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Full text of "Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens"

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üUMtotljek 

ber 

^ln tcxffalt ung 

unb bei 

Iß i f f e n 0. 

4Mit ©righml-ßetträgen 

bec 

IjeruorragenblUn Sdiriftfteller unb (ßeleljrten. 

§a^röatiö 1886 . 

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fünfter 33 anb. 

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«Stuttgart. 

£} e * t a g bon «^ermann 6 cf) ö n t e i n. 



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TUE NEW YORK 

PUBLIC LIBRARY j 

375305A 

ASTOT», LENOX AND 
| TIlJEII FC U'N DAT IONS 
R 1000 L 








3nljölf0-tienridjmfj bcs fünften ßnnbrs. 





Seite 


2) er 2ali§man be§ 3töeibe§. fRomatt non ©eorg 




.frartinig. (ftortfefcung unb Sc&lufe) 


5 


2) er lebte fto Hunger. ^iftorifd&er 9toman von G. 




•V). u. Xebenvotb ! 7"^ r~7 ! ! ! ! ! . 


54 


Gin Opfer ber fieibenf djaf t. 91onelle von ^?. n. 


119 


Hobeiti^ ; ; ; ; rr ; ! ; ; ! ! ; ; 


35 a 3 StiftSfrit ulein non 9Ji arieufti cft. Gine 
.fpofgefdbicbte au§ bem 17. ^abrljunbert. Won 5Wo= 

beriet) xrenfljorft 

ßonboner Glub*2e6en. SRilber au3 ber engliieben 


183 


ftauptftabt. SL^on 2Bilb. Sflranb 


19G 


Gtroa§ oom Sternenzelt. 5Bopulär=aftronomifcbe Sfizze 




non 91. 9Berf>fet 


208 


Gin winziger ® u ft u r t r ä fl e r. Beitrag zur Gntwicfc* 




lung§gefcbicbte be3 s Uienfd)en. Utott (Sottfrieb 'JJfeuffer 


218 


ftönig 3bonta§ im Raun e. Drnitljologifcbe Stizze 




non 2. ftajebert . . . . . . . . . . . . 


229 


9Rannigfaltige§: 




Ueberliftet 


240 


Gin öotteöbicnit im 'JJiinen Gamp 


244 


Gine Tellaufiüfjruna mit .Qau3inürften .... 


240 


ülkmt ftarfen 3)arfaba§ 


248 


'Uferltoürbige RufäUe 


249 


Tie ^ebeutuna be§ 5Ulonat3 Xsuli in ber Ußelt» 




flefebiebte 


251 


Vtu3 Furcht 252 


Gine SBerbung am? ber perlte 


253 


Gin ungelöstes iHätbfel . ! ! ’ ! ! ! ’ T 


254 


SBie vieler ÜJiabelfticbe :c 




Kel-i'iks, kel-kaks . . 


250 



i 



i 

i 



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Ser ftflltstnan bea tbeilies. 

Vornan 

non 

©cor# <$avtnmt. 

(Öortfefounjj u. ©$lu|j.) . 

('JJac^brud uevbotcn.) 

„Sßenn ©ie fo bauten, tote ©ie jagen," ertoieberte 
Saute ^ätlje nach langet Sßaufe, toä^renb toeldjer 3rmen= 
garb in ihren hörigen ©tunipffinn aurüdfaufaHen fchien, 
„toe§l)alb fam Shnen nie bet ©ebanfe, biejet 3?rau per= 
fönlich nä^er 3U treten? Vielleicht hätten ftcf) 3 hw Vor* 
urteile gemilbert, benn, mein $inb, ich halte ^^ren Vor* 
tourf für einen ferneren Srrthum. Ser Vorfafc, bie 
©attin bom ©atten 3U trennen, atoifdhen ßiebe Vtifjtrauen 
au fäen unb fo ein Vanb au IBjen, toeldfjeä Sebem ba§ 
$eiligfie fein foH, lennaeidhnet eine jo niebrige ©eftnnung, 
bajj idf) e§ nicht toagen toitrbe, fie ohne Söeitereö einer 
Unbefannten auautrauen." 

„Sich toeifj e§ beffet!" tief Ernten garb heftig auffahtcnb. 
„€>, toenn ©ie <$ang Vteifdjidt fennen toütben unb jeine 
unfehlbare Saute ßäthe, toenn ©ie Sflargarethe feuneu 
toürben mit bem erheuchelten frommen Vlicf — " 

Sieä ßefcte überflieg Sante Äathe’ä ©elbftbe^errfd^ung, 
fie 30g i^re Ütechte faft mit 9 lbf<heu 3urfirt. 



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6 



Xer Xaltömcm be5 2Beibe!?. 



,,$d) Ijabc fie Stile erlannt, Sitte, Sitte ! fuljr $rmengarb 
ofjne biefe SSetoegung äu bemerten fort. $n jener Stadst, 
too idj ju feinen fyüfjen lag unb um ein einjige§ liebe» 
bolle§ ßädjeln mein ßeben, mein jtolaeä, gepriefene§ ßeben 
freubig Angegeben Tratte, too id; i|n anflel)te mit Söorten, 
bie einen Stodjegott aur ©nabe betoogen hätten , unb er 
mir fein junges, BeffereS Sßeib rüljmenb entgegen [teilte , ba 
hmjjte idj, toa§ Xante $ätlje, toa§ SJtargaretlje mir an» 
gettfan, tuufjte ic§ audj, bajj meine ©djulb berfdjtoinbenb 
flein fei gegen bie itjre." 

©in banget {jröfteln überriefelte bie ©lieber ber 
©tift^bame. 3utn mie Dielten SJlale bereute fie, unb 
jeijt am tjeijjeften, iljre fetjlgefdjlagene Slbftdjt, ^rmengarb’S 
©djtoädje burdj ein beffereS Söorbilb au ftärlen. ©ie füllte, 
bajj ein ©Ratten Don 3rmengarb’3 ©djulb mit auf iljren 
©futtern ru^te, unb entnahm barau§ für ficf) bie mora= 
lifdje Süerbflidjtung, biefer tljöridjten, bon i^ren borgefafjten 
Meinungen betrogenen ftrau mit allen Kräften aur ©ene= 
fung au öcrfjetfen. 

,,©te Hagen nur an," fagte fie ftrenge, „unb tooEten 
bodj felbft Vergebung erflehen! äöa§ tjabett ©ie fetbft 
benn berbrodjen, bie ©ie bie Srrtljümer Slnberer fo bet= 
fbiellog Ijart au§aulegen toagen 1 ?" 

Xie Ungtüdtidje audte aufammen. „3n 3$ rer ©timrne 
liegt lein Sftitleib!" 

„SJiitletb mit Elftem ©efdjid, ja, unb $erali$e§ 9)tit= 
leib. Slber bebor idj berbamme, mie ©ie, mujj idj meljr 
erfahren Ijaben, Silles! Xanit erft, tocnn jebe SP^öglid^Ieit 
eine» berljängnifjbolteu $rrtljum3 an§gefdjtoffen ift, toerbe 



7 



\ 

SHoman oon ©eorg Wartung. 

icB in 3B 1 ‘ Urzeit einftimmen. 2öaS alfo Baben Sic felbft 
UnrecBteS Begangen, mein Äinb?" 

(Sine Bei&e 33lutmelle üBerjog 3rmengarb’S ^ttttijj. 
„3$ — icB nährte ein ftrafbareS ©efüBl au einem frem* 
ben SJtann, aus berlefctem Stola unb unreifer ScBmär» 
tnerei aufammengefefct , unb floB aus bern |>aufe meines 
©atten, meit er mid) au jener mir fo tief beraten 2ln» 
bertoanbten bringen tooHte." 

Die fdjli(Bte Slufrid^tigleit biefer Söorte entaüdte Dante 
$ätBe miber 33Bitten. Sie na^m iBreS Pfleglings B c i& e 
|>anb in bie iljre. „DBöricBteS, gegen ficB felbft tofltljcn* 
beS Äinb! SBßeiC 3Bneu baS 2Jteffer enttounben toerben 
foHte, toeldjeS 3B re ©B re bis auf ben Dob berttmnben lonnte, 
rannten Sie trotjig babon? 5Jtem ScBmager Bat mir 
gejagt, Sie feien fbäterljin mit biefem 9J?ann — mie Reifet 
er bod^ — " 

„@raf ftreiberg," fiel ^rmengarb beräc^tlid^ ein. 

„Sllfo mit bem ©tafen Sreiberg in aller gorm bet* 
lobt getoefen. 3ft baS maBr?" 

„3a." 

„Unb mürben i^n aud) bemgemäfj ge^eirat^et haben?" 

„3a." 

„3a? 9hm, unb melcBe Sdjulb tooUen Sie alsbanti 
3B^em einftigen ©atten aufbürben, meldjen PerratB unb 
DreubrutB i^m bortoerfen, ba er bocB nidjtS SlnbereS tBat, 
als maS Sie gleidjfattS au tBun beabftc&tigten? ©efefct, 
3B r * ®Be mit ftreiberg märe aufäHig etliche SBod^en 
früher gefcBloffen, bebor .£>anS 9Jteif(Bicf Sie mieberfaB — 
maS bann?" 



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8 3)er SöliSniön beS 2SciBe§. 

Swtengarb berftuinmte. 2>aran Tratte fte nie gebodjt. 

„©eBen Sie, mein Äinb," fagte 2ante $ätBe mit 
mcicBerer ©timme, als Bisher, „icfj tefe trofc unfern* lur* 
3 en S3efanntfd^aft Beffer in 3B rem «^er^en, als ©ie felber; 
maS in jener ©(BredfenSnad&t Bei 2Jteif(Bi(fS ©eftänbnifc 
in SBnen auffdfjrie unb ©ie Blinb machte gegen SB* eigenes 
gleidjeS SSorBaBeu, mar ber Snftinft beS SOBeiBeS, meines 
ben immer nodfj ©elieBten fidj entriffen fie^t. 2)er Snftintt 
beS 2BeiBe§ rietet fidj ftetS in Blinbem $aj|e gegen bie 
Beborzugte 9!eBenBuBlerin , barum nannten ©ie 2Jtarga= 
ret^e unb itjre bermeintlidje ^»etferS^elferin SSerBrecBer." 

„3dj Babe ftreiBerg nie geliebt," murmelte 3rmen= 
garb ergtfiBenb. 

„Unb fjätten i^n bod() zum ©l^egema^l genommen? 
2luS eBrentoert^en anberen ©rünben alfo? 9tun, toenn 
SB* einftiger ©atte aucf) anbere eBrenmertBe ©rünbe ge» 
BaBt Bötte, toetcBe iBn ju einer zmeiten@B e mit 2Jtarga= 
retBe SCßerner Bemogen, maS mürben ©ie bann empfutben?" 

„9tein, nein, o nein!" rief 3*mengarb auffaBrenb. 

„9iun, ber ©ebanle baran gibt ber ÜJtöglicijleit 9taum, 
ba| ©ie eines £ageS milber üBer ^mei Qrrauen urtBeilen 
merben, beren ß^araftere icB auS SB re * ©cBitberung beut» 
licB 3 U entziffern bermag. Unb nun eine Sfrage no<B, mein 
Äinb, ift 3tB n en jefct moBler, als borBin?" 

„3a, benn iiB Bin unruBig, idfj mö<Bte fort, um midj 
ju aerjtreuen — acB, bafj i(B Blinb nnb Büft°8 Bin!" 
fagte fie, nach £ante tfätlje’S <£>anb greifenb. „Sn biefer 
©tunbe Batte itB eS bergeffen. Sßarum lann cS nidfjt 
immer fo Bleiben V 



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JHomau uon ©eorg ^»ariioig. 



9 



„X)aS Severe fteljt in 3$rer 9Jtad;t," fagte Xante 
$ätlje in ber feftcn Buberpdjt, baj 3 auf biefetn burdj 
©dtjmetjjen geloderten S3oben jebeS Söort tiefere ©inbrüde 
Ipntertaffen mufjte, „(Sie Braunen nur ben feften ^Bitten 
ju IjaBen, anregenben ©ebanlen nadfouliängen, fo ift 3^r 
SBunfcfj erfüllt. 2BaS IjaBen bie brei Monate gebanfen» 
lofen «^inBrütenS Stjnen für Sßortfjeile gemäljrt? tfeine. 
Sßerfudjen ©ie eS nun einmal auf bie entgegengefepte 
SOßeife. 33iS baljin bauten ©ie auSfcfjtieplid) an fid), 
benlen ©ie jefct einmal an Sünbere!" 

„9ln Slnbere, id^, bie idfj Slnberen BebingungStoS pr 
Saft falle?" rief Srmengarb, fidfj felBft t>erljöf)nenb. „3a, 
al§ ictj unter ber ©omte meines SftuljmeS jtanb, ba fpen= 
bete idt) Sebent, ber minber Bebor^ugt $u mir auffalj, je^t 
fripe idt} felBer am 2Jtitgefüf}l mein SeBen. 2ld^, bafj eS 
mir nod& in biefem SlugenBlide geraubt mürbe, biefeS elenbe, 
nufclofe Xafeinl" 

„2)aS mürbe eS allerbingS merben, foBalb ©ie fort» 
fahren, Bei fonft gefunbem Körper 3l)re Xage untätig 
^in^uBringen. ©einem SDafein, mein ßinb, brüdt jeber 
fötenfcf) ben eigenen ©tempel auf. 3 d(j fenne ^ier in ber 
©tabt ein altes, BlinbeS OTttercijen , baS lange fdfjon 
bont ©nabenBrob ber 3ljtisen erhalten mirb ; eS mag nidjt 
immer füfj fdfjmeden, benn gerabe Söermanbte Pflegen gern 
eine Portion SSßermutlj mit hinein au Baden. S^bePen 
bie 33linbe nimmt eS an unb meint, baS junge SOßeiB beS 
Neffen fei fd^limmer baran, als fie, meldjeS an Beiben 
5 üpen gelähmt Xag aus Xag ein im 9toKftutjt ftfjen müffe. 
2BaS meinen ©ie, mein dliub, mer meljr 311 Beilagen ift, 



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10 



Der Dalilman bei Seiber. 



Sie mit Störern gefunbeit £eibe unb ber gätjigteit, fitö 
aller Orten frei Ijinaubegeben, ober bie grau bei 9tagel* 
fdjmiebl, tueldje Sittel feiert, aber nichts erreichen !ann?" 

„3dj!" tt*? Stmengarb mit bem fdjneibenben ©goil* 
mul bei Unglüdl. 

„@l ift nur nodj ein Umftanb babei p berüdfidjtigen, 
nämtidj ber, bajj biefe bölartige ©elenfaulftötoifjung nad) 
unb natö olle ©lieber bei armen Söeibel unbetoeglid) 
madjen toirb, unb fie toeifj el, beim bie gortfdjritte fpre- 
djen beutlid) genug. 9tun antmorten Sie mir nodj ein* 
mal, mein $inb, toer ift bellagenltoertöer in feinen ßeiben, 
Sie mit bem JSetoufjtfein , bajj 3^ Hebel feine äufjerfte 
©renje erreicht tjat, unb mit ber gnabenbotlen Hoffnung 
pbem auf ein 33ejfermerben, ober biefe junge grau, bie tör 
Seiben bon Stunbe p Stunbe berfolgen lanu unb !)off* 
nungllol in bie trübfte 3ulunft blidt?" 

Sfrmengarb fdjtoieg. 

Dante 5?dtbe, all fprädje fie p fttö felber, fu^r ge* 
taffen fort : „Dal ift fo ein galt unter Daufenben. Slber 
el liegt in ber menfdjlidjen Statur, fein eigenel ©lenb für 
bal ftötoerftioiegenbe p Ijalten." 

„Sie moHten bon ber 33tinben fpredjen," murmelte 
3rmengarb. 

„3a, bal blinbe 2Hütterd)en ift in mandjen Dingen 
meine ßeljrmeifterin getoefen, fte gibt ein Seifpiet felbft* 
lofer 3ufriebenT^eit. Seljen Sie, um iljren Stuljt gefdjaart 
fifeen bie kleinen jener fjalbgeläbmten grau unb laufdjen 
ben SJtärdjen, toeldje unerfdjöpflid) 3 U fein fdjeinen, toie 
bie ©ebulb ber greifen ©rpljlcrin. Daneben teljrt fie He 



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ÜRomcut ooit ©eorg Wartung. 



11 



Mäbdtjen ftricfen unb läfjt bie Knaben 33erfe unb Sprüche 
unb ba§ 6inmatein§ leife ^erfaßen, bamit bie franfe Butter 
nic^fc geftört toixb. 9lbet felbft nid^t ntü^ig, ftridEt fie bert 
ganzen Sttumpfbebarf bet Steinig unb bamit nid^t ge- 
nug, Uerlauft fie aud§ jur SBeitjnacIt^eit, toa3 fie in 
intern Kämmerlein ungefe^en mit bet 9iabel gefdEjafft, um 
bie Stetigen am ^eiligen Slbenb p etfteuen. Unb 9tie= 
manb toitb bann fo ^et^Üd^ bebanlt unb gelüfjt, tote mein 
alte§, blinbeS Mütterchen. können Sie ftriefen, liebes 
Kinb?" 

„9tein," ertoieberte ^tmengatb errßtfjenb, „id§ Ijafce biefe 
Arbeit öon Kinbljeit an geljafjt." Sie badete an ba§ ^eft 
im |>aufe be§ SSütgetmetfietä ju ©ittlingen unb fuljr er= 
regt fort: „Korbern Sie fonft eine Eßrobe meiner @efcf)icf= 
Iidfjfeit, felbft £mn3 ^Jleifd^itf ^at midtj barum nidtjt ge= 
iabelt." 

„©etoifj nidtjt," fagte 2ante Käthe freunblich, „toir 
Können momentan nur feine Künftige Arbeit ootne^nten. 
$ubem tooUten Sie ja jefjt auch einmal an Slnbere benfen. 
9tun feljen Sie, perlen* unb Seibenftidfereien fönnen 33e* 
börftige am toenigften gebrauten, aber StTümpfe, SRöcf= 
d^en unb SSäcfcfjen ftnben immer jtoe<fmä|ige 33ertoenbung. 
Man toirb S^ren fjrleifj fegnen unb bebrängte Mütter 
toerben bie <£>änbe füffen, toeld^e ein frierenbeä Kinb füt= 
forglich gefleibet haben." 

Sftmengarb badete an ba§ geftriefte rotlje fößdfdhen, 
tueld^eS bie liebliche Stcnni Mechelmattn am 2Beihnacht8= 
abenb in bet SBiege trug, unb feufjte. 2)a§ ©effiljt, too« 
mit fte bie aärttiche kleine bantalä an fidf) gebrfleft, quoll 



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12 



Xer XaliSntön be§ 3Beibe3. 



toieber marnt empor. SBarum mar ihr an s Dteif<hicfä 
(Beite biefeS ^ödjfte ©lücf berfagt geblieben?! 

Xante Äätlje beobad^tete mit ftreube bic toeljmütljig 
meinen ©mpfinbungen, melcfje fnfj mie jeber ©ebanfenjug 
auf Srmengarb’S betoeglichem Slntlifc matten. „%ä) benfe, 
mir machen ben SBerfuch mit ben ©trief nabeln , e§ läfst 
ftd^ fo hübfdj babei plaubem. 2Bir S3eibe haben biel er* 
lebt, unb bebor alle ©djicffate uitb SBünfche unb .jpoff* 
nungen gegenfeitig auSgetaufdht ftnb, fann mancher 9lrme 
ba§ ©rgebnifj unferer Pauberftünbdjen au§ 3§rer <£>anb 
empfangen haben, ©eben ©ie Sicht, mie angenehm bie 
©tunben ficf) fortflappern taffen! Xa liegt gerabe meine 
angefangene Slrbeit, machen mir gleich ben 23erfuch!" Unb 
Xante Ääthe, als gäbe eä feinen SBiberfpruch in ber 2Bett, 
holte ihr ©trief jeug ^erbei unb begann, bie btinbe junge 
ftrau in bie ©eheimniffe be§ SJtafchentoechfetS einaumeifjen. 
SDabei fprad) fie bon ihrer Slrmenpflege, melche beut be* 
brüeften ©emüth ju einer 3eit fdjmerfter 93erlufte Diuhe 
unb ^rieben aurüefgegeben, bon ber tötumen^ucht, bie fo 
biel Unterhaltung gemäße, unb mie ihr baS Orbnen ber 
3immer einmal ganj unentbehrlich gemorben, als fie bor 
ihren trüben ©ebanfen bte in ben äufjerften SBinfel ber 
SBett hätte fliehen mögen. 

Sfrmengarb, au§ ßangertoeile einerfeitg, anbererfeitS auS 
©efäßigfeit gegen ihre liebenämürbige ßehrerin, melier fie 
nichts abpfchlagen magte, gab pch rebtidj 9Jtßl)e, biefe 
einft fo berhapte, meil fpiefjbürgertiche Arbeit au erlernen. 
$alb Xante ßäthe’S ©rjähtung laufchenb, halb ihrer neuen 
S3efchäftigmig hingegeben, merfte fie nicht ben 0ftug ber 



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Vornan oon ©eorg §art»ig. 13 

fonft fo unerträglich langen Stunben unb mar feht er« 
ftaunt, als ba§ Räbchen mit bem Xheegefchirr hereintrat, 
ben Xif<h jurn Slbenbeffen ju rfiften. 

Sludj Xante $atlje fteltte fid) bertounbert, unb um 
ihren Schilling an 3eit unb 3eiteintheilung $u gemöljnen, 
fagte fie mie <ju fi<h fel6er: „Da§ geht nicht an, fid) fo 
überrafdjen 31t laffen, ich toerbe ba§ (Sdjtagmerf an ber- 
uht mieber aufatehen, bamit mir miffen, moran mir finb." 
Damit nahm fie Sfrmengarb ba§ ©trief^eug au§ ber «fjanb 
unb legte ben Slrm um ihre (Schütter. „ 9 tun, mein $inb, 
tönnen (Sie mir einen ©efatlen thun." 

,,©ern," fagte bie junge 3f rau, „menn e§ in meiner 
armfeligen 5 Jlad)t fteht." 

„ 3 tdj h a ^ e ü&er unferer ?ßtauberei meinen armen 33 lu* 
mentifch hier 9 an 3 bergeffen, bie fSrudjfien hängen fdjon 
ihre Äöpfe. Zehnten (Sie bie ©iebfanne unb berforgen 
Sie meine trodenen ßieblinge mit Sßaffer, mährenb ich 
ben Xhee bereite; fo etmal mub man Dienftboten nie an* 
bertrauen." 

Die lebten Sßorte tönten mie au§ ferner, ferner Seit 
in 3ttmengarb’ä Ot)ten mieber unb bemogen fie, bem 
Söunfdj mittig 31t entfpredhen. Sie lieb ft<h öon Xante 
ßäthe an ben Xifd) führen , unb trot; ber stacht, melche 
ihr tieblidjeä ©ejidit umftob, h a *f ih r ih r lebhaft ent* 
toidetteS ©efühl, fomie bie aubergemöhntidje ©efdjidlichleit 
ihrer £>änbe, bab fie ihre Stufgabe gtücilidh 3U löfen ber» 
mochte. 

Xante Ääthe, melche an biefem Slbenb ben erften fiotjn 
ihrer SluSbauer unb Xreue empfing, tonnte {ich nicht ent* 



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14 



2)er XaltSman be§ ®kibe$. 



galten, einer gemiffen 2>anlbar!eit gegen Ernten garb 51 h ? 1 
bruef ju geben, inbern fte bie junge fjfrou 3ur ©utenadjt 
fjer3liclj auf bie Stirn ffifjte. 

Srmengarb 3udte 3ufamnten. 2tdj, tüte fange, lange 
mar eS l)er, bafj ifyr frtilj UerfiorbeneS SJtütterlein fte fo 
3ärtlidj 3ur 9 lu^e gebraut! 

9 ltS bie StiftSbante itod) einmal laufdjenb burdj bett 
SSorljang btidte, faf) fie Sfnnengarb’S tjeifje frönen in 
bie meifjen Riffen rinnen. 

25 aS ©eftiljlSleben ber 23 linben, unempfänglich nad) 
aufjen Ijin, entfaltet ftdj nad^ innen befto fdjönet, fo bafj 
bi§ 3U einer gemiffen ©ren3e baS heflfe^enbe geiftige Sluge 
baS fßrperlicf) feljlenbe 311 erfefcen berrnag. 25 iefeS hßdfjfte 
3 iel an3uftreben, mar 2 ante ßätfje’S nimmer raftenber 
Söunfdj, unb mochten fidf) ^inberniffe aller 9 lrt babei in 
ben 2Beg ftellcn, ifjr licbeboÜer ßrnft, i§r frifdjer 4?umor, 
iljr eigenes 99 eifpiel fam bem oft fdfjmanlenben guten SöiÜen 
Srntengarb’S ftetS ftegreid; 3U <£>i(fe. &ie junge ffrau, beren 
utfptüngüdje (SrnpfmbungSmeife ber (Sinmitlung feinerlei 
Sd^mierigfeiten mehr bot, feit iljr berbcrblidjer 2rofc bont 
Sdjidfal fo tief gebeugt mar, ftüfjte 3unäcbft nur iljre 
lörperliclje |>ilflofigleit bertrauenSboll auf bie Äroft ihrer 
hochheqigen Pflegerin ; fpäterhin aber, als fie unter 2ante 
Äät^e’S Slnleitung ei lernt fyitte, fid) tro^ beS iratigelnben 
©efidjteS frei unb unbefangen 311 bemegen, unb felbft Sorge 
trug, bie 3cit fo angenehm als ttjunlidj 31t lüt3en, um 
nicht Don quätenben tHücferinnerungen gepeinigt 311 merben, 
ba begann fie auch ihr geifligeS ^cil im Sßorbilb ber 
Stiftsbame 311 fitdjen. 



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Vornan oon ©eovg Wartung. 



15 



©8 toar für Xante Äät^c ein Moment übertoältigcnber 
©eligleit, als Srmengarb bem Smpulfe tieffier Xantbarteit 
fotgenb an baS ber ©tiftSbame flüi^te nnb it)r 311 * 
flüfterte: ,, 3 fd) tieBe ©ie tote meinen guten ©ngel!" 

„5ßein tl)eure 8 $inb," fagte Xante Äätbe fernsten 
SlugeS, „banten ©ie eS einer geliebten Xobten, bie bov 
3 ^nen an biefem ^erjen ru^te, bafj id) 3 b nc n toerbcn 
tonnte, toa 8 Sie in mir lieben, banten ©ie e 8 il)r au 8 
bem ©runbe 3 ^er ©eelel 91ed; trage id) ba 8 Trauer* 
getoanb um bie SSerftorbene!" 

Srmengarb brüdte fid) fefter gegen bie SBruft ber ©tiftS* 
bame unb er^ob ba 8 liebreiaenbe Slntlib, bem Qrarbe unb 
gülle langfam 3 urfldfef)rten , bittenb gegen Xante Äättjc’S 
gefentteS -£>aupt. 

„Söenn ©ie eine Xodjter berloren Ijaben, laffen ©ie 
mid) i^re (Stelle erfeijen! 3d) toeifj nid)t, ob id) toürbig 
bin, 3 ^r Äinb ju ^ei|en, aber beffen bin id) mir betoufjt, 
toärmer fönnte id) nid)t für meine Üftutter füllen, al 8 
id) für ©ie empfinbe. ©8 ift mir oft, als gehrten toir 
für immer ju einatiber. 9ld), ad)," rief fie fdjmeraboll, 
„toarurn toaren ©ie nid)t bei mir, als ©lüd unb ßiebe 
mid) toie ein SßarabieS umgaben! Sßarum fannte er ©ie 
nidjt unb burfte mid) bamalS 31 t S^nen fenben, bie id) 
liebe unb berefjre, toarurn mufjte er mir mit feiner grau* 
famen Xante JTät^e broI ; cn!" 

Xte ©tiftSbame täfelte toeljmütbig. „©8 toar biefleid,t 
beffer fo! Slber toenn e 8 toal)r ift, toa 8 id) langft 31 t ^of= 
fen getoagt, bafj in Xir, mein geliebtes, irre geführtes 
Äinb, jene 3 üttlid)feit für mid) ertoadjt ift, bie fonft beut 



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16 



Xer 2ali§man bc§ 2Beibe3. 



fÖtutternamen gebührt, fo nimm bie (Stelle ein, toetdje 
burdfj ben Sßerluft jener Xbeuren in meinem ^er^en leer 
gemorbeit ift, fei meine Xodbter, mie eS jene 33erftorbene 
mar, ber Seelenmabl, nid^t bem Sötute nach!" 

