,  an  Frater 
Conradus  ordinisCisterciensis  lector  vel  magister  zu  denken,  an  welchen 
die  mitgeteilten  Briefe  goriclitet  a'md,  und  der  sich  1459  so  eifrig 
mit  Ciceros  ßhetorik  besciiäftigte.  Dass  aber  unter  diesem  Ma- 
gister Conradus  kein  anderer  als  der  gleichnamige  Cist(  r<  ienser  von 
Wilhering  zu  verstehen  ist,  der.  wie  oben  erwähnt,  1459  das  Mar 
gistehum  erhielt,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Mag  dem  aber  wie 
immer  sein,  auf  jeden  Fall  lehrt  uns  das  Werk  iu  Pflsdoiffer 
einen  Manu  kennen,  der  sich  vor  der  Idassischen  Bildung  nicht 
abschloss. 

Die  Rhetorica  pro  e])istoU8  formandis  ist  aber  nicht  der  ein- 
zige Beleg  dafür.  dassMagisterEonrad  den  humanistischen  Strebungen 

hold  wir.  Er  (lürtte  gewesen  sein,  welcher  <^\o  im  Codex  IX, 
77,  F.  1— 09*  enthulleneu  Schriften  Matteo  Kontos*)  nach  WilhtMing 
brachte.  Sicher  aber  entstammen  die  sich  an  letztere  F.  9Ü — 99', 
V21  179'  anschliessenden  Therenciana  vocahulfi.  Vit(>  Tereiicü, 
gramiuatisi'h-rlit'lorischeii  Abhandlun*ren,  Verse  (darunter  die  Recom- 
menduciM  Vtalie  Frnncisci  rrtrarclie)  u.a.  spin<»r  lland.  Vor  allem 
aber  zeigen  ihn  un.s  seine  l-'unnularhüclier  als  \'(Ttretor  des  Huma- 
nismus, ich  meine  jene  /,wei  Brieisieii»-!-,  denen  «iie  drei  (d»en  er- 
wähnten Zeugnisse  Uber  sein  Tiusseres  Leben  entnommen  sind. 
Wenn  wir  nämlich  letztere  mit  der  Thät.<«ache  zusammenhalten,  dass 
sich  in  jenen  Formularldicliern  r.exieljuo,u''  n  aiil  I 'eisdnlichkeiteu 
finden,  denen  l'äsdornerals  lAdin-ran  derWiein-r  Iloch.schule nahestand, 
in  dem  Traclatus  de  modo  dici«ndi  et  compoueudi  litteras  mehrere,  in 

»)  P.  112'. 

^)  Vergl.  Studien  und  MitteUttn^ti  aus  dem  Ben.*  und  dem  Cist- 
Orden  XII,  S.  17  ff. 


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118    MittoUiiiigen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehnnge-  u.  Sehulgesch.  XtSL 


dem  namdulosen  Werke  aber  sehr  viele  Wilherioger  SchriftetQcke 
TorkommeOt  endlieh  uns  in  jenem  noch  die  Nameo  ConraduB  de 
HUaria  und  Paulue  Woller  Newnburge  scolas  regens  begegnen,  80 
können  wir  es  nur  billigen,  wenn  R.  Kei>liDger>)  kein  Bedenken 
trug.  Magister  Konrad  nicht  nur  als  Schreiber,  sondern  aach  als 
Verfasser  dieser  Formularbttcher  anzusehen  und  so  einen  Blann,  der 
noch  im  Jahre  1890*)  blos  insofern  einige  Beachtung  fand,  als  die 
Codices  IX,  67.  F.  1— <205*;  77,  90  —  99',  137—179  und  10(5» 
F.  1— 2ir  seine  Hand  Terraten,  in  die  erste  Reihe  der  Wilheringer 
Schriftsteller  zu  rücken.  Denn  beide  Formularbttcher  sind  äusserst 
YerdienstroUe  Arbeiten. 

Der  Traetatus  de  modo  dictandi  et  componendi  litteras  zer- 
fallt in  einen  theoretischen,  mit  praktischen  Beispielen  belegten 
Abschnitt,  F.  1—27',  und  in  eine  Briefsammlung,  F.  28—48'. 
Der  Verfasser  selbst  Äussert  sich  Uber  den  Inhalt  folgender- 
maassen: 

Qrca  inicittm  tractatuB  de  modo  dictandi  et  eomponoidi  litten»  est 
notandam  primo,  qood  ipse  continet  12  capitnla.  Primam  est  de  ipso 
nomine  rethorica  cum  sais  divisionibas  et  instruinentis;  socnndum  de  viciis 

in  ip'^i»  diitamino  vitandi«;  terrinm  de  ipso  dictamine  in  so;  qnartum  de 
pnrtibus  die  tainini'; ;  ]tiintuin  de  salutacionc  longo,  quo  in  se  continet 
superscripcionera,  siibscripcionem  et  verani  salutftciont'in:  sextuni  de  salu- 
tacionc brevi  et  vera,  que  aliu  nomine  dicitur  atTectus  ipsius  mittentis; 
septimam  de  exordlo;  octaram  de  nanncione;  nonum  de  peticione;  deci- 
mam  de  conclusione,  de  valete,  de  loco  et  tempore,  in  quibus  epietoia 
nittitor;  ondecimiim  de  brivUegils;  duodeeimnm  de  quibosdam  litteris 
formatis*). 

Wenn  man  den  theoretischen  Teil  mit  den  bisher  verölfettt- 
lichten  Briefstellern  vergleicht,  so  gewinnt  man  den  Bindruck,  eine 
durchaus  selbständige  Arbeit  vor  sich  zu  haben. 

Einzelne  Stellen  erinnern  wohl  an  die  Sammlung  des  Kardi- 
nals Thomas  von  Capua^).  an  Magister  Eonrads  Summa  de  arte 


1)  Xenia  Bernardina  III,  8.  227. 

*)  Vergl.  J.  Hureh,  Aue  einem  Wilheringer  Formelhuche  (gemeint  iet 
der  ganze  Codex  IX.  106),  Stadien  Und  Mlltellangen  aus  dem  Ben.*  und 

dem  Cit«t. -Orden  XI,  S.  104. 
F.  1. 

*l  Vgl.  Pnsdortfer:  Kt  qnamvia  triplox  sit  dictamen,  scilicet  nietricum 
Qt  Virgiltt,  rikmicum  ut  Priniutia  et  proaaiciim  ut  Casaiodori  (F.  3)  mit 
Thomae  von  Gapua:  (Dietamen  eet)  prosalcum  ut  Cassiodori.  mctricum  nt 
Virgiliit  rithmicum  ut  Primatie  (Wottenbach  a.  a.  O.  8,  i>2). 


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7.  Brief8fce]l«^  ii.P(Hrmiilarbtteher>Utlenit;ttr  im  CiBtercio''Berordeii.  119 


prosandi').  aa  das  Baiimgartenberger  Formularbuch ')  und  an  Ma- 
gister Simons  Notabilia  super  summa  de  arte  dictandi^;  aber  diese 
Anklänge  sind  derart,  dass  wir  nicht  behaupten  können,  Fftsdorffer 
habe  sich  an  seine  Quellen  angeklammert,  sie  nur  ftusserUeh  an- 
einander geh&ngt,  nicht  aber  verarbeitet.  Das  Gleiche  ist  Aber  die 
Benutzung  des  GalMlus  von  Vinesauf  und  lAurentius  von  Aquileja 
zu  sagen,  auf  die  er  selbst  verweist.*)  Allein  wir  dOrfen  nicht 
vergessen,  dass  unsere  Kenntnis  der  im  spftteren  Mittelalter  ent- 
standenen Briefsteller  und  Formularbücher  sehr  dttrftig  zu  nennen 
ist.  Haben  doch  selbst  die  Werke  des  Dybinus,  die  allem  An- 
scheine nach  auf  die  Entwicklung  der  Formularbttcber-Litteratur 
einen  bedeutenden  EinHuss  ausgeübt  haben,  noch  keinen  Heraus- 
geber gefunden.  Ob  nicht  vielleicht  Pfisdorffer  unter  diesen  spftteren 
Arbeiten  mao<die  in  einer  Weise  benutzt,  dass  wir  sagen  müssen, 
er  habe  sich  den  zugrunde  gelegten  Quellen  gegenüber  nicht  die 
nötige  Freiheit  gewahrt?  Die  Frage  scheint  mOssig  zu  sein;  sie 

*)        Paiidorffer:  Kunr/itl: 


Qttieumque  vult  iuvenil«  aliquam 
materianou  tali«  debet  faeere  ad  mo- 

dum  sapientis  domißcatoria,  qui  do- 
mum.  quam  vult  construere,  primo 
in  corde  coocipit  ponens  primo  fun- 
danentuiD,  aecundo  pariete»,  ultimo 
tectum.  Sic  bonu8  rethor  primo  in 
corde  bene  deliberet  materiam,  quam 
scribere  vult  ...  (F.  1'. 

Dictamen  est  ad  unumquamque 


Sicut  enim  artifex  domanm  et 
cooatnictor  ordlnem  servat,  ut  primo 

ponat  fundamentum.  poatca  aupor- 
editieot  parieies  et  tectum  ...  simi- 
liier  bouus  proeator  materiani  et 
partes  epistole  debet  modia  debitis 
ordinäre  (Rockin|ir«r  a  a.  0.  8.  440; 
vgl.  auch  8.  421). 

Dictamen  pst  ad  unamquaraque 
rem  i.  e.   ad    utiamquamque  ma- 


reui  debita  et  omata  locucio  vel  teriam  competens  et  decora  lo- 
tradicio  (F.  8').  |  eacio  (Rockiiigor  a.  a.  O.  B.  420). 

*)  Vgl.  I'asdorffer:  Dictaro  e«t  mentis  conceptum  secundum  doctri- 
nas  artis  rethorico  exprimore  .  .  .  Epist«>la  .  .  .  dicitur  ab  fpi,  quod  est 
eupra,  et  stolon,  i\\ind  est  misHio,  (iiiusi  Buprainiasio,  quia  epintoia  »upra 
missionem  mittenti»  videtur  gerere  miniuteriura  iiuacciaotia  (F.  3),  mit  dem 
Baumgartenberger  Formularbnch:  Dictare  est  antmi  concepclonem  recta 
ordiaacioe  verbomm  ezplicare  .  .  .  Bpiatola  potoat  did  ab  epy«  quod 
Pat  aupra,  nt  stolon,  cjTiod  rat  miaaio,  en  i]und  siipra  irl.  quod  nuDCiuapro- 
feit.  nüttcntia  alfectum  declarat  (Uockiagor  a.  a.  Ü.  b.  72ö;  Bärwald 
a.  ft.  O.  S  l). 

^)  Vgl.  Piadorffer:  Bpiatola  act  fidelia  aeeretorum  nunccia  alfectttm 
dirigentie  pronunccians  iF,  9)  mit  Simon:  Epiatola  est  aeeretorum  fidolis 

nunda  (Rockinger  a.  a.  0.  S.  974). 

*)  Vcrae  Galfrieda  begegnen  »na  an  mehrfren  Src«11on  .\xif  Lau- 
rentius gebt  folgende  Detinition  der  äalutatio  zurUck:  Saiutacio  est  in- 
troltuB  dictaminia  primnm  locom  tenena  et  deaiderlum  mentia  maul* 
featana  (P.  8). 


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120   Utttdlungeii  ±  Gea.  f.  deutsche  Bniehungs-  il  Behulgeseh.  VIIL 


ist  68  aber  nicht.  Es  findet  steh  nftnüich  in  dem  yon  PAsdorffer 
gesehriebeneo  Teile  des  Codex  IX»  77  eine  Termutlich  um  1430') 
entstandene  Ars  dictandi  (F.  134  tt.)«  welche  zum  Teile  im  Tractatus 
de  modo  dictandi  et  componeadi  litteras  wiederkehrt.  Sie  beginnt, 
wie  letzterer,  mit  einem  Kapitel  Uber  die  Rhetorik,  und  gerade 
dieser  Absehoitt  ist  es,  Ton  dem  sich  mit  aller  Bestimmtheit  be- 
haupten lässt,  dass  ihn  Pisdorffer  vor  Augen  gehabt.  Wie  enge 
er  sichaber  hier  an  seine  Quelle  angeschlossen,  lehrt  nachstehender 
Vergleich: 


Pisdorffer: 

Unde  de  eins  Tecomnendadone 
loquitur  Horacins  in  hee  verba: 
Kater  omnia  dogroata  epistola  prin- 
cipatam  obtinet  Unde  per  ipsam 

non  soliiTn  sccreta  relantur,  verum 
cciaiii  per  eandem  runvenienter  ab- 
soncia  possunt  persrnitari.  Hec 
cunttiis  cunfcrt  dignitates,  est  eru- 
diens  ignarum,  pauperem  de  pulvere 
erigeos,  egenam  ditans  ac  Ig^obiles 
ad  regom  eonsiUa  promoTens.  De 
qua  eciam  didt  pliilosopbus  pnmo 
retboriee:  Hanc  inveni,  quam  que- 
sivi,  auimum  certificans,  cloqui 
docens.  Conrordat  Tulius  primo 
retliorice.  Sula,  iiiiinit,  rethorica 
auinmm  letificat,  studentem  prom« 
ptificat.  Cm  edam  aUudit  Seneca 
ia  libro  de  eopia  veibonun  dieeiu: 
Qttisqnis  prndendam  eeqai  deside- 
raas  verba  sna  per  rethoricain 
adoraare  stadeat.  Item  idem  didt: 
Hnmo  per  rethoricam  redditur  pru- 
deus.  verus  et  laadabilis  (F.  1)  . .  >). 


Ars  dldandi: 

ünde  de  recommendacione  retbo- 
riee loqnitvr  Oradus  diceas:  fnter 
omaia  dogmata  epistola  obtiaet  pria« 
cipatam.    Unde  per  ipsam*)  noa 

solum  secreta  colaiitur,  vcnim  eciam 
per  eandem  runtiugit  ahsrnria  per- 
ßcriitari.  Her  niiictas  dignitutes  est 
erudieas,  ',1  pauperem  dt-  de  pulvere 
crigens,  cgenum  ditaus,  ignobiles  ad 
regum  coDsilla  promoTens.  Deipsa 
eciam  didt  Aristotdes  primo  istho- 
lice:  Ha&c  inreni,  qaam  qaesivl, 
animum  certificans,  eloqui  docens. 
Concordat  Tulius  primo  nthorice 
dicens!  Sola  rethorica  auimum  leti- 
ficat et  studentem  promptificat.  Cui 
eciam  ailudit  Seneca  in  libro  de 
copia  verborum  dicens:  Quisquis 
pradendam  sequi  deaiderat,  verba 
sua  per  rethoricam  adoniare  ducat. 
TeiSQs:  Rdboriea,  studio  rerba  pol< 
lire  sein.  Sed  ad  secundum  didtar, 
quod  rethorica  sie  describitnr: 


^)  Auf  diese  Zeit  fuhrt  uns  der  F.  löö  erwähnte  Papst  Martin,  ohne 
Zweifel  der  Ittnfte  dieees  Namens.  F.  154  ericlart  der  Verfaseor  auf  die 
informado  iavenum  se  in  arte  dictandi  exercere  volencinrnRnckaldit  nehmen 

SU  vollen. 

*)  Cod.:  ipsiam. 
Cod.;  iradiens. 

*)  Im  Folgenden  handelt  P&sdorffer  Uber  die  invoncio  opistolarum, 
aber  die  Einteilung  und  den  Begriff  der  Rhetorik  und  Uber  die  olfid* 
rhctoiis  (P.  1  und  !')■ 


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7.  Briefsteller-  u.  FonnularbUcher-Litterutur  im  Ciateicienserordeii.  121 


Aliter  secandum  philosopbum 
retliorica  potest  sie  difBniri:  Est 
sdeneiapenaadendi  qtiodGnmqneper- 
Mtasibüe  sigiiis  probabililms  et  ra- 
eione  deceuti.  Item  predicta  quin- 
qiic  sive  retlioris  instrumenta  in  hiis 
continontur  mi'tris :  Invenit,  disponit 
eloquitar  ac  nicmiiiitque,  Postremo 
rethor  pronuiicciat  oiunia  rectc. 

Item  rethorica  potest  eciam  sie 
notificari:  Est  sctenda  sascttans  a 
terra  iaopem  et  de  stereore  erigeos 
panperem,  nt  collocet  eam  cum 
principibns  popnli  sai.  Ipsa  nam- 
qne  rethoric-a  secandum  Boeciam 
ad  regum  aalas  prebet  introitum  et 
ad  potentem  quemcumque  liberum 
facit  uccessam.  Dicittir  auteni  refho- 
rica  a  resis  Grece,  qnod  est  orna- 
tvs  Latfaie,  et  ycos  «eiencia  qaasi 
scieocia  de  omato  modo  loqnendi 
(F.  1%  2). 


Rethorica  est  sciencia  docens  de 
quocumque  perswasibili  decenter 
materiam  inTenire,  materiam  ioTeii* 
tarn  coinrenieiiter  [per]*)  particolas 
ordinäre  ipsamqae  veibis  et  sen- 
tenciis  venastare,  postea  memorie 
prcscntare,  demam  prononcciare  et 
dcclarare. 

Tel  sie:  Rethorica  est  sclencia 
snscit&iis  a  terra  inopem  et  de  eter' 
coro  erigetis  paaperem,  vt  collocet 
eam  com  priocipibus  popnli  sui. 
Ipsa  namqne  secundum  Boedum  ad 
regum  anlas  prebet  introitum,  ad 
potentes  liberum  facit  arrcssam. 
Versus:  Aptus  retboricus  equitat 
cum  principe  primus,  Sed  genus  et 
sensus  coguut  Ire  pedeü  Et  dicitur 
rethorica  a  resis,  quod  est  ornatns, 
et  ycns  sclencia  quasi  sciencia  de 
omato*)  modo  loqaendi  (F.  154). 


In  den  folgenden  Teilen  nlnunt  Päsüurlt'er  dieser  Quelle  gegen- 
über eine  ziemlicli  freie  Steiiuug  eiu.  Dagegen  schliesst  er  sich 
hier  an  manchen  Orten  aufs  engste  an  ein  Formularbuch  an,  das 
in  der  Wilheiiuger  Handschrift  IX,  79,  F.  30— 47'  enthalten,  ver- 
mutlich ein  Aussug  aus  der  Summa  de  arte  dictandi  des  llagisters 
Pontius*)  und  um  1450  enstanden  ist.*)  lüe  und  da  schreibt  er 
auch  diese  Quelle  einfach  aus.  Man  Tergleiehe  z.  B.  folgende 
Stellen: 

Päsdorffer: 
Sed  correctoriura  est  ?erborum 
in  dictamine  positonim  recüfieado. 
Et  dicitar  a  verbo  corrigo,  is,  ere, 
quia  verba  debent  corrigi  in  tali, 
ne  aliqnod  Ticiom  committatar.  Car- 


Formularbuch  von  c.  1450: 
Sed  dictamca  dicitnr  correeto- 
rinm  ideo,  quia  est  veiborum  in  diota- 
mine  positorom  rectificacio.  Et  dici- 
tur a  verbo  corrigo,  is,  ere,  quia 
correctorlom  corrigit  verba  posita 


•)  Fehlt  im  Vode\. 
')  Cod.:  oroatu. 

'j  S.  F.  80:  Circa  materiam  dictandi  eat  ecienduro,  quod  epibtulu  ae- 
cundiim  niaKi^tram  Ponciutn  in  de  arie  dictandi  aic  diffiniuir  .  .  F.  47': 
fit  aic  eat  tinis  modi  dictandi  magiatri  Poncij. 

*)  F.  33'  iat  Papst  Nicolaus  V.,  F.  34  Bischof  Magnus  von  HUdea- 
heim  geoannt. 


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122  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutaehe  Ersiehange'  u.  Schutgeaeh.  vm. 


ta  vero  dicitur  epistola  diffiealtste 
▼erbonun  carens  et  simpUei  ]atnii-> 
täte  cnirens  et  ^tmr  qiasi  «irens 
via  arta.   Sed  pagina  didtur  littera 

manift'ste  decl.irjins  ca,  rjne  in  ipsa 
sunt  piiäita,  et  dicitur  a  paiigo,  is 
i.  e.  canto,  quin  pagina  manifeste 
cantat  i.  e.  declarat  ea,  que  in  epi- 
stola scribantnr.  Sed  missiva  est 
direetorom  vd  dirigendonim  con- 
ecriptiTa ')  et  dicitnr  a  verbo  mitto, 
ia.  ere,  qnia  mieaione  dirigitnr  (F.  S). 


in  dictamine.  Sed  dictamea  dicitnr 
ideo  karta,  quia  eet  dictamen  ex 
simplici  latinitate  compositom  et  di- 
citur carta  quasi  carens  via  arta. 

Sed  dictampn  dicitnr  pajjina,  quia 
est  verborum  in  dictamine  pnsitorum 
declaracio,  et  dicitur  a  pungo,  is, 
ere,  quod  idem  est,  quod  declaru, 
as,  are.  Sed  dictamen  dicitur 
misilva  Ideo.  qaia  est  directomn 
yel  dirigeDdoram  coaseripcio  (F.  30'). 


Wie  Pfisdorff«'!-  die  Wt-rke  des  Dybinua,  dessen  Nanien  er 
einmal  anführt  *),  In-Dutzl  hat,  eiili:eht  mir.  Eine  \'(T5^1eichiiii;j 
(lieser  uud  anderer  Arbeiten  würde  übrigens  an  nnserem  Ergebnisse 
wenig  ändern:  ein  (trii^inelb'r  Schriftsteller  ist  Päsdorftor  nicht  ge- 
wesen; er  ist  in  der  Art  der  (^uelienbenutzung  nicht  über  seine 
Vor£rHn[!:or  hiniUis<:eko)nin<'n.  in  deren  cranimatiHch-rhetorischen  Ab- 
liiindluageii  uns  bekanntlich  sehr  wenig  selbständig'  i:<'i-^tit?e  Thätig- 
keit  entcregen tritt.')  Nichtsdest^^weniger  müssen  wir  den  Tmctatus 
de  modo  Uictandi  et  componeudi  litteras  eine  hervorracrende  Er- 
^rheinung  nennen  Der  theoretische  Teil  ist  eine  Kompilaiiun,  die 
im  ganzen  als  wohlgeluugen  be/A*ichuet  werden  mnss  und  sich  durch 
reichen  Inhalt  auszeichnet,  der  praktische  aber  eine  Leistung,  die 
TOD  den  Geschichtsforschern  die  grösste  Aufmerksamkeit  verlangen 
darf.  Die  Bedeutung  des  letzteren  ist  vor  allem  darin  zu  Buchen, 
dass  er  unsere  Kenntnis  der  humanistischen  Bestrebungen,  die  an 
der  Wiener  Unlvetsitftt  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  zu  Tage 
traten,  und  der  humanistischen  Anregungen,  welche  damals  von 
dieser  Hochschule  ausgingen,  nicht  wenig  vertieft.  Die  historische 
Brauchbarkeit  unserer  Sammlung  wird  allerdings  dadurch  sehr  ver- 
kümmert, dass  die  individuellen  Angaben  viellSeuih  unterdrückt  sind. 
Doch  begegnet  uns  immerhin  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Briefen, 
deren  Aussteller  und  Empfänger  sich  ermitteln  lassen,  darunter 
mehrere  Stücke  aus  dem  Briefwechsel  des  grossen  Astronomen 
Georg  von  Peurbach,  die  als  solche  zu  erkennen  zuerst  dem  Scharf- 

')  Wohl  ein  Sdireibfehler  statt  conscripcio. 

2|  F.  6. 

')  Man  deako  uur  au  die  gegenseitige  Abh&ngigkeit  der  Sächsischen 
Summa  proaanim  dicCamhiia.  der  Snmm%  LndoUb  von  HUdeahehn  und  des 
Baumgartenberger  Formutarbncha  (vgl.  Roekinger  a.  a.  0.  8  206  ff.). 


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7.  Briefsteller-  u.  Formulorbücher-Litteratur  im  Cistercienserorden.  123 


blicke  A.  C^sernys  gelungen  ist, ')  Doch  auch  jene  Briefe,  welche 
sich  keiner  bestimmten  Persönlichkeit  zuweisen  lassen,  sind  für  die 
Kenntnis  jener  humanistischen  Geistesströmung  nicht  ohne  Wert. 
Schon  ihre  Form  m\m  lebhaftes  Interesse  erwecken  und  verdient 
um  so  grössere  Beachtung,  als  Pisdorffer  in  näherer  Beziehung  zu 
jenen  Gelehrten  stand,  welche  zuerst  die  klasBischen  Studien  an 
der  Wiener  Universität  betrieben,  und  seibat  der  bumanistiscben 
Richtung  angehörte.  Leider  fehlt  in  den  meisten  Stttcicen  das 
Datum.  Um  so  wichtiger  ist  es»  die  Zelt  genauer  kennen  zu  lernen, 
in  der  unser  Formularbuch  entstanden  ist.  Eine  bestimmte  An- 
gäbe  suchen  wir  nun  vergebens.  Wenn  wir  aber  bedenken,  dass 
uns  im  praktischen  Teile  kein  jüngeres  Datum  als  1460  begegnet, 
im  theoretischen  aber  nur  diese  Jahrzahl  vorkommt,  und  zwar  an 
Stellen,  für  welche  Vorlagen  anzunehmen  kein  Grund  vorhanden 
ist^),  so  muss  sich  uns  um  so  mehr  die  Ansicht  aufdrängen,  dass 
unser  Briefsteller  1460  geschrieben  worden  sei,  als  die  in  ihm  er- 
scheinenden Persönlichkeiten  dem  nicht  widersprechen.  Bis  jetzt 
sind  ausser  den  von  A.  Czerny  *)  herausgegebenen  zehn  Stücken  nur 
zwei  Briefe,  und  zwar  im  Auszuge,  veröftentlicht.*) 

Das  zweite  Forinularbuch,  das  wir  Pftsdorffer  zuschreiben 
dürfen,  wird  mit  einer  in  die  Tabollenform  gezwängten  Darstellung 
der  Ars  dictandi  eröfl'net.  Die  ersten  sieben  Tafeln.  F.  121 — 127', 
sind,  allerdings  mit  bedeutenden  Zusätzen  und  Auslassungen,  der 
Practica  dictaminis  des  Magisters  Bondi  von  iVquileja^)  fufnommen. 
Wo  die  Quellp  heibohalten  ist,  ersch^Mot  sie  beinahe  w^örtiivh  aua- 
geäcbrieben.   Man  vergleiche  z.  B.  folgende  Steilen: 

Ptedorffer:  Bondi: 
Beatitudini  vestrc  per  presentes        Beutitudioi  vestre  insinuadone 

querulosius  declaramii^i,  qnod  ac-  presencitim  reverenrius  intiroamus, 
fiiict;»  est  contra  nos  tncius  regiii  j  qnod  acciucta  est  contra  nos  tocius 
Bobciiüe  fortitudo,  cuius  gentes  ter-  ^  regoi  Anglie  fortitudo,  cuius  gentes 

>)  Aua  dem  Briefwachsel  des  ^roMeii  Astrooomen  Georg  von  Penr* 
bach,  Archiv  f.  öatorr.  Geschichte  LXXH,  3.  268  ff. 

-I  F.  _'2,  l'oit  valcto  liebet  poiii  lucu-s,  ox  quo  mittitur  littorn,  cum 
die  meaüLs,  ia  quo  littera  seribitnr  vi  aniiis  nativitalin  Christi  lunc  ciirron- 
tibua,  ut  Ex  VVieuua  die  decitiiu  meuaia  Maii  anui  quadriugenteainü  sexa- 
geaimi;  F.  25':  Bt  nono  addat  (notArins)  «ddos  inearaacionla  domini  tuuc 
concarreDtOB  (Cod.:  eoaeurrentibuB )  aiib  forma:  Anal  incamadODta  do- 
mini etc.  aexagedimi. 

3)  A.  n.  O.  S.  2hb  ff. 

*)  Von  J.  Hurch  a.  a.  0.  XI»  S.  107,  27?. 
»)  Bei  Rocliinger  a.     O.  S.  956  ff. 


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• 

134  Mitteilangen  d.  Ges.  f.  deutsche  Braiebunge-  u.  Behulgeech.  VIU. 


terraoi  noatrim  anuAta  mami  ex> 
oelso  biaebio  et  potenti  hostiliter 
inTa8eiiiiit(Rockiiigerft.a.O.  S.9Ö6C). 


ReverendissimoiiiChristopatrido- 
mino  P.  miseracioQü  divinu  PDrtu- 
eiisi  episcopo  et  sancte  Romaiu' 
ecclesie  cardinali  talis  priuceps  raa- 
gnai  tahitem  in  eo,  qui  eat  mnninm 
▼era  saltis  (Rocidoger  a.a.O.  8. 958 f.). 


nostram  mann  armata  cum 
(aedso  btaehio  et  potmiti  sie  derasta- 
mnt,  qaod  non  immeiito  posut 
leremie  planctus  super  eioa  desola* 

cione  lameDtari  (F.  121). 

Reverendissini o  in  Christo  patri 
ac  domino,  domioo  lo.  divina  pro- 
videncia  Portuensi  episrt))»u.  sancte 
Romane  ecclesie  cardinali  Fridericus 
eadem  providencia  Roinaiioiiiin  im> 
perator  Semper  angustus  salatem  in 
eo,  qnl  est  onmiani  vera  salns 
(P,  1210. 

Die  folf^eiideu  Tal'elii  liatx'u  nachstehende  Aufschriften:  Octava 
tttbiila  (If  liitei-is^);  nona  t*ibula  de  Jioc  verbo  valete;  decima  tabula 
seu  tracLaiiiliis  de  formulis  exordidniin.  An  diese  reihen  sich 
F.  131'  — 139  Prüveibia  puklira  ad  uiiiuem  luateriam  dictamiuis 
pertinencia,  Exordia.  Salutaciones,  einige  praktische  Beispiele  und 
Gracianim  acciones,  dann  wieder  Salutacioues  und  Graciai-um  aoci- 
OQ68,  endlich  mehrere  Valetefomuilaro.  Wie  man  aleht,*  handelt  es 
sich  hier  nicht  um  eine  Arbeit  aus  einem  Gusse;  das  Ganze  macht 
yielmebr  den  Eindruck  einer  Materialiensanmüuug.  Die  Bedeutung 
des  Werkes  liegt  denn  auch  nicht  in  den  theoretischen  Erörterungen, 
sondern  in  der  Zusammenstellung  von  praictischen  Beispielen,  welche 
die  Bl&tter  140—211  füllt«  und  der  eine  Hand  des  endenden 
15.  Jahrhunderts  mehrere  Briefe  angereiht  hat.  Die  weitaus  grOsste 
Zahl  der  Schriftstflcke  betrifft  geistliche  Qesch&fte  und  Beziehungen 
und  bat  besonders  fUr  die  Geschichte  des  Oistercienserordens  blei- 
benden Wert  WAhrend  in  diesem  Teile  die  Namen  und  Jahp< 
zahlen  vielfach  beibehalten  sind,  Iflsst  sich  das  von  den  übrigen 
Briefen  leider  nicht  behaupten,  ein  Uebelstand,  der  um  so  mehr  zu 
beklagen  ist,  als  gerade  diese  Stücke  für  die  Kenntnis  der  huma- 
nistiscben  Studien  von  Wichtigkeit  sind.  Nur  hie  und  da  stosaen 
wir  auf  einen  Namen,  so  gleich  im  Anfange  auf  den  des  Aeneas 
Syl^^u8.2)  Unter  den  üriefen.  deren  Daten  nicht  fortgelassen  sind, 
stammt  der  jüngste  aus  dem  Jahre  1465.  Indes  niu.ss  unser  Formulaiv 
buch  später  entstanden  sein,  da  in  mehreren  Stttcken  der  Käme  des 


')  Mittitur  |>nrrniiia  postulata  (I'eccuniam  litteratorio  poatulatam 
vobis  per  presencium  Uiiigu  portutorem  .  .  .);  Regraciatur  de  oblato  ser- 
Ticio  (Uisais  ex  parte  vestm  Utteiis.  quos  affeccione  paterna  reeepi ...)... 

*)  Nr.  4.  5  und  123  der  Bditio  Norimbergensii  vom  Jahre  1481. 


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7.  Brl«f0t6Uei^  u.  Fonnul«rbllch«r>Lltteratar  im  CI«t«reieiiMrorden.  125 


Abtes  Urban  von  Wühering  (1470—1480)  vorkommt  Aller  Wahr- 
scheinUehkeit  nach  iBt  es  in  den  ersten  Regierungsjahren  dieses 

Prälaten  geschriebeo  worden.  Die  wichtigeren  Briefe  (76)  haben 
J.  üureh^)  und  B.  Söllinger^  teils  im  Auszüge,  teils  vollständig 

herausgegeben. 

Von  Magister  Konrad  dürt'to  auch  jene  Sammlung  von  Briefen, 
Salutaciones,  Exordia  und  Narradonos,  die  uns  im  Codex  IX,  106, 
F.  103 — 108  vor  der  Rhetorica  pro  epistolifl  formandis  begegnet, 
nicht  nur  aufj^ezeichnet,  sondern  auch  zusammengestellt  worden 
sein,  eine  Arbeit,  welche,  wie  durch  Umfang,  so  durch  Bedeutung 
wenig  hervorragt. 

Päsflortt'firs  scIirirt.stejlcriHch»'.-;  Wirken  blieb  niclit  ohne  nach- 
ahmen I  liat.  Der  Briefsteller,  den  ich  hipr  meine,  tindet  sich 
im  Wiiiii-riiiger  Codex  IX.  72.  F  1^4'— 235.  Da  ich  über  den- 
selben in  den  .Studien  und  Mitteiiuii^ien  aus  dem  Benedicliner-  und 
dem  Cistercienser-Ordeu"  ^)  ausführlich  gehandelt  habe,  so  mötren  hier 
folgende  Bemerkungen  genügen.  Auf  theoretische  Ausluhruugen 
über  die  Kunst  des  Briefstilö  stossen  wir  nur  an  \venif:en  Stellen. 
So  treffen  wir  F.  124',  127  Superscripciones,  F.  127'  lufrascHp- 
cione«.  F.  13ö'  Forme  regracionum,  F.  137  Ex«»rdia.  F.  137'  Vale- 
dicciüues,  F.  201  Salutaciones.  Wie  man  sieht,  haben  wir  es  hier 
hlos  mit  gelegentlichen  Bemerkuugen  zu  thun.  Im  ganzen  ist  das 
Werk  viebnehr  als  eine  Sammlung  von  Briefen  zu  betrachten,  die 
für  den  klösteriidien  Geechftftsgebrauch  angelegt  wurde.  Der  prak- 
tische Zweek  tritt  Überall  hervor.  Weder  nach  der  Zeit  ihrer  Aus- 
fertigung noch  nach  einem  anderen  Gesichtspunkte  geordnet,  scheinen 
die  einzelnen  ScluiftstQcke  aufgezeichnet  worden  su  sein,  wie  sie  gerade 
den  Schreiben!  in  die  H&nde  kamen.  Die  BUtter  127 — 148, 152 — 
172,  183—185,  189—190,  204'— 206*,  213-214',  218—219'  ver- 
raten die  Schriftzttge  Stephan  Qmunders  von  Eggenburg,  der  am 
11.  August  1624  als  CeUerarius  aus  dem  Leben  schied*);  seine 
Hand  gUube  ich  auch  F.  124'— 126,  172'-.177,  178,  185-186, 
190-201,  202—204.  207—208,  211—213.  220,  225-226,  229, 
231,  233  und  235  zu  erkennen.  Ein  anderer  Schreiber  bat  die 
Übrigen  BlAtter  mit  Ausnahme  der  FoUa  177',  178'— 182*,  186'— 
188',  208'— 209*,  215'— 217',  220^—224',  226'— 228',  229',  232  und 


')  A  ft.  U.  b.  104  —  115,  a?.'.— 290. 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Pfarre  Theras,  Gi-Hchiclitliche  Bei- 
lagen mm  8t.  POltaer  DiöeeBanblatt  VI,  S.  47  ff. 
•)  XVI,  B.  S99  ir. 

*)  Nach  den  WUheringer  Totenbflehero. 


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126   MitteUungeii  d.  Ges.  t  deutsche  EniehuogB-  u.  Schulgeseh.  Vm. 


2S4.  welche  leer  sind,  ausgefüllt.  Beinahe  die  HSUke  der  Briefe 
stammt  aus  der  Zeit  des  Abtes  Urban  (1470—1480);  der  älteste 
gehört  dem  Anfange  der  Dreissigerjabre  des  16.  Jahrhunderts  an; 
der  jflngste  tr&gt  das  Datum  1514.  Fttr  die  innere  Geschichte  des 
Cistereiensererdens  ist  die  Sammlung  von  nicht  zu  unterschätzendem 
Werte.  Einige  Stttcke  sind  in  den  .Gescfaiebtlichen  Beilagen  sum  St 
Pdltner  Biöcesanbiatt*  yerOffentllcht,  wfthrend  der  Inhalt  sämt- 
licher Briefe  in  den  «Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benedic- 
tiner-  und  dem  GiBtercienser^>rden*  *)  angegeben  ist 

Diese  Arbelt  schliesst  die  Reihe  der  Formularbttcher,  welche 
dem  Fleisse  der  Wüheringer  Mönche  zu  verdanken  sind,  zu  ver* 
danken  im  edelsten  Sinne  des  Wortes.  Welch  reichliche  FQIIe  ge- 
schiclitlictien  Wissens  ist  nicht  in  den  Mustersammlungen  aufge- 
speichert! Geht  auch,  wie  es  schon  im  Wesen  der  Litteratur* 
gattung,  der  sie  angehören,  begründet  ist,  Erdichtetes  n«  ben  Aechtem 
einher,  SO  muss  doch  behauptet  werden,  dass  letzteres  weitaus 
mehr  zur  Geltung  kommt  als  ersteres.  Aber  auch  die  theoretischen 
Erörterungen  entbehren  nicht  des  Interesses;  einigen  derselben  ist 
go'j^ar  ein  l)eflr'iitonder  litterftrgeschichtlicher  Wert  nicht  abzusprechen. 
So  köimen  wir  uns  denn  nur  Glück  wUusehen.  dass  diese  Werke 
der  vertüm  nflen  Hand,  der  so  viele  Wüheringer  Ilaudscbriften  zum 
Opfer  gefallen,  entgangen  »lud. 

»)  VI,  S.  öl  ff. 

>)  XVI,  B.  699  ff.;  XVII,  8.  20—69,  256-^269,  487^43. 


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a.  Pransiflkaner  in  Bayern.  Von  P.  Partbeiiiua  MIngM  in  MOnchan.  127 


8. 

Franziskaner  in  ßayeru. 

P.  Partheniufl  Mir.goa,  0.  Fr.  Min.  Lfktor  d.  TheoL  in  München. 

Es  handelt  sicii  hier  zum  Unterschiede  von  den  ebenfalls  in 
Bayern  lebenden  Ka])U7.ineru  und  sogenannton  schwarzen  Franziskanern 
oder  Cüiivontimleii  iiiu  dio  soirnnaiini^'n  braunen  Franziskaner,  die 
in  Bayern  kuraweg  Franziskaner  heiss»'n,  <ioren  offizielle  kirchlichf» 
Bezeichntm«::  ^Mindere  Brüder"  (fratres  minores)  ist,  und  deren 
Vorfahren  die  übservanten  und  Minoriten  des  Mittelalton^  sind. 
Der  Zweck  des  Minoriteu-  oder  Franziskanerordeiis.  snweit  er 
ülierhaupr  Fiach  aussen  hin  fj^erichtet  ist,  geht  weniger  auf  Ptlt»i;e 
der  Wiäseiiöchaft.  Scliule.  Unterri«  htung  und  Eraiehunir  Ht  i  Jugend, 
er  geht  haiiptsäf  hlich  auf  die  Si  t  lsori:»'  des  gewöhnlichen  Volkes 
im  Beichtstuiile.  auf  der  Kanzi'l  und  am  Krankenbett,  auf  Missionen 
im  In-  und  Ausland^.  Aber  aucii  diese  Seelsorge  leistet  ihren 
Beitrag,  und  wohl  nicht  (fen  geringsten  und  unwichtigsten,  zur 
Unterrichtuug  und  Erziehung,  zur  geistigen  Hebung  und  Heran 
bildung  der  Menschheit.  In  Bayern  besteht  der  genannte  Orden 
seit  dem  Jahre  1221,  war  stets  stark  verbreitet,  besaas  zur  Zeit 
seiner  höchsten  Biate  im  Gebiete  des  heutigen  Bayerns  um  die 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts,  abgesehen  von  einer  Anzahl  kleiner 
Missionsposten  und  Kuratien  Ober  60  grossere  Konvente  mit  etwa 
1200  Priestern. 

Es  ist  bekannt  und  auch  von  den  Gegnern  zugestanden,  dass 
die  Franziskaner  in  Bayern  seit  den  Tagen  eines  Casarius  von  Speier 
und  Berthold  von  Begensburg  im  18.  Jahrhundert  zu  allen  Zeiten 
in  Bezug  auf  Seelsorge  Grosses  leisteten,  und  biemit  wirkten  sie 
auch  auf  intellektuelle  und  moralische  Veredlung  und  Forderung 
des  Volkes  müehtig  ein. 

Dies  that  der  Orden  schon  durch  Ausbildung  der  jungen 
ElosterangehOrigen.  Zu  dem  Behufe  gab  es  in  Bayern  stets  eine 
mehr  oder  minder  grosse  Zahl  von  StudienklOstem  mit  eigenen 


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128    lOtteilungBii  d.  Qea.  t  dentaehe  Enddnmg»-  n.  Sehulgeach.  VDL 


Lektoren  fttr  Humaniora,  Philosophie  imd  Theologie;  in  der  Hitte 
des  18.  Jahrhunderts  waren  es  vobl  an  20 — 2b  derartige  ElOster 
mit  etwa  50  Lektoren.  Diese  Lektoren  hatten  auch  ausserhalb  des 
Ordens  vielfach  grosses  Ansehen,  darunter  befinden  sich  Namen 
wie  BeilTenstuel,  Bibel.  Sporer,  HoUmann,  die  in  der  katholischen 
Theologie  einen  guten  Klang  haben.  Manche  derselben  wurden 
auch  in  andere  Ordensgeaellschaften  und  ins  Ausland  als  Lehrer 
berufen.  In  diesen  StadienklOstem  machten  aach  oft  Weltlicbe  und 
manche  vom  Adel  ihre  phttosophlsoben  oder  theologischen  Studien, 
z.  B.  der  1727  gestorbene  Freisinger  FQrstbischof  Joh.  Franz  Ecker 
von  Eapfing. 

Nach  aassen  hin  erteilten  die  FranziskaDer  an  ihren  Kuratien, 
3Iis8ioD8posten  und  Pfarreien  ?anz  oder  teilweise  den  Elementar- 
unterricht, si>eziell  aus  der  Religion;  namentlich  hielten  sie  viele 
CShristenlehren  in  Landkirchen  auf  entlegenen  Filialen  oder  sonst 
zur  Unterstützung  der  Pfarrer.  In  einem  Zeugnisse,  das  1633  der 
Fürstbischof  von  Passau  den  Franziskanern  seines  Gebietes  aus- 
stellte, sagt  er  unter  anderem,  dass  dieselben  eifrig  die  unwissende 
Jiigend  in  der  Reli<;iou  unterriciiten.  Der  Fürstbischof  von  Bamberg 
stellte  den  1786  u'estorljenen  P.  llieron.  Mölkncr  seinen  Pfarrern 
als  Muster  im  Katechisieren  vor.  Noch  kurz  vor  der  Säkularisation, 
nämlich  im  J^hre  1796.  .stellte  der  Fürstl)ischol"  von  Passau  5  Au- 
geh/irige  de:?  d<  i  tiir«'!)  Franziskanerklosters  als  Katecheten  an.  dar- 
unter eiueii  Pater  tür  das  Gynmasiuni,  der  zugleich  die  Alunuieh  des 
Klerikalseminares  in  der  Art  und  Weise  zu  katechisieren  unter- 
richten musste.  ^ 

Die  Franziskaner  hatten  auch  verschiedene  Mittelschulen, 
Lateinschulen  und  Gynma.^ien  zu  leiten.  Zu  Kaiserslautern 
halten  sie  seit  17_'7  die  lateinische  Schule  mit  5  Khisseu  iune. 
Sobald  sie  iiu  Jahre  1775  in  Blieskastel  eingezogen  waren,  er- 
öffneten sie  daselbst  eine  Lateinschule.  Die  auch  in  die  jPfalz 
hereinreichende  französische  Revolution  vertrieb  au  beiden  Orten 
die  Ordensleute  aus  ilirem  Wirkungskreise.  Auch  im  Fränkischen 
unterstanden  ihnen  ,  auf  lungere  oder  kürzere  Zeit  mehrere  Schulea 
In  Sehilingsfflrst  und  Schwarzenberg  hatten  sie  in  der 
2.  Hftlfte  des  18.  Jahrhunderts  kleine  Lateinschulen  mit  je  1 — ^2 
Lehrern.  In  Ellingen  erdflheten  sie  1774  einen  fünfjährigen 
Kursus  mit  8  Dozenten.  Diese  ^Anstalt  war  sehr  geachtet,  flbte 
auch  auf  das  benachbarte  Eichstftdter  Gmynasiom  einen  heilsamen 
Einfluss  aus.  Um  die  Konkurrenz  zu  paralysieren,  worden  die 
Eichstadter  veranlasst,  ihre  eigene  Schale  zu  heben.  In  Hammel- 


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8.  Franziskaner  in  &fty«ni.  Von  P.  Parthenltu  Alingea  in  Mflnchen.  129 


bürg  leiteten  die  Franziskaner  seit  1674  eine  lateinische  Sdiole. 
die  später  den  Namen  Gymnasium  fUfarto  und  zuweilen  gegen 
200  Schaler  sSblte.  Auch  in  Miltenberg  errichteten  sie  1698 
fOnf  Kiaesen  (Prima,  Sekunda,  Syntaxis»  Foetilca  und  Rhetoriln) 
mit  anfangs  2,  spftter  8  und  seit  1780  5  Ijehrem.  Daselbst  fanden 
sich  viele  Schiller  ein,  selbst  aus  der  Gegend  Yon  Aechaffenbuig, 
obwohl  fllr  diese  die  Aschaffenburger  Anstalt  nAher  lag.  Auch 
diese  Schule  nannte  sich  späterhin  Gymnasium.  Zur  Zeit  der 
Silkularisation  gingen  alle  diese  Anstalten  ziemlich  oder  ganz  ein. 
An  den  spateren  Lateinschulen  zu  Hammelburg  und  Miltenberg 
leisteten  die  Franziskaner  unseres  Jahrhunderte  nur  zeitweilige 
Aushilfe. 

Zu  Preising  dozierten  die  Franziskaner  von  1621—91  für 
die  dortigen  weltliciien  Priesteramtekandidaton  Moraltheolegie  und 
da8  kanonische  Re<-ht;  dies  setzten  sie  auch  an  dem  1691  errich- 
tet«!n  Klerikalseminar  bis  gegen  das  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
fort.  Der  berühmte  Theologe  P.  Anakletus  Reiffenstuel  (t  1703) 
wurde  im  Jahre  1691  zum  Direktor  der  fUrstbischöflichen  Lehr- 
anstalten emaimt. 

Jetzt  erteilen  die  Patres  der  bayrischen  Provinz  oft  Christen- 
lelircji  bei  Aushilfe  zur  Unterstützung  der  Pfarrgeistlichkeit  oder 
auch  für  he^itändig  an  mehr  abc'f^b'irf'nen  Filialdörfern.  An  nmnchen 
Schul'ii  i,'rh(Mi  Hi<'  fuich  den  ^an/rn  l^eligionsunterricht.  zur  Zeit 
z.  H.  in  K:.:L'''iir»  lden-Gern  mii  wuihentlich  7.  in  ( rö5*s\vt'iiistein  mit 
in  Mühidorf  mit  9.  zu  Sr.  Anna  in  München  mit  wö.  luMitlich 
52  Stunden.  • —  Zur  piiilosuphi.-^ciien  und  theologisch«'i)  AnsiiiMung 
der  eigenen  juni:''fi  Kleriker  hat  die  I'rovinz  jetzt  2  Stinlii  iiklilstor 
nüt  4  Lektoren  iiiniili'  Ii  in  Tölz  und  .Mtindn'n.  Ausaerdem  Ue.-^itzt 
sie  in  Landfilm  iiinl  I  J.iniljerg  2  Inleniah-  mit  etwa  KX)  Zöirlingen 
/MV  lltTaabUdiiii^  von  Urden«kandidat«Mi.  die  an  di-ii  >t.iailirhen 
Ci.vmn<i.sien  daselbst  ihre  huiaHuistischeu  Mudieu  macheu.  Da  all- 
jährlich ein  ;;ul<'r  Teil  derselben  V(»r  oder  nach  Absolvieruug  des 
(Jynmasiuins  sich  auderii  BriutVaiUü  z,u\ven<kt.  so  leistet  der  (Jrden 
auf  dem  Gebiete  der  eigentlichen  Erziehung  auch  nach  aussen  hin 
wenigstens  etwas.  —  Die  Belege  für  die  vorstehenden  Angaben 
können  nachgelesen  werden  In  meinem  Huebe:  «Geschichte  der 
Franziskaner  in  ^Bayern"*,  München  I8d6.  In  dem  Inhaltsverzeichnis 
auf  S.  296  befindet  Bich  unter  dem  Worte  ^Franziskaner"  ein 
Hinweis  auf  die  Uber  die  Studien  und  SttidietiklOster  des  Ordens 
in  Bayern  handelnden  Stellen. 


MiUQiluagoB  4.  Qvs.  f.  a«titü>-lie  Kr^kli.-  u.  S«huic««<-tiich(e.  VIII  2  3  16t>K 


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ISO    HittellungeD  d.  Ges.  t  deutsche  Braiehimga-  vu  Sehnlgeach.  Vm. 


9. 

Die  lUtesteu  StudienpläDe  des  JesuitengymnaBiums 

in  Küln. 

Von  Barnhard  Duhr  8.     Bxaten  (Holland). 

Die  Jestiitensphiile  in  K(S\n  ist.  wie  eine  dor  früheston.  so 
iiuch  ein»'  der  iMMlciitiMidsteu  UrdtMisschulen  des  16.  JahrliuiKierus. 
Die  Kölner  i^ebule  gab  direkte  indirekte  Anregung  zur  Grün- 
<lunj,'  einer  Reihe  weiterer  Ji-biiiteiisciiuk'ii  am  Rhein  und  an  der 
Mosel.  Ihre  Leiter  und  ihre  Stiidienpläne  wurden  dabei  vieltHch 
zu  Rate  gezogen.  CaniBius  äclireibt  am  18.  November  1557  an 
Lainez:  das  Kölner  Kollegium  übertriflt,  !^o  will  mir  scheiueu, 
unsere  übrigen  Schulen  in  Deutschland  sowoiii  in  Anbetracht  der 
glücklichen  Behandlung  der  Studien  als  auch  was  Zahl  und  Eifer 
der  Lehrer  Ix'tritft. 

Es  mn'j.  deshalb  Wdlil  der  Mühe  wert  sein,  uns  die  Hltesten 
Studienpläne   der  Kellner  Jesuitensehule  ftwas  genauer  aiizurfebeu. 

Der  älteste  bis  jetzt  bekannte  vollständige  Studienplaii  des  Kölner 
Jesuiteii-(  Symnasitims  stammt  aus  dem  Jahre  1563,  und  ist  abgedrin  kl 
bei  Bianc")-);  der  /.weitülteste  ist  von  1576  und  tiudet  sich  ebenlalls 
bei  Biauco,^)  ohne  Rianco  zu  lierück.sichtigen.  iiat  P.  Paehtler 
denselben  Plan  von  1576  nach  einer  handschriftlich^'n  Vorla;;e 
eljenfalls  gedruckt.*!  Ferner  giebt  I*.  Pachtler  naHi  finer  s])ätt'ren 
Quelle  einige  Einzelheiten  aus  dem  ältesten  Studieiiplun  der  Küiuer 
Jesuiten,  der  Febiuar  1557  an  den  llauptkircheu  in  der  Kähe  der 
Drei  Kronen  Burse  angeschlagen  wurde.*) 

'i  Brauiisberger.  B.  P.  Canidi  Bpietulae  II,  154. 

Biatico,  Die  alte  Univorait.'H  Kn\n.  I,  W8. 

a.  a.  0.  I,  828.    Vei^l.  den  PImi  der  uudera  Kölner  üyiwiaslen 
vom  Jahre  1573:  I,  344. 

*)  Monument»  Gennanlae  Paedagogica  (M.  G.  P.)  Q,  230. 

L  c.  II,  140.  Vergl.  Relffenberg,  Hiat  See.  Jesu  ad  Rhen.  Inf.  1, 00. 


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9.  Die  ftitMten  Studienpläuo  dos  Jesuitengymnasiunis  in  Köln.  181 


Diesen  ältesten  Plan  selbst  fand  ich  in  einem  öaminell)aiid 
Über  die  Kölner  Jesuitenschule ^)  und  lasse  ihn  unten  als  Nr.  1  ab- 
drucken. Die  «Tabula  lectiooum"  enthält  4  Klassen:  Dialektik, 
Rhetorik  und  zwei  Grammatikalklaasen,  umfasst  also  die  alte  Drei- 
teilung: Philosophie,  Beredtsamkeit,  Grammatik.  In  der  Dialektik 
sind  die  Lehrtilleber  Porphyriusi  Aristoteles,  Sacrobusto;  einer  Stunde 
Vorlesung  entspricht  eine  Stunde  Repetition  und  Disputation.  Die 
Schulstunden  sind  die  damals  io  KGln  üblichen,  6,  7, 12, 1  u.  4  Ubr. 
Am  Samstag  um  4  Ubr  werden  Epistel  und  Evangelium  gelesen, 
Sonntags  um  12  Uhr  Eudid,  und  um  4  Ubr  der  eben  (1565)  er^ 
schienene  Katechismus  des  Oanisius  erklärt.  An  den  übrigen  Fest- 
lagen waren  dieselben  Uebungen,  und  ausserdem  noch  in  der  Früh 
um  6  Uhr  Erklärung  der  Fest-Epistel  und  des  Evangeliums. 

In  der  Rhetorik  waren  die  Auktoren  Cicero  und  die  Dialektik 
des  Cornelius  Valerius,  die  Stunden  wie  in  der  Dialektik;  die 
Uebungen  an  den  Samstagen  und  Sonntagen  waren  mit  Ausnahme 
des  Euclid  beiden  Klassen  gemeinsam.  An  den  Sonntagen  um 
12  Uhr  musste  ein  Rbetoriker  eine  Rede  vortragen,  und  um  die- 
selbe Zeit  an  den  Festtagen  war  Vorlesung  aus  den  Tabulae  Cor- 
nelii  Valerii. 

Die  Grammatik  war  in  zwei  Klassen  geteilt;  beide  hatten  die 
gewöhnlichen  Stunden  wie  die  anderen  Klassen,  dazu  aber  noch  eine 
Stunde  um  9  Ubr;  Uauptauktor  war  Cicero,  die  Grammatik 
von  Despauterius.  In  beiden  Grammatikalklassen  werden  die 
Kompositionen  von  den  Lehrern  verbessert  und  häufige  Wieder- 
holungen gehalten.  An  den  Samstagen  wird  um  12  Uhr  Evan- 
gelium und  Epistel  des  folgenden  Sonntags  erklärt,  um  4  Uhr 
wird  der  Kleine  Kateclüsnuis  gelernt,  ein  Auszug;  aus  Oanisius 
(von  P.  (ioudanus).  am  Sonnta«;  um  12  Uhr  wohnen  die  Grammatikal* 
scbfller  dem  Vortrag  in  der  Khetorik  bei. 

Als  Lehrer  sind  genannt  Franz  Oester  für  die  Dialektik  und 
Heinrich  Donysius  für  die  Disputation  am  Freitag;  letzterer  hatte 
aber  aucli.  wie  unsere  handschriftliche  Quelle  meldet,  die  Katechese. 
Aus  derselben  Quelle  ergiebt  sich,  dass  V.  Johannes  Rethius  die 
Rhetorik  und  Johannes  ( "atena  die  Gramniatik  lehrte:  Catena  wurde 
aber  schon  im  März  die  Dialektik  des  Cornelius  Valerius  an- 
gewiesen, während  die  Grammatik  zwei  andere  Lehrer  erhielt, 
nämlich  die  höhere  M.  Gregorius  Fabius  Dionantensis.  die  mittlere 
(niedrige)  M.  Johannes  BerckeUus  Buscoducensis.   Unter  diesen 

■ 

*)  Ordensbesitz. 

9* 

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182  MitteUuQgen  d.  Gee.  t  deutsche  Erziehiings>  u.  Sehiilgeecb.  Vm. 


sechs  Lehrern  waren  mithin  vier  Niederlflnder  und  zwei 
Kdlner.i) 

Ben  Studienplan  (Ur  das  Wintersemester  1&58  teilt  P.  Bethius 
in  einem  Briefe  vom  30.  November  1558')  mit:  derselbe  sei  etwas 
verindert,  werde  aber  im  Frühjahr  mehrverftndert  An  den  Festtagen 
werden  nach  der  Deklamation  in  der  Rhetorik  Cicero  de  inventione, 
das  4.  Buch  ad  Herennium  und  die  Reden  pro  Milone  et  pro  rege 
Deiotaro  erklärt;  in  derscholapoetica,dlealso8cbon  im  Sommersemester 
1558  beigefügt  worden,  die  Aeneis  und  Horaz*  Episteln. 

In  den  gemeinsamen  Vorlesungen  werden  nachmittags  Cicero 
de  offidis  und  morgens  mit  Clenard*)  die  Todfengespriche  von 
Lucian  erklärt.  Es  waren  im  ganzen  6  Klassen  und  7  Lehrer. 

Der  Plan  für  das  Wintersemester  1559,  der  im  wesentlichen 
erhalten  ist  in  einem  Briefe  des  P.  Oester  vom  6.  Januar  1559^), 
weist  keine  bedeutendere  Aenderung  auf.  Hier  erscheint  zum  ersten 
Male  der  Catecbismus  brevior  des  P.  Canisius  in  den  unteren 
Klassen,  die  Jesuiten  hatten  ihn  in  Kdln  November  1558  drucken 
lassen;  derselbe  erlebte  in  dem  einen  Jahre  1559  vier  Auf< 
lagen.') 

Für  das  Schuljahr  1561/62  liegen  handschriftlich  zwei  voll- 
ständige Studienpläne  vor^),  der  erste  für  das  Sommer  -  Semester 
von  Ostern  bis  Allerheiligen,  der  zweite  fUr  das  Winter  -  Semester 
von  Allerheiligen  bis  Ostern.  Die  Philosophie  umfasst  im  Sommer- 
Semester  zwei  Klasst'ii:  Physik  und  Logik;  die  Physik  hat  drei 
Stunden,  6,  9  und  12  Uhr,  Auktor  ist  ausschliesslich  Aristoteles, 

»)  VergL  Pachtler  iL  U.  P.  II,  140.  Hansen,  Kheimache  Akteu  zur  Ge- 
schichte des  JssuiCenordsna,  286  f. 

-»  Orig.  Ordensbesitz. 

^)  Nicht  Leonardo,  wie  r-,  Vioi  Flanöcn  S.  31"^  lii'it»st.    Clcnard  wurde 
häufig  auch  rioouurd  geschrieben,  duhcr  wohl  der  Irrtum  des  Kopisten. 
*l  Uqi  Hansen  S.  al9  ff. 

^  II.  P.  CanisU  BplstuUe  II,  890.  P.  Relhiua  Bchr«ibt  am  2.  Januar  1658: 
Parvus  Catoehierous  F.  Canisil,  quem  Grammaticus  nostris  praeleglmus  drea 

festiim  Epiphuniao  secuiido  imprimetur:  circa  feHtura  Paschao  impressus  est 
primo.  Mai"»r  praeti>r(|uam  (|uod  Viennao  Lovanii  etinm  ft  Loodii  improssua 
est,  impriuicrctur  et  Culoniüü  ni  Kcgiä  priviiugiuin  obsturer.  Orig.  Urdcns- 
besits.  Der  hier  von  Retbius  genannte  Porvus  Catechismus  ist  der  obige 
von  P.  Goudanus  verfertigte  Aussug.  Derselbe  ivird  auch  Conpendium 
Caniftii  genannt.  Der  von  Canisius  solb'^t  vorfortigto  Auszug  wird  gewöhn- 
lich nach  .seinem  Tito!  al^  Parvus  catechismus  ( 'ntholicoruni.  jodoch  anch 
wie  der  Auszug  vun  (iuudau  alä  Purvus  Catechismu:^,  Ctttechü^uiue  miuor 
oder  Cumpendium  aufgefAhrt. 

^}  Sie  folgen  unten  als  ^r.  2  und 


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i).  Die  älteaten  StudienplAne  des  Jeauitengyiunasiumn  iu  Köln.  133 


dies  u'ilt  auch  von  derLugik;  Ui«'  ollVntlichpii  Disputation»'!)  sind  in 
der  Lugik  Montags,  Mittwochs  uud  Freitags  um  4  Uhr,  an  ilent'n 
aber,  nach  dem  Wiiiterplan  zu  schliessen,  auch  die  Physiker  teil- 
nefamen  mUsseQ.  Die  Übrigen  Klaaseu  haben  täglich  vier  Stunden, 
um  6,  9.  12  und  4  Uhr.  In  der  Rhetorik  waren  die  Auktoren 
Cicero,  Bemosthenee,  die  Syntax  des  Varennius  und  die  Dialektik 
des  Hunnaeus.  Die  Poesie  liest  Vergib  Cicero,  Aristophanes,  ihre 
griechische  Grammatik  ist  Clenard.  Die  Grrammatik  ist  wieder  auf 
zwei  Lehrer  verteilt:  die  obere  Grammatik  liest  Cicero,  ihre  latei- 
nische Grammatik  ist  Despauterios,  tftglich  eine  Stunde  Griechisch. 
Die  untere  Grammatik  hat  denselben  Auktor  und  dieselbe  latei- 
nische Grammatik,  dabei  tAglich  eine  Stunde  grammatikalische 
Uebungen.  Die  drei  oberen  Klassen  haben  gemeinsam  Samstags 
um  4  Uhr  eine  Vorlesung  Uber  das  Evangelium  des  hl.  Mattfaaeus. 
am  Sonntag  um  4  Uhr  Katechismus  des  Kaisers  (Canisius). 
Sonntags  um  12  Uhr  h9ren  die  beiden  Kurse  gemeinsam  die  Voi^ 
lesung  aus  der  Spiiaera  des  Job.  de  Sacrobusto,  um  dieselbe  Zeit 
müssen  alh*  aii<I«>reu  ScliUler  den  Deklamationen  der  Pootrn  und 
Rhetoriker  beiwohnen.  Sonnta-js  um  6  Tin  wird  fiir  die  SchUler 
der  drei  untersten  Klassen  das  Tagesevangelium  erkl&rt. 

Der  Studienplan  fttr  das  Winter- Semester  1561/63  weist  bei 
den  philosophischen  Klassen  eine  Vorbereitungsklasse  für  diejenigen 
auf.  welche  unmittelbar  vor  dem  Magisterium  stehen.  Ausser  den 
Disputationen  hört  diese  dritte  Stufe  die  Metaphysik  des  Aristoteles 
in  täglich  einer  Stunde,  um  9  Uhr,  und  repetirt  täglich  um  1  Uhr 
die  froheren  Jahre.  Für  Philosophie  und  Rhetorik  hat  der  Studien- 
plan  6  Stunden,  eine  mehr  als  im  Sommer,  nämlich  um  6,  7, 
9.  1  und  4  Uhr,  also  auch  im  Winter  trotz  der  Duokelheit  die 
erste  Stunde  um  6  Uhr. 

Täglich  um  4  Uhr  ist  Disputation  für  Logiker  und  Physiker, 
ausserdem  zweimal  in  der  Woche:  Sonntags  um  2  und  Donnerstags 
um  5  Uhr  Disputation  der  Logiker  gegen  die  Physiker. 

In  der  Rhetorik  finden  wir  die  schon  frilher  genannten  Auk- 
toren, aber  mehr  Uebungen;  die  Rhetoriicer  müssen  der  Reihe  nach 
an  den  Sonn-  und  Festtagen  vor  allen  ScbQlern  und  Lehrern  eine 
auswendig  gelernte  Rede  vortragen,  ferner  müssen  sie  aUe  wöchent- 
lich eine  Rede  ausarbeiten  und  in  ihrer  Klasse  aushängen,  so  dass 
sie  von  ihren  Mitschülern  verbessert  werden  kann.  Mittwochs  um 
5  Uhr  ist  für  Rhetoriker  und  Poeten  gemeinsam  Disputation  über 
lateinische  und  griechische  Grammatik  und  Metrik.  Täglicli  von 


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134   HitteSIungen  d.  Ge».  f.  dentoche  Enlebiuig»-  u.  Schulgesch.  VIIL 


5  Mb  5Vs  Ubr  haben  die  Rhetoriker  Bisputationsübungen  Uber  Gegen* 
attnde  ihrer  Klasse. 

In  der  Poesie  treffen  wir  ausser  den  oben  erwähnten 
ßacberu  die  Tabulae  des  MurmelUus  und  Ovid  de  Trist.  Sonntags 
und  Samstags  um  4  Uhr  wird  der  Idetnere  Kateebismus  des  Oanisius 
erklärt  Sonntags  um  i  Uhr  ist  Deklamation.  Die  Poesie  und  die 
folgende  Klasse«  die  obere  Grammatik,  hat  6  Stunden,  die  Poesie  um 
6,  7.  9,  11,  1  und  4  Uhr.  die  obere  Grammatik  um  6,  7,  9, 12. 1  und 
4  Uhr,  auch  hier  trotz  der  Häufung  der  Stunden  doch  nie  mehr  als 
zwei  Stunden  unmittelbar  nach  einander,  die  untere  Gnunmatik  hat 
wieder  5  Stunden,  um  6,  7,  9,  12  und  4  Uhr.  Für  die  beiden 
Grammatikaiklassen  sind  die  Bücher  und  die  Katechismusstunden 
dieselben  wie  im  Sommer-Semester. 

Die  gemeinsamen  Stunden  für  die  oberen  Klassen  zeigen  die 
Aenderung,  dass  an  den  Sonntagen  um  4  Uhr  nicht  wie  im  Sommer 
Katechismus,  sondern  Apologetik  gegeben  wird,  mit  besonderer  Be* 
rficksichtiguDg  der  schwebenden  Kontroversen  und  um  t  Uhr  eine 
Vorlesung  fOr  die  Philosophen  aus  (Mela)  Pomponius  de  statu  orbis. 

Wie  diese  Uebersicht  zeigt,  haben  wir  es  iü  Külu  mit  einer 
mächtig  aulstiebüuden  .Schule  zu  thun.  weklie  sicii  schnell  aus 
einem  Gymnasium  mit  4  Klassen  zu  eiiit  in  solchen  mit  6  resp. 
7  Klassen  entwickelte,  Aristoteles  zur  Üiundlage  für  die  Phiiu- 
ßophie,  Cicero  für  die  klassischen  Studien,  die  damals  am  meisten 
gebrauchten  Grammatiken  der  Niederländer  Clenard  (Ivle)  uards)  und 
Despauterius  (van  Pautern)  zu  Wegweisern  für  den  grammatikalischen 
Unterricht  bestimmt  in  den  ebenfalls  herkflmmlicben  Uebungeu  und 
Disputationen  sich  kaum  genug  thun  kann.  Es  ist  deshalb  auch 
nicht  zu  verwundern,  dass  der  jungen  Schule  von  allen  Seiten 
Schttler  zuströmten,  so  dass  in  den  Jahren  1557 — ^59  850  SchOler 
inskribiert  wurden,  und  im  Jahre  1560  die  Schule  bereits  neben 
128  Internen  500  Externe  umfasste'). 


Für  die  Koatroverae  hattan  Dionysius,  Custer,  Rethlua,  SonMliui, 
aU  aie  lo56  von  Rom  nach  KOlo  geaehickt  wurden,  io  ibrer  bistruktlon  die 

Weisung  erhalten,  dabei  besonders  auf  Liebe  und  Bescheidenheit  zu  achten, 
die  katholische  Lehre  solid  zu  hewpigon  und  nicht  gegen  die  Häretiker  zu 
poltern,  die  dadurch  nur  noch  mehr  erbittert  würden.  Dio  ^auze  Instruk- 
tion bei  Banaen  S.  S68.  Aelinlieh  lautet  die  Anweisung  fOr  die  Jesuiten, 
<Ue  lo56  nach  Ingolatadt  gesandt  wurden:  M.  G.  P.  IX,  458  s.  und  Üartaa  de 
San  Ignacio  de  Loyola  VI,  506,  S09. 

V  Vergl.  Hanaen  8.  882.  804. 


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Die  Uteeten  Btudtonpllne  d«»  Jesnitencryiniiasiunis  in  KOln.  136 


Die  Verteilung  der  SchOler  auf  die  eiiuelneo  Klassen  stellt 
sich  für  die  Sommer -Semester  1560  und  1561  folgendermaassen: 


16Q0 

1561 

Physik 

22 

25 

Logik 

36 

S2 

Rhetorik 

6S 

52 

Poetik 

60 

96 

2.  Grammatik 

T6 

110 

1.  Grammatik 

U8 

160 

402 

475 

Was  die  NationalilAt  der  Schaler  angeht  so  wiegen  die 
Niederlander:  Belgier  und  Holländer  vor,  und  gerade  aus  den  Orten 
Anden  wir  viele  Schüler,  wo  bis  vor  Icurzem  die  blühendsten  Schulen 
der  Fraterherren  bestanden  hatten,  so  aus  Wesel,  Deventer.  Zwolle, 
Lattich^  u.  8.  w.  Wie  Lehrer  und  Schttler  zum  guten  Teil  niedei^ 
läodisches  Gepräge  traget),  so  gilt  danselbe  auch  von  den  Schul« 
biichern,  wie  JDespautorius.  Clenard.  MurineHius^i. 

Aus  diesen  Umständen  läsät  sidi  schon  in  etwas  die  Frage 
beantworten,  ob  die  Krduer  Jesiiiteu  ihre  Studien-Ordnung  aus  den 
niederländischen  Schulen  der  Fraterherren  direla  —  oder  iudireiit  mit 
dem  Umwege  über  Sturm  geschöpft^). 

Im  allgemeinen  mussten  sich  die  Jesuiten  an  der  Ordnung 
der  Kölner  Schulen  halten;  man  drang  von  Seiten  der  Universität 
wiederholt  darauf,  au  dem  herkömmlichen  Unterricht  nichts  zu 
andern.  Die  KölnfM*  Schiilf^i  hatten  aWcr  schon  wcircn  der  Xach- 
barscliart  durch  iiiudcrläiKiisrh»'  l.t'lHer  und  Schüler  in  steter  Ver- 
bindung mit  den  iiiederländisciicn  Schulen  gestanden.  Waren  diese 
fast  «lle  durch  die  kirchli<'luMi  und  {Miliiischen  Wirren  von  ihrer 
früheren  II«»he  herabgesunken,  so  war  es  ganz  natürlich.  da.ss  nun 
noch  melir  Schüler  der  Rbeiuiächeo  Metropole  zuströmten,  uud  uo 

>)  Nach  den  Belichten  bei  Hassen  S.  888,  894. 

^)  Dies  erglebt  eich  ana  den  SchfllerverieichniMeii  in  nneerem 

Sammelbande. 

*)  Als  man  fttr  Praiiz  Coater,  der  gleich  von  Anfang  an  emer  der 
bedentendeten  oder  der  bedeutendste  Lehrer  an  der  KOhier  Schule  war, 
dessen  xurflckgelassene  Bücher  aus  Löwen  im  Jahre  1552  reqnlrlerte, 

wurden  namentUch  genannt:  grammatica  Clenardi,  greca  et  hebraica,  Jo- 
nnniä  Isaric  biblia  et  annotationes  sub  Adamo  et  in  magistrum  eententiarum, 
Flinii  naturulia  hiatoria  cot.    Hansen  S.  204.    Vergl.  S.  204^. 

*)  Dasa  Sturm  seinen  Plan  nach  den  niederländischen  Mustern  ein- 
gerichtet» Steht  fest    S.  Dahr,  Stadienordnung  der  Oeeellsdiaft  Jesn, 

B.  6ir. 


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136   lOtteavngen  d.  Ges.  t  deutsche  Ernshungs-  u.  Selmlgesch.  VID. 


treffen  wir  denn  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  besonders 
viele  Schaler  aus  den  Niederlanden,  wie  bereits  hervorgehoben 
wurde. 

In  den  zwanziger  Jahren,  als  Stonn  in  den  Schulen  von 
LQttieh  und  Löwen  studierte,  wurden  in  Köln  neben  dem  Evan- 
gelium des  hl.  Lucas  und  den  Briefen  des  hl.  Paulus  in  der  Schule 
u.  a.  gelesen  Lactanz,  Ovid  Metamorph,  und  Clceroa  Briefe*). 
Uauptauktor  in  der  Philosophie  war  Aristoteles,  iu  der  Rhetorilc 
Cicero,  in  der  Mathematilc  Euclid,  in  der  Poesie  Virgil 

Vergleichen  wir  nun  unsere  Kölner  Plftne  mit  dem  Lfltticher 
Plan,  wie  ihn  uns  Sturm  flberliefert  hat.  Die  Angaben  in  seinem 
Ratschlag  vom  24.  Februar  1538  besagen,  wenn  wir  von  der 
Theologie  (1.  Klasse)  absehen:  2.  Klasse  Aristoteles  Organen; 
3.  Klasse  Wiederholung  der  Dialelctik,  Rhetorilc;  4.  Klasse  Grie- 
chische Grammatik,  Dialektik  und  Rhetorik;  5.  Klasse  Wieder- 
holung der  lateinischen  Grammatik,  Rudimente  der  griechischen 
Sprache;  6.  Klasse  Lateinische  Grammatik.  (7.  und  8.  Elementar- 
und  Vorbereitungsklassen.)^  Ganz  genau  di^eiben  Elemente, 
Philosophie,  Rhetorik-Dialektik  und  Grammatik,  sind  auch  im  ersten 
Kölner  Plan  enthalten. 


M  nn^f»rm  Sammelband  l  ofindet  sich  oin  Zettnl  von  der  Haiui  des 
P,  Grothaua  oiiii^ohettet,  der  besagt:  , Circa  a.  lä*2ö  Cüloaiae  docueruut  s. 
praelegeruDt  hoa  Ubros:  Eraami  parapbraalm  in  Epat.  1.  ud  Corioth ,  iu 
Bpst.  ad  Rom.  Colon.  1524,  Braami  Antibarbaronim  librum  Colon.  1524,  Bviui' 

gelium  S.  Lucae  cum  vita  Lucae  et  argum(>ntu  capitum  per  Erasmum,  ibidem 
ejus  judicium  dr»  Ii!  lis  Canonicia.  C.  Lact.  Firminiaiii  lit.  VII.  Instit.  divin. 
Coloniae  I.')24.  Motamorpbos.  Uber  III.  Ciceronia  epidtoL  üb.  X  et  III.  Vidi 
tAlcm  tumuin  pervetuatum.  Coloniae  1652.  28.  Sept," 

■)  IndenKöluorStatutarol'ormatal'aeultutiöurtiuiu  vuiuJalirü  1.^22 heit^üt 
esin  dem  Caput  dwlmumdelibrtolegeniliaetexercendisUibiiinterpretandi  .  . . 
Metaphyt^lces  . . .  Aristotelis  una  cum  Rhetoiiea  Ciceronis,  et  in  mathe« 
iiiati<  i.s  duo  prlnii  libri  Euclidis,  prrfppctiva  communis  et  spha^^ra  matp- 
rlaliö  .  .  .  Epislolae  familiäres  Cicerouisi.  Philelphi,  aut  quornml'het  aliontm 
dicendi  ecribeudiquo  praecepta  Iradentium,  libri  otiiciorum  Cicon)nis  et 
pjoadem  opuscttla  de  amicitia,  de  »eneetute  et  parodoxla  Inacripta.  Libri 
Bucolicorum,  Georgicorum  et  Aenaidoa  Virgil tl  Maronls  .  .  .  Nolumusin- 
supor  praeteriri  Dominicls  et  aliis  diebus  foatia  expositionet^  Hyninorum. 
Sequentiarum,  Rvangeliorum  et  epistolarurn  iuxta  exigontiatn  tompo- 
riim;  sed  pro  rudioribus  schulasticis  legi  dobeut  praecepta  moraiia  Cathonis 
aeu  euiuapiam  alterlue  aJmiUa  tradentis."  Auch  die  Disputationen  nebman 
in  dieser  Stadienordnung  einen  brüten  Raum  ein.  Bianco,  Die  alte  Uni- 
veraitat  Köln.  I.  Anbang,  S.  297  IT. 

Vergl.  Duhr,  Studienordnung  der  GeMlUchaft  Jesu,  S.  9. 


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9.  Die  ältesteik  ätudieiipliUie  ded  Joduitengyinitasiuiua  iu  Köln.  137 


Dk  Aiiktureu,  welche  Sturm  iu  seineu  Plan  aninahiu,  waren: 

1.  Klasse:  Deniostlioiies.  Pliilipp.,  Cicero.  De  |tartitioue  und  de 
ufliüüs,  au  deu  Soüulugeu  Brief  des  hl.  Taulus  au  die  Colosser. 

2.  Klasse:  Cicero,  Virgil,  Lucian;  Samstags  Acta  Apostol.  3.  Klasse: 
Olenard  —  Giiedüsehe  Grammatik,  Murmellius  —  Verslehre,  Virgil. 
Oiceio;  Sonotags  Eatochismus.  4.  Klasse:  Syntax  des  Erasmus, 
Lateinische  Grammatik  von  Melandithon,  Giceros  Briefe,  Samstags 
und  Sonntags  Katechismus.  5.,  6.  und  7.  Klasse:  mit  Ausnahme 
Ton  Erasmus  dieselben  BQcher  wie  io  der  4.  Klasse.  8.  und  9. 
Klasse:  Elementarschule*). 

Es  sind  also  die  nftmlichen  Auktoren  wie  in  Kdlu,  mit  Aus- 
nahme von  Erasmus  und  Melanchthon.  Vergleichen  wir  zugleich 
den  Plan  des  Kölner  Gymnasialdirektors  Jacob  Leichius  vom  Jahre 
1552^  mit  dem  Kölner  Plane  vom  Jahre  1557,  so  erscheint  in 
einigen  Einzelheiten  die  Aehnlichkeit  mit  Sturm  grösser  als  die  mit 
Leichius. 

Um  noch  klarer  zu  sehen,  mUssen  wir  einen  Blick  werfen  auf 
den  Lebenslauf  des  Mannes,  der  als  einer  der  Haupturheber  der  Kolner 
Plaue  gelten  muss,  es  ist  der  Rej^ens  der  Dreikronenburse,  P.Rethius*). 
Johann  \:m  Reidt  (Redt,  Riedtus,  Rethius)  war  gel>oren  zu  Köln  im 
Jahre  1532  als  ältester  Sohn  des  Kölner  RUrgermeisters  Johann 
van  Heidt,  der  in  nahen  Beziehungen  zu  den  Humanisten  stand, 
insbesondere  zu  Erasmus,  Johann  Oaesaiius  und  Ja^ob  Sobius. 
Letzterer  hatte  ihm  1525  seine  Liviusausgahe  dedicirt.  Johann 
Caesarius  aus  Jülich  hatte  in  Köln  lautiere  Zeit  gelehrt  und  starl» 
dort  liei  den  Fraterherren  frst  1550.  Sturm  nennt  ihn  in  der  Vor- 
rede zu  dem  2.  Bande  der  Briefe  Ciceros :  „oiuniuiu  nostrunj 
parens  Capsfirius.-*  Her  junire  van  Reidt  .studierte  in  W'tstfalen. 
Köln  und  l'aris^j.   Da  der  Freund  des  V^aters,  Caesarius.  wiederholt 


>)  Duhr,  S.  10  f. 

*)  In  mueim  Samaelband«  ftodat  Bich.  «Ratio  qaaedam  initittteiidi 
iUTentatem  novi  apud  Colon.  Agripi».  Senatua  C!oU«gtt  prid.  Non.  D«e.  1662 
mihi  (P.  Rethio)  et  College  a  primate  et  Dno  Xustro  D.  Jacobe  Leichio 
proposita."  Hier  werden  u.  n.  Ciceros  Briefe  in  der  Auagab«  von  Starm 
für  die  Stunde  von  12—1  vorgeschriebeD. 

So  unterschreibt  er  sieh  später  gans  regelmässig. 

*f  Zu  einem  Fragebogen,  welehen  P.  Natalie  als  Vlsitator  den 
Einzelnen  vorlegte,  antwortet  P.  Retblua  auf  die  Prag«,  iraait  er  aleli  tot 
eeinem  Eintritt  beschäftigt:  .Ante(|uam  in  Societatem  reciperer,  mater  me 
suetentabat  in  studio  partim  apud  se  partim  in  Vestphalia,  et  exiguo  tem- 
pore in  Gallia  FarisUa;  tunc  autem  cum  ad  societatem  admitteror  docebam 
Colonlae  In  buxaa  nova  Üoronanun."   Orig.  Rom,  Staatsarchiv. 


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138    Uttteiluiigeii  d  Gm.  f.  deutoch«  Entobunge-  u.  Bchulgeseh.  Vin. 


in  Monster  als  Lehrer  gewirkt  uMd  das  dortige  Gymnadiim  eine  so 
grosse  Bedeutung  erlangt  hatte,  dttifen  wir  vielleicht  annehmeD» 
dass  ebendort  Ketiiius  wenigstens  einige  Zeit  zugebracht. 

Wüi  ^liiuHter  büsiiien  wir  einen  Lektionsplan  von  1551,  der 
einen  guten  Teil  derselben  Hilfsbttcher  und  Uebungen  aufweist, 
wie  der  Kölner  Plan  von  15571).  Der  Verfasser  des  Mttnsteriscbeti 
Planes  war  der  Humanist  Kersseubroich;  derselbe  hatte  litngere 
Zeit  in  Köln  studiert  and  war  dort  1511  Baccalaureus  der  Philo- 
sophie geworden.  In  Monster  hatte  auch  Mher  Murmellius  als 
Lehrer  gewirkt. 

Auf  der  Küluer  I  niversität  tinden  wir  Rethiiis  immatrikuliert 
am  19.  Juni  1546,  und  1.  Miiri  1550  uU  Magister  artium  *).  Gegen 
Ende  dieses  Jahres  (1550)  schloss  er  sieh  der  aufblähenden  Ge- 
sellschaft Jesu  in  KOln  an,  aber  in  einem  loseren  Verbände,  was 
auch  seine  Reise  nach  Paris  im  Jahra  1551  zeigt,  wo  er  sich  kurze 
Zeit  aufhielt  und  dann  wieder  nach  Köln  zurückkehrte.  Im  Mai 
1552  schickte  der  Kölner  Kektor  die  GelObdeformel  des  .P.  Redt' 
nach  Rom.  Im  selben  Jahre  bewarb  sich  Rethius  um  eine  Lehrer- 
stelle an  der  neuerrichteten  Dreikronenburse,  wie  er  des  weiteren 
in  einem  Briefe  an  Ignatius  berichtet.  Leichius,  der  Leiter  der 
Burse.  nahm  den  P.  Rethius  gerne  an;  er  las  täglich  zwei  Stunden, . 
entweder  Ciceros  Briefe,  Caesar,  Livius  oder  Ovld,  daneben  studierte 
er  fOr  sich  besonders  Cicero  und  HebrRiscb'). 

Wie  die  in  der  Burse  gebrauchte  Ausgabe  Ciceros  von  Sturm 
war,  so  lernte  Rethius  bei  Leichius  auch  andere  Ausgaben  und 
Grammatiken  von  Protestanten  kennen,  denn  hier,  so  schreibt  er 


1)  Der  Plan  bei  Krabbe,  Geac^ichtl.  Nachrichten  Ober  die  hdharan 

LehrauBtalteii  in  Münster.    Münster  1852,  S.  76. 
-)  UanaoD,  Kheinischf?  Akten,  S.  ir>4. 

»)  Aus  eioom  uai^edrucktea  Briefe  (Sept./Oktob.?  1552);  .Placuit 
mihi,  agocum  D.  Jacobo  Leichio  gubernatore  Collegli,  qaocuin  et  ante  ad 
tempns  IbmUiariter  vixeram,  me  recepit.  Logo  ita(|ue  nunc  in  novo  isto 
roronarum  Cnlloyio  dirabiis  horin  ([UDtidio:  ]>rima  vel  Cicoronis  epistolag 
ea^,  quag  tamiliarGs  Yulfxo  vocant.  vel  Caesaris  commonturia ;  pt  tiuarta  nunc 
concioues  aliquot  Liiiii.  nunc  de  trUtlbus  Ouidium  et  haec  diebus  profanis. 
Featis  enim  temel  tantum  et  qnidem  proverbia  Salomonia.  Inatitui  hie 
qttldem  Gimmmatieoa  per  medium  pene  annum:  eontubeniiiim  vero  et 
mensam  habui  per  mensos  aulum  tres  .  .  .  Artos  igitur  dirnndi  diHgenrr>r 
dieco.  Ciceronem  atudiose  logn,  ad  Cirpronis  imitatioiipm  me  compoQO, 
linguam  germanicam  non  negligo,  Uebraicam  dieco,  ad  graecam  etiam  sab 
aeetatem  ut  apero  reverauma."  Es  folgt  Mine  Tagesordnung  an  Sonn-  und 
Werktagen. 


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9.  Die  ältesten  Stadienplane  dee  JesuitengynuiMiaiiw  in  KDln.  189 


Ende  1552  an  Ignatlas«  haben  viele  SchQler  Grammatiker  und 
Klasslicer  in  Ausgaben,  die  Ton  Protestanten  besorgt  sind,  einige 
auch  BOcher,  deren  Verfasser  Protestanten  sind*).  April 
1553  reiste  P.  Rettiius  mit  Franz  Goster  uad  andern  nach  Rom; 
auf  dem  Weg  dorthin  trieb  er  hebrfliscbe  und  griechische  Gram- 
matik. Oktober  1553  schreibt  Polanco,  dass  M.  Joh.  Riedt  in  Rom 
zuerst  noch  ein  Jahr  Philosophie  studieren  verde,  ehe  er  die  Theo* 
logie  beginnen  kdune^).  Mai  1556  kehrte  Rethius  mit  Coster  nach 
Köln  surück,  nachdem  er  kurz  vorher  zum  Priester  geweiht 
worden*). 

Der  dreijährige  Aufenthalt  in  Rom  von  1553—56  gab  Rethius 
hinl&nglich  Gelegenheit,  die  Studienweise  iu  Rom  kennen  zulernen*), 
zumal  er  auch  eini^re  Zeit  lang  dem  Rektor  des  CoUegiuin  Germar 
nicum  Aushilfe  leistete^).  Uebrigens  hatte  Polanco  wiederholt  die 
römischen  AnschauuDgen  über  die  Studien,  welche  sich  nach  den 
Ordnungen  von  Paris  und  Löwen  bildeten''),  nach  Köln  berichtet. 
Auch  hatte  Polanco  selbst  die  Verteilung  der  Fächer  und  der 
Lehrer  im  allgemeinen  für  Köln  bestimmt,  darunter  speziell  die 
Kosmographie  oder  Sphaera  oder  andere  Teile  der  Mathematik"). 
Von  Rom  aus  erbat  man  sich  auch  (Dez.  1556)  Dramen  zur  Auf- 
führung in  den  Schuicü,  da  man  in  Köln  über  keinen  Dichter  wie 

Wie  dit'  \'"'rhältiiisse  der  Kölner  Schule  und  der  Bildiiniri^- 
gang  ihres  Leiters  zeigen,  stoäseu  wii'  mithin  immer  wieder  auf  die 


>)  Uansea,  8.  214. 

^>  Pohwco  Chronieon  III,  2B4»  Rethius  schreibt  Mlbst:  „A  pnero  lit> 
teris  opemm  dedi:  ante  ingreiauin  SodetBtis  aitibos:  poet  RmnM  per 
aonum  phUoaophiam  ftudivl  et  per  aaoiun  »ut  Mnpllus  Theologiam.'*  Orig, 
Kom,  Staatsarchiv-. 

^)  „Sai  erdoa  tACtus  Bum  Komae  paulu  ante  quam  Coloniam  mitlerer 
ft  8.  m.  patre  nostro  Ignatlo."  Orig.  Rom,  Staatsarchiv. 

*)  In  eiaem  Brief«  vom  10.  Juli  1664  nennt  Rethius  als  Gegenstände 
des  Btudiumd  bei  den  Josuiteti  iu  Rom:  „in  publicis  schoUs  docet  tres  Utas 
linguas  theologia  utiHssiraas,  lutinam,  grersini  ot  hebream,  dialecticam. 
rhetoricam,  philuduphiaiu  et  eam  matbematicea  partem,  quo  vel  phiiosophta 
vel  graviorum  artium  professoribus  utilis  aut  neeessaria  est,  et  sacram 
quoqne  theologlam.'*  Hansen,  8.  219. 

^)  „Jttvi  Rectorem  in  coliegio  Germanleo  Romae.*^  Orig.  Rom,  Staats« 
Archiv. 

^  Vergl.  Duhr,  Stuilienurdnung,  S.  5.   Brauosberger,  B.  Pet.  Caniaii 
£piatulae  I,  2bL  Polanco  Chrouicon  I,  H7|. 
')  Hansen  8.  268  f.  VergL  S.  268. 
Hansen  8.  284. 


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140    MUteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bndehungs-  u.  Schulgeseh.  VIII. 


Quellen,  aus  denen  Sturm  selbst  geschöpft,  auf  die  niederlftndiscben 
Schulen  und  die  niederlftndischen  Humanisten,  mögen  wir  den 
Kölner  Plan  von  1522  oder  den  Mfinster'scben  von  1551  oder  die 
Anschauungen  in  Rom  oder  die  niederländischen  Schulbücher  ins 
Auge  fassen.  P.  Rethius  brauchte  also  nicht  indiielct  aus  Sturm 
zu  schöpfen  1),  was  ihm  aus  den  direkten  Quellen  gleichsam  wie 
von  selbst  zufloss.  Ob  P.  Rethius  als  ein  rastlos  thatiger  und  voran- 
strebender Schulmann  nicht  auch  die  Schriften  Sturms,  besonders 
die  Uber  die  Einrichtung  der  Schulen  vom  Jahre  1538,  eingesehen 
und  wenigstens  fOr  einzelne  Modifikationen  benutzt,  ist  möglich, 
aber  bis  jetzt  wenigstens  nicht  uachgewiesen.  Wie  man  aber  auch 
diese  Frage  beantworten  wird,  an  dem  Hauptresultiite  unserer 
Untersuchung  icaun  sie  nichts  ändern:  die  Kölner  Jesuiten >(hule 
steht  in  dem  Verhältnis  direkter  Abkunft  von  der  alten  Kölner 
bezw.  der  alten  niederländischen  Humanistenschule:  tlie  direkte  und 
indirekte  Verbindung  mit  den  Ausläufern  des  niederländischen 
Humanismus  war  so  stark,  dass  in  diesen  Traditionen  und  Verbin- 
dungen die  orste  iiiid  hauptsächlichste  Quelle  für  unsere  Kölner 
X^läue  erblickt  werden  muss. 

N.  1. 

Tabula  leotionum  ImJuB  Coronamm  Collegü. 
1557.  Kaiend.  Maij. 
In  Classe  Dialevtieorum. 
NB.  Primua  lectionmn  Catalogus. 

Hora  ü.  iiiatuliiia  praelegeiitur  vores  Porphyrii; 

deinde  Ari&totelis^). 
Hora  7.  lectionis  fiel  repetitio  jaxta  dispqtationem. 
M.  Franc.  Costerus.   {  Hora  1%  Aristotelis  Analytica  priora»  et  posteriora. 

Hora  prima  lectionis  repetitioni  quoQue  adUangetar 
disputiitio, 

Hora  I"  Sjihaera  inuiidi  Johannis  Sacn  ljiisti 
M.  Henr.  Dioaysius.   Diebus  Yeneris  hura       Vespertiua  dibputabitur. 


^)  Die  Kölner  Jeauiteu  suchteu  ihre  LektioDspliinB  uborallhia  zu  ver- 
braiton;  so  sandten  sie  dieselben  «neh  nach  Straasburg.  Rethiua  sehT^bt 
am  2.  Janvar  1568:  ««Agimus  ifltvr  per  amlcos  noatroa  virOs  bonos  et 

selosos  ut  catalogi  nostri  perveoiant  in  manna  eornm,  qui  litteris  dajit 
operam  Vltieiibürgoo  .  .  .  Lipsiae  ©t  Argentorali  .  .  .  Uac  ntiono  iam 
Cataiogi  miasi  sunt  Eiaiaüiuin  .  .  .  Argon'.iii.iin.  *  Orig. 

Am  Hände  steht:  Aiuiitures  e  nris  ä.  «J.  sunt:  Ueuricua  S^onialius, 
Franc.  Hemerolua,  (DachTerliea),  Petrua  Hauptius,  Ooawlnua  Hotteau, 
(Hottaeua,  Hottenus),  Stephan.  Weber. 


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9.  Die  ältesten  StncUeoplKoe  det  JeeuiteogyinnMloma  in  KOlo.    14  t 


U.  Goatenis.   Sabbalhinii  etdem  hora  Epfitola  et  Evangeliiim  legentnr. 

Domüiicis  hora  dnodedma:  Euclidis  Megarensis  Geometricorum  Elemento- 
nun  libri  praelegentnr;  et  üsdem  diebus  hora  4^  ezponetar  Summa  doc- 
trinae  christianae  in  usum  Christiaiiae  Pueritiac  per  qnaestiones  recens 
conscripta  et  jussu  ac  Autboritate  Sacratissimae  Rom.  Uung.  Bobem.  etc. 

Kegiae  Majrst.  edita^. 

Reliquis  purro  festivis  diebus  et  iu  iisdem  exercebuutui-  aatboribas,  et 
praetefea  mane  hon  6**  Eiplicationi  Epistoh»  et  Evangelü  flUiat  4iä 
interenmt 

In  Classe  Rhetorum'). 

Hura  äcxtu  Marci  TulliJ  Ciceronis  Pbilippicae  in  Marcum  Antonium 
corrigentur^). 

Hora  12.  CSceroBis  de  partidpatione^)  oratoria  Diatogns. 
Hora  prima  idem  fiet  qood  mane  hora  eeptima^). 
Hora  It».   Tabulae  Dialectices  Gomel\j  Yalerij. 
Diobus  Sabbadnis  et  dominicis  hora  quarta  et  caeteris  diebaa  festivia 
atiam  hora  sexta. 

His  lectiones  coiniiHines  ornnt  ctiin  Dialecticis,  sed  Dominicis  diebus 
hora  duodecima  unus  corum  qui  orationem  proauotiabit  et  in  caeteris  festis 
eudtiu  iiora  Tabuhis  Comelij  Valerij  audieat. 

In  primä  Classe  Gramnitticoram. 

Hora  G  et  7  tima  opus  Johaonts  Despauterü  de  lyntaad  sen  emen- 
data  structur.i  ladni  sermonis. 

Tlora  9.   M.  TulUj  Ciceronis  Laeiius  sive  de  amicitia  Dialogus  ad 

AtticuiD. 

Hora  12.  et  prima  M.  TiiUij  Ciceronis  Epistoiarum  libri  XVI. 
Hora  4.  mrsnm  DoBpautcrius  de  emendata  structnra  latini  serraouis. 

In  sccunda  Classc  Grammatieoram. 

Uova  Q.  et  7  tima  Despauterius  de  generibus  ac  declinationibua 

nuniinuiit. 

Hora  9.    il.  TuUij  Ciceronis  selectarum  Epistoiarum  libri  tres. 

')  Der  genaue  Titel  der  mir  Torliegenden  aeltenen  sweiten  Ausgabe 

dea  Katcchifimus  von  Canisiuö  Iruitot:  Bumm»  Doctrinae  Chriatitinao.  Per 
Quaestionod  tradita,  et  in  usum  Christianae  puoritiue  nunc  primum  edita. 
(Juten  an  dem  Bilde,  welches  die  ;£weito  Seite  dea  Titelblattes  ziert,  steht 
die  Jahreeaahl  löö6. 

Am  Rande  steht:  Diedpnli  ex  noetria:  Alardus  Prandceniua.  Ar- 
noldua  Havonsius.  Georg.  EiiihouU  lEinhouduä,  Einholt,  Einholtz,  Piiroxylia). 
Joes  Dionysius.   Hebert.  Hodegianus.   Ogerius  Avantianns  (Davaotianua). 
')  porrigeutur'.' 
*)  jedenfalls  partitione. 

Die  fehlende  Stunde  um  9  Uhr  war  wahrscheiniieh  wie  hi  der  Dia- 
lektilc  der  Repetition  und  Disputation  gewidmet. 


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142    UitleUnag«!!  d.  Gm.  f.  deutsch«  Eruehunga-  u.  Schulgcsch.  VIII. 


Hora  12.  et  prima  Despauter^  de  nominibus  Heteroclitis,  formis  com- 
pHrationum  et  Terborum  praetoritie  atque  Snpinia  Traetatna. 

Hora  4  rannm  Giceronis  selectae  Epistolae. 

la  Qtrotine  porro  Grammaticoram  online  JuTcnnm  compositiones 
Praeceptores  emendabiint  et  saepius  qaotidie  lectiones  repetent.  Diebus 
praeterea  Sabhathini?  Evangoliitm  et  Epistolam  seq»ipntis  diei  expnnet,  id 
(jiiod  ijs  duiidocima  tiet;  quarta  denique  bora  Catechisnnnn  illurn  brevem, 
qui  doctriniu'  (  liristianae  compeiidium 'I  est,  studiose  discent  et  doniinicis 
diebus  bora  duodiciuia  studiosum  Rbetoricae  aadient  oranteni. 

DomiiMis  BOftter  Jesus  Christus  quo  a4jnTante  plares  bigosmodi 
labores  in  vestram  otilUatem  post  haec  soscipiemas  coastas  nostros 
propitins  intneatar. 

N. 

Catalügus  lectioiium  qui  serrabltur 
a  festo  Paschatis  lööl  usque  ad  fcatutn  omniura  sauctor  um  <  ju^dc-ni  anni 

Lectores.  In  st-hola  Physiea. 

I  Mane  bora  C.  post  libros  physicornoit  libri 
M.  Petrus  Sylvins  Alostensis.       de  anima  k^rentur. 

bora  9.    Metaphsica  Aristntolis. 
M.  Henrictts  Somalias  Diouantensis.    Hora  12.  de  ortu  et  intehtu  et 
Meteuru. 

In  scliola  logicH. 

.       ^  ^        1  Hora  r».  über  de  iaterpretatioue  et  posteriora 
D.  Francisctts  Costems  1      .    ,  . 

„  .1.  .     .         (  Analvtica. 
Mecnunittisis.  ) 

j  Hora        Mtliir;i  Aristotclis. 

M.  Joannes  l>iony8iu5    Uura  12.  priura  Aualylica  et  Klencbi  Sophistici. 

Neomagcusis.        Hora  4.  diebus  Lonac,  Mcrcurii  et  Vcneris  publicae 

fient  disputationes. 
In  Rhetorica. 

M.  Pet.  Hauptius  Colonicnsis.    üora  0.  oratio  pro  P.  Quiutio. 

Horad.  Sytitaxis  Yarennij  et  tertia  Phtlippica 

Demosthenis 
Hora  12.  Uber  4  ad  Heremiianit  et  eo  finito 

Dialectira  AuLrustiui  Hunaei. 
Hora  i.  Uber  i  de  oratore  ad  Qaintum  Fratrem^ 

In  Poest. 

M.  Gregor  Fabias  Dionant.  Hora  6.  Uber  6.  Aeneidos. 


M.  Arnold,  iinvens  Bus 
coduc. 


„Tp^is  diebus  (Aprili^^)  «niravimus  inipriini  C'atochiiimuni  K.  P.  Nicolai 
Gouduui  qui  C'atechismi  Cunisii  est  compendium."  So  P.  Uetbiua  in  seinem 
Tagebuch  f.  10  als  Note  in  unserem  Sammelband  zum  Jahre  1557.  Vergl. 
oben  8. 182. 


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9.  Die  Klteiteii  Stndieiiplftne  det  Jesttiten^^ymnaaiums  In  KOln.  14d 


M.  Alardus  Arnoldi  Bas 
coduc'«« 


Hora  9.  Grammatica  (graeca;  Clenardi  et  Platas 
M.  JacobusVelrouxLeud'''-  !  Aristophanis. 

I  Horn  12.  UbellBB  CiceroBis  de  Seaectnte. 
M.  Gregor  Fabiaa  tdem.  Hora  4.  de  ntraque  copia  Sabbatinis 
oatem  diebus  et  sacris  parvas  catechiamns  Catbolicorum. 

Iii  superiori  OnuiiiiistleB. 

M.  Michael  Schilling  Mulbusanas.   Hora  6.  Syntatis  Beapaaterii. 
M.  Oerard.  Qerardfaias  i   Hora  9.   ProgymnaBmata  graeca. 

Leod'**  1  Hora  12.  Liber  10  famil.  Epistolaram  Ciceronia. 

H,  Micha?]  Scbiliiag  qui  sapra.  Hora  4.  Syntaxis  Peipaaterii. 
Sabbatinis  aatem  diebas  et  aacria  par?as  Catecbimaa  CathoUcoram. 

In  tnilnriori  Granmatiea. 
H.  Goawinaa  Hotteaa  Bastoniensis.  Hora  6.  Despaaterias  de  gene« 
riboB  et  decliaationibaa  nomioam. 

Hora  9.   Selectae  Epiatolae  Ciceronis. 
Hora  12.  exercebantar  in  mdimentia  piimia  et 
regttlis  constractionam. 
M.  Goswioas  qui  supra.   Hora  4.   Despaaterias  do  vcrMs  Sabba- 
tinis porrf)  ft  sacris  diobtis  parvus  Cntechismas  Catbolicorum.  bunc 
Catechismum  leget  M.  Alardus  Arnoldi. 

LeetioneB  comnumes  trium  oloMium  sttpeiiorom. 

Doctor  Hcnr.  Dionysius  Neomag^^  Die  Sabbatbi  hora  4  EvaDgeliam 
aeenndum  Matthaeum. 

D  Frnnriscus  Custerus  Mecblin*"-  Sacris  diebas  bora  4  Catechismus 
Caesareae  Majestatis. 

Studiosorum  PhUosopliiBe. 

Eisdem  Jiebus  sacris  hora  12  Philosophiae  audi- 
toribus  legetur  Sphaera  .InbaiiTii«  de  Srirro- 
bust«.  qnn  (ornjicii'  ifliuiii  disripuli  intcreruut 
declaniati<iiiibu>  un.  tarmii  (M  Rhelt»rum. 
Triuiu  iiiieriurum  ela»siuin. 
Hora  6  diebas  sacris  e]q»onetttr  Evaugelium 
diei  stndiosis  triam  classiam  inferiorum. 

Catalogus  lectionum  novi  Coronarum  CoUegii  S.  J., 

qui  servabitur  a  festu  Oimiium  Sanctoniin  1&61 
usquc  ad  festum  Pasrhae  1562. 
Cum  lingiiae  et  Philosophiae  partes  omiies  laudabiles  sint  (et)  utiles, 
ac  hoc  tempore  in  Bepab:  et  Ecciesia  Dei  proraas  neceaaariae,  conabimor 
pro  Tirili  (divino  aspirante  namine)  Metaphyaicam,  Phyaicam»  Ethicam, 
Logicam,  Bhetoricam,  Poeticam,  lingnam  graecam  atque  laitinam  fideliter 


M.  Henricus  Somalias 
Dionantensis. 


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144    Hitttilungoo  d.  Get.  f.  deutteh«  Bniehung«-  il  Sehulgesdi.  VIII. 


Doctor 
Fraadscns'). 


trade»  jnnctia  Ghrisüaiiis  noribns  pietate  «e  reKgione.  Yffinim  vt  haee 
panlo  explieatiiis  k  nobis  dicantor. 

In  Classe  eorum,        brevi  doiiandi  sunt  3Iagi.sterio. 

,   Hura  9.  Metuphysica  Aristotelis  praelegetur,  Joacliimo 
Pereomo  interprete,  cujas  versione  in  reliquis  etiam 
AristotoUs  libiis  ntemiir. 
Bora  prima  repelitionea  constitaentar  Physices  totins 
et  Logiees.  ut  ad  fatwas  promotionea  disdpnli 
paratiofea  inTeniaatar. 
Hitra  4  (li^pntationibiis  pommnnibas  in  Schola  Lugioa  cum  roli(|Ui8 
phUosophiae  audituhbus  etiam  istius  classis  discipuU  iatererunt. 

Ib  «iMse  Pliysieae« 

.  Horn  6.  8  lib:  physiconim  et  ite  finitis  3  lib:  de 

I  anima. 

Doctor  Franciscuä.    liora  7.  lectionis  tit  repetitio. 

l  Hora  9.  metaphysira  lectio,  tum  bis  tum  preceden« 
l     tibus  erit  communis. 
Magr.  Joan.    j    Hora  prima  Meteorologicorum  lib.  4  atque  deinde  Ubn 
Dionisins.     \   4  de  coelo  et  2  de  orta  et  interita. 

Hora  4  dispntatio  fiet  in  Qasae  Logiea  propositia  tarn  logicia  quam 
pbysiciB  theubns. 

In  classe  Logiiees. 

Hora  6.  PoipbyriJ  Isagoge  cum  categorya  Ariatotelia 
libello  (sie).  Perihermenias  p.  2  lib.  de  Posterior. 

Analyai. 
Hnri  7.  lectionis  fiet  repetitio. 
Hora  9.    Etbica  Aristotelis  explicabitur. 

Hora  1.    Rudolpbus^)  de  Invcntione  Dialectica  cum 
prioribitf«  Ann]ytici<;  Aristotelis  Elenchisque  sopbisticis. 

Hnra  1.  tlisputabilur. 
Bis  in  hebduuuida  die  niminim  dumiuico  liora  2  atque  Jovis  hora  5 
Logici    contra    Pbysicos    absquc   praeside  (praoseutibus  lameu  eorura 
magistrisj  disputabant. 

In  elasse  Rhetoricae. 
Hora  a.   Ciceronis  liber  ad  Q.  Fratrem. 
Hora  7.  repetitio  fiet  lectionis. 

Hora  9.  diebns  Lanae»  HarCis  atqae  Mercarii  syn- 
taxis  Yaremiij  praelegetur,  reliqais  vero  Philipp  4. 
Demosthenis. 


M.  Henri: 
Dionantcusis. 


M.  Petrus 
Bttsaeus. 


( 


M.  Amoldna 
Bttscodaeensis. 

M.  (i  rardns 
Gempeusis. 


*}  Costeruä.    Ueber  die  lolgendea  Naiiieu  vergl.  Hansen,  Itheioittcbe 
Akten  774  IT. 

*}  Agricola. 


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9.  Di«  Utetten  Stadieapliae  des  Jemitengymmuduiiia  in  ffifln.  14^ 


M.  Gerardas.    |   Hora  1.   Rbetoric««  ad  Hereiiniam  üb.  4.. 
IL  Ainoldos.    I  Höfa  C  oratio  pro  lese  If  tnilia. 

Iii  äiiigulis  dominicis  festisque  diebas  vicissim  orationem  pronantiabnnt 
memoriter  in  pablico  omnium  Adolescentom  atqae  praeceptorum  consessu; 
ac  praeter  hflnc  dedamaodi  ezercitotionem  liDgoU  interim  octavo  quoque 
die  orationem  compooent,  quam  in  saa  daase  alfigent,  nt  tSt  libera  eorri- 
gendi  facnitas  soia  Gonmulitoiiibiia.  Diebos  aotem  JoTiB.  ut  jamorea  atiiiie 
imbecillioreB  hujns  classis  auditores  declamationibas  assuescaat.  Semper 
nnus  ex  iis  roram  hujiis  vel  porticae  classis  auditoribus  atqtic  eornndem 
clussium  professnribns  orationem  atiquam,  quam  antea  maDdarit  memoriae, 
pronuntiabit.  Diebus  Mercurii  bnra  5  poetae  adversas  Rhetores,  et  hi 
vicissim  contra  illos,  praesentibus  utriusque  classis  Praeceptoribus  in 
grammatica  latina,  vel  graeca  atqae  arte  metrica  disputabont.  Singulis 
porro  diebas  k  5  pomeridiaoa  ad  medium  nsqoe  aeztae  singulae  hujus 
Gassis  .  .     in  snia  leetionibns  dispataodo  «nroebnntnr. 


M.  Gregoras 
Fabios. 


in  classe  Poötica. 

Ilora  C«.    Virj^ilii  Aoneiilos  IIb.  7,  ciii  adjaogeolar  Mar- 

mellij  de  componciidis  vorsibus  Tabalae. 
Hora  7.  lectionia  institaetur  repetitio. 

M.  Gerardus  i  Ilnra  '.).  partim  graeca  Clenardi  grammatica,  partim  Aristo* 
Gonterias.   \    pbauis  Plutas  praelegetur. 

j  Ilora  11.  Icctionum  supcrionim  fiet  repeÜtio. 
I  Hora  1.  libellas  de  amicitia. 

K.Gregorias.  {  Hora  4.  Ovtdias  de  Triitibns. 

Öacriä  porru  et  Sabbatinis  diebus  eudem  bora  breviur  Catecbismos 
Caesarcae  Majestatia  cxpUcabitur,  praeterea  diebus  sacris  aliquam  brevem 
Gannine  contextam  Orationem  hora  1  memoriter  (quam  ante  eomposaernnt) 
pronanciabit  madme  qoi  in  ea  arte  largias  progressos  fiierit,  et  ne  in  primum 
(sie),  ant  sint  imbeciUiores  (sie)  8n&  ezerdtatione  privenlnr,  qnod  Rhetoras 
die  Jovis  solata  oratione  filciant,  bi  versibus  in  eadem  class«>  praestabont; 
interim  singulis  diebus  aliquot  disticba  Pracceptori  atqae  o*  tavo  quoque 
die  longiorcm  Kpistol.mi  tradcnt:  —  dabifiir  rtiam  opora,  ut  tarn  isti 
quam  Rhetoriccs  auditores  pronuntiaadi  materiam  privatam  ä  suis  prae- 
ceptonbus  discant 

In  el&SHe  superiori  Grammaticd. 

D.  Gnswinns  |  Hnra  C.    Dospauterij  syntaxis. 
Hotteau.    \  Hora  7.   repetitio  fiet  lectioois. 


0  Lttcke. 

llitteauDK«a  d.  Ges.  f.  d«uUAh«  Enieb.*  u.  Sebulgearhicbte.  VllI  ^3  ISSa.  |Q 


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146     MitteiluDgea  d.  Gea.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgescb*  VIL 


M.  Gerardos 
Iseren. 


Hora  9.  pdma  lingaae  graecae  rudimenta  tradentur. 
Hora  12.  praeter  lectionam  antecedentium  repetitionem, 

Semper  alifiaot  discipulorum  Epistolae  corngentur. 
Hora  prima  über  11  Epistolaruin  Ciccronis  legetnr. 
D.  Goswinus  Hora  4.  Syntaxia  cum  brevi  prioiae  partis  Despauterii 
repetitioiie  atqoe  tum  mazime  &  riiignlia  Disdpalis  Pröeceptor  exempla 
fllins  regalae  exposcet,  quam  ante  prandlnm  docaerit,  qnae  illi  scripta 
tradent  et  ad  regelam  eqiendeito;  at  iwo  diebos  saeris  et  labbatinia 
eadem  hora  lectio  fiet  io  breviori  catecfaiaiiio  Caesareae  M^Jeataüs;  die 
Mercurii  vero  haec  elassis  cnin  sequeati  propositis  praemiis  bora  12 
diapntabil;. 

In  Clause  Grainmaticae  Iiiferiori. 
Hora  ti.    Despauterius  de  iiuminum  generibus. 
Hora  7.    Sequetur  antecedentis  lectiotiis  repetitio. 
Hora  9.    Epistolae  selectae  CiceroDis  praelegentur. 
Hora  12.  nsque  ad  primom  in  rudimentis  exercebontur, 
nominum  potissimam  inflezioae  et  Terbonim  conjngatione. 
Hora  4.  Dttpanterius  de  Terbonim  praeteritia  et  SnpinU, 
post  vero  tradentur  bteres  quaedam,  atque  faciles  Qyntaxeos 
regulae,  qaibas  adjuti  disdpiili  et  facflins  componant  et  ad  superiorem 
Classem  accommodentar;  sacris  autem  et  sabbatinis  diebas  eadem  bora 
brevior  Catechismus  Caesareae  Majestatis^)  explicabitur.    Porro  rompo- 
sitionibüs  corrigendis  vacabit  tone  maxime  praeceptor  hora  12  ubi  in 
rudimentis  eos  exorcucrit. 

Leetionum  omnium  superioruiii  dassium  catalogus. 

Diebus  sabbatinis  -1"  bora  pbysicis,  lofpcis,  et 
Rhetoribus  Evaugelium  secuudum  Maltbaeum  prae- 
Ifgetnr. 

Diebes  sacria  eAdem  horft  üadem  istia  loci  Gommanes» 
qvi  lua  temporibns  controvertnutnr  ab  baereticia, 
ezplicabantnr. 

Hora  1.  vero  sacris  diebus  Pliilo-opbiae  stodiosi 
librum  M.  Pomponii  de  statu  Orbis  audient. 

In  inferioribu»  classibus. 
Sacris  diebas  hora  6  tribus  classibus  iuferioribus 
Evangelium  Diei  enarrabitur. 


M.  Aiardus 
Amoldi. 

M. 
Herbimon* 
tanat. 

M.  Alardus. 


Doctor  Hemriciis 
Dionysius. 


Doctor  Franciscus 
Costerus. 


M.  Henricus 
Dionanteosis. 


')  Zum  Jahre  15öS  findet  sieh  in  unsLArom  Sammelbande  die  Xotls 
aus  dem  Tagebuche  des  P.  liethius  ^14.  die  Nnverab.  circa  hanc  studiorum 
renovationeiu  curavimus  imprimi  orationem  pr  «  l^^ege  Doiotaro  emeudatam 
im!  exeraplar  CaroU  StepLaci  adjunctis  iu  margine  variiä  lectionibus  apud 
Matemun  ChoUnnm,  Item  apud  enndem  parvnm  CatboUcoram  Cateebiammii« 
quem  a  ae  eonfSetum  nobia  miserat  Gaoiaiaa."  YergL  B.  P.  Caalatl 
Bpiatdae  II,  890. 


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10.  Ueber  die  wiasenacbaftliche  Heranbildung  der  PUristen  etc.  147 


10. 

Ueber  die  wissenschaftliche  Heranbildung  der 
Piaristen  im  17*  und  18.  Jalirhiinderte* 

Hit  besonderer  Rflcksiebt  auf  die  deutsehe  (se.  Osterr.) 

OrdenB^ProTlnz 

von  P.  Vxladrtob  Badl,  0. 8.  B., 
Arehivar  des  Bene^etiner  Btlftee  Altenlnirer  in  Nleder-Oeateireich.') 

Unter  den  Orden,  welche  nach  dem  Trienter  Concil  entstaudea 
Hind  und  in  der  Fobf^cLuii  blühten,  mniuit  der  l'ianöten-Ordea  einen 
vornehmeu  Rang  ein. 

Wie  bekannt,  wurde  er  gestütet  von  Josefas  v.  Calasauia  als 

')  Nachfolgende  Studie  schöpfte  das  Material  aus  der  , Sammlung  der 
Constitutionen  der  Piaristen,  ihrer  Gpiieral-  und  Provinjiial-Kapitol.  zu- 
sammeDgestellt  im  Jahre  1773  (Manuskript  des  Archlves  des  i^iaristen- 
KoUegium«  in  Horn).  Eingeeeben  wurden  auch  im  Detail:  dar  I.  Bd.  der 
Annalen  de«  Piarialen-KoUeglanw  na  Horn  (1667—1786),  worin  die  Agenden 
der  Lokalkapitel  diese«  Kollegiums,  sowie  der  n^nora!-  und  Provinzial- 
Kapitel  während  dieser  Zeit  enthalten  sind  npbon  don  Rundschreiben  der 
Generale  und  Pro%inciale;  ferner  der  Band:  ,Liber  continens  Epistoias 
Cyclicas,  aliasque  Literae  publicas  tarn  Generalis  quam  Pro- 
▼ineialis  Germaniae  Cl.  reg.  panp.  Matrla  Dei  Scholanun  plarmn  locbo* 
atus  Hornae  ...  ab  anno  Domlni  169B,  cui  etiam  inscriptae  sunt  omnos  ViBi* 
tatioiics  domus  nostrae  Hornanao"  f  Archiv  des  Kollogs,  Manuskriptliaiui  H): 
der  «Prospectna  reriim  memorabiliuni  0.  Clorir.  reg.  Scol,  pp 
Provinciae  Austriae"  im  Kataloge  der  ii.  ö.  i'iuristen  vum  Jaliro  1889^ 
(Vieanae  typte  Walliahaaaer.)  PUr  daa  GeachichtUehe  fanden  Verwertung: 
das  Wirken  der  P.  P.  Piariaten  In  Wimi,  von  P.  Anton  Brendler  (Wien  1896); 
der  Vortra;^  „Neue  Beitrage  zur  ö.^terr.  Schul^e.scliiclite  dm  Rogleninp;-s- 
Rate^i  Dr.  Alois  Egger  -  MnllwaUl,  im  Voreine  „Mitteläcliule"  abgt'driickt  in 
dessen  Publikationen.  X.  Jahrg.  IV.  Heft;  die  „Geschichte  der  Savoy  schen 
Rltterakademle*^  von  Prof.  Scbwars,  1897  (herausgegeben  von  der  dster- 
reichiachen  Gruppe  d.  (Seaellech.  f.  dtsch.  Ersieh.-  u.  Schnlgesch.) 

10* 

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148    Mitteilungen  cL  Qet».  t.  deutsche  Erztehungi»-  u.  Schulgesch.  .\,l\L 


,8colae  piae*  bei  St.  Dorothea  in  Rom  für  den  unentgeltlichen  Un- 
terricht armer,  verwalu  loster  Knaben. 

Papst  Paul  V..  auf  die  stille  und  aufopferungsvolle  Thäiigkoit, 
wekho  Calasanza  und  seine  Anbänger  in  jenem  Viertel  der  Stadt 
Rom  entfalteten,  aufmerksam  geworden,  erhob  ihre  Vereinigung  am 
4.Mftrz  1617  zu  einer  Kongregation  nnfcer  dem  Titel:  »Congregatio 
Paulina  Pftupentm  Ifatris  Dei  Seolarum  piarum'^  mil  dem  Sitze  soi 
St.  Pantaleon.  Dieser  Kongregation  wurde  die  Best&tigung  als 
Orden  durch  Papet  Gregor  XV.  mit  Bulle  vom  31.  Jftnner  1623 
mit  Approbation  der  von  Joseftas  y.  Calasanza  Terfassten  «Insti- 
tutionen* erteilt. 

Unter  der  Obsorge  des  Stifters  erweiterte  sieb  das  anfänglich 
einfache  Scbul-Institut  für  arme  Knaben  derartig,  dass  die  Ordens- 
Mitig^eder,  gestützt  auf  pftpstliche  Privilegien,  nicht  nur  im  Lesen, 
Schreiben  und  Bechnen,  sondern  auch  bald  in  höheren  Disziplinen 
unterrichten  Iconnten. 

Schon  zu  Lebzeiten  des  Stifters  verbreiteten  sich  die  Piaristen 
rasch  («Uagnoperecavendumest»  ne  plura  gj'mnasia  seu  soolae  piae 
admittantur,  quam  ipsa  congregatio  commodc  de  nocessariis  mini- 
stris  proyidere  possit"  [Constitutio  P,  II,  2  p.  8],  so  schrieb  der 
Stifter  vor,  um  voreilige  Neugrtlnfltinfjf'n  hintanzuhalten)  über  Italien, 
ja  auch  Uber  die  Orenzen  Italiens  hinaus,  und  Josef  v.  Calasanza 
kam  oft  aus  Hangel  an  Ordcns-Mitgliedem  in  Verlegenheit,  indem 
er  die  an  ihn  gerichteten  Gesuche  wegen  Einführung  der  frommen 
Schulen  an  verschiedenen  Orten  abschlägig  beantworten  musste. 

Nachdem  man  für  die  .srolae  piao"  in  Sizilion  und  Spanirn 
Kollegien  gpp:ründf«t  hatte,  erging  der  Ruf  an  den  Ordens-Stifter 
wegen  EinfUhrnni;  derselben  auch  von  Oesterreich  hur.  Schon  1G31 
wurde  das  erste  K(dle^iuni  in  Mähren  und  zwar  in  Nicolsbiir;;  ge- 
gründet und  damit  der  grossen  deutschen  Ordeus-Provinz  der  Ur- 
sprung gegeben. 

Hi^M-auf  erfols^en  rasch  nach  einander  die  Gründungen  der 
Koik'gifu  zu  Stras-nit/.  lf)33K  zu  Leipnik  (1634)  und  zu  Leito- 
mischl  (1640)  (erstes  Ktdlei^luiii  iu  Üühmen).  Auch  nach  Ungarn 
drang  der  gute  ilul"  der  l'iaristen  vor  (wo  ihnen  die  Gründung  des 
„Collegium  iVidoliense"  ermöglicht  wurde)  und  nach  Polen. 

Noch  eiimuil  schien  die  Schöpfung  des  Josefus  v.  Calasanza  durch 
Neid  und  .Missgunst  gefährdet  —  jedoch  Papst  Alexander  VII. 
stellte  den  Orden  am  24.  Jänner  1656  als  regulierte  Kongregation 
mit  einfachen,  zum  Bleiben  verpflichtenden  Gelübden  wieder  her. 

Nun  erfolgte  die  Grttndung  des  ersten  Kollegiums  in  Nieder- 


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10.  Ueber  die  wisBenBChaftlicbe  Heranbildung  der  Piaristtti  etC.  149 


Oesterreich  zu  Horu*)  durch  den  Grafen  Ferdinand  Sigismund  Kurz. 
Von  Horn  aus  geschah,  die  Errichtung  des  ersten  Kollegiums  su 
Wien  bei  Maria  Treu  In  der  JoseMadt,  und  damit  ersehloss  sich 
der  deutseben  ProTinz  ein  sehOnes  Gablet  für  die  ansprucbsloBe 
Tbfttigkeit  ibrer  MitgUeder. 

Der  leiehteren  Verwaltung  wegen  und  wobl  aueh  wegen  der 
Teiscbiedenen  Zwedce  wurde  von  der  grossen  deutachen  Provinz  im 
Jabre  1748  (29.  Juli)  die  Osterreicbisebe  als  Vice- Provinz  ab- 
getrennt, Jedoch  schon  am  26.  April  1751  erfolgte  eine  neue  Ein- 
teilung der  deutschen  Provinz:  nämUch  in  die  österreiehiseh- 
rbeinisch'schwftbiscbe  und  in  die  bOhmisch-mähriscbe,  wo- 
rauf im  Jahre  1760  sich  die  Österreichische  von  der  rheinisch- 
schwäbischen  trennte  und  eine  selbständige  Provinz  bildete. 

Besonders  von  dieser  Zeit  an  nahmen  die  Piaristen  in  Oester^ 
reich  sehr  thfttigen  Anteil  'an  der  Reform  des  hiesigen  Gymnasial- 
Unterrichtes»  ja!  —  es  war  sogar  etaiem  Mitgliede  des  Wiener 
Kollegiums  vorbehalten,  Reforraplfine  auszuarbeiten  und  der  Regie- 
rung zu  unterbreiten. 

War  der  Piaristen-Orden  rasch  zur  Blüte  gekommen,  so  geschah 
dieses  nicht  nur  darum,  weil  diese  Schul>lnstitution  einem 
eminenten  Bedürfnisse  abhalf,  und  weil  noch  keine  Vor- 
eingenommenheit und  Animoritäf  <;egeu  dieselbe  bestand  — 
sondern  auch  aus  dieser  Ursache,  weil  die  Ordens  -  Konstif  titioneu 
unter  solchen  Voraussetzungen  verfasst  und  approbiert  wordon 
waren,  dass  sie  kein  starres,  undeliubares  System  bilden, 
.sondern  nur  eine  allgemeine  Richtächuur  und  Norm  sein  soiiten, 

1)  üeber  dae  PlsriBteii  -  Kollegium  su  Horn  enchlMMii  folgende  Ab- 
handlungen: Dir.  Schwan,  Jahrosbaiicht  vom  Jahre  1878  (Kurse  Geaehichte 

des  GymnaHiums);  Honorius  Bürger  bringt  Daten  tu  Icinselben  in  seiner 
„Darstellung^  der  (JoycbM-ht  -  des  8tift«8  Altonbur«:  niid  dessen  Pfarren"  bei 
Horn  (Wien,  Karl  Gerold  iä  Öohn,  1862);  die  „Scliulconioedien  und  dramati- 
schen Aufitlbrungeu  bei  den  Piaristen  im  17.  und  lb>.  Jahrhundert.^'  Jahr- 
bnch  der  Leo-Geaellschaft  (Wien,  8t.  Norbertna-Drockerei,  1895.  Se|iarai- 
Abdruck  im  St.  Norbertus-Vorlage);  .Die  Serie  der  Schuldrainen  etc.  der 
Piaristpn  zu  Horn  in  den  Jahren  1659— 1785, •  (Mittoil.  d.  ncscllscli.  f.  d. 
Er/.iolnms»-  u.  Scbtdgrf'sch.  ISgß.  S.  290—:^  16.^  Boid«»  vom  Verfasser 
dieser  Studie.  Endlich:  „Die  Piariatenkirciie  in  Hurn  '  von  Prof.  Kre«chni&ka 
im  üyronasial-Jahreaberlehte  1895  (Horn). 

Der  obif^e  Vortrag  (Note»)  „neuere  Beitrage*  etc.  von  Dr.  Bgger« 
Müllwald  t'nth;i!r  fino  (ib<'rsichf!icho  Darstellung  der  Geschichte  des  Gym- 
nasiiiiiis  zu  Hiiri)  mirli  dorn  vorn  Vr>rfa>»s5r  dieser  Studie  herrührenden 
Manuskripte,  das  in  den  Beitragen  zur  österreichischen  Erziehung-  und 
'Sehulgesehiehte  von  der  Oat^r.  Gruppe  herausgegeben  «rerdeh  soll. 


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150  HitteUnngen  d.  Get.  f.  d«iit»ehe  Eraidhnng»-  iL  SeliidgMefa.  VIU. 


welche  warn  Fordenrngen  und  Umstlnden  angepaast  werden  koimte 
—  freilich!  mit  steter  Bflckeieht  auf  die  vom  Ordens  -  Stifter  Tor- 
gezeiebneten  Ordenszwecke. 

Hatte  doch  Papst  Paul  V.  in  der  Constitutio  »Ad  ea*  vom 
6.  März  1617  dem  Josef  y.  Calasanza,  sowie  seiner  Kongregation 
die  Fakult&t  erteilt: 

at  pro  felid  Gongregstionis  ilUiuqae  domonun  et  scbolaram  regimioe» 
quaecamqno  statnta»  C^pitola,  OldineB  et  Deeretanecessaria  etopportana, 
licita  tarnen  et  honesta,  sacrisque  Canonibas  et  Concilii  Tridentini  decretis 
<'t  constitutionibas  Apostolicis  non  contraria,  per  srdcm  Apostolicam  appro- 
banda  et  cuutirmanda,  facerc,  edere,  illaque  pro  tempore,  prout  eis 
videbitnr  et  expedieus  fuerit,  praevia  simili  approbatione  et  confirmatione 
matarc,  alterare,  corrigere  et  ia  melius  reformare  Ubcre  et  licile  valeant.** 

Waren  auf  Grund  dieser  Fakult&t  die  Ordens-Institutioiien  ver- 
fasst  worden,  so  widmeten  sich  der  Ordenstifter  und  seine  Nach- 
folger im  Generalate,  femer  die  General-Kapitei,  die  Pro- 
Vinciale  der  einzelnen  Provinzen,  die  Rektoren  mit  ihren 
Lokal  -  Kapiteln  mit  rfihrender  Sorgfalt  und  Gewissenhaftig- 
keit, die  uns  Überall  en^egentritt,  wenn  wir  die  Akten  des  Ordens« 
die  Briefe  des  Ordens-Stifters  etc.  durchblättern  (Documenta  spiii- 
tualia  S.  Josephi  Calesanctii  a  Guidone  ab  Angelis  ed.  Nioolsburg 
[Neumann]  1772),  der  allseitigen  Ausgestaltang  der  von  den  Päpsten 
begünstigten  Ordens-Konstitutionen. 