9tacb biefem ©eftänbnifj Sfrmengarb’S fd^ien eS, als 
entfalteten ft<b bie aarteften Regungen if)re§ «fperaenS un» 
aufbaltfam, gleid^mie bie (Sentifolie ihren feufcben Äeldf) 
bem SonnenluB erfcblieBen ntuB. $atte Xante Äätlje bis 
ba^in gefliffentlidb bermieben, nach jenem erfien 3tbie= 
gefpräcfj auf ^rmengarb’S ßiebeSleib aurüdfaulommen, unb 
rein praftifdfje Xtnge unb Slnfd&auungen in ben S3orber» 
grunb gefdtjoben, fo hielt fte eS jefct für geboten, bem an* 
fdbmiegenben Verlangen ber jungen ftrau ermunternb a« 
begegnen. Unb alfo fam eg, baB Sfrmengarb in trauten 
Öeierftunben auf bemfelben guBbänfcben mie einft ÜRar» 
garere an Xante JMtfje’g ftüBen faB unb mit leiben» 
fctjaftlidbem (Sntaüdfen baS jä^e (Srmacben i|rer Siebe au 
9fteifcf)i(f fd^ilberte. ^JUt jeber IRüdferinnerung mucbS bie 
2fnnig!eit ifjreS SluSbrudtS, unb Xante JMtlje, melcbe 
Sfrmengarb’S ungetünftelte Eigenart nunmehr böllig lannte 
unb liebte, aürnte ber unbegreiflichen Sßerbtenbung ihres 
Neffen, melcber ficb beSbotifch gegen biefe drfenntniB ber» 
fdjloffen gehalten. 2lucb jenes ©ebnen nach !0tuttergXücf 
unb 9Jtutteileib erfuhr Xante JMtlje, unb märe noch ein 
S3eben!en in ihr mach gemefen, bor biefem fcbambaften 
©eftänbniB butte eS fd^meigen müffen. Sie lüBte unb 
ftreidjelte Stmengarb’S b e i& e ^Bungen unb badete an HJtar» 
garetbenS Sobn, ber bie aättlicbfte HJtutter berlorcn batte. 
Ueber bie Xage ibre§ $ünftlertbumS fdfjnell biumeggebeub, 



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SRoman uoit ©eorg Öartnng. 



17 



offenbarte ^unengatb iljre marme 3wneigung für Xrepfing, 
iljr flüdjtigcä ^ntereffe für ftretberg unb fd;Io§ mit bcnt 
lüeberfdjmetternbcn Grfolg iljrer erfe^ntcn Unterrebung mit 
<£>an§ 2Jteifdjid. 

<£jier mürbe fie toon Xante $ätlje gütig crnft unter* 
Broten. „2llle3, ma3 Xu gefagt unb geftagt ljaft, ift 
bedingt burd) fl)mpatt)ifd)e ßmpfinbung, meld;e e§ in mir 
ermedft. Xir ift Unredjt gefdjetjen, nnb Xu tljateft Un* 
recfyt, benn mir finb 9We fütenfdjien unb Ijanbeln ebet 
genug, meun mir unfere öefjter einfeben unb bereuen mie 
Xu. 2Ba3 mir auf @rben fehlen, büjjen mir tjier ab, 
unb menn unfer ßlenb unb unfere 23ufjc jugleid^ ein 
fiäuterungämittel fein lann, fo ift lein ©runb, fie eine 
©träfe au nennen*" 

„3dj bin eine Slnbere gemorben," fagte ^rmmgarb mit 
iffrer frönen 9tatürlidj?eit. 

„Xa§ erlernte idj freubig an, nnb menn idj hoffen 
barf, bajj aud) in biefer ©tunbe Xein gutrauen tebenbig 
bleibt, fo mirb nadj il)r ein neueä ßebett beginnen!" 

„2ßa§ Xu audj fagen magft, idj glaube Xir," er» 
tüiebeite bie junge Qfrau marrn, „bernt id) liebe Xidj!" 

„^alte baran feft!" fagte Xante $ätbe bemegt unb 
feierlid). „2ln jenem erften gefegneten Slbenb, ba Xu 
Xeine ©pradje mteberfanbeft, gabft Xu einem <£>afj= unb 
Stadjegefüljl 2luäbrud gegen amei grauen, beren ganaeä 
Vergeben in Xeiner ©inbitbung beruht. ^abe 9ladj* 
forfdjungen angefteEt, ftrenge, unparteiifdC;e , id) habe ge* 
prüft unb ermogen, al§ gälte e§ mein eigene^ ©eelenljeit, 
unb nidjtä gefunbett, als eine unglüdlidje Verfettung bev 

S3ibliotf)el. 3a!,t g. 18S6. $t>. V. o 



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18 



Xer XaliSman be§ SBetbeS. 



Umftänbe, melctje tote bie Dringe einer $ette in ein= 
anber fdijtangen. Äattjarina b. Sangen, audj fd^ted^troeg 
Plante JMtlje genannt, jener bernteintüdje 35amon XeittcS 
SebenS, Ijat bamalS nur ben IjeiBen Söunfdj gehabt, 35ein 
unb ÜReifd^idt’ä (Stjegliicf fid^ befeftigen au feljen. ©ie 
muBte aus il;reS Neffen Briefen, baB er unpfrieben mit 
2)ir fei, unb gab iljm gute Sehren, mie man ein $inb 
3 um Söeibe ^eranbitbe, baneben tabelte fte feine @raiel)ung§= 
metljobe fd&arf genug — unb biefe ©riefe Ijat er S)ir in 
feiner ©erblenbung nid^t gezeigt." 

„2Bie toeiBt Xu, um ©otteS mitten, mie meiBt Xu —V 
rief Srmengarb, il)r Slntlitj heftig in ben ©djoB bcr ©tiftS* 
bame brüdtenb. 

„©tili nodtj, 35 n mirft 9ltteS erfassen!" fagte Xante 
.SMttie mit lauter, fefter ©tintme, bereu UeberaeugungSlraft 
fid^ nid^t abmeifen tieB- „ 2 Bie fo oft gute ©Uttel fidt) 
in’S ©egentljeil berieten, meit bie gemiffenfjaftefien ©len* 
fd§en 3 U furaftd&tig ftnb, alle ©Hrfungen borauSaufefyn, 
erlitt audfj iJrau b. Sangen’S ©ntfdtjluB, Xir ©targaretlie 
SSerner aum ©orbilb au gefeiten, an ber gefä^rlid^ften 
■ftlippe ©dt)iffbrudj. Xante $ät|e, mein liebes $inb, 
Ijat eS gut mit Xir gemeint, als fte iljren Siebling au 
6 udj fd&idtte, felbft auf bie ©efaljr tjin, baB Xu feiner 
fpottetejt — " 

„©ie riB meines ©atten £era an ftd^ , id) meiB cS!" 
rief Strmengarb auf’S Xieffte erfdjiittert. ,,©ie mar für 
iljn gefdtjaffen! 2 Öer a^eifelt baran!" 

„3td^!" fagte Xante Äät^e ruljig. „2öa3 idt) Xir jefct 
fagen mitt, fagen ntuB, baS nimm aubädjtig auf mie bie 



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SRomon oon ©corg $artn>ig. 19 

Söorte einer ©terbenben: .fpanS SJteifdjid bat üUtargaretbe 
nie geliebt!" 

Srmengarb tooüte auffdjreien, benn eS toar, als fel;re 
fidj ih* -&er 3 im 33n[en um bor feligem Erfdjauern , aber 
ber Xon berfagte itjr pXd^lid^. 

„Sie bat ibnt baS ßeben gerettet, atS er jurn Xobe 
bertouubet tag, fie allein — ift baS feine? XanfeS toertb?" 

„Leiter, teeiter," brftngte Srmengarb unb bticfte toeit 
geöffneten StugcS in Xante Äätbe’S btaffeS Stntliij, atS 
müffe fie bie ftad&t bor ihren SBtitfen burdbbringen. 

„3$ frage Xicb, ift baS feines XanfeS teertb? Unb 
als er bann genefen nad) ©ittlingen jurüdfebrte, ba toar 
eS Xante ßätbe, toetc^e alSbatb eine neue «Stellung für 
Margarethe bei fremben ßeuten fud)te, aber eS gab böfe 
Menfdjen bort — Xu fennft fie aud) — toeld^e bie Xugenb 
beS fcbulblofen MäbcbenS berbädjtigten — " 

„Unb $anS, unb <£>anS SJteifd^idf? O ©ott, nur baS 
Sine fage nod)!" 

„<£>anS Meifdjid badete $u ebel, um feine ßebenSreiterin 
mit einem unauSlöfcblicben Rieden' belaben bon fid^ geben 
ju taffen. Xa toar eS toieber Xante Äätbe, toetdje biefem 
Vorhaben entgegen fpracb um Margarethens teilten, fie 
toufjte, bafs nur in ihrem <£>eraen ein ftitter, inniger SSranb 
entglommen tear, ben feine ntilbe ©üte hoffnungslos toeiter 
anfadjte. Xu toeifjt, bie Sntfcblüffe XeineS einzigen ©atten 
ftnb unumfiöfticb; er banbette ats ©b renmonn un b nahm 
Margarethe 3 um SBeibe." 

Xante $ätbe fcbtoieg, fcbteer atbmenb unter ben fdjniera* 
lieben Erinnerungen. 



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20 



Ser SaliSman be§ 2Beibe§. 



„Unb bann?" ^audjte Sfrmengarb. 

„2ftargarctBe I)at für SidB geBanbelt, obtootjt Sein 
Plante nie genannt toarb, benn an tfjrer fünften SemutB 
ertoeidBte ftdB bie fcBarfe 9tinbe, toeld&e Sein SreuBrudB um 
|>an8 5Jteifdji(f§ ^erj gelegt. ©r fonnte Sir berjeiBen, 
mie Su erfahren B a tt- — ’Jtun f a 9 c » tnorin lag ba§ 
niebrige 33erbredBen, beffen Su jene Beibe grauen BefcBul» 
bigteft? ©age eä, oB Su aucB biefen SfrrtBum .Bereuen 
lannft." 

Sfrmengarb’S ©liebet flogen, iBre .£>ünbe jueften tüie 
im lieber. ,,©r Bat fte nidBt gelieBt, 9JtargaretBe nicfjt — eä 
ift 2Meä gut! 3<B bergeBe ihr, toie fie mir bergeBen mag!" 

©ine Sljräne fiel au§ Sante ÄätBe’S Slugen auf bie 
Beifie ©time ber ßnieenben. „2JtargaretBe ift lange tobt!" 

Sie junge ftrau fprang faffungSloS auf. SJtodjte aucB 
eine neue ßaft bon i^rex SBruft finten, ba8 rein menfcBlicBe 
©rfdBreden an biefem ungeahnt frühen SBerfatt BlüBenber 
ßeBenStraft malte ficB tooBUBuenb für Sante ÄätBe in 
Sfrmengarb^ Süfien. 

„Sobt? Unb icB lebe elenb fort!" Sann aber Beugte 
fie fidf) heftig nieber unb untfcBlang bie ©tiftäbame boll 
^nbrunft. „SöoBer aber fant Sir biefe ©rlenntnifj? 2öie 
. fannft Su toiffen, toa§ felbft mir an 9JteifdBidT3 ©eite 
berBorgen BlieB? -frat er eä Sir offenbart? ©ei Barm» 
Bergig unb gieB mir SBaBrBeit!" 

Sante ßatBe erBob ftdB- 3tB re ftotjje ©efiatt, bon ben 
©traBlen ber fmlenben ^erbftfonne Bett Beleuchtet # foucBä 
gleidBfam empor mit bem SSelenntnifj , loelcBeä auf iljren 
ßippeit fdjwebte. 




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Vornan t>oit ©eorg ^»artroig. 



21 



„Sage mir jutoor noch einmal, bafj 2)u mich liebft!" 

„Sie meine Mutier," flüftcrte ^rmengarb trunfen bor 
Srtoartung. 

„9tun beim, bie ©efürdhtete fteht bor S)ir: ich bin 
Xcine Xante Jtäthe!" 

Sßerfteinert Hielte ^vmengarb ju 33oben, bann [türmte 
fie mie geschmettert bon brennenber ©chant au ben güjjen 
ber ©tiftäbame nieber, bie fie löcijelnb aufhob nnb tief 
bemegt an tfjte treue S3ruft fdjtofj. 

29. 

grau b. $äffebini l^atte einen t)öd(jft aufreibenben ©om* 
mer berlebt, intern fie, mie bie SBaronin ihrem ©atten 
täglich berftcherte, bie Xomenfrone trug, meld^e bie 2ln= 
toefenljeit feiner Wichte ihr geflößten, ©eit jenem ber= 
hängnibbollen Otofenfeft bei .fperrn b. ©jteben lag bie 
8egation§rät§in förmlich auf ber Sauer, um ©aetannina’S 
hergenätounbe au erfpähen nnb fomit Gelegenheit au hoben, 
bie Wtardfjefa auf ba§ Unftatt^afte ihrer Sünfd^e aufmerh 
fam au machen. XiefeS ©efprüctj bont $aun brechen, 
berbot ihr einerfeitg bie nie au befiegenbe ©dfjeu bor ber 
ftiffen Sürbe be§ jungen 2Jtäbchen§, anbererfeitS hatte 
herr b. Sßajfebini gemiinfdht , einen 3toift au bermeiben, 
p metefjem ©aetannina’S Haftung auch nicht bie geringfte 
Söerantaffung gab. ©0 muffte bie SBaronin ihre Weugier 
ebenfo in ©d^ranten Ratten, al§ ihren Sibermitten gegen 
eine SSermanbtfcijaft mit bem in ihren Wugen ftarl fom* 
promittirten ©rafen greiberg, ein Wetbenreig, melchen toeber 
Worbfeebäber noch ©tahlqueKen ju ftilten bermochten. 2öäh* 



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22 



$er lEaliSman be§ 2Betbe§. 



renb ber sanken Babefaifon mufjte bie Wardjefa ihre 2ante 
begleiten, bannt berfelben nicht etma ein Brief entging; 
ja, eS märe für bie Baronin Seligfeit getoefen, ein foldjeS 
Biffetbouj abaufangen unb bamit bie £>ofjeit ber Warcfjefa 
ihrer gefürchteten Unnahbarfeit au entfleiben. 

(5S mar an einem frönen Oftobermorgen, als bie 
ßegationSrätfjin fe^r ecfjauffirt bei ihrer 9licfjte eintrat, 
meldje fi<h ehrerbietig born Seffel erhob unb ber Baronin 
freunblich entgegen ging. 

„^Jieine SEheure, ich fomme, 3h nen t> cn ©efwh be§ 
Bringen Bßalbemar bon ßiebenfiein anjufünbigen , eines 
WanneS, beffen äufjere unb innere Boraüge ber ganzen 
SBett befannt ftnb — (Sie fönnen ftola barauf fein!" 

„2luf toaS 1 ?" fragte bie Warchefa fühl bagegen. 

„9tun, auf bie £ulbigungen , melche er ähnen bont 
erften Slugenblicf feiner Befanntfcfjaft an geflijfentfich bar= 
brachte!" 

„Qrür mich h fl t bie #utbigung feines WanneS SBerffj, 
felbft menn fie mir aus fo hohem un *> lieben 8 toürbigem 
Wunbe gefpenbet toirb! Sie mürben bem ^Prtnaen eine 
Sltinehmlichfeit ertneifen, berehrte 2ante, menn Sie ihm 
biefen SluSfprudj föonenb übermittelten!" 

„S)aS toerbe ich nid^t , meine Xheure!" fagte bie ße» 
gationSräthin lebhaft. „2)er B*i n 3 liebt Sie unb hat 
foeben eine Unterrebung mit -£>errn b. Baffebhti gepflogen. 
S5ie erforberlichen Schritte h fl t man im ©eheimen bereits 
borbereitet. S)ie Berbienfte beS B^Sen ftnb grojj genug, 
alle anberen Bebenfen in ben ^intergrunb au brängen. 
Seine gamilie ift böKig einberftanbcn , baf? er Sie a« 




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23 



SRornan non ©eorg ftarttuig. 

feinet ©attin ergebt, unb toirb feinen Unterfdjieb aUüfdjtn 
S^nen nnb ber Softer eines dürften madjen. 2före gei* 
füge unb förperlidje Sdjönbeit, meine tljeure ©aetannina, 
toirb $f)nen eine Stellung fidlem, toeldje 3b rem eigenen 
ß^rgeij unb bem Stola ber Familie bolle SBefriebigung 
gemähten toirb !" 

„Sdj ^abe feinen Gfjrgeia," fagte bie IDlard^cfa rufjig. 

„Sie? £), boS ift, beraeifjen Sie, fomifdj anaubören! 
Sie fmb eine geborene gürftin, 3b?e ©tim ift bräbeftinirt, 
ein SDiabem au tragen. 2)aS Vermögen beS 5ßrinaen ift 
grob, baS S^rige nur auSfömmlidj. @3 gibt grauen, bie 
furae geit aud) in ber .fpauStobe beaaubern, unb grauen, 
bie mit ber b&b e * e u Stellung immer fdjönet toerben; ba§ 
ift bie toabre, unbcrgänglidje Sctjön^eit, meine Siebe, bemt 
alte Mittel flehen ifyr au ©ebote. @3 toürbe midj ent* 
aücfen, Sie auf einem Sförer toütbigm Pafce a u begrüben 
unb 3$te 9teiberinnen — o, biefe gelbe, boshafte 9Mni* 
foff! — bot TOibgunfl erfticfen au feben. SDie 9tefibena 
ift auf baS ©reignifj, toie idj anttefjmen barf, fo aiemlid) 
borbereitet; nur noch 3b* e ©intoittigung , meine SEljeure, 
unb ber $rina, biefe liebenStoürbige, geifiboEe, bifünguirte 
5Perfönlid)feit, liegt Sfjittti a u f^ü^en ! " 

,,©rf baren Sie ifjnt biefe £>erablaffung, für mich ift fte 
toertbloS !" 

„SDßeS^alb?" rief bie S5aroniit gereift. 

„Sßeil idj Uju nidjt liebe, bamit ift 9We§ gefagt!" 

grau b. 5paffebini bertegte fid) nochmals auf il;re 
fdjmeicbelnbe UeberrebungSfunft. 

„Siebe, meine S^nire? 3U§ ob ein geiftig fo reifes 



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24 



£er £alt§man be§ 9®eibe3. 



* 

*U?abdpen, mie ©ie, ntd^t müjjte, bo| in utiferen Greifen 
bie Siebe fiep fidler in ber Epe einfinbet! Slber eS madpt 
Spnen Epre, bie peifje Neigung be§ ^rinien abficptlicp 
bämpfen j$u motten, bantit audp nicpt einmal ber ©dpein 
einer aärtlicpen Ermunterung auf ©ie falle. $m Verhauen 
gefagt, meine tpeure ©aetannina, als id^ |>errn b. 5paffeuini 
peiratpete, glaubte icp audp nidptS für ipn ju empfinben, 
unb fepen ©ie, mie glücfücp biefe SSapl rnidp gemadpt pat, 
unb icp barf mit ©tofj fagen, audp ^errn P. 5paffebini. 
9tein, nein, biefeS mäbcpenpafte Saubern ijt unfer meib» 
licpeS SSorredpt, fein ttftann barf ntepr ertoarten Por ber 
Epe — laffen ©ie rnidp bem ^rtnacn bieS fagen, unb er 
ift entaücft in froper Hoffnung!" 

,,©ie irren, meine bereprte £ante," fagte bie Sftardpefa 
feft, „ber augenblidflicpe Suftanb meines .fperaenä fdpliett 
eben jebe Hoffnung für ben Sßrinaen au§! Unb brädpte 
er mir eine ßrone entgegen, icp rnüfjte fie jurüdmeifen!" 

„O, ba§ ift ftarl!" rief bie SSaronin mit meit geöffneten 
Slugen. „|jerr ö. $ßaffebini toirb atoeifrttoS 3pre ©rünbe 
au pören bedangen!" 

•„Jtepmen ©ie biefelben jept fepon für ipn in Empfang: 
mein 4?era ift nicpt mepr frei!" 

„9llfo — alfo — " S)er Sorn ber SBaronin flieg fo 
rapibe, bajj fie ipre ©dpeu aum erften 2Jtale barüber ber» 
ga|. „©o märe ba§ ©erüept, ba§ päfjlicpe, miberftnnige 
©erüdpt mapr?" 

„ttöenn eS bon meiner Siebe au 33otpo ^reiberg fpridpt, 
ja!" 

„?lber ba§ mirb nie fein, baS barf nidpt fein!" rief 



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Montan non ©eorg £>artti%. 



25 



bie SegationMtfjin, t^rett ^ädtjer in ©turnte! eile auf unb 
ju fdjlagenb. „(Sin Mtann, toeldtjer mit einer 5ßvimabonna 
öffentlich engagirt getoefen unb ben abfdjeulichfien ©fanbal 
in ©eene gefegt meiner jetnatS unfere Greife entrüftete, 
ein Mtann, bejfen Marne fo flat! lompromittirt burd) biefe 
Slngelegenljeit ift, ein Mlann — ah, ba 8 ift unmöglich, ba3 
grenzt an SBa^nfinn!" 

„(58 toirb meine ©adje fein, midb mit biefer beteiligen 
9lnfchauung be! *publüum 8 auäeinanber au fehlen , $rau 
3? aronin," ermieberte bie Mtardjcfa bott talter 3 urüdhal= 
tung. „|>ier gibt eS nur ein mafjgebenbeä Urttjeil für 
$retberg, eS ift ba§ meine, unb ich ^abe ihm biefe ©inne 8 = 
täufchung beziehen!" 

„SBie? hinter unferem Müden ^aben ©ie mit bem 
Verlobten einer ©ängetin — ah, ba münfdje ic£j ©tüd! 
SDie $erfon toar grojjmütfjiger al§ ©ie, benn fie übergab 
mir ihren ©egen für — ©aetamtina, unten märtet ber 
Sßrinj, unb ©ie fpred^en ton ©arba Mtenari’g ©our* 
macker?" 

„S5on meinem aulfinftigen ©ernaht fpredje ich unb 
erinnere ©ie baran, bajj ich augenblidlidj 3 h r -^auä ber» 
Iaffen toerbe, fobalb noch ein berlefcenbe 8 Söort fätCt ! 
25amit ©ie aber beffer orientirt finb, al 8 bie toeiblicfjen 
unb männlichen ßlatfchbafen S^ter 33efanntfd§aft , fo er* 
fahren ©ie , bafj id) greiberg geliebt* habe , bebor man 
mich in’§ Älofter amang. Unb toenn ©ie bebenlen, bafc 
e§ baS Söerbienft meiner aättlidjen Familie tont, mich 
in biefem ©efängnifj bem ©rafen etoig unerreichbar 31 t 
madjen, fo merben ©ie augebin, bafj gegen biefe! 93er’ 



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26 



$)er 2ali3man bc§ 2Betbe§. 



bredien greiberg’g ©diulb ein nichts bebeutenber Srrthum 
ift, beit er h art gebüßt hat. Aachen ©ie bruntett bem 
SPrinjen gegenüber feine biplomatifdjen SBinfelaüge, ein 
9Jtamt toie er berbient Slufridjtigfeit. 9iimmt er meine 
Sßotfdjaft nid^t mit bemfelben Sßertrauen auf, toie ich fie 
Sltoen iefct übertrage, fo ift er Sfjrer ©pmpathie über* 
fjaupt nicht toürbig getoefen, ba§ mufj ©ie tröffen!" 

„Unb toemt ber ©raf," bie ©timme ber 2 egation§» 
rätl)in aitterte bot ©ntrüftung, „toenn ber flatterhafte 
©raf fein 4 ?era noch einmal irrtümlich berfchenfte in ber 
Stoifdjenaeit, toa§ bann?" 

„S)ann haben ©ie tRecht behalten, unb ich lehre in’3 
Ätofter jurücf, ohne bafj ©ie abermals einem ©djauffe* 
ment au?gefetjt toären," ertoieberte bie 9Jiarchefa ironifcf). 

„Unb ©ie, bie ©bie, hochgeborene, fönnten e§ ertragen, 
bon bem guten SBiÜen einer galanten Äünftlerin gljr 
©tüd 3 U empfangen, benn ©ie toiffen, bafj bie 33er* 
muthung bantalS nahe lag, ber OberlanbeSgeridjtSrath 
9Mfd)id fönnte ber frönen SDiba auch einmal näher ge* 
fianben haben?" 

„©ehr nahe, e§ ift toahr!" fagte baS junge 2 Jiab<heu 
ernft. 

„9hm alfo, nun alfo!" rief grau b. ipaffebini faft in 
Shrünen auSbrecbenb. „Unb biefe grau gab $h nen Ö Ca 
toiffermafjen ihren ©egen! können ober tooUen ©ie nid)t 
einfehen, toie fehr ©ie fich mit Shrer SBahl fompromitti* 
ren, ftch unb unä?" 

3 n biefem Slugenblid erfd^ien ber SegationSrath in ber 
Xhüre unb empfing bon feiner ©attin einen fo toortreidjen 




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Vornan uon ©eorg £>artroig. 



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33eridjt über ben 9IuSfatl ihrer SJtiffion, bafj er fo gut 
tme nichts babon berftanb. ©r fagte mit fic^tlid^em 55er* 
brafj, bafj ber 5ptiuj, entmutigt bon ber ungebührlichen 
Sergögerung, ftch foeben entfernt h Q &e unb ber Slnttoort 
ber SJtarchefa nunmehr fchriftlidj entgegenfehe. 

3?rau b. 5ßaffebini fanf faffungSloS in ben nächfien 
Seffet. 

„2fch hohe," fagte ber JßegationSrath , feiner frönen 
fRichte näher tretenb, „ben ^Befürchtungen ber SBaronin 
bi§ je^t feinen 28erth beigelegt, toeil i<h S)ein SelBftgcfiiht 
für beruflicher hielt, als eS in ber ift. SBittft 2)u 
eine SfuSaeichnung jurüeftoeifen, bie in bieten taufenb ft&U 
len faum einmal geboten toirb, fo thue eS, bie (Sache ift 
fo fein eingeleitet, bafj feinertei fütebifance barauS entftehen 
fann; inbeffen geftatte ich baff ein 5Jtitglieb meiner 
Familie, noch baju ein meiner C6hut anbertrautcS 9Ritglieb, 
fid^ in ben SRittelpunft ber gerechteren Spötteleien ftefttr 
„£>, biefer ©raf !" ächzte bie SBaronin ba^toifchen, ihren 
©emaht bortoutfSboll anfehenb. „|>ättefl 35u ihn nie in 
unfer #au3 h^einge^ogen, Slntonio, nie!" 

$err b. ^affebini toar ein biel au toohl erlogener 
Ghemann, um feine ©attin baran ju erinnern, bafj gerabe 
fie eS getoefen, toelche fffreiBerg juft um ©aetannina’S 
toiHen mit aller fütadjt ber SieBenStoürbigfeit an ftch ge* 
locft itnb gefeffeft hatte. 

„9tun ja, meine theure SBetfa , babon fann jeft teiber 
nidjt mehr bie SRebe fein! $<h hoffe, ©aetannina toirb 
unfere 3uberfi<ht Belohnen unb mir geftatten, bem 5prinaen 
in aller 3ornt ihre ©intoittigung ju üBerBringen!" 



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$er $ali§mait be§ 2Beibe§. 



„ 2 )u Ijaft eS mir borauSgefagt, S 5 ot|o," murmelte tie 
Ärdhefa. Saut fagte fie : „Tonnen ©ie mir fagen, lieber 
Ojeim, toeShalb bcr ^rinj eS nid^t boqog, bie (£ntfdjei= 
bimg juuä^ft in meine -gmnbe 3U legen ?" 

„Ämter toie ber $rin3 pflegen bie toten ehrlich 
bor bcn Augen ber Angehörigen 3U mifdhen!" jagte bie 
Saronin leibenfd^aftlic^. 

„Äine theure Sfabella — !" toarnte <£>err b. Sßaffebint. 

Stie Ärchefa tbar fo blajj geworben, bafj bie gut» 
herzige SegationSräthin ihre boshafte Anfpielung bebauerte. 

„SBenn ©ie glauben, bafj biefe untnürbigen ©dhmähun* 
gen ber ©adje beS ^rinjen förberlidh ftnb, fo beftnben 
©ie ftdh im Srrthum," toerfe^te fie. „©raf greiberg ift 
nicht ber Änn, hinter irgenb einem Söetoerber 3urü<f ju 
flehen , unb trenn er erfdjeinen toirb , um meine <£>anb ju 
bitten, fo toeifj idh im Voraus, bafj Aientanb eS tragen 
trirb, ihn an fein, übrigens mafellofeS 33 crl;ältnifj 311 
©atba Änari ju erinnern, ffrau 3 ?avonin, hat niemals 
eine 2 )ame Shter 33 efanntf<haft ein ^teeiteS SBünbnifj ge* 
fdhloffen, nadhbem baS erfte gelöst tbar? SBentt ©ie fo 
ffrupulöS benfen, mit trelchem Aedjt gählen ©ie alsbantt 
-£>crrn b. ©sieben 31t Shren C>auSfreunben, ber feinen biel* 
feitigen öffentlichen Siebfdjaften nicht einmal ben AimbuS 
eines ©cheinberlöbniffrS umhängt, unb ber jefct, nadhbem 
er ©arba Utenari faum bergeffen, ein fehr pifanteS 3 $er= 
hältnifj mit ber neuen Ballerina unterhält? darüber 
lädhcln ©ie, barüber lädhelt bie bornefinte SBett. Hub 
toenn f^ute <£>err b. ©sieben ben ©infall hatte, ftdh eine 
©attin 3ü3utegen, fo toürbe feine Ätter ihre fdtulblofe 



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9ioman oou ©eotg ^artroig. 29 

Tochter bicfent galanten 2JtacenaS betfagen. 2Bo ift nun 
©eredjtigfeit?" 

„TaS, baS," fagte bie S?aronin berbriefeltdj, ioätjrenb 
.£>err b. 5ßaffetmti ein biplomatifcljeS ©djtoeigen beob» 
achtete, „fomrnt tjicr gar nidjt in 33etracljt! Ter ©raf 
Ijat mein Vertrauen auf baS ©rbblidjfte Untergängen 
unb — " 

„5rau Söaronin, mit meinem Stectjt ma|en ©ie fidj 
biefeS Urtfjeil an?" fiel ©aetannina mit ber ganjcn 
Seibenfcfjaft il^reS füblidjen Temperaments ber SegationS= 
ratljin in’S Söort. „9Jtit meinem 9tedjt überhaupt mifdjen 
©ie ftd^ in meine (Sntfdfjlüffe? 2fcfj fam nidfjt als SMttcnbe 
in 3t)* <&anS, fonbern bedungen bon bem fcfjreienben 
Unrecht, baS meine Familie mir augefügt. |jat jtdfj 9tic= 
manb um mein elenbeS Tafein geflimmert, fo lange icfj 
hinter ^loftermauern fcljmacljtete , fo fjat audj jept ^ie* 
manb aus meiner Familie baS ütedfjt, mein fetbffgetoäfjlteS 
©lücf aerftören au motten. Unb menn ber ©raf jum 
Settter toürbe, idj folgte iljm nadj, benn idj liebe iljn! 
Unb toenn Sitte an itjm ^toeifelten, idj glaube iljm! Tie 
Siebe, ffrau tBaronin, fann nur begreifen, mer felbfl ge= 
liebt fjat! ©agen ©ie mir, toaS befeligt mefjr, ber falte 
Trucf eines TiabemS, ober ber fjeifce Jhifj ber Siebe, 
befriebigter ©Ijrgeia, ober bie befriebigte ©eljttfucljt fdjranfen» 
lofer 2Biinfd§e 1 2SaS foll idj in ben Sirmcn beS Sßrtnaen 
SBeffereS empftnben, als üeraeljrenbe Ungebutb? Steine 
Diube ftnbe icfj nur an $reiberg’S S3ruft, er feinen Trieben 
nur an meinem |>eraen!" 

„Tem iprin^en einen Jforb," flüflerte bie SegationS* 



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©er ©aliSmait beS SBeibeS. 



rät^in ftatt aller SlnttoDrt. „Ster foß ihm biefen Slffront 
anthun? £), ich bin fdjtoinblig, Slntonio — 1 " 

.fperr b. 5Paffebini erfaßte bie günftige ©elegenheit, baS 
©efpräch borläufig abjubrechen, inbem er feiner ©attin 
ben Sinn reifte unb fte aus bem 3immer führte. 

„3<h erloarte einen bejferen SSefdjeib bis ^unt Slbenb, 
©aetannina," fagte er im |>inauSgehen. „Stenn ©u bie 
S^eilnaljme, toelähe toir SDir feit deinem Eintritt in uttfer 
4?auS entgegengetragen, für nichts ad^teft , fo nimmft ©u 
ohne Steifet hoch auf meine amtliche «Stellung 9tütffidjt, 
toelche ©eine Steigerung erfdjüttern fattn." 

©ie fOtard^efa audEte bei biefer Berufung aufantnten, 
fie fd^äfete i^reö ü^eim§ ehrenhaften ©harafier genügenb, 
um biefe ©oentualität $u fürchten, ebenfo peinlich aber 
bünlte ihr nach bem 23orgefaßenen ein längerer Slufentljalt 
in feinem <£>aufe. ©aS runbe, Ünblidje Slntlifc ber S3a= 
ronin toar ihr gerabe^u berhafjt. £>, umhin entfliehen bor 

biefen Stibertoärtigfeiten ber $onbeniena? 

5ßrina Stalbemar bon ßiebenfiein, fehr berftimmt unb 
übellaunig über ben fdhledjten ©rfolg feiner Sterbung, 
hatte befchloffen, ben Stbenb allein dUjjubringen, unb hielt 
fidh in feinem StrbeitSgcmach auf, als bie befremblidhe 
Reibung feines ©ienerS ihn feinem unerquief liehen ©ebanfen* 
gang entzog. 

„©ine ©ante, fagen (Sie? ©ine ©ante miß mich 
fprechen?" 

„3u 33efehl , Roheit. 3m SSor^imnter h a * r t fte beS 
23efcheibeS." 

„60 führen Sie bie ©ame hiehev! Unbegreiflich! Ster 



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Vornan oon ©eorg fjartroig. 



31 



mag fo fpät nodj etmag bon mit Begehren? Unb in tiefer 
getjeimnifjbotlen Söeife 1 ?" 

3)er SJortjang am Eingang beg ßmpfanggfalong rollte 
tangfam jur ©eite. Ueberrafdjt blidt ber Sßrina auf bie 
fdjmara gefleibete, berfdjleierte ©eflatt, beren Haltung 
cbenfo biet ©ctbftbemufjtfein alg SInmuttj befunbete. ßr 
ging it)r mit I)öf lieber 3uborfomment)eit einige ©dritte 
entgegen, alg bie £>anb ber Same bag ©pifeengemebe born 
£aupt entfernte unb ber $rina in ©aetannina’g bleibe?, 
burdjgeiftigleä 5tnttitj flaute. 

Stuf g ileufjerfte betroffen toidj er aurüd. „9Jtein ©ott, 
©ie, 3JtardE)efa? ©ie magen $tjre ßtjre, toenn man ©ie 
ertannt t)at!" 

©aetannina fdjüitette bag |>aupt. „2Bo märe meine 
ßtjre fixerer atg in ber 9tatje beffen, meldfjer fie für ein 
ganaeg Sehen in feinen ©dijujj unb ©djirm nehmen motlte?" 

„Söottte? C, ©aetannina, idj miß eg nod) in biefem 
Stugenblid unb glüt)enber benn je!" flüfterte er bormurfg* 
Polt. ,,©ie ftnb mir unbegreiflich £eute borgen tiejjen 
©ie mid) big autn Ueberbrufs Darren unb jefd, jctd fommen 
©ie au mir? 5lber toag ©ie audfj ^ie^er geführt ^aben 
mag, feien ©ie miHtomrnen," fu^r er fdjonenb fort, alg 
er bie -£>änbe ber 2Jtarc^efa altern falj. „9ta<3j biefem 
58lid toage idj nidjtg meljr a u hoffen , er fagt mir, bajj 
©ie bag grofje Opfer um eineg guten 3medeg mitten ge» 
bracJjt ^aben. O, ©aetanninft, mie grofj mufs <£>odj» 
adjtung, ^r Vertrauen, mie geringfügig 3uneigung 
für midi) fein, bafj ©ie ^ier jefjt bor mir fielen!" 

,,©o grofj, «fpotjcit, ijt biefeg Vertrauen,- bafj eg midfj 



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32 



$)cr Talisman bes5 Sßeibe«. 



bei 2tb nen ©dbuij fud^eit läfjt, inbem eg augleicb jebc @r* 
füllung ^^rer ^od^^eraigen 2Bünfdbe auSft^Ue^t. 3dj fann 
3tbre ©emablin nicht merben aug bemfelben ©runbe, mel* 
eher Sfbre Zuneigung erfterbcn laffen mirb: i<h liebe feit 
meiner frötjeften 2fugenb ben ©rafen ffreiberg. Unb memt 
id§ mich felbft fo b'utergeben fönnte, biefeg ©efübt gegen 
ein aubereg bertaufdtjen p motlen, nie mürbe ich Stbren 
gnten ©lauben gemiffenlog bintergeben. SDie SBaronin 
fürstet fidh bor biefer SSabrbeit, unb mein £>b e im miH 
fte nicht gelten taffen, fo befrage ich benn ©ie fel6ft 
barunt, fpobeit : tönnen ©ie ein 2Bcib begehren, bag einen 
anberen SJtann im $eraen trägt, mehr noch, tönnen ©ie 
einem Söeibe aürnen , meil eg bor 3b rer SSetanntfdtjaft ben 
©celenbunb fchlo| unb feft baran hält big jum £obe?" 

„©aetannina, ©aetannina," fagte ber Sßrina, mebmütbig 
in ihre tiefen, leudbtenben Slugeit febauenb, „mürben ©ie 
mir bie Sreue ebenfo gehalten t;aben, menn ich auerft 3b* 
SCßort empfangen hätte?" 

„2t cb ftebe öor Sbnen, unb ©ie fragen?" ermieberte 
bie aJtarcbefa mit fehlster ©töfje. 

„£>, ich meijj nun Sltteg," rief er mit fpötiifcbem Sä= 
dheln, „3b re S3ermanbten fcbcuen ben Sprinaen, ©ie aber 
fcbäjjen ben Sflenfchen in mir b & b cr t Stein, ©aetannina, 
3tbr Oheim bat bon meiner Stäche nid^tg au fürchten, noch 
barf bie SBaronin glauben, bafj idh ihr -fpaug bemach» 
läfftgen merfce. ©g mirb nflr ein Seichteg fein, fie mit 
bem au tröften, mag bie 5RenfdC;en an mir lieben: meine 
fürftliche ©eburt. Slber mie fott idh 3tbrer anberg alg mit 
tiefem Scib gebeuten, ©aetannina," fuhr ber $rina innig 



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. / Kontern t»on ©eorg Wartung. , 33 

fort, bie fefftanfe Kecfjte ber 9Jiardf)efa an feine Sippen 
brüdfenb, „ 3 fffrer, bie nticfj hoffen liefe # baff ieff nur 3 U 
fpät !ant, um $ffr £er 3 für immer au Befitjen!" 

„©ebenfen ©ie meiner in ^reunbfdjaf t , toie idj Sffre 
©üte in biefer ©tunbe nie bergeffen toerbe!" 

„ 3 n ben Firmen be§ ©rafen toerbe idj bergeffen fein, 
3fffre SBatjrJjeitSlieBe barf nidjtS Unmögliches berfpreeffeu. 
2 lBer icfj toeife , baff an Sförer ©eite aEe ftrauen biefer 
SCBeTt für midt) untergegangen tbären." 

„Wadj bem ©turnt fefjrt bie 9tutje bauerffaft aurüdf," 
fagte fte mit einem lieblichen Säbeln. „9lEe ber f stoffenen 
SBIumenfeTdje öffnen ftef) auf’S Keue unb fpenben hoppelt 
füffen 5Duft. 2tudj bie ffreunbfehaft tritt neBen ber Siebe 
fiegreid) toieber in itjr Kedjt." 

@r liefe if>re |janb fahren. „S)ie 3eit toirb’S teuren." 

„Unb 3^nen ein ©tücE Befeueren, baS Sffrer toürbiger 
ift als id^ ! 9Mne ©eBete foEen nicht auffjören, eS für 
©ie tjeraBaufleljen." 2Bie fte mit auftoärtS gerichteten 
S3ticCen bor ihm ftanb, baS ©innBilb mafellofer 2tung* 
frdulichteit, üBerfam eS ihn toie heilige ©ctjeu bor ihrem 
frommen ©tauben, Sr füllte, toaS er berlor, aBer cS 
todre ihm unbenJBar getoefen, fte gegen ihren SBiEen je- 
mals 3 U Berühren, beSljalB tonnte er auch bie ©nttäufdjung 
leidster bertoinben. 

„3dh ^aBe, Bebor ich Jam, an fjreiöerg gefdfjrieBen," 
fagte bie 9Jtarchefa ruhig, als fprädhe fte toirJXidh 3 U ihrem 
Beften greunbe, „baff er bie 3 eü feiner ©elBflBuffe aBJürjt 
unb mich ffetmfüffrt. 3Jtein SeBen Ijier fafft Jeine 2 ßur 3 cX, 

Sibliotljel. 3«f)rs- 1886. * 33t). V. 3 



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84 



$er Sotiiman bcB ©eibeS. 



unb hoch «tag idj nic^t abermals eine größere Entfernung 
3U)ifchen unS legen." 

,,©ie tjaben Stecht getfjan," bermocfjte et Beifällig 3U 
fagen. „Unb atfo neunten mir Slbfdjieb." Stoch einmal 
ftreefte ber SPrinj ihr beibe ^änbe entgegen, unb fie legte 
bie ihren ruljig hinein. „SJiögen ©ie baS ©lücf finben, 
toelcheS ©ie mir bertoeigent, bertoeigern möffen. ©ae» . 
tannina, feien ©ie glücflict)!" 6r führte fie bis 3um 
SluSgang beS ©emadjeS, mo fte if>ren ©d&teier abermals 
bid^t um baS fcfjöne Slntlifc fd^lang. „ 3 h* Vertrauen 
Verbietet mir, ©ie auf bem ^eimtoeg 3U bcfd)üfcen." 

„S)ie ^eiligen fegnen ©ie, .fpoheit!" 

ßin feifeS, letjteS ßopfmigen, unb fte toar berfdjmun* 
ben. hinter ihr fchlug ber braune ©ammetoorljang lang» 
fam in fernere Tratten 3ufammen. — 

2lcf)tunbbiet3ig ©tunben fpdter erfd^ten ©raf fjfreiberg 
im .fpaufe beS SegationSratheS unb erlangte nach heftiger 
SDebatte bie fühle ßintoiEigung ber Samilie b. ^affeoini, 
bie SJtarchefa nach Verlauf bon hier Söodjen jjum Slltar 
3U führen. 

2 )ie «^odbaeitSgefellfchaft beftanb nur auS ben erforber» 
liehen Ürai^eugen, barunter $err b. ßjleben, toeldjer ber» 
gleichen intereffante SSorfcmmnijfe in Slugenfdjein 3U nehmen 
liebte, ©ein foftbareS ©efchenf blieb unberührt im 3 immer 
©aetannina’S flehen, bagegen nahm fte mit ßinmifligung 
ihres ©emahtS ein perlenbefe^teS Sftarienbitb , bie finnige 
©abe beS 5 Ptinjen, mit in bie neue |>eimath hinter. 

©ie mufjte, bafj er fie bantit an ihr Sßetfprecbcn mahnen 
toollte, feiner im ©ebete <ju gebtnfen. 






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85 



Vornan oort ®eorg ftattwig. 

9llle bebeutungäoollen Momente jene« nur gu fdjneH 
berraufchenben Üageä liefe bie junge grau toie in tjotbem 
Straum an jich borübergtehen , Welchen fetbft bic unguftie» 
benen ©efidhter i^rer SBertoanbten nicht gu fiören bet« 
mochten. güt fte gab c§ nur ein Slnttife auf biefer Söelt, 
ba3 ber ^Beobachtung toertlj toar, unb in biefeS Slntli^ 
hinein burfte fie jetjt toie in einen «Spiegel flauen, Welcher 
ihre eigenen toonnebotten ©efühle in berflärltem ©lange 
gurütfwarf. 

S)en ©rafen litt c§ nicht lange mehr in biefer fühlen, 
unerquicflichen 2ltmofphäre. @r tourte ben Slugenblicf gu 
befchteunigen , Welcher ihn in feine heifeerfehnten Rechte 
cinfefete, unb too er, ungehinbert unb ohne Beugen, bie 
£eifegetiebte, Schroercrrungene in bie 2lrme fdjliefecn 
fonnte. 

30. 

$m Königreich ^Böhmen, einige teilen bon ber preu* 
fjifchen ©renge entfernt, liegt gtoeitaufenb gufe über bem 
^Reereöfpieget ein Weltberühmter Kurort für Serben* 
leibenbe. Sftngä be§ 3Bege§ im £h Q f raufest ein munterer 
©ebirgsbach in taufenb anmuthigen Krümmungen butdj 
gelb unb SBiefen bahin; bom ©ipfel ber 23ergfuppe 
nieberfchauenb, fieht man fein flareä SBaffet toie ein ge» 
tounbeneä Silberbanb, in toeldjeä baS Stbenbroth ©olb= 
blumen berftreut, Weithin fidj fdjtängeln, bi£ hangenbe 
(Hengebüfche baffelbe hinter* einem grünen Vorhang ber» 
fdhtoinben taffen. 

Stuf bem ©rafenberg toeht reine, batfamifche Suft. 3)er 
toürgige S)uft immergrüner Üannentoälber, bie mit wohl* 



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36 



©er ©atiSman be§ 2Beibe§. 

ttjuenber ©tiße aße Seibenben umfangen, aieljt auf fül)* 
lenben ßöinben gu ben toenigen Hdufern hinüber, turtle 
gleich Heftern fidh an bie breite f^elfenbruft fqfpniegen. 
33lumen gebeten fpärlicf), nur bie toeife (Irbbeerbtütfjc 
iiber^ie^t äße fonnigen 3lbl)änge mit ifjren timten ©bleiern, 
auS benen fpdter fo biete rotlje 33eeren fdljmeßenb ^erbor« 
teuften. 

gilben unb brüben in lodfenber ftdtje fteigen bie etjr« 
toürbigm Häupter ber <$ocf)fcf)aat unb be§ 9lltbater*©ebirge3 
empor. Söenn im ©hole fcfjon bie ©onne glü^t, prangen 
itjre gefurzten ©timen nocfj unter bem ©iabern be§ äBinterä ; 
erft im <£>ocf)fommer riefelt ber gefdjmoTaene ©cijnee in ben 
tiefen binnen herab. 

Stnmutljiger unb mirt^tic^er aeigt ftctj bie 9tatur ben 
23efudhern jenes Himatifrfjen tfurorteS, beffen reiches Cueßen« 
gebiet in unaähligen offenen Slbern bergab ftrömt. Ueberaß 
fprubeln fie aus bem moofigen (Srbreich hetbor, falt, ftlber* 
Har unb heiifräftiger als aße ^ßijturen ber SBelt. ütuljig 
aie^en bie SBolfen in blauer H^e borüber, oft aber, mie 
übevmannt bon ©ehnfudjt, neigen fie fiel) tiefer Ijinab unb 
umfctßingen bie ^elfenhäupter mit ihren nebelfeudjten 
Slrnien. ©ann ift ber SBalb toie eine 5Jtärd^entoelt , ge- 
heimnifjboß, ftnnbetaufchenb, barin bie ©d^auer ber Statur 
unb bie ©chauer beS eigenen He^enS ahnungSboß ineinanber 
fließen. 

Unter ben nocfj fpärlidj betretenen ßurgäften befanben 
fidh feit etlichen ©agen atoei ©amen, beren Grfdjeinungeit 
bie aßgemeine Neugier toadh riefen, ©ie 9leltere, ©ante 
Äät^e, toegen il;reS lurj gefdhniltenen Haupthaares unb 



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Vornan oott ©eorg föartroig. 



87 



her fdjtidEjtm Äleibung, bie jüngere, Sfrtnengarb, burcfj 
eine entjieEenbe buntelgraue dritte, welche ftc nid^t einen 
Moment bon ihrem frönen Slntlifc entfernte. Setten fal) 
man eine ber beiben grauen otjne bie anbere, Slrm in 
Strm foanbetten fic auf fdhmafen Söalbpfaben Bergan, 
unter ben fdtjattigen ßinben ber ^romenabe ober ben ro- 
mantifdjen 2öeg um bie Söergtuppc unb bertoren ftc£) gern 
abfeite, um niefjt bon fragenben SlidEen aEjufehr Beteiligt 
3 U toerben. fotzen unbelaufdjten Momenten lernte 
Srmengarb ton^t pc^tig i^r .jpaupt gegen Stante Äättje’g 
Schütter atä ftiEen S)ant für bie licbeboEe 2)atBringung 
biefeS neuen Opfers, aber fte erfuhr jebefmal eine fdjera» 
$afte münblidhe Surücfmeifung, mä^renb bie #anb ber 
Stipbame boc^ ermutt)igcnb unb aärtlicl) über baS lodEige 
#aar ifjreS Sc£)ttt}ting§ ftrid§. 

2Bie innig tjatte fictj ba§ SeetenBanb atoifdjen biefen 
fo berPieben beantagten ^aratteren gehoben! Seit jener 
Stunbe, too ^rmengarb ber bermeinttid&en f^einbin fdEjant» 
erfüllt au ftüfjen gelegen, toar eine feltfame Söanbtung in 
ihr botgegangen. SJtodhten fReue unb Sanfbarfeit mächtig 
baju beigetragen haben , ber -jpaupttheil fiel auf bie dr- 
femttnifj, bajj SReifdhidE nie eine Stnbere geliebt als fie. 
Ob i^re Nachfolgerin Ntargarethe geljeijjen ober fonft einen 
anberen tarnen führte, ba§ mar gleichgiltig, er batte fie 
nicht aus Neigung gemühtt. EDie ringenben S)ftntonen 
eiferfüdbtigen Deibel , bitteren $oljne£ unb ungeftiEten 
&affeS fanten bor biefer {jfriebenSbotfchaft in Nichts au- 
fammen, tote bie krümmer eines pfteren SahbetempelS, 
unb ber tnilbe @iana bemütt)iger $reube flrahlte berföh= 




38 



Xer XaltSman bc§ SCBeibeS. 



nenb auf biefe 9httncn nieber, tote ber SJlottb nadfj bcm 
Ijei&eit 33ranb be3 Xage3. 

Xante Äütfje, toeXd^e int ©inberfiänbuij} mit iljrem 
äratlidjen Söerat^er auf ber SBafiS biefe3 ©eelenfriebenS 
bie SJtögtidjfeit einer l&rperlicljen ©enefung anjtrebte, ^ielt 
jefct ben geitpunft für getommen, too fte Srmengarb unter 
ben garten gtoang einer burcljgreifenben Äur in einer be- 
rühmten Stugenüini! [teilen tonnte, ohne beim f^e^Xfdjtagen 
bcrfelben einen Slücffatt in ftumpfftnnige 33eratoeiftung 
befürdhten au müifen. 

Srmengarb ftimmte Sittern freubig au, toa3 Xante 
ßäthe befdjlojj, fottte fte ja boch nadfj toie bor in ihrem 
fidleren ©dfjut} berbleiben unb, genefen ober nicht, bie 
nädjfte Stntoartfdjaft auf eine erlebigte ©teile im Xanten« 
ftift erhalten. 3?ür jeben Satt ^atte Xante ßättje, um 
ben Statuten geredet gu toerben, berfprodfjen, bie junge 
Srau geridhtlidj au aboptiren. freilich erfolgten ähnliche 
33erfidfjerungen borläufig mehr au 3*ntengarb’3 Beruhi- 
gung, als bafj Xante $äthe felber an ihre Dtealiftrung 
glaubte. ©3 gingen iljr au- oft toiberfpredfjenbe ©ebanlen 
burdlj ben $opf, toenn fie SMfdfjidf’S Briefe burdhlaS, ber 
jept unberljohlen bon bem namenlofen Unglütf feiner ge« 
fdljiebenen ©attin fpradj, unb toie er Sltteä baran gefegt 
habe, X>ret)fing’3 Slufentljalt au erfahren, um ^rmengarb 
bor fremben SBo^lt^aten ftdjer au ftetten. ©3 leuchtete 
3 toijdjen ben 3eüen immer ftdrfer ettoa3 toie ©elbftanllage 
burdj, bafj er an bem ©efdfjeljenen nicht gana unjdjulbig fei, 
unb ber brennenbe ttöunfdj, Srmengarb^ freublofe3 Xafein 
mit allen Mitteln au berfdjönern unb au erleichtern. 



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Vornan t>on ©eorg &artroig. 



39 



Xante ßätfje Beantwortete fowobl 9JIeifcbi(f8 als auch 
Xrepfing’S ^Briefe, Welcher, Bon feiner Orientreife ^urüdt- 
gefebrt, aus EngTanb immer bringenber um ausführliche 
Nachricht Bat, mit trodfener Äürje, als ginge fie bie Sache 
Weiter nid^tS an. Xent Suftiaratb B^tte Xante $ätbe ge« 
rabeau Berboten, fid) jefet fdjon perfönlicb nach Srmengarb 
umaufeBm, bagegen betfprodjen, ihn au geeigneter 3ett 
Benachrichtigen au wollen , unb nebenbei bergfiche ©rfifje 
Bon ber jungen grau Beigefügt. 

Xa bie Oberin beS Stiftes einwilligte, aHe an Xante 
ßätbe gerichteten ^Briefe an beren Slbreffe Weiter au Be« 
förbern unb eBenfo fämmtlidhe SlntWortfchveiben berfelben 
gleichfalls bur<h iB rc «&änbe geben au laffen, fo BtieB bie 
UcBerftebelung Sfnnengarb’S nach ber Slugenftini! abermals 
©ebeimnifj. Xante flät^e wufjte nur au gut, bajj, wenn 
Sfleifctjicf je 33erbacbt fdjöpfte, er feinen Einflufj fofort 
geltenb machen unb Sfrmengarb in bie töbtlidjfte Unruhe 
öerfetjen würbe. 

Cb auch bie Erwartungen ber StiftSbame in ^Betreff 
fcBmeraBafter äratlicher Eingriffe hoch gefpannt Waren, bie 
Cuaten, Wellen Snnengarb fidh Monate binburch willig 
unteraog, riffen Xante ßätbe’S ftarten ©eift nicht feiten 
au mitleibSBoHer Sorge bi n - Xurdj fünftlidj eraeugte 
heftige Entaünbungen foHte bie Untfjätigteit ber SebnerBen 
gehoben Werben, ein 9teij ben anberen Beftegen. 2Bie oft, 
Wenn Xante flätbe in baS Blaffe, entfteHte SIntlitj ber 
jungen fffrau fab, mujjte fie 2Jteif<hicfS gebenfen, wie 
Srntengarb’S Schönheit ihn auf jenem töofenfeft trofj aller 
Voreingenommenheit heimlich entaücft, unb WaS er em* 



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\ 



40 Ser SaliStitan be§ 2öeibe§. 

pfinben toürbe, fälje er biefe aBjtd^tlidtjen Söertoüftungen 
bon berfelben $rmengarb gern unb thränenloä erbulbet. 

316er nichts glich bent Söonnegefühl , mit toeldjem fte 
ben erften ertöfenben ßichtfiraf)! begrüßte, ber in bie aÄ* 
ma^Iig bcimnternbe 9ta<ht ber SSlinben brang. 63 ioar 
ein Moment unbef<hreibli<her 6eligfeit. 3fÜr fte toar ja 
nun ein neuer Schöpfung3morgen angebrochen unb mit 
ihm bie 3lntüartf<haft auf ein neue3 Safein. ftür fie 
fprofjte unb toebte unb toirifte bie 5Jtatur allein unb au3» 
fchlie£li<h ih* bie3malige3 bunte3 grühliug3fleib , für fie 
ftieg bie Serdje jauchaenb in bie ßüfte, für fte ftrahlte ba3 
Firmament, für fte jjogen bie ©tembilber herauf, nur für 
fte. Sfrmengarb tarn fidj, bon ber unaerfiörbaren Smpul- 
fibität i(jre3 ©efühl3 getragen, tüte ein auSerfehener Sieb» 
ling be3 gan3en 2Beltall3 bor, auf beffen £aupt bie gütige 
4?anb be3 ©djicffalS infonberheit geruht. 

3tun fah fte auch Sante iTäthe bon Slngefidjt au 3ln» 
geftcht, fat) i^re ftrengen, einft fo gefürchteten 3üge im 
Söiberfchein inneren 6ntaüdfen3 leuchten, fah bie ernten, 
forfchenbcn 3lugen bon ftreubenaähren überquellen, unb mit 
bem fiberfdjtoen glichen Sanlgefühl einer nie abautragenben 
©chulb ftürate fte fi<h an ba3 |>era ber eblen {frau, al3 
müffe fie bort ©chu£ ftnben bor finttberücfenber ©eligleit, 
toie einft bor erbrücfenber ©eelenqual. 

Sie böfen SSunben heilten nicht fo fchneK, al3 man fte 
eingegraben, unb e3 !am ^rmengarb nicht in ben ©tun, 
ein 3eicf)en bon Ungebulb laut toerben 3U Iaffen, noch 
irgenb toelche Schönheitsfehler an bellagcn. Oft, toenn fie 
hinter bem Vorhang ftehenb auf bie fnoSpenben IBäume 



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I 



IRomnn uon ©eorg £mrtn>ig. 41 

beS ©artmS flaute, fam fie ficfj tüte ein ßinb am (Hjufi* 
abenb bor, bem liebe |>änbc ge^einmi§oott berrliclje ©aben 
'aubereiten unb beffen einzige ©ntbe^rung in einem fü§en 
Satten Sorten, ja, matten! $rmengarb butte 

eS fo gut gelernt, ba| fie feXber batüber lädjeln mufjte, 
nur burfte fte niemals itjrer Srrt()ümer an SeifdfjitfS 
©eite geben! en , o§ne bon febnfüdjtigcr tReue erfaßt au 
toerben. 

SEante ifät^e, melier fein ©efü^lStocdjfel bet jungen 
ftrau entging, bernabm mit großer Befriebtgung bie Sei» 
fung beS SlrateS, einen nerbenftärfenben ftünatifcben $ur» 
ort au befugen, unb beeilte ficb, bie Ueberfiebelung fo 
fd^neÄ als möglich in'S 233er! an fe^en. 

(SS toar ein Brief ibreS 9leffen eingetroffen , meiner 
eines in ber tRejibena epibemifcb auftretenben ÄeucbbuftenS 
drtoätmung tbat unb an Staute iMtlje bie Qfrage ridjtele, 
ob fte mittenS fei, ben fleinen $anS bis aum drlöfd^en 
ber Jfranfljeit au ficb au nehmen. 

hierauf ^atte bie ©tiftSbame geantmortet, fte fiönbe 
gerabe im Begriff, einen nerbenftärfenben ©ommeraufent» 

§alt auf bem ©rafenberg au nehmen, unb tilbe ben fleinen 
$anS fammt feiner Särterin für ben ganaen ©ommer 
unb ^crbft als liebe ©äfte au ft«b ein. SDarauf mar fie 
in Srmengatb’S Begleitung abgereist, immer nodj er- 
tuägenb, mie fie ber jungen $rau eine unausbleibliche hef- 
tige ©emütbSbemeguug erfparen fönne. 3ule^t befcblofj 
£ante $ätlje, au ©unften ber guten ©a$e einen Xfyil ber 
Saljrbeit borläufig noch einmal au berbergen, bis bie 
JHnberliebe ber jungen ffrau au BtargaretfjeuS ©ob« bon ^ 

iläLv 




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42 



S5er XaliSman beS SBeibeg. 



felbft SBur^et geflogen, unb alfo erfuhr 3rmengarb nur, 
bafe eine ^ugenbfreunbin iljren mutterlofen Gnletfoljn bot 
Slnftedfung betoatjrt toiffen unb iljn beSljalb in bie pflege 
- ber ©tiftSbame geben tooKte. 