Bei  den  Gtoneral^)-Kapiteln,  welche  jedes  sechste  Jahr  ab- 

M  Uobcr  dort  Generni  und  desseti  Wahl  lautet  die  Vorschrift  der 
Coiitit.  eti-.  lulKenclermuasaon : 

Ex  duplici  cüpitu  poUrit  Cungregatio  Generalis  couvocari,  vei 
ad  ministri  Generalis  electionon  vel  pro  aliquibus  rebus  graviorlbus  ad 
statum  Congregatlonis  perfecte  dirigendnm  perttneotibos  (Constitutlonum 
Pare  III.  Kap.  I.  1). 

Papst  Ak'xamlor  Yll.  verurdtm-to,  da.ss  alle  t",  Jaliro  ein  Gciu'ralkapitpl 
2ur  Wühl  eitieü  neuen  Geuerala  zuäaiumentrete  ^(Joutit.:  cumsicut  28. April  lt>60). 

Papst  Benedict  XIV.  verordnete  am  14.  Januar  1758,  dasa  der  General 
alle  12  Jahre  neu  gewählt  w«rde  (Const.:  Chriatianae  pietatis),  und  daes 
alle  l'j  Jahro  vom  Jahre  1760  an  oin  Gen  «Mal-Kapitel  abgehalten  werde  zum 
Zwecke  der  Wahl  eines  neuen  Generals.  Diese  Verordnungen  wurden  selten 
praktisch,  indem  die  Generale  meistens  früher  mit  Tod  abgingen. 

Dem  General  stand  die  Leitung  des  ganzen  Ordena  au,  weshalb  er 
genau  über  die  Ordenshäusar  und  Ordenspersonen  etc.  instruiert  sein 
musste.  (Const.  1.  c.  Kap.  I,  ;}.)  Er  wählte  den  Prokurator,  welcher  zu 
Rom  residioTtP  „pt  cujus  partes  erunt,  tntiuB  Congregatiiiiiis  negritia  frororo 
ac  diligenter  expedirc.  (tonst.  1.  c.  Kap.  II,  b.)  Der  Prokurator  nahm 
in  Rom  den  Rang  vor  dem  Provincial  ein.  Ausserhalb  Rom  jedoch  nach 
dem  Provmcial  (Kap.  Generale  16&3).  Bei  den  General  •  Kapiteln  hatte  er 


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10.  Ueber  die  ivineiuelMAlieii«  HenDbildmig  der  Piaristen  etc.  151 


gehalten  vuideiii  inirdeii  die  einselnen  Kapitel  und  Punkte  der 
Konstituttonen»  entspiediend  den  neuen  Anforderungen,  welche  an 
die  diversen  Kollegien  der  zahlieichen  Provinzen  des  Ordens  ge- 
stellt wurden,  kommentiert;  Fragen,  welche  durch  die  Delegierten 
der  Provinzen  (je  ein  Provincial*)  mit  zwei  bei  dem  vorhergehenden 

jedoch  Rang  und  Stimme  vor  deu  Pruviucialeu  (Kap.  Generale  1742). 
Spater  Wörde  fOr  jede  Provinz  efai  Prokurator  (in  Rom)  bestimmt  (Generel» 
Kapitel  1712,  P.  4).  Au  der  Seite  de«  Generals  atandeii  4  AoeliteBten, 

-welche  derselbe  sich  erwählen  konnte  (Coiwtltatlonum  1.  c.  Kap.  III,  l)l 

,qul  fiiiali  providentiH  et  raritato  firca  erteriiH  quae  ad  ii>Bum  pertinere 
poternnt  rirm  rnrporla  s  ti  uri  valetudinem  ei  aaaistant.  Insuper  et  cont'ilio 
in  rebuä  dubiiä  lüäcerueudia,  quuruia  sententüs,  q^uuad  fieri  potent,  ute- 

tetur.*  (Coastitatlonttni  Kap.  III,  1.) 

Alexander  VIL  bestimmte  in  dar  Conatitutio  .cum  ait"  vom  28.  1660, 
dasa  die  Asaiatpnten  allo  6  Jahre  vom  Gen e ral -Kapitel  gewählt  -w-ttrden. 
Daa  General- Kapitel  vom  Jahro  1754  zahlte  genau  die  Befugniasc  der  Asai- 
atenten  [anschlieaaend  an  die  Coost.  Alezander  VII.  (.cum  ait")]  mit  be- 
•ehUeaaender  Stimme  auf.  Die  Provineiela  waren  von  ihnen  nnabhaagig 
(Kapit.  Generale  1687). 

Die  Provineiale^nrden  vom  General  ernannt  (naeh  Kap.  IV,  P.  2 

der  Conatltutionon).  Alexander  VIT.  verordnete  jedoch:  In  electiono  Pro- 
vincialium  AssistenteB  cum  Praeposito  Generali  v(»tum  habent  decisivum 
(Const.:  „cum  sit"»  1660  28.  Aprilis).  i'rovinciaiea  informent  de  omnibus  F.  Ge- 
neraleai,  i.  e.,  de  caaibas  insignioribiaa  et  gravioribus,  ne  tafiuxn  obllvlo 
magno  enm  ReUgioniB  lacommoilo  eubrepat  (K^.  Generale  1671). 

Die  Provinciale  hatten  ihre  Provinzen  zu  viäitieren,  wobei  die  spe- 
ziellen Wahrnehmungen,  Mahnungen,  Verordnungen  <'tr.  in  die  Hans- 
Annalen  oder  in  ein  boBtimmtes  Buch  eingetragen  wurden,  welches  in 
jedem  Kolle^nm  auflag.  An  der  Seite  der  Provinciale  standen  die  Kon- 
snltoren,  su  walehen  nwA  die  Aasistenten  kamen.  (L  e.  Kap.  IV,  8.)  Das 
General-Kapitel  vom  Jahre  168S  nennt  2  Assiatentea,  welche  vom  General 
auf  den  Vorschlag  dea  Provincialf»  bin  bpstatigt  wurden.  Das  General- 
Kapitel  vom  Jahre  1760  nennt  s  Mitglieder  für  den  Vorschlag  dos  neu  er- 
nannten Provincials,  aus  welchen  der  Geueral  die  tauglichen  auserw&hlen 
•ollte.  Anaser  den  Assiatwten  hatte  der  Provindal  2  Konsnltoren:  qni  enm 
P.  Provinciali  €|jtiaque  Aaaistenttbus  constitnant  vuam  Coogregatlooem,  in 
'pifv  tum  de  observantia,  tum  de  aliia  rebus  gravioribus  Provinciae  agatur. 
tSie  wurden  vom  Provincial  erwnhU  und  vom  General  bestatiijt.  (Ivap.  Ge- 
nerale 1718.)  Nach  dem  General-Kapitel  vom  Jalu-e  1724  sollte  die  Kuugre- 
gation  der  Konsnltoren  und  Aaalstantan  aweimal '  im  Monate  ausammen- 
treten.  Ihre  Ponktionsdaner  war  ein  Trieoninm  wie  jene  daa  Provindala. 
Die  spozieHen  Befugnisse  und  Rechte  der  Konsnltoren  und  Assistenten, 
welche  nicht  notwendig  in  der  Umgebung  dea  Provinciais  sein  mussten, 
wurden  von  den  verschiedenen  General-Kapiteln  erweitert  und  ausgestaltet» 
je  mehr  sieb  der  Orden  entCUtete. 

Provincialit  in  ana  Provinda  nnUaa  regulaa  aut  ordinatiane«,  aeu  con- 
•tmctttdiaes  abroget,  vel  novas  indueat  ineonenlta  Genenll,  niai  eine  gravi 


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152    Ifittettongeii  d.  Ges.  f.  deutaefae  Entehnnga-  n.  Selivigeacli.  Vm. 


PioTinzial-Kapitali)  gewfthlten  Vokalen)  bei  dem  General  •  Kapitel 
voigebracht  wurden,  nach  eingehender  Beratung  beantwortet,  er- 
laubte Wüneehe  befiiedigt,  MaaasDahmen  snr  Hebung  der  Disziplin 
und  der  wiBeenflchafÜlehen  Heranbildung  der  Ordene-Eandidäten 
und  der  Studenten  an  den  diTersen  Aber  die  ProTinz  lerstreuten 
Gymnasien  (und  Schulen)  getroffen. 

So  wurde  aus  der  Barten,  bei  St.  Dorothea  im  Verborgenen 
emporgesproflsten  Pflanze  seit  deren  Ueliertraguag  nach  St.  Pan- 
taleon  nicht  nur  ein  mächtiger,  nach  aussen  sich  ausbreitender, 
sondern  auch  im  Innern  sich  konsolidierender  Baum. 

Denn  —  dass  cJic  ( )rdeuä-Kou6titutiüüeu  uud  die  Verorduungen 
dor  Ordf'tis-Uberen  und  der  Kapitel  der  Befolgnnor  entgegengeführt 
würden,  dafür  sorgte  der  General  entweder  Heibat  oder  durch  seine 


diqyendio  Generalis  nMpoiuain  expectari  nequeat.  Veram  <|uantoeyiM 
potent  i]\in  de  catisa  factum  Bit,  Generalem  admnnplnt.   fujws  or- 

dinatiouea  statiin,  atque  acceperit,  ab  omnibus  suae  Provinclae  superioribus 
obtervari  fadet  Et  quae  ad  bonam  gubernationem  pertinent  in  aliquo 
libro  ad  id  dedgnato  doMnibat,  et  In  loco  eommodiori  AxdÜTiim  llMdendum 
curabit,  In  quo  Ubro«  et  m,  qwM  ad  officium  suum  spectabunt  et  usum 
IVovinciae  communem,  ut  auccesfloriboft  H>igiiari  pOMint»  aaseriukbit.  (Con- 
atitutionum  Pars  III.  K  tf>  IV,  4.) 

Ich  fdhre  hier  die  Belugnisso  der  l'roviiicmle  in  extenso  an,  weil  die 
Provinclale  später  uud  besuoders  als  in  den  letzteo  Jahrzehotea  dea 
Ift.  JabihuDderto  In  Oeatenreieh  dar  Vericabr  mit  Born  anchwert  oder  gans 
verboten  wurde,  einen  gronaeu  EiniluM  auf  dia  Anagaatallang  daa  Untar- 
richiea  in  ihren  Proviniea  aoattben  konntan. 

')  Die  Provinzial'Kripitel  wurden  alle  8  Jabre  einberufen  (de  lieantia 
GeneraMs,  circa  res  dubia«,  difficilaaqaa  Ullua  Provineiae  etc.  GonstituUonnm 

1.  c.  Kaj..  IV,  S). 

Dieselben  wurden  untpr  dem  Vorsitze  doa  Provinciala  im  Boiaein  der 
KoDBultoreu,  AMittteuten,  d«r  liektoreo  der  eiuselueo  Kollegien  uud  je 
»inea  von  jadam  Hanse  (in  welehem  sieh  drai  raap.  swai  der  paaaivan 
Stimme  sieh  erfreuende  Mitglieder  (Kap.  Gen.  1G83)  t>efanden)zu  arwahlenp 
den  Delegierten  (Vocaleni  abgelialten.  Iiier  far  rlcn  dio  Candidatinnei^  zum 
Pro\ Incialato  und  /u  den  Rektoraten  statt.  Hier  wurden  die  Angelegenheiten 
der  Provinz  veriiandelt  und  die  Vorsclilage  in  Besug  auf  dieselbe  betreffs 
Untarrfcht  etc,  welche  vor  daa  näehata  Qenaral-Kapitel  gabracbt  wardan 
aollton,  snr  Vorbaratnng  antgagengamMoman.  Hier  wurdan  auch  die  swei 
Vocales  mit  einem  Adjunkte,  welche  zu  dem  nftchsten  General-Kapitel  mit  dem 
Provincial  roieen  sollten,  gewählt  (I.e.  Kap.  IV  s  9— 1f!.^  Der  neue  Provincial 
bestimmte  hierauf  die  Beichtv&ter,  Prediger,  Loktoreu  für  die  einzelnen  Kolle- 
gien and  dan  Bpiritualf  welcham  die  BrsichaDg  dar  Jungen  Kaadidaten  oblag, 
(l  e.  Cap.  14.) 


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10.  üeber  die  «IflseatchaflUche  Heranbildiitig  der  Flarittoa  etc.  153 


Viaitatoren  in  allen  Provinzen,  sowie  duTcb  die  Provineiale  und 
Bektoren^)  in  den  einseinen  Provinaen  and  Kollegien. 

.  G^hab  diese  Durchfülirung^  der  Constitutionen  und  jeweiligen 
Verordnungen  getragen  Ton  dem  hohen  Ernste  der  Sache,  so  blicict 
Qberall  der  Geist  der  Liebe  durch,  welcher  duroh  stidihaltige  Mo- 
tive zum  Qehoisam  drängt  —  jedoch  auch  im  Interesse  der  Sache 
mit  der  zustehenden  Gewalt  zwingt,  wenn  irgendwo  unbotmiesiger, 
egoistisoher.  das  allgemeine  Interesse  bedrohender  Wider- 
stand aulhtGsst 

Um  Uber  alles  dieses  sich  ergehen  und  den  Orden  bei  seinem 
raschen  Heranwachsen  belauschen  zu  Idinnen,  dasn  geborten 
Tiele  ungezählte  beschriebene  Blatter.  Uns  interessierte  hier 
wohl  nur  Tor  der  Hand  der  Apparat  jener  Verlttgungeu,  welche  Yon 
Seite  (des  Ordens-Stilters  und)  des  Ordens  im  Laufe  der  Jahre  er^ 
flössen  sind  zu  dem  Zwecice,  um  seine  Mitglieder  in  einer  Weise 
wissenschaftlich  heranzubilden:  damit  sie  den  Erforder- 
nissen, welche  Zeit  und  Ortsverh&ltnisse  an  sie  stellten, 
in  den  einzelnen  Kollegien  und  Anstalten  gerecht  werden 
konnten. 

Nachdem  jedoch  diese  Arbeit  gleichfalls  in  dieLftnge  geraten 
würde,  sollen  nur  einige  Studien-Ordnungen  und  zwar  besonders 
solche,  welche  für  die  cisalpinen  Provinzen  und  speziell  für  die 
Osterreichische  bis  zur  eigentlichen  Beform  der  Osterreichischen 
Gymnasien  hinausgegeben  wurden,  hier  berücksichtigt  werden,  was 
aber  vor  oder  iazwischen  geschah,  kurz  erwähnt,  zur  Orientierung 
bezQglich  des  Nachfolgenden  zugleich  die  darauf  bezüglichen  Punkte 
der  Ordens-Konstitutionen  vorausgeschickt  werden. 

Die  Rektoren  wurdor«  alle  3  Jahre  ernannt  oder  bestätigt  Slo 
konnten  die  „dtTu-ia  miiiora"'  im  Haus©  verteilen.  Sie  waren  aucli  die  Vor- 
sitzenden bei  den  „Lukal-Kapiteln",  boi  weichen  der  Vokale  zu  dem  Pro  v  in - 
slal-Kapitel  gewSblt  und  Fragen  eot  Vorlage  an  du  Proviniial-Kapitfll  durch- 
beraten  wurden.  Der  Rektor  hatte  dem  Provi&iial-Kapitel  mit  dem  Vokalen 
beizuwohnen.  Er  war  der  ChroniBt  des  Hauaee>.  dem  auch  die  Vorwaltung- 
des  Küllogiunia  oblag.  Neben  ihm  waltPto  der  PrBfekt  doa  Gymnasiume 
aeines  Amtes,  wenn  eiae  Unterrichte- Anstalt  vorhunden  war.  Im  Jahre  1718 
.  erhielten  die  Rektoren  vom  P.  Provindal  depatlerte  Konaultoren  an  die 
Beite. 

>)  Der  P.  Geaecal  hatte  laut  Conetltatlon  P.  m.  Kap.  V,  1  die  Befug- 
nis, eicli  Vir^itatoren  ku  ernennen,  weiche  pinzolne  Pnivluzon  mipr  Kolle- 
gien in  seinem  Namen  visitieren  konnten.    (Die  Dauer  einer  solchen  Vlai 
tation  war  fOr  kleinere  Kollegien  auf  10,  für  grössere  anf  15  Tage  anbe- 
raumt (Kap.  Gen.  1688).  Die  Generale  vttttlerten  eelbet  Öfters  —  auch  im 


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154  Mitteilungwi  d.  Ges.  t  dentache  Erslehiings-  u.  Sdralgeaeh.  VOL 


I.  Die  Heranbildmig  der  Ordens » Kandidaten  naoh  den 
Konstitutionen  des  Ordens. 

Schon  bei  der  Aufnahme  der  Novizen  bollte  inii  Vorsicht  vor- 
gegangen werden.  Jeder,  der  in  den  Orden  eintreten  wollte,  musste 
sich  einer  Prüfung  über  die  zum  Ordeasstande  und  bezüglich  der 
iur  das  Lehramt  notwendigen  Forderungen  uutei-ziehen. 

Dabei  kam  auch  der  Fragepunkt  vor:  Wo  der  Kandidat  atu- 
diert,  welclie  Klassen  und  wo  er  sie  studiert,  unter  welchen  Lehrern  etc. 
(Constitutiones  P.  1,  c.  I,  8.) 

Die  Erziehung  und  UeranbildiiDg  der  Kaadidaten  geschah 
separat  in  eigenen  ProbationB-  oder  Noviziats  •Hftnaeni  durch  swei 
resp.  bei  LaienbrQdeni  auch  durch  vier  Jahre  —  und  zwar  getrennt 
von  den  Übrigen  Professen  und  Patres«    (1.  c.  P.  I.  c.  IL  6.) 

W&hrend  dieser  Zeit  wurden  dieselben  nnter  Leitung  des 
Novizenmeisteis  in  die  Ordenspflichten  elngeflihrt  und  ihnen  die  not- 
wendigen Wissenschaften  für  das  zukünftige  Lehramt  von  den  eisten 
Fundamenten  an  beigebracht  (1.  c.  e.  II,  7.) 

War  die  Probezeit  vorbei«  so  wurden  die  tauglich  befundenen 
Kandidaten  zur  Profess  zugelassen,  und  nun  begannen  fttr  sie  die 
höheren  Studien. 

Sie  blieben  jedoch  noch  Ifingere  Zeit  (per  triennium)  sab  re- 
gulis  et  modo  Tivendi  strictioni  (Kap.  Generale  1637  —  decret. 
Clementis  X.  1676^)).  Bald  unterrichteten  die  Neo-Professi in 
den  unteren  Klassen,  um  zu  einer  immer  hOherea  Klasse  je  nach 
der  Verfügung  der  Oberen  aufisusteigen  —  und  zwar  öfters  mit 


Namen  der  Pflyiete  (z.B.  der  General  Johannes  Pmnciscus  a.  S.  Petra 
im  Jahre  l(iU5  als  apostolischer  Kommissär  und  Delegat  die  deutsche,  die 
polniaehe  irad  ungariseh«  Provinz)  «  einielne  Proviozm.  Wie  ichon  er- 
wähnt, Staad  08  dea  Provlndalen  ob,  ihre  Kotleg^on  su  viaitieren. 

*)  «Omnea  Naoprofbiat  datlneantor  in  ProfMSorio  aaltem  per  tden- 
nium  poflt  ProfiBasloneni  aub  regnlls  et  modo  vivendi  strictiori;  ad  reere- 
atiunem  et  eonvorsatlonem  Seniorum  noo  acco  i  unt,  studiisque  diligentem 
impendant  operam.  Quoad  Sacerdotes  juiüures  relinquitur  dlscretioni 
Superioris",  so  entscbied  das  General-Kapitel  vom  Jahre  1637  zum  oben 
cltlarten  Punkte  1  (das  X.  Kap.  Part  I  dar  Conatitutlonen),  Clemana  X. 
baattttigto  diesen  Zvaats  1676. 

*i  Die  Professen  mussten  nicht  sofort  zu  I^riestern  geweiht  werdaD> 
Der  Ordenaatifter  eelbat  wollte  nicht  Viele  zum  Priaaterataade  in- 
iaasen. 

Noch  ein  Provinzial-Kapitel  der  deutächeu  Ordenepruviuz  vom  Jahre 
1728  baatinunte  deawagen  daa  »ante  quinquannlam  Profeyionls  exoapte 
Caan  neceasitatia  (Hertel  ad  aaeros  ordine«  noa  pro  aovoantur. 


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10.  Ueber  die  wiBBeoicliaftlidie  Hennfaildiiiig  der  Piaritten  etc.  155 


Wiederholung  einer  Klasse  i).  Es  war  jedoch  auch  nicht  ansge- 
scblosseo,  dasfi  Novizen  im  zweiten  JaJire  aiishilfisweiae  in  den 
unteren  Klassen  yerwendet  wurden. 

Bestimmend  für  die  Heranbildung  der  Ordens-Kandidaten  war 
anfänglich  die  Verordnung  der  Konstitutionen  des  Ordena- 
Stifteis  betreib  des  Lehrzieles,  von  welchem  derselbe  im  ersten 
Teile,  Prooemiam,  4,  sagt: 

Erit  ergo  Imtitati  nostri  a  primis  elementis  modmn  recte  le- 
gendi, scribendi,  computa  faciendi,  lingnam  latinam  pietatem 
praecipue  et  doctrinam  christianam  paeros  edocere  et  btec  summa, 
qua  fieii  poterit,  facilitate  executioni  demandare. 

Diesem  Zwecke  eTir^i  n  chend  sollte  eben  die  Bildung  des 
juDgen  Piaristen  in  erster  Linie  sein.  ^  Im  zweiten  Teile,  Ka- 
pitel X,  1  verordnet  er  jedoch  weiter: 

Cum  finis,  ad  quem  nostra  Religio  per  exercitia  Scolarum 
Piarum  tcndit,  ut  supra  dixinms,  sit  puerorum  eruditio,  tarn  cira 
christianam  Pietatem.  tmii  rirca  humanas  litteras,  Qt,  sie  edocti, 
vitam  possint  cousequi  aetcraum;  ad  eam  tinem  consequcudum,  vitae  spiri- 
tualis  exemplum,  doctrioam,  et  modum  eam  tradendi  necessaria  esse  daxi- 
mus.  Et  postqunm  in  bis,  qai  ad  PrafSsirioBem  admini  saut,  apparebit,  iii 
verii  virtntibits  non  nihil  profeeiase  de  fondamento  litterarnm  et 
modo  eas  tradendi  ac  proponendi  cogitandnm  erit*) 

und  Sttb  2:  verordnet  er,  dass  in  den  einzelnen  Häusern  des 
Ordens  zum  wenigsten  zwei  Alumnen  des  Ordens  seien,  welche  an 
Stelle  jener  treten  konnten,  die  durch  Krankheit  oder  durch  eine 
andere  gerechte  Ursache  verhindert  sind,  bis  endlich  die  Ordens- 
Genossenschaft  in  jeder  Provinz  e  1  n  Studienhaus  besitzt,  welches 
für  taugliche  Ministri  sorgt  (und  in  welchem  ausser  Rhetorik 
und  den  „casus  conscientiae"  keine  höhere  Wissenschaft  gelehrt 
wurde*). 

*)  Jedoch  unter  AuMcht,  woDigstane  a&fäuglich. 

*)  In  apfttwer  Zelt  wurde  voa  den  Ordena-Stadenten,  bevor  sie  aus 

der  Humaniora  zu  den  höheren  Studien  aufsteigen  konnten :  die  LetctCre 
lateinischer  Klassiker  und  doron  Nachahmung  im  klassischen  i.atoin  und 
die  Lektflre  griechiacher  Klasaiker,  damit  sie  einst  dieselben  lehren 
kOoateo.  Pemor  Brlermmg  der  franzSiiflehen  und  italienischen  Bpraehe. 
Uebar  das  BrlMnte  aoUtea  «la  wOehaatUeli  den  Stndlendirektor  Rechen* 
echaft  geben.  Angtrmten  wnrda  ferner  in  den  übrigen  Stunden  die  Intro» 
ductiones  ad  Ger>^raphiaTn  Dovam  et  antiquam,  Chronologlam,  Historiam  et 
Mathesiu  (Kap.  ii^u.  i(ibo). 

^)  Diese  restringierende  Verordnung,  welche  das  Studium  in  den 
Ordensatadien-Haoaem  beschrankte  —  i.e.  nur  bia  sur Moral  und  Rhe* 
torik  erlaubte  —  wurda  mit  Brianbali  des  apoatoliseheii  Stuhles  bald  ausser 


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166  Uitteiliuigeii  d.  G«8.  f.  deatoche  Eniehungs-  u.  Sehutgeseh.  VIII. 


Endlich  sub  3:  Und  jene  aus  uns,  welche  die  0ch9nen  Wissen- 
Schäften  lernen  werden,  sollen  zu  gewissen  Zeiten  Ton  solchen 
Dingen,  die  in  dieses  Fach  einschlagen«  unter  Vorsitz  desjenigen, 
der  ihnen  dazu  Anweisung  geben  kann,  einen  Öffentlichen  Beweis 
ablegen  (de  Ug  dlspatabiint*)). 

«Similiter  (fUurt  er  weiter  fort)  etiam  in  eomponenda  solota  oratione, 
aat  carmitte,  aeu  themate  ibidem  es  tempore  ad  exploraadam  ingenii  prom« 
titodinem  eos  excrrebuot  et  in  aliis  etiam  exercitatioiubas,  proat  Snperior 
expedire  jadicaverit.  Hi  omnes  stadiosi  comnaniter  latine  loqaantmr;  Sint 

etiam  nliqni  ex  Nostris  qui  Novitios  in  «ecTindo  Probationis  ni'no. 
supehüi'i  bene  visuin  fuerit,  doceant  non  solum  modum  docendi  doctnnam 
cbristianam,  sed  etiam  modam  perfoctc  littcras  forniandi  et  com- 
puta  faciendi  et  quos  ad  id  idoneus  etiam  Clericüs  aut  Sacerdotes 
inTeaerit,  in  eo  institato  perficiat,  quisi  alias  sna  tempore  ktoaei 
reperiantor«  Generalis  sen  de  ^ns  ordine  Provindalis  (ad  omnia  ofßcia  in 
qoolibet  domo  et  Provincia)  eos  promovere  poterit.  Idemqae  qnoqne  ob. 
serrabit  Snperior  in  iUiSt  qni  ad  fnndandos  pneros  kd  prineipüs  üngnae 
latinae  singnlare  talentum')  habebunt.*^ 

Hierzu  giebt  er  den  Oberen  noch  die  Mahnung»  darauf  zu 
sehen,  dass  darüber  nicht  die  Gottesfurcht  bei  den  jungen  Ordens- 
Genossen  loide  und  auch  durch  geistliche  Exerzitien  (per  10  dies  ante 
festum  (JO.  SS.  et  per  5  vel  sex  dies  ante  ResorrectloDoin  D.) 
sowie  durch  die  Erneuerung  der  Ordensgelttbde  (ttr  den  Fortschritt 
in  geistlicher  Beziehung  gesorgt  werde. 

Geltung  gebracht:  denn  das  General-Kapitel  vom  Jahre  1718  verordnete:  , 
PoBBDst  Religtod  noatrl  ttbiqae  in  Collegils  et  domlbuB  Nostris  legere 
Philosophinm,  Theologiam  et  roHquea  omnes  scientiae  non  solom 

pru  ReHgiosis  Nostris  sed  efiirn  saecularfbus  et  extnris  cum  ecitu  tarapn 
et  luüultikte  P.  GcüoraUs  ut  jam  In  multis  Prorlnclls  a  pluribuH  aniiia 
legere  et  docere  consueverunt.  Uebrigens  »eut  die  Coustit.  „Nubla  quldem** 
des  Papstea  Clemen«  XII.  vom  Jähre  1781,  ire'che  diesen  6enenil-K»ptte1> 
Bescbluss  bestätigte»  hinzu,  dass  schon  Paul  V.  dleaem  Umstände,  höhere 
Dlsziplia  IphroQ  /u  dürfen,  kein  Hiodeinii  onts"Ogf;n  pcsotzt  habe  iConatit. 
.ad  oa"  Ii  M:ir£  lülTi  .dummodn  tainoa  apud  schola«  pias  Coaatitutiones 
ordini»  quoad  sc  hu  las  niiiioreB  servontur,* 

')  Dttoiit  ^var  die  Veranlassung  zu  den  Hpüi^r  verordneten  wöcbent- 
lichen  und  mo&aitUehea  bioslichen  und  an  den  Offentlieheii  (bei  den  Prü- 
fungen) abgehaltenen  Dlsputatioaeo,  aufweiche  wir  später  bei  den  Stadien» 
ofdnnngen  (besonders  vom  Jahre  1696)  etc.  surfl^kommea  werden,  Anlas« 
gegeben. 

>)  Noch  im  Jahre  1771  ruft  das  Provinzial-Kapitel  der  östorreichischen 
Provinz  diesen  Punkt  der  Coastitutiones  mit  folgenden  Worten  ins  Ge- 
dlchtnis: 

Absolato  eurstt  stadionun  Jualorea  a  P.  Provinclali  laterrogeatar. 


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10.  ITelitr  die  wiaMnachaftlldi«  HertuabUduug  der  Piamtea  etc.  157 


II.  Studien-Ordnung  für  alle  Ordena-Kandidaten 

vom  Jahre  1694. 

Als  der  Stifter  der  frommen  Schulen  die  Ordens-Konstitutionen 
verfasste,  hatte  er  eben  den  Plan  vor  Augen,  nur  die  Grundzüge 
für  die  von  ihm  ins  Leben  gerufene  Lehr-Institution  zu  entwerfen. 
Schon  zu  seinen  T.ehzeiten  wurde  mit  (lenehniigung  des  apostolischen 
Stuhles  an  der  Erweiterung  derselben  gearbeitet;  noch  mehr  nach 
seinem  Tode,  wo  der  Ordeu  rasch  aufblühte. 

Bald  wurden  in  den  Kollegien  der  Piaristen  fast  alle 
Zweige  des  nienschlicheu  Wissens  den  jnngen  Ordens- 
KaudiUateu  gelehrt  und  von  den  gelehrten  UrdensmännorD,  die  als 
Lehrer,  besonders  in  Italien  ziemlichen  Ruf  genossen,  auch  öfl ent- 
lieh tradiert.  Das  jus  canonicum  scheint  eine  Ausnahrae  gebildet 
zu  haben,  weil  es  als  Lehrgegenstaud  erst  in  spätere  Kapitels- 
Beschlüsse  aufgenomnieu  erscheint. 

Bei  der  grossen  Verbreitung  des  Ordens,  besonders  auch  in 
den  österreichischen  Ländern,  zeigte  sich  bald  die  Notwendigkeit 
umfassenderer  Reformen  in  bezug  auf  das  Studienwesen  bei  den 
Ordens-Eaiididaten,  indem  ja  hier  das  Studienwesen  unter  der  Führung 
des  JeBuiten-Ordeos  einen  besondeien  Aufschwung  erfahren  hatte  — 
andererseits  mussten  auch  restringierende  Vorschriften  (so  yerordnete 
das  Qeneral-Kapitel  Tom  Jahre  1692:  Ad  scientias  altiores  nemo 
ex  Noatris  Junioribus  ascendere  valeat,  nisi  de  tanta  humaniorum 
litte  rar  um  peritia  in  eo  eoostet,  ut  eas  docere  possit  ad  nutom 
superiorium  [siehe  die  Studienordnung  vom  Jahre  1694  und  1696 
im  Späteren])  in  bezug  auf  die  Lehrthfttigkeit  der  jOngeren  Mit- 
glieder und  auf  die  Prinzipien,  auf  welche  die  Lehrer  aufbauen 
sollten,  eriliessen. 

Schon  waren  im  Laufe  der  Jahre  verschiedene  Propositionen  ^) 

quibua  atudiis  inprimia  aolmum  admovere  velint,  eorumque  reapous»  ab 
eodem  pro  directione  sequeutium  offidoram  et  annoram  diligentur 
adnoteotur. 

*)  Das  Provinzial  -  Kapitel  vom  Jahre  1670  (der  deutschen 
Ord^ns-Provina)  unterbreitete  dem  General-Kapitel  sa Korn  167 1  folgende 

Vorschläge: 

1.  Lt  juutorum  profedsorum  discipUna  severior  sit  quam  autiquorum 
Juxta  anmiDoriim  Ponüflcum  H  üonatitationiim  noatranim  dlapo- 
aitioaem  nec  paaaim  agere  com  profesaia  Mnlorlbna  per* 

niittantur. 

2.  L'l  omues  iio^tri  Clorici  docturi  ab  ipaa  legemU  scola  exor« 
diaot  et  gradatim  asceudant  ad  aUiure^t  ciasaes. 

6.    Ut  Doatri  in  atudio  Theulogicea  D.  Thomam  aeqnaatur. 


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158   Ifitteilungen  d.  Ges.  £  deiitoefae  Br^ehungs-  u.  Schulgesch.  VIH. 


von  Seite  der  diversen  Provinciale  und  ihrer  Kapitel  an  die  General- 
Kapitel  und  deren  VorsitMnde,  die  Generale  in  Rom  eingelaufen, 
als  sich  im  Jahre  1694  der  General  Joannes  Ftanciscus  a  S.  Petro 
entschlosB,  folgende  Bestimmungen  in  besug  auf  die  Heranbilduug 
der  Ordens-Mitglieder  vorUnfig  bis  aaf  weiteres  hioauszugeben: 

lo*  LiterariaJanioram  nostroram  disciplina,  ut  plarimnm  N  OTennio  eon- 
liooo  ezplenda:  per  Probationis  bienninm  Glerici  NoTitij  (qni  non 
sant  onmino  admittendi,  nin  sattem  absolute  Latioitatem  perfeete  cileant) 
quotidie  de  raane  saltem  per  horsm  exerceantur  in  iis,  quae  in  secnlo 
didicerunt,  et  omnino  per  id  tempus  Lalinitati  expoliendae  dedicentur; 
de  sero  per  aliam  horam  in  characteribiis  rite  foSodis  et  compntas  fa» 
ciendis  instituantur. 

2tio.  Neo  -  Professi  biennio  in  Literis  Ilumauioiibus,  in  Linqnaruni, 
Graecae,  et  ejusmodi  stuüijs,  nec  uoii  iu  Cliaracteribus  et  Aritbiiieticis  per* 
ficiantnr  nec  ad  alias  acientias  promoveantar  nisi  post  eUpsnm  bienaimn 
per  accnratissimam  examen  comperti  fuerint,  Artibiu  Aiidimetids, 
cbaractericis  ant  seriptorys  Grammatieis»  Poetids,  Kbetoricis,  jocta  In- 
stittttum  profitendis,  idoneL  —  Quod  si  per  id  temporis  tales  non  evas- 
crint,  Arithmeticae,  scriptnrae  etcasibas  scientiae  (!)  tantum  dent  operam; 
qui,  ut  supra,  benc  profcccrint  per  aliud  bienniinii  Pliilosophiae 
(per  alterum  Philosopliici  biennij  annum  addantur  £uclidis  elementa), 
Tbeologiae  autem  siinul  cum  Matiiesi  triciinium  alacriter  applicentiir. 

3""-  (ad  punctum  secuiidurn:  vide  supru.)  Humaniorum  litcrarum 
stndlosi  per  singulas  liebdomades  nnllo  excepto  coram  Patribns  Lncn- 
brationem  aliqvam  latinam  in  mensa  seo  inOratorio  reciteat  memoriter; 
neo  non  freqnentes  habeant  ad  Snperioris  et  Magistri  praescriptwn 
Aeademias. 

I*«- (adp.  2  relateadPbil.  et  Theol.  cum  Matiiesi  studentes)  ;  Phi- 
losophiae  ac  Tbeologiac  cam  Matiiesi  '-tndentcs  privatim  diurnis,  In  lul  ). 
inadim  semipublicis,  quandoque  disputationtbas  et  concertatiouibus  ad  Supeh- 
oris  et  Lectoris  imtum  acuantur. 

Et  ipsi  Pbilosupbi  et   i  heulogi')  per  äiugulos  pariter  menaes 

Und  flub  8  wegen  der  AusbildUDg  der  Kandidaten  in  oratiMrischer 
Baiiehiing: 

üt  Ciprici  so  3o  exerceant  (»ratinnibus  in  rofectorio  aicut 
et  Juniores  nacerduteä  conciouibus  ac  lectiumbus  per  ordiaem, 
ut  alias  statutum. 

.Fossnnt  antem  in  atudiis  tiieologicis  duo  Lectores  constitui 
quomm  antiqaior  profeaslone  sit  matutmus;  minor  vero  Tespertiniis 

pro  divorsis  tractibus"  so  bestioiuite  das  General-Kapitel  vom  Jahre  1692. 
Nimmt  man  in  Ht'fliniinp:.  das^s  din  Tlipolotron  bf^roitn  in  den  unteren  Klassen 
ak  Magistri  beschiUtigt  waren,  wohl  üu  walirend  der  ganzen  Schulzeit, 
SO  ist  der  fiehluss  bersehtigt,  zu  sagen,  dasa  die  jungen  Piaristen  ganz 
nnd  gar  in  Anspruch  genommen  waren. 


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9.  Ueber  die  wisaonscbaftliche  Heranbildung  der  riari^ten  etc.  159 


Academicam  actionem  Oratorijs  et  Poeticis  lucubrationibiis  re- 
citandis  exercitij  ergo  exhibeant;  cujus  qaidem  ritns  vel  is  erit,  quem 
■aper  AnideiiilfB  Encydids  nniiatnis  per  Htterae  eonmranes  noetrae') 
«zposnimu.  Tel  Alanuii  nostii  per  gjmun:  nnus:  brevem  aliquam 
dedametionem;  alter:  breve  Po§ma;  Bellqni  Balten  singolaa  pams 
Ivcobrationes  recitent  Ille  «atem,  ad  qaem  per  gyram  perorare 
spectaverit,  taniquam  i^ns  mensis  Academicas  et  Academiae  Prae- 
f(  rtus,  caeteri?  as^i^nfwit  argumenta,  ea  per  mensom  ante  pro 
siugulis  nominufiiii  des  ri[ita  palam  exponondo,  nec  ullus  aliter  ab  ojus 
praescripto  coiüi  onnt,  aut  recitet;  Ejusmodi  argnTnonta,  vel  siiit  sacra 
vel  moralia,  vei  boroioa  vel  etiam  Philosophica  auL  Tbeologica. 

10"<*-  ültiBia  feria  51'^  tertij  cujusqae  meuis  babeatnr  per  sii^las  elassea 
stadeutiimi  examen  a  Fatifbns  per  Pnieporitoi  Provüieialea  depntandls»  qai 
eeornm  per  aecretas  litten»  pro  reritate  P.  Oeoeraloa  imlractam  reddant 
•aper  Eorum  litterario  et  regulari  progreeea  et  diicipUoa. 

Diese  StudieD-Ordnung  verlangte  von  den  jungen  Kandidaten 
zwei  Jahre  Noviziat;  nach  der  Profesfi  ein  zweites  Bienniiim 
für  den  Unterricht  in  den  Sprachen  und  in  der  Arithmetik; 
hietauf  ein  drittes  ßiennium  fUr  das  Studium  der  Philosophie 
und  endlich  ein  letztes  Trienniam  für  das  Studium  der  Theo- 
logie und  der  Mathesis.  Im  ganzen  also  ein  Novenniimif  wie  der 
P,  General  im  Punkte  1  der  Instruktion  vorausschickt. 

Wer  von  den  Theolo«;en  diese  vorgeschriebenen  Studien  nicht 
in  der  bezeiehneten  Weise  absolvieren  konnte,  wurde  einer  Kepe- 
tition  unterworfen. 

Diese  im  Jahre  1694  mit  Beziehung  auf  das  General-Kapitel 
vom  Jahre  l(iy2  (Koiii)  an  alle  Provinciale  ei*gangene  Instruktion 
w^ar  mit  dem  Beifügen  erlassen  worden:  „bis  auf  Weilcres'*! 
Als  derselbe  General  im  Jahre  1695/96  die  deutsche  und  ungarische 
Provinz  visitierte,  erfloss  gleichsam  auf  Grund  derselben  am 
29.  Juli  1696  zu  Horn  eine  neue,  deiailicrt^re  Instruktion  für  die 
deutsche  Provinz  und  die  ungarische  Vice-Provinz.  Ich  schicke 
voraus,  dass  in  dem  an  die  deutsc^he  und  un^'arisrhe  TroNiiiz,  ge- 
richteten Schreiben  betrefl's  der  abi^iulialtenden  Vi.sitaiiou  des  Generals 
vom  12.  November  1695  die  für  die  deutsche  Provinz  schmeichel- 
haften Worte  vorkommen: 

Deniqae  non  ignorantes,  quantopere  Dilectissima  Previncia 
iiostra  Germania  studijs  effloresoat»  optamiis  aliquid  etiam  ad  sola> 
tinm  DOfitmm  ubique  domoram  per  publicos  Aeadeniiaram,  Theainm  et 
ejusmodi  actus  tarn  a  Junioribas  nostris  quam  a  Scholaaticis  conflueil' 
tibtts  proferendos  inter  visitandam  delibare. 

')  Ist  mir  leider  nicht  zur  Einsicht  vorgelegen. 


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160  lUtteiliiagen  d.  Ges.  f.  deutscbe  Bnlehunga*  u.  Schulgesch.  VIII, 


Die  besondere  Blüte  dieser  beiden  ProTiuen  scheint  eben  die 
Ursache  einer  spezteUea  Studien-Ordnung  fOr  dieselben. gewesen 
zu  sein. 

HL  Studien-Ordnung  für  die  deutsoh-österreiohische 
und  tmgarisohe  Provinz  1686. 

In  der  Einleitung  zur  «Studien- Ordnung*  verordnete  der 
P.  General  sub  1:  *  * 

Glerici  Novitii  tempore  probationis  per  gymm  sen  Hagistri  No* 
vitioram  aibitrio  Itoquenter  in  Institato  Seholaram  Piaram  exerceantur 
hmi  Tel  terni  ad  semi  hurai^  vel  unam  circiter  boram  in  Scholae  alicujui 

ex  minoribiis  subsidium  ordinati.  Saepius  etiam  prr  Non  itionim  Maijistnim 
super  eudein  intcrrogr-ntnr.  diriganturque  sedulis  institiitioiiibus  circa  pie- 
tatem  cum  literis  per  iiidu.strias  et  occaaioues  quascunque  in  adolesceiiluliä 
promoveudaiii :  Qui  pariter  Novitij  solerti  studio  charactcrcs  et  Arilh- 
meticam  tempore  Tyrocin^  doceantur.  Universim  autem  ad  Noatornm 
Stadls  »aecnlares  imposteram  non  admittantnr;  Teram  ex  orgenti  cauiat 
non  niai  cum  condiücme,  qaod  tanqaam  caeteri  Scholares  omnia  praesteat, 
jajrta  eomm  regalas  et  a  Praefectis  dependeant,  neqne  NoitraUhus  alla  enm 
ipsis  pemiittatur  familiaritas,  et  quatenus  ad  ejusmodi  stadia  aaecnlares 
ndiiiittaiitur,  omoiiio  fiat  extra  dormitoiia  et  publica»  officlnas,  ne  reUqai 
perturbentur. 

2"-  Nnllns  ex  jnnioribus  :id  Scholas  dorendn«!  promovcfttiir,  qui  per 
bieniiiuin  Ilhctoricue  cum  liiigiia  Graeca  et  per  alind  bienuium  Pliilo. 
sopbiue  sub  J  n nioratus  di-ciplina  existens  operam  noii  dpderit;  imo 
si  propter  instituti  necessitatem  e(  prupter  Subjecti  capacitateiu  licuerit, 
per  triennlnm  Saerae  Theologlaa  (aervata  praescriptomm  naminnm 
Serie,  nt  Infira)  non  staduerit,  instituti  tantum  necessitata  aecedente« 
omnhio  probibemust  neClerici  ad  Scholas  docendas  promoveanturt 
aisi  in  Domibus  ad  junioratum  seu  professorinm  depntatis.  in  qai- 
bas  tales  Magistri  sab  junioram  disciplina  contineantur,  ab  nntiquorum 
consortio  sifruiUiter  in  recrcatlonc  seprcgati.  nctrefTs  der  Xoviziiits-H.iuser 
för  das  I.  und  II.  Noviziats-Jabr  beruft  si»  h  liii  imit  dci  P.  General  auf  die 
Konstitutionen  o,  4  p.  5  und  die  Conftitulio  lum>cenlii  XII  und  dberlässt 
die  Bestimmung  derselben  für  die  I'rovmzen  den  Provincialen.) 

Dif'ser  EiDleituni:  lä.sst  der  P.  General  den  eigentUcheii 
.Ordo  Studiorum  tradendorum"  folgen: 

I.  Pro  studiosis  bumanioram  literarnm. 

I'^ianni:  I'"*^  trimestri,  mane:  de  arte  epistolari;  vespere:  de 
prosodia. 

I"'>aoiii:  Ü^^  trinestri,  mane:  prolnsiones  in  Rhetoricam;  re- 
spere:  quae  supersnut  de  prosodia  vel  ejasdem  repetitio. 

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10.  lieber  üie  wiaseoschafüiche  Heranbildung  der  Piaristcn  otc.  161 


Imiauni:  guo  triraestu,  mane:  de  elocutione  oratoria;  vespere: 
de  arte  inetrica. 

Imigani:  4to  t(iiiiQ}tri»mAne:  qnMsapenaiitdeelocntfone;  vespere 
qoae  rapeniint  de  arte  metrica. 
amii:  l'^'>  tiimestri,  mame:  de  uiTNitioiie  tarn  oratoria  qnaoit 

poetica;  vespere:  de  eloentione  sea  eloquentia  poetica. 
II<u  aoiii;  2('<>  trimestri,  inanc:  de  reliqais  Bhetoricae  partibas; 

vespere:  de  arte  Poetica. 
ll'ü  anoi:        trirnestri,  mane:  quae  supersunt  de  ejusdem  Rheto- 

ricae  partibus;  vcsporc:  quae  snpersuiit  de  arte  poetica. 
11'^'  aaui;  -i"^  trirnestri,    mane:   obseivatioDes  variae  super  arte 

oratoria;  vespere:  obserratfonet  iwriaa  niper  aito  poedea. 

IL  Pro  Philosophis. 
Quibas  erit,  ex(  pptis  Logicis  in  smgulis  sabbathis  Leclio  ex  Ethica. 
Primi  auiü:  priino  trirnestri:  commendatio  doctrinae  D.  Thomae 
modo  disputandi  et  summulae  seu  logica  minor. 

2^^  trinestri:  Prooemalia  Logicae,  in  quibas  primo:  de  Ibte  ratio- 
Dis,  inde  do  reUqniB  ProaemalibaSt  poat  haec  de  UaiTersaUbus 
in  oommoni. 

3tio  trirnestri:  do  Universalibus  in  particulari,  de  antepredieanientis 

et  predicamentis  substantiae,  quantitatis  et  qualitatis. 
4***    trimestti:  de  rclatione  et  rcli(|iiis  predicamentis,  de  postpredi- 

camentis  et  de  Syllo^isnu)  demoiiütrativo,  opinativo  et  sopbistico, 

nisi  forte  de  suphistico  actum  fuerit  in  summulis. 
Secundi  anni:  1'""  trirnestri  Pbysicac  prooemialia  et  de    Ii'  ; 
bili  in  commnni; 

2^  trirnestri  de  Ente  mobilit  nota  locali  et  vitali: 
gtio  trirnestri  de  Generatione  et  Heteoris; 
4*0  trirnestri  Ifetapbysica. 

III.  Pro  Tiiroln-is. 

Primi  anni:  1^*^*^  trirnestri :  de  sacra  (iiietrina,  de  actibus  humitni«:. 
de  vitiis  et  pcccatis;  2^"  trirnestri:  de  Sacraiuentis  in  genere  et  in  spu  it . 
S**®  trirnestri;  de  virtutibus  thcologicis,  de  legibus,  de  justitia  et  jure. 
4^  trirnestri:  de  cemuris  in  commnni  et  particolari  et  de  voto  ac  statn 
religioso. 

Secundi  anni:   l™«  trirnestri:  de  Deo  nno  et  attribntis  ac  de 

Beatitndine;   2  ' •  trirnestri:  de  Deo  trino;  S*"«  trimestri:  de  Angelis;  4»» 
trirnestri:  de  Scientia  Dei. 

Tertii  anni:  V^^  trimestri:  de  visionc,  ac  de  g:raria;  2"'"  trirne- 
stri: (1<^  croalionc  et  prcdestinatione;  3'"'  et  P  trimestri  de  Incaniatione. 
cui  succedaiit,  si  per  tenijmd  licuerit,  quaeslioues  nuscellaueae  praesertim 
dogmaticae,  quarum  notitias  upae  prctium  erit  aiii^i  cum  traclatibus 
intenniscere. 

UittoiluDgen  d.  Qea.  t  d«utBClm  enetoh.-  u.  Sebalctacbtalito.  VJIi  S/S  1806.      1 1 

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162    Mitteilungen  d.  ües.  f.  doutsclu  Erzichunp*!-  u.  Schulgoach.  VIII. 


Nach  diesen  die  Stolfe  für  die  einzelnen  .lahri^'änge  der  Ordens- 
studeoten  taufteilendeu  Vorschriften,  schliesst  der  P.  General  im 
nächsten  Punkte  IW  einige  Weisungen  mit  Berufung  auf  ältere 
Verordnunf^en  daran  und  zwar  über  das  Ziol.  welches  hei  allen 
KaTiflirlatcn  in  lU'zuu;  auf  Wissenschaft  und  Befähigung  erreicht 
werdi'u  sollte:  iibci-  (iie  Mittel,  das  Erlernte  ^wt  zu  verarbeiten, 
über  die  (Quelle,  ans  denen  die  l'rufe.-soren  niid  Lectoren  sehüjd'en  und 
über  die  Zeit,  web:he  verwendei  werden  sollte  auf  Kriialtuiif;  und 
Ptle<;e  des  Erb-riiten.  Für  die  Fortbildunc^  in  der  .Mathesis" 
setzte  er  für  jecb  ii  Sanistag  oder  Ferialtag  des  Murgens  eine 
üebuugsstunde  an,  ^vie  es  sehon  1694  bestimmt  worden  war. 

Die  .Sludierendeu  ermahnt  er  ^ne  plurium  ocripia')  perle- 
gendo  sc  se  confundant  sed  suis  inhaereant"  und  le:;t  ihren  Vor- 
stehern ans  Herz,  ihnen  ein  nrijaues  Ikuehmeu,  <;ehorsani  und 
Freundlichkeit  anderen  gegenüber  je  nach  der  Stellung  und  dem 
Ansehen  desselben  zu  lernen.  Schliesslich  giebt  er  noch  eine  Vor- 
schrift Uber  die  Art  und  Weise  der  Abhaltung  der  solennen 
V*  Jahr«s-PrOfungeu. 

Um  auf  die  angeführten  einzelnen  Monlta  zurackzukommen, 
welche  am  genannten  Orte  der  Inatmktion  enthalten  aind,  so  be> 
merkt  dieselbe: 

In  Bezug  auf  alle  studierenden  Ordensmitglieder, 
dass  alle  so  ausgebildet  werden  sollten,  dass  sie  in  allen 
Diseiplinen  vorztlgliche  Professoren  wttrden: 

Pom»  respective  omues  stndentes  ita  io  suis  Stades  perfidendi»  at 
in  egregios  artium  omnium  evadnnt  Profesaorcs. 

Um  sowohl  dieses  Ziel  zu  erreichen  als  auch  die  Ordens- 
mitglieder im  Einzelnen  und  im  Allgemeinen  für  den  mannigfaltigen 
Ordensberuf  tauglich  zu  machen,  stellt  die  Instruktion  als  beson- 
dere Mittel  hin:  das  beständige:  öffentliche  und  private 
Ex ercitiura^)  unter  Leitung  des  Studien-lYaefekten.  sei  dieser 
nun  der  Rektor  oder  ein  anderes  dazu  bestimmtes  Mitglied  oder  ein 
ProlV'ssor  —  und  die  unablässige  Korrektur^)  der  Vortragenden 
oder  Vorlesenden  durch  den  P.  liektor  etc.  etc.   So  sollte  iusbe- 

*)  Eine  fthnlicho  VerordnnDg  erging  1728  (Kap.  Prov.)  betreffs  Oe- 
brauchcs  von  oii^krtrpn  .^ukton>n: 

Exercitium  liiif^uae  (iraccao  t't  uno  prohibentur  scripta  jnLtlixii  et 
obHcuriorcä  classici,  eorundem  Authorum  dläcipulisa  Mugiätrl»  dictaiidae 
exptlcaüo&es,  donec  de  aliqua  idooea  et  compendloaa  edocendi  methodo 
proviaum  fuerit  (aub  9). 

2)  ju^'i':^  omnium  rxerritatro  privata  et  publica. 

^)  ätque  adeo  uunquam  uegligatur  Dociamantium  correcUo. 


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10.  Ueb«'r  die  wigsenschut'tliche  Heranbildung'  der  Piaristoii  etc.  163 


sondere  hingetrachtet  werden  auf  eine  wahrhaft  reine  Sprache, 
Aussprache  und  rednerische  Ausbildung  im  Vortrage,  was  mit  den 
AVorten:  ,,Cultus  Locutionis,  Elocutionis  et  filoquentiae" 
ausgedrückt  erscheint. 

Ausser  den  ordentlichen  Uebungen  sollte  daher  jeden  3.  Monat 
<aUe  V4  «Jahre)  mit  dein  ^4  Jahr>£xamen  irgend  ein  actus  acade- 
mieus  nach  den  vom  Präfekten  oder  Professor  bezeichneten  Thematts 
(censurntis  ab  eodem  singulorum  lucubrationibus)  abgehalten  werden. 

Was  die  Quelle  betrifft,  aus  welcher  die  Professoren  bei 
ihrem  Vortrage  in  der  Philosophie  und  Theologie  schdpfen  sollteo, 
enthält  die  Instruktion  eine  interessante  Weisung,  welche  in  so 
manchem  früher  zitierten  General  und  Provinzial-Kapitel  zum  Aus- 
drucke kam,  in  einer  präziseren  Wendung  mit  Rücksicht  auf  die 
damals  an  den  rnivcrsitaten  durch  Privat-Doeenten  gelehrte  .neuere 
Deniiuri'  nach  den  Prin/.ipien  des  Carteaius  und  Anderer.  £s 
lautet  nämlich  darin  folgendermaassen : 

^Caveant  autein  Lcctores,  ne  ab  Angelici  Doctoris  sententia 
dcflertaiit,  nevo  novis  aiit  tiovuc  mctlntdo  propositis,  uut  nimium 
prolixis  ad  lidei  defeusiuuem  vel  ad  morum  regalam  inutilibus  (^uae- 
btioiiibus  ininioreiitur." 

Diese  Weisung  legte  den  ProfeHsoren,  Magistern  und  Lektoren 
der  Philosophie  und  Theologie  gewisse  Reserven  betreffs  der  neu 
auftauchenden  philosophischen  Systeme:  des  Atoinisnni^  und  D^ua- 
mismus  auf,  indem  sie  auf  die  Philos()i)hie  des  hl.  Thomas  verwies 
resp.  an  der  aristotelisch-ächolastibchen  festzuhalten  befahl.  Die- 
selbe schloss  sich  wie  schon  bemerkt  wurde  an  Irühere  Verord- 
nungen an,  welche  auf  Verlangen  mehrerer  Provinzen  an  die  Pro- 
vinziale  fainausgegeben  worden  waren.  So  hatte  das  Provinzial- 
kapitel  der  deutschen  Ordensptovlnz  schon  im  Jahre  1670  dem  im 
Jahre  1671  (zu  Rom)  abgehaltenen  General^Kapitel  die  Vorlage 
gemacht:  Rogaut  Patres,  ut  Nostii  in  studio  Theologices  D.  Thomam 
sequantur  (vide  im  Früheren)  —  worauf  das  General-Kapitel  vom 
Jahre  1677  zufolge  dieser  und  anderer  Eingaben  die  Verordnung 
hatte  ergehen  lassen: 

Omnes  Religionis  Dostrae  Lectores  et  Magistri  ex  illibato  An- 
gel ici  Doctoris  fönte  Theologiam  hauriant  doctrinanii  eamqne  mazime 

tueantur  circa  auxilia  gratiae  et  piaemotionem  physieam.   Sub  poenis 

arbitrio  Proviucialis  infligendis,  quorum  vigilantiac  scro  rem  hujusmodi 
servandam  coinmendavit  (setzt  dio  mir  TOthegende  imvolUt&adige  Sammloog 
Liu2u)  Capituluin  Generale  1G77. 

Mit  diesen  angeführten  Verwarnungen. gegenüber  der  neuen 

11* 

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164    Mitteiluugeu  ti.  Gua.  i.  tleutaclie  Erziehuugs-  iL  Schulgoach.  VIII. 


Methode  stellten  sich  die  Piaristen-Obereu  auf  Seite  vieler  üuiver- 
sitaten  (katholischer  und  aucli  protestantischer),  welche  sich  gleich- 
falls für  die  ariatotelisch -.scholastische  Philotiopliie  erklärten  und 
den  neueren  Systemen  den  Eingang  in  ihre  Hörsäle  zu  verwehreu 
suchten. 

Z.  B.:  In  Jena  spricht  ein  fUrstlicfaer  Visitations-Rezess  1679 
die  BeffircbtuDg  aua:  es  JtQDnton  duidt  die  •lectio  Grotiana*  eines 
PriTstdocenten  der  jniistiscben  Fakultät  die  jungen,  unerfahrenen. 
Leute  auf  den  „sogenannten  Naturalismum*  geführt  werden.  1696 
beschftftigt  sich  ein  Visitations-Dekret  mit  der  cartesianischen 
Philosophie  eingehender,  jedoch  ablehnend. 

Es  wird  in  diesem  Dekrete  eingeschärft»  dass  man  in  Philo- 
sophie auf  die  »Fontes  aristotelicos"  die  Jugend  bestftndig 
weise  und  dieselben  den  Auditoribus  euförderst  grOndlicb  bei- 
bringe und  inclusive,  nicht  aber  durch  HerfUrziehen  und  Empor^ 
hebung  anderer  Principiorum  als  Cartesii  und  deigleichen  zu« 
mahl  anderen  zum  Verdruss  und  aus  aemulation  die  bewfthrten 
„Aristotelica"  deprimieren  solle.  Kudolf  Eucken  ^Zur  älteren 
Geschiclite  der  Universität  Jena"  —  Beilage  z.  allg.  Zeit  1897 
No.  23 

Au  den  l&athol.  Universitäten  finden  wir  ein  ähnliches  An* 
kämpfen  gegen  die  ,neue  Denkweise''  z.  B.  au  der  Benedictiner- 
Universität  Salzburg  sind  bis  circa  1745  die  Professoren  der  philo- 
sophischen und  theol Ölfischen  Fakultät  ,  strenge  Thomisten".  Ein 
Visit afions-Rezess  vom  Jahre  1701  erteilt  die  Vorschrift: 

Seiiteiitiae  contra  iloctrinam  S.  Thomao  hactenus  in  nostra  univer- 
sitate  tani  in  philosophia  quam  in  theologia  receptam  et  nsitatam  ia 
postenuM  iie  qaidem  problcmatice  defondantur,  approbentur  ant  iiii(irimantur,* 

Nach  kleineren  Versuchen.  d;(^'e};eii  deu  inMieren  l'orschungen 
Rechnung  zu  tragen,  (Vgl.  P.  Fruciunsiis  Scheidsadi  1718  in  (irr 
Pseudonymen  Schrift  :  Tractatus  de  u<  i  identÜHis  absolutis  sive 
8.  s.  Euehaiibtiae  sacramentum  —  Paderborn)  eikläite  noch  1741  ein 
Visitations-Decret  gegcnülier  den  ^Auimadversiones  i  uutra  philo- 
aophium-atomisticam"  dos  Nachfolgers  des  P.  Fructuosus: 

Peripatotico-Tliomistica  I'hilosuphia  iutegra  more  scolastico,  ut  bac- 
tenos,  tradetur  — 

bia  endlich  P.  Beda  Selauer  eine  .«ithilosophia-nova  ad  usum  juveu- 
tutis  academicae  1745"  schrieb.  (Histor.  polit.  Blätter  f.  d.  kath. 
DeutocbL  v.  JOrg  u.  Binder  1898.  iV.  266—274  u.  Studien  u. 
Mitteil,  aus  dem  Benedictiner-Ord.  etc.  (Raigern- Brünn  1882.  L 
85  u.  1884  1.  638  ff.). 


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10.  Ueber  die  wisaeusclmftiiche  Heranbildung  der  Piaristeu  etc.  105 

,  1  


Hochinteressant  ist  die  Instruktion,  welche  über  die 
abziihaltenflen  ^'4  J;ihres-Ex;iraina^)  i:ei;eben  wurde.  Die- 
selbe ;^iebt  eineu  sehuiien  Einblick  in  das  bewegte  Ueistes- 
leben  der  Piaristeo. 

Alle  3  Monate  resp.  jedes  Vierteljahr  sollte  ein  Examen  ab- 
gehalten werden  und  zwar  folgendermaassen: 

„Octiduo  ante  per  liCrtorem  aftigantur  Quaestiones  seu  Theses 
praccipae  triiiiestres  pro  examine  propo;  die  vero  statuta  studentes 
omncs  cum  Professoribus  et  Examiuatoribus  deputatis  convocata  familia 
im  uDiim  eODTeniant,  pmemissisque  predbuB  «nte  ^dia  oonsaetis  iinas  ex 
stadentibaa  per  gymm  p'lraefatiiiiiciiUm  habeat  opportanan;  inde  per 
sortes')  ab  iiniit  seorsivis  educantur:  Examinanduft»  Examinator  (!)  et 
Tbesis  niia  ex  propositis.  Postea  examinandos  e  catlietra  doctrinaliter 
de  quaestione  per  sortera  edocta  disscrat;  mox  ab  Examinatorc  propo- 
sitis  et  objecti«!  satisfadat  ;  Ilinc  ad  secreta  et  sub  secreto  servanda  (!) 
suffragia  s  c  c  u  n  d  u  m  v  e  r  i  t  a  t  e  m  f  t  c  0 n  s  c  i  e  n  t  i  a  m  (I)  deveniant  Exaiu iua 
tores  et  quota  quisque  sortilus  fuerit,  in  libro  ad  ])oc  iustituto  notentar 
cum  disstiuctione :  aureorum,  quae  optime;  argcoteorum,  qn^e  medio« 
criter;  plurabeornni  vel  nigraram,  qaae  male  eignificeiit  Eadem  oia 
pro  Bingulis  axaminandis,  etiam  respeetive  et  per  trimestre  ezamen  Tel 
aolemne  post  primom  Theologiae  annam,  ia  qttibnscnmqiie  litterarijs  ftuuil- 


V)  Wie  und  wann  die  Examina  an  den  «froinraen  Schulen"  gehalten 
werden  soll,  ^ioht  dor  V  General  fxih  V  unter:  ,de  inatituto  Scholarum 
piarum'  an.    &uh  V.  7  heisst  e»  namtich: 

Solemniter  coram  Superiore,  Beholaram  praefeeto  et  alUa  ex  gra> 
viorlbas  Patribus  conaueta  diacipulorum  examina  ineantur  perelasses 
et  (|uidem  cxuminentur  respoctive  in  ßdei  rudiiuontia  et  in  requisitiü  ad 
pcionitentiae  et  rurharistiae  .sarramenfa  rite  frequentanda.  Deinde  in 
literatura;  uec  uUus  a  minori  ad  majorem  claseem  aacendat,  qui  neu  fuerit 
optime  fUndatue  in  mlnorl  per  ExamloatoreB  Inventoa.  Ejusmodi  auten 
examina  per  Ii  diee  ante  feriaa  generales  et  modinm  annuerum  etudiorum 
decursum,  antequam  studiosi  ud  paternas  domos  dilabantor,  cum  noUÜa 
eisdem  danda  approbationis  vp]  rp|irnhatioiiis  ad  majorem  claösem  habcantur. 
Ea  sei  bemorlit,  da»»  unter  den  .frommen  Schulen"  die  Qymn.  der 
Piaristeu  su  ventehen  (dnd. 

*f  Schon  im  Jahre  1607  wurde  eine  dleebesttgUche  Aendening 
getroffen : 

.Tudieatiim.  profinium  PSfP  in  Btudils  a'tinri'ru;  pro  majori  frnctu 
Nostrnrum  studentium,  aut  siuiienieö  aut  opiuii;iiaii('  S  non  esse  sorte 
extrahondoä,  aed  »inguloa  paratos  csae  dobere;  licitumque  Professoribus 
non  tantum  nnum  et  altemm  aed  et  pro  libitu  omnes  examinare  de  prae- 
eedenti  lectione  meuioriter  roddcndu  in  compendio  (Responaa  data  ad  omnea 
domos  in  cupitnlti  I'rovintiali  IfiO?  7.  Scpf  sub  22  ).  Wie  aus  dorn  Nat  h- 
lolf^endon  ersichtlich  f^^in  wird,  wunlc  diepn  Art  der  Prüfung  im  Jahre 
1723  (rcfip  1724j  auch  iiir  die  Hunmniora  eingeführt. 


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166   Mitteilungen  d.  Ges.  f.de«iteehe  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  VIIL 


tatibns  obseirentar.  In  omoibiiB  antem  Tiaitatioiiibus  Uber  praedictos 
Semper  secreto  a  Snpwiore  8er?andii8  Yisitatori  etiara  exlnbeatar  secreto* 

Diese  im  Jabre  1696  hinausgegebene  Studienordoung  gab  der 
deafsehen  OrdensprovlDz  und  der  ungarischen  Vice-Pr.  die  geoaueu 
Umrisse  an,  innerhalb  welcher  ihre  Ordens -Kandidaten  heran- 
gebildet werden  sollten;  Uess  aber  dem  Provindal  mit  seinen  Konsul- 
toren und  Assistenten  innerhalb  derselben  einen  grossen  Spielraum 
in  Bezug  auf  Lehrmethode  und  Lehrmittel,  um  dem  Tom  P.  General 
angestrebten  Zwecke:  omnes  studentes  ita  perficiendi,  ut 
in  egregioa  artium  omnium  evadant  Professores*  ^)  gerecht 
werden  zu  ItOnnen.  Von  Lehrbfldiem  ist  darin  ausser  den  Werken 
des  hl.  Thomas  keine  Bede.  Als  Lehrmethode  galt  damals  an 
allen  geisflichen  Instituten  noch  immer  die  scholastische  als  die 
Tomebmste.  Die  Art  und  Weise  der  Anwendung  der  Torgezeich- 
neten  Bichtung  stand  bei  den  Professoren  im  EinTeniehmen  mit 
dem  P.  Rektor  und  dem  P.  Provincial. 

Auf  Grund  dieser  Studienordnung  entstand  in  den  genannten 
Provinzen  noch  regeres  Geistesleben,  als  es  fMher  der  Fall  war. 

Die  «jugis  exercitatio*,  das  eifrige  Einflben  des  Erlernten 
bei  den  wöchentlichen  und  monatlichen  Disputationen,  bei 
welchen  oft  die  jungen  Ordens-Kandidaten  in  die  Schranken  treten 
mussten  mit  den  filteren  (als  oppugnanten)  zeitigte  bei  allen  Mit- 
giiedem  ein  grosses  Haass  habituellen  Wissens,  weldies  in  Form 
Ton  Schriften  und  Werken  endlich  in  die  Oeifentlichkeit  trat. 

Die  öffentlichen  Vorträge  sowohl  der  Professoren  wie  der 
Ordensstudenten,  bei  Tisch  oder  in  den  Oratorien  abgehalten, 
theatralische  Produktionen,  Deklamationen,  Akademien  gelegentlich 
der  Terschiedenen  Ordensfeste,  der  Patrone  der  Philosophie  und 
der  Theologie  (S.  Thomas,  S.  Katbarina  etc.)  brachte  Leben  und 
Bewegung  in  die  einzelnen  Kollegien  des  Ordens  und  verhinderte 
jegliche  geistige  Stagnation  um  80  meiir,  als  die  häufigen  Ver- 
setzungen der  Ordensmitglieder  von  einem  Ordenshause  in  das 
andere  immer  wieder  neue  Krfifte  den  einzelnen  Häusern  zuführten 
und  damit  neue  Ideen  und  neue  Anregungen. 

Es  soU  nicht  gesagt  werden,  dass  die  Studienordnung  vom 
Jahre  1696  neue  Normen  brachte.   Im  Gegenteile!  —  Die  Ordens- 


')  qui  cxplcto  primo  .  .  .  anno  curBUS  Theclor^ici  nori  fucrit  per 
Exaoien  «olennf  <!•'  riülusuphicis  ac  Theuloy^icia  tractatibut»  auditis 
profitendae  laudabilttor  publice  Plüloaophiao  par  inventus,  conscquenti 
biennio  Theolosico  privetur  (in  derselben  Iiutruktioii). 


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10.  Ueber  die  wissenschattliche  HeranbilUuog  der  Piuriöten  etc.  167 


traditio!!  hatte  sich  im  Laufe  der  Jahre  eben  zu  jenem  Apparate 
herausgebildet,  als  dessen  Ausdruck  obige  Studieu-Ordnuiig  an/u- 
seheii  ist ;  wenn  auch  dariu  der  individuelle  Charakter,  vielleiciii 
auch  die  „ooütiuetudines*  der  beideu  rroviüieu  Berücksichtigung 
fanden. 

IV.  Naolifolgenda  Studien« Verordnungen  der  Oeneral- 
und  Frovüudal-Kap&tel  (-1774). 

Das  wachsende  Ansehen  der  Piaristen  in  Oesterreich  liess 
indes  die  Provinciale  und  ihre  Berater,  sowie  die  Provinzial- 
Kapitel  nicht  ruhen,  auf  dem  Grunde  des  Ueberlieferten  -weiter 
fortzubauen.  Die  spezieUen.  Bedürftüsse  der  ProTinz;  neue  An- 
forderungen, welche  durch  Berufung  an  diverse  Institute«  durch 
Neugründungen  ete.  an  die  Provinz  gestellt  wurden,  erforderten 
E^eiterungen  des  Unterrichts-Programmes  und  verechärfte  Maaas- 
regeln  flir  Lehrer  und  Schfiler  der  einzelnen  Kollegien. 

Vor  allem  suchte  die  Provinz  (damals  noch  die  deutsche)  das 
Studium  des  canon.  Recktes  einzufahren. 

Bezüglich  dieser  Frage  ging  v.  I^rov.  C.  zu  N'icolsburg  1711 
die  Anregung  aus:  (9)  Au  uou  cüusuilum,  ut  duu  sallem  Nostratium 
mittantur  ad  publicas  lectiones  Juris  Canonici  in  aliqua  Univer- 
sitate  excipiendas?  worauf  die  Antwort  erfolgte:  sicut  et  quando 
videbitur  P.  Provindali  cum  suis  Assistentibus,  imo  curet  omnino 
id  Provincialis  etiam  quoad  promotiones  (General-Kap.  6.  Mai  1712). 

Fernerb  frug  das  genannte  Kapitel  an:  (14):  Ut  ^scolae 
piae"  incorporentur  Univcrsitati  Viennensi?  Kesponsum:  Si  fieri 
potest,  fiat  com  scitu  ae  de  ordine  Provincialia. 

Der  P.  Proviücial  öchieu  jedoch  die  Sache  auf  die  lauge  Bank 
geschoben  zu  haben:  denn  neuerdings  fing  das  Lokal  Kapitel  zu 
Horn  1717  beim  Pruviüzial-Kapitel  1717  deswegen  an:  bupplicanl 
(sub  3"'*")  Patres,  ut  decreta  capiiuli  Provincialis  1711  hactenus 
Don  observata  deutur  executioni,  ut  sunt:  Studium  Cauonisticum  et 
Mathematicam  introducendum:  worauf  abermals  geantwortet  wurde: 
fiet,  cum  poterit. 

Jedoch  erst  bei  dem  Provinzial-Kapitel  vom  Jahre  1723  ge- 
schah diesbezüglich  ein  entscheidenderer  Schritt,  iudem  beschlossen 
wurde,  von  der  Provinz-Kongregation  einige  Ordensmitglieder  zu 
beauftragen  „qui  systema,  illud  tradeudi,  proponaut  ab  eadem  Cou- 
gregatione  confirmandum*.  Bei  dem  Genend -Kapitel  vom  Jahre 
1724  wurde  diese  Frage  besprochen  und  der  neue  General  gab 


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168   Mitteilungen    Gea.  t  deutBChe  Endehangs-  iL  Schulgeflch.  Vin. 


24.  Februar  1725  die  Verordnung  an  die  deutsche  Provinz 
hinaus: 

Studium  Canonum  (esse  introducendum)  maxime  quoad  illam 
partem»  quae  cum  doetrina  morali  et  conctliaii  hiatoda  connexa 
est  (sttb  4). 

Jedoch  erst  das  General-Kapitel  vom  Jahro  1748  bestimmte: 
.Studium  Sacrorum  Canonum  pro  nostris  religiosis  introducatur'' 
und  zwar:  absoluto  per  biennium  studio  Theologico  tradatur  sepa- 
ratim  per  aoni  unius  circulum  jus  Canonicum. 

Eine  wichti*,'e  Neueruag  bildete  die  Ernennung  von  Prokuratoren 
für  jede  Provinz  mit  dem  Sitze  in  Korn  (General-Kapitel  1712). 

Um  die  beständige  Einübung  des  Erlernten  nach  voraus» 
{[gehenden  Verordnungen  zur  Üurchführung  zu  bringen,  verlangten 
die  bei  dem  Pruvinzial-Kapitel  vom  Jahre  1711  zu  Nicolsburg  ver- 
sammelten Delegierten  sub.  127:  (Desiderant  Patres):  ut  in  dispu- 
tationibus  hebdoniadalibus  compareat  familia  domestica :  Responsiim 
Capit.  Generalis  1712:  Compareant,  (jui  legitime  iioii  sunt  inip<'diti. 

Beim  Prnvinzial-Kapitcl  vom  .labre  1717  wurde  die  I''rage 
die  „Srhuk'(niioe«lit'ii"  botretlViiU  behandelt:  Profcssores  Uht't()ri<-ae 
ubserveiit.  iic  mullitudine  drainaliim  ii»\i:ligaut  discipulos,  ueque 
paucitale  turpescant  (21).  Quoad  praesentenda  dramata  Superiori 
vel  Praefecto  servetnr  def-i«  tiini  ('opituli  proxime  praecedentis  (i.  e. 
171  n  Magistri  vero  iiilcrioiiim  clnssium  probaui  coram  sniKU'iure 
rtalu;ia  14  diebu^  ante  pn>(ln(;aut.  In  fiüheren  Verordnungen 
wurde  beluhleii,  dass  das  Manuskript  der  draniat.  Aulf.  an  den 
G**neral  resp.  Provinzial  eiügebchickl  werde').  Bezüglich  der  Theo- 
logie-Studiereiideu  erging  die  scharfe  Mahnung:  Kenuentes  ad  Studium 
Theologicum  compellannir.  Das  im  Jahre  1718  zu  Rom  abgehaltene 
General-Kapitel  apiuobierte  die  Beschlüsse  des  Provinzial-Kap.  v. 
Jahre  1717  und  widmete  die  Sitzung  vom  9.  Hai  1718  speziell 
dem  Kapitel  der  Const.  „de  atudiis  nostrorum* :  ut  studia  nostrorum 
religiosorum  constanti  et  recta  ubique  methodo  dirigantur  et  ])erft- 
ciaotur.  Bei  den  Neo-Professi  sollte  Ton  nun  an  der  tinterricht 
je  nach  der  Kapazität  und  nach  der  »consuetudo*  der  Provinz  ein- 
gerichtet werden. 

Nach  Absolvirung  der  Studien*)  sollten  die  Professurs-Kan- 

'i  Bezügheh  der  übrigen  im  Laufe  der  Jahre  orf1f)f««en<'n  Verord- 
nungen betretlend  dio  Sehulfomoedien  vorweise  icli  auf  ucine  in  Note  1, 
S.  14'J,  citierte  Abhandlung  im  Jahrbuchc  der  Leo-üeaellschaft  (Wien  lh9j)- 

*)  Bezü^flich  der  Keo-Profesei  faaate  das  General-Kapitel  in  der 
congregatlo  vom  5  Ma:  1718  den  Beachliise:  Non  placuit  F.  F.  remo- 


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10.  Uober  die  wiHsenächuftlicbe  Horanbilauiig  der  Piuristeu  etc.  Iti9 


didaten  uüUi-  (in-  Aufsicht  des  Träfekten  und  Anleitung  desselben 
die  einzelneu  Klassen  der  Gymnasien  als  Maj^isiri  besuchen  „ab 
inferioribus  classibud  incipiaut  et  ad  altiores  <:radatini  aseendant. 
Am  Ende  jedes  einzelnen  Jahres  sollte  der  StudicDpräfekt  und  ein 
vom  Pi  üvinzial  verordneter  Priester,  (secreto  et  seorsim)  die  .litteras 
testimoniales jurameato  firmatas"  nach  einem  vorgesciiriebeoeQ 
Fonnulare  fiber  die  lleifisige  und  ordnungsmässige  AufftthiuDg  des 
jungen  Magistets  an  den  Provinzial  absenden.  Wenn  2  aus  den 
5  genannten  Zeugnissen  ungünstig  lauteten,  sollte  dem  jungen 
Magister  das  betreff.  Jatir  nicht  in  das  für  das  passive  Stimm- 
recht desselben  eiforderliche  Becennlum  eingerechnet  werden.  Der 
Provinzial  soUte  hierauf  dem  betreff.  Magister  das  Uber  ihn  abge- 
gebene Urteil  erfahren,  damit  er  sich  künftig  «religiöse  et  studiose** 
beim  Unterricht  verhalte. 

Wäre  der  Studien  riälekt  jedoch  selbst  ein  Magister  oder  der 
Obere,  dann  sollten  2  ältere,  vom  Provinzial  deputierte  Väter  die 
Stimme  über  die  jungen  Magistri  abgeben.  Wo  wenige  Mitglieder 
in  einem  Kollegium  sind,  »oll  das  Zeugnis  von  diesen  abgegeben 
und  in  ein  Buch  eingetragen  werden,  welches  nach  dem  Deeenniam 


vendos  e«8e  a  »tudiis,  qui  negligente«  m  in  eitdem  prmeatant,  et  in 
bonls  moribiu  non  probe  »e  gerunt,  sed  ad  ordines  dod  ease 

pro  aio  von  dos    ut  ante  decisum  fUit  in  Congragatione  particulari. 

17  Decembr  1716. 

'1  1)1  e  .litterao  testimonlales"  erführen  spater  noeh  genauere  Be< 

Btlismungcn: 

Tustimonia  super  industriu  docoudi  Mugistris  dar!  solita,  ut 
»iogulorum  merita  et  ibeiliuiex  iiscognosci  et  ezacUus,  ad  notad  posaint; 
jnrata  fide  ita  poethac  instituantur  ut  ii,  qui  maxlmo  In  omnibua  conatu 

ezeellcntem  et  insigncm  in  discipulis  piotati}»  littcrarum  et  bonorum 
moruni  fnirium  fecerint,  praoclare:  qui  in  Iiis  omnibus  ad  fnirtnm 
facienüum  cum  laude  conati  »unt,  laudabilitcr,  qui  in  aliquibu»  ob 
conatum  rcmiääiorem  defccerunt,  vorc  tarnen  desides  non  fuerunt: 
raediocritwr,  .qui  in  multia  ob  notabUem  desidiam  defecerunt,  male; 
qui  in  Omnibus  vel  pottoribua  insigniter  desidos  fuennit.  posHime  rem 
goBsisHo  s(  ribantur.  (Ex  Congrog  r'rovinciali  174S).  Ciassos  has  calcvdorum 
Magiatris  dandorutn  ad  trps«  tutituinni  >do  Cap.  Pruvinciale  I77l  reduxit, 
videlicoti  I'raoclaro,  i  audabilitor,  male: 

Daa  Capitulum  Provinciale  vom  Jahre  17S3  bestimmte: 
Habeatur  Uber,  in  quo  annotandi  erunt  calcuii  seu  teetimonia  de 
Alagiatrorum  diligentia,  vol  socordia  et  hic  asservanduH  orit  apud 
suppriororn  Domiir»  l>fis  Cati  Prov.  1771  rcsf rin^-iortp  diese  Forderung: 
PratHC'ptum  hoc  cxpleri,  si  talis  über  in  Archivo  Trovinciali  taatum 
adservatur. 


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170    Mitteilungen  d.  Ges.  t.  deutsche  Erxiehungs-  u.  iSchulgeöch.  Vill. 


dem  Provinzial  und  den  Assistenten  und  Kuusultoren  vorgewiesen 

werde. 

Jenen  Magistern,  welche  sich  ^laudabiliter"  per  .deceuuiuiii" 
benommen,  sollte  nuu  die  Ausübung  der  passiven  Stimme,  und  der 
Zugang  zu  höheren  Aemtern  ermöglicht  und  ihnen  dieses  Recht 
auch  verkündet  werden. 

Dasselbe  sollte  auch  Anv^  Liidimi;  liüdeu,  welche  auch  nur 
die  „öuprema  Anilimetica"  durch  10  Jahre  mit  Erfolg  geleitet 
haben  (auf  Grund  der  Const.,  welche  dieses  zulassen). 

Eine  wichtige  Bostiinniung  erllu.ss  auch  in  folgendein: 

iino  omnes  certo  sciaut,  uiiumqucmqac  iin'<«e  n  suporioribus  scholis. 

ad  iufinias  applicari  quutiescunqae  id  aut  Sciiulaium  ipsarum  necessitas 

aut  obedientia  postulaverit." 

Sollten  Juristen  „proveclae  aetatis"  eintreten,  so  iiiussten 
diese  dem  Deceunium  des  Lehramtes  in  der  Weise  gerecht  werden, 
dass  sie  zur  \'erwaUuug  (und  Prokuratiou)  der  Ordenshäuser  ver- 
wendet würden. 

Einflussreich  wurden  fUr  den  Fortschritt  in  wissenschaftlicher 
Beziehung  die  Beschlasse  des  ProTtnzial-  (und  Geneial-Kapitels) 
Tom  Jalire  1723  (resp.  1724).  Wie  schon  erwfthnt  wurde  bei  dem 
genannten  ProYinzial-Kapitel  die  Einführung  des  Studiums  des 
canonischen  Rechtes  verlangt  und  in  Rom  1724  diesem  Verlangen 
Raum  gegeben. 

Das  Lokal-Kapitel  in  Horn  suchte  1723  bei  dem  Provuizial- 
Kapitel  1724  an: 

Magnopere  desiderant  Patres,  «t  sex  ^ri,  literamm  hnmanionini 
periti  a  Capitolo  Proviiiciali  denominentttr»  quomia  singuli  qiiandara  docen« 
darum  Scbolanim  raethodum  conscribant,  eamque  ad  A.  R.  P.  Provincialem 
transmittnnt,  co  sie  licet  fine,  ut  F.  Provinrinlis  adliibito  mnnim  j\«si«ten- 
tiuiii  et  consuitorum  judicio  cx  omnibuü  illys  inethodis  quciiidnra  extrac- 
tum  faciat,  et  eo,  nec  alio  inudo  sub  cura  obsyrvautiae  P.  l'raefecto 
dcmandanda)  Professores  et  Magistri  uti  jubeantur:  idquc  et  non  plus  a 
Magist  ris  et  disciputis  exigator.  Et  hoc  plnrimam  ad  doctrinae  ordinem» 
Magistroramqae  profectum  condacet,  et  fiel,  ut  secaodnm  eadem  abiqne 
doctrina,  modos  idenii  tradeudi  in  domorum  nostraram  acolis  Btadtge 
servclur  quia  vero  Classo>  rtrainatioales  Alvari  divcrsum  ordiaem  habent, 
in  scolis  Germanicis  et  Boerairis  consultum  foret,  ut  tres  pro  istis. 
tres  voro  pro  ülis  versati  assnniantur  et  grrmani  pro  gcrmaois,  Boemi 
pro  Ro(}mis  im  ilioduiii  cujuiueut  omnes,  tatiii  n  in  subst.mtia  tradendi 
coüvtiuiant.  lusupei  petitar,  ut  in  cadeni  ordiüutiuiie  dccciuutur,  )^uidaaiu 
magistri  vel  professores  per  modum  explicationum  dictare  debeant,  ue 
inutilibos  scriptionibus  ioaniter  consamatar  tempus. 


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10.  Ueber  die  wieaeiiacbafUicfae  HeranbilduDg  der  Piariaten  etc.  171 


Das  l*rovinzia]-Kapilfl  vom  Jalire  1724  antwortetp: 
Junionim  nostrorum  edncatio  observetur  in  doraibus,  in  quibus  snnt, 
quantum  ticri  possit.  statutis  nostris  et  Bullis    Summ.  Pontific:  confor- 
mitcr  atquc  uoi  ex  graTioribus  Putnbus  vel  suo  Professori  (salva  autho- 
ritate  superioris)  sabsint 

Ferners  brnclite  das  Lokal-Kapitol  in  Horn  die  Bitte  vor: 

(Rogant  Patres)  ut  aostria  Novitijs  ant  Neo-Professis  liumaniora 
stadia  repeteotibas  asaigDentar  aliqai  Examinatorcs,  qai  per  aliquot 
bimestria  ezamioa  ex  singolis  dassibns  pericalnm  de  Eomm  capadtato 
faciant  examinatosqae  cälcnleDt  eo  modo,  qni  adhibetar  in  Philosopbiae  ot 
Theologiae  atadiosis  calcalaodii.  Qni  Yoro  non  sabBtiterint,  nt  altera  vice 
pro  eodem  studio  ordinentar. 

Auf  dieses  Ansuchen  antwortete  das  Proviuzial-Eapitel  nicht 
direkt;  es  verwies  auf  die  KonstltutioQen  und  fOgfce  bei: 

NostratCB  studiosi  Humanioram  exanüneiitar  et  calcnlentur  ad 
modum  studiowram  Pbiloaopbiae  et  Theologiae  (vide  »ordo  stndio- 
rnm«  1G96). 

Xocrligrntes  antom  in  studiis  sive  Theologiae  sive  Philo- 
«?ophiac  ad  ca  adicrantur  et  non  emendati  eadeni  repetant;  quod  si  necdnm 
profecisse  videbuntur,  addatur  etiam  abstraclio  vini.  Porro  si  roatiiigat 
saeculares  studerc  cum  nostratibus  a  cousuetis  pietatis  scholasttcae  exer- 
dtlis  absolnti  esse  non  ceoBeantnr  ....  Clerici  ante  quinquenninm 
Profesdonifl  excepto  vasa  neeeatitatis  ad  S.  S.  Ordines  non  sunt  pro- 
moTendi. 

Das  bestimmende  Urteil  über  ihre  Eignung  sollte  dem  Rektor 
mit  seiuen  Konsultoren  beim  ProYinztal  zustehen. 

SämtUebe  Verordnungen  wurden  im  Jahre  1724  m  Rom 
bestätigt 

Ln  Jahre  1724 ^  wurde  der  Rektor  von  Wien  P.  Adolf 
a.  S.  Georgio,  welcher  zum  Generalkapitel  nach  Rom  gereist  war, 
bei  diesem  Kapitel  zum  General  gewftblt.   Damit  traten  die  deutsche 

')  172&  visitierte  er  die  hiesige  Provinz  ^^dio  deutsche)  von  Wieu 
aus.  (Die  Anzeige  derselben  erfolgte  27.  Oktober,  1725  —  18.  Desember 
vieiüerte  er  in  Horn.) 

Er  ordnete  am  24.  Februar  1725  (Rom)  das  kanonische  Studium  an 
(siehe  im  Vorhergehendoa)  und  bestimmte  io  demselben  Sehreiben  sab  4** 
llir  die  deutsche  Provinz*. 

Demnm,  quia  tantue  est  Religionie  profectns,  quantus  est  juven- 
tntie  cultus,  etatuirons,  ut  ei  extra  domoa  etndioram  clerici  nostri 
oollocati  fuerint,  etiamai  unua  tantum  in  allqua  domo  existorct,  sine  actuali 
studio  non  reliquontur;  sed  vol  Sacerdos  uliquis  ad  hoc  destinatus  vel 
ipso  etiam  Rector  directorem  liujus  modi  studü  agat  et  pecuLiariter 


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172     Mitteilungea  d.  üea.  f.  deutsche  Erziehuiiga-  u.  ßchuJgesch.  Vlll. 


Provinz  und  die  Mitglieder  der  Kollegiea  Niederösterreichs  mehr 
in  den  Vordergrund,  umsomehr»  da  ja  schon  beim  Generalkapitel 
vom  Jahre  1718.  den  Provinzialen  mit  seinen  Assistenten  und 
Konsultoren  umfangreichere  Fakultäten  erteilt  worden  war  und  von 
nun  auch  jeder  Rektor  2  Konsultoren  haben  sollte  (a  Provinciali 
deputandi  [sess.  ll.Majl  1718). 

* 

Ich  eile  über  einisje  Jahrzehnte  hinweg  bis  zum  Jahre  1748 
(29.  Juli;  iu  Nveh  heni  Jahre  die  österreichische  Vice-Provinz  ent- 
stand. Das  General-Kapitel  von  diesem  Jahre  gab  wichtige  Ver- 
ordnungen .über  das  Studium  des  Canonischen  Rechtes'  (vide  im 
Froheren)  Uber  die  Beibehaltung  „der  scola  Aritbmetica  in  omnibus 
Provineiis  ultra  montanis*"  mit  Strafe  der  Suspension  für  die  Pro- 
vindale  im  Nichtfalle;  femer  aber  die  litterae  testimoniales.  über 
die  Magistri  etc.  etc.  (siehe  Kote  1,  S.  169). 

Im  Jahre  1751  (26.  April)  teilte  sich  die  deutsche  Provinz 
in  die  Austria-Rhenano^Suevica  und  in  die  Bohemico-Moravica, 
womit  viele  Schwieriglceiten  inbezug  auf  Erziehung  der  versclueden- 
sprachigen  Kleriker  beseitigt  wurden. 

Im  Jahre  17ö9  entwickelte  das  Pruvinzial  -  Kapitel  der 
Austria-Rh.-Suev.-Provinz  eine  erfolgreiche  Thätigkeit.  Dasselbe 
traf,  bei  dem  Umstände,  dass  die  Ordensmitglieder  bereits 
zahlreiche  Werke  zum  Unterrichte  in  den  höheren  Disziplinen 
hatten  erscheinen  lassen,  eine  Auswahl  unter  denselben  und 
bestimmte: 

Editis  jam  libris  Philosophicis,  nostri  Philosophiae  et  Theologiae 
studioN  deinceps  „Institotionibas  Philosophicis'^  P.  Donati  Hoff  mann  a 
Transfignratione  Domiai  et  in  Phyaicia  etiam  P.  Florian)  Dalham 

a  S.  Theresia  utantor.   In  Theologia  vero   praelectiones  flaut  ex 

Jueniiio.  doiiec  alias  in  hunc  usuin  deloctus  faent. 

(Capilulum  Provinciale  ll->'.>  quod  posfromrim  sciontiis  Iiis  iiitoroa 
Tiovi?  arcessionibus  auctis  factum  eat  —   Zusatz  in  der  vorliegenden 

S*imiiiluiitri. 

i-Vrner  erlioss  es  eiue  Verordnung  iu  welcher  Zeit  das  ph.  St 
zu  abenl vieren  wäre  etc.: 

Professorea  Philosophiae  tenentar    infira  bienninm  absolvere 

ad  hoc  deatinato  singulU  diebua  tempore  jubeat  praefstos  Clericoa  in 

Clas.sicid  probfto  Latinitatis  Authorihus  intorprolanditf  versari: 
solutac  ! i «rat rt tj Ii p  orationis  exercitia  Pomponor<\  vol  lirif^iKn^  frrrjf'cae 
vel  tii  niiiii  aliud  iwri  potwit  ob  quorundam  iuibocilliiatem  Arithmcticfte  et 
characteribuB  opanun  dare. 


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10.  UeiKNr  die  wfaMMiacbaftliche  Heranbildung  der  Piariaten  etc.  173 


Logicam,  Hetephysicam,  Matbesis  partes  närias,  Physicam  et 
Ethirntn,  ita  nt  asque  ad  fesliim  Nativitatis  B.  V.  M.  una  cum 
dispututiombus  cursum  PlUycom  altero  aono  fiant.  (Gapit.  Pro- 
Tinciale  1759). 

Schon  im  Jahre  1700  vurde  durch  Teilung  der  Österreich* 
rfaeinisdhBuevischen  Frovioz  die  Österreichische  als  selbsULndige 
Provinz  gebildet 

Inzwischen  waren  den  Piaristen  der  Österreichischen  Provinz 
mehrere  Inetitate  in  Wien  übertragen  worden: 

1748  das  Löweuburgische  Konvikt.  die  deutschen  Schulen  im 
Kollegium  zu  Si.  Theela  mit  Hofdekrcl  26.  iUirz  1751.  uohin  das 
mathematische  und  philosophische  Studium  der  Ordenb-Kkriker 
von  Horn  übertragen  (?)  und  wo  das  Museum  mathematicorum  mit 
den  nötigen  Instrumenten  zur  Experimental-Physifc  und  mit  Samm- 
lungen zur  Naturgeschichte  zum  Gebrauche  der  Ordens-Kleriker 
aufgestellt  worden  war,  wo  auch  die  Kleriker  in  der  Theologie  im 
griechischen  und  hebräischen,  wie  in  der  Gesuchte  herangebildet 
wurden,  um  taugliche  Professoren  werden  zu  kennen,  womit  ein 
neues  geistiges  Centrum  unter  dem  Einflüsse  der  Wiener  Universi- 
tät geschaffen  worden  war  —  obwohl  auch  noch  in  Horn  Kleriker 
ihre  Bildung  empfingen. 

Am  10.  Mai  1749  berief  die  Herzogin  Maria  Theresia  von 
Savoyen  geb.  Prinzess  Lichtenstein  zufolge  Vertrages  die  Piaristen 
der  Österreichischen  Provinz  und  wendete  ihnen  das  Rektorat 
der  neu  errichteten  Savoyischen  Ritterakademie  und  die  Professur 
fUr  1 1  PiaristcD  zu.  Der  Unterricht  umfesste  dort  die  oberste  der 
4  Orammatikal-Klasson,  nilmllch  die  Syntax  und  die  2  Humanitäts- 
Klassen  der  Poesie  und  Rhetorik.  Jeder  Professor  musste  mit  den 
Zöglingen  dieses  Triennium  durchmachen  und  dann  nochmals  von 
Neuem  beginnen. 

Gegenstände  des  Unnterrichts  waren:  Religion,  Latein,  deutsche 

Sprache.  Altertümer,  Anfangsgründe  der  Wappenkunst,  Kalligraphie, 
praktische  Hecheuloaust  neben  Algebra  insoweit,  dass  die  Zöglinge 
in  der  Philosophie,  dem  Studium  der  theoretischen  (leometrie  und 
Algebra  gewachsen  wären,  in  der  Poesie  und  Rhetorik  wurden 
bereits  V«  Stunde  die  Fundamente  der  Geschichte  und  der  Geographie 
gelehrt. 

In  der  Philosophie  (2  Jahrgänge)  lehrten  2  Piaristen;  der 
eine  I.ngik  und  P^thik,  der  andere  Kxperimental-Physik,  Mathematik 
und  Metaphysik  nach  einem  gedruckten  Buche.   G  ^Stunden  wurden 


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1 74    Mitteilungen  d.  Ges.  t  deutsche  Emebuug»-  o.  Scbuigesch.  VIH. 


der  T  nivprsal^oscUicbte  zugewendet  unter  einem  Fachlehrer  in 
deutschei-  Sj^rache. 

Ju.sT  1751  wurde,  die  I^rofessnren  P.  Antonius  und 
P.  Fioriau  wegen  der  verscluedensprachigeu  Schüler  sich  weiirerten. 
deutscli  vorautrajjen,  die  lateinische  Sjirache  erwäii]!  für  die  Kor- 
repetitionen  jcuer  Schüler,  welclio  die  deutsche  Sprache  schiecht 
haudhitljleii  uud  für  die  Examina  publica. 

Seit  1763  (4,  März)  wurde  die  Naturgeschiclite  uud  Pliysik 
zufolge  eines  \  ni'trageä  des  P.  Fulfrentius  Bauer,  Professors  der 
Matheujaiik  uud  ExperimentJilirhy.-jl.  und  seiner  Verwendung  bei 
einer  Komraissiousöitzuug  vom  28.  Februar  17ti^  in  deutscher 
Sprache  gelehrt. 

Von  1772  an  wurde  zum  ersten  Male  von  P.  Eduard  Job 
fQr  die  dem  Bergwesen  sich  widmenden  Juristen  Montanistilc  vor- 
getragen. 

Ausser  diesen  Instituten-  waren  die  Piaristen  auch  in  der 
Juristen-Schule  mit  Erfolg  tfafttig. 

Alle  diese  Institute  tragen  in  Kürze  viel  zum  Euhme  der 
Pialisten  in  Oesterreieh  bei  und  bewirkten,  dass  bald  in  der  Mitte 
derselben  ausgezeichnete  SchulmADner  erstanden,  welche  nicht  un- 
bedeutenden Einiluss  auf  die  Ausgestaltung  des  Lehrplanes  für  die 
österreicfaischen  Gynmasien  unter  Maria  Theresia  und  Kaiser  Josef  1 1 
nahmen. 

Schon  1783  hatte  eine  Versammlung  der  Vorstände  des 
Piaristen-Ordens  einen  Reformplan  fOr  Gymnasien  ausgearbeitet  — 
Diesem  Plane  trug  eben  der  Provincial  Aichardus  Habel  (der  öster- 
reichischen Provinz)  —  regierte  vom  15.  Mai  1772  bis  10.  Mai 
1778  —  Rechnung  indem  er  1774  folgendes  «Systema,  juxta 
quod  studia  delnceps  sua  instituturi  sunt  juniores 
nostri  et  in  quo  sequentia  doctrinae  capita  propo- 
nuntur: 

Dieser  ..ordo  studioruni  tradendoruiu  -  trägt  dem  zum 
rirosHen  angewachsenen  Unterrichts-Apparate  der  Provinz  allseitig 
Kecbüung.   

V.  Stadienordnung  vom  Jahre  1774. 

In  Novitiata. 

Anno  I. 

1.  Ethica  Religiosa,  applicata  ad  iustitatum  nostnim  cum  applicatione 

regularum  Xovitiatarum  ac  proposito  selectu  asoet:n"um. 

2.  Kat(>rhismus.  qui  inscribitur  ad  ordinaodos  cum  arte  catechizondi 
parvulüä  tani  in  scola,  tarn  in  ecclesia. 


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10.  Ueber  die  wisseaachaftlif^e  HeraabUdaug  der  Piaristan  etc.  175 


3  Grammatica  veniacala  com  Ortho-  et  calligraphia. 

4.  Arithmetira. 
.  ö.  Lingua  gallica  incboatu. 

Anno  n. 

1.  Explicatio  priTilegionim  ordinis:  item  expticatio  ritnnm  ecclesiasticornm 
tarn  in  Breviario  tarn  in  Missa  servandornm 

2.  Classium,  qnae  iiiifriores  et  iiuinaiiitatis  dicuntur,  rtpotitio  juxta 
manducat ionein  Hein«>ccii  cum  praxi  easdem  tradeudi;  krti(»  itoin 
auctoriim  classicorum  latinorum  juxta  methodum  et  ordine  ab  eodem 
praescrlptam  imitatioae  Semper  subjuncta. 

3.  Initiiim  Encyclopediae  seu  caraas  nniferBae  aecessariae  oc  atiüs 
litteraturae  ex  qua  nnnc  Geograpliia  et  hi&toria  univeraalia. 

4.  Studium  lingaae  Graecae  inchoatura,  Gsllicae  contiDDatnm. 

5.  FoDdamonta  educandae  javentutis  tarn  nobtli«  quam  ignobilis  oder 
die  sogenanote  Erzichungskunst 

Extra  Novitiataiii. 
Anno  I. 

1.  liOgica,  Metbapbysiea,  Etbica,  item  Matbesia  incboata. 

2.  CoDtinaatio  lectionis  et  indtationis  anctorom  classicorom  latinornm, 

item  linguae  Graecae. 

3.  Continaatio  Eacyclopediae. 

Anno  IT. 

I.  Phvjiicn  cum  liistnria  naturali,  item  Mathesis  conlinuata. 
II.  Confinuatii»  l-Ttioiiis  1 1  imitationis   an''tnnim    classironim  latinorum 

additis  cumjum  praeripuis  in  patria  liiiguu  acriptoribus. 
III.  Coutinuatiu  et  absolutio  stndü  ordinati  Encyclopaedici. 

Anno  III. 

L  Historia  Ecclesiastica  cum  notitia  critica  S.  S.  Patnim. 

H.  Lingua  hebndea. 

Anno  lY. 

Stndinm  bistorico-criticam  8.  scriptarae  ex  fontibus  Hebraicis  et 
graecis 

Anno  y. 

I.  iuitium  S.  Tlieologiae. 

11.  Prnocepta  eluquentiae  sacrae  cum  dispusitioue  tbemutum  evangeli- 
corum. 

Anno  VI. 

I.  Absolutio  cnnus  tlieologicL 

II.  Instroctio  practica  confessarioram. 

Wir  «♦•hen  diesem  ^ordo  studioniiir  an.  dass  da>--  Stnrlif»n- 
woscii  im  all;^»Mii»M?>H!i  tifui  p|>c7i(>n  anfli  bei  deu  Piarislen  grosse 
l'ortäctiritte  seil  deiu  Studicnpluuu  vuiu  Jalire  1690  geuommeu  haben 

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176     Mltteihni^ii  d.  Goa.  f.  dt^utache  Brziehungs-  u.  Schulgcsch.  VIII, 


muBste.  Das  Gerüste  der  traditionellen  Unterrichtsnormen  des 
Ordens  hatte  sich  gedehnt  und  gestreckt»  hatte  einen  völlig  neuen 
Umfang  und  neue  Formen  angenommen,  aus  deren  Details  wir  mir 
mehr  hie  und  da  —  an  die  alten  Ueberlieferungon  erinnert  werden. 
Dieser  Studienplan  der  Piaristen  erscheint  auch  den  noiien 
Forderungen,  welche  an  (ifti  Orfl»'!i  hi'wisclien  gestellt  worden 
waren,  angepasst.  Mit  der  Aufhebung  des  Je.sui(en-( »rdens  iil)ei'- 
nahm  ja  der  Fiarist en-Orden  dessen  Erbe,  besonders  in 
Beziehuiii;  auf  den  Gymnasial-Unterricht,  sozusagen  die  Führer- 
Rolle  unter  fb^n  anderen  Orden,  welche  sich  mit  Unterricht  und 
Erziehung  beöchäftigton. 

Freilich  war  die  Zeit  vorbei,  wo  die  verschiedenen  Orden, 
durch  keine  weltliche  Gewalt  gestört,  ihre  Angelegenheiten  pro 
domo  öua  ordnen  kouüieu  und  es  redete  nunmelir  auch  der  Staat 
ein  Wörtleiu  besonders  in  Unti-rrichts-Angelegenhcitri]  mit. 

Wir  müssen  jedoch  bei  nur  uberrtächlieher  Betraclitung  des 
„Studien-Systems"  des  Provinciais  Aichard  Habel  gestehen,  dass  die 
Einmischung  der  Staatsgewalt  in  die  Angelegenheiten  des  Unter- 
richtes den  Piaristen  nicht  geschadet,  sondern  dieselben  beföbigt 
hatte,  neuen  VerbAltnissen  beruhigt  entgegen  zu  sehen. 

Schon  ün  nächsten  Jahre  1775  legte  P.  Gratian  Marx  der 
gelehrte,  jedoch  bescheidene  Piarlst^  den  Entwurf  einer  Befoim  des 
Gynrnasial-Studiums^  der  Genehmigung  des  Staatsrates  und  der 
Beglerung  vor.  Dieser  war  ein  Triumph  des  Piaristen-Ordens  ge- 
wesen; in  ihm  feierten  die  langjährigen  BemOhungen  des  Ordens 
um  Unterriebt  und  Erziehung  ihre  verdienten  Erfolge. 

Es  mögen  zum  Schlüsse  noch  einige  Bemerkungen  aus  den 
Constitutionen  resp.  aus  den  General*  und  Provindal-Capiteln  des 
Ordens  folgen,  welche  sich  auf  die  Gymnasien  beziehen.  Die  Con- 
gregatio  Provincialis  vom  Jahre  1745  verordnete: 

Disclpnli  in  Grammaticae  classibas  argumeatis  utflibas,  historicis 
nempe  aut  moralibus  exorccaiitur,  eaqae  a  Magistris  correeta  nna  cum 
Temacnla  in  libcllum  munde  describant,  apposita  marginali  nota  mensis  et 

dici,  quo  facta  est.  Idi^m  mm  suis  pxrrcitiis  faciant  rhetores  et  poetne 
ut  in  spcriminibus  liujusnmdi  iüdostfiac  scolasticae  memoriam  et  coram 
arbitris  tesiiiiioiiiiim  hnbeant. 

l^<'k;!n!it  sind  die  TnonjitlirluMi  \'isilttüoneii  in  den  SrlmltMi  und 
die  Schlussprülungeu,  welche  ol't  feierlich  gehalten  wurden.  Bei 

1)  Siehe  des  P.  Qratian  Marx  Entwurf  vom  7.  Juli  1775  von 
Dr.  Karl  Schi  auf,  ^ektions-Rut  ete.  (Mitteil.  d.  Gesellseh.  f.  d.  Bntelittngs- 
u.  Bchnlgescb  1896.  S.  122.) 


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10.  Üeber  die  wisneiMchaftliche  Henukbildung  der  Piarieten  ete.  177 


<ler  VisitaliOD  erschienen  der  Rector,  der  Praefect  und  ein  dritter 
Priester:  -Tertius  sacerdos,  qui  omni  menae  cum  R^tore  et  Praefecto 
scolas  visitare  tenetur,  intersit  etiam  ultimia  examinlbuB  Seholasti- 
corum,  8i  P.  Rectori  sie  videbitur  (Oap.  Prov.  1747). 

Zur  Darstellung  der  beigebrachten  Kenntnisse  dienten  monat- 
liche Compositionen. 

Ad  eTitanda  plara  inoommoda  pleraeque  CSompontiones  nltimae  fiant 
ante  feitorn  Nativitatis  B.  M.  Y.,  quibus  P.  Praefectus,  vel  alius,  qui  argu- 
mentum componendum  dedit,  hac  media  die  intererik.  (Gonfonniter 
decreto  caesario.) 

Mcnstruae  compositiones  a  studiosis  non  solum  Gramniuticae,  sed 
etiam  Poeticae  et  Rlictuncae  fiant,  sub  iiiensis  cujusdam  dimidiuni  et  a 
singulis  pariter  iu  libcUuiu  cuui  uota  pruitieriti  Ui  Jinis  iuiicribeatur,  eaque 
tarn  Soperiori  quam  Praefecto  Scolanun  exbibeaiitur,  qui  ordiids  notati 
snflragio  suo  tempore  justam  eviqae  commendationem  tribnere  seient 
(Promc.  Capit  1745). 

Da  bei  den  Piaristen  die  Location  bestand,  so  wurden  auch 
sogenannte  Versetzungsprafungen  gehalten. 

Einen  besonderen  Platz  nahmen  die  Dedamationen  und 
Coinoedien  ein.  Sie  sollten  die  Studeuteu  „sprechen,  vortragen  und 
sich  frei  und  ungezwungen  benehmen  lehren".  Für  die  „Poeten" 
waren  die  dabei  vorkommenden  Versl'ormen  eine  durch  Beispiele 
lehrreidie  Schule.  Naclidein  Musik  bei  AulXUhrung  derselben  in 
Anwendung  kam,  waren  die  Oomoediea  die  veranlassenden  Ursachen 
zur  Ausbildung  der  Studenten  in  der  Vocal-  und  Instrumental- 
Musik^}. 

*)  Es  würu  irt'ilicl»  eiue  daukbaie  Aufgabe  jjeweaen,  aus  den  Anualcn 
wenigstens  eines  Colleg^iums  Berichte  und  CItate  su  bringen» 
welche  diese  Constitutionen  und  Studienordnnng«i  durcli  die  Art  und 

Woiöc  der  Durchführung  reap.  Einhaltung  und  Befolgung  deraelhnn  wirk- 
sam illustrirun  wünlpn;  dips  foi  jedoch  für  eine  spätere  Arbeit  auf- 
behalten. (Vgl.  hierzu  Kehrbachä  Anmcrkg.  Mitt.  YIIl,  Hüft.  1,  1  u.  seinen 
Berieht  i.  d.  Verhaadl.  d.  48.  VersaaimL  dtech.  Phil.  u.  Schuhs,  iu  Köln  a  Kh. 
Leipzig,  B.     Teubner,  1896,  S.  219.) 

CoiTlgenda. 

8.  147,  Note  1,  Zeiie  iU  von  oben  auätatt:  luchoatuH  inchoatus. 

147,^     „  1,    „     11    „      yt         „       abuuno  —  anno. 

„  148)  Zeile  10  von  oben  anstatt:  Institutionen  —  Conätitutionen. 

M  149,  6  n  unten    „      Animorit&t  — Animosität. 

„  I      \oto  I,  Zolio  f)  von  unten  antitatt:  (Note  1)  —  (Note  1,  S.  147), 

Ti  l-Ol      „  1  VOM  S'.  t5i^,  Zeile  7  von  ohon  anstatt:  utetctur    -  nforetur. 

„  l.>i,     „  1,  letzte  Zeile,  aristatt:  tuiiutructudiuecj  conauetudiueö. 

154,  Zoile  4  von  unten  strictioni  —  strictiori. 

MiUi.iJ.uij:«n  d.  Ue»,  f.  <leiiui-lid  Kr«ieli.«  u.  Ktimi^cKt  IukjIiIc.  VlII  2  ;;  li>'.k>. 

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178     Mittciiuiigou  d.  Ges.  f.  deutsche  Erztchuiigs-  u.  Schulgeach.  VIII. 


11. 

Kleine  Mitteilungen  Uber  Aitbayerns  älteste 

Klostersehiilen. 

«)  Die  Klosterachule  tu  Salzburg,  b)  Wohio  g\ng  Brsbiachof  Arno  von 

Salzburg  in  die  Scbulo? 

Von  Xax  Vwrtlinger,  Benefiziat  bei  8e.  Peter  In  Mflnchen. 

a)  Die  KloBterschule  zu  Saissburg. 

Altba}*'iM>  älteste  Klost«'r.scliule  m  Sal/,l)urj;  ist  eiue  Stit'niii;^ 
des  hl.  liischol.s  Rupert.  Kr  selijüt  «;ehörie  ein^^in  Mönrhsordcii  an. 
Welchem?  Diese  Frage  hängt  mit  jener  iiat  Ii  M  inciii  Zeitalter 
(6, — 8.  Jalirh.)  eng  zusammen.  Vielieichi  halle  liuin  i  i  sein  Khi.ster 
nach  Art  der  Irens('hotten  eingericlitet.  Bei  seinen  Ivloster-  und 
Kirchengründungen  zeigt  sich  nämlich  keine  Spur  von  dem  Patro- 
zinium  des  hl.  Benedikt,  das  die  Klucitrrftlit'ter  und  in  iliren  (Jüter- 
kirchen  die  Benediktinerkhister  des  8.  Jahrhunderts  naturgemäss 
begUnstigteD.  St.  Benedikt»  Kegel  beurkundet  sich  meines  Wissens 
fttr  Altbayem  am  frttbesteu  unter  dem  hayerischen  Herzog  Flugibert 
<725— 737)  und  betrifft  das  Nonnenkloster  Kirchbaeh  (.Sapienz- 
1nün8ter^  ^Rottbalmanster*)  im  Rotthaie. 

Ruperts  Klosterschule  wird  uns  bekannt  anlAssUch  eines  Lehen- 
Streites.')  Tonazan  (Donatian)  und  Ledi,  zwei  Brttder  aus  der 
(romanischen)  Familie  Albina,  hatten  ihre  Güter  im  Pongau  an  das 
Salzburger  Kloster  geschenkt  mit  der  Bestimmung,  dass  ihre  Neffen 
Wernhari  und  Oissimo  (Dulcissüno)  doi*tselbst  (ad  Salzburcli 
monasterium)  zur  Erlernung  der  Wls^tenschaften  (ad  discendas 
litterasj  und  des  Dienstes  Gottes  (officinm  d<>i)  und  zur  Tonsur 
(ad  tondenduiu)  aufgenommen  würden.  Nachdem  beide  auPgezogon 
und  erzogen  (enutriti  et  docti)  und  die  Wisseuschaften  erlernt 

')  Moiium,  l5oic  XXVin.  "2  pn^.  1. 

Koiuz,  luUiculus  Aruouis  VllI;  lirevotfi  Notitiue  t^aUburgenseö 

III;  VIlI. 


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iL  Kleine  iMittelluogeu  Uber  Altbayerns  Älteste  Klosterachalen.  179 


hatten  (litteras  «lidicerunt),  erbat(»u  sie  sich  vuu  liupert  das  Ver- 
mächtnis ihrer  Verwandten  zum  Benefiziiim.  Rupert  willfahrte. 
In  der  Folge  aber  wurde  das  Benefizium  in  der  gens  Albina  erblich, 
woraus  sich  zwischen  Bischof  Virgil  (746 — 787)  und  Herzog  Odilo 
(787^748)  der  berOhmte  Streit  um  das  Albin^sehe  Lehen  entsiMum. 
Seiner  Beurkundung  irerdanlcen  wir  auch  die  Kunde  von  S.  Roperls 
Kloeterschule.  Die  Beisätze  in  der  Urkunde  ,ad  tondendum*. 
^officium  dei*,  und  die  Thatsache,  dass  Wernhari  und  Ciasimo,  die 
beiden  KlosterscbUler,  späterhin  als  Benefiziaten  auftreten,  verraten, 
dass  Salzburgs  Klosterschule,  wie  die  Klosterschulen  des  früheren 
Mittelalters  überhaupt,  zunächst  die  Heranbildung  von  Klerikern 
bezweckte.  Doch  bleibt  ihr,  soweit  Urkunden  in  Betracht  kommen, 
der  Ruhm,  Altbayerns  iUteste  Klosterschule  zu  sein. 

1>)  Wohin  ginc  XreblMdiof  Aino  toh  flalibws  ia  dto  SebutoP 
Zwei  altbayerische  Klosterschulen.  Freising  und  Isen,  streiten 
sich  um  den  Ruhm,  Eizbischof  Arno  (785 — 821)  von  Salzburg,  jenen 
eifrigen  Förderer  des  Schulwesens  und  intimen  Freund  des  Grossen 
Karl,  unterrichtet  und  erzogen  zu  haben.  Der  Streit  rief  eine 
ziemliche  Lltteratur  hervor,  die  Hektor  Hund  mit  sichtender  Kritik 
zusammenstellte  in  seinen  «Bayerischen  Urkunden  aus  der  Zeit  der 
Agilolfinger**  ohne  dass  dadurch  der  Streit  selbst  wäre  ent- 
sehieden  worden. 

Ein  edler  Bajiiware  Haholt  mit  Namen  war  von  cinor  schweren 
Wunde  ^ijeuesen.  Ans  Dankbarkeit  hatte  er  zu  Pietelbach  (Poatilin- 
parir  rine  Kirche  erbaut.  Im  Einverständnis  mit  seiner  Gemahlin 
brachte  er  (758)  am  Marienaltar  der  Isener  Klosterkirche  seine 
Habe  in  Pietelbach  dar  und  seinen  Sohn  Arno,  den  er  <lem  Bis<  hol 
.Joseph  (747—764)  von  Freising  zum  Dienste  d<'8  dortigen  Marien- 
domes ül)er£cielit. 2)  Kloster  Isen  war  von  dein  nriTiilichen  I^isrljof 
Joseph  ((".  74!^)  ;ils  l'iT'i.>?iii<j"is<-hf's  Filialkloster  gej^iii ml ''(•*')  \un\  »ifin 
hl.  Z»*no.  (I«'in  SeKiiiidäi iiatiini  des  Freisinger  hnincs,  geweiht 
worden.  Üi^cliol  .I(i>r|»li  .siiuiimte  höchst  \vahr8cheinli<;h  aus  der 
Nahe  dei-  Zeiinoburg  bei  M*»ran,  wpshail»  vv  dns  Patrouat  des 
\'erones«'r  Pis<holes  Zenno  begiiij.^tiutc.  AU  ^i«  lu  i'  darf  fjelten, 
da--  in  dem  von  Anfang  an  reich  d<'ti<Mi''ti  Kiosi*  i  Isrü  amli  von 
Ahliiiig  an  eine  Klosterschule  be.-»laüd.  Der  niö/csuuhi.sloiiker 
Westermayer^)  hält  dafür,  da^s  die  aus  dem  beuachbaiteu  Öchwind- 

')  S    l],    \\:m  I_ 

'^1  Hund.  *'hd.  t^.  ,VJ.  N'o.  1.*». 

^)  Meiclu'lhcck,  hifet.  Frisiug.  I.  1.  p.  öü  u.  bl. 

*)  Statist.  Bpschroibung  des  Erebittthuma  MOncben-Kreising  in.  116. 

12* 

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180    Mittellnng«D  d.  Gea.  t  deutsche  Endebiiiigt-  u.  Schulgewh.  Vin. 


kirchen  gebQrtigen  BischOfe  von  Vizenza  Andreas  (f  e.  820)  und 
Fnmko  (f  c.  848)  in  der  Isener  Klostersehule  ihre  erste  Bildung 
erliielten.  Die  Augustiner  Ghorherrn,  die  e.  ItOO  an  Stelle  der 
Benediktiner  Kloster  Isen  bezogen,  brachten  das  dortige  Schulwesen 
«1  reicher  Entfaltung.  -Mit  «Fridericus  scholasticus  canonicus 
ysinensia"  kommt  (1268)  in  Isen  zum  erstenmal  die  Würde  eines 
Scholastikus  (Schul-  und  Chordirektors)  Yor.^)  In  einer  deutschen 
Urkunde  vom  Jahre  1442  nennt  sich  der  Scholastikus  Eisenreich 
dor  Pcugenbeiger  «oberster  Scluilmeister  zu  Iscd*.  welche  Benennung, 
uie  Westermayer-)  "^n^t,  sich  fortan  lange  erhielt  und  darauf  hin- 
deutet, dass  er  nicht  als  einziger  Schulmeister  dort  gewirkt  hat. 
Bischof  Emst  von  Freising  verordnet  (1601):  Canonici  Isnenses 
omnes  slnt  gradu  Magisterii,  vel  ad  minimum  Baccalaureatus  in- 
signiti.*^) 

Bestand  also  schon  zu  des  Haholt  Zeiten  die  Isener 

Klostfrschiile.  so  wird  »t  seinen  Sohn  Arno  wohl  dies»^r  seihst  zur 
ersten  Erziehung  anvertraut  haben.  Ausdrücklich  jedoch  i  e(h:'t  obige 
Urkunde  nicht  davon.  Seinen  liölieren  Studien  mn;^  er  in  der 
Freisinger  Domschule  oblegen  sein.  Wir  können  unniöi,'li(  h  ^hmlien, 
dass  weni^tens  der  im  .liihre  777  in  Freisini^er  Urkunden')  als 
Zeuge  aui'öciieiiiende  Arn  diaconuH  mit  dem  Arn  diaconits  vom  Jahre 
"65,  dem  nachnialiiren  Erzbischof  Arn  von  Saizburg  'j,  dessen  Er- 
hebung auf  den  Saizburger  Bischofstuhl  785  erlolgte.  identisch  sei, 
nachdem  dei^selbe  doch  sehon  seit  langer  Zeit  das  zum  Bischof  er- 
forderliche 30.  I^bt'iisjahr  überschritten  hatte. 

Was  überliaupt  veranlasste  den  njichnialigen  Erzbisehof  Arno 
von  Salzburg  mit  Haholts  Sohn  Arno  zu  verwechseln  ist  eine  Ur- 
kunde bei  Kleinmayeru^):  Ao.  815  triftt  Erzbischof  Arno  von  Salz- 
burg mit  Haholt  und  seiner  Gemahlin  Berchthild  einen  Gütertausch 
im  Isen-  und  Chiemgau.  Letztere  beide  warrai  hier  reich  begütert 
Der  Chiemgau  lag  ganz  im  Salzburger  Bischofsprengel,  der  Isengau 
gehörte  zur  Hälfte  ebenfalls  dorthin,  zur  Hftlfte  ins  Freieinger  Bis- 
tum. Was  Wunder,  daas  auch  Haholt  einmal  und  seine  Gemahlin 
im  GQtertausch  mit  Erzbischof  Arno  von  Salzburg  zusammentrefTen. 
Von  einem  Verwandschaftsverhältnis  lieider  Tauschparteien  geschieht 


>  Bbd. 

-'  Kbd. 
»  Ebd. 

*)  Meichclb.  l.  c.  No.  4s. 

»I  Ibd.  Xo.  IS;  vgl.  diutu  Hund,  I.  c.  8. 16  No.  Ifa'ö. 
Juvftvia.  S.      No.  XVIII. 


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11.  Kleine  llitteüttngea  Uber  Altbayeme  ftlteste  Kloeteracbulen.  18i 


in  der  betrefTeodeii  Urkunde  mit  keiner  Silbe  Erwähnung,  was  bei 
der  ausgezeichneten  Stellung  derselben  eonet  sicher  der  Fall  gewesen 
wftre.  Erzbiscbof  Arno  starb  im  Jahre  821.  Sechs  Jahre  später 
(827)  flbeigab  Haholt  (in  erneuerter  Schenioing)  sein  ganzes  Brbe 
ztt  Ptetelbach  dem  Freisinger  Dom;  jedoch  behielt  er  sich,  seiner 
(j^mahlin  Berchthild  und  seinem  Sohne  Arno  dessen  Nutsuiessung 
vor. ')  Noch  einmal  (845)  begegnet  uns  Haholts  und  der  Bereht- 
hilden  Sohn  Arno  als  .nobilis  vir"  und  (hocbbetagter)  Abt  des 
Klosters  Isen.  Zu  Dorfen  und  Tegernbach  erneuert  er  die  Schenkung 
seines  Vaters  (genitoris)  in  Pietelbach  und  fftgte  bei,  dass  Alles, 
was  dort  erbmässig  ihm  gehöre,  nach  seinem  Tode  bei  Freising  zu 
verbleiben  habe.^  Es  scheint  zugleich  sein  Testament  gewesen  zu 
sein.  Von  nun  an  verschwindet  er  aus  den  Urkunden.  Die  Dank- 
barkeit gegen  seinen  Vater  Haholt  lebte  im  Isener  Kloster  noch 
lange  fort.  Nach  ihm  benannte  sich  Haholt.  der  erste  Augustiner 
Propst  von  Isen,^)  und  wie  wenn  Haholts  Schenkung  in  Pietel- 
bach zunächst  der  Errichtung  der  Isener  Klostorschule  gegolte  n 
hätte,  galt  der  Zohent  von  Pietelbach  als  Dotation  der  Iseuer 
Scholastikiiswürde.^) 

Erzbischof  Arne  v  >ii  Salzburg,  im  Freisiiiijer  Histiim 
gebürtig,  machte  seine  Studien  auf  der  Freisiiig<'r  Stills- 
«cliule  iiiul  bekleidete  dort  lange  dio  Wüi  de  eines  Diakons. 
Zum  IVischot'  von  Salzburg  erlioben,  wollte  er,  wie  es  seheiut,  unter 
aiulerem  seine  Dankbarkeit  gegen  Freising  nm-h  iladurch  zum  Aus- 
druck Ijriugen.  dass  er  em  zur  Bewirtschaftung  sakburgischer  Güter 
bei  Heicheuhall  (c.  800)  errichteteü  Kloster  (das  heutige  S.  Zenno) 
el^riifalls  dem  hl.  Zeno  weihte,  dem  Sekundärpatron  des  Freisinger 
Domes,  dessen  Schule  er  seine  Erziehung  und  Ausbildung  ver- 
dankte. Dass  Erzbiscliof  Arni*  im  Isener  Kloster  sei 
gebildet  worden,  daiür  bieten  die  Urkunden  keine  Unter- 
lage. 

n  Meicbclb.  1.  c.  No.  Ö02. 

Ebd.  No.  634. 
>)  MoniUMata  Boica  L  189. 

*)  Deutinger,  Die  alteren  Matrikeln  dea  Bisthums  Freysing,  I.  167, 


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182    MitteiluDgea  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs*  u.  Schulgeaeh.  Vni. 


12. 

Die  Sehttl-Oeoi^pliie  des  Abtes  Anselm  Besing 

(0.  8.  B.)  für  das  Benedictiner- Gymnasium  zu 
Kremsmüubter  a.  d.  J. 

Von  Prof.  Dr.  AltmMUi-AltiBswr,  (0.  S.  B.)  KramBmttnBter. 

Bis  in  die  neuere  Zeit  herauf  bildete  die  Qeogriipliie  Iceinen 
selbstSndigen  Lehrgogenatand  an  den  Lateinschulen,  sondern  war 
ein  Zweig  der  Geometrie. 

Noch  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  teilt  unser  P.  Mar- 
tin Besch  die  gesamte  Mathematiic  in  nicht  weniger  als  24  Teile« 
unter  denen  auch  Chorographie,  Cosmographie,  Geographie.  Hydro- 
graphie und  Topographie  erwSUbnt  werden.  0 

Im  ersten  Mittelalter  begnügte  man  sich  damit,  die  alten 
geographischen  Autoren,  vor  allen  Ptolomftus  und  Strabo,  sowie  die 
daraus  bearbeiteten  Aussöge  eines  Mardanus  CapeUa,  später  eines 
Isidor  von  Sevilla,  Beda,  Rhabanus  Maurus,  Walafried  Strabo  nach 
Möglichkeit  sich  geistig  anzueignen ;  l)eson(lers  der  Uber  «Ic  natuta  ronim 
des  hl.  Isidor,  eine  mathematische  Geographie  mit  zahlreichen  Zeich- 
nungen erfreut«  sich  einer  grossen  Beliehiheit.  Im  späteren  Mittel- 
alter und  in  der  neueren  Zeit,  als  durch  die  Kreuzzüge,  die  Reisen  Marco 
Polos,  endlich  die  Entdeckung  eines  neuen  Kontinentes  <1ms  «geogra- 
phische Wissen  hedeutend  erweitert  worden  war,  tauchen  zahlreiche 
mit  Karten  versehene  Kompendien  der  Geographie  auf,  die  niclit 
selten  ziemlich  umfangreich  sind.  Unterr|os>:on  ist  die  (ileographi«' 
auch  schon  selbstrmdi'^er  Lehrgegenstaml  <  inii:i  i]  Universitäten 
geworden,  wie  /.  1).  in  Wifn.  wo  geographische  Vorlesungen  bis 
1391  zurückreichen.''^)   An  den  Lateinschulen  aber  erobert  sich  die 

Siehe  P.  Franz  Schwab:  F,  Aegyd  Everard  von  Raitonau,  Soparat- 
Abdruck  uns  ^Mitt.  der  GeseUsch.  Air  Salsburger  La&deskonde"  Bd.  XXXVIII« 

9.21,  Ann-k'T.  1. 

'I  Aibiüciit  Penck,  .Die  Geographie  an  der  Wiener  Universität." 
Sonder* Abdruck  aus  den  geogr.  Abhiudluagen  Bd.  V,  Heft  I»  S.  1. 


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11.  Die  Schul-Geographi«  dos  Abtes  Anaelm  D««iDg  (0.  S.  B.)  etc.  183 


Geographie  erst  langsam  eineo  Platz;*)  immer  mehr  jedoch  sieht  man 
die  Notwendigkeit  dieses  Gegenstandes  ein.  freilich  nicht  so  sehr 
um  seiner  selbst  willen,  sondern  als  Vorbereitung  und  Unterbau 
der  Geschichte.  Doch  die  grossen  Pädagogen  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts verhalten  sich  noch  verschieden  zur  Geographie.  Comenius 
empfiehlt  in  seiner  Didactica  magna  einige  Weltbeschreibung  fllr  die 
„schola  vemacula";  in  der  Lateinschule  sei  allerdings  Geschichte, 
nicht  aber  Geographie  Ijohrgegenstand.  Fiaucke  hingegen  spricht 
sich  für  Geschichte  und  Geographie  in  der  Lateinschule  aus. 

Wie  es  ,die  Schnei".  ,die  lüleinische  Schuell",  .die  Hof- 
Schul"',  die  vorder  Schul'  iu  Kreiusmüüster,  die  schon  1549  von 
Abt  Gregorius  Lechner  eröffhet  worden  war,  mit  der  Geographie 
hielt,  daiHber  haben  wir  für  die  altere  Zeit  leider  keine  näheren 
Nachrichten.   Da  der  Gedantce  nicht  ganz  abzuweisen  ist,  unsere 


*)  Nach  Prüf.  Dr.  b.  Gunther  ist  Johann  Cochlueut*  [\uü  1010—1514 
Scbulrelctor  bei  St.  Lorenx  in  Narnberg)  der  Brate  in  Deutschland  gewesen, 
der  die  Anerkennung  der  Geographie  a.U  eines  obligatorischen  Lebrponsums 
an  einer  Mitto'echule  nicht  nur  unrogte,  aondorn  auch  mit  Erfolg  durch- 
führte. Vjfl.  »Milteilunfren'  Jahrg.  VII.  Heft  1,  S.  11—20.  L'ebrigons  hat 
Prof.  Dr.  K.  ivehrbach  schon  1883  in  dem  ,Kurzgcfu.^äteu  Plan  der  Monu- 
menta  Geitnaaiae  Paedagugica"  ^Berlin,  A.  Hofmann  &  Comp.),  in  der 
,»Ltste  von  SchulbQchern,  die  snr  Zeit  des  Humanismus  im  engeren 
Sinne,  d.  h.  von  der  Mitte  dea  lö.  bis  gegen  Endo  den  HJ.  Jahrhunderts  in 
den  Schulen  Deutschlands  gebraurlit  \vord<'u  sind,"  (S.  l!»-4.'>^  (Hn  Ausgabe 
deü  Pomponius  Mela  von  Cochlueus  aufgeführt,  mit  dem  Bemcnkon  (S.  44), 
dass  diese  Ausgabe  nicht  nur  den  Pcmponius  Heia  enthalte,  sondern,  was 
interessanter  sei,  als  Anhang  eine  all  gemeine  Geographie  von  Coehiaeus 
selbst  und  das.s  Cuchiueus  dieses  ia  Frag«*  und  Antwort  verfasste  Werlv 
!*einein  Unterricht}  an  der  Lorenzschulo  in  Ni'nMbor«r  zu  irrnndt»  <rfl'>^( 
habf'.  -  Die  Verdienste  Philipp  Melanchthons  um  den  last  vollsiilndig  ver- 
uachlil.saigten  oder  verkannten  L'nterrichtszweig  hat  Karl  Hartfelder  in 
UGP.  Bd.  VII:  Philipp  Melanchton  als  Praeeeptor  Germaniae,  Berlin  1889, 
8.202  ff.  u.  306  ff.  hervorgehoben. 

Das  für  die  .Moniunenta  Germaniae  Paedagogica  von  I'r-if.  Dr.  Votach 
\uiternomtriono  Werk  über  don  '.reo  trraph  i  ^  r  Ii  n  n  l'nterricht  im  IG  Jahr- 
hunderl (Vgl.  ..Beiiagp  /um  I'lain'  dt-r  Monumcnt.i"  [^1SS4|.  S.  4i  ist  leider, 
trotz  umfangreicher  Vorstudien  noch  nicht  miu  Abschlusäo  gebracht 
worden,  weil  von  den  Mateiialien,  dnrcb  die  man  hoffen  könnte,  Auskunft 
SU  erhalton  über  die  Fragen  wann,  wo,  wie  lange  und  in  welcher  Weise 
«reoLTnphi  chcr  l'nterricht  erteilt  worden  ist,  noch  zu  wenige  an  die  Ober- 
tlöche  gehohen  worden  sind.  Es  handelt  »ich  hier  um  Schulordrmns^en, 
StudienpliUie,  Visitationsprotokolle  u.  s.  w.,  dcrea  Summluug,  Verarbeitung 
und  Herausgal)e  eine  der  Hauptaufgaben  der  Gesellschaft  fDr  deutsche 
Brsiehungs-  und  Schulgeschichte  ist. 


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184    Mitteilaogen  <L  Gea.  f.  deutsche  Eniehungs-  iL  Schutgaseh.  VlIL 


Lateinschule  sei  unter  dem  Etoflusse  der  Jesuiten  eDtetflnden^),  so 
lie^  die  Vermutung  um  so  nftber,  auch  der  Lebrplan  habe  sich  an 

den  der  Jesuiten-Sclnilen  angelehnt^);  in  diesen  aber  wird  zum  ersten 
Mal  in  der  Instruktion  vom  Jahre  1599  dem  Professor  der  Mathe- 
matiic  vorgeschrieben.  _ aliquid  geograpliiae"  zu  tradieren.  Ende  des 
siebzehnten  Jalirhunderts  werden  in  Kremsraünster  geniuie  Karten 
des  klösterlichen  Besitzes  entworfen  und  einige  Kleriker  vom  be- 
kannten österreichischen  Geographen  Georg  Matthäus  Visolier  so- 
wohl theoretisch  als  auch  praktisch  in  der  Geographie  unter- 
richtet. ^) 

Eine  neue  Epoche  für  die  Gf'of:^ra]tli!<'  an  unserer  Schule  wird 
im  achtzehnten  Jahrhundert  durch  deu  bciühmlen  Abt  von  Enns- 
dorf,  Anselm  Dt'siii«^ ').  eingeleitet,  der  dem  Studium  der  Geogru- 
}•))!'•  iiud  Gcsrliirhte  in  Bayern  und  Oesterroich  noxw  Bahnen  ?e- 
Wit-hcii.  Nicht  ohne  EiallusH  auf  diese  seine  l'.edeiitiinL' war  sicher- 
lich der  Uiiiaiand  ^»ewesen,  dass  Desin«::  >ell»st  ein  Zögling  der 
Jesuiten  war,  die  seit  dem  Beginne  des  achtzehnten  Jalir- 
hunderts an  ihren  Schulen  der  Geographie  eine  geachtete  Stellung 
einriliiaucu  unii  am  Schlüsse  des  Schuljahres  regelmässig  eine  An- 
zahl von  grösseren  oder  kleineren  Kompendien  der  Geo^jraploe.  die 
sie  selbst  abgefasst  hatten,  unter  die  Schüler  als  Prämien  ver- 
teilten.^)  In  diesem  Geiste  erzogen,  bearbeitete  Desing  gleichfalls 

')  Siehe  Theoderich  Hagn:  „Das  Wirken  der  IJf^nedictiner  Abt«i 
KroTTtsmüDster  fftr  Wissenschaft,  Kunst  und  Jugendbildung."  Linz  lb48, 

S,  12U. 

')  Diese  Vermutung  gewinnt  um  so  m^r  an  WahrschehiUehkeit, 
weil  die  Aebte  Erhard  Voit  (1571—1588).  Johann  III,  Spindler  (lK89-ie00), 

Alexander  a  Lacu  (1601—1613),  Anton  WoUiradt  (1618-1639)  im  Bezug  auf 
die  „hmere  Sclitile"  sich  nachweislich  enge  an  die  Jesuiten  angeschlossen 
hatten.    Vergl.  Th.  Hagn  1.  c.    S.  101  ff. 

*)  Siehe  meinen  Aufautz:  .Des  österreichischen  Geographen  Georg 
EatthaeuB  Viseher  letstes  Lehensjabi**.  Mitth.  d.  k.  k.  geograph.  Gesellschaft 
in  Wien.    Bd.  XLl.    No.  5  u.  6.    S.  ;{80-  894. 

*)  Ansohn  Dor^inj?,  geboren  16119  zu  Amberg  in  Bayern,  trat  1717  ins 
Benedtrtinor  Klustpr  Künsdorf,  war  1725  — Professor  am  Lyceum  in 
Freisiog,  wuriie  daun  Frior  in  Eniisdurf,  iTiiö  Piotessor  an  der  Universität 
Salsburg,  war  dann  abwechselnd  in  Pasaau,  Rom  und  -wieder  in  Pasaau, 
wurde  1761  Abt  von  Ennsdorf  und  starb  am  17.  Dezember  1772.  Bau  der 
Sternwarto  in  Kremamtinster  utul  Errirhtiinp  pinor  udelipren  Akademie  da- 
seibat gehen  um  spine  Anregung  und  seine  Pläne  üurüek. 

•j  Das  erste  bekanntere  Lehrbuch  der  Geographie  N^erfsastc  der  Je- 
•uit  P.  Job.  König  im  Jahre  1677:  Inatitutio  ^fcogruphiae  elementaria  siv« 
modus  methodusque  intelllgendi  et  cooftciendi  mappas.  Siebe  die  Liste  In 
Honumenta  Germaniae  Paedagogica  von  K.  Kehrbach,  Bd.  XVI.  Seite  182, 1^. 


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12.  Die  Sehul-Geograpbie  des  Abtes  Anselm  De^üig  ^0.  B.B.)  etc.  185 


eine  Anzahl  gcugraphischer  JUicher^).  von  deueu  besondtTs  eines 
hervorgehoben  und  näher  besprocheu  werden  möiaje,  da8  er  speziell 
fUr  die  Schule  von  Kreinsmttnster  schrieb  und  daher  in  anderen 
Bibliotheken  selten  zu  finden  sein  dttrfte.  Schoo  am  20.  April  1741 
schrieb  er  dem  Abte  Flxlmillner:  »Historiae  atque  Geogra- 
phiae  pro  Cremifanensi  Academia  seribendae  proi)ediem  initium 
dabo."  1748  war  das  Buch  vollendet.  £s  fUhrt  den  etwas  breiten 
Titel:  ».Hinlftngb'che  Geogiaphie  vor  die  Schule  auf  eine  Art  voiv 
getragen  und  in  solche  Scbranlten  gefasset«  dass  junge  Leuthe  da- 
mit mehr  ergOtset  als  beladen  werden."  Zusammengetragen  zum 
Gebnuiche  der  studierenden  Jugend  zu  Crems-KOnster  0.  S.  B.  in 
Ober-Oesterreich.  Cum  facultate  Superiorum.  Salzburg.  Gedruckt 
bey  Johann  Joseph  Mayrs  Hof>  u.  Academ.  Buchdruckers  seel. 
Erbin.  1743.  s) 

Das  Buch  fasst  ohne  Register  482  Seiten,  ist  in  katechetischer 

Form  abgefasst  und  bebandelt  zuerst  in  „der  kurtzen  Schulgeographie 
allerersten  Anfang"  das  Wichtigste  aus  der  physikalischen  und 
mathematischen  Geographie  auf  30  8eiten,  dann  folgt  die  Geographie 
Europas  I>is  S.Mto  372,  die  asiatische  Türkei  bis  Seite  386.  die 
afrikanische  Tlirkei  bis  Seite  392,  Afrika  bis  400.  Asien  bis  408, 
endlich  Amerika  mit  dessen  kurzer  Geschichte  bis  482. 

Das,  ^as  aber  besonders  bervorgelioben  zu  werden  verdient, 
ist  die  Vorrede,  die  in  kui-zen  Worten  eine  Didaktik  der  des 
geographischen  Untemchtes  gif  ltt,  wie  sie  nicht  gar  häutig  in  einem 
Lehrhuche  dieser  Zeit  zu  finden  sein  dürfte.  Ich  lasse  die  Kegeln 
zunAcbst  im  Wortlaute  folgen: 

Es  aeynd  dise  Blfttter  nicht  zu  dem  Ende  geschriben,  dafs  man 
daraufs  ein  TollkonimeDer  Gcographas  werde.  Wom  es  dann  umb 
dieses  zn  thnn  ist»  wird  von  dem  Buche  hOren :  Noli  me  tangere. 

Yflmehr  ist  das  absahen,  dafs  ein  sartc  und  auch  von  Jaliron  mittel» 

mäfsige.  darzn  mit  nicht  wenig  anderen  Sachen  beschilfftigte  Jimeiul  einen 
Contour  oder  Umrils  vui  der  Welt  bekomme,  auf  welcher  die  Adanis- 
Kinder  ihren  Platz  haben  und  ihrer  H.lndel  mit  einander  pflegen. 
Welcher  Umrifs  jedoch  nicht  in  blofsen  Zugeu  und  Namen  bestehen  solle; 
sondern  mit  allerley  Farben  und  portraits  die  innerliche  beschaffenheit  der 
orthen  nnd  vdlekersehaiflen  gleichsam  ins  kleine  und  so  so  vorstelle:  und 


*)  Bchulgeographie  für  junge  Leute.  Regensburg  1734. 

Compendium  eruditionia  complecten.s  .  .  .  gcopnphiam  .  .  .  IT.'ri. 
Auxilia  hiatoriea.  Kegensburg  1747.  Httnüächrü'tlich:  Cosmograpbia 
uuiversa. 

^)  Erecbien  also  ohne  Namen  dee  Verfassers. 


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186   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Brslefaung«'  u.  Scbulgesch.  VIII. 


zwar  iiiclit  zur  alleinigen  Lut,  sondern  auch  zu  einiger  Lust  der  ohaebin 
eclcelhafteD  jungen  Printzen. 

Ja  auch  mit  dorne  nllcn  Avinl  iiorh  vil  zucker  und  spezereycn  dazu 
gohnmn,  biis  es  der  schleckerbuflcn  Jugend  appetitlich  genug  gemacht 

werde. 

Dazu  null  sevad  die  /.wey  Haubt-Ingrcdicntia: 

I.  Die  Sinnlichkeit,  welche  der  Jugend  unendlich  schmeichlet  und 
durch  welche  man  von  ihr  endlich  alles  zu  erlangen  vermag. 

IL  Die  otfte  Widcrholung»  welche  wie  ein  sachter  Mayen-Regen  vil 
tieffer  eintringet  und  grund  fosset  als  wann  mit  vollen  Schftffem  man  auf* 
schüttete. 

Von  der  Widerholnng  ist  hier  weiters  niclits  zu  sagen. 
Der  Sinnlichkeit  aber  kommen  wir  etwann  mit  folgenden  hanrs«mitteln 
zu  statten. 

1.  Mit  denen  luotigLii  F>zehl«ngen;  obwolil  v\\\a  an  diser  und  jener 
sonst  nicht  vil  gelegen  wäre:  giMiiiLr.  dal's  aic  inipitssion  luaihet. 

2.  Durch  gcniahlte  Lutid-Karten.  welcbo  ins  grofsc  gebracht  in 
unseren  Schulen  und  Exercitienzimmern  vor  beständig  hangen  und  denen 
lernenden  ohnablftrslich  vor  äugen  seynd. 

3.  Hie  und  da  angebrachte  besondere  oder  auch  gewöhnliche 
redens-arten,  imgleichen  einige  termini  aufs  anderen  Sprachen  aeynd 
sowohl  zu  disem  absehen  dienlich  als  auch  damit  die  JdngUnge  eine  freude 
haben,  wann  ihnen  wortc  vorkommen  aufs  den  Sprachen,  welche  sie  vom 
Maitre  zu  lernen  im  begriff  seynd. 

I.  Weiters  wird  ihnen  die  Geographie  nicht  aafgebflrdet  wie  ein 

Schul-Pensuni,  sondern  man  unterhaltet  sie  mit  aufsfragcn,  iinger-zeigen 
und  gp<prächen:  und  ist  auch  sonst  in  keinen  dingen  gend  oder 
gezwungen. 

5  Noch  mehr  so  werden,  wann  von  Städten,  Vcstungen,  Gegenden 
etc.  die  Rede  ist,  ihnen  zu  zeitcn  auis  Atlautibus  und  bUcheren  vorgezeigt 
die  gnind«  oder  perspectiv^risse  davon;  wobey  sie  zugleich  gelegenheit 
haben  etwas  von  ihrer  Geometrie,  Fortification  etc.  an  den  Mann 
zu  bringen. 

6.  Es  haben  die  Lelirnieisler  noch  mehr  dergleichen  Erzehlungen  in 
ro?ervc.  mit  welchen  sie  zu  gelegener  Zeit  heraufs  rucken,  umb  den 
apjjetit  noch  mehr  7n  reitznn  Dann  die  bicrinn  geachribene  zn  lesen 
wird  ohne  dem  dii'  erst«'  arbeit  der  fnrwitzi^'Cn  .scrn.  Und  wann  «if» 
emuiahl  dise  wissen,  werden  sie  an  dem  übrigen  soliden  keinen  trr>r!ini;irk 
mehr  finden  und  also  daran  eckel  haben,  wann  man  niciit  thit  neuer 
Stuppe  darüber  kommt.  Defswegen  mOssoi  auch  nodi  hin  und  her 
hemistichia,  proverbia,  vergleichungen,  epiphonemata  etc.  eingestränet 
werden.  Ja  man  kann  auch  jezuweilen  eine  Sache  aursfObrlicher  aufs 
einem  Authoro  vorlesen  oder  vorlesen  lassen. 

7.  Abermahlen,  so  werden  die  Fragen  manchmahlen  etwas  verkehret 


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l'J.  Dip  öchui-üeograpbie  dea  Abtes  Anselm  Desing-  (O.  S.  B.}  etc.  IS7 


und  verdrahet:  welches  eben  dariHDl»  deu  t'ürwitz  sticht  und  (las  jiuliciuiii 
schäxffet.  Z.  E.  Welches  ist  das  Luud,  wo  fast  alle  tldsse  liiiieiu  liiuffcu? 
Welches  ist  die  neueste  Republic?  Wo  gibt  ee  sttfse  and  wo  sanre 
Thrftnen?  Welcher  Staat  mW  seine  gnind'ges&tze  aufs  heiliger  Schrift 
beweisen?  Welche  Nationen  seynd  mit  den  vier  Elementen  zu  ver- 
gleicheti?  In  welcb(>n  Landen  allen  anzutreffen  seyen  gute  Wein,  Mamior, 
Eisen,  Gold  etc.  Wann  man  wollte  eine  neue  Stadt  bauen  und 
aufs  bf'Rte  einrichteji,  woher  man  alles  holen  mtlste  an  einwobneren, 
liauisratb,  uothweadigkeiten  etc.  und  dergleichen  mehr.  Sed  ne  quid 
nimis. 

8.  Letztlich  lasse  man  die  Jugend  auch  ötttcis  specimiaa  publica 
von  ihrer  bereits  eroberten  wiwensehaft  ablegen  Ingens  gloria 
calcar  habet. 

Sehet  da  acht  unseres  Wissens  gute  Mittel  umb  der  Sinnlichkeit  zu 
schmeicheln.  Begehret  jemand  zu  wissen,  wie  wir  die  Materien  alle 
anfsthcilcn :  so  hanget  solches  zwar  ab  von  der  fahigkeit,  occupatioo,  ja 
anoh  von  dem  «lestein  der  lernenden.  Dann  anders  mit  ^nem  puren 
plebcjo,  ander»  mit  einem  Cavalüer  hinaufagesehen  wird. 

Ueberhaupt  aber  ist  da^jt  iiigt  ,  so  mit  grösserer  Schrifft  gedruckt 
erscheinet,  vor  diu  aufänger.  Das  Übrige  kan  unter  zwcy  andere  Schulen 
getheilet  werden,  also,  dafs  die  letztere  immer  das  jenigo  vor  ihren  antheil 
bekommen,  was  mehr  judieienz  ist. 

Und  solcher  gestalten  wann  ein  junger  Mensch  dises  Buch  drej 
Jahr  nacht  liiaiiderpractiriret,  hoffet  man  zu  erhalten,  dafs  eine  hinlängliche 
id^«'  von  der  Welt  sich  werde  eingedruckt  lialtrn.  auf  welche  alsdann  das 
gemählde  der  edlen  Historie  mit  gutem  nutzen  kau  gleichsam  eingeschmeltzet 
werden. 

Billich  wnrde  mjin  sich  beklagen  kennen,  dafs  die  Desehreibuiig 
Tcutst  hlunds  allzukurt/  aul'sgefallen;  wann  man  nicht  unsere  entschuldigung 
annehmen  will ;  dafs  man  des  voihabens  ist,  geliebt  es  Gott  von  Tentseh* 
land  besonders  und  en  detail  mit  nftchsten  so  vil  vor  die  hand  zn  geben, 
dafs  es  zu  einem  vorschmack  so  wohl  der  Reichs<6eschichte  als  auch  des 
juris  pnbliri  dienen  möge. 

Vor  allen  wird  gebetten,  nichts  in  argen  aufs  zu  deuten.  Man  hat 
dahin  nicht  die  geringste  absieht  ^jeliabt.  ji  inand  an  m  fasten,  «fondern 
hat  mit  tlciis  vil  schöne  sacheii  hiiifer  der  b.'uick  ^^'lassen,  welelic  l'O- 
schinen  liab<  u  eine  andere  aufsleguiig  annehmen  zu  können.  Man  wollte 
allein  die  juu'cnd  uuteuiehten  und  aufmuntern. 

Daran  schlievise  ich  no'-h  die  |iral\tisehen  Winke,  die  er  »Mf 
Seite  *JÖ.  29  und  30  im  ,i I l^'eiiieiüeu  Teile  für  die  lieiiuizuug  der 
Laudkaiieii  iiibt.  deren  gros.seu  Wert  als  geographisclieb  Aiischaii- 
UDgsniittel  er  bereit.«*  betont  hat. 

59.  Frag.  Was  nutzen  die  landkarten  ?  und  wie  soll  man  sie  vor- 
thcUhaftig  gebrauchen? 


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188   Mitteiltttigeti  d.  Gm.  f.  daiHach»  Bniohiiiigs-  u.  St^ulgeadi.  VIII. 


Antwort  1.  llan  lueat/t  daraaA  zu  begrefÜNi  die  luge  der  ortheii 
in  der  Well,  ilire  iiMhberscliaft  und  was  infs  disem  folget.  Zu  solchem 
ende  ist  vortr&glicber  dreymal  die  karte  bedftchtlidi  ansduunn  als  zeben 
bttcher  lesen. 

Antwort  2.   Damit  man  aber  soleben  nutzen  ziehe,  mnfs  man  also 

Terfahren. 

Erstlich  niul's  ich  die  ullgcmeiiie  karten  vor  mich  nehmen,  i.  e.  die 
hemisphaeria.  die  vier  wcit-theile  ctc.  Hernach  erst  die  besondere  z.  e. 
tcutschland,  welschiauU  etc. 

Zwcytt  ns  mäh  Idi  die  karte  also  vor  mich  auf  den  tisch  legen, 
damit  die  vier  weltgegenden  der  karte  mit  den  gegenden  der  weit  wflrk- 
lieh  Uberein  kommen:  nemlicb  norden  Torwftrts:  zur  rechten  osten,  zor 
lincken  weston  etc.  Dann  solchergestalt  drucket  sich  die  läge  der  orthea 
▼il  l)(  ssi  r  in  die  cinbildung. 

Drittens,  ich  niuls  die  karte  iiiclit  überhan]>t  n'lor  bald  da  bald 
dort  beschnarchen,  sondern  stuckweils  und  ordentlirii  Jorflahit'ii :  entweder 
von  oben  nach  unten:  oder  von  der  rechten  znr  linken:  oder  idi  selie 
mich  umb  die  haubt-flüssc  umb  und  bemercke,  was  hv\  jedem  vor 
stftdte  und  landereien  ligmi?  Und  endlich  Aehb  Uk  auch  ein 
buch  zu  rath,  welches  mich  anweise»  was  für  ordnong  etwan  zu 
halten  sey? 

Yierdtens  ieh  bemercke  anfangs  nur  die  dendtwflrdigste  ding,  damit 
das  gcdächtanfs  nicht  gleich  anfangs  überladen  wwde.   Es  lasset  sich  boi 

80  gelepton  grnnd  Innnarh  durch  blosses  anschauen  nocli  vil  von  den 
kleini(<keiten  nachsetzen.  Kxenipelweils.  Ich  liabe  vor  mir  Europa,  so 
merckf  ich  erstlich  nur  die  namen  jcdwedercr  glider  desselt>en:  hernach 
"widcrhole  ich  dibcs  uiiu  nienke  bey  jeden  glid  ein  haubthtadt.  liey  der 
dritten  wideriwlnng  nimroe  ich  flberaU  einen  flofs  darm  odor  dae  r^erende 
haufs  oder  einen  see-baven,  borg  etc. 

Fttnffteaa.  ist  sehr  nutzlich  bey  etlichen  solchen  orthen  eine  allda 
beschehene  seltsame  oder  denkwQrdige  geschieht  oder  faistoric  sieb  erzeblen 
zu  lassen.  Dann  obschon  etwanu  an  einer  solchen  be<rebenheit  eben  so 
vü  lücht  gcle^n^n  wäre,  so  wird  doch  liierdurch  der  gcist  ermunteret,  der 
ftlr  witz  sonderlich  !m  v  der  jngend  gereilzet,  der  last  beybehaltcn  und  die 
gedachtnnls  ylt  ichsarii  mit  gelinden  fesseln  daran  gebunden:  Trahit  sna 
quemquc  voluptoi;  und  uhne  lust  wird  nichts  erlernet. 

(leographie  ist  Desinj^  eine  Vorbereitung  für  den  Geschichte- 
Unterricht'),  ein  Gedankt',  der  ja  hh  /.tun  heutigen  Tage  noch 
lebendig  ist,  wenn  man  .sich  auch  mehr  und  mehr  zu  entsehliopsen 
scheint,  dem  Lehror  der  Natiii  wis^enschatten  dieses  Fach  zuzuweisen; 
oh  dies  besonders  erspriesalich  sein  wird,  muss  erst  der  Eifolg 

>)  Siebe  sein  Buch:  „Kurtziste  UnivenMUhistorie  nach  der  Geugrapbie 
auf  der  Landkarte  zu  erlernen."  Regensbufg  1746. 


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1*2.  Die  Schul-Geographie  des  Abtes  Anselm  Dealog  (0.  S.  B.)  etc.  189 


zei^on.  Mau  steht  in  dieser  Fra$?e  immer  vor  einem  Dilemma: 
eiitwedor  eif^ie  sich  der  Historiker  eine  grössere  Kenntnis  in  den 
>ialurwissensehaften  an  oder  der  Naturhistoriker  muss  aucli  iu  der 
Geschichte  zu  hause  sein.  Denn  wie  enge  gerade  Geographie  und 
Gteflcbichte  «ines  Volkes  mit  einander  TerknQpfl;  sind  und  sich 
wecbselBeitig  bedingen,  zeigt  jedem  Unparteiischen  in  glänzender 
Weise  der  grosse  Forscher  auf  di<)sem  Gebiete,  Friedrich  Ratzel. 

In  drei  Jahren  will  IkMüg  ti<<s  Pensujii  der  Geographie  ab- 
solvieren, wie  es  scheint  in  der  Prinzipien-,  Grammatikal-  und  Syntax- 
Klasse  fllr  den  höheren  Unterricht,  namentlich  der  Akademiker 
will  er  als  Vorbereitung  für  das  Studium  der  deutschen  Rechts- 
Geschichte')  eine  eingehende  Geographie  des  Deutschen  Reiches, 
das  in  dieser  mehr  summarischen  Behandlung  zu  kurz  gekommen 
war,  ausarbeiten. 

Aus  der  Anordnung  des  Lehistoffes,  sowie  auch  aus  den  eben 
ang^ebenen  didaktischen  Winken  ersieht  man  sofort,  dass  Desing 
ein  nicht  unbedeutender  Pftdagoge  und  Didaktiker  war. 

Das  Interesse  fOr  den  Gegenstand  im  SchUler  zu  erwecken, 
ist  sein  oberster  Grundsatz.  Der  SchQler  muss  lernen,  er  soll  aber 
Freude  und  Lust  nicht  bloss  am  Gelernten,  sondern  am  Lernen 
selbst  haben.  Doch  diese  Aufgabe  ist  keine  so  leichte;  ein  leeres 
Auswendiglernen  yon  Namen  und  Zahlen  ist  gewiss  nicht  geeignet, 
das  Interesse  des  SchQlers  zu  heben.  Die  sinnliehe  Anschauung, 
die  seit  Comenius  liesonders  betont  wird,  soll  hier  am  meisten 
wirken.  Zur  Veranschaulichung  aber  bedient  er  sieh  mit  Ausr 
nähme  des  Zeichnens  aller  Mittel,  welche  erst  in  unseren  Tagen 
wieder  mehr  zur  Geltung  kommen.  Besonderes  Gewicht  logt  er  natürlich 
auf  das  wichtigste  Lehrmittel  im  geographischen  Unterricht,  die  Land- 
karte, deren  Farben  und  Zeichen  er  in  eingehendster  Weis»'  im  ein- 
leitenden Teile  seines  Lehrbuches  behandelt:  hononders  hervorgehoben 
mdge  werden,  dass  er  dort  dem  Maassstabe  der  Karte  eiue  grosse 
Bedeutung  beimisst  und  das  Messen  der  Entfernung  zweier  Punkte 


')  Verf?!eirht»  da^e^rfn  das  im  .Julire  174-*«  llir  di»'  Jo-nutPn-Schuleu 
verfaaste  Lehrbuch:  „lutroductiu  in  univerflam  (ieographiani  juveututiä 
Acadenicae  eommode  ia  sex  eapita  totldem  nempe  hunuuiiwrum  claMdum 
anoos  divisa."  Die  vom  Jesuiten  Kropf  17S6  verl!u«to  „ratio  et  yia  reete 
atque  ordino  procodendi  in  litterin  liumanioribus"  schreibt  fOr  die  Humanität 
nur  eine  kurze  Hehandlunj^  der  (loographie  vor. 

I)io  deutsche  Hechtsf^earhii'hte  blieb  leider  iinvollcndot  im  erHteii 
Baude;  die  güographiachc  Vorbereitung  hiefUr  dUrltc  luden  «Auxilia  hitstorica" 
SU  finden  sein. 


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1 90  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bnieliimgs>  u.  Setiulgesch.  VIII. 


auf  der  Karte  mit  Hilfe  des  Maaastabes  besonders  empfiehlt.  Ueber- 
baupt  soll  der  Schüler  auf  der  Landltarte  ganz  zu  Hause  sein;  das 
Bnch  soll  nur  eine  Ei'gftnzung  dessen  bieten,  "was  nicht  von  der- 
selben abgelesen  werden  kann,  doch  Hauptsache  bleibt  sie  und  nicht 
das  Lehrbuch.  Man  muss  da  unwilUctlrlieh  wieder  an  die  Gegen- 
wart denken,  wo  ja  auch  die  Karte,  der  Atlas  wieder  in  den  Vorder- 
grund gerückt  ist  und  infolge  dessen  die  Technik  dieses  Lei«  ;.ittols 
jene  grossartige  Höhe  erreicht  hat,  mit  der  freilich  die  Karteu  jener 
Zeiten  keinen  Vei^gleich  aushalten.  Nicht  unerwähnt  mOclite  ich 
lassen,  dass  in  oben  angeführten  didaktischen  Regeln  auch  ih'v  lioute 
so  bf^tonten  Coucentration  des  gesamten  Unterrichtes  als  Mittel 
zur  Belebuiit;  und  Vertiefung  dci*  einzelnen  Fächer  sowie  zur  Ent- 
lastung des  Schülers  wiederholt  Ueciinuiig  getragen  wird. 

Ba«  zusammenfassende  Urteil  über  dieses  Lehrbuch  kann 
kaum  andern  ianten  als  wie  folgt: 

Desinga  Schulgeographie  ist  nicht  bloss  eine  der  b<'sten  der 
daniciligen  Zeit,  sondern  in  der  |tädagogis«iieD  Litteratur  würde  sie 
gewiss  bahnbrechend  geworden  sein,  wenn  sie  bekannter  gewesen 
wäre,  denn  sie  eilte  iiirer  Zeit  um  ein  gutes  Stück  voraus. 


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13.  Petrus  Gazzaiiigu  üi)er  die  Bchuluäliäche  Mcthoclu  d.  is.  Jaiirh.  191 


13. 

Der  Dominikaner 
und  Wiener  Universititteprofe^sor  Petrus  Gazzaniga 
Uber  den  plidagiigisehen  Wert  der  scholastiselien 

3Ietliode  des  julitzoliiiten  Jahrhunderts. 

Von  P.  Thomas  M.  Wöhofer,  onl.  Praed., 
i)ükt«»r  der  Thecdogio  uud  Philosophio.  Professor  an  dor  Minorva  in  Rom. 

L'nter  dci-  Kaiserin  Maria  Theresia  l)ei;innt  in  Of.-iterreich 
eine  radikale  IJinwälzimg  iu  der  rädaf^ogik  der  tlieolo«;iri('lien  Studien, 
wie  man  ülmliches  seit  dem  dreizehütcu  Jahrhundert  inn<M  hall)  »1er 
katholischen  Kirche  vergeh! ieli  sucht.  Der  Name  Kauleiistrauch 
allein  bedeutet  eine  Revolution.  Die  Scholastik  und  ihre  fast  rein 
dialektische  Methode  niu.><slc  t  iiM-r  luthr  historisrheu  uud  |tti>iti\r!i 
AuftHSsiinir  dor  thf^olo<risr!ii-ii  Wissfiiscluitt  wrirlhii.  wohui  liviiich 
dem  [»liiki i.-rli.'ii  Moiueiil.  der  )tast(ii';iltlicolo-i>chen  Richtung,  ein 
8ol<  lier  l.iiitlii-^s  ;i!if  das  (.ianze  eilig*  räuial  wurde,  dass  ijher  dem 
Aüeigucii  v\iii->  allerdings  sehr  umfangreichen  und  vh. l.scitigen 
r>ernstotVe^  lür  eine  seihständige  Wissenschaft liclie  Fuischuug  kein 
Raum  mehr  eriil»rigle. 

Indem  ich  mir  erlaul>e,  für  das  Nidiere  auf  meine  demnächst 
erscheinende  I)ai.>lt'llung  der  Rautcnstrauch'schen  Studienreform  zu 
verweisen,  will  ich  hier  nur  die  methodischen  Grundzüge  jenea 
Mauueä  behandeln,  der  als  Wiener  Dogmatikprofessor  in  erster 
Linie  der  neuen  Richtung  bahnbraeh,  dea  Dominikaners  P.  Petrus 
Gazzaniga. 

Gazzaniga  ist  im  venetianischen  Bergamo  am  3.  Mftrz  1723 
geboren^). 

Im  Jabre  1732  trat  er  in  den  Dominiltanerorden  ein  und 
lehrte  nach  Beendij^tng  der  Studien  ziiei*»!  au  mehreron  Ordens- 

'i  .\bweicUouUo  Angaben  Über  üein  Ütiburt^i^jabr  a.  bei  Wurzbacli, 
Biogra|ih.  Lexikon  des  Kai«erthums  Oestörreich,  Wien  1$50, 5.  Teil,  Seite  111  f. 


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192    Mitteilungett  d.  Ges.  f.  deutsche  Brxiehungs-  u.  Schulgosch.  VIII. 


lehranstalten  und  sodann  an  der  Universität  Bologna.  Seit  1760 
war  er,  einem  Rufe  Maria  Theresias  folgend,  Pfofesaor  der  Dogmatik 
an  der  Wiener  UnlYerdtftt  Dureh  swaasig  Jahre  erfreute  er  sich 
eines  grossen  Zuspruches;  die  Kardinäle  Migazzi  und  Garampi,  die 
Kaiserin  selbst,  und.  während  des  belcannten  Besuches  in  Wien, 
Papst  Pius  VI.  zeichneten  seine  Vorträge  durch  ihre  Gegenwart  aus. 
Im  Jahre  1781  zog  er  sich  aus  Gesundbeitsrttcksichten  vom  Lehr- 
amt  zurQck  und  starb  endlich,  siebenundsiebzig  Jahre  alt,  im  Kloster 
seines  Ordens  zu  Vicenza  am  11.  Dezember  1799. 

Es  Icann  hier  nicht  unsere  Sache  sein,  auf  die  durch  zahl- 
reiche Auflagen  in  ganz  Deutschland  und  auch  in  Italien  weit- 
verbreiteten Praelectiones  (Vorlesungen)  Gazzanigas  über  dogmatische 
und  ^polemische*  Theologie  einzugehen;  bei  Wurzbach  und  In  fthn- 
liehen  Nachschlagewerken  findet  man  leicht  Auskunft  Fttr  den 
vorliegenden  Zweck  genflgt  es,  uns  mit  jener  Abhandlung  zu  be- 
schäftigen, in  welcher  Gazzaniga  seine  metliodologischen  Ansichten 
ex  profeaso  niedergelegt  hat;  sie  steht  am  Anfang  des  zweiten 
Bandes  der  endgiltigen  und  letzten  Redaktion  der  ^Praelectiones 
theologicae"  und  ist  historisch  deswegen  wichtig,  weil  sie  die 
Stimmung  wiederspiegelt,  welciie  einige  Jahre  später  den  Rauten- 
strauch'sclien  Studieuplan  ermöglichte. 

In  dieser  „Einleitung  für  die  Studierenden  der  Theologie''  0 
stellt  Gazzauign  zuerst  die  Thatsache  fest,  dass  die  früher  so  hoch- 
geachtete theologische  Wissenschaft  Gegenstand  der  Verachtung 
und  beinahe  des  Hasses  geworden  sei^). 

Der  Hauptgrund  für  diese  Erscheinung  ist  unserem  Autor  die 
schwindende  Liei)e  zur  Religion,  die  Abneigung  gegen  das  elir- 
wUrdige  Althergebrachte,  die  Sucht  nach  Neuerungen.  Er  mu^^s  aber 
zugeben,  dass  auch  die  müssiger)  und  unnützen  Spitzfindigkeiten 
vieler  Scholastiiier.  die  Ijarbarische  Sprache  der  letzteren  und  die 
endlosen  Streitigkoiton  der  einander  btkämplenden  katholischen 
Schulrichtungeii  ilin  ii  Anteil  an  dor  geringen  Achtung  hiltten.  deren 
Bich  die  knf li(»l isi'he 'riM'i)liKj;it'  t'i-fVrti«.' :  nur  sfränht  er  f«ieh  dagegen. 
das8  df-n  l''('lil<M'n  der  Scludastikrr  allein  die  ganze  Scliuld  heige- 
inesseu  werde,  da  es  ja  zu  jeder  Zeit  ernste  und  besonueue  Gelehrte 

1)  4,Praefatio  racrae  theologiae  studiotis.** 

„Mirabar  eaopo  ac  saepe  alios  mirnntes  r.u  iivi  Sacram  TheologiMD» 

<|u;i©  olini  tuita  erat  apud  omn*'s  in  aoBtiuiatiiHio.  nt  ecionttarum  umnium 
Princeps  communiter  uppöliaretur,  ita  nostria  tempuiibna  a  öublimi  sno 
gradu  quato  delapsam,  ut  peoe  despicatui  et  quasi  odio  a  plorisquo 
liabeatur.** 


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Iii.  Petnis  üazzaui^  Uber  die  acholaatisebe  Methode  d.  IH.  Jahrh.  193 


<;egebeu  hal>e.  welrhc  die  theologische  VVisaenschatlb  ia  würdiger 
Weise  vertreten  hätten*). 

Daüü  verteidiijt  Gazzfinii^a  die  .Scholastik  zunächst  im  Prinzip. 
Die  „Väter"  hätten  bei  i;egebener  Gelegenheit  einzelne  Glaubens- 
lehren behandeU:  ai>er  für  den  Gelehrten  wie  namentlich  für  den 
Anfiinger  sei  eine  iiiiersichlliche  ZusaDimenfassun.L;  notwendig,  und 
äie  geboten  zu  haliea.  sei  das  Verdienst  der  ScholaBtilver 

Diese  Auffassung,  welche  das  Hauptverdienst  der  Scholastik 
in  einem  püdcagogischeu  Moment  lindet,  ist  für  Oazzaniga  sehr  be- 
zeichnend: ihm  kommt  alles  daiaut  au.  da^is  die  Scholastiker 
..säuiüiche  Lehren  der  Kelii^iuu,  wie  selbe  in  vielen  heiligen  Büchern 
zerstreut  seien,  in  eine  Art  Compendium  zusammengetnigen,  nach 
einer  lichtigen  Methode  angeordnet,  bewiesen  und  verteidigt  hätten, 
wodurch  ein  leichter  und  sicherer  Weg  zur  Erwerbung  der  Gottes- 
gelehrtheit eröffnet  worden  sei"*). 

Die  historische  Auffassung  der  Scholastik  tritt  dagegen  bei 
Gazzaniga,  der  doch  selbsi  jahrelang  Professor  der  Eirchengeschichte 
war,  in  den  Hmtergrund;  dass  die  aristotelische  Philosophie  die 
systematische  Grundlage  für  den  Aufbau  der  scholastischen  Theologie 
ist.  wird  nur  nebenher  gestreift,  obwohl  doch  dieser  Umstand  der 
scholaotischen  Wissenschaft  ihr  Qepriige  giebt'). 


Im  weiteren  Verlaufe  der  Er<)rterungen  wird  Oazzaniga  natar- 
notwendig  zum  Apologeten  der  scholastischen  Methode.  Aber 


')  ,.Non  me  latet  ineptis,  frivolia  atque  inutilibus  multorum  SchojastU 
8orum  luciibratioiiibu9.  tum  incultac  uc  harlnirae  plurimorum  riicfiidi  rationf», 
ae  detiique  rixüsis  illis.  <iua(>  Scholas  Catholicart  iiiter  sP  divisorunt,  alter- 
catiouibus  dciectam  hu'ius  divinae  aeiuntiae  turtuiiam  eiusque  hodiernum 
coniraiptutii  tribul  solare.  Sed  cum  prlvatae  hae  aint  Theotogoram,  et  ne 
quidem  oittDium,  calpae,  nulla  ratione  addud  pOMum,  ut  credam  hac  solum 
do  causa  tantatn  roi  mutationem  fulsse  iiivoctam;  pracecrtim  quod  videam, 
omni  at't  it»»  f;r,Tves  sajtiontisiiirnniäque  Thoologoe  nor'i'-'i'r',  .jui  sacraiii  hanc 
scic'iitium  accuittte,  copioae  atque  eleganter  pro  diynilatc  oicoluerunt." 

'')„....  aaerae  Theologiae  Studium  vel  ipsls  doctiorJibua  esset  dilfi- 
cillimmn,  novitiis  autem  impoasibüe,  nfai  allqui  summi  viri  (einige  ZeUen 
später  wird  äotort  erklllrt,  daas  diese  summi  viri  niemand  anderer  als  die 

hiL-TMiiosi   i'Ii.   aruti  et   <locti:<simi  J^cholat^tici   st'ioii'i  univeraa 

Keligioiiih  dogmata  niultis  »acri»  volumtnibu»  diaper^a  in  uniim  veluti 
corpus  rcdi^^eutes  rectaque  metliodo  diaponentes,  confirmautes,  vindicantes, 
planam  tutamque  ad  divlnam  sapientiam  acqoirendam  viam  stravieeent.* 
1.  C.  pag.  IV. 

-'i  T'lü--^  ii-'li(Mibf'i  wird  bemerk t.  (las  die  Scholastiker  ..Philosophiaill 
cttam  in  subsidium  vocare  miuime  dnbitarunf.  1  c.  p.  IV. 

.Mitteilungen  d.  Gor,  f.  <{cutisotie  Bnioli.-  u.  Scliulgesclticlite.  VlU  2  3  läiM. 

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194  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Brziehungs-  u.  9chulge»ch.  VIII. 


nicht  xttm  dbortriebeneii  Apologeten.  Dem  Anwalt  einer  wirklich 
oder  Termeintlich  guten  Saehe  liegt  es  meist  eebr  nahe,  den  lieber- 
treibongen  des  Gegeoparts  durch  maasslose  Schönfärberei  die  Spitze 
bieten  zu  wollen. 

Gazzaniga  teilt  die  Einwände  der  Gegner  sehr  auafülirlich 
mit,  80  dass  man  sieht,  wie  er  natnentlich  für  pädagogische  Dinge 
ein  offenes  und  unbefungenes  Auge  hat.  Und  in  der  Antwort,  die 
er  giebt,  ist  er  weit  entfernt,  offenliegende  Thatsacben  wegleugnen 
zu  wollen:  er  giebt  «zu,  was  man  der  scholastischen  Methode  vor- 
wirft, und  verwahrt  sich  nur  dagegen,  dass  man  —  und  hiezu 
neigte  die  theresianisch -josefinische  Zeitrichtuug  nur  zu  sehr  — 
das  Kind  mit  dem  Bade  verschütte  und  mit  dem  zu  entfernenden 
Bosen  auch  das  Gute  selbst  vernichte. 

Der  erste  Einwurf,  den  sich  Gazzaniga  macht,  ist  ein  rein 
pädagogischer.  Es  fragt  sich  nSmlich,  inwieweit  die  scholastischen 
Schuldisputationen  zur  Bildung  der  jungen  Leute  geeignet  seien. 
Und  da  behaupten  denn,  nach  Gazzaniga.  die  Feinde  der  Scholastik, 
dasb  dieses  ewige  Streiten  zwar  den  Verstand  schftrfe.  aber  ander- 
seits auch  zur  Unbeständigkeit  und  zum  Zweifel,  zur  Hyiierkritik 
führe.  Diese  Disputationen  seien  von  blosser  Streitsucht  beherrscht 
und  von  dem  Idndischen  Streben,  den  eigenen  Scharfsinn  zu  zeigen. 
Daher  stammten  die  Parteiungen  unter  den  Katholiken,  daher  auch 
jene  erbitterten  KAmpfe  zwischen  den  verschiedenen  theologischen 
»Schulen,  wobei  es  oft  nicht  ohne  ar?e  Verletzungen  der  christlichen 
I.irho  abgehe.  Gegenseitige  Händel,  Geschimpfe,  sogar  Hass.  das 
i^ei  das  Resultat  dei*  meisten  theologischen  Streitigkeiten,  das  seien 
die  Früclite  der  Scliolastik'j. 

Auch  wenn  wir  keine  anderen  zeitgenössischen  .Stimmen  hätten, 
müsaten  uns  die  scharfen  Ausdrücke,  deren  sich  der  ruhige  Gazzaniga 

,,Sed  cui  bono,  inquiuut  Scholasticae  osores,  pertiuucea  illtu)  et 
porpetuae  coneerlationei,  qufbus  Juvenum  iagenia  aeuuntur  qoidem,  Md 
Bimul  etiam  ad  caviUandum  asBuefiunt,  ut  nunquam  acquieacant?  Experientia 

ipaa  ostendit  nihil  aliud  istis  diaceptatlonibiis  doroinari  qu|nn  dc-^tabilein 

iHam  rixandi  liMrlinpm  et  piiorilcm  in^-cnii  n^fontritirniem  .  .  .  Hiiic  lllao 
C'atholicorum  tactiotifs  irroconciliabilos.  iiiut  venu»  ihoulogicii  schianiata; 
hinc  varlao  et  Inter  se  acerrimc  pugnautes  Scholue;  hinc  convicia,  biuc 
dissfdia,  hine  turtae,  qulbua  uuitaa  chiistiana  Bcindiiur  et  rautua  persaepe 
Caritas  frraviHsimo  laeditur.  Fadlo  enim  disputationes,  quao  padhcae  pri- 
imirn  vidi^haiitnr;  in  clamoroaaa  vertuntur  :i1'':'rTationofi;  urido  pfjsti  a  litct*. 
iurgia  at«iu«.'  otiam  odia  nascuiitiir.  lato,  iiu{uiiit  aliijiii,  pierumquo  est 
theologicanini  quacslionum  oxitua.  isti  Sei  ola&ticac  tÜLecipliiiae  fructua." 
1.  e.  p.  V. 


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18.  Petrus  Oassaoiga  aber  die  acbolMtlaehe  Methode  d.  18.  Jabrh.  195 


bedient,  zur  genüge  darüber  belehren«  dass  m  seiner  Zeit  die 
Seholastik  sich  vielfach  im  Zustand  der  tiefeten  Entartung  befand. 
Was  spesiell  die  Uniyersit&t  Wien,  den  Schauplatz  Ton  Gaarainigas 
Wirksamkeit,  anbelangt,  so  verweise  ich  auf  die  freilich  nichts 
weniger  als  vollständige  Darstellung  Rudolf  Eink*s  in  seiner 
„Geschichte  der  kaiserlichen  Universiftt  Wien";  ein  Genrebild  der 
Art  findet  der  Leser  auch  in  meinen  Untersuchungen  zum  „Lehr- 
buch der  Metaphysik  fttr  Kaiser  Josef  II.",  Paderborn,  Ferdinand 
Schdningh.  1895. 

Man  wQrde  nun  Von  Gazzaniga,  dem  Scholastiker«  fOglieh  er- 
warten, daas  er  die  Thatsftchlichkeit  solch  ernster  Vorwurfe  in  Ab- 
rede stelle. 

Er  thut  dies  keineswerrs,  sondeni  verwahrt  sich  in  seiner 
Entgegnung  nur.  man  möge  die  echte,  durch  Thonifi.^  von  A<iiiin 
repräsentierte  Scliolastilv  nicht  mit  der  verfallenen  Scholastik  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  identifizieren: 

Alles  dies  muss  man  nicht  als  die  Früchte  der  Scholastik, 
sondern  als  die  Fehler  der  Scholastiker  bezeichnen,  vor  welchen 
Fehlern  wir  ims  aufs  eifrifiste  hüten  sollen,  wir  besonders,  die  wir 
uos  Thomisten  nennen  und  uns  rühmen,  es  zu  sein')." 

Hiernach  wird  das  Breve  „Solltcitia  et  provida"  Benedicts  XIV. 
vom  9.  Juli  175^^  zitiert,  in  welchem  der  Papst  die  Massigung  des 
heil.  Thomas  in  der  Behandlung  seiner  Gegner  als  nachahmens- 
wertes Beispiel  hinstellt;  diesen  heilsamen  Mahnungen  solle  man 
gehorchen  und  ohne  Rücksicht  auf  ]*arteigeist  sich  einzig  und  allein 
von  der  Liehe  zur  Wahrheit  leiten  lassen,  wenn  man  ans 
rHspntiereii  .;ehe.  Dana  weide  durch  V'ergieichiiii^;  dessen,  was  die 
ein/eliirii  Theologen  geiorscht  hätten,  die  iNüikelii'Mi  zerstreut 
werden  ii.  s.  f.  Von  der  Zukunft  also  erwartet  Gazzaniga  eine 
Wendung  zum  Bessern! 

Damit  jedoci),  dass  die  Fehler  der  Spal.scliiilaylik  rückhaltlos 
angegeben  werden,  ist  über  die  pädagogische  Seite  der  Scholastik 
selbst,  ül)er  <iie  theologische  Disputation,  noch  keine  Entscheidung 
gefällt.  ( JazzjiniLM  .-stellt  .sicti  aUo  die  Frage,  ob  deuu  die  scholastische 
Disputatiuü  ülierhaupl  einen  ^\'erL  habe: 

„Wozu  iiaben  deuu  all  die  unzähligen  Streitfragen  geführt. 

*)  „Verumtatncn  haec  omnia  (die  Stelle  echlieset  unuiittelbar  an  die  in 
der  vorigen  Fussnote  citierte  an»  non  Theologia©  S'cholastioao  fructup,  i^od 
vitia  Scholasticorum  appcllari  debent,  a  nubis  omni  studio  cavouda,  a  iiobia 
pnecipue,  i{ui  8.  Thomae  Aquinatle  diseipnli  vocamur  et  Mse  gloriamur'. 
1.  e.  p.  V.  «q. 

13* 


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196   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deuteciie  Erziehunga-  u.  Schulgeach.  VlII. 


die  unter  den  Katholiken  aufgerührt  und  Rpitzlindig  untersucht, 
aber  trutzdein  bis  heute  nicht  gelost  wunleuy  Was  haben  die 
Di8|jiit;iti()nftn  ireiiiiizt,  welche  am  Anfang  der  Reformation  zur 
Wiederheislelluug  des  Friedens  und  der  kirchlichen  Einheit  ge- 
halten worden  sind,  oder  jene  sogenannten  friedlichen  Gespräche, 
bei  denen  doch  immer  die  Zwietracht  den  Sieg  davontrug,  oder  jene 
ungezählten  Goatroverascbriften.  durch  welche  nur  der  Krieg  fort- 
gesetzt wurde,  ohne  dass  Hoffaung  auf  Frieden  wäre?**^). 

Auch  dies  alles  giebt  Grazzaniga  im  Grossen  und  Ganzen  zu, 
wenn  er  auch  mit  Recht  die  Einschrftnkung  macht,  dass  denn  doch 
die  Disputationen  einigen  Nutzen  für  die  Religion  abgeworfen 
hätten.  Denn  es  gebe  wirklich  nicht  wenige  Beispiele  aus  alter  und 
neuerer  Zeit  dafür,  dass  durch  Disputationen  nicht  nur  Unwissende 
belehrt  und  Ober  die  Sophismen  der  Ketzereien  aufgeldärt,  sondern 
dass  namentlich  auch  Wankende  auf  unserer  Seite  erhalteu  worden 
seien,  welch  letzteres  nach  Lactantius  kein  geringer  Erfolg  sei. 

Dass  aber  in  den  meisten  FAUen  das  praktische  Resultat  der 
theologischen  Disputationen  ein  sehr  massiges  sei,  muss  Gazzaniga 
so  sehr  einräumen,  dass  er  die  Schlussfolgening  zieht,  alle  Christen 
(also  aucl)  die  ProtesUinten)  mttssten  sich  dem  SprtK  he  eines  obersten 
^chiedsrichterä  demütig  beugen,  denn  sonst  fänden  die  Kontroversen 
kein  Ende Freilich  sei  dies  wieder  nicht  so  zu  verstehen  als 
Itätten  die  Kathollken  keine  Gründe  für  ihre  Ansichten:  eine  grosse 
Reihe  Ikatholischer  Apologeten  wird  hierauf  angefiihrL 

Fassen  wir  also  Gazzanigas  Urteil  no»'h  kurz  zusammen,  so 
ergiebi  sich  tolgeudes.  Der  Wert  der  scholastischen  Arbeit  be.stelit 
ihm  in  der  systematischen  Zusammenfassung  des  in  Schrift  und 
Vätern  zerstreuten  lilaulieusinhaltes.  in  der  bis  zu  eitu'm  gewissen 

')  „(^uiii  eiiini.  (piapsn,  profuerunt  innumprap  illae  hactciujs  exritatrir' 
Bubtihtorque  diaciissae,  jiundiiru  tamfti  solulac  intor  ipsos  Catholicuf«  iin»e- 
stiones?  Quid  lut  iliae  aumuiurum  virurum  coiicertatiunes,  (|uue  initio 
LttthenuuM  paeudo-refonnationis  ad  pacem  atque  unitatem  redlntegrandam 
iä  Germania  habltee  aunt?  Quid  !Ua  colioqui»  pacifica  oppellato,  in 
i|uihn^  discordiri  somper  triuDophavit?  Quid  tandein  inimensa  illa  contro- 
vuräiarum  Mtlurcina,  (|uibiid  bellum  cnutinuatum  eat,  et  nulla  Buperost 
pacid  recup<'raudae  spes?    Ita  nustrae  Thoolugiae  OBore».*    1.  c.  p.  VI. 

''j  ^A^uumquam  infauatuB  hic,  quem  non  infieiamur,  aed  plua 
aequo  aliqui  exaggerant,  iheologicaitun  diapataftionuoi  exitua  omnea,  quot- 
quot  ChrisUano  nomine  consentur,  admonere  deberet  do  nacesaltate  alicnius 
vivi  at(]iie  itifAlÜMIis  i'ontrfn  (»rsiiirum  fidei  imliris.  riiiü'i  snj>remae  pot'*«?  iti 
Utigantu«  oiuuüs  hujnililer  fasce«  submittere  debuuut,  sine  quo  nullu^  enL 
litium  ac  controveralarum,  etlam  de  rebus  gravisslmiB,  finis."  .  1.  c.  p.  VII. 


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13.  Petrus  Gaxsaalga  aber  die  BcholMtiacbe  Methode  d.  18.  Jahrh.  197 


Grade  wttnacbenswerten  dialektiaehen  Bildung  des  jugendlieheD 
Geistes,  in  der  Aufdeekung  der  häretischen  Sophismen  und  in  der 
Bestärkung  Wankender.  Diesen  Vorteilen  gegenüber  stehen  jene 
Ausschreitungen,  welche  sieh  thatsftchlich  oft  im  Gefolge  der 
BcholastiBchen  Metbode  eingefünden  haben:  ungebftndigte.  maasslose 
Streitsucht,  Parteiungen  und  grobe  Verstösse  gegen  die  chrisüiohe 
Liebe. 

Es  sei  hier  vorläufig  nur  kurz  angedeutet,  welchen  Weg 
Oazzaniga  eingeschlagen  wissen  will,  um  die  gerügten  Mängel  der 
damaligen  theologischen  Methode  zu  beseitigen.  Er  begrOndet  aus- 
ftthrUeh    dass  eine  mehr  als  mittelmässige  Kenntnis  des  Griechischen 

und  Hebräischeu  zum  Behufe  eines  eindringenden  und  bestündigen 
Studiums  der  Iii.  Schrift,  Kirchengeschiclite  (Papst-  iiiid  Konzilien- 
gesctiictite,  Putrologie,  Geschichte  der  christlichen  Ethik  u.  s.  f.), 
theologische  Litteraturgeschichte  nötig  sei. 

Man  erkennt  hieran  sofort  den  Mitarbeiter  Raute ustrauchs, 
den  Schüler  der  Keformideen  eines  MabiUon  und  Abt  Gerbert. 

')  1.  c.  p.  IX— XU. 


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198  Mittailungen  d.  Ges.  £  deutsche  Bneiehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


14. 

Die  Jüosterschuleii  der  Ursulineriuneu  in  Erfurt 
Ton  1667  bis  zur  Gegenwart. 

V4m  Dr.  theol.  Vimni  ftehOTiwte,  Pfarrer  in  Britort 

Die  StiftuDgsurkunde  lautet: 

Jean  Philippe  par  la  grace  de  Dien  Archev^iqne  de  M  i\  ence 
Prince  £lecteur  du  st.  Empire,  Evfiquo  de  Warzbourg  et  de 

Worms,  Duc  de  Franconie. 

Lübligatioii  quc  nous  avon??,  d'instraire  et  faire  instruire  les 
personnes  de  l'an  et  de  1  autre  scxe,  qui  sont  dans  nos  Diuc^ses, 
PrmcipsMitte  et  Sonveraiiiet^s,  pays  et  terres  de  notre  ob^issance  au 
Yitd  Gölte  de  Dien,  seloa  la  doctrine  et  la  praetique  de  notre  m^re 
la  St.  EgUse  Gatboliqiie,  Apostoliqne  et  Romaine,  Nons  ayant  d-deTsnt 
fait  penser  k  ^blir  en  notre  ville  de  Kitzingen  de  notre  Dach6  de 
Fraaoonie,  des  Religieases  Ursulincs.  pour  instruire  les  jennes  filles 
k  connaitrc  et  scrvir  Dien,  ä  lire  et  k  öcrire  et  anx  bonnes  moenrs, 
suivant  leur  institution. 

Ce  qui  avait  si  heureusemeiit  succede  ä  la  gloire  du  uoiii  do 
Dieu,  au  bieu  public  et  ä  uotrc  satisfaction,  quc;  cuaniie  Nous 
vondrions  faire  na  semblable  ötablissement  en  notre  ville  d'Erfort 
(depuis  pen  redaite  h  notre  ob^issanee)  et  antres  lienz  de  nos  Diocises, 
ei  y  appeler  des  Reli^ases  Ursnlines  Fmn^aiaes. 

NoQs  avotts  jiig£  k  propos,  d'euToyer  vers  Messieurs  les 
Archevgques  et  EvSqaes  de  France,  comme  aussi  vers  les  Direetenrs, 
Goiieranx  et  Supörieurs  dfs  dites  Rcli^Mcuses  Ursuliiu's  de  Oonvpnts 
qui  se  troavent  dans  leur  Dioci'ses.  uotre  tr^s  eher  et  hU'u  ainit- 
Seigueur  I'rancüis  Richard  Dirertriir  du  ilit  Couvent  de  Kitzingeu 
pour  ä  notre  aom  les  prier  et  requerir,  de  choisir  dans  les  dits 
Cüuvents  des  Religienses  Professes,  propres  et  dispos^s  ä  un  si  pieux 
dessein,  et  de  leur  octroyer  toutes  leltres  de  sonmission,  obödienee, 
mandements  et  ordres  nöcessaires,  ponr  les  fsire  partir  de  leurs 
GouTents,  et  de  venir  r^sider  dans  celai  qne  Noüs  leor  avoas  deitln6 
en  notre  dite  ville  d*£rfort  et  autres  lieox  de  notre  Dioefese  et 


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14.  Dia  Kloetenchulen  der  UnuliueriDnen  in  Brfuit  etc.  199 


SoQvorainet^  de  Mayenoe,  anx  fins  qne  deuns,  pour  y  demeurer  et 
vivre  sous  notre  autorite  et  protectioiit  sniyaiit  les  i^gles  de  lear 

institut,  ayant  pour  rottt  lin  pourvu  auv  chosps  iv'cessaires  ii  leur 
sabsistiitice  dans  les  dils  iieux.  Nous  prions  donc  Mf  ssifnirs  les 
ArchevAqnes  et  Evfeques,  de  vouloir  en  esprit  de  chaiitf  i  router 
favuiablcuient  le  dit  Seigneui  l  l  angois  ßichard,  et  iui  donner 
creance  en  ce  qa'il  lenr  proposera  de  notre  part,  comme  k 
ane  peraonne  qne  nons  avons  iaform^  de  aos  iatentions  snr  ee 
siijet. 

En  foi  de  qaoi  Noas  avons  k  ces  präsentes  sign^ea  de  notre 
main  fait  apposer  le  scel  de  n08  armes.  Donnä  en  notre  vilie  de 
Wurzbourg  ie  26.  Mars  166ö. 

Jean  Philippe. 

Der  Orden  der  Uröuliüfrianeu.  so  iieiiaiiiit  nach  seiuer 
Schuupalrouiu,  der  heil.  Ursula,  wurde  vuu  Angola  Merici  aus 
Desenzano  am  Gaida.^t  c  1557  s^estiltet.  Ausser  den  drei  gewölm- 
lit  heü  GelUbdeu:  der  Anuut.  Keuschheit  und  des  Uehorsams  haben 
die  Mitglieder  desselben  noch  ein  viertes,  das  der  weiblichen  .Jugcad- 
erziehuug.  wet^halb  dieser  Ordea  bald  überall  eine  freudige  Auf- 
nahme fand.  Der  KurfUrst  Jobann  Pbüipp,  Erzbischof  von  Mains 
und  zugleich  Bischof  von  Wttrzburg,  wurde  zuerst  durch  eine  ihm 
verwandte  Dame«  die  Qr&fin  Maria  Katharina  von  Hatzfeld  geb. 
Freifjrau  von  Dalberg,  auf  den  Orden  der  Ursulinerinnen  aufmerk- 
sam gemacht,  indem  sie  ihm  die  Erziehung  Ihrer  Tdchter  rQhmte, 
die  einige  Jahre  im  Ursulinerkloster  zu  Metz  zugebracht  hatten. 
Infolge  dessen  fasste  der  staatskluge  Fürst  den  Entscbluss,  diesen 
Orden  auch  für  die  ihm  anvertrauten  Diöcesen  zu  gewinnen  und 
Hess  1660  vier  Ordensfirauen  aus  Metz  nach  Kitzingen  am  Main 
kommen,  wo  er  ihnen  die  prächtigen  Gebäude  der  ehemaligen 
Benedictinerinnen -Abtei  einräumte  und  sie  mit  HilfomiUeln  reichlich 
versah.  Als  er  hier  ihre  erfreuliche  Thfttigkeit  wahrnahm,  gründete 
er  für  dieselben  auch  in  der  1664  ihm  von  neuem  unterworfenen 
Stadt  Erfurt  eine  Niederlassung.  Am  17.  Septeml)er  1667  kamen 
fünf  (,'horfraueu  aus  dem  Ursulinerkloster  zu  Kitzingen  unter 
Leitung  des  Superiors.  des  Abbe  Fran^ois  Richard,  na«  h  I  j  fiii  t  und 
erhielten  das  auf  dem  Untei^ng  stehende  Kloster  der  Weissen 
Frauen  zum  Besitz. 

Nicht  lange  nach  ihrer  Ankunft  rröttneten  die  Ursulinerinnen 
ein  Pensionat  für  junge  Mädchen  und  kura  darauf  auch  die  äusseren 
Scliulen.  I)ieselben  zerfielen  in  eine  Elementarschule  und  iii  eine 
höhere  M&dchenschuk.   Die  erstere  bestand  aus  vier  Klassen,  in 


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20O    Mitteilungen  d.  Ges.  t  deutsche  Eniehungs-  u.  SehulgeBch.  VIU. 


welchen  lieli^ion.  Lesen,  Schreiben,  Rechneu.  Erdbeschreibung, 
Katurgescliiclite.  8iiij;eD  und  weiblirlie  Handarbeiten  gelehrt  wurden. 
Die  Zahl  der  Schülerinnen  in  derselben  beiief  sieb  zuletet  auf 
mehr  als  dreihundert. 

In  der  höheren  Mädchenschule  fand  ilt  !>rll>e  Unterricht 
statt,  der  in  der  gleichbenanaten  Schule  der  Stadt  erteilt  wurde. 
Auch  sie  zerfiel  in  vier  Klassen,  in  denen  die  Schülerinnen  alles 
lernten,  was  mit  Hecht  von  einem  gebildeten  Mädchen  gi'fordert 
werden  kann.  Ks  wurden  gelehrt:  Sprachlehre.  Kechtsclireibung, 
llechnen.  Geo<;i  ^iihic^  Welt-  und  Liiteratuii^fscliichte.  Schöuschreilten, 
und  Zeichnen,  wöchentlich  in  zwei  Stunden;  Naturgeschichte. 
Mythologie.  I)ekianiation.  Aufsatzlehre,  wöchentlicli  in  einer  Stunde; 
Englisch  und  iManzüüisch  wöchentlicli  in  dni  St(iii<l''n  P»esoiulcrs 
wurde  (Ici  I Religionsunterricht  gepflegt,  wöchentlicli  in  ^edis  Siunden. 
so  (iils^  aiit  jeden  Tag  eine  Stunde  fiel.  Ausserdem  erhieUeu  die 
ScIiüleriiiiM  U  jede  Woche  einmal  Unterricht  in  den  Hegeln  der 
Höflichkeit  und  des  WohlanstuuUt  Kia\ lerunterricht  wurde  nur 
auf  besonderes  Verlangen  und  gegen  ein  besonderes,  sehr  geringes 
Honorar  erteilt.  Diejenigen  Schülerinnen,  welche  diese  vier  Kla.sseu 
durchgemacht  hatten  und  eine  noch  höhere  Ausbildung  wünschten, 
traten  in  eine  Selecta,  w  elche  noch  weitere  Kenntnisse  vermittelte. 
Auch  die  Frequenz  dieser  Sdiule  war  stets  eine  bedeutende. 
Kinder  aus  den  ▼omehmsten  Familien  sowohl  des  Adel-  als 
auch  des  Bflrgerstandes  besuchten  die  Ursulinerschule. 

Um  die  weitere  Geschichte  des  Klosters  und  seiner  Schulen 
noch  kura  mitzuteilen,  so  blieb  dasselbe  bei  dem  durch  die  Säku- 
larisation des  Kurfürstentums  Mainz  und  des  vorher  dazu  gehörigen 
Erfurter  Gebietes  eingetretenen  Uebergang  der  LandesheiTSchaft 
Über  das  letztgedacbte  Gebiet  an  die  Krone  Freussen  in  seinem  Be- 
stände unberührt,  vielmehr  wurde  demselben  durch  die  Königliche 
Preuss.  Organisations-Kommission  am  ö.  Februar  1803  eröfllbet, 
»dass  das  Kloster  fOr  jetzt  in  seiner  bisherigen  Verfassung  bei- 
behalten und  belassen  werden  solle,  von  aUer  Besteuerung  aber 
aus  dem  Grunde  gftnzlich  frei  bleibe,  weil  dasselbe,  indem  es  sich 
die  Erziehung  jüngerer  Frauenzimmer  zum  Zwecke  mache,  einen 
vonüglichen  Nutzen  stifte.* 
mit  dem  Zusätze, 

,dass  Seine  Königliche  Majestät,  indem  Allerhöchstdieselben 
dem  KJoöter  diese  hohe  Gnade  angedeihen  Hessen,  zugleich  er- 
warteten, dass  dasselbe  auch  für  die  Zukuidt  in  dem  Bestreben 
fortfahren  werde,  jenen  rühmlichen  Zweck  stets  vollkommen  zu  er- 


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14.  Die  Kloetertchulen  der  UraulinerinneD  iu  BrAirt  etc.  201 


retchen  und  seiner  so  gemeinnützigen  Erziehungsanstalt  einen  noch 
grösseren  Umfang  zu  geben. 

Die  bald  darauf  eingetretene  französische  Fremdherrschaft  liess 
das  Ursulinerkloster  und  seine  Schulen  gleichfalls  unangetastet. 

Nach  der  Rückkehr  KOnigL  Freussischer  Regierung  erfolgte 
durch  Kabinetflordre  vom  14.  Oktober  1818  zwar  die  Aufhebung 
aller  andern  in  ErfUrt  bestehenden  Klöster,  aber  in  BetreiT  des 
Ursulinerklosters  wurde  ausdrücklich  verfügt: 

»Das  Ursiiliiierkloster.  dessen  Mitglieder  sich  unter  gutem 
Erfoljje  mit  dem  Uut4«rrichtp  der  weibliclieu  Jtij^end  beschäftigen, 
und  das  daher  die  iiegierinig  iu  Erfurt  beizubehalten  wttnscht  soll 
Ton  d<T  'j^ogeDWärtigen  Aufhebung  angeschlossen  sein." 

\\  ährend  der  Zeit  des  Kulturkampfes  war  den  Ursulineriuaen 
die  Leiirthätigkeit  untersagt.  Ostern  1879  wurden  die  Kloster- 
schuleu  g«'sclilo<8e?i.  und  ei*st  Ostern  1888  durfte  die  liöhere  Mädchen- 
schule wieder  eröttnei  werden,  wilhrend  die  Eröftnung  der  Elementar- 
schiile  veri)()ten  hlieh.  Die  iir.hoio  Mädclienschule  hatte  anfangs 
fünf  Klas>»en  ?iiit  je  7wei  Ableiluugeii.  durch  Zuwaf^hs  an  Lehr- 
kräften wurde  es  alxT  eriuö^'licht.  das.-;  sich  nach  uiul  nach  zehn 
voUsländii;  ^'etrennte  Klassen  entwickelten,  die  seit  Ostern  löüö 
nach  <Ih!!  Ht  summutigen  von»  31.  Mai  1804  organisieii  >iii<l.  Au.sner- 
dem  sind  n<>(  Ii  st^gcnannte  waiilfreie  Kurae  eingerichiei.  iu  welelien 
sieh  die  Si  hiilerinneu  in  Litteratur,  Sjirachen-  und  Vrdkerkunde, 
Psychologie,  Munik.  Zeichnen.  Malen,  Handarbeit  und  Haushaltungs- 
kunde weiter  ausbüden  kuuiieii.  Aller  l  iiti  rrii  ht.  ausser  Keligion, 
den  auf  der  Mittel-  und  Oberstufe  ein  gei^tlielier  liektor  erteilt, 
wird  \oii  Klosterl'ruuen  ;.;t'geben. 

Die  Lehrthätigkeit  der  Ursulinerinnen  hat  ihre  Wurzel  im 
Boden  des  Ordeuslebens  und  kann  darum  auch  nur  A'on  dieeem  aus 
verstanden  und  beleuchtet  werden. 

Es  wird  den  Ursulinerinnen  im  ersten  Kapitel  ihrer  Kon* 
stitutionen  zur  Pflicht  gemacht,  «die  Unterweisung  der  jungen 
Töchter  als  das  vornehmste  Ziel  und  Ende  sich  vorzusetzen  und 
darauf  Bedacht  zu  nehmen,  diesem  Zwecke  alle  Aemter  und  Ge- 
schäfte anzupassen."  «Sie  sollen/  heisst  es  weiter,  ^mit  allen 
Kräften  und  mit  aller  Aufmerksamkeit  des  Geistes  dieser  Aufgabe 
sich  widmen,  ttberaeugt,  dasa  sie  hierdurch  der  göttlichen  Berufung 
entsprechen." 

Wer  im  Orden  lebt,  hat  die  Pflicht  auf  sich  genommen,  nach 
Vollkommenheit  zu  streben.  Die  Ursulinerin  soll  .dies  thun 
(Kapitel  II  der  Konstit.),  ^  damit  sie.     erfüllt  mit  den  voll> 


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202    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deuiöclie  Erziehuugs-  u.  i>chulgesch.  Mll. 


koiimu'nsien  <»al)pii  (in  vom  N'aier  der  Lichter  ausgehen  (JacolHis  1. 
17».  in  Betra»  htuiig  btiiier  Hohfit  wie  durch  deo  Geist  (lottes  miq 
Klailifi!  m  Khirheit  uinir^'^vami-  lt  (2  Kn\\  3,  IS),""  V(tii  der  Liclie 
(idito  eiii'tichtet  und  ent/Jindt  i  mit  Erfolg  und  .Segen  arbeiten  und 
s?o  iljreni  BeiiitV  entsprerlifn  könne.  ' 

Alle  klüsterlichen  1  Jiirichtungen.  alle  Vorsclirilteii  für  das 
( )nlens|«>ljen  zit'Ien  hieraul'  hin:  An  den  höchisten  Idraloii  wird  der 
Jjlick  geschärft,  der  Geist  erhüben,  das  Hera  erwäriui  und  der 
Wille  gestählt.  Die  zerstreuenden  Kinllüsse  der  Aussenwelt  werden 
durch  die  Klausur  fern  gehalten,  und  ein  Leben  der  Abtötuug  und 
Sell>8t Verleugnung  lehrt  die  UrsuliQerin  sich  selbat  absterben  und 
befähigt  sie  dadurch,  mit  um  so  grösserer  selbstloser  Liebe  ihren 
Klndeni  zu  leben.  Alles,  was  die  ,.Klosterfrau"  sich  aneignet,  muss 
in  den  Dienst  der  „Lehrerin"  treten. 

So  ist  es  Brauch  im  £rftirter  Ursulinerlcloster  geworden,  dass 
die  jungen  Lehrschwestern,  welche  sicli  vor  dem  Eintritt  in  den 
Orden  das  Zeugnis  der  Befähigung  zum  Unterricht  an  höheren 
Müdclienschulen  erworben  haben,  weiter  studieren,  um  sich  der 
PrOfungskomniission  noch  einmal  zu  stellen,  damit  diese  in  einem 
Examen  für  Schnlrorstcherlnnen  den  Maassstab  anlege  an  ihre 
pädagogischen  Grundsätze  und  ihren  pratctischeo  Bliclf,  weil  sie 
daraus  für  ihre  Lehrthätigkeit  grossen  Nutzen  ziehen  Icönnen.  Bis 
jetzt  haben  vier  Klosterschwestem  das  Examen  für  Schulvorstehe- 
rinneo  )»estanden.  Auch  sind  unter  den  Schwestern  staatlich 
gepi  üfte  .Musik-,  Handarbeits-  und  Turnlelirerinnen.  Auf  die  Prüfung 
Itir  Oberlehrerinnen  wird  hingearbeitet. 

Frfiidif;  hegrüssen  es  die  Lehrschwestmi,  wenn  durch  die  staat- 
liche Scliulaufsicht.sbehörde  ihre  Anstalt  einer  eingehenden  llevision 
linterzogen  wird.  Jede  Lehrerin  unterstellt  sich  in  ihrer  Thiitigkeit 
gern  dem  prüfenden  Blicke  des  Kevisor.s.  und  man  ist  dankbar, 
wenn  durch  die  B^MnUhungen  eines  tüchtigen.  erlahren<»n  Schul- 
manuf's  .Mängel  in  der  Methode  der  Einzelnen  o<h'r  im  Gesamt- 
orgHüismus  aufi:<Mh'ckl  \s»'i  (i«'n.  imd  befoljrt  etwaige  pralitische  Vor- 
schlfii:^*  tind  Vorschfift^'ii  aiitV  '^rwissonhafteste. 

Dadurch,  dass  für  dir  Klnstrrfraii  all«»  f>pr^!r)iilich»'ii  liiierpssen 
wegfallen  iiiünsen,  wird  e>  den  \'oru*'scf/.trii  srln-  rrlrichirri.  jede 
Kraft  an  den  Plal/  /.n  stellen,  für  d*'n  «ic  ain  ^'«•«•i-iit'ivi.'ii  scheint. 

Am  Schluss  jeder  Revision  i>i  i'i>hrr  stci>  rülinilicli  hcrvor- 
geholion.  dass  nur  ein  (ieisi  das  ganze  Werk  ueseele  —  ein  streben 
alle  «Tfuile. 


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Ib,  Die  ReguIaricanoiiiMen  des  Auguatinerordens  etc. 


203 


15. 

Die  KegiüarkauoiiisHeu  des  Augustüierordeus 

unter  dem  Titel: 
KoDgr^atioii  Unserer  Frau  oder  de  Notre  Dame« 

Von  Dr.  Emil  TTttendorfer,  Domkapitular  in  München . 

Die  von  dem  hl,  Petrus  Forerius  (Fourier)  in  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  gestiftete  Kon<j;rcgation  Beatissimae 
Virginis  Mariae  Dominae  Nostrae  von  l\e<:ul;irkanonissen  nach  der 
Ke«:ol  des  hl.  August iuus  fand  bald  ihre  Verbreitung  auch  in 
J »eutöchland,  wo  si**  i  J.  1781  beroits  12  Niederlassungen  zählte, 
Mitglieder  dieser  Kongregation,  welche  ausser  den  drei  gewöhn- 
lichen ()rdonsgrliil>den  noch  ein  viertes  auf  uii.ildässige  Instruktion 
der  weiblidieu  .lui^md  ;,'tMi(  litrtt's  hatte,  und  zwar  aus  der  Provinz 
Luxemburg  beri»  f  Kurfürüi  Kurl  Albreeht  von  Bayern  1730  in 
seine  Lande  und  erteilte  ihnen  den  landesherrlichen  Konsens,  dass 
ßie  nächst  seinem  kurfürstliclien  Lusthaus  Nvmphenburg  ein  Kloster 
errichten  möchten,  .woriunen  Sie  i:eh;iUen  nein  sollen,  nii  aiieiu 
die  Jugent  Weiblichen  geschlechts  in  ottentlichen  schneien,  all- 
forderist  aber  in  glaubens  Sachen,  der  frombkheit,  forcht  und  Liebe 
gegen  Gott,  dao  mit  Let>eu,  und  schreiben,  auch  andern  anständigen 
schonen  arbdth,  und  auswendigen  Sprachen  va  Lehmen,  und  su 
Underrichten,  ohne  dafs  Sye  hierumben  Von  iemandt  was  zu  fordern 
haben  mOgen,  es  seye  dan  dafs  Sye  ainige  Ihren  Institut  gemel's 
in  die  auferziehung,  und  Kost  flbernemmen,  mit  denen  oder  deren 
Eltern,  oder  Vormundteren  seibige  Sich  eines  biliichen  Jährlichen 
Kostgelts  halber  allerdings  verstehen  khOnnen.*  (Aus  der  Fundations- 
abschrift  der  Elosterftouen  zu  Nymphenburg  dd.  MQnchen  den 
26.  Februar  1731.) 

Ein  Promemoria  Uber  das  Pensionat  dieses  Klostera  hat  sich 
auf  einem  fliegenden  Drackblatte,  auf  der  einen  Seite  in  franzu- 


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204    Uitteilungen  d.  Ges.  f.  deutAche  Erxiehungs-  u.  SchuJgesch.  VIII. 


sischer,  auf  der  anderen  in  deutscher  Sprache  abgefasat  erhalten. 
Es  ist  undatiert,  gebort  aber  ungefähr  dem  Jahre  1741  an.  Wir 
geben  hier  beide  Texte»  von  denen  der  französische  gegenüber  dem 
deutschen  einige  kleinere  Zusätze  aufweist. 

ATertiswment. 

Poor  cenx  qui  sont  d'intention  de  mettre  Leurs  filles  en 
Pension,   chez  les  Beligieusea  de  la  Gongregation  de  nAtre  Dame  h 

Nimphenbourtr. 

L'Etablissement  de  cc  Couvent  etaiit  encoro  trop  röcent  pour  que 
Ton  soit  hieii  informö  de  qn'elle  rnaniere  les  Pensionnaire;*  y  pont  KIcvArs, 
et  d'ailleurti  quantite  de  persumiHs  aYant  tenioigne  queique  envie  snviiir 
cominent  on  le»  iiourrit,  et  a  qut-1  prix,  C'est  en  vue  dy  saüslaire  que 
les  BcUgicuses  ont  dresse  le  Memoire  suivaiU. 

Les  Pensionnaires  ont  k  d^jüne  une  Soupe,  a  midy  nne  Soape,  no 
plat  de  legomes,  an  Boailli,  une  Entr^e.  an  Rdti,  ou  de  la  Tiande  Etuvee» 
c'est  adire  trois  sortes  de  viandea,  et  le  Dessert,  4  Goute  du  fruit  avec 
du  pain,  ou  autrc  chose,  selon  U  saison.  A  Soupe  une  Soupc,  une 
Fricasse,  mi  Tl6t\,  et  une  Salailc,  ou  autrc  chose.  Leur  boissoii  onlinairf 
est  de  la  Bii  re  brune,  ou  blanrhe.  h  mnins  que  Icnrs  Parciis  iif  leur 
ordoiiiK'tit  du  vin,  !p  quel  eii  ce  cas  duit  »  tre  pay«'  h  part.  (  i  st  loujours 
la  Maurcsse  des  Pensiuuairus  qui  diätribue  lea  porlions  a  Table  selou  la 
Compl^xion  de  chacune  de  ces  Demoiselles.  Pour  ce  qui  est  dn  litt 
EUes  doivent  en  ^tre  pourvues  de  chez  Elles,  de  inftme  que  des  Dm^s 
de  lit.  Tayes  d'oreillers,  Essnimalns,  d*ane  douzaine  de  Serviettes. 
et  d'un  Service  de  Table,  Gest  k  dire  Cuiller,  fourcliette  et  couteau. 
Si  cependant  on  aime  mieax  que  le  Couvent  foumisse  tont  cela,  on  le 
fera  moVennant  ii.  Florins  par  an. 

On  y  a  tres  grand  snin  de  Irs  Entretenir  dauB  tonte  la  prt»pret6 
d'habits,  rt  do  Liugc  que  I  on  ])iiiss('  souhaiicr. 

A  L'Egard  de  ce  qu'on  leur  Euicigne,  comnie  tuutes  les  Hcligieuses 
de  ce  Couvent  possede  la  langue  Frunyoise  et  qu'on  n'y  parle  Aleman 
que  pour  TExplication,  ü  n'y  a  paa  lieu  de  douter  que  les  Pensionnairea 
ne  Tapprennent  en  pen  de  tems.  On  leur  montre  k  Lire  et  Ecrire  ces 
deuz  Langnes  L*Arithmetlque,  et  k  Couipter  avec  des  Jettont,  (ks  le^ns 
iinies  on  les  occupe  k  tootes  sortes  d'ouvrages  oomme  a  la  Broderie  etc. 
£t  generalement  h  tout  cc  qui  est  couvcnable  i  leur  Sesce. 

Enlin  ces  Relipicusos  S'appliquant  ronimf  Elles  font  k  in?pirer  ü 
ces  Jennes  Demoiscllts  une  conduite  et  des  si  ntiments  confonncs  aux 
Ilegles  de  la  biensstaucu,  et  en  mfime  temps  aux  niaxinies  de  l  Evaugile 
Elle»  >e  liatent  que  les  Pareus  auront  la  Satisfaction  de  les  rcvoir 
8<^ement  Instmites  et  fond^ea  dans  uue  picte  qui  attirera  sur  eux  et 
sar  toutes  lenr  Familie,  les  Benedictiona  du  Ciel  et  de  la  Terre. 

La  Pension  est  de  Cent  Florins,  et  6.  pour  le  Blaoehisaage,  chaqne 


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15.  Die  ReguIarkauonisBen  deä  AugusÜnerordeud  etc«  205 


(Quartal  pa'ier  par  avance.  On  avertit  aasai  qne  les  Pensionnaires  poarront 
aprendre  k  Danoer  Aoprea  d'on  Maitre  de  1a  Ckrar  Elactorale,  lequel 
yieat  regulierement  leor  doiiner  Le(on. 


Amnerkung,  oder  Naohrioht. 

liir  diejenige,  so  gcsinnct  seyud,  ihre  Töchter  zu  denen 
doster-Frauen  der  Gongregation  unser  lieben  Fronen  in  Nymphenburg  in 
die  Ko8t  SU  thun. 

Weilen  dieses  Closter  erst  vor  kurtaser  Zeit  aaffeiichtet  wordra, 
damit  man  ▼ollkommene  Nachricht  habe  auf  was  Weis  die  Kost- 
gf  herinnen  allda  erzogen  werden,  und  zum  andern  weilen  melirere 
rersülinen  ein  Verlangen  spühren  lassen,  zu  wissen  was  man  ihnen  für 
( itu'  Kost  gibt,  und  wie  vil  man  für  selbige  geben  mufs,  discm  Verlangen 
ein  Genügen  zu  thun,  haben  die  Closter-Fraaen  folgende  Erleuterung 
aufgesetzt. 

IHe  Kostgeherinnen  bekommen  fttr  ihr  FrQhestncic  eine  Suppen; 
auf  Mittag  eine  Suppen,  Fleisch«  und  Qemnefa,  ein  eingemachtes 
Fleisch,  einen  Bretten,  oder  ein  anders  gedftmpffites  Fleisch,  das  ist 
dreyorley  Fleisch,  und  ein  ConfSsct,  auf  den  Nachmittag,  Obst  und 
Brod,  oder  was  anders,  nachdeme  es  die  Zeit  gibt,  zum  Nachtessen 
eine  Siippen,  ein  eingemachtes  Fleisch,  einen  Bratten,  einen  Salat,  oder 
was  ajiders. 

Ihr  ordinari  Truack  ist  braun-  oder  weiis  Bier,  es  seye  daini.  dal's 
ihnen  ihre  Eltern  Wein  anschaffen,  und  in  disem  Fahl  mul's  solcher  extra 
bezahlt  werden. 

Die  Meisterin  ist  allzeit  diejenige,  so  die  Anfstheflnng  der  Speisen 
machet,  nach  einer  jeden  Beschaffenheit,  oder  Nothdnrffit. 

Das  Beth  betreffend,  nmh  eine  jedr  von  Kaufs  mit  selbigen  vi  rschen 
werden,  wie  auch  mit  den  Uberzup.  mit  Handtüchern  und  zwölff  Tisch* 
Salvet,  und  anboy  mit  Messer.  LiitTol  unrl  Gabel,  wann  os  aber  jemand 
anstilndiirer  ist,  dals  dises  alles  das  Gioster  bcyschaffc.  so  gibt  man  darfUr 
jälirlich  Ö.  Gulden. 

Mau  tragt  ull  mögliche  Sorg,  dafs  sie  in  Klcydem  und  in  der  Wäsch 
sauber  gehalten  werden. 

Was  das  Lehmen  anbetrifft,  weilen  alle  Cloater-Fraaen  dises 
Convents  die  Französische  Sprach  können,  und  k^n  Tentsch  geredet 
wird,  als  allein  so  vil  es  vonnöthen,  die  Jugend  zu  untenNeisen ;  also  ist 
nicht  zu  zweiflen,  dafs  die  Kostgeherinnen  selbige  in  kurtzer  Zelt 
orlebrnen  mögen.  Man  lehret  sie  beyde  Sprachen,  lesen  und  schreiben, 
wie  auch  rechnen. 

Wann  das  Lehmen  aus  ist,  so  werden  sie  unterwisen  in  iiuterbrhid- 
lichcr  Hand-Arbeit,  als  Sticken  etc.  und  ina  gemein  in  allen,  was  dem 
weiblichen  Geschlecht  wohl  anstAndig  ist. 

Endlich  weilen  die  Closter>Frauen  sich  sonderbar  befleissen,  dero 


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206    Mitteilungen  d.  Gea.  f.  deutaclio  Erziehuugs-  u.  Scliulgesch.  VllL 


ihnen  anverlrautea  lieben  Jugend,  eine  Aufführung  in  Sitten  eiiizuHossen, 
80  ihreQ  St«nd  gemels,  and  denen  Lehren  defe  H.  Evangelij  glcich- 
fönnig,  als  Terapreehen  sie  aicb,  dafs  die  liebe  Eltem  die  Yergofigenlieit 
und  rrost  haben  werden,  selbige  in  einer  wahren  Tugend  toU- 
kommeu  untorwisen  und  gO'.'iUndet  zusehen,  so  Uber  sie,  und  (Iber 
ihre  gantze  Famili  den  Geistlichen  and  zeitlichen  Seegen-Gottes  herunter 
Ziegen  wird. 

D;is  K.ist-Gelt  ist  l"»»  tl.  und  6.  für  den  Wäscberlnlin.  alle  Viertl- 
jahr  vcjriiinein  aulszuzalil'  ii.  Man  gibt  auch  zur  Nachricht,  dal's  die 
Kostgehcrinuen  von  einem  Churfürötlichen  Hof-Tantzinaister,  su  ordentlich 
so  disem  Ende  hermos  kombt,  das  Tantzen  erlehm«!  können. 


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IG.  Kurzer  Aui^zug  d.  Erzieh.-  u.  L'uterr.-Geach.  d.  Salesiaaerinnen  etc.  207 


10. 

Kurzer  Aiutzug 
der  Erzielntn^-  und  Unterriehts-Oesehichte 

der  Salesiaiu'riimeii  in  Bayeni. 

Von  einem  Mitgiieüe  des  UrUens  der  tSalesiftnerinneo  tu  St.  Joseph 

Hilf  Zuiifrborg. 

KinfUrstiiiHenricUe AUelheid  vonBayeri).  die  (Jeinalüiu  dos  Kur- 
nir.^tcii  Ferdiuand  Maria  ( l(i51  — 1679).  eine  savoyiseh'  I';  inzessin, 
wünschte  in  iiirerneiiou  Heimat  Bayern  für  die  Erziehung  und  deuUuter- 
ncht  der  Lande^sirx -hter  die  vom  hoiien  und  milden  Uei»te  des  hl. 
Franz  von  Sale»  rhin  lidruiigenen  Schwosioni  des  von  ihm  gegrüa- 
deten  Ordens  .vou  der  Ileinisnchimg  Mariii".  den  sie  iu  Turin 
Ivennen  gelernt  hatte.  Sie  berief  daher  1667  die  Sale.sianerinnen 
nach  Bayern  und  übergal)  ihnen  das  ,,I)amensiilt"  iu  München, 
welches  so  das  erste  Kloster  die-t  -  nid*Mis  in  Deutschland  wurde. 

Die  Schwesterii  widiiieiru  sich  ;t!~!i;iid  ihrer  M'li'ineu  Auftrahe. 
..die  l»ayrisciien  I.;iiiiie>irM  iiici'  in  Wis-cü-.  hrif't  mikI  Uuttesf'Mii-hi  zu 
er/ieheu".  —  Nacli  deui  W'uusehti  .seuicr  Ih'-i-  ii  i'.lieru  stilieitj  ivur- 
lürs!  Max  Emanuei  1^92  ein  zweites  i\lu^5te^  d«r  Salesianerinuen 
in  Arnberg,  dessen  Nimiih  ii  unentgeltlicli  den  Mädciieu-l.'nterri<lit 
einschliesslich  der  Aibeit.snt  hule  für  Stadt  und  Umgebung  über- 
nahmen. Ihre  Wirksamkeit  daselbst  fan<l  soviel  Anklang,  dass 
schon  jiaeh  fünfzig  Jahren  der  Bau  eines  neuen  geräumigen  Schui- 
liausi  s  notwendig  wurde. 

17oo  stiftete  die  verwitwete  Herzogin  vou  Sulzl)ach.  eine 
Schwester  der  Köniu:in  von  Sardinien,  durch  NoDueu  des  Klosters 
von  Amberg  ein  Salesianeriuneiikloster  lq  Sulzbach.  welches  die 
Elementar-  und  Arbeitsst-hiile  der  Mädchen  ttbeniahm.  Durch  die 
SäcularisatiOD  wurden  die  beiden  blQhenden  Klöster  1804  aufge- 
hoben und  die  Schulen  weltlicben  Lehrern  übertragen. 

Nachdem  Knrfürst  Karl  Theodor  1784  den  Salesianerinueu  in 


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208    ^UtteilmigeQ  d.  Ges.  f.  deutaclve  Erziehung»-  u.  :^chulge8ch.  Viii, 


Münrin  ii  statt  ihres  Klosters,  das  sie  samt  i\rv  KiiclH'  neu  uud 
seiü  /.weckentsiirechend  autgeführt  hatten,  das  altr  Churiiermstirt 
Indoi-sdorf  angewiesen  hatte,  konnten  sie  ihr  Pensionat  daselbst 
nicht  mehr  fortführen,  weil  die  Eltern,  taat  alle  von  MUnchcu.  in 
den  uüruhigeu  Uevolutious-  und  Kriegszeiten  ihre  Kinder  nicht  von 
sich  entfemea  und  auf  das  I*and  geben  wollten.  Sie  musstcn  ihre 
gewohnte  Thätigkeit  auf  eine  Arbeitsschule  besehrSnken,  die  sie 
Ifir  die  Mädchen  und  Jungfrauen  der  ganzen  Umgegend  unentgelt- 
lich eröiftaeten  und  die  auch  ununterbrochen  besucht  wurde.  1801 
jedoch  Übernahmen  sie  die  I^and-  und  Feiertagsschule  dazu  und 
wurden  durch  Vermittlung  der  Kurfürstin  Karoline  von  der  Kloster- 
aufhebung ausgenommen  und  für  die  Erziehung  der  weiblichen 
Jugend  beibehalten,  was  die  Kurflirstin  ihnen  schriftlich  mit  folgen« 
den  huldToUen  Worten  selbst  ankündigte:  „Die  Verdienste,  die  sich 
der  Orden  der  Salesianerinnen  um  die  Erziehung  der  Jugend  bis- 
her erworben  hat,  sind  dem  Staate  nicht  unbekannt»  und  derselbe 
wird  daher  auch  fernerhin  einem  für  die  Menschheit  so  nützlichen 
Institute  den  kraftigsten  Schutz  angedeihen  lassen.  Ich  bin  zum 
Voraus  versichert,  dass  diese  Nachricht  der  Oberin  und  dem  Kon- 
vent zu  Indersdorf  nicht  nur  zur  Beruhigung  dienen.  sond<'rn  die- 
seihe  auch  aufnuuitern  wird,  mit  verdoppelten  Kräften  dem  in  sie 
gesetzten  Vertrauen  des  Vaterlandes  vollkommen  zu  entsprechen."  etc. 
(S.  59.)  Trotedem  wurden  ihre  Stiftimgsgüter  eingezogen  und  ihnen 
verboten,  neue  Mitglieder  aufzunehmen.  Da  die  alten  Lelirerinnen 
f^tarheii.  las  der  würdige  Priester  Fr.  Xav.  Stickiil,  ein  Mann  von 
rastloser  Thätigkeit  und  ausgezeichneten  [»ädagogischen  Keimtnisseu. 
da?n;i!s  Keiehvater  des  Klosters,  sieben  der  gohildetsfen.  fähigsten 
Noniu'U  aus  imd  weihto  sio  in  dif  rnterrichts-  und  Erziehungskunde 
mil  solchem  Erfolge  ein,  dass  die  Zahl  ihrer  Sf-hfilerinnen  hahl  nnf 
z\\  f^ihundiM  i  wuchs  Die  Kindchen  kamen  im  lauheslcii  WiuU  r  zwei 
Siuudeu  weit  mil  sichtliar»  r  Freude  und  Lprnh»"j:ii'i'lt'  in  difs«» 
Schule.  Unter  dem  30.  A|»ril  1804  üess  ihnen  das  kmt iiiölliche 
()l)er-Schul-Kommissariat  folgende  Anerkennung  zukommen:  .Der 
wiiidigen  Oberin  des  Klosters  der  Salcsian»  l  iuiien .  den  tleissigen 
Lehreriiiueii  und  dem  eifrigen  lieichtvaltT  l'r.  X.  Stickhl  hat  der 
kurriir?«lliche  Schulinspektor  l'taiicr  lluter  im  Namen  des  kurlüret- 
licheii  Gcneralschuldirektoriums  die  höchste  Zufriedenheit  zu  be- 
deuten, und  dieses  wahrhaft  ehrwürdige,  sich  dwnh  Beförderung 
der  zweckiuässLgBten  Schulaustnlten  au.szeichnende  Personal  der 
vollsten  Achtung  des  diesortigeii  kurfürstlichen  Oberschuikommis- 
btiriats  zu  versichern." 


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IG.  Kiiner  Abrias  d.  Erzieh.-  u.  Unterr.-Gesch.  d.  SAlMianerinneii  ete.  209 


Da  diiich  die  fiUosteraufhebung  mehrare  Erziehungsanstaltea 
eiogegaogen  varen,  machte  sieh  das  Bedfirfiiis  neuer  Institute  fühl- 
bar» und  auf  Drj&ngen  der  Eltern  kehrton  die  Salesianerinnen  in 
Indersdorf  wieder  zum  eigentlichen  Zweck  ihrer  Berufüng  nach 
Bayern  «irQck  und  errichteten  —  unter  Beibehaltung  der  öffent- 
lichen Schule  —  wieder  ein  Erziehungs-Iustitut  für  die  P.ayerischen 
Landestöchter.  Die  Landesdirektion  geuelmiigte  dasselbe  1<S0G  und 
es  wurde  unmittelbar  uuter  das  Staatsministerium  des  lunem. 
Obersten  Kirchen-  und  Scbiilrat  ?;e8tellt. 

Das  Erziehuugs  -  Institut  erfreute  sich  des  Vertrauen^5  der 
Eltern.  Die  der  Zöglinge  stieg  allmählich  von  siebzehn  auf 
Tierzig.  zuletzt  auf  siel>zig.  Die  ersten  waren  Bürgerstöchter;  im 
Jahre  1812  weist  das  Verzeichnis  derselben  schon  zwei  Drittel  vom 
Adel-  und  Beamlenstaude  auf.  Von  1822  an  wurden  dem  Institute 
Freiplftt/.e  nui^  der  KabineNkasse  verliehen,  die  sich  bis  zu  eil  ver- 
mehrten. t^iaat^iMNimtr,  welrlit'  die  Anstalt  des  öfteren  besuchten, 
sprachen  in  deu  ehreuvullsteu  Ausdiiickm  ihicn  Beifall  aus.  Wie 
sehr  die  Schwestern  diese  Anerkennung  verditMilt  ii.  ersieht  man 
durch  Einsichtnahme  ihres  Erziehungs-  und  l'utt'irichts-PrnLrrainms. 
(las  t  rlialten  und  in  Mujjf^enthaler's  .Der  Sehn lordeu  der  Salesiaue- 
huueu  Iii  Ijayern"  wöiilich  angeführt  ist.  Die  Klugheit  und  Liebe, 
die  Kücksichtüuhtue  auf  die  Indi viduulität  des  Kindes,  die  weise 
.Maaashaltun«?,  der  vernünftige,  praktische  Stufongang  uii  l'iitcrricht, 
welche  die  Schwestern  darin  bekunden,  mussteu  die  besten  Erfolge 
erziele  u. 

Trotz  alledem  hätte  jedoch  die  gesegnete  Thätigkeit  der 
Schwestern  aus  Mangel  an  Lehrkräften  bald  aufhören  mUssen, 
wenn  nicht  die  ausgezeichnete  Oberin  Johanna  Carolina  t.  Spretü, 
welche  von  1809  an  die  Klostergemeinde  und  das  Pensionat  leitete^ 
es  endlich  nach  vielen  Bemühungen  dahingebracht  hätte»  dass  durch 
unmittelbares  allerhöchstes  Reskript  vom  4.  September  1821  der 
Oberin  gestattet  wurde,  neue  Mitglieder  für  den  Unterricht  der 
Kinder  aufzunehmen.  Bas  geschah  zu  einer  Zeit,  wo  in  Bayern 
noch  niemand  an  die  Wiedereinführung  der  Ordensgenossenscbaften 
dachte.  Indersdorf  war  damals  das  einzige  Kloster  in  Bayern, 
welches  sich  mit  der  Erziehung  der  Jugend  befasste. 

Im  Jahre  1826  wurde  die  Mutter  Spreti  durch  die  Kreis« 
Regierung  aufgefordert,  an  einer  Beratung  über  Errichtung  eines 
Erziehungs-Institutes  der  Servitinnen  in  Mttnchen  teilzunehmen,  ^da 
die  Kreis  «Regiei'ung  bei  dieser  Gelegenheit  die  bekannten  und 
durch  die  schönsten  Früchte  belohnten  Kenntnisse  der  Oberin  des 

MitteUaogeo  d.  Qm.  t  d«utaebB  Eczleb.-  u.  8chal«oicbIebte.  Vm  9ß  1696.        ,  , 


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210    lOttollungen  d.  0«a.  t  dentache  Braleliiuige-  u.  SdralffMeb.  vnL 


Eloston  der  Salesianeriimen  zu  InderBdorf  in  diesem  Fache  zu  be- 
nutzen wttDBchte.*  Ihre  dabei  kundgegebene  Einsicht  und  ihr  Sadi- 
yerstandnis  veranlasste  die  Behörde  zu  dem  Beschluss,  ihr  das  neu 
zu  grOndende  Erziehongs-Institut  zu  Übertragen.  Sie  lehnte  jedoch 
ab,  und  die  GrQndung  unterblieb  einstweilen;  doch  musste  1827 
naeh  dem  Willen  S.  M .  des  KOnigs  das  Pensionat  des  ^eder  her- 
gestellten Ursulinenklostera  in  Landshut  nach  dem  Muster  jenes  von 
Indersdorf  eingerichtet  werden. 

Im  Jahre  1830  wurden  die  Schwestern  wegen  angeblicher 
Baufftlligkeit  des  Klosters  und  der  Kirche  von  Indersdorf  Yeranlasst, 
dasselbe  zu  verlassen,  und  zogen  nach  Dietramszell,  woselbst  sie 
ihr  PeDsioDat  fortflihrten,  auch  gemftss  Auftrag  der  Kreis-Regierung 
die  Arbeitsschule  für  die  Ortsinädchen  ttbernahinen.  Ueber  den 
Lehi^asg,  der  im  Penslonate  eingehalten  wurde,  sind  die  jährlichem 
Berichte  von  jener  Zeit  an  im  Klosterarchiv  zu  Zangberg  hinter- 
legt, wohin  die  Gemeinde  1862  übersiedelte,  nachdem  sich  Dietrams- 
zell nur  für  eine  kleinere  Anstalt  geeignet  erwies,  die  denn  auch 
daselbst  zurückgelassen  wurde. 

Ro  wirken  die  Salesianerinnen  iu  Hävern  zur  Zeit  in  vier 
Klöstern,  nämlich  in  Zan^'ber^:  Tdie  Stanmi^'oraeinde),  in  Dietrams- 
zell, in  dem  1838  gegründeten  Pielenhofen  und  in  dem  1845 
stitieteu  Beuerl)Prij.  treu  n.u  h  dem  Zwecke  ihrer  Berufung  au  der 
Erziehung  der  Tüditer  höherer  Stande,  und  wenn  sie  einerseits  be- 
müht sind,  in  der  Bildung  des  Verstfindes  ihrer  Zöglinge  den  liöher 
gestellten  Forderungm  der  Zeit  zu  genügen,  so  bemühen  sie  sich 
undeierseits,  dem  llüchti^'en  und  oberllärhlichen  Oeist  der  jungen 
Damenwelt  entgegen  zn  arlieiteu,  indem  sie  deu  Sinn  ihrer  Zög- 
linge zu  vertiefen  und  ihr  (.iemUt  auf  das  Beständige,  auf  höhere 
Ideale  zu  richten  sich  bestreben,  um  lnavo  Töchter,  pflichttreue 
Gattinnen,  o|tlertreudige,  fromme  Mütter  und  lu^endliat'te  Christiauen 
dem  Valerlaude  zu  erzielieu. 


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17.  Die  geg«nw.  im  Geb.  d.  Dtach.  Reich.  thAtig.  nwen-OenoMeiiMh.  211 


17. 

Die  ge§:enwiirtig  ini  Gebiete  des  Hentsclieii  Reiches 
thätigen  frauen-Geiiossenscliafleii  für  Untenriclit 

und  Erziehimg« 

£iiie  Uebersicht  mit  historischen  und  statistischen 

Bemerkungen. 

Von  Dr.  Max  Hetambitoher,  Profestor  der  Dogmalik  am  KOnigl.  Lyoenm 

in  Bamberg. 

Im  Jahre  1897  ei-schien  in  Paria  ein  940  Seiten  in  4  um- 
fasseudes  Werk:  Staüstique  des  Congregations  autoris^es.  Femmes. 
Trotz  seines  gewaltigen  Umfanges  und  vieler  Rubriken  und  Zahlen 
bietet  dasselbe  Unbefriedigendes  in  statistischer  und  noch  mehr  in 
historischer  Beziehung.')  In  seinem  ersten  Teile  enthalt  es  eine 
Aufeahlung  der  in  Frankreich  bestehenden  staatlich  genehmigten 
Frauengenossenschaften  und  zwar  in  der  Reihenfolge,  in  welcher 
die  einzelnen  Klöster  die  staatliche  Autorisatlon  erhielten/  ange- 
fangen Yom  Jahre  1792;  der  zweite  Teil  bietet  ein  Verzeichnis  der 
nämlichen  Klöster  nach  den  einzelnen  Departements  und  innerhalb 
dieser  wieder  in  chronologischer  Ordnung.  Das  Werk  scheint  zu 
dem  Zwecke  verfasst  zu  sein,  die  Steuereinhebuug  sorgsam  bethfttigen 
zu  können,  wie  dieses  auch  die  Druckerei  yenftt^  aus  der  es  her- 
vorgegangen ist  (tmprimerie  nationale).  Wie  aus  den  gleichfalls 
dürftigen  einleitenden  Bemerkungen  zu  ersehen  ist,  befinden  sich 
derzeit  in  Frankreich  300  Anstalten  von  Krankenschwestern,  587 
von  Lehrschwestern  nud  2263  von  Schwestern,  welche  sich  dem 
Unterrichte  und  der  Krankenpflege  zugleicli  widmen,  im  ganzen 
(einschliesslich  jener  Klöster  «leren  Bewohnerinnen  entweder  einem 
beschaulichen  Leben  oder  der  Besserung  von  M&dchen  oder  endlich 

'j  Uogleieh  wertvoller  U(t  daa  (frelli^  t^on  1990  erwdiieBene)  Weik: 
£mlle  Keller,  Lea  Coitgr6gattoiw  rellgleases  en  Fraace,  leni«  oenvrea  et 
leiufl  servicea.  Paria. 

14» 


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212   MitteUungen  d.  Gea.  f.  deutsehe  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  vm. 


der  ambulanten  Krankwpllegc  sieb  widmen)  3247  FlraueDklÖstor  mit 
58836  Schwestern. 

So  wenig  indes  dieses  Werk  die  Erwartungen  und  Wünsche 
des  Lesers  befriedigt,  so  ist  doch  zuzugestehen,  dass  Deutschland 
ihm  kein  ahnliches  Werk  an  die  Seite  stellen  kann.  Zwar  bieten 
die  Schematismen  der  einzelnen  Bistümer  des  Deutschen  Reiches 
manches  Material  in  dieser  Beziehung,  allein  die  hier  gegebenen 
Verzeichnisse  sind  weder  erschöpfend  noch  nach  einem  einheitlichen 
Plane  bearbeitet.  Im  Nachfolgenden  soll  der  Versuch  gemacht 
werden,  die  gegenwärtig  im  Gebiete  des  Deutschen  Reiches  wirken- 
den weiblichen  Lehrorden  in  möglichst  vollstfindiger  und  übersicht- 
licher Weise  zu  gruppieren,  zugleich  mit  Anfügung  der  wichtigsten 
historischen  und  statistLschen  Notizen  bei  jeder  Genossenschaft,  um 
so  wenigstens  in  Umrissen  ein  liild  der  Th&tigkeit  unserer  Frauen^ 
orden  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  der 
Jugend  zu  gewinnen. 

Die  filt(  st.'  der  hier  in  Betracht  kommenden  Genossenschaften 
ist  jene  der  Benediktinerinnen,  welche  als  ihre  Stifterin  die 
hl.  Scholastika,  gestorben  um  543,  verehren.  Nur  wenige  Klöster 
dieser  (Jrdensfrauen  bestehen  auf  deutsrliem  Boden:  Frauen  Wörth 
im  Chiemsee,  das  Kloster  und  Schulinsiitut  zu  St.  Walburg  iti  Eich- 
ßtätt,  das  Marienkloster  zu  Ftilfla.  Ilabsthal  in  llohenzollern  und 
Oriocnnrt  im  lUstiim  Metz  mit  zu.>  inimen  <ra.  160  Ciior-  und  Laien- 
schwt  . stein;  allein  die  von  den  Schult'niueu  geleiteten  Pensionale 
und  Scliiilen  erfreuen  sich  fin-'s  hnvchti^tfMi  Aiiselit^ns,  —  Den 
Beiiedikliueriimen  dürfen  die  .^uli westr ni  von  der  ewigen  Aü- 
betuii<j;  des  heiligsten  Sakraineule»  in  iiitruiisw ciler  und  St. 
Luflwig  (Bisliiiii  Strassbui^)  beigezählt  werden,  wrlclie  irleichfalls 
Pensionate  haben.  —  Reformierte  Beiiediklineriaueu  sind  die 
Cistercienserinnen,  der  weibliche  Zweig  des  von  Alberich,  ge.st. 
1109,  und  Stephan  Harding  gegründeten  Cisterciensernideus,  _mit 
Klöstern  iti  Oberschönefeld  (Bibtum  Aug.sltur^;).  Waldsassen  und 
Seligenthal  in  L.nidshut  (Kegensburg),  Liehtrntluil  (Freiburg  i.  ]'..), 
Mariasterii  und  Marifüthal  lu  <i(T  Oberiausitz.  Etwa  26Ü  au  der  Zahl, 
haben  auch  diese  Schwestern  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichts  und 
der  Erziehung  der  weiblichen  Jugend  schöne  Erfolge  aufzuweisen. 

Zahlreich  sind  die  Genossenschaften,  welche  den  hl.  Domini- 
kus als  ihren  Patron  mid  geistlichen  Vater  Terehrot.  Neben 
mehreren  ElOstem  des  1206  gegründeten  zweiten  Ordens  der 
Dominikanerinnen:  Hl.  Ereuz  in  Regensburg,  St  Maria  in 
Kiederriehbaeh  (Diöz.  Bcgensburg),  Wettenhausen  (Diöz.  Äug8burg> 


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17.  Die  gej^enw.  im  Geb.  d.  Dtsch.  Roich.  tbätig.  Fraaen-GenossenBCh.  218 


und  Konstanz  (.das  arme  Zofinger  Kloster  j  iiiit  etwa  200  Mit- 
gliedern kommen  für  Deutschland  besonders  in  Betracht  mehrere 
selbständige  iUöäler  des  dritteu  Ordens  des  bl.  Dominikus.  Noch 
im  14.  Jahrhundert  wurde  das  Kloster  vom  Orden  des  ht  Domini- 
kus bei  Si.  Ursula  in  Augsburg  gegründet  mit  gegenwSrtig  62 
llitgliedern,  wovon  sich  4  Chorschwestem  im  Kloster  St.  Ursula 
in  Gabiingen  befinden.  Vom  Kloster  St.*  Ursula  in  Augsburg  aus 
wurden  nach  der  Säkularisation  neu  besetzt  die  KlOster  WOris- 
hofen  und  Speyer  neu  gegründet  die  Klöster  Donau- 
wörth, Lands berg  am  Lech  und  Wettenhausen Wdris- 
hofen  zählt  zur  Zeit  50  Schwestern»  Donauwörth  17»  Landsberg  40; 
von  Wörishofen  wurde  die  Filiale  TUrkbeim  mit  9,  von  Donau- 
wörth die  Filiale  Polling  bei  Weilheim  mit  13  Schwestern  ge- 
gründet. Ausser  diesen  Klöstern  bestehen  in  der  Diözese  Augs- 
burg noch  Klöster  vom  Orden  des  bl.  Dominikus  in  Diessen 
,  (Bayerdiessen)  am  Ammersee  mit  13  und  zu  Fremdingen  mit  16 
Mitgliedern. 

Eine  besondere  Bedeutung  für  das  Schulwesen  der  bayerischen 

Kiieinpfalz  sollte  das  Dominikauerinnenkloster  zu  Speyer  erlangen» 
i?Llion  1226  gegmndet.  ward  1828  von  König  Ludwig  1.  die  Wieder- 
eröffnung des  säkularisierten  Klosters  unter  der  Bedinguni:  u'fstattet, 
dass  die  Schwestern,  weleiie  vorher  ein  l)eschauliches  Leben 
geführt  hatten,  sich  nunmeiir  mit  dem  l'nin  rieht  der  weiblichen 
Jiigend  bctassten.  Zunächst  wurden  weltliche  Lehrerinnen  beige- 
'/ogeu,  welche,  vom  Kloster  unterhalten,  die  katholischen  Mädchen- 
schulen in  Speyer  l)esorgten  :  im  Jahre  1837  berief  Bischof  Johannes 
von  Geissei  klösterliche  Lehrerinnen  aus  St.  l'rsula  in  Augsl)urg, 
von  d(»npit  M.  Matliil<h*  Königsberger,  gest.  1883,  von  1881*  }>is  zu 
ihi  eiii  Todf  dem  Kln-ier  iils  Priorin  vorstand  und  an  der  wt  itiren 
Lulwickluiig  des»  hervorragenden  Anteil  hatte.  Im  Jjilnc  1852 
rief  sie  unter  l'.i  ihill'e  des  Bischofs  Dr.  Nikolaus  Weis  und  des 
Dompfarn'rs  l\trr  Köstler  das  Institut  der  armen  S(  Imlschwesteni 
vom  hl.  Dominikus  iuw  Leben,  so  dass  die  Doniiiiikaiii  iiDuen  von 
Speyer  fortan  in  zwei  fein  Ganzes  bildende)  Abiciliiimen  zerfielen' 
in  die  Schwestern  vf»iii  drillen  Orden  des  hl.  Dominikus  von  der 
Ikisse  mit  Kl.iiisiir  und  in  jene  ohne  Klausur.  Erstere.  gegen- 
wärtig 71  an  Zahl,  von  denen  über  40  als  Lehrerimieu  lliätig  sind. 

'i  Ueber  die  Gründang  ehlCi  DodlinlliacerinneDkloatera  in  King 

Willinmatown  und  die  von  hier  aus  errichteten  FiMnlkliigtor  siehe  den 
Aufsatz:  „Die  deutechen  Dominikancrioopn  in  ii^UdalVika"  in  der  Zeitechrift: 
Die  katholischen  MissioneD^  XXYI.  Jahrgang,  Nr.      8.  53  ff. 


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214  Mitteilangen  d.  Oes.  t  deutsche  Bniehnnge»  u.  Schlügesch.  Vni. 


efteilen  an  12  katboliBchen  Volksschulen  der  Stadt  Speyer,  in 
7  Klassen  einer  höheren  Töehteischiile  und  in  3  Klassen  einer 
Fzauenarbeitssehule  den  Untemcht  in  allen  Fächern;  auch  bestehl 
im  Kloster  eine  Lebrerinnenbildungsanstalt  Letstefe  (die  armen 
Sehnlschwestem)  wiricen,  ca.  130  an  Zahl,  an  20  verschiedenen 
Stationen  im  Bistum  Speyer  als  VolksschuUebrerinnen  und  leiten 
auch  einige  Kleinkinder^hulen. 

Im  Jahre  1868  errichtete  Pfarrer  Kraus  Ton  Arenberg  das 
Kloster  der  Dominikanerinnen  zur  Unbefleckten  Empfftngnis  auf  dem 
Arenberg  bei  Koblenz.  Dieses  wurde  das  Mutterhaus  der  deut- 
schen Dominikanerinnen  von  der  hl.  Katharina  von  Siena 
für  Erziehung  (Haushaltungsschulen.  Waisenhäuser,  Kleinlcinder- 
bewaürschulen.  Pensionat«,  Mftgde-As.vle  und  StellenvermittluDg) 
und  Krankenpflege  in  und  ausser  dem  Uause. 

Bereits  12  Filialen  sind  von  Arenberg  aus  gegründet  worden: 
in  Moselwciss  (1887),  St.  Maria  Victoria.  Karlstrasse  30  in  Berlin 
(1889)  mit  St.  Anna-Stift.  SUdende  hei  Berlin  (1898),  Oberhausen 
(St.  Vincenzhaus)  in  der  Ivheinprovinz  (1890).  Köln.  Mitt^lstr.  27 
-<IÖ91),  Ilr-erd^  (5 «92),  St.  Katliiiriiienstift  in  Berlin,  Orpifpwalder- 
strasse  18  (1893).  Kin  lilierten  (1893),  St.  Antoniusstilt  in  Berlin, 
liohenstaul'enstr.  2  (1896),  Nied.  reniht.  Elberfeld  und  St.  Elisabeth 
in  Oberhauseu  (1897).  Die  Gesiuutzuhl  der  Schwestern  beträgt 
220. 

An  dio  goistlirhen  Töchter  des  hl.  Dominikus  reiiieu  sich 
jene  des  hl.  Franziskus  von  Assibi.  die  Franzi skaneriunon. 
Hier  sind  zuriiH  list  die  iui  Jahre  1212  eniölaudenen  Klarissen  zu 
nennen,  welche  in  der  Diözese  Resjensburj?  3  Klöster  haben:  St. 
Clara  in  Regenslnir^;  mit  48  ('li(tr-  und  Schullraueii  und  11  Laien- 
achwestern.  St.  Anna  in  liiedenluiri:  inil  14  Chor-  und  SchulIVaueu 
und  6  Laifiisehwesleru.  und  Viehhausen  mit  17  Chor-  und  Schul- 
frauen und  ö  Laienschwestern,  ferner  in  der  Diözese  Köln  1 
Kloster:  das  der  Klarissen-Koleünnen  in  Düsseldorf  mit  20Cbor^ 
und  6  Laienschwestem,  und  in  der  Diözese  MUnster  2:  zu  MUaster 
mit  25  Chor-  und  8  Laienschwestern  und  zu  Kevelaer  mit  14  Chor- 
und  4  Laienschwestern. 

Aeusserst  zahlreich  sind  die  Franziskanerinnen  dritten  Ordens. 
Die  schon  1276  urkundlich  erwähnten  Franztskanerinnen  im  Mutter- 
bause  und  Schulinstitute  Gnadenthal  zu  Ingolstadt,  derzeit  80  an 
Zahl,  besorgen  seit  1829  die  Hädchenschulen  in  Ingolstadt.  —  Die 
Franziskaner  innen  mit  dem  Mutterhause  Maria-Stern  in  Augs- 
burg (Maria-Stern-Schwestern),  im  14.  Jahrhundert  aus  einer 


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17.  Die  gcgenir.  im  Geb.  d.  Dtscb.  Reieli.  tbfttlg.  Frauen-GenotMiMeh.  215 


im  Jabre  1258  errichteten  Begoinage  herrorgegangen.  erhielten  naeh 
ihrer  Säkularisation  Ton  König  Ludwig  I.  Toa  Bayern  die  Erlaub- 
nis« wieder  NoYizinnen  auflBunehmen  unter  der  Bedingung,  dass  sie 
den  Unterrieht  der  weiblichen  Schuljugend  in  Augsborg  besorgen. 
Derzeit  stehen  unter  dem  Mutterbause  bei  80  Filialen,  sämtlich  in 
Bayern  gelegen.  Die  Zahl  der  Schwestern  betrügt  ca.  500.  Ausser 
Kranlcen-  und  Pfründehäusern,  Erziehungs-,  Rettuugs-,  KleLiikiudeiv 
bewahr-  und  Waisenanstalten  leiten  die  Schwestern  auch  V^oiks- 
schuien  und  zwar  in  den  BLstttmern  Augsburg  an  6,  Eichstätt  an  ö, 
Bamberg  an  1  und  Wüi-zburg  an  23  Orten. 

Eine  grössere  Genossenschaft  bilden  sodann  die  Franzin- 
kauerinnen  mit  dem  Mutterhause  in  Dilingen  in  der  Diözese 
Augsburg.    Auch  das  Kloster  in  Dilingen  ist.  wahrscheinlich  schon 
im  13.  Jahrhundert,  aus  ninor  Beguinage  hervdit^egungen;  Clemens 
WerizeslauB.  Priuz  vou  Sacliaen  und  Polen,  l'iirstbischof  von  Augs- 
burg, gest.  1812,  ver|illi(htetc  die  Schwestern  zum  Unterrichte  der 
weiblichen  Juirend.    Die  Genüssenschaft,   weiche  dcrz^^it  in  ca.  30 
Niederlassungen  etwa  300  Scliw»  stem  zählt,   hat  nrUen  nirhrercu 
Tanl)stnmmrn-    K'retinen-,    Kinderbewahr-   und  Marieu  -  Anstalten 
N'olksschuieu  m  den  Diözesen:   Augsburg  15  mit  44  Elfnientar- 
uud  28  ArbeitRlehrerinnen,  Bamberg  2  mit  2  Elementar-  und  8  Ar- 
beitslehreriüuoü,  \Vürzl)urg  11  mit  22  Elementar-  und  16  Arbeits- 
lehrerinnen, Eichstätt  3  mit  4  Elementar-  und  6  Arbeitslehreriuueu. 
—  Mit  Schwestern  von  Dilingen  wurden  ferner  3  für  sich  bestehende 
Erunziskanerinnenklöster   Hir   UntiTrieht   nnd  Krzielmnt;  Itesetzt: 
Au  am  Inn  in  überbayera,  1854  gegründet,  mit  Erziohuugtüanstalt, 
welches  mit  der  Filiale  Gars  am  Inn  40  Schwestern  zfthlt;  Bon- 
landen,  Oberamts  Leutkirch  in  Württemberg,  1855  errichtet,  mit 
66  Schwestern,  wel^e  ein M&dcbeninstitut  leiten ;  Heiligenbronn. 
Oberamts  Oberndorf  in  Württemberg.  1857  entstanden,  mit  94 
Schwestern,  welche  eine  Erzlehungs-,  Rettungs-  und  Unterrichts- 
anstalt  für  arme,  verwahrloste  und  verwaiste  Mädchen,  sowie  für 
blinde  und  taubstunune  Kinder,  ferner  ein  Kleinldnderasyl  ,St.  An- 
tonius'' in  Salzstetten,  Oberamts  Horn,  besorgen.  —  Bilinger 
Schwestern  bildeten  endlich  den  Grundstock  zu  der  1858  in  Oggels- 
beuren  gegründeten  Genossenschaft  der  Schulschwestern  (Kongre- 
gation vom  Orden  des  hl.  Franziskus)  mit  dem  Mutterhause  Sies- 
sen,  Oberamis  Saulgau  in  Württemberg,  mit  derzeit  29  Filialen  in 
Württemberg  und  2  in  Hohenzollem.  Die  Zahl  der  Mitglieder 
dieser  Genossenschaft  Ist  200;  im  Jahre  1898  genehmigte  die  kgl. 
Begierung,  dass  noch  weitere  50  Jungfrauen  Profess  machen,  so 


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216     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutacho  Erziehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


dass  nunmehr  (Ii«' Zahl  der  .Schulsc'livvestpru  von  Siessen  250  beträgt. 
Ausser  Volkäscbuleu  leiten  dies»  Schwestern  auch  Frauenarbeits- 
imd  Fortl)ildungsscbiilen,  Kleinkinderbewahraustalten,  iu  EUwangen 
eine  Töchterschule  mit  Internat,  in  Stuttgart  und  Tettnang  je  eine 
TüchU'rscIiule. 

Die  Frauziskauerinncn- in  Kauf  heu  ren  im  Bistum  Augsburg. 
60  an  Zahl,  l)esorg<Mi  srit  Lö31  die  katholische  Mfidchonsrhule  mit 
Er/.iehiingsinstitut  in  KaulbtMiren  und  seit  1857  dir  ]\l;ul(  liciischnb» 
in  Ol»ergünzburg;  1850  cn  i»  htt-tcn  sie  iu  Kfuirii''un'n  »'ine  3Iarieu- 
ansialt  und  1879  eine  sokhe  mit  liewahrseimle  in  Kempten  in 
Schwaben.  Auch  das  Kloster  in  Kaurbeureii  ist  aus  einem  Beguiueu- 
hofe  im  15.  .r;ihi  iiimdert  iiervorgegangen. 

l)i<»  Fiaii/iskauerinncQ  iu  Reutberg  (Bistum  München).  1615 
('nT-t;iii(h'u  und  gegenwärtig  30  an  Zahl,  besorgen  die  Mädchen- 
schule (\('T  katholischen  Flarrei  Sachseukani. 

Eine  grö.^sero  Genossetischaft,  welche  indes  ihr  Mutterhuus  tu 
Holland  hat.  sind  die  F ran /iskane  rinne  n  von  Heithuizen, 
1825  von  Katharina  iJaenien  für  Unterricht  der  Jugend  und  Lei- 
tiuig  von  Waisenhäusern  gestiftet.  Im  Jahre  1851  wurde  die  erste 
deutsehe  Niederlassung  der  „Schwestern  des  dritten  Ordens  von  der 
Busse  und  der  christlichen  Liebe  in  Freckenhorst  im  Bistum 
Kttnster  errichtet,  wo  sie  eine  Fortbildungen  und  llaushaltungs- 
schule  für  Mädchen  aus  dem  Bauernstände  liaben.  Seitdem  wurden 
in  der  Diözese  MQnster  zwei  weitere  Töcbterhäuser  gegründet: 
Capellen  bei  Geldern  mit  einer  Anstalt  zur  Erziehung  weildicher 
Idioten  und  zur  Pflege  unheilbarer  weiblicher  Irren,  und  LQding- 
hausen  mit  Haushaltungspensionat  und  Tdchterschule.  Ferner  ent- 
standen in  der  Diözese  Trier  11  Niederlassungen,  darunter  das 
Kloster  St.  Clemens  in  Nonnenwerth  (1851),  deutsches  Noviziats- 
haus  mit  höherer  Töchterschule  und  Erziebungsinstitut  für  junge 
Mädchen.  Andere  Töchterhäuser  bestehen  in  der  Erzdiözese  Köln. 
Im  ganzen  zählen  die  21  deutschen  Niederlassungen  dieser  Frauen 
über  400  j^Iitglieder. 

Erwähnung  verdient  sodann  auch  die  1845  von  Franziska 
Schervier  (gest.  1876)  gestiftete  Genossenschaft  d*r  Aimen 
Schwestern  vom  hl.  Franziskus  mit  dem  Mutterhause  in  Aac h e n , 
welche  zur  Zeil  58  Niederlassungen  mit  771  Schwestern  in  Deutsch- 
land (die  meisten  in  der  Erzdiözese  Köln)  und  15  Niederlassungen 
mit  442  Schwestern  in  Nordamerika  zählt.  Hat  diese  Kongregation 
auch  nicht  die  Erteilung  von  Unterriciit  zu  ihrem  Zweck,  so  liat 
sie  doch  um  die  Ei'ziehung  der  deutschen  Jugend  grosse  V^erdienste, 


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17.  Die  gegenw.  im  Geb.  d.  Dtsch.  Retcb.  thltig.  Prauea-OenoaaeiMch.  217 


indem  die  Schwestern  ausser  der  Pflege  armer  Kranker  in  deren 
Wohnungen  und  in  ÖlTenlUchen  Anstalten  auch  die  Sorge  für  ver* 
wahrloste  und  gefährdete  MAdcben,  in  grosseren  Stüdten  die  Leitung 
von  Mädchenhauaern,  Asylen  fUr  Fabrikarbelterinnen,  femer  von 
Kleinkinderasylen  übemelimen.  —  Die  Tlel  altere  Genossenschaft 
der  barmherzigen  Schwestern  zur  heiligen  Elisabeth  in 
Aachen  mit  Filialen  in  den  BistUmem  Köln  (14)  und  Pader- 
born (1)  widmet  sich  der  Krankenpflege  in  Spitälern;  die  Schwestern 
leiten  neben  einer  Idiotenanstalt  zu  Huttrop  auch  die  Waisenanstalt 
in  Mtthlheim  a.  d.  Ruhr. 