2)a eS ^rntengarb unbefannt geblieben toar, bafe 9Jtei* 
fdjidt SSater getoorben, naljm fte biefe ftadtjridjt o^ne Slrg 
auf unb brüllte ihre Qfreube auS, ein fo anfdtjmiegenbeS 
Heines Söefen int 2lrm galten 3U bürfen. 

5l(S ber Änabe angelangt unb bon Xante Äätfje mit 
fdt)tnerjlid§er gteube begrübt toorben toar, gehörte eg ju 
Sfrmengatb’S fcfjönften ©tunben, toenn fte an feinem 39ett» 
djen ober neben feinem ©tuljl ft^cnb mit bem fröljlidj 
iauefjaenben Äinbe ©djerj treiben fonnte. S5a eine Sleljn« 
liäjleit in feinem runben ©eftdjtdjen nodfj nidtjt ausgeprägt 
toar unb bie bunllen Griffen gläfer überbieg SltleS in graue 
Xämmernife füllten, fo lag bie 2Jtöglid§feit fern, bafe 3fr» 
mengarb bag @el)eimnife beseitig burdjbringen lönnte. 

2fn einer frönen Slbenbfhmbe toar eg audfj, too 3r- 
mengarb bem unruhigen Äinbe 3U ßiebe i§re füfee ©timme 
toieber ertönen liefe, unb alg bie erfte ©ctjeu übertounben 
toar, lehrte fte auf Xante ßät^e’g Söunfcb mit greube ju 
i^rcr Ijerrfidjen ßunft jurüdt unb berfammelte, fo oft bieg 
gefd&al), einen ÄreiS anbäcfjtiger ßaufdjet um il)t befdjei* 
beneg, bon ßinben umfcfeatteteS .£>auS. 

fftur in betreff eineg ^unlteg tyatte bie ©tiftSbame 
lange bergeblidf) gebeten unb ermahnt: Sfrmengaib tootlte 
aug Sfurdtjt bor einem fRücffatt bie 9tugen nieijt meljr oljne 
©cfjufe laffen, audtj bann nietjt, alg jebe ©efa^r für bie* 
felbett längft befeitigt toar. 



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Vornan oon ©eorg ftartroig. 



43 



„9JUr feljlt ettoaS, Xante Äätlje," üerßdjerte ße eifrig 
auf alle bejfiglidjen SorfteÜungen ber StiftSbame. 

„Xir fetjlt nur nodlj <£inS," lächelte biefelbe fopffdßüt* 
telnb, „aber mit biefer bunflen ©utenbriKe Ijat eS nidEßä 
ju tljun. Saß mid} einmal bei XageSlidjt flauen, toie 
alt Xidß ba§ leßte Sfaßr gemalt. Jlornm, mir tooHen 
einmal üeigleicfjen, toaS Xu toarft unb toa§ Xu jeßt btfl." 

„Sejfer bin icß, menn audß nic^t ßübfdjer. gfür toen 
Ijatte eS audß Sßttereffe, ob idß toie eine ©ule auSfeße ober 
toie eine Xaube!" 

„9iun, nun, man folt nichts Oerreben. Slnßdjten 
änbem ßdj, unb icfj fürchte immer, eS toirb Xir mit 
ber 3eü in unferem eljrtoürbigen Stift bodj $u einfant 
toerben." 

„Xante Äätfje — !" rief bie junge Qfrau OortourfSooll. 

„93erl)ältni{fe ftnb toanbelbar. Sielj, als Xu lörper* 
ließ ßilfloS, geiftig ftumpfjtnnig, baS ©emütlj üon £>aß, 
• 5tad^e unb Unfricben erfüllt, ju mir famft, ba toar baS 
floßerlidße Stift Xein naturgemäßer Ülufentßalt. Später, 
at§ Xu Urfadje befamfi, in Xidj 3 U geßen unb Rieben 
mit Xir unb ber Söelt 3 U fdßließen, ba mußte Xir bie 
Stille unfereS 5lfplS abermals 3 ur SEBoljltßat toerben. 3[eßt 
iubeffen, too Xu toieber freie ^e^in Xeiner gefunben Sinne 
biß, tüdßüg unb ftar! in ber Selbßübertoinbung, toeiblidj 
bcmütljig unb opferbereit, jeßt ift baS Stift Xeinent SGBir» 
lenSbrange ju eng getoorben. Xu Ijaft nidjtS meßr an» 
gußreben, toaS Xir nitßt bereits ju Xßeil getoorben toäre : 
meine Siebe, Xu tljeureS, längft entfüßnteS $inb, unb 
XeincS einftigen ©atten Jöerjeißung. 2Jtit biefen ©r« 



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44 



©er ©aliSmcm beS 2Beibe§. 



rungenfcBaften fannft ©u eht neues, gefegneteS ©afein Be- 
ginnen, deinen Sagten, ©einen Äräften angemejfen." 

,,©u toiÜft midj toieber BinauSftojjen in bie 2Belt, 
melcBe ntic^ im Unglücf fo fc^nöbe berliefj? ©ante &ftt§e, 
baS miüft ©u?" tief bie junge grau erfdtjüttcrt unb un- 
gläubig. 

,,©aS toiG idB toirlticB — freilich nid^t fo fdfjneG. 
SSenn ©ir jefct jum SSeifpiel glänjenbe StnerBietungen bon 
itgenb einer ©Beaterbireftion gemalt mürben, maS bann?" 

„Qfi)z idB biefe trügerifcBen SBretter je mieber Betrete, 
e^er mürbe idj — o, £an§ 2Jteifdjiif müfjte micB ja bet- 
agten!" murmelte fte/ju SBoben fe^enb. 

©ante ßätBe jDtadl) aB. „©Bit fpredjen noäj barüBer. 
9tun nimm einmal bie 33riGe aB, bamit idB in ©einen 
Slugen lefe, oB ©u mirflidj fo gar ungern bon mir geljen 
mürbeft, toenn idB eS eine! ©ageS berlangte." 

Srmengarb magte leinen ©Biberftanb meBt; fie litt eS, 
bafj ©ante $ätBe bie ^d^tid^c SBriGe fanft aBBoB , unb • 
ftanb enblidj mieber im SöoGglanj i^rer anmutigen ©dBön» 
Beit, mäbd^en^aft berlegen faft, bor bem prfifenben SSlitf 
ber ©tiftSbame. 

„©ieB midB an, mein ßinb," jagte ©ante ßätBe mit 
marmer Sfreube. 

3B Te bunlelBlauen 2lugen BoBen ftdB empor. (Sin mei- 
ner, leibenber 3»S aGein berlünbete nodB, maS fte gelitten. 
„£>aft ©u SBaBrBeit gelefen, ©ante Äättje?" fragte fte 
leife. ,,©oG idB BleiBen?" 

,,©o lange, Bis ©u felBft bon mir fort Bege^rft. SBiGft 
©u barauf eingeBen?" 



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Vornan oon ©eorg i£>artn>ig. 45 

Srmengarb brfldftc i^r freubig bic $anb. „9lm Bcften 
toär’S , mir Bedielten ben Keinen |>anS ebenfalls trn (Stift 
äitrüif, toie gern tofttbe icB iBm bic Butter etfe^en! @S 
ift fo traurig, iljn in ber pflege Bejahter SJtenfcBen ju 
toiffen." 

„Sein Sater liebt i^n fe^r, fe^r. ©r ift i^nt baS 
X^cuerfie auf ber 2öelt," fagte Spante Äfttlje ernft. 

„9tad^bem er bie Stutter beS JfinbeS burcB ben Xob 
berloren Bat," fiel Srmengarb fcfjneü ein. 

„9lein, audj Bei Sehweiten berfelBen mürbe er mit fei- 
nem Sofjn eine geiftige ©inBeit geBilbet Baben, tneld^e 
jebem unertoünfcBten ©influfj unzugänglich geblieben märe. 
Selbft eine neue <£>erzensmaf)l fönnte baran nichts änbern. 
SieB, bie fcBmierige Stellung ber Stiefmütter BeruBt in 
ben meiften füllen barin, bafj fte nicht SBiHenS finb, bie 
Jfinber erfter ©Be als öoHBeredjtigt in ber SieBe ihres 
©atten anjuerfennen , fonbem ber Steinung BteiBen, als 
müßten fie fidB über biefe unfdjulbigen ©egner ^intnecj erft 
in fein^erj B^eto Mmpfen. 2)aS ift eine ganz berührte 
2Jta£ime. 2)ie jmcite grau toiffe ficB ftd^er in ber 3«» 
neigung beS fDtanneS unb Batte eS bon biefem geborgenen 
^taffe auS für eine grofjmütljige 5PfIidBt, ihren reifen Sefth 
mit ben minber Beborzugten tfinbern zu t^eifen, benen ber 
ü£ob bie zärtlidjfte Siebe entriffen Bat. ©ine grau, immer 
auf btt Sauer bor iBrern eigenen Stijjtrauen, ftetS ihr 
eigener Spion, metch’ KäglitBeS Silb!" 

„öS mufj bodj ein munberfameS Sangen fein, toenn 
man Bebenit, bafj alles baS, toaS uns am fetzen beS 
©atten entfielt, bot uns fdjon ein anbereS 233eiB empfun» 



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V 



40 Xer XaliSman be3 SZBeibe*. 

bentyat! Xenfe, Xante $ätt;e, gana baffefbe! ÜJteinfi Xu 
nidjt?" 

„Xa§ nennt man (Sentimentalität. So muff man nur 
anfangen, unb bie ganae ßitanei, öon melier mir foeben 
fpradjen, fommt fdfjnurftradEä Ijinterbrein. 2Ba§ fümmert 
e§ benn bie atoeite grau, toaä bie Oerflorbene juft ba ober 
bort empfunben? Se§e fie nur au, bafj fie aKeaeit ba§ 
IRid&tige am richtigen Ort unb aur richtigen 3«t empfinbe, 
fo ^at fie iljre SPflid^t OoHauf getljan. 2lEe anbeten 58e* 
benlen finb unnü&er ßram, unb fo mie man feinem 2Jtann 
Jeinen ßinblidt in bie unaufgeraumte Stube gemähten foH, 
ebenfo toenig barf man iljm einen üermorrenen 3uftanb 
beä ^eraenä offenbaren. @rft fd^affe man Orbnung, bann 
labe man iljn aur Umfidtjt ein, unb er mirb ftdj too^l 
füllen, ebenfo moljl al§ a u jener 3eit, ba bie Oerftoibene 
grau baä Regiment führte." 

„Xu l)aft 9iedt)t, Xante tfättye, idj filmte e§." 

3n biefem Slugenblidf matb bie Xpre geöffnet unb 
ber Keine £>an§ rijj fidt) tapfer Oon ber £anb ber 2Mv= 
terin lo8, fobalb er Sftmengarb ecblidfte; bie Stiftäbame 
t)ob i§n inbeffen auf iljren 5lrm. 

„Sefot fiel) Xit einmal oljne dritte an, ma§ für ein 
niebtidtjer löurfdfje l)ier fo ungeftüm aappeit." Sie Ijiclt 
i§n ber jungen grau entgegen. „$ennft Xu bie Slugen 
toieberT fragte fie leife unb fef>r meidfj. 

Srmengarb, Oon plöfclicijem Stauer erfaßt, trat Saftig 
einige Schritte aurfitf, i^re 33üt!e irrten unftät atoifdjen 
ben fotfdjenben 3lugen Xante Äätlje’ä unb ben lacfyenben 
beä ÄinbeS; aulefct Oon 2öeljmut§ fpngeriffen, brüefte fie 




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Kommt oon ©eorg fcartroig. 



47 



bic £änbe auf baS heftig potente ^erj. „Sttargavetp — " 
pfierte fte mit judenben Sippen. 

2)ie StiftSbame nidte, inbem fte ba§ $öpfc£jen bcS 
Knaben innig an fitfj briidte. „^JidrgaretfjenS öermädjt* 
nijj an $an8 ^Jteipid." Unb toieber füfcte fte bre meicp 
Sange unb ba§ Heine rotp 2flünbc§en aärtlid§. 

S>ie junge 3?rau fianb regungslos unter bem Sann 
biefet ßrfenntnifj. SflargaretpnS Sop ! 25a§ fteibgefilp 
toelt^eS jefct tief fd§mer3lidj burdj ipe Seele 30g, griff in 
ifjr pligjteä Sepen. Sie ptte nidfjt gefoapen töttnen, 
toaS Sargaretp ipt fcptfen burfte. 9Jteifcpf3 Sop! 
@r liebte ip al£ fein tpuerfteS @ut auf biefer Grbe, 0, 
[0 ^atte er au$ unaäpge SJtale in baffelbe 2lntlifc ge= 
fdjciut, meines ip fo oft augeladjelt, fo ptte er bie tleinen 
$änbe gehalten, toie fie e§ oft getpn. ©in neues 33anb 
toob ftd^ afoifcpt ipen, eine neue ©emeinpaft. s JJtod)te 
Sfteifcfyd aud) nicpS baoon toiffen unb nie erfahren, %x* 
mengatb ftftjlte jtdj felig buxd^jittert bon bem 33etouf$tfein, 
bajj ipe beiberfeitigen ©mpftnbungen ft<$ in einem Stenn« 
tmn!t gefunben Ratten, in ber Siebe au feinem $inbe. 

. 25er atoingenben 2Jiacp biefeS 3>mpuIfeS folgenb, eilte 
Sttnengarb auf £ante Äät^e 3U, tifj ben Änaben an ipe 
Stuft unb betbarg ba§ ergtü^enbe Slntlifc in feinen blon« 
ben Soden. 

2)ie StiftSbame ftanb einen Moment in Utacpnnen 
betloren, bann toanbte fie fidj ab unb betltefj befriebigt 
baS (Sentadj. 

Senn ber $erbft auf bie Setge nieberfteigt, put er 
fte in eine tounbetbat tlare, butd)fid)tige Sltmofppre, aus 



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48 



Ser SaliSman beS 2Beibe§. 



tocldjet bic frülj ftnftnbe ©onne jene tiefblauen ©dreier 
toebt, bie an bett buntlen Sannen fd(jemenglei<b hinauf* 
fd^tneben bis 311 ben ^elfentronen. Sann ringt ftd^ brun» 
ten im tiefen S§al aus ben fcfjlaftruntenen CueUen unb 
bem leifer raufdjenben $lufj ein ^tcbeltraumbitb nadj bem 
anbeten IoS, unb auf ben grünen hatten flimmert beim 
Slnbrudj beS neuen SageS bet glifcernbe 9teif, bet Vorbote 
beS nafjenben SöinterS. 

Sie borgen unb Slbenbe auf bem (Srafenberg tourben 
tübJ genug, um an eine enblicfje Slbreife 3U benten. 5Jtur 
um bie 9JtittagS3eit toeljte eS noitj fonnig toarrn über ben 
falben unb entlodfte i^neu ben fräftigen Suft beS $aibe* 
trautet. 

Siefer im Sßalbe jefet als jubor toanbelte Srmengarb 
einfarn, bot neugierigen Sßtidfen gefdfjüfct, noch lieber aber 
flieg fie empor 3U einem Ijalbbetftetften 9tubeftjj, über toel* 
djen junge Sannen ifir immergrünes Sadj breiteten, ger- 
bet führte fie tjaufig ben tleinen 4?an8 unb lief* i^n nadj 
iJerjenSluft auf bem toeid&en SJtoofe fpielen, toä^renb fie 
felbft, ben $opf in bie £>anb geftü^t, jebe feiner SBetoegungen 
berfolgte unb nidfjt mübe marb, ben Später in bem Äinbe 
toieberjuertennen. 

Ringsum ©tiHe fonft, nur baS ©ummen leid&tbefdjtoing» 
ter Snfeften unb ber ©djlag einer Sroffel aus ber öferne 
begleiteten baS geljeimnifjbotle Staunen, toenn ein toarmer 
ttufoug butdj bie Sannentoipfet ftridj. Ser Äleine, fanft 
ermübet, fentte fein £>aupt unb entfdjlief. Um i^n tj« 
breiteten fidj bie golbenen ©onnenftrablen toie ein fdjau* 
felnbeS 9iefj, toeld^eS Stmengarb’S fdjöneS Slntlifc Pertlärte, 




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49 



Montan oon ©corg Wartung. 

SBalbegfrieben, SSalbegeinfamfeit ! Sag |>era bet jungen 
f^tau fdjlug trauntbefangen. Sie faltete ihre .fpänbe unb 
laufdjte. 

Sen fc^malen Sßfab hinauf aut Sannenquetle ertönten 
©dritte, burch bag ©efirübb ^inburt^ öerfclgten fie ener= 
cjifd^ unb fd^nell ihr 3tel* Srmengarb, geängfiigt non bet 
©infamfeit, toollte entfliegen, aber ehe fte noch einen S3er= 
fud) machen tonnte, ben fleinen Schläfer aufauheben, trat 
bet ^tentbe fdjon hinter bet grünen 2Banb Ijetbor unb 
ftanb toie bezaubert bon biefer lieblichen ©rubbe tegungglog. 

Stmengarb Hielte au i^m hinüber — ein halb erftief- 
ter Schrei ber Shtgfi, bet Siebe unb bet Qfteitbe entfloh 
ihren Sibben. Sie ©liebet berfagten ihr jäh ben Sienft, 
fo heftig ftürmte bie ©rinnerung an Sllleg, mag atoifche« 
jener lebten fchtecflichen ^Begegnung mit |jang 2Jieif<hicf 
unb biefer Stunbe lag, auf fte ein, unb baneben aog ein 
namenlofeg Sehnen burch ihre SSruft. Sag Singe au33o= 
ben gefdjlagen, fühlte fie gleichwohl SJteifchicf g 33lict burch 
ihre gefenften Siber auf ft<h ruhen. 

„3rma, meine arme, geliebte Sfrnta!" 

©g burchauefte fte wie eitt elettrifcher Schlag, baj? fte 
auffbringen tonnte — aber er ftanb bereits neben ihr unb 
löste ihre ängftlidj betfchlungenen Ringer mit liebcüoIXcr 
©etoalt. 

„SJteine 3rma! kleine arme, geliebte 3rma!" toieber» 
holte er leife. 

©g quoll ihr fjeijj 3UW 4 ?er 3 en, erftictenb Ijeif* uitb 
übermächtig. Sbredjen tonnte fie nicht, bie Slrme au§= 
breitenb unb um feinen $alg fchlingcnb, brfldte fte ihr 

Bibliotljcl. 3af)tg. 1886. ! 8 b. V. 4 



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50 



2 )er 2ati$man be§ 2Beibe$. 



Slutlih gegen feine ©chulter unb Brcufj in lautes* ©Seinen 
au§. SllleS, toaS fxe in toe unb ©djam entpfunben, 
toaä fie gehofft, toa§ fie in toadjen träumen erfehnt, it>re 
ganae ©eele ergofj fidj in biefem glühenben S^ränenftrom. 

@r hielt fie umfafjt, bie Sinjige, toelche er je geliebt 
unb au lieben bermodjt, bie er au Ijaffen geglaubt unb 
bocfj nie bergeffen lonnte, er hielt fie toieber an feiner 
©ruft unb hemmte ben toohlthätigen Grgufj nicht, ber bie 
leiste ©cfjranle atoifchen ihnen nieberrifj. 

Srmengarb’ä ©ufen hob fid§ erleichtert, bie Sechen 
berjiegten bor ber fch merklichen ftrage: „ 2 Sa 8 nun?" 

2118 hätte er ihre ©ebanfen errathen, hob er ihr fdjö= 
ne8 Slntlitj empor unb fah tief hinein in bie fchimmernben 
blauen 2lugen, aber toie tief er auch bliefen mochte, nur 
Siebe firatjlte ihm barau8 entgegen. 

©ie beugte fich, feine ^>anb au füffen, aber er toehrte 
ihr ISdhelnb. 

,,©ßei|t 2>u nicht mehr, toie 2>u mich fonft toiHfommen 
hie&eft?" 

©erlegen, bertoirrt, ein ©ilb reinfier ©Beiblichfcit, 
ftanb fte aaubernb bor ihm, beffen ©ruft fiel) im ©oH* 
gefiihl neuertbadjenben ©tücfe8 höher wtb höher hob. 

25 a erfaßte e8 ihn tbie in jener feligen ©tunbe ber 
erfteit ©Betbung, unb mit untoiberfiehlicher ©etoalt 30g 
er bie fcfjtanfen ©lieber an fein .£*1-3. 

©ie athntete noch einmal belfommen tief auf — fie 
ftammette feinen kanten — bann hotte bie 2luftentoelt 
aufgehört, für Sfrmengarb au ejiftiren. £anä ©teifdt)idt 
tüftte ihre Sippen unb füfjte fie toieber unb tuieber. 



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Montan non ©eorg Hartwig. 



51 



2>er 233alb raubte laut auf, fte hörten eö ntdjt ; eine 
©olbammer liefe ftd^ bidjt über ihren Häuptern ltieber 
unb atoitfäerte h*H — ba enblid^ fam ^rmengarb bie 
©prache aurüd. 

SBaS fte jefet fagte, batb fumnterboH, halb freubig be* 
tnegt, toa8 fte im ^eiligftett Vertrauen beut geliebten 
XJtanne beichtete, hatte Xante Äättje Vteifchtd aubor fdjon 
mitgetljettt, aber bie innere Vertuanblung, tueldfje ftch in 
Sfrmengarb’ä Vefemttniffen auäfprad(j, entaüdie ihn au 
fehr, um nicht jebeä SGBort tnie eine Veftötigung neuen 
©lüd4 anbädjtig au bemehmen. 

9113 fte geenbet, beugte er fidj au ih* nieber. „ßafj 
ba§ Vergangene bergangen fein, in biefer ©tunbe ifi eä 
auägelöfcht. Verföljnt mit Slüent, toaä toir litten, ift 
fein (Srunb, baä ©efdfjehene au betlagen." 

„3<h fragte einft beratoeifelnb," fiel fte ihm in’s* Sßort, 
„in meiner fd&toerften ©tunbe, ba meine ©ötter midh ber= 
liefen: ©ibt e3 benn nichts auf biefem ©rbenrunb, baS 
echt unb treu unb untoanbelbar ift?" 

„Äennft S)u bie einig blaue Vlunte jetjt?" fragte er 
innig. 

Srmengarb nidte unb fd&ntiegtc ftdj fcfter an ihn. „3it 
ber großen lauten SQßelt ift fte nicht au finben, aut ftUXen 
heimifcfjen $erb, ba pflegt fte treue ©attenliebe, au§ ber 
©pmpathie ber ©eelen fdjöpft fie immer neue 2eben§= 
fraft, unb bie GrrfüHung ^eiliger Pflichten läfet ihre SBur» 
3 el mehr unb mehr erftarfen. O lafj mid) biefe SBunber» 
blume irbifcfjer ©eligfett au deiner ©eite noch einmal 
pflegen: 0familienglüd Reifet fte, uttb je berborgetter für 



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52 



Sec Saliäman bc§ 2Beibe§. 



2lnbere fie blüht, befto fdjöner toirb fie fidlj entfalten, Sir, 
mit unb unferenx Änaben bort." 

Ser kleine ertoadljte auf feinem SJtooglager unb flaute 
mit großen, bertounberten Slugen auf ben ihm fremb ge* 
morbenen 93ater. .£>alb toeinenb bar Ueberraf<bung ftredfte 
er Sfrmengarb beibe Slermcben bittenb entgegen. 

®ie hob ib« lücbelnb auf ben 2lrm unb lonnte eg 
nidjt binbern, bab er bli^f^nett ihren $al3 umf(blang 
unb fein blübenbeä ©efiebteben bot bent S3ater berftedtte. 
„Sab bem Keinen Unbanfbaren 3 f it," fagte fte, ibn aärt* 
lieb füffenb. 

„3öir merben boeb immer bie beften ftreunbe fein unb 
bleiben," ertoieberte er auberftcbtticb. 

Srepfing traf in ben näcfjften Sagen ein, bon Sillen 
freubig betoittlommt. Obtoobl nicht fonberli(b angemutbet 
bon i^rmengatb’g neueftem ßntfcljiub, lieb er Sante flätbe’S 
©rünbe autefjt gelten unb berfpracb, als Sraujeuge ber 
beborfiebenben SBieberbermäblung ber gefd^tebenen ©atten 
beyutoobnen. @r hätte biej bon feinen Reifen in fremben 
ßänbern au erzählen getoubt, mubte aber erfahren, bab 
toeber Sante $ätbe, notb 3*niengarb ober ÜJlcifd^itf $n* 
tereffe an feinen ßrlebniffen befunbeten, unb fo blieb ihm 
niebtg übrig, at§ ficb mit bem befannten Unban! bet ütBelt 
au tröften. Sagegen fanb bie Söotfd^aft bei Srmeugarb 
ein offeneg £%, bab ®o!tor SOtecbelmann im SÖegriff ftebe, 
eine auberläffige unb liebengloütbige SJertoanbte an ©teile 
feiner treulofeu grau b e i r,1 3 u f üb rcn - $ie mar 

gleidtj ua<b iener © traben priigelei, ba ber Soltor Oktober 
in feinem SBirlunggfreife beg Sebcitg nicht mehr fidler 



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I 



Vornan non ©eorg ftartroiß. 53 

toar, mit bemfelben nad) 9iujjtanb auggetoanbert unb bon 
bort nadj ßonboit gegangen, n?o bet ^uftiaratl) fie in einem 
fefjr fragtoürbigen 2lufpufce auf ber ©trafje gefeljett Ijatte. 

ßinige SBodjen [pater fanb am grujje be3 ©rafenbergeä 
in einem flehten ©täbtdjen bie Stauung Söteifdjüfä mit 
Sfrmengarb ftatt. 

Sante Äätlje tbiinfdjte, bafj bie 9teubermüljlten einige 
SBocfjen in ber Sßelt untrer reifen möchten, mäljtenb fie 
felbft ben Änaben in feine ^eimat^ aurüdfü^reit moHte. 
9tiemanb hnbetfpracf) iljr, foufjten bodj SSeibe, foeldje ®e= 
füljle fte nadj jenem füllen #figel -jogen, unter beffen 
(5pf>eubecfe 9Kargaretl)e frieblicfj fdjlummerte. 

$113 bie ©atten aurMfetjrten, toar Sante $ätl)e be= 
rcitö in itjr Samenftift abgereist. 2113 beffen Oberin 
begrüßte fte in Sfaljreäfrift Srmengarb’ä Södjterlein- — 



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Der le^te ifolkunger. 

tfjifiorifdjßr Vornan 

»on 

!• (9tad)brud »erboten.) 

25er ©turnt fjeutt burct) bie ©feeren unb fd&lägt an 
bie öiertaufenb guf} ^otjen fjrelfettnänbe ber 8obat8=ßaabe, 
er pettfdfjt bie Stefie ber SMrfen, toeldfje bte fteilen Slbfäße 
be8 ©efteinS mit i|ren fttorrigen SGÖur^eln umfaffen, unb 
ber ©dfjaum ber gegen bie Reifen branbenben SOßogen be= 
fpritjt bie öom auffietgenben 9tebet beö ÜJleereS in bictjte, 
tnogenbe ©Fleier gebüßten Klippen. 

©8 ift eine rautje, unmiritjticije $üfte, bie ftdj unter 
ber alten 33efte J8ergen^uu8 am ©tranbe 5Jiortt>egen8 au8* * 
breitet. 2)ie 33etoo§ner entringen bem SSoben nur geringe 
3frucf)t, aber ba8 ©ebirge ift reidj an SBilb unb ba8 9tteer 
an tJifcfjen, unb bie beutfdje £>anfa f>at fyer eine ^aftorei 
für ben £>anbet gegrünbet, bie fte mit nieten Opfern an 
©ut unb 23lut in aßen Kriegen feftgetjalten ^at. 2)a8 
beredjnenbe Sntereffe ber tjanfeatifdfjen Äaufteute nufjte ben 
reichen gifdOfang au8, unb feit einzelne SBifcböfe in ben * 
bergen ©djmebenS bie reichen SJtetaßfd^ä^e au t)eben be= 
gönnen, fdjicften bie ßübetfer Äapifal unb Arbeiter, toelctjc 



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&iftorif$er Kommt non G. o. 2)ebenrotb. 55 

in bcn böbmifdben unb fftdbfifcben ©ebirgen Grfabrungen 
gefammelt Rotten, nach ©ebtoeben, baS gefammelte 8iob= 
material mürbe bann nach SJeutfdjlanb jur Verarbeitung 
gebraut. 

2)er batte Söinter beS SabreS 1385, in toelcbem Vrob 
bon Vaumrinbe baS ©ebäif auS 4?afer ober ©erfte ben 
Mftenberoobnern erfe^en mufjte, ifi getoidben, aber noch 
ift ber |mfen öon Vergen nietjt bom Gife frei, in ben 
Serben berften bie GiSfelber, toenn ber ©turnt tobt, ^icr 
bilben ftdb fdbtoimmenbe Vlödfe, toelcbe im ©piel ber SBogen 
treiben, bort bebedfen fidb bie labbrintbartigen ©änge ber 
geborftenen GiSflöd^e mit aufammengetoebtem ©dbnee, bie 
getrennten ©cbolten fdbieben fidb auf einanber, batfen ju= 
fammen unb tbürmen ficb au bügeln auf. 