Die  FranziskaiKM-iunen  dritten  Ordens  in  dem  1848  gegründeten 
Kloster  Aiterhofen  im  Bistum  Regensburg,  17  au  der  Zahl,  ob- 
liegen der  Ei7i(^tiung  und  dem  Uuterricht  schulpflichtiger  Mädchen, 
besonders  solcher  aus  geriii^vm  stan<le. 

Die  Sciiwesteru  der  uhrislliciieii  Liebe  vom  dritten 
Orden  des  hl.  Franzislvus  mit  dem  Miitterhause zu  Reute.  Ol^er- 
iimts  Wiildsee  iu  Württemberg,  1849  in  Ehingen  a.  D.  zum  Zwecke 
der  Krankenptlc{;e  entstanden,  derzeit  480  au  Zahl,  leiten  neben 
zahlreichen  Krauken-  tind  Armenhäusern  auch  Erziehungsanstalten 
für  verwahrloste  Mädchen  intd  haben  an  last  allen  ihrer  70  Eilial- 
hrniKfT  Arbeits-  und  KlfMiikinderschulen  eingerichtet;  in  Elhvangen 
haben  sie  ein  reusiuuut,  iu  Kaveusbui^  eine  UuutiÜHltuiigSäciiule 
St.  Maria. 

Die  K  ranktusch  w  eslern  des  hl.  Frjiiiziskus  inii  dem 
Miitterhause  _St.  Franziskushospital'*  zu  St.  Maiiiitz  in  Münster. 
l^r»o  vuü  lii.scliul  JüliuDü  Georg  Müller  zniii  Zwrrke  der  Krankeu- 
pllege  errichtet,  mit  99  Filialen  im  Iiit?luiii  Münster,  ferner  auch  in 
Oesterreich.  Holland  uikI  Nuidamerika  verbreitet,  leiten  auch  einige 
WaiMiislifLc  ulid  Klfinkindersclnilen. 

Die  armen  i-'r;.  üziskaneriiiiM'n  iint  drm  Aluni'iiiause  in 
Mallersdorf  in  der  Diözese  I{egensl»urg,  1655  zu  l'iimaseu.->  iu 
der  bayerischen  Itlieinpfalz  vom  Stadtpfarrer  Joseph  Nardini  ge- 
gründet, 1540  an  Zahl,  leiten  248  Anstalten,  als:  Kranken-  und 
Armenhäuser,  Waisen-  und  Rettuugsanstalten,  Industrieschulen  fUr 
Mfidchen,  Eleinkinderbewahranstalten  u.  s.  w.  Ihre  Niederlassungen 
befinden  sich  in  den  Bistttmern  llegensburg  (88).  Mttnchen  (57), 
Augsburg  (29),  Speyer  (27).  Passau  (18),  Bamberg  (8),  Eich- 
stätt (8).  Freiburg  i.  B.  (2).  die  Abrigen  in  Oesterreich-Ungarn. 

Die  Franzislcanerinnen  von  der  hl.  Familie,  1857  zu 
Eupen  in  der  Rheinprovinz  von  Maria  Katharina  Josephine  Koch 
zur  Pflege  der  Kranken  und  Leitung  von  Kleinkinderbewahr-  sowie 


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218   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  dentaebe  Bnlehmigs-  u.  Sdiulgeedi.  vm. 


Erziehungsanstalten  für  verwahrloste  Kinder  gegrOndet,  Uber  300  an 
Zahl,  mit  dem  Mutterhause  in  Löwen,  haben  innerhalb  des 
Deutschen  Reiches  Niederlassungen  in  Eupen  (2),  Braehelen»  Kohl> 
scheid  und  Montjoie  (Erzdiözese  Köln). 

Die  Genossenschaft  der  armen  Franziskanerinnen  von 
der  ewigen  Anbetung  mit  dem  Mutterhause  in  Olpe  im  Bistum 
Paderborn  wurde  1859  von  Theresia  Bonzel  und  Franziska  Böhmf^r 
gegründet  u.  a.  zum  Zwecke  der  Krankenpflege,  des  Unterrichts  und 
der  Eraiehung  der  Ju^'oiid.  besonders  der  verwahrlosten  Kinder. 
Die  Schwestern,  ca.  500  au  der  Zahl,  haben  Niederlassungon  in 
den  Dir>zeseii :  Paderborn  (18),  Köln  (21),  Trier  (1),  ferner  30 
Häuser  in  Ainenka. 

Die  armen  Fi'iinziskiui^^^sen  vnii  den  hei liirsteii  Ilorzea 
Jesu  lind  Maria  mit  dem  Muueihause  in  .Salzkotten  i.  W.  (Hrz- 
di<'/.es('  Krdn).  18<>3  durch  eiue  Scheidung  der  Fraiiziökauenunea 
von  ol|M'  entstanden,  haben  7  Niederlassno'rcn  mit  40  Scliwegt^rn 
im  l>i?^tiiin  Köln.  2  in  der  Diözese  Osnabrück  und  1  in  der  Diözese 
Münster  (/.n  \\'i Ideshansen  in  Oldenburg). 

Di«.'  Itarnilit-rzigen  Schwestern  vom  Iii,  Franziskus  aus 
dem  Mnüciliause  .Marienhaus"  in  Waldbreitbach,  Kreis  Neuwied, 
will  den  1863  von  Margareta  Flesch  unter  Beihilfe  des  Pfarrers 
Gomm  von  Waldbreitbach  zninZwecke  dei  Kraukenptlege  und  Leitung 
von  Kleiukinderbewahranstalten  und  Nähschulen  errichtet.  Sie 
haben  derzeit  im  Bistum  Trier  50  Niederlassungen  mit  27  Näh- 
sehttlen,  20  Bewahrschulen,  2  Sonntagsschulen  und  1  Eausfaaltungs- 
schule,  ferner  im  Bistum  Paderborn  2  und  in  der  Erzdiözese  Köln 
S  Hfluser.  Die  Gesamtzahl  der  Schwestern  dieser  Genossenschaft 
betragt  ca.  600. 

Die  Kongregation  der  barmherzigen  Schwestern  vom 
dritten  Orden  des  hl.  Franziskus  mit  dem  Mutterhause 
G  enge  Ubach  in  Baden,  1866  vom  Pfarrer  Berger  in  Seelbach  bei 
Lahr  zur  Krankenpflege  gegründet,  derzeit  562  an  Zahl,  besitzen 
149  Niederlassungen,  wovon  2  in  der  Diözese  Basel,  1  im  Bistum 
Trier  (zu  Miesenheim),  die  Übrigen  in  der  Erzdiözese  Freiburg  i.  B. 
gelegeo  sind.  Neben  den  Krankenschwestern  be&nden  sich  in  den 
meisten  Niederlassungen  auch  Kleinkinderschwestem  zur  Leitung 
von  Kleinkinderschulen,  femer  hal>en  die  Schwestern  S  Haua- 
haltungsschulen  in  Gengenbach.  Freiburg  i.  B.  und  Bruchsal. 

Die  liarniherzi*,'en  Schwestern  vom  dritten  Orden  d«'8  hl.  Fran- 
ziskus mit  drm  Miiti«'rliaus<'  .St.  GeorKsstiff*  in  Thuine,  1869 
von  Pfarrer  Dali  fttr  Krankenpflege  und  Erziehung  errichtet,  ca.  450 


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17.  Die  gegenw.  im  Geb.  d.  Dtsch.  Reich.  thaUg.  Frauen-Genossenach.  219* 


au  Zahl,  haben  29  Filialen  in  den  Diözeaen:  Osnabrück  (21), 
Paderborn  (3),  Utrecht  (2)  und  iu  den  nordischen  Missionen  (3). 

Die  Franziskanerinneii  der  St,  Josephskungir^'aiioii 
mit  dem  Mutt^rhause  in  l'rshor«;  im  Bistum  Augsburj^,  1897  von 
Pfarrer  Ringeisen  zum  Zwecke  der  Ptlege  von  Kretiueu,  blinden, 
taubstummen,  epileptischen  und  krUppelhaften  Pei*sonen  gegründet^ 
zahlen  benits  Uber  200.  welche  über  600  Ptlegliuge  besorgen  und 
nach  Möglichkeit  unterriebten.  Sie  haben  Filialen  in  den  Bi»- 
tamern:  Augsburg  (2),  Manchen  (2)  und  Speyer  (St.  FftalnSBtift  in 
Herxheim). 

Die  Franziskanerinnen  dritten  Ordens  befolgen  die  Regel, 
▼eiche  Papst  Leo  X.  durch  die  Bulle  Dudum  siquidem 
Tom  20.  Januar  15*21  den  in  Gemeinschaft  lebenden 
Tertiariern  des  hl.  Franzislcus  gab»  vozu  oft  noch -besondere 
Konstitutionen  für  die  einzelnen  Genossenschaften  kommen.  Diese 
Kegel  handelt  in  10  Kapiteln  Uber  die  Aofhahme  der  Novizen, 
deren  Piofess,  das  Fasten,  die  Gebetsttbungen.  die  Vorgesetzten, 
die  Lebensweise,  die  Sorge  um  die  kranken  und  verstorbenen  Mit- 
glieder, .  <Ue  Visitation  der  KUster,  endlich  die  Verpflichtung  der 
Regel.  Eine  Klausur  wird  nicbt  vorgeschrieben,  ausser  für  jene, 
welche  sie  selbst  ausdrücklich  zu  beobachten  wünschen;  diejenigen, 
welche  zur  Profess  zugelassen  werden,  legen  die  Gelübde  der 
Armut,  der  Keuschheit  und  des  Gehorsams  ab  und  verspreeh«*!), 
die  Gebote  Gott^^s  zu  beobachten  und  für  UebortretuDg  der  Kegel, 
wo  dieses  die  Oberen  verlangen,  Busi^en  auf  sich  zu  nehmen.  Die 
Schwestern  enthalten  sich  alle  Montage,  Mittwoche  und  Freitage 
des  Fleischessens  und  begnügen  Sich  an  bestimmten,  in  der  Hegel 
festgesetzten  Tagen  mit  einer  nur  einmaligen  Sättigung  (Jejunium). 
Sie  verrichten  täglich  bestimmte  Gebetsübuugen.  Während  die 
Regel  Leos  X.  die  Tertiariergenossenschaften  der  Jurisdiktion  der 
Provinziale  des  Franziskanerordens  unterstellte,  stehen  dieselben, 
wenigstens  die  neueren,  nunmehr  unter  der  ( Ihrt- uifsicht  der 
DiözesunbischOfe.    Die  Regel  verpflichtet  unter  k»  iner  Suude. 

Die  Satzuniren  der  im  nacht'olirenden  auCiieziUilteii,  auf  dem 
Gebielü  des  l'iitci'ficht.s  und  der  Er/itdiiin^  tliätii^rti  l''i'aut'n<;t'iH)-'St'ii- 
schaften  haben  last  ohne  Auäuabme  die  Augustinerregei  zui* 
Grundlage. 

Im  Jahre  1270  uugei'älir  entstan^ien  die  Servitinneu,  welche 
in  München  an  der  Ilerzogsjiitalhüikirche  ein  Kloster  und  eine  vor- 
trelllit  h  geleitete  Schule  haben.  Sie  zahlen  35  Chorfraueu  und 
14  Laienachwcstern.  —  Die  Madclieusi  liule  iu  Ailouiüuster  im  Bis- 


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220  Mitteilung«'!!  d.  Ges.  f.  deutsche  Erzlehungs-  u.  Schulgesch.  VIU. 


tum  MünclH'ii  besor*;«'!!  die  Bir«;ittiuoriii  non  C24  Chorfrauen  und 
13  Laituscinvestcru)  des  <'iiizii;eii  noch  aitl  deiitsclit  in  Boden  be- 
stehenden Klosters  des  1344  begrümlrtcn  Ririjittenuidens.^)  -  Die 
iiu  10.  JahrhimdeH.  entstandenen  Celiiliuncii  ( Alexianeriuneii)  mit 
dem  31iitterluiuse  in  Köln  leiten  eine  Lehrerinnenanstalt  mit  Kouvikt 
in  Münstereifel,  wahrend  die  CeUitinnen  mit  dem  Mutterhause  in 
Neuss  ein  Waisenbaus  in  Viersen  haben. 

Eine  verdiente«  angesehene  Genossensehaft  ist  jene  der  ür- 
sulinen.   Im  Jahre  1535  zu  Brescia  von  der  bl.  Angela  Metid 
(gest.  1640)  gegründet,  fand  dieselbe  nicht  nur  in  Italien  und  be- 
sonders in  Fi-anltreich  weite  Verbreitung,  sondern  auch  in  Deutsch- 
land, wo  das  erste  Ursulinenkloster  1639  in  KOln  errichtet  wurde. 
Weitere  Klöster  entstanden  in  Aachen  (1661),  Erfurt  (1667),  Düssel- 
dorf (1685),  Straubing  (1691),  Freiburg  L  B.  (1695),  Neuburg  a.  D, 
(1607),  Breslau,  Duderstadt  (1700),  Fritzlar  (1712),  Wfirzburg 
(1722)  u.  8.  w.  Derzeit  bestellen  im  Qebiete  des  Deutschen  Reiches 
Ursulinenkldster  in  Landshut,  Wttrzburg  und  Straubing  in  Bayern; 
in  Breisach  und  Villingen  (Erzdiözese  Freibui^  i.  B.);  in  Fritzlar 
(Diöz.  Fulda);  in  Duderstadt  (DiGz.  Hildesheim);  in  Frankfurt, 
Königstein  und  Geisenheim  a.  Rh.  (DiÖz.  Limburg):  in  Dorsten 
(Diöz  ^Münster):  in  Berlin  (Lindenstr.  39  mit  der  Filiale  Rudow 
bei  Berlin),  Breslau,   Liebenthal.   natii»or  <).-S.  und  Schweidnitz 
(Diöz.  Breslau):  in  Köln,  ferner  in  Brühl,  Düsseldorf  und  Mühl- 
heim a.  Rh.  (..Utsuliuen  von  St.  Sahator'*  aus  dem  Mutterhause  in 
Koerraond),  in  Aachen  (aus   dem   Mutterhause  Kalvarienbei-g  bei 
Ahrweiler),  in  Geilenkirclien  (aus  dem  Mutterhause  Venlo)  und  in 
Hersel   (Erzdiöz.  Köln);   in   Ahrweiler,  Boppard.   St.  Johann  und 
Trier  (Diöz  Trier):  in  ^\'<'l■l    und   Krfurt  (Diö/    P.idt'rlMtni):  in 
Osnabrück   nmi   Baselünne  (iJiöz.  ( isnn^triick) :  in  <  »elsnitz  (npost. 
Vikarial  Sachsen)  un<i   in  Eutin  (nftrdisrhc  Missionen),  znsnmmen 
33  Niederlassungen  mit  ca.  9Uü  Srli\v»si.M-ii   'die  I^aierisrlnvcslern 
eingererlim  i ).    Ausser  Mädch»  ii\ «'ik>.-^chuleu   haben   dir  risuliueu 
Pensionalt',   höhere  T  öciiiersclitilen,  Jlanshaltuugs-  uud  liKiiistrie- 
schulen,  auch  einzelne  Kleinkiuderschulen.   Ihre  eigentliche  Domäne 
iöt  die  höhere  Töchterschule. 

Die  Schwe  stern  von  der  Kongregation  der  hl.  Katharina 
(von  Alexandi it'ii)  wurden  1571  zu  Braun-Iierg  zum  Zwecke  der 
3Iüdchenerziehuug  und  -rntcrriciiiuug  ^juwie  der  Knuikeuptlege  ge- 

')  Vgl.  Georjf  Binder,  Dir»  hl.  nir^itta  von  Schweden  und  ihr 
Kioätcrord(;n,  München  1891,  und  üeachichto  der  bayerischen  Birgittcn- 
klöfltor,  Stadtamhof  li>JC^. 


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17.  Die  gegeiiw.lm  Gelb.  d.Dtach.  Reich,  thätig.  Fraucu-Geuosaensch.  221 


gründet.  Die  Braunsbei^ger  Bürj^er^tf »einer  Roy;iiiu  Protlmiaiiii  ist 
dereu  Stilteriu;  die  ersten  Satzungen  nach  der  xVuguaüuenegel 
Btammen  vom  Bischof  Martin  Cronier  von  Eriuland  (gest.  1589), 
veshalb  auch  dieser  als  Stifter  bezeichnet  wird.  Bis  zum  sogen. 
Kulturkampf  bildete  die  Beschäftigung  der  Katharinenschwestern 
haupteftcbüch  der  Schulunterricht;  seitdem  neben  dem  Krankendienst 
in  Spitälern,  der  ambulanten  Krankenpflege  und  der  Besorgung  von 
Siechenhäusern  die  Leitung  von  Waisenanstalten,  Penslonaten,  Haus- 
haltungsschuien  und  Kleinkinderbewabranstalten.  Derzeit  haben 
die  Schwestern  in  der  Diözese  Emiland  22  Niederlassungen  in  den 
Orten:  Braunsberg  (u.  a.  ein  Knabenhort  und  ein  Waisenhaus), 
Heilsbelg  (u.  a.  ein  Waisenhaus),  Rossel  (u.  a.  ein  Mädchenbeim) 
und  Wormditt  (u.  a.  ein  Waisenhaus  und  eine  Haushaltungsschule), 
ferner  1  Niederlassung  in  Liverpool  und  3  in  Brasilien,  wo  sie  auch 
eine  Schule  leiten.  Die  Gesamtzahl  der  Schwestern  beträgt  263. 

Ausschliesslich  dem  Unterricht  und  der  Erziehung  der  weib- 
lichen Jugend  widmen  sich  die  Oborfrauen  von  der  Kongre- 
gation Unserer  Lieben  Frau,  1598  |vom  hl.  Petrus  Fourier 
(gest.  1040)  im  Verein  mit  Alice  le  Clerc  zu  Poussy  gestiftet. 
Bei  III  Tode  Fouriers  umfasste  die  Genossenschaft  bereits  'j:<  ^r^n 
50  Häuser  in  Lotliringen,  Savoyen.  Franki  t'i(  h  und  Deutschhuid. 
Bf^rzoit  iriebt  es  auf  deutschem  (irltiete  5  Niederlassungen  mit  circa 
löO  Mitgliedern:  zu  Essen,  Paderborn,  Strassburg,  Molsheim  (Diöz. 
Strassburg)  und  (jlTenl)urg  in  Baden,  nn  welch'  letzterem  Orte  die 
Frauen  ein  bereits  über  hundert  Jahre  bestehendes,  l)Uihendes  Pen- 
sionat haben  mit  einer  1897  neu  eroftueten  Filialanstalt  auf  Schloss 
Kheinburg  bei  Sehntfh.-uisen.  Dor  ^Virl^■IIn[^skrois  difsor  Kloster- 
fratien  ist  neben  der  I-'Jniiciitai-scliiil»'  das  Mätlclit'iii>eusi(mat  und 
die  htiliriT'  Töchtersrhulr.  —  Nacli  dem  Vorbild  der  reirnlifM-fpu 
Chorfraiit'ii  vom  hl.  Aiii^ustinus  wtird<'ii  1833  in  Bayern  di«»  armen 
Schulschwos t eru  di-  Xotre  Ihniic  i;ei;iiinilel.  Aus  letzteren 
ging  hervor  die  Kongregation  ih'V  SclnilscliNveslern  Unserer 
Lieben  Frau  im  Bisttim  liotton  b  u  i  i; ,  wcK  lic  als  ihren  Stifter 
den  Bischof  Joseph  soii  L'i\>\i  (g<'>t.  Iö09)  vci'-lirt.  der  1850  zwei 
arme  Scliiil>cb\vcslui-u  de  N.  1).  aus  dem  Mutn-rliause  in  München 
uacliiiolU'iiburg  berief.  DieC  Jenossenschaft  besitzt  derzeit  ausser  einem 
Mutterhause  in  iiauMusburg  zwei  Filiab  u:  liotteiiburg  und  Wurzach. 
Die  Zahl  der  Schwestern  beträgt  6'J,  nämlich  1  Generaloberin. 
41  Chor-  und  17  ilau.sschwestern,  welche  zwei  Pensionate  und 
ExternuLc,  ferner  Elementar-  und  Klcinkinderschuleo,  sowie  Arbeits* 
schulen  flu*  aus  der  Volksschule  entlassene  Mädchen  leiten. 


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'222  MitteUungen  4.  Ges.  f.  deutaclte  BnleliiiiigB-  u.  Sehulgeaeh.  Vm. 


Eine  rflhmlicbsi  bekannte  OenosBenscbaft,  welche  Mk  auf  dem 
Gebiete  der  M&dcheneniehung  hohe  VerdieoBte  erworben  bat.  sind 
die  Salesian  er  innen  oder  Schwestern  der  HeimsuchuDg  (Märiens), 
auch  Visitantinnen  genannt»  i  J.  1610  vom  hl.  Frans  von  Salee 
<ge8t.  1622),  BiBchof  von  Genf,  und  der  hl.  Fraoziska  von  Ghantal 
.(gest  1641)  nach  der  Augustinerregel  g^rOndet  Zweck  dieser 
1618  zu  einem  Orden  erhobenen  GenosseDschaft  ist  die  Eniefaung 
yon  Mfidchen  in  Pensionaten.  Die  ersten  KlOster  waren  Anneey 
und  Lyon;  das  erste  deutsche  Kloster  war  das  1667  zu  München 
beim  heutigen  Damenstiftsgebftude  errichtete;  von  hier  aus  wurden 
Klöster  in  Amberg  und  Sulzbach  gegründet,  welche  beide  indes 
1803  der  Sftkularisation  anheimfieleD.  wfthrend  die  Mflnchener 
Schwestern  uacli  Indersdorf,  und  1831  uach  Dietramszell  Uber« 
siedpltfn.')  Der  gegenwärtige  Instand  des  Gesamtordens  ist:  164 
Klöster  mit  ca.  7000  Mitgiiedern.  In  Deutschland  giobt  es  Säle- 
sianerinnciiklöster  in  Dietramszell,  Btniorlx^rg  (1845).  Zaugberg 
(1862)  iu  der  Erzdiözese  München,  Pielenhofen  (1838)  und  Uber- 
rhoning  im  Bistum  Regensburg,  in  Uedem  (Diöz.  Münster),  Mosel- 
weiss  (Diöz.  Trier)  und  Metz,  zusammen  8  Niederlassungen  mit 
ca.  375  Mitgliedern.  Sämtliche  Klöster  sind  unabhängig  von  ein- 
ander. 

Zn  den  um  rntcrrirlit  und  Erziduuii;  der  weibliclion  .Tnj^end 
verdien t«'st»'n  Fr;iU(>ngen(tj^sensch;ttien  ij:ebriieü sodann  die  Engl  i sehen 
Fräulein  oder  das  .Insiitul  Maiiir.  Diese  Genossenschaft  führt 
ihre  Entsteh\mg  auf  die  Engländerin  Maria  Ward  zurück  (daher 
die  Bezeic Inning  .Eiiglifc-tjhü-  Fräulein),  weklie  ]ti(j<j  zu  St.  OniiM* 
ein  Fraueakloster  erriehtMe.  .1*-^ n  Mitglieder  sieh  dem  l'nterriehte 
und  der  Eiviehung  von  Mail«  Im  h  widmeten.  Wiihreml  Miss  Ward's 
Orden  1051  vom  Papst  Urban  Vlil.  aufgehol>en  wurde,  bestand 
das  in  ^liineheu  errichtete  Kloster  dieser  Frauen  auch  nacli  ünter- 
drückuni;  desi  irdens  fort,  indem  (blassen  Bewohuerinnen.  zwar  nicht 
m^'hr  als  eij;entiiche  (M-densfrauen.  sondern  als  Junglraueu  mit 
cijifueJien  Gelübden  und  unter  der  Jurisdiktion  des  Bischofs  von 
Freisiug  ihre  Lehrthätigkeit  fortsetzten.  Von  München  aus  ward 
das  Institut  Maria  nach  England  verpflanzt;  insbesondere  aber 

Vgl.  Ludwig  Muggenthaler.  der  Schulorden  der  SAleBianeriniiaii 

in  Bavfrii  vftn  IHGT  bis  1881,  im  „Jahrbuch  fiir  Mthichoiicr  Geschichte"  1S91. 

i  j-arar  Hamberg  l^Uh:  IVtikm-;  Kurze  Ge sc  Ii  i c h  t  <>  des  Ordens  von  der 
üeimsuciiung  Märiens  —  geuoiuiL  i^aIesiaQenallcu  iu  Bayern,  von  seiner 
«raten  NiederlMamig  in  Httnehen  bi«  beute,  liegensburg  1S97,  von  einem 
Mitglied«  de«  Orden«. 


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17.  Die  gegen w.  im  Geb.  d.  Dtoch.  Reich,  thatig.  Frauen-Genossensch.  223 


wurden  im  heutigen  Köuigreich  Bayern,  ferner  in  Oesterit  ich 
Niederlassungen  errichtet:  in  Augsburg  (1680).  Burghauseu,  Miudel- 
heim,  Bamberg  (1717),  Altötting.  Asrhaffenburg  (1748)  u.  s.  w. 
Derzeit  bentehen  in  Bayern  bei  80  Xiederlassungfii  der  Engliwhen 
Fräulein  mit  über  1500  Mitj:liedern  unter  der  Geiieralobcriii  zu 
Kyiapht'uburg,  uud  zwar  in  der  Diözese  Miluchcu:  neben  dem 
Mutterinstitut  in  Nympheiiburg  14  Filialen:  im  Bistum  Passau:  in 
Altötting  mit  11,  in  ßurghausen  mit  4  und  ia  Passau  (Niedern- 
burg) mit  10  Filialen;  im  Bistnm  Augsburg:  in  Augsburg  mit  der 
Filiale  Weilhelm»  in  OOnzbm-g.  Kempten,  Lindau,  Hindelheim  mit  der 
Filiale  Kl<»8t6]>Wald,inNeaburga.  D.,  SGhTobenhaa8enuDdWaUet8td&; 
im  Bistum  Regensbuig:  in  Deggendorf,  Furtti  LW.  und  Plattling; 
in  der  Erzdi^se  Bamberg:  in  Bamberg  mit  18  Filialen;  in  der 
Diözese  WQrzburg:  in  Aschaffenburg  mit  8  Filialen  und  in  Kissingen 
{Filiale  des  Mutterhausee  in  Bamberg);  im  Bistum  Eichstätt:  in 
Eichstätt;  in  der  Diözeae  Speyer:  in  Laudau,  eine  erst  1896  er- 
richtete Filiale  von  Nymphenbuig.  Ausserhalb  Bayerns  sind  Häuser 
^er  Englischen  Fräulein  in  Fulda,  in  Wiesbaden  und  Hornburg  v. 
d.  H.,  endlich  in  der  Diözese  Mainz:  in  Mainz  (Mutterhaus)  mit 
den  Filialen  Bensheim«  Darmstadt.  Bingen  und  Worms.  Der 
Wir]£ungslcreis  der  Englischen  Fräulein  ist:  die  Volicsscbule,  das 
Mädchenpensionat  und  die  höhere  Töchtei-schule;  ausserdem  leiten 
sie  WaisenhäuRer  (z.  B.  jenes  in  MQnchen,  Bamberg  u.  s.  w.),  Er- 
ziehuDgs-  und  Rettungsanstalten  für  verwaiste,  arme  und  verwahr- 
loste  Kinder,  Taubstuminoninstitute  (Bamberg),  Dien8tboten-(Marien)- 
Anstalten  und  Kleinkinderschulen. 

Bei  der  hohen  Bedeutung,  welche  dem  Institut  der  Englischen 
Fräulein  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtes  und  der  Erziehung  der 
weiblichen  Jni^tnifl  zukommt,  dürfto  es  angezeiirt  sein,  hier  das 
Wichtigste  über  die  Einrichtung  einer  von  »li^st  ii  Frauen  geleiteten 
höheren  Töchterschule  anznfü;[;cn.  Das  Inihcre  Töditorinstit iil 
der  [Km;jI  isrfK'n  l'^iäu  1  c  i  ii  in  Bamberg  liit  den  Zwcrk.  drr 
weibliciien  Jugend  eine  reliiiiös'.sittliciie  ErzieUujig  sowie  eine 
liübere  und  alLseitige  Ansliildiim;  zu  gewähren. 

Das  Institut,  welclies  die  Ueciite  einer  ölVt-ntlichrn  Anstalt 
geniesst,  besteht  aus  einer  unteren  Abteilung  inil  .sieben  Jahres- 
kursen für  .Mädchen  vom  6.  bis  zum  13.  Lebensjahre  und  aus 
einer  olten  u  Aljteiltuiu;  mit  drei  Jahreskursen  für  Mädchen  vom 
13.  bis  16.  Lebensjahre.  Das  Absolutorium  des  10.  Kurses  be- 
rechtigt zur  Zulassung  zaui  Aut'nahmsexamen  an  einem  kirl.  T.ehre- 
rinneiiseminar  (beiw.  zu  dem  von  den  Luglischen  Fräuleiu  selbst 


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224     Mittc'iiungou  d.  Ges.  f.  deutsche  Emehuiige-  u.  Schulgesclu  Vill. 


gelf'ifeton  2 jäliriirrn  .Seiuinjuknise  mit  daraullolgeiMliT  staatliiher 
Leliit'riniieuprütuü}^).  Der  Cliaiakter  des  Instituts  i.-t  katii«. lisch; 
diH  h  koimeii  in  die  ohciT  Abtoilunsr  auch  NicIitkailiulikiuuL'ü  Auf- 
jijiliiiif  tiiidcu.  3Iit  dor  Unten ichuaustalt  ist  ein  Internat  ver- 
biiinlm.  in  welchem  besonders  auswärtii;e  Schülei iiim  ii  Aufnahme 
und  Verptleguiig  linden;  die  Pension  für  interne  Zvi^linge  beträgt 
jährlich  400  M.  Für  Töchter  von  pragmatisch  angestellten  Beamten 
bestebeu  durch  Allerböchate  Qnade  zwei  Freipiatee;  der  Landrat  von 
Oberiranken  bewilligt  seit  dem  Jabre  1863  alljabrlich  &40  M.»  die  für 
teilweise  Freiplfttze  verwendet  werden.  Das  Schulgeld  für  externe 
Zöglinge  beträgt  im  1.  bis  4.  Kurse  monatlich  6  M.,  im  5.  bis 
7.  Kurse  monatlich  7  M..  im  8.  bis  10.  'Kurse  monatlich  8  K 
An  der  Spitze  des  Instituts  steht  die  jeweilige  Oberin  der  Engliscbea 
FrAulein  als  Vorsteherin;  ihr  steht  die  Gesamtleitung  und  Ver- 
waltung der  Anstalt  in  allen  ihren  Zweigen  zu  und  das  Recht» 
unter  Beobachtung  der  jeweils  bestehenden  Verordnungen  Ober  das 
bayerische  Schul-  und  Unterrichtswesen  die  einzelnen  Klass-  und 
Fachlehrerinnen  sowie  die  Ubrigea  Hilfskräfte  der  Anstalt  zu 
ernennen  bezw.  wieder  zu  entfernen.  Die  Oberaufsicht  über  das 
Erziebungs-  und  Unterriclitsinstitut  steht  der  kgl.  Regierung  Ton 
Oberfranken  zu,  jene  über  den  Religionsunterricht  und  das  religiös- 
sittliche Leben  dem  Erzbischöflichen  Ordinariate  Bamberg.  Die 
regelmässige  Inspektion  wird  durch  einen  von  der  kgl.  Regierung 
auCgesii'llten  Spezialkommissar  ausgettbt.  Lehrgegenstände  sind: 
Religioii-I'lire  mit  biblischer  und  Kirchengeschirhte,  deutsche, 
französische  und  englische  .Sprache.  Arithmetik.  rJeographie,  Ge- 
schichte. Kunstgeschichte»  Naturgeschichte,  Naturlehre.  Schön- 
schreiben. Zeichneu.  Gesang,  Klavier,  weibliche  Handarbeiten, 
Anstaudslehre  und  weibliche  Gymna.stik.  Stenographie. 

rngefälir  zu  derselben  Z^Mt.  als  fli*'  Englischen  Fräulein 
gegründet  wurden,  entstanden  in  Frankreicli  zwei  andere  bedeuten<le 
FrannTJf'iH'Ssenscharten,  die,  in  unseren?  J;ihrhMndprf  in  I>oiitsch- 
land  eingeführt,  hier  l)is  /nr  MMude  ein»-  hrirlist  segensvoile  'l'häiig- 
keit  en1tV\lr«'n  :  die  barmherziiicu  Sch\vc-.icrn  vom  hl.  Karl  lim  ro- 
mäus  und  y-nc  vom  hl.  Vifi«'enz  von  J'aul.  Er.sleiv.  aiuli  kurz, 
llormmäerin iien  genantit,  lür  Kranken-  und  Armenpflege,  l  iiter- 
richt  und  Erziehung  errichtet,  nalimen  1626  im  Spitnl  St.  Charles 
zu  Nancy  ihren  Anfang;  ihre  Konstituierung  erfolgte  1652.  Derzeit 
umfasst  diese  Kongregation  in  Frankreich  116  iläu.'^er  mit  3000 
Schwestern,  in  Deutschland  64  vom  Mutterhause  Trier  abliäiiLMge 
Niederla-ssungeu  mit  ca.  700  und  102  vom  Mutterhause  Trelmitz 


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17.  Die  gegenw.  im  Geb.  d.  Dtseh.  Reich.  thAtig.  Prsueii^Genoaeeneclu  225 


abhängige  Filialen  mit  ca.  600  Schwestern;  in  Oesterreich  befinden 
sich  MutterhAuser  in  Prag  und  in  Teschen  mit  zusammen  1000  Mit- 
gliedern. In  der  DiOzese  Breslau  'haben  die  Borromäerinnen 
98  Niederlassungen  mit  564  Schwestern^'und  208  Novizinnen,  welche 
ausser  zahlreichen  Kraolcen«  und  Siechenhftusem  25  Waisenanstalten. 
36  Spielschulen,  4  Nahschulen,  18  Handarbeits-  und  8  HaushattuQgs- 
schulen,  8  Kommunikantenanstalten  und  die  PolednUcsche  Mftdchen- 
erziehungsanstalt  in  Lissek  bei  Sumin  besorgen:  femer  sind  im 
Bistum  Breslau  4  Häuser  der  Borromäerinnen  aus  dem  Mutterhause 
in  Trier  mit  68  ProfessschweBtern  und  25  Novizinnen«  welche  neben 
mehreren  ELrankenhäusern  (u.a.  das  St.  Hedwigskrankenbaus  in  Berlin) 
1  Waisenanstalt,  1  Spiel-  und  1  Nähschule  versehen.  lu  der  Erz- 
diözese EOln  haben  die  Borromäerinnen  aus  Trier  19  Nieder- 
lassuni^ea  mit  20O  Schwestern»  welche  ausser  Krankenanstalten, 
Armenhäusern  und  einer  Irrenanstalt  das  Waisenhaus  Marianum  in 
Krefeld,  das  Waisenhaus  in  Düren,  das  Knaben  Waisenhaus  Oberbilk 
in  Düsseldorf,  das  Waisenhaus  in  Eupeu,  das  Knabemisyl  Klapi>er- 
hof  in  Köln  und  eine  Bewahrschnle  in  Köln  leiten.  Im  Bistum 
Trier  seihst  besitzen  sie  28  Niederlassungen  mit  300  Schwestern 
und  ca.  100  Xovizinnen,  weldip  ausser  zahlreichen  Spitälern 
Cu.  a,  das  ]\!ilif;irla/,;iit:'tf:  in  l-]in<'ni>re!fstein)  3  Hanshaltiinir«'-. 
7  Bexvalii-  uihI  M  Xähsrliulcii.  ferner  <ias  Knabeupeiisioiiat  zu 
Keinprilinf  iiml  »md»'  iiMlirrr  'lochterschnV'  in  St.  Wendel  besorgen, 
Niederlassung*  ! I  dt  r  Trierer  Schw^^tcrn  siuU  ferner  auch  in  Cleve, 
wo  12  SchwostriM  die  btädti.sche  Ariiien- und  Waisenanstalt  veraelieu. 
in  Osnabrück,  l'.ingen,  Hamburg  u.  s.  w.  Im  Jahr«»  1B84  errichteten 
die  l'»nrromaeriunen  behufs  Leitung  einer  deutschen  Schule  in 
Alexamliicn  eine  Niederlas.sung,  weh  iie  1894  zum  ProMii/.ial- 
niuttrrhauso  und  Noviziat  tür  den  Orient  besümmt  wurde,  wo  die 
Schwestern  seitdem  jurlnt  re  deutsche  Anstalten  übernahmen. 

Die  barmherzigen  Schwestern  vom  hl.  Vincenz  von 
l'aul  oder  die  Vincentineriuu*'ii.  1633  vom  hl.  Vincenz  von  Paul 
(gest.  1660)  im  Verein  mit  Louis©  le  Gras  zu  Paris  gegründet, 
beschäftigen  sich  in  Deutschland  zwar  hauptsächlich  mit  der  Pflege 
der  Kranicen  in  Spitalern,  haben  aber  auch  Anstalten  zur  Erziehung 
armer  Kinder,  Waisen«,  Bewahr-  und  Krippenanstalten,  femer  Exod- 
arbeitsschulen,  sowie  Taubstummen-  und  Besserungsanstalten.  Die 
barmherzigen  Schwestern  aus  dem  Hutterhause  Untormarchthal  in 
Württemberg  leiten  nicht  weniger  als  44  Kleinkioder-  und  41  In- 
dustrieschulen, femer  9  Elementarschulen,  sowie  die  Erziehungs- 
anstalten in  MulÜDgen,  Og<;elsbeuren,  Leutkirch,  Seiklingen.  SchQne- 

MiUtfilimgcn  d.  6«fl.  t.  d^ulscb«  Ersteh.-  u.  Schut|reBctii«lite.  VUI  2,3 


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226  MitteUungi>ti  d.  Ges  f.  dentacbe  ERiehunga- «.  Scbtdgeecli.  VIII. 


bürg  und  UDterdnifstetteii.  —  Die  i.  J.  1808  nach  dem  Vorbilde 
der  VioeentineriDDen  von  Clemens  August  Frhrn.  Droste  Ton 
Viachering  (nachmals  Erzbischof  von  EGId,  gest.  1845)  gegrOndete 
Genossenschaft  der  barmlierzigea  Schwestern  oder  der  Clejnens* 
Schwestern  mit  dem  Mutterhause  .St.  Maricu-IIospital*  in 
Münster  leitet  u.a.  ein  Armen-  und  Waisenhaus  in  P.ofhnlt. 

Die  Chorfrauen  vom  heiligen  Grab«'  (Scpulcrineriunen), 
der  weibliche  Zweig  der  Chorherren  vom  hl.  Grabe,  besitzen  ein 
Haus  im  Grossherzogtum  Baden,  das  1670  gegründete  I^hrinstitut 
zum  hl.  (Jrabe  in  Baden-Baden,  das  derzeit  1  Priorin.  25  Lehr- 
frauen  und  10  Laienscliwestmi  zählt,  sowie  eino  Filiale  in  Bruch.sal. 

Dio  Srhwostern  der  christlit  hpn  Lehre,  um  1700  zur 
Krani\eni»tlei,'«'.  zu  iint  iitirt  ltlichem  Unterriclit  und  Madchenerziehung 
von  dejn  Priester  Vatei  gf^rüntiet.  mit  dein  Mutterhause  zu  N.inrv, 
haben  in  ötraäsburg  eiu  Uauä  mit  Pensionat  und  höherer  Töchter- 
schule. 

Die  Schwestern  der  gottlichen  \  orsehung,  17G2  von 
dem  Priester  Moye  zu  dem  Zwecke  gegründet,  sich  der  chri.stlicheu 
Er/ieliung  und  dem  Unterrichte  der  Jugend  besonders  auf  dem 
Liiudi'.  lerner  der  Kranke upllyge  /.u  widmen,  mit  dem  Mutterhause 
zu  St.  Johann  von  Fiassel  bei  Bertheliuiui?eu  in  Lotiiiiugiu. 
haben  ausser  in  i'rankreich,  Belgien  und  Nurdameril<a  Nieder- 
lassungen im  Bistum  Strasshurg.  wo  190  Schwestern  190  Schulen 
besorgen,  und  im  Bistum  Metz,  wo  150  Schwestern  150  Schulen 
leiten.  In  der  leizigt nannten  Diözese  haben  die  Schwestern  auch 
ein  Pensionat  mit  Industrieschule  zu  Finstingen,  ferner  im  Mutter- 
hause eine  Lehrerinnen-  und  Waisenanstalt.  Die  Gesamtzahl  der 
Schwestern  der  Kongregation  der  göttlichen  Vorsehung  ist:  1000. 

Die  Schulschwestern  der  göttlichen  Vorsehung 
(Schwestern  der  Vorsehung  vom  hl.  Vinceoz  von  Paul),  1783  zu 
Molsheim  (Diözese  Strasshurg)  von  dem  Priester  De  Kremp  ge- 
gründet, mit  demMutterhause  zu  Rappolts  weiler,  bilden  die  grössto 
Frauengenossenschaffc  des  Bistums  Strasshurg.  Die  Schwestern, 
Uber  1200  an  Zahl,  leiten  über  400  Schulen  mit  ca.  60000  Mädchen, 
zahlreiche  Klemkinderschulen ,  die  Waisenhäuser  Willerhof  ((Ür 
Knaben),  Hllsenheim  und  Issenheim  (für  Mädchen),  die  Taub- 
stummenanstalt mit  Pniparandinnenschule  zu  Issenheim  und  haben 
Pensionate  zw  Strasshurg.  Hagenau.  Rappoltsweiler  und  Rufl'a<;h. 

Am  Ende  des  IS.  Jahrluinderts  entstand  die  (Jeuossenschaft 
der  Sclnvostern  der  göttlichen  Vorsehung  vom  hl,  Andreas, 
von  dem  Priester  Gapp  zu  Uombourg-la-Forteresse  zum  Zwecke 


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17.  Die  (^egenw.  im  Geh.  d.  Dtäcli.  Keicii  thülig.  Frauen^GeiiOääüuäch.  227 


der  chiistlicheu  Erziehung  der  Kinder  in  den  Volksschulen  und 
höheren  Töchlemliuleü  Lotliriiigcns  |[;ei,'rQüdet,  mit  dem  Mutterhause 
Peltre  bei  Metz,  nach  ihrem  Irülieren  Mutterhause  zu  ioibuch 
auch  , Forbacher  Schwestern"  genannt.  Ungefähr  15  300  Kinder 
des  Bistums  Metz  empfangen  gegenwärtig  toq  diesen  Schwestern 
Unterricht. 

Die  Sch  ul  Schwestern  der  hl.  Ohristia  na,  auch  »SchweAteni 
von  der  hl.  Kindheit  Jesu  und  MariA  unter  dem  Schutze  der  hl. 
Ghristiana*  genannt,  1807  in  Metz  Ton  Bischof  JaufAret  und  Ma- 
.  dame  Tailleur  zum  Zwecke  der  Ersiehung  der  weihlichen  Jugend 
und  der  Krankenpflege  gegründet,  leiten  Elementar-  und  Nab- 
schulen, Handarbeitsschulen,  Waiseninstitute  u.  s.  w.  Neben  dem 
Mutterhause  in  Metx  mit  Filialniederlassungen  in  18  St&dten  des 
Bistums  Metz,  besteht  fUr  Frankreich  ein  Mutterhaus  in  Longuyon; 
ferner  sind  USuser  in  Belgien  und  in  Oesterreich. 

Eine  verdiente  Genossenschaft  ist  die  1829  zu  Angers  ge- 
gründete der  Frauen  vom  guten  Hirten,  Schwestern  von  der 
Liebe  des  guten  Hirten,  Schwestern  Unserer  Frau  von  der  Liebe 
des  ^uten  Hirten  u.  s.  w.,  welche  aus  einer  filteren,  1644  zu  Oa6n 
von  P.  Eudes  gesiift»  »  ti  den  , Schwestern  von  der  Zutlucht*. 
hervorgingen  und  Maria  de  8ainte-Euphrasie  Pelletier  (gest.  IHGs) 
als  ihre  Stifteriu  verehren.  Die  guten  Hirtinnen  stellen  sich  als 
besondere  Aufgabe,  gefalleneu  2kiüdchen  oder  verkoniincnen  Frauens- 
personen Anleitung  zur  Besserung  zu  geben,  ferner  sittlich-gefähr- 
dete  Personen  im  (Juten  zu  bewahren.  Die  Ausbreitung  dieser 
Genossenschaft  ist  eine  sehr  bedeutende,  indem  die  guten  Hirtinnen 
bereits  in  208  Xioderle^sfHnir»^!!  und  in  allen  Weitteilen  ihre  segens- 
vollc  'riiäiiu'kt'it  entfalten.  Iniinlialb  fh^s  Deutschen  Reiches  sind 
>»iederlassnügen  zu  Metz  (gegrüjidt't  1HI^4).  Stras^imiu;  (18S7), 
Mün'  ftpn-lTnidhausen  ( 1840),  Anchen  St.  Maurilz  in  Mühsip?- 

(154U,..  .Mainz  (1853).  St.  Paulin  zu  Trier  (18541  Charlottenbur^ 
b»M  Perlin  (1858).  Breslau  (1859),  Ettinaniis.luil  iioi  Schwaudorf 
iu  Bayern  (18«l).  Köiii-Melaten  (1862).  Kfiiiicktudorf  bei  Berlin 
(1887),  K(.i.l.Mi/.-T.iit7.el  (1888).  M(Uh;tiis.'n  im  Elsa.ss  (1888).  Maria 
Trost  hei  lvr.--.*Hi.'iiii  im  Bistum  Trier  (löö8).  Muixlieiui  bei  Hof- 
lit'ini  im  Taimu.'^  (IHUl)  und  Beuthen  in  Oberschlesieu  (1893),  zu- 
sammen 17  Heuser  mit  ca.  500  Chctr-,  Laien-  und  Aiisi;ehs(-hweslern. 
ProvinzialiauLit  rhäuser  sind:  Miiuclitu.  Münster  uud  Kulu-!Melaten. 

Die  Töchter  vom  heilif,'en  Ivreuze,  1833  zu  Lüttieh  von 
dem  Pfarrer  Uabets  und  Johanna  Haze  zum  Zwecl^e  des  Unter» 
riehts.  der  Waisen-  und  der  Kranken iitlcge,  der  Sorge  fttr  weibliche 

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228  MittellungeD  d.  Oea.  f.  deutache  Bniohungs- 11.  Bchulgesch.  vm. 


Strftflinga  imd  andere  in  Verirrungen  geratene  Frauenspersonen 
gegrttndet»  mit  dem  Mutterhause  in  LQttich,  ca.  800  an  Zahl» 
haben  ausser  NiederlaBsungen  in  Belgien,  England  und  Indien  auch 
13  Häuser  mit  ca.  200  Sciiwestern  im  Deutschen  Reiclie.  Hiervon 
befinden  sich  10  Niederlassungen  in  der  Erzdiözese  Köln,  wo  die 
Schwestern  in  ]\Ialinedy  ein  Waisenhaus  und  in  Werden  ein  Waisen- 
haus und  eine  höhere  Töchterschule  leiten,  und  3  im  Bistum 
Münster:  zu  Aspel  (Post  Rees^  mit  Pensionat.  Ilaushaltimgskurs 
und  Bewahrschule,  zu  Rees  mit  2  Bewahr-  und  Handarheifss«  liiilen 
und  zu  Xanten  mit  Waisenhaus.   Bewahr-  und  Handarbeilüschule. 

Die  Kreuzschwestern  aus  dnn  Miiiterhause  zu  Strassburg, 
1833  von  drei  Iciiilicljen  Schwostcrn  i,'*'^riiii(lct,  haben  in  der  Diözese 
Strassburjjj  Waisenhäuser  in  Scliietlsladt,  Kolmar  und  8t.  Joseph 
Tor  Strassburg,  eine  Idioteuanstalt  in  Seunheim,  eine  katholische 
Bliudeuauötalt  St.  Ottilien  in  Still  und  ciae  weibliche  Gefangenen- 
anstalt in  Nouhof.  lerner  in  Dunzdorf  in  Württemberg  eine  Er- 
ziehungöaüötiiit  lür  arme  Kinder. 

Die  Schwestern  von  der  göttlichen  Vorsehung  mit 
dem  Mutterhaubc  auf  dir  Ki iedrichsburg  zu  Münster,   1842  ent- 
standen, eine  um  (his  llrzichuugs-  und  Unterrichtswesen  hochver- 
diente Genossenschaft  mit  ö.'M  ^litgliedern.  von  denen  310  auf  27 
StatiüMeii  im  Bistum  .Müiiriler,   11  auf  1  JStatiuu  (Bremen)  in  den 
nordischen  Missionen,  205  auf  8  Stationen  in  Holland  (Diöz.  Roer- 
mond) und  8  auf  2  Stationen  in  der  brasilianischen  Mission  (St.  Katha- 
rina) thätig  sind.  Die  Schwestern,  welche  in  ihrem  Mutterhause 
ein  Haushaltungspensionat  und  eine  Handarbeitsschule  haben,  leiten 
zu  Münster  das  BQrger-WaiBenhaus  in  der  Scbulstrasse,  das  Waisen- 
haus zu  St.  Mauritz  und  im  St.  Josephshaus  8  doppelklassige 
Eleinkinderbewahr-  und  8  Handarbeitsschulen,  femer  Waisenhäuser 
zu  Borken,  Coesfeld,  Dülken,  Dülmen,  Gladbeck,  €K)ch  (zwei  An- 
etalten  für  Knaben  und  fUr  M&dchen),  Reddingliausen,  Rheine  und 
WeseL  In  Dülmen  haben  sie  auch  eine  höhere  Töchterschule,  in 
Borken  eine  Bewabrachule,  in  Burgsteinfurt  eine  Kinderbewabr-, 
Handarbeits-  und  Sonntagsschule,  in  OleTe  eine  Bewahr-  und  Hand* 
arbeitsscbule,  in  Coesfeld  eine  Bewahrschule,  in  Dülken  eine  Hand- 
arbeits- und  Sonntagsschule,  in  Epe  eine  Bewahr-  und  Handarbeits- 
schule, ebenso  in  Gladbeck,  Qoch,  Grieth,  Ochtrup,  Rheine  und 
Wesel;  in  Rheine  besorgen  sie  ausserdem  ein  Arbeiterinnenhospiz 
und  zu  Coesfeld  die  [Leitung  korrektionsbedUrftiger  Mädchen  in 
der  Marienburg.   Zu  Bremen  haben  sie  Elementarschulen,  eine 
Sonntagsschule  und  ein  Waisenhaus.    Von  den  ausserdeutschen 


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17.  Die  gegenw.  im  Geb.  d.  Dtseh.  Reich.  tUMlg.  Ftenen-GenoMttiiMh.  229 


Stationen  .<iiul  bosondei-s  zu  nennen:  das  «grosse  St.  Josephskloster 
zu  Steyl  mit  einer  Präparandenanstalt  zur  Ausbildung  für  das 
deutsche  Elementar-  und  höhere  Examen,  das  Kloster  Maris 
Boepaan  zu  Ottersom  mit  deutscfaefii  HausbaltuDgs-  und  Hand- 
arbeitspeoaiODat  und  die  Aloysius-Anstalt  zu  Kessel  mit  einem 
grossen  Pensionat  schulpflichtiger  deutscher  Knaben;  ausserdem 
haben  die  Schwestern  Elementar-,  Kinderbewahi^  und  Hand- 
arbeitsschulen, Waisenhftuser  und  besorgen  die  Pflege  kranker  und 
alter  Leute. 

Die  grauen  Schwestern  Ton  der  heiligen  Elisabeth,  1842 
zu  Neisse  in  Oberschlesien  von  vier  Jungfhiuen:  Dorothea  WoUT, 
Mathilde  und  Maria  Louise  Merkert  und  Franziska  Werner  nach 
der  Augustitterregel  gegründet,  mit  dem  Mutter-  und  Centraihause 
zu  Breslau,  haben  als  Zweck  hauptsftchlich  die  ambulante  Kranken- 
pflege, sodann  die  Pflege  von  Kranken  in  Spitalern  und  Siechen- 
hdusem,  die  Leitung  von  Waisen-,  Rettungs-,  Kommunikanten-  und 
Kleinkinderbewahranstalten,  voa  Arhelterinnenhospizen  und  Haus- 
haltungeschulen,  ausserhalb  Preussens  auch  die  Leitung  von  Ele« 
mentarsehulen.  Die  Schwestern  sind  besonders  in  der  Diözese 
Breslau  verbreitet,  wo  derzeit  lOTJSiederlassuagen  mit  6iO Schwestern 
und  22Ö  Novizinnen  bestehen;  ausser  zalilreiclien  KrauiveDlmusem 
(u.  a.  auch  m«'hrfM*e  3Iilitärlazarett<?)  leiten  hier  die  Schwestern 
47  Kleinivinderbewahransialten,  l  Hand&rbeitsschule,  1  Sonntags- 
schule für  Fabrikmadeheu.  4  Industrieschulou,  1  Haushaltungs- 
S(diule.  1  Krippe.  0  Waisen-  und  4  K'mimiiiiikantenanstalten,  ferner 
das  St.  Ai^nrs  IInspi/.  für  kaflmlische  Arbeiterinnen  in  Breslau,  das 
St.  Xotbiirua-Hdsiii/,  (Mädrlienasyl )  in  Neisse,  das  St.  AtVa- 
Stifl  (UeliuiiL^-liaiis  und  I)i»'nsil)i/t('iias\  1)  in  Berlin  NW..  M^iliit, 
und  das  Auialieusült  (Uetluugsaustali )  in  Julinsburt:,  Kreia  (Jels. 
Ausöt'rdeni  h^ben  die  grauen  S(  )i\v*'<t<'n!  Nicderlasisuiigen  in  den 
Diözesen:  Olinüi/,.  l'iau'.  ( JnetJtMi-i'usen  (14  llauser  mit  SOSchwestern), 
wo  sie  u.  a.  ein  \\  aistMihaus  in  Ostrowo  und  das  St.  Annaslili  iiir 
Dienstmädchen  und  Arlx  itf^rinnen  in  Posen  leiten.  Ennland  (Königs- 
berg mit  15  Srhwcsicrn),  ('iihn  (5  Häuser  mit  i>l  Schwestern), 
Baderborn  (lü  lläuöor  init  7ü  Schwestern),  Fulda  (Eisenach  mit 
6  Schwestern)  und  Münster  (ArbeiterinnLiiliuypiz;  iJelnienhoi-si  in 
Oldenburg  mit  4  Schwestern);  ferner  in  Dresden  (3  Häuser  mit 
33  Schwestern),  Leipzig  (2  Häuser  mit  15  Schwestern),  Chemnitz 
(6  Schwestern),  Hamburg  (3  Häuser  mit  40  Schwestern)  und  Rein- 
beck bei  Hamburg  (7  Schwestern).  Auch  auf  diesen  Stationen 
bildet  die  ambulante  Krankenpflege,  bezw.  die  Eranken[dlege  in 


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230    Mitteilungen  d.  Ges,  t  deutsche  Erziehungs-  u.  Öchulgeach.  VIII. 


.Spitalern  die  hauptsächliche  BetJühafti^Mm^  der  Schwestei  ii :  ua 
einzelnen  Orten  erteilen  sie  Industrie uuteiricht,  leiten  Dienste 
jnädchenvereine  uud  haben  Kleinkinderbewahr-  und  Kommiiuikauien- 
anstalteu.  In  Rom.  wohin  die  grauen  Schwestern  1887  von  Msgr. 
de  Waal  heiultjü  wurden.  erötViieten  sie  im  Ospizio  di  Nazaret  ein 
Asyl  l'iir  deutsche  Gouveruauteu  uud  Dienstmädchen  sowie  eine 
deutsche  Schule.  Elementar-  und  Industrieuuterricht  erteilen  sie 
auch  auf  einigen  ihrer  schwedischen  und  norwegischen  Statiouon. 
Die  GesamtsEahl  der  Scfaveatem  beträgt  Uber  1000  ohne  die 
NoTizinnen,  jene  der  Niederlassungen  gegen  180.^) 

Die  Schwestern  vom  hl.  Joseph,  1845  zum  Zwecke  der 
Kranken-  uud  Annenpflege,  sowie  der  Kindererziehuug  gegründet, 
mit  dem  Mutterhause  Kloster  St.  Markus  (Post  (»eberschweier)  im 
Oberelsass,  haben  Niederlassungen  im  Elsass  zu  Ebersmünster 
(Waisenhaus)  und  Erstein  (Ärbeiterinnenheim),  im  Grossherzogtum 
Baden  (5  Kleinkindermhulen),  ferner  S&  NlederlaBsuugeu  im  Elsass 
und  13  in  Baden  für  ambulante  Krankenpflege  und  Armen- 
und  Kranken ptlege  in  SpitjUem,  endlich  ein  Waisenhaus  in  Delle 
in  Frankreich. 

Die  Schwestern  vom  armen  Kinde  Jesu,  1848  zu  Aachen 
cum  Zwecke  der  Soige  fttr  arme  Kinder  gegründet,  hatten  bereits 
im  Jahre  1872  27  Häuser  mit  655  Schwestern;  als  infolge  des 
Kulturkampfes  die  28  in  Preussen  befindlichen  Hluser  bis  auf  eines 
(Burtscheid)  geschlossen  wurden,  yerbreitete  sich  die  Genossenschalt 
in  Holland,  Oesterreich,  Frankreich  und  England.  Das  Mutterhaus 
befindet  sich  seitdem  in  Simpelveld  in' HoUftndisch-Limburg.  Im 
Gebiete  des  deutschen  Reiches  bestehen  wiederum  9  Niederlassungen: 
7  in  der  Erzdifizese  Köln  mit  ca«  260  Schwestern  und  2  im  Bistum 
Speyer,  wo  19  Chor-  und  19  Laienschwesteru  das  grosse  katho- 
lische Diözesan-Waisenhaus  St.  Nikolaus  zu  Landstuhl  und  4  Chor- 
und  3  Laienschwestern  das  Waisenhaus  in  Kirchmohr  leiten. 

Die  amen  Dienstmägde  Christi,  1848  zu  Dernbach  auf 
dem  Unterwesterwald  (Bistum  Limburg^  von  Katharina  Kasper 
(gest  1898)  gegründet.  bal)en  zunächst  die  Krankenpflege  zu  ihrem 
Zwecke;  doch  übernehmen  die  Schwestern  .nich  Waisen-  und  Klein- 
lunderbewahranstalten.  Nahschulen  etc.  Nachdem  in  den  Jahren 
1S54  und  18Ö5  die  ersten  Filialen  errichtet  waren,  breitete  sich 
die  Genossenschalt  mit  Schnelligkeit  aus  und  umfasst  derzeit  Uber 


')  Vgl.  Dr.  J.  .Junjcnitz,  Djp  Kongregation  fler  grauen  ScUwestorn 
von  der  hcüligea  Elieabcth,  BresUiu  IbüJ,  115  i5eiteu. 


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17.  Die  gegenw.  im  Gob.  d.  DUch.  Reich,  tb&tig.  Frauen-Geuossciiäcb.  231 


180  Xiederlassiiii^eii  mit  ca.  60ü  JScliwostrrn  in  Deutschlaud.  ferner 
2ialiliei("he  Niederlassungen  in  Amerika,  einii^e  auch  in  Oestorreicli, 
Holland  und  Eii^'land.  Die  deutschen  Niederlassungen  verteilen 
bicii  auf  die  Din/^^son  Köln  (54),  Limburg  (42).  Trier  (16),  Münster 
(4),  Paderborn  04  i  l;;i-iau  (2)  und  Fulda  i  1).  Ausser  zalil- 
reichen  Kleinkiadcrbewahr-  uud  Nähsciiuleu  IfMtcn  die  nniieu  Dienst- 
magdo  Christi  auch  höhere  Töchterschulen  (in  Limburg  a.  Lahn 
uud  in  Hoflieini  a.  Taunus). 

Die  St.  Hed \vigss(;li western  mit  dem  Miittcrhau^e  zu 
Breslau  (Ilirschstr.  29)  wurden  1S48  von  dem  Priester  und  späteren 
Domherrn  Robert  Spiske  zu  dem  Zwecke  gegründet,  verwaisten  und 
besonriera  Yerwahrlosten  Kindero  in  geistiger  und  leiblicher  Be- 
ziehung iiilfe  angedeihea  zu  lassen;  1859  erfolgte  deren  Erhebung 
zu  einer  religiösen  Oenossenschaft.  Bis  zum  Jahre  1871  entstanden 
ausser  dem  Stammhause  fUnf  weitere  Niederlassungen  mit  Schulen 
in  der  Didzese  Breslau,  sowie  zwei  im  preussischen  Anteile  des 
Bistums  Prag,  welche  jedoch  bis  auf  eine  einzige  (Wartha  bei 
Franlienstein  mit  Waisenanstalt  und  Spielscbule)  dem  Kulturkampfe 
zum  Opfer  fielen.  Im  Jahro  1886  wurde  ein  Haus  in  Bogutscblltz 
bei  Kattowitz  mit  Waisenanstalt  und  Haushaltungsschule  erölltaet 
und  1889  das  Mutterhaus  in  Breslau  mit  Rettungs-  und  Waisen- 
anstalt; femer  wurden  Filialen  zu  Schweidnitz  mit  Waisenhaus,  zu 
Steinseifersdorf  bei  Reichenbach  und  zu  Alt-Heide  bei  Glatz  er- 
richtet. Die  Genossenschaft  zählt  gegenwartig  ohne  die  Postu- 
lantinnen 104  Schwestern;  dazu  kommt  noch  das  infolge  des  Kultur^ 
kampfes  bezogene  Haus  in  Xezamislitz  in  Mähren  mit  40  Schwestern, 
welche  eine  sechsklassige  höhere  TOchterscbule  mit  Oeffentllcbkeits- 
recht  und  eine  Waisenanstalt  leiten. 

Die  Schwestern  des  allerheiligsten  Heilandes  mit 
dem  Mutterhause  zu  Oberbronn  im  f^lsass  (Diözese  Strassburg), 
1S49  von  Elisabeth  Eppinger  zu  Xiederbronn  als  „Schwestern  vom 
göttlichen  Erlöser'*  (Niederbronner  Schwestern)  ge<;ründet,  bilden 
eine  sehr  weit  verbroiletf».  ansehnliche  ( JeiKtsst  nschaft  für  ambu- 
lante Krankenpllege,  Leitung  \on  Spitülern  und  Armenhäusern, 
Klciiikindci bewahr-,  Kettungs-  und  Waisenauslali'-n  etc.  Die  Zahl 
der  Seil we.siein  und  Novizinnen  beträgt  gegen  1700.  welche  in 
ELsass  uud  Lothringen,  in  Baden,  Uav-in,  Hf>-seii,  Luxenibui'g. 
Belgien  und  Frankreich  wiriveii;  im  P.istum  München  l>eHfebon  18. 
im  liistum  Speyer  14.  in  der  l)i«izese  Jiamberg  11  Niedtrbissiingen 
der  Schwestern,  im  Bistum  Kegeabburg  1  (KnabenrettUDgsanstalt 
zu  Eschlbach), 


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*J32   Mitteiluugcu  d.  Qua.  t  duutacbu  Erziehungs-  u.  Schulgedch.  VIIL 


Aus  dieser  Genossenr^chalt  giui^cn  aussei-  zwei  österreichisehett 
Kongrejrationeii  fflif  .Trh  liter  des  ;:i'ttlirhfii  Heilandes*  mit  dein 
Mutterhausb  zu  Wien,  Bezirk  Neiiliau,  Ivaiserstrasse.  und  die 
„Töchter  des  i^ntiliclicn  Erlösers-  mit  dem  Mutt^riiaube  zu  Oedeii- 
burg)  her\ur  die  Töchter  vom  Iieiligen  Erlöser  mit  litm 
Mutterhause  zu  AVürzburg,  1866  entstanden,  mit  dem  gldrheu 
Zweclve  wie  die  voi-e;eiiaimte  Kongregation.  Die  Genossenscliatt  der 
Töchter  vom  lieiJi;;t'U  ilrlöser  ist  bereits  in  75  Orten  der  Diözese 
Würzbuig  \  erbreitet,  ferner  in  1  (Hte  des  Kizbisiuma  Baiubei-g 
(Scheinfeld).  Ausser  Kranken-  und  rirüüdiieraii»talten  haben  die 
Schwestern  zahlreiche  Kleinkinder-  und  Industrieschulen,  mehrere 
R^ttungsanstalten,  in  GemUnden  auch  eine  Idioteuanstalt  und  in 
littnnerotadt  eine  Marienanatalt. 

Die  Scln\  estern  von  der  chrib tlichen  Liebe,  1849  von 
]*auline  von  ^laliinckrodl  zu  Paderborn  zuiiä(dkst  zum  Unterricht 
und  zur  Pflege  der  Blinden  in  der  vuu  ihr  uud  dem  Geh.  Medizinal- 
rat Dr.  Schmidt  1842  errichteten  Privat blindenanstalt^)  gegründet 
wurden  durch  den  Kulturkampf  nach  Amerika  vertrieben,  yro  sie 
seitdem  an  zahlreichen  Orten  als  Lehrerinnen  wirken.  Im  Jahre 
1887  konnten  die  Schwestern  auch  in  Deutschland  wieder  ihre 
ThRtigkeit  fortsetzen  und  haben  derzeit  ausser  dem  Mutterhause 
zu  Paderborn  Niederlassungen  in  den  Didsesen  Paderborn  (8)  und 
KGln  (2,  darunter  eine  Bewahr-  und  Handarbeitsschule  in  der  Drei- 
königstrasse zu  Kdln)  und  in  Sigmaringen.  Femer  sind  einzelne 
Stationen  in  Belgien,  Oesterreich,  im  Fürstentum  Liechtenstein  und 
in  D&nemaric. 

Eine  vielversprechende  Genossenschaft  ist  jene  der  Schwestern 
Unserer  Lieben  Frau.  1850  zu  Coesfeld  im  Bistum  Münster 
gegründet,  welche  den  Bischof  Johann  Georg  MQller  von  Münster 
(gest.  1870^  als  Ihren  Stifter  verehren.  Nachdem  sie  infolge  des 
Kulturkampfes  nach  Amerika  Übersiedelten»  wo  sie  gegenwärtig  eine 
Prftparandinnenschule,  2  Akademien,  3  Waisenanstalten  und  150  Ele* 
mentarschulen  leiten,  konnten  sie  1888  auch  im  Gebiete  des 
Deutschen  Reiches  ihre  Wirksamkeit  wieder  beginnen.  Derzeit 
stehen  unter  dem  Mutterhause  zu  MOhlhausen,  Pfarre  Oedt  im 
Kreise  Kempen,  mit  einem  Mädchenpensionat  16  Tfichterhftuser:  je 
zwei  in  Bocholt,  wo  die  Schwestern  eine  Töchterschule  und  fUnf 
Bewahrschulen,  ferner  ein  Hospiz  für  Fabrikarbeiterinnen  leiten,  in 


Vf;l.  V.  W.  Woker,  Die  Vinkos  Iip  Frovituial-BlindflDaostalt  fttr 
Westtolcu  zu.  l'ailerboru  imd  öoest,  Faderburu  lbü7. 


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17.  Die  gegonw.  im  Geb.  d.  Dtacb.  Reich,  thltlg.  Frauen-Geiiossenach.  233 


Feldern  mit  Bewahrschale,  ferner  einer  landwirtschafüichen  Uaus- 
haltuDgs-  und  HandarbeitBscbitle»  in  Vechta  mit  Tochterschule« 
Pensionat  und  Elementarschule,  in  Cloppenburg  mit  Prftparanden- 
«nstalt  und  Töchterschule  bezw.  Idiotenanstalt  und  in  Münster  mit 
Hospizen  für  Dienstmftgde  und  fUr  Ladengehilfinnen;  je  eins  in 
Damme  mit  Wai.-enanstalt  und  Bowahrschule,  in  Duisburg  mit 
KAdchenhort,  Waisenanstalt,  Bewahr-  und  Ilandarbeitsschule,  in 
Kempen  mit  Töcliterschule,  Bewahrschule  und  Waiseuanstalt,  in 
Lol)ne  mit  Privatschule  und  in  Oldenburg  mit  Töchterschule  und 
UaDdarbeit88chiili\  Die  Zahl  der  Schwestern  beträgt  287:  dazu 
kommen  noch  21  Schwestern'  auf  zwei  holländischen  Stationen, 
sowie  ca.  300  in  Ameriiva  wirkende  Frauen,  wo  unter  dem  Pro- 
vinzialmutterhause  zu  (Jleveland  28  Häuser  stehen.  Die  Schwestern 
U.  L.  Frau  scheinen  für  das  nordliche  Deutschland  dasselbe  zu 
werden,  was  für  dns  sfidliche  diu  Englischen  Fräulein  sind. 

Die  Kongregation  der  Mai^de  Mariä  yom  der  Unbefleckten 
Empfringnis  im  Jahre  1850  durch  Kdimmd  Bojauowsky  in  der  Erz- 
diözeM'  ( iiK'sen-Posen  gegrOndet,  verfolgt,  die  Aufgabe.  Mädchen  zu 
ländlichen  Arbeiterinneu  und  Dienstboten  herauzubilden  und  ihnen 
überhaupt  durch  Wort  und  Beispiel  Liebe  zur  Feldarbeit  bei- 
zubringen, kieiue  Kinder  zu  bt  waliren,  sowie  Wai.seu-  und  Kr.tnicen- 
pflege  zu  üben.  Die  (  Jciinssensehafl  vei  lin  itete  sicii  IhOÜ  nach 
Polen,  18()l  nach  Galizii  n.  1870  nach  Loiuluii.  Iin  Bistum  Breslau 
ward  18»)G  die  erste  Kiedeiiussuug  in  l*()i-»'ml)a  \u-\  Leschnitz  ge- 
gründet, das  heutige  Mutterhaus;  im  ganzen  bestehL'ii  gegenwüiüg 
7  Niederlassungen  mit  ca.  60  Schwestern  in  dieser  Diözese,  darunter 
die  Idiotenanstalt  in  Lescbnitz.  Die  zahlreichen  galizischen  Nieder- 
lassungen,  sind  1890,  jene  in  Gnesen-Posen  1897  selbständig  gt3- 
worden. 

Die  Schwestern  von  der  göttlichen  Vorsehung  mit 
dem  Mutterhause  zu  Mainz  wurden  1851  auf  Anregung  des 
Bischofs  Wilhelm  Emmanuel  Frhrn.  yon  Eetteler  (gest  1877)  zu 
Fintben  (daher  auch  »Finthener  Schwestern*"  genannt)  gegründet. 
Zweck  der  Qenossenscbaft  ist  die  Erziehung  und  der  Unterricht 
der  weiblichen  Jugend,  sowie  die  Krankenpflege.  Durch  den  Kultur- 
kampf in  der  Ausübung  der  Lehrthätigkeit  behindert,  befasst  sich 
die  Kongregation  seitdem  bauptsftcblich  mit  der  Krankenpflege  in 
Spitalern  und  in  den  Wohnungen  der  Kranken»  ferner  mit  der 
Leitung  von  Kleinkinder-  und  Arbeitsschulen  >)  etc.  Qegenwfirtig 

')  Die  Bchwflttern  Athanaala  undEusebia  aus  der  Genoaaenachaft 
der  Schwestern  voa  der  göttlichen  Vorsehung  in  Mains  verfusten  daa  fttr 


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234   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Brziehungs-  u.  Schalgeech.  VUL 


zählt  dieselbo  mit  Einschluss  der  in  Amerika  wirkenrlen  Schwestern 
ca.  600  Mit*i;lierlt'r.  Unter  dem  ^Muttorliaiist'  zu  Maioz  stehen 
61  Tdehterhruisrr.  wovon  50  im  I^i.stiiia  Mainz  gelej^eu  sind.  Die 
Srliweslern  leiten  5  Spitäler.  47  Kleiükinderbewahnmstalten,  36  iü- 
duslrieschulcD,  2  IlaushaltuDgsschulen,  3  Waisenhäuser,  1  Pfründner- 
haus, 1  Armenhaus  und  1  Dienstbotenheim. 

Die  Schwestern  vom  heiligen  Geist,  mit  dem  Mutter- 
liaiise  zu  Coblenz  (Marienhof),  sind  wie  die  eben  genaonten  Schul" 
und  Krankens(  hwestern,  versehen  indes  gleichfalls  seit  der  Zeit 
des  Kulturkampls  nur  noch  die  Krankenpflege,  ferner  Waiseu- 
anstalteu,  Industrie-,  Näh-  und  Bewahrschnlfn.  Im  Bistum  Trier 
bestellen  12  Niederlassungen  dieser  Frauen  mit  78  Schwestern, 
30  Novizinnen  und  24  Postulantinnen,  welche  ausser  der  Kranken- 
püege  in  Dudweiler  ein  Waisenhaus  und  eine  Industrieschule,  in 
St  Johann  die  Waisenpflege,  in  GQls,  Illingen  und  Neuendorf 
(Wallersbeim)  je  eine  Nah-  und  Bewahmhtüe,  in  Trittenheim  eine 
Bewahrscbiile  versehen. 

Unterrieht,  Erziehung  und  Kranicenpllege  haben  auch  zum 
Zwecke  die  Schwestern  der  christlichen  Schulen  von  der 
Barmberzigiceit  mit  dem  Mutterhause  zu  HeUigenstadt  (Diözese 
Paderborn).  Biese  Genossenschaft  wurde  1862  gegrOndet,  indem 
vier  eichsfeldische  Lehrerinnen  Kleid  und  Begel  der  Schwestern 
der  christlichen  Schulen  von  der  Barmherzigkeit  zu  St.  Sauveur- 
le-Vicomte  in  der  Normandie  annahmen.  In  Deutschland  bestehen 
zur  Zeit  20  Niederlassungen  dieser  Flauen  in  den  Bistümern 
Paderborn,  HUnster,  Trier  (zu  Marpingen),  Limburg  (zu  Ems)  u.  s.  w.; 
die  Zahl  der  Schwestern  betrftgt  168.  Ausser  der  ambulanten 
Krankenpflege  besorgen  die  Schwestern  Handarbeitsunterricht, 
KiiKlerbewahr-  und  Sonntagsschulen  und  tutbrn  5  höhere  Mädchen- 
schulen mit  Pensionaten  zu  Kassel,  Metz,  Lippstadt,  Ahaus  und 
HeUigenstadt, 

Die  Genossenschaft  der  Marienschwestern  mit  dem  Mutter- 
hause in  Breslau  (Oräupnerstr.  10).  1863  von  Johannes  Schneider 
Kurat,  spater  Pfarrer  von  St.  Matthias  in  Breslau,  gest.  1876,  aus 
den  I^f lt»^nnTien  des  von  ihm  errichteten  St,  Marienstifte?  '^'ehildet, 
verfitli:!  als  Zweck :  die  sittliche  llrluiUL'  w  eibli«.-lier  1  Heiislboieu, 
<lie  Aiifn.ihioe  und  iieranhildiiiiL^  junircr  Diciisinmdclieu  sowie  deren 
Plazierung,  die  Pflege  kranker  und  altersschwacher  Dienstmädchen 

Kindergarten  und  Kinderbcwabrschulen  sehr  brauchbare  Werk:  .XOtzUche 
Be»«chnfti;2^iiniron  fiir  die  Kii^inon,  Vademecuin  für  Kleinkinderacbulen  und 
die  Faiuilieu",  li.  Aufloj^e,  Maiuz  IbüQ.  > 


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17.  Die  gegenw.  ia  Geb.  d.  Dtach.  Reich.  thAtig.  Franen-Genossenseh. 


im  Hause,  ferner  die  Leitung  toh  HaueliaUuugs-  und  Arbeitesehulea 
und  Yon  Eleinkinderbewabranslalten,  endlich  die  ambulante  Kranken- 
pflege. Niederlassungen  sind  zu  Breslau  mit  Hospital,  Pensionat 
für  Haushaltungs-  und  Handarbeitsschnle  und  Spielschule,  zu  Berlin 
(Melchiorstr.  31»  Fehrbellinerstr.  98  und  Lausitzerstr.  41),  zu 
Keukirch  bei  Breslau,  Ratibor,  Lindenau,  Settendorf,  Kunersdorf, 
Heinriebau  und  Boanitz.  Die  Zahl  der  Schwestern  betrftgt  Aber  100. 

Die  Dienerinnen  des  hL  Herzens  Jesu  mit  dem  Mutter- 
hause  zu  Wien  III.  Landstr.,  Hauptstr.  137,  1873  von  Viktor  Braun 
in  Wien  eingeführt,  leiten  in  DeutsehUnd  ein  Kinderasyl  in  Efihr 
a.  d.  Mosel  (Diöz.  Trier),  eine  Bewabranstalt  in  Lorchhausen  a.  Rh. 
(DiOz.  Limburg),  und  eine  Bewabranstalt  und  Arbeitsschule  in 
KoiiigshUtte  (Diöz.  Breslau).  Die  Zahl  der  in  Deutschland  -wirkenden 
Schwestern. ist  31,  wälirend  in  Oesterreich  826  Schwestern  io  13 
Niederlassungen  als  Krankenpflegerinnen  u.  s.  w.  thätig  sind. 

Die  jüngste  der  in  Deutschland  thätigen  FraueiiLTt  nossen- 
schaften  ist  dir  erst  zu  Ende  des  Jahres  1897  in  Berlin  ent- 
standene der  Karmeliterinnen,  Dienerinnen  vom  göttlichen 
Herzen  Jesu.  Zu  dieser  Zelt  vereinigten  sich  die  Pflegerinnen 
des  im  Norden  der  Stadt  (Paj)pelallee  110)  für  Aufnahme  imd 
Erzieiiiiiig  armer  Kinder  gegründeten  „St.  Josephsheim,  Heimat  für 
heimatlose  Kinder"  zu  einer  klösterlichen  Genossenschaft,  welche 
bereits  50  ]\Iit'_;lieder  zählt  und  ausser  dem  Il;iiii»ihaii.se  /ii  Hi  rlin  N. 
mit  200  Kindern  Anstalten  zu  Weisseusee  imd  S(  h("»ueberg  bei 
Berlin  für  grössere  Schulmädrlieii  und  zu  Vechta  im  <  ihh'iiluiiijischen 
für  grössere  Knalieu,  tenier  zwei  Filialen  in  Oevterreich  ((iraupeii 
und  Teplitz  in  Böhiueuj  besitzt.  Zni^'leirh  widun  n  sidi  die  Sfliwf>ieia 
in  Berlin  der  Leitung  von  Kindel  hui  ten,  in  <lenen  Kindel'  unter 
6  Jahren  und  zwar  solche  aus  den  uuter?5leu  Vulksklasseu  von  früh 
bis  abends,  sowie  schnlpllichtige  Kinder  während  ihrer  freien  Zeit 
angemessene  Beschäftigung  erhalten. 

Das  sind  mehr  als  siebzig  vprs(  hiedent'  Frauengenossen- 
schaften, deren  zahlreiche  Mitglieder  sich  gegenwärtig  im  Gebiete 
des  Deutschen  Reiches  entweder  ausschliesslich  der  Erziehung  und 
dem  Unterrichte  der  Jugend  widmen,  oder  wenigstens  durch  Leitung 
von  Waisen-  und  Rettungsaustalten,  Ton  Kleinkinderachulen,  Arbeits- 
schulen, Dienstmädchenheims  u*  s.  w.  an  der  Belehrung  und  £r^ 
Ziehung  der  deutschen  Jugend  nach  Krftflen  mitarbeiten.  Wohl 
Ifisst  sich  statistisch  feststellen,  wie  viele  Schulen  und  Anstalten 
diese  Ordensfrauen  leiten,  wie  viele  Kinder  sie  unterrichten  und 
erziehen;  nicht  aber  Iflsst  sich  in  Zahlen  ausdrttclcen  die  riesige 


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236   Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsdie  Brslehungs*  u.  Schulgeeeh.  vm. 


Summe  Toa  Mühe  und  Zeit,  welche  sie  behufs  ErreiGhung  ihres 
Zieles  aufwenden,  nicht  die  Zahl  der  Opfer,  die  sie  in  Ausfibung  ihres 
Berufes  bringen,  nicht  auch  die  Erfolge  selbst,  welche  sie  auf 
ihrem  oft  sehr  schwierigen  Arbeitefelde  erringen.  In  einer  Zeit, 
in  der  Kinder  und  beranwacbsende  Jugend  so  vielen  und  grossen 
Gefahren  ausgesetzt  sind,  ;ist  die  uneigennfiteige  Thätigkeit  der 
deutschen  Ordensftnuen  hCchst  anerkennenswert,  und  darum  gewiss 
der  Wunsch  berechtigt:  MOge  Deutschland  niemals  yergessen,  was 
es  seinen  Ordensfhiuen  zu  verdanken  hat!  M6ge  aber  auch  der 
Wirksamkeit  der  deutschen  Ordensfrauen  mit  Gottes  Gnade  stets 
reicher  Erfolg  zuteil  werden!^) 

Vgl  im  eiuzelueu  Uber  die  hier  aufgeführten  Frauengeoosaen- 
achaften  die  eitiecblaglgen  Artikel  des  Kirchen  lex  ikon  vonWetzer  und 
Welte,  2.  Auflage,  ferner  daa  Werk:  Max  Heimbucher,  Die  Orden  und 
Kongregationen  der  kaiholiwhen  Kirche.  SBftnde,  Paderborn  1896  und  1807« 
688  und  466  Seiten. 


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18.  Die  Universität  Paderborn.  Erster  Teil  Von  Joseph  Freison.  237 


18. 

Die  Universität  Paderborn. 

Erster  Teil:  Quellen  und  Abhandlungen  von  1614—1808. 

Von  Joseph  Freisen,  Doktor  der  Theologie  und  beider  Rechte.  Ehren- 
doktor des  kan.  Bechts  der  Jar.  Fakidtät  der  Universitftt  Budapest,  Pro- 
fessor des  Kirehenreehts  in  Paderborn. 

Mit  den  Beformbestrebnngen  mr  zweckmässigen  Ansgestaltang  der 
Hochschulen,  welche  in  weiteren  «kadenischen  Kreisen  gegenw&rtis  leb- 

hafte  Erörterung  finden,  liat  sich  die  gelehrte  Forschung  seit  Decciurfen 
der  Geschichte  der  Universitäten  zugewendet  und  sich  zur  Aufgabe  ge- 

mncht,  die  frühere  Gestnltunj^  noch  bestehender  Hochschulen  nnd  vcn\Th{er 
Bildungsstätten  urkuiulcnniassig  ilarziistclleii.  Es  sei  hier  erinnert  an 
die  Arbeiten  vou  l\  Heinrich  Denifle,  P.  Ebrle,  Horu,  G.  Kaufmann, 
Paulsen  u.  s.  w. 

Eiue  umlaugreiche  Gcscbiclilc  der  früiiereii  Universität  Paderborn 
bereitet  der  gelehrte  Professor  des  Kirchenrechts  Josef  Freisen  vor  und 
TerüffentUcht  den  ersten  Teil  seiner  wertvollen  Studien  in  dem  vorliegenden 
Bande,  dm  er  den  Titel  „Quellen  nnd  Abhandlangen"  gegeben  hat,  da 
„er  sich  nicht  damit  begnOgte,  blos  die  Quellen  zum  Abdruck  zu  bringen, 
sondern  dazu  auch  einleitende  historische  Briftuterungen**  gefDgt  hat  (Vor> 
wort  S.  IVj. 

Seit  Jahren  schon  sammelte  der  fleissige  Gelehrte,  seiner  eigenen 
Mitteilung  nach,  die  Urkunden  für  Ausarbeitung  einer  Geseliichte  der 
Universitiit  Pmlerborn.  Er  fand  reich.'  Ausbeute  in  der  „Bibliotheca 
Theodoriana"  zu  Paderborn,  die  ciue  (grosse  AuT^ah!  von  bischer  unbe- 
kannten Manuskripten  aus  der  Zeit  der  irunercn  Lniversität  bewahrt, 
ans  denen  sich  eine  Tollstaudige  Geschichte  dieses  „studinra  generale 
herstellen  Iftsst  Aber  auch  bereits  terOffentlichte  Urkunden  hat  er  in 
reichlicher  Anzahl  aufgenommen.  So  ans  „mehreren,  wenn  auch  nicht 
direkt  mit  der  früheren  Universitiit  sich  befassenden  Schritten**  des  Ober- 
lehrers nnd  Bibliothekars   der  Theodoriauischen  Bibliothek  Richter  tu 


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288    Mitteilungeci  iL  Ges.  f.  deateehe  Bndehiitigs-  n.  Schalgeseh.  VIIL 


Paderbora,  f&r  dessen  frenndliche  Unterstntzniig  der  Terfasser  sich  m  be- 
sonderem Danke  veipflichtet  füUt>) 

Auch  das  innerhalb  der  MOP  orschieaene  Pachtler'sche  Werk 
•Ratio  ötadiorum  et  Institationes  ScholasUcae  Socictatis  Jesu*"'')  hat 
Freisen  mit  rückhaltloser  Anerkciiimnor  seines  Wertes  benutzt,  die  aaf  die 
frühere  Universität  Paderbuni  bezUglicbeu  Urkuadea  aber  bedeutend  ver- 
mehrt.   (Rand  IX,  Vol.  III,  S  191  ff. 

Drei  Stiftangsin  künden  \^S.  1  —  12)  der  Padcrbürner  Universität, 
erOftien  die  Sammlung.  Während  seit  der  lütte  des  13.  Jahrbonderts  Ütr 
den  rechtmflssigen  Bestand  einer  Hoebschule  entweder  ein  päpstlicher 
oder  ein  Itaiserlieher  oder  landesherrlicher  Stiftnngsbrief  notwendig  war, 
warde  die  UniversitiU  Paderborn,  wie  das  sonst  nur  bei  wenigen  Hoch- 
schalen der  Fall  war,  durch  drei  Stiftangsurknnden  ins  Leben  gerufen, 
durch  eine  fflrstbisrhöflirhe,  eine  päpstliche  und  eine  kaiserliche.  In  der 
ersteren  i^vom  lu.  Sept.  1614)  logt  der  um  das  Schul-  und  Studienwesen  in  der 
Paderbomer  Diözese  hochverdiente  Fürstbischof  Theodor  von  Fürstenbers: 
die  edlen  Gründe  dar,  welche  ihn  bei  seiner  Stiftung  leiletcu,  wabteiid  die 
päpstliche  (vom  2.  April  1615)  die  Bestätigung  der  Stiftung  Theodors  als 
UniTersitas  atndii  generalis  unter  Leitong  des  Paderbomer  JesnitenkoUegiams 
nnd  Oberleitong  des  Ordensgenerals  und  die  AuBstattnng  mit  Privilegien» 
wie  sie  die  bereits  bestehenden  TJniTersitMen  besessen«  ausdracktf  die  dritte 
{▼om  14.  Dezbr.  1G15)  aber  die  kaiserliche  Bestätigung  onthült 

Die  allgemeinen  „Statuten  der  UniversitiU"  (S.  12—28).  welche 
nach  dem  Vorbilde  anderer  Universitäten  entworfen  wurden  und  eine  rege 
Korrespondenz  mit  anderen  Uocli>rliulen  verajilas«sten,  werden  nebst  mehreren 
Onginuiien  dieser  Korrespondenz  zum  Abdruck  gebracht,  ebenso  wie 
die  besonderen  „Statuten  der  philosophischen  Fakultät", 
die  erst  später  ^  zwischen  1614—1630  —  (S.  28—41)  erlassen 
Warden  und  die  „Statuten  der  theologischen  Fakultät*  (S.  42 — ^72), 
Ton  welchen  letzteren  Freisen  nur  die  ältere  (erste)  und  die  letite 

Richter,  Wilhelm,  (^e-^ehichto  dor  Padorbomor  .Tepiuiten.  )892. 
— .  Studien  und  (^ueilea  zur  Padcrboroer  Geschichte,  1093. 
— ,  UandschriftenversfichnlB  der  Theodoriiinisehen  Bibliothek  su 
Paderborn,  1896. 

')  Pachtler  S.  Jm  Ratio  Studiorum  ot  Inetilutiones  schola^ticue  Soci^tatie 
Jesn  per  G<?nnaniam  ».Um  vi^^  ntes.  CoUeetae.  conciooatae,  diiucidatae 
4  starke  Bünde.    Monum.  tierm.  l'aed.  II,  V.  IX,  XVI. 

„Die  gonunnten  vier  Volumina  bilden  für  sich  eine  abgeschlossene 
AktonsammluDg  Uber  die  Unterrichts-  und  Ersiehungemethode  der  Gesell- 
scheft  Jesu  und  sind  ein  Bhrendenkmnl  für  den  Orden  und  die  Kirche, 
welcher  or  anjrehürt.  Ursprünglich  auf  eochs  V"lniniii;i  beri  elinet,  wurde 
die  Arbeit  äpaier  auf  4  ein^'eschrJlnkt.  T)io  drei  t  i  srcn  sind  von  P.  P.u  htler 
bearbeitet,  das  vierte  ist  nach  seinem  Todo  von  P.  Duhr  herausgegeben, 
jedoch  hatte  letiterer  an  dem  von  Pachtler  grOestenteils  noch  gesammelten 
StoiF  nur  die  letzte  Redaktion  su  besorgen.*  Freisen,  Vorwort  8. 1  f. 


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18.  Die  Uuiverbitat  Paderborn.  Erster  Teil.  Vou  Joseph  Freisen.  239 


Rezension  von  1C54  migleicli  mit  den  vorbandeueu  liandbemerkougeu 

mitteilt. 

Die  augeschlosseiiea  „Nachträge  zu  den  Statuten-  (S.  73 — 79) 
«nUialten  interessante  Nacliricliten  von  den  Privilegien  der  Univenitftt 
DQlingen.  Ton  der  Gerichtsbarkeit  an  der  UniTersitSt  Paderborn,  von  einer 
Aberkenming  des  Doktorgrades  n.  s.  w. 

Aach  von  den  näheren  Beetimmnngen  ttber  die  Promotionen, 
welche  in  bereits  abgedrnckten  Quellen  enthalten  sind,  werden  „einige 
besondere*^  mitgeteilt  und  von  einer  einleitenden  Abhandlung  tlber  „Das 
PmTnotionsrf'cht  der  T'nivcrsitfit'^  begleitet,  in  welcher  der  Verfasser 
tiberzoiigend  luicliweist,  lUis.s  dieses  Proniotinnsrecht  in  beiden  Fakiilt;\ten 
der  Philosophie  und  der  Tiieoloiijie  weder  dureh  ein  bestimmtes  Gesetz 
ausdrücklich  aufgehoben,  noch  durch  die  Umgestaltung  der  Universitüt  in 
die  „Bischöfliche  philosophisch-theologiscbo  Lehraustalf^,  noch  durch  Nicht* 
ansflbnng  verioren  gegangen,  sondern  noch  heute  ein  unantastbares  Privi* 
leginm  der  Paderborner  Anstalt  sei. 

Die  «die  Scfaulgebrlvche  der  niederrheinischen  Ordens* 
provinz**  (1701)  betreffenden  Satzungen  (S.  89—95)  sind  entnommen  den 

Consuetudines  Provinciae  Rheni  Inferioris  Jnssn  et  Am  Toritate  Adroodum 
Rdi  Patris  nostri  Th\  rsi  Gonzalez,  von  denen  der  Verfasser  wegen  des 
Zweckes  seiner  Arbi  it  nur  Ciipitel  '  fi>e  iis,  quae  ad  Scholas  referuntnr) 
und  7  fDo  Sodalitatibiis^  mitteilt.  Auch  die  Bestimmungen  Uber  die 
Paediigogia"  d.  i.  Lnieinsclmleni,  welcln'  für  Scliolaren,  die  mit  uerinu'en 
Keimtnissen  in  den  Elementen  der  GrumnuUik  auf  die  Universität  kamen, 
eingerichtet  waren,  werden  S.  95 — ^99  wiedergegeben.  Ton  den  Kalendarien 
(Schulkalendem)  der  Paderborner  Universität  (S.  100—144)  lässt  der  Ver- 
fasser Tier  ihm  zn  Gesicht  gekommene  wörtlich  abdrucken,  weil  sie  viel 
Material  zur  genauen  Würdigung  der  Tbatigkeit  an  der  Universit&t 
enthalten  und  darum  ihre  Kenntnis  kulturhistorisches  Interesse  haben 
dürfte,  aus  welchem  Grunde  auch  die  Xotae  ad  Calendnriam  Si  holasfi- 
cum  iH.  114— nTipepfhlosseii  \verdi>n,  die  im  Verein  mit  den  Külcntlarien 
ein  penanes  lüld  von  <lem  inneren  Leben  der  Padf»rborner  UniviTsitiU 
geben.  „Die  juinuliose  Genauigkeit,  mit  der  aucli  das  kJeiuste  Vorkonunnis 
geregelt  war.  verbinderte  Willkflrregiment  und  konnte  mancher  BUdung:^- 
Anstatt  unserer  Zeit  zum  nachzuahmenden  Muster  dienen."  >) 

Nachdem  der  Verfasser  auf  S.  167 — 171  eine  genaue  Beschreibung 
der  „drei  Matrikelbflcher  der  Paderborner  Universität'*  (älteste 

')  Diese  .Calendaria  Scholastica"  und  ,Notae  ad  t  ulendarium  bcho- 
lasticum"  hat  Freisen  ula  „zeiliger  Dekan"  dem  , Verzeichnis  der  Vor- 
lesungen,  welche  an  der  Bischöfl.  philosophieeh -theologischen  Lehranstnlt 

au  Paderborn  wahrend  dos  Wiater-Semeaters  !F9H  !»9  gelialten  werden"  ala 

dif«j?lhrltr^j^  Pro^rremm  vfinltueken  lassen,  weil  „die  Keiintiiis  derselben 
auch  für  die  heut4|j;eu  Paderburuer  akademiächeu  Bürger  eiu  Iuterei»äe 
haben  dürfte." 


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240    Alittcilvuigeu  d.  Gea.  f.  deutsche  Erziehuiiga-  u.  Schulgesch.  VIII. 


Matrikel  von  1G37— 1811.  2.  Matrikel  vou  1807—1840'),  o.  Matrikel  von 
1844  bis  jetzt-)  gegeben  bat.  entwirft  er  S.  172—185)  in  wenigen  Zttgen  von 
dem „P ade rborn erStaden tenl eben'* ein Ideines,  aber interessftntes Bild, 
denen  YervollständigQng  nnr  mOgUcb  aein  würde  dnrch  Herausgabe  der  Tage- 
Ii  ik  Ii  er  der  Stndienpriifckten,  der  jeweiligün  Rektoren  und  der  Annalen  des 
Kollegiums»  wie  solche  bereits  vom  Oberlehrer  Richtt^r  dun  h  Veröffent- 
lichnng  ciii-'^  Ausznjres  aus  dem  Tagebuche  des  Srnflicnpräfektcii 
P.  II.  Hoxinix  >.  .1.  begniiiieii  wdnlcn  sei").  Als  Er^änzuiiir^  der  Richtcr'si'hen 
VerürtVntlichuiigea  giebt  der  Verfasser  neue  andere  Sdirifuiücke  ähnlicher 
Art,  die  einer  späteren  Zeit  cutÄtaiiimen,  aber  bisher  noch  nicht  veröffent- 
licht wurden. 

Es  folgen  sodann  die  Urkunden,  wdcbe  die  Anfhebnng  des  Jesuiten- 
ordens (1779)  betreffen. 

Der  Verfasser  giebt  zugleich  eine  gedrtagta  Gesciucbte  der  bexflg- 

lichrn  Verhandlungen,  ilie  flbrigens  auf  den  Bestand  cler  ünivfrsität  keinen 
Eintiuss  liatfon.  „Es  blieben  nn  dem  riymimsium  und  der  Universität  die 
bishonL:cii  Professoren  in  Tiiätigkcit.  Nach  ihrem  Aussterben  wurden  sie 
ersetzt  durch  Weltj^tistlidie,  welche  aus  dem  am  29,  Oktober  1777  in 
Paderborn  gcgrüiidctcu  Tiiesterseminar  hervorgingen." 

Zum  Schlüsse  sind  noch  geschichtliche  und  urkundliche  Mitteilungen 
Ikbcr  die  Jesuiten^  oder  UnirersitAtskirche  (S.  221—226  and  aber  da» 
rechtliche  Schicksal  des  EijesaitenTennOg^  S.  226 — 246}  gegeben. 

IMe  fieissige  und  gewissenhafte  Sammlang  der  Quellen  and  die  ein- 
leitenden historischen  Erläuterungen,  die,  in  gedrängter  Kürze  verfasst, 
eine  tiefe  und  umfassende  Grelehrsamkeit  auf  den  Gebieton  dos  Erziehungs-, 
Unterrichts,  »ind  Stiulienwesens,  der  Kulturgeschichte  und  d>-r  ciyischla?:<'n- 
di  ii  K'  ciit.'-vi  rhultiiisso  verraten,  verhcissoii  riii  wertvolles  Werk,  zu  dessen 
Vulieuduiii;  dem  hervorragenden  Gelehrten  Gesundheit  and  Kraft  erhalten 
bleiben  möge.  K.  K. 

')  Von  1S07  ab  wurden  die  TIio ologio^Studierenden  nicht  mehr  in 
die  alte  sondern  in  diese  zweite  Matrikel  eing^otragen. 

•)  Die  dritte  Matrikn!  wijrdr  angelegt  als  an  Stelle  der  alten  Uni- 
ver^itiit  die  pbiIo8ophi»ch-theoIogische  Lehranstalt  gegründet 
wurde. 

^  Richter,  Wllh.  Aus  dem  Tagebuch  des  Paderbomer  Studienprftfeeten 

P.  H.  Re.xing  S.  J.  (1665  — 1CG7)  in  „Mitteilungen"  herausgegeben  von 
Iv,  Ke]irbai'!i.  .Ihr;r.  TV,  S.  5!7 — 27n  Auf  d^n  Wrrt  der  Tagebüchnr  df^r 
iStiidienprülekten  am  Paderbomer  Jesuitennymnasien  hat  Kictuer  hinge- 
wiesen in  seiner  Abhandlung  Uber  , Paderbomer  Jesuitendramen  von  1592 
bis  1770*  »Mitteilungen-  Jhrg.  IV,  S.S— 16. 


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GeachBftlicher  T«iL  Pflnfte  ordentliche  titeneralveräammliuig.  241 


Geschafdieher  Teil 

Fünfte  ordentliche  Generalversammlung  der  Gesellschaft 

für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte. 

Mittwoch,  den  18.  Mai,  abends  6  Uhr  im  Konferenzsaale  des 
Kgl.  WllhelmsOymnasiums  in  Berlin  W. 

Tageaordnung: 

Bericht  dea  Prof.  Dr.  Karl  KehrtMich  Ober  die  Thatigkeit  der  Geeelleehaft 
und  ihre  seit  der  letzten  Gen^ralvereammluDg  erschienenen  Ver- 

•jfrentlichungen. 
Berich f  dpa  Schatzmeitsterö  l'roi.  ii.  Keehüor. 
Wühl  dfü  Kurutoriuuis  auf  die  uächäten  drei  JuUrc. 
Besehlumfassung  Ober  einen  Antrag  betrelTend  die  Subventionierung  der 

Veröffentlichungen  der  Getellschaft. 

Herr  Prof.  Dr.  Dörini?  oröflFneto  dieVersaminlungmit  einer  Begrllssnng 
der  lunvescndeu  Mit^llrilor  der  (icsellschafl  iiiul  setzte  die  Gi*ünde  aus- 
einander, welch»'  tlic  l'"iribf'rufunir  der  filnltcn  (i'  li  ral  Vcr^^ainmluiig  vcr- 
zügertoii.  Hierauf  gidaclitc  er  in  eiii^  ni  kurzen  >iut  hruf  der  verstorbenen 
VorslaiidsmitgUcdcr  —  des  Propstes  J  alincl  im  i  des  Prof.  l).  Lo  luuiatzscli 
—  m  deren  Ehrung  sich  die  Anwesenden  von  ihren  Sitzen  erhoben. 
Nachdem  Prof.  Dr.  Döring  znm  Vorsitzenden  der  Versammlung  gewählt 
worden  war,  und  das  Vorstandsmitglied  R.  Aron  die  FQhmng  des  Protokolls 
abemommen  hatte*  wurde  dem  ersten  Schriftführer  das  Wort  erteilt. 

B«ridit  de«  eratan  Schriftfflbreis  FroH  Dr«  KelulHMli. 

* 

Meine  Herren!  Als  ich  anf  der  letzten  GeneralTersammlnng  Uber  die 
Honnmenta  berichtete,  konnte  ich  mitteilen,  dass  Ton  deren  Ausgabe  der 
15.  Band  erschienen  und  der  16.  in  Vorbereitung  sei. 

Band  15  ist  der  3.  Teil  der  von  dem  Obersten  B.  Puten  unter- 
nommenen Darstellung  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  Militärbildungs- 
wesens in  den  Ländern  flentscher  Znnee  und  entli'iU  die  Geschiclif"  der 
östcrroirliischen  Einrichtungen,  deren  Inlialt  ich  in  den  II  luptzuLreu  damals 
charakterisiert  habe.    Das  nnifaiigrciche  Werk  Poteiib  ist  itiiwischen  nach 

MIUeiluDgeo  d.  Ges.  f.  ütutsche  KtziaU.-  u.  ächulf^tiachichte.  VllI  2,3  l!^i«tS.  |g 

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242  Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Endefaungs-  tu  Bchulgesch.  Vin. 


dem  Encheinen  des  17.  und  18.  Bandes  znm  Abseblnss  gebracht  worden, 
nnd  es  stellt  nnr  noch  der  Naineii>  und  SichregtstertNuid  ans,  der  den 
reichen  Stoff  der  5B&nde  unter  Stichworte  gegliedert  gleichsam  in  kristalli- 
sierter Form  noch  einmal  darbieten  wird. 

Band  17  bringt  die  Geschichte  des  preussisclien  Militfirbildinip* 
Wesens.    Der  erste  HohenzollernfQrst,  wcIchtT  die  Notwendiglceit  der 

wissenschaftlichen  Bildung  der  Offizirrc  erkannte  und  bct<uitr>.  war  Allu  oclit  I. 
der  letzte  Hochmeister  dl"^  doiitsrbi-ii  Ordens.  Aber  erst  naeh  einem  Jahr- 
hundert führten  seine  Aniichtcn  zu  oineni  {praktischen  Ergebnis,  als 
nämlich  der  grosse  Kurftlrst  im  Jaiire  liiöo  durch  Gründung  der  Ritter- 
akademie zu  Kolberg  eine  Anstalt  sur  Ausbildung  seiner  Offiziere  ins 
Leben  rief.  Poteu  entwirft  ein  deutliches  Bild  der  Terschiedenartlgen  Be- 
atrebongen  anf  dem  Gebiete  des  Uilitftrbildnngswesens  nnter  den  einzelnen 
preussischen  Königen  und  legt  sodann  den  EntwicUongsgang  der  militärischen 
Fachschulen  fQr  Artillerie,  Ingenieure,  Pioniere  u.  s.  w.  dar. 

Obwohl  die  kriegswissenschaftliche  Intti  i-alur  Preussens  eine  grosse 
Aasdehnung  angenommen  hat,  so  ist  doch  das  vorlicL'ende  Werk  das  erste, 
durch  welrhr  s  eino.  zusnmmenhäDgende  Geschichte  der  preussischen  Militär- 
erziehung L;ef;eben  wird. 

l>pr  uiniiittelbar  folgende  18.  Band  behandelt  in  alphabetischer  Reibeii- 
folg>'  <lie  milituiischen  Bilduagsbostrcbungen  und  -Anstalten  in  Sach.sen, 
Schuumburg-Lippe,  Schleswig-Hokteiu,  in  der  Schweiz,  dem  Königreich 
Westfalen  und  Wtirttemberg. 

Sachsen  besitzt  In  dem  1692  in  Dresden  begrflndeten  Kadettenkorps 
die  ftlteste  nnter  den  gegenwärtig  in  den  Ländern  deutscher  Zunge 
bestehenden  militärischen  Erziehungsanstalten. 

Die  Schaumburg-Lippische  Anstalt  auf  dorn  Wilhelmsteiu  im  Stein- 
hader  Meer  bezeirhnct  Puten  als  >dic  ci.i;(  iitlichc  und  ursprüngliche 
Heimatst;ttte  unserer  Ofriziers-Uiitei  rii  litsunstalten.'*  Zwei  bcdentr-nde 
Schüler  dieser  Ai)»t;ilt.  Scharnhorst  und  sein  Freund  von  Zcscliau,  waicn 
berufen,  uu  der  Reform,  jener  des  preussischen,  dieser  des  sächsischen 
MilitflrbilduDgswesens,  hervorragenden  Anteil  zu  nehmen. 

Unbekannt  dürfte  woU  den  meisten  sein,  dass  während  der  Erhebung 
der  Elbherzogtttmer  die  schleswig-holsteiniscbe  Armee  Anstalten  hatte«  in 
denen  Fahrer  herangebildet  wurden. 

Konnte  sich  überall  in  diesem  Bande  wie  in  den  Torhergehendea 
die  Darstellung  auf  bisher  gamicht  oder  wenig  bekanntem  oder  nicht  be- 
nutztem Aktcnmnterial  aufbauen,  sn  vereasten  diese  wichtigen  Hilfsmittel 
bei  dem  Bericht  Uber  die  Militarbildnngsunstaiten  im  ehemaligen  Königreich 
Westfalen  (IbOb — T^IH)  <j;mzlirh,  da  ilie  hervorrapcnden  Einrirhtungen 
unter  Jcröme  zugleich  mit  den  darauf  bezüglichen  Urkunden  nach  der 
^edererrichtung  des  Kurfttratentums  der  Yemichtung  anheimfielen. 

Die  Bedeutung  eines  Werke?  ttber  das  gesamte  militärische  Er> 
ziehnngs*  nnd  Unterrichtswesen  in  Deutschland,  Oesterreich  und  der  Schweiz 


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Oosch&ftiicher  Teil.  FUofte  ordeotUcbe  Geueralversammluog.  24S 


1-eicht  weit  Uber  die  Grenzen  des  engeren  Frt'Mi^obietes  hinaus,  da  die 
Erkenntnis  eines  wichtitrfin  Faktors  der  staatlKhuii  ]',iihvirklung  vermittelt. 
Dies  trifft  besonders  auf  die  Gescbiciite  des  Miiuurbildangswesens  in 
Prenssen  dass  seine  poMtische  Grösse,  hanptsftclilich  der  Tonsttglichen 
Entielinng  seines  IditAn  verdankt.  Hoffentlich  Verden  nach  der  Poten'sehen 
Aiheit  die  Historiker  der  Pädagogik  diesen  Teü  der  Erdebungsgesehichte 
unseres  Volkes  nicht  mehr  mit  StiUscbweigen  Qhergehen. 

Tollendet  ist  seit  der  letzten  GeneralTenammlnng  anch  ein  anderes 

bedcntsames,  aus  1  Bänden  bestehendes  Werk,  die  Ratio  studionim  et 
institutionos  sclidlastirac  S  Jesu,  und  zwar  ist  <k'r  letzte  Band,  zu  dem 
das  Manuskript  bis  auf  wenige  Zugaben  noch  von  dem  P.  Pachtler  her- 
][jPSto11t  >Ynr(Icii  war,  nach  dessen  Tode  von  P.  Duhr  ediert  und  mit  einem 
ausführlichen  auf  alle  4  Bände  der  Jesuitica  sich  erstreckenden  Namen« 
und  Sachregister  versehen  worden. 

Der  Schlussband,  der  seit  der  letzten  Generalversammlung  erschienen 
ist,  enthftlt  in  Minem  ersten  Teile  Terordnungen,  Anw^angennndljektioiia- 
plftne  für  das  Gynnosion,  bringt  VorschriiFten  Ober  die  ErUftrang  der 
Antoren,  illr  den  Geschichtsnnterricht,  ftr  die  Heranbildung  Ton  Lehrern 
n.  8.  w.  nnd  gew&brt  interessante  Einblicke  in  die  Technik  des  Jesuiten* 
untcrriclits.  Der  zweite  Teil  bringt  Verfügungen  Ober  Convikte  und 
Seminare,  der  dritte  Dokumente  ZOT  Vorgeschichte  nnd  AusfiAhmng  der 
1832  revidierten  Studienordnung. 

Die  Fülle  bisher  unbekannt  {rcbliebener  Dokumente  dieser  4  Bände 
Jesuitiea  war  selbst  den  Angehörigen  des  Jesuitenordens  überraschende 

Hiprmit  ist  der  Bericht  über  die  seit  der  letzten  Generalversammlung 
herausgegebenen  Mouumentabände  zu  Ende.  Der  nun  folgende  Band, 
Band  19  wird  die  Fortsetzung  der  von  Prof.  Dr.  Friedrich  Schmidt  in 
München  bearbeiteten  Erziehungsgeschichte  der  Wittelsbacber  enthalten 
nnd  zwar  wird  dieser  zweite  Teil,  der  bereits  im  Hannskript  vorliegt,  die 
pfälzische  Hanptlinie  nebst  deren  Seitenlinien  umfassen,  wfthrend  der  erste 
Teil  (Eand  14  der  Monnmenta)  sidi  anf  die  Mitglieder  der  bayrisehen 
Wittelt-bacher  beschränkt. 

Wie  bei  der  eben  erwähnten  Geschichte  de?  Militärbildnngswesens, 
80  haiitlclt  CS  sie!)  aneli  bei  den  Arbeiten  über  Fürstenerziebun«?  nni  eine 
Gruppe  von  Werken,  deren  Gegenstand  bisher  weder  in  der  Geschichte 
dos  Erziehungä-  und  Unterrichtswesens  noch  in  den  DarsteUnugen 
der  politischen  Geschichte  diejenige  Beachtung  geftmden  hat,  die  er 
verdient 

Was  die  Scbnlgeschiehte  betrifft,  so  werden  diese  Arbeiten  gerade 

fSr  ein  Gebiet,  an  das  wohl  zunächst  nicht  gedacht  wird,  nene  Gesichts- 
punkte  darbieten,  nilinlich  für  die  Erkenntnis  der  ünterrichtstechnik  im 
allgemeinen,  weil  in  den  Arrhiven  und  Bibliotheken  der  fürstlichen  Familien 
vielfach  in  (rro?srr  An>wabl  Srbnihcfte  und  Schulbücher  aufbewahrt  werden, 
die  sonst  so  selten  erhalten  geblieben  sind. 

16* 

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244  Mitteilungen  <L  Oea.  f.  deutsehe  Erdehun^-  a.  SchnlgeBch.  VIII. 


Bereite  im  Plane  der  Monnmenta  Germsniae  Paedagugica  Tom  Jahr6 
1883  war  auf  die  Notwendigktit  der  Herausgabe  von  Werken  zärErziebungs* 
gescbichte  deutscher  FOisten  eiuecbliesslich  der  Habsburger  hingewiesen 
und  dabei  zugleich  angegeben  worden,  welche  Arbeiten  schon  in  Angriff 
genommen  seien. 

Leider  ist  bisher  erst  der  eine  Band  Uber  die  Wittelsbacher  herans- 

fi^gob«-!!  worden.  Das  cnf<=proplieii(lo  Werk  fibi  r  dio  Ilolieiizollern  aber, 
dessen  bnldices  Erscheinen  ;iuf  der  letzten  (ieneralversanimlaog  in  Aus- 
sicht gestellt  wurde,  hat  auch  l»is  heute  noch  nicht  veröffentlicht  werden 
können,  da  bei  den  Forschungen  nach  den  bezüglichen  Materialien  immer 
wieder  Sparen  bisher  noch  unbekannter  blossgclegt  wurden,  denen  der 
Bearbeiter  nachgehen  musste. 

Die  Hoflhung,  dass,  nachdem  Se.  Maj.  der  König  von  Preussen  im 
fOrigen  Jahre  die  allseitige  Benutzung  dieser  arehiTaMschen  Bestände  ge- 
stattet hatte,  die  Arbeit  rascher  gefördert  werden  wttrde,  hat  sich  nicht 
erfilllt;  denn  die  Annahme,  dass  der  Heransgeber  des  ersten  Bandes  Ütt 
seine  in  den  verschiedensten  Bibliotheken  und  Archiven  ]ioch  anzustellen* 
den  Xai  liforschungcn  einen  angemessenen  ürlniib  erhalten  wflnle.  ist  be- 
dauerlicher Weise  nicht  eingetroffen.  Dalier  kann  das  in  den  ^Mitteilungen" 
(Jahrg.  VII  189",  Hft.  IV;  *{Otreb<"ne  Vei-sprechen,  in  dip<?em  Jahr  den 
ersten  Band,  der  den  Zeilraum  vom  Kurfürsten  Friedrich  I.  bis  zum 
grossen  Kurfarsten  ausschliesslich  umfasat,  erscheinen  zu  lassen,  nicht  ein* 
gelöst  werden.  •  Indess  hat  Herr  Prot  Dr.  Wagner,  der  Bearbeiter  dieses 
Teiles,  Proben  ans  demselben  abdrucken  lassen,  die  hier  zur  Yerteilung 
gelangen. 

Zur  Beantwortung  der  Frage,  wie  einzelne  Fürsten  und  Fürstinnen 
ans  dem  Hause  HohenzoUern  das  geworden,  als  was  sie  im  späteren  Leben 
auftraten,  wird  unsere  Erziehnngsgcschichte  wichtige  Beitr?t'.xc  liefern. 
Weder  in  Rankes  l"i  BiKdifrü  preussisrhcr  Gescbichte  noch  in  Droyscns 
Gesrliichte  ])rens<,ischer  Poliiik  i'nnlon  sich  irgenihvio  befriedigende  Nach- 
richten  über  diese  Punkte.  Und  wenn  ja  über  die  Erziehung  einzelner 
FOrsteu  aus  dem  Hohenzollemhanse  anderswo  austtthriicfaer  und  gründlicher 
berichtet  wird,  (so  von  Koser  ttber  Friedrich  den  Grossen)  so  handelt  es 
sich  in  solchen  Fällen  doch  immer  nur  um  die  regierenden  Forsten;  von 
deren  Geschwistern,  so  bedeutende  und  einflussreiche  Persönlichkeiten  sich 
auch  darunter  befinden,  ist  gar  nicht  oder  wenig  die  Bede. 

MerkwOrdigerweise  hatte  sich  gerade  beim  Beginn  der  Arbeit,  was 
luer  vielleicht  erwilhnt  zu  werden  verdient,  eine  Schwierigkeit  eingestellt 
auf  einem  Gebiete,  bei  dem  man  sie  in  solchem  Umfange  nicht  erwartet 
hatte,  nämlich  auf  dem  d'  r  Genealogie.  Es  musste  hier  auf  breiter  Gnmd- 
lape  eine  durchaus  neue  Arbeit  geschaffen  werden,  da  die  Stauimtafcl 
deg  Grafen  Stillfricd  nicht  nur  Ungenauigkeiten  sondern  auch  Ltlckeu 
aufweist. 

Ton  den  flbrigen  ftr  die  Honumenta  Germaniae  Pftdagogica  unteiw 


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GeMhlftlicher  Teil.  POnfte  oidentUehe  GendmWenamnilang.  245 


nommeneii  Arbeiten  xtird  wahnehciolich  bis  zar  nächsten  GeneralTeisamm- 
long  die  Ausgabe  der   evangelischen  Katechismiisversocbe  vor 

Luthers  £nchiridion  fertig  gestellt  sein. 

Dieser  Aufgabe  hat  sich,  nachdem  Prof.  Dr.  TCnwcran  seine  bereits 
im  Jahre  IbH'?  an,a:ef:ingcnen  Forschunijen  einstellen  musste.  dessi'n  Srlniler, 
der  Pfarrer  Gohrs,  aiigenoramen,  wie  ich  auf  unserer  letzten  General- 
versammlung mitteilte. 

Die  Srhwierii:l<(  its  ii,  die  sich  im  T/anfe  der  Arlu  it  ergeben  haben 
und  die  anfänglich  viel  geringer  geschätzt  wurden,  machten  sich  zunächst 
schon  gdtend  bei  der  Aufstellung  der  Liste  der  Eateehiemen,  die  für  den 
beabsichtigten  Zweck  in  Frage  kommen.  Das  Yenteiefanis*  das  ich  im 
Jahre  18S3  im  Plane  der  Monumenta  gab,  ein  Produkt  jahrelanger  Samm« 
Inngen,  ist,  obwohl  es  bis  dahin  die  vollständigsten  Titel  angaben  der  nach* 
weisbar  in  Schulen  benutzten  Katechismen  enthielt,  inawischen  noch  ver- 
mehrt worden.  Das  von  Gohrs  mit  IliKc  eiiiij^cr  hervorragenden  protestan- 
tischen Kirrhenliistnriker  hergestellte  V  'rzeicJinis  wird  aber  wahrscheinlich 
noch  maiielie  Moilitii  Ktiuiit  u  cdahren,  zumal  bei  einigen  Katechismen  noch 
nicht  festgestellt  werden  konnte,  ob  sie  wirklich  als  evangelische  anzusehen 
sind. 

Die  grOsste  Schwierigkeit  aber  besteht  darin,  nachzuweisen,  was  für 
unsere  Zwecke  das  Wesentliche  ist,  ob,  wo,  wann,  wielange  und  in 
welcher  Weise  diese  Katechismen  im  Unterricht  benutzt  worden  sind. 
Hier  fliessen  die  Quellen,  die  Kunde  geben  könnten,  noch  viel  zu  spärlich. 

Vormbaums  Ausgabe  der  evangelischen  Schulordnungen  ist  für  t-ine 
befriedigendp  Erledigung  dieser  Frni^en  Tiiizuroicheiul.  Sie  ist  es  anch  fiir 
die  lutherisclieii  und  nachlutberischen  Kateeliisiiien,  wie  übi  rhaupt  lür  eine 
höhen  n  Aiiiorderuugcn  genügende  Darstellung  der  Gcscliiohte  des  Lehr- 
betriebs in  den  übrigen  Unterrichtsfächern  der  evangelischen  Schule. 

Damit  soll  übrigens  da^  Verdienst  Vürmbauins,  zuerst  au  die  Sammlung 
evangelischer  Schulordnungen  gedacht  zu  haben,  nicht  geschmälert  werden. 
Nur  möge  man  nicht  glauben,  was  Tormbanm  ja  auch  selbst  nicht  geglaubt 
hat,  dass  dnrch  seine  Ausgabe  ein  hinreichend  plastisches  Bild  von  der 
Entwickluag  der  evangelischen  Schule  nach  den  verscUedenen  Bichtungen 
hlti  gegeben  worden,  seine  Arbeit  also  als  abschliessend  zu  betrach* 
ten  sei 

Man  muss  sich  flbrrhrnijtf  hiitni,  die  grossen  oft  durch  ihren  Inhalt 
bestechenden  Landsehulordiiungcii  in  Huer  Trnc;weife  /u  iibersehiitzen, 
denn  es  is-t  erstaunlich,  wie  wenig  vun  den  daria  mthaltenen  achunen 
Gedanken  und  vorzüglichen  Yorscbrilteii  in  die  Praxis  umgesetzt  worden  ist,  was 
sich  aus  den  gleichzeitigen  Yisitationsprotokollen,  Stundenplänen  u.  s.  w. 
unzweideutig  ergiebt. 

Wo,  wann,  wie  lange  ein  Schulbuch  im  Gebrauch  gewesen  ist, 
kann  nur  aus  dem  Materiale  zur  Geschichte  einzelner  Schulen  erkannt 
werden.  Kunde  geben  da  nur  Einzelschulordnungen,  Stundenpläne,  Vorreden 


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246  MitteOnngwi  d.  Ges.  f.  deutsche  Brziehungs-  u.  Schulgesch.  VUL 


der  Sehnlbttclier  und  Yisit&üoiispTotokolle.  Nur  diese  ermöf^ichen  die  sa 
notwendige  S«tistik  und  Topographie  der  Unterrichtsbüeher  und  berdchem 
abrigens  such  in  einselnen  Fftllen  das  so  wichtige,  die  Grundlage  exakter 

Porschung  bildrndc  bibliographische  Material.  Die  Frage  aber,  in 
welcher  Weise  die  Büclici-  im  Uiitcrni  ht  benutzt  worden  siriil,  wird  zwar 
auch  ztim  Teil  durch  die  eben  genannten  Dokumente  bt  uitwortct  wordea 
können;  weitere  Ati<!bente  geben  aber  hier  auch  noch  Tagebücher,  Briefe, 
Abhandlungen  zur  Pädagogik  n.  s.  w. 

Da  von  diesen  Materialien,  die  in  Verkeunuog  ihres  Wertes  mancher 
als  „Qiiisquilien'^  bezeichnen  zu  mttsseu  glaubte,  uoeh  zu  wenige  au  die 
Oberfläche  gehoben  wordw  sind,  und  also  die  hei  verschiedenen  Editionen 
notwendige  Beantwortung  der  eben  angefahrten  Fragen  nicht  möglich  ist, 
so  sind  eintelne  für  die  nlfonumenta^  und  fttr  die  „Texte  und  Forschun- 
gen*' in  Angriff  genommene  Weike  nicht  zum  Abschluss  gebracht  worden, 
so  die  Ausgabe  der  artes  epistolandi.  der  artes  vcrsificandi,  der 
grie rhisi  hen,  lateinischen  und  deutschen  Grammatiken,  der  Lehr- 
mittel ftlr  ilen  t'oogrnphis chen,  philosophischen,  mathematischeu 
U.  8.  w.  Unterricht  früherer  Jalirliuiiderte. 

Obwohl  teilweise  die  Hernusireher  bereits  mühevolle  Vorarbeiten  er- 
ledigt hatten,  haben  sif  doch  vorlautig  den  Abschluss  der  Arbeiten  hinaus- 
gesehobeu.  Ja,  auf  die  Veröffentlichung  eines  Werkes,  dessen  Li.iugriff- 
nahme  dem  Terstorbenen  Bpitta  verdankt  wird,  die  Ausgabe  der  Synopsis 
musice  s  von  Crttger,  muaste  verzichtet  werden,  weil  die  Arbeit  ~  ehi 
Zeugnis  von  grosser  Akribie  und  Fachkenntnis  —  zwar  die  Stellung  ab- 
grenzte,  die  das  bedeutsame  Werk  in  der  Geschichte  der  Musikwissen- 
schaft eingenommen  hat,  nicht  aber  die  pädagof»ische  Bedeutung  darlegen 
konnte.  Es  niusste  daher  das  von  Spitta  s  S(  hüler.  Dr.  Ochrmann,  ge- 
lieferte Mannskript  /.urilckgcgeb<'ii  werden,  und  die  Khige,  die  bei  der 
Gründung  der  Gesellschaft  für  deutsehe  Erzichnn;,'s-  und  Scliulgeöehichte 
erhoben  worden  war,  dass  die  geschichtliche  Entwicklung  des  musikalischcu 
Unterrichts  bisher  so  gut  wie  unbekannt  geblieben  ist,  —  eine  Tiiatsache, 
die  um  so  auffälliger  ist,  als  sich  mit  der  Herrschaft,  die  der  Musikunter- 
richt Jahrhunderte  hindurch  in  den  Schulen  behauptet  hat,  höchstens  das 
Lateinisehe  messen  kamt  —  mnss  von  neuem  erhoben  werden. 

Erfreulich  ist,  dass  das  im  Jahre  1883  von  dem  Prof.  Dr  Horiwitz 
begonnene  Werk  über  Erasmus  von  Botterdam,  welches  nach  dessen  Tode 
Prof.  Dr.  Karl  ITartfrlder  Übernommen  und  mit  grossem  Eifer  gefördert 
hatte,  von  Prof.  Dr.  (1.  i-er  vollendet  wenlen  wird.  Das  von  Hurifelder 
hinterlasseiie  Manuskript  bezeugt,  in  wie  unifas'.onder  Weise  er  den  Plan 
zu  seinem  Werke  entworfen.  Der  Ausführung  hallen  weit  ausgedeimte 
Studienreisen,  ein  umfangreicher  Briefwechsel  mit  Gelehrten  aller  Lftnder 
gedient. 

Es  ist  schon  gesagt  worden,  dass  von  denjenigen  Quellenmaterialien, 
welche  die  Grundlage  aller  schulgeschichtlichen  Forscbong  bilden,  nämlich 


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Oetcblftlieber  Teil.  Fflnlk«  ordoiaiche  OennralveraainiBluiig.  247 


den  von  uns  kurzweg  mit  Scbolordnangen  bezeichneten»  erat  ein  kleiner 
Bracht  eil  ans  Licht  eezncrf^n  werden  koniifo.  An  HcinOhunpen,  diese  un- 
gemein wichtigen  Arbeiten  in  Fiuss  zu  bringen  und  zu  f  udeni.  hat  ps  seit 
Bestehen  der  Gesellschaft  und  auch  vor  ihrer  Gründung  nicht  gefehlt. 
Bereits  lange  vor  Erscheinen  der  Mon.  hatte  ich  mit  hervorragenden  Ge- 
lehrten tae  fast  allen  iu  Betracht  kommenden  Ländern  zum  Zwecke  der 
Inangriflhahme  Boleher  Arbeiten  eingehende  Yerbandlongen  gepflogen» 
welche  in  den  meisten  Ftilen  mit  bestimmten  Vereinbarungen  über  das  zn 
verüffentliebende  Material  abschlössen. 

80  hatten  nach  nnd  nach  die  Yorarbeiten  begtumen  so  der  Ausgabe 

der  Schulordnungen  Badens»  der  baltischen  Provinzrii,  Bayerns,  der 
Provinz  Brandenburg,  des  Herzogtums  Braunschweig,  des  Grossherzogtnme 
Hessen,  Niederösterreichs,  des  Grossherzorrtnm?;  Oldcnburs;,  Sachsens, 
Siebenbürgens  u.  s.  w.  Bisher  aber  konnten  nur  die  Si^hulordnuii^nm 
von  Braunschweig  und  Siebenbürgen  herausgegeben  werden.  Denn  die 
übrigen  unternommenen  Arbeiten  gerieten  gleich  in  ihren  Anfängen  ins 
Stocken»  haaptsftchlicb  weil  die  Herbeischaffang  der  m  edierenden  Stoffe 
teils  infolge  der  territorialen  Tersebiebungen  einsehier  Staaten  teils  wegen 
des  schlechten  Znstandes  vieler  Archive  und  Bibliotheken  die  Krftfte  des 
elnmlnen  Forschers  weit  flberstieg.  Wohl  habe  ich  vielfach  versnobt,  hier 
Erleichtcningcn  zu  schaffen,  indem  ich  die  bestehenden  Vereinigungen  fttr 
historist'hc  Fors(iiun*r  mit  Krfolfr  um  ihren  Beistand  bat,  indem  ich  ferner 
an  vielen  Orten  dir  AnretjunL,'  gab,  die  bestehendiMi  Archive  und  Biblio- 
thi'kcn  zu  repertoriiieren  und  katalogisieren.  Die  Fortschritte,  die  hierdurch 
geniaclit  ^  worden  sind,  waren  aber  viel  /u  gering,  um  eine  genügende 
WeiterfQhruRg  der  Arbeiten  gewährleisten  zu  können.  Es  drängte  sich 
vielmehr  die  Notwendigkeit  anf,  in  den  einseinen  Ländern  nnd  Provinsen 
unter  Leitung  einer  Centralstelle  systematisch  die  vorbereitenden 
Arbeiten,  vor  allem  die  Sammlung  nnd  Sichtung  der  historisch- 
pädagogischen  Quellenstoffe  zu  besorgen»  ta  welchem  Zwecke  die  schon 
im  Plane  der  G  I'  in  Aussiebt  genommenen  territorialen  Gruppen  ge« 
bildet  wurden,  deren  jetzige  Wirksamkeit  ich  noch  besiu  iM  h(  n  werde. 