SDennodb frnb bie GiSflädben belebt, ©anae ©dbaaven 
öon Vtännern in ftar! mit Gifen befdblagenen Kacben, be* 
toaffnet mit Leuten unb ^arftunen, aiebeu auf bie ©ee= 
bunbSjagb hinaus, bie gar öiele ©efabren bietet. Km 
fdbtimmften ift eS für bie lübnen fjifd^er , toenn fie babei 
auf eine GiSfdboüe geratben, bie ftdb ablögt unb öon ben 
3rlutben in’S foeite Vteer getrieben toirb; bie Seute finb 
bann öerloren, fte erliegen bem junger unb ber teilte. 
Sludb ift ber Sohn einer foldben Sfagb nur ein geringer, 
aber bie barte Grabung, ber burdb Gntbebrungen ge* 
ftäbtte Gbarafter unb bie ©etoobnbeit ber ©efabren feit 
ber aarteften Äinbbeit madben biefelbe ben Vtännem ber 
ßüfte au einem fo leibenfcbaftlicben Vergnügen , mie e§ 
nur bie ©etnfenfagb ben ©öbnen ber Klpen ift. 

3mei Vtänner haben fidb um bie borfpringenbe Reifen* 



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r»6 Ter lefete ^olfunfler. 

edfe bed Srjorb getoagt, einen Seepunb ju berfolgen, ber 
ipnen fdjon abteimal in bem Moment entronnen ift, too 
ftc ipn int ©ereiep iprer Harpunen geglaubt Ratten. ©tan 
fiept eS an ber Slepnlicpfeit , bafi eS ©ater unb Sopn 
finb; eS finb Iräftige, marlige ©eftalten in Seberfoßern, 
bie breitranbigen fffilaptite ftnb mit (Sturmriemen unter 
bem ßinn gehalten, bie 3üge gerötet bom eiftgen Söinbe 
unb ber leibenfcpaftlitpen (Irregung. 

„^alt anl" bonnert bie raupe (Stimme beS älteren 
©tanneS bem Sopne a«, ber toagepalftg auf eine fdpmim« 
mettbe ©isfdpoße fpringen miß, „bie ©pole (Seepunb) ifl 
unter baS ©iS getauft, ßaffe ab, <£jafo. 2lber fepau’ 
bortpin, ba fteeft ein Sdpiff int ©ife — beim 2)onner! 
baS lübifepe ©tappen." 

«ftafo dürften gepordpte bem Stufe beS ©aterS, obtoopl 
er fepon ju bem füpnen Sprunge angefept patte. 2>aS 
blipettbe Sluge beS SfünglingS fpäpte in ber bom ©ater 
beaeidpneten Stiftung unb fap atoei ©taften aus bem 
gliperttben ©ife emporragen, aber ber ©lid heftete fic^i 
plöplidp auf eine buntle ©eftalt, bie fiep bon ber Spotte 
abpob, meldpe eben feittoärtS ber ©iSfdpidpten im flutpen* 
ben ©taffer auftaudpte. 

„©itt ©tarnt auf treibenber Sdpoße!" rief er, löste 
ba§ Sturmbanb unb fdptoenlte ben $ut, um bem ©er* 
tuegenen ein 3*«Pen a« geben. 

„9lpoi! Pieper!“ lieb ber alte Stiels Torfien feine 
Stimme baS ©epeul beS SturmcS übertönen, „©lögen 
bie ^eiligen bem ©tanne pelfen," fepte er awnt Soljne 
getvenbrt bmju , „ein mutpiger ©efeß, er fteuert pieper, 



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.friftorifcfjer Stomnn tum ©. .ft. o. 35ebenrotIj. I>7 

er* Ijat unS gefeljen, er fteljt feft auf bem tan^enben <5ife 
unb fteuert eS mit bem 9tuber mie einen $al)n." ' 

„(Sr toirb fDtiilje Mafien, Ijictjer 41 t fornmen," Perfekte 
£>alo, „bie Strömung geljt natf) ber SobalStlippe." 

SCÖettn bie beiben fDiänner mit gefpamttem Sntereffe 
ben 33emül)ungen beS fffremben pfdjauten, fo mar itjre 
Erregung um fo gröfjer, als fie fidj aufjer Staube faljen, 
ftilfe ju teiften. S)ie ÜJteereäBuc^t macfjte fjier eine 33ie= 
gung, baS <£iS, melcijeS an ber fftorbfeite nodj feft fafj, 
mar Pon ben Klippen ber eisfreien Sübfeite burdj eine 
f Ornate, aber bei bem Ijerrfdjenben Sturme fel)r ftarfe 
Strömung getrennt, in ber eine Unaaljl fdjarfer ÄUppen 
SBranbungen erzeugte, meld)e felbft bem fülmfien 33ootS= 
füljrer bei bem Eisgänge bie 5Paffage unmöglidj gemalt 
Jütten. (SS märe alfo nujjloS gemefen, bie in ber SBudjt 
auf ber $agb befinblid^en fDlänner tjerbeijurufen, fftadjen 
tonnte man nidjt ^erbringen unb nodj meniger bis ju 
bem Sdjiffe gelangen, meines maljrfd&einlidj in einer 2ln= 
ftauung Don (SiSflödjen eingeftemmt, jenfeit ber fluttjenben 
Strömung lag. 

2Bie ftafo eS propljeaeit unb 9tielS eS moljt audj be= 
fürstet ijatte, geriet^ ber 2 )tann auf ber fdjmimmenben 
SdjoHe in bie flutfjenbe Strömung, bie ScfjoHe Ijob fidj 
auf ben mächtigen Söogen, fanf nieber unb als fie mieber 
auftaudjte, mar ber *Dtann Perfdjmunben. 

,,©ott fei ber Seele beS Slrmen gnäbig!" murmelte 
ftato. 

„S)a ift er mieber!" rief 9HetS, unb ftafo fc^lug Por 
Ofreube in bie ftänbe, als er ben ftremben fidj an bem 



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58 



2>er lebte ifoltunger. 



GiSfelbe emporarbeiten fal), baä bon ber ©df)ot(e, auf 
toeld§e er tjatte fptingen toollen, burdlj einen über jeljn 
©dtjulj breiten 9ti| getrennt toar. 

2Jtan tonnte ben $remben jefct beutlidjer felgen. Gö 
toar ctn junger 5Jtann in ber reidjen £racf)t Ijanfeatifcljer 
tpatrijier; boS SBammS bon ©ammet toar mit feibenen 
puffen berfeljen unb am ©djtoertgürtel bitten ftlberne 
©djnallen. ®ie ßopfbebedfung tjatte ber ftrembe beim 
©turae in’ä SEßaffer berloren, unb als er jefct über bie 
GiSflädje fictj langfam näherte, fa^en bie Seobadtjter, bafj 
. feine Kräfte erlahmt, bafj er, bom eiftgcn SSaffer bur$= 
nä§t, bie erftarrten ©lieber nur mit Anftrengung ju be» 
megen bermodfjte, aber toollte er gerettet fein, fo mufjte 
er nodfj einmal in bie eifige Orlutl) tauben. 

£ato rüftete fidj, für ben Aot'&faH fidfj felber tn’S 
Söaffer au ftüraen unb bem $remben |>itfe au bringen, 
ef)e er benfelben bor feinen Augen ertrinfen falj. 

„33ift iu toaljntoifcig'?" fagte 9liet3, ber feine Abfidljt 
errietlj. „SBeifjt iu nid&t, bafj e8 Unglüdf bringt, einem 
Grtrintenben in’S äöaffer nad&auf bringen?" 

2)er Aberglaube , bafj ein bom Sßaffertobe ©eretteter 
feinem Aetter früher ober fpüter Unheil bringe, toar an 
ben ©eftaben ber norbifdtjen $üfte überall berbreitet unb 
tourbe toofjt audfj burdlj baS ^ntereffe am ©tranbrecfjt, 
ber ^Beraubung ©djijfbrüdf)iger , aufrecht erhalten. AielS 
STorften tjulbigte biefem büfteren Söaljne, aber fein 33er» 
bot Hang e^er toie eine tooljlmeinenbe Sftalptung, als ein 
33efep, ben ber ©oljn nidtjt o^ne Ungeljorfam berieten 
tonnte. „SEBerfe i^m bie Seine ber Harpune au," fuljt 



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. .ftiftorifBer Vornan oon G. t>. ©ebenrotlj. r>9 

er fort, um ben ©inbrucf feiner SBarnung au mitbem, 
„ba 8 toirb ©ir nidjtS fdjaben unb ift genug getrau; atoi* 
fdjen bem 6 ife tannft ©u ©ir felber !aum, gefd^toctge 
benn einem Sinberen fjetfen." 

4?ato mufjte biefem Argument nadjgeben, Wenn eä audj 
feinem ©efüBl toiberflrebte, einem Slberglauben in foldjem 
3Jloment föedjnung 3 U tragen, unb als ber ftrembe fid) 
fefct näherte, fd^teuberte er baS Gifen ber Harpune bem* 
felben fo gefdjidt au, bafj bie ©pifce bor ben Süfjen be§ 
jungen 2Jtanne3 in’3 6i3 fdjlug. 

„$abt ©antl" rief ber fffrembe unb fprang in’3 
Sßaffet, mit einer |janb bie Seine ber Harpune ergreifenb. 
Slber bie erftarrte |>anb bermocBte bie Seine nid^t feftju* 
Balten, bie (Sifeätätte be§2Baffer3 täfjmte bie te^tc $raft 
be§ iJfremben, er berfant bor ben Stugen ber beiben ©orflen, 
unb jefct fpvang <£>a!o in bie gtutB, oBne SBarnung 
beS 33aterä au beadjten. 

©er Sllte fdjaute ftnfter brein, aber Butte er bie ©B fl t 
borBer nid^t billigen mögen, fo faB er bodB mit ftolaer 
Sefriebigung, toie fein ©oBn mit nerbigem SIrme ben 
Sfremben auä ben fJtutBen Botte unb auf ba 8 fefte <5i§ 
fiBob, toie er ftcB bann felbcr empor arbeitete unb ben bor 
Grftarrung faft leblofen SJtamt burd) ©(Bütteln unb 9lei* 
ben toieber aum Seben ertoedte. 

„SJtBgen bie ^eiligen SBBfeS berBüten," murmelte 9tiel§, 
ein Äreua fd^tagenb , eBe er bem ©eretteten bie £anb 
bot. „©part 6 u<B ben ©anf. 3 <B B a ^ ,§ nicBt getoottt, 
bafj mein ©oBn in’3 SBaffer fprang, nun e§ gefd^e^en, 
ntag’ä gut fein, forgt 3 B* nur bafür, bafj ber .jpafo e 8 nid^t 



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60 $)er Iefcte ^olfunger. • * 

Bereut, baS SJteer um ein Opfer betrogen ju Baben, ©eBt 
mit mir als mein ©aft." 

35er junge ftrembe, ben ein gebotener £runf fidBttidB 
geftärft Batte, aderte. 3)ie feltfame ©rftärung beS alten 
dürften, bajj er baS SOßerf beS ©oBneS nic^t gern ge» 
feBen, fcBien iBn faum ju befremben, aber er beutete nadj 
ber StidBtung, too baS ©cBiff im ©ife tag. „SCßir müffen 
erft ben deinen ein 3eicBen geben, baf{ idB -griffe bringen 
famt," öerfe^te er. „3)ie Männer ber Saftorei miiffen 
mit ÄdBnen BiuauS, bie SJtannfdBaft au retten." 

„3)antt ben Zeitigen, bajj 3B r *>en Srujj auf feftent 
©runbe Babt," Xad^te ber Sitte grimmig auf, „bem ©cBiffe 
!ann nur ©ott Belfen." 

„|>aben bie Sftänner ber^faftorei feinen SJtutB?" ent* 
gegnete ber $rembe, ben baS Söefen Smrften’S reifte. 

„S)teBr als ein SüBedfer |jerr baBon öerfteBt, aber 
unfere jungen Scanner Böten auf ber Sitten SeBren unb fie 
füBren feine ©dBiffe beim ©türm in’S treibenbe ©iS. -gjabt 
3B* etma baS Äunftftüdf öottbradBt, bann Babt 3B r Suren 
Sft^cber um ein ©cBiff ärmer gemalt." 

35er junge SJtann errBtBete über ben Sßormurf, er 
fcBien eS gemöBnt ju fein, SBefeBle au ertBeiten unb Ste» 
jpeft au forbern, iBn reifte aber bie Slnfpielung auf feine 
3ugenb faft nocB meBr at§ ber SöiberfprudB. 

„3cB Bin ein Söarenborp," antmortete er, „unb toenn 
idB ein ©cBiff meines SßaterS füBre, fo aage idB bor fei» 
nem ©türm; bafs Bier nodB baS ©iS treibt, fonnte idB 
nidBt toiffen. Slber idB ntufi Scanner in ber ftaftorei finben, 
bie ftdB mit mir aurn ©dBiffe mögen, ober idB neBme einen 



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£>iftori|'cf)er Vornan uon 6. .£). u. ©ebenrotb. 61 

taten unb faljre allein hinaus, baS tjabe idj beu 'üJlctnen 
elobt unb foerbe eS galten." 

©et 9tame Sßarenborp flang nid§t fremb in ben C^reit 
et* beiben ©orften. 2fr ben Kriegen ber £anfa mit 9lor* 
jegen unb ©anemar! Ratten bor fünfunbatoanjig Sauren 
jc^ae^n^unbert £übecfer Bürger unter Ulnfü^rung beS 
SoljneS il)reS 33ürgermeifter8 S3runo b. SBarenborp ßopen* 
lagen, <£>elfingör unb bie nortoegifte $üfle erobert, 
3runo b. äöarenborp mar in einer ©djtacfjt gefallen, in 
»er er burdj .frelbenmutb ftt befonberS auSaeitnete, unb 
»te ©tabt SübedE ^atte bie Seidfje beS ©opferen mit großem 
Gepränge im ©ome beifefcen, baS 33ilb, ben #elm unb 
Sdfjilb beS gelben über bem ©rabe auf^dngen taffen, ©ie 
Erinnerung an biefeit ritterlidfjen Sütjrer ber Sübedter, ber 
jamaU aut biefe ©egenben als ©ieger burd^^ogen, toar 
>aljer eine ftol^e Slnttoort auf bie SBemerfung beS alten 
©orften über baS 33erfidnbnif} ber ßübetfer Herren bon 
'Btutb, unb jie t)ätte etmaS gerabe^u ^erauSforbernbeS ge= 
fyabt, toenn baS Scanner SübedS nidfjt bon ben Rinnen ber 
Oialtorei gement, Söarenborp alfo bie Männer als ©enoffen 
unb Untertanen ber <£>anfa anfeljen burfte. 

3n ben Slugen ^>a!o’S flammte benn aut i enE 33** 
geifterung ber 3fugenb auf, melc§e ber 9tuf au lüljner ©Ijat 
njecft. „3t fte$e ®ut jut ©eite," rief er, „mein 33ater 
toirb’S erlauben, eS foU deiner fagen, bafj ein Sübedfer eS 
bem Tormann bei einem SBagnifc borgetljan." 

Ueber bie finfteren, garten 3üge beS alten ©orften 
glitt ein fpöttifte§ Säteln. „SBenn ein 9lnbcrer als 
.ftafon 3atl — ber im ©rabe berfiutt fei — bamalS bie 



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62 



©er fefcte $olfunger. 



tone bon 9tormegen getragen hätte," berfebte er, „fo fönnte 
bie |>anfa nid^t mit (Siegen praßten, ba meljte bon 33ergen= 
IjuuS fein frembeS 33anner. ©ie befien Männer liefen 
lieber baS ©cfjmert in ber (Scheibe roften, als bafj fle eS 
für ben S&uben gogen, ber fi<h mibcr feinen leiblichen SSater 
empört ^atte, auf bem ber Sftudj faftete, ber bie ©ünben 
ber Söüter an ben tobern rächt. Sludj ©u, £>afo, fchlägft 
au§ ber 9lrt. Söeit ber ftrembe an ©einem SJtuthe amei= 
feit, binbeft ©u ©ich fcurdj eia rafcheS 2Bort. Unb toenn 
ich & ©it berbiete, ©ein Seben an eine ©h ot h e it au 
Jeben 1 ?" 

.fpafo fchlug baS Sluge nieber. „Sch tbürbe gehörten," 
fagte er, aber eS jucfte mie in trobiger S3itterfeit um feine 
Sippen, „unb bie Seute mürben fagen: Stiels ©orflen macht 
aus feinem ©ohne ein Söeib!" 

6S mar bem jungen 9Jtanne angufehen, mie Ieiben= 
fchaftlidj eS in ihm tobte, feine gauft jerrte an bem Keffer, 
baS jeber freie 9iormann in einer ©<heibe an ber .fpüfte trug. 

©er Sitte fah bie ©efte, aber er fpradf) fein SBort. 
©ie brei TOnner, melche mährenb biefeS SöortmechfelS fich 
ber ©teile genähert hatten, tim bie 39oote ber Säger an 
bie in bie Reifen gefdjlagenen ©ifenringe gefettet lagen, 
maren bon anberen Seuten ber ftaftorei bemerft morben, 
man hatte ftmhl auch bie jebt auf bem #auptmaft beS 
©«hiffeS auf geilte ^Rot^flagge gefehen, bon alten ©eiten 
eilten Sttänner h^bei. 

©a fragte ein ©djufe, ber ©onner hallte bon allen 
Sfetfen beS ftjorbS mieber, fein Lotten bermifchte fich 
mit bem «Reuten beS ©turmeS. 



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£>iftorifd)er iHonmu oou 6. fa. u. Tebenroth. 63 

2 >ie Schiffe ber £>anfa toaren bic erften, toeldje üDonner* 
üdjfen führten. S)ic fiübecfer Ratten bie erften großen 
Jutberfabriten angelegt, aber bie Bereitung beS SMberS 
>urbe noch geheim gehalten, man hatte noch eine gemiffe 
Scheu, bie neuen mörberifchen SBerfaeuge, toetche mit ber 
Uen Kriegführung in Söiberfpruch 3 U fiehett fdjienen, 
it Slntoenbung a u bringen. 55ie beutfchen Witter in 
keubcn hatten freilich fdjon ^elbfchlangen in ©efedjten 
'enuht, aber im h°b en korben toaren biefe SBaffeu 
ioch laum betannt. S)ie £anfeftäbte halten ihre 93er* 
irbnung, bab lein freier #anbet mit 2 feuergetoehren unb 
ßulber getrieben toerben bürfe, fehr ftrenge aufrecht, eS 
jatte ihnen geahnt, bafj biefe neue 3erftörungStoaffe ihnen, 
otoie ihren feften 93urgen ben Untergang bereiten toerbe. 

$ie SJtänner ber Qfattorei erbebten bei bem unheim* 
ichen ©etöfe, baS fte toohl fchon gehört hatten, aber ftdj 
ticht au erllären bermochten, nur ber alte Stiels fchien 
>affelbe nid^t au beachten ober nicht beachten au ioollen. 
Sr lö§te bie Kette feines KahneS. „ßübecfer Schiff in 
Sefahr!" rief er unb fprang in’S 93oot, ergriff baS Stüber, 
cnb toenn Spßarenborp barüber noch einen 3 toetfcl gehegt 
gätte, bab ber Sitte fo plö^Xich feine (Sntfchlüffe geänbert 
habe, fah er eS bei ben erften Stuberfdfjtägen, bab Stiels 
Xorften bem 93oote bie Dichtung nach bem (Schiffe gab. 
Die Männer bon 93ergen folgten feinem 93cifpiel, eS ttmr 
ihnen anaufehen, bab baS toUlühne 93orhaben fte erfcbrecfte, 
unb bab fte bent Sitten nur folgten, ioeit Keiner hätte 
Bebenten aeigett mögen, baffetbe 31 t toagen, toie Steuer, 
pafo aber, ber mit Söarenborp in baS 93oot 4 beS Sitten 



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64 



$er lefcte ^olfunger. 



gefprungen toar, fdjien mehr befdjämt, als freubig er= 
regt — fein S3ater ftrafte bie Söorte, bie ber ©ohn ge- 
fprochen, bamit, bafj er fetber fein Seben an ein Söagnijj 
fe|te, baS er eine £Hjorfjeit genannt hatte. 

6 S fd^ien auch in ber 2hat ein t^öricfjt ^Beginnen, bis 
311 m ©djiffe üorbringen 3 U toollen. 2)aS S3oot erreichte 
faum bie (Strömung, bie 3 toifdhen ben geborftenen 6 iS- 
felbern über bie jabltofen Klippen brauste unb mit fchäu» 
meitbem ©ifdht an ben fcharfen, jadfigen Seifen branbete, 
als bie ©pifce fidfj h oc h aufbäumte unb ber Stadien, bem 
furchtbaren $rudfe nadfjgebenb, fi<h beinahe überfdhlagen 
hätte, menn ber Sitte nidht mit eiferner Dtuhe im redeten 
Moment baS 9luber gegen eine ßiSfdhoHe geftemmt hätte. 
SDie Söoge brach unb überflutbete baS S3oot, eS toar faft ge« 
toifj, bafj eine 3 toeite SBeHe ben $ahn jjum ©infen bringen 
tnüffe, unb tjunbert toeifje SBogenfämnte grinsten baS 
leichte ©efährt brohenb an toie geöffnete Aachen beS 33er* 
berbenS. 

2)aS ©efüht, bafj man bem fieberen £obe entgegen 
gehe, bemächtigte fidh «£>afo’S unb beS SübecferS, aber baS 
2lnttif} beS Sitten geigte baS falte, h^huif^ Sächetn, mit 
bem er baS SBagnifj bertoorfett, eS toar, als fpotte er 
jet$t berer, bie ihn ba^u herauSgeforbert hatten, auch fei» 
iten SJluth 3 U geigen. Slber eS toar eine neroige ftauft, 
mit ber er baS Stüber führte. ßr trotte audh ber fei- 
ten SOßoge unb eS gelang ihm, ba§ 23oot ber ©efahr 3 U 
entziehen, gegen eine JUippe gefchleubert 311 toerben. 3)a, 
in bemfelben Moment, too bie gebrochene SSoge abermals 
bie ^nfaffeit beS ^ooteS mit eifigent ©dljaume überflutete, 



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f>iftorifc$er Vornan oon G. fo. o iJebettrotfj. 65 

ertönte ein gräfjlicfjer Sdjrei, ba? 33oot, toeldje? junäd^ft 
folgte, toar gefentert, bie Männer in bemfetBen toaren 
non ben gierigen Söetlen berfcfjtungen. 

foafo toar tobtenBleicfj, er gitterte meljr für ben Slater, 
at? für ftd£| felBer, ba? BetoieS ber angftbolle SBticf, ben 
er auf ben Sitten geheftet $ielt, er l>ätte itjm aurufen 
mögen: „ßefjre um!" aBer er toagte e 8 nid&t, e§ fdjteit, 
ber Sitte fänbe jefct ßuft baran, in’? SerberBen au fteuern. 

„93rabo!" rief SBarenborp, ber mit eBenfo üBermütljU 
ger Slobe 8 beradE)tung toie ber alte Stiel? in büfter-trofjiger 
Stulje ber (Sefa^r 31 t fpotten fc^ien , al? ba? S3oot bie 
©etoatt einer neuen mächtigen SDßeXlc Bradj. „2>a? ift 
ein luftiger Sana, man toirb toarm baBei unb ber Sturm 
fpielt baau auf." 

2) er Sitte nidte il>m au. „SJleincS jungen SJiut^ tjat 
ftdj gefüllt," fagte er mit Beifjenbent Spott, als toiffe 
er, toie er ben Soljn bamit beriete, unb al? toolle er i^n 
berieten. 

£afo ftemmte fein Stüber fo Ijeftig gegen eine Klippe, 
bafj ba? Stüber 3 erBradj. 

„Gin SJtann toeniger aur SlrBeit , " fpöttelte Stiel?, 
„aBer e? geljt audfj oline $>id(j." 

|>afo anttoortete nidjt, aBer er Bifj fiel) auf bießippe, 
bafi fte Blutete. Gr griff aur ßelte, um ba? Söaffer au? 
bem 33oote 3 U entfernen. 

3) ie Strömung toarb jefjt fo mäd§tig, bafj ba? 93oot 
trojj aller Slnftrengung bon Stiel? unb bem ßüfieder ein 
Stüd aurüdgefdjleubert tourbe. Gin neuer SÖetlenftofj, 
unb e? mufjte fentern. 5)a rollte aBermal? ber Bonner 

SSiMiott»«!. 3<Ü)tg. 1886. 33b. V. 5 



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G 6 $er lefcte ftolfunger. 

eines bont ©djiffe gelösten ©djuffeS über ben 3?jorb, ein 
Änaifen unb ßracfjen folgte, ülS berfte bie ©rbe, baS 33oot 
BoB fidb B 0C B empor, toarb niebergefdjteubert, ein eifiger 
Sprühregen überfdjüttete bie SJtänner, füllte ihnen bie 
Slugen mit Sßaffer, als fie aber auffdjauen tonnten, faljen 
fie, bajj ein Umftanb, ber faft ein SBunber 3 U nennen toar, 
fie gerettet ^atte. 2>aS ©iSfetb jur Rechten ber Strö- 
mung toar geborften, eine breite Sßafferfurdje ^atte ftd) 
jumSdhiffe bin geöffnet, baS SBoot fdbtoamm auf fidjerer 
33abn. 

9Jtan i§atte baS ©efd^ü^ beS ©d^iffeS gegen bie @iS= 
bede gerietet, unb bie ©etoalt beS ©cbuffeS ^atte einen 
toabtfcbeinlidj fdijon Porter eingetretenen 33rudj ber ©iS» 
fläche oollenbet. 

©ebljarb b. SBarenborp jubelte taut auf, £ato, ber 
im Moment ber ÄrifiS ein ©tofjgebet gefprodben b a ^e, 
flaute bantbar gen $immet unb toenbete bann ben Söticf 
auf feinen Sßater, als baute er ©ott aunäcbft für bie 
Rettung feines ©rjeugerS, aber ber SBlidt, ber ihm aus 
ben Stugen beS Sllten anttoortete, burdbfröftelte it>n mit 
eifigerer $ätte, als ber ©türm, ber über bie ©ee tobte. 

3Der 33ater batte itjrn nie eine toarme Siebe gezeigt, 
cS lag nicht in bem ©fjavatter unb SBefen beS Sitten, 
toeidjere ©efübte gur ©dbau 3 U tragen, unb <£>ato toar 
baljer bon ber gürforge, bie fein Söater beute für ihn ge= 
jeigt Ijatte, überrafdbt toorbcn. ©r batte biefetbe für eine 
Saune gehalten, als tooKe ber SSater feinen ©eborfam auf 
bie tßrobe fteden, aber in biefem Stugenblicf toar eS t^m, 
als müffe er bavan atoeifelit, bafi ber Sßater ihn jemals 



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föijtonfcber Vornan von (*. u. 'Sebenroih. G7 

geliebt pbe. So bittet toie heute hatte ber Sßater ifju 
noch nie berietet, unb je^t funfeite eS faft toie $afj aus 
beit finfieren 33ticfen beS Sitten, eS mar, als gtolie 
berfelbe bariiber, bajj baS SBagnifj gelungen, bajj er 
nicht mit bem Sohne unb bent fjremben 3 U ©tunbe ge* 
gangen fei. 

„33eraeilje mit, Steter," fagte et, bem 2>range eines 
ihn mächtig bemegenben ©efüplS folgenb, obmotjl bet 33licf 
beS SUten ih« nicht baau ermunterte, eine Slnrebe 311 
mögen, „5Du Ijatteft IHed^t, ©ott hat eS beiptet, bajj mein 
©emiffen mit Schlimmerem belaftet motben ift, als mit bet 
Sd^ulb, $icfj au biefem Söagnifc ^crauSgcforbcrt 31 t haben." 

Stiels Xorften lachte bitter auf. „S)u meifjt nicht, 
toaS S)u rebeft," anttoortete er, „unb S)u meifjt nicht, mit 
toem S)u rebeft. Söenn bie 3 eit ba ift, merbe ich S)it 
bie Stugen öffnen. $<h h°be 2 >ir nichts 3 U beleihen." 

2)aS mar eine Sprache, mie SiielS fie noch nicht gegen 
•§afo geführt, eS toar bem ßefcteren, als 3 erfdjneibe ber 
Steter baS Stenb 3 toifchen ihnen, unb ihn überfam ein 
©efühl, als ob ein foldtjeS Stenb nur in feinem Sßahne 
e?iftirt habe — fo fonnte ein Steter in biefem Slugenbticfe 
nicht mit feinem Sohne reben. 

©ebljarb heftete feine SJticfe halb auf ben Steter, balb 
auf ben Sohn, bie in fo feltfamem 93erhä(tniffe 3 U ein* 
anber ftanben, mit neugierigem, aber eher fdhabenfrobem 
als theifnehmenben Sfntereffe. £rotj ber Skmunbetung, bie 
ihm ber Sitte als Rührer beS SBooteS abgetrofct, fonnte 
er eS ihm nicht bergeffen, bafj er mntyn jtke ® j„' t , 
gefctjlagen unb bann toohl mehr, um feinen S]} en g^ arQ f e 



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68 



25er lefete ffotfunger. 



toeifen. , alg aug Sntereffe für bag bebroie ©dfciff bag 
Soot beftiegen t)atte. 