Nun  zu  den  „Mitteilungen"  unserer  Gesellschaft.  Da  die  Mitti  ihinpcn 
allen  Mitgliedern  der  (i «.'Seilschaft  rrpclmSssig /UL^  hen,  so  kann  ich  darauf 
verzichten,  auf  den  Inhalt  der  seit  der  letzton  (n  nei nlversammlung  er- 
schienenen Hefte  einzugchen.  Nur  soviel  sei  erwähnt,  dash  der  Schwer- 
punkt auf  die  VeHMIsntlichnng  Usher  unbekannter  urknndlieher  Materialien, 
die  sich  aber  das  ganze  Gebiet  des  Ersiehnngs-,  Unterrichts-  nnd  Stndien- 
wesen  DentscUands,  Oesterreichs  und  der  Schweiz  erstrecken»  gelegt 
worden  ist.  Auch  die  gegebenen  zusammenfassenden  Darstellungen  stutzen 
sich  auf  bisher  unbekannte  oder  wenig  zugängliche  Urkunden. 

Mit  freudiger  Genugthuung  kann  der  Vorstand  der  Gesellschaft 
Ihnen  mitteilen,  dass  der  bereits  auf  unserer  dritten  Gen*  ralvcrsammlung 
auf  Antrag  des  inzwischen  verstorbenen  Prof.  D.  Lommatzsch  gefasste  Be- 


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248    MittoUungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eiriehungs-  u.  Sehulgesch.  Vin. 


scblnss,  die  irissenscbaftlichen  Teröffentlichiingffli  der  Gesellseluift  m  er- 
gänzen, endlich  hat  ausgeführt  >Yerdcn  können.  Freilich  hatten  die  damale 
zur  Vcrfttgang;  gestellten  Manaskripte  schon  anderweitig  Yerwendang  ge> 

fanden. 

Das  erste  Heft  des  unter  dem  Titel  „Texte  und  Formell  u  n  ireu'^ 
erscheinenden  Unternehnjens,  dus  ein  Zwischenglied  zwischen  den  _Monu- 
roenta  Germauiae  Paedagogica"  und  den  „Mitteilungen''  bildet,  isi  iui 
vorigeo  Jahre  ausgegeben  worden  und  enth&lt  eine  Arheit  Iber  die  latei- 
nischen Schfllergesprftche  der  Hnmanisten  von  Dr.  Börner,  eine  Edition, 
deren  Notwradigkeit  bereits  im  Plane  der  Monumenta  vom  Jahre  l{)8d 
betont  -worden  >var.  Der  vorliegende  erste  Teil  nmfittSt  die  Zeit  YOn 
1 1H> — l'yJO,  vom  Manuale  scholarium  bis  Ilegendorffinus,  und  bringt  wert* 
volle  Zusätze  zur  Bibliographie  des  Niavis,  Brasmos,  Mosellanus,  Hegen* 
dorffinus. 

l>as  zweite  im  Ttru  k  l  .  niullirlic  Heft  wird  eine  Arbeit  über  die 
Anfilngc  der  Universität  Frankfurt  a.  0.  und  tiie  Entwickeluug  des 
geistigen  Lehens  an  der  Hochschnle  1506—1540  von  Prof.  D.  0.  Baach 
in  Breslau  bringen. 

Die  ursprttngliche  Absichtt  mit  diesem  Beitrag  eine  neue  Serie  von 
Yeröffentlichungep  anter  dem  Titel  «Beitr&ge  zur  Geschichte  der 
Triiversitäten  in  den  L&ndern  deutscher  Zunge''  zu  beginnen, 
oder  die  Arbeit  nebst  «einigen  anderen  die  UnivL-rsitätspe^rhiehte  betreffen- 
den Abhandlnn{?en  für  « in  vom  preussischcn  KTiltiisniinisteriuni  'jcplnntf^s, 
dem  Hochscliulwesen  gewidjnetcs  riitci  iH  Innen,  worüber  ich  in  um  iueia 
Borirht  auf  der  Dresdener  Versanimluujs'  dcutsrher  Srhnlmäuner  und 
Philologen  Angaben  machte,  zu  verwenden,  hat  sich  leider  nicht* verwirk- 
lichen lassen. 

Zttm  Schiasse  komme  ich  auf  das  jflogste  Unternehmen  unserer 
Gesellschaft  »Das  gesamte  Erziehungs-  und  Unterrichtswesen  in 
den  LAndern  deutscher  Zange^  zu  sprechen. 

Mit  diesem  bringt  die  Gesellschaft  ihre  Bestrebungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Bibliographie,  der  sie  in  Gemftssheit  des  Planes  der  Monumenta 
in  ihren  sämtlichen  VeröiTentlicluink'en  die  grOsste  Pflege  hat  angedeiben 

lassen,  zu  einem  prewis^rn  Abschluss  und  schafft  zugleich  ein  Werk  von 
grosser  alvtiiell(  r  iJcdeutung,  wie  es  imeh  Anlage  und  Umfang  wohl  noch 
nirgend-  \nrhandcn  war  und  voiL unleii  i>t. 

Dasselbe  bringt  in  Monatshefteti  nach  sachlichen  rifsicht^rnnikien 
pe(»rdnet  in  einer  durch  Inhaltsangaben  erweiterten  bibliugrajjbiM  heu  Form 
die  gesauile  pädagogische  Litterutur,  welche  innerhalb  eines  Jahres  in 
Deutschland,  Oesterreich  und  der  Schweis  erscheint«  einschliesslich  der  in 
Zeitschriften  niedergelegten  Arbeiten  und  der  behördlicben  Verordnungen 
zur  Darstellung. 

>yelchen  fnifnng  das  Unternehmen  angenommen  hat,  zeigt  sich  in 
migenftUiger  Weise  an  dem  vor  einiger  Zeit  vollendeten  ersten  Jahrgang, 


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GesehllUicher  Teil  POnlte  ordentliche  OeDeralTersammlaiig.  249 


in  welohem  mehr  als  3000  BUolier,  über  4500  Aufsätze  and  an  800  be- 
hördliche Verordnungen  voi^eführt  werden. 

Um  die  Aufsatzlitteratur  möglichst  vollst iindig  zu  verzeichnen,  sind 
mehr  als  1100  Periodica  durchforscht  worden,  von  denen  ca.  Q'IO  Aus- 
beute lieferten. 

Zur  BcnrboituTi«:  uml  Dewjlti^'ung  tlicses  ülioran«  grossen  Materiah 
ist  ein  Arl>oits;iii])arat  aufgeboleii  worden,  von  dem  am  besten  einifre  Zahlen 
eine  Vorstellang  geben.  Es  wurden  gebraucht  [)00d  Prospekte,  iJL^'X) 
Cirkularc  und  Bekanntmachungen,  67.50  Briefbogen,  1000  Mittdlnngen 
(„Memoranden").  15950  Postkarten,  29275  Converts,  1000  Fakturen, 
7550  Aatograpbien,  68600  Zettel  und  Kärtchen  als  Schreibmaterial  fttr 
die  redaktionellen  Arbeiten  (Titelkopien,  Inhaltsangaben,  Begister). 

Solehe  Anstrengungen  haben  den  Erfolg  gehabt,  dass  ein  Nachschlage- 
werk entstanden  ist,  welches  uns  die  Kenntnis  Ton  allen  Vorgängen  und 
Bewegungen  auf  dem  weiten  Gebiete  des  Erzichungs-,  Unterrichts-  und 

Studienwesens,  aucli  den  unbedrate:idstiii  und  iin^cheinbar-^ton  vermittelt 
und  auch  flher  Teile  des  Onnzeii  rasi  her  und  sicherer  orientiert  als  die 
fttr  jene  vorhandene  bibliographisLlie  Littoratur. 

Dienen  dlo  iiln  iu'oii  Vertitt'entiiclmiigen  der  Gesellschaft  dei  Erluiscliung 
vergangener  Zeiun,  so  versucht  das  in  Rede  stehende  Unternehmen,  iu 
die  IjCistungen  luul  Kestrcbungen  der  Gegenwart  einzuführen. 

Das  Werk  darf  als  finc  Art  von  Verwirklicimng  <les  Pe^tiiln/zisclien 
Satzes  von  der  organisciieu  Zusammengehörigkeit  aller  der  Erzieäuug  und 
dem  Unterrichte  dienenden  Veranstaltungen,  gehen,  als  welche  Theobald 
Ziegler  es  in  der  Mflncbener  allgemeinen  Zeitung  begrttsst  hat. 

Es  bli'iht  mir  nun  noch  tlbrig.  üb«_r  die  Thatigkeit  der  (fruppen 
unserer  Ge?^eil&chaU  zu  berichten.  AVie  bereits  mehrfach  auageführt,  ver- 
danken die  Gruppen  ihre  Entstehung  der  Erwägung,  doss  es  von  einer 
Oentralstelle  aus  unmöglich  ist,  eine  ins  Einzelne  gehende  Sammlung  der 
in  Staats-,  Gemeinde-,  Kirchen-  und  Privat -Archiren  und  Bflchereien  zer- 
atrenten  Materialien  in  erfolgreirhcr  Weise  durrlizufüliren.  Die  Gruppen 
haben  also  die  Aufgabe,  innerhalb  ihrer  Territorien  die  Sammlung,  Sich- 
tnn'j  und  wissenscliafflit  he  Bearbeitung  aller  auf  die  Sciiulgeschichte  eines 
Landes  oder  einer  l^rovinz  bezüglichen  Materialien  vor/inieluncn.  Erst 
wenn  möglichst  viel  davon  an  die  (»berfirtehe  gehoben  ibt,  kann  ent- 
hieden  werden,  was  zur  Veröffentlichung  gelangen  soll.  Hierbei  ist  nun 
die  Mitwirkting  der  Centralslelle  erforderlich.  Denn  da  in  Deutschland, 
wie  bekannt,  viele  territorriale  Verschiebungen  stattgefunden  haben,  so 
kann  es  vorkommen,  dass  ein  wichtiges  Aktenstack  zur  Schulgeschiehte 
von  mehreren  Gruppen  zng^eidi  als  zu  ihrem  Arbeitsgebiet  gehörig  in 
Anspruch  genommen  wird.  Dieser  Umstand  macht  es  notwendig,  dass  von 
der  Centralstclle  ein  Vt  rk«  hr  der  Gruppen  untereinander  vermittelt  wird 
und  dass  das  Gnippennetz  über  Deutschland,  Oesterreich  und  der  Schweiz 


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250    Mitteiliingen  d.  Oe&  t  deota«he  EEzifiliuog»-  n.  BchulgeBCh.  Vin, 


möglicbftt  dicht  geiogen  wird.  Dü  Letztere  ist,  obwohl  der  Torstand  es 

an  oft  recht  mühevollen  Versuchen,  die  Lücken  ansznftlUen,  nicht  hat 
fehlen  lassen,  leider  nicht  durchweg  gelungen  and  es  sind  der  Gesellschaft 
Enttäuschnn<7en  auch  da  nicht  erspart  geblieben,  wo  man  sie  am  aUer- 
wenie'-tcii  cnvartet  hiltte. 

liuies  sind  doch  auch  seit  der  letzten  Generalversammlung  einige 
erfreuliclie  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Es  liaben  sich  zu  dcu  damuU 
schon  bestehenden  Gruppen  Anhalt,  Baden,  Brauuschweig,  Grossherzogtum 
Heesen,  Oldenbnrg,  Pommern,  Rheinland,  Schweiz,  Westfalen,  WOrttem« 
berg  die  Gnippen  Oesterreich,  Hess en-Nassan-Waldeck  und  Bayern 
gebildet.  Wie  Sie  ans  dem  Verseichnis  der  Knratoriatmitglieder  ertehra, 
haben  sich  überall  Männer  in  hervorragender  Stellung  bereit  frcfiuiflen, 
in  den  I)ien.-t  der  Sache  zu  treten.  Fript  überall  wird  eine  rege  Thätig- 
keit  entfiiltt  t,  die  sich  zunächst  meist  auf  die  grundlcf^enden  Arbeiten, 
nämlit  h  auf  die  Herstellung  von  Verzeichnissen  und  Bibliograjjhien  erstreckt, 
leider  aber  lifters  wegen  ^I:ingi  ls  an  ficlfiniitirhi  ins  Stucken  gpniten  ist. 
Bereits  ist  die  lüieinland- Gruppe  mit  eiutm  Verzeichnisse  der  iu  Schul- 
programmen niedergelegten  hietorisch-pftdagogiscben  LitteraUir,  dessen 
Verfasser  die  6eh.-Reg.-Räte  Dr.  Deiters  nnd  Prof.  Dr.  Jorgen  Bona 
Meyer  sind,  an  die  Oeffentlichkeit  getreten.  Die  Gruppe  Westfhlen  bat 
eine  Sanindung  von  urkundlichen  Belegen  fllr  die  Ezisteni  von  westfUischen 
Schulen  im  frflhen  Mittelalter  herausgegeben. 

Ausser  den  noch  im  Fluss  befindlichen  bibliographischen  Vorarbeiten 
haben  einzelne  Gruppen,  um  innerhalb  ihres  Landes  das  Interesse  für 
schnlpeschirhtliche  Studien  zu  beleben,  besondere  Gruppenbefte  ur^ter  den 
Mitteilungen  verotfentliclit,  so  O-  sti  rreich  und  Bayern.  Der  Inhalt  des 
Bayernheftes  umfasst  einen  Zeitraum  vom  12.  Jahrhundert  bis  zur  Jetzt- 
zeit. Die  auf  Anregung  des  kuuätsiiuiigen  geisü.  Rates  und  Prof.  der 
Theologie  Dr.  Josef  Bach  in  München  beigegebenen  Abbildnngen  ans  dem 
Lehrer-  und  Schfllerleben  des  Mittelaltere  sollen  wie  die  in  den  firaheren 
Heften  der  „Mitteilungen''  dargebotenen  Bilder  benutzt  wentai  für  einen 
von  der  Gesellschaft  herauszugebenden  Atlas  der  Geschichte  der  Er- 
Ziehung  und  des  Unterrichts. 

Im  grossen  8fib>  bat  sich  die  Gruppe  Oesterreich  entwirkelt,  die 
narli  ihrem  letzten  gedruckten  Jahresberii  htr  in  s,\TntHclien  Kronlaudern, 
auch  liier  und  da  mit  Unterst  rttztinij  der  Staat^belnirdt  n,  deren  Vertreter 
nicht  selten  der  Gruppe  aü^jchurcu,  eine  reiche  rbatigkcit  entfaltet. 

Infolge  der  Subventionen  Sr.  Majestät  des  Kaisers  von  Oesterreich 
und  des  unsere  Bestrebungen  so  fördernden  damaligen  Eultusministera 
Ton  Gautzsch  hat  die  österreichische  Gruppe  unter  dem  Titel  ^Beitr&ge 
zur  östeireichischen  Erziehungs-  «ud  Schulgeschichte**  ein  neues  Untere 
nehmen  ins  Leben  rufen  können.  Das  erste  vorzOglidi  »^{estattete  Heft, 
das  dem  Minister  von  Gant/sch  gewidmet  ist,  enthält  die  von  Professor 
Joh.  Schwartz  verftuste  Geschichte  der  Savoy'schen  Ritterakademie  in 


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Geochlftlicher  TeiL  Fflafte  ordentliche  GeneralvenMnmluns.  251 


Wien,  einer  hochbedeatenden  Endehungsnostalt,  die  in  den  Jnbren  von 
1746—1778  bestanden  bat. 

Auch  far  die  Ausgabe  der  Monnmcnta  Germaniae  Piiedagogica  hatte 
die  Gruppe  ein  wichtiges  Werk,  nämlich  die  Coiistitutiuiies  des  Piariston- 
ordens,  die  der  Sektionsrat  Dr.  Karl  Sclirauff  in  einem  alten  Codex  nnf- 
gefunden  hatte,  nnfremeldet.  Da  aber  durch  eine  solche  Veröffentlichuiii;? 
ein  deutürlies  lüld  von  der  wirklichen  Ikschaffciiheit  des  Unterrichts  und 
der  Erzicliung  bei  den  riaristen  ebenso  wenig  gegeben  wird  wie  durcb  die 
grossen  protestantischen  Landesachnlordnungenvoa dem  faktisehenBestanddea 
Unterrichts  nnd  der  Endehang  in  den  protestantischen  Lftndem,  so  bähen 
wir  die  Anregnng  gegeben,  es  wst  mit  der  Darstellnng  des  Unterrichts- 
betriebes in  den  zahln  iclien  Piaristensdinl«!,  also  mit  IIer;in7.iehoii;j^  des 
▼orber  crwäbaten  Quisquilieninaterials  zu  versuchen,  übrigens  auch  zunächst 
nach  etwaigren  andern  RodakHonen  der  Piaristfnkonstitutionen  Nach- 
forschuDgeü  anzubteileu,  um  Abweicliuiigon  zu  verzeichnen  Bereits  das 
in  Vorbereitnntf  befindliche  II  Hell  d*  r  österreichischen  (iiuppe  wird  die 
Geschichte  des  Piaristengymnasiums  in  liuru  vom  Liuuediktinerpater 
Friedrich  Endl  briiigen. 

Abweichend  von  dun  ersten  Arbeiten  der  Übrigen  Gruppen  ist  die 
Anfangsthätigkeit  der  Gruppe  Pommern,  die  ein  Yerzeichnis  aller  in  den 
Sehnten  Pommerns  sdt  dem  15.  Jahrhundert  henntzten  oder  in  den  Offi- 
zinen  dieser  Provins  gedruckten  Lehrbacher  heraasgeben  will  und  anch 
schon  eine  Probe  dngeschiekt  hat  Sie  geht  di^ei  von  der  richtigen  Vor- 
aussetzung aus,  dass  diese  BQclicr  die  besten  Quellen  sind  für  die  Dar> 
Stellung  der  geschichtlichen  Entwicklung  und  Methodik  aller  Schulßrher. 
Aber  nicht  nur  das!  Diese  Schnlhücher  —  Fibeln,  Lesebücher,  Gramma- 
tiken, Katei  liisnien,  llechen-,  Liederbücher  u.  s.  w.  — ,  diese  anspruchs- 
losen Werke  sind  oft  die  einzige  systematische  geistige  Nahrung  grosser 
Bevölkeruugsklussen  durch  Generationen  hindurch  gewesen.  Leider  sind 
aber  gerade  diese  wichtigen  Üenkm&ler  in  den  Bibliotheken  nur  spftriicb 
aafonfinden,  wie  denn  flberhanpt  das  Pädagogische  in  den  grossen  Biblio- 
theken froher  eine  ungenagen^  Beachtung  gefunden  hat.  Es  wird  daher 
Ton  Ihnen,  hochverehrte  Anwesende,  sicher  frt  udig  begrUsst  werden»  dasa 
das  preussische  Kultusministerium  beabsichtigt,  eine  Centralsammel- 
stell'^  für  alle  Lehrbücher  —  allerdings  mir  des  Imhenni  rnferrichts- 
we^i  ii-  —  einznrirliteji.  Es  sollen  vorerst  alle  Lulirbücher  gesammfdt 
Wtidcji,  die  jetzt  im  ücbrum  he  sind.  Die  Notwendigkeit  einer  solrhon 
Sammelstelle  ist  vom  pruktisclien  Staudpunkte  aus  ohne  weitere^  klar. 
Diese  Sammlung  soll  sodann  mit  ^ner  Attskunftsstelle  Terbunden  werden, 
die  allen  Behörden,  Schnimftnnem«  Überhaupt  allen  interessierten  Kreisen 
zuginglich  gemacht  werden  wird,  und  man  hofllt,  dadurch  wohlth&tigen 
Emfloss  auf  den  Modus  der  Einführung  neuer  Scfaulbttcber  zu  gewinnen! 
denn  da  jedem  dann  Gelegenheit  gegeben  ist,  eine  zulängüche  Yergleichung 
nuter  den  Scbuibachem  einer  Gattung  eintreten  lassen  su  kOonen,  so 


1* 

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252    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutaehe  Eralehungs*  u.  Schulgeach.  Vm. 


werden  diejenigen,  deren  Stellang  es  mit  sich  bringt,  die  in  den  Schulen 
za  benutzenden  Bacher  zu  empfehlen  oder  ihre  EinfQhmng  zu  bestimmen, 

dann  sicherer  davor  geschützt  werden,  ungeeignete  nilfsniitlti  in  die 
Hände  der  Lehrer  nnd  Schüler  zu  legen,  und  sie  somit  bewahren,  vor  dem 
80  hiiufig  beklagten  Wechsel  der  Schulbücher. 

Zu  diesem  Vorteil,  der  bei  der  „SchulbucluMiiot"  niclit  iioch  genug 
arixuscblagen  ist,  kommt  aber  der  weitere,  das»  diese  Ccntralstclle 
einen  heilsamen  Einflass  ausüben  muss  auf  die  litterarische  Prodiüftion 
auf  diesem  Gebiete.  Viele  Erzeafprisse  sind  hier  entstanden  und  entstehen 
noch,  weil  die  Verfasser  ohne  Kenntnis  sind  von  dem,  was  auf  diesem 
Gebiete  schon  vorliegt.  Koldewey  hatte  ganz  recht,  wenn  er  im  ersten 
Bande  der  M  G  P  es  aussprach,  dass  mancher  pädagogische  Ileros,  der 
heutzutage  mit  seiner  Methode  sich  Im  it  mache,  bescheidener  nnftreten 
würde,  wenn  er  wfisste,  dass  das  Produkt  seines  Scharfsinnes  schon  lange 
Tor  seiner  (ieburt  einmal  eniacht,  erprobt  nnd  —  ver^'essen  worden  sei. 
Viele  Miiijgel  in  der  Herstellung  von  Lehrbilclici  ii  sind  nur  zu  erklrnen 
aus  dem  Umstände,  dass  die  Autoren  die  Entwicklung,  die  die  Methodik 
eines  Faches  genommen  hat,  nicht  haben  studieren  können,  dass  also  dann 
^elfach  naturgemäss  die  nötige  Kontinuität  fehlt 

Es  hofft  darum  das  preussische  Kultusministerium  daittr  sorgen  zu 
1(öunen,  dass,  sobald  diu  Gentraistelle  eröffnet  worden  ist,  sie  nach  rack* 
wärts  ergänzt  wird,  und  dass  ausser  den  Schultrilchem  auch  noch  andere 
Werke  zur  Didaktik  des  höheren  Schulwesens  eingcfagt  werden. 

Dass  hierbei  unsere  Gruppen  besonders  bei  den  Erg;1nzunü:en  nach 
rückwärts  die  Bestrebungen  «Ii  =  preussischen  Kultusministeriums  wirksam 
unterstützen  werden,  ist  selbstverständlich. 

Von  den  in  der  ]'.i!'lnn;r  lie'.rrt'fTeiien  Grnppeti  liat  die  Gruppe 
Thüringen,  dii'  abweiclini  l  von  d.M)  libriL'' ii  ^ii'li  der  eben  begründeten 
thünim'ischcü  liiAtuiisehen  Kommission  angliedern  ^oW,  die  meiste  .Vn'^sirlit, 
realisiert  zu  werden.  Und  auch  die  Vorarbeiten  für  die  Einrichtung  der 
Gruppe  llffecklenbnrg  sind  wieder  tu  Flnss  gekommen. 

Leider  kann  ich  nicht  die  Mitteilung  machen,  die  nach  meinem  Be- 
richte auf  der  letzten  Generalversammlung  zu  erwarten  wäre,  dass  die  so 
hoffnungsvollen  Vorbereitungen  zur  Hildiing  einer  Gruppe  der  katholischen 
Ordensverlünclungcn  zu  einem  Abschluss  geführt  haben. 

Doch  sind  nnsen'  .XnrecrnnTen  in  dieeon  Krein^n  niclit  ohne  Erfolg 
geblieben  und  das  n  u  h^te  Iii  It  der  Miitrilmiu»  n  wird  nur  Beiträge  ent- 
halten, die  sich  auf  die  /ielmngs-  und  SelnilLrcschichte  katholischer 
Ordensverbindungen  beziehen  und  von  Angehörigen  dieser  Orden  bearbeitet 
sind. 

Wenn  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft  fflr  deutsche  Erziebungs- 
und  Scbulgcschicbte  auch  fernerhin  von  Segen  begleitet,  wenn  die  Zahl 
der  Mitarbeiter  vergrössert,  die  an  das  Tageslicht  gehobenen  Dokumente 
zahlreicher  geworden  sein  werden,  so  wird  zunächst  die  Gescbicbtaschrei- 


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Geschäftlicher  Teil.   Fünfte  ordentliche  Generalversammlung.  2o6 


bnng  der  Pädagogik  davon  Vorteil  haben.  Diese  Geschichtsschreibung  ist 
jetzt  vorzugsweise  noch  immer  eine  Geschichte  der  Pädagogik  im  cngereu 
Sinne,  der  EniebmgswisseiHchaft»  der  pädagogischen  Systeme^  und  das 
biographische  Element  friegt  vor.  Dass  dnrch  die  Darstellung  der  Systeme 
selbst  derer,  von  denen  eine  lebendige  Wirkung  sich  nachw«sen  lisst« 
Unterricht  und  Eniehnng;  wie  sie  in  gewissen  Zcitrilumen  und  Ländern 
thatsüchJich  gewesen  sind,  nicht  veranschaalicht  werden  können,  ist  ohne 
weiteres  klar. 

Manches  System  h  it  von  seiner  abstrakten  Höhe  aus  nun  aber  über- 
haupt nur  geringen  Kiufluss  auf  die  wirkliche  Gestallung  vun  Er/iehunguud 
Uuterricht  gehabt.  Es  hat  auch  »Zeitrüume  und  weite  Gebiete"  gegeben^ 
in  denen  pädagogische  Systeme  gar  nicht  existiert  haben.  Trotsdem  hat 
es  in  diesen  Perioden  doch  nicht  an  Grandsätzen  gefehlt,  nach  denen  Er- 
ziehang  und  Unterricht  eingerichtet  waren.  Aber  anch  da,  wo  von  «mit 
Bewttsstsein  befolgten  Grnndsfttzen  nichts  wahrzunehmen  ist^,  hat  die  Er> 
Ziehung  trotzdem  „nach  Sitte  und  Gewohnheit'^  ihren  Einfluss  auf  das 
heranwachsende  Geschlecht  aiiscrcübt  uinl  in  dem  deutschen  Volke  tiefe 
Spuren  ihrer  Wirksamkeit  liiiiterlassen  und  das  Geistes-  und  Sct  lenlebeu 
breiter  Schichten  mehr  beeiuüusst,  als  manche  iu  den  Geschichtsbüchern 
gepriesene  Haupt-  und  Staatsaktion. 

Alle  dic&e  Dukuüieate,  die  uns  ein  Bild  von  der  faktisrlitu  Erziehung 
geben,  zu  sammeln  und  zu  sichten,  ist  die  Aafgabe  nnserer  Gesellschaft. 
Kommen  die  Besultate  dieser  Forschungen  zunächst  der  Geschichtssrhrei- 
bnng  der  Pädagogik  zu  gnte,  so  können  sie  auch  geeignet  sein,  wie  be« 
reits  in  früheren  Berichten  hervorgehoben  ist,  fruchtbar  einzuwirken  auf 
die  Praxis  von  Unterricht  und  Erziehung  der  Gegenwart. 

Aber  das  Ist  nicht  ihr  alleiniger  Xut/en.  Auch  für  die  Erkenntnis 
geschichtlicher  Entwicldungsstufen  auf  anderen  Gebieten,  in  der  Politik, 
in  der  Kunst,  in  der  Lilteratur,  in  der  T!iPolri'*ic,  überhaupt  in  den  ver- 
schicdcnrii  Fachwissenschaften  werden  sie  wicliti^i  Dienste  loisteii  und  auch 
der  Kulturgeschichte  im  weitesten  Umfange  neue  Kralle  zulühren. 

Wenn  von  der  Geschirbtssclircibmig  gefordert  wird,  dass  sie  uns 
vorführe,  wie  das  Volk  in  (iemüt,  Lebensgewohnheit,  in  seiner  Thätigkeit 
gewesen,  wie  es  sich  gewandelt  hat,  und  wie  dadurch  nicht  nur  sein 
Staatswesen,  sondern  seine  ganze  Existenz  fortgebildet  wird,  so  hätte  noch 
hinzugefügt  werden  mttssen,  dass  eine  Hauptwnrzet,  aus  der  alles  dieses 
hervorgewachsen,  Untenricht  nnd  Erziehung  ist 

Und  wenn  dem  so  ist,  muss  diese  Tbatsache  uns  nicht,  die  wir  jeder 
an  seinem  Teile  auf  dem  Gebiete  des  rnterricht»  nnd  der  Erzlolning  ar- 
beiten, mit  Begeisterung  erfüllen?  Und  keiner  von  uns  wird  zweifeln,  dass 
das  Wort  Goethes  üher  die  C<  schirlitc  im  nllgCT?^eincn  erst  recht  auf  die 
Geschichte  der  Er/.ieliuiig  und  de»  Lnteriichls  im  besonderen  pn^st,  das 
Wort,  dass  es  das  Beste  au  der  Geschichte  sei,  dass  sie  Enthusiasmus 
erwecke. 


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254    Mitteilungen  d.  G«».  f.  deutBche  Entehnngs«  u.  SchulgMch.  VID. 


Beriet  dM  Sohatimalster«.  BatoUnasfiMtiiiig  Hb»  den  Antnc 
betr.  SnbTentloiifwQiig  dar  VeröfftntUidrangeD  der  Qeeelle<diaft. 

Wehl  des  Kantotinme. 

Der  Schetxmcister  Prof.  H.  Fe  ebner  gab  bieranf  eine  Uebersicht 
Uber  die  finanzielle  Lage  der  Gesellschaft,  welche  eine  zofriedenstellende 
ist').   Um  die  MitgUederzahl  der  Gesellschaft  nodi  mehr  zu  hefa^  scblng 

er  im  Anschluss  :in  seinen  kurzen  Kassenbericht  vor,  ein  sogenanntes 
Wcrbcheft  herauszugeben,  wornns  ?irh  nurh  Ferner«tehende  iibor  dir  Be- 
strebungen unserer  Gebellschalt  U-icht  uuterriehteu  konnten.  Kbi-nso 
seien  Reproduktionen  seltener  und  wertvoller  ächulbiicher  als  Bcigabea 
f&r  die  , Mitteilungen^  zu  empfehlen. 

Nunmehr  erbftlt  Prof.  Dr.  B.  Schwalbe  das  Wort  ntr  Begrfindung 
seines  Antrages,  bei  der  Beichsregiemng  om  eine  SabTentioniemng  enserer 
Yeröffentlichnngen  einiakommen.  Er  legte  kvrz  die  hervom^nde  Be- 
deutung der  wissenschaftlichen  Unternehmungen  der  Gesellschaft  dar  tmd 
setzte  auseinander,  warum  die  Foiiführun?  derselben  die  Kräfte  eines 
einzelnen  und  auch  die  der  Gesellscliat't  bei  weitem  überstei.Lic  und  nur  durch 
regelmässige  staatliclie  Zuschü^jse  gewährleistet  werden  könne.  Die  vom 
preussischen  Kultusministerium  cimalig  in  datikuji^werter  Weise  zur 
Verfügung  gestellten  Mittel  hätten  bei  dem  Umfange  des  Unternehmens, 
das  sich  Aber  sftmtlicbe  deutsche  Länder  erstreckte,  nicht  aasgereicht 
Die  Organisation  der  Gesellschaft  und  der  Charakter  ihrer  vissenscbaft- 
lichen  Forschnngen  mache  es  dnrchaos  notwendig,  dass  ?on  Reichswegen 
die  Subventionsfrage  geregelt  werde. 

Die  Ton  Schwalbe  im  Anschluss  an  seine  AusfQhmDgen  gestellten 
Anträge : 

1.  beim  preussischen  Kultusministerium  die  Subventionioruug  der  Ver- 
öticntlicliuhgen  der  Gesellschaft  von  neuem  zu  beantragen, 

2.  bei  den  Reichsbehörden  diejenigen  Schritte  zu  thun,  die  erforderlich 
sind,  nm  die  „Monumenta  Germaniae  Paedagogica^  die  „Texte 
nnd  Forschungen'^  und  das  „Gesamte  Etziehnngs-  und  üntemchts- 
wesen  in  den  Ländern  deutscher  Zunge**  lebenskräftig  zu  erhalten^, 

wurden  von  der  Yersammlnng  einstimmig  angenommen. 

Hierauf  wurde  zur  Wahl  des  Kuratoriums  geschritten.  Die 
Namen  der  zur  Wahl  YnrgOKrli]njf»enen  befanden  sich  auf  einer  Liste,  die 
in  je  einem  Exemplar  den  Anw«  senden  vorgelegt  wurde.  Di«'  V\  .\h\  er- 
folgte durch  .(Vkklamatiou.   Herr  Geh.  Ober-lieg.-Rat  Dr.  Lucanus  sciüug 

Bine  zitl'ernmasäig  genaue  Aufstellung  fiber  Einnahmen  und  Aus- 
gaben, sow!(^  Uber  den  Mitgliederbestand  soll  nach  dem  Jahreaabechlass 

gegeben  werden. 

*)  Diu  „.Milleilungeu"  wurdtMj  nicht  iii  den  Antrag  einbezogen,  weil 
angenommen  wurde,  daas  auch  in  Zukunft  die  durch  sie  verurBachten 
Kosten  durch  Mitgliederbeiträge  gedeckt  werden. 


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Geschäftlicher  Teil.   PQnfte  ordentliche  Geueralversammlung.  255 


vor,  den  Gruppcuvorstüiiden  die  Cooption  weiterer,  nicUt  auf  der  Liste  ver- 
micbneter  Mitglieder  zu  tberlassen. 

Am  Schlosse  der  Sitznng  hob  Herr  Prof.  Dr.  Kttbler,  der  Direktor 
des  Wilhelms  •Gymnasiiinis,  in  dess^  Bäumen  die  Yersaramlnng  tagte 

unter  dem  Beifall  der  Anwesenden  die  Verdienste  henror»  die  sich  Herr 
Prof.  Dr.  Kehrbach  um  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft  erworben  hal. 
Ifachtleiii  Horm  Prof.  Dr.  Kflblcr  von  dem  Yursitzendon  fflr  die  ausge* 
wirkte  Erlaubnis,  dtn  Konferenzsaal  des  Williclnis- Gymnasiums  für  die 
Abhaltunicr  der  General versaniinlung  benutzen  zu  dürfen,  gedankt  wordeu 
war,  wurde  die  Versammlung  um  acht  Uhr  geschlossen. 


Sitnmg  das  Kamtoitiimfl. 

In  nnmittelbaren  Anschlnts  an  die  Generalversammlung  fand  eine 
Sitzung  des  Kuratoiinms  statt,  in  der  satznngsgemlss  die  Neuwahl  des 

Vorstandes,  des  Redaktions-  und  Finanz- Ausschusses  vorgenommen  wurde, 
lieber  das  Ergebnis  der  Wahl  unterrichtet  das  Verzeichnis  der  Knratorial- 
mitglieder.   S.  S.  25ü. 

Fflr  den  Schriftfabrer 
I.A. 
B.  Aron. 


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256     Miiteilungen  d.  Hea.  t.  deutsche  Erziehung»- u.  Scbulgesch.  VIII. 


Das  Kuratorium 
der  Gesellschaft  lür  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte. 

Der  Vorstand. 

Erftter  Vorsitzender:  Geh.  Reg.*Rat  Dr.  W.  Mneh,  o.  Hon.-Prof.  Berlio; 
zweiter  Vorsitzender:  Dr.  Prhr.  v.  Kerding,  Kammer«r  u.  Roicfawat  der  Krone 

Bayerne,  o.  ö.  Pf.fossor,  Reichstagsabgeordooter,  Mfinehen;  erster  iSeliritt- 
fülircr:  Vv"<'.  I''  K.  Kehrbach,  Borliii-Cliurlotti'nburg:;  zweiter  Pchrittf  iilii  er- 
I'ruf.  Dr.  Oormg,  iiyiunuöialdü-ekt.  a.  D.  u.  Privatduz.  a.  d.  Uuivers.,  Gross- 
Liehterfelde;  Schatzmeister!  Prof.  H.  Fechner,  Berlin. 

Kedaktions-Ausschuss. 

Gell.  Re;,-.-P;it  Prof,  Itr.  W.  Dilthey.  Mii-I.  d.  Ak.id.  d  Wis.sensch..  Berlin; 
Dr.  L.  H.  Fischer,  Stadt-  und  Krci^sfc■cimlin^]M■kt(M .  I^d  lia-Wilmersd'irt,;  I*rof. 
Dr.  K.  Kchrbach,  Berlin  -  auulutteubury:;  C.  Neuber,  i'^üratbischöfl.  Delegat 
und  Propst  bei  St.  Hedwig,  Berlin;  Prof.  Dr.  B.  Schwalbe,  Direktor  des 
Dorotheenstadtischen  Reulgymnasiuios,  Berlin. 

i'inauz  -Aussciiusü. 

Verleger  der  Mon.  Germ.  Paod.j  Prof.  H.  Fechner,  Berliu;  Dr.  Lassen, 
0.  Hon.- Professor,  Priedemu:  R.  Aren,  Btndti«cher  Lehrer,  Berlin, 

Gruppe  Anhalt. 

Kurntorium. 

Pa>tor  Becker,  Kreisschuliti.«ijektor  in  Lindau  bei  Zerbst;  Prot.  Blume» 
Direktor  des  herzogl.  LauUes-Seiuiuarä  iu  Cutheu;  Prot.  Dr.  Franke,  Ober- 
lehrer am  herzogl.  FranciBcanuni  in  Zerbst;  Prof.  Dr.  Hachtmann,  Uymuuaial- 
dlrektor  in  Bernburg;  Dr.  Hellwig,  Direktor  der  herzogl.  Priedrichs-Real- 

schule  in  Cüilion:  Kahle,  Seminar-Oberlehrer  in  Cöthen:  l'rot.  Kindscher, 
(leh.  Archivrat  in  Zeiii?t;  Prof.  Dr.  Krüger,  Oberfi  hultat  in  P"  -  ni;  Rümelin, 
(ieh.  Ober  keg.-Rat  in  Dessau:  Rektor  Sturm  in  Dessau;  h'i  ktf>r  Weile  i  '  Him- 
burg; Dr.  Wickenhagen,  Direktor  der  herzogl.  Antoinetteaselude  ia  Dessau. 

Omppe  Baden. 

Kuratorium. 

Dr  M.  Bassermann,  Prof  .1.  d.  l'niv.  in  Heidnllierp:  Dr.  L.  Gerwig, 
Rektor  in  K  u  Ui  uln- :  P.  Habirtgsreither,  S.  ininardirokt.  in  i'ttliügen;  E.  Keller^ 
Prof.  u.  Direkt,  d.  hOiiereu  .Mädchenschule  in  Freiburg  i.  iir. ;  Dr.  Fr.  J.  Knecht, 
Kapitelvenveser  in  Preiburg  L  Br.;  Lender,  Dekan  u.  Reiehstagsabg.  in 
Sasboch  bei  Achem;  Dr.  E.  v.  Saltwftrk,  Geb.  Oberhofrot  In  Karleruhe; 
6.  Specht,  Stadtschulrat  in  Karlsruhe;  Dr.  A.  Thorbecke,  Direkt,  der  höh. 
MadehenBi  hule  u.  Doz.  11.  d.  Univ.  in  Heidelberg;  Dr.  G.  Uhlig,  Geh.  UoÜrat, 
Gyiuuasialdirekt.  u.  Prof.  an  der  UnlverHität  ia  Heidelberg. 


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GeBcb&l'tlicher  Teil.   Verzeicfajiis  der  Kuratorialoiitglieder.  257 


Gruppe  Bayern. 

Kuratorium. 

Sf^minarinspektor  inKaiaerslautor»  u.Landta^faubgeordiK  tcr  Tr.  Andreae; 
Oberetudienrat  Dr.  Arnold  in  München:  Univ.-Prof.  u.  geiail.  Kat  l>r.  Bach 
in  München  (2.  Z.  I.  Vorsitzender);  Reullebrcr  J.  Beer  in  München;  Regie« 
rim^srat  im  Kultaimiiiisteritim  J.  Blaut  in  München;  Müiistorialrat  Dr.  Bymm 
in  München;  P.  A.  Eberl.  Provinzialarchivar  in  TOricheim;  KreiMChul- 
u:.>-|n'ktor  Erbshäuser  in  Wiirzburg;  Gyinn.-Kektor  Dr.  Gerstenecker  in  Rpjrons- 
bur^'.  Prof  der  tnclin.  HochHcbiile  und  Laiidta^i^.s.ib^'oordneter  Dr.  Günther 
in  Müuciten  {i.  Z.  II.  Vorsitzender);  Lehrer  und  1.  Vorsitzender  des  kathol. 
LehrervereinB  Fr.  J.  KtterleiN  In  Alttnchen;  Gymnatiallehrer  Dr.  Kaall  in 
Manchen  (>.  Z.  Kusierar):  Gymn.  Prot  Dr.  Krallinger  in  München  (z.  Z. 
SVhriftführer);  Direktor  der  k.  Hof-  und  Staatsbibliothek  Dr.  Georg  von 
Laubmann  in  München;  Oberbibliothekar  Dr.  Leitschuh  in  I5;unberg;  Real- 
äciiuliukt.  a.D.  J.  N.  Marschall  in  München;  Rektor  der  Kgl.  Ludwigs-Kreia- 
Bealaehule  In  Manchen  Dr.  Miller;  Geh.  Rat  und  0niv.-Prof.  Dr.  J.  ven  Miller 
in  Mönchen  (s.  Z.  Bfarenvoraitaender);  Gymn.'Rektor,  Mitglied  dea  oberaten 
Schulrates  und  LancHa^^aabgeordnetcr  Dr.  Öfterer  in  Eichstätt;  P.  Magaua 
Sattler,  Prior  des  Benediktincrkloattirri  Andeclis;  Oberrofripnmgarat  im 
Kultusministerium  A.  Schätz  iu  MUuclien;  Dr.  Schmidt,  Gymn. -Rektor  in 
Ludwigshafcu  a.  Rh.;  Oberlehrer,  I.  Vorstand  dea  bayer.  Volksachullehrer- 
verelna  u.  Landtagaabgeordneter  I.  B.  Sehuberl  in  Augaburg;  Domkapitular 
und  geistl.  Rat  Dr.  Bpaebt  in  Manchen;  üniv  -Prof.  Dr.  Stölzle  in  Würzbur^^ 
Rektor  do«  Realgymnasium^  in  Nfh  fil  f-rg  Dr.  Vogt;  Gymn.-Rek(or  u.  Mitglied 
dea  obertitea  iSchulratea  Dr.  Weckiein  iu  München. 

Gruppe  BraunBohwelg. 

Kuratorium. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  W.  Blaalua  in  Braunachweig;  Seminarlehror 
Baaae  in  Braunachweig;  Freiherr  v.  Cramm-Burgdorf,  Wirld.  Geh.  Rat  und 

Herzogl.  Brauuschw.  G<'~rn  ft<  r  in  Berlin;  Schulrat  Prof.  Dauber,  fiyinnasiul- 
direktor  in  Braunachweig,  A.  Fricke,  Lehrer  a.  d.  städtischen  h(>Iiorou 
Madcheiiacbule  in  Braunschweig  u.  Vorsitzender  dea  Braunachweig.  Landes- 
Lehrervereina;  Sehulrat  Prof.  D.  Dr.  Koldewey,  Gymnaaialdireictor  in  Braun- 
schweig; Sohuldirigent  Lic.  theol.  Dr.  Kaldeway  in  Bad  Uarzburg;  Kon« 
aiötorialrat  Schütte  in  WoUonbOttpl;  Prof.  Dr  Tachati  Diroktoi  dfi  SaniaoU' 
achule  in  WoltenbtttteL   Archivrat  Dr.  Zimmermann  iu  WolfenbüttoL 

Gruppe  Orosshersogtum  Hessen. 

Kuratorium. 

Dr.  Deltweilar,  Oberachulrat  in  Dannstadt;  Dr.  Elaenhulii,  Geh.  Obir. 

schulrat  in  Darnistadt;  0.  Habicht.  PrHlat  und  Obcrkonsistorialrat  in  Darm- 
stadt; Nodnagel,  Direktor  «b's  Nourn  Gymnasiums.  Darmsf ruit :  Dr  Schiller 
(jeh.  Oborsohtilrat  n.  l'r  >'  1  «i  Univ.  (licsfpn:  !>r.  Schön.  i>irekt  dea  RoaU 
gyninasiunts  iu  Mainz,  ü.  Stitiiim.  Gymuasialprol".  in  Glessen. 


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2&8  Mittalimgen  d.GeB.  f.  deutsche  Bnieliaiige- 11.  Schalgeaeh.  VIII. 


Gruppe  HeBsen-Nasaau-Waldeok. 

Kuratorium. 

Miekw,  OberbOrgemeleter  vom  Frenkflst  «.  Jbin;  Dr.  MrimM, 

Direktorder  Realschule  der  isr.  Gemeinde  (Philanthropin)  in  Frankfurt  a.  M.: 
W.  Bornmann,  Stadtaclnilrat  in  Caseol;  Dr.  Brunner.  ]5ibHüthükar.  Vorsit/onder 
des  Vereins  für  Ii  ose.  Geschichte  uud  Landeskunde  in  Cassel;  Dr.  Ebersbach, 
Schulrat  u.  Professor,  DirekUnr  des  Beelprogynuiasiuina  in  Arolsen;  FrÜling, 
Professor,  Vorsitiender  des  Vereins  fOr  Geschichte  und  AUertumskande  in 
Homburg  v.  d.  Höhe:  Dr.  Knabe,  Hoalschuldirektor  in  Marburg  u.  Liahn;.  LstS, 
Seminardirektor  in  Dillenburg;  Mascher,  Oberlehrer  am  I'eMl^'ymnasium  in 
WiosbadiMi;  Dr.  Pähler,  Frov.-Schulrat  in  Cassel:  Dr.  Pa?i!u^  (^v  uin -Direktor 
in  \Veilburg;  Dr.  Prager,  Landrabbincr  in  Cui^^ul,  Dr.  Proescholüt,  ioblituis- 
Vorsteher  in  Priedricbedorf  (Tnnnns);  I.  IUm,  I.  Vorsitaender  des  i^^kfartor 
Lehrerveretns  io  Frankfurt;  Dr.  I.  Roedigerr  Dir.  der  Univ.-Bibliothek  in 
Marburg;  von  Saldem,  iieli.  Regierungsrut,  Landesdirektor  der  F)  rNt-  ii- 
tUmer  Waldeek  und  Pyrmont  in  Arolsen;  Stoff,  D(H'h:u!!  in  Cassel;  Walter, 
Direktor  dar  Muaterachule  in  Frankfurt  a.  M.;  Dr.  Widmann,  Direktor  des 
Realprogymuasiams  in  Oberiahnstein. 

Gruppe  Oesterreich. 

Kuratorium. 

Dr.  Egger  v.  Möllwald,  k.  k.  iicgierungsrat,  Wien;  F.  Grassauer,  k.  k. 
Rogierungsrat,  Direktor  der  Unlv.'Bibl.,  Wien;  Otto  firitinberger,  P.,  Chor> 
lierr  des  Cistereienserstütesv  Wilheriog  (O.-O.);  Arlliur  Gsldmann,  Dr.,  k.  u.  k. 

Hof- Conoipiät  im  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv,  Wien;  Heinrich  Grünbeck, 
Hochwürdeii,  Abt  des  Ciatercienserklosters  Heiligenkreuz  iX.-Ö.);  Wilh. 
von  Härtel,  k.  k.  Geh.  Hat,  Exe,  Sektionschef  im  Ünt.-Minist..  VVi.  n;  Prt)f. 
Emanuel  Hannak,  Dr.,  Direktor  des  Pädagogiums,  Wien;  J.  Huemer,  Dr.,  k.  k. 
Landessehulinspektor,  Wien;  Cleness  Jmslacbsk,  F.,  Btifisarchivar,  Wien; 
Maurus  Kinter,  P.,  Kapitular  u.  fQratbischötl.  geiatl.  Rat  im  Benedikttnerstift 
Kaigeru;  Leopold  Lampel,  Landesr^cliulinspektor  in  Graz;  J.  Loos,  Dr.,  k.  k. 
üymnasialdirektor,  Wien;  Georg  Loesche,  Dr..  Prof  an  der  CNatm-  thfol. 
Fakultät,  Wien;  Anton  Mayer,  Dr.,  u.-ö.  Luude.sttrehivur.  Wien;  Hugo  Pauli 
(Gerold'sche  Buchhandlung),  Wien;  Laurenz  PHHI,  k.  k.  Oyouasialprofessor, 
Lins  a.  D.;  A.  ROsler,  Dr.,  Priester  der  8.  8.  Rsdemptorjaten-Congregation 
in  Mautcrn  (Obersteiermark);  Andreas  Rungger,  k.  k.  Schulrat  in  Wien;  Karl 
Schrauf,  Dr.,  k.  u.  k.  Sektionsrat,  Üniv.-Archivar,  Wien;  Karl  Wolke  D  ,  k.  k. 
Gymnasialprofesaor  Wien;  Heisrich  Ritter  von  Zeissberg,  Dr.  k.  u.  k.  üofrat, 
Direktor  der  HofUbliothek,  Wien. 

Gruppe  Oldenburg. 

Kuratorium. 

BBeUng,  Hauptiehrer  in  Oldenburg;  Künoldt,  Schulrat,  ScMuinardirektor 
in  Oldenburg;  Prot  Dr.  Menge,  Oberschulrat  in  Oldenburg;  Dr.  Meten, 
Oberblbliothekar  in  Oldenburg;  Umbacb,  Seminardirektor  in  Vechta; 
Dr.  Mfennemer,  üeh.  Oberschulrat  a.  D.  in  Vechta. 


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GMIilftlieliar  T«iL  Vtrieichola  d«r  KuntorUliuitglieder.  259 


Gruppe  rommem. 

K  u  r u  l u  l  i um. 

Bethe,  Geh.  Hcgierungsral,  Sietüu;  Geh.  Archivrat  Dr.  v.  Bülow,  Sta&ts- 
archivar,  Stettin;  Prof.  Dr.  fiilberl,  Direktor  der  Kgl.  UnivereitAteUbliothek, 
Groirgwal«*;  Graul,  Rektor  dor  BQllfer«  n.  VoUcMChalcn,  Greifswald;  Geh. 
K't'^forimgBrat  Haken,  OborMir^^rormoister,  Stettin;  Prof.  Lemckc,  Dircl  tor 
li.  J>tadtgymn.,  Stettin;  Dr.  Peppmülier.  Direktor  d.  Gymnasiums,  Stralsund; 
Superintendent  Petrich,  Kreisschuliaspektor,  Gartz  a.  0.;  Dr.  Reifferacbeid, 
Geh.  Reg.-Hat,  ProfiBflaor  der  deatichen  Philologie,  Greillswald-,  Dr.  Rohiti 
Dirclctor  der  Landidrteebaftstchttle,  Rldeiift;  Dr.  SchCM»  Direktor  der 
Kaise  rin  .\ii<;u=ite  Victoria-Schule,  Greifiwald;  Dr.  SchUrmann,  Direktor  des 
Schuilchrerseminai 8,  I*ölit«;  Dr.  Stengel,  Prof,  d.  roman.  I'hiloldL-io  Hreifs- 
wald;  Pro£  Dr.  Thümen,  Direktor  des  Realgymu.,  Stralsuitd,  Materstraat, 
Rektor,  Stettin;  Dr.  M.  Wehnnmn,  Gyron.-Oberlehrer,  Stettin;  0.  Woltertdorf, 
Paator,  Chreiftwald. 

Orappe  Rheinland. 

Kuratorlttm. 

Heigeordncter  und  Stadtschulrat  Dr.  Boodstein,  Elberfeld;  Geheimrat 
Prnvinzial  Schulrat  Dr.  Deiters,  K(ibloni;  Stadt- Archivar  Pmf.  Dr.  Hansen, 
Köln;  Kgl.  Baurat  Prof.  Dr.  Friedrich  Heinzerling,  Geb.  Uegierungsrat,  Aachen; 
Gymnaelal-Dlrektor  Dr.  Osltar  Jäger,  Ktdn ;  Gymn.-Direktor  Dr.  Adolf  Kleine, 
Wesel;  Oberborgermeister  Lehr,  Dniebiuig;  Wllhslm  Ucliirtlb,  Plkrrer  In 
Wahlfeucht;  Provinsialachnlrat  Dr.  Matthias,  KoMon/.;  Domprobat  Dr. 
Scheuffgen  i'-i  -r;  Kpalgymnasial-Direktor  Dr.  $leinbtrt,  Dnlsbiuv;  Super* 
intendent  Hugo  Stursberg,  Boan. 

Grqppe  Schweis. 

Kuratorium. 

Prorckt.  Dr.  J.  Brunner,  Prüs.,  Küanach  -  Zürich;  Prof.  Dr.  U.  Ernst, 
Aktuar,  Zlirii  h:  R<'kt.  Dr.  Hans  Wirz,  Zürich;  I'rt  t  y>r.  0.  Hunziker,  Znllikon- 
Ztlrich;  Prof.  Dr.  G.  Büeler.  Fraur'iUi'lil ;  Fr.  ZoUinger,  Schuisokretür,  Züricli. 
Dem  Vuratandti  schiiessen  sich  an:  Prof.  Dr.  E.  Blöscli,  Oberbibiioth.,  Bern; 
Dr.  Burkiiardt>Biedeniiam,  Basel;  Dr.  Hermann  Escher,  BibUoth.,  ZOridi;  Dr. 
Hans  Herxsg,  Staatiarchlvar,  Aarau;  Fn.  Xaver  Kunz»  Seninardirektor, 
Hitzkirch. 

Gruppe  Thüringen. 

Kuratorium. 

A.  Auerbach,  Hurgerschulli'hrer  iu  (leru;  M.  Berbig.  S<>niiii;irli  hi>T  in 
Gotha;  Dr.  Böhme,  Gymnaeial-Überlehrer  iu  Schleiz;  Dr.  Burger,  Gvnumbiul- 
Oberlehrer  In  Elsenberg;  Dr.  BQbIring,  Oberlehrer  in  Arnstadt;  Dr.  BurkhiriH, 
Geh.  Hofrut  n.  Archivdirektor  in  Weimar;  Dr.  Debeasckeff  (lymnasiallehrer 
io  Jena;  Dr.  Döbner.  Schuldirektor  in  Meininj^en;  Prof.  Dr.  Eucken,  Geh. 
Hofrat  in  Jena;  Dr.  Ehwald,  «lymnaBial-Professor  in  (totha.  Tioi.  K.  Frieser. 
Olierlohror  an  dor  i^i-aUschule  iu  Soniieberg;  Dr.  Jost,  Direktor  in  Altcnburg; 
Prof.  Dr.  KQhn  iu  Eisonach;  Dr.  Mentz,  Privatdoient  in  Jena;  Dr.  Proksch, 
Sehulrat  und  Gymnasial  Direktor  in  Altcnburg:  Dr.  W.  Rein,  UniversiUlt»- 
Profosaor  in  Jena;  Dr.  Reukauf,  8ominar>Oberlehrer  in  Hiidburghauaen; 

17* 


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260    Mitteilungen  cL  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Scbulgescb.  VIU. 


Dr.  GL  Richter,  Geh.  Hotrai  u.  Gymu.-Direktor  iu  Jena;  l'roi.  Dr.  E.  Rosenlhat 
in  Jena;  Roctetroh,  Sehulrat  in  Saalfeld;  Dr.  M.  Schneider,  Gymn.-Oberlehrer 
in  Gotha;  Dr.  Sieiiiliaiiseii,  Bibliothekar  in  Jena;  Dr.  H.  toy,  Schuldirektor 
und  Frivatdosent  in  Jena;  Dr.  Weniger,  Geh.  Hofrat  u,  Gymnaeial-Direktor 
in  Weimar. 

Gruppe  WestüAlen. 

Kuratorlu  m. 

Dr.  Matthias  Kappes.  ProfePBor  a.  d.  Akademie  MOneter;  Dr.  ReUifMehtv 
(ieh.  Hegierungs-Prov.-iScliulr.,  Münster. 

Gruppe  Württemberg. 

Kuratorium. 

Dr.  0.  Mklen,  Oberetudienrat,  Reutlingen;  Dr.  euidert,  Oberaehuhrat 
und  Seminarrektor  in  Esr^lingcn;  Kirclionrat  Dr.  KrSoer  in  Stuttgart;  Rektor 
Mayer  in  Euliugen;  Prof.  Dr.  H.  Pluck  in  Stuttgart 

Mitglieder  des  Kuratoriums,  die  bis  jetzt  Iceiuer  Gruppe 

angeliorön'). 

Dr.  Albrechl,  Ober-Schiilrat,  GbU.  IJcfr-liat.  StraM.sburg  (l^llsass); 
Dr.  Althoff,  Wirkl.  Geh.  Ubor-licg.-Uat  uud  Mini.sterial-Direktor,  Berlin; 
Dr.  J.  AaamMii,  Tit-Biaehof  v.  Philadelpbla,  Icath.  Fe!d]Nrobet  d.  Armee,  Berlin; 
Dr.  Becher,  Trovinzialschulrat,  Berlin;  Brandl,  Geh.  Ober-Eleg.-Rat,  ßerün; 
Dr.  ¥.  Buchwald,  Bibliotlukar  und  Archivar  in  >  r\i  t- olitz;  Clausnitzer, 
Vorsitzender  des  deutschrn  I.ohrervpreins,  Berlin;  P.  Oenifle,  0.  1'.  Archivar 
des  p&pstlichen  Stuhles  in  Horn  ,  i'rof.  Dr.  Oittrich,  Mitgl.  d.  Abgeordnotenh., 
Bnwutiberg  i.  Oslpr.;  P.  Ceir.  Eubei,  Ord.  Minor.,  Apoatol.  Püniteiitiar  bei  8t. 
Peter  In  Rom;  Dr.  A.  FritEen,  Biaehof  v.  Straaaburg;  Dr.'ISeK,  Kgl  Provin^l- 
schulrat,  Berlin;  Dr. Hassel,  Geh. Regierungarut,  Direktor  d. Hauptataataarchlvs 
in  Dresden;  Dr.  Im  h  Heereman  v.  Zuydwyk,  Mitglied  des  Reichstags,  Münster 
i.  W.;  l'ruf.  Dr.  Hoche,  Schulrat  ftlr  das  höhere  Schulweäen  in  Hamburg; 
0.  R.  Hefnann,  Prot  d.  T1i«ol.  a.  d.  Universität  Leipxig;  Israel,  Sehulrat,  8«DDlDar- 
dir.t  Zeebopau;  0.  Jeeaea,  Direkt  d.  Handwerkerseh.,  Berlin ;  D.  Kanferaa,  Prof. 
a.  d.  Unlv  Hruslau;  D.  Dr.  Kieinert,  Kon.Hiätorialrat  und  Professor  an  der 
I  nivorrt.  B<Mlin:  I).  Kopp,  Kar.stbisohot,  Breslau:  Prof  l>r.  Kühler  'Ivnin- 
l>if  kt  ,  f?«'Hin;  Dr.  Lieber,  Mitgl.  d.  Reichstags,  Wieabadeti:  Lucanus,  Oeh. 
Obor-lieg.-itat,  Vice-Prftaident  des  Proviurial-Schulkollegiums  zu  Berlin; 
Dr.  Job.  MDIIer,  Direktor  des  evanj^el.  Somin.,  Bautzen  (Sachsen);  Jeaeph 
Müller,  Direktor  des  Th(>ol.  Seminars  der  Brtidergemeinde  Gnadenlold; 
Rebhuhn,  Vorscluiü  liufli.  d.  dcutsrh  Schulmus.,  Berlin;  Sander.  Si  hnl- 
rat.  Brf'Dii'ii:  1).  l»r.  Schneider,  Wirk!.  (Jeh.  Ober-K'nr  Ifat  und  vorlr.  i\'at 
im  Uuterr.-.Minibt..  BctUu;  G.  Schöppa,  Rugier.-  u.  Schulni(.  Schlciwig;  Prof. 
Dr.  Fr.  Wagner,  Gymn.-Oborl.,  Berlin;  Ed.  Walter,  Direkt  der  KAnlgL  Taub- 
at ummenunstaU,  Berlin:  Dr.  W.  Windelbaad,  Prof.  o.  d.  Univ.  Strassburg; 
Dr.  Th.  Ziegter,  Prof.  a.  d.  Univ.  BtrasHburg, 

'j   In  Zukunft  wird  jedes  l\uruLorialniitglied   einer  der  noch  /.u 
bildenden  Gruppen  angehören. 


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11).  Der  bumauistische  Schulmeister  Petrus  Tritooius  Athcümuü.  261 


19. 

Der  huinani8tit»che  Schulmeister  Petrus  Tritouius 

AthesinuH. 

Von  Ferdiiuuid  Colursy  Pastor  prim.  io  Eschershaiuen. 

Der  einfacheren  Verweisung  wegen  beginne  ich  mit  der 
Litteratur.  Tritonius  ist,  soweit  ich  geiünden  habe,  in  neuerer 
Zeit  zuerst  erwühnt  bei  M.  Denis,  Die  Merkwfirdigkeiten  der 
garellischen  öffenü.  Bibliothek,  Wien  1780,  S.  566,  der  gesteht 

ihn  nicht  zu  kennen.  G.  W.  Zapf,  Aug.sluir^'s  Buchdrucker- 
Geschichte  II,  Aujrsliurir  1791,  S.  25  ff.  jrirbt  unbedeutende 
.\otizen.  E.  K  lilpfol  de  vita  et  sjrriptis  Oonrjidi  Cclti.^  Protucii  II 
Frib.  1827,  S.  121i  .  iithält  üi)or  ihn  folj^cuden  Passns:  Erat 
TritoniuB  patria  Tyroiensis,  qui  Athcsini  ( tiam  niMOien  sibi  im- 
posuerat.  ßrimi  eura  vitam  e^sse,  ludo  httorario  praefoctuni  a 
Druidibus  [?]  mis.^jum  in  Italiani,  Patavii  niagisterii  phisosophici 
insignibus  dcrnrntum  nuncupassc  (^'Itcm  praeccptorcni  snuni. 
Sorte  sua  apud  Brixinense.*<  minus-  contentnni  rogas.^e  C'elteni,  ut 
\'iennae  sibi  prospiceret  de  statioiie  honesta.  i|une  inads  ])!aceret, 
s})o|»ondisse  Cclti  Athesina«'  valli<  desfriiitioncin.  i'doct'uiur  es. 
Trilonii  rpiviolis  nisc  ad  ('rlti-in  datis  an.  \~A^'2  rt  1503,  Succe- 
dentilms  annis  l.udo  littecan'o  liolsani  jjrart'i'ctuiii  fuisse  Tritoniuni 
tcv'tis  ot  \'itus  Bild.  A.  W.  Anibros,  (n'sehichtc  der  Musik  III, 
liivslau  l5(i<s,  S.  370  u.  878  und  Jos.  von  Aschbach,  Die 
\Vien<'r  Universität  und  ihre  Humanistt'n.  \\"wu  1877,  S.  251  f. 
(v^l.  S.  8()  u.  43  f.).  schöpfen  aus  Klüplel.  Roh.  Eitner  be- 
handelt Tritonius  in  der  Allir.  deutsch.  Biofrr.  Bd.  38.  A.Mayor, 
Wiens  Buchdrucker-cs(  hichte  I,  Wien  1883.  S.  i<>l  u.  Aiiiii.  220 
erwähnt  ihn.  P.  B ahlmann,  in  der  Zeitschr.  für  verfrleich. 
Litteraturgeseh.  Neue  Folge,  Bd.  8,  Weimar  181^5,  S.  llß  ff.  und 
Fr.  Waldnerin  den  Monatsheften  für  Musik-Geschichte,  27.  Jahr- 
^aiifr,  Leipzig:  1895.  S.  13  ff.,  widmen  ibni  kurze  Artikel.  — 

Mlttciiunj^en  «L  ües.  t.  üciit-trlic  Kncich.-  u.  iscLulguschiclito.    \  Iii  i  1896.  18 


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262    Mitteilungen  d.  Oos.  f.  deatache  Eniduings-  d.  SchulgesclL  VIIL 


Petrus  Tritonius  Athesinus,  wie  er  als  Humanist,  oder  wie 
er  mit  seinem  deutsctien  Namen  beisst,  Peter  Treibnraiff^),  war 
ein  Tiroler,  aus  dem  Etsehthal  gebtlitig'^).  Wo  er  studiert  hat, 
ist  unsicber').  In  den  Jahren  1502  bis  Tielleicht  1501  oder  1506 
war  er  Scbulmeister  in  Brixen^).  Dann  wurde  er  vielleicht  durch 
Konrad  Geltes  naeh  Wien  gezogen.  Von  seiner  Brizener  Stellung 
nicht  befriedigt,  hatte  er  sich  schon  1502  an  ihn  mit  der  Bitte 
gewandt,  ihm  in  der  Kaiserstadt  ein  Amt  zu  verschaffen  und 
zum  Dank  dafür  ihm  eine  Beschreibung  des  Etschthales  ver- 
sprochen*^).  FQr  die  Erfüllung  seines  Wunsches  spricht,  dass  er 

')  S.  u.  Anm.  29;  vgl^  was  Wftldner  S.  13  f.   Qber  die  Fatuilie 

Treibiirairt  sagt. 

*)  Aächbachs  Angabe,  die  Uablmouu  uachschreibt,  er  stamme  aus  Brixeiu 
ist  blosse  Vermutung;  Weldner  rSt  suf  Boxen  oder  Stening  eis  Oeburtsorte ; 

Athesimis  wäre  hei  allen  diesen  mindestens  nngenau.  Der  Verfasser  des 
Artikels  Tritonins  in  (l«  r  IlioLrr.  iiiiivers.  des  nuisiciens,  t.  S.  P;iri<  1805  lässt 
ihn  in  Aui^sbur^i  >;ebürea  sein  und  übersetzt  seinen  Nainen  mit  Ulivenbaum! 

•)  Nach  KJQpfel,  dem  Aschbach  michschreibt,  nach  dem  sich  dauu  wieder 
Waldner  riditet,  hat  Tritonius  in  Padua  den  llAgistergrad  erworben,  nach  Bitner 
hat  er  in  Ingolstadt  von  1494^1^  unter  Celtes  studiert,  ist  dann  nach 
München  /.'ejjan^'eu  und  dort  irfs-tnrben.  Letzterer  fülnt  für  st  int-  mit  grOsster 
Bestinuutbeit  atis^ifpsprocliciicn  Hiliaaptunepn  ki-iiH-n  I5tlf^'  an;  Khlpfel  ist 
unklar.  Laut  gütiger  Mitteilung  der  I  niversiliU^^-lvaiizlei  in  München  und  des 
Cabinetto  del  Rettore  in  Padua  ist  Tritonias  weder  in  den  Matrikeln  von  Ingol- 
stadt noch  in  denen  Ton  Padua  aufoufindenl 

*)  1602  schreibt  er  von  dort  :  die  beiden  bei  Klüpfel  erwähnten  Briefe 
des  Tritonius  ati  Tfltes,  die  sich  in  dem  in  der  Wit^nor  Hofhiirirbibliotbok  auf- 
bewalirteu  Codex  epistolaris  des  Celles  finden,  sind  nach  Datum  und  Signutur 
angegeben  in  der  Bezension  des  Klüpfelwhen  Buches  in  den  Jahrbachem  der 
Ldtt^  Bd.  46,  Wien  1820,  S.  177 1  Sie  sind  datiert  aus  Brixen  16.  Juni  1602 
und  3.  Juli  1503  und  signiert  XI7  und  XIIIio.  —  Das  Jahr  1500  ergiebt  sich 
aus  den  unten.  Anni  IS  und  22,  abirf'dnirktf'n  Vorreden  Tritruiius*  zu  seinem 
Enchiridiou.  Nach  der  ersten  —  ich  bezeicbne  sie  mit  A.  die  zweite  mit  H  - 
Tom  1.  Janaar  1513  ist  sein  Sohn  Amandus  in  Brixen  geboren  (Am.  Urixinen.siä) ; 
nach  B  ist  er  noch  nicht  0  Jahre  alt  gestorben.  Das  kann  frühestens  im  Lauf 
des  Jahres  15in  u>  >(  heben  sein,  da  er  nach  A  noch  am  Leben  ist;  also  ist  er 
frObe^tf^nf:  ITinj  i^.  boren.  "NVahrscheinlicb  ist  er  \7>V^  alu^r  noch  nicht  9  .Jahre, 
s'nidrrn  iiacii  <li-n  ilim  verorfhift^-n  LtTusioti  vifllt-icht  7  .Tahr«»  nlt  irt^wosen: 
das  würde  auf  löot»  als  sein  (ieburlsjahr  lubri-n.  Daun  wäre  der  gli-icli  zu  er- 
wUinende  Wiener  Aufenthalt  des  Tritonius,  der  ja  freilich  inuner  noch  sweifel- 
hafb  bleibt,  zwischen  Brixen  uml  Bozen  wenii^stens  mO^flich. 

S  rhs  oben  abgedruckte  Citat  aus  Klüpfel.  Wenn  Klüpfel  die  An- 
^mIh  .  (l  iss  Tritonius  in  Padua  Matrister  geworden  sei.  .tuch  aus  den  Briefen 
hat,  die  einzusehe"n  mir  leider  unmöglich  war,  so  verdient  sie  ja  trotz  der 
direkt  widersprechenden  Xadiricht  aus  Padua,  wo  Tritonias  auch  im  Venteichnia 
der  Graduierten  fehlt,  unsere  Beachtung. 


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19.  Der  humaiiistisclie  SduiloMuter  P^rns  Tritonius  Athesinns.  263 


bald  *  als  Mitfrlied  —  vielleicht  aber  als  auswärtiges^)  —  der 
sodalitas  Dauubiana  erscheint  und  besonders,  dass  er  in  dieser 
Eigenschaft  vornehmster  Mitarbeiter  an  den  unter  Celtes  Pro- 
tektorat erschienenen  nnd  1607  gedruckten  Melopdae  ist*).  Nach- 
dem  Geltes  am  2.  Februar  1508  gestorben  war,  hat  Tritonius 
Wien  aber  jedenfalls  bald  wieder  Terlassen  und  fllhrt  nun  — 
ähnlich  wie  einst  sein  Protektor  —  ein  Wanderleben.  Vielleicht 
noch  1506,  wahrscheinlicher  1509^,  finden  wir  ihn  im  alten  Berufe 
wirkend  in  Bozen;  1510  oder  1511  hält  er  sich  in  Seregno  bei 
Monza  (?)  anf^);  Anfang  Januar  1513  begegnet  er  uns  in  Hall 
im  Innthal^)  und  1520  bis  1624  ist  er  Schulmeister  in  Schwaz 
—  unweit  Hall  —  in  Tirol*).  Wie  lange  er  dort  noch  geblieben 
uod  wann  er  gestorben  ist,  ist  unbekannt. 

Aus  dem  Jahre  1524  besitzen  wir  eine  Schrift  von  ihm: 
Vertetttschte  paraphrasis  in  das  fttnfft  capitel  des  Bwangeli  sancti 
Mathei.  Ainem  yeden  rechten  Christen  fast  anemlich  (durch 
Petr.  Tritonium  vertetttschet)^.   Das  Büchlein  ist  ein  Zeichen 

*)  8o  Hajrer.  Waldner  nimmi  mit  Aschbach  den  Wiener  Aafentlialt 
Tritonias*  als  ncher  erwiesen  «n. 

*)  S.  den  Titfl  der  Mflopoiat";  TgL  unten  Anin.  15. 

')  Das  von  KIftpfel  erwilhntt'  Z^Micrnis  th^?  Vifn«  Hild  find- 1  sich  in 
Placidui»  BrauUf  Nutitia  List.-liter.  de  codicibus  nisc.  in  bibl.  uiouast.  ord.  8. 
Bened.  ad  8S.  ITdalricuin  et  Afnm  Augruatae  extantibiu.  IV  Aug.  Vind.  1793 
8.  88f  wo  ein  Brief  Bilde  ad  Petr.  Tritonium  Lodimagistrum  Pnlaani  ver- 

Michlict  ist.  der  auf  löOS  oder  1500  zu  führen  scheint. 

*)  Such  Ii  ffthrl  Trituiiiti-'  zwi-ilcr  Snhii  Vitu>  T.iu'tus  l!>'innn)en 
8erejiliniis:  er  nia^'  nlsu  in  Sereyno  bei  Monza  j,'ehoren  .-ein;  an  iSerent  in  der 
Nurmandie  ist  wegen  der  weiten  Entfernung  wohl  kaum  zu  denken.  Am  Ende 
desi  am  1.  Januar  1520  abgeschlossenen  (B),  im  Juni  1581  gedruckten  Enchi> 
riilioii^  v-  rntf.^nt licht  Tritonius: 

Viti  Laeti  Tritong  Soreniitii.  ptieri  nonduni  (!<  (  *  tmii^.  ad  pnrentem  distichon. 
0  genitnr  (  Imre  atqne  inrliilt,'i  nt is<iint'.  amoriö 
In  me  forlia  erunt  haec  niomimenia  tui. 
Fast  macht  es  den  Eindruck»  als  »ei  dieses  Distichon  noch  eben  vor  Beendigung  der 
Drucklegung  dem  Buche  hinsugeflUgt  worden;  möglicherweise  wKre  Vitus  also  erst 
1511  ir»«boren.  1518  (.\)  heisst  er  fraterculus,  wird  aber  doch  schon  fürs  Lernen  mit 
in»  Auge  gefas-t :  >o  ist  nh  s»  in  Gehurt^ahrdoch  vielleicht  schon  lölO  anzunehmen. 
*)  8.  die  Datierung  von  A. 

*)  8.  die  Datierung  von  B  nnd  die  Datienmg  der  gleii^  zu  erwUmenden, 
nach  Waldner  8. 18  auch  aus  Scbwaz  stammenden  «Vertefitschteti  paraphrasis.* 

8.  1.  in  4°.  Titel  nach:  Bibliotheca  Eia>iiii ma.  Gand  18Ö8  1»  sirie 
S.  I.'iO.  8.  151  winl  noch  eine  andere  .\usgal"  s  1.  et  a.  in  4"  anL'etreben. 
Nfthenis  8.  auch  bei  Waldner  8.  18.  -  .\n  den  anderen,  zahlreichen  Einzel- 
fibersutzungeu  aus  Erasmus'  Paraphrasen  (s.  Bibl.  Erasm.  S.  144  Ü.)  scheint 
Tritonius  nicht  beteiligt  su  sein. 

iff 

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204     üitieiiungen  d.  Cies.  f.  cleutscbe  £rzieLuugs-  u.  Schulgesch.  Ylil. 


seiner  XCn  lu-unfr  fUr  Erasmus,  den  er  nur  ,.den  Grossen"  nennt'). 
In  der  rt  lormatonschen  Bewegung  wird  er  deshalb  auch  auf 
Seiten  derer  gestanden  haben,  die  in  Erasmus  den  wahren  Re- 
lormator  sahen. 

Eine  nicht  geringe  Bedeutung  hat  Tritonius  als  Musik<T-). 
Den  vorhin  schon  genannten  Melopoiae'*)  dankt  er  es,  dass  er 
nicht  ganz  vergessen  ist,  da  sie,  obwohl  stets  unter  Celtes* 
Schriften  aufgeführt,  doch  auch  seinen  Namen  auf  dem  Titel  tragen. 

Auch  als  Dichter  deutscher  Gesänge  scheint  er  sich  ver- 
sucht zu  haben.  Er  scheint  an  einer  1524  erschienenen  Samm- 
lung mittelalterlicher  Hymnen  in  deutscher  Uebersetzung  beteiligt 
zu  sein^). 

Hier  interessiert  er  uns  als  Schulmann. 
Wir  haben  von  ihm  ein  Schulbuch,  betitelt^): 

l)oc    cnd}ix\bio  conhncn» 
tur  perfus  quibam,  qutb' 
tenera  puerorum  me* 
motki  votifft- 
mum  cyerc?» 
ba  efl. 

  5f 

Siehe  B. 

*)  Als  solcher  bat  er  seinea  PlaU  in  der  allgem.  dtech.  Biographie  ge- 
fuoden.   8.  dort  weitere  Litieratar  Uber  iha  als  Musiker. 

S.  den  Titel:  Melopoiae  sive  Hnrniutiiae  tetrocentlcae  per 

P.  Tritoniuin  et  alin«  dortfis  Modalität is  Litterariae  nostrae  miisicos  ....  coni- 
poBitae  ut  regulatae  ductu  Cbuur.  C'eltiä  feliciter  impretisae  —  uuü  die  iia- 
achreibottg  des  Dnidcec  bei  Denis,  Zi^f,  Ascbbacb,  aadi  bei  Watdner  und 
Qoedeke,  Gnmdriss  zur  Gescb.  d.  dtscb.  Dichtung  I,  Dresden  1884,  S.  418. 
Auch  letzterer  fnluf  ila.s  Buch  nnler  CVltes"  Schriften 

*>  NiUiilich  an  dem  schon  von  Hott'niaiin  v.  Kalii'i'sleben,  (jcscli.  d  d«'utsrh. 
Kircheniiede.s  8.  Ausg.,  Hiumovcr  1801,  »S.  271  fl".,  bcschriebeueu  und  benutzten 
^^-luuariuä'*,  den  Waldner  in  seinem  Aufsatz  fttr  noch  unbekannt  hält  und 
mit  Unrecht  das  Blteste  gedruckte  katholische  Gesangbuch  nennt  (vgl  dagegen 
Honatsh.  f.  Musik-Grsch.  1>>M5.  8.  50  H,».  Waldner  lü.-<st  Tritoniu.s  Dichter  bezw. 
l'ebersf tTif'r  dt  r  >ilmi liehen  im  Hymuurius  euthalt«  ii< n  Linder  sein.  Vielleicht. 
hat  er  l  inier'-  -.  ll.-t  i»eitr«'tr!»iren :  vielleicht  ist  er  mu  h  mii-  Summler. 

MüniLeu.    KgL  iiof-  u.   Sluatsbibi.     Paed.  l'r.  Tilil  ubue 

Bordflre.  8  BU.  in  8*.  A.  E.:  Josepbus  Pyribullius  Snoqj  imprimebat,  niense 
Junio  MDXXI.  Ans  Waldners  Mitteilungen  S.  17  f.  geht  hervor,  dass  auch 
dieses  Enchiridion,  eben-^^o  wie  die  von  ihm  angeführten  Drucke  (Von  dem 
leben  .  Democriti  und  V«Tleüt!«chte  paraphrasis  und  der  li^'muuriutii.  niis 

der  l'nvatdruckirei  des  reicbeu  Gewerkeu  Georg  StOckl  iu  Öchwaz  stammt, 
und  dass  der  Drucker  Josef  Pymsieder  (buUare  »  sieden)  hiess. 


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19.  Der  huaumistische  Sehulmeistor  Petras  Tritonius  Athesintu.  265 


Es  zerfällt  in  zwei  Teile;  der  erste  stammt  aus  dem  Jahre  1513 
und  ist  damals  Tielleicht  schon  gesondert  von  Tritonius  heraus* 
gegeben,  Tielleicht  auch  nur  handschriftiich  für  seine  beiden  SOhne 
Amandus  und  Vitus  zusammengestellt;  gewidmet  ist  er  nur  dem 
älteren,  der  damals  7  Jahre  alt  gewesen  sein  mag*). 

Er  enthält  1.  den  altkirchlicben  Gesang  Yeni  Sancte  Spiritus, 
reple  tuorum  cordia  u.  s.  w.,  2.  die  zehn  Gebote,  8.  das  Vater- 
unser, 4.  das  Ave  Maria,  5.  das  Salve  Regina  —  alles  in  latei- 
nischen Hexametern^.  Den  Stoff  des  häuslichen  Beligions- 
unterrichts  und  die  beliebtesten  kirchlichen  Gesänge')  hat  Tritonius 
in  die  Form  gebracht,  die  nach  seinem  humanistischen  Geschmack 
die  Tollkomincnste  ist  Ganz  wiss  hat  er  d«il)ei  nicht  allein  nn 
(Ion  häuslichen  Unterricht  seiner  Kinder  gedacht,  sondern  bat  die 
Stoffe,  die  aucli  sonst  den  Inhalt  der  ersten  Schulbücher^) 
bildeten,  auch  in  stiurr  Schule  in  dieser  Form  benutzt. 

Das  dürfen  wir  schliessen  aus  der  Bestimmung  des  zweiten 
Teils,  den)  wieder  eine  Vorrede  vom  1.  Januar  1520  an  seinen 
jüngeren  Sohn  —  Amandus  ist  inzwischen  gestorben  —  vorher- 
geht^). £r  soll  ihm  una  cum  ingenuis  contribulibus  zu  gute 
kommen. 

')  Die  in  cleii  ABnertcungen  sclion  ervihnte  Vorrede  A  lautet:  Feims 
Tritonius  Athesinus  Amando  Tritonio  Brixinensi,  filio  suo  omnium  anuuitissimo, 
felicitateni  iinprecatur  sempitemam.  Qiiainqiiam  te,  fili  Amandei,  superiM  \mu' 
faiM^ntiliiis,  in  prosa  orntionf,  pro  virili  institiuTO  non  nrirligpiini«;  (h'raloi;! 
tnnieii  U'^'fin,  pieces  (iominieas,  ac  reliqua  Iiis  haiid  dis.similia  tibi  iu  carmim^ 
tradere  nialumus:  mukaä  ub  causam,  tibi  iiuperiüptibiles  luudu,  ideo  hic  non 
ennmerati».  Tai  itaque  erit  ofBcij»  amatisstme  AmaDde«,  te  vna  cum  Vito  frater- 
ml«)  tiio  his  ad  ciinas  (>xercere.  Vale  dfiimqiiu  tinif  ac  parentes  reuerere. 
Hallno  (K'iii,  cab'uili-  Janiiarij.    Anno  a  ('bristo  nato  MÜXIII. 

*>  Kincn  Aliilruck  di«'spr  Stücke  hat  Bahlniann  S.  Usf.  sch(»n  bt'sort;t; 
ir  kann  dt-shalb  hier  imtcrbieiben,  zumal  ich  die  Verse  in  einer  vorbereiteten 
Publikation  unserer  Gesellschaft  JHe  evang.  Kat.-Versuche  bis  auf  Luthers 
Enchiridion**  aohangsireise  abzudnicken  beabsichtige. 

Dass  der  Gesiang  Veni  sancte  Spiritus,  der  meist  zu  Anfang'  der 
Scbulstnnfh'Tt  L'''>!ii)srt^ii  wurde,  auch  sonst  zum  rnterricbtsstoft' irt  rocbnet  wurde, 
siehe  z.  B.  in  der  Kiuderlehre  düs  15.  Jahrhunderts.  Programm  der  gross. 
Htadtschttl«  ssa  Rostock  1873,  S.  18  ff. 

*)  S.  Joh.  MQller,  Quellenscbriften  und  Geschichte  des  deutschsprachlichen 
rnterrichts.    Gotha  1H,S2.  S.  210. 

•■■>  Vom-de  B  lautot:  Petrus  Tritonins  Atli»^sinus  Vito  Laeto  Tritonio 
Serenlino  filio  suo  paterno  ex  affectu  j^aluteni  dicit.  l*osteaquam  AmauduiJ, 
fniter  tuus,  naturae,  quae  ingeuijs  plerumque  iufi;:«ta  est  praecocibus,  nonom 
nonduni  attingens  annum,  et  ipse  debitum  persoluit:  ego  te,  Tiuacissime  Vite 
ac  laetis»ime  mi  I^aete,  cum  iam  in  traditis  a  me  Tobis  crepundys  lur>eris 


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iUtteilunjfeu  d.  Ues.  f.  deutsche  Krziehuugs-  u.  Öchulgesch,  Vlll. 


Diesfr  zweite  Teil  enthält  1.  das  Institiitum  honimis  cbri- 
Ktiani  des  I']rasmus 2.  eine  Auswahl  aus  Cato^). 

Offenbar  hat  der  erste  Teil  d«»s  Enrhiridions  der  Unter- 
stufe gedient:  dieser  zweite  dient  der  Mittelstute  und  leitet 
Whvv  zum  Schulbuch  der  Oberstufe,  der  Cato -Ausgabe  des 
Eiu.suius^). 

Erasmus'  Institutum  ist  ein  Gegenstück  zu  des  Tritonius 
eitrenen  Arbeittu  im  ersten  Teil.  Es  enthält  den  (Jlauben,  die 
sieben  Sakiiunente  und  andere  Stf>ffe  des  kirchlieben  ^'olks- 
unterrichts,  auch  in  lateinischen  Hexametern  beliandelt.  Da 
gerade  die  von  Tritonius  «regehenen  Stiieke  ihm  frhU  n.  so  sollte 
man  meinen.  Tritonius  sei  durch  Erasmus"  Buch  zu  seiner  Arbeit 
angeregt  worden.  Es  nd1s<?te  dann  das  Institut  um.  das  selion 
früher  verfasst,  aber  ejst  löl4  geihuckt  worden  ist,  schon  hand- 
schrifllicii  in  seinen  Besitz  gekonuneu  sein. 

Obgleich  wir  das  Enchiridioii  <:('ra(h'zii  einen  n'imisch-hunui- 
nistiselien  Katechismus  nennen  dürfen,  hat  Tritonius  (>s  nicht  für 
icliLMusen   l'nterricht  zusammengestellt.    Es   sollte  das  erste 


iilmii.lr  lu  e  iaiii  amplius  puerilitiT  ludas,  sed  serio  rem  traclt's,  vohii  iiiuic  alieiia 
quai  iiiuiii  supcraddere:  nempe  Erasmi  Roterodumi,  eins  Yiri,  quem  nie  s('n)])er 
Audis  dicera  Hagnum,  eius  inqium  m»tittttuiii  chriBtianum,  Catonis  item  (vt 

Tocant)  disticha,  ob  moinoriae  Icm'ritatt'Ui  |iaiiciila  qiiidetn,  qua«-  niorihiis  »'uisi-ri 
lU'tatnla»'  tiiae  exiinie  cojiflnr.  visa  sunt,  nnn  quo  rt-liqua  t«'  couteniiuTo 
iub«aiu,  verum  sulidiuri  nieniuriue  adepto  liubitu,  ipt»a  i»iuj^ula.  si  tue  diligis, 
tha  cum  Erasmi  schol^js  ad  mguem  velim  ediscoa.  Haec  interiui,  quo  commofliua 
tu  vna  cmn  tuis  ingfenuis  contribulibas  tractare  queas.  in  eticbiridij  fonnam 
hane  redegi:  ac  pro  instantis  M'kv>  n-nni  strena  voM<  offi-ro.  Vale,  fili  charis- 
sinx',  cnni   dictis  tuis  cnTidisfiiuilis.   liirri-ijUi-  <■{  niorihns  nr  in  priniis 

pietate  proficitt-.    Ex  hulo  imstio  liiriaiio  SuiM-i).  lalciulis  Jatiiiarij  MDXX.- 

*)  Zu  Anden  in  Erasmi  openi  Tom.  V  Ba.sileae  ex  oft'.  Frobeniana  ITiiU, 
S.  1141 — 1144.  Auch  von  diesem  Institutum  des  Erasmus  denke  ich  iu  der 
Anm.  10  erwShnten  Publikation  anJiangsweise  einen  Neudruck  »i  veranstalten. 

^  Vgl.  darüber  Mitteilungen  f.  deutsche  En.  u.  Schulgesch.  III,  ü.  36, 
Anm.  18.   Nach  der  ZablutiL:  in  der  Ausgabe  von  Ferdinandus  }Iauthal.  Catonis 

phüosoplii  Über  Herolini  ISÜU  sind  von  Tritonius  für  sein  Knchiridion 

aufrv'ewiihlt :  1.  1—4,  14.  15.  17.  21.  iW.  M,  m.  38;  II,  1,  4,  7,  11,  15,  ir>.  21, 
24,  25,  3<J;  III,  2,  ö,  7,  13,  17,  19,  22;  IV,  0,  7,  13,  15,  19—21,  23,  20,  27, 
2»,  34,  48. 

>)  Vgl.  oben  B  (Anm.  22).    Diese  Ausgabe  enthSlt  ausserdem:  Dict« 

siipientum,  \"n  Em-Fiius  aus  dem  CJriechiscb<-n  (ibrrsetzt;  Minii  Publiani.  ab 
Erasiiio  castiirati  et  ehieidati;  liistitutum  lioni.  christ.:  lsr»cratis  ad  niniuniruni 
I'ara»  iiesis  ♦•ruditissimum  virum  !?'<•!.  A^ricoiam  ü  graecu  in  lalinum  i^er- 
moncm  traduda;  Epictcli  JSloici  Euchiiidion. 


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10.  Der  homanutische  Schulmeister  Petrus  Tritomus  Athesinus.  267 


lateinische  Lese-  und  Lernbach  sein^.  Dennoch  ist  es  bedeut- 
sam, dass  er  dafttr  religiöse  Stolfe  wählt.  Und  da  er  sie  die 
Kinder  gewiss  nicht  mechanisch  hat  auswendig  lernen  lassen, 
sondern  ihnen  zuvor  erklärt  hat,  so  hat  er  doch  einen  ge- 
wissen Religionsunterricht  erteilt. 

Nur  indirekt  steht  ein  anderes  mit  dem  Enchiridion  fast 
Lrleichzoitig  erschienenes  Buch  des  Tritonius  mit  der  Schule  in 
Verbindung;  es  lässt  uns  in  seine  Bibliothek  einen  Blick  thun 
und  Mu  t  uns  die  von  ihm  beim  Unterricht  herangezogenen  Schrift^ 
steller  kennen.   Es  ist'^): 

Pott   beiti  leben  Dnb 
^el&c^ter  Dentocrttt/fur^ 
iDeüt^  m  fafl  nu^ 

Das  Buch  hat  Tritonius  geschrieben,  ..damit  ain  klainer 
boriclit  gethon  werd  ettliclieii  groben  menschen,  was  die  Plnlosophi 
für  letlt  ge\vo>:rn  -.  Er  hat  das  ,.(birch  anzaigung  I  )rino(  iiti.  der 
bey  vicrhTiiidt'i't  viid  Yi**rtzig  jaren  vor  ( 'Iiristi  geburt  (als  Eust-ltiiis 
im  Iiücli  Dt'  tfmjxtre  auzaigt  i^rlt'ht  liat.  /uiiersten  geben  wollen. 
(Ii*'  aiidt  I  II  iiai'li  jm  zuenm-sscii.  dann  jn  alliii  hat  miszfallen  die 
torbait,  vnwissenhait.  vngoliriii^^kait.  tititzige  verstockung.  vnd 
überige  sorgldtigkait  di  s  griuaim*n  vokks.  dem  sy  zu  ainem  guten 
rtlwigen  fridliela  ii  Icbt  ii  gern  hetten  geholffen.  Vmb  welehes  sy 
wenig  bessern  Ion.  dann  veraclitung,  Verspottung  vnd  zuzeiten 
gelai  licliliiiil  ires  lebens  daruon  bracht  lialjen." 

^)  Virl.  tl"  II  Tilfl:  vt'fsus.  qiiihii^J  tt>ii'»rn  ]>nt»rormii  itH'iiioria  t'xcrci'nda 
<<t  Missvi-i-ständUfli  ist  «*s.  v:vni\  Biihlimuui  S.  111»  liif  Vers«-  vtrsii^  m»»- 
moriiilfs  ueniit  uud  sie  etwa  mit  duu  bei  Joli.  GfÖ'ckeii,  Der  Hil(i«'rkat«-ihi»mu>* 
des  15.  Jahrhunderts,  Leipzig  1855,  Beil.  S.  106  f.,  abgedruckten  auf  ein«  Stufe 
»telk.  Von  diesen  wurden  vohl  die  Deceni  praecepta:  Unnm  cmle  deum  .  . ., 
WH-  iiiiMTt'  Vt-rsc,  iu  dm  LaU'in.schiilen  sri'bruiiclit  (s.  z.  B.  Jnannis  Piriiciani 
bn'iii<  ir^l'tnTio.  Augustae  in  ,u>f!i!ins  Silvniii  Otmar,  1520.  Hl.  riii;  (H«'  aiid^Ten 
di«iHUii  ilfti  l'rii'Sterii  als  wirkliche  MetiKirialverse,  uia  die  ver.';cliif«Jeneu 
Handenregit>ter,  die  bischöflichen  und  papstlichen  ReserratAUe  und  dergleichen 
daran  zu  behalten. 

Müru  lu  n.   Kgl.  Hof-  u.  Staats -Bibliothek,  titel  in  Boiddre:  U  BU. 
in  4»;  letzt*  -  I?littt  leer. 

Tritonius  hat  viflleicht  benutzt:  EVSEHII  Cat'saricuüis  Episcopi 

Chronicon  Paris  bei  Henr.  Stephanus  1518.    Unter  Olymp.  69  st^hl: 

Democritus  philosophus  (BI.  05);  unter  Olymp.  86:  Democritus  Abderites  et 
Gmpedocles  ei  Hippocrates  inedieus  ( Bl.  dl);  unter  Olymp.  94:  Denuicritns 
moritur  (Bl.  68).   770  —  (4  .  94}  =  4Ü0. 


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208     Mitteilungen  d.  Geg.  f.  deutsche  Eiziehuuge-  u.  ScUulgesch.  Vill. 


U?n  d«'n  lachenden  Pliilnsoi)ben  ist  es  Tritoniiis  also  im 
(Tiunch^  frar  nicht  zu  thun.  soiiiiern  er  will  zeisren.  tlass  weisen 
l/entt'n.  die  dem  Volke  helfen  wollen,  von  dicsinn  meist  mit  Un- 
dank gelohnt  wird.  Wahr.scheialich  habiMi  böse  Erfahrunf^t'n  in 
seiner  Lehrthätigkcit  ihn  ^e^en  die  ungelehrte  Menge  verbittert. 
Gleichzeitig  will  er  als  rechtiT  Humanist,  was  besonders  das 
Schlussgedicht  des  Buches  zum  Auadruck  bringt,  zu  einem  ge- 
rechteren Urteil  über  die  Weisheit  der  Heiden  lüluen: 

„<ö^  6n&i"ii  fülcfic  bing,  qrirtiril'en, 
2)aö  (cbier  ain  ti'^rift  oatbci)  lüiir  bUbcrt, 
fHoäf  l^aiffct  man  }i}  bic  bcrflfid^tcn, 
nieivof  ft]  folctie  tugent  f&d^ten." 

Wahrhaft  gofuodeu  Ircilich  haben  die  Tugend  erst  die  Ciiristen: 

„'t'arumD,  loctl  loir  ft)  fimben  finbcn 
^urdt)  (fftriftiim,  lonb  »n^  jm  na^trabeii 
Unb  alio  richten  Ditiei  leben, 
1ba9  t9  ntt  crflcmufe  müg  geben.* 

Tritonius  widmet  .sein  Buch  „dem  vesten  vnd  iürneineti 
Gabriel  Weidncher.  derzeit  viM^ves-er  des  Bawniaister  ampts  vriser 
Irawen  kirchen  zü  Schwatz,  seinem  günstii^en  lieb(^n  herreii  viul 
alten  freUnd"  —  „als  dem,  der  ain  besonder  beschirmer  ist  des 
Philosuphischen  nauieus  wider  die  liebhaber  der  torhait  vnd  feind 
der  weiszhait''^). 

Da  des  „Democriti  wesen  vnd  leben  am  basten  zuerkennen 
ist  ausz  der  Epistel  Hipocratis  zu  Daiuageto%  so  beginnt  das 
Buch  mit  einer  deutschen  l  ebersetzung  dieses  Briefes.  Aus 
dem  grief'lli^;cllen  Urtext  hat  ihn  Tritonius  aber  nicht  Uersetzt  - 
Griechisch  wird  er  nicht  verstanden  haben  —  sondern  da  er 
„etwan  langst  ausz  Kriechischer  sprach  zii  Latein  gebrachf*. 
hat  er  ihn  darnach  ..in  Teütsrh  gemacht'*.  Nachdem  Giriaco  von 
Ancona  die  Fragmente  des  Hijipokrates  aufgefunden,  hatte 
Rinucci  da  Gastigüone  eine  lateinische  Uebersetzuug  davon  ge- 
lieteit^).    Wahrscheinlich  hat  Tritonius  sie  benutzt. 


*)  All©  hier  gegeboueu  Prusa-Zit&te  »tauimea  aus  der  Vorrede,  lu  ihrer 
Ueberaehrift  nennt  Tritonius  sich  Treihnnüff;  äre  Datienmg  lautet:  Geben  su 
Schwatz  nm  xxvi.  tag  Semptemhris  im  IL  D.  izi.  jar.    „Die  ander  Traacb," 

weshalb  Tritonius  dem  Weidacher  sein  Buch  widitu't.  ist  die.  dass  er,  wie 
Democritus,  aller  torlicher  red  vnd  hendel  niaisterlich  lachen  künd." 

^)  Vi.']  0.  \'oiirt.  Die  Wiedt  ibelebung  des  klaaüiachen  Altertuna.  2.  Aufl. 

Berlin  IHüU  L  1  ö.         11  b.  bü. 


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19.  Der  hunumistisdie  Schulmeister  Potnu  Tritonius  AÜiesiiius.  209 


Sein  „Argument  oder  innbaltimg  des  Sendbrieffs  von  der 
vnsinnigkait  Democriti"  mag  hier  Platz  finden: 

f^Democritug  von  Abdera,  vnder  den  liebbabern  der  weis- 
bait  zü  seinen  Zeiten  der  fOrtreflichestf  Ausz  verdriess  seiner 
frettnd  vnd  seiner  mitburger,  hat  er  verlaasen  bausz  vnd  faof 
vnd  alle  andere  seine  guter,  deren  er  vil  besessen  het,  durch* 
wandert  die  weit,  zoch  zfiletst  in  ain  wüste  nit  ferr  von  seim 
baimet  Abdera,  daselbst  ergab  er  sich  der  rfi,  vnd  setzet  jm 
fQr  etlieber  bendel  des  menschen  zälachen.  Do  das  seine 
niitburi^ror  merckton.  mainter»  sy  jn  seiner  sinn  beraubt  sein, 
haben  erfordert  durch  botschafft  vnd  Sendbrief  Hipoeratem, 
den  vorniartisten  artzet  von  der  insel  C'oo.  wider  sinnijj  zü 
machen  Deniocrituni,  den  sy  vnsinnig  schätzten.  Solliches 
ampt  nani  an  Hipocrates,  schiffet  gen  Abderam,  von  daiinen 
er  alles  das  geschehen  vnd  oreredt  ward  zwischen  sein  vnd 
Democrito,  seinem  hauszhaber  Damageto  durch  disen  send» 
brieff  anzaigt^)." 

„Damit  man  aber  klarlicher  verneni,  was  diser  Denmcritus 
ftlr  ain  Philosophus  gewesen",  so  hat  Tritonius  sich  hiebt  mit 
diesem  einen  Bericht  über  ibii  b(  Lmligt.  sondern  hat  „ain  wenig 
auszzogen  ausz  den  bUcbern  der  treffenlichen  Autorum.  so  von 
jm  geschriben  haben,  vnd  als  vil  er  in  seiner  liherey  bald  zü  der 
band  bat  finden  mügen." 

Er  giebt  Auszüge  aus  Valerius  Maxinms^).  aus  dem  Valerius- 
Kommentar  des  Oliverius*),  aus  Juvenal^),  Aulus  Gellius^), 


'l  Den  von  Tntfiniti?<  {Ihorsotzten  Hricf  findet  man  im  Urtext  in  Tfippo- 
cratis  et  alioruni  mediconini  veteruni  rciiquiae  ed.  Fr.  Zach.  Ermerins  Iii  IHiU, 
8.  586—601,  unter  Bpiatolae  Hippocratia  No.  17. 

*)  Im  folgenden  gebe  Ich  in  Anffthrangszeichen  immer  des  Zitat  mit 
dvii  Wort»'!)  (li-s  TritoaiuB«  dann  nach  dem  Doppelpunkt  die  Stelle,  wo  man  ert 
im  l'rtext  findet,  wo  mOirlich  nach  einer  ^'angbaren  Ausgabe  des  betr.  Schrift- 
steliers.  --  „Vnlerids  \faximus  Hl),  i  Cap.  vij.  de  stndio  et  indu.stria":  Val. 
Muximi  fuctoruui  et  dietorum  memurabilium  üb.  Vlil  {aho  bei  Tritonius  fah>ch!) 
cap.  VU  §  4  ed.  Car.  Halm.  Lips.  180K»  8.  866. 

*)  ^Oliuerius  in  Gommentaiiijs  super  predietia  Valery  Terbia":  Valeriu« 
Mn.ximus  cum  commento  Oliuerii  Arzignanensis  VicenUni  .S.  B.  Venedig  1401 
((iOtting.  Auct.  ].at.  III  m\H).  151  isf».    .\t  democritus  bi?:  re!  dorpff^t. 

*)  .JuuenaÜH  Sntym  \  jVers  8;i  und  34].  rer]»etuo  risu  pulmonen« 
agitare  solebat  DemocritiiH.  Das  ist:  mit  ütäteni  gelechter  bei  gewonet  Demo- 
critua  sein  lungen  cu  schitten'*:  ed.  C.  F.  Hermann«  Leipzig  1883»  8.  65. 

*)  ^Aulaa  Gelliua  üb.  x.  cap.  xg.  Noctium  Acticarttm":  AuL  Oell.  noct. 
Atttcarum  lib.  X  cap.  12  §  1—0  ed.  Lps.  1877  II,  8.  11  f. 


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270    Mittettimgen  d.  Ges.  f.  doutsebe  Ersiehtmgs-  u.  Sehulgeach.  Till. 


Ciceros  Tuskulaneni),  aus  des  Beroaldus  Kommentar  dazu^, 
aus  Tertullians  Apologeticus^,  aus  L.  Caeiius  Bhodiginus^)  und 
Diogenes  Laertms^). 

Wir  erkennen  in  ihnen  die  bei  den  Humanisten  beliebten 
Schriftsteller,  freuen  uns  aber  zugleich,  dass  der  Schulmeister 
Tritonius  eine  für  jene  Tage  recht  gute  Bibliothek  besass  und  gut 
in  seinen  Büchern  Bescheid  wosste. 

Ganz  80  gross  freilich  ist  seine  Belesenheit  wohl  nicht  ge- 
wesen,  wie  sie  auf  den  ersten  Blick  erscheint.  Das  Citat  aus 
Juvenal  und  die  Verweisungen  auf  Laertius,  auf  die  Tuskulanen 
und  auf  Gellius  dankt  er  dem  Kommentar  des  Oliverius,  die  Ver- 
weisung auf  Tertullian  dem  Kommentar  des  Beroaldus  zu  den 
Tuskulanen.  Auch  Tritonius*  Bibliothek  schrumpft  bei  nftherer 
Betrachtung  etwas  zusammen.  Den  Text  Ton  Valerius  Haximus 
und  Ciceros  Tuskulanen  hat  er  ausser  in  den  genannten  Kommen- 
taren gewiss  nicht  noch  einmal  gehabt.  Jurenal  brauchte  ihm 
überhaupt  nicht  zur  Hand  zu  sein.  Laertius,  Autus  Gellius  und 
Tertullians  Apologeticus  bat  er  aber  nachgescliIa;ron,  doiin  er 
citiert  von  ihnen  mehr,  als  er  bei  Oliverius  und  Beroaldus  fand. 


..M.  T.  ( '.  Tu>ruliuianiTii  «nirstionmn  lib.  V:  M.  Tiillii  Cti  rrnriij^  Tn^rnl. 
Disiiutationum  lih.  V  .  cd.  Kuch.  Hann.  1<>4  cap.  28  §  (i(J:  Atj»',  cualVr  Denio- 

crituui  bis  07:  cuniiiifri  iiecesüe  est  {S.  123j.    cup.  3t>  §  104:  lutelli- 

frendum  est  igitur  bis:  a  gloria  se  afuiss«  (S.  139 f.).  cap.  SD  §  114: 

Demorritii»  Inminibus  amissis  bis:  ut  nulla  io  extremitate  consisteret 

(Ö.  144  f.). 

-I'.  B«»ronldiis  in  Coiiimentarijs  super  prcdictis  Tullij  verbis'*:  C'om- 
meut4irü  questiotuiiu  TuhCiilauarum  editi  u  Philippu  lieroalüo.    iionuiüae  14lHi 

(Gott.  Auct.  Lat.  II  2748)  BL  120.  Democritum  abderitem  bis:  seque 

elncilicasse. 

*)  nTertuliaDUS  in  Apologet  ico-.-  ed.  Fr.  Dehler.    Halae  Sax.  1848. 
cap.  40,  S.  237.   D<'m<icritiis  bis:  caecus  est. 

*)  ..I,.  (■>liu>   l!!niiiii:iiiiis  Icctiuiuim  antiriitnnuu   lib.  xi  Cap.  xxxvij": 
r^odovii  i  (  («  Iii  Kliodi^ini  aiitiqiiaium  lectioniini  iibri.    X  cin-iiis  l.'lfi  (in  Hntt.) 

8.  581.    Kl  iutemigiitus  Demucrituh  bis:  ölet)  aulem  exlima;  iiml;  Jlie 

vero  ip«e  Democritus  bis:  fati  distuUt  diem. 

*)  ^Diogenes  I^aertiiis  de  vitis  Philosophorum  IL  iz** :  rec.  C.  Qabr.  Cobet* 

Paris  1830,  S.  287  ff.  lib.  IX.  cap.  VII  §     -ir^X  U  Arjfi^Tpioc  h  iuioiviaoi;  

bis  ^i'/.iz-jTJ  ^tvf^bat.    i;  5:  xal  f^v       'iXT,l)iö;  ev  '^O.rj'so-^i'i  bis  AifOi  tfjyj'* 

r/,irj.  §  fs:  Av.^T'iJevo;  .  .  .  ■  .  bis  utTit  tmu-v.zv^  äv'Yvtuv  (mit  Abweiebuiigen.  Zii- 
hätzeu  und  Auslassiint^rn^.    §  lUf:  'fr^st  o'  'AHTf.Ciio^oi  .....  bis  ew£a  roö; 

xels  bMitiv  izi,  jitoi;.   §  12:  t&o«  V  tVm  tJ-jV  ejüjjAfatv  bis  x«d  xtv«$v.  §  13: 

U  ßißU'ouTfiO  .....  bis  tosvJTs  xtA.  ziii  (=  AnfzKhlung  der  Schriften  nach 
Thra«syUos  mit  Abweichungen). 


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10.  Der  humaiuBtischo  Scbulmeistdr  Petras  Tritonius  Atbesinus.  271 


Diogenes  Laertius  wird  er  in  der  lateinischen  Ucbersetzung  von 
Ambrosius  Traversari  (1475  u.  ö.)  besessen  haben. 

Reclmen  wir  zu  don  sechs  umfangreichen  Werken,  die  dem* 
nach  als  in  seiiuT  Bibliothek  vorliaiidon  übrig  bleiben,  die  vorhin 
erwähnten  beiden,  die  Fnigmente  des  Hippoki at es  und  das  Cbro- 
nioon  des  Eusebius,  hinzu,  so  war  für  den  Schulmeister  eines 
Marktfleckens  V)  —  oder  kleiner  Städte  —  der  gelehrte  Apparat 
des  Tritonius  jedenfalls  völlig  ausreichend. 

')  Vgl.  aber,  was  Waldner  8.  17  über  die  Urüijtie  des  MarktlleckcnK 
Schwaz  saf^.  Nach  ihm  hat  er  damals  SO  000  Eintrohner  gehabt. 


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272     ilitteUungen  d.  Ges.  t.  deutsdie  Krziehungs-  u.  Schul^'escli.  VlU. 


20. 

lieber  Bartholoniaciis  Coloniensis. 
Beitrag  zar  Oesehiehte  des  Humanismus. 

Von  Karl  S<(uMk«%  Seminar^Oberlehrer  in  Liegnite. 

Im  2.  Hefte  des  vorigen  Jahrjj^anges  dieser  MiUtilungt  n 
(S.  III  ff.)  hat  der  um  die  Geschichte  des  Humanismus  so  hocii- 
verdicüte  Forscher  PiolVssor  Dr.  Reichlin^r  die  Ejtistola  mytho- 
logica  des  Bartholüiiiucus  Coloniensis  neu  herausgcjjfclicn.  Durch 
diese  Wiederj^ahe  ist  ein  Teil  rim  r  von  mir  vor  Jahren  vor- 
bereiteten Arheit  üheHlüssig  geworden.  Da  es  sich  hier  um 
einen  sehr  bedeutenden  Schulmann  handelt,  der  hisher  fast  ganz 
im  Dunkel  des  Hintergrundes  gestanden  hat  —  sind  doch  seine 
Werke  nicht  einmal  alle  dem  Titel,  geschweige  ihrem  Inhalte 
nach  bekannt  —  so  glaube  ich,  hiermit  die  Beste  meiner  Arbeit 
—  etwas  erweitert  —  als  Si^ftnzungen  der  Reichlingschen 
Edition  darbieten  2U  sollen. 

Zu  den  von  Reicbling  (S.  113  f.)  vorausgeschickten  Lebens- 
daten  m(}chte  ich  bemerken,  daas  Bartholomäus,  den  Campbell 
in  den  Annales  de  la  typographie  X^erlandaise  No.  251  auch 
„Decimator  alias  Zehender**  nennt,  in  Deventer  nicht  Lehrer  der 
vierten,  sondern  der  dritten  Klasse  (von  oben)  war.  Die  Schule 
hatte  acht  Klassen. 

I.  Die  Epistoia  iiiytiiologica. 

Untri  (It'u  Werken  des  Bartholomaus  ist  ohne  Zweifel  das 
älteste  und  l>ei  weitem  vi  rluciti  tstc  >rino  Kpistnla  iiiythologica, 
oder  wie  das  Werk,  t  utsiirccliend  st  iu,  i  Korm,  in  andern  Aus- 
gaben genannt  winl.  sein  Dialogus  nivthologicus.  Die  Ver- 
schiedenheit des  Titels  liat  mehrere  Bihliographen  verfuhrt,  zwei 
Werke  daraus  zu  machen. 

Welch  grossen  Wert  für  die  Jugend  die  Zeitgenossen  dieser 


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20.  L  eber  liartholomaeus  Colouiensis  etc.    Von  Kurl  Süimecken. 


SchulhunioK'ske  beimasscn.  das  ztigen  ausser  d«'r  unefpwühu- 
liclieii  Vcrbreituiiir.  die  das  unten  beiVctiiirtc  bil)lio(:raphische 
Verzeichnis  darüiut,  auch  die  X'orreden  der  Heraus^rcher  späterer 
Ausg:aben,  besonders  die  zuerst  der  Anshclniscben  Ausgabe  von 
1514')  beigegebene  des  jugendlichen,  damals  siebzehnjährigen 
Ma^sters  Philippus  Melanchthon,  welcher  in  jener  Zeit  das  Amt 
eines  Korrektors  in  der  Anshelmschen  Druckerei  versah.^  Diese 
Vorrede,  einer  der  allerersten  Dmcke  mit  der  Namensfonn 
„Melancbthon**,  ist  wieder  abgedruckt  im  Corpus  Reformatorum  I» 
14.  Persönliche  Beziehungen  Melancfathons  zu  Bartholomäus, 
welche  man  daraus  hat  folgern  wollen,  setzt  die  studiosis  adu- 
lescentulis  gewidmete  Vorrede  nicht  voraus.  Der  Anfang 
derselben  lautet:  Venit  in  manus  nostras  fabula  haec  et  lepida 
et  elegans,  quam  cum  obiter  pellegissem,  ne  deesset  studii» 
vestris,  optimi  adulescentes,  statim  chalcographis  conunendavi, 
quod  iuventuti  commodissima  videretur. 

Dass  der  in  der  Epistola  genannte  Pancratius  ein  wirklicher, 
nicht  ein  fingierter  Freund  ist,  dafür  spricht  die  ernsthaft  ge- 
haltene Einleitung,  wie  der  Schluss  mit  ihren  Einzelheiten,  die 
inhaltlich  franz  dem  entsprechen,  was  wir  von  Butzbach  u.  a. 
Uber  Bartholomäus  wissen.  Für  einige  dieser  Einzelheiten  wäre 
weder  Sinn  noch  Zweck  abzusehen,  wenn  sie  nicht  an  eine 
wirkliche  Person  gerichtet  wären.  Der  im  Schlüsse  genannte 
magister  Theodoricus  ist  vielleicht  der  in  der  Silva  carminum 
besungene  Arzt  Theodoricus  Ulsenius,  der  nach  Hamelniann 
(p.  121.  29  h  weniijstons  eine  Zeitlang  in  Erfurt  gelebt  hat.-''y 
womit  ül)cn'instiiniiit'n  würde,  dass  in  einem  Exemplar  der 
Kniiiirüchi  n  Bilih'nthrk  zu  i)t'rlin,  wie  auch  in  vuwm  der  Konig- 
liclicii  Jiililiotlifk  zu  Dresden  in  d«'n  handscluift liehen  Glossen 
Pancratius  Hrtordensis"  genannt  wird.  1082  gal>  in  FmIuiI  ein 
Andreas  Pancratius  .. I'^ivagestlleklein  aus  den  P^vangelien  -  lieraus. 

Ausser  (hri  V(Hi  JJeieliling  angeg(d)enen  Hauptzwecken 
scheint  l>iu tholomäus  bei  seiner  Ejjistola  auch  noch  die  Absieht 
gehabt  zu  haben,  ein  abfälliges  Urteil  über  den  von  dorn  Ki  euiule, 
wie  es  selieint,  allzu  eifrig  zurückgeforderten  Sidonius  ahzuireben. 
Seine  geringe  Meinung  von  demselben  (man  vgl.  Ausdrücke, 

>)  Wiederholt  1616  und  1516. 

»)  St^iff,  Dor  erste  Buchdruck  in  Tül)irii?»'n,  S.  22. 

^(  Sif'Jie  untfu  die  U«»si>rt'chuni(  der  .Silva.  —  Andt^rw-riti'/»'  sirfifn^ 
Zeugnisse  für  stineu  Aufenthalt  in  Erfurt  giebt  es  nach  Kanipscbultt;,  Die 
Universität  Erfurt,  S.  07  Amn.,  nicht. 


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274      MiUeiiuiigen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung>-  u.  Hchulgtfscii.  Vill. 


wi»»;  ^Dii,  der  sonst  gos(  h v. aizi^er  zu  sein  ptlogt  als  die  Dohle 
und  ein  grösseres  Plappcniuiul  als  irgend  ein  Frosch**  — 
^Stumpfsinniffkeit  und  Geistesträgheit*'  —  ..um  diesem  Schlingel 
seine  Faulheit  aus  dem  Kopfe  zu  treiben  -)  inauht  es  auch  er- 
klärlich, dass  er  den  alten  Autor  die  ganzen  drei  Jahre  hindurch, 
die  er  ihn  bei  sich  gehabt,  hat  schlafen,  d.  b.  unbenutzt  liegen 
lassen.  Als  einen  „Vertreter'^  «der  Gedankenarmut  und  Pbrasen- 
haftigkeit"  besetchnet  auch  TeuffeH)  den  Sidonius.  Das  Urteil 
des  Bartholomäus  wUrde  also  mit  dem  Teuffels  Ubereinstimmen. 
Der  Ausdruck  mythologica  und  die  zahlreichen  mythologischen 
Anspielungen  konnten  schliesslich  auch  als  Hieb  ftnf  Sidonius 
aufgefasst  werden,  Ton  dessen  Schriften  Tenffel  noch  urteilt,  sie 
seien  ^alle  künstlich  geschwellt  durch  Aufgebot  der  Mythologie 
und  Gelehrsamkeit  *^ 

Znm  Vergleiche  mit  der  Epistola  mythologica  kannte  man 
den  Friscianus  vapulans  von  Nicodemus  Friscblin  heranziehen, 
welches  Stflck  „den  lateinischen  Grammatiker  dieses  Namens  von 
Scholastikern  aller  Fakultäten  misshandett  darstellt^  bis  er  von 
den  neuen  Latinisten,  Erasmus  und  Kelanchthon  durch  Purgier» 
mittel,  ähnlich  wie  Naogeorgs  Mercator,  wieder  in  eine  menschen- 
wfirdige  Verfassung  gebracht  wird."^  Sollte  vielleicht  gar 
Frischlin  zu  seinem  Stücke  durch  die  so  ausserordentlich  ver- 
breitete Epistola  angeregt  worden  sein?  Nach  einer  brieflichen 
Aeusserung  an  Joseph  Horlenius  vom  Jahre  1616  möchte  Jacobus 
Hontanus')  einem  andern  alten  Schriftsteller  eine  ähnliche  Be- 
handlung zu  teil  werden  lassen,  wie  Bartholomäus  dem  Sidonius. 
Das  sieht  auch  fast  wie  eine  Anspielung  auf  die  Epistola  mytho- 
logica aus. 

Bartholomäus  hat  der  zweiten  (?)  Ausgabe  seiner  Schrift 
ein  Vokabularium  mit  teilweise  recht  ausführlichen  Erklärungen 
beigegeben,  das  in  viele  der  späteren  Aufgaben  mit  übergegangen 
ist;  es  wirft  verschiedene  Streiflichter  auf  den  Verfasser. 
Wir  sehen  hier,  was  freilich  bei  einem  Schüler  und  Genossen 
des  Hegius  nicht  anders  zu  erwarten  war,  wenn  es  auch  sonst 
in  seinen  Werken  nicht  so  sehr  hervortritt,  wenigstens  einige 

')  Röiiiisclif  Littoratur'  §  407. 

')  Horiii-ki.  firs,  iiiciitr  iltT  iI.Mitvchrn  Litteratur  II,  ö.  07  bei  KQrschiier, 

Deutsche  Natioiiftl-ijitl' r.itu  r.  I!;uiil  Iii.!  II. 

^}  ('f.  Krafl't  uud  Creceliui»,  Beitnlge  zur  Geschichte  iltiti  Humauisniu^i 
II,  S.  2Ü. 


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20.  Ueber  BartholoiiiAeus  Coloniensis  etc.  Von  Karl  SOnnecken.  275 


Kenntnis  des  Griechischen,  das  er  allerdings  nur  mit  lateinischen 
Buchstaben  schreibt  (ebenso  in  den  späteren  Ausgaben).  Griechische 
Ausdrücke  werden  ins  Lateinische  Übersetzt  oder  umschrieben, 
z.  B.  Apago  graecum  est,  id  est  amoye.  —  Stacte,  stactes  graece 
dicitur  latine  gutta  et  est  quoddam  genus  odoramenti  seu  aro- 
matis.  Dabei  wird  auch  wohl  eine  Bemerkung  Uber  die  Quantität 
des  griechischen  Wortes  beigefügt:  Bibliopola  graece  dicitur 
latine  librorum  yenditor,  paenultima  longa.   Oder  es  wird  das 

lateinische  Wort  durch  ein  griechisches  erklärt:  Ck>rbis  

nonnunquam  graeca  voce  dicitur  cophinus.  —  Nasturcium  

vocatur  graece  cardamus  (in  späteren  Ausgaben  cardamon). 
Einigemal  wird  auch  die  Etymologie  herangezogni:  Lycaon  a 
lycos,  (juod  est  lupus,  dedueitur.  —  Graphice  descril)ei'e  est  de- 
scribendo  pingere,  quia  graphein  jrraece  dicitur  latine  pingere. 
—  Oymnosophistae  appellati  sunt  Indoruni  sapienlt^s  eo,  quod 
nudi  incederent.  Nam  gymnon  Graeci  nudum  dicunt. 

Sehr  häufig  unternimmt  es  Bartholomäus,  die  Abstammung 
der  lateinischen  Wtfrter  anzugeben.  Um  seine  Leistungen  auf 
diesem  F«  ausreichend  zu  charakterisieren,  ironligen  wohl 
folgende  Beispiele:  Abdomen  sumen  dicitur,  quod  abditum  sit. — 
Belua  quasi  l)e)lum  gerens.  —  Dicitur  cella  a  celare,  quod  in  ea 
celetur,  quod  volumus  esse  occultuni.^) 

Das  Vokabular  enthält  auch  einige  naturkundliche  Be- 
merkungen, so  z.  B.  dass  der  WalHsch  lebendige  Junge  gebäre. 
Besonderes  Interesse  scheint  das  Krokodil  erregt  7Ai  haben,  das 
ausführlich  besprochen  wird  bis  zu  den  Krokodilsthränen  herab. 
Auch  Hegius  giebt  in  seinem  Dialogus  de  scientia  et  eo  quod 
scitur  eine  B<'schreil)ung  des  Ivrokodils  nach  Pliuius  nebst  einer 
Beschreibung  des  —  Basiiisken. 

n.  Dichtungen  der  nächsten  und  der  spateren  Zeit. 

Die  nächsten  Jahre  nacli  iUnn  Erscheinen  der  Epistola 
waren  recht  fruchtbar  für  die  litti  rarische  Thätigkeit  des 
Bartholomäus.  Die  in  jener  Zeit  entstandenen  Gedichte  De 
secta  Diogenis,2)  die  von  Reichling  als  eine  nicht  nachzuweisende 
Schrift  l)ezfM>hnet  werden,  sind  in  mehreren  Abdrücken  erhalten. 
In  der  von  Franciscus  Aretinus  Ubersetzten  Ausgabe  der  (un- 

')  Heyiu.x  wiinit  in  «(.'iiu'r  Farrago  vor  lal^jclier  Ableituii':  der  Wörter. 
')  Maii  achte  auch  auf  die  mehrfatUcii  Anspielungen  auf  Diogenes  und 
Beine  AusHtetung  in  der  Epistola  mjrthobgica. 


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276     Mitttiluufjcu  d.  üe».  f.  deutsche  Erzieluuigs-  u.  Scbulgesch.  VIII. 


echten)  Briefe  des  Diogenes  C'ynicus,  dio  (  ampbelP)  als  ^p^en 
141M)  podruckt  bezeichnet,  linden  sich  drei  klt  inere  der  liierher 
jreliöri^en  (redichte.  Campbell  hUtte  spätestens  14(K)  schreiben 
können,  denn  1491  erschien  schon  bei  demselben  Jakob  v.  Breda, 
dem  Campbell  den  undatierten  Drack  zusehreibt,  die  Silva 
carminum  von  Bartbolomäus,  die  ausser  den  drei  schon  ge- 
druekten  noch  Tier,  zum  Teil  weit  umfangreichere  Gedichte  auf 
Diogenes  enthält.  IHese  Gedichte  sind  dann  sämtlich  wieder  ab- 
gedruckt in  der  unten  unter  No.  II,  2  des  bibliographischen  Ver- 
zeichnisses aufgeführten  undatierten  Ausgabe  der  Briefe  des 
C^nikers  Krates,  die  also  wohl  jünger  ist  als  die  Silva.  Professor 
Dr.  Bauch  setzt  diese  Ausgabe  vermutungsweise  in  das  Jahr 
1510  und  eine  weitere  (bibliographisches  Verzeichnis  No.  II,  3) 
in  das  Jahr  1511  (oder  1510). 

Im  Jahre  1491  erschien  die  vermutlich  erste  Ausgabe  der 
Silva  carminum  mit  25  Gedichten.")  Auf  diese  Sammlung 
bezieht  sich  ohne  Zweifel  die  ehrende  Bemerkung  des  THthemius:^) 
Bartholomäus  sei  ein  poeta  praeclariis,  cuius  carmina  etiam 
doctissimi  poetae  et  niiraatur  et  laudibus  attollunt 

Das  Btichh^in  be<rinnt  mit  drei  Gedichten  zum  Preise  der 
Philosophie,  von  denen  die  beiden  ersten  gegen  den  reichen 
Flutonius  gerichtet  sind. 

Cur.  Plutoni,  aurum  i)raeclaris  philosophiae 

Artibus  indocto  iudicio  aequiparas? 
Nescis,  aseUe  bipes,  quod  doctae  Paliados  artcs 

Exsuperant  lonjre.  (juidquid  in  orbe  nitet? 
Hisce  libens  cedit  C'roesi  pretiosa  supellex, 
Xec  non  et  rejris  flava  metalla  Midae. 
l'nd  nun  wird  weiterhin  mit  <rrossem  Aufwand  von  Kenntnissen 
aufgezählt,  was  immer  die  Erde  an  kostbaren  Sfhätzen  trägt. 
Sed  (|uid  njtus  multis?    PTatM'lnrn  "^oj^ntia  et  aite.s 

InjjciiiKir  •'\<iipfraiii  tniius  orbis  ofies. 
Kam  pen'UJit  jreniinaf.  p«  rit  aiL'entum.  perit  aurum: 

Inclyta  lux  sophiae  non  p»  iiüira  micat. 
Donee  erit  (eUus  et  pontus  et  aer  et  ijrnis, 
iJuraliit  sophiae  fama  decus(jue  saerai*. 
Das  kurze  zweite  Gedicht  ist  epigraiumatisch  zuj^aspitzt. 

Amiulcs  ilo  la  t yix  irniplii*'  Xrcrlandnisi'.  Xu.  '»"T. 
-  <  ,  tiw  tlhhitt  für  (las  Bibliotbekswesen  XU,  äV>3. 

1  BililioLT.  V»'rz.  III. 
De  scripluribus  ecclesiasticis  u''.  ÜOI. 


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20.  Ueber  Bartholomaeua  Ckfloniensis  etc.   Von  Karl  SoimeckeiL  277 


Das  dritto.  Pane^yricon  carmon  philosophiae  conscriptum,  in 
asklepiadeischem  Masse  gehalten,  besteht  aus  vierzeiügen 
Strophen. 

Qua»'  jdilsan'  cholyii  polliro  oandiilo 
Nosti,  'IVipsichore,  linque  biverticcm 
Collcni  T!H'si)ia(hini  et  Poiraseas  a(|uas; 
Sis  pruestuis  Sophia«'  cariniiiilms  sacris. 
Zunächst  wird  auch  hior  diu  ^Phik>sophie**,  aber  in  eiu- 
lachert  i  Weise,  Uber  das  Kuslharste  erhoben,  was  die  Erde 
hietet,  ja  auch  Uber  die  herrhchsten  (jöltiiinen.     Dann  wird 
gQ7.o'\^t,  was  sie  UMstet,  wubii  wir  aucli  des  niilieni  erkennen, 
weklK'ii  Berlin   der  Dichter  mit  diesem  Worte  verbindet.  Sie 
hat  die  Vtilkrr  trclcitet  und  bildete  einst  die  weisen  Männer 
Aejryptens  und  ( Jriechenlands,  und  schon  ^nClit  sie  auch  den 
Völkern  Latiunis  unzählij^e  Künste  und  ^;ehiiJigte  Lehren.  Sie 
lehrt  die  Gestirne  kennen  und  die  Kräfte  der  Natur,  die  ViJgel, 
die  Fische  und  das  Wild  der  Wälder,  auch  der  Bäuuio  Art  und 
die  purpurnen  Blumen  der  Muterreidien  Flur.    Die  letzte 
Strophe  schliesst  mit  einem  Gebet  um  Tugend. 

Dann  folgen  die  sieben  Gedichte  auf  die  Secta  Dlogenis 
cynici.  In  dem  ersten  setzt  Diogenes  selber  weitläufig  aus- 
einander, was  zu  einem  rechten  Cynilcer  gehOrt^  wobei  dem 
Dichter  der  Schalk  im  Nacken  sitzt,  wenn  er  z.  B.  von-  dem 
struppigen  Barte  des  Qynikers  sagt:  welchen  er  selten  ordne  mit 
vielspaltigem  Kamm.  In  den  übrigen  sechs  meist  ganz  kurzen 
Gedichten  nehmen  die  insignia  des  Qynikers,  Hantel,  Hanzen, 
Stab,  Schuhe,  Fass  und  sogar  der  Bart,  das  Wort  zu  teilweise 
recht  derber  Klage  darüber,  dass  sie  dem  unsaubem  Diogenes 
dienen  müssen.  In  der  zweiten  Ausgabe  der  Schrift  Diogenis 
cynici  secta  (Bibliograph.  Yeiz.  TT,  2)  bilden  diese  Gedichte  einen 
seltsamen  Gegensatz  zu  der  Begeisterunflr,  mit  der  der  Entdecker 
und  Uebersetzer  der  Briefe  des  ("ynikers  Krates,  der  Grieche 
Athanasius  Constanünopolitanus  Arcbiensis  abbas,  diese  Briefe 
einführt. 

Das  nächste  Gedicht  —  In  osores  Studiorum  humani- 
tatis  —  (sechs  Zeilen)  wendet  sich  gep:on  die  Feinde  der 
Ininianistischen  Richtung.  Vergebens  wird  die  geschwätzige 
Barbarei  ankämi)fen  gegen  die  gelehrten  Kreise  der  Musen,  gegen 
die  iorbeergeschm (Ickten  Männei*. 

Hos  si  nnn  (•(>s;«.-as  vcrbis  olunndere,  aselli 
Aures  temporibus  tiget  Apollo  tuis. 

UltteUiUfen  d.  Om.  t  deutacli«  Brzieb.-  u.  ScIiulgOMhicbt«.  Vm  4  1888.  10 


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278    Hitt«Uuii{(en  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


Das  Gedicht  scheint  seiner  Zeit  viel  Anklang  gefunden  zu 
haben,  da  es  nicht  nur  in  verschiedenen  Ausgaben  der  Epistola 
mit  abgedracttt,  sondern  auch  mehrfach  Werken  des  Barthotomäus 
und  anderer  Autoren  handschriftlich  bei^ofligt  ist. 

In  den  folgenden  sieben  Gedichten  wendet  sich  der  DIcIiUt 
gegen  einen  hämischen  (Jegner — Epigrammata  in  nequissimuni 
Zoilum.')  qui  oninibus  doctis  et  probis  detrahere  gestit. 

1.  Warum,  o  Zoihis.  hörst  du  nicht  auf.  die  Gelehrten  durch 
missgUnstiL'e  AVortr  zu  verletzen,  da  du  doch  nichts  ausrichten 
kannst?  Denn  der  Löwe  fragt  mehr  nach  der  Maus  und  der 
Elefant  nach  den  Stichen  der  Mücke,  als  die  Gelehrten  sich  um 
die  duninulreisten  Schniäliworte  ungebildeter  Scliwätzer  klimmen». 

2.  Zoile.  quid  causae  est,  vernucnla  verbn  citato 

Gressu  e\  <ire  tuo  fluminis  instar  cant? 
Verha  latina  meant  tardae  testudinis  instar, 

Qiiar  magno  ni.su  trudis  ab  ore  tuo. 
In  promptu  causa  est:  vernarum  tu  didicisti 

Liiuziiam.  quam  mater  sedula  te  «Iccuit. 
Seil  ncglt  xisti  lacundani  ediscere  linguam 

Vatum.  qui  norunt.  verba  latina  loqui. 

3.  Wenn  du  behauptest,  die  herrlichen  Lehren  (artesj  der 
Phih)st)phic  inne  zu  haben,  so  rümpfen  die  Gelehrten  die  Nase. 
Welcher  Gelehrte  könnte  dich  auch  für  gelehrt  halten,  hürt  er 
deine  barbarische  stuckende  Sprach»'.  Fliessen  doch  deine 
Worte  wie  Asphalt  und  wie  das  Uarz  aus  den  Bäumen  des  Ida- 
gebirges. 

4.  Da  du  ein  unthätiges  Lehen  liilirst,  eselbaften  Sinnes 
bist,  von  all)crnen  Sitten  und  rulK-m  (niste,  so  wirst  du,  wenn 
mich  die  herrliche  Meinung  des  Saniicrs  l\vthagoras  nicht  tiiuscht. 
nach  dem  Tode  ein  prächtiges  Eselchen  (magnus  asellus)  sein. 

5.  Du  wägst,  o  Züilus,  bald  deine  Worte  auf  vorgeschoijener 
Lippe,^)  bald  redest  du  mit  zusammeniri  kuiflVmMn  Munde,  und 
du  gestikulierst  nut  den  ruhcloMU  llämlrn.  (huuil  du  ein  guter 
riiilosuph  zu  sein  scheinest.  Du  Thor  irrest  dich;  während  du 
mit  Mund  und  llaiul  di«  h  als  Philosophen  zu  erweisen  strebst, 
zeigst  du,  dass  du  doch  nur  ein  Pantomime  bist. 

Der  Ausdruck  Zoilus  spielt  bei  den  Schriftstelleni  jener  Zelt  eine 
grosse  Kolle. 

')  Exporrt'cto  tnitiiins  tua  verba  labello;  vgL  i'erüius  III,  S2:  exporrecto 
trutinaiilur  vorba  laln-lio. 


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2D.  l'eber  Bartholomaeua  Colonienais  etc.  Von  Kari  SOimeckeii.  279 


6.  Immer  Bprichst  du  von  Aristoteles  und  fuhrst  Plato  in 
deinem  einfältigen  Munde.  Höre  doch  auf,  von  Aristoteles  und 
seinem  Lehrer  Plato  mit  deinen  ungelehrten  Lippen  zu  reden; 
nenne  lieber  die  schmutsigen  Schweine,  die  du  zu  hüten  ver- 
dienst, und  die  dummen  Esel,  die  du  an  Unwissenheit  übertriffst. 

7.  Im  letzten  Gedichte  wirft  er  dem  Zoilus  noch  einmal 
seine  ganze  Unwissenheit  vor.  Er  verstehe  weder  recht  zu 
sprechen,  noch  recht  zu  schreiben,  wefl  er  die  Gesetze  der 
Grammatik  nicht  kenne.  Aber  auch  von  der  Logik  wisse  er 
nichts,  noch  von  der  Bhetorik.  Unwissend  sei  er  in  der  Musik 
und  der  hochwichtigen  Arithmetik,^)  wie  er  auch  von  der  Geo- 
metrie nichts  verstehe.  Unbekannt  seien  ihm  der  Sonne  Bahn 
und  des  Mondes  Weg  nebst  den  leuchtenden  Sternen  des  Hinmiels. 

'  Des  Grundes  der  Dinge  aber  sei  er  kundig,  wie  eine  Bäuerin. 
Auch  von  den  Arten  der  Tugend  und  der  Fehler  wisse  er  nicht 
mehr  als  ein  einjähriger  Knabe.  Und  doch  behaupte  er  vor  der 
thOrichten  Menge,  alles  das  zu  wissen,  und  mühe  sich  ab«  die 
Gelehrten  mit  wütendem  Bisse  zu  verletzen  und  vortreffliche 
Männer  zu  verkleinern. 

Num  tibi  forte  putas  (doctos  dum  carpere  pergis) 

Xancisci  egregii  nomina  philosophi? 
Falleris,  ah  demens;  qui  doctos  laudibus  effert 

Dignis,  philosophus  ducitur  esse  bonus. 
Qui  contra  doctos  morsu  discerpit  amaro 

Invidiae,  Arcadicus  creditur  es.se  asinus. 

Nachdem  er  so  dem  Gegner  gezeigt  hat,  was  er  nicht  weiss, 
aber  wissen  sollte,  stellt  er  ihm  in  den  nächsten  fünf  Gedichten 
Männer  seiner  Bichtung  gegenüber  —  Epigrammata  subse- 
quuntur,  in  quibus  docti  viri  summis  laudibus  ad  summum 
usque  caolum  feruntur. 

Zurrst  preist  rr  den  Nat urphilüS(»]ili (mi  Aiiluiiius.  In- 
dem er  aiilUlirt.  was  dieser  alles  weiss,  driitet  <  i-  zugleich  sein*' 
eigene  eing<diende  Kenntnis  der  Astronomie  und  Meteorologie, 
der  Natur  des  Meeres  und  dt  t  Krdbehen  u.  s.  w.  an. 

Neben  den  Naturphilosophen  stellt  Bartholomäus  den  Kos- 
mographen  Markus,  der  die  Länder  und  Oceane  kennt,  di«; 
Flüsse  und  Seen  und  die  Berge,  bedeckt  mit  ewigem  Sehnee.  die 
alten  Städte  und  festen  Plätze  und  die  Völker  aller  Länder. 

sacrae  arithmeticae. 

10* 


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280    Mitteilungen  d.  G«b.  f.  deutsche  Etsiehungä-  u.  Sehulgeadi.  VIII. 


Der  Sdi]ii8S  deutet  an,  dass  der  Besungene  ein  Freund  dos 
Dichters  ist,  der  längere  Zeit  nichts  hat  von  sich  hören  lassen. 
Sed  veteres  socios  prorsus  nescire  videris, 

Quos  tibi  spectatus  tunciliavit  anior. 
Eia  age.  fac  populos  (peregrinus  quos  tenet  orbis) 

MissosM  et  veteres  nosee  tuos  socios. 
Die  beiden  lolfrenden  Gedit  hit  verherrlichen  Thcodoricus 
U  Isen  ins.  In  dem  ersten  wiid  (Irrselbe  als  Dichter  ;:epru'.<en, 
er,  dessen  Gedichte  den  pierisci»en  Weisen  gleichzustellen  sind, 
(ilücklich  das  Liiiid.  in  dem  er  unter  günstigem  Sterne  trclxiicn 
wurde,  wo  ihm  die  Musen  statt  der  Milch  volle  Becher  aus  der 
Hippükrcne  n  ichten!  Sie  selbst  haben  ihn  die  süssen  Weisen 
g^elehrt;  Apollo  schenkte  ihm  ilic  (■Itcnbeinernc  Leier.  Kallioi)e 
das  goldene  Piektrum.  Klio  die  liuhrpleife,  und  Minerva  reichte 
ihm  den  grünenden  Lorbeer.  Darum  duften  auch  seine  Gedichte 
nach  dem  aganippeiscben  Quell,  und  wie  die  Sonne  die  funkelnden 
Sterne  überstrahlt,  so  übertrifft  er  die  herrlichsten  Sänger.  — 
In  dem  andern  Gedichte  wird  Ulsenius  in  eingehendster  Weise 
(es  sind  SO  Distichen)  als  Kenner  der  Astronomie  u.  dgl.  ge- 
feiert, indem  aufgezählt  wird,  was  er  auf  diesem  Gebiete  alles 
weiss.  Derartige  Dinge  in  einem  Gedichte  zu  finden,  ist  uns 
auffallend;  aber  bei  den  Humanisten  war  es  nicht  unerhört.  So 
sagt  Melanchtbon  über  Celtis:  „Zum  Unterricht  der  Jugend  filgte 
er  seinen  Gedichten  in  vielen  Abschnitten  Stellen  über  Physik 
und  Astronomie  ein.'*^  In  dem  letzten  Distichon  unseres  Ge- 
dichtes nimmt  Bartholomäus  den  Mund  noch  recht  voll: 

Donec  erunt  stellae,  donec  vaga  sidera  caeli, 
Notitiae  astrorum  nobile  lumen  eris. 

Der  Friese  Thcodoricus  Ulsenius  war  ein  humanistisch  ge- 
sinnter Arzt.  Nach  einem  Briefe  des  Nümbergers  Petrus  Dan- 
bauser  an  ihn,  der  nebst  der  Antwort  (datiert  aus  Nürnberg 
pridie  Calendas  Apriles  1496)  bei  Freytag.  Adparatus  littcrarius  III^ 
200  scpi.  abgedruckt  ist,  war  er  in  jener  Zeit  ein  sehr  ange- 
sehener Arzt  in  Nürnberg.  Gegen  loOO  erschien  nach  Camp- 
bell, Annales  n^  1696  Termutlich  hei  PaJIh)et  in  Derenter 
von  ihm  die  Schrift  Hymnus  de  Sancto  Judoco,  deren  Titel  ihn 
poetam  et  medicum  Dacum  Magnopolensium  physicum  nennt; 
in  dem  Werkchen  wird  er  als  Caesareus  archiater  bezeichnet 

V)  Der  Druck  f:rlilir---f  die  Klammer  hinter  Missos. 

^)  Hartfelder,  Mtiauctithon  ö.  17.  Corp.  Keform.  XI,  3U0. 


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20.  U«ber  Baitholomaeus  Coloniensis  etc.  Von  Karl  SOnneeken.  281 


Im  Jahre  1507  tritt  er  als  gekrönter  Dichter  auf  in  der  Schrift 
Helopoiae  sive  harmoniae  tetracenticae  etc.,  Augsburg  bei  Ogltn, 
1507  (Bibliotheic  der  Bitterakademie  zu  Liegnits,  Pfailos.  in  Fol. 
n^.  63),  wo  ein  Gedicht  von  ihm  auf  Celtis  abgedruckt  ist  Ein 
kleines  Gedicht  auf  den  Bischof  Petrus  Bonomus  nebst  der  Antwort 
enthält  Baptistae  Mantnani  De  mundi  calamitatibus,  ohne  Ort 
und  Jahr  (Staatsbibl.  in  MUnehen).  Sein  Vaticinium  in  epidemi- 
cam  scabiem  besitzt  die  Ednigl  Biblioth.  in  Berlin.  Nach  Hamel- 
mann,  p.  102  und  121,  bat  Ulsenius  auch  Busdiius  besungen. 
Siehe  auch  oben  die  Bemerkungen  über  die  Epistola  mytbologica.^) 

Das  letzte  Gedicht  der  Silva  carminum  in  dieser  Heihe 
wendet  sich  ad  Petrum  Pansophum,  septero  artium  liberalium 
professorem.  Das  Gedicht  ist  dem  letzten  auf  den  Zoiius  recht 
deutlich  entgegengestellt,  indem  Bartholomäus  diesem  Humanisten 
alle  die  Kenntnisse  zuschreibt,  die  er  dort  dem  Gegner  abspricht. 
Die  Reibenfolge  ist  dieselbe,  und  hin  und  wieder  stimmen  auch 
die  Ausdrucke  Uberein.  Mit  diesen  reichen  Kenntnissen  ver- 
binden sich  bei  Petrus  noch  hohe  Tugend  und  reine  Sitten,  so- 
dass Banbolomäus  nicht  weiss,  was  er  an  ihm  am  meisten  be- 
wundern soll. 

Die  erste  Ausjjabe  der  Silva  carminuni  srhlinsst  mit  zwoi 
Faholn.  Wrnii  (loodcko  in  stimr  (Tcschiclit«'  dor  deutsclu'u 
Dichtunjr  II'  S.  4.'i7  von  den  Fabeldichtern  des  10.  Jahrhunderts 
1111(1  (!•'!•  tminittelbar  vorhergehenden  Zeit  sagt,  dass  sie  zwar  von 
(h-r  (Grundlage  der  iisopisdirn  Fabeln  aus^*nfr**n,  aber  an  der 
trocknen  eingeschrumpften  Form  keine  Freude  haben  konnten, 
somh-rn  lieber,  nach  dem  Cluster  des  Keineke,  zu  der  epischen 
Ausl'Uhrlichkeit  zurückkehrten  und  die  Fabel  wie  einen  von  der 
Tierwelt  geliehenen  Spiegel  der  (Jegenwart  behandelten,  so  gilt 
das  auch  für  die  Fabeln  dos  Bartholrutiäu«.  T>n  mir  dieselben 
nicht  f>}ine  Hedeutiinjr  für  die  (irschiclitc  der  Fabel  zu  sein 
scheinen.  bi  iiixiclitiLTc  icli.  sie  an  aiidtM  iu  ( )rto  zu  verütlViitliclirn. 
Bemerkt  mn'j  noch  werden,  dass  die  erste  Falte!  ^\^r  et 
vulpe)  nichts  gemein  hat  mit  der  .. Hi)istule"  De  vos  vu  de  haue 
in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  V  S.  4()«5  ff. 

Die  fiächste  AiisL'^nbn  der  Silva  (lo():i)  ist  um  die  Kpi- 
gianiinr  auf  einen  Trunkenbold  erweitert.  Diese  erschienen 
zuei  st  (t)  iü  eiuer  stdbütäudigeii,  ganz  uiidatierteu  Ausgabe,  von  der 

*j  V^l.  ausserdt'iu  den  Artikel  iu  der  Allg.  Deutsch.  Hiographi 

Bd.  m  S.  '270  f. 


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282    ^tteiluDgen  d.  Cre$.  f.  doat«che  findehungü-  u.  Scbulgescb.  V'lll. 


bis  jetzt  nur  ein  Exemplar  bekannt  ;_'e\vor(lt'n  ist,  aus  welclieni 
der  Besitzer.  Hermann  Müller,  die  Gedichte  im  Archiv  fth*  Litte- 
ratnr^''es(  Iii  eilte  III  S.  A'yH — 408  vollständig  wieder  hat  ahdrueken 
lassen.  In  diesen  Epijsrramnien  ;:elit  der  Dichter  einem  Saufaus, 
der  auch  andere  in  seine  Völlerei  mit  hincinrcissen  möchte,  sehr 
scharf  zu  Leibe.  Einem  massigen  Wcinu*  nusse  daireuren  war 
Bartliolomäiis  st^hi-  zuirethan,  wie  uns  sein  Schüler  Butzbach 
(Macrostroma  Iii).  X.  toi.  87)  berichtet.  Ich  füjre  die  kleine  Er- 
zählung' in  der  Ueberselüung  D.  J.  Becker;^  (Chionica  eines 
jährenden  SchUlers  8.  loif)  hei.  „Ma^rister  Bartbulumäus  von 
Köln  trank  wohl  ircin  ein  Gläschen  Wein.  Wenn  er  nun  irjrend 
eine  Materie  au.s  einem  Buche  seinem  ( Icdäclitnisse  einprägen 
wollte,  so  bediente  er  sich  iulgender  Krieusli.st.  Er  holte  ein«? 
Kanne  Rheinwein  herauf,  den  er  überaus  gerne  trank,  und  stellte 
den  Wein  vor  sich  auf  den  Tisch.  Wenn  derselbe  dann  so  ver- 
lockend vor  ihm  funkelte  und  sein  Verlangen  danach  so  hoch 
gestiegen  war,  dass  es  ihm  just  in  den  Fingerspitzen  prickelte, 
so  redete  er  sich  folgendermaassen  selber  an:  >Sieb\  Bartholo- 
mäus, ich  weiss,  du  möchtest  für  dein  Leben  gern  diesen  Wein 
trinken;  ich  aber  dürste  nicht  veniger  nach  dem  Becher  der 
Wissenschaft.  Merke  dir^s  also:  Wenn  du  deine  Lection  nicht 
erst  bis  auf  das  letzte  Pflnktlein  gelernt  hast,  so  kriegst  du  von 
dem  Wein  auch  nicht  den  mindesten  Tropfen  zu  verkosten.«" 

Auch  im  Hirtengedicht  hat  sieh  Bartholomäus  versucht. 
Die  Hofbihliothek  in  Wien  besitzt  eine  anderweitig  nicht  nach- 
gewiesene undatierte  Inkunabel  und  eine  gleichlautende  Hand- 
schrift, die  neben  den  aus  der  Silva  bekannten  Fabeln  und  dem 
Panegjricon  Carmen  noch  ein  längeres  Gedicht,  Aegloga  (in  der 
Handschrift  Egloga)  bucolici  carminis,  enthält,  dessen  vollständige 
Mitteilung  ich  der  Gttte  des  Herrn  BibliotJiekskriptors  Dr.  SchOcbtner 
verdanke. 

Endlich  ist  hier  noch  eine  kleine  Sammlung  von  Dichtungen 
religiösen  Inhalts  zu  erwähnen,  der  Libellus  elegiacus  de 
septenis  doloribus  Mariae.*)  Dieselbe  stammt  wohl  aus  der 
letzten  Zeit  des  Dichters;  die  erste  datierte  Ausgabe  wurde  1514 
gedruckt  Die  Sammlung  enthält,  dem  Titel  entsprechend,  sieben 
Dichtungen  auf  die  Schmerzen  der  Jungfrau  Maria: 

1.  Die  Weissagung  Simeons  (10  Distichen).  Das  Gedicht 
schliesist: 

liibliogr.  Vera,  VI. 


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so.  Ueber  BAitholomaeutACoIoHiensis  «tc.  Von  Kart  SOnnecken.  283 


Tristia  verba  senis  matrGiii"{orsere  pudicam 

Assiduo  luctu  maestitiaque  gravi. 
Kam  quantas  lacrimas  fudit  maestissima  mater 

Perditts  et  pernoz,  quis  numerare  potest? 

2.  Die  Flacht  nach  Aegypten  (16  Distichen). 

3.  Das  Suchen  nach  dem  12jäbrigen  Jesus  (16  Dist.). 

4.  Jesus  vor  Pilatus  und  Herodes;  er  trfigt  sein  Kreuz 
(15  Dist). 

5.  Jesu  Leiden  auf  Golgatha  und  sein  Tod  (83  Dist.). 

6.  Die  Abnahme  vom  Kreuz;  der  Leichnam  im  Schosse 
der  Mutter  (8  Dist.). 

7.  Dio  Oral)leguiif?  (20  Dist.).    Dio  letzten  Verse  lauten: 

Jum  Sol  oeciduas  inaereiis  drscondit  in  undas; 

Orbe  sul)  Ef)o  pallida  Lima  dolft. 
A  tuiuiilo  nali  disrrdms  aiixia  inatcr 

P^lcbiliter  dixit:    Xat»*  srpulte.  valel 
Pleiia  dolore  gravi  Sulyiuas'j  remeavit  ad  arces 

Illic  in  parva  delitiiitque  casa. 
Fievit  et  iniiocui-j  irudelia  vulnera  nati 

Horreiiduin  atrocis  suppliciinnque  necis. 
Attanien  exspectat  redivivi  yaiidia  nati. 

(iuüdia.  (piae  seciun  lux  tiiduaiia  fcrrt. 

Es  sind  tiel  empfundene  (.iediclitr.  in  denen  sieh  ciiir  licrz- 
licbe  Fröiiiinigkeit  ausspricht.  Einzelne  Gi'danki'n  und  Ausdrücke 
klingen  L'anz  modern,  so  z.  B.  wenn  der  ^lund  in  stiller  Nacht 
auf  die  Flü(  litliuge  herniederschaut,  oder  weun  der  „bleiche  Mond** 
teilnimmt  .iii  (lein  S<  liiiici'ze. 

In  den  Sclilussworten  (Bl.  7^)  eutseliuldi^t  sicli  J^aitholo- 
miius.  dass  er  vier-  und  rtinfsilbige  Wörter  am  Ende  (f)  der 
lVntamet<'r  angewandt  bal»e.  Er  habe  das  mit  Absicht  gethan. 
weil  er  lieber  die  Worte  den  bedanken  als  die  (Jedanken  den 
Wollen  anpassen  wolle.  Deiartiges  könne  man  Ijei  den  besten 
alten  Di«  htcrn  (insbesondeje  in  den  Tri.stien)  finden,  wenn  man 
die  Dichtungen  eines  Martial.  Properz,  TibuU,  (  atuU  und  Ausonius 
oculatis  manibus  durchblättere  oder  einige  von  den  kleinen  üo- 
dichten  Vergils  durchlese. 

Der  er.sten  Ausgabe  des  Libellus  ist  ein  sechszeiliges  Gc- 

JeniMklem. 
*)  Im  Druck:  inuooiK 


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284    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniehungs-  u.  Scfan]|fe$eh.  VIII. 


dicht  von  Murmellius  beigegeben,  das  mit  den  Worten  sclilieast: 
Haec  vim  non  parvam  cordis  pietate  movendi, 
Quao  cecinit  doctus  Bartholomaeus,  habent. 

Die  späteren  Ausgaben  haben  einen  ansehnlichen  Anhang 
erhalten.  Zunächst  folgen  erklärende  Anmerkungen,  vielfach 
astronomiscben  Inhalts.  So  untersucht  der  Verfasser  weitläufig 
für  die  Gegend  von  Bethlehem  und  die  Zeit  der  Geburt  Christi 
die  Länge  des  Tages  und  der  Nacht,  sowie  die  Zeit  des  Auf-  und 
Unterganges  d(T  Sonne  und  des  Mondes.  Ausführlich  wird  auch  die 
landläufij^e  Meinung  (ut  iniperitum  vulgtts  putat)  zurückgewiesen, 
dass  in  Jerusalem  zweimal  im  Jahre  die  Sonne  im  Zenith  stelK  i  >|iiod 
est  manifeste  falsiim).  Antipoden  niü>^s:(Mi  um  180  Grad  ausein- 
ander sein.  Neben  dem  Ausdruck  circulus  aeciuinoetialis  tindet 
sich  auch  sehon  der  Name  Aequator.  Eingehend  wird  dargelegt, 
dass  die  Gegenden  an  den  beiden  Polen  der  Elrde  unbewohnbar 
seien  wegon  dor  grosson  Kälte,  wegen  des  Eises  nnd  der  langen 
Polarnächte.  Den  Wert  astronomischer  Kenntnisse  betont  er 
n.ichdrticklich.  Quoniam  de  nullo  magis  sapientiani,  potcntianj 
et  bonitateni  dei  admfroiniir.  quam  de  caelorum  et  astrorum  orna- 
tissima  compago  ((jiia*'  iistiononiiae  thenromatihns  cogTioscituri 
snnimo  conatu  nemo  motus  caelestium  coiiioiuiii  iidlitiaiu  dclx-t 
iioii  amplecti.  Inter  caetera  autem,  in  (luibus  hai  c  n(»l»ili.ssima 
ars  liliiM-alis:  imporiali  dominae  suae  saciac  thfologiat'  inst-rvit.  po- 
tissinium  est.  (umd  maximum  miraculoniin.  tciiiijoi-c  jiassioiiis  Christi 
factum,  et  docet  et  monstrat.  Di«*  Astronomie  it  hrt  nämlich,  dass 
die  Verfinsterung  beim  Tode  Cliristi  keine  natürliche  Sonnen- 
finst<'rnis  sein  konnte.  Bartholomäus  »  i  klärt  dieselbe  mit  Dionysius 
Aicopagita  auf  folgende  Wcisi':  Di  i  Mund  sei  ganz  schnell  von 
Osten  her  g<'konunen  und  halie  sich  drei  Stunden  lang  vor  die  Sonn«' 
gestellt;  dann  aber  sei  er  wieder  an  seinen  Ort  zurückgekehrt. 

Die  angeführten  Worte  sind  nodi  bcinerkeaswert  wegen  dei- 
dienenden  Stellung,  die  der  Verfasser  der  Asti'onomic  gegenüber 
der  Theologie  anweist. 

Ausser  diesem  Kommentar  ist  noch  ein  Hvmnus  de  beato 
Gregoriü,  conmmni  omni  um  studiosorum  patrono,  beigel  ugt  und 
ein  Carmen  elegiacuin  in  ignavos  Zoilos,  qm',  cum  nihil  in  studio- 
sorum utilitatem  conferant,  aliorum  tum  scripta  carpere  non  de- 
sistunt.  Die  Gelehrten,  so  etwa  führt  Bartholomäus  in  dem  letzten 
Gedichte  aus,  sollen  sich  nicht  mit  stolzen  Worten  herumstreiten, 
sondern  durch  die  That  in  ihren  Schriften  zeigen,  was  sie  können 
und  was  sie  sind,  und  sich  um  die  Zoili  nicht  weiter  kflmmern. 


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20.  Ueber  Bartholomaeu«  Colonicnsis  etc.  Von  Karl  SOnnecken.  285 


ni.  Die  Canonos. 

Wahrscheinlich  noch  vor  das  Jahr  1500  lallt  die  Abfassung" 
der  Canoiifs.')  ciiur  Art  Coiiiputus  icclesiasticiis.  Die  Schrift 
lehit  aut  einfache,  leicht  fassliche  Weise  ihn  Mondcyklus  oder 
die  Gtjkleiic  Zahl,  den  Sonneiicyklus.  den  Sonnta^irshuchstahen,  den 
Indiktionscyklus,  den  Ostertermin  u.  d^rl.  kennen  und  herechnen. 

Die  vorausgreschicktc  iM'nleitun}:  enthält  ausser  einer  kurzen 
Inhaltsübersicht  «'ine  fa.ssliclie  ErlUuterun>r  der  in  Betracht 
koianu  luh  n  ReL'riffe.  die  den  beirahten  Schulinann  erkennen  lässt. 
Dass  die  Cantaies  auch  für  Sehüh'r  Ix'stimnit  waren,  wird  im 
zweiten  Teile  (h  r  Ausgrabe  von  1502  ausdrücklich  gcsafft.  wie  es 
auch  der  Titel  derselben  andeutet.  Die  Entdeckun«!:  des  Mond- 
cyklus  schreibt  der  Verfasser  (ut  aiiiiales  tradunt)  dem  Julius 
Cäsar  zu,  und  er  weiss  sehr  anschaulich  zu  schildern,  wie  er 
sich*  CKsars  Metbode  der  Beobachtung  vorRtcllt.  Die  Indiktion 
ftlbrt  auch  Bartholomäus  auf  die  römiscbe  Steucrrerwaltung  zu- 
rück, entwickelt  aber  über  den  bei  ihr  herrschenden  Brauch 
sonderbare  Ansiebten.  Danach  hätten  die  Bewhner  jeder  Pro- 
vinz alle  15  Jahre  unter  dem  Kamen  Tribut  dreimal  Metall  ab- 
zuliefern gehabt,  am  Ende  der  ersten  5  Jahre  Erz  (aes)  zur  Aus- 
besserung der  Waffen,  am  Ende  des  zi^-eiten  Abschnittes  Silber 
zum  Solde  für  die  römischen  Krieger,  am  Ende  des  dritten  Ab- 
schnittes Gold,  das  für  unvorhergesehene  Notfälle  In  den  Staats- 
schatz gelegt  worden  wäre. 

Auf  der  4.  u.  5.  Seite  folgt  eine  Tabelle  fttr  die  Berechnung 
(die  eigentlichen  Canones),  und  auf  den  folgenden  zwölf  Seiten 
wird  die  Weise  der  Berechnung  gelehrt,  wobei  auch  die  Begrün- 
dung hinzugefügt  wird,  auch  wohl  verschiedene  Arten  der  Be- 
rechnung gelehrt  und,  wo  es  nötig  scheint,  an  Beispielen  gezeigt 
werden.  Ein  Vergleich  mit  ähnlichen  Werken  lässt  die  Kürze 
und  Bündi<:keit  des  Ausdruckes  besonders  hervortreten.  Nur  wo 
der  Verfasser  rin  Missverständnis  befürchtet,  wird  er  weitläufig 
und  kann  sich  nicht  genu^r  thun  in  ein<rehender  Darle^Miinr.  Am 
Schlüsse  zeigt  er,  wie  durch  den  l'nterschied  zwischen  dem 
Kalenderjahr  und  dem  wirklichen  Jahre  die  Wintersonnenwende 
und  die  übrigen  „Angelpunkte**  des  Jahres  sieb  verschiel)en 
müssen. 

Der  ersten  (?)  Ausgabe  der  (Janones'^)  ist  die  unten  zu 


M  I!il>lin-r  Vll. 

liibliogr.  Vit/,.  \  II,  1  u.  2. 


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286    MitteilungeD  <L  Oes.  f.  dentsche  EniehiuigB-  u.  SebiügeBch.  VIII. 


besprecbendß  Schrift  De  magmtudimbus  terrae,  lunae  et  solis 
beigefügt. 

Eine  erweiterte  Ausgabe  erschien  bei  Peter  Os  in  Zwolle 
wahrscheinlich  um  loOO.i)  Einem  vollständigen  Wiederabdruck 
der  früheren  Ausgabe,  aber  in  bedeutend  kleineren  Typen,  folgt 
hier  auf  BL  6I>  eine  Windrose,  auf  der  u.  a.  die  deutschen  Kamen 
von  32  Himmelsgegenden  (Norden,  Korden  toe  ost,  Kordnordost, 
Kordost  thoe  norden,  Nordost  und  so  weiter  durch  Ost,  Zuden 
und  West),  die  lateinischen  Namen  der  zwölf  Hauptwinde  und 
die  vier  Teniporamcntc  angof^cben  sind.  Auf  der  nächsten  Seite 
folgen  noch  einmal  in  gcwOhnlichmi  Druck  die  zwtflf  Winde  mit 
ihren  gewöhnlichen  Kamen  und  den  Xamen  secundum  Isidorum 
Petrum  Cameracensem.   Aus  dem  Distielion: 

Anni  mundi  et  christi 
Ante  ihesum  duo  cc  minus  vno  niilia  qulnqj 
P()st(i5  iliesum  mille  quin^enti  preteriere 
djirf  man  wob!  einen  Scbluss  auf  die  Zeit  dieser  Ausgabe  machen. 
Dann  folgen  Judicia  vulgaria,  verschiedene  Wetter-  und  Bauern> 
regeln,   teils   lateinische,   teils  deutsche.    Die  Regulae  rurales 
schliessen :    Drinrk  wvn  martini.  iiiake  worsto  natiuitatis  (Trink 
Wein  zu  Martini:  mache  Würste  zu  Weihnachten). 

Einen  neuen  Zusatz  von  IS  Blättern  erhielt  nach  einem 
Exenijilar  der  Stadtliihliotliek  zu  K«)lii  die  Sehritt  im  Jahre  l.^)<>2.-) 
Dieser  Anhang  ist  der  besiuot  limcn  selhständiiicn,  mit  Sehluss- 
wort  des  Diuekers  versehenen  Bearbeitung  einfach  anireliiinut. 
wobei  nicht  einmal  die  Signatur  übereinstinnnt,  da  auf  Bogen  i) 
des  ersten  Teiles  der  J^»gen  b  des  Anhangs  folgt. 

Dieser  zweite  Teil  b<'haiidelt  die  verschiedensten  einschlä- 
giLMMi  DinL'e  untei-  Einfügung  von  Taliellen.  >!•  niurit  rver.sen  u.  dgl. 
Da  liiid<  u  wir  z.  B.  Tabellen  zur  Bestinimunir  <ler  bewcLdichen 
Feste,  der  Stellung  des  Mondes."*)  der  Koiijunktion.  n  und  Uppo- 
siiiduen.  der  Finsternisse,  des  Sonuenuut-  und  L'iUerganges  und 
der  Tages-  unil  Xaehtlänge,  der  Sonntags  in  der  Kirche  vorzu- 
lesenden Bibelabschnitte  u.  s.  w.  nebst  (Jebrauchsaii Weisung  und 
anderen  Erläuterungen.  Femer  finden  wir  Belehrungen  über  diü 
Ordnung  der  Sphären,  die  Elemente,  die  Hinimelsköi-i)er,  den  Tier- 
kreis, die  Mondphasen,  die  Zeit  im  allgemeinen,  den  Jahres- 

Hihli.^:.'!-.  Xvvz.  VII,  3. 
»)  Hihlioirr.  Vir/.  VII,  4. 

DtT  Mond,  simi  der  Verfusfcr,  ist  eine  Kugel,  die  uns»  immer  dieselbe 
Kfitc  zukehrt. 


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20.  IJeber  liartholonjaeuH  Coloiüeusis  etc.    Von  Karl  SOnnecken.  287 


anfantr  ii.  a.  Die  Stunden  werden  von  Mittajir  zu  Mittajj:  irezälilt. 
Die  Soniu'ji-  und  ^fondfinsternisse  linden  sich  ftir  die  Jahre  15()2 
bis  1530  genau  nach  Zeit,  Dauer  und  Art  der  Vi  rtinsterung  an- 
gegeben. Die  Angaben  sind  auf  den  Meridian  von  Nürnberg  be- 
zogen, wonach  sie  ftir  die  übrigen  Gegenden  mit  Hilfe  der  Ta- 
bula regionum  leicht  bestimmt  werden  kOnnen,  wie  an  Beispielen 
j^ezeigt  wird.  Zwei  Arten  der  Yerflnstening  werden  an  Zeich- 
nungen veranschauliobt.  Auf  Bl.  16  b  f,  verbreitet  sich  der  Ver- 
fasser über  die  Anordnung  der  vier  Elemente.  Dass  das  Wasser 
nicht  die  ganze  Erde  bedeckt,  kommt,  „wie  einige  sagen**,  daher, 
dass  das  Oentrum  der  Erde  auch  das  Centrum  der  Schwere 
(C^entrum  gravitatis)  ftir  die  Erde  und  zugleich  ftir  das  Wasser 
ist.  In  dem  Abschnitt  De  zodiaco  findet  sich  die  Bemerkung: 
Huius  niateriae  subtilior  discussio  in  tractatu  sphaerae  magistri 
Johannis  de  Sacrobusco  et  aliis  plerisque  plenius  invenitur;  haec 
primum  rudioribus  sufficiant 

Die  Sterne  des  Tierkreises  werden  der  Beibe  nach  be- 
sprochen, ihre  Namen  erklärt  und  ihre  Bedeutung  für  den 
Menschen  angegeben.  In  welcher  Weise  das  geschieht,  mag  der 
erste  Abschnitt  der  Besprechung  zeigen:  Printum  Signum  aries 
idcirco  dici  videtur,  quoniam  sicut  aries  sex  menses  hibernos  sini- 
stro  incubat  lateri,  ab  aequinoctio  autem  vemo  in  dextro  quiescit, 
sie  sol  ab  eodeu)  teni])ore  dextram  relinquens  sinistram  partem 
amlnt  zodiaci.  Hoc  signuni  ex  niembris  hominis  caput  nsiiirit. 
Luna  itaque  currente  in  ariete  timendum  est  capito  mederi  illud- 
que  layare  vel  ferro  laedere.  Congnium  tanien  est,  venani  inci- 
dere,  vulnera  purgare,  dumtaxnt  eapite  exrf  jjto  <  t  vena  eephalica. 

Da  der  Coniputus  eine  Belehrung  Über  dir  Zeitrechnung  ist 
(ratio  teniporis  distinguendi),  so  will  der  Verlasser  auch  kurz 
auf  den  Begriff  Zeit  und  die  Einteilung  der  Zeit  eingehen.  Den 
ersteren  zu  definieren,  ist  nach  Cicero  schwei-;  Bartholomäus 
giebt  zwei  Definitionen  des  Aristoteles  (1.  m  libro  V.  eausaruni, 
"1.  in  (|uarto  pbi.).  Tnter  den  Zeitabsciinitten  wird  die  Stunde  in 
\  puncta  vel  (|uartas  eingetriit.  das  pnnetnni  in  1( »  nininciita.  das 
inctnientnm  in  12  uucias,  die  uncia  in  17  nieiit  iin  lir  teilhnre 
athainos  (Atluunos  ....  est  indivisibilis).  Daneben  wird  aucli 
die  physiea  frnetio  in  Minuten  und  Seknfiden  angcLiclii  ii :  jede 
Sekundr  wiid  in  (K)  Tertien.  j«Ml<'S  Tertiuni  in  Qnarteii  ( ini'c- 
teilt.  damit  die  Einteilung  der  Zeit  nät  der  Einteilung  des  Tit  i- 
kreises  über<'instininie. 

In  einem  L'eberblick  über  die  wichtigsten  Zeitrechnungen 

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288    MitteUnngen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehnngs«  u.  Scholgescb.  VIII. 


bis  auf  Cäsars  Reform  weist  der  Verfasser  mit  Augustinus  scharf 
die  Meinung  derer  zutücIe,  die  behaupten,  dass  den  Jahren  des 
alten  Testaments  eine  andere  Dauer  boizumessen  sei  als  den 
unseren,  so  dass  eine  Lebenszeit  von  900  Jahren  nur  90  Jahre 
nach  unserer  Rechnung  gedauert  habe.  Removeatur  hic  error, 
qui  coniectura  falsa  ita  vult  astniere  scripturarum  nostrarum 
fldem. 

Man  icOnnte  zweifeln,  ob  der  Anhang  des  Exemplars  der 
Stadtbibliothek  zu  Köln  wirklich  zu  der  vorausgehenden,  an  sich 
selbständigen  Schrift  gehöre,  ob  er  überhaupt  von  Bartholomäus 
verfasst  sei.  Im  Inhalte  deutet  manches  auf  unsem  Schriftsteller 
bin,  anderes  scheint  mit  seiner  Art  in  Widerspruch  zu  stehen; 
entscheidend  ist  aber  wenigstens  für  das  erstere  wohl,  dass  der 
Ausdruck  ut  supra  diximus  in  dem  Abschnitte  De  concurrentibus 
recht  deutlich  auf  eine  Bemerkung  des  ersten  Teiles  (in  dein  Ab- 
schnitte Do  intorvallo  et  festis  mobilibus)  zurückweist.  In 
mehreren  Tabellen,  sowie  in  ixanzen  Abschnitten  stimmt  til)rifrons 
dieser  Anhan^r  pcnau  Überein  mit  den  entsprechenden  Teilen  der 
iii'datierton.  den  Tjpen  zufolge  in  derselben  Offizin  gedruckten 
»Schrift  Kalendarius  cum  vero  motu  solis  &  duplici  mo  ]  do  inue- 
niendi  verum  motum  lune.  vulgari.  scz  |  per  litt€ras.  &  astronomico 
perspieacissimi  astro  |  nomi  magistri  loannis  de  Monte  Regio. 
Nee  !  non  verc  coniunctiones  solis  &  lune  eclii)ses(n  co  rundem, 
cum  (|uibusdam  alijs  cojrnitu  niaxime  1  necessarijs.  Post(|3  omnia 
subnectitur  cöputus  |  ecclesiasticus  chyrometralis  in  capittula  (!) 
perpul  I  ehre  distinctus.  '  (Holzscliiiitt :  Sonne  und  Mond  («rross). 
oben  zwei  Sterne.  unttMi  Felsen  niul  Bäume);  iiÜ  Bll..  L'ot.  Tyiieii  4**. 
Die  T:il)(  Hell  he^nnücn  alle  mit  1502  oder  1503.  (Küuigi.  Biblio- 
thek im  Haag.) 

nr.  Baitholom&us  als  Mathematiker. 

Johann  Cäsarius  hat,  wie  Reichling  a.  a.  0.  S.  115  mitteilt, 
Bartholomäus  als  bedeutenden  Mathematiker  anerkannt  und 
H.  Buschius,  der  an  ihn  ein  Gedicht  auf  den  Tod  seines  Lehrers 
Hcgius  richtet,  nennt  ihn  poetam  et  astronomum*).  Ich  möchte 
hier  noch  auf  ein  anderes,  nicht  minder  ehrendes  Zeugnis  eines 
Fachgenossen  hinweisen,  auf  das  d»'s  Wittenberger  Professors 
der  Mathematik  Lon^Mcatnpianus.  der  in  einer  Vorlesung  sagte,  er 
habe  in  ganz  Deutschland  und  darüber  hinaus  keine  «relebilercn 
Mathematiker  gefunden  als  in  Münster  (in  Westfalen)  Peter 

Uofckiiti.',  liiilteni  Opp.  Sujjpl.  11,  5mh. 


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20.  l.'eb«r  BarÜiolomaeu«  Coloniensis  etc.  Von  Karl  Sonnecken.  289 


Gymnich  aus  Aachen  und  in  Minden  Bartholomäus  aus  Eöln^). 
Wenn  Cäsarius  bedauert,  dass  Bartholomäus  seine  Arbeiten  auf 
dem  Gebiete  der  Mathematik  der  Nachwelt  Torenthalten  habe, 
so  ist  zu  bemerken,  dass  er  wenigstens  eine  Schrift  mathematischen 
(oder  mathematisch^astronomischen)  Inhalts  hat  drucken  lassen, 
den  Libellus  de  magnitudinibus  terrae,  lunae  et  solis, 
una  cum  distantiis  eorundem  luminarium  a  centro 
terrae^.  Sie  ist  zusammengedruckt  mit  der  kllrzesten  Bearbei- 
tung der  Canones.  Da  in  den  letzteren  das  Jahr  1492  als  ver- 
gangen bezeichnet  wird,  der  erste  datierte  Druck  derselben  aber 
wahrscheinlich  1500  erschienen  ist^).  so  fällt  der  Bruck  unserer 
Schrift  anschciiioiid  zwischen  diese  Jahre.  Bei  einem  so  gefeierten 
i^Iatheniatikor  jener  Zeit  ist  es  wohl  nicht  ohne  Interesse,  auch 
auf  dieses  Schriftchen  näher  einzudrehen. 

Nach  Vorausschif  kuii«!  der  Mitteilung,  dass  in  dieser  Schrift 
als  Mass  stets  italienische  Meilen  zu  je  tausend  Schritten  ver- 
wendet werden,  bej^innt  Bartholomaus,  wie  Euklid  und  seine 
Nachfolger,  mit  den  nötiiren  Definitionen.  Zur  Besprechun«^'- 
kommen  zunächst  die  Bej(riffü  Kreis  mit  Umfan»:,  Durch- 
messer, Centrum  und  Fläche  —  und  el)eno  Firttr.  Darauf  wird 
«•rwflhnt,  dass  dfr  Durchmesser  den  Krois  in  zwi  i  irlciclio  Teile 
teilt,  und  (!as>  (icr  Halhkr^is-  die  liall»'  Kn'isllä(  lie  uiiischliesst. 
Dann  lol^^fii  die  Linif  im  alL''*'iiirinfn  i l<ni;_Mtiulü  sine  latitudine 
ac  proliinditatf.  cuins  txtremitales  sunt  dud  i»uncta).  die  jrerade 
Linie  (die  küi  zcstr  NCrbindunir  zwoier  Punkte  i  und  die  gekrümmte, 
ferner  der  Wiukid  (.\n^'ulus  i  st  duaruni  linearum  niutuus  con- 
tac  tus>,  ..Xeh('nl>ei'*  wird  das  Verhältnis  von  Kreis  und  Ku^id., 
Quadjal  und  Würfel.  Linie  und  Fläche  erwähnt.  Dann  folyren 
die  Beirriffc  Körper  und  Ku^'cl,  Ini  wt  khcr  Spliära  und  Orbis 
auseinander<ft'huheii  werden.  Bei  der  Kn?«  l  wcnb  u  besprochen: 
('«'ntrum.  Achse  und  Durchmtsser,  Pule.  p-össt<'r  Kupelkreis 
(der  die  Kul*  1  in  zwei  crleiche  Teile  zerh»<rt;  trrösste  Kujr^  lkn  ise 
sind  auch  Mriidiaii  und  lloii/.oiit,  dfr  für  ver.si  hicdene  (iejrenden 
verschieden  ist),  Zenith  (ein  arabisches  Wort)  und  Nadir  (beide 
sind  Pole  des  Horizonts).  <'ndlich  der  Kubus. 

Auf  die  Definitionen  folgen  noch  einige  notwendige  regulae 
et  suppositiones,  ab  cadem  materia  nostra  non  abhorrentes:  die 
Berechnung  des  Durchmessers  eines  Kreises  aus  dem  Umfange 

\)  HiuiH'lmann,  Opj).  p.  1^1).  137. 
2)  Bibliogr.  Vfiz.  Vlll. 
*)  Siebe  oben. 

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290    MiUeiluDfcen  d.  Ges.  f.  deutsche  Ersiehunga-  u.  Sdiulgeflch.  VIII. 


<X7 : 22)  und  umgekehrt  (X22 : 7);  die  Ereisfläcbe  ist  gleich  dem 
halben  Durchmesser  (der  Ausdruck  Radius  wird  in  der  Schrift 
nicht  gebraucht),  multipliziert  mit  dem  halben  Umfange.  Nun 
wird  gezeigt,  wie  man  auf  verschiedene  Weise  die  Kreisfläche  iu 
ein  Parallelogramm  (Rechteck)  verwandeln  kann;  sie  ist  gleich 
einem  „Parallelogramm**  1.  aus  dem  halben  Durchmesser  und  dem 
halben  Umfange  und  2.  aus  dem  ganzen  Durchmesser  und  dem 
vierten  Teile  des  Umfanges.  Ein  Parallelogramm  aus  dem  ganzen 
Durchmesser  und  dem  halben  Umfange  ist  gleich  der  doppelten 
Kreisfläche,  eins  aus  dem  ganzen  Durchmesser  und  dem  ganzen 
Umfange  ist  der  vierfachen  Kreisfläche  gleich.  Der  Umfang 
wird  auch  gefanden,  indem  man  den  Durchmesser  verdreifacht 
und  Vt  desselben  addiert>  Bevor  der  Verfasser  zur  Berechnung 
der  Kugeloberfläche  übergeht,  wird  der  Satz  Uber  die  Berechnung 
der  Kreisfläche  ^viederbolt.  Die  Kugeloberllüche  ist  gleich  dem 
Pi'odukt('  aus  dem  Durchmesser  und  dorn  Umfange  (dem  grössten 
Kugelkreise).  Dcu  Scbluss  der  Einleitung  machen  einige 
Sätze  ttber  das  Verhältnis  zweier  Kugeln  und  ebenso  zweier 
Kreise. 

Nun  gebt  der  Verfasser  zu  seiner  eigentlicben  Aufgabe,  der 
I)( Kcbnung.  über,  bei  der  nur  arabische  Ziffern  Verwendung 
finden,  während  in  den  vorgedruckten  C'anones  ausser  der  Tabelle 
vielfach  römische  Ziffern  aiijjowandt  werden. 

Als:  Ausgangspunkt  iradix)  ht-nutzt  er  einen  Kreisbogen  des 
Erdunitangrs.  der  einem  (irade  am  Himmel  enlsijrielit.  und  dieser 
Bogen  beträ;/!  nach  . Johannes  ('aiiipanus  'Ay'/n  italifiiisehe  Meilen. 
El'  beruft  sich  hierbei  auch  auf  (»nincs  astroiiomiac  jicritds.  Die 
LäUL^*'  eiiit'S  solchen  li(»iriMis  tindf-t  man,  wenn  man  auf  dem 
M«'ridiHn  in  gerader  KiehtnnL:  nach  Norden  odei'  Süden  sieh 
soweit  fortliewegt.  dass  sicli  die  Polhühe  um  einen  (irad  vernudii't 
oder  venniüdert.  denn  die  F^idkiigel  ist  mit  der  Himmelskugel 
konzentiiseh.  Und  weil  mau  sich  jeden  Kreisumfang  in 
gleiche  Teile  udei  t.ia<!e  geteilt  denkt,  so  betragt  der  ganze 
^grosse  Kreis**  der  Knie  ;{(;() X  oO^  3  =  2041KJ  italienische  Weilen 
—  nach  unserer  Bezeichnung:  denn  Bartholomäus  irehraucht 
weder  Zeichen,  noch  Bruchform,  sundern  drückt  das  all*  >  durch 
Worte  aus.  ..Die  ersten  Anfänge  der  Zeichensprache**  fallen 
allerdings  vor  diese  Zeit;  sie  Jindeu  sich  nach  Gerhardt,  Ge- 
schichte der  Mathematik,  S.  49  f.  in  einer  Handschrift  etwa  aus 
der  Mitte  des  t5.  Jahrb.  Ein  fester  Grund  wurde  aber  erst  um 
den  Anfang  des  Id.  Jahrb.  gelegt.   So  Hess  Bartholomäus,  weicher 


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20.  Ueber  BarthoIomwuB  Colimieitsis  etc.  Von  Karl  SOnnecken.  2dl 


recht  verständlich  sein  will,  die  noch  nicht  allgemein  bekannten 
Zeichen  unbenutzt 

Zur  Veranscbaulichung  der  Ungeheuern  GrSsse  de$  Erd- 
umfanges benutzt  er  ein  heutzutage  so  viel  genanntes  und  von 
manchem  als  neue  Errungenschaft  betrachtetes  Srlittel,  das  er 
überall  anwendet,  wo  es  sich  darum  handelt,  weite 
Strecken  zu  veranschaulichen.  Er  rechnet  aus:  Wer  täglich 
24  Meilen  wandern  konnte,  der  würde,  wenn  keine  Hindernisse 
entgegenständen,  die  Elrde  in  zwei  Sonnenjahren  und  120  Tagen 
zu  umkreisen  im  stände  sein. 

Aus  dem  Umfange  der  Erde  berechnet  er  nach  den  voraus- 
geschickten Definitionen  und  Lehrsätzen  den  Durchmesser  der 
Erde  auf  den  Halbmesser  auf  324i>Vii  Meilen.  Indem  er 

dann  den  Halbmesser  mit  dem  halben  Umfange  multipliziert,  erhält 
er  die  Fläche  des  grOssten  Kugelkreises  »  aS1036ä6Vit  (Quadrat-) 
Meilen  und  durch  Multiplikation  des  Durchmessers  mit  dem  Um- 
fange den  Inhalt  der  Erdoberfläche  =  182414545Vti  (Quadrat-) 
Meilen.  Nachdem  cv  daraus  durch  Zweiteilung  die  inedietas 
superficiei  convexae  ipsiiis  sphacrao  torrao  auf  ($0207 272  Meilen 
und  die  Hälft«'  incr  Meile  und  drittehalb  Elftel  einer  Meile  (die 
Quadratmeile  wird  sfrts  bloss  Altile  genannt)  berechnet  hat, 
teilt  er  noeli  eiriiiuil  durch  2  und  «'rhält  damit  wieder  die  Fläche 
des  grössten  Ku^elkreises,  wobei  diesmal  al)er  der  Bruchteil  als 
et  paulo  plus  bezeichnet  wird. 

Nunmelur  geht  es  mit  Flügeln')  zum  Monde  hinauf,  dessen 
Durchmesser  er  ohne  weiteres  (gratia  cuius  sciendum  est)  auf 
1897  ^leilen  festsetzt.  Nachher  freilich  wird  er  bei  Berechnung 
der  Obertläche  mit  IHIMJ^Ys.h  angegeben.  D<'r  Gang  der  Berech- 
nung ist  (lers«'lbe  wie  bei  der  Erde:  nur  ist  der  Ausgangsjjunkt 
ein  nnder-pr.  Auch  hier  kommt  es  gelegentlich  auf  ein  „etwas 
mehr"  nicht  an. 

In  gleicher  Weise  wird  bei  der  Sonne  verfahren;  den  Aus- 
gangsi)unkt  bietet  hier  ebenfalls  der  Durchmesser,  der  zu 
3o7üü  Meilen  angenommen  wird. 

Nun  werden  die  Durchmesser  dieser  Weltktfrper  verglichen, 
zunächst  die  der  Sonne  und  der  Erde;  „es  ist  klar**,  dass 
der  erstere  öVj  mal  so  gross  ist  als  der  letztere,  denn 
:io7(X):r,491  ist  =  5,  und  der  Rest  :i245  ist  gleich  der  Hälfte 
des  Ei'ddurchmessers.   Der  Sonnendurchmesser  ist  aber  ungefähr 

')  AssiimptiB  alis. 


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292    Hitteilimgeii  d.  Qe&  f.  deutsche  Emohung»-  u.  Schulgesch.  VlII. 

18*/ft  mal  so  gross  als  der  des  Mondes.  Wenn  man  nämlich  den 

Üui'chmesser  der  Sonne  durch  den  des  Mondes  dividiert  -^05=-, 

80  erhält  man  18  und  den  Hest  1554.  Dieser  Best  aber  ist 
etwas  mehr  als  iles  Monddurchmessers,  denn  Vs  des  Durch- 
messers sind  1517^/5  i^feilen.  Der  Unterschied  zwischen  jenem 
Rest  und  */6  betrugt  also  37:  quae  amplius  in  residuo  inveniun- 
tur.  Bann  werden  die  Durchmesser  der  Erde  und  des  Mondes 
▼erglichen. 

Darauf  geht  der  Verfasser  zur  Berechnung  und  zum  Ver^ 
gleich  der  Kuben  über,  zunächst  wieder  der  der  Sonne  und  der 
Erde,  wobei  er  den  Durchmesser  der  letzteren  =  1  setzt,  also 
den  Kubus  auch  =  1.  Da  der  Durchmesser  der  Sonne  5V3  mal 
so  gross  als  der  Erddurchmesser  ist,  so  beträgt  der  Kubus 
5V3x5*/9X5Vs  =  166^/8  dieser  Einheiten.  Zur  Ausfahning  der 
Rechnung  wird  6Vt  in  „rcsolvicrt*  (resolvatur);  "/tX"/a  ist 
121 

aber     -j-  (nam  ex  ductu  medietatum  {dvr  Halben)  in  se  exeuut 

(lUiu  taci;  -T  X  "/a  =  V,  .    Durch  Aiisfühi  iiiiLr  der  Division  er- 
4  o 

haltiMi  wir  166'/«  (welcher  Bruch  kleiner  ist  als  V«  und  jrrösser 
als  ^a).  Folglich  ist  die  Sonne  IGOVs  mal  so  gross  als  die  Erde; 
nam  quae  proportio  est  cubi  ad  cubum,  ea  est  sphaerae  ad 
sphaeram  secundum  omnes  geometras. 

Ebenso  werden  die  Kuben  der  Sonne  und  des  Mondes  be* 
rechnet  und  verglichen;  ersterer  ist  6644  mal  so  gross  als  der 
letztere.  Dieses  Verhältnis  wird  auch  in  dem  Kommentar  zum 
Libellus  elegiacus  angefahrt  mit  Berufung  auf  Ptolemäus. 

Der  Durchmesser  der  Erde  verhält  sieh  zu  dem  des  Mondes 
nach  Ptolomäus  wie  17  zu  5,  die  Kuben  also  ^ie  4913 : 125. 
4913 

Da        BS  „ungefähr**  397«  ist,  so  ist  die  Erde  39^4  mal  so  gross 

als  der  Mond.  Der  Verfasser  folgt  auch  hier  dem  Ptolemäus, 

obgleich  Johannes  Campanus  in  seiner  Theorica  planetarum  die 

Erde  für  etwas  grösser  im  Verhältnis  zum  Monde  erklärt  Er 

wählt  die  Angabe  des  Ptolemäus  der  bequemeren  Rechnung 
wegen;  „Oampanus  aber  giebt  das  Verhältnis  der  Erde  zum 

Monde  genauer  an." 

Im  dritten  Abschnitt  behandeltBartholomäus  die  Entfernungen 
der  drei  Weltkörper.  Er  legt  zunächst  kurz  dar,  durch  welche 


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2Ü.  l  eber  liertholoinacus  Colonii'n.«iib  de.    Vou  Karl  Bönneckeu.  293 


Boohachtunpfon  und  Erwägungen  Ptolciniius  die  Kiitfcniunjrcn  (Ins 
Mi>ii(lf's  und  der  Sonne  von  dem  ('riitruiii  dvi  Kidc  zu  hcstiiiimen 
vci'^ucht  hat;  des  Ptoleniäus  Alii»a;zest.  „worin  das  gesamte 
iistrinioiiiisi  hf  Wilsen  des  Altt  rtunis  vereini$rt  ist" M.  scheint  hier 
üU  rhaupt  seine  Quellt'  liir  das  Astronomisch«'  zu  sein.  Sodann 
will  er  sich  nach  Kräften  bemühen,  die  Berechnung  dieser  Ent- 
fernungen zu  zeijnfon. 

Der  Halhniesser  der  superticies  eoncava  sphaerae  ipsius 
luiia»'  (d*'s  innern  Randes  der  „Mondsphän  1(»798()  Meih  u)  und 
ehenso  der  des  Susseren  (superhcit  i  eonvexae,  2lMtl5»S  Meilen) 
wild  einlath  aiigcgi  hen  und  durch  Sul)traktion  der  Durchnicsser 
(crassitudo  sive  si)issitudo)  der  ^londsphäre  (101262  Meilen)  be- 
stinmit.  In  gleicher  AVeise  wird  bei  der  Sonne  verfahren,  bei  der 
die  beiden  Halbmesser  zu  3892867  und  4268629  Meilen  ange- 
nommen  werden,  und  wieder  werden  aJIe  in  Betraeht  kommenden 
Entfernungen  veranschaulicht 

Darauf  wird  der  Halbmesser  der  Erde  =  1  gesetzt  und  dat; 
Verhältnis  der  genannten  Entfernungen  zu  dieser  Einheit  be- 
stimmt. 

Aus  den  Durchmessern  der  Mond*  und  Sonnensphäre  werden 
dann  jedesmal  der  Umfang  und  die  Kreisfläche  berechnet  End- 
lich wird  noch  gezeigt,  wie  man  daraus  wieder  in  der  früheren 
Weise  die  Kugeloberfläehe  und  auch  aus  dieser  den  Inhalt  des 
grOsston  Kugcikreises  berechnen  kann. 

Zum  Schlüsse  erklärt  er  noch,  da  der  behandelte  Gegen- 
stand eine  res  satis  ardua,  difllcilis  et  obscura  sei,  so 'habe  er 
mit  Absiebt  eine  breitere  Ausdrucksweise  gewählt,  um  alles  recht 
klar  zu  machen.  Nam  haec  materia  non  requirit  verborum 
elegantiam,  sed  potius  scntentiarum  rectam  intelligentiam,  quam 
sermo  brevis  et  succinctus  ((|ui  frequenter  est  obscurus)  sub- 
ministrare  nequit  So  sehen  wir  auch  hier  wie  im  Anhange  zum 
Libellus  elegiacus,  dass  Bartholomäus  den  Inhalt  Uber  die  Form 
setzte. 

Angehängt  ist  dieser  Schrift  ein  sieben  Seiten  umfassendes 
Nachwort  an  den  freundlichen  Leser.  In  demselben  wendet  sich 
der  Verfasser  in  lebhaft  rhetorischer  Weise  wieder  gegen  die 
Zoili.  ..Hr>rst  du.  freundlicher  Leser,  das  Zischeln,  den  Lärm 
und  das  Schnarchen  meiner  Gegner?  Sie  sind  schon  längst  in 
träger  Ruhe  erstarrt  und  haben  von  einem  würdigen  Studium 


1)  Gerhardt,  Gesch.  d.  Mathematik  S.  5. 
MUteilupir«tQ  d.  Oo9.  f.  deutsche  RRJeb.»  u.  Schoteaiehlebte.  vni  4  188a  2Ü 

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294     Mitteiiungeu  d.  Geu.  f.  deulsclif  hJrziehuiigä-  u.  ScLuljifeüicli.  VI  11. 


clor  Wissfiischaftfii  ali^elas.sen:  um  nhov  nicht  iranz  müssi^  zu 
schoiiuMi,  halR'u  sie  ihn'  Znn*ren  in  das  schüiullit  liste  Schwara 
}^itti>;en  Neides  fjetauclit ' )  und  sich  Uiit  ihren  liündisehen  Zähnen 
in  die  Schriften  undrror  verhissen,  um  si«'  nach  Kriilten  wir 
kläffende  und  wlitemlc  Hunde  zu  zerreissen  und  zu  zerlrtzt  n. 
Hörst  du.  lri'Uiulli(  ht  r  Lcsrr,  hörst  du,  dass  sie  auf  mich  jenes 
Wort Ver<rils  atiwt  udt  u:  Welch  ein  seltsanu  rCJast  hat  sich  unserem 
Wohnsitz  «rrnalit?*'-)  —  So  ^eht  es  noch  etwas  weiter,  zum  Teil 
unter  Anlehiiun;^^  an  .Icsaias  40.  12.  Er  lUlirt  dann  fort:  Aber 
er  fra^re  nichts  nach  ihren  Sticheleien  und  ihrem  (Jespött.  und 
er  be^relire  auch  nicht,  von  Trä^ren  gelobt  zu  werden,  l'm  aber 
den  Angriffen  gegenüber  nicht  wie  niarpessischer  Maimor-')  oder 
wie  eine  stumme  Bildsäule  zu  erscheinen,  habe  er  beschlossen, 
den  Gegnern  eine  Reihe  mathematischer  Aufgaben  zur  Lösung 
▼orzulegen,  die  er,  seine  Gegner  Terspottend,  quaestiunculae 
nennt  Dieselben  müssen  aber  rite  ac  debite  (instar  abacistae) 
getöst  werden.  Von  den  24  Aufgaben  fttge  ich  hier  etliche  bei, 
da  sie  einigermassen  die  Gebiete  kennzeichnen,  mit  denen  sich 
ihr  Verfasser  beschäftigte,  und  in  etwa  auch  die  Art  und  Weise 
ihrer  Auffassung  und  Behandlung. 

1.  Quae  est  radix  de  quadraginta  norein,  tredecim  diminutis,  iuxta 
scientiam  tractatus  de  additis  et  ditninutis? 

2.  Si  decsem  duobus  additis  demantur  a  triginta  duobus  diminutis, 
quot  restant? 

4.  Qttae  est  radix  cubica  secundaria  ipsius  radicis  cubicae  primariae 
ipsitts  niuiHM'i  tornarii  ? 

ö.  Si  nliijtiid  qiinrlratum  et  docein  eins  radioos  pnritor  adunatac 
ao(juantiir  tri^rinta  uuvüiu  iu  uuiueris,  quautum  est  illud  quadratmu  et 
quanta  radix  eiu.s? 

7.  Quot  pedes  solidoa  habet  in  se  lignum  quadranguluin,  cuius 
lon^tudo  est  radix  cubica  wkcundaria  radicis  cubicae  primariae  nunieri 
sexagMiarii  et  cuius  latitudo  sit  radix  cubica  secundaria  radicis  cubicae 
primariae  ipsius  numeri  quadragenarii  et  denique  cuius  crassitudo  sit 
radix  cubica  secundaria  ra  H  i^  «  nM«  ao  pHinanae  Ipsius  nuineri  vi<;Hiarii? 
.Tain  quaeritur,  quot  pedes  äolidos  hoc  lignum  quadraiifoiium  in  se 
liabeat. 

5.  Quae  i'>t  lailix  lüiioniii  priiiii.  ([ikmI  qiiiiliMii  liiiininiiuii  prinimu 
est  4  pt  radix  dv  .^vplt-in.  Et  diimlf  quac  «>J  radix  r«'cisi  ipäius 
binuiitii  primi  ot  hoc  recisum  est  4  nihius  ratlicc  de  Septem. 

Lingrnae  «las  teterrimo  reneaatae  invidiae  atramento  offiiderunt 

=  1  A.  n.'is  IV,  10. 

*)  Marpeäia  emtes  (Anspielung;  auf  Aeueiti  471). 


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20.  lieber  Bartiiülüiuaeuü  Culuui«u.si!$  etc.    Vuu  Karl  Sdauecken.  29o 


9.  Qnibus  iatii>inl)iis  j)i'()liahinuis.  tetraironisniiiiii  smi  tetraji^onuni 
et  tri^onuiii  ij5üi>k'urum  alque  hextigoiiuiü  prae  ceteris  liguris  regularibus 
supcrficialibus  posse  replere  locum  superficialem  circumstantem  aliquod 
punctum  in  superflcie  imagimtuin?  Der  zweite  Teil  der  Au^be  dehnt, 
dieselbe  auf  Kubus  und  I^Tramide.  femer  auf  das  regelmftsaige  Ikosaeder, 
auf  Dodekaeder  und  Oktaeder  aus. 

IB.  Quoinodo  invenuMuus  miliaria  Italica  alicuius  parallel!  aeque') 
diätantis  a  circulo  aequinoctiali  per  15  gradus  secuudum^  legitamam 
supputationeni  srn  calculationrm? 

14.  QhiiuhmIo  iiivenipimis  distaiitiam  duarum  civitatutii  uniu??  ab 
altt'ra  \>('v  via:?  aiitlmid irac  et  ^rpf>nietnae?  In  d(>r  loi^q-iKioii  Aiif- 
l^abc  wird  die  Fra^e  aut  das  wüste  Arabien  und  (ineclienland  aii- 
gewandl 

17.  Qttomodo  debet  mensurari  profunditas  maiis  in  certis  loeis 
sine  ftinibus  in  aquam  immissis? 

18.  Quomodo  probabimus  primo  per  viam  additionis  ei  deinde  per 
Tiam  subtractionis  tonum  constare  en  duobus  bemitoniis  minoribus  et 

commato? 

21.  Qiinmndf)  pfitcrimiis  rfficacitrr  probare  lllnd  decimum  All'ra- 
«;aui^|  in  libro  (ie  tri^inta  diticreiitiiä^).  scilieet  quud  miuima  stellainin 
visu  notabilium  in  eaelo  est  niaior  tota  terra? 

24.  lu  quot  niilibus  amiorun»  solai'iuiu  uua  cum  diebus  et  horis 
horarumque  fractionibus  completur  revolutio  nonae  sphaerae  seeundum 
suum  propriam  et  peculiarem  motum,  stant«  eommuni*)  eursu  natura», 
seeundum  quem  caelornm  sphaerae  nunc  moventur  ae  Tolvuntur? 

Auf  die  Losung  dieser  Aufgaben  setst  Bartholomäus  mehrere 
Preise,  mit  denen  er  wieder  seiner  Gegner  spottet.  Ueber  den 
ersten  Preis  sagt  er  z.  B.:  Dabo  tot  aureos  Philippioos,  quot  horas 
indicat  gnomo  alicuius  scioterii^)  umbrasua,  positus  in  meditutlio 
terrae  sub  circulo  aequinoctiali,  cum  sol  suum  celebrat  aequinoc- 
tium  in  primo  gradu  arietis  vel  librae. 

An  einigen  Stellen  seiner  Schrift  hat  der  Verfasser  die  l>o- 
nutzten  Quellen  genannt  Es  sind  die  in  jener  Zeit  viel  ge- 
brauchten, nämlich  ausser  Theodosius  „in  libro  de  sphaeri.^''') 

')  Im  Druck:  ««jf 
Im  Druck:  »^. 

Der  Druck  liat  Al]i!irajrnni. 
'i  Im  Dnuk:  ilni  ltij>    Im  Anhange  ZU  dem  Libeilus  elegiacua  wird 
AlfragHiais  in  <litli't'tiiii.i  prima  citiurt. 
•''')  Der  Drui  k  hat  cöi. 
*)  Statt  gnomon  alicaius  sdotherL 

^)  Er  lebte  mutmaassUch  im  letsten  Torchristlichen  Jahrhundert  (Wolf, 

(»eschiebtf  d.  Astron.  S.  11'»);  seine  Deliiiition  des  Bej^riffes  8phftre  wird  auch 
in  andum  Werken  aus  der  Wende  des  lö.  und  16.  Jhd.  citierk 

20* 

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296    3IitteiluDgeD  d«  Ges.  f.  deutsche  Eruelwnge- «.  Sclittlj^seh.  YIU. 


der  Uebersetzer  und  Kommentator  des  Euklid  Johannes  Campanus, 
der  „äusserst  fleissige  und  Tielbelesene*^  Araber  Alfragani 
(Alfergani)  und  besonders  der  Öfter  dtferte  Ptolemäus,  den  noch 
Johannes  Stöffler  1510  (1614^)  in  seiner  Schrift  Uber  die  Kon- 
junktionen und  Oppositionen  des  Mondes  den  unstreitig  ersten 
unter  allen  Mathematikern  nennt.  Der  Jahrhunderte  hindurch 
als  klassisch  angesehene  und  bis  zum  Ende  des  17.  Jalirhunderts 
vielfach  gelesene  und  kommentierte,  inhaltlich  aber  wenig  be- 
deutende Algorismus  von  Sacrobosco**^  wird  von  Bartholomäus 
hier  nicht  erwähnt;  nur  in  dem  Anhange  der  Canones  von  1502 
wird  einmal  für  Weiteres  auf  ihn  verwiesen'*).  Die  Schrift  des 
Aristarchos  aus  Samos  De  magnitudinibus  et  distantiis  solis  et 
lunae  kommt  nicht  in  Betracht,  da  sie  trotz  des  ähnlichen  Titels 
andern  Inhalts  ist.  In  dem  Ubellus  elegiacus  werden  auch  noch 
die  Tabulae  astronomicae  illustris  regis  AJphonsii  citiert. 

Dass  Bartholomäus  gegenüber  seinen  Gewährsmännern 
selbständig  verfuhr,  mag  folgendes  Beispiel  zeigen.  Für  die  De- 
finition des  BegrilKcs  Sphäre  beruft  er  sich  auf  Theodosius;  wenn 
dieser  aber  .sagt:  in  cuius  medio  punctus  est,  so  setzt  er  statt 
dessen:  imaginatur  punctus,  und  statt  aquo  (seil,  puncto)  omnes 
lineae  ductae  ad  circumferentiam  sunt  aequales.  setzt  <t:  omnes 
rectae  lineae.  Und  so  findet  nmn  auch  sonst  wohl  bei  ihm 
eine  korrektere  Ausdrucksweise  als  hei  andern  zeitgenössischen 
Schrift«ti»llern.  Die  Definition  der  Kugel  wiixl  sonst  in  Werken  seiner 
Zeit,  soweit  ich  «gesehen  hai)e,  in  der  ungenauem  Form  ^e«:ehen. 

Bartholomäus  war  übrigens  in  Deventer  nifht  der  einzige, 
drr  sich  (iir  .Matlioinatik  iuterfss-jcrto.  r)as<^  auch  Hc^^ius  Interesse 
t'iii'  diesellH'  ^cliaht  liat.  isi'hl  aus  einem  M  iiin-  BciffV  an  Wessel 
hervor*),  in  welchem  er  crwiihnt.  dass  untrf  dcu  Schlitten,  die  er 
aus  der  Jjihliotht  k  drs  Kardinals  Xicolaus  von  Cusa  mitifclirn*  hl 
habe,  oiiiiirc  matht'iuatisehe  sei«'!!.  Aueh  in  seinem  Dial*»-  De 
toto  et  pai  tr  spricht  t-i-  ühn- ( icomctrie ;  er  hebt  dort  die  Wichtig- 
keit der  Detinition  iür  diese  WissenscUalX  hervor'';. 

V)  Wolf,  (iesch.  (I.  A>itroii   S.  2i  >4 

-}  Die  Sdu  ift  rr-^f  hif  ii  1514:  der  beirortendu,  dieser  Schrift  vorgedruckte 
Brief  ist  vom  is.  <  "ulendas  Uctobres  l.MO  datifrt. 

»)  Wolf,  Gesch.  d.  Astiou.  S.  20»  f.  Vergl.  Gerhardt,  Gesch.  d.  Mathem. 
Seite  ». 

*)  Siehe  die  üben  S.  287  niiireführte  .Stelle. 
-■)  Ih'i  KraH't  iimi  (  recelius,  üeitriiL'e  II,  S.  1). 

Wiese,  Der  Pädagoge  AI.  Uegius  und  seiuu  Schüler,  iuaugural- 
DiböcrUt.  lbU2.    S.  30. 


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80.  Heber  Baitholomaeus  Coloniensis  etc.  Von  Kart  SOiuMcken.  297 


Eine  weitoro  Schrift  des  Bartholomilus  —  De  diver.sis 
rebus  ponderabilibus  diversisque  experimentis  libora- 
lihus,  una  cum  aliis  admiratioiie  diguis  — ,  die  1515  in 
Deventer  erschienen  sein  soll,  habe  ich  trotz  eifrigsten  Sucbcns 
nicht  finden  IcOnnen,  Dass  sie  wlrlilich  existiert  hat^  bezeugen 
Graesse')  und  Brunet^,  deren  Angaben  aber  verschieden  aufge- 
fasst  werden  Ictfnnen,  und  der  Katalog  der  Königlichen  Bibliothek 
in  Berlin,  in  dem  auch  das  Werk  aufgeführt  wird;  aber  leider 
fehlt  das  entsprechende  Exemplar. 

y.  Seine  Kenntiiis  der  antiken  Litteratur. 

Zum  Schlüsse  mag  hier  noch  ein  Verzeichnis  der  antiken 
Schriftsteller  folgen,  auf  die  sich  Bartholomäus  in  mehreren 
Schriften  beruft.  Die  CState  werden  fast  dorchgUngig  \v(}rtlich 
angeführt,  selten  aber  die  Schriften  genannt,  aus  denen  die  Stellen 
entnommen  sind. 

Von  griechischen  Schriftstellern  werden  genannt:  Homer, 
Plato  (Timaeus  n.),  Aristoteles  (mit  „dem  Kommentator**)  und 
Ptolemaeus  (Cosmographia  und  Almagest  XIV.).  —  Von  latei- 
nischen Autoren  werden  Gittert:  Plautus,  Terenz,  Lucilius;  Cicero 
(mehrmals  als  TuHius),  Lucrez,  Catull,  Vcrgil,  Horaz,  Tibull, 
Properz,  Ovid;  Plinius  der  Aeltere,  Cornelius  Celsus,  Juvenal, 
l^lartial,  Oellius,  Macrobius,  Ausonius;  Pompoius,  Varro  (De 
lingua  latina),  Scrvius  (super  primum  Oeorgicorum),  von  neueren 
Kommentatoren  Christoferus  (Christoph.  Landinus,  Super  teitium 
Georgicoruni)  und  Xicolaus  Perottus  (zu  Martial).  Am  meisten 
werden  wohl  die  Diditcr  Vergil,  Ovid  und  Plautus  herangezosren- 
Auch  in  (h  n  Kiichenvätern  und  späteren  Schriftstellern  zeigt 
sich  Bartholomäus  bewandert 

VI.  Bibliographie. 

la.  Epistola  mythologiea. 

1.  Ohne  Ort,  Drucker  und  Jahr  (Bereuter,  Jae.  v.  Breda,  gegen 
14S!)/$X)).  —  18  Bll.,  goUsche  Typen,  Datum  des  Briefes  1489.  4». 
Genauere  Bps( •hreil)un«f  bei  Campb^l,  a.  a.  O,  251. 

Kön.  I^i)>lioth.  im  Haag.   Herz.  Bibl.  Gotha. 

'2.  Ohne  Ort.  Drucker  uud  Jahr  (Deventer,  Jac.  v.  Breda).  — 
23  Bll.  (4  Bogen  zu  8,  4, 8  und  3  Bll.);      und  23'>  leer;  ohne  Kustoden 


Ties(»r  <le  livres  rares  et  jneeieux  I,  p.  902. 
Manuel  du  libraire  1,  i».  07h  f. 


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298    Mitteilnngen  d.  Ges.  f.  detitsche  Eniehungs-  u.  Schulgesch.  VIII. 


und  Seitenzahlen,  aber  mit  Kolumnentiteln.  Sig.  Aij — Dij,  Got. 
Typen.  4« 

Bl.  1*:  Bartliolomei  Colonienßs  |  Epiftola  Mytholo^iea  cu)  |  quo* 
Mindam  diffioiliiiiii  vocabuloium  in  ea  pofito«  1  rum  lucnlenta  iiiter- 
p.N  tationo  |  1^1.  2":  (F  Hartholoinei  Colonionfis  Ki>iftola  Mythnln  | 
^ii-a:  Io]>idi?  iViitcntijs:  et  ad  cöniuneiii  l'er^  |  monum  viuni 

aecöm«i(latilTiniis  relerta.  *'t  iiiiris;  z  ;  p:opo  adeo  ridicnlis  iocis  oaiiilla- 
tiouibiis.  lalibufqj  [  et  faectijs  refperfa  Ad  Pancratimn  ineipit 
felieiter  |  Datum  der  Epietola  61.  15^:  Ex  |  dauentria  fexto  idus 
Julias  Anno  dfii.  M.cccclxzzix  }  Dann  folgt:  iE  Epjgramma  eiufde^ 
Bartholome!  in  ofoies  ftu  |  dio^um  humanitaüa  |  Folgen  B  Distichen, 
darauf:  n  Epistola  ad  lectores  suos  |  Folgen  3  Distichen.  Bl.  16  ■ 
nach  dem  Kolunmeutitel:  <[  Quojundä  difficilium  Yocabulo2iiin  in 
p;eee>  |  denti  epiftola  poHtoium  fuecincta  et  bseuis  interp^e  |  tatio 
incipit  ff  Heiter.  | 

Stadt-Bibl.  Deventer.    Univ.-BihI,  Göttinnen.    U.-B.  Marbur»;. 
Herz.  R.  Wolfenbüttel.    (Bei  Haia,  l^epertor.  biblio^T.  n".  24J)2.) 

:5.  Ohne  Ort,  Drucker  und  Jahr.  —  23  Bll.  Dutum  der  Epistola 
1480.    4".    „^'icht  bei  Hain''. 

Univ.-lUl.l.  VvMx. 

4.  Ohne  Ort,  Drucker  und  Jalir.  —  IS  Datum  der  Epi.slola 
14iK),  Auf  dem  Titelblatte  ein  Holzschfiut:  Ein  Lehrer  sitzt  mit  auf- 
>;e&chla<;enem  Buche  auf  hohem  Katheder,  im  Halbkreise  um  ihn  sitzen 
fQnf  Schüler,  ebenfalls  mit  offenen  Bachem.  —  Ohne  Kustoden,  Seiten* 
sahlen  u.  •Titel,  ag — cüj  Oot.  T^en.  4^ 

Stadt-B.  KOln.  KOn.  B.  im  Haag. 

5.  Delf  (Chr.  Snellaert)  14^.  —  16  BU.  4'. 

Kfin.  Bibl.  Haag.   Unir.-B.  L5wen.   KOn.  B.  Stuttgart. 

6.  Ohne  Ort^  Drucker  and  Jahr  (Deventer,  Jac.  v.  Breda?).  Die 
untere  Hälfte  der  Titelseite  nimmt  ein  Holzschnitt  ein,  der  sich  ui 
Drucken  Ton  Jac.  v.  Breda  findet:  Vier  Medaillons  auf  schwarzem  rJi  nude 
mit  den  Namen  und  Attributen  der  vier  Evanfj^elisten.  diizwisehen  in 
,\rabe>kon  die  Buchstaben  i  h  ^.  Datum  der  Episfnla  1  K'»  l'll. 
(8  l^iMj;!'!!  zu  (),  ß  und  4  Bll.)  Ohne  Kustoden  uml  Stitrir/aliltn  itiid 
-Titi'l.  Aii.) — Ci.  Die  im  Titel  verheissene  Intejputaiio  quorundam 
difficilium  vocabulorum  fehlt.    Got.  Tjpeu.    4".    (Hain,  Kep.  bibl.  21VM.) 

ITniv.-B.  LeipzifT.   Kais.  B.  Strassburg. 

7.  Cime  Ort,  Drucker  und  Jahr  (Deventer,  Jac.  v.  Breda).  Datum 
d.  Epist.  1496.  —  24  Bll.   Got  Typen.  4» 

Campbell,  Annales  n*.  254. 

8.  Ohne  Ort,  Drucker  und  Jahr  (Deventer,  l{ich.  Paffroet,  ca.  140()). 
18  Bll.  4» 

Campbell,  a.  a.  0.  n^  253. 


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30.  tJebor  Bartholomaeiw  Coloniensis  etc.   Von  Karl  SOnnecken.  200 


9.  Ohne  Ori,  Drucker  und  Jahr  (Datum  der  Epistola  1497).  — 
23  Bll.   Oot.  Typen.  Am  Ende  Gorrigenda  (30  Zeilen).  4*. 

Stadt-B.  Deventer. 

10.  ZvolUs,  ]'rt.  Os  de  Breda,  1499.  4«. 

Hain,  2495.  Qraesse,  Tresor  I,  302. 

11.  Erphordiae,  Faul,  de  Haohenborgk,  IdOl.   (Kön.  B.  Dresden. 

U.-B.  Göttinf^pu.) 

12.  Lijitzk,  Martin.  Lantzberk  Herbipolon«!.,  I.tOI,  III.  Kai.  Maias. 
4".    (Heil-  u.  8tts.-B.  MniK-hfii.  U.-B.  Loipzijc,  l  .-R.  Götting:on.) 

VA.  oimr  Ort,  Drucker  und  Jahr  (Datum  der  Epistola  1(303).  4*. 
(U.-B.  (Jottin^ron.) 

14.  Paris.,  ohne  .lalir.  4*.  (Graesse,  Literärgeschichte  II.  Bd. 
;J.  AbteU.    2.  Hölfto  S.  8S5.) 

15.  VenetÜB,  Bern.  Vereellensis,  lo08,  die  XXim.  Januarü  A^. 
(U.-B.  Jena,  Stt8.-B.  Mttnehen,  U.-B.  München,  Hf.-B.  Wien.) 

16.  LIptzk,  Jao.  Tanner  Herbipolens.,  1^  90.  Juli.  4<>.  Auf 
Bl.  l**  ein  Brief:  Forti  prudentique  viro  consulari  Anthonio  Witchyn, 
ac  inte<;ro  nobiliiun  in  districtu  Swebussensi  civiumque  eiusdem  civitatis 
iudici  Georgiu»  Adalberti  AVitchyn,  bonanini  artium  baccalarius.  patri 
suo  amantissiniü  S.  V.  l)icit.  Am  Ende  (lr>sell)en:  Datum  <■  T.ijitzensi 
studio.  !*oritndo  mfnsis  Juiiii  anno  doiiiiiii  (Kr>n.  B.  Bamberg, 
Kön.  H.  J>resdeu.  Slts.-B.  Jlüutlien.  Hz.  H.  Wuhenbüttel.) 

17.  Lips..  baccalaur.  31artin.  Herbipolens.,  Iü08.  4".  (Fflrstl.  B. 
Wernigerode,  HatsschuKB.  Zwickau.) 

18.  Coloniae,  Mart  de  AVerdena,  loiO,  feria  tertia  post  Bartho- 
lome!. 4^  (EOn.  B.  Berlin,  U.-B.  Breslau,  U.-B.  Freiburg,  Stdt.-B. 
Hamburg,  Landes- B.  Kassel,  Stdt.-B.  Köln,  Ebern.  U.-B.  Helmstedt, 
Stt8.-B.  Münchrn.  U.-R.  Tüliini^en.) 

U).  fVdoniae.  Martin,  de  Werdend,  1314.  4®.  (Panzer,  Annales 
typogr.  XI.  ;^*>7  240.  I».) 

2<>.  Coloniae.  pptr.  (,)iirut.  ll.  1521.    (Panzer,  a.  a.  O.  VI.  :«K). 

21.  Neudnu  k  in  dem  \\'<  i  k*'  I'i  a\ i>  juüindi.  Frankfurt.  Druck  von 
.luh.  Spieu  und  Erben,  1(502.  ^  .  iJarin  Seite  •JOlJ—liöl.  Am  Schlüsse: 
[ternm  'Tale  ex  Dauentria  sexto  Idas  Julias.  Anno  eodem.  (Landes-B. 
Kassel.) 

22.  Neudruck  in  Goraddivi  Prudentia  simplex,  Francofurti  1605. 
(U.-B.  Leipzig.) 

Ib.  IMaloffHs  III)  thol«)ii:i('us. 

1.  Duvf ntriae  (?).  n]int>  Druckt-r  iiml  .Jaln-  iDatiiiii  iUm-  l*]pistoIa 
141Mi).  4°.  (('anipbell,  Anuales  n".  2.W.  ~  Ijaveutriae  geljort  wohl  nur  zur 
Unterscluift  der  Epistola.) 

2.  ZvoU,  1499.  4*.  (Graesso,  Litei  :it  gesehicbte  II.  Band  S.  Abteil. 
2.  Hälfte  S.  8K5.) 


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SOO    Mifcieiliingcu  d.  Ges.  f.  deutscbe  Emehutt|^  u.  Schiügesch.  VIU. 


vi.  Lipsiae,  150:1    I".    (Paiizor  VIT,  US.  1)S.) 

4.  L.vptzk.  Jac.  Thanner,  1507.  4".  (Kön.  B.  Bainber«r.  Kön.  B. 
Berlin.  U.-B.  Gfittiiijceii,  U.-B.  Halle.  ätts.-B.  Mttucben,  Hatsschul-B. 

Zwickau.) 

5.  riidifp  in  aedibus  Thoniae  Aushehui  15a<h"n..  ni.  Ort.  — 
S28  Bll.  Latein.  Typen.  Aul  dem  Titelblatt  ein  Di.stiilion  von  M.  (j. 
Könitz;  Bl.  1**  der  Brief  von  Witchin  (siehe  oben  Ja  n*.  16.).  (K«n.  B. 
Bamberir,  KOn.  B.  Dresden,  U.-B.  fVeibur^,  U.-B.  GOttingen«  U.-B. 
Mfinchen.  Kön.  B.  Stuttgart,  U.-B.  Tabingen,  Ratsscbul-B.  Zwickau). 

6.  Lyptzk,  Jac.  Thaoner,  1510.  4*^.  (KOn.  B.  Berlin,  Gh.  B. 
Oldenbui«,  U.-B.  Prag.) 

7.  TulHSgae,  Tliom.  Anshelmus  Badensis.  1511.  m.  .fulio.  (Kön. 
BB.  Bamberg  und  Stutt^jart,  Stts.-B.  München.  Gh.  B.  Weiniai*.  Hz.  B. 
Wolfenbüttel,  U.-BB.  Eilaniren.  Freibur«:.  München.  Pra»;.  Tttbin«ren.) 

H.  Viennae.  in  aedibu8  Hieronymi  Vietoris  &  .Joannis  Sin^renii, 
1512.  prid.  nun.  Oetob.  —  20  BII..  latein.  Typen.  4".  Auf  Bl.  1'': 
Adrianus  Vuolfhnrdus  Tranj'pyliianns.  artiuni  et  philnsopliiae  professor, 
Hilario  Vuoithardu,  tratri  iiiuuu  aniautj.ssinio  S.  i).  Datiert  aul  BI.  2*: 
Viennae  Taunoniae  ü.  Cal.  Oct.  1512.  (U.-B.  Bieslau,  St.-B.  Köln, 
Stt8.-B.  München.) 

9.  Tubingae,  Thom.  Anahelmus,  1512,  m.  Oct.  Mit  dem  Distichon 
von  Mag.  Könitz  und  dem  Briefe  von  Witchyn.  (K5n.  BB.  Berlin, 
Dresden,  Stuttgart^  Stts.-B.  Mfinchen,  U.-BB.  Erlangen,  Freibui^,  Strass- 
bui^.  Tübiufjen.) 

10.  Liptzk,  Jae.  Thanner,  15ia.  4«.  (Stte.-B.  München,  St.-B. 
Leipzi^^  U.-BB.  Freibur^;.  (Jöttin^'en.) 

11.  Haifeuau.  Do.  .)o.  liyninan  (Ic  Oiingaw  es  impeudeute  Heur. 
Gran  excudere  ttcit,  1514.  lu.  Oct.  (Stts.-B.  München,  Kön.  B. 
Stuttj!:art,  Hf.-B.  Wien,  U.-BB.  München,  Strasi-sbur^.  Tübingen.) 

12.  Lyptzk,  Valent.  Schumaun,  1514.  4°.  (U.-BB.  Freibuix,  Strass- 
hurg«  St.-B.  Hambuig,  Stt8.-B.  Mfinchen.) 

13u  Tubingae,  Thom.  Anshelmus,  1514,  m.  Aug.  4<^.  —  Mit  je 
einem  Distichon  von  G.  Könitz  und  Jo.  Knoder  und  der  Vorrede 
ülelanchthons.  (U.-BB.  Breslau.  Freiburg.  l*rag.  St-rasaburg,  Stts.-B. 
München,  Kön.  B.  Stuttgart.  Hz.  B.  Wnlf. nbüttel.) 

14.  Tubingae.  Thom.  Anshrliniis.  1515.  m.  Dfr.  l**.  (Kött.  BB. 
Berlin,  Dresden.  Krlurt,  U.-BB.  .Müim  Iuii,  fStia^.-l>urg.  Tüldugen.) 

15.  Hagenaw.  Thom.  Ansbfliniis.  1510,  ni.  Nov.  4".  (U.-BB.  Frei- 
burg, j^liiiu  hini.  Prag.  Stra.-.^lim lt.  Köu.  BB.  Berlin.  Stuttgart.) 

Bi  Hagenoae,  Henr.  (irau.  löMi,  4".  (Panzer  a.  a.  O.  Vll, 
81.  118.) 

17.  Cracoviae,  Jo.  Haller,  1516.  4^.  (Panzer  VI,  458.  78.  Graesse, 
Literilrgesch.  II  B,  2  S.  885.) 

18.  Parisiis,  Nicolaus  de  Barra.  1516.   4^   (Hf.-B.  Wien.) 


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20.  Teber  Burtholonweus  ColoDienfiis  etc.  Von  Karl  SOnneckcn.  «SOI 


19.  Hagenau,  1517.   (Sit8.-B.  HOnchenO 

20.  Ldpsiae«  Val.  Schumann,  1517.   4**.   (ü.'B.  Breslau,  Stts.-R. 

Hünchmi.) 

21.  Lipsiae,  1518.    (Stts.-B.  Mflnchon.) 

•22.  \'iennae.  .lo.  Sin^neniiis.  1518.  m.  Maio.  4*.  (Kön.  B.  Djeädtsii, 
Stt6.-H.  Münohen.  Hof-B.  AVicn.) 

2;{.  Ha^jeimw.  Thom.  Anshelnius.  löl!).  m.  Oct.  4".  (Köu.  B. 
Berlin.  Stuttfrait.  Stt.s.-B.  Müiit  lu'u,  U.-B.  Firibury.) 

24.  Lipsiue,  Val.  Schumauu,  löli).   4".   (St.-B.  Breslau,  U.-B. 

Jena.) 

25.  Mofnintiae,  Jo.  Schoeffer,  1521.  A\   (St.-B.  KOln.) 

26.  Ohne  Ort,  Drucker  und  Jahr.  4*.  Mit  dem  Distichon  v.  M. 
Ivonitz  und  dem  ^Vidmungsschreiben  von  Witchyn.   (i^t.-B.  MOnchen^ 

Fstl.  B.  N\>rni^r<*ro(le.) 

■2~.  Ohuf  Ort.  Drucker  und  Jahr.  4*^.  Mit  je  einem  Distichon 
vuu  G.  Kunitz  und  .lo.  Kiiodor.    (Stts.-B.  Münchon  ) 

Killt'  i\*'ilie  von  Ausgaben,  die  von  den  Bililin^^raplieii  genannt 
wcrdeu,  habe  icli  beiseite  K^^lasäseu,  weil  unk(»ntn»Uit'il)Hre  Vcrwechse- 
lunf^en  Torzul legen  seheinm. 

Ii.  Secta  Diügeiiis  <'.vnici. 
Die  GctVvMf  sind  in  fV)l;rfMidf»n  Schriften  mit  iibj^ndniekt : 

1.  Epistolurc  Dio^cnis;  |ihilnsophi  C'ynice  .vccte  c(»nditt»ris.  Ohne 
Ort.  Drucker  und  Jahr  (Dcvcnter.  .Jac.  v.  Breda  gegen  14U<)  nach 
Caiiipl>eU,  Auuales  u".  öTT,  wo  auch  eine  genauere  Beschreibung  de.s 
AVerkea  zu  linden  ist).  14  Bll.,  got.  Ty^en.  4".  Darin  Bl,  lt>:  tr  Epy- 
^ma  Bartholomfi  Coloniefl.  de  p^ra  Diogenls  |  esprobrante  dfio  suo 
InjjH'atitodinf  erga  se  suam.  |  Bl.  14":  c  Tetrastica  eiusdem  bartholomei 
Colonicj^is  de  pallio  c    harbi<  io  diogcnis;  ;  (Hz.  B.  Wolfenbüttel.) 

2.  Ohne  Ort.  Drucker  und  Jahr.  -  10  Bll.  (2  Bogen  zu  4  u.  (i 
Bll  i.  Sign.  Aiij— Biiij.  Ohne  Ku.stoden  und  Seitenzahlen  und  -Titel. 
l.,ateiü.  T.vpen  (kursiv).    Bl.  lU^-  leer, 

Bl.  1^»:  DKXnvNIS  CVM(  I  lUlILOSOl'lU  I  Serta  Aulliure 
Barthokuneo  colonienle  (I)  latine.  |  Infignia  Diogcnij*.  .  l'iati.s  philo- 
fophi  Cvnici  epiftolae  elegantilTiuiae.  |  Darunter  ein  grosser  Holz- 
schnitt: Hechts  steht,  die  ganze  Höhe  des  Holzschnittes  einnehmend, 
halb  dem  Beschauer  zugewandt^  der  langbftrtige  Diogenes  mit  blossem 
Kopfe,  in  langem  Mantel,  mit  mfichtiger  Tasche  und  mit  Sehnabel- 
schuhen, in  der  ausgestreckten  K-  i  hti  ii  einen  gewaltigen  krummen 
Knüttel  haltend.  Hechts  von  ilun  ein  liegende«  Fass.  vf»r  demselben 
'm'ü  spnnLr>'ni]f'i".  nn*  !i  Din^'cnns  sich  unisehendei"  Hund.  C  licr  d<>ni 
J'm---i'  zcii;!  <ii  Ii  die  Siuiii''.  Tiitcr  detn  Bilde  stehen  zwt  i  histichen: 
Pailia  nun  <  vniruiu  laciuiit  cti.  Bl.  V' :  SF/TA  DKKiKXIS 
CYNICI  I  PHILOSOPHI  .  Nun  folgen  die  audt  in  der  Silva  abge- 
druckten Gedichte  des  Bartholomäus  auf  Diogenes.    Bl.  H*»  unten: 


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302     Mitteiluugeu  d.  Qw.  f.  deutsche  Braiehungs-  a.  Scbulgesclu  VIIL 


ATANASIVSCONSTANTINOPOLiiTAXVSARGHIEXSISABBAS 
i  AD  DIWH  PRINCI  [  FEM  KAROLVM  |  ABAOONVM  ] 
PRIMOGE  I  NITVM  |  BL  4*» :  GRATIS  PHIL060PHI  OTNICI 

EPISTOT^\E  I  ELEGAJJTISSmE  (!)  LN'TERPRETE  ATA  |  XASIO 
COXST.AXTlXOPnLITA  XO  AKCHIENSE  ABRATE  |  Bl. 
untPii:  TE.VOS  fOAXXI  GKACCO  PIERIO  CORO  I  GRAPHO 
AVSTRIE  APOLLI  I  XIS  VICARIO  lOAX  |  XES  STABIVS  | 
AN  S'PKI  I  ACVS  PHIIAKS.  ET  MATHE.  FELICI  j  Bl.  9^:  KIVS- 
DKM  10.  STABII  AV.  PHALEVTIVM  CAHMEX  PRAGXATICE 
(!)  I  Folgpu  32  Verse.  Bl.  10 *  eiu  Druckersignet:  In  der  Mitte  ein 
Bauirif  links  eine  Fraa  in  der  Tracht  jener  Zeit,  rechts  ein  nackter 
Mann.  Oben  links  und  rechts  je  ein  8.  Zwischen  den  Personen 
ein  Schild  mit  drei  Sternen^  von  Linien  umschlungen.  Nach  Prof. 
Dl-.  Bauch')  ist  dies  das  Signet  des  (Erfurter)  Druckers  Sebald 
Striblita. 

Köu.  BB.  Bnrlhi.  Dro^den,  U.-BB.  Göttin^^fn.  Prn^,  St.-B.  Breslau. 

3.  DIOGEXIS  CYXICI  imiLOSOPHI  SECTA  |  Authore  Bartho- 
lomaeo  mlnnif-fe  latine.  Infi^nia  [  Diojrenis.  Gratis  phl  cyniei  epiftole 
ele^AtiHiuiac.  H  Bll.  4*.  Oliue  Ort,  Drucker  und  Jahr.  (Genaueres 
bei  Bauch,  a.  a.  ().) 

U.-B.  (löttin/^eu,  Gh.  B.  Schwerin. 

III.  SÜTa  earminmii. 

1.  Daventriap,  Jaoohus  Broilonsis,  1491,  16.  Febr.  —  12  Bll. 
(2  Bogen  k  (>  Bll.).  jfot.  Typen.  4^ 

Bl.  1«:  Ihwt hnlonioi  r-oloiiipiifi?  '  Siloa  carminn.  Tn  qua  jiriuio 
pliiliilopliia  inii'is  lamlilis  <\i\>  aniiiiii.  arjrcutüqv  z  lapid<'s  pjociofos  | 
extollitur.  Dtiü  »Secta  liiugejji*  t  vuickü  ql>uf(lam|epi^r}lmatil)us  pouitur 
Cyterü.  Zoilus  detracto:  j  uniniQ  docto;;  vii'oj;  accerrinie  re]»r<;«heu- 
ditur  Po  I  ftremo  ponfltur  du^  fabell^  in  qnarum  (!)  altera  laten  |  ter 
deridetur  inanis  glo2ia  cutufdam  poet^.  i  in  alte  {  ra  latdter  pr^mone- 
mur.  ne  adulaton;  blftdicUs  M6  |  adhibeamus  [  Bl.  1^  leer.  Bl.  2^: 
<r  EpijüTiünm.  in  quo  plnlofophia  uii  j  ih  laudib*  etc.  Bl.  \'2^  unten: 
Jacobiis  l)>e(Ienns  daueutri^  hanc  (iluA  |  carminfl  impjefTit  fi^liciter 
Aüiin  ( '( '('T.xri.  Fflcnni'ij  xvi.  ] 
Köu.  B.  Berlin.  Jlaa«,'.  St.-Ji.  Hanilmr«;,  Gh.  B.  Oldenburg,  Hot-B.  Wifu. 

2.  Davontriao.  .Jacobus  Bre(ion"^i>!.  ir»(l:i.  VI.  m.  .Julii.  —  1'>  Bll. 
(*J  Boirf^n  a  8  Bll.)  Si^^u.  Aij  Biii  j.  <  'liiie  Kustoden,  »Seitenzahlen  und 
-Titfl.    (iot.  Typen.    Bl.  1'-  und  VA.  Id  leer.  S". 

Das  Titelblatt  enthält  auf  s«Mner  unteren  Hälfte  die  oben  1'  n".  <> 
beschriebene  bildliche  Darstellung'.  Die  Ausgabe  ist  um  die  Epi^a  ammata 
de  quodam  egregio  Potatore  vermehrt. 

Eaiserl.  B.  Strassburg. 

^  Coutrall)latt  für  dius  JJibli<itlirk&\vo.srn  XII  S.  303. 


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20.  Ucber  Buitholoniaeiw  Colonieroin  etc.   Von  Karl  SOnneckon.  -K^S 


il.  Dftventriae,  Jacobus  Bredensis,  1505,  in  festo  duorum  Ewaldorum 
martynim.  —  16  B11.  (3  Bogen  zu  6,  B,  4  Bll.)  Kustoden,  Seitenzahlen 
und  -Titel  fehlen.  S%n.  Ajj— Cij.  Bl..  It»  und  Bl.  16^  leer.  Qot. 
Typen.  4*. 

Die  Ausgabe  ist  glf»i<  hm  Tnhaltv  mit  der  Torigen:  auf  dem  Titel- 
blatto  tiiKlf't  si«  h  diosolhe  bildliche  l)arst»  lliin«r. 

ü.-ßB.  Breslau  und  Gdttingeu,  ÜU-B.  Köln,  Hz.  B.  WolfenbQttel. 

IV.  Eplgrunmata  de  qnodani  antlstite  Baeehi,  qiif  inter  omnes 
Potatore»  »aeeuli  nostrt  sine  controTersia  prindpatuin  tenet 

Ohne  Ort,  Drucker  und  Jahr.  10  nicht  numerierte  Seiten  in  4». 
(H.  Maller  im  Archir  fQr  Litteratunneschichte,  herausgegeben  von  Schnorr 
T.  Carolsfeld,  III  S.  453  tt.) 

V.  Carmina  varia. 

a.  Daveutriae,  Jaeolnis  dv  ]>ie«la,  nhne  Jalir.  4". 

Hof-B.  AVien. 

b.  Handschrift  der  Hof bibliothek  in  Wien,  vahrscheiulich  Abschrift 
der  vorhergenannteu  IiikunabeK 

^Cod.  P.  N.  ä0»4.  f.  145»— 148      Bartolome!  Coloniensis  bucolid 

caniiinis  ejfloi;a  eiiiiis  ('(»lloqiiutores  sunt  Pansnphiis  et  Aphilus. 

f.  MS''    I  ii)'',  siiir  titulo.    (Do  ^^ailo  et  TUlpe  fahella.) 

f.  l"'"  — 151»  1.  s.  sine  titulo.    (Panegyricon  Carmen  sophiae  con- 

sci'i|ituin.l 

f.  151 1^  1.  J>— 154«  1.       sine  titulo.    (!).■  (.-orvo  et  vuli»'  tah.-lla. r 

Die  letzteji  du  i  (inüc  lit«'  .->iail  am  li  in  der  Silva  t  <uiiiiiuiiii  abjre- 
druckt:  das  erste  ist  ausser  der  j;enauuleu  lukuuabel  einstweilen  nicht 
nachweisbar. 

VI.  Libellus  elogiacus  de  sejilenis  doloribus  vircrniis  Mariae. 

1.  niiiii'  Ort.  DnH'ker  und  Jahr.  Die  Typen  <i:l('ii  li(«ii  denen  des 
ivter  (»s  in  /unllo.  -  S  Hl!.  (2  Hoyren  a  1  Hll.l.  KtHrndon.  Seiten- 
Zidilen  nnd  Küluninentitcl  fehlen.  .Sig.  Aij— Bij.  (rot.  Typen.  22 — 24 
Zeilen.  4". 

Bl.  1*:  Ma^nftii  Hartholoiuei  j  Colonlenfis  libellus.  Kle^naeus 
de  I  soptenis  doloribus  gioriofifl!  [  roe  \  ir<,nuis  marie  |  .3.  j  «i  Joannes 
Murmellius  Kureniundenns  |  Lectoii  ex  tempore  [  Drei  Disticha. 
Bl.  lt>  leer.   Bl.  2*:  l[  Ad  lectoi$  exhoitatio  |  Sieben  Disticha.  | 

II  P?opofitio  I  Zwei  Disticha.  '  c  Inunentio.     l'in  Distichon,  der 
Pentameter  auf  der  fol^renden  Seite.    Bl.  ä»,  2.  Zeile:  C  Narratio 
([  I'rinius  dnjo?  viririnis    1^1.  S''  loer. 
'2.  T>n\ .  ntria«',  Jac.  de  Breda,  1514.  —  15  Bll.,  got.  T.vpeu.  4». 
(.St.-B.  i)t*v»  iitt  r.» 

Diese  Ausgatie  ist  i^leiehen  Inhalts  mit  der  folgenden:  nur  euihalt 
sie  noch  das  Gedicht  von  Murmellius,  das  in  n".  3  fehlt. 


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304-    Mitteilungen  d.  Ge».  f.  deniaclie  Eniehunurfl-  a.  Schiiljjesch.  VI  IT 


3.  OoloniM,  Hinric  Novesienais«  1518,  Id.  ISSov.  —  12  Bll.  (H  Bo^^eu 
k  4  BWX  Kustoden,  Seitenzahlen  und  Seitentitel  fehlen.  Sipi.  Aij— Ciij. 
Latein.  Tjrpen.  83  Zellen.  4^ 

Bt.  1«:  f  BARTHOLOME!  COLOXIEX-  [  Tis  libellus  Elegriac» 
de  Septenia  diu»  uiridnis  |  Mari»  doloribua.  adieeta  nnnullorüm  | 

öbfcuriocj.  t'i:  uocahiilori;  &  paffnO  lucnlenta interpretatlone. I  Kingsum 
eine  Zierleiste  mit  bildlichen  I)ai-stplliin;;pn,  unten  die  Anliptunjr 
der  \V(  i«fMi  ans  (loni  Mnr^oiilaiuU'.  ohon  imoh  fllior  dorn  vnn  Mi  oifoii 
i^ehaltrucu    Wiippen   drr   Stadt    Krdn:   O  FKLlX  (!)  COLOXIA. 
darunter:  A(ilill'lMN  A.  olieu  r.  (  lirs  die  Jahreszahl  lohS.    Hl.  1 : 
r  Ad   lectorem  oxiiortatio.  |  Das  l^d^ende  wie  n".  1.  —  Rl. 
O.Zeile:  «i"  LVC VLENTA  QVOin  XDAM  [  difficilium  iuten»relatio.  • 
Bl.  10^  vorletzte  Zeile:  ^  Eiurdem  Bartholomei  Hymnus  de  btö 
Oregoiio  |  cCmuni  oikn  ftudiofot?  patrono.  [  Bl.  11 K  9.  Zeile: 
(jf  Eiufdem  eann^  Ele^acum  in  ifnisuoB  Zoi  [  los.  qui,  cum  nihil  in 
ftiidiüfüC;  Uli  |  litatcin  ruiifci  At.  alionnu  I  tnni  r  iii|>ta  i  ai  '  pere  uö  | 
dell  I  ftunt.     }\\.  12*»,  12.  Zeile:  *7  I'^inis  Colnuia»  apiid  Hinricuin 
Nouefien  |  fem.  Anno  tlriniijii  M.  [  i).  XVIll.  idus  |  ^'ouenl  |  bris.  | 
Bl.  12»^  leer.    (Ü.-B.  Freibui'ic.) 

TII.  Canoiies. 

1.  Ohne  Ort,  Drucker  und  «Jahr.  —  24  Bit.  (0  Bogen  k  4  Bll.). 
Kustoden,  Seltenzahlen  und  -Titel  fehlen.  Sig.  Ay— Fij.  Got.  Typen. 
SO  Zeilen,  auf  der  zweiten  Seite  4d  Zeilen.  4^ 

Bl.  1*:  BArtholoniei  Colonienlls  |  Canones  vna  cd  declaratöibus 
eojfide  [  in  tabttlas  Cdputi  eccleßaftici:  in  |  pulcherrinuini  (  öpendifl  i 
lubtili  ingenio:  niiraq3  |  arte  redaeti  fplici  fy  ;  dere  incipi  |  unt.  | 
il  Kiafdeni  Bartholomei  liliellus  de  ma-iiitu  |  dinibus  terr^:  lunv:  ot 
lolis:  vna  cum  dütantij»  |  eonindem  luniiiinrinm  a  ten'a.  |  Darunter 
ein  Holzschnitt:   Kin  im  Freien   waiult  rini*  r  Mönch,  der  in  der 
rechten  Hand  ein  Buch,  in  der  linken  eiucu  Host  triS^'t.    Bl.  II'': 
f[  Eiufdem  Bartholomei  libelluä  |  de  matcuitudiuibuä  terr?.  i  luju^ .  et 
folis  .  yna  cum  |  diftantgs  eoifldfi  |  lumtarifi  a  cen  |  tro  terr^  | 
Bl.  21  b  4.  Zeile :  a  Bartholomeus  Cotoni^fis  ad  qu&li-  |  bet  cftdidfl 
lectoiero  huiua  |  opufculi  |  Bl.  21  ^  24.  Zeile:  n  Firns  Deo  grAs  | 
U.>B.  Breslau,  Kön.  B.  Haag. 

2.  Wie  n".  1.  —  Diese  Ausgabe  ist  der  ersten  so  Tollkommen 

j^leich,  da-s.s  man  die  beiden  fttr  identisch  halten  möchte.  Ein  Unterschied 
findet  .sich  in  dem  rel>er^ran«re  von  Bl.  '2\  "  /u  21  wo  das  eine  Exemplar 
«leg  I  tiam  (!)  bat,  das  andere  elei;  |  AtiaA  t!i. 

Kön.  B.  Haa^'. 

:i  Zwoll.  IVtnis  Ossensis.  ohne  .Jahr  (ca.  irHXJ).  -  H  Bll,  f 2  Hoyren 
ä  4  Bll.).  (diue  Kiusiodon,  tieiteuzahlen  und  -Titel.  Uut.  Typen.  Sijfu. 
nur  15i.  1". 


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20.  l'eber  Baitholomaei»  Cbkniiensis  etc.   Von  Karl  ßOntiectoi.  H05 


Bl.  1*:  Bartholoinei  Colonienlis  Canones  vna  cum  |  declani- 
tionibuA  «otundem  in  tabulM  Compu  |  ti  eccteHaTtici .  m  pulchenima 
CompCdifi  fubti'  |  Ii  ingenio  .  miraq}  arte  redaett  .  felici  fjdere 
inci  I  piuDt  Et  boc  quideni  Comp^difi  non  folum  eft  {  expers  fcab^oc; 
verfufl  .  fed  otlam  y  plexoc;  (!)  fche:  |  inatü  .  cü  *jl>us  loctor  haud 
feciis  ("i  hen-iilos  cü  |  Antoo  habet  con^fredi  att|3  colliK  tari  Et  qd' 
<»lni  '  mnxiniü  pft  .  if^fiifn  vU\m  adeo  facilo  dircitii  oft.  '  vt  n  rinnuis 
|)U«'ru  iiirdioi  ritt'i-  iiii^fnidln  .  q  fa  '  cilliine  poffit  Ttj-;i  l'jiacifi  ti'ifl 
ho:a:7  addilci  utqj  |  coiii|»>eli«'di  (^n<»  Jit  vt  ijifuiii  nö  IblQ  viiiiu  ins  | 
Icholaftieis  .  vei;  etiä  cunctis  Tiriß  ecclefiafticis  1  cuiuscumqj  eiiam  (!) 
ojdinis  fuerint  .  non  minus  |  vtile  fit  q  neceffarittm.  |  Darunter  ein 
Holzschnitt:  Christus  (?)  mit  segnend  erhobener  ReehteUf  riii||;sum 
Bäume,  oben  Sonne«  Mond  und  Sterne.  Bl.  1^ :  i[  In  hoc  conipendio 
piefenti  traduntur  quedft  |  Bl.  7^.  15,  Zeile:  Iinpreffit  petr'-*  ofl'i^fis 
caleo^rraph'  zwollenfis*  1  Buchdruckerzekhen,  Bl.  H"  leer.  Bl.  8'» 
'•in  Holz.scluiitt :  Unki?  ein  l?ittor  mit  zum  hla|.;e  erliot^onfm 
Schwerte  in  dfr  Link*Mi.  r'-ehts  ein  Bauer  mit  eiiuT  Scn^o.  zwis*  licri 
beiden  ein  Fisch  im  Grase.  Liuks  die  Uuterschrilt:  mars,  rechts: 
latinus. 

Kön.  B.  Ha&g.    Rats.^chul-B,  Zwickau. 

4.  ZwoUis,  l*ctrus  Os  de  Breda,  l'A)!,  decimo  octavo  kul.  Maias. 
—  26  BU.  Die  beiden  ersten  Bogen  entsprechen  n^  8;  nur  ist  in  dem 
Exemplar  das  letzte  Blatt  des  zweiten  Bogens  nach  vom  umgeschlagen, 
sodass  es  scheinbar  das  erste  Blatt  des  Werkes  ist.  Bogen  3  =  8  BIL, 
Sign,  bi— biiij:  Bogen  4  =  4  Bll..  Si^qi.  nur  ci:  liojren  5  =  6  BU.,  Sign, 
di  und  diij.    Kustoden,  Seitenzuhleu  und  -Titel  fehlen.  Got.  Typen.  4*>. 

Hl.  1":  Ausser  f(d;renden  Abweichunj^en  «^enau  ;.rleirh  n".  3. 
Zeile  '2:  delarationibus,  Zeile  (»:  pplero:.  Zeile  10  und  !">:  q3. 
Zeile  14:  «*ti«m  Hl. 'i^?^  am  .Sfhlusse:  f'<ini|tHti  vuljraris  elih  iilatio 
feliciter  teiniinutur  Inipiefla  X'iuol  ,  Iis  \>  nie  Petruni  Os  de  ]5reda 
Auno  i!)  Cbrirtiano  MCCCCC  ü  |  decimo  octauo  kalendas  Maias.  | 

Sfc.-B.  Köln. 

Ylli.  De  uiagiiitu<lluibiis  terrae,  liinae  et  solis. 

1.  und  2.  ZusamnieiijLrf'dnukt  mit  den  Canones,  v«,r|.  VII  1  und  2. 
3.  Daventriae,  1515.   4^.   (Panzer,  Auuales  tjpogr.  VI.  4ti7.  Hü.) 


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JKHi     ililtt'ilimj,'t*n  d.  Ges.  f.  deutsche  Erzirliun^^s-  u.  Schuljfe^ch.  VUI. 


21. 

P.  Simon  Rettenbaeher,  ein  dsterreiehiselier 
Pädagoge  aus  der  Reformzeit  des  17.  Jabrlimiderf». 

Von  P.  Tassilo  Lehner,  rnitV.ssor  am  (iynina.siuin  in  Krcmsinruistff. 

Die  Hoffiiun}^  (h's  Staatfs  ist  soinc  l?Hlt(\  tlic  .Iniicuti.  Sfiiu' 
Zukunft  ist  dmp'niUss  zum  j^rosscn  Teile  in  dir  Hand  des  Schul- 
meisters irele;.'-!.  Rrttiiihacher,  der  deutsche  H<»raz.  weh  Ihm'  di<' 
.stielmUlterlieiie  Hehandluiif<  der  Miittt  r>in  a(  lif  liitter  ln  khii:te. 
welchem  das  Herz  hlutete.  wnni  i  i'  sah.  w'w  si  iiic  Laudslrutr  in 
irallisrher  Art  und  Sitte  aufpn«r<'ii  uud  ihren  Kind«'i  n  i'inr  l(  i(  ht- 
fertige.  si(*  iler  lirimisehen  Scholl«»  eiUlremdemle.  v(»ii  h'i  aiiki  rii  h 
importierte  Erziehuu};  anfr»'deihen  liessen.  krönt*'  srin  WCi  k.  iiidt  in 
er  danin  jjin;;.  eine  Renaissanc<'  Deutschlands  (hircli  »  im'  dem 
<nistc  seiner  Zeit  weil  vurauseihMide  or^'aüiM'lie  Mtthnde  der 
Erziehunir  vorzuhereiten.  Der  jrlühende  Patriot  und  dt  r  lielM*- 
vulie  Ju;{ejidl)ihhier  lalh'n  in  Retteidtai-h«'r  zusannnen.  sie  reichen 
sich  in  ihm  die  Hand  zum  ewif;en  Bunde.  Was  Rettenhacher  lür 
<lit  deutsche  Erziehun^s-  und  Schulireschichte  hedeutet.  wird  uns 
klar,  wenn  wir  ihn  /.uiiäebst  uI.n  prakt isciien  Schulmann  und 
siodann  als  |)ädajf o^Msch-didaktischeii  Schriltsteller  genau 
ius  Auge  fassen. 

1.  Rettenbacher  als  praktischer  Schuimauu. 

Aht  Placidus  Buechauer  ( 1(>4()— KHMi)  wird  mit  Recht  als 
der  zweite  (iründer  d(*s  Gymnasiums  zu  Kremsmünster  verehrt, 
da  er  die  durch  die  Schuld  seines  \'orfr;in<rers  Bonit'acius  .\»'ir<de 
im  Jahre  B5P2  einjre'j-anL-'eiK^  Anstalt  B)4(>  wieder  ins  Lehen  rief, 
«las  SrhidL'*'l»äu(h'  rc^tauritrtf  nnd  ilir  eiuf  tnn^terhafte  zeit- 
«reniH^sc  lOinriehtniiL'  -ali.  Als  der  mit  Si  liiitzi  n  dri-  Wissenschaft 
reich  lichidi'iM'  l\i'nrii!)a<  lior  hald  nach  x-inci-  Iviirkk-'hr  aus  der 
^•wigcn  Stadt  im  Juhrc  1ÜU7  das  AuU  eines  Uyuinasialpriitektcii 


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21.  P.  Simou  Ketteiibacüer,  ein  Osterreicbi^ckcr  Pädagoge  etc.  307 


übernahm.  h>hrti'ii  vier  Goistlifhc  als  Professoren  Graininaiik, 
Syntax.  Poesie  und  Rhetorik;  nur  in  der  untersten  Abteiiun^^, 
di'i  I'iincipie  und  den  Rudinienteu,  unterrichtete  ein  weltlicher 
Maj<ister.  Dieser  war  ein  schwaches  Echo  aus  jenen  verganjüfonen 
Tagen,  in  denen  die  Aebte  das  Lehramt  an  den  Gymnasien  durch- 
aus nicht  etwa  den  Geistlichen  der  Klöster  selbst^  sondern  nach 
der  damals  herrschenden  Sitte  einem  weltlichen  ^lagister  und 
seinen  Helfern  übertrugen,  und  jeuer  unter  verschiedenen  Titeln, 
als  da  sind:  ^Lateinischer  Schulmaister,  Hofschulmaister,  Schucl- 
meister  in  der  vordem  Schuel,  Schulhalter  im  Kloster,  lateinischer 
Schuelhalter,  Schuel-Bector  oder  Magister"  schlechtweg,  die  Ober- 
leitung der  Anstalt  führte. 

Der  neue  Präfekt  waltete  seines  Aintt  s  mit  Geschick  und 
con  amore.  Da  er  den  gesunden  Körper  als  conditio  sine  qua 
non  der  gesunden  Seele  betrachtete,  leistete  er  allem,  was  sich 
vom  hygienischen  Standpunkte  empfahl,  klüftigen  Vorschub.  So 
sorgte  er  ittr  die  Reinhaltung  der  Lehrzimmer  und  trat  IQr  das 
Baden,  Turnen,  überhaupt  fUr  jede  Art  körperlicher  Uebung  aufs 
entschiedenste  ein.  Die  Aufhebung  des  bisher  den  Studenten  aus- 
bezahlten „Badkreuzers^  spricht  keineswegs  dagegen.  Diese 
Maassregel  hatte  lediglich  darin  ihren  Grund,  dass  ihnen  fortan 
vom  Kloster  selber  die  Bäder  bereitet  wurden. 

Als  wöchentlichen  Feiialtag  behielt  er  den  Donnerstag  hei. 
Originell  ist  es,  dass  der  wöchentliche  Kecreationstag.  wenn  irgend 
ein  Pest  fiel,  auf  einen  andern  Tag  verlegt  wurde.  Auch  gab  es 
damals  schon  sogenannte  Httzferieu,  da  in  den  Hundstagen  durch 
zwei  Wochen  Ferien  waren.  Erlernung  des  Gesanges  war  fllr 
die  Tauglichen  obligat. 

Die  SeliüU'r  waren  ijisgrsanit  vuu  jinler  Art  Schulgeld  oder 
soiistiL'«'!!  Zahlung  frei,  es  bozoir  viehnehr  ein  grosser  Teil  seinen 
L  utt  rhalt  vom  Stifti-.  und  nit  lirmals  im  Jahre  wurden  allen 
Gymnasiasten  Ciabea  und  (beschenke  zu  teil.  So  erhielten  sie 
am  Lichtmesstage  Wachskerzi  ii.  wie  die  Dienerschaft  des  Hauses, 
am  Ostertage  jeder  ein  Paai-  Kier,  am  ..Stitu  rtage"  das  gewöhn- 
liche „(ispendf  in  Fleisch  und  Brot  bestehend,  und  alljährlich 
wurde  ihnen  vom  Präfekte  ein  sogenannter  Glückshafen  -v))eii. 

im  Ubiigeii  iliauL'  er  vor  allem  auf  OrdnunL''  Imm'  LcIm  .  in 
und  Schülern  und  suchte  dci-  Jugend  durch  Woit  uml  Jii  is|»iel 
gute  Sitten  beizubriniren :  drnn  ein  rechtes  Wort  zur  reehtm 
Zeit  übe  einen  nachhaltigeren  Eiiilluss  als  eine  lange  3iloralpredigt, 


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«JOS     Millt  iluii^reii  U.  (ios.  f.  dt'uliicht'  Erzit'huu;^'s-  u.  Srluil^-iMh.  VlU. 


amhnrsf'its  wirko  das  lebendige  Beispiel  Wfit  stäik«'r  als  das 
tote,  scliattcnliatte  Wurt; 

„(trau,  tfMncr  Frpnnfl.  ist  alle  TlH'oric, 
(Jrüii  ist  des  L«*1h>us  jj^oldeuer  Haiini." 

Boim  Strafen  verfuhr  er  mit  M;issi^ning,  da  allzu  scharf  schartig 
mache  und  statt  der  ^^nvUusciiten  Besserunjr  «'ine  Vj'rhittrruii<r, 
wenn  nicht  jrar  eine  Abstumpfung  zur  Foljre  habe.  Kein  Wunder 
dalier.  dass  die  Schüler  ihn  ehrten  und  schätzten,  und  die  Schul- 
disziplin unter  ihnen  eine  vorzüfrliche  war.  Am  Ende  eines  jeden 
Schuljahres  wurden,  um  den  Eif<"r  der  Studii'rendt'u  zu  fördern, 
ihm  neue  Xahrunjr  zuzuführen,  «rewählte  und  geschmackvoll  «ge- 
bundene liücher  unter  die  Aus^'f  zeichnctsten  als  Priiniicn  ver- 
teilt, wie  (lies  nocli  heute  im  sogenannten  Kaisersuale  alljährlich 
geschieht. 

Mit  d<'r  Preisverteilung  ward  iiiu  Ii  dem  Vorbilde  der  .Jesuiten 
lUe  Aufführung  eines  Dramas  verlmnden.  Diesem  Zwecke  diente 
das  vom  Al>te  Placidus  neu  her^'estellte  und  mit  allen  Erforder- 
nissen reichlich  au.^p'stattete  Tlieater,  Das  Theater  war  damals 
ein  intep'iereiider  B<'standteil  einer  Studienanstalt.  Präfekt 
P<'ttenliacher  war  auch  Leiter  desselben  oder  P.  (Vmu'cus.  wie  er 
dauKils  hiess.  Als  sfilclier  verfasste  er  jährlich  für  (h"e  ..Action" 
ein  lateinisches  Diama  und  ül)te  es  mit  den  Srliiiltm.  welche 
allein  nih'  K'nllen  übernahmen,  sorjrsam  ein.  Leider  sind  uns 
diese  Stücke  nicht  mehr  erhalten:  nur  zwei,  welche  er  spätei-  als 
Hil)Iiothekar  in  den  Jahren  1079  und  1(58«»  «rhMchfalls  für  die 
feierliche  Preisverteünny  dieiitete  und  mit  den  Schülei  ii  einstudieite, 
lie^^en  uns  noch  im  lateinist  Inn  imd  deutschen  Pros[)ekt  mit  aus- 
führlicher Inhaltsanirabe  vor.  Das  eine  führt  den  Titid  „Innoi  t utia 
ambiiionis  triiuuphatrix'*.  das  andere  ..Francia  «ralliee  delusa 
oder  die  ntit  (i<'irenlist  hinteriran^^Mie  französische  St  hehuei  i  y". 
Seine  inni^^e  Liebe  zu  (h  in  deutschen  Volke  und  sein  Hass  ^c^t  n 
den  französischen  Erbfeind  spicL'-elt  sii  Ii  am  Ii  hier  in  dem  Motto, 
das  er  der  Inhaltsanirabe  vorauscliirkte.    Es  lautet: 

AVer  '-if'lv  i'  wilJ  horsclM-ii  uiul  nlmc  (ilalir  b  ben, 
Di'i  iinis<  sieh  nit  allzuvil  oHVulialir  f^elien. 
Mit  letllirhcii  Toiitscheu  kaust  aullrichtig  waiuUeii, 
Mit  falschrn  Franzosen  mnsst  ausslÄndiseh  handien. 

Ausserdem  wurden,  wie  aus  den  Kammerei-Rechnuiiiren 
ersi<htlich  ist.  auch  in  (b  i  Kirclie.  besonders  zu  Weihnaclilen 
und  Ostern,  von  den  Studenten  dramatische  Spich;  aufgeführt. 


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21.  1'.  Siiuou  KelU'iibucher,  ein  östtTreichi-scher  l'üdagoge  etc.  300 


So  wt'i'dcii  «Spiele  der  Unschuld  inen  Kinder*'.  „Spiele  der  heiii^'H 
drei  Könige"  und  „Spiele  d(»s  ault  i  staiidt  iicii  Hi  ilands"  erwähnt. 