„Sine fiiite £ljat barf deinen gereuen," rief er in 
feiner Jeden, übermütigen SOßeife, „aber e8 freut midf) bodlj, 
bajj bag ©dljiff fidfj fetber geholfen T^at. ©uer ßoljn fott 
begl>alb nid&t geringer fein, 2fi botet <g)ilfe, menn audj mit 
Unluft, aber," manbte ficb Söarenborp ju ^a!o, „3i 
fottt um leine ©unft Dergebeng bitten, bie ©u<$ mein Sater 
gemäßen lann." 

2 . 

©g mar ein fogenannteg .gjergfip, metdljeg mit bem 
$opfe eineg 2)rad§en am Sug Don ßfibedf gen Sergen 
gefteuert mar, um jmei^unbert Seifige jur Qfaftorei au 
bringen. 2)ag ©ciff mar oOat gebaut, Dom unb inten 
abgerunbet, bag -gjintertiil fafleltartig erÜ- S)er ber« 
golbete S)radjenfopf mar bemegtidf) unb mürbe bei ber Sin» 
näirung in einen ^»afen abgenommen ober nad& $nnen ge* 
brei, benn ber Slberglaube ielt nodt) an bem alten, aug 
ber iibnifcfjen 3eit Dererbten ©efefce ber ßanbnanta feft, 
bajj Stiemanb mit einem aufgeftedften Raupte in bie ©ee 
gein ober baffelbe menigfteng abneljmen folte, menn er 
bag ßanb erbtiefe, meil bie ßanbgeifter Don bem auf* 
gefperrten Stadien aurüdfgefd^redft mürben, ©ebljarb Ijatte 
tiefer Sieget au fpät gebadjt ober fie im Uebermut^ Der* 
nadfjläffigt, bag ©diffgDotf itte il)m bair bie ©dfjulb 
an bem Unfall augefdjrieben, bafj ntan4n’g ©igtreiben ge* 
Tatin mar, unb ©ebljarb Ijatte bann baburdf), bafj er 
bie 'tfuben gefährlichen SCßeg über’g ©ig gemagt, fein Ser* 
alg müffe ’jt gut gemalt, ©r mürbe mit 3ubel bon ben 



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£)tflorifc&er Vornan oott ,fr. o. Sebenrotb- 69 

*Dlannfd(jaften empfangen, bie ihn fdhon Uerloreit geglaubt 
Ratten, nicht minber herjlidh begrüßte man feine ©efährten. 

ßS hanbelte ftdj jefot nic^t mehr barum, 9Jiannfdjaften 
unb ©üter ju Bergen, baS Schiff hatte feine S3ahn, unb 
9tielS Begab ftc^ an’S ©teuer, um eS ftd^er Bei ben Klippen 
borüBer in ben -£>afen $u führen, ©ebharb forberte <£>a!o 
auf, ihm in bie Äajüte ju folgen, too er feine burdj* 
nähten Kleiber gegen trodtene bertaufdhen toollte. 

ßS toar |ja!o nicht untoittfommen, fich aus ber ftatje 
feineä SBaterS entfernen ju fönnen, ba eS ihm in ©egen* 
toart ftrember hoch unmöglich toar, bie ßrtlärung ber Be= 
frembenben SBorte $u erbitten, mit benen Stiels ihn ab* 
gefertigt hatte. Sie 33emerfung, er toiffe nicht, mit toem er 
rebe, erhielt burdfj ben l§ö^nifc§en unb fdjarfen Son, toeldjen 
fein 33ater heute angefdhlagen, eine Söebeutung, bie #afo 
um fo lebhafter berührte, als eS fdjon oft ©tunben ge* 
geben hatte, too ber ©ater eine feltfame ©timmung ge* 
jeigt unb SBorte auSgeftofeett hatte, bie fajt einen 3toeifet 
baran ertoeefen fonnten, ob ber Sater in ihm toirllidh 
feinen leiblichen ©ohn erfenne, für ben er ifjn hoch gelten 
liejj unb ben er als fotdfjen auferaogen. 

4?eute hotte 9tielS Sorften beutlidjer als je ihm biefen 
^toeifel oor bie Seele geführt, fein ganzes ^Benehmen toar 
$a!o unPerfiänblich unb boKer Söiberfprüche. Ser 33ater 
hatte ihn getoarnt, fein Seben für einen ßrtrinlenben auf’s 
©piet $u fetjen unb bem Slberglauben ju tropen, ber biefe 
ßanblung ber 9tädhftenliebe atS eine gefährliche £E) or heit 
hinftellte. 5Jiu|te biefe Söarnung für ben 9luSbrudf for* 
geitber Siebe gelten, fo hatte 9UelS Sorften feinen ßharaf* 



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70 



$er lefete SoEtinger. 



ter berteugnet, alg er bag 2öagnif$, bem bebrängten ©chiffe 
#ilfe 3U Bringen, auerft Verboten, bann aber ftch fetber 
babei an bie ©bifje gefteEt batte. Stietg üorften fdjretfte 
fonft bor feiner ©efabr aurücf, er toar ber bertoegenfte 
Sootfe, ber fü^nfte Seefahrer, tbenn er aber einmal fein 
2öort gefprodjen, nahm er eg nie aurücf, unb eg mdre 
lächerlich getoefen, bon i^nt anjunebmen, ba| er ftch b eu te 
in bie ©ee gesagt habe, nur um bem ftremben feinen 
©tutb au betoeifen. ©her f^ten eg, alg habe er mit 
|>afo au ©rnnbe geben moEen, alg biefer ibm groEenb 
borgemorfen, er moEe ein Söeib aug ibm machen. 

„©uer ©ater ift fc^led^ter Saune," faßte ©ebbarb, alg 
er £afo in bie mit ©Baffen aEer Slrt reich auggeftattete 
Äajüte geführt batte, „bie bitteren ©Borte, bie er ©uth 
gefagt, bergröfjern bie ©cfjutb ber SDanlbarfeit, tuelche ich 
©uch aoEe, aber lafjt ©udj bag ©turren ©ureg ©aterg 
nidbt nalje geben, er märe ein fcbledjterer ©tann, alg mie 
er ficb bei ber Qra^rt int ©oote gezeigt, toenn er im ©runbe 
beg ^jeraeng nicht ftola barauf märe, einen mutbigen ©obtt 
3U haben, ©g ift eine ©tarotte ber alten ßeute, ber 2fu= 
genb ben freien ©BiEen befcbränlen au moEen, alg fönne 
aug Semanb ein rechter ©tann toerben, ber fi<h fflabifdb 
in frentben ©BiEen fdjicft. Unfere Sitten haben fi<h auch 
fetber ben ©Beg gebahnt unb ftdb nach ihrem ©efchmad 
ihr ©lücf gefchaffen." 

,,©g ift ©otteg ©ebot, man foE ben ©ater ehren," 
berfejjte $afo, „aber mie ber meine mich l^eute bebanbelt 
bat, mar eg, alg moEe er feineg eigenen ©luteg fpotten. 
©o habe ich ihn noch nicht gefeben." 



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&iftorifcfjer Montan oon 6. v. 3>ebenrotb. 71 

„<£g ift nicht gut, Wenn ber ©oljn ju lange in beg 
Katers £aufe bleibt," antwortete ©ebharb, „i<b Ijabe ähn* 
liebe ßäntpfe mit meinem Sitten burdbaufeebten gehabt. 
SJtein Später Wfinfchte auch, ich märe ein ©tücf £wla, aug 
bem er fid^ eine 5ßuppe auredtjt fc^neiben fann, bie in 
Slßern fo benft unb fühlt, toie er eg Witt. @r hat ©otb 
gefammett nnb ich fott’g aufammenljalten, im Gomptoir 
arbeiten, ein SBeib nehmen unb lange leben in @t>reu 
unb SBürben, bte mir fein ©olb berfchafft. Slber ba wollte 
ich lieber Wie ehteg Sßettlerg ©ohn alg Sttatrofe bienen 
unb in frentbem ©olb mir Abenteuer fueben. SBährenb 
er mich im Somptoir glaubte, habe ich mich auf’g ©ebiff 
geftoblen unb ben SSefe^l übernommen, ich Witt iljnt 
jeigen, Wag ich fann, unb ift er’g nicht aufrieben, bafj id) 
fünftig feine ©dbtffe führe, fo gebe icb a«m ©cbWebenfönig, 
idb mag fein ßeben ohne Stubm unb ©efabren." 

<B Blitjte bell auf in ben Stugen «jpafo’g. 2>er junge 
•Diann, ber atfo fpradb, War nur Wenige 3abve älter wie 
er unb führte fdbon ein ©ebiff, Wäbrenb eg bag ^öc^fte 
3iet ber ©ehnfudtt .gmfo’g War, bie ^eimat^tid^e ©dbotte 
bertaffen au bürfen unb wenn auch nur alg ttttatrofe feine 
Äraft auf hoher ©ee unb im Kampfe au erproben. „SJtein 
Sßater ift febt ftrenge unb febr ^art, " berfefjte er, unb 
eg War i^nt anaufeben, Wie er mit ber 33erfucbung fämpfte, 
„mein Sßater würbe mir Ungeborfant nie beraeiben, er 
würbe mir fluchen unb mich berftofjen, Wenn id) beimtidj 
bon feinem |jerbe entweichen Wollte." 

,,©>o forbert eg als Guer Ütecht, bafj er Such tn bie 
SQßett aiebeu läfjt. über bebavf er Gurer in feinem ®e= 



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72 Ser lefele ^olfanger. 

fdpäft unb &austf)alt fo febr, bafj er Gudp ni<bt sieben 
taffen mag?" 

„Stet) bin ibm eher eine ßaft," feuf^te .jpafo. „3^r 
fpredtjt freunbtidj mit mir, Gudj fann idjj oertrauen. GS 
ift mir oft, atS märe idp meinem 33ater nicht ein Sobn, 
fonbern ein befangener, ober ein anOertrauteS ißfanb, baS 
er Rittet. Stteine Sdbtoefter ftreia fiebt er mit anberen 
töliefen an atS mich, ba fc^aut fein 2luge marm, ba fann 
er freunbtidb Iädbetn, toenn ftc ibn pflegt unb ibm ihre 
Siebe bemeiSt. 3d) fte^e babei faft mie ein ftrember. 
Unfere ÜRutter haben mir nie gefannt. Ser SSater rebet 
niefjt öon i^r unb butbet nicht, baff mir nadp ihr fragen. 
Sie Seute im Orte fpred^en gebeimni|öotte Singe über 
fie, atS berge ber Stein auf ihrem brabe nicht ihren Seib. 
GS fann mir deiner etmaS bemiffeS fagen, aber idb er- 
rate auS 2lHem, bafj fie fidb gegen meinen iöater Oer» 
gangen ^at unb aus ber .fpeimattj Oerfdjmunben ift, halb 
nad^bem id^ geboren mar. Sie Ginen beuten an, mein 
33ater fjabe fie erfebtagen, bie Stnberen, fie fei noch am 
Seben unb büfje i^re Scijulb in einem ßtofter ober fie 
märe in ber Srtentbe, Slnbere mieber motten miffen, fie 
fei bitterem brarn erlegen unb mein S3ater habe Sem» 
jenigen Stäche gefd^moren, ber ihr Unglficf Oerfdbulbet, baS 
fei aber ber Start fel&er gemefen, ober ein bro|er ber $rone. 
SJtag eS nun fein, mie eS miH, ich filmte eS, bafj mein 
Stnblidf meinen ©ater an SdfjmereS unb SBittereS erinnert, 
id§ fdfjutbe ihm habet hoppelt Sanf bafür, bafj er mich 
auferaogen bat. Gr bebarf meiner nicht, benn er ift mobl* 
babenber, als bie meiften feiner Nachbarn, unb trop feines 



& 



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.'piftoriidjer Vornan oon ©. £>. u. ’Sebenrotb- 73 

SUtcrS rüftig unb boEer $raft; ich ^abc ihm oft meinen 
Söunfch angebeutet, mich in ber ESett p berfuchen, aber 
er toiE eS nicht unb ich muj} ihm gehorchen." 

„Sb* müfjt es nicht, am toenigften, toenn 3h* atoeifelt, 
bafj er bie Rechte eines S3aterS über Gu<h h^- mujj 
(Such Klarheit barüber geben, toelche 3toerfe er mit (Such 
berfolgt. @oE ich mit ihm reben?" 

„3<h toürbe cS Such etoig banlen, toenn 3h* ihn be= 
flimmen tönntet, bajj er mir bie Freiheit gibt. 33) 
tooEte (Such bienen als Änecht, ich berftehe ein Schiff p 
fteuern, ich treffe mit bem Sollen mein 3iel unb ftehe 
mit jeber Sßaffe meinen Mann." 

„3)aS glaube ich unb ich banfe eS (Such, bajj ich nicht 
im ©runbe beS MeereS liege. ÜJtein EÖaffenbruber foEt 
3h* toerben. 33) benfe, bajj toir unS batb toieber mit 
ben S)änen meffen toerben, eS ^ei^t pmr, bie Königin 
tooEe nach ßübetf fommen, um etoigen ffrieben mit ber 
£>anfa p fcfjliefjen, aber bie Stäbte müßten mit S3linb= 
heit gefchlagen fein, tooEten fte ber ehrgeizigen föänle« 
fbinnerin bertrauen. S3ßie ich aus bem Munbe ©ureS 
33aterS felbft gehört, toar er lein ffreunb beS beworbenen 
3arl, beffen SBitltoe je^t über beibe Reiche, 9tortoegen 
unb SDänemart, im Flamen ihres Sohnes henfdjt, er tann 
alfo nicht auf beren Seite ftehen, toenn bie $anfa toieber 
ben 2)änen bie 3älto e toeiSt." 

„©etoifi nicht, eS jucft in toitbem 4?af} unb Spott 
um feine ßippen, toenn man bom Könige Olaf rebet, in 
beffen bauten bie bänifche Margaretha Mortoegen ©efe^c 
bittirt. @S iE feinem (Stolze ztoar bitter, ba| bie |>anfa 



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74 



$er lefele goEunger. 



iljr SBanncr auf norutannifcf) 8aub gepflanzt tjat, aber 
lieber beugt er ftdj Oor bem fjaftor ßübecfö, als bajj er 
bern ©oljne -gmfon ^arl’S ben @ib ber Slreue leiftete." 

„©amt toirb er in biefer ©acf)e fo gut nadfjgeben, tote 
er eS T^eute fd§on getrau, als eS galt, mir aum ©d&iffe 
3 U folgen," rief ©ebljarb mit ber ifjnt eigenen 3 u 0 erfidt)t. 
„9lbcr eS fdljeint, mir finb am Sanbe." 

©ie Semegung beS ©cfjiffeS fjatte aufge^ört, man ber» 
naljm nidjt me^r bie taftmäfjigen SRuberfd&läge, mit benen 
matt bamalS nodj felbft bei größeren ©Riffen bie ©egel= 
traft unterste ober erfetjte, unb als ©ebljarb mit «grnlo 
mieber baS Sßerbecf erftiegen Ijatte, marfen bie 2Jtatrofen 
bereits bie £5?aEtreppe an’S £anb, um ben SBorfteljer ber 
gaftorei, ber bie Qlnfommenben ermartete, aufs ©cljiff 
3 U taffen. 

©er eigentlidtje Kapitän beS ©dtjiffeS, ber eS nidtjt 
aljnte, bafj ber ©oljn feines 9tfjeberS oljne Söortoiffen 
feines 33aterS if)m ben Oberbefehl abgenommen hatte, ober 
baS bodj nicht miffen mollte, menn er eS aljnte, überlieft 
eS ©ebljarb, je^t audtj ben $a!tor 3 U empfangen unb tljm 
bie für iljn bestimmten S3rieffchaften einjuljanbigen. @eb* 
harb hatte, mie aEe 5 ßatri 3 icrfö^ne öon ßübccf, feit friiljc* 
ftcr $inb§eit fidh mit bem ©eemefen Oertraut gentadjt unb 
er hatte mäljrenb ber ftürmifcfjcn ^aljrt fo üiel TOuth 
unb ©efcfjicf bemiefen, baf} ber Äapitftn feine Urfadfje ge= 
Ijabt hatte , im $ntereffe beS ©dtjiffeS ihm ben SSefeljl 
ftreitig ju machen, nur im lepten 9Iugenbli(fe hatte ber 
Ucberntutfj unb bie ©oEtüljnljeit ©ebljarb’S cS üerfcfjulbet, 
bajj man in baS ©istreiben gerätsen mar. ©ie 93er= 



c 



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£)iftorifcher ätaman oou 6 . ,£>. v. ©ebcnrotb. 75 

toegenheit, mit toeldher ber junge Slantt fein Seben auf’g 
©piel gefegt, |>ilfe für bag ©dhiff au fudhen, hatte iljnt 
bie begeifierte Eingebung ber Statrofen gewonnen, unb 
ber gaftor bon Sergen , ju bem bag ©erficht bon ben 
Vorgängen fdjon gebrungen, toar nid^t überrafcht, einen 
fo jungen Stann alg gührer beg ©djiffeg au feheit, feit 
er gehört hatte, bafj eg ber ©ohn beg reichen ©enatorg 
b. Sßarenborb fei, ber neue ©treitfräfte unb reiche Söaaren 
ber ftaftorei aufüljre. 

„9Udht mir gebührt ber ©lüdftounfdh," unterbrach ®eb= 
harb ben ftaftor, alg biefer ihn begrüßte, „hier, ber $api= 
tän hat bag ©dhiff gerettet, inbent er mit ßarthaunen* 
fdfjüffen bag ©ig a^^t^eilte, unb toenn idh am Seben ge* 
blieben bin, um meine SL^or^eit au belenneit, fo ban!e idh 
bag ben toacferen Stännern, bie midh aug bem Söaffer ge* 
holt unb in lühner §ahrt toieber aufg ©chiff gebracht 
haben. ©in Soot fdjlug um — 

,,©ie Seute fmb gerettet," fagte ber ftaftor. 

„©o aahtt Shuen reichen Sohn, ^err, mein Sater 
toirb’g gern erfetjen." 

©er galtor tooKte ©ebharb aufforbern, ihm alg ©aft 
in feine Sehaufung au folgen, aber Söarcnborp lehnte bag 
ab. „3dh bin fchoit oerfagt," anttoortete er, auf 9Uetg 
üEorften beutenb, „ober gereut eg Such," toanbte er ftdh 
31 t biefern, „bafj 3 h r mir ©aftfrcunbfchaft geboten hobt?" 

©ebharb toar au biefer ftrage, bie unter anberen Um* 
ftänben 9iielg ©orfien hätte berieten lönnen, berechtigt, 
ba berfelbe bereits im Segriffe toar, bag ©dhiff 311 ber= 
taffen. 



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76 



3>er lefete ^ollunger. 



5flieXS dürften War fidjttidfj überrafd&t unb, Wie e$ 
festen, nidjt angenehm. Sr tjatte bem ©tanne in butdj* 
nähten Äteibern, bem Srfc&öpften ©aftfreunbfdtjaft ge- 
boten, als berfelbe feine SluSfidfjt Ijatte, ba§ ©cljiff Wieber 
ju erretten, jefct mufte eS iljn befremben, bafj ber bor» 
neunte ^err, Wetter eine reiche Äteibung angelegt Ijatte, 
baS Obbadj bei einem einfachen gifdjer ber äöoljnung in 
bem ftatitidjen ©ebäube ber ^altorei borjog, unb baS 
um fo mehr, als er ben jungen ©tann gewifj nid&t ba^u 
ermuntert tjatte, in ifjm einen Woljlwoltenben Ofreunb au feljen. 

Stiels toarf einen ftnfteren S3lid£ auf feinen ©ol)n, als 
argwöhne er, bafj biefer eS fei, ber @ebf)arb au bem auf- 
föEigen ©erlangen bezogen, aber bie ©aftfreunbfdjaft 
toar bem Tormann au heilig, als bafi er feinen Unmuts 
Ijätte berratljen mögen, „äöemt Sföt mit bem borlieb 
nehmen Wollt, was mein <£>auS Sudj bieten fann," ant- 
wortete er, „fo feib 3för Wittfommen, rnidj Würbe eS nur 
gereuen, Sud& Obbacij geboten au Ijaben, Wenn 3^r benlt, 
bafj 3ljr eS mir etwa fd&ulbig feib, bie erftgebotene ©aft- 
freunbfd&aft anauneijmen, ober wenn 3l)r meint, mir au 
2)anl Verpflichtet au fein. fufjr nicht Suret- ober 
SureS ©djiffeS falber in bie ©ee, id§ wollte meinem jungen 
nur aeigen, bafj id§ 9tecf)t gehabt t)atte, i^m bie ftaljrt au 
berbieten, unb, Wenn eS fdjledjt ging, iljm ein äöort mit- 
geben in ben £ob." 

$>ie testen 2Borte fpracb ber Sitte büfter, laum hör- 
bar, als rebe er fte mit fich felöer. 

Sr fdjritt boran, ©ebljarb unb ^>a!o folgten iljm fdjWei« 
genb unter bem ©anne beS uuljeimlidtjen SinbrudfS, ben 



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^iftorif^er 9toman oon 6. £). o. 2*benrotb. 77 

biefe gebeimni&boHen SBorte auf fte gemalt Ratten. $a 
flog ben 9tabenben ein junges SJtäbdjen entgegen, noch 
elje fte bie Stnböbe erreicht, auf ber ba§ £auS 2orften’S 
ftanb. SDaS blonbe $aar beS faum aur Jungfrau ge- 
reiften ÄinbeS umtoaHte in teilen gleiten ein fjübfdjeS, 
rofigeS 9lntlifc, baS blaue 9luge [traute in froher (Er* 
regung. 2)ie Äunbe bon bet bertoegenen {fahrt, bie ihr 
SSater unb itjr SBruber getoagt, toar löngft ju {faeia 2orften 
gebrungen, fte toufjte, bajj bie Sangen toie bureb ein 
Söunber gerettet toaren, unb fie ^atte ©peife unb 2ran! 
borbereitet, bie ^eimlebrenben au erquitfen, aber auf ihren 
Sßangen brannte noch bie ©lutb ber (Erregung über baS 
©ebörte unb fte batte bie 3eit nicht ertoarten f&mten, too 
eS ibr bergönnt toar, ihren SBater unb ihren Sfruber toieber 
in ihre Slrme au fcbliefjen. 

25er (Sturm batte ficb gelegt, bie ©onne brach burdj 
bie SöoÜen unb Iie§ gerabe jejjt, too ftreia an bie SBruft 
beS 33ater8 flog unb ©ebbarb ihre £anb entgegenftreefte, 
glänaenbe ©trabten bie liebten Coden umfofen. 25aS 
junge SJtäbcben, beffen enganfcbliefjenbeS fUUeber mit ftl» 
bernen ©cbnaHen gegiert unb beffen bunte SRöcfe, bon benen 
fie nach CanbeSfttte mehrere über einanber trug, auS feiner 
2BoKe geioebt toaren, batte burdj bie Stnmutb i^rer ganaen 
ßrfebeinung felbft für bie 9tugen beS bertoöhnten ^atriaier- 
fobneS ettoaS 33lenbenbeS, baS fidj au einem umftriefenben 
3auber gefiattete, als fte, naebbem fte auch ben 33tuber 
ftörmifcb umarmt, ihn mit tbränenfeuebtem SBlicfe an* 
fdjaute unb fragte, ob er ber ffaembe fei, ben £>afo auS 
bem Söaffer geaogen. 



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78 



$er tefete ^olfunger. 



„ 3 h r merbet eä nicht mahr machen," faßte fie, all 
£>afo bie $rage Bejahte, ju ©ebharb mit einem S3ltdEe/in 
bent fiel) ntäbchetthafte ©djeu, ^etmltd^e Slngft uub Per= 
trauenbe guöerficht feltfam Perbanben, „bte Seute faßen, 
e§ bringe Unglücf, Semanb auä bem SBaffer $u jiehen — 
ich mag ’8 nicht glauben." 

„35a tooCte ich lieber auf bem ©runbe beä 2Jteere3 
liegen," Perfekte ©ebharb, „al§ felbft ohne mein 2$er~ 
fchulben ben finfteren Slberglauben befräftigt feljen." 

25er SBlicf ©ebljarb’S fiel Doll unb toarm in ba§ Sluge 
gfreia ’8 unb inftinftmäfjig füllte fie, bafj ba§ fjfeuer, mit 
bem er bie SBorte fpradj, ihr baä SSlut in bie Söangen 
trieb. 2 öar e§ ber Umftanb, bajj ©ebharb ein ftrember 
in präd^tigen Kleibern, ober fal) fie il^n mit anberen klugen 
an, toeil itjr S3ruber fein ßeben für itjn getoagt — 3 um 
erften 9Jtale füllte fie ftch einem ^tarnte gegenüber be» 
fangen; e§ mar ihr feltfam 3 U fUtut^, fie Permochte nicht 
aufaufc^auen , al§ ^abe fie etmaS Sööfeä begangen, unb 
fürchte fic^, if)m in’3 Stuge 3 U feljen. 

„SBer im ©türme ba§ ©teuer $u führen benft, ber 
hat ncd) feinen ©türm gefeljen," nahm 9tiel3 dürften, ber 
bie SBegegming amifdjen fjreia unb bem ßübetfer beobachtet, 
baä Söort. „ßaffe ba§ müßige ©efchmäfc, tfrreia, ber ©aft 
ift miHfornnten, ma§ bie 3ufunft in ihrem ©chofje birgt, 
meifj deiner." 

2)er 9ltte betrat jjuerft ba§ «fpauS. 25affelbe mar Pon 
rohen SBaumftämmen erbaut unb mit Ütafen gebecft, bie 
■Bmifdjenräume ber ©tftmme maren mit 9floo3 Perftopft. 
3ur ßinfen neben ber $au3tf)ttre befanb fi<h bie Stögfiuer 



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&iftorifcf)er föowntt oon ©. £>. b. Debenrotlj. 70 

ober SHaud^ftuBe , ein grojjeS niebrigeS ©emab mit einem 
.ftamin, beffen 9taud)fang jum Dörren unb föäudjern bon 
Srifdjen nnb Sleifb eingeribtet mar. DaS Qfeuer im 
Kamine bereitete eine beljaglibe SBärme, unb mäljrenb 
ftb bie ©tänner an bem bereits mit einem meifjen Seinen 
gebedten Difcfje niebertief en , braute Sreia auf Haut ge* 
pulten zinnernen Dellern ©erfienbrob unb garten Ääfe, 
geräubertes Steif b unb gebörrte Sifbe, bann aber mit 
bem Stolze einer guten ^auSfrau, bie für befonbere ©e= 
tegenljeiten Heine ©bätje in ber ©beifefammer bemafjrt, 
eine fü|e ©tagen*Satmerge unb ^fefferfuben aus ©üm* 
berg unb ein Släfbhen bon 4 ?orn ntit ©üfbolatropfen. 
©S maren baS Detifateffen, melbe ein ©btff bon ©rügge 
gebrabt unb melbe bamatS bon Nürnberg auS an alle 
Sfirften^öfe, an reibe Ätöfier berfanbt unb aub fonft in ben 
£>anbet gebrabt mürben. ©S mar ein ©etociS ber Söoljt» 
§abent)eit Dorften’S , bafc S*eia neben einem Äruge 
©leb nub einen Dran! auS |mnig unb Söermutfj, für 
ben ©aft fogar einen ©eber fübfranaöfifben SBeineS Ire» 
benote. 9tietS Dorften läbette, als Steia 31 t glauben 
fbien, ber 9teibtfjum itjrer ©orratt)Slammer merbe bem 
©afte imboniren unb i!)m eine S*age beS ©taunenS ent* 
loden. Der SluSbrud feiner Söge beränberte fib ftetS, 
menn fein 2 tuge auf bem Kolben ©többen ruljte, aber 
jc^t rnifbte ftb feinem Säbeln bob eine 3lrt ©haben» 
freube bei. „Die Herren bon Sübed," fagte er, , haben baS 
$HeS beffer unb in Sülle, braute alfo nibt mit Deinen 
©bätjen, er liJnnte glauben, bafj mir ben reiben $anbels= 
getreu iljre Sedereien neiben. ©S mar eine beffere 3 e it, als 



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80 



$>er lefcte ^ollunger. 



ber Tormann bcnt ffremben nichts SlnbereS itafjm, als 
feine SBaffen, unb als er ba§, toaS er ju feiner Nahrung 
brauste, ficb aus ben Sergen ober aus bem Sleere IjoUe." 

„ 3 b r mögt Dtedfjt hoben," berfefcte ©ebbarb, „bafc ber 
9ieidjtfjum bie Stengen bertoeidblicbt unb in ©enujjfudjt 
3 U Softem berleitet, aber nicht um beS ©etoimteS mitten 
allein fenbet bie £onfa i^te ©ebiffe in alle 2 Jteere, unb 
mer nach 9tubm unb <5t)re trautet, bem ift eS ein ©tofy, 
bie ©rjeugniffe frember Sönber nach .fpaufe 3 U bringen als 
?PreiS harter Äämpfe unb ©efafjren. 3)er mächtige Sunb 
ber ©täbte fd^ii^t ben Sfirger bor bem Uebermutb beS 
2lbetS unb bor ber -£>abfucbt ber Könige; bie #anfa be* 
berrfdbt bie Steere unb ift gefürchtet bon ben ©etoaltigen 
ber 6 rbe, fie fdbüjjt baS IRecbt beS SürgerS unb ben freien 
Serfe^r auf allen .gianbelsmegen , ber 9tuStaufcb ber 
SCBaaren ernährt biele Üaufenbe bon Stenfcben unb bringt 
bon einem ßanbe 3 um anberen, maS ttuge 2eute erfonnen unb 
maS baS ©efc^itf ffrember erfunben bot- S)iefe ©eibe an 
meinem SBamrnS ift bon ben Äfiften ©prienS geholt, biefe 
©olbfdbnur ift in Senebig gefertigt, biefeS 2u<b ift aus 
Srügge, biefer ©tabl auS |>ifpania. 3fdb bin nicht ftol 3 
barauf, bafj mein Sater mir folche S)inge geben fann, 
aber ich erfebne nichts mehr, als mit meinen Kräften audb 
ettoaS für bie Stadst unb ©röfje meiner Saterftabt unb 
ber $anfa 3 U tbun, frembe Sanbe 3 U feben unb für bie 
Sfreibeit unb ben tRubm ber $anfa 3 U festen." 

3)aS Sluge £>alo’S erglühte bei biefen SBorten @eb* 
barb’S, unb eS entging bem alten üEorften nicht, bafj ftreia, 
meldbe ben begeifterten Sßorten mit lebenbiger ©pmpatbie 



I 

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£)iftorifd)er iKoimui von (S. ,v>. v. Sebenrotb. 81 

Qetaufdjt Tratte, berftopen halb auf it)u , halb auf -Jpafo 
bas 9lugc pftete, als ermarte fie, ba& ber SSrubct einen 
äöuufdj auSfpredje unb fei iit ©orge, mie ber Später ben= 
f eiben auf neunten mcrbc. 

(5S fonnte bem alten Sorften toop faunt ein ©epim= 
nifj fein, bafj bie ©epifudjt, in bie SBelt au gepn, baS 
£>era feines ©opieS erfülle, toenn berfelbe baS auch nvcfj 
nidjt 311 forbern gemagt ptte, unb er fonnte aud) uicp 
baran ameifeln, bafj ©ebljarb baS Spnta nur teSbalb fo 
lebhaft ergriffen, um ^afo ©elegenpit 31t geben, feine 
33itte auSjufpredjen; aber eS überrafdjte ipi, bafj ftreia, 
bie fid^ gemifj niep gern von ipent Sruber trennte, üjn 
aufdjaute, als ptten bie beiben jungen SJlftnner fic bereits 
3u i^rer 23unbeSgeno}ftn gemalt. 

„Ser fUtann ift von f<pedpem SSlute ," napt er bas 
SBort, „ber für fein Söaterlanb niep freubig aunt ©djmerte 
greift unb für ben 9iupt beffelben fein Seben toagt. ©0 
©ott toiU, fomuten bie 3eitoi mieber, mo audj ber 9tor* 
mann baS vermag. Sann mag bie .gmnfa ipe Sr^crgge 
auf 33ergenpuS pten, bafj mir fie uidp in baS SJtecr 
fdjleubem. 3ep ift 9formegen an bie Säuen Oerpnbelt, 
unb baS gleifjnerifcp SBeib, baS ben Jtnaben Claf mie 
ipe 5ßupbe auf ben 2pon gefegt, möchte aud§ ©darneben 
an fid^ bringen. SBenn ip baS gelingt, fo mirb ©urc 
$errlicPeit auefj halb ein ©nbe pben." 

„SaS mirb ip nie gelingen!" rief ©ebljarb. „2ßenn 
fie audp mie eS pifjt, felber nadj ßfibed fontnten miH, 
mit ber .jpanfa einen 33unb au fdpiejjen, fo trauen mir 

8it)tiotf>el- 3«f>rg. 1886. 33b. V. q 



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82 



Set* (efete ^olfungcr. 



bodj feinem Säuen unb am mettigfien biefer grau, ber 
Socf)ter unfereS alten fteinbeS SBalbentar." , 

„2BaS?" rief Sorfien auffahrenb, „Margaretha, beS 
.fpafott Sari äöittme, geljt nach ßübed 1 ?" 

„@ic ‘miß felbft fornmen, um mit ber ^anfa jn ber- 
hanbeln. 6ie ift fd^ön unb Etug, man rühmt ihren 3öiij 
unb ihre UeberrebungStraft, aber mir mißen, baß ber 
Söolf im ©dhafSpela fißt." 

„Sft baS gemiß?" fragte Stiels, ben bie $unbe fehr 
3 u erregen unb ju befchäftigen fchien. „32ßann gebt fie nach 
ßübecf?" 

„Sie Seit ift noch nicht beftimmt, eS moßen audj 
anbere dürften ft<h mit ihr in ßübed einftnben, aber bor 
bern ©omnter mirb’S nicht gefd^c^en. Sch bin fehr neu* 
gierig, bie ftürftin 3« fehen, bau ber fo biel gerebet mirb. 
©oß bodj ber Äönig bon ©chmeben, als er noch ^erjog 
bon Medienburg mar, bon ihrem SlnblicE bezaubert ge= 
mefen fein, fo baß er ihr feine £>anb anbot, als Äönig , 
4?aEon ftarb." 

„Ser äßüftling unb Sprann!" murmelte Stiels. „@r 
hätte au einem Sßeibe bießeidjt gepaßt, baS einem $atou 
angehörte. Soch ich miß fie nicht fdjmähen, fie mar noch 
ein Äinb, als ihr 3)ater fie an ben dtenben berhanbelte. 
Slber mohl möchte idh bie 5ßuppe fehen, bie fidh Jtönig bon 
Stormegen nennt, mährenb Margaretha baS ©cepter führt. 
Siefer Äönig Claf, ben fte mit fid) nadh SänemarE nahm, 
als ihr 2kter ftarb, unb ben ihre Mägbe hüten, mirb 
jeßt Sein Sitter haben, £afo — ich glaube, Sh* Eamt faft 
3 U gteidjcr Seit 3 ur äöelt. SÖürbcft Sit Sid) mie eine 



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£)iftoiiicfoer ÜNomutt uon 6. .§>. v. Sebertrotl,). 83 

Sßuppe untrer führen unb bott SBciBeru letten laffen, 
ftaloV 

Sie (Stimme beä mitten ^atte ettoaö eigentfjilmlid) 
9lauf)e3, alä er biefc Srrage ttjat, bie audj fdjon insofern 
iiBerrafdjen mufjte, als Stiels, ber bon |>afo ben ftrengften 
©eljorfam forberte, benfelben tjerauSauforbern fdfjien, ben 
©eljorfam Claf’S gegen feine Butter 3 U tabetn. StBer 
auci) ber 33Xicf , ber biefe SBorte Begleitete, Ijatte etmaS 
BauembeS, UnrutjigeS; man füllte e§, bafj ber Sitte mit 
anberen ©ebanlen Befc£)äftigt toar , benen biefe Örage 
in geljeimnifjboller SßerBinbung ftanb. 

„Sdij bermag mief) nidjt in baS SOßefen eines Slttberen 
Ijineinäubenlen," belferte <jpalo, „beffen Sftutter eine $ö-- 
nigitt ift, idfj ^aBe ja nietjt einmal meine SJiutter gefannt." 

SaS S3tut ftieg bem Sitten in’S Slnttijj, fein Slugc 
funfeite. „Su fottft midtj nidjt baran mahnen, JtnaBe!" 
rief er unb eS Bti|te mic büfterer |>afj auS feinem 
Singe. „SBfinfdjteft Sn Sir ettoa eine SJtutter, bie Sief) 
^uin SöeiBerfnedjt erjieljt? Su toillft in bie ^rembe. 
(tfelje benn nadj SiiBedE, idj geftatte eS Sir, fdjaue Sir 
baä SBeiB an, baS Störungen an SänentarE gebracht, baä 
ben ©proffen JpaEon Sart’S einfperrt, fdjaue Sir bie s $uppe 
an, bie am Sänenljofe ben $önig ber Stormannen .fpielt 
unb Eomme mieber, toenn Su .fpafj gegen ben enterbten 
Sari in Sidf) eingefogen fjaft!" 

Ser Sitte erfyoB fidt) unb berliefj baS ©emadj ; eä mar, 
als tjabe i§n bie ßeibenfdjaft Ijingeriffen , ein SBort ju 
fpredjen, baS er bietteid^t Bereute, aber bodj nidjt 3 uriitf= 
nehmen modfjte. 



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84 



$et lefcte Solfutiger. 



3. 

Sn ©darneben l)atte ba§ ©efdjledjt ber ftolfuuger 1250 
bcu Zl)xon befliegen unb bie bcibett ßänber ©djtoeben uitb 
Vtormegeit mit einanber bereinigt. 2)ie crften Regenten 
att§ biefem <£>aufe führten eine fcgenSreit^e Regierung, 
mährenb im 14. Sahrt)unbert bie ©efchichte beS ßanbeS 
ein 2Bedjfel bon (Sreueltljaten unb inneren 3miftigfeitcn 
mürbe. König MagnuS II. tourbe bom 33if<hof au Upfala 
in ben SBann gethan. nachbem man ihn fcf)on borget ge* 
ätuuugen ^atte, feine ©öhne @r ich unb |>a!on als Mit* 
rogenten anaunet)tnen. 2)er (Srftere erhielt ©darneben, .jpafon 
3iormegcn, ber im Kirchenbann befinbl iche Söater flüchtete, 
lehrte aber jurüd, al§ ©rieh fiarb, um fein 0teich miebrr 
au erobern. |>alon bertrieb feinen 33ater, aber bie ©chme* 
ben modten nun auch bon einem 33eherrf<her nichts miffen, 
ber gegen ben eigenen S3ater au Selbe gezogen mar, unb 
mahlten 1363 ben ©djmefterfohn MagnuS’, ben $eraog 
2llbre<ht bon Medienburg, au ihrem Könige. $n 2>äne* 
mart ^errfd^te bamalS 2Balbemar IV., mit bem Seinamen 
2ltterbag. ©erfelbe gab feine ameite Tochter Margaretha 
bem Könige ^aton bon 9tormcgen jur ©emahün, um bie 
<£>t(fe 3iormegen§ gegen bie .fpanfa au erhalten, meldje 
herauägeforbert burch bie aunehmenbe Macht 5Dönemarf$ 
uitb bie gerftörung ber <£>anbelä!olonie 2öi§btj burch 2Bal« 
bemar 2ldeä aufbot, ba§ bänifche 9teich au äcrftücfcXn. 
Margaretha übernahm nach bem £obe SQßalbemar’8 (1375) 
für ihren bamalä fünfjährigen einaigen ©ohn Claf bie 
Diegierung 2)änemar!§. 2)urch ben fünf Sah« fpäter er* 
folgenben £ob .jpafon’ä marb Claf IV., unb ba er noch 



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£>iftorifdjer föontan non 6 . £>. o. 'Sebcttrot^. 85 

unmünbig , feine Butter für itjn aud£) Bel)crrfdherin boit 
'Jlortoegen. 

Btargarefha bereinigte fornit atuei fronen, unb beit 
£rabittonen iljreS Kaufes getreu, erftrebte fte nicht nur 
bie #errfdhaft $)änemar!S über ba§ baltifdhe 9Jieer uitb 
bie Äüften ber Ulorbfce, itjr f)ofy% 3 '^ toar eS, and) 
6 cf)toeben unter ihr ©cepter $u bringen, burch bie Ber- 
einigung ber brei ffanbinabifdtjen Dteidje au einer getual* 
tigen Bladst beit 6 täbtebunb ber |janfa au <jerrei|ett, bie 
Bladst berfelben $u beruhten unb ba§ norbifdhe $tfitig= 
reich amu Beherrfcfjer beS $anbel3 im ganzen korben 31 t 
machen. 

9iodfj fah man in Biargaretha nur bie Tochter il,re§ 
BaterS, toeldfje ber Bolitif beffelben, ftdh SWiirte gegen 
bie übermächtige $anfa ^u berfdhaffen, folgte, noch al)ttte 
deiner ben gewaltigen ©eift, ber biefe f^ratt befeelte. 
S)ie ßübedter Ratten atoeintal Kopenhagen ^erftört unb ge- 
plünbert, Söalbemar hatte ben $apft unb ben Kai’ er 
bergeblidh gegen bie .£>anfa au |>ilfe gerufen, er hatte bie 
@|iftena 3 Ddnemart§ gegen bie $anfa bert^eibigen müffen, 
ba tonnte wohl alfo deiner bermuthen, bafi ber ©hrgeia 
feiner Softer tjöh er fliegenbe 5ßldne gefdhaffen, als h^h = 
ftenS foldje, welche üDdnemar! gegen Uebergriffe ber #aufa 
fdhü^ten. 

Unter ben ^anfeftübten ftanb pr 3ßit unferer ©r- 
ää’htung ßübetf auf bent ©ipfel feiner Btacht. 9llteS ßaitb 
bon bem finmfdjen unb bot^nifchen Bteerbufen bis au ben 
Ufern ber ffilbe folgte ben Befehlen biefeS neuen Kartlia- 
go'S, beffeu Kühnheit, fluge Bolitif unb unermefjltche 



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86 



$ev Iefete fffotfunfler. 



©djäbe ben ©ieg an fid) gefeffelt unb bag ©tüd unter* 
jod^t gu haben fchien. $er ©ctjiüebenfönig, Sttbrecht bon 
Medienburg, toar nur ein Sßartifan ber «fpanfa, aber 
gugteidfj ein Mann, ber fich burdj SLlgrannei unb toüfteg 
Seben überall int Sanbe berhafjt gemalt fjatte. S)ie 
ältere <Sd^roefler Margaretha’g unb Sdjtoägerin Stlbrecht’g, 
bie ^ergogin SEngeborga bon Medtenburg, batte gtoei 
$inber. 3h* ©ohn, 2ltbrecf)t ber jüngere bon Medten= 
bürg, befafj ebenfo gute ©rbanfprüctje an bie fdjtoebifche 
Ärone, ioie Margaretha, unb fab in bem ©djioager feiner 
Butter ebenfo toie Margaretha nur einen bon ber |>anfa 
ben ©(bioeben aufgebrungenen |>errfcher. 

3öie ©ebbarb b. SBarenborp ftcfj gegen £orften ge= 
äußert hatte, toar eg ein offenes ©eheimnifj, bafj Mar= 
garetba au(b nach ber fchtoebifchen $rone traute. SDa eg 
ni<bt gur Unmöglichfeit gehörte, bajj bie ©djioeben 5XXbrecf)t 
ben Weiteren früher ober fpäter bertrieben, fo hotten bie 
$olitifer ber |)anfa für biefen fJaIX befdjfoffen, bie 9Xn= 
fprüche 3Hbrecbt beg jüngeren gu unterftüfjen, barnit nicht 
auch ©(bioeben bon Margaretha mit ben beiben Reichen 
bereinigt ioerbe, über ioeltbe fie je^t f(bon bag ©cepter 
führte. 

£er fjrang ber geringe unb ©todfifdfje ioar bon ber 
|mnfa monopoliftrt ioorben, bie ©enatoren bon £übed, 
SRoftod unb ©tralfunb begaben fidj oft perfönti(b nach 
ben ©tapefplähen , um mit alter ©trenge barüber gu 
maiben, bajj feine anbere Nation aug biefer Ouette beg 
9teid)thumg fiböpfe, unb bie Gruppen, toeldje bag Siibeder 
©<hiff nach 8ergen gebraut, fottten bie Madf)tentfattung 



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£>iftortfd)er Vornan oon G. fr. t>. 35ebenrotfi. 87 

biefer ffaftorei berftärfen, toeldjer bic Uebertoad&ung bcg 
f5rif(f)fangeä unb beg franbelgoerfefjrg btg 31t ben Ättften 
bon ©dljotttanb, $glanb uub ©rönlanb oblag. — 

9tielg Xorftcn nadfjbem er fein fraug berlaffen 

Ijatte, einen 5ßfab f)inaf>, ber aug ber Kolonie in ein bon 
greifen umfdjtoffeneS 2 |al führte , bag fictj 3 u einer an* 
fteigenben, bon einem 28ilbbacf> burcijfcf)äumten ©dtjludjt 
berengte. 

S)er 2 öeg mar müljfam, benn er 30 g fic^ über fleinigteg 
@eröE, burdlj bidjteg ©ebüfdj, unb mehrmals mu|te ber 
Eöanberer ben 33adj überfctjreiten, aber 9tielg fannte tro& 
feineg 9llterg fein Grtaljmen ber Kräfte, toenn er ein 3 iel 
bor SHugen Ijatte. 2 )er 9Beg ober bietmeljr ber 5ßfab, ben 
er fidj felber burdj bag bicfjtgetoadljfene frofy bahnen mujjte, 
naljm einen immer unljeimlidljeren , büfleren Gljarafter 
an, je Ijöfjer er anftieg unb in eine ftelfentoilbnifj führte. 
Vln ein 3 elnen ffetsBIöcfen fa^ man nodfj 9iunen aug ber 
freiben 3 eit, fern ©eräufdj toar 3 U fjöreit als bag SBraufen 
bei Eöilbbadjeg unb ber roEenben ©feine, toeldje ber ffrtfj 
beg SBanbererg gelögf Ijatte. S)a plöfclidj taufte bor bem 
?Uten bie ©efialt eineg Sßeibeg auf, fo unerwartet, bajj 
eg festen, biefelbe fei bem GrbBoben entfliegen. 

„3cfj tourte, bafj ®u midj fudjen tofirbeft," rebete bag 
3Beib fltielg 2orften an, ber erfdfjredt 3 ufammenfut)r, „idj 
fjabe 2)id§ erwartet, id£> fpare SDir beit 2öeg 3 um 3*ü«9* 
ftein. ©e&e 5Bicfj Ijer. ßommt 3)ir audj fdjon bag §ltter, 
bajj SDeine Äniee gittern?" 

3)ag äöeib, bag alfo fpradfj, toar bon aufjergetoöljn* 
lieber ©röfje, feljr §ager unb bem 9lnfd)ein nadfj bem 



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88 



©er lefete Sotfunger. 



©reifeitalter najje, obwohl ihre Gattung feineStoegS ge* 
bütft War, fottberrt Seftigleit toentetf). ©ie 3üge ih*eS 
Slntli^eS toaren ebet unb lüt)n gefdjnitten, bie Sahve unb 
ber Stufenthalt in einem rauben (SebirgStanbe Ratten fie 
gefurcht unb gebräunt, aber baS Sluge mar grofj ntib 
fonnte feurig bti^en, Wenn bie ßeibenfcfjaft fte erregte. 
SangeS toei^cS £>aar quoE unter einer tooEenen TOfje 
fjerbor unb flatterte frei um |>atS unb Starten; unter 
einem groben SrieSmantel, ben fie über bie ©Nultem 
geworfen, fah man ein mit feltfamen Beiden geflirtteS 
SÖamrnS bon rothern berfdjoffenem ©ammet, ben Weiten, 
rotijm Unterrort hielt ein (Sttrtel an ben lüften feft, auf 
bem ftch bie -fpimmelSaeidjett in ©tirterei befanben unb ben 
fitberne ©cfjnaEen gierten. Stutfj bie ©thür^e, Welche ben 
Stört bebertte, mar mit aEertei geheimnifjboEen gierrathen 
berfeben. ©ttfe ©rt)ube bon robgegerbtem ßeber toaren 
mit dienten an ben Süfjen befeftigt. 3fn ber !noc£}igen 
Sauft trug bie ©reifin, Welche einer jener attgermanifchen 
©eberinnen glich, bie bon ihren ßanbeleuten mit aber» 
gläubifdjer Surdjt berebrt tourben, einen mit Stunen ber» 
febenen ©tab, in ihrem ©ürtel fteefte ein SJtejjer nach 
Strt ber heibnifdjen Cpfermeffer. 

„©ein blöblidjer Slnbtirt h a * mich erfdjrertt," anttoortete 
Stiels ber Sitten, bie ebenfalls als ßünberin ber 3u!unft 
galt unb eines h°h e n SInfehenS in ber ganzen llntgegenb 
genofj, „meine ©inne müffen fdjtoadh gttoorben fein, bemt 
i<b fah unb hörte ©ich nicht, bis ©u bor mir ftanbeft." 

„3f<b höbe eS bon ber stippe bon 2obatS=$aabe ge» 
fet)en, bafj ber ßitabe einen Srembeu aus bem Söaffer 



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.fttftorifcber föoman von 6. o. ©ebenrotb. 89 

aog unb bafj ©u ben SBogen ber Strömung getrost Ijaft, 
um einem Skiffe ber {{rremben ^ilfe au bringen. 3 ft 
©einen Slugen ber ©tana beS ©olbeS bertotfenb geworben, 
ober beugt ftdj ©ein Warfen bem 3o<h ber gremben, bift 
©u eä mübe, ber 3^t harren, bis eS bem Sdjidfat 
gefällt, bie Schmach beS 9iormann3 au rächen 1 ?" 

„©er Änabe hörte nid^t auf meinen 9latb," antwortete 
9tiet§, „ich gitterte, ba§ 2Jteer löitne {ein Opfer fordern, 
elfe ich ihm gefagt, Wer er ift. ßr ^at bie 9iact)e be§ 
©djidfalä ^erauSgeforbert, er ift mir entwarfen, er beugt 
fich nur noch tüte bie SSirfe unter’m ©türm, um tr obiger 
empor au fchnetlen. ßr Witt hinaus { n ich 

müjite ihn brechen, Wollte ich iljn hatten." 

©ie Älte fchüttette ben $opf. „©ie 3eit ift noch nicht 
ba," fagte fte, „ich Werbe mit ihm reben, Wenn er ©eine 
©timme nicht hört." 

„ßs ift au fpät, ich habe ben 33ann gelöst, ich T^abe 
ihm geftattet, mit bem ftremben au geben, ©ie SBittWe 
fpafon’S lomrnt nach ßübeef mit bem Slnberen, er fott 
{ie feben." 

9tielS betonte bie Söorte „mit bem 9lnberen" eigen» 
tbümtidb- 

„ßr Wei§ eS nicht, Wer er ift," murmelte bie ©reiftn, 
„aber er abnt, bab er nicht baS ift, Wofür ©u ihn gelten 
liebeft. Sr ljat mich befragt , Wer feine Butter fei unb 
wo fte lebe, ober wo ihr ßeib im ©rabe ruhe, ©u 
Wagft biet, Wenn ©u ihn hinfenbeft, wo ^alon’S SöittWc 
Weilt." 

©aS 9fnttib beS alten ©orften hatte fid) bunM ge» 



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90 



$>er tefcte ?fyttungcr. 



färbt. „Sei) habe ib^t ein ©rab gezeigt," rief er, „unb 
ihm gefagt, bafi baffelbe feine SJtutter berge, betrügt 
mich ber 33ube, toenn er fidj ftettt, als ob er meinen 
3® orten glaube?" 

,,©r bat unter bent Steine nadjgefudjt unb baS ©rab 
leer gefunben." 

„galfcbbeit unb £ütte ftettt im 33lute Sitter auS bem 
öertpünfebten ©efcblecbt. SJtöge er au ©runbe geben, toie 
bie Slnberen!" 

„SSefcbtoöre leinen tSrfucb auf ibn tyxab," jürnte bie . 
Stlte, „ich toitt unb bulbe eS nicht. SOßittft S)u ibm einen 
33ortourf barauS machen, ba| fein £>erj ein ©ebnen füblt, 
toelcbeS bie Statur ibm in bie 33ruft gelegt? Stiels SLorften, 
icb mabne SDicb, nie au bergeffen, toaS S)u gelobt, als idb 
S)ir meine -fpilfe jur Stacbe bot." 

Stiels febaute finfter brein, eS toftete biefem SJtanne 
einen $ampf, eine S)robung biuaunebmen. „3fcb habe 2)ir 
gelobt," berfebte er, „ben Änaben ju erjieben, bafj ein 
echter Stormann auS ibm toerbe. 3ft’S meine Stbulb, 
toenn auS einem Sparen lein Slbler toerben lann, toenn 
baS ©ift im 33fute ftedtt unb er ftcb fogar biugeaogen 
füblt au ben 3?remben, bie ben gufi auf unferen Statten 
gefegt? SJtir bat er’S berborgen, bafj er an bem atoeifelt, 
toaS icb ibut gefagt habe, unb als icb tbm beute juxief, 
er toiffe nicht, toer er fei, ba b fl t ibn ber Ürofc au bem 
ftremben geaogen, ber bat für ihn reben müffen. SJtag er 
geben — ein 33oot, baS bem Steuer nicht gehorcht, mujj 
treiben als Spiel ber Söetten." 

„QtS fei," antwortete bie ©reifin nach langer $paufe. 



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.^iftorifd&er Vornan 0011 G. 0 . ©ebenrotb. 91 

„SMj merbe mit bem Knaben fpredljen. geige itjm lein 
finftereS Slntlifc, menn er gebt, boEenbe, maS ©u mir 
getobt tjaft." 

„3$ foE itjn aie^en taffen, otjne itjm 3 U fagen, mer 
er ift? gdfj fottte itjn adEjtaeljn äatjre für ben einen $ag 
gehütet tjaben, mo mir ber te^te gug auS bem Sed^er beS 
CmffeS bergönnt fein mirb, ot)ne biefen ©ag bieEcicf)t je 
au erteben? äöenn er in ber $rembe 3 « ©runbe getjt, fo 
tjabe ictj bergebticfj über ifjnt gemacht." 

,,©aS $aft ©u nid£)t, benn ©u aatjtteft bamit nur ben 
5fh*eiS, ben tdj geforbert, ben ©u mir gefd^utbet. Gr mirb 
nic^t 3 U ©runbe gelten, baS fagen mir bie Sterne, gefebätje 
eS aber, fo trügeft ©u ben ^tudb, menn ©u ©ein Sßort 
gebroden. Gr lebt niefjt ©einer 9iad§e, er tebt, um ein 
neue§ ©efcbtecfjt an bie SteUe beS flucbbelabenen au fefcen, 
um baS Sanb 3 U befreien bom god(j ber ^remben." 

Gin bitteres ßädljeln umfpielte bie ßippen ©orften’S. 
,,©u fagteji einfi, bafj ber Slnbere baju erforen fei!" ber* 
fetjte er mie fd&manfenb amifd^en 9tadljgeben unb ©rofj. 
,,©u griffft in meinen 5trm, als ictj bie Sctjmacb titgen 
moEte, bie <£>afon Statt mir angettjan, ©u marfft ©einen 
kantet über baS unfetige SBeib unb baS Äinb, ©u fagteft, 
bie ßictjtfrone beS Horbens tjabe mit iljren Straften fein 
.fpaupt umauEt, als er geboren mürbe. Unb maS ift aus 
itjm gemorben? ©ie $uppe einer ©änin." 

„EöiEfi ©u ©icb bermeffen, bie Zeitigen 9tunen au 
beuten?" aürnte bie ©reifin. „©er 33lidE feines Sterb* 
lidljen bermag in bem 33ucf)e beS ScJjidffalS au tefen, 
aber ber Gmige legt üttjnungen in bie ©räume ber Seherin, 



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92 



Ser tefcte ftolfunger. 



bie fte nidjt 3 U beuten unb 31 t ertlären Perrnag, bie fie 
aber treiben, als 2 ßerf 3 eug feines SBiÜenS 31 t bienen. 
2öiUft Su eingreifen in baS treibenbe 9 tab beS ©djidfalS, 
toeil Seiner Ungebulb fid) bag 58er^eifjene nidjt rafdj genug 
erfüllt? 9lber idj tüiU eS Sir fagen, mag Sein |jet 3 3 um 
(Spiele ttjec^fetnber ©efüljle madjt unb 3 tc eifel unb Un* 
gebulb ringen läfjt mit tjeimlidjem hoffen. Su möd)teft 
-fpato nidtjt Pon Sir taffen, meil Seiner ftreia Qtuge leudjtet, 
toenn er itjr natjt, unb bod) mödjteft Su itjn i^r nidjt 
gönnen, eS fei benn, er brfidfe iljr eine $rone in baS tidjte 
$aar." 

fftielS Per^og ben 5)tunb, um fpöttifdj 3 U ladfjen, ober- 
er tonnte eS bodj nid)t Perbergen, bafj biefe Söorte itjn 
getroffen Ratten unb bafj eg ©djarn unb Qoxn toar, mag 
itjm eine SSlutmette burdj’S Slntlijj jagte. 

„9)tacf)e mir bag SStut nidjt milb," fagte er, „miflft 
Su beffen nodj fpotten, bafj Su mit ber SÖunbe in meiner 
SSruft feit ad)t 3 etjn 3fa§ren gefpielt? Ijabe ben Änaben 
gehütet, ben mein $afj in J S |>aug genommen, er ift unter 
meinen Stugen tjerangemadjfen, atg märe er mein ©oljn, 
unb mein $inb liebt iljn mie einen 33ruber. 3d£> mufj 
an Slnbere benten, fott idj nidjt Pergeffen, bafj idj it)n 
t)affe, aber toetje iljm, müfjte idfj glauben, bafj er baS «^erj 
meines ÄinbeS betrüben fönnte. @r fott fort — märe eg 
31 t fpät, märe Seine Sltjnung malm, bafj greia’S -jpeq in 
ifjnt meljr fä^e, als einen Söruber, fo ftiefje idj iljm lieber 
bag fDteffer in bie 93ruft, als bafj idfj butbete, iljre reine 
•jpanb legte fid) in bie feine." 

Sag 9lugc ber 9ltteu ruljte mit ftnnenbem, forfcfienben 



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£i|türiirfjer 'Jiomcut uoit E. v. $)ebenrotf). 98 

Sölicf auf bat 3 ügeu bes finftereit 3Jlanuc8, alä falle eö 
iljr jdjtoer, au glauben, bafj fie ftd§ bod) tu i^m getäufdjt. 
„SDamt mufj er fort," murmelte fte, tote in ©ebattfen toer= 
loren utib plötjlidj rid)tete ftdj ihre ©eftalt Ijocf) auf. „@e|e," 
fagte fie, il)m ihre $anb bietenb, „unb forge nidjt, bie 
ff abeit, bie baä ©djidfal betfdjlungen, fattn beä 5Jlettfd)en 
SBiEe nid§t löfett, aber £u t^ateft redf)t, utid) fdjauen 31 t 
laffett in baä ßämnierleitt ber ©orgen 2 )eineä $erjenä. 
3 dfj toerbe mit bem Knaben rebett unb audj mit deinem 
Äittbe." 

2 )ie ©reifin fdjlug beu 2 Jtantel um if)te ©futtern 
unb ftieg, nadjbent fie 9tiet§ einen 9lbfdjieb8gru| pgetointt, 
eilig ben ficiten 5Pfab bie ©d)ludljt hinan; in toenig ©e= 
funbeit toar fte hinter beu ffelSblöden toerfdjtounben. 

4. 

©3 bauerte längere 3 eit, bi§ ba§ Sfibeder ©djiff feine 
Labung gelßfdjt unb junt SluStaufch gegen biefelbe bie 
|>anbel§artifet ber ffaltorci eingebaut ^atte. ©ebljarb 
u. SBarenborp blieb toätjrenb ber ganzen 3 eit ©aft im 
|>aufe Üorften’ä, too er fid) halb fo toobl unb befytglid) 
füllte, als fei er ein ©lieb ber ffamilie. 

9tiel§ Xorften toar alt getoorben unter bem SDrude 
trüber, bitterer Erinnerungen, unb ber Umftanb, bafj er 
ba§ Sitterfie, ba§ ihn getroffen, berfdjloffen in ber S3ruft 
tragen rnufjte, batte biefem ftoljen, leibenfdfjaftlidjen, aber 
trofc feiner* föauhheit auch ber toeichfien Einpfinbungen 
fähigen Eb arQ ^ er etn?a§ ffinfiereS, büfter 3lbfto^enbcS unb 
©chroffeg gegeben, ba§ ftdj aber für S)enienigett milberte, 



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94 



$er lefete tJoituinjcr. • 



ber iljn näher feinten lernte. 3)cr Sitte, beut es qu Hühn* 
heit, ©efcpiif unb Hattblütigfeit in ber ©efapr deiner 
gleich tpat, imponirte ©ebparb, beffett toßfüpnem 9Jtutf)c 
bie SBefonnenheit fehlte unb ber bet jebern Söagnifj über* 
ntiitljtg auf baS ©lücf bettraute. ©ebtjarb tonnte eS iljnt 
nid^t berargen, bafj er atS geborener Tormann batüber 
grollte, bafc grembe in einem Sanbe perrfchten, bon beffett 
©eefönigen bie ©falben fangen, unb beffen erfter Hönig 
<£>aralb $arfagr nach ber 2Jtpthe bon ben ©öttern beS 
AotbenS ftantmte. 2)ie Normannen Ratten iljr ebelftes 
23lut in ben Kriegen mit ben SDänen bergoffen, aber um* 
fonft toar ©igurb Sorfatafar Oferufalemfahret) in’S hei* 
lige 2anb gezogen unb hatte ein ©tficf ^olj botn Hreuae 
(Jhrifti heintgebracht , untfonft hatte SJiagnuS VI. mit ber 
„gotbenen geber" bie HönigStoapl in bie <£>änbe ber ©eifi* 
tichfeit gelegt, ber ©egen ©otteS rapte nicht auf betn Aeicfje, 
eS fiel nach ^ cm AuSfterben feines HönigSgefcptechteS an 
©cptoeben, unb jefjt hatten fogar SJeutfcpe fiep eines Steiles 
ber Hüfte unb.beS ganzen .jpanbetS bemächtigt, ber £itutar= 
fönig ber Normannen toar ein Hnabe, ben bie Hönigin 
ber SDänen am ©ängelbanbe führte. 

©eit 9tielS feinem ©ohne bie ©rlaubnifj gegeben, mit 
©ebparb nach SübedC $u gehen, tonnte ber ßefctere ihn nicht 
mehr für einen ftarrfinnigen s J)tann hatten, ber feine bätet« 
tidje ©etoalt tprannifch übte, unb atoifchen biefen beiben 
burep SebenSalter unb ©parafter fo berfchiebenen Üßerfoneit 
machte fiep eine fpmpatpifch« Annäherung mit' jebern £age 
lebhafter gettenb. 9iietS üorften feinerfeitS mufjte au 
einem jungen Sttanne ©efallen finben, ber im fetten Uebcr» 



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£>iftorijrf)cr IKonton uon 6. .£). v. Dcbenrotfj. 95 

ntutb ber Sfugenb baS gemächliche ©enufjleben im paufe 
feines reifen SJaterä. öerfcbmäbte, ber nicht toie bie an- 
beren £übeder Werten unb ^Beamten ber £>anfa fid^ in ber 
Saltorei blähte, als gehöre er au ben «Herren ber 2Mt, 
ber enblidfj groben perfönlichen SJtutbeS abgelegt butte unb 
bodj bamit nicht prahlte. S)er Sitte fc^ien eS nid^t ungern 
au feben, bafc ber junge ^atriaierfobn fi<b bem Sauber 
Sreia’S btngab, unb baS toar nid^t nur ein IBetoeiS bou 
6b n, butbie für benfelben, fonbern bon einem auf Sichtung 
begtiinbeten Vertrauen. Stiels SXorfteu liebte feine Tochter 
mit einer 3örtlid^f eit , bie ein ftwtnber feinem ©baralter 
!aum augetraut hätte; er lannte bie SBelt unb batte be» 
fonberS gegen grembe eher einen argtoöbnifcben ©baralter, 
als bajj man ibn ber ßeicbtfertigleit hätte act^en lönnett; 
toenn er alfo bie in ©ebbaib für 3?iccia ertoacbenbe Steigung 
mit toobltoottenben 33li(fen beobachtete, obtoobt er ftd^ fageit 
tonnte, bafj ber reiche Senator b. Sßarenborb fchtoerlidj 
eine fold^e 2öabt beS SobneS btEigen lönne, fo mufjte er 
in bie ftefligfeit unb SSeftünbigleit ©ebbarb’S baS Vertrauen 
fe^en, bafj biefelben jebeS «pinbernib übertoinben toürben, 
ein Siel au erreichen, baS fein .pera fid^ gefteHt. 

Um fo mehr aber befrembete es .palo, bafj fein SSater 
eS ruhig mit anfab, tote ©ebbarb’S Siebe Stammen in ber 
SJrufi Sreia’S au entaünben fud^te , anftatt ihm au fagen, 
er folle ftcb erft feines 33aterS ©rtaubnijj b°*en, ehe er 
toerbe. ©S exfc^ien toie ein 28ibetfbtu<h, bafj Stiels, ber 
©eborfam beS ÄinbeS gegen bie ©Item als erfie Pflicht 
. forberte, unb bem ©cbbarb lein ©ebeimnifj barauS ge* 
macht, bafj er fidt) ohne ©rlaubnijj feines Katers, ja fo* 



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96 



©er Icjjte ftolfunger. 

gar ^eimlidj auf bie Steife begeben halte, ftreia’g Sutunft 
babon abhängig machen lönne, ob ber 83ater ©ebbarb’g 
feinen ©tot,} beiteugne ober nicht. 

SQtan fühlt cg inftin!tmä|ig, ob 3emanb unfeven beijjeften 
SBünfcben t)otb ift ober ni<ht, unb alg ©ebbatb entbetfte, 
ba§ feine Siebe in <£afo eher einen ©egner alg einen gür= 
fpred^cr habe, toarb er fütjter gegen ben neu ertoorbenen 
fjreunb, unb auch ^xeia toarb irre an bem SBrub’er — 
mochte berfetbe it>r ein ©tüdt nicht gönnen, an bem ifjr 
33ater, ber bodj ©ebbarb Weniger nabe ftanb, alg er, !ei= 
nen Stnftanb natjm? 

Halo bagegen toav eg, alg erfülle ficb fc§ou je|t ber 
büffere Slbergtaube, bajj ein aug bem Sßaffer ©eretteter 
©cmienigen Unbeil bringt, ber ihm bie Ijetfenbe .fpanb 
geboten, ©er Qfrembe gatt fdfjon mehr in feineg Skterg 
Haufe, toie er, ©ebbarb batte ihm nicht nur bag H e *J 
Qteia'g entfrembet, bag öoHe Vertrauen feiner ©cbtoefler 
trob feiner SSarnungen getoonnen, auch Stielg ©orjien 
betoieg ihm ein oäterlicbeg SBobltoollen, bag er bem ©ohne 
faft nie gezeigt, ©g toar Halo, alg fei er bem SBater 
mehr ein $rember getoorben atg je, eg toar i^m unbe= 
greif lief;, toag $JZielg ©orften fo böttig umgetoanbett ba&eu 
föttne, bafj er einem ©eutfcben, einem Sübecfer geftattete, 
um ffreia’g ©unft ju toerben, eg fdljien faft, alg traute 
Stielg nach einem reichen ©ibarn. 

Hatte Hak anfänglich ©ebtjarb nur beg|alb gegrollt, 
bafj biefer $reia jju Hoffnungen Oerlette, bie ftdj nie erfüllen 
fomtten/Jo J>afj er Sreia getoarnt batte, ben füfjen äßorten 
eineg SDtanneg au Oertrauen, ber bieEeidbt nur $u feiner 



* DigitlzfflW 

* B **'* l * f ' r 



$ifioriföer Montan von §. o. ’&ebenrotf;. / 97 

Berftreuung einem flüchtigen 9iaufdhe [ich hingebe, f° kannte 
er halb, bajj eS ein ©efüht beä 9teibe§, ja, ber ©iferfudjt fei, 
baS i|n nDd) mehr errege, als bie ©orge, £$?reia fönne 
betrogen Werben. @r ertappte fich auf bent ©ebanfen, bafj 
er ftreia’S Siebe feinem Slattne gönne, nnb Wenn er [ich 
fagte, ein Sruber fönne nur in forgenber Siebe eiferfüchtig 
auf Bemanb fein, ber fid; bet ©chwefter nahe, fo brängte 
fich ih m iefet 3 um erflen Stale ber ©ebanfe auf, ob er 
benn totrftid) füreia’S 23ruber fei 1 ? 

Stan hatte ihm gefagt, bafj feine Butter fid; fdjwer 
an 9tieIS dürften öergangett habe; hajste ber Saler in 
ihm beit ©ol;n feiner Stutter, wie fam eS alSbann, bafj 
er Qrreia fo jäTtlid; liebte? Unb 9ticl§ Sorften hatte 31 t 
ihm gefagt, er toiffe nicht, Wer er fei. 2 Benu il;m bie 
flare Vßafferftuth ober ber polirte ©tal;t beS ©piegetS, 
ben ftreia einft als ©efchenf ocn einem ©eefahrer erhalten, 
fein Silb geigte, fo fanb er, bajj er toeber bent Sater 
noch Ofreia ähnelte, unb blidte er mit Argwohn in bie 
Vergangenheit gurüd, fo tauchten aus ben ©rintteruttgen 
taufenb Silber auf, Welche bie Annahme, er gelte nur für 
ben 6 of)U ^orfien’ä, beftätigten; einSater, ber ihn hafjte, 
hätte ihtt minber forgfam gehütet, ein Sater, ber ihn 
liebte, hatte trofj aller ©trenge ein Warmes «fperg nicht 
berlcugnen fönnen. 

©ebharb half ijfreia bei ber Arbeit an ber StuSbefferuitg 
eines 9te|e£, Siels war auf bie $agb gegangen unb hatte 
baS Verbieten .fpafo'S, il;u 3 U begleiten, abgelehnt. SEer 
junge Stann fühlte, bafj feine ©egeuwart Steia unb ©eb= 
harb ftöre, er Wanbette bie Sieeresfüfte hinab, um ans 

Sibliotfcef. 1886 Sb. V. 7 



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98 



$er lefcte $olfunger. 



$elfenfdfjlucf)ten SDtöbeneier 3 U Ijolen imb in ber ©infam* 
feit feinen ©ebattfen nadjjufjängen, ba ftanb plöplicl) bie 
greife ©eljerin öor iljm. 

^ofo entpfanb jebegntal ein unfjeintlidjeg ©rauen, toenn 
er bie tjütje, ernfte ©eftalt biefeS SOßeibeg falj, er Ijatte aug 
bunfeln Slnbeutungen ber Seute, Bei benen er nadij feiner 
Butter gefragt, erraten, bafj biefe Qrrau bei bent 33er= 
fdfjtoinben berfelben eine OioKe gefpielt, er toufcte, bafj fte bie 
Vertraute feineg Söaterg toar, nnb toenn fte i|n, fo oft er 
it)r begegnet, audj ftetg in tootjltoollenbem Slone ermahnt 
Ifatte, ©efjorfam gegen ben SSater 3 U üben unb fidj 31 t 
einem gelben augaubilben, ber toor feiner ©efaljr erbebe, 
feiner 3 ufunft leudfjte ein gelter ©tern, fo Ijatte er bodj 
nie SSertranen 3 U it)r faffen fönnen, nie toie Slnbere ftd^ 
bei ber ©eljerin Sftatlj Ijolen mögen. 

„®er |>err ber grasten neunte 3Didj in feinen ©djujj," 
rebete iljn bie Sitte an, „S)u toirft über bag 9Jteer sieben. 
Slber ber ©ott, ben unfere 33orfal)reu mit bent geflügelten 
©djlangenftab in ben ^eiligen föunen bejeic^neten, toelcfjer 
ben Jbaufleuten bag ©olb mehrte, ift audfj ber genfer ber 
fcfjäpeljäufenben SBürfel, ber ©ott beg ©pielg. £radfjte 
nidjt banadj, iljn 3 U felfen, toenn er ftatt beg golbenen 
|)arnif<f)cg ben üielfarbigen Söunfdfjntantel um bie ©djul* 
tcm Ijängt, tradjte nict)t nad) bem Hänfen ©olbe, fon* 
bern nadj bem 9iul)me, ben bie ©falben in etoigen Sie* 
bern preifen." 

„ 2 Benn SDtt cg toeifjt, bafj idj in bie tfrembe gie^e," 
OerfeHe -£>afo, ben 33li<f füljner 31 t ber rätfjfelljaften fjrau 
erljebenb, „fo fdjauftSDn and), toag mir bag ©djeiben bon 



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.fnftorifdjer Stornan t»on ©. ü. ©ebenrotb- 99 

her .gieimatf) erfdjtoert. ^©age eg mir unb idj Werbe ©ei= 
nem Statue bertrauen." 

,,©>u ^aft bag ©rab ©einer Mutier teer gefunben," 
antwortete bie ©reifin, „unb Stietg ©orften bat ©ir ge= 
fagt, ©u Wfifjteft nid^t , Wer ©u feieft. Stimm biefen 
Sting unb trage itjn auf ©einer Sruft. Sin bem ©age, 
Wo fidj ©einem Stide bie Stätbfet ©eineg ©afeing töfen. 
Wirb er ©ir junt ©aligman Werben, bann fage, bafj 
Sranba bon ßobatg*$aabe ©ir ben Sfing gegeben." ©a* 
bei reichte fie ibm einen Sting öon attertbümtidjer SIrbeit. 
,,©em f£tuge her Kraniche finb bie 3eid^en her Stunen 
abgefeljen, unb bie ^eiligen geidjen, bie ben Äranicb auf 
biefem ©tein umgeben, Weiten ben, in beffen |>anb bie 
©ötter biefeg Beiden legen. -&alte ©eine -fpanb rein bon 
©cbutb." 

„©age mir, ift Stietg ©orften mein Später," rief £mfo, 
Wie im Staufdje feinem -gjerjen Suft madjenb, „ift greia 
meine ©djwefier? SJtujj id) ftagen um bie SJtutter, bie 
midj geboren, ober tjabe ich fie 311 röchen 1 ?" 

,,©ie ©<hulb ju rachen ift ©a<he ber ©ötter, unb 
Weffen ©afein bie ©ötter mit ©djteiem umWoben, ber 
fott Darren, big fie ihm bie Sinbe bon ben Slugen sieben, 
©eborche bem, ber atg Später über ©ich gewacht unb ©idj 
gehütet böt, bie ©anfbarfeit ift eine ^eilige Pflicht. ©raue 
bem Qfremben nicht, ben ©u bem SJteere entriffen, taffe 
©id) bon deinem leiten, Ijönge ©ein ^erj an feinen 
ftreunb, an fein Söeib, ehe bie Sfätbfet ©eineg ©afeing 
getögt finb. ©enfe, ©u feieft ber freie ©otjn biefer Serge, 
beffen .fpeimatt) ftrembe in betten gefdjtagen tjabcn, unb 




i. 

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100 &er lefcte f$rolfun 0 er. 

S)u bilrfeft 3)ein £>aupt exft ergeben, Wemt baS £anb ber 
Normannen toi eher frei ift — bann foXXft SDu in deiner 
|>eimath £)ir ein |>auS grünben, unb üor ben ©tufen 
Werbe ich liegen unb bom Fimmel 2)ein ©lücl erflehen." 

$)ie (SJreifin erhob ihren ©tab unb fd(jWentte ihn Wie 
fegnenb mit ben barauf eingegrabenen Seichen über beni 
Raupte beg SünglingS. @S butte wie eine SSerheifcung 
au§ ihren Sßorten gelungen, bie ihm Ungeahntes, ©rojjeS 
prophezeite. ©r fühlte fith Wie itnSSann eines 9taufdheS, 
Wie betäubt; baS Söunberbare, baS er fith nicht zu er= 
Hären, nicht zu beuten wagte, padtte ihn mit get)eimnifc= 
botler, unwiberftehli«her ©eWalt. 

2>ie ©eherin war öerfdhwunben. $l(S £>alo am 9lbenb 
heimlehrte, nachbem er ©tunben lang an ber Meereslüfte 
umhergeirrt hatte, ohne fich über baS 5Craumbilb, baS 3ene 
bor feine ©eele gezaubert, llarer geworben zu fein, prangte 
ein 5Jtorblicht am -fjimmel. SDic ©chWefter ber 2lbenbrötE)e 
erfcheint, Wenn ihre ^Botinnen, bie Weiten, zarten, ranb= 
gefieberten SBollen entporfdhweben unb fich am bie ©ternc 
legen. 3uerft fcbwach, wie ©onnenftrahlen , bie in ben 
blauen fffluthen beS McereS fpielen, erglüht baS 9iorblicht, 
bann färbt ein fanfteS ßarmoifin ben Fimmel, auf ber 
SBangc ber 9iadht liegt ein ©rröthen. $>ie färben lommen 
unb gehen, aus Äarmoifin in ©olb, aus ©olb in ^armoijtn 
fidh berwanbelnb. Sluf bem ©chnee liegen fjlocfcn rofigen 
ßidhteS, zweifach bont 3enith nach Cften unb nach Söefien 
flammt ein feuriges ©chwert unb ein breites 33anb, Wie 
ein ©onnenuntergang im ©ontmer, geht quer über ben 
Fimmel. (Sanfte Sßurpurwolfen fegcln über baS 3firma» 



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,£>i[torif<ber Vornan uou ($. £). u. 'Sebeitvotl). 101 

ment, unb butdj ihre bunftigen galten teinfen unb fdjim* 
mertt bie Sterne teeifj tote Silber. 

(Sebharb unb Ofreia tearen aul bent |>aufe getreten, 
bie Spracht bei ^torblidjtel atyuftaunen. Söd^tenb bie Bei* 
ben jungen Seute bie Gräben bei 9tcjjel gefnotet, Ijötte ber 
[chelmifche (Sott ber Siebe ihre <£)eraen mit unfichtbaren 
ftdben ‘berftridtt unb bann SBeiben bie klugen geöffnet. Sie 
hatten einanber fich mit $anb unb 9Jtunb berpflichtet, 
all fte aber fich feji umfchlungen Raiten unb i^re Sippen 
noch glühten bom erften $uff, toar bie Seherin plöijlich auf 
ber Scfjtoelte erfcf)ienen. Sie hatte fein Söort gesprochen, 
aber ihren Stab brotjenb erhoben unb fich toieber entfernt, 
ein Reichen, baf fte ben SSnnb nic^t fegnen fönne, bajj ben 
Siebenten Unheil brohe. 

©ebfjarb ^atte ber Slngft ffreia’l gefpottet, afl btefet 
beim Slnblii! ber mitten bal 23tut bon ben SBangen ge= 
toteren mar, er lächelte über ihren Slbetglauben, all $reia 
auch in bem Slufflammen bei 9torbüihtel eine brohenbe 
$orbebeutung fal) , unb ben 5lrm feft um ihren 9latfen 
fdjlingenb, faßte er, tote bal geaütfte feurige Sdjteert über 
ben norbifdjen Fimmel flamme, teerbe bie 2Jtac£)t ber 
$anfa Mittel niebertnerfen, toal iljr tro|e. SBenn bie Sllte 
ihn bebroht habe, fo betfünbe ihm biefel 9torblicht, baff 
er fuh feine ©eliebte erobern toerbe, toenn er all Sieger 
über bie SDüncn toieberfomme. „2)etnel SSaterl |>aB gegen 
bie S)eutfchen ift teie ber Schnee bon ben SScrgen gefchmol* 
aen, feit ich hier teeile unb ihm gejagt höbe, teie bie .jpanfa 
freie Bürger aller SSölfer bereinen teilt ju einem SBunbe, 
aber nidjit banadj trautet, Stinber jju erobern unb 



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102 



©er lefcte fjolfunger. 



unterjochen; ich habe mit fein |>er 3 getoontten, aber er 
mürbe mich nicht atzten fönnen, forberte ich ©eine ^anb 
öon ißm, ehe auch mein SSater bie 2 ßabl meines ^erjenS 
billigt. SSon bort Ijer brotjen bie ©türme. Slber fürchte 
nichts. 5Jtuß idC) auch mein hoffen als ein ©ebeinutiß bergen, 
bis icb bem ©tol^e meines SßaterS baS ftamort abgerungen, 
fo mabre ich ©ir hoch bie ©reue, ©cbmöre mir, baß ©u 
nid^t besagen mittft, baß ©u bie ÜJleine bift für emig!" 

fjrteia flaute auf, ba erblicfte fie ben S3ruber, beffen 
9luge fd§on baS Sßaar beobachtet batte, unb eS mar ibt, 
als mame fein fd^mer^tid^ trüber 23licf fie baoor, fidb 
an ben Sremben 3 U fetten. ©aS 9torblid§t urnmob fein 
•fpaupt mit golbigem ©cheine. S3iS bor Äußern noch batte 
ibt |>er 3 ibm allein gebürt, unb eS mar ibt, als aerteiße 
fie baS 33anb amifcben ihnen, menn fie ihre 4?anb iu bie beS 
fjremben lege, ©ie 3 ögerte, ©ebbarb 3 U antmorten, unb 
als biefer «jpafo j[e^t ebenfalls bemerfte, flammte eS in 
feinen 9lugen auf mie $aß, aber rafcb entfcbloffen trat 
er $afo entgegen. „3<h möchte baS geben, baS ©u mir 
gerettet,, ©einer ©dtjmefter meiben!" rief er, „baft ©u 
etmaS gegen mich, fo rebe." 

„SEßenn ffteia ©ir bettrauen miß," antmortete $afo, 
„fo ift eS ibreS 93aterS ©aefje, ©ir 3 U antmorten, baß ich 
Sfteia rächen mürbe, müßte fte eS je bereuen, baß fie einem 
ftremben bertraut." 

„ 3 meifelft ©u an meiner ©b*^" berfeßte ©ebbarb, 
geregt bureb baS Mißtrauen, baS auS biefen SCßorten 
Hang, aber greia berbinberte eS, baß ber Söortmecbfel 
einen febärferen ©barafter annabm. 



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£>iftorifd)er '«Hoimm uon 6. £>. u. üDebemotf). ' 103 

„ 3 ürne üjm nicht," toanbte fie ficf) bittcnb au ©eb= 
harb, „er ift mein ©ruber. ©leibe @eb^arb’§ fyreunb," 
flet;te fie , $ato’S ^anb crgreifeub, „Wenn ich ®ir tocrtfj 
bin. 3ch ^abe ihm mein .£>era angelobt für affe 3 eit, 
in ©tücf ober Unglücf, taffe eS nicht toat)r Werben, WaS 
bie ßeute fagen, baß eS Unzeit bringt, bie 5Jtenid§enpfIicfjt 
an einem ßrtrinfenben au üben ; mache eS ihm nicht ferner, 
S)ir banfbar au fein." 

4?afo flaute fjfreia tief in’S 2luge; eS War, als riffc 
er ficb mit biefem ©liefe loS Don iljr, als nehme fein 
|>era Slbfdjieb bon bem ihren. „25u Wittft eS," fagte er 
leife, „ich gehorche, er wirb mir heilig fein." 

S)amit brüefte er bie $anb ©ebljarb’S unb fchritt in’S 
<£>auS. 

5 . 

3n bem (Srferaimmer beS erften ©tocfrocrtS eines ber 
fiolaeften ©atrijierhäufer bon ßübeef faß bier ©Jochen nach 
ben bort)in gefchilberien ©egebniffen eine reich gefleibete 
Srau an einem mit pergamenten bebeeften ©djreibtifche 
bon herrlich gefd^ni^ter Slrbeit. S5aS 3immer hatte bier 
fünfter, je jtoei unb awei mären tief in bie ungeheure 
SDicfe ber ©lauern eingetaffen unb bilbeten ©ifdjen, 511 
benen atoei Stufen hinauf führten, Schwere Xruheit bou 
bunfelbraunem (Sichenhola mit funfiboßen Schlöffertt ber* 
fehen unb mit braunen ßebertiffen bebeeft, bilbeten ©iß= 
bläh e an ben Senftern; aWifdfjen biefen Truhen befanben 
ftch fleine Shfche, beren Platten auf* unb herabgefchfagen 
Werben tonnten, bie ffenfier felbft beftanben auS einer 
großen Slnaahl bon flehten , in ©lei gefaßten Scheiben. 



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104 



2)er lefctc Solfungcr. 



$ie 9tifcf)en !onnten burdfj baä Jg>etaHafj[cn fdjtoeret 33or= 
bänge bötlig gefdjtojfen merben. 

3)ie 3?rau, tueld^e auf einem ©effet mit tjo^er ßebnc an 
bem ©cbreibtifcbe faß, mäbrenb ein Sabotier mit bem 
SSarett in ber -£>anb einige ©dritte bon ibr entfernt e^r= 
erbietig baftanb, hm SJiargaretba bon ©änemarf unb 
9tormegen. 2)ie Königin mochte bamalä ffinfunbbreißig 
Starre ^äbten, fte mar bon ^ol§er ©eftalt. lieber einem 
fammetnen Unterfteibe trug fie ein UeberKeib bon purpur» 
farbigem 2ltia§, ba8 mit gotbenen ßißen eingefaßt mar; 
ber ben 9taden berljüttenbe ©pi Anträgen bitbete hinten bi§ 
jjur falben $opfb&b e emporfiebenb eine 2lrt Stammen, au§ 
bem ba§ 2lnttiß tjerbortrat. Sin .fpermelinpelä mar leidjt 
über bie ©futtern gefdjtagen, ein bon diamanten unb 
©appljtren blißenbeS Collier umrahmte ben $al3, unb bie 
©ammetmüße, tnelcbe bie -£>aarfüHe bis pm ©djeitet 
bebedte, mar mit einer tone gefdjmüdt. ?lueb bie 3lrmc 
tauchten, mie ber £>al§, auä einem 9Jleere bon mattgelben 
©pißen ^erbor, gegen metdje bie 2Bei^e ber garten $aut 
um fo btenbenber tjerbortrat. 2Baren bie ßinien ber 
©eftalt bon ebelfter ©djöne, fo blißten ©eift, 2öiß unb 
93erfianbe§fcbärfe au§ ben Haren 9lugen, bie regelmäßig 
gefdjnitienen 3fige Ratten faß etmaä 9Jtünnlicbe§, aber bem 
SluSbrud eine§ feften 2ßiEen§ fehlte au<b nidjt ganj, be* 
fonberS menn fte lädfjette, ber milbernbe £aucb ber SBeib* 
lieblei t. 

3)er Sabotier, metdjer ber Sntfcbeibung ber Königin 
auf Sßorfdßäge, bie er bont ©djmcbenlönige gebracht, barrte, 
mar Mennig b. ^Jloltfe, einer ber hieran 33ormünber ber 






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4?iftorijdjer ftoman oon o. 55ebenroi(;. 105 

Äiitber «fpeintidij'ä beä ßömen, ein medlenburgifdEjer ßbel= 
mann, toeldjer bem .fperaog SUbredjt nadj ©djmeben gefolgt 
mar, at§ bie |>anfa biefen dürften ben ©d&meben junt 
Könige borgefdjlagcn $atte. Grr trug einen fdjmaraen, mit 
Raffet gefütterten ©ammetroif mit meiten 2 termeln über 
einem 2 ßamm 8 bon fdtjtoarjem Sltlaf, in einem mit ©olb 
gefticften ©firtel fiat ein SDoldj, bie golbene tftitterfette 
mit bem ©djauftüdf mar fein einziger ©djmucf. 

lag fcf)on eine 2 lrt .^eraugforberung barin, bafj ber 
Slbgefanbte unb SBertraute be§ ©c(jmebenfönig§ feine foft* 
barere £rad(jt getoä^lt, um bor SRargaretfja 3 U erfdjeinen, 
bie SBotfdEjaft, bie er gebraut, fdjien benn aucfj feine