Hetteiibaeher  war  nirdit  lAoas  rriilekt  des  (Tryiniiasiuiiis  und 
Leiter  des  Theaters ,  sondern  trufj  auch  an  der  tln'(jlugi.sclieii 
Hauslehranstalt  die  bihliscbeu  Idiome  vor.  Abt  Tlacidus,  dieses 
Ideal  eines  Prälaten,  war  auch  ein  grosser  QQnner  dieser  theo- 
logischen Lehranstalt.  Er  trug  zum  Aufschwünge  derselben  sehr 
viel  dadurch  bei,  dass  er  in  seinem  Kloster  früher,  als  es  auf 
manchen  Universitäten  schab,  eine  Lehrkanzel  der  orientalischen 
Sprachen  errichtete.  Da  das  Studium  derselben  sich  damals  erst 
zu  regen  begann,  so  dass  sich  auf  den  deutschen  Hochschulen 
schwer  eine  Gelegenheit  zu  ihrer  Erlernung  bot,  erteilte  er 
Rettenbacber  den  ihm  äusserst  willkommenen  Auftrag,  sich  behufs 
ihrer  Aneignung  nach  Rom  zu  begeben.  Hier  nahm  ihn  der  ge- 
feierte  Leo  Allatius,  Kustos  der  vatikanischen  Bibliothek,  sehr 
liebenswürdig  auf,  erwirkte  ihm  die  freieste,  uneingeschränkteste 
Benutzung  der  in  ihr  geborgenen  Geistesschätze  und  empfahl  ihn 
auch  den  besten  Meistern  der  biblischen  Sprachen.  So  wmle  er 
privatim  von  Francesco  Grisendi  im  Hebräischen  und  von 
A n  to  n  i  o  N ai  r o n  e  B  a n  n e s i o  im  Arabischen  unterrichtet.  Ausser- 
dem verkehrte  er  ,,ob  maiorem  perfectionem  et  usum**  mit  den 
lierühroten  Orientalisten  Andrea  undNicoIo  Nairone  Banne sio 
und  Giovanni  Battista  Jona.  Auf  diesem  Wejre  erreichte  er 
sein  Ziel  mit  «rewohnter  Meisterschaft.  Was  er  in  Koni  dniTli 
(lin'kt<'n  Verkehr  mit  den  hei  vorra;ren»lsten  Orientali.sten  und  den 
liedeutemLsten  Geistern  ltali«'ns  in  sich  auffrenonunen  hatte,  ver- 
wertete er  daheim  als  Prof»  ssdr  der  Hil)elsi»rachen.  Als  solcher 
.schrieb  er  eine  hebriiischf  Granunatik.  welche  er  seinen  Vor- 
Icsunjren  zu  Grunde  le;:te.  Die  Codices  No.  SIO  (80  104  Blätter) 
und  No.  <sil  (HO,  (K)  Blätter)  enthalten  diese  S(luift,  welche  be- 
titelt ist:  ..Breves  institutiones  lin«ruae  hebraicar.- 

Freilich  darf  man  an  dieselbe  keinen  niodcnien  Mnssstnb 
anlejren.  sondern  ttiuss  bedenken,  dass  das  Studium  der  moivi-n- 
ländiscben  S]uaclien.  wie  sch(ui  brmnki  wurde,  damals,  zumal 
in  Deutschland,  sich  ei-st  im  Stadium  dei*  Kindheit  lietand.  \'on 
diesem  (Jesichtspunkte  aus  bedi  utct  die  Abhandlung  inumrhiii 
<'inen  wes(iitlichen  Fortschritt.  Ivcitenbacher  ist  sidi  nbii;^('iis 
selbst  dfvM'ii  l)c\viis>t.  da>s  seiiu'  Arix'it  nur  einen  sehr  rclaliven 
V\  cj  t  hat,  <lt  iin  •  r  appelliert  am  Schlüsse  derselben  an  <lie  Nach- 
sicht der  Lcst  i :  „Si  forte  in  nonnullis  locis  hijisus  siuu.  vcniam 
spcru  a  candidis  et  benevoiis  aniniis.    Studium  cnim  huius  linguae, 

MUteiluogeD  d.  Oes.  f.  deut«cb«  Enioliung:»-  u.  Sctiulgmoh.  ViU  4  188^  21 


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310     Alitteiluiigeu  d.  (ies.  t.  deuische  Erzieiiuu^i;-  ti.  iSchul^jesch.  VIII. 


praesortim  apiul  nos  ;i(lliuc  in  ascensii  est.  iioiHhiin  ad  summiini 
vonit.**  Au  divsv  licini  i  kunK  wollen  wir  L'inv  Acuss(Tnn<r  n'iht'n. 
woirbc  er  Ubor  diis  Los  der  Profrssoi  pn  der  niorirrnliimiisi  lit  n 
Sj^racheii  in  Rom  niiuiit.  Er  findet  es  kfiiif  sw('>rs  iM'iifidciiswt  rt, 
..denn  sie  haben  so  wenige  SchüU'r.  dass  ieh  zumeist  allein  mit 
ihnen  verkehrt  habe.  Das  ist  nämlich  das  Schicksal  dieser 
Spraclicii:  \V(']ii<ze  schätzen  sie.  nientand  pllegt  sie.*' 

Wir  heffreilen  es  vdllknmmen.  dass  man  dm  ti-ffTlitlicii  Ki-- 
zieher  und  Lehrer  sein-  nii^iri'n  von  Krcnisnn'lnstri-  schridcn  sah. 
als  er  im  Jahre  1071  dem  ehrenvollen  Rute  als  Professor  an  die 
ilanmls  hoch^^'feierto  Salzburger  Uuivcrsitilt  lullte,  um  Geschichte 
und  Ethik  vorzutra^j^en. 

In  einem  an  den  damaligen  Rektor  der  Universität. 
P,  Alphons  Stadlma3T,  gerichtet*  n  Schmben  stellte  er  ein  Pro- 
gramn»  für  seine  künftigen  Ges(  ]ii(  htsvorlesungen  auf  und  kündigte 
neben  dem  Kollegium  über  Welt::esehichte  auch  eines  über  deutsche 
( Jesrliirhte  an.  ,,da  es  jedem  zieme,  sein  Vaterland  zu  kennen". 
Zudem  drückte  er  seine  Freude  darüijer  aus.  dass  das  Professoren- 
Kolleirinni  die  Ktliik  unter  die  Lehrgegenslände  nnfL^enniunien 
liabe  und  dass  ei'  ausersehen  worden  sei.  diesen  vornehmsten 
Teil  der  Philosophie  zu  lehren.  Ü»  im  es  sei  geradezu  unerträg- 
lich, dass  die  Ethik  liislicr  von  so  vii  len  irci  inLiiicschätzt.  ja  ver- 
nachlässigt worden  sei.  L'nd  dodi,  was  sei  nülzlicher,  was  an- 
genehmer als  diese  Wissenschaft,  auf  welche  g<'rade  die  Alten, 
wie  .\ristoles,  Seneca,  Plutarch  so  viel  Zeit  und  Mühe  verwendet 
liai»en! 

Am  Novendier  1(571  wurde  Kettenbacher  nach  Ablegung 
des  Amtseides  in  das  Picdessoren- Kollegium  aufL^enonnnon  und 
am  7.  November  hielt  er  seine  AntrittsvorlesuTiL'.  Iiei  weleher  der 
Saal  die  Mrnne  der  Ztdiörer  niehi  tapsen  konnte.  Eiu  solcher 
Ruf  wai'  dem  gelehi  ten  .Manne  vorausgegaugen. 

Mit  seinen  (i«'schichtsvorlesungen  erzielte  er  einen  durch- 
schlagenden Erfolg.  Nicht  bloss  Studenten  in  Menge,  sondern 
auch  Herren  vom  Hofe  und  Professoren  zählte  er  zu  seinen 
Hörern.  Diesen  Erfolg  verdankte  er  hauptsächlich  dem  Umstände, 
dass  er  in  der  Oeschichte  ganz  neue  Bahnen  einschlug.  Bisher 
pflegte  nmn  nändich  in  \Vort  und  Sclwift  die  historischen  That- 
sachen  nicht  einfach  und  ungeschminkt  zu  erzählen,  sondern  aus 
franz"fsi^eher  Nacliahnmtigssucht  not  allerhand  DielitniiL'^en  und 
sprühe udeu  Witzen  aufzuputzen,  als  ob  die  nackte  \\  ahrheit  nicht 


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21.  P.  Simon  Rettenbiuüher,  ein  Oslerreicbiacher  Pftdagoge  etc.  Sil 


schöner  wäre  und  eines  äussern  Schmuckes  bedürfte.  So  machte 
man  nicht  Geschichte,  sondern  Qeschichtchen. 

Rettenbacher  war  es  nun,  der  mit  dieser  französischen  Manier, 
Geschichte  zu  lehren,  vollständig  brach  und  dem  Historiicer  die 
Aufgabe  stellte,  die  geschichtlichen  Gegenstände  objelitiv, 
nttchtern  und  treu  darzustellen.  Es  darf  uns  also  nicht  be- 
fremden, dass  Rettenbacher  mit  seinen  Vortillgen  Aufsehen  erregte 
und  einen  grossen  Kreis  von  Zuhörern,  die  seinen  Worten  begierig 
lauschte,  stets  um  sich  versammelte. 

In  Rettenbachers  Adern  wallte  Dichterblut,  und  so  ist  es 
kein  Wunder,  dass  der  der  klassischen  Sprachen  so  gut  wie  der 
niorgenländischen  mächtige  Ordensmann  das  Amt  eines  „P. 
Comicus"*  mit  Freuden  annahm  und  von  1672 — 1674  jedes  Jahr 
ein  lateinisches  Drama  für  die  üblicho  Fostaufftthrung  dichtete: 
Diese  Dranioii  bchaiidi'lten  ih'u  Tod  dos  Demetrius.  Solmcs  des 
macedonisohrn  Kr.iiiLzs  rhiliii|!  III.  (221-  170  v.  Chr.),  der  durch 
die  Tfickt'  seines  Halbbruders  Perseus  den  üntergan;;  fand.  d«'n 
Tod  des  Atys,  Sohnes  dos  Königs  iCrösus  von  Lydien  (571  -nIO 
V.  Chr.).  der  von  Adrastus  unversehens  ^retödtet  wurde,  und  das 
Ende  des  lotzton  niacedonischcn  Königs  Perseus.  der  von  Lueius 
Aeniilius  Paulus  b('si<'<rt  und  im  Triumphe  aufj^eführt  wurde 
(1()8  v.  ('In*.).  Leiter  diese  Dramen  schreibt  ein  Faciunann: 
..Rettenbacher  war  auch  ein  Dichter  xcm  *ii\nz  nnsserordentliciier 
Beirabunir.  wovon  schon  ^eine  Schuldraiin  n  Z«  ui;iiis  «reben,  die 
durch  StoHwahl.  l(l<MMi^elu\lt  und  sprachlichen  Ausdruck  die 
Tau^ciule  iUiTiIicher  >< nii^cher  Sj>iele.  wie  si«'  dauials  an  allen 
{ lyniiiiisirii  und  L  iiiversit iitoi  gedichtet  oder  lirssrr  ::'t'sat^t.  aus 
kla<>i-<(  Ih  h  ['.  niiiiiscenzen  und  le*rendarisclieii  l fberlieieruiigen 
zusanuii<  ii;:rl)raut  wurden,  hinunelhoch  nbetiaL'trn." 

Damit  hat  aber  Pi'ofess(U'  l\ettt  iibaclici  st  iiic  Ifolle  n(»ch 
nicht  aus<resj)ielt.  Tm  Jahre  1(>72  irraduierte  er  als  Ma^nster  der 
.  freien  KUnste  und  der  Philusuphi«'  und  von  1()72  1<>74  veisah  (  r 
aui  Ii  (las  Amt  eines  Pr-äses  der  «rn'isseren  akadenusclun  lv«in- 
Liiciiatiou .  (Irr  (He  l'iiivcisitätsstutleiilcn  anirehörten.  Die  zwei 
Aus])i achen.  die  er  an  die  ..sodales  Parthciiii".  wie  die  Mit- 
^^lieder  dieser  marianischeu  Konjrre<ration  hiessen.  nach  seiner 
Wahl  zum  Vorstande  und  bei  seinem  Rücktritte  fxehalten  hat. 
sind  haridschriftlich  vorhanden.  Sie  sind  in  scln'inem,  llie.ssendeni 
Latein  geschrieben  und  ^npfeln  in  dem  Wunsche,  dass  der  Geist 
der  Eintracht,  der  Geist  der  Liebe  wie  ein  guter  Genius  Uber 
dem  Verein  stets  schweben  möge. 

2r 


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•312     Mitleilun4,'eu  d.  ties.  1.  tleutsfhe  Emehuugs-  u,  ScUulgesch.  VIII. 


Krttt'iiljaclirrs  Wirksamkeit  hlieb  aber  nirlit  hlos^  auf  dio 
L'niveisität  allein  lifschninkt.  Wie  lioutziitaL-^c  -cwii  lMc  Paeli- 
niännor  zur  ausstiiaikiitlichen  Dienstleistung  in  die  obersten 
(Vntralstolb'n  berufen  werdeji.  so  stand  auch  Pn»fessor  RettiMi- 
bacher.  der  1078  voiii  Für  st  -  Hrzbiscliofe  Max  (landoiph  Ui  ab'u 
V.  Kiiciiburjr  zum  HiM  litUrstlich-Salzbur^iriscIien  Kate"  er- 
nannt worden  war.  Ix  i  der  fdrstlichen  Reirieruny:  in  zeitweil ii'^er 
Diensiesverweiiduii^.  Dem  p'dietrenen  Kciiiier  beider  KfM  iiie, 
des  kiirliliiltfii  wie  des  weltliclu-n.  dem  erfalirciicii  I^iidai^oiren 
wnidt  ii  von  der  Itlrstliehen  Ke^it  i  un^^  ab  und  zu  kir(  hm-  uikI 
staat.sneütiiLhc  rra^^en,  sowie  Fra^ren.  welche  die  Univeisiliit 
betrafen,  zur  Ik'*rutachtunj;  und  Ausarlwitun^  ül>er^eben. 

Rettenbacher  genoss  während  seiner  Lehrthfitigkeit  in  Salz- 
burg das  Vertrauen  und  <tie  Qunst  des  Fürsten  im  reichsten 
Masse.  Er  nennt  ihn  seinen  ^Maecenas"  und  feiert  ihn  aus 
Dankbarkeit  in  zwei  herrlichen  Gedichten. 

In  grossem  Ansehen  stand  er  auch  bei  seinen  AmtRkoUegen. 
Dies  beweist  die  Thatsache«  dass  ihm  zweimal  die  Auszeichnung: 
zu  teil  wrde,  dem  Fürsten  Max  Gandolph  Grafen  von  Kuenbui*g 
für  das  den  Öffentlichen  Streitübungen  jederzeit  bewiesene  Inter- 
esse namens  der  Unirersitllt  zu  danken.  Aus  diesem  Anlasse 
hielt  er  am  am  21.  Kot.  1673  und  9.  Juli  1671  an  Se.  hoehfürst- 
liehe  Gnaden  schwungvolle  Ansprachen.  Diese  gelehrten  Turniere 
wurden  an  der  Salzburger  Universität  sehr  häufig  rorgenonimen. 
Rettenbacher  war  ein  warmer  Freund  und -Förderer  derselben. 
Er  sah  in  ihnen  das  wirksamste  Mittel,  die  thätige  Arbeitslust 
der  Studierenden  anzuregen  und  ihre  Geisteskräfte  zu  entwickeln. 

Aber  auch  die  Studenten  verehrten  Rettenbacher  nicht  bloss 
als  ihren  ausgezeichneten  Lehrer,  sondern  auch  als  ihren  väter- 
lichen Freund,  denn  er  stand  jederzeit,  wenn  es  jralt.  die  Rechte 
und  Freiheiten  der  Salzbuijrer  Hochschule  zu  veileidiL'en.  in  der 
ersten  Reihe.  So  in  dem  fol^'< ndcn  speziellen  Falle,  der  in  Salz- 
burg grossni  Staub  aufjrcwirbelt  hatte. 

In  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  März  1675  gingen  niehroie 
Studenti'ii  ruhig  nach  Hause.  Auf  dem  Wege  aber  wurden  sie 
von  Soldaten  ^^  reizt.  beschimpft,  ja  so^^ar  geschlagen.  Dies 
Hessen  sie  sich  nicht  irelallen  und  erschienen  am  andern  Tage 
im  Ha'i-  '  des  Stadthauptniannes  He^ri.  um  sich  im  Bewusstsein 
des  erlitli  neu  Unreclit<'s  weiren  des  Uebermutes  der  Soldaten  zu 
beschweren.  Doch  He^ri  liess  sie  nicht  vor  und  so  führten  sie 
Klage  beim  Ecktor.   Dieser  erzählte  den  Sachverhalt  dem  Fürsten^ 


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21.  P.  Simon  Rfttenbacher,  ein  österreichischer  Pädagoge  ttc.  313 


wi'lolicr  (iio  Ansicht  dos  Profcsson  nkollf^duius  zu  hUrcn  wlliischto. 
Einiiiiitiir  or^rriftVii  dir  Piutc.ssuit.'n  dio  Partei  der  StudciiliMi  uiul 
be  schlossen,  die  i^i  ivih  fiien  der  Hochschule  enerjjrisch  zu  wahren. 
Namentlich  Rettenbacher  nahm  sich  wann  der  Studenten  an  und 
doniu  l  it  liegen  die  fürstliche  Soldateska  heftig  los.  Als  die  aka- 
demisclKMi  Bürger  vom  Beschlüsse  ihrer  Lehrer  verständigt  worden 
waren,  verHessen  sie  freudig  erregt  einzeln,  nicht  in  dichten 
Heihen.  die  Universität,  um  nach  Hanse  zu  gehen.  Doch  plötz* 
lieh  wurden  sie  von  Soldaten,  die  im  Auftrage  des  Stadthaupt^ 
mannes  Hegi  in  der  Nähe  der  Universität  und  an  verschiedenen 
Stellen  der  Stadt  Posto  gefasst  hatten,  angegnifen,  geschlagen 
und  verwundet  Gegen  diese  masslosen  UebergrifTo  Hegis  und 
der  Soldaten  legte  der  Bektor  abermals  Protest  beim  Fürsten 
ein,  der  dann  in  einer  Kundmachung  jede  an  Studenten  begangene 
Verbal-  und  Realinjurie  bei  Todesstrafe  verbot.  Hegi  wurde 
seines  Amtes  entsetzt. 

Mit  den  Einwohnern  der  Stadt  lebte  Rettenbacber  gleich- 
falls im  besten  Einvernehmen.  Es  erhellt  dies  aus  „des  Dichters 
Ab.«iehied  von  Salzbui^'',  in  welchem  Gedichte  er  die  altehrwUrdige 
Bischofsstadt  wegen  ihrer  herrlichen  Lage,  wegen  des  Bieder- 
sinns ihrer  Bürger  und  wegen  ihrer  Pflege  der  Musen  preist 
Der  ruhmgekrOnte  Lehrer  verlless  nämlich  im  Jahre  l(i75,  der 
Not  gehorchend,  nicht  dem  eigenen  Triebe,  die  ihm  Oberaus  lieh 
gewordene  Stätte  .seiner  Triumphe.  Eifersucht.  Missirunst  und 
der  blasse  Neid,  welche  sich  leider  nur  zu  oft  an  die  Fersen  be- 
deutender Persönlichkeiten  heften,  hatten  sich  gegen  ihn  ver- 
schworen und  seine  Zurtickbcnifung  nach  Kremsmünster  bewerk- 
stelligt Der  hochstrelxMide  Mann  musste  Strebern  dns  Feld 
rrMinicti:  er  konnte  nicht  ernten,  was  er  gesäet,  angesichts  der 
schmalilichen  und  bescliiimenden  Tbatsache,  dass  die  Kaj^itularen 
v(»n  vierzig  Jvb'istern  oft  auf  unbescheidene  Weise  nach  den  Lehr- 
kanzeln der  hrrllhmten  Salzburger  Univprsität  ihre  Fühlhörner 
ausstn'ckten.  Dalier  fand  längere  Zeit  hindurcli.  wie  Filz  be- 
merkt, ein  <f>  unwürdiges  Drängen  und  Verdi-ängen  statt,  dass 
ein  namhaftci  l*n>tcssor  froli  sein  ninsst»',  weim  er  zwei  bis  vier 
«Jahre  an  seiucr  Steile  bclasseu  wurde. 

2.  Rettenbaeher  als  pädagogischer  Sehrlftsteller. 

•Man  ])fleL't  das  siciizi  lmte  Jahrhundert  die  Zeit  d<'r  ])äda- 
gogischen  Iveformen  zu  nennen.  Ks  traten  in  ihm  Männer  auf. 
welche  gegen  die  bisherige  Erziehungs-  und  Unterrichtsmethode 


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314    Mitteilungen  d«  Oes.  f.  deutsche  Erziehuugü-  u.  Schlügesch.  Vlll. 


mit  dein  ^aiizt  n  Aulgoboto  ihres  Kciiiifiis  und  Köihk.'iis  aii- 
känipltcii.  Natüiiicherwoise  konnte  der  iiüi  die  Schule  vitl- 
verdiento  Rettenbacher  nicht  müssig  bleihen.  wenn  auf  der  geistigen 
Arena  ttber  die  Verbesserung  des  Schicksals  der  Jugend,  die  er 
HO  fest  ins  Herz  geschlossen  hatte,  gestritten,  ttber  ihr  Heil  be- 
raten wurde.  Auch  er  fand  die  allgemeine  Klage  Uber  Erziehung 
und  Unterricht  nur  zu  begründet  und  eiferte  in  Wort  und  Schrift 
gegen  die  bisherige  Bildungsweise.  Mit  objektiver  Bereitwillig- 
keit nahm  er  die  geistigen  Bewegungen  seiner  Zeit,  von  welcher 
Seite  immer  sie  auch  kommen  mochten,  —  sei  es  von  dem  bahn* 
brechenden  Empiriker  Baco  von  Verulam,  sei  es  von  Wolfgang 
Batich,  dem  Stifter  der  Didaktik,  oder  von  Arnos  Comenius,  dem 
letzten  Bischöfe  der  böhmischen  und  m&hrischen  Brttder  — ,  auf 
und  stellte  selbst  seinen  Mann  in  der  Reihe  der  zeitgenössischen 
Reformatoren. 

1.  Seine  Erziehungsgrundsätze  sind  besonders  in  seinem 
„Philotimus"  niedei^gelegt  Diese  Schrift  ist  im  Codex  No.  437 
enthalten,  zahlt  42  Blätter  Kleinfolio  und  trägt  die  Aufschrift: 
„Praestantis  ac  honesti  viri,  sub  nomine  Philotimi,  vita  a  prima 
iuventute  ad  senectutem  usque  adumbrata."  Wir  dürften  nicht 
fehl  gehen,  wenn  wir  unter  Philotimus  Rettenbachers  intimsten 
Freund  Ladislaus  Schrenckh  verstehen.  An  Philotimus  indivi- 
dualisiert Bettenbach)  r  sriiu  pädagogischen  Gedanken.  Die  Idee, 
welche  nach  ihm  durch  (Ue  Erziehung  realisiert  werden  soll,  ist  in 
dem  Satze  ausgedrückt:  ^ubi  varii  mores  descrilmntur,  arguuntur 
vitia,  laudantur  virtutes  et  xmx  via  ad  iniinortalitateni  et  per- 
enneni  gloriam  apeiitur."  Sein  Erziehungsiirinzip  ist  also  ein 
n  ligiöses.  aber  nicht  im  Sinne  pictistischer  Einseitigkeit  und 
Ausschliesslichkeit. 

Betrachten  wir  vorerst  seine  pädagogischen  Grundsätze,  so 
weit  sie  sich  auf  das  Kindes-  und  Knab(»nalter  beziehen. 

Die  Erziehini::  ist  zunächst  Snrlip  der  Familie.  Von  der 
häuslichen  Erzithun;:  liänirt  fast  das  ganze  liehen  ab.  Und  in 
der  That  kann  die  beste  Schnlo  nichts  wirken,  wfnn  in  (Inn 
Familienleben  «'in  schU'chtor  (irist  waltet,  weil  dir  Erziclnini:  in 
der  Familie  viel  früher  lieiiinnt  als  in  der  Srhule.  nnd  all*'  guten 
und  schlimtnen  Keime  sclion  geweekl.  ja  schon  zu  einiger  Ent- 
faltung gelangt  sind,  ehe  das  Kind  di<'  Srbnle  Im  -acht.  Dies(5 
Zeit  ist  daher  die  wichtigste,  und  das  gm^sif  iilin  k  des  Menschen 
ln  >teiit  daiin.  dass  er  in  einer  guten  Fainili«-  geb^n  a  und  er- 
zogen  wird.    Die  iüiuslichü  Erziehung  kann  entschieden  durch 


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21.  P.  Simon  Rettenbacher«  ein  'OsterreichiHcber  PRdagoge  et».  315 


nichts  ersetzt  werden,  und  wenn  auch  durch  Anstalten  und 
Schulen  tQcbtigc,  brauchbare  Mcm sehen  für  die  Zwecke  des  Ijebea» 
<'rzogen  werden,  so  konuiit  hierl)ei  doch  immer  ihi  e  Individualität, 
ihre  eigene  Persönlichkeit  nicht  zu  ihrem  v(>ll(  n  Rechto.  So 
wurden  beispielsweise  bei  den  Spartanern  die  Kinder  den  Eltern 
genommen,  als  Staatsgut  betrachtet  und  öffentlich,  d.  h.  ausser^ 
halb  der  Familie  erzogen.  Eben  darum  wurden  sie  aber  auch 
nur  tüchtige  Werkzeuge  des  Staates  und  hatten  nur  als  solche 
eine  Bedeutung-. 

Die  Eltern  sind  nach  Rettenbacher  vei-pilichtet,  ihre  Kiiitler 
nicht  bloss  zu  ernlilirrn  und  zu  \)\\ri:ou.  sondorn  auch  irut  zu 
erziehen.  Eltern,  welche  ihi-e  Kinder  durch  andere  erziehen 
lass<'[!.  \  ergleicht  er  mit  \'ügelu,  welche  ihre  Eier  nicht  selber 
ausbrüten. 

Die  Kinder  sind  nielit  ^^leieli  zu  behandeln.  In  dieser  Hin- 
sicht wird  zu  ihrem  ."-^eliiuU'ii  viellach  ;;('lehlt.  Fi'eundlichkeit  ist 
mit  Strenge  zu  ver  binden,  und  die  individuelle  Bi-sehnfTenheit  des 
Kindes  zu  berücksichtigen,  wenn  anders  die  Erziehun;:  uelin^rcn  soll. 

Die  Eltern  sollen  ihre  Kinder  nicht  schrolt'  von  sich  weisen, 
.sondern  in  freundlicher  Liehr  an  sieh  ziehen,  sie  nicht  verzagt 
nnd  nuitlos,  sondern  getrost  und  beherzt  machen.  Viele  Eltern 
können  in  der  Erziihung  nicht  die  rechte  Mitte  halten,  .sondern 
lielMii  die  Kxtreme:  denn  nianche  verhätsclieln  die  Kinder,  ge- 
steiii'u  ihnen  alles  zu,  geben  ihnen  gegen  l'latons  Verbot  sogai' 
Wein  zu  trinken  und  giessen  .so  Feuer  zu  Feuer,  wähn  nd  andere 
allzu  hart  und  strenge  gegen  sie  sind  und  sit  mit  Schlägen  er- 
ziehen, als  wären  sie  vom  (leschlechte  eines  Antiphates  oder 
Poliphon.  Wie  diejenigen,  welche  nahe  den  Katarakten  des  Nils 
wohnen,  wegen  des  furchtbaren  GetOses  taub  werden,  so  bekommen 
Kinder,  welche  fortwährend  mit  der  Bute  und  dem  Stocke  be- 
handelt werden,  ein  schweres  Gehör,  werden  verschüchtert  und 
dumm.  Die  moderne  Pädagogik  legt  denn  auch  grosses  Ge- 
wicht darauf,  dass  in  der  Erziehung  der  Kinder  alles  vermieden 
werde,  was  ihren  Frohsinn  zu  unterdrücken  geeignet  ist  und  ein 
liebevolles  Gemttt  nicht  aufkommen  lässt.  Die  Liebe  wird  in  die 
Seele  der  Kleinen  durch  keine  Lehre  und  kein  Gesetz  gepflanzt, 
sondern  nur  durch  eine  Art  magnetischen  Zaubers,  welcher  da 
ausgeübt  wird,  wo  der  ruhige  Emst  des  Vaters  neben  dem  Genius 
der  mütterlichen  Sanftmut  Aber  dem  Kinde  wacht.  Diese  darf 
sich  jedoch  nicht  in  thCricliter  Nachsicht  und  Verzärtelung  äussern, 
sondern  muss  mit  einer  Strenge  gepaart  sein,  welche  nicht  aus 


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81ß    Mitteiliincreii  d.  Ges.  f.  «leiit^che  SreiebungH-  ti.  Schulisch.  VIII. 


Zorn  und  Laune,  sondern  aus  Sor^alt  für  das  Kind  entspring-. 
Eine  solche  ernste  Liebe  zieht  die  Kinder  in  ihren  Bannkreis, 
während  schi^'ächliche  Zärtlichkeit  sich  ihnen  gegenüber  als  madit- 
los  erweist,  jene  magnetische  Zauberkraft  vermissen  lässt.  Daher 
erklärt  es  sich,  dass  die  Kinder  oft  gerade  diejenigen,  welche 
aus  missverstandener  Liebe  gegen  sie  am  nachsichtigsten  warea, 
weniger  schätzen,  wenif^stens  in  vorgerücktem  Alter  ihnen  keine 
wahre  Klii  fiii'cht  bezeigen. 

Die  Kinder  sollen  an  Geiier-^ani,  Seh wcigsanikeit.  Be- 
scheidenheit, Sanftmut  und  Mild»-  ^ewölmt  werden.  Freilich 
ist  der  Gehorsam  in  der  Fann'lie  kein  solcliei-.  wie  ei-  (M'neni 
strengen,  äusserlielim  r;<  srtze  geleistet  wird,  er  ist  nicht  or- 
zwunjren  und  widerlieli.  sondern  erjriel)t  sich  von  selbst;  er  tliesst 
aus  Dankbarkeit  und  Liebe  ^v^m  die  Eltern,  er  ist  ein  unmittel- 
bares, natürliches  Ergrebnis  eines  frlUcklichen  Faniilienvcibältnisse-^. 
Durch  solchen  Gehorsam  wird  der  Wille  nicht  ifebrochrn.  un- 
selbständi«:  und  sklnviscb.  wir-  bei  blossem  (fes«'tzeszwan}re  und 
äusserer  (^e^va]t:  er  kann  sich  im  ( Ic-renteile  frei  und  selbständig 
bilden,  wf'il  aus  l)ankbarkei(  und  I.icbo  dm  (Iclinisaiu  will 
und  volles  \  ('rstäii(!iii>  für  seine  Eiitwieklui»^  lindel.  So  winl 
l'nterwerfnnir  unter  die  Autorität  ^relernt.  ohne  tlass  das  Wesen 
des  Will»  IIS.  die  Freiheit.  7A\  sebr  beeinti  ;i(  lilit^t  würde.  Die 
rnteroi dnuiiu  unter  die  Eltein  ist  in  Wirkliciikeit  da.  aber  di«' 
inniukeit  (lr<  X'niiältnisses  lässt  sie  nicht  als  Zwanir  erseheiu'Mi. 
und  in  alle  liezieliuii^en  d«'s  Faniiliiidebens  drin^rt  die  Wärme 
des  unmittelbaren  Vertrau<Mis  und  veredelt,  verklärt  sie.  —  Be- 
kannt ist.  (ioethe  habe  einst,  als  er  im  Staiiinilaicbe  sein<'s  kleinen 
Enkels  Wolf  die  von  Zelter-  binein^resciirit  heuen  Worte:  ..Lerne 
jrelioi  (  heil  I"^  {gelesen,  hu  heud  ansu-erufen :  „Das  ist  doch  das 
einzit:  vei  iiiiulti^e  Wort,  das  im  i:aiizen  Buche  steht.  Ja.  Zi  Itei" 
ist  inuner  j,aandios  und  tüchtitr.  Er  ist  ^a  nial  und  «rross  und 
trifft  inuner  den  Nagel  auf  den  Kopf,"  In  der  Tbat.  (Joetbe  hat 
Riecht;  wer  den  rechten  (  Jehorsani  hat,  hat  alles,  falls  die  führende 
Autorität  ihrer  Aufgabe  nügt. 

Auch  Lcrnhcgicrde  ist  den  Kindern  cinzuflössen.  Ein 
Kind,  welches  aus  Lerneifer  und  nicht  aus  Neugierde  oder  Vor- 
witz Fragen  stellt,  ist  nicht  unfreundlich  abzuweisen. 

Vor  allem  haben  die  Eltern,  Lehrer  und  Erzieher  den 
Kindern  mit  gutem  Beispiele  voranzugehen;  denn  gross  ist  die 
Macht  und  der  sittliche  Einfluss  des  Beispieles.  Die  Beispiele 
wirken  weit  stärker  als  die  Worte,  und  ausgezeichnete  Hand- 


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2L  P.  Simon  Retteobacher,  eva  ffsterreichischer  Pfidafrofpe  Ptc.  H17 


lungcn  werden  immer  li({ber  geschätzt  als  geglättete  und  vor- 
nehme  Reden.  —  Der  Weg  durch  Beispiele  ist  weit  kürzer  als 
der  durch  Lehren.  —  Den  Augen  trauen  wir  mehr  als  den  Ohren. 
—  Reden  und  Handlungen  mUssen  im  Einklänge  stehen,  wenn 
etwas  Nützliches  erzielt  werden  soll,  —  Wie  die  Blttten  der 
Bilumc  wenig  willkommen  sind,  wenn  keine  Früchte  nachfolgen, 
so  sind  die  Worte  eitel  und  verhasst,  wenn  ihnen  nicht  herrliche 
Thaten  nachfolgen.  Daher  raten  die  rorzfiglichsten  Philosophen 
des  Altertums,  uns  einen  mit  den  glänzendsten  Eigenschaften 
versehenen  Menschen  als  Ideal  vorzustellen,  damit  wir  niemals 
von  d(Mii  ])rä(-Utigen  Wogo  ablenken. 

l)io  KItorn  lialirn  drsliall)  gcwissi'iiliaft  darüber  zu  wachen, 
dass  ihre  Kindrr  nicht  durch  sclileclit  gesittete  Gespielen,  Seliul- 
kanieraden  und  Dienstleute  verdorben  wenb'ii.  l):ih<  r  sind  die 
Kind(>r  jener  £ltern  glUeklieli  zu  preisen,  welche  ihueu  mit  gutem 
Beispiele  voianleuehten  und  sorgsam  alles  f<«rne  halten,  was 
ihren  zart<  ii  He  izen  iigendwie  schaden  könnte.  Solche  Eltern 
sind  doppelter  Ehre  weil,  weil  die  Kinder  ihnen  nicht  bloss  das 
Leben  zn  verdanken  haben,  sondern  auch,  dass  sie  gut  lelx  n. 

l  nd  nun  gehen  wir  zu  den  Erziehungsgrundsatzen  lür  das 
.Jünglingsalter  Uber.  Die  menschliche  Natiw  war  (icgcitstand 
eines  lieftiiren  Streit(>s.  !)if>  einen  vertrntefi  dir  pessimisti>rhe 
Ansiclit.  dir  Mcnsclii  iinatui-  sei  urs]»i1niL:li<'li  so  ir;inz  iiimI  gar 
vfM'derlit.  dass  •j:;\r  nichts  t iut<'s  aus  ihr  hri  \ (hizi  Ih  u  konm'.  «*u- 
dern  nur  Srhiccliles.  Andere  Mieder  Im  hiuiptrii  ii.  dass  die 
Menscliennatur  von  (leburt  an  irnnz  uut  und  n  in  sei  uiid  ei""<t 
durch  den  rmgang  nut  den  Menschen  veiLfiltet  werde.  Ketirji- 
bncher  iM  knint  sich  we<ler  zu  der  einen,  muh  zu  der  anderen. 
Er  ninuni  vichiu  hr  lri^u7.  richtiii  dass  der  JUnyling  sich  in 
der  Laire  des  Her  akles  aal  (it  iii  S(  hi  idcwi'ge  helimirt.  Di«'  Jugend 
ist  mehr  zu  Felilern  als  zu  Tugeuih'U  geneigt,  wvmi  sie  nicht 
einen  eifalucn«'!!  Führer  gelun«len  hat.  weit  her  das  schliij)frige 
Alter  h'ukt  und  ihm  den  Wcl'  zu  unstt  rldifheni  Ruhme  zeigt. 

Die  .Jugeinl  soll  schhclitru  UmgaiiL'  niridcu.  weil  er  häutig 
di<'  herrlichsten  Tairnti  zugrunde  riclitct  und  sie  vom  Inichsten 
(iipfel  des  (Jlückes  in  den  tiefsten  Abgrund  des  Unglückes 
schleudert.  Do(  h  ist  nicht  jeder  verti  aute  Verkehr  der  jungen 
Leute  unter  einander  abzus(  hm  iden,  wenn  weise  Vorsicht  dabei 
nichts  Bedenkliches  zu  l'Urchten  hat. 

Die  jungen  Leute  sollen  die  35eit  wohl  benutzen,  damit  sie 
täglich  an  Tugend  und  Wissen  zunehmen.   Was  sie  heute  lernen 


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318    Hitteilungen  d.  Oes.  f.  deutliche  BrziehimgB-  u.  Schulgesch.  VIIL 


können,  sollen  sie  nicht  auf  morgen  verschieben;  denn  die  Zeit 
entflieht  schnell  und  kehrt  nicht  wieder. 

Der  Jugend  soll  ferner  Schanibaftigkeit,  Wahrheits- 
liebe, Dankbarkeit  und  Sinn  fttr  Sparsamkeit  eingeflösst 
werden. 

Die  jungen  Leute  sollen  die  Nebenmenscben  lieben, 
niemanden  beleidigen  und  jedem  die  gebührende  Achtung  «ollen. 
Sic  sollen  namentlich  gegen  die  als  misera  contribuens  plebs 
geltende  arbeitende  Klasse  menschenfreundlich  sein;  denn  die 
Natur  hat  die  Menschen  gleich  und  frei  erschaffen,  die  grausame 
Herrschsucht  erst  hat  Knechte  genwicht. 

Wie  Rettenbacher  selbst  sich  auf  die  äusserst  schwierige 
Kunst  der  Selbsterkenntnis  vortrefflich  versteht,  so  hält  er 
auch  die  Jünglinge  zu  ihrer  Plh'tre  an.  Daher  macht  er  es 
ihnen  sur  Pflicht,  ihre  Kräfte  abzuschätzen  und  sich  dem  Berufe 
zu  widmen,  zu  dem  sie  sich  am  meisten  geeiirnet  halten.  »Sie 
sollen  nichts  beginnen,  was  sie  nicht  vollenden  können. 

In  der  Kleidung  sollen  sie  das  reeht*»  Mass,  die  Mitte 
zwischen  tilf  rtriebener  Pracht  und  schmutziüci'  Sjjnrsnmkeit  ein- 
halten und  insbesondere  auf  Koinlichkeit  und  Anstand  sehen. 
Sie  sollen  nicht  immer  nach  der  Motlr  {jrlu'u  und  sich  namentlich 
vor  albernen  und  gesundheitswidrigen  Moden  hüten. 

Das  Reisen  ist  füi-  trcisti;.'-  reife  Jünglinge  überaus  bildend: 
f's  erweitert  (Lts  Ki'keiinen.  \rri'(h'lt  das  Gemüt  und  tVirdrrt 
die  Chaiakterbildung.  ^.ichlsdestoweniger  müssen  sie  darauf 
achten,  dass  das  Ausländische  nicht  dem  Einheimischen  vori:('- 
zogen.  das  Vaterland  nicht  hintangesetzt  oder  gar  verachtet 
werde,  was  bisweilen  bei  weniger  erfahrenen  Jünglingen  voi*zu- 
kommen  pflegt, 

2.  Ein  reicher.  un\  (  isi<'glicher.  ewig  junger  und  ewig  frischer 
Born  der  eraelilidien  Kunsi  spiudelt  in  ih  n  Gedichten  Retten- 
bachers, durch  welche  sich  „starke  (irsinnuuiren,  erhaltene  (le- 
danken,  goldene  Lehn  n.  veimiseht  mit  zarten  l'Iniidimluiigen  für 
das  Wohl  der  Meii>i  lih»  it  und  lür  das  Ib'il  des  Vaterlandes  hin- 
durchziehen." Froninier  (ilaube  und  gutniütiger  Humor,  hoher 
sittlicher  Ernst  und  harmlos  heitere  Lebenslust,  weltvergessenes 
StilUeben  unter  stummen  Büchcni,  mit  politischem  Blicke  gepaarte, 
reife  Erfahrung,  Kaisertreue,  Patriotismus,  Freiheitsdrang  und 
ein  kräftiger  demokratischer  Zug  drücken  ihnen  ihren  Stempel 
auf.  Sie  sind  durchlebt,  tief  innerlieh  empfunden,  Gelegenheits* 
dichtungen  im  Goctho'Rchcn  Sinne  und  erzielen  daher  noch  heute 


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21.  V.  äiuiuu  Rettenbatiier,  ein  östcrruichisicher  Pädagoge  etc.  <ii9 


ein«'  inächtijfc  Wirkung.  Unsere  Aufmerksamkeit  nehmen  vor 
allem  diejenigen  Gedichte  in  Anspruch,  welche  Ereignis.so  drr 
ZeitgeschichUs  die  Kriege  mit  den  Türken  und  Franzosen  be- 
handeln, die  beide  sich  vereinigten,  Oesterreich  zu  vernichten. 
In  diesen  historischen  Idedern  entrollt  sich  vor  unseren  Augen 
das  grossai'tige,  überwältigende  Schauspiel,  das  der  stille  Ordens- 
mann Uber  die  Elostermauem,  die  ihn  umaehliessen,  hinauswilchBt 
und  sich  in  einen  feurigen  deutschen,  nationalen  Dichter,  in  einen 
Apostel  des  patriotischen  Selbstbewusstseins,  welches  unter  den 
TrOmmern  des  dreissigjährigen  Krieges  fUr  immer  begraben  zu 
sein  schien,  verwandelt.  Unaufhörlich  spornt  er  zur  Vertreibung 
der  Ungläubigen  aus  Buropa  an  und  fleht  inniglich  zur  heiligen 
Jungfrau,  sie  möge  das  FttUhom  ihres  Segens  (Iber  die  christliche 
Streitscbar  ausschütten  und  den  kaiserlichen  Adlern  Schutz  ge- 
währen. Sein  Gebet  wird  erhört,  er  triumphiert  und  stimmt 
einen  Lobgesang  an  auf  jene  ausgezeichneten  Hänner,  welche 
an  der  Niederwerfung  des  Halbmondes  und  an  der  Befkviung 
Wiens  den  hervorragendsten  Anteil  nahmen.  Es  sind  dies  Kaiser 
Leopold  L,  dessen  vertrauter  Freund  und  Berater,  der  Kapuziner- 
pator  Marco  d* Aviano,  Graf  Ernst  Rüdiger  von  Starhemberg,  der 
bayri(fche  Kurfllrst  Max  Enianuel,  Herzog  Karl  von  Lothringen 
und  der  Polenkönig  Sobieski. 

Die  sch<inste  und  duftigste  Blüte  der  nationalen  Poesie 
unseres  Dichters  i.st  die  Ode:  ^.Germania  invicta.  si  (•(»iiiuncta.*' 
In  ihr  geisselt  er  scharf  des  Franzmanns  Falschheit  und  Treu- 
losigkeit und  liisst  den  Vater  Rhein  klagen  über  srine  unter- 
jochten Ufer  und  die  unter  seinen  Anrainern  hcrrscheudeii  fran- 
zösischen Sitte«;  in  sinniger  Weise  malt  ei  aus.  wie  die  Donau 
ihn  auffordei't.  den  Franzosen  ebenso  das  l*^'ll  zu  gerben,  wio 
sie  es  den  Türken  getlian  hal)e  und  mit  vorschauendem  Blick«-  in 
das  glorreiche  Jahr  1N7()  prophezeit  er.  ein  g<M>inigt<'s  l)<'ut<ch- 
hind  wiM'de  jeden  feindlich»Mi  ATi^tiirni  n!)sf  hlagen.  Es  darf  mit 
Fu2  ihm!  T?(H'lit  drf!  Freihcitsliedern  aus  den  Zeiten  der  N'apolconi- 
sclien  Krii'L;«  ;ui  die  Seit*'  grstcllt  werden  und  ist  doppell  merk- 
würdig als  W'tM  knit  jcnof  triilien  Z»'it. 

Der  Midinnif  Ivi  ltcuhachers  gilt  iWclorst  (h'm  in  sich  zer- 
kliifti'tt'ti  (|f  utx  lK  II  \  ulke,  das  jedes  S(  llt>tL''»'f(llds  und  (irmcin- 
siiiiH  s  bai  war:  er  galt  (h'U  deutschen  Fürstc  ji  wrltlichm  und 
geistlichen  Standes.  w<'lche  die  Sitten  des  franzüsist  jn  n  Hoit  s 
l>lindlings  naciiiitltcn  uml.  v*nu  (ilaiizf  des  Iranzösi-«  Inn  (i<ddes 
geblendet,  di»^  Sache  des  Keiches  preisgahen  und  im  Solde  Frauk- 


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BSK)     Mitteilungen  d.  Gl«;,  f.  deutsche  ErziehuuKH-  u.  Schulxt'sih.  VIII. 


ivitiis  ihiboim  ^Faulwiu  Isarlx  il  vt  rrirlitPtfn ;  ov  hat  (MhIIIcIi  all" 
<lon  (r«»l('lii"t«^n.  StiidtMirni  und  junir<Mi  Edcllouti'u  ^M  <:nltiMi.  wclfho 
siel«  der  irorado  jetzt  zur  khis^iscluMi  Blüte  onipoi'^i  lühi'tcn  t'ran- 
zösisclien  Litt t  rat ur  zuwandti'ii.  nach  N'crsaillos  als  d<>r  hohen 
Schule  des  guten  Tons  walifahrteten.  die  deutselu>  Art  ahei*  mit 
ihren  Idealen  hintansetzten  und  die  ehrwürdigt'  Muttersprache 
in  die  Bumpelkammer  warfen. 

Indem  Kettenbacher  fUr  alles  Wahre,  Gute  and  Schöne  er- 
glüht, indotn  er  zündende  Weisen  ^zum  Preise  deutscher  Stärke, 
stoischer  Tugend,  christlicher  Sittlichkeit  und  andächtiger,  thätiger 
Liebe  erklingen  llUsst,**  vermag  er  das  Gemüt  zu  erheben  und  zu 
begeistern,  dem  Willen  Kraft  und  Freiheit  zu  verleihen,  den 
Charakter  zu  einem  einheitlichen  Ganzen  zu  bilden  und  harmonisch 
auszugestalten.  Er  ist  ein  Meister  der  Pädagogik,  aber  auch 
der  Andragogik. 

3.  BetteDbaeher  als  didaktlselier  Seliiiftoteller. 

Als  didaktischen  Schriftsteller  lernen  wir  Rettenbaeber  in 
der  im  Jahre  1678  in  Salzburg  pseudonym  herausgegebenen 
Schrift:  „Misonts  EiTthraei  ludiera  et  satirica'*  kennen,  welche 
eine  beisscnde  Kritik  des  gesamten  geistigen  Lebens  seiner  Zeit 
in  Litteratur  und  Schule  enthält.  Neben  ihr  sei  der  für  den 
Privatunterricht  geschriebenen  Abhandlung:  „Librorum  ad  ple- 
rasque  scientias  notitia^  gedacht,  die  ich  mit  einem  modernen 
Ausdrucke  einen  ethisch-didaktischen  Handweiser  be- 
liehnen möchte.  Sie  ist  fUr  uns  von  grösstem  Interesse;  denn 
sie  enthält  zwar  kurze,  nlier  treffende  Charakteristiken  d<>r  Autoren 
aus  alter  und  neuer  Zeit.  Sie  vei-mittelt  uns  tVnier  die  Bekannt- 
schaft mancher  damals  g<'hrau(  lit.  r  f.ehr-  und  Hilfsbücher.  Dann 
abor  enthält  sie  auch  weitvolle  Anieitungon  zum  Studium  ein- 
zelner Disziplinen  und  behandelt  endlich  littcrarischr-  Fragen  teil- 
weise' in  ganz  modornen»  Sinne.  Die  Schrift  verdankt  ihre 
Entstehung  dem  Umstände,  dass  ein  Freund  Kettenhachers, 
Avelcher  sidj  in  den  einzelnen  Zweigen  der  Wissenschalt  unter- 
richten wollte,  an  ihn  mit  der  Bitte  herantrat,  ihm  an  die  Hand 
zu  LTflttMi  und  die  Haui)tv<'rtreter  der  einzelnen  Disziplinen  nam- 
haft zu  machen.  Rettenhacher  verspricht,  ihm  als  Fackeltriiirer 
vonnr/iiüclMMi  und  ihn  diircli  das  Lnhyrintli  drr  Autoren  zu  g<'- 
leiten.  <lamit  «*r  nicht  irrr.  Kt  iii'ii:«'  nur  mutig  InL'cn  uvj\  <]('h 
nicht  (!nrc!i  die  Schwierigkeit  des  Weges  von  seinem  Beginnen 
aksehreckea  lassen. 


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21.  P.  Siiuuu  RetteuhucUtT,  ein  österrcithisciier  i'iklu^'ü>;e  ele.  321 


Dor  (  litt nicht  im  siehzehnton  Jahrliundort  bot  im 
allirfMiii  iiif  II  riiu  ii  rt'clit  traiiri^ffu  Anblick.  Die  Lohrcr  wan  ij 
<:('wöl»nlicli  uiiLri  hildote.  rolio.  tnii»-«*  Leute,  welche  fiir  ilircn  Be- 
ruf nif'ist  iiie-ht  die  iiotweiidijreii  Keiiiitiiis.se  und  das  n(iii^>^e  Li«hr- 
taleiit  hatten.  Kaum  einei'  war  unter  tausriKh  n  zu  tindeii.  der 
durch  jredieirejies  Wissen  h'-rvorrajite:  di<>  nu  isleij  llattertcn  wie 
Schatten  und  Lult;.'rl>il(li»  herum  und  lu  aiispruchten  deiiii<»>li  die 
niaiiiiiirfachstrii  lOtirt-ntitel.  Lclin  i*.  w»'lche  von  der  Wünli'  ihres 
lit  i  iiles  dm  t  hdt  uiijreu.  nur  der  Schul«'  und  der  Wissenscliaft 
lebten,  wart  Ji  seltene  Ausnalunen.  Tnd  was  wurde  ^^elehrt? 
L'n^rereimtes.  irehaltloses,  unnützes  Zeu^^.  und  dies  ohne  jede  Lrhr- 
;;esclii(  klichk(  it,  in  luntrweilijrer.  ifeisttütender  Weise,  so  dass  den 
{Schülern  das,  was  sie  lernen  sollten,  zur  Last  und  zum  Kkel 
wurde.  Unter  sothanen  Verhältnisseu  uiusste  das  Wirken  solcher 
Lehrer  ohne  erwünschten  Erfolg  bleiben,  vielmehr  ein  Proletariat 
der  Bildunjir  heranziehen;  denn  einerseits  diängte  sich  zu  den 
höheren  Schulen,  Gymnasien,  Akademien,  Universitäten,  die  in 
i'ranz()si8cher  Nachahmungssucht  in  grosser  Menge  ge^nUndet 
wurden,  alles,  hoch  und  niedrig,  reich  und  arm,  begabt  und  nichts 
begabt  heran,  andererseits  wurde  die  Studienzeit  vielfach  nicht 
mit  ernster  Arbeit  verbracht,  sondern  mit  Nichtstfaun  oder  Unter- 
haltung vergeudet.  Und  die  hehrer?  Sic  sahen  dem  liederlichen, 
tollen  Treiben  der  jungen  Leute  nut  Gleichgiltigkeit  zu,  ja  sie 
unterstützten  es  und  beförderten  so  die  geistige  und  körperliche 
Entnervung  der  Jugend. 

Rettenbacher  fordert  daher  zur  Erziclung  eines  besseren 
Unt^rrichtserfolges  vor  allem: 

J.  Unterrichtete  und  gesittete  Lehrer; 

2.  inhaltsvollen  Lehrstoff; 

3.  ntetbodische  Behandlung  des  Lchrgegenstandes; 

4.  beschränkte  Zähl  der  Studierenden. 

Dann  kommt  er  im  besonderen  auf  die  Philologie  zu 

sprechen. 

In  den  philologischen  Schulen  des  siebzehnten  Jalirbundeils 
herrschte  der  verknöchcrtste  Foi  inalismus.  Das  Hauptgewicht 
lag  auf  der  sprachlich-formellen  Bildung,  auf  (Jrammatik  und 
Stilistik:  beide  wurden  aber  gleich  geistlos  und  pedantisch  be- 
trieben. Die  Autoren  kamen  nur  insofern  in  Betracht,  als  sie 
der  Beispieisammlung  und  Stilttbung  dienten:  um  ihren  Inhalt 
kümmerte  man  sieh  wenig  oder  gar  nicht,  l^cttenbachcrs  Schil- 
derung der  Gebrechen  der  damaligen  Liiterrichtsweiso  gemahnt 


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H2'l     ilitlfiluu^'cii  »1.  (ies.  1.  deutsche  Kiy.irliungs-  u.  Schuljrt'scli.  VI  II. 


l('')liiift  nii  die  SchildJTuno'  der  Kindi  iickc.  wolclio  Arnos  ("oiii'  iiius 
in  (!•  r  lat4'iiiisi  li<>ii  Schul«'  t-nipliu^i  und  dir  ihm  dio  orirroitrudo 
Klai;('  entlockten:  „So  viele  von  uns  kr)nnen  als  Zcugt  n  Jüi- die 
Man{relhaftij!:keit  der  Scliiden  dit  ueu,  als  aus  den  Schiden  hervor- 
|j:ejjaii}ien  sind,  kaum  von  einem  Schatten  wahrer  ( Jehdirsamkeit 
anfrehaucht.  Aus  vielen  tausenden  bin  ich  seihst  einer,  ein  armes 
Menschenkind,  welchem  der  Überaus  schöne  Frühling  seines 
ganzen  Lebens,  die  BlOtejabre  der  Jugend  mit  Scbulfucbsereien 
«lendiglicb  verloren  gegangen  sind.  Acb,  wie  oft  bat  mir,  nacb- 
dem  ich  zu  einer  besseren  Einsiebt  gelcommen  war,  die  Erinnerung 
an  die  verlorene  Zeit  Seufzer  aus  der  Brust,  Tbränen  aus  den 
Augen  und  Kummer  aus  dem  Herzen  geprei^t!  Ach  wie  oft 
nötigte  mich  dieser  Schmerz,  klagend  auszurufen: 

0,  brächte  docb  Juppiter  mir  die  entschwundenen  Jabre 
zurUdE!" 

Bettenbacber  geisselt  mit  aller  Schärfe  die  Fehler  des  bis- 
berigen  Sprachunterrichtes  und  tritt  als  Babnbrecber  fttr  die  Ideen 
4cr  modernen  Zeit  auf.  Uns  dünkt,  als  btfrten  wir  einen  Philo- 
logen der  Gegenwart,  wenn  wir  Rettenbacher  lauseben.  Er 
empfiehlt  vor  allem  statt  der  üblicben  syntbetiscben  die  induktive 
Methode,  da  der  Schüler  das,  was  er  durch  eigenes  Nachdenken 
gefunden,  leichter  behalte.  Lebhaft  bedauert  er,  dass  den  Schülern 
Regeln,  welche  häufig  nicht  einmal  bestimmt  und  wohl  bereitet 
fiind,  vorgeschrieben  werden,  ehe  sie  die  Spraclie  scdbst  aus  einem 
Autor  durch  Anlehnung  aller  Beisjtielr  und  schriftlichen  Uelier^ 
sctzungsttbungen  an  ihn  erlernt  haben:  Regulae  nonnuilae  gram- 
maticae  oae(|ue  frequenter  non  satis  certac  nut  exasciatae  prao- 
leguntur.  dictata magistri  utplurimum  abHurda  «'t  inania  recitantur 
nuUa  Interim  cura  voterum  scriptorum.  Indem  er  die  T?.'-t  lu  aus 
der  Sprache  abstrahiert  wissen  will,  stimmt  er  nut  Rat  ich  illKM  ein. 
welcher  sich  zu  dem  Prinzipe  bekennt:  „Erst  flio  Sprnrljc  und 
•dann  die  (Jrammatik;  erst  das  Korn  und  dann  dei-  Sack.** 

Rettenhacher  begegnet  sich  in  der  nachdrücklichen  Hervoi-- 
hehung  der  induktiven,  rntwirkiduden  Methode  mit  den  meisten 
neuen  Jiclirpliinen  und  I lantHiüchern  der  PädaL-'o'rik.  ich  nenn«' 
nur  die  ..  1  üstruktioneii  Kir  den  riitiTrirlit  an  dm  ( iytiina'^icn  in 
Oestei-i  i'id)".  sowie  Sciiiilei's  ..  I laudbiii'li  der  pi  akl i><'lir n  IMda- 
gojiik"  und  das  von  I^aiinu'jstiT  lieraus--r;ji'i)ene  .. f laiMllnicli  der 
Fr/irhungs-  und  rnii'iiiclit<lrlir»'  liir  hühei-e  Scliuleii".  Der 
grannnatis(die  Schematismus.'  s;igt  Schiller  (a.  a.  ().  S.  2.{tM.  ..imü-^s 
^iurch  ein  auf  dorn  eigeuen  Urteil  und  der  selhstthatigen  ICinsiclit 


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I 


21.  P.  Simou  lictteubacber,  ein  öäterreicbischer  Pädagoge  etc.  32<i 


der  Srhillor  beruhendes  Verständnis  je  weitri-  nach  (ih(Mi.  (h'sto 
mehr  ersetzt  werden/  Und  Dettweih'r  lässt  sieh  also  vernehnien '): 
..Alh'r  Zmvaehs  an  neuem  Wissen  nmss  in  L-'enieinsamer.  wechseln- 
der Geistesai-heit  des  Lehreis  und  Seiiul<'i-s  verarl)eitet  werden." 
Und  an  einer  andeien  SteUe  heuierkt  er:  ,.lch  selbst  habe  niemals 
nis  Lehrer  ein  anderes  L'nterrichtsprinzii)  jreUbt.  abei  oft  mit  viel 
Mühe  für  Lehrer  und  Schiller  und  mit  wenig  p]rfolg  anders  unter- 
riehtiMi  sehen.**  Dies  luuss  denjeniifen  i^u  hniiinnernp:egenUberl)etont 
werden,  welche  innnei'  und  immer  wieder  4reltend  machen,  man 
reiche  bei  der  induktiven  Spraehunterrichtsniethode  mit  der  Z«'it 
ui(  ht  aus,  man  erziele  bei  ihr  keine  Genauigkeit  und  Sicherheit. 
Man  tiudet  schon  sein  AushiUL^en  mit  der  Zeit,  man  erreicht  das 
vorgesteckte  Lehrziel,  wenn  man  nur.  wie  Dettweiler  bemerkt. 
Ernst  macht  mit  der  alten  Forderung;  .\on  multa,  s<>d  muh  um. 
Freilich  wird  sich  die  deduktive  Methode  nicht  ganz  aus  dem 
Unterricht  entfernen  lassen,  ja  es  wird  sich  in  einzelnen  Fällen 
sogar  als  praktisch  erweisen,  dieses  Verfahren  beim  Unterrichte 
einzuhalten.  In  der  Thal  entsteht  auch  erst  aus  der  Vereinigung 
beider  Methoden  die  einzig  wahre  und  richtige,  nämlich  die  orga- 
nische Methode.  Sie  führt  diesen  Namen,  weil  sie  den  Menschen 
so  bilden  und  entwickeln  will,  wie  jeglicher  Organismus  in  der 
Natur  sich  ))ildet  und  wächst,  nämlich  so,  dass  der  geistigen 
Kraft  zu  ihrer  Selbstcntfaltung  und  ihrem  Wachstum  zugleich 
von  aussen  angemessener  Stoff  geboten  wird,  an  dem  sie  sich 
nicht  bloss  übt,  sondern  der  ihr  auch  eine  bestimmte  Richtung 
verleiht  und  bestimmte  positive  Kenntnisse  zuführt,  welche  zum 
Selbstdcnken  notwendig  sind.  Der  Mensch  soll  nach  ihr  nicht 
der  Ameise  gleichen,  die  immer  zusammenträgt  und  unordent- 
lich aufhäuft,  d.  h.  er  soll  nicht  allerlei  Erkenntnisse  ins  Gedächt- 
nis aufnehmen  und  ohne  Urteil  aufstapeln  und  aufbewahren;  er 
soll  aber  auch  nicht  der  Spinne  gleichen,  die  alles  nur  aus  sich 
selbst  heraus  spinnt,  d.  h.  er  soll  nicht  alle  Erkenntnisse  nur 
aus  seinem  eigenen  Verstände  lieraus  konstruieren  wollen,  sondern 
er  soll  es  der  Biene  «j^leieh  thun.  weiche  Material  sammelt  und 
es  narli  inneren  Trieben  in  schöne  Ordnung  bringt  und  vei-ar!)eitet. 
Der  Lelu*er  musg  also  lun  li  der  organischen  Method»  i^«  bend 
und  anregend  wirken,  der  Schüler  sieh  ])assiv  und  aktiv  ver- 
liali  Ii:  ii  ussere  Einwirkung  und  innere  Thätigkeit  messen 
sich  die  Haud  zum  Bunde  reichen. 

')  lb>iiill)iirli  dor  Bizithiiiiirs-  und  Unt^rrichtslehre  .  ...  hmg.  van  Bau- 
meister. 3.  Bd.   1.  Abt  S.  24  if. 

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^MillfiluuiLjtu  d.  (jt's,  f.  dcutstbe  Erzichuiijf:*-  u.  tJchulgescb.  VJU, 


Uaiul  in  Hand  mit  ili  r  Bckäiupliui^'  der  ^Iclliodc,  (Iimth  Um 
und  Auf  das  mcchanisclK»  Aus\vendijrI(TinMi  des  Vor^t  .sa;(t('ii  odei" 
Voriroloseiicii  ist.  ii<  ht  der  Kampf  {rf^^rt^n  den  ..toU'ii  (Jodäclitnis- 
kiaiu".  die  rchorlniKhintr  des  Gedächtnisses  mit  vielen  duiiklea 
und  unniitzrn  Dingen,  mit  Sachen,  die  ndt  viel  Zeitaufwand  und 
nur  „in  futurani  oblivioiicm**  frelernt  weixlen:  Quin  etiam  vana> 
atque  inania  doccri  ac  nulla  usui  ]>rofutura. 

Ferner  verlantrt  Retten')noh<'i-.  dass  der  l  iit  m  ir  lit  srufen- 
weise  und  methodisch  foi tschieite.  von  dem  Leichteren  zu  dem 
Schwereren,  von  dem  Näiieren  zu  dem  Entfernteren  sich  fort- 
iiowojre.  dass  nichts  Neues  jrelehrt  werde,  bevor  das  Frühere  nicht 
};riindlii  h  erfasst  und  verarbeitet  ist.  Im  Sinne  und  (n  ixtc 
IJatirlis.  welcher  vorscliieibt .  dass  nicht  mehr  als  eim  i  lci  anf 
einmal  «relehrt  werde,  äussert  er  sieh  diu  rhdrun'ieh  (huon.  dass 
durch  allzu  «rrosse  Menjrc  des  Lehrstoffes  und  durch  uni:eordn«'ie 
A'erbindun<i  der  (icjrenstände  in  dem  juir«'ndlichen  (ieiste  des 
Schülers  Ekel  erre<jrt  oder  dei*  Studierende  lanz  von  de?i  Studien 
ab<relenkt  werd<Mi  könnte,  also:  Xon  enini  ijuani  niultos  scri- 
ptores.  sed  quam  bene  le<ras,  refert.  Stomachus  ciborum 
varietate  potm.s  obruitur,  quam  iuvatur.  Desgleichen  ^riebt  er 
seinem  Freunde  am  Schlussfi  die  Weisung:  Satisne  di<,'itum  ad 
fontes,  ubi  sitim  Icvaix)  possis,  intendi?  Sic  arbitror.  Adi  intrcpido 
pede  et  hibe,  quantum  Toles,  numquam  defieiont.  Sed  tempcstive 
et  ordinc  convcnicnti  adi,  ne  undas  confundas  undis  et  stndiorum 
fastidio  labores.  Ab  omnibus  hauriendum  est,  at  <<ppMrtune 
et  suo  tempore.  Risu  digni  sunt,  qui  ordinem  peirertuiit  et, 
dum  multa  afrgrediuntur,  cxpcdiunt  nihil.  Xon  sie  insanies,  si 
monita  mea  sequaris.  Multum,  non  multa  oportet  leerere. 
Et  omnes  tarnen  legendi  sunt?  omnes  et  fortasse  plures«  quam 
praescrlpsi.  Quis  potent?  Omnia  amanti  facilia.  Cogita  pul> 
cherrimi  laboris  perpetuum  te  habitnnim  fnictum  nilqne  praecepi, 
<luod  Sit  difHcite. 

So  will  er.  dass  man  die  Lektün;  mit  Caesar  be«,qnne,  da 
er  ein  Must<'rl)ild  für  die  Spiache  hoi. 

Mit  Sir<Mi-<'  verurteilt  Kettenbacher  die  in  vielen  Schulen 
übliche  Methndi'.  den  Schülern  den  Lehrstoff  ..einzublä  ueu". 
wiiiiri  er  naiiK  nilif  Ii  an  die  „fasces"  und  „manus  scveriores" 
iivr  Seljulnu'isier  dndvt.  Im  Einklan^'c  mit  Ratich  und  Comenius. 
welch«'  darauf  In  st.  hen.  dass  alles  in  der  Sehnh'  ohne  Zwan^ 
^rescheljcn  müsse,  kein  Sdiüler   wegen   schlechten  Forigauges 


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21.  P.  Simon  KeiU'ubacUer,  ein  österreicliischer  Pädagoge  etc.  325 


vom  Lohror  hostralt  werden  dürfe,  dass  ..Rute  und  Bakel,  diese 
Sklaveiizuclitmittel".  Ub(  rtliissig  werden  sollen,  singt  er: 

^'•laiiiiiiaticos.  vairiHi).  siiperhiim, 
Kixosuiii  irciius  est  terire  natum; 
Saevit  fastihus  et  severiore. 
Quam  (luondam  l*lialaris  ff*nis  tyrauuus, 
Tardos  discipulos  manu  fatifrat. 

Die  Ansiclit  dieser  drei  ^länner  tlberrajrt  himmelhoch  die 
Annicht  der  dem  schlesischen  Schulmanne  Artelius  verwandten 
Se<'len.  Wie  wir  dem  Buche  von  Baumi'ister*)  entnehmen,  hat 
es  dfT  jrrnannte  Herr  —  horrihile  dictu  —  in  seinem  Testamente 
vom  Jalii'e  17S4  lebhaft  bedauert,  ..nicht  reich  fjenug  zu  sein, 
um  ein  Lt  <:at  zur  Uiitrrhaltiiii;::  eines  neuen  Zuchtmeisters,  mit 
Dis(ij»liii  oder  Ochsriizirincr  bewaffnet,  aussetzen  zu  kiinnen.'* 
Ren«Mil)a(  Iht  denkt  ^rlcicb  sciiiiii  zwei  V(»rL''nn,L'ern  nicht:  .,Asinus 
tusti  paref',  er  huldigt  vielmehr  dt  in  hatzc:  „Equus  tW'nis  paret."* 
Auch  fllr  unsere  Zeit  konnuen  Rute  und  Stock  als  riitn-riciits- 
mittel  nicht  mehr  in  Betracht:  sie  kennt  edlere,  wirksamere 
Mittel,  um  träire.  nacliliissige  S<  liiilcr  zum  Fleisse  anzuspoi  nen. 
Es  sind  stuimii'-  Riiiirii.  welche  durch  den  liliek  und  angi'inessene 
(testen  erteilt  weiden.  Maliiiun«r<'n.  Zurechtwcisunf^en  und  V<»r- 
weise.  ,.\V()hl  dem."  sa-t  Ikiumci.ster,  ..der  immer  jrleich  das 
richtijr«'  Wort  zu  linden  weiss!  Denn  auf  dieses  kommt  un- 
endlich viel  an.  * 

Kettenbaclier  jri<'bt  .sich  liebevoll  dem  vollen  Leben  hin  und 
hat  auch  für  die  reale  Welt  ein  offenes  Au^e.  Er  ^^reift  daher 
gleich  Ratich  und  Comenius  mit  kühnem  Griffe  mitten  in  sie 
hinein,  bricht  mit  den  herkömmlichen  trockenen  Wortstudien  und 
sträubt  sich  gegen  die  Ausstopfung  der  Jugend  mit  den  Be- 
zeichnungen der  Dinge.  Da  er  nicht  Papageien  abrichten, 
sondern  Menschen  bilden  ^ill,  ist  er  für  die  Verknüpfung  des 
Sprachunterrichtes  mit  dem  Sachuhterrichte;  er  tritt  für  den 
verbalen  Realismus  ein,  fUr  das  Verständnis  nicht  bloss  der 
Sprache,  sondern  auch  des  Inhaltes  der  Autoren.  An  den  alten 
Klassikern  soll  man  nicht  bloss  sie  selbst,  sondern  auch  den 
Geist  des  Altertums  kennen  lernen.  Darum  nennt  er  sie 
„loquendi  ac  sapiendi  principes".  Er  verlangt  von  den  Philo- 
logen, dass  sie  nicht  bloss  ihre  Sprache,  sondern  auch  den  sie 
erfüllenden  und  beflügelnden  Genius  verstehen.   „Nicht  wenige/ 

a.  a.  ().  S.  121. 

MmeUuDg«n  d.  Uce.  f.  deutsche  Eni«b.-  u.  iä«:iiulg«scliiclit«.   VlII  4  1898. 

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336    lEitteilungeii  d.  Oes.  f.  deutsche  Braiehyngs-  u.  Schulgrach.  VIII. 


sagt  er,  ^übernehmen,  obwohl  jeder  Kenntnis  bar,  keiner  Bildung 
teilhaftig,  gern  das  Amt  des  Jugendanterrichtes,  als  ob  für  den 
Grammatiker  die  Kenntnis  grammatischer  Hegeln  genttgen  und 
Ton  ihm  nicht  die  Auslegung  der  Autoren,  die  Bekanntschaft  mit 
den  Dichtungen  und  geschichtlichen  Eirzählungou  gefordert  würde. 

Bei  Raticb  und  Comenlus  steht  der  Realismus  noch  vor- 
wiegend im  Dienste  des  Sprachunterrichtes.  Die  Kenntnis  der 
Dinge  soll  dem  Sprachunterrichte  eine  reale  Grrundlage  gelten, 
daher  „verbaler  Realismus'^.  Rettenbacher  bleibt  aber  bei  dorn 
verbalen  Realismus  nicht  stehen,  er  geht  einen  Schritt  weiter 
und  nfthert  sich  durch  die  nachdrackliche  Betonung  der  selbst- 
ständigen  Stellung,  die  er  für  den  Realismus  in  Anspruch  nimmt, 
den  von  den  Pietisten,  namentlich  von  A.  H.  Francke  vertretenen 
Prinzipien.  Er  erklärt  nändich,  dass  der  Realunterricht  aus  dem 
Dienste  des  Sprachunterrichtes  heraustreten,  dass  die  Kenntnis 
der  Realien  aufh<)ren  müsse,  blosses  Mittel  zum  Zwecke  zu  sein.*) 
Wie  schon  so  oft,  erscheint  uns  Rettenbacher  wie  ein  Prophet, 
wenn  er  in  einer  Zeit,  in  welcher  auf  den  deutschen  Universitäten 
der  Druck  des  herkömmlichen  scholastischen  Formelwesens 
lastete,  in  welcher  sie  verkommene  Stätten  geistiger  Beschränkt* 
heit,  trockener  Schulmeisterei  und  pedantischer  Buchstaben- 
gelelirsanikeit  waren,  den  gn^ssen.  stolzen  und  alleinselig- 
machenden Gedanken  von  der  Einheit  und  Eintracht  aller 
Wissenschaften,  von  der  universitas  litterarum  ausspricht, 
wenn  er  im  „Philotimus"  die  epochale  Lehre  verkündet,  dass 
alle  Wissenschaften  zusammengehören,  wechselseitig 
verknflpft  sind  und  sich  mithin  gegenseitigen  Beistand 
zu  leisten  hahen,  wenn  er  die  Theologen  aufmerksam  niaeht. 
dass  es  ilmen  zieme,  die  Geheimnisse  der  Natur  sorgfältig 
zu  durch  forschen,  da  dies  den  heiligen  Büchern  ni<*!it  widerstrehe. 

Es  ist  Retteid>achers  Verdienst,  dass  er  das  Unterrichts- 
prinzip der  Anschauung  weit  schUrfer  als  seine  Vorgänger  hetont. 

Dringend  rät  er  dem  Freunde,  l)ei  der  Lektüre  besonders 
historischer  Schriftsteiler  stets  eine  Karte  zu  benutzen.  Ab- 
bildungen fleissig  zu  gebrauchen  und  einzelne  Momente  der 
Erzählungen  sich  durch  Zeichnung  zu  veranschaulichen:  denn 
so  werd<'  er  dem  Gei>fr'  etwas  Ruhe  gönnen  und  don  G(»genstand 
lichtvoll  und  ziiirloii  Ii  interessant  machen:  Enixp  tibi  siiascrini 
ut  tali(  llaui  geographicam  usui'pes  et  imagiueü  adhibeas  dcpiu- 

Vyl.  Dr.  A.  Stöckl,  Lehrbuch  der  Geschichte  der  rädu^ogik  8.  273. 


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21.  P.  Simon  Kettenbaoher,  ein  öütdrraicliiäcber  Pädagoge  etc.  327 


gasque;  ita  enim  animum  paulhini  relaxahis  et  res  illustres 
siniulquo  iuciiiulas  reddes.  Um  die  Lektüre  in  der  angegebenen 
Riehtung  mit  Erfoljr  ^treiben  zu  können,  empfiehlt  er  speziell 
für  Caesars  belhini  ^^allirnm  und  civile  die  im  Jahre  UiS4  bei 
Johannes  Werbelins  in  Frankfurt  am  Main  erschienene  Ausgabe, 
welche  unter  anderem  zwei  Karten  von  (iallicn.  Hispauien  und 
Oermanien,  sowie  Abbildungen  von  der  hMicinbrUcke,  von 
Avarieuni.  Alrsia.  Massilia.  Uxellodunum,  ferner  Bilder  und  Be- 
sehreihnnL'^t'ii  des  Bison  und  L'rus  aufweist.  Gleichfalls  rät  er 
dir  AusgalM'  von  Josef  Scaliger  an.  welche  zwar  weit  kleiner 
als  jene  ist.  aber  zwei  Karten,  summarische  Inhaltsans/alx  ii 
eijies  jeden  liurhcs  und  ireo^rraiihisrh^'s  Xamensverzeichnis  eniliali. 
—  Wie  Frii'drich  der  (Irossc  und  Napoleon  III.,  so  hat  nirrk- 
wtlrdigerwcisc  hchun  UettenbacluM-  den  niilitärisi-hcn  Wert  dci 
Koinim  iitaricii  erkannt:  sagt  er  doch:  ..In  arte  imperatoria  seu 
militari  nomino  ('.  T.  Caesarem,  cuius  commeutimi  de  hello 
gallico  et  civil!  prai  primis  legendi  sunt.** 

Der  deiktische  oder  zeigende  Unterricht,  um  den 
Anschaunngsunt<'rricht  mit  einem  modernen  Namen  zu  bezeichnen, 
ist  bekanntlich  auch  <'ine  wichtige  Forderung  der  moderueu 
Scbuldidaktik.  Wir  wahren  sie  im  klassischen  Sprachunterrichte, 
indem  wir  Fomieu  und  Spracbgesetze  vor  den  Augen  der  Schüler 
an  der  Wandtafel,  deren  Benutzung,  wie  Dettwciler  klagt,  noch 
lange  nicht  häutig  genug  ist,  entstehen  lassen,  indem  wir 
graphische  Mittel  in  mannigfachster  Weise  gebrauchen,  indem 
wir  endlich  die  Denkmäler  des  Altertums  im  Bilde  vorführen.*) 
Nur  hat  der  Lehrer  unter  den  vorzuzeigenden  Bildern  eine  weise 
Auswahl  zu  treffen,  um  nicht  der  Zerstreuung  Vorschub  zu 
leisten,  während  er  der  Vertiofüng  dienen  will. 

W^ie  die  moderne  Didaktik  auf  die  Konzentration  oder 
die  möglichst  vollständige  Zusammenfassung  dessen,  was  formell 
oder  materiell  zusammengehört,  grosses  Gewicht  legt,  so  fordert 
auch  Rettenbacher,  dass  man  bei  der  Lekttire  der  alten 
Schriftstoller  immer  die  Ausdrücke,  Redensarten  und  Kon- 
struktlonen  vergleiche  und  zu  grösserer  Verständlichkeit  die  alte 
Geschichte  und  zugUnch  die  Altertümer  heranziehe.  Im  Gin- 
klange mit  Rettenbacher  sagen  die  „Instruktionen":  .J]v  kann 
in  der  That  im  allgenn  inen  nicht  zweifelhaft  ersclieiueu,  dass 
aus  d(T  alten  Geschichte  im  Sprachunterrichte  das  oberste  und 

*)  Hnadbuch  der  Entiebungs-  und  rnterrichtslehro  filr  hsher»  Schulen* 
lienttsgegebeii  toh  Dr.  A.  Baumeister.  III,  S.  207. 

22* 

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328     Mitteiluugeu  ü.  (ics.  f.  deuUcbe  Erziebungs-  u.  ticbulge«cb.  VIII. 


iiäcliste  inhaltliche  Konzontratioiis])rinzii»  aliL'^olcitot  werden  niuss.'* 
Will  man  sirh  (Iber  die  irriechisclir  ( J escliicht i-  unterrichten, 
so  muss  man  Ihm  Hcnulot.  Thucydides,  Plutarch  und  Curtius  iu 
die  Schule  ^^ehen.  Will  man  die  römische  Geschichte  kennen, 
so  muRS  man  F'lorus.  Livius.  Sallust.  Sueton,  Tacitus,  Caesar. 
Eutrojiius  und  Appian  lesen.  Die  Kenntnis  der  Altertümer 
gewinnt  man  durch  Lii)sius.  Budaeus  und  Scaliger.  Die  Kiick- 
sicht  auf  die  Kon/.cntration  trä^-^t  aueh  dazu  hei.  dass  Rettenbacher 
für  Caesar  die  schun  vorher  eiwalmtt  Aus<:alie  von  Wechelius 
emphihlt;  denn  sie  enthalt  ausser  den  Karlen  und  Alil»ildun;ren 
einen  eindrehenden  spnu  hlieh-saclilichen  Kommentar,  ein  ^reo- 
frrai)hisch  -  ethnojrraphisches  Xamensverzeichnis  und  Erkläruiif^ 
>\ichtiger  GejrenstÄüde  aus  dem  römischen  Krie^rswesen,  wie  des 
a^'ger,  valluni,  musculus,  der  testudo,  vineae,  plut4.'i  und  tunes 
mbbiles. 

Weiter  besteht  Rettenbachs  darauf,  dass  man  nach  Be- 
endigung eines  grösseren  Abschnittes  eine  Pause  mache  und 
die  Hauptgedanken  in  wenigen,  aber  markigen  Worten  wieder- 
gebe; denn  sie  seien  gewissermaassen  Apperceptionssttttzen, 
welche  den  ganzen  Inhalt  kurz  festhalten.  Namentlich  sei  es 
geboten,  Ciceros  Reden  logisch  zu  zergliedern,  d.  h.  Inhalt  und 
Disposition  derselben  anzugeben.  Rettenbacher  charakterisiert 
Cicero  folgendermassen:  „Inter  latinos  oratores  primos  tenet 
Cicero  et  solus  ex  antiquis  superest^  qui  iustas  orationes  scri- 
pserit.  Quintiiianus  enim  et  ^eneca  pater  deelamant,  non  perorant/ 
Damit  ist  gesagt,  dass  nur  Ciceros  Beden  klassisch  zu  nennen 
sind,  weil  sich  bei  ihm  die  schdne  Form  mit  dem  bedeutsamen 
Inhalte  verbindet,  während  Quintilian  und  Seneca  ihr  Augenmerk . 
mehr  auf  den  sprachlichen  Ausdruck  als  auf  den  Gedanken 
richten.  Cicero  war  ein  Orat^ir.  Quintilian  und  Seneca  nur 
Deklamatoren.  Aehnlich  kennzeichnet  ^lartin  Schanz  in  dem 
von  Iwan  v.  Müller  herausgegebenen  Handbuch  der  klassischen 
Altertumswissenschaft  den  Unt  r  hied  zwischen  dem  forensischen 
Redner  in  der  republikanischen  Zeit  und  dem  scholastischen 
unter  dem  Prinzipat  in  folgenden  Worten:  ..Der  Redner  des 
Forums  spricht  zu  Leuten,  welche  die  Entscheidung  seiner  Sache 
in  den  Händen  haben;  der  Redner  der  Schule  zu  einem  Publikum, 
von  dem  er  nichts  als  Lol)  und  iieif'all  ernten  kann:  der 
forensische  Iledner  will  überzeu<r<'n.  der  scholastischt'  jret'allen, 
jener  den  Willen  l»estin)men,  dieser  Phantasie  und  X'erstand 
reizen.    Der  forensische  Redner  wird  von  dem  Bewusstsein  ge- 


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21.  P.  Simon  Rettenbacher,  «in  österreichischer  Pädagoge  etc.  329 


hohen.  Uass  von  seincMi  Worten  der  Ausgrang  der  Sat  hc  welcher 
er  sein  Wort  hMht,  ahhUiigt,  der  scholastische  weiss,  dass  seine 
Rede  ein  luftiges  Spiel  des  Geistes  sei.  Bei  dem  forensischen 
Redner  ist  es  die  tiefe  innere  Ueberzeugung.  aus  der  er  seine 
siegreiche  Kraft  Rch(}pft,  der  scholastische  hat  nichts  aJs  düe 
kflnstlidie  Aufregung,  das  hohle  Pathos,  durch  das  er  zwar  be- 
täuben, aber  nieht  erwamen  kamt.  Bei  forensischen  Rednern 
ist  die  .Rede  nur  ein  Mittel  zur  Erreichung  eines  höheren 
Zweckes,  bei  dem  Schulredner  dagegen  ist  die  Rede  alles;  der 
erste  vermag  auch  durch  die  schlichte,  zum  Herzen  gehende 
Sprache  zu  wirken,  der  zweite  bedarf  des  Pikanten  und  Manie- 
Herten.  Des  forensischen  Redners  Gebiet  ist  das  frisch  pulsierende 
Leben,  der  scholastische  Redner  spinnt  sich  ein  in  die  trttbe  Welt 
des  Scheins;  jener  führt  wirkliche  Waffen,  dieser  macht  Luft- 
hiebe." 

.  Damit  aus  der  Lektttre  Ciceros  möglichst  viel  Vorteil  ge- 
schöpft werden  könne,  empfiehlt  Rettenbacher  die  bei  Petrus  und 
Jacobus  Chovet  im.  Jahre  1646  gedrückte  Ausgabe,  welche  bei 
jeder  Rede  eine  kurze  Inhaltsangabe,  eine  Disposition  und 

sprachlich-sachliche  Randbemerkungen  bietet.  Er  wünscht,  dass 
die  formell  und  sachlich  gleich  vorzügliche  Rede  „De  imperio 
Cn.  Ponipei*"  so  bald  als  möglich  gelesen  werde:  Quam  maturrime 
legas  orationem  i)ro  lege  Manilia:  elegans  enim  et  gravis  est. 
Dettweiler  hestätigt  dieses  Urteil,  indcMii  er  sich  iil)er  diest;  erste 
Staatsrede  Ciceros  also  auslUsst:  ,.ni('  Ponipeiana  ist  da.s  Muster 
einer  formvollendeten  Rede,  die  Itlr  die  Einfuhrung  in  di«'  Be- 
redtsamkeit  als  Litteraturgattung  vortrefflich  geeignet  ist.  Sie 
konzentriert  sich  auf  einen  wichtigen  Vorläufer  der  ^lonarehie 
und  behandelt  einen  nicht  nur  für  die  römische  Ueschichte, 
sond«Tn  allgemein  hedeutsamen  Vorgang,  die  L'ebertrngnfiir  (^iiier 
ausserordentlichen  Gewalt.  Damit  onthält  sir  zuirlciih  <-iiit'n 
wi('htiL''<'n  politisch«'!)  P>('irnff.  AIht  auch  allgcniciii  menschliche 
\'riii;iltiiiss<'  und  TugnidiMi  crlinltrn  wii-  in  dein  an  der  P«Mson 
df's  P<miiM  jus  typisch  hezeieliiM'tcn  l-'rhllierrnidt  al  mit  sciiirn  vier 
grossiMi  ( li'^-iclitsitiiuktrn :  der  Kriegskenntnis,  der  allü'emeinen 
Tii(liti;ik(it.  (Irm  AnsclK^n  nnd  dem  Glücke.  Ein  Volk  mit 
aristokiatisch-i'e{)ul)likaiiis(licn  Einrichtungen  sinht  hier  von 
srllxt  der  Monnichif  zu  um!  erkennt  ihre  Bedeutung  für  die 
Si<  liei-niig  liiich  aussen  uiihewusst  an.  Die  Beziehungen  dieser 
Rede  nach  vor-  und  rückwärts  und  zu  dem  gleichzeitigen  L'iiler- 
riciit  sind  zahllos."     Anders  freilich  mtcilt  über  diese  Rede 


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330    Mitteilragen  d.  Ges.  f.  deatsc^e  BrBiehanf»*  u.  Schulgeach.  VIII. 


Neuiuann.*)  Er  schreibt:  „Wie  hohe  Erwartungen  audi  Cicero 
durch  die  Einleitung  erweckt,  so  liefert  doch  die  Rede  den  fiber- 
zeugenden BcwtnB,  dass  in  ihm  keine  staaüsmilnnische  Ader  vor- 
banden war.  Bi8  findet  sich  in  ihr  kein  einziger  politischer  Ge- 
dankt, ja  die  Rede  berOhrt  nicht  einmal  den  Kern  der  Frage» 
sondern  giebt  nur  das  politische  G«schwätz  der  Spiessbfirgor  in 
veredelter  Ausdrucksweise  wieder,  sie  ist  ja  nur  ein  volltönendes 
Dcho  der  herrschenden  Tagesmeinung. Und  Schans  pflichtet 
ihm  bei,  da  er  sagt:  „Scharf,  aber  richtig  urteilt  Neumann  Aber 
diese  fiede.** 

Vollends  erstrahlt  Bettenbachers  Unabhängigkeit  in  glän- 
zendem Lichte,  wenn  wir  seine  Stellung  zu  dem  Qri ethischen 
ins  Auge  fassen.  Eine  gewaltige  Kluft  trennt  ihn  von  Arnos 
Comenius,  we;lcher  sich  mit  einer  oberflächlichen  Kenntnis  der 
griechischen  Sprache  begnügte  und  von  den  SchtUem  nur  ver- 
langte,  dass  sie  sie  zur  Not  verstehen  lernen.  Der  Eifer,  mit 
welchem  Rettenbacher  für  das  Griechische  eintritt,  ist  um  so  l)o- 
nierkenswerter,  als  er  sich  dadurch,  wie  ich  in  meiner  Studie: 
,.P.  Simon  Rettenbachers  Stellung  zu  dem  Griechischen'*  (Linz 
1894)  ausführlich  dargethan  habe,  in  den  grössten  (Jegensatz  zu 
dem  Zuge  seiner  Zeit  setzt;  war  es  doch  infolge  des  geistigen 
l'ebergewichtes.  welches  Frankreich  unter  Ludwig  XIV.  über 
Deutschland  erlangt  hatt<>.  dahin  gekommen,  dass  die  griechische 
Sprache  geradezu  als  roh,  barbarisch  und  ungebildet  verschrien 
wurde.  Das  Studium  des  Griechischen  lag  ganz  darnieder  und 
war  so  verachtet,  dass  das  Sprichwort:  „Quod  graecum  est,  non 
legitur"  in  Schwnnir  k;nii  Tn  drn  Schulen  hielt  man  das 
(triechische  immer  mehr  für  ('iitl)ehrlich.  dafür  fanri  aber  das 
Französische  durch  servile  Rektoren  immer  mehr  Kintraiig. 

Dem  Zeitgeiste  zum  Trotze  wirft  sich  unser  Rettenbacher 
zum  Vorkämpfer  der  Griechen  auf.  In  einem  an  seinen  Studien- 
freund 1  Ladislaus  Schrenck  gerichteten  Briefe  vom  9.  D(^zember  KJol 
gi(*l*t  t'i-  ihm  den  Rat.  sich  auf  das  Studium  des  (Tiiochisehen  zu 
verlt'ucn:  denn  die  latf  inisclie  Sprache  sei  ohne  die  griechische 
iin\  (»llständiir  und  unvtdlkoinnicii.  Die  gleiche  Mahnung  kehrt  in 
den  Hiiideii  vom  7.  J''<'l>ruar  Wuh*  und  vom  ^.  Jnli  liJöf)  wird»'i'. 
Die  hohe  MfirninL»".  Idic  (^r  in  seinen  jungni  Jahi  l  U  von  Hellas 
hatte,  ändert*'  er  aui  Ii  als  Mann  fdebt.  Ja  die  edle  Wäi'me.  mit 
wtdeher  er  als  L'niversitätsstudent  über  die  Griechen  geschrieben 


(Jtscliichtt'  Rouis.    JI.  Bd.  .S.  U7. 


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21.  P.  Simon  Rettenbacher,  ein  Otterreiehiseher  Hdagoge  etc.  331 


hatte,  steigerte  sich  im  gereiften  Alter  bis  zur  Begeisterung.  Er 
war  von  der  tieberlegenheit  des  hellenischen  Geistes  in  Sprache 
und  Idtteratur>  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Poesie  roll  und 
ganz  Überzeugt.  Die  Dichtungen  der  Griechen  sind  ihm  das 
Beste,  was  die  Poesie  des  klassischen  Altertums  geschafTen  hat 
„Wie  fast  in  allen  Zweigen  der  Wissenschaft,'*  schreibt  er,  „so 
sind  auch  auf  dem  Gebiete  der  Poesie  die  Griechen  den  Römern 
voraus,  die  lateinischen  Diditer  halten  mit  den  griechischen 
kaum  einen  Vergleich  aus.  Was  giebt  es  denn  Herrlicheres  als 
Homer,  welcher,  unerreicht,  niemals  genug  gefeiert,  niemals  genug 
erforscht,  die  Keime  aller  Wissenschaften  in  sich  birgt?  Wie  mUchtig 
ziehen  uns  Hesiod  und  Tbeognis  zur  Tugend  hinüber!  Pind<'\r 
^lOht  vor  Begeisterung,  während  er  die  lieier  schlügt  und  die 
Sieger  besingt.  Wie  sanft  trtfstet  der  greise  Anakreon  unter  alt- 
ohrwUnligen  Bechern!  Was  soll  ich  von  Simonides  sagen? 
Haben  Aeschylus.  Sophokles  und  Euripides,  die  ge- 
priesensten  und  gefeiertsten  Tragöden,  nicht  die  grossartigste 
und  vollendetste  Leistung  der  Poesie  vollbracht?  Aristophanes 
ist  ein  geschniackvollor  Komiker,  wenn  auch  der  Ungehuudcn- 
hcit  ergi'hen.    Thcokrit  ist  die  Liebe  und  Lust  der  Hirt<'n, 

So  scheidf'ii  sich  seine  Wege  von  denen  Julius  Caesar 
Sraligers  (1484  ir).")S),  obwohl  er  ihn  so  hoch  scliiUzt,  dass  er 
iliii  oiiifnal  „lucenteni  stellam^,  einen  leuchtenden  Stern  nennt. 
Scaligr'r  verfasste  eine  dickleihip-o  Poetik,  welche  geradezu  eine 
autoritative  HiMlmtung  brsass.  Opitz  schloss  sich  ihr  an  und 
verwertete  sie  in  seinem  liii^l  lieninsgegelM'neii  Biiehh-in  ..die 
teutsehe  roeleiv.V,  und  seihst  (iie  Franzosen  Hedelin  d'Aubignac 
und  Hnih  au  lehnten  sich  an  sie  an.  Sie  war  eine  Quelle  schwerer 
Irrtiinief:  stellte  Scalig<'r  doch  in  ilir  einen  Vergleich  zwischen 
den  rrmiisehen  und  grieehischen  Epikern  und  Lyiikern  zu 
rnguusten  der  (irierhen  an.  Er  <'rklärte  nieiit  nu't  Aristoteles 
(las  Drama,  sondern  das  Epos  flii-  das  lhi(  hste.  was  die  Poesie 
gesciuiUen.  Er  erhob  Vergil  in  den  Himmel  unil  warnte  vor 
Homers  Ausgelassenheit  und  seiner  loekeren  Ki  dt  weise: 
„Exemplum.  regula,  priccipium.  hnis  esse  dehet  nobis  Maro. 
Homericam  fuge  licentlam  et  laxum  dicendi  genus."  Unter  den 
Lyrikern  stand  ibm  Horaz  obenan.  Pindar  tief  unter  ihm. 

Rettenbacher  hält  demnach,  das  Studium  der  griechischen 
Sprache  fOr  notwendig,  scbQn  und  nUtslich.  Es  ist  ihm  ein  un- 
entbehrliches und  unersetzliches  Bildungsmittel.  Ohne  Kenntnis 
der  griechisclicn  Litteratur  gicbt  es  für  ihn  keine  klassische 


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3B2    Uitteilnngen  d.  Ges.  f.  deutsche  Bnsiehuugfl-  u.  Schalgesdi.  VIII. 


Bildung:  ^Sine  graeca  eruditione  quis  umquam  doctus  aut  fiapiens 

evasit?"  Mit  bittoror  Ironie  ^cissolt  er  daher  die  falscben  Philo- 
sophen  seiner  Zeit.  Avelcbe  die  philosophischen  Forschungen  des 
Altertums  ohne  das  Studium  der  Griechen  bloss  aus  l  elxM- 
setzungen  und  Knnunentaren  kennen  lernen  wollen.  „Soll  ich 
etwa,"  i-uft  er  in  heili^rer  Entrüstung  aus.  „die  für  Peripatetiker 
oder  Akademiker  halten,  welche  niemals  aus  der  reinen  und 
unverfülschten  Quelle  eines  Aristoteles  oder  Piaton  getrunken 
haben?*" 

Und  wie  Rettenbacher  in  der  Theorie  dem  allgemeinen 
Beispiel  abhold  ist,  so  hebt  er  sich  auch  praktisch  als  Lichtbild 
von  ihm  ab.  Er  ist  im  üriechischen  ebensogut  wie  im 
Latciiiisclu'ü  hrwaiidort,  er  verwendet  in  seinen  lateinischen 
Briefen  mit  Vürli(0)('  ( 'itate  aus  Homer.  Sophokles.  Silin mides. 
Xenophon  n.  a.  und  srhrciltt  seinen  Freunden  zuweilen  griechische 
Briete.  Er  dankt  seine  gedie^^ene  Kenntnis?  des  Griecbiselien 
dem  bewährten  h'ate  seines  berühmten  ( Dinners  Leo  Allalius.  der 
ihm  während  seines  Aufenthaltt'S  in  lUnn  die  Granuuutik  des 
Lascaris  und  die  gelehrten  Koininentai-e  des  Budäns  über  die 
griechische  Sprache,  „aus  denen  beinahe  alle  Lexikographen  das 
meiste  entl(d)nen-.  empfohlen  hatti»,  und  kann  selbst  diese  beiden 
Werke  nicht  genug  eniplehlen. 

Es  sei  noch  gestattet,  die  didaktischen  Weisungen,  welche 
Rettenl)aeher  in  der  schon  wiederholt  genannten  Schrift  „Libioi  iiui 
ad  omnes  scientias  notitia"  dem  Freunde  über  den  hist(trisehen 
Unterricht  gielit.  zu  wtlrdigen.  Sie  nehmen  die  wichtigst»!» 
Gi'sichtspuukte  der  niodernen  Didaktik  vorweg,  was  um  so  höher 
anzuschlagen  ist,  als  der  Unteriicht  in  der  (ieschichte.  um  mit 
den  ^Instruktionen**  zu  sprechen,  zu  den  „SorgeiUiindern  di'r 
Didaktik'*  gehört. 

Kettenbaehers  Weisungen  für  den  Geschichtsunterricht 
lauten  im  einzelnen  folgendennassen:  Zuerst  nehme  man  all- 
gemeine Geschichte  in  Angriff,  um  gleichsam  mit  einem 
einheitlichen  Blicke  die  Vorkommnisse  in  der  Welt  betrachten  zu 
können.  Die  allgemeine  Geschichte  sei  mit  politischen  und 
ethischen  Vorschriften  zu  versehen;  innerhalb  eines  Jahres  werden 
die  Hauptabschnitte  der  Geschichte  gelehrt  werden  können. 

Zweitens:  Nach  der  allgemeinen  Geschichte  gehe  man  an 
der  Hand  eines  kurzen  Abrisses  zur  Einzelgeschichte  Uber. 
Am  meisten  befasse  man  sich  mit  der  deutschen  Geschichte, 
da  es  jedem  zieme,  sein  Vaterland  zu  kennen.   Im  Einklänge 


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21.  P.  SinMm  Rettenbacher,  ein  österreichischer  FSdagi^e  etc.  B38 


damit  sagen  die  „Instrulctlonen'^:  „Als  die  letzte  und  wUrdigstf» 
Stufe  des  historischen  Unterrichtes  im  Gymnasium  ist  die  ein- 
gehende Behandlung  der  yateriändiscfaen  Geschichte  zu  be- 
trachten."  (S.  225.) 

Drittens:  Die  alte  Geschichte  ist  vor  der  neueren  zu 
studieren  und  dem  Studium  der  (^schichte  lasse  man  das 
Studium  der  Geographie  vorangehen,  damit  man  wisse,  wo  die 
Provinzen,  Reiche  und  Städte  liegen;  dafür  werde  eine  kurze 
Beschreibung  der  ganzen  Welt,  ein  sogenannter  Atlas  minor, 
wie  der  des  Janssenius  und  die  Introduktion  des  Abraham 
Ortelius  dienlich  sein.  Für  Deutschland  werde  Caesar  und 
Tacitus'  geographisch-ethnographische  Schrift  Germania  gute 
Dienste  leisten.  In  gleicher  Weise  Kussorn  sich  die  „In- 
struktionen^: ^Beide  Kurse:  Unter-  und  Obergymnasiuin  be- 
ginnen mit  der  alten  und  schliessen  mit  der  neueren  Geschichte 
ab.  (S.  200.)  Die  Geschichte  bedarf  der  Unterstützung  durch 
die  Erdkunde,  der  (Jeschichtslehrer  wird  es  niemals  unterlassen 
dürfen,  jeder  historischen  Darlegung:  eine  anschauliche  Darstellung 
des  Schauplatzes,  auf  dem  sich  die  Ereignisse  abspielten,  voran- 
gehen zu  lassen.*"   (S.  2:J5.) 

Viertens:  Man  soll  niflit  ( n  s(  hi(  litt  hen  niaclien.  sondern 
G»'schichte.  d.  Ii.  man  soll  die  historischen  Thatsachen  nicht  nach 
französischei'  Manier  äusseriich  aufputzen,  sondern  einfach  und 
wahr  erzählen. 

Füllt  teils:  ^lan  suclic  das  historische  lnteres.se  zu  er- 
wecken und  zu  erlialtpu.  Ebenso  schreiben  (b'e  „Instruktionen" 
S.  *2()7  vor:  ..  1  )eiiiziitt)li:e  niuss  in  den  juji-eiulliclien  Geuiiiteni 
znnüclist  (las  iiistoriscln'  Interesse  erwerkt.  stetii:  ^-eniaeht  und 
dann  alhnähh'ch  zu  iiistorisefiom  Sinne  entwickelt  werden.'' 

Viele  sind  berufen,  nbej-  wenige  auserwiililt.  Unter  (Uesen 
wi  nii:eii  Auserwählteii  l*elia(h't  sich  P.  Simon  Kettenbacher, 
bei'  s<h!irliti'.  einfache  und  anspruelislose  Benediktinermöneh 
gehr»rt  al.s  tleiu^eher  Horaz  (h'r  Wejtiitteiatur  an.  nicht  nüuUer 
alicr  aiirb  als  i*ä(lagoge.  der  ilie  Kleinm  uii«l  tWr  (irosscn  zu 
sieb  kuinnien  liess.  Denn  er  liat  aul  den  in  der  Wdksbildung 
w  urzelnileii  Haum  des  Lebens  kräftige,  h-bensfähige,  fruchtbare 
Setzlinge  gepfropft. 


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•134     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Endehanga-  u.  Scbulgcech.  VIII. 


Weiuiarifiiche  Schulorduiuig  von  1^70. 

Von  Lwiwis  WeilgWy  Direktor  des  Oyninasianis  in  Weinur. 

Die  gidchmässige  Foitontwickelung  der  Weimarfschen  Stadt- 
und  Landschule  im  Anschluss  an  die  Schulordnung  von  1610*) 
wurde  durch  die  vom  Generalsuperintendcnten  D.  Johannes 
Kroni  ay  or  als  Ephorus  der  Anstalt  durchgefttbrte  tiefeingreifende 
Reform  des  Unterrichts  und  zum  Teil  auch  der  Zucht  auf  mehr 
als  drei  Jahrzehnte  unterbrochen  *).  Die  Not  der  Zeit  und  äussere 
Umstände,  vor  allem  aber  das  in  der  Sache  selbst  Verfehlte, 
fahrten  dazu,  dass  noch  vor  Ablauf  eines  Jahres  nach  Eromayers 
am  13.  Juli  1043  erfolgten  Tode  sein  mit  so  viel  Kraft  und 
Zähigkeit  ins  Leben  gerufener  „Neuer  Methodus**  abgeschafft 
wurde.  Indes  geschah  dies  doch  erst  im  Zusammenhange  mit  der 
längst  begehrten,  vom  6.  November  1643  bis  zu  Anfang  Februar 
1644  durchgeführten  Visitation  der  Weimarischon  Stadtschule. 
Mit  landosfili'stlichor  GoiK'hinijrun^  WTirdf  danarh  (lurcli  Kronia\'ors 
Naclifol«r<T  D.  Xicolaus  Zopf  die  alte  L<'!irw<'iso  wiodor  her- 
gesti'ilt.  So  lebte  die  SehulordniiTiL'^  von  1610,  die  nach  kaum 
achtjähnp-er  Dauer  für  inim<M'  hcsciti::!  '^phicn.  jetzt,  nach  34 
Jahren,  wiederum  auf)  und  sollt«^  für  längere  Zeit  niaass<rel)end 
lilrihen.  Die  im  einz«'lnen  nötifr  «rowordeni'  Umjrestaltuii':  des 
Unterrichts  stellt  der  erhaltene  ..Methodus  L»'ctionum"*.  d.  h.  der 
.Stundenplan  Ober  die  wöchentliche  Lehr*  und  Lernarbeit,  vom 

')  Vgl.  Mittt-ihinKtn  Jahrg.  Till,  S.  1—45. 

*)  AutffQhrlich  bebandelt  in  der  Abhandlung  nRAticbius,  Kromayer  und 
der  Neue  Methudua  an  der  Schule  eu  Weimar"  von  L.  Wenif^er  in  der  Zeit- 
Mhrift  f.  Tliüriim.  (ifschithf*'  XVHI  fX.  F.  \'>  S.  HOU  ff. 

•)  Virl.  Zapls  Hrriilit  in  dt  r  <'lit  ii  cnviiliiiit  n  Abhandlung  über  Hatickiua 
«ic.    ZeiUtl»r.  f.  Thür,  üvt^ch.  XVIIJ  (N.  V.  X.>  8.  44«. 


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22.  Weimariscbe  Scbulortlnuu^  von  lü7Ü.    Von  Ludwig  Weniger,  335 


Jahre  U»44  )  dar.  Erst  1670  wuidf  eine  neue  »Schulordnung 
riiigctilhrt.  Sie  steht  in  dem  von  un.s  Irüiier  erwähnten^)  alten 
l'rkundenbuche  d«  r  WeinianHcheii  Schule  und  soll  im  Folgenden 
veröffentlicht  werden. 

Die  Sduilr  hatte  sicli  in  der  Zwisrhpnz(Mt  von  11)44  I)i8 
1«')70  unter  manchrn  iiincF-fMi  und  äusseren  8chvvieri;jkeiton  woitcr- 
entwickelt.  Die  Ulilcn  Xachwirkun^^en  des  dreissigjährii:i'n  Kn('<r(»s 
machten  sich  noch  hin^^e  jielltnd.  1650  fand  wicdciuni  eine 
Kirehi'ii-  und  Schulvisitation  statt,  zu  der  dieselben  Visitatorcn, 
wie  l()4.i,  nämlich  als  \'t'rtr<  tcr  des  fürstlichen  Oberkonsistoriums 
der  Hofrat  Platner  und  als  Vertreter  des  geistlichen  Ministeriums 
der  Generalsuperintendent  D.  Zapf,  bestellt  waren.  Sic  begannen 
ihr  Werk  am  22.  April.  Protokoll  and  Reyisionsbericht  sind  noch 
erhalt<^a-^)  und  gAwShren  einen  deutlichen  Einblick  in  den  dajna- 
ligen  Schulbettieb.  Mancheriei  Schilden  kamen  zu  Ta^.  Die 
alte  Elage,  die  schon  der  Ephorus  D.  Lange  1613  Torgebracht 
hatte,  dass  es  an  festen  Unterrichtszielen  für  jede  Klasse  mangele, 
wurde  auch  diesmal  laut.  Die  Besoldung  der  Lehrer  wurde  un- 
rogelmässig  oder  gar  nicht  gezahlt  und  darttber  erlahmte  die 
Freudigkeit  des  Wirkens.  Noch  1655  reichten  sämtliche  Eirchen- 
und  Schuldiener,  vom  Generalsupcrintendenten  an  bis  zum  letzten 
Kollegen,  ein  dringendes  Bittgesuch  um  Erstattung  der  rllck- 
stftndigen  Gehälter  ein,  und  als  Herzog  Wilhelm,  dessen  Hilfs- 
quellen wohl  selber  versiegt  waren,  ihnen  zumutete,  auf  einen 
Teil  der  Reste  zu  verzichten,  wiederholten  sie  ihr  Gesuch  mit 
inständiger  Bitte.  Die  Herrschaft  that,  was  sie  konnte.  Als 
am  28.  3Iai  1058  die  Schlosskirche  eingeweiht  wurde,  machte  der 
Herzog  eine  Stiftung,  aus  der  jährlich  an  diesem  Tage  100  Gulden 
antielde  und  6Scheffel  Korn  an  Brote  unter  die  Geistlichen,  Kirchen- 
und  St  huidien«'!'.  wir  auch  an  Schüler  und  Arme,  ausgeteilt  werden 
sollten*).  1()64  starb  die  Herzoginwitwe  Elcmore  Dorothea. 
In  ihrem  Testann-nte  vermachte  sie  8(K)  Meissniselie  (Juld<Mi  zur 
Vci  trilung  an  (Tcistliche.  Lehrer  und  Schiller,  und  am  14.  Februar 
ltHi5  wurde  das  Vermächtnis  ausgezahlt^). 


'i  Mitirrtcilt  in  der  Abb.  Katichius  etc.  Zf:'U»chr.  (.  TbCiring,  Uesch. 
XVI II  (N.  F.  X)  a.  27«. 

*)  Mitteilungen  VUI,  8.  12. 

*)  Stftdt.  faistor.  Archiv  m  Weimar  1, 27»  55,  der  ReTit^ionsbericlit  mich  in  57. 

*)  Schwab»',  ('{immoTitarii  de  schola  Vinanfnsi.  Vinariat' isif».  p.  17.  Die 
Stiftung'  wird  tioi  h  jetzt  aiii  2y.  Mai,  dem  „KleiDcn  Wilhelnistage",  vertriit. 
'■>)  Schwabe  a.  (),  S.  31). 


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836    Mitteilnngen  d.  Oes.  f.  deutsche  Erzieh uugs»  u.  SchulgeBch.  VIII. 


Koktor  der  AV<'iniarischeii  Schuir  war  nach  Joachim  Knap;\ 
unter  (lern  Kromayors  Neuer  M«*thodus  abgeschafft  wurde,  im 
Jahje  1660  ein  Weiniarisches  Stadtkind  geworden,  M.  Friedrich 
Müller,  Verfasser  eines  griecbiseben  Eflementitfbuchs  und  einer 
lateinischen  Scbulgrammattk.  Er  kam  1670  als  Pfarrer  nach 
Meilingren  und  starb  1701.  Sein  Nachfolger  war  M.  Johannes 
Nikolaus  Frank  aus  Hohenberg  im  Vogtlande,  yoni  27.  Mai  1670 
bis  zum  6.  Dezember  1671,  an  welchem  Tage  er  als  CoUaborator 
in  den  Kirchendienst  trat;  spftter  wurde  er  Hof^rediger  in 
Eisenberg. 

Die  Schule  hatte  1670  noch  immer  ihre  alten  sechs  Klassen, 
doch  mussten  nach  wie  vor  immer  zwei  derselben  in  gewissen 
Stunden  zusammen  unterrichtet  werden,  so  dass  man  mit  den 
fttnf  Schulzunmem  des  dttrftigen  Hauses  an  der  Ecke  der  Jakob- 
strasse, in  dem  auch  der  Bektor  seine  Dienstwohnung  hatte'), 
auskommen  konnte.  Angestellt  waren  damals  neben  (1)  dem 
Bektor:  2.  der  Konrektor  M.  Zacharias  Hogel,  Klassenlehrer 
der  Sekunda,  vom  28.  Oktober  1666  bis  zum  20.  Oktober  1670, 
wo  er  die  Leitunir  des  Gymnasiums  seiner  Vaterstadt  Erfurt 
tibernahm:  3.  der  Subkoiiivktor  M.  Ernst  Dillinger  aus  Daas- 
dorf, Klassenlehrer  der  Tertia,  vom  28.  Oktober  UMi  bis  1687; 
4.  der  Kantor  Johannes  Friedrich  Rück  er  aus  Peine.  Klassen» 
lehrer  der  Quarta,  vom  8.  Mai  KlöS  an;  ">.  der  Quintus  Johannes 
Oeo!^  Hosken  aus  Ristorf  (Rüssdorf  a.  d.  feister,  Amt  Weida  ?). 
seit  dem  H).  Juli  UWJ:  0.  der  Sextus  und  Collega  Intimus 
Johannes  Gastorius  niis  Blaukenhain,  seit  Dezember  KUH. 

Als  Ephorus  der  Schule  war  vonAltei-s  her  der  ei-ste  (fei.«*t- 
lirhc  an  der  Stadtkirche  zu  S.  Peter  und  Paul  bestellt,  damals 
also  D.  Nicolaus  Zapf,  geb.  2.  Fibruar  KKX)  zu  Milbitz  im. 
Schwarzburgischen,  ein .  gelehrter  Theologe,  der  in  Jena  und 
Wittenberjr  seine  Studien  jjemacht  und  von  IfKj.J  -  42  als  Professor 
der  Theologie  und  der  Hebräisehen  Sprache  an  d'-r  rnivereität 
Erfurt  p'wirkt  hatte.  1(U2  war  er  als  Kirchenrat  nucii  Weimar 
bernft'ii  und  KU.'J  zum  Gerieralsuperintendent  und  obersten 
(»eistlichen  ai)  der  Stadtkirche  ei-nnnnt  worden.  Kr  starb  am 
20.  An<riHt  hiT'i  und  lifL''t  in  dei-  Stadtkirche  b^LTaben.  Zweiter 
( ieistlii'li'  f  mit  d«'in  Titt  l  Arrliidiakunus  war  seit  dem  IT».  Miiiz  lt>7<) 
der  bishei'i^'e  Diakimus  Aii;iii<tin  Kromaye!-.  ifstorlieii  am 
H.  Novemlx-r  ItiTO,  dritter  Ueisllicher  seit  Lütare  lü70  M.  Ernst 


')  rt  htr  Jiis  ahf  Hchulhau.-i      Abh.  liaticUiu.-«  elf.  a.  ().  S.  4.>i,  s;{. 


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22.  Weimarische  Scüuloriluuuif  vou  l(i7ü.    Vor»  Luilwi^  Weniger,  .'i^ii 


Kicolaus  Ki'diuayer,  Diene  l)rn.  Zaitt'uiid  dir  lici(l*'ii  Kroiiiayer. 
I)ihl('ten  1(>70  (las  geistli>be  Ministcfiiini.  die  dei-  Scliulc  ziiiiiichst, 
vorgesetzte  Behönle.  mit  dem  ersten  Geistlichen  als  NOisitzemleni. 

Patron  der  Stadtkin  ln'.  wie  der  zu  dieser  fjehörijieu  Schule, 
war  der  Stadtrat,  an  dessen  Spitze  damals  der  Bürgermeister 
Peter  Schröter  und  der  Stadtrichter  Georg  Hildebrand 
standen. 

Die  oberste  Aufsicht  hatte  die  Staatsi'cyicruug  duich  da.s 
seit  H>12  für  die  \\ » üii.ti  isclicn  Latule  eiiiircrichti^te  Oberkon- 
sistoiium,  dessen  Vorsitz  der  lürsthche  Kanzler  Dr.  Rudolf 
Wilhelm  Krauss  führte;  nehen  ihm  wirkte  als  Assessor  der 
Hofprediger  Lic.  Eonrad  von  der  Lage. 

Die  gemeinscbaftliche  Landesregierung  führte  nach  Wil- 
helms IV.  1662  erfolgtem  Tode  der  älteste  seiner  vier  SOhoe, 
Johann  Ernst,  geb.  1627.  Er  war  der  Vater  des  um  Weimars 
Gymnasium  so  bocbTerdienten  Herzogs  Wilhelm  Emst 

Verfasser  der  Schulordnung  von  1670  ist  der  Gteneralsuper- 
intendent  D.  Zapf.  Dies  bezeugt  die  im  Urkundenbuche  vorausge- 
schickte lateinische  Niederschrift  des  Rektors  fVank.  Dass  sie  kein 
neues  Werk  sein  will,  sondern  auf  Grund  der  bisherigen  Normen,  d.  i. 
also  der  Schulordnung  von  1610  und  des  ,,Metbodus  lectionuni'* 
von  1644  hergestellt  und  verbessert  ist,  wird  ausdrücklich  gesagt. 
Die  Veranlassung  zur  Abfassung  bot  die  Anstellung  des  neuen 
Rektors.  Frank  war  am  27.  Mai  1670  durch  den  Ephonis  feier- 
lich in  sein  Amt  eingeführt  worden.  Er  übernahm  damit,  so  be- 
merkt er  selbst,  die  Pflicht,  auch  die  Geschichte  der  Schule 
fortzusetzen,  und  so  verdanken  wir  ihm  die  Aufzeichnung  dessen, 
was  wir  S.  330  ff.  zum  Abdruck  hrin<r<'n.  Zujrleich  le<rte  er  ein 
Album  der  neu  aufzunelimenden  Schüler  an.  das  noch  vorliaiiden. 
ist:  es  IxL^nnt  mit  dem  80.  Mm  1()7().  Am  18.  .Juli  und  den 
folgenden  Tagen  wurde,  wie  gewöhnlich,  die  öllVntliche  Jahres- 
Itrüfunjr  voi-irenommen.  dann  foljrte  der  sclmn  damals  übliche 
Kedeakt  und  damit  slIiIoss  das  laufende  ^Schuljahr. 

In  den  Hundstau-f'  rien  machte  man  sich  nu't  Kifer  an  die  Auf- 
hcsserunfr  des  schadhatKMi  Seliulhauses  und  seiner  Einrielitun^r.  Zu- 
L^lf'ir  li  ürss  es  sich  dor  Kphorus  anfrele<ren  sein,  di«'  Ordnung''  <h'r 
\  ci  haitnisse  nn\  l<'stzii>tellen  und  ni'Mlcr/usehreihen.  Aber  erst 
am  Tair<»  Nicnlaus.  den  (».  T)ezcnil)('r  1(»7ü.  wurde  die  fccti^'c 
Schulordnung  im  Namen  und  Autlraj^e  de.s  Laiide-^lnirii  von 
D.  Zapf  in  An\s  (  seuhcit  des  Stadtrats  und  der  Geistlichkeit  teier- 
liclt  verkündigt. 


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338     Mitteiluiigcu  d.  Gas.  f.  deuUcbe  £rziehuugä-  u.  Schuigesuh.  VUl. 


Die  Sclmlorduuiii:  von  1670  unifasst  in  ansfülirlicher  Dar- 
stellung'' das  (Tesaniti'citirt  drr  Srhnlvcrlassung.  die  Aufgabe  der 
Lclirci  .  wir  der  »Seliüler.  Erziehimg  und  Unterricht  iiu  allgemeinen, 
wi»'  im  einzelnen,  mit  besonderem  Eiu^rebt  ii  auf  Sin<recbor.  Curn  nde 
imd  Freitiseh:  den  Absehhiss  bildete  aiuii  diesmal  ein  bis  auf 
Weiteres  gidtendtr  .Stundenplan.  Diese  Ordnung  der  Verbält- 
nisse hat  bis  1712  bestanden,  jenem  für  die  Weinmrische  Schule 
bedeutungsvollen  Jahre,  in  weleheni  sie  beim  Anitsanlritt  des 
Kektors  Johann  Christojjhorus  Kiesewetter  am  21.  Januai" 
durch  Herzog  Wilhelm  Ernst  in  ein  Gymnasium  verwandelt, 
nach  seinem  Namen  benannt  und  mit  neuen  Gesetzen  ausgestattet 
wurde.  Die  Schulordnung  von  1712,  welche  gleich  nach  ihrer 
Vollendung  in  Druck  erschien,')  stimmt  nicht  bloss  in  ihren  Grund- 
Zügen,  sondern  auch  in  vielen  Einzelheiten  mit  der  von  1670 
ttberein;  man  darf  sie  als  eine  Ueberarbeitung  bezeichnen,  die 
manches  kttrzt,  manches  erweitert,  einige  Stücke  neu  hinzufügt, 
im  wesentlichen  aber  sich  an  das  Werk  des  B.  Zapf  hält,  das 
seinerseits  wieder  mit  den  älteren  Arbeiten  von  1644  und  1610 
in  Fühlung  steht  und  sich  gelegentlich  auch  auf  die  Visitation 
von  1650  bezieht. 

Ueber  vierzig  Jahre  also  haben  die  Satzungen  von  1070 
Geltung  gehabt  Nur  der  Stundenplan  erfuhr  während  dieser 
Zeit  eine  Umgestultung.  Dies  geschah  unter  dem  Hektorate  des 
als  Gelehrter  und  Schulmann  gleich  bedeutenden  Chris tophorus 
Cellarius  (1073 — 1(570).  In  seiner  Geschichte  des  Weimarisehen 
Gymnasiums  teilt  Schwabe^)  den  Inhalt  eines  im  Originale  jet7.t 
verlorenen  typus  lectionum  für  die  drei  Ob*'rklassen  vom  Jahre 
1(175  nnt.  der  einen  Fortschritt  L'-f^^cn  die  bisherige  Lehrwi'ise 
bedeutet,  insofern  er  zuerst  (Jescdnchte  und  Geographie  in  den 
Unterricht  der  Prima  und  Secunda  aufnimmt. 

Die  Schulordnung  von  1670  ist  die  erste  in  deutscher 
Sprache  abgefasste  der  Weimarischen  Schule.  Hie  .\nstalt  könnt«' 
bereits  damals  als  ein  Gymnasium  gelten,  da  sie  auf  di<'  Uni- 
versität vcM'ben'itete  und  in  die  drei  fr<'mden  Sprachen  Lateiniseh. 
Griechisch  und  Hebräisch  einführte.^)   Die  Kromayer  sehen  Re- 

')  (Ji'.xrt/.r  /  ih  n  Li'lirvn-  und  Lttrueutlüu  deä  Fürstlichen  Wt'iinarUchen 
Gymnasii  WUheljHO-Eme»tini,  ztir  gewissem  Nachricht  und  lutlirera  Heob- 
arhtung/iDi  Dnick  jmbiidret  Anno  171*2.  (Waiipen)  danelbet  ;;odnickt  bey 
Joh.  Leonhard  Munihachen    I'  S.  Ilof-Ihichdr.  29  8.  foL 

'»  f'itniiMt'ntjirii  «lo  schohi  Viii.  |>  '2*y 

ü^mnitötum  heissi  die  Weimarische  Schule  bereit.«  in  der  Nitdcr.schritt 


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22.  Weimariäche  Sohulurduunt;  von  1070.    Von  LuUwig  Weniger.  339 


foniini  erschoinen  in  dt'u  ncufii  ViTüidiiuii^^cn  fast  ^anz  verwischt, 
gt'legentlieli  schimmert  so«rar  ein  bewusstcr  (Jf^ensatz  durcii 
(vgl.  Cap.  TTI.  8.  TY.  8.  4.).  Auf  das  Einzelne  iialuT  einzugehen, 
mUsst'ü  wir  uns  dicsuial  versa}.''»'!! :  über  Vichts  <rt'lH'n  die  Anmer- 
kungen zu  unseier  Darstellung  der  Ratichischeu  Bewegung  in 
Weimar  Aufschluss.') 

Q.  D.  B,  V. 

Rpctor  Scholae  Vinariensis, 

M.  Jo.  Meolaus  Frank,  Variseos, 

ex  acadeinia  Salana  legitim^  vocatus,  et  in  spectatiss.  Nolnlissinior. 
atqj  CLmor.  "\'iroruin  consessii,  introductus  et  renuutiatus  a  niaxim«'' 
Keverendo  atqj  Exocllentiss'«  Virn  r>n.  NIPOLAO  ZAPFFIO  SS.  Th.  D. 
Pastore  ac  Superintendente  üenerali  ineritissinio  etc:  d.  XX\  II.  JUAll 
MDCLXX. 

In  rtttnam  prona  sunt,  quae  sine  fundamentis  creaeimt. 
Fundameata  autem  non  in  stimmo  qoaere;  aed  in  imo:  nec 
Gontanme  panra,  aine  quilnts  magna  eonsistue  naquaunt 

Quanquam,  L.  B.  neo  laudca  Hiatoriae  ullius  explicare  possit 
eloquentia,  neo  praestantiam  .<$uinina«  roi  mea  jani  dicere  velit  teuuitas: 
non  taniPti  alicmun  ab  hoc  loco  aihitrnr.  si  trihus  saltem  verbis  com- 
memoi  CHI.  Histoiiain.  iit  vitae  Civilis  oiiinis,  quod  disertifsinms  Cicero  ait. 
81(1  sclu>lH»tieHe  eiutipriiriis,  magist raui  e^jse.  Xon  vacat  lon^a  cxcmplonnn 
Serie  idipüum  ostendere.  Negotium  certe  aiiceps  non  unum  qüutidie  in 
scholis  oritnr;  Casus  dubii  plures,  disquisitionas  ▼ailae,  mnlto  quaiidoq} 
cttin  perkolo,  exsurgunt:  quae  et  alla  plura,  nec  Meius  neo  facUius 
dgudicant},  quam  Legibus,  C<»iatltuUonibu8,  dietis  et  exempUa.  ConstituI 
inde,  cum  mihi  munua  Rectoris,  sunimi  rerum  bumananim  arbitii  gratia, 
conerederett,  quae  ^  commodo  scholastico  eesent,  consignare,  annalesqi 
Seholae.  exeniplo  laudatissiniorum  Antecossorum  hrevitPi-.  absqj  vorhoruni 
loiiocinio  vpI  fuco.  contiuuare.  Id«  quod  fauätum  &  iellx,  pusterisq^, 
si  qui  erunt,  salubre  sit! 

I. 

Et  primft  quidem  omnium,  laborum  aodos  recenaendos  duco,  Collegas 
nn  [?]  amantlssimoa  [sie],  eandem  mecum,  quoad  DEO  risum,  telam 
pertexentes.  Fuerunt  z  [?]  hi  El.  atqi  Ezimü  VUU. 

Bn.  M.  Zacharias  Hogelius,  Erfurt  introductus  ad  ConKectoratum 
d.  2a  Octobr.  im 


(U's  Rektors  Salzbuber  von  lülO,  .s.  Mitleiliiugen  VIII,  S.  U  u.  10.  Auch  in 
M.  Ghristiani  ATianl  Oratio  funebris  in  obitum  D.  Abraliami  Langii  1716 
bei  Wette,  Histor.  Nachr  1  S  411  wird  der  Auwiruck  (iyn)na.siuin  Lfebraucht 
*)  V^l.  Ahh.  Haiidiins,  Kromajer  etc.  Zeitschrift  (ftr  ThOr.  Oesch. 
XVill  (N.  F.  Xj  Ö.  277  ff.  448  ff. 

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840     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehung»-  u.  iSchulgesch.  Mll. 


T)n.  M.  Knie.stus  Dillingerus,  DasdorfKo-Thuringus,  SubConHector, 
delectus  &  iiitroductus  die  28.  Octobr,  lOW». 

Dn.  Jo.  Frideiicos  SQltker,  Peinends^Saxo,  Islebia  ad  Ca&tontmn 
vocatus«  d.  29.  MaitU,  1658.  in  seholam  mtroductus  Vin  Migi«  Anni 
«ijtisdem. 

Ün.  Jo,  Georgrius  Hoskenius,  Ristorfio-Thuringus,  liteiis  Du.  Super- 
iiitendentis  Generalis,  d.  8.  Julii,  1(i(j9.  Vinariam  vocabatur,  ab  eodeni 
d.  10.  Julii  in  rmiA  praoisfut»'  Du.  Syndico  Jo.  Htnrico  Krausoldo.  Dn. 
Petro  R('hr(»tt  ro.  alii.>i(j5.  cxamiiiabatur,  et  d.  subseq.  XIII  meiiBia  üiius 
ad  othfiuin  (^uinti  iiilrddutchatur. 

iJn.  Jo.  Gaiitorius  Blaukeniiaiiieusis,  Sextu:;,  anno  iCAü  niense  Xbri 
introdttctus. 

II. 

Die  ah  introduttione  t/ertio,  in  discipulorum  meorum  XVill.  qaos 
acceperani,  profectus  inquiro:  inde  Leetiones  lueas  exordior,  et  in  iis  per 
mensem  recto  tramite  pergo.  Appropinquabat  Interim  tempua  EXAMINI 
publice  destinatum«  ad  quod  non  täm  propter  necessitatein  &  coosaetttdinem, 
qnam  inauper  nt  Rector  tum  Itä  pridem  conatatutua  Venerandis  Dun, 
Epboria  atq^  Patronis.  suam  probaret  tiOa  mathoduiii  tum  dext^ritatem, 
maxini^  Reverendus  DN.  Superintendens  Generalis,  alacriter  contendebat. 
Die  ita(n  XVlII..Iulii  Heetor  inilites  primae  classic  in  publicum  producit, 
lustratq^.  qupni  «fMiminfur  per  .singulofs  dief  reliquorum  ordinum  praefecti. 

IntcrtiK'iuiit  Aitibus  hisee,  e.vt'inplo  nifiiiurantlo.  .stiauiq^  erga 
rem  lit^raiiam  ex  sstholä.  beuevolentiani  ac  cuiam  testati  sunt  publicö 
Magnificnai  atq^  NoUIisaimus  Dn,  Rndolphus  Wilhelmus  Krauaz» 
Cancellariiis  atq)  Pratosjnedrii  Praesea  eminentiasimua,  maxim^  Reveren- 
dua  et  Excellentiasimus  Dn.  Inspaetor,  NobUiss.  Dnn.  Secretani,  cum- 
primis  Siglingius,  Ampliss.  Cos.  Dn.  Petrus  Schröter,  Perquam  Heverendi 
Miiiistri  Erclesiae,  Dn.  M.  Ccmradus  Don  ber  lÜkige,  Dn.  Au^iiatinuB  & 
Dil.  I.i  in  >tiis  Nicolaus  Kromayeri,  qui  ad  flnem  neqi  comtauUam  auam 
abunde  probarunt. 

Sequitur  nunc  C'atalnirus       iiMilnniiu  [folgt  das  Verzeiclmis  von 


18  Priinaueru,  dazu  S  neu  versetzitri,  inarlit  2ü 

24  Seeundanem,  24 

29  Tertianern,  29 
[Quarta  feblt^  leeres  Blatt]  . 

(iH  Quintanern,  53 

72  Sextanern,  72.] 

III. 


Finitft  ita,  per  DEI  gratiam,  publica  hac  ilrrtbu,  duo  bonae  mentis 
alunmi.  Georgius  1^  rnhardus  Martini,  Jo.  Cliristianus  Kronuiyer. 
Vinarien.ses.  d.  2").  .Julii.  in  publicam  produeti  sunt  eathedrani.  «V.  dixerunt 
ille.  de  lACOHO  Aposfnld.  i  uju-  Ihm  lüi»  reculebat  menioriain  Kcclnsin:  bic 
de  KxHmiuum  scholasticuruiu  ncces^itate  ac  utiiitate.  Mox  ilii,  qui  iiterii, 


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22.  Wehiiarische  .Sfbulordmui{,'  vou  lOTü.    Vuu  Ludwig  Wt-ui^aT. 


pietatc  ae  moribus  suo  noii  defueruiit  ufiieio,  diguiorem  in  locuni.  ut  vt  l  ali- 
quod  esantlatorum  laborum  esset  praemium,  eTehebantur,  feriaeq^  qiias 
caniculares  vocant,  ä  Dn.  Supermtendente  indicebantor. 

IV. 

Int*'iiiii.   dum  lalioros  pt!l>lici        oKlinaiü  iii.  Aniplissinnis 

Oido  Spuatorius.  interccdeut«'  veiniaiidt)  Dn.  Inspectoro,  totiis  lalMuat. 
Ut  exesao.  sIttHn  Pt  illuvie  obductae  aeües  scholasticac  et  Heetoris,  i-esti- 
tuerentur.  priseaq)  lux  ipsis  redderetur.  Quo  in  opere  admodum  desudavit 
cura  AmpliBsimi  Dni  Petri  SchiÖterit  Consulis,  quod  nequaquam  bic 
tacendum,  aed  grato  animo  dicendum  arbltror. 

V. 

Dum  Iii  in  aedibus  repai'audis  versantur,  maximf^  Hevereudus  Du. 
B.  Nieolaus  Zapffius<,  mdustriam  suam  dicat  Legibus  interpolandis:  quae 
hoe  anno  die  NICOLAI,  solenni  modo,  nomine  et  auctoritate  Serenissimi 
atq}  Celsisstmi  Prmdpis  ae  Dn.  Dn.  Jo.  ERNESTI,  Ducis  Saxoniae  etc. 
Principis  ac  Domini  nostri  clementissimi  etc.  a  modo  laudato  Domino 
In^peitore.  ]>raesentibus  Dnn.  Cos.  ac  Ecclesiae  Ministris  promulgatae 
sunt.   Quas  htc  inserere  Tolui. 


{ 


Schul-Ordiiimg. 
Von 

I  Beruff  undt  Annehmuui^  der  Schuldiener  Cap.  1.   Pttg.  1. 
'i  Ambt  undt  Verrichtung  derselben,  belangende  derer  Cap.  M,  Pag,  il. 

Lehre  undt  Lehrarth  Cap.  3.    Pag.  3. 

Disciplin  Cap.  4.    Pag.  4. 

Vnterhalt  undt  Ht'soldiin;;  Cap.  I    Paff.  J. 

II.  SchfiU'iii  oder  T)is<  ippln.  wi-lclic  Cap.        Pag,  6. 

Kiiiliciiiii>i(  h-  Stadl-  imdt  I.fdid  Kinder  Ködern. 

AMssländisih-  timlt  Frembd«',  Cap.  7.  Pag.  7. 
Ambt.  undt  \'eniilituui^  dfisollMn,  beides  dero 

Gottseeligkeit^  undt  Erbarkeit  Cap.  B.    Pag.  fi. 

Studieren,  undt  Ambtfleiss  Cap.  8.   Pag.  it. 

Canforeg  Cap.  9.  Pag.  lt. 

Freytisch  Cap.  10.   Pag.  1H. 

C'orent  Cap.  11.    Patj.  /.». 

III.  Ejaminiba»  Cap.  1:.'.    Pag.  13, 
I  ym'vn  Kodon. 

\  iJiiiiis^inn  Kodrm. 

IV.  SchnllUi«  lu'i  n.  vndt  Tiijn»  J.c-i.  Ködern    Paii.  />•'. 

V.  Kamnlo  undt  dfssfn  \'i'ii'i<lituu>;  Cup.  />'.    Pay.  /''. 

MitUsiJungcu  U.  <i«js.  f.  UwiiUclie  Kr»it»h.-  u.  Schulgoschiclitc.  Vlll  4  l&ite, 


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342     Hitteiluiifeik  d.  Ges.  f.  deutsche  Bniehungs-  u.  ßchtügesch.  VIII. 


Diese  Schulordnung  ist  Wo  1712,  da  diese  Schal  zu  einem  Opmnatio  er- 
htthet  worden,  renoviretf  Terbesseit,  und  durch  den  Druck  publicürt  worden. 

PAg.  1.  Sohtü-Ordnung. 

Cap.  T. 

Von  Ueruff  undt  Annehmung:  der  Schuldiener  undt  wie  aUe  CoUegen 

bestellet  werden  sollen. 
Demnach  der  Sohn  Gottes,  unser  einiger  hoher  Priester  undt 
Bischoff  den  Schulstandt  mit  seiner  einigen  Person  undt  Lehr^Ampto  ^'c- 
heiliget:  So  ist  sonder  Zveiffel  sein Wohlgeftlliger  Wille,  dasa  in  demselben, 
nach  seinem  heiligen,  seligmaehenden  Wortte,  alles  ordentlich  zugehen 
möge.  Dannenhero  uf  gnädigsten  Befehl  der  hohen  I^andtes-fflrstlichen 
Obrigiceit  die  t)isshenge,  hiesiges  Orths  in  den  Schulen  gehaltene  Schul- 
ordnung zur  Handt  genommen,  fleifssig  filiorsehen.  enienert.  undt  mit 
unterschiedlichen  gesetzcn  VcrhossiMt  worden.  Alss  *  istlich,  so  viol 
die  Personen,  besonders  die  I'raeceptores,  undt  Sclmi-CollegeH  anreicliet. 

1. 

Sollen  jRecfrjr,  undt  Colk[nn,  nci  hst  heiliger  Göttlicher  SchrifTt. 
denen  Librin  St^mboiias,  in  der  Fm-mulu  Concordiac  vertasset,  worauf  sie 
in  Pflrstl.  Obei<7oMRSl0rä»  den  Heligioiffi-ISydt  abgeleget.  Von  hertzen  tor 
gethan  Verbleiben,  keinen  Secten,  darinnen  verworffen.  anhSngig  sein« 
noch  dem  heutigen  einschleichenden  Verdamttchen  SyfiwrdumOj  undt 
l^elfpiOMS^ Vermischung,  einigen  Beyfall  geben. 

% 

Bey  beetellung  der  Schuldiener,  so  sich  eine  oder  die  andere  stelle 
verlediget,  sollen  alle  nrgnr-  undt  schfldliehe  Missbr&ucbe,  undt  Vnordnung 

Vermieden,  undt  untüchtige  INrsonen  rn  Schuldienem  keines  Weges 
aufgeTininiiH'U  undt  i^leichsain  r'iudrängeu.  dargegen  aber  InMimif.  ir«>tt- 
seeli^'(\  ^TPh'hrtc  iiiidt  geschickte,  als«  dir  mit  sonderlmhn  n  galMU  y.u 
lehren,  von  (iott  vei-sehen,  undt  der  Schuljugendt  nützlidi  (iieuen  können, 
befördert  undt  beruffen  werden. 

3. 

Darmit  mann  aber  zu  dergleichen  tfichtigen  Personen,  iederzeit 
desto  eher  gelangen  kOnne,  hat  mann  ihnen  auss  der  FOrstl.  Säcbss. 
Kirchen-Ordnung,  die  Hoifiiung  zu  machen,  dass,  Wo  sie  in  der  Schule 
etzliehe  Jahr  gearbeitet,  undt  darinnen  sich  tleissig  undt  wohl  verhalten, 
auf  h  gonsten  das  Predigambt  zu  lOhren  tttchtig  seyu,  Vor  andern  bedacht 
w^erdou  sollen. 

4. 

Die  Praecepiores,  undt  Schul-Lehrer,  so  die  Schul-jugendt  recht 
unterrichten  wollen,  sollen  ehrliche,  erbare,  vorsichtige,  eingezogene, 
mSssige,  undt  sittige  Leute,  sejn.  welche  Gottseeligkeit  undt  Erbarkeit 

Die.-^c  Anmerkung  i^t  späterer  Zusatz. 


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22.  Weiuiaiische  Schulordnung  von  107.0.    Vou  Ludwig  Weniger.  343 


lieb  haben,  dass  sie  wollen  undt  können  die  jugendt  recht  uiuit  wohl 

imterweisseu,  massen  Sie  dann,  ehe  Sie  vortreschla^en,  benennet,  uudt 

zum  Schuldienst  begehret  werden,  dessen  Kcuu^sam  Uhrkuidt  undt 
Zeugnttsse  vorzuseigen  haben  sollen. 

Captit  II. 

Tom  Ambte  undt  Terriehtiing  der  Schuldiener  betreffend  dero  Lehre. 

1. 

Die  Schul-lehi'er  sollen  vor  allen  Dingen  dahin  zielen  und  bemüht 
sein,  Wie  Sie  der  Sohuljugendt,  den    undt  des  wahren,  seeligniacbenden 
Pa«,2i    glaubens,  undt  eines  Christlichen  ]  Wandels,  aus  heiliger  göttlicher 
Schrlflb  undt  den  Symbolischen  Bflchem  recht  legen,  undt  diesse  von 
Irrwegen  undt  ftt^gemflssen  der  Kinder  diesser  Welt,  abführen  roOgen. 

2. 

Nechst  diessen  sollen  sie  ihnen  angelegen  sein  lassen,  dass  in  diesser 
Schule,  die  droy  Häupt-sprachen.  alss  Lateinisch.  Griechisch  undt  Kbreische, 
nach  prfnrdcntn^''  dp«?  alters  undt  Verstandtcs  dpr  Schul  Knaben,  ge- 
lehret, unilt  •^(iwcit  hcgriÖ'en  werden,  damit  Sie  daiiiint'n  iif  UmversiltHen 
fortkommen,  undt  ihnen  auch  ohne  praeceptoren  selbst  torthelffen  können. 

X 

Die  SchreiWkunst.  nicht  allein  in  trenibdeu,  sondern  auch  in  uusser 
Mutter-spracbe  Orthograpktce  uudt  leserlich  zuschreiben,  soll  von  den 
Praec^pU^rm  in  allen  Ckuem,  was  dero  Argumenta  undt  Exeratia  an- 
langet, fleissig  beobachtet,  undt  gelehret  werden. 

4. 

Die  frejen  KOnste,  oder  Philosophischen  Disoiplinen  anlangende, 
ist  bcwust,  dass  solche  zweyerley:  Ingtrumental-  undt  Pnnci'jMtl-  oder 
Ikal'Diaoiplincn  sindt.  Die  Imlrumenfales  alss:  Grammatica,  Jlhefortra, 
ihatoria  undt  Logim,  müssen  nndt  sdlloii  in  der  Sihiilo.  imiiifüchster 
msisscu  tractiret.  undt  damit  zugleich  zui  Praxi  geschritten  werden.  Die 
Jieales  aber,  alss:  Metaphr/fft'ra,  Pnennnft'ea,  1*hißgica,  Math^aiica,  unilt 
I*hiloso])/na  jn-uetnu,  ^vhüien  eigentlirli  aull  Universität tii.  dcrowegen 
dem  iTn:h\i\-Mähodo  uugemäss,  undt  kflnfftig  nicht  nachgesehen  werden 
soll,  dss  solche  derer  Praeeepfaren  ein  oder  der  andere  seinen  dt9CtpelHf 
unter  den  Schulstunden  vontutragen,  undt  be^rzubringen,  sich  unter- 
stehe, damit  die  Zeit  obgedacht«n  nothwendigem  studijs  gelassen, 
undt  die  Knaben  mit  allzuviel  JjeC^onm  nicht  Qberhftuffet  werden  mögen. 

"). 

Die  Rechenkunst,  einen  iegliclien  in  seinem  Standte  undt  Ambt 
Hochnot luvcndig  undt  nützlii  h.  soll  von  der  untersten  Ciass,  bis  zur 
Obern,  angefangen  uudt  gelelu-et  werden, 

(V 

Ebeniiiäs^^ii^»'  Hi'sctiiitlftilH'it.  liat  es  mit  der  Mksic,  oder  Singkunst^ 
nemlich  solche  von  dem  Cantore,  zu  lehivn,  undt  zu  üben,  sollen  die 

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344     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehuugs-  u.  2H-hulgesch.  Vill. 


Hohiil-Cn/iri/ni,  iluv  \  ortrautc  JJUcipd  davou  nicht  ab,  sondern  fleissig  au- 
zuhalten.  Hchuidi^  sein. 

7. 

Ein  treuer  Sehullehrer  muss  der  Information  seiner  discipel  hawz 
ergeben  sein,  kau  iindt  soll  derovejfen  keiner  andern  Arbeit,  so  seinem 
Ambte  hinterlich,  undt  nachtheilie:,  abiraiten.  Viel  veniger  ihme  die 
Freyheit  nehmen,  zuTerreissen,  mflssiger  geaellschallt  beizuwohnen,  alle 
Hochzeiten  ansszulauffen,  undt  andern  seine  Schul-arbeit  zuverrichten, 
anzubefehlen,  oder  aufzutragen. 

a 

Do  aber  iemandt  ehrliche  undt  ehrhebliche  uhrsach  hat,  Ober  feldt 
zw  Wrreissen,  soll  er  selbst,  (  ho  er  darvon  >;eliet,  dem  Sitjjen'ntendem'm 
solc  hes  anzeigen,  undt  sicli  hernach  nicht  anders,  auf  fahlen  pterüeu 
finden  lassen. 

Weil  aiu-h  eines  iedeu  i^ebnl -Lehrers  Lerfitm  mult  \interweisun;;. 
an  g'ewisjie  Zeit  undt  Stundten  «iclmiult  ii.  l'i  va^^e  iU*^  Ti/jfi  ih'r  Lcct tonen, 
soll  er.  ehe  es  ^resehlaj^en,  fje^cuwt  rti^;  i,vyu.  nicht  nur  eine  \*iprtol- 
oder  halbe  Stundte  (:Wie  es  von  etzlichen,  bissher  die  erlaliruii^  ;4t  - 
i^'eben:)  sondern  bey  benahmter,  undt  verordneter  strafe,  seine  Stundte 
völlig  damit  zubringen. 

Caput  III. 
Vom  der  fVoeeeptoren  Lehr-arth. 

1. 

Die  l  hr-iilte.ste,  beste  arth  undt  Weisse,  sprachen  undt  Künste» 
zulehren,  ist  diejeui^^e,  Welche  in  Schulen,  nach  den  dreyen  mentts 
ijperatiombtts,  dass  ist  geschfifften  Menschliches  muths  wohl  in  acht  ge- 
nommen, undt  gehalten  wirdt,  derer  erste  heist,  f6rfiK  vS^  «iiatp^tniv,  der 
Verstandt,  unfeilbahren  Wörter,  undt  fenninonim,  welche  in  den  sprachen 
vor  alten  Dinaren  Kürtzlith  erkläret,  undt  von  den  Bchulknaben  aus- 
wendij^  jLrelernet  werden  niflssen.  die  andere  i."<t.  z'rMzi;  xat  'Av^.zzt;  tiV/ 
wr^lx'J-")-..  (h'V  AVfirtnr  »mdt  ifrminornm  Zusaniniens«'tzMn>?.  n«U>r  der  711- 
snmnirn>;est'i/,teii  'Oialiism  undt  auf  lö.sunj,',  zu  w  Ii  In  1  naeh  der  ersten 
Operation  un-^eiimig  ^beschritten  werden  soll,  dii-  tiritte  i.st 
T|  oiT.ota,  eine  gantze  reile.  oder  discur$,  welche  in  .Schulen  der  gantze 
Teaett  oder  ein  argumetü  genennet  werden,  undt  damit  die  I^raeeeptores^ 
ihre  Sehal'LedioH  zu  beschliessen  haben. 

2. 

Gleich  wie  nun,  eine  Natur-  oder  leibliche  speisse,  soll  sie  dem 
Leibe  zur  gesundheit  dienen,  dreymahl  im  selbigen  gekochet  werden 
nlu^s.  also  sollen  die  praecepfores  keine  opei-ntio»  hintansetzen,  noeh 
unterlassen,  sondern  nach  allen  dreyen  ihre  Lediones  ordentlich  ab- 
handeln. 


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22.  Weim&rische  Schulordnung  roti  1670.  Von  Ludvrig  Weniger.  345 


8. 

Die  Knaben  Coptom  Verhorum,  der  ersten  Operation  ungeachtets 

aus.s  dem  Text  undt  der  Praxi  ühorkoninjon  lassen  wollen  (:Wio  otzlicho 
in  ihrem  einjjoführten  Mrthndo  dieselbe  übergangen,  undt  solche  nach 
der  andern  undt  drittrii  straks  in  Texi  ^'•fwie-^sPTi:)  ist  «snvip!.  als  einen 
ein  Hauss  ziihiuirn  anweissun«;  tliun.  ehe  luau  lioltz  undt  steine  in 
\'(irratlj  luult  bereit scliaflTt  hahe.  l)erowe«;en  haben  die  l'nirrrpfores  nach 
der  rechten  Leliraith  sich  zulieniülien.  wio  sie  den  lüiaben  die  W  orter 
undt  Terminof  erstlich  bekandt  machen. 

4. 

Hierauss  foljjen.  naeli  der  andern,  die  Phrasedogia  undt  inttffrae 
gententiae,  welche  zusammen  gesetzet,  readvirt  undt  amUpsirt  werden 
müssen,  nachdem  es  die  fiM^ruMeMAi^Disciplm  erfordern  thut«  so  in  der 
Class  frocftft  wirdt. 

Nach  der  dritten«  die  smjpto  Granmatiea,  Metorici,  oder  I^ogich 
Coniposita,  ad  imt'iationem  f^e^reljen,  oder  auss  einer  in  die  andere, 
sonderlich  Teutsche,  v&rtiret  werden. 

6. 

Uml.  weil  es  mit  dem  blossen  aulj^fben.  undt  reciii'ren  nach 
diesseni  Mffhndo,  bei  \\'i  itlien  iiiidit  ausp'r<»nf*litr't.  so  sollen  die  Srhul- 
Lehrer.  aut  i» 'le  I  irtion  zuvor  tleissi^  meil/'fircii,  tiudt  Avass  Sie  ihren 
anvi'drauten  di.st  (ptht,  vorzutragen  haben,  aulzeichnen,  damit  der  Fleiss. 
•M)  wol  be,v  ihnen,  als  diesseu  beruhen,  uudt  seineu  Zweck  erreichen 

'a».4.  r;,|,l!t  W 

Von  der  Schuidiscipün,  welche  die  J^raeeq^rea  zuhalten. 

1. 

liulzucht  l:\\'orint)e».  nebeust  treullei.»>>iifer  i^elire.  undt  niiitf- 
\M  isunjr.  in  spiai  lu  ll  und  Künsteu.  der  andere  theil  des  Schulambts  \>v- 
bt«'liet:)  ist  in  heiliger  (iöttUcher  Schrifll,  nicht  weniger  denen  üneeeptotn, 
al$s  Eltern.  Obrigkeiten  undt  Lehrern  in  der  Kirchen,  auf  gewisse  mase. 
fest  eingebunden,  undt  anbefohlen  worden. 

9 

Soll  diesetlie  in  der  Schul  nicht  sincken,  oder  gar  fallen,  müssen 
I*raecepUires  hierinnen  Ihres  anbefohlenen  Ambts  zubrauchen  ilmeu 
ernstlieh  auf^eiet^eu  sein  lassen.  Ihre  dtsct'jnl,  zum  Fleiss  undt  gehorsam, 
in-  undt  ausserhall>  d*M-  Schule,  Eltern  undt  I^aecejäoren  xu  erweissen. 
ermahnen  undt  anhalten. 

\\  i'  wuhl  die  Schulju^jendt  zur  (Jottseeligkeit  uudt  tieiss.  \  iol- 
mehr  niii  gelinden,  sauötmütijren  Wortten,  Lol>-reden  undt  Yerheissung 
des  nutzens.  so  sie  darauss  zugewartten,  aufzuwecken,  undt  anzureitzen, 


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346     Mitteiiungeu  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehun^s-  u.  Schulgesch.  VI  II. 


als  mit  schelten,  betrohung  undt  straßeu  anzutreiben:  So  stcdcpt  doeh, 
sonderlich  heutigestages,  den  Knaben  die  thorheit  so  tieQ  im  heitzeu, 
dasB  JPiraeceptores  '  vißht  allein  mehr  straf-vortto,  imdt  Ambtseyfer,  als 
Baniftmutli  %m  Inraacben,  sondern  aucli  der  ScbUlge  nndt  Streiche  nicht 
gemfiseiget  noch  gefibriget  sein  kOnnen. 

4. 

Undt  do  sollen  Praeeej^ort»  sieh  des  Hacculs  undt  der  Ruthe  nicht 
schämen ,  Königs  Salomons  undt  dess  Ägyptischen  KOnigl.  Znchtlehrers 
Birachs,  j»  des  heiligen  Geistes  Rchul-Zucht  Meistern  undt  sagen:  Es 

wprdp  7U  erhalttin<j:  der  dtsc/plin  mit  .«ehlii^^on  undt  Ptreiehon  in  Schulen 
wenij^er.  als  nichts  auss^erichtct .  sey  auch  hcutezut-age  ;;ar  abkniiien, 
die  KiiaUeii  (isondi^rlich  die  «^nisscrn:)  mit  Kuthen  zu  steupen.  welches 
nichts  desto  besser,  uudt  leider  die  Erfahrung  bezeuget,  ds.s  für  den 
JPraeet^rioren  unter  den  Knaben,  fast  weder  furcht  noch  scheu  mehr 
sein  will. 

m 

O, 

Jedoch  sollen  Sie  susehen,  undt  ihre  düeipel  mit  schlagen  undt 
streichen  solcher  massen  zfichtigen,  dass  von  ihnen  nicht  henckermässig» 
sondern  väterlich,  wie  mich  nach  beschaffenheit  undt  grOsse  des  Ver- 
brechens, damit  Terfabreu  werde. 

0. 

Di«  groben  Excrst^e,  der  unirehorsameu  undt  Wiedersetzigen  soll 
«Irr  Jini  IT  dem  Sujjiiiinhndtnien  anzeigen,  Welcher  uebi'ust  dem  Patrono^ 
die  Veiunluung  zuthuu,  dass  solche  mit  gefängniss  gestratfet,  oder  aus» 
der  Schule  geschaffet  werden. 

7. 

Es  soll  ein  ieder  Praeceptor  in  seiner  Clms  heiinlichc  Coryzaeos  be- 
stellen, welche  auf  die  Knaben  achtung  geben,  dass  sie  ohne  geschrey, 
still  undt  zflchtig  sur  Kirche,  Schule  undt  wieder  nach  Hause  gehen, 
in  denselben  nicht  waschen,  muthwillen  treiben,  grobe  Zotten  reissen, 

sich  si  l)]a<^on,  auf  den  gassen  den  fflrübergehenden,  nicht  nachschreyen. 
Doch  bei  Bürgern  undt  frembden  der  Schule  einen  bdsen  nahmen 
machen,  die  Nahmen  der  strafffälügen  au£zeichnen,  undt  dem  J^aecej^ion 
überreichen. 

8. 

Denmach  auch  iu  allen  sständteu  der  Kirchen  ein  i^xemj^/arisdics 
Pif.6.  Leben,  derer,  die  anderen  damit  voigehen  sollen,  bey  guter  düctj^lin, 
dass  meiste  undt  beste  thun  muss,  wie  davon  Augustinus  £püi.  ILi. 
schreibet,  jilus  valkü  vivendi,  qudm  loguendi  modus:  undt  Hilarius  Can.  $ 
in  Matth:  optinmm  est  exemplis,  potihs  docere  quäm  didis,  alss  sollen 
auch  die  I'raccepfores,  ein  Vorbild  ihrer  Hecnle  sein,  undt  ihnen  mit 
guten  Exeinpehi  vorleuchten.  Denn,  wie  können  sie  die  Knaben  rw  rede 
setzen,  oder  straffen  in  diessem,  dariunen*Sie  selbst  strftfflich  uudt  ver- 
werfflich  seyn? 


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22.  Weiniaritwhe  Öchulordnuug  vou  1Ü7U.    N  un  Ludwig  Weniger.  347 


9. 

Sollen  nun  an  der  Scliul-jugendt  Gottseeligkeit,  und  ärgerliches 
Leben,  fluchen,  schweren,  Verseumniss  des  Gottesdienstes  undt  der 
Sebulstnnden,  ungehoraaiiif  sehlagen  undt  sohmeissen,  fressen,  sauffen, 
iinzucbt»  stehlen,  Caf»mmm  undt  deiigletchen  gestrafet  werden,  so  wirdt 
der  In^edwn  amlit  erfordern,  fletssig  aufsieht  xn  haben,  undt  zuverhüten, 
damit  dergleichen  hoch-  undt  ärgerliche  Laster  bey  den  Sohuldienem 
nicht  statt  finden,  undt  ungestraffet  bleiben. 

10. 

Bey  Schul-  undt  Kirchen  Versammlung  sollen  JPiraeoq/tores,  ehe 
der  Zeiger  schlfiget,  oder  aussgeleutet  wirdt,  die  .'ersten  sein,  damit  in 
«lero  sflmbtlichen  gegenwartli  mit  beton  iiTult  Ringen,  tnm  Oottpsdirnst. 
undt  ficn  gfwrthnlifhen  iichul-Lectionen,  oin  anfaii^^  <,'pniarht't  werde. 
r)i»',j<'iii':t'n  alu  i-.  so  licrnach  geschlichen  konniieu,  od»'!"  solclic  i^^ar  ver- 
seunn'11,  lial)eu  ihre  gebärende  undt  verdiente  straffe  zugewarthen. 

Caput  V. 

Ton  Yrnterhalt  nmdt  Beaoldimg  der  Sohmldiener. 

1. 

Demnach  bisher  vermerket,  dass  die  Praecepiores  ihrer  Schularbeit 
ülienlrüssig  werden,  undt  die  hilnde  sinken  lassen,  aticli  ctzUfho  der 
SfhM]ire«etze,  sich  dahero  unverbiinden  irarlitet.  imlfni  die  iK'suldiing 
niclit  »"rbiiget,  sondern  gult  nlheils  zurückldtebcu,  welches  keine  geringe 
Vrsach,  warumb  das  Schulwesseu,  viel  Jahr  her  in  merckliches  abnehmen 
Kemthen;  Alss  hat  die  Landes  Fttrstl.  Hexrschaflft,  bey  des  in  dero 
lieHovtrte»  Kircbenordnung  pwi,  3  e,  70  pag.  408  alss  auch  neulich  bey 
bestellung  des  Casten^Ambts  die  gnftdigste  Verordnung  gethan,  dass 
ihnen,  was  zu  ihrer  Vnterhaltung  gestilltet  Vndt  MKndnrt.  ohne  Ver- 
weigerung ndor  schniftleriing.  undt  zwar  iedes  zu  lM'stiml)ter  Zeit,  abge- 
richtet inuit  j;eliefert,  oder  AViedrigcs  t'alss.  ilif  Dih/inni  inult  Crnntfen, 
durch  die  Obrigkeit  zu  ischleuniger  bf^zahluii;:.  dhnr  <4i  \s rihnlirhcn  geriehts- 
J'rort'sn,  durch  liulf: Zwang  angtlialti  ti  ufiden  sulUu.  Daiail  Sie  zuge- 
liigter  Unbilligkeit  wegen  zuklagen,  tindt  ihr  Ambt  mit  seuü'tzen  zu- 
rerrkhten,  nicht  Vrsach  haben  mögen. 

2. 

Es  sollen  aber  diesse,  die  Schul -CoWc^e/i,  gegen  ihre  luspedons 
undt  Fatnment  in  forderung  ihrer  Korn-  undt  geld-besoldung  sich  ge- 
bOhrender  bescheidenheit  gebrauchen,  undt  solche  nicht  mit  bönischen. 
spöttlichen  Wortten,  noch  fibeler  nachrede,  oder  auch  spitzigen,  ehren- 
rfibrigen  brieffen  gleichsam  abzutrotzen,  unterstehen. 

a 

p«ff.6.  Viel  weniger  gebühret,  undt  soll  ihnen  verstattct  werden  von  den 

JÜehilorn  undt  Censxten  der  Capäalia  undt  gefälle  aufzubeben,  undt  sieh 
selbst  bezahlt  zumachen. 


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vi48     ilittciliingen  d.  Ges.  f.  dtutscb«  Ei-ziuliuiiga-  u.  Scliul|fe»ch.  VIll. 


4. 

Auch  soll  iluieii  nicht  treysteheii,  ohne  \  »»i  hewust  »In  Inspccioren 
undt  OufeitVervalters,  etivaa  in  ihren  geistlichen  Wolmuugeu  vor  sich 
seibeten  bauen  zu  lassen,  undt  heniach  die  bandwerksleuthe  dem  Casten, 
oder  Inepedoren  auf  den  Halss  suveissen,  da^enige  xubezahlen,  was 
auf  einem  Zeddel  Li^itiret  virdt 

Die  Accidetitia,  gebtthr  undt  Pn'vaigeldt  der  Behuldioner  belant^ende, 
ist  man  zwar  niclit  ^^emeinet.  dass  Ihnen  solche  «reschniühlert.  oder  ver- 
Avejjerdt  ndrr  entzogen  werden  solte:  Weil  es  ('liristlieher  Idllijrkeit  innit 
l!)aiukl)aikeil  j^eiuüss.  dass  Denen,  die  im  .Schiilstanlie  mit  siiuerer  iliih«- 
uuterriehten.  allerley  gutes  mitgetheilet  werdf.  jtiloch  sollen  sie  sich 
ittit  deine ^  was  herkomnieus  undt  bräuchlich,  begnügen  lassen,  nicht 
mehr  fordern,  noch  die  Leute  Uber  gebflhr  beschwehren,  auch  gegen  die, 
undt  derer  Kinder,  so  in  euserste  Armuth  f^rathen,  undt  das  gerinjsste 
nicht  geben  kOnnen,  der  Werclce  Christlicher  liebe  eingedenck  sein,  undt 
ihres  Ambta  undt  fleisses,  flmb  Qottesvillen  brauchen. 

Caput  VI. 

ToK  Sehiilen,  oder  dMpeln»  wte  »ach  dero  Ambt,  undt  iwar  toa 
elnbefniscIieB»  alss  Stftdt*  und  Landtkimdertt. 

1. 

Mit  betrübten  Hertzen  undt  äugen,  muss  man  empfinden,  dass 

manche  Eltei'n  ihre  Kinder  gar  nicht  achten,  undt  sie  weder  zur  Kirchen, 
noch  zur  Schulen  halten,  daliero  in  Städten  undt  Dörfeni  oft  nicht  die 
li(>Ifftf  tler  Kimbeii  vndt  Mägdlein  7uni  ( Ifittesdienst  undt  Schule  k<»tiien. 
hdinlt  in  unter  »ier  Kirchen,  undt  .Schnitt iindi-.  auf  der  gassen  lu'rürnb- 
lauUcii.  oder  daheinie,  oder  Vor  der  .Stadt  allerley  Muthwillen  treiben: 
dcrowegeu  von  der  hohen  Laudtes  FQrstl.  Obrigkeit,  allen  undt  iedeu 
Eüiwohnem  hiessiger  BmdenU  Stadt,  bey  emster  strafe  auferleget,  undt 
geboten  worden,  dss  sie  ihre  Kinder,  welche  das  Siebende  Jahr  ihres 
alters  erfüllet,  ungeachtet  aller  nichtigen  entschuldigungen  undt  vor- 
wendens.  zur  schule  schicken  sollen.  Desswegen  iti  allen  Ctat<i<en  ein 
sonderlicher  Catalogtis  gemacht,  undt  darinnen  angehencket  worden,  dass 
die  abwcsciulpn,  darauss  verzeiclmet,  undt  den  Uchoiardien  überreichet 
werden  könueu. 

2. 

Vudt  denniach  sich  viel  Jahr  her  die  SchulCW/c*/t'«  über  die 
Winckelschulmi  beklaget  undt  gleich wol  an  deme,  dass  die  Kinder, 
sonderlich  von  Sieben  undt  mehr  Jahren,  welche  in  solchen  Schulen 
gehen ,  denen  Öffentlichen  SchulVersamlungen.  Procemonen,  Predigt- 
uudt  bettstunden.  CaUeJuisinuMhtmgen,  ^  i<>  auch  der  allgemeinen  Lehr^ 
arth,  unterweissung.  inspedion  inidt  di'sdjilni  entzogen  werden:  also 
sollen  solche  so  weit  abges(  hallet  undt  verbotheii  sein,  dass  die  .Sdiul- 
kittder,  so  dass  iSiebeude  Jahr  erreichet,  undt  \'erferdigte  jieeleuregister 


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22.  ^Vl'imari^^chtl  Scliiilurdmiiig  von  1070.    Vmi  Liiilwi^  Wciiiger.  «i-lU 


Von  ihnen  in  don  Classcn  aiilj;»  nonnueu,  uuUt  den  SthulMaincuin  eiu- 
^eäcliriebeu  vvcrdeu  aollen  können. 

3. 

8-  7-  Jedoch  ist  denen,  die  solche  jPnVotöchulen  bissher  gehalten,  undt 

noch  halten  iirollen,  unbenommen,  diese  ihre,  oder  auch  andere  Schut- 

tliencr,  absonderlich  betten,  srhreibon  undt  rechnen,  zulassen,  nur,  dass 
solches  nicht  unter,  sondern  ausserhalb  der  Zeit  Gottesdienstes  —  der 
Bet-  undt  Schulstunden  verrichtet  werde. 

4. 

KnnUen.  so  vom  Landte  in  hiessi^'e  Stadtscliul  ^t*Mhukt  wridcn. 
Sülitii  Hill  ÜHtli  uiuit  (iiiuuliteu  der  Praeccptoreu  zue  Christlichen, 
ehrlichen  Leutben  bracht,  die  Hfinsser  undt  !BlBWohner  aber,  zu  meiden, 
treulich  gevamet  werden,  von  denen  daiinnen  ein  gottlosses  Ärgerliches 
leben  geftthret  wirdt  damit  Sie  zu  der  gleichen  nicht  anlass  bekommen, 
undt  ihrer  Eltern  aufsieht  entfernet,  in  solchen  hAussero  mehr  bösses, 
als  in  der  Schule  gutes  lehmen  mögen. 

Caput  Vll. 

Von  attssHUidiachen  udt  fremlidteii  Seholeni. 

Frembde  Sehulkuaben.  welche  allhie  zu  frequentiren  ankommen, 
s(tllen  sii-h  er.stli(  h  l)ev  dem  Jtectore  angeben,  undt  ihme  ihres  vorigen 
Jiectoris  sehrifftliche  testimonia  rorzeu^n. 

'1 

NN  cli.'lie  mit  schrif'tli'  licn  ii  siimoni;s,  (miit  ^laiilnviirdi^'r-n  \'or- 
sehrilten  nicht  versi'lit  iu  umll  ^«'nii'inij;lich  Vuf/aitkii  muh  hunitstn'ii  iu'r. 
80  an  keinem  Orthc  lau<^<>  bleiben,  auch  wohl  anderswu,  es  ttbel  auss- 
gerichtet  undt  zuliefahreu.  dass  sie  es  in  hiessiger  8chule  undt  Iiey  der 
BQrgerschallt,  auch  nicht  viel  besser  machen  dörften.  sollen  ab*  undt 
fort^-etrieben  wenlen. 

:i 

\'i»r  tliejcnijxen.  so  recipirti  hmtjnikif  undt  Ireven  tisch  unter  der 
Bürui'rsrhatrt  auszutiai  litcn.  -  i!l  ilcr  Jlcrtor  sanibt  andern  ächulCW/f/^eM, 
Ihme  niö^f  liehst  PS  Flei^^äcs  aa^jelt'ijen  sein  lassen. 

4. 

So  lialdc  sulihc  untcrbrucht.  isollcu  Sic  nach  bclindung  in  die  Zahl 
der  CaJitorey-SchÜler  aufgenommen  werden. 

Caput  vm. 

Tod  der  Schüler  Ambtü  •Verrichtung,  gcsetz  undt  Ordnung,  soviel 
der  OoCtseeligkoit  undt  Erbarkeit  betrifft. 

1. 

Die  Schul -Knaben,  gross  undt  kleine,  sollen  ihi*  studiren  zu  hauss 
undt  in  der  Schule,  mit  dorn  ;;eb(>tt.  zu  Qott,  welcher  ein  Stiffter  undt 
gelier  alles  guten  ist  anfallen  undt  i>c  vhiiessen. 

tjollen  fleissii?  zur  Kirchen,  undt  in  die  Schule  gehen,  den  Predigten 


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350     MitifiJungeii  d.  iica.  f.  deutsche  Erziuhuugs-  u.  Öchidgesch.  VLU. 


uudt  Lectionibm,  ihren  glauben  undt  Christiuihumb  betreffende,  mit 
geböhrender  andacht  undt  aufmerckung  beywohnen,  uudt  der  Prediger, 
wie  auch  ihrer  iVoeo^ptoreii  unterrichtimg  undt  Yennahnungai  tmdlch 
nachkommen. 

3. 

Sollen  sich  zur  Zfit  dos  Gott^sdiensts  uiuit  ihrer  Schul-Zrcc^ibn^«, 
die  venn  iluct  undt  bestimmet,  noch  vor  doin  geläute  uudt  glockciisi  hlai?, 
i-ttg.«.  frfle  üml»  7.  nachmittags  ümb  12  uhr.  darzu  unpJlUTTiijr  einttiuitn.  zur 
Kirchen  sollen  sie  mit  ihren  l'raeceptorn  undt  Cundüapd/i,  nu  ht  uii- 
ordig,  wie  das  Vieh  —  sondern  in  einem  erbam  l^rocess  sieh  vertugeu, 
auch  nach  geendigtem  Gottesdienst,  wenn  die  Zuhl^rer  aus  der  Kirchen, 
in  solcher  Freeessün  sidi  wiederQmb  in  die  Schule  begeben,  undt  denn 
darauss  ein  ieder  nach  hausse  gehen. 

4. 

Unter  dem  Gottesdienst  und  Lectionm,  soll  keiner  mit  dem  andern 
reden,  sprat  li  )i}i!t<MK  FantaKterey  treiben,  oder  sich  sonsten  mit  Worten 
uudt  geberdeu  uu^ebührlich  verhalten. 

Wenn  der  2Came  JESUS  genennet,  die  Evanydia  undt  Episteln 
verlessen  werden,  soll  ein  ieder  das  häupt  entblOssen,  wie  auch  die 
gebuss  gebeth  Icniendt  andftchtig  nachbeten. 

0. 

Ilire  Proecepionftk  undt  liClurer,  welche  ihre  Leuther  undt  Führer 
zu  aller  gottseeligkeit  undt  tugenden  seyn,  sollen  sie  halten,  alss  ihre 
Eltern,  Sie  lieben,  ehren  undt  ihnen  gerne  su  willen  sein. 

7. 

Aut  der  passen,  da  ihnen  Erbare,  altr  Pcr-orn  n  iKM^c^rnen.  sollen 
sie  ms  dem  Wege  gehen,  uudt  ihr  haupt  ehrerliietig  entdecken. 

8. 

Fflr  fluchen,  schweren,  schniih -werten  sollen  sie  sich  hflten,  auch 
weder  mit  Worten,  noch  mit  der  that  Gott  cum  zeugen  anruffen,  noch 
mit  denen,  die  solches  thun,  gemeinschaflt  haben,  undt  umbgehen. 

9. 

flt  geneinaiider  sollen  sie  freundlich,  diensthaftig,  vertnlglich  sein, 
nicht  zu  hiiss  undt  Neidt  uhrsach  geben,  do  sich  aber  Aviderwille  zwischen 
einem  nndt  <lem  andern  würde  zutra^'f^n.  hoI!  sieh  keiner  an  dem  andern 
selbst  rädieu:  sondi-rn  (i»  ni  J'nit'trj)/</r/  (lrr<'Ia--s,  aneh  nach  de*  handcls 
Wichtigkeit,  dem  lUdori  solches  zu  erkennen  gel»eii,  und  desselben  ent- 
scheidung  ge wallen. 

10. 

Alle  böse  gesellschafiten,  sonderlich  derer,  die  Schulfeindte  sindt, 
sollen  sie  fliehen  undt  meiden,  damit  sie  nicht  zugleich  mit  ihnen  Ter- 
derbet  werden. 

11. 

Sie  sollen  sich  mässig  halten,  im  essen  und  tiincken,  sicli  nicht 


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22.  Weimaribcbc  Schulordnung  von  1670.   Von  Ludwig  Weniger. 


an  die  öfter  verfüju^eu,  da  mann  täglich  irist  uudt  säuift  undt  unzüchtige 
undt  garstichc  Worte  treibet. 

12. 

So  Sie  wass,  ihnn  Praeeqaioma  nachteilig  hören  werden,  sollen  sie 
solches  nicht  verschweigen  sondern  alsobaldt  vor  ihre  I^nueq^icm  bringen. 

18. 

Was  die  Kleidung  anlanget,  soll  dieselbe  Erbar,  zierlich,  süchtig 
undt  ihrem  stände  gemAss  sein,  damit  ein  unterscheid  zwischen  Schfllem 
undt  andern  gehalten  werde. 

11. 

»•«.8.  Es  soll  iiit'iiiandt,  zur  liodizoit  ;.r<'In*n:  weder  i^iosscr  noch  kleiner, 

er  habe  es  denn  zuvor  dem  Jh'dori  !iii>.;ezeiget,  welcher  ihm,  wie  er  sich 
daselbst  verhalten  soll,  untersHgou  wirdt. 

15. 

Des  Sommers  über,  soll  sich  niemaudt  iu  dem  kalten  Bade  linden 
lassen,  weil  solches  gefährlich,  undt  der  gesundheit  schädlich.  Im 
Winther,  sollen  sich  die  Knaben  des  Klannem,  undt  schlittenfahren  uf 
dem  Eisse  gftntslich  enthalten. 

16, 

Es  soll  niemandt,  Dolch,  Degen,  oder  Wi^en  zutragen,  gestattet 
werden. 

17. 

Es  soll  auch  verboten  fcin.  Hnt-  Karten-  uutlt  Würfelspiel, 
Zwirn-l>riel»kaul  werffen,  auch  auf  der  passen,  sonderlich  vor  der  Kirth- 
uudt  geistlichen  heussem,  mit  blasserohreu,  armbrusten  undt  vallestem, 
oder  Schlflssel'bflchsen  sehiessen,  Stein  Werifen,  ingleichen  jagen,  rftnnen, 
schreyen.  undt  andere  leichtfertige  hindel  treiben^  wie  sie  denn  namen 
haben  mögen. 

Ferner, 

Wie  sie  sich  im  Studiren  Verhalten  sollen. 

1. 

Die  Knaben  sollen  zu  obbestiiniiiti  r  Zeit,  alss  frühe  unib  7.  undt 
nach  MittJiir^'.  nmb  12  I  hr.  in  der  Sehulo  irpir''n\vprtt^'  sein,  undt  da 
ieniandt  vor  der  Zt  ii  in  die  Schule  könibi,  ^  lU  >i  h  derselbe  an  seinen 
Orth  Sf'tzen.  still  undt  züchtig  sein,  sich,  ehe  der  i'raecepfor  komme,  alles 
lauffeus,  springens  auf  den  Schulbäuckeu,  undt  anderes  Muthwillens,  bey 
emster  straffe  gänzlich  enthalten. 

2. 

Denen  Lec^otUhut,  sollen  sie  in  allen  Schulstunden  beiwohnen, 
undt  soll  diesse  entschuldigung.        lernet      fft  Kein  Kriegisch,  von 

keinem  angenommen  oder  geduldet,  viel  weniger  djis  auslauffen  aus  den 
Stunden  verstattet  werden,  »lenn  dadurch  andere  fromme,  fleissige  disnpei 
geärgert,  undt  i\n\  ausslaufTüMKlfni  nntcrdp-^sen  nü'M'lnunlt  ni>pigkeiten, 
mit  nicht  geringer  besclüniptiung  der  1'raeccjiiornt  verübet  werden. 


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352     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deuteche  Ensiehungs-  u.  8chulgesch.  YIII. 


8. 

AVenn  der  Praeceptor,  die  LecHm,  od^^r  einer  auss  den  Sohtklern 
«irfiomret,  sollen  sie  fleissig  zuhören  nicht  mit  dem  leibe  ge^i^nwertiir 
sein,  undt  mit  den  gedancken,  und  Sinnen  anderswo  zu  schaffen  haben. 

4. 

Da  oiner  unter  der  Ledion  niahlet.  der  andere  in  teutsi  hen  l»fleliei*n 
Jip'-spt.  der  tritto  j^eslinire  sdirfibf^t.  mult  «(»Ifhes  der  Praecepior  innen 
\vii<it.  soll  er  iVw  Lefiion  zu  exjmun'u  ^:t'hi'isst  n.  undt  da  er  uuachtsani. 
uuflei^äi^  uudt  uachlä^ssi^  ertundeu.  gestradet  werden. 

r>. 

Wer  die  Ledion,  welche  er  auswendig  ansagen  soll,  aus  den» 
Buche  Meset,  wie  auch  diejenige,  so  ihme  das  Buch  vor-  oder  auf  den 
rficken  halten,  sollen  gestraffet  werden:  auch  soll  einer  dem  andern 
Paria  nicht  znblassen»  noch  auf  eine  andere  weisse  seine  faulheit  st'Srcken 
helffon.  will  er  gleichmftssiger  straffe,  so  der  faule  undt  nachlässige  rer« 
dienet,  nicht  gewertig  sein. 

<V 

AVeil  einem  Knaln  ii  in  der  St  hul,  von  nötlien.  luidt  wdlil  aiisstehet. 
<Mne  f^ute  feder.  rtnu  l'appier  undt  Dinte.  wie  auch  die  bü»  her.  .m»  or  -m 
ieder  Zeit  IjedailT,  soll  er  solche  darinnen,  allzeit  bei  sich  in  bereits«  luilVt 
haben,  undt  gleichsam  damit  gerilstet  sein. 

7. 

Die  Knaben  in  Obersten  Gatuen»  sollen  sich  gewehnen,  mit  den 
JPraeeefii^nf  undt  nntereinsader  Lafetmgdt  zureden,  welche  flbung  sehr 
viel  dienet,  zur  Lehre  und  geschieklichkeit  der  Sprache. 

s. 

Im  Argument  schreiben,  sollen  sie  lleissig  in  acht  haben,  die 
Praecvpia  Grammatira,  mnlt  Hhfionra,  ja  ein  ieder  dahin  trachten,  dass 
er  i'ein,  eigeutlicU  uudt  uaeli  der  ai  th  der  spräche  schreibe. 

9. 

Schändlich  ists  undt  unrecht,  dss  etzliche  ihi<>  Cutinina,  und 
Anjumenla  andere  la.ssen  von  Wort  zu  Wort  machen,  uudt  rerkauffens 
dann  Tor  das  Ihrige,  welches  nicht  soll  gedultet  noch  gelitten  werden. 

10. 

Weil  auch  das  CMren  in  den  Classen,  den  Knaben  grossen  nutzen 
bringet,  soll  solches  zur  bequemen  Zeit  angestellet  werden,  da  denn  der 
obere  dem  untern,  so  mit  ihme  cerforet,  wo  er  uf  zeben  fragen  nicht  wieder 
antwortten  kennen,  welches  diesser  venuocht,  demselben  biilich  eediren  soll. 

11. 

AVas  zu  nutz  der  jugcndt.  an  die  tafeln  angeschrieben  wirdt,  soll 
niemandt  muthwiliig  an.<slcschen,  undt  so  lemandt  dai*über  betreten,  der 
soll  ernstlich  gestraflet  werden. 

\± 

Zu  einer  ieglicheu  Levtion,  soll  ein  ictler  ein  besonderes  !)uch 


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22.  Weimarische  Scbiilordnung  von  iiili).    Von  I^iidwig  Weni^fer.  ^JÖS 


liafM'ii.  iliiriTinon  er  verzeichnett  woss  nothweudig  zu  atutotireu  uudt  auf- 
zusjeluTibt!u  ist. 

IS. 

Wer  aus  Muthwillen  undt  fOrwitx,  in  der  Schal  etwas  zubrechen 
wirdt,  der  soll  es  auf  seine  Kosten  wieder  machen  lassen. 

14. 

Ausserhalb  der  ßehnlstunden.  soll  kein  Knalio  in  den  Classen  ge- 
litten worden,  noch  unter  den  Leuten  in  der  Kirchen  auf  dem  Chor, 
iiitdt  In  StiUen.  noch  auf  der  Kirchtreppen  unter  der  Predigt  sieh  finden 
Ih.-^.-^cu.  weil  er  nichts  allda  zu  schaffen,  sondern  nur  Muthwilleii  anrichtet^ 
desswegeu  er  von  «ien  Proecgrforeu  zubestraffcu. 

15. 

Wer  sich  wider  seine  Praeceptores  aaflehnet,  undt  die  Terdlente 
strafe  zu  leiden  wegert,  der  soll  gantz  undt  gar  auss  der  Schule  gestossen« 
undt  ohne  sonderlich  bedencken  nicht  wieder  aufgenommen  werden. 

Caput  IX. 

Ordanng  vndt  geseti  der  Caatoray-Selilller* 

1. 

Wiewol  alle  njidt  iede  Schul-Knahen.  so  die  Figural  Mnsic  hc- 
f^n'iffpu.  undt  dui  iiuicii  toi  tkoTinnen  können,  schuldi^r.  f'ey  dem  Gottesdienst, 
zum  Sinire  ('hör  zutn  ttfu.  undt  ihre  stime  mit  zu  sin^^en:  So  werden 
doch  diejenige  eigentlich  ilurzu  verbunden,  welche  zu  der  t'aniorei/,  so 
vor  den  Thoren  sin^^et.  gehörig. 

2. 

In  diesse  soll  nicht  ein  ieder  Knabe,  der  sich  dazu  angiebet,  sondern 
armer  Leut«  Kinder,  welche  zur  Music  taugliche  Stimmen  haben,  undt 
darinnen  Prcfedus  erlanget,  eingenommen  werden. 

:i. 

Srdleii  <)c]\  floni  Itecion',  denu*  die  Inspvdion  undt  aufsirlit  zusfolicf, 
s<  hhtltlii  Ii  \ '  rliindcii.  etzliche  Jalirc  in  d*T  Schule,  undt  beym  Chor  zu- 
bleiben, undt  dess  JiencfiaJ  der  Cantorct/  zu  geuies>äeu. 

4. 

Wie  Sie  dann,  wo  sich  eine  Stelle  verlediget,  au  den  freyeu  tisch 
genommen  werden,  undt  darinnen  biss  zu  ihrem  abzuge  verbleiben  sollen. 

o. 

Sobald  sich  eine  Stelle  in  der  CaMorey  (:dero  Anzshl  sich  nicht 

über  ;W)  Personen  erstrecken  soll:)  Terlcdiget.  sollen  Sie  von  Sxpvr- 
intcmUutvn,  Jiatore  undt  Cauiore.  auf  vorher;rehende  Probe,  reriptrct 
werden,  do  aM«  li  keine  stelle  ledi/^:.  sollen  sie  mit  andern,  so  eine  Zeit 
lang  in  der  (  utäorei/  gewesen,  undt  darinnen  auss  faulheit  ni<  lit  fertig 
singen  gelernet,  cciiirt'ii,  undt  also  einen  orth  erlangen,  der  Sujxr- 
inttndeM  undt  üecior  aber,  sollen  neben  dem  Cantore  uupartheischcr 
Richter  seyn. 

C, 

Alle  Mittwochen  nach  Mittage  sollen  sie  in  der  Schule  zusamnien- 


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354     Mitteilungen  d.  (ns.  t.  ileutscho  Enüehuugs-  u.  Schul^esch.  VII], 


kommen,  im  .Sinjjen  sich  zu  üben,  damit  sie  bey  ehrlichen  Leuthen  uicht 
schimpff  einlegen,  darlegen  soll  ihnen  gäntzlicb  Terboihen  sein,  sich  bei 
nSchtlicher  Weile  ror  oder  nacli  tische«  in  der  Sehale  susammen  zu 
finden,  unterm  Fl-fttezt  Musicaliseher  flbung,  darinnen  tUMiilfen  undt 
zuspielen,  auch  wohl  mit  unillchtigen,  leichtfertigen  gesindlein«  Wie 
es  die  erfahrung  gegeben,  zu  tantzen  undt  andere  bfll>erey  zu  treiben, 
zu  dem  endo  die  (lassen  undt  .Schulthflren.  ausser  der  Schulstunden 
hey  Venueyduug  erustes  einseheus,  verschlossen  gehalten  werden  sollen. 

4. 

f^ber  dieser  Clinuir  der  Canforet/.  bleiljet  dem  Cantch  seine 
Siuge-Stuudt,  laut  des  ij/pi  Leciiimum  vor  sich. 

S. 

Wann  Sie  ziie  leichbegnngiiü.-^s  erfonlert  wfi"li'ii.  ?;üllcn  sin  vor 
andern  alsobald  gegenwertig  sein.  Welcher  auss  ehrhebiichen  uhrsachen 
sich  nicht  einstellen  kan,  mag  vor  sich  einen  andern  bestellen,  damit  sich 
die  Bfirgerschallt  wegen  der  abwesenden  nicht  zu  beschweren  habe.  Die 
ohne  Vrsacb  Russenbleibende  grossem  sollen  mit  gewöhnlicher  geldstrafe 
Ha»  12  beleget,  die  Kleinem  aber  TOm  iVtt«r«ptofv,  der  Glass,  darinnen  er  sitzet, 
oiM%tret  werden. 

0. 

Auch  wenn  sie  zu  gewisser  >-ttindte  aiissgehen,  vor  den  Thüren  zu 
singen,  sollen  die  abwesenden,  fidi  r  langsam  kommende,  dif  ^tw oliiiliche 
geldstrafe  geben,  die  kleinem  aber  Schläge,  oder  streiche  zu  gewartteu  haben. 

10. 

Ingleichen  sollen  dicjuiiigt',  welche  die  oniaung  ItctriÜi.  die  jHiiieft 
oder  Musicalische  Bücher,  bey  gesetzter  straffe,  in  bereithschafft  haben, 
undt  mit  zur  stelle  bringen. 

11. 

Den  Praefedum  dess  Husicalischen  Chors  Iwlangende,  soll  kein 
Seeututaner,  sondern  allezeit  emer  aus  den  Primanern  darzu  erwehlet 
werden,  undt  dass  solches  mit  Vorbewust  undt  gutachten  des  Sectitrü 
geschehe. 

12. 

'  Dieser  soll  ni  ;u  ht  nehmen,  dss  er  einen  rechten  Tacf  führe,  damit 
der  gesang  nicht  ttberhiu  geschnattert,  undt  mit  übcllautenden  Stimmen 
abgesungen  werde. 

13. 

Auff  den  gassen  sollen  die  Canioreg  SchOler  ihre  äugen  nicht 
flmbher  schweifen,  undt  gleichsam  die  Ziegel  auf  den  Dflchero  zehlen 
lassen,  viel  weniger  birn  undt  Hpücl  fressen,  im  singen  nicht  still- 
schweigen, undt  etzliche  wenige  forthsingen  lassen,  auch  nicht  waschen, 
oder  zancken.  am  weniir>^tPii  in  einander  Lrerathen,  undt  sich  auf 
öll'entlioher  gas^e  «rhhi'.ren.  welrlicstals  die  Verl)recher,  uf  gutachten 
des  liedoris  undt  Lantorü  zu  gebülirender  strafe  gezogen  werden  sollen. 


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22.  Weiiuarische  Schulordnung  von  1070.    \'«n  Ludwig  Weniger.  355 


14 

Der  Chor  w>ll  nicht  getheilet,  sondeni  Von  gantsen  Chor  Tor  allen 
häuseni  gesungen  werden. 

15. 

Wer  sich  ohne  erhebliche  nhrsach,  vom  Chor  abgesondert  oder 
dahinden  bleibet,  soll  mit  benahmter  strafe  beleget  werden. 

Iß. 

Wirdt  einer  vom  Chor  abtritt  nehmen  müssen,  so  ist,  der  mit 
ilime  eitH>  F:timnH>  singet,  schuldig,  dessen  partem,  biss  er  wiederkomme, 
bej  sich  zubehalten. 

17. 

"Wann  die  Woche  über  al)gesui»geu  worden,  sollen  sie  sicli  in  die 
Schule  begeben,  Was  ihnen  von  ehrlichen  Leuten  gegeben  worden,  durch 
den  Beäorem  unter  sich  theUen,  die  geldstrafe  davon  abziehen  lassen, 
undt  was  einem  ieden  zukömmet,  wohl  anlegen,  undt,  do  aber  einer,  dass 
er  es  xu  Spiel-,  Sauffen,  Spendiren,  undt  dergleichen  leichtfertigkeit 
brauchete,  betrett* n  ^vQrde,  soll  er  aussgeschlossen  undt  ein  ander  an 
seiner  statt  geordnet  werden. 

18. 

Sie  sollen  zusehen,  ds.s  sie  aul  hoehzeiten,  oder  andern  Zusainmen- 
Knnfften,  da  ihrer  begehret  wirdt,  niemanden  zu  willen  oder  getallen. 
ehrenrührige  stücke,  oder  der  lieligion  zu  wieder,  sondern  solche  gesäuge 
singen,  der  sie  sich  bei  niemanden  schAmen  dörfen. 

19, 

Well  auch  bisher  Tiel  feine  Knaben  zum  Sauften  gewehnet,  in  dem 
sie  zu  allerley  leichtfertiger  gesellschafft,  da  wenig  Zucht  und  Erbaikeit 
18.    gesehen,  ofl't  biss  Ober  Mittemacht,  mit  grosser  Beschwerung  der  Eltern 

undt  Wirthe.  bey  welchen  sie  wohnen,  aufgehalten,  so  soll  zwar  ehr- 
liehen Leutheii  undt  Bürgern,  so  der  Schule  <rtite<?  ir^nnen.  undt  den 
armen  mit  Allin«i<,<('n  bflfipn.  dip  Cfiuittrey  nicht  versaget,  sondern  ihnen 
uf  ihr  begehren  gef)<  hirk«^l.  iloi  Ii  dass  sie  nicht  über  gebührliche  Zeit  auf- 
gehalten noch  mit  unzüchtigen.  SLiiaudlosscn  undt  schädlichen  Exempdn 
geärgert  werden. 

20. 

Fra^edtUt  Sub-Pmefedug  undt  A^funetus,  sollen  den  Kleineren 
mit  guten  Exempeln  vorgehen,  wann  sie  auf  der  gassen  sindt.  zur  Er- 
barkeit  vermahnen,  undt  wann  solches  bei  ihnen  nicht  helfien  will,  dem 
liectori,  hIss  Imtpeciori  do.s  Chors  hinterhriiijrni  Ii''  Knal)en  aber, 
sonderlii  h  auf  öflFentlicher  ^as'sni.  inult  ntitcr  lien  fingen  zuschlagen, 
soll  derer  keinen  verstattet,  soiuleru  bey  strate  verbutheu  seyn. 

r:,p.  X. 

Ordnung  undt  gesetz  der  Schüler  am  Frey-tische. 

1. 

Au  den  Frey-tisch  soll  niemandt,  als  arme  Schul-Knaben  genommen 


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JiaO      Mitli'ilungfii  d.  (iv>.  f.  deuttech«  Erzii-hunjis-  u.  ScUulgescb.  VJll. 


WHidou,  unter  woli  lion  donon  andpin  voi-xiiziehon.  die  vor  jenen  »fut»' 
stimmen  hab^ii,  undt  iu  der  Figural-Mmic  fertiger  siiidt,  unter  allen  aber 
die  armen  Waisen,  vorneoilich  der  Kirchen-  undt  Schuldiener,  wie 
auch  armer  Borger,  und  unterthanen  Kinder,  worbej  aber  i^leiehfalss  auf 
die  frembden,  welche  keine  H<t^itia^  undt  lelienamittel,  gesehen  werden  soll. 

% 

Diese,  wann  Sie  an  Tisch  genommen,  sollen  angeloben,  undt  mit 
bnudt  undt  stunde  zusagen,  dasjenige  su  leisten,  was  beydes  in  Sitten 
undt  Studieren  frommen  Schfllem  geziehmet. 

:i. 

Snüfii  die  S(  liiilstunden  undt  Lcctionen  nii  lit  verseunien,  wolehe  alier 
auss  der  Schulen  sollen  auch  dest^elben  Tageö  zur  strafe  vom  Tiselie  bleiben. 

4. 

Ordentlich  undt  sittlich  sollen  sie  sieh  zur  Mahlzeit  versamlen 
undi  ein  iedt  r  an  s«  ine  Stelle  sitzen,  ohne  Uesehrey,  ohni' unvers(  hj"linl>tes 
;^el.'iehter,  ohne  nmcflchtiges  •^espi'äch,  ohne  schandbare  schiuipffwurtte, 
ohne  Zanck  und  Hader,  ohne  stächerwortte  sollen  sie  mahlzeit  halten, 
was  ein  iegltcher  mit  dem  anderen  zu  reden,  soll  bei  geleister  strafe  in 
Lateinischer  Sprache  geschehen,  undt  nach  endigung  derselben,  alle  zu- 
gleich  aufzustehen,  undt  davon  gehen,  bey  willkflhrlicher  strafe  des 

Die  iTfxjfijii:!'  iiiiilt  li<  th.  vor-  undt  nach  tisel>e.  s<>!li  n  sie  mit 
;rel>ührendei  iiadachl  verriehu  n.  weleher  sie  darinu«  u  iin-  machet, 
oder  verhiudert,  der  soll  mit  gewöhnlicher  strafe,  1  gv.  hele;Lfet  werden. 

6. 

Im  Essen  sollen  sie  genQgsam  sein,  mit  wenigem  Torlieb  nehmen, 
nicht  geitzige,  fressige,  unersSttliche  Schlucker-  undt  Schüssel-Reumer, 
die  den  andern  ihr  theil  gleichsam  vor  dem  Mündt  hinwegnehmen. 

7. 

P<s-14-  \h  \  ^'(lnlf  Inii^te  iiin  Ti-i  lie.  soll  der  erste  im  Essen,  der  erste  ini 

trincken.  »hr  erste  in  der  Schüssel  sein,  wer  deme  vorirrcift.  soll  nnt 
iJ  A  ^'Strafet  werden,  die  ehre  dieser,  die  nfUieste.  nenilich  dessen,  den 
Sie  J'astorn  nennen,  soll  nicht  länger,  als  einen  tag  wäbreu,  damit  sie 
au  alle  rlugslierümb  gehe. 

a 

Diesem  folgen  im  Essen  zweene  auf  beyden  seithen,  undt  so  forth, 
jedoch  also,  damit  der  letzte  an  seinem  theil  nicht  verkUrtzet  werde. 
Wer  darnieder  handelt,  soll  mit  B  4  gestrafet  werden. 

Ö. 

Der  Yierdte  oder  ffinflle  in  der  Schttssel,  soll  mit  gleicher  strafe 
belegt  werden. 

10. 

Welcher  in  die  Schüssel  fähret,  ehe  der  Löücl  rein  aus-s^je leeret, 


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22.  Weünariijche  Schulordiiung  von  1070.    Von  Ludwig  Weniger.  357 


oder  die  backen  noch  voll  spelsse  hat,  oder  die  fetten  Farticul,  so  andern 
gebOhren,  hinwi^g  zvl  eidi  alleme  nimH  soll  in  ebenmftaaiger  Btrafe  ver- 
fallen sein. 

11. 

Ein  io^^lichor  Neuer  Tischgenosse,  soll  dem  Fisco  rinoii  hallion  thalor, 
zu  glücklichem  Antritt,  der  abtrettende  aber  einen  orthsthaler  darlegen. 

12. 

Ein  ieder  soll  an  seinem  gebuhrtstag  Einen  groBchen  in  fiscum  geben« 

13. 

Wer  die  heilige  Schrillli,  oder  QAttlielie  Dinge  zu  scliinipflichen, 
spöttlicben  sacihen  missbravehet,  oder  schandbare  Wort  su  reden  aieli 
nicht  schümen  wirdt,  soll  iedesmahl  mit  6.  4  gestraffet  werden. 

14. 

Wer  nach  dfiii  gebett  zn  tische  kümbt,  oder  vor  dem  danckgebett 
hinv^ehet,  soll  allzeit     ^  in  den  fiscum  zur  strafe  geben. 

15. 

"Wer  etwas  ^ on  tischgerilthe  beschädigen  wirdt,  soll  den  schaden 
ersetzen,  inuit  noch  darzu  willkührlich  gesü'afet  werden. 

16. 

Welcher  des  andern  Misriiandlung,  dem  Sie  doch  wissendt,  nach- 
dem solche  anders  veere,  offenbahr  worden,  yerborgen,  sollen,  wo  sie 
nicht  der  Wichtigkeit,  mit  3  4  abgestrafet  werden. 

17. 

Die  brodt.  welche  von  dor  Fürstl.  hen'sehaflTt  auss  guüdigst. 
Miltiirkoit  wiW'lii  ntlich  vom  hoffe  dem  annuth  gereichet  werden,  snllcii 
sie  üii  lit  aniit'i  ii,  ilirt-  s(  hweine  darmit  znni.li'tpn.  oder  sonst  üml)  iitnlcr- 
lich  gcUlt  diiiiin  »clilaudern,  sonrleru  daraut  bedacht  sein,  wie  ^sie  mit 
dem  becker  einig  werden,  das  er  ikncu  an  statt  des  schwartzen,  nach 
ansstrag  des  Scheffels  undt  gewichte,  Weissbrodt  gebe,  dessen  sie  ge- 
niessen  können.  Wenn  sie  auss  der  Stadt  nicht  gespeisset  werden. 

18. 

Was  nach  dem  Mittag3*Essen,  Ton  speissen  Qbrig  bleibet,  sollen  sie 
nicht  unter  sich  theilen,  undt  anders  woliin  tragen,  sondern  am  orthe, 
da  sie  sjjeissen,  l)e\setzen.  undt  ZU  gewöhnlicher  Zeit  verzehren,  wenn 
sie  nicht  gespeisset  werden. 

10. 

Diejenigen,  welche  sieh  an  ihre  Sehul-obrigkeit  undt  l'atronm  mit 
Pair.16.    Worten  oder  Thfttigkeit  vergiiffen.  es  geschehe  in-  oder  ausserhdb  der 
Schule,  sollen  andern  zum  abscheu,  emstlich,  und  Exemplarisch  ab- 
gestrafet werden. 

Cap.  XI. 

Ordnung  undt  gesets  d«r  Cimeiit-SehiUer* 

1. 

Kein  Selnil  Knabe  «oll  in  di<'  r'nrrent  aulgenommeu,  noch  darinnen 
gelitten  wetdeii.  der  iiiciit  iu  die  Schub?  gehet. 

MitteiiaDgi^u  d.  Ge«.  t.  ileuti>clici  iü^ik-h.-  u.  Schulgesctucbtc.   VIll  4  iS98. 


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368    Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  BrzieiMmgi-  u.  Schulgiesch.  VIfl. 


2. 

Gleichwie  der  Schul  Btdtcr  die  IntpeeUm  Ober  die  Schule,  allso 
soll  er  sie  auch  Aber  die  Currentaohüler  haben,  undt  unter  dennselben 
gemessene  Vwordnung  thun. 

3. 

Auss  der  Current.  soll  keiner  in  die  Cantorey  anfsreuomraen  werden, 
er  habe  dann  in  der  Schule  die  Fimtral  Mumc  zimlicher  uiassen.  be- 
grieffen,  dss  er  eine  stimme  siugeu  köunou. 

4. 

Die  Woche  über,  sollen  sie  nicht  mehr,  als  zweymahl  umbsingeu, 
undt  das  solches  ohne  Yersenmniss  der  SchulXeetöme»  geschehe. 

5. 

Bey  ausstheilung  undt  geniessung  des  brodts  sollen  Sie  Tor  undt 
nach  Essens,  des  Gebetbs  nicht  yeigessen. 

0. 

Im  jurehen  sollen  sie  aehtung  haben,  auf  den  CoUedorem.  do  er  für 
eines  thOr  ivarthen  muss,  dass  sie  nicht  allzuweith  voueinander  konimen. 

7. 

D»  r  Kli'int  n.  sollen  zum  höchsten  niflit  mehr,  den  2ü  sein,  undt 
Keiner  darzu  g«  l)rauchet  wertlen,  er  könne  tleuu  lesseu. 

8. 

Die  abwesenden,  in  flmbsins^en  Oes  sey  dann,  dass  sie  ilires  aussen» 
bleibens,  erhebliche  nhrsach  Torzuschfltzen:)  sollen  auch  von  dem,  so 
ersungen  worden,  nichts  zu  gemessen  haben,  wie  es  denn  dem  Seeton 
an^^esaget  werden  niuss,  welcher  befehl  su  ertheilen,  wie  es  damit  ge- 
halten werden  soll. 

0. 

Kjä  soll  keiner  dem  andeni,  .sein  theil  oder  Viertel  cWie  Sie  os 
nennen:)  verkeuffen,  undt  andere  in  seinem  abwesseu  singen  lassen,  er 
aber  unterdessen,  was  anders  tür  haben. 

10. 

Keine  frembde,  oder  andere  Lieder,  sollen  sie  auf  der  gassen  singen, 
als  diejenigen,  so  an  Fest-  undt  Sontagen  in  der  Kirchen  gesungen  werden. 

11, 

Sollen  deutlich  undt  langsam,  auch  wechselweiss  gesungen  werden. 

Cap.  XII. 

Qeseta:  und  Yerordnuig,  die  Schul  Examina,  Ferim,  undt 
«limlaslof»  d«r  Schul  Knaben  betreffende. 

1. 

Von  den  £xamimbu8. 
1. 

Damit  ni<'lit  aüoin  di*^  Ki::i1irn  I'ftffrff's  ntiiH  zütif^lmir«!).  sondern 
auch  der  ^claü-CoUcffen  lleis?  »  iiivm  Ii'  Ii  <  rkundii4et.  iiuiii  darzu  anj^ereitzet 
i'at.'.  IC.     undt  erwecket  werden,  sollen  jäiulicii  alle  (Juatlal.  durch  einen  In^^Hctoni, 


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22.  WeimariBohe  öchulonliiung  von  1«70.   Von  Ludwig  Weniger.  ^59 


umlt  liedoru,  Examina   in  der  Schule  gehalten,  imdt  aufs  längste^  in 
a Weyen  tagen  verrichtet  werden. 

2. 

Die  Lediones^  so  innerhalb  Jahresfrist  zu  absolvii-en,  sollen  in  vier 
theile,  nach  den  vier  Quartaln  abgetheilet,  imdt  also  von  QuarkUn  tu 
Qttartaln  fleissicrgelehret^gelmietk  und  wenn  das  Vierteljahr  verflossen, 
£xamüutet  werden. 

Von  Jacofn,  In^  dahin  ül)t  i-.>  .I;dir,  erstrecken  sich  die  Vier  J'arinular 
J^xamina,  darauf  das  ^tosso  rjrnm'n  Hn^estellet.  undt  Spchstape  lanir 
alle  Lcctiones  das  Jaiir  über  gt'lrielien.  und  repeiäi,  ejcaminirvi  werden. 

4. 

Der  Anfangs  solches  examüns,  wirdt  in  anwesenheit  der  Sdiciart^e» 
undt  JMrwen,  mit  einem  geistlichen  Figural  gesange,  wie  auch  kurtzeu 
Lateinischen  Sermon  des  8tq)erintendenten  gemachet«  darauf  alle  Tage, 
Tor-  undt  Nachmittage  examiniret  undt  von  einem  oder  mehr  Obristen 
8chulknal»en,  so  sich  auf  UniceiHttcUen  begel»en  wollen,  peroriref,  worauf 
der  Superintendens  Lateinisch  antwnrtrt,  nnd  da^  Examen  abennahl  mit 
einem  Figural-Jjob  unUt  Daiiekliedte  beschlossen  wirdt. 

5. 

Xacli  dem  Examine,  wirdt  von  dem  Ministerio  undt  Schul  CofU  ffen, 
die  TransioeaHm,  von  unten  auf  vorgenommen,  darinnen  nicht  nach  gunst, 
oder  dem  alter  nach,  sondern  der  geschiddichkeit^  und  dene  Spentmnilms 
verfahren  werden  soll. 

0. 

Zu  dtMn  KthI^'  nii'lit  alloiii  von  doiiiMi  Praprep^ornt.  sontlcrn  auch 
Jlintiitns  Ecdesiue  scripta  exit  mjmranm  ihnen  dict  iret.  uiull  in  dero  be^- 
seiu,  von  denselben  in  der  Class  verfertiget  werden  sollen. 

7. 

Es  sollen  auch  alle  ar^umento,  von  ieden  Claas  Caüegen,  corrigii^X, 
dem  Superintendenten  Übergeben,  und  an  einen  gewissen  orth  behalten 
werden,  danut  man  dieselben  in  nachfolgenden  eaeaminilms  zur  handt 

hal)cn.  gegen  die  Xeuen  halten,  undt  darauss  s»'hen  inöp'n.  wi«'  sich  die 
Knaben  von  einem  ^amne  zum  andeni,  in  ihren  Studnm  gebessert  halten. 

S. 

T)o  \im   (l<'n»'n    Tns/irdorn,   A\as   mangd  in  den  ('lassen  au 

behül'  l  a  imdi  /»t  annjAot  n  vci  nicrckot.  solche  ihnen  untersaget  worden, 
undt  doch  nicht  gebessert,  su  sollen  die  verordnete  Impcdurcs  ilinen 
solches  sftmbtlich  uudt  ernstlich  ftlxiialteu,  undt  Sie  zur  abstell-  undt 
besserung  vermahnen.  Im  fall  aber  keine  besserung  erfolgen  würde, 
solches  an  das  ober  Consist.  berichten. 

11. 

Von  SchulFmVit. 
1. 

jN^ach  gehaltenen  grossem  Ejtamine.  werden  von  der  Cantzel  die 

24« 

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StiO    ^UtteUiingen  d,  Ges.  f.  deutsche  Erzieliungs-  u.  Schulgesch.  VlII. 


SchulFerien .  oder  huiiflpfstajrf»  verkündiget,  damit  nun  die  KnaijHii,  gleich 
denen  ^aecejdorm  von  ihr»«!'  täglichen  müh  undt  Arbeit  eine  gebührliche 
p»g.  17.  Ruresüm  haben,  ondt  jene,  wegen  ^faUender  Emdte  ihren  Eltern  iu 
der  Stadt  und  auf  den  landtenif  rar  haadt  gehen  können,  werden  ihnen. 
Ytersehen  tage  ans  derSebule  ra  bleiben,  fr^gelasaen,  und  sollen  sieh 
beede,  wenn  aolehe  zu  ende  gelanlTent  undt  abgekflndiget  werden,  lur 
Schule  unaussenblelbendt  wieder  einstellen. 

2. 

Zweene  tage  vor  den  «Iroyen  haupt-fest-tagen,  dass  aber  an  den 
Apostoltafr^'n.  nach  dt  r  Prodi^'-t,  Vormittage,  bisher  nicht  Schul  gehalten 
worden,  soll  nicht  mehr  verstattet  werden. 

3. 

Mittwochs  lunit  Sonnabend  aber  nac  h  .Mittage,  wird  nicht  Schul 
•gehalten,  doch  dass  Sie  sich  zum  Singen,  undt  zu  der  Vesper  finden. 

4. 

Allr  lit'i  Stadt  Jahr  Märckt  sollen  sie  iu  der  Wochen,  als  dea 
Montag  uiidt  Dienstag  frey  liaben. 

Q, 

Ausser  diesen  sollen  die  Praeeeptores,  ohne  des  SuperitUernknim- 
erlflubniss,  weder  Ihnen  selbst,  noch  den  Knaben,  oigmes  Willens  keinea 
Feiertag,  noeh  rmünm  madhen. 

III. 

Von  der  Jhnumon  der  Schul-Kuaben. 

1. 

Demnach  bisher  in  der  Scbuleii,  eine  sehr  bösse,  undt  schädtliche 
gewohnheit  eingerissen,  dass  viel  Knaben,  aussjMtM  clacse  (;ja  wolü  gar 
aus  secttmiä:)  undt  zwar  ofll  zur  unzeit,  vor  gehaltenem  «ramiiitf,  hinter 
undt  wieder  der  In^peUorm  undt  PraeoepUnrm^  oder  auch  Eltern  undt 
Vormünder  willen  undt  wissen,  uf  JJmpenüäkn  laufen,  oder  von  den 
eitern,  welche  die  Sehulsaohen  nicht  verstehen,  aus.s  der  genommen,  undt 
eigenes  gefallen»,  mit  grossen,  aber  vei*gel)lit']if  ii  Unkosten  versic^ket  [sie] 
werden,  ehe  sie  die  fnndamruta  in  der  l'artiaäar  Schule  recht  geloget 
haben.  Alss  soll  dicsi  ii  Keines  weges  nachgf'.<rhfn  werden,  sondern 
derer  dnm'ssion  so  tüchtig,  undt  auf  Universitäten  lortkommen  könth'n, 
uf  der  Inspcciorunt  undt  Fraeceptorum  erkäutnüss  undt  gutachten  stehen. 

2. 

Do  einer  von  densidbt  ii  qualificiret  undt  tüchtig  befunden,  undt 
erachtet,  soll  er  nicht  ausser  oder  vor  der  Zeit,  sondern  nach  endigung 
des  Examims  puhliei,  eine  Väledietorüm  Orattonem  halten,  sich  vor  ge-^ 
nossener  AVohlthaten  darinnen  bedancken,  einen  guten  abscheidt  nehmen, 
undt  mit  der  Inspedorum  undt  Praecqitorum  gegebenen  Wunsch  undt 
Segen  sich  dahin  abfertigen  lassen,  deine  auch  vom  Retiore  ein  schrifft- 
Jich  Zeugniss  seiner  ^uo^itäteu  undt  wohlverhaltens,  «iederfahreu  sulL 


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22.  Weimarische  Schulordnung  von  UüO    Von  Ludwit:  Woiiiiror  Mi 


Welche  dieser  nnlnung  zuwieder.  die  Schule  verlasaen.  undt  sich 
auf  hohe  bchuleii  begeben.  Sindt  sie  Stadt-  undt  Landt-Kindfr.  sollen 
sie  sich  in  diessem  Fürsteiithunib.  keiner  heförderung  zuversehen  haben. 
p«g.  IS  ^  denn,  dass  sie  uf  schreiben,  au  den  Maffttificum  Med:  so  von 
Sclml  JUetore  geschehen  soU,  sich  eines  bessern  besinnen,  undt  in  der 
niedrigen  Sohule  subeharren,  biss  sie  vor  tflchtig  ericandt,  angeloben  werden. 

4. 

Sindts  frembde,  so  muss  Mann  zwar  in  allen  FUl  geschehen 
lassen,  dass  sie  auss  der  Schale  laufen,  ehe  sie  auf  I7fmwrs»1bftten  fort- 
kommen können,  e.s  soll  ihnen  aber  kein  Testimonium  fj^egeben  werden^ 
vielmehr  solche  undanekbare  gesollen,  so  abscheidt  hinter  der  thOr  ge- 
nommen, bOsser  brieffe,  an  die  Ibr^en,  sieh  zu  ersehen  haben  sollen. 

o. 

Diejenige,  welche  nicht  nur  s?ieh  auss  der  Schule  hinwet'^/.ustehlen 
<»ntschlos8en.  sondern  auch  andere  Knaben,  mit  ihnen  fortzuziehen  auf- 
reden, so  sie  dessen  überfühi'et,  sollen  von  der  Obrigkeit  mit  getäuguüss 
gestrafet  Mcrdcn. 

6. 

Knaben,  so  nur  lur  Sohreiberey  sugebrauchen,  soUen  nicht  ehe,  sie 
sindt  denn  in  pnmam  dämm  fort^setset  worden,  auss  der  Schule  tretten. 

7. 

Diejenige  aber,  welche  die  Üirigen  zu  KaufinanscliafTten  undt  hand- 
lungen.  aus  der  Schule  nehmen  wollen,  sollen  dass  14.  Jahr  ihres  alters 
crfaUet  haben. 

8. 

Die  Knaben,  welche  anner  liCute  Kinder,  nf  handtwercke  bracht 
werden  mflssen,  sollen  doch  zum  wenigsten  ihr  12.  Jahr  erfüllet  haben, 
welches  alles  mit  Yorbewust,  undt  gutachten  der  Schul  Praecqaiorm 
vorgenommen  werden  undt  geschehen  soll. 

IV. 

Von  Bfl ehern  undt  Leäionum, 

1. 

Wie  man  mit  einem  Siebe  kein  Wasser  schöpfen  kan,  so  schwerlich 
wirdt  ein  Schulknub,  ohne  Praeceptore,  undt  gute  bücher  etwas  gründ- 
liches lernen,  undt  begreift*»!)  können.  Derowegen  sollen  diese  ihre 
Jh'm'pel  ermahnen,  tiey  den  liiri^'en  anzuhalten,  damit  ihnen  zum 
wenigsten,  die  in  der  Öchule  uothweudige  bücher  geschaüet  werden. 

«> 

Die  AuOiores,  welche  besage  des  T^yi  Ledionum,  ut  lürstl; 
CoiWM<orMtf-befehl  undt  Verordnung,  mmo  1644  dngeAhret^  «mo  1650 
in  der  Schnl  Vüikiium  der  jugendt  sehr  nfltsHch  beftindsn  worden,  soll 
kein  Schnl-CoKc^  macht  haben,  ausszuschaffeu,  undt  sefaies  gefallena 
andere  einzuführen. 

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3ß^^     Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Erziehungs-  u.  Scholgesch.  Vlil. 


a 

Viel  weniger  anstatt  derselben,  den  Knaben  praecepla  in  die  Feder 
dictiren,  undt  aussweudig  zu  lernen  aulgeben. 

•  •  4. 

Die  Aidhorcs  Classiros,  so  knrtz,  inidt  in  einem  halben  Jahrf^ 
durchgebracht  wertU'n  konneu,  sollen  die  l'raeceptores  mit  andern 
dergleichen,  wechselsweise,  lesen  undt  lehmeu  lassen,  iedoch  dass 
solcheB  mit  Vorbewust  und  bewilligung  der  Itupedcm  gegchehe. 

•  R. 

F»»-  lÄ  Die  Schulbücher,  sollen  die  Knaben  reiuhalteu,  nicht  beschmieren, 

lAselireibeii,  mufhwillig  uracliBeidai  undt  mreiasen,  oder  desswegen  von 
Pmeeepfore  gebohrender  Btrafe  gewertig  sein. 

6. 

Aucli  sollen  sie  ihre  Argimmt-  undt  Phroies  Bfleher  fein  sauber 
biilten,  nicht  unleserUch  undt  krumb  geschrieben,  exkihiren,  noch,  ehe, 

das  ArgiiMent,  oder  die  Phrases,  vom  Praecepforc  corrigir^  buchstaben 
undt  wOrter  darinnen  selbst  «orr^ren,  ausslescheu  oder  ausskratsen. 

7. 

Uber  denen  gewöhnlichen  Sehul-bücliern,  so  in  Typo  Lectionum 

Ix'iicihiiit't.  sollen  die  Präceptores,  vomemlich  der  Ihctor,  denen  Knaben- 
dcrt  r  Eltern  vennAgens,  undt  diesen  nothweiidip-  I^ücIkt  k.iuflen  können, 
au(  h  zu  andern  guten  Autoren,  solche  ihnen  zuschafleu,  rath  uudt  au- 
leituii^  geben. 

8. 

Der  r^ptw  Lediomm,  soll  vom  JKecfor«  in  die  Itfäricvi  ge> 
schrieben,  undt  in  allen  Schull-stuben  sn  die  Wandt  gehefltet  werden. 

Cap.  XIII. 

Von  dem  Famtdo,  undt  dessen  Terriehtuiig. 

1. 

Zum  ambto  der  Schul-/amM/a<wr,  soll  ein  armer  Knabe,  am  Fifv- 
tisch,  so  schon  von  Jahren,  undt  seine  Studia  uf  Univeraitdex  im  Ut 
hoher  zubringen  gedencket,  gebrauchet  Verden,  jedoch  allen  Legibus 
genendihuß^  so  andern  düdpulü  gegeben,  unterworfen  bleiben. 

2. 

.  Soll  er  zu  rechter  Zeit,  die  grosse  SchulthOre  öfhen,  wie  auch  die 
Classen,  eine  Viertelstundte  vor  der  Ltdion  aufinachen,  undt  nach  ge- 
endeter L&Awn  wieder  schliessen. 

3. 

Jedesmal  nach  geendigter  Schul,  in  allen  Classen  nacJi  den  fenstem- 
undt  Ofen  sehen,  ob  etwas  subrochen,  nachfrsgen,  woher  der  Schade, 
undt  dran  sein,  dss  er  wieder  gut  gethan  werde,  oder  in  ermangelung 
solches  dem  Beetori  anzeigen. 


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'22.  Wcii)i;in's(lit'  Scliiilor<ltnin£r  von  IKTO.    Von  faidwii:  W>nii;ir. 


4. 

\\'intprszeit,  sonderlieh  flmb  n  lit  mi  !t  10  Uhr,  vor  allen  Öfen  nach 
dem  feuer  sehen,  damit  nit  schadf  *j:t's(  holic,  or  auch  mit  dorn  liecht, 
behutsam  um^)'li<>,  auch  dass  solches  von  denen  Knaben  des  Freitisches 
geschehe,  daian  sein. 

5. 

Fl«is6ig»  aclit  geben,  dass  die  Winde  nndt  Schultbüren  mit  rOtiie 
blfljweisB«  Kohlen  nicht  beschmieret,  zerbrochen,  kerschlagen,  rielweniger 
allerhandt  Uniletereyen  darein  gestochen  werde,  die  ädwqumtm^  soll  er 
dem  Mtdori  anxeigen. 

fi. 

Wöcheutli(  Ii  soll  er  zweymahl,  als  Mittwochs  und  Sonnabends,  in 
allen  Classen  auskthrtu,  darzu  ihme  iedesmahl  2.  Currcutschülcr,  mit 
Wasser  holen,  undt  anderen  bedienet  sein  sollen, 
i'a«.  'ju  7. 

Achtung  geben,  damit  das  Schulholtz  nicht  gestohlen  ondt  Ter> 
schleppet  verde. 

8. 

Was  ihm  sowohl  von  denen  Imptttern  undt  Praecepiorn  der  Schiü- 
knaben  wegen,  anbefohlen  nndt  ▼«trauet  wirdt,  soll  er  Terscbwiegen 

halten. 

9. 

V^mn  perwiref  wirdt,  soll  er  zur  rechten  Zeit  die  pro§rammaia 
anschlagen,  und  die  flosfitites,  wie  der  Iteekr  ihme  befehlen  wirdt,  ge- 
btthrendt  tnmtü^n. 

10. 

Wann  er  von  denen  Praccrpfon'bfis  au  die  Eltern,  umb  nachzu- 
fniffPii.  wo  rlip  Kimlpr  sein,  p-f  schicket  wirdt,  soll  mit  denf^ii  discipeln 
inciit  unter  dt  i  (riiu  i  >  J)r<  ke  liegen,  ihi'e  ddicta  bemänteln,  sondern  die 
reine  Wahrheit  einschencken. 

11. 

Die  SehulthQren,  wann  sie  geschlossen,  ohne  Vorbewust  undt  er- 
läubniss  des  Bedorü  niemanden  aufthun, 

12. 

Dieser  undt  anderer  uhrsachen  halben,  soll  er  ohne  des  Seetorü 
W^issen  undt  Willen,  keine  stundte  Ton  der  Schul  bleiben,  viel  weniger 
aber  nacht  anderswo  schlafTen,  oder  geseilsehafft  einnehmen. 

1:1 

Seinen  Lohn  soll  fr  haben:  In  deme  er  1.  des  Freji-I isclies  jjeneust. 
2.  Seine  stelle  in  der  Cantorey  bchelt.  'X  Von  ioirli<  hcni  disci'prL  (rdio 
;;rtr  rtnue  aussy:enommen,:)  .Jfthrli'^h  2.  i;r.  Wordurcli  .-ii-  <1»*«  nii'-sk»  In  t  us, 
lunlt  anderer  beschwerung  überliobeii  werden,  4.  \on  eiiieiii,  iU-r  perorirot, 
2  gr.  8  4  als  ein  Aeeiäetu»  5,  Sein  bette  sol  er  auf  dem  bodeu  haben, 
in  sexia  dasse  studtmiL 


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364      Mitteilungen  d.  Ges.  f.  deutsche  Eniüüuugit-  u.  ischulgesch.  Vlll. 


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^.  Weimaruche  dctiulordniing  von  107<X  Von  Ludwig  Weniger.  36o 


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Fabuliw»  Aesopi 

Portulae  Seidelij  pars  posterior 

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Evangelium  Graecum 
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22.  Weimarisclie  Schulordaimg  \oa  1670.  Von  Ludwig  Weniger.  367 


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808    Mitteilungen  d.  (.ios.  £,  deutsche  Erziebuu^s-  u.  Schulgesch.  VJLII. 


Geschäftlicher  Teil. 


MltteJlmigaii  ans  den  Oruppen  der  CtoaeUMhaft 

Gruppe  Anhalt. 

Von  der  am  12.  NoTcniber  1898  st«tt£r<>liaht#n  Versanuuluiig:  der 
Gruppe  wurde  der  Beschluss  gefsüst,  als  ihre  nächste  Aufgabe  die  Her- 
stellung blblioi^rraphisGher  Yeraeidmisse  der  bereite  Torluaideneii  Litleratur 
Sur  Gesehiebte  dee  gestmteik  snhaltischea  Sdiul-  und  Erneluuigvweaeiie, 
eineeblieaslich  der  in  Archiven  enthaltenen  Katerialien,  in  die  Hand  tu 
nehmen.  Auch  fand  der  Plan,  innerhalb  der  ^Mltteilun^ien'*  ein  be- 
sonderes Anhalt-Heft  erscheinen  zu  lassen,  die  Zustimmung  der  Ver- 
sammlung, «o  (lass  dessen  ZustAndekommen  als  sicher  gelten  darf.  Die 
Ausgabe  der  anhaltischen  Schulordnungen,  sowie  die  Veröffcntlichnnir 
der  Akten  zur  Prinzonfrziehung  im  anhaltischon  Fürstenhause.  Arbeiten, 
die  schon  vor  15  Jaliren  in  Aiigritf  geuomiuen  wurden,  werden  hoffentlich 
nun  ebenfalls  eine  raschere  FOrderunf^  erfahren. 

(iruppe  Bayern. 
IMe  bibliographischen  Arbeiten  der  Gruppe,  die  auf  ihrer  ersten 
OeneralTersanunlung  als  nächste  Aufgabe  des  Kuratoriums  ins  Auge 
gcfasst  wurden,  schreiten  rttstig  vorwfirta.  FQr  die  Fertigstellung  des 
VeraeiühnisMs  der  in  Ikqrem  erschienenoi  sdinlgesdiichtlicheii  Pro> 
gramme,  das  der  bislieTige  SchriftfiQhrer  Professor  Dr.  Schmidt  Über- 
nommen hatte,  ist  nach  dessen  Beförderung  aum  Ojmnasialrektor  in 
Ludwigshafen  eine  andere  tüchtige  Kraft  o;ewonneTi  worden.  Die  Zu- 
sammenstellung der  in  den  Zpit.';(  hriftcn  der  historischen  Vereine 
Bayerns  niedergelej^cn  Ahhandlun;^en  ist  ebenfalls  in  eine  bewährte 
Hand  gelegt  worden.  Ein  Mitglied  des  Ausschusses,  Herr  Realschul- 
rektor a.  D.  Harsehail  hat  die  Registrierung  aller  in  Bayern 
veröffentlichten  pftdagogisch-hietorischen  Monographien  und  Zeit» 
echriften-Artikel  in  Angriff  genommen.  Auch  ist  der  Oedanke  an- 
geregt worden,  ein  zweites  Bajemhcft  herauazugeben,  wofttr  einige  Bei- 
trüge bereits  Torhandcn  sind.  Die  Hauptaufgabe  der  Gruppe,  die 
Sammlung  tmd  wisjsen.schaftliche  Bearbeitung  der  bayerischen  Schul- 
ordnungen, die  nach  einer  mit  dem  Schriftfflhrer  der  GeselLschaft  früher 
getroflcncn  Vereinbarung  unter  der  Leitune  des  Gymnasialrektors 
Prof.  Dr.  Orterer  in  Eichstädt  bewirkt  werden  soll,  ist  zwar  infolge 
der  flnttulcllen  und  aachliehen  Schwierigkeiten  von  ihrer  Lösung  noch 
weit  entfernt,  darfte  aber  nunmehr  einen  stetigeren  Fortgang  nehmen. 


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Geschälilicher  Teil.    Mitteiliing<"n  aus  den  (jiiippen  lU  r  üest  llsch.  3t)D 


Gruppe  Oesterreieli. 

Dpr  von  dem  ersten  Sehriftführcr  Direktor  Prof.  T>r.  Em.  ITannak 
verfa.'-'^tc  J ahrpsboricht  der  österreichisclu  u  (irni»pe')  legt  aufs  ueue 
Zeugiiiü  ab  für  den  rejren  Eifer  und  den  Grist,  der  diese  Gruppe  von 
Anfang  ihres  Bestehens  an  beseelt  hat.  AVir  nmaüeu  es  uns  leider 
wegen  BaummangvU  versagen,  die  lebensfriicheii  Darlegungen  Hamiaka 
hier  wArtlicb  folgen  lu  lassen,  sondem  uns  mit  einer  anszngaweisen 
Wiedergabe  begnflgen. 

Eingeleitet  wird  der  Bericht  durch  Mitteilungen  aus  dem  Vor- 
.stnnde,  der  infolge  Ausscheidens  mehrerer  Mitglieder  eine  teilweise  Er- 
neuerung erfuhr.  Einen  wegen  der  tragischen  Umstünde  doppelt  be- 
klagenswrrtou  Verlust  erlitt  die  Gnippe  und  mit  ilir  die  Gesellschaft 
durch  den  bei  einem  SchilTsäunfall  erfolgten  Tod  des  Obmann-Stell- 
vertreters Uuiv.-Prof.  Dr.  Kopallik.  In  einem  kurzen,  aber  inhalts- 
Tollen  Nachrufe  vird  die  TbAtigkeit  und  Peratalichkeit  des  Yenrtoibenen 
gewürdigt.  Auch  der  Obmann  des  Ausschussea,  Begiemngarat  Dr.  AI. 
Bitter  Egger  von  MoUwald  sah  sich  durch  Krankheit  gezwungen, 
sein  Amt  niederzulegen. 

Diese  Lücken  wurden  in  der  Jahresversammlung  am  20.  Mai  aus- 
gefüllt, ind^m  Txim  Obmann  Hofrat  Tir.  H.  Ritter  von  Zeisssberg.  zu 
dessen  Stellvertreter  der  k.  k.  Silnilrat  Prof.  A.  Huugger  gewählt 
wurde,  die  Stelle  der  aus  Wien  sr  hcidciKb  ii  \  or8tandsmitglioder 
Landesschul Inspektor  L.  Lampel  und  Prut.  Dr.  L.  l'röll  traten  die 
Herren  Dr.  A.  Ooldmann,  Eouzipist  am  k.  k.  Hans^,  Hof-  und  Staats- 
archiv und  Prof.  Dr.  E.  Wotke.  Ausserdem  wurde  der  frühere  Obmann, 
Regierungsrat  Dr.  Egger  von  Mflllwald,  wegen  seiner  Verdimiste  um 
den  Verein  zu  tb  <-i n  I'lirt  niirrisidcnten  ernannt. 

Ueber  da.s  Wirkon  des  Vorstandes  für  eine  gedeihliche  Entwicklung 
der  ö.sterreichischen  Gruppe  werdrn  erfreulich«»  Kinzolhfitni  bcrifhtot. 
Zunächst  Hess  er  es  sich  wie  früher  uni::*'lt'i;tu  sein,  die  Au{»<aben  und 
Bpstrpbtmu'en  der  fl  nippe  in  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen  oder 
zu  deren  Förderung  anzuregen,  zu  welchem  Zwecke  das  eben  feilig- 
geetellte  erste  Heft  der  Beitrage  zur  österreichischen  Bchul-  und  Er* 
ziehungsgeschichte,  die  «Geschichte  der  Savoy^schen  Ritter- 
Akademie*^«  von  Prof.  Job.  Sehwars,  treffliche  Dienste  leistete. 

Dank  der  Bemflhungen  des  Vorstandos  nach  dieser  Richttmg  hin 
flosson  der  Gruppe  auch  namhafte  materielle  Unterstützungen  zu.  Von 
.Seiten  de.s  hdhen  Ministerinnt«?  für  Kultus  und  Unterriebt  wurde  ihr  ein 
Betrag  von  4<>j  11.  zugewendet.  Aueh  der  nieder-zwicrrei'  bi«'  b^  T-innd- 
tag,  dem  mit  dem  ersten  Hefte  der  Beitrüge  ein  Gesucli  um  Subvention 

*)  Vierter  Jahresbericht  der  Österreichischen  Gruppe,  vorgetragen  in  der 
JahfesversammluDg  am  20.  Mai  1809.  Wien  1808.  Verlag  der  0.  Q.  der  (Ge- 
sellschaft fflr  deutsche  Erziehurijs^s-  und  fchulgescbichte.  Druck  von  Rudolf 
Brzezowsky  &  Söhne,  b».   U  ü. 


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^iO    JUitteiiungeu  ü.  Uuä.  f.  douläcliu  Erziehuogs-  u.  Scbulgeäch.  VIII. 


uiitethrcit^'t  wtn-do.  gewilhrte  lU<)  il.  Feiner  spendete  Se.  Durchlaucht 
der  le^^iereiidö  Füitst  von  und  zu  Lichten  stein,  nachdem  ihmein 
Exemplar  dar  Goftebiolite  dar  Setoj 'scheu  lUtterakadeuüe  gewidmet 
worden  war,  eine  Summe  voa  200  fl. 

Durch  diese  lOttol  mtd  die  Gruppe  in  die  Lage  gesetzt,  weitere 
Beiträge  zur  österreiehiscben  Schill-  und  Eniehimgagesehichte  m 
publizieren,  für  welche  eine  Fülle  von  wertvollen  MateriaUon  tdls  in 
druckfertigem  Zustande  vorlio^rf  .  teils  zur  Verarbeitung  sieh  noch  in  be- 
Wiihi*t«n  Händen  befindet.  Hier  lan^^en  dif»  fortpesetzt  vom  Vorstiuid 
gegebenen  Anregungen  zur  ^Milarheil  an  di  r  Erlürschuiig  der  Geschichte 
des  Schulwesens  an,  reiche  Früiihte  zu  tnigen.  Landesschulinspektor 
Dr.  J.  Huemer  beabsichtigt,  aus  dem  Archiv  des  Unterrichts- 
nmusteriums  den  Stein^seben  «Entwurf  fOr  das  Lehramt  der  höheren 
Studien  der  Klassiker  xur  Bildung  des  Oeachmadces  als  praktische  An- 
leitung  zur  Beredsamkeit  betraehtet*  aus  dem  Jahre  1807  zu  ver- 
öffentlichen. Beitrage  zur  Geschieht«  der  Lateinschulen  in  der  Ke- 
formationszeit  liefprn  Prof.  J.  Jäkel  aus  Freistadt,  der  Regesteu  und 
Aktenstücke  zur  Geschichte  der  lateinischon  Schulmeister  daselbst  aus 
der  Zeit  von  1543— 15fK)  ediert,  P.  Fr.  En  dl  mit  einer  Darstellung  der 
ältesten  Geschichte  der  Stadt.seluile  zu  Horn  und  C.  Schiffmann  aus 
Innsbruck,  der  das  Leben  und  Wirken  eines  Schülers  des  Strassburger 
Pftdagogen  Storm,  des  seit  1574  in  Lins  thätigen  Magisters  Oalaminus 
behandelt  Ferner  ist  Ton  Prof.  Dr.  L.  Frdll  ein  umfangreudies  Manuskript 
des  bekannten  Sehulreformators  F>  Gratianns  Marx  Aber  die  in  der  The* 
resianischen  Zeit  in  Oost»  iTPich  bestehenden  Gymnasien  vorgelegt  worden. 

Als  ein  erfreuliches  Zeichen  des  Fortschritts  kann  der  Umstand 
fjfnlfen,  dass  an  eh  unter  den  Volksjjchnllehrprn  das  Intor»'sse  an  der 
heimischen  8cliult;i  srl;irli{e  sieh  mehr  und  nieiir  zu  eipfpuen  Forsrlnini^i  n 
verdichtet.  Von  deji  aus  diesen  Kreisen  eingosaiHlteu  Schrifuiüt  ken 
wurden  di'ei  als  Beilagen  fiu*  den  Jahresbericht  au^gewählt.  An  erster 
Stelle  stehen  die  vom  Herrn  H.  Scher  er,  Schutloiter  in  Tollinggraben 
bei  Leoben,  eingesandten  «Akten  der  Schule  amWeizberg  (Bezirk  Welz 
in  Steiermark)  aus  dem  Jahre  1744",  ein  höchst  interessanter  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Tolksschulo  vor  ihrer  Xeuli*\:;rnndung  durch  [Maria 
Theresia.  Die  zweite  Beilage  bringt  zwei  Urkunden  vom  Jahre  1508 
und  IW^  an?  dem  steiorTnilrkioehon  Landessan  hive  in  Hr  r/.  kaiserlieho 
Gnadenlit  w ei?<e  an  verdiente  Lehrer  entlipitrud.  in  iieger^tenform  er- 
j.('heiütin  zuletzt  die  von  Herrn  Steph.  Leker  in  Lofcr  gesanuneiten 
Aktenstücke  und  Kopien  über  die  Schule  in  ^Veisöbach. 

Dmi  Schluss  des  eigentlichen  Berichtes  bildet  ein  kurzer  Hinweis 
auf  die  im  Berichtiyahre  erfolgten  Veröffentlichungen  der  Centraistelle 
in  Berlin.  Die  neu  entstandenen  Organe  der  Geaellsohaft^  die  «Texte 
und  Forschungen"  und  .das  gesamte  Erziehungs-  und  Unter« 
riehtswesen  in  den  Ländern  deutscher  Zunge**  werden  mit  be- 
sonderem Nachdruck  hervorgehoben. 


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Geschäftlicher  TeiL  Mitteilungen  aus  den  Gruppen  der  Gesellsch.  371 


Der  S.13  gegebene  I?echpnsehafl5l)ericht  und  das  folji^ende  Mitjdrüeder- 
Tcrzeiohnis  bestAtip:pn,  was  vorlirr  über  die  äustsyreii  Krfol^e  der  öster- 
reichi&clieu  Gruppe  im  verllos.sencn  Yereinsjahre  ausgeführt  worden  ist. 

Gruppe  Pommern. 

1.  Dpt  Vorsitzende  die<sir  Gruppe.  Herr  Geh.  Reer. -Rat  Prof. 
Dr.  Reifferscheid  hat  als  die  Arbeit  der  Gruppe  die  Inventarisierung 
und  TTnteraachung  der  in  PcHouneni  rcuA  16.  JahrhimdBrt  an  bis  zum 
Anfang  des  18,  Jahrhnnderta  gebrauchten  Sehulbttcher  ins  Auge  gefi^st, 
soweit  sie  rieh  in  pommersclien  Bibliotheken  befinden. 

Er  selbst  hat  Ix  i^onnen,  die  auf  der  Kgl.  Universitätsbibliothek 
und  auf  der  Nikolaibibliothek  in  Greifswald  befindliehen  lateinischen 
und  griechischen  Schulbücher  des  IG.  und  17.  Jahrhunderts  zu  ver- 
sreiehnen  und  zu  untersuchen,  er  ist  dabei  zu  überraschenden  Ergebnissen 
gekommen. 

2.  Ein  Verzeichnis  der  schulgeschichtlichen  Arbeiten  über  Pommern 
hat  Herr  GjnuL-Obedehrer  Dr.  Wehr  mann  in.  Stettin  fibemonunen 
und  fast  sum  Abschluss  gebracht. 

3.  Die  Begistriemng  der  in  ftflbntlichen  nnd  privaten  Bibliotheken 

und  Archiven  befindlichen  Handschriften  und  Ulkunden  von  schul- 
geschichtlicher  Bedeutung  ist  in  Angriff  genommen  worden. 

Zur  Ausführung  des  1,  und  des  3.  Planes  sind  zeiü-aubende  Nach« 
forschuugen  erforderlich. 

Gruppe  Schweiz. 

Von  dem  Aktuar  der  schweizerischen  schulgeschi^^htlif  hon  Ver- 
eiui>^ung,  Prof.  Dr.  Ernst  in  Zürich  ist  der  Schriftleitung  nachfolgender 
Bericht  über  das  Jahr  1807  und  lÖUS  einp^esandt  worden: 

1.  Die  schweizerische  schulgeschichtliche  Vereinigung  hielt  ilire 
sechste  Versammlung  am  3.  Oktober  1897  in  Baden.  Heir  Sohul- 
sekretar  Zollinger  in  Zfirieh  schilderte  in  einem  lebendigen,  freien 
Vortrag  die  Thfttigkeit  Jakob  Redingers  als  Schulreformator  und  im 
besondem  seine  monatlichen  Juirend spiele.  Auf  seiner  Tielbevegten 
Laufbahn  kam  der  zürcherische  Pfarrer  nach  Amsterdam,  wo  er 
Conipniii?  kennen  lernte,  und  von  diesoni  angeregt  eine  pfldn^rof^isdip 
Arbeit:  „-hjgendspiele"  verötientliclito,  in  der  er  der  Ju^rtnd  als  beste 
Erholung  körperliche  Uebungen,  Spiele  und  dianialische  Darstellungen, 
sogar  das  damals  noch  vielorts  verpönte  Baden  und  Schwimmen  eraplalil 
und  diese  Unterhaltungen,  nach  Monaten  geordnet,  zu  einem  TollstBndigen 
System  ausarbeitete.  —  Der  Präsident,  Herr  Prof.  Brunner  in  Zflrich 
besprach  hierauf  in  einem  längeren  Aufsatz  die  Ordnungen  der 
Schule  der  Propstei  Zürich  im  Mittelalter.  Die  Arbeit,  ein  Er- 
gebnis snr;2ff;iltii.or,  archivaiischer  Studien  ist  seither  im  Druck  er- 
schienen und  den  Mitgliedern  7np-'!str1U  worden.  —  Herr  Prof, 
Dr.  O.  ITunziker  teilte  zum  iSchluss  inieiessantc  Einz'  lhi  it.-n  mit  über 
dflÄ  Ende  des  Philant  hropins  in  Marsch  lins,  einer  Gründung  \,1 701) 


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372     Mitteilungen  d.  Gett.  f.  ileat^che  Jblrziehuugs-  u.  Scüulgesdu  VIIL 


Martin  IM  an  las.  Acs  Plarrers  in  Zizcrs.  Das  Enipoi  kommen  des 
Philanthropiix^j  in  Dessau,  ungeschickt«  Leitung,  uulühige  oder  unwürdige 
L«hx«r  Aihrlan  sm  IViedergang  und  sdiliMilieli  nur  Auflfltiiiig  der 
Anstalt,  1777.  Der  dankenswerte  Yortnig  wurde  lllastriert  durch  einen 
Plan  des  Sehleasas  Harsehlins,  durch  ein  Veneichnis  der  Leiirer  und 
Schiller  des  Instituts  und  durch  da.s  Stammbuch  einea  Zfiglinga  mit 
Autographen  verschiedener  berühmter  Männer. 

II.  In  der  siebenten  Jahresversammlung  am  9.  Oktober  1?^?^ 
in  Zürich  wird  auf  Antrag  des  Vorstandes  die  Heransp:nh«  eines  Heltes 
,,Helvetica'*  al:=  besondere  Nummer  der  «Mitteilungen  der  Gesellschalt 
für  deutsche  Erziehungs*  und  Schulgeschichte"  beschlossen  und  aus  dea 
Herren  Prof.  Lang  in  Sdiaffhauaeo,  Pkof.  Dr.  O.  Hunsiker  in  Zfirioh 
und  Seminardirektor  Keller  in  Wettingon  ein  Bedakttondcomitee  bestellt, 
daa  mit  der  Sammlung  und  Siditung  des  Hateriala  betraut  ist  —  Herr 
Seminardirektor  Keller  in  Wettingen  (Aargau)  erfreute  die  An- 
wesenden durch  einen  lehrreichen  Vortrag  über  ,,Pe.s1  alozzi  bei  Karl 
"\'ikt'>r  von  Bonstetten".  Als  bemisehrr  Statthalter  im  Saanenland© 
trat  iionstpttcn  daselbst  1778  Annenstliulen  an,  deren  Insaaseu,  Kinder 
nnd  gebreciiliche  ältere  lAute,  durch  Landarbeiten»  Baumwollenspinnen 
und  Beidenstickeu  die  Kosten  ihrea  Unterhaltes  nahezu  selber  deckten. 
Bonatetten  grflndete  wenige  Jahre  nachher  auf  seinem  TfttarUditfii  Oute 
Vallejrea  bei  YTerdon  eine  ahnliche  Anstalt^  cn  deren  Leitung  er 
keinen  Geringem  als  Pestalozzi  berief,  von  dessen  pädagogischem 
Geschick  und  menschenfreundlichem  Ringen  er  bcgcititcrt  war.  Wir 
h^Vren  freilich  nichts  davon,  dass  Pcf^talozzi  dem  "Rtife  ]^onst</tten6  ucfnlgt 
wäre,  noch  von  einem  dauernden  l->fol;;-  der  genannten  .Vrmcnseluilon. 
—  Der  Vortrag  ibt  seither  in  «lea  ,.1'rstiilozzililätteru''  erschienen. 
(XIX.  Jahrgang,  No.  3,  November  18t*8  —  ISeilage  zur  schweizerischeu 
pädagogischen  Ztitsdirift,  "VIII.  Jahrgang,  Heft  VI.)  —  Herr  Prof. 
Dr.  O.  Hunsiker  sprach  in  einem  grOndlichen  und  äusserst  anregenden 
Exkurs  Aber  f,Bcdmer  als  Vater  der  JQnglinge".  Die  Arbeit  wird 
demnfichat  als  Teil  einer  grßssem  Denkschrift  Aber  Bodmer  Ter{}ffentlicht 
werden.  — 

III.  Pie  Zalil  der  Mitirlioder  der  „schweizerischen  scliul- 
gop<  Iii*  lit  liehen  Vereinigtini:"  ist  gegenwärtig  iiS;  davon  sind  1^2  zugleich 
3Iitglieder  der  „Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schul- 
geschiehte". 

Die  letttjflbrige  Bechnung  weist  bei  806  Fr,  Einnahmen  und 
201  Fr.  Ausgaben  einen  Saldo  von  103  Fr.  auf. 

Der  Vorstand  besteht  fOr  1896—1900  aus  den  Herren  Prof. 
Dr.  Brunn  er,  PrSsident,  Prof.  Dr.  O.  Hunziker,  Archivar,  Schul- 
j^t'kretiir  Zollingcr,  Quilstor,  Rektor  Dr.  Hans  "Wiri,  Rektor 
Dr.  Bücler  in  Frauenfeld  nnd  Dr.  Tlr.  Ernst,  Aktuar. 

Wie  nn*  Prof.  Dr.  T.  an  ir  in  Sehaffhausen  schreibt,  hat  K'eilaktionä 
au.-^^^chuss  am  HU.  Dezember  lö'JS  eine  erste  Sitzung  abgehalten.  Ub- 


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(uttk-lutttlu-ht<r  Teil.   Jiiltviluugeu  aus  <1ou  Ciruppcu  der  üeseiLscli.  o73 


jrU'irh  vr  bereits  von  vit  U  u  Seiten  feste  Zusay:en  zur  Mitaj  beit  erlialtcn 
hatif,  glaubte  er  doch  sich  damit  nicht  begnügen  zu  dürfen.  Es  wurde 
TieJnebr  eine  fiber  40  Namen  sfthlende  Udte  von  solchen  aufgesetet,  die 
bereite  auf  echulgeeobichtUohem  Gebiete  thAtig  waren,  und  bescUoesen, 
in  einem  Rundschreiben  diese  Herren  cur  Aufsuchung  der  in  ilirer  Gegend 
vorhandenen  püda^ogiseh-historischeii  Urlninden,  gedruckten  and  unge- 
druckten, und  sodann  zur  Lieferung  von  Beitragen  aufzufordern.  Aus 
dem  auf  diese  AVei.se  zusammenkommenden  Material  soll  das  stofflich 
Intoressanteste  herausgegiiflen  und  für  das  Hi  h  »  tia-Heft  bestimmt  wenlen 
und  zwar  so,  dass  die  verschiedenen  Zeiten  und  Gegenden  nach  Möglich- 
keit berücksichtigt  werden.  Ueber  die  Zeit  und  den  Umfang  der  Ver- 
Offmtlicbung  schweben  mit  der  Schriftleitung  noch  Verhandlvngen. 

Gruppe  Thüringen. 

Siuh  langen  \'<'rliainllungen  ist  endlich  die  Bildung  einer 
thüringischen  Gruppe  gelungen.  Nachdem  Versuche,  eine  selbständige 
Oiganisation  ins  Leben  su  rufen«  ei^lmislM  blieben,  machte  Geh.  Hof* 
rat  Dr.  Richter  in  Jena,  der  sich  der  Angelegenheit  mit  grossem 
Eifer  angenommen  hatte,  den  Yorschlag,  die  „Thflringische  Histo» 
rische  Kommission''  zugleich  mit  den  Aufgaben  einer  thfiringischen 
Landesgruppe  der  Ciesellschaft  fQr  deutsche  JBrziehungs-  und  Schul- 
geschiehte  zu  betraneTi. 

Auf  Wunsch  des  Vorstandes  der  (iesellsehaft.  der  die  (Jrüii(iiing 
ei  IU  I  besonderen,  der  Kommission  und  der  Geselisciialt  zugleic  h  an- 
gegliederten Gruppe  fflr  das  Zweckmässigere  ansah,  gab  Hofirat  Richter 
seinem  Vorsehlage  eine  andere  Form  und  stellte  auf  der  am  15.  Mai  in 
Weimar  tagenden  Versammlung  derThflringisehenHistorischen  Kommission 
und  des  Hauptvereins  folgende  Antrüge,  welche  xur  Annahme  gelangten: 

1.  Die  Th.  Tl.  K.  erklärt  sich  bereit,  Materialien  zur  Erziehungs-  und 
Scliul^'-oschiclit»'  Thfin'ngens  7M  sammeln  U!h1  mit  dem  Verein  für 
deutsche  Erziehung^-  und  Schulgescliichte  in  Berlin  in  Verbindung 
zu  treten. 

2.  Sie  beauftragt  eines  o<ler  einige  ihrer  Miti;liedor  mit  der  Bildung 
und  Leitung  einer  thflringisehen  Ortsgruppe  des  genannten  Vereins. 

3.  Diese  Gruppe  sorgt  fDr  Sammlung  der  Materialien  und  bereitet  deren 
VeiOfTentlichung  vor. 

4.  Die  Veröffentlichung  erfolgt  in  besonderen,  von  der  Orü;gruppe 
Iii  r  aiisji^egebenen  Heften  der  „Mitteilungen  der  Gesellschaft  fQr 
ileutsi.hc  KrziohiiTi'^'s-  und  Sfhiil'rf'schicht^'*. 

5.  Die  KosttMi  der  Herausgabe  trä^-^t  die  genannte  (Gesellschaft.  Diese 
gewslhrt  als  Hcnorar  für  die  }5eiträge  pro  Bo^'^fii  Korpus-Sal/.  hei 
zusamnieiiiiangentler  Dmvstelluug  i30  Mark,  lür  den  Abdruck  einlacher 
Texte  je  nach  den  obwaltenden  Schwierigkeiten  10,  16  und  20  Mark. 

Der  Vorstand  unserer  Gesellscimft  gab  m  diesen  Besdilflssen 
seine  Zustimmung  und  der  Vorsitzende  der  Thflringisehen  Historischen 

25* 


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37J     Milteilungen  d.  («<*.«.  f.  ileulschn  Emehunfr»-  u.  8chiilg«.«icli.  V'III. 


K 'Miiiiiissirin.  f'rof.  Ros^^nthal  in  Jriia.  leitete  miiiinelir  die  ( >r;ranisati<tn 
<U  r  lliüriii^Msi  heii  (inijtju-  in  die  AN'e'^e.  ^.'elaiijs;  seinen  T^eniühnn'jen. 
eine  Reihe  von  tüchtigen  und  bewühlten  Kriifton  tür  da.^  Kuratorimii 
zu  gevinneii,  aus  dem  VenEoicilinis   der  Kuratorialiuit^licdor, 

Hilt.  Yin,  259,  zu  ersehen  ist. 

Die  Sohriftleitung  übernahm  Herr  Dr.  Gr.  Mentz,  IMvatdozent 
der  (Jes<hicht^  an  der  Universität  Jena.  Obwohl  die  (ini[({)>'  *  i >t  in 
der  P^ntstehnn^;  Ite^rriHen  ist.  fio  sind  doch  selion  verlieissiinirsvollc  .An- 
f:itie"e  ilirer  Thfltiijkeit  Iii  w<»rden.    Kinersoits  sitnl  tlie  l'flt'L:«'!'  der 

Thiirinjxisclien  Historiseiu  n  Kommission  anire\viesen,  an  Ii  lias  vorhandene 
Jlaterial  zur  thnriniiisclien  J^rziellnn^^s-  mnl  Sf-hntuesdnehte  zn  ver- 
sceielmen,  worüber  noch  im  Laute  des  Jahre.<<  IJSIH)  interessante  Ma<'h- 
richten  zu  erwarten  sind;  andererseits  sind  bereits  wef^n  Ausarbeitung 
.euier  Bihliographio  mit  Herrn  Seminarlehrer  Grossknpf  in  M'eimar 
Verhandlung^  angeknüpft,  die  bofleutlieh  zu  einem  ^uton  AbsdU^ma 
führen  werden. 

Es  sei  an  dieser  St<'lle  bemerkt,  thiss  aiieh  dt  r  IMan  besteht,  eine 

Au'^Lrübe  der  .Tf'ii''n<(M"  l'niversität>matnk(  I  71t  vej'anstalt'  n.  T^-vor  nber 
hierlür  die  noti-rn  MiTti  l  flri<«i'_r  L'<'iii»ei)t  sind,  kann  über  die  Zeit  und 
Ai't  der  Ausführung  noch  nil.]lt.■^  b<>iininit  werden. 

CIruppe  Württemberg. 

Das  Kuratorium  der  Grujipe  bereitet  dif  An.<;iabe  eines  Grujipen- 
beftes  vor,  dessen  Inhalt  sehr  mchhaitlg  zu  werden  vei'spricht.  ^Vie 
dar  Schriftführer  der  Gruppe,  Oberschulrat  Dr.  (lundert  in  Esslingen 
mitteilt,  haben  namhafte  Kenner  des  württembvr^ischen  Schulwesens  es 
unternommen.  Beitrage  zu  liefern:  Prof.  Dr.  Eitl«>  in  l  laeli  wird  über 
evangelische  Seminar»-  nn«l  Stifti'.  Oiterstudienrat  Hanl^er  in  Stntt;;art 
tiber  die  hohe  Karlssehnle.  J^ektm-  ^l;i\  er  in  l]>slin4,'en  über  das  Schul- 
wesen dieser  alten  Keiciisstadt,  Oberb-hrrr  3Ierkle  üIm'I"  das  Kntbnritu'i!- 
stift  in  Stutt;iart.  Kirelienrat  })r.  Kr(»ner  ülter  die  i^raeii^ i.-clifn 
Schub'U  des  Landes.  Piof.  l)r.  IMam  k  in  Stuttj^art  über  das  dorli^o 
Bealgymnasiujn,  l?eperun<jr!«rat  Dr.  ajil  in  Stuttgail  über  katholische 
Konrikte  in  AVdrtteroberg  schreiben.  Ausserdem  wird  Dr.  Schott  in 
Cannstadt  eine  Zusammenstellung  der  in  Schul])ro<jrrammen  nieder- 
gelegten historis«  h-iiädaj;oufise]irn  Abhandlunjjen  biiimrn.  Eine  Arbeit 
des  Amtsriehters  Dr.  Beck  in  Bavoui^burg  ist  der  Bclirittieitung  bereits 
frfliier  zugeganp>n 

Das  nächste  Helt  der  ,.^Iitt(  ilunu' n  Jahrjr.  IX,  1,  ist  ans- 
scliliesslieh  für  dies»-  Keitiä^e  (b-r  Grupi>e  \\  nrttendx  r'r  bestimmt.  Da 
Uer  verfüfe'bare  Kaum  eines  Heftes  dafür  ni<  ht  ausreicht,  eüi  Doppelheft 
aber  aus  praktischen  Eflcksichteu  nicht  jt»cheinen  soll,  so  wird  ein  Teil 
der  Arbeiten  in  einem  zweiten  Hefte  der  wfli ttembergischen  Gruppe 
innerhalb  des  10.  .Jahrganges  dargeboten  werden. 

I 

Vi.*  '      ■    ■  ^ 


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AiixiMiTi^ii-AbUitilnng.  V 


Im  X'fiiiijfi'  V(in  A.  Hofniami  &  Co»»  Berlin  W.^  J^ripzitfertitr.  ei^ 

1848 

Kladderadatsch 

Organ  für  und  von  Bummler. 

(Sepamtansgal»«  des  emtom  iftlirsuiCM  dm  KUdderadatsck  t<hi  18i8*) 

l*reiM  :i  Mark. 

I)ii  >i'  Siiimiilmi;;  iliiil  Aiis))riirli  «  iIh^Ik*!!  aiil  «Iiis  liitrn»«'  wi-ittT  Kn'ise: 
bifU'l  (loih  «Ur  Kladü«'iH«l:»t.>tIi  in  dicseui  cr.sloii  .hilir>.'iiii}.a'  djis»  ;(«'treuet>l« 
Kt»i«|!iilbiM  der  Zus-triiid»*  und  V<dk!«sttTnii)uiigi»i,  velcb(f  184H  das  deiititche  Volk 
hewefetm  und  iianiciitlidi  dir  HiTiinrr  ]Miliiis(-heii  und  Kosialfu  Vor^loge  des 
..tollt  ii  .l.ilm  >-  1ii-iii::t  n  in  dt c  ihm  eignen  fibemiis  wttxigen  nnd  srhlfkicehden 
\Vei>e  lidifiidiiT  /iir  Aiisrliiiiiiniu. 

Div  dem  l>aiiik>  l)i-i;:itü;:t(ii  erläuternden  Anuierkougren  «'ilcichtfru 
«ledern  (h»  Versinndn»!«  fllr  di<>  in  den  oinmlnan  Xiimmern  behandelteu  Per- 
."Anlirlikeitfn  und  Von.^ii^r('. 

1848-1898. 

.\iil.i>>-!ii  >;  .).•>  .'»OjHlii'igren  K«'stt*lu'ns  <h  >  «Khiddüiudutsrh^  crscliiem  u: 

l^er  Mla<lderadatHeli  and  steine  lieate 

1848-18^ 
Ein  Kultorbild, 

irr.  i^**.       IM  Jto^en  slnrk.    Mit  rielen  Kuni  Teil  selten 
i! e  w  o  r d  e n  e  n  J 1 1  iis trat  io ii  e ». 

Preii«  bro^hii^  5  X.«  denftut  ireb.  6  M. 

Inhalt: 

1.  Die  iKditiiii'li-literariiidie  Uewetninif  in  Deutsehlaud.  vornehmlich  in  Berlin 

wäliit  iid  «Irl-  vil  i /.ii:i'r  .lidii' 
II.  Dir  (i.-M  liirlH.'  d.  s  Kliidd.'nHl:it>rli   IsJS'     IWh.  ' 

III.  Dir  Jirlrliilr)!  di'..  K  Iadrlrriid;>t  scir  INlH-lMiS 

IV.  l>if  „( ir|i'!irl«'U"  im  Vrikrlir  mijri'  <'iii;ind«T  und  im  Lt'lK-ii. 


Jubiläums-Postkarten  des  Kladderadatsch. 

Hiue  Serie  von  I  TNtst  k  n  it  c-ii  mit  Im  inorist  ischfn  Zcic  Ii  ii  uiij^cn. 

Im'<!^<'ii  Kiniieiiflaiii;  von  50  Pf. 
erfolgt  FrankoKUsendung  dieser  4  Karten. 

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VT        Milt»>il.  d.  (i«'s.  f.  (Usch.  Krait-Ii.-  ii.  Sohul;:«'s<  Ii.  VIII.  AiiziMymi. 


Im  Vorlage  vim  A«  HaftMaa  A  Co^  in  Berlin  W«  cnifhicii  iiml  int 
darcb  all«  Buehbiiidliiii)(on  ni  becieheti: 

Zur  OeHchichte  im  Unterriehte  und  der 
Erziehung  bei  den  deutschen  Juden. 

Quellenschriften 
von  den  ftitesten  Zeiten  bis  anf  Mendelssohn 

von 

Dr.  M.  Güdemann, 

ilAUbinf^r  '1t»  -  isrrti'litisi-hen  Kuliu8|rein(iiode  in  Wien. 

»  Bogt«  fr.  8»  mit  £imleitiiii«  ud  Beglft«r*  Preis  9  Hark. 


\V  IS  in  ilu'srni  Hurhi»  —  zum  »«isim  Mal»-  in  ziiiiainnii'nfiiss» ml.  i  I),u- 
st4!llimi;  -  vi'rüjrfntlirht  wini,  i.sl,  von  inuni'ns»'nj  WVrt»'  für  «Ii»-  Krkouiiliiis 
tU'H  jfliiiüchen  Kr/.i<«luintrs-  und  Bildun^fswesi-ns  und  für  die  HtMirliMlunir  jndi.scbei" 
An.<ili)muiigeii  über  dienten  wichtigen  (iogenKtand.  J'erlvn  religiösti-  und 
moralischer  I#ehrpn.  sowip  eine  POUo  reicher  Lphwnserfahnmjjen  finden  sicli  auf- 
bewahrt in  der  dem  .Iiitlt  iituin  <Mf;«-ntflnilirlirii  Ait  Si  In  ifUMiiri»ttunir  «Im 
Testamenten  die  für  den  (iang  der  ßi-zicbuitg  und  liilduni;  nicht  nur  für 
die  nftcbsten  AnirnhOrigen  des  Testatonc,  sondern  mich  ftlr  die  weitesten  jfidiwhen 
Kreis«  oft  iiiaa.-ssrclM'nd  wiinl»»n.  Viidr  .Vuszü::«-  an-  >nlrln  ii  T»'stnin»'nt»'n  finden 
ihre  Wiedergabe  in  vorliegendem  Werke.  Sit-  sind  tuil.»  int  Origin«ite.xi  (dem 
eigentflniliehen  Jiidendentsch)  oder,  wo  me  in  hehrftischer  Hprache  ah^efaftst 
waren,  mit  (Ifiit.«fi<'r  r(>h(>n?rt7.uiiir  ah;:iMlrii('kr  BrUutemde  Krklftnmgeu  den 
VerfaK.sers  TervoUstUndigeu  die  Verständlu  lik»  it 

Bei  aller  wissenschafl liehen  Hebnndhniir.  du-  dem  vorliej^enden  Werke 
von  Seiten  des  Verfns>ers  zn  t^  i!  ^'ewnrd»  n.  ist  dasselbe  doeh  keineswegs  nar 
flr  den  icelehrten  Forscher  bestimmt,  es  nius»«  und  wird  dan  b^it-bste  Inter- 
oam»  und  leleht«fke  TmthiiBli  Mm  hti  Jedm  feMM«tmi  lAlen. 

In  allen  Bucbhandlungen  su  haben  zum  Preiiie  Ton  0  Mark. 


Deutsches  Lesebuch 

für  die  Unterkiasseu  höherer  Schulen 

JHWamnieiitre.HteUt 

VOM 

Carl  Schmelzer 

w«iL  QyiniiMiBidiTsklor  In  Hamm. 

L— III.  Teil  rtjexta,  QMinta,  Qaarta),  geb.  in  LederrOeken,  Frei»  k  l.tr»,  i,m.  IM. 


Der  auf  «lern  Oebiet«^  de«  l'nlerriehtRwe.sens  ull^'emein  bekannte  Hchlll- 
mann,  Tarl  Schmelzer  bat  diose.8  Deutsche  l.esebucii  nach  flurchaus  neuen 
(irundsätziMt  2usajiiiueugd«teUtui)d  m>  ein  Work^^eschaffen,  das  den  Alifordorungeu 
unserer  Zeit  an  den  dotttficben  1  nu-t  riecht  in  den  Vnterklasfien  der  Oyronaiiien 
in  yollottdetütem  Maaflse  juerecht  wird. 


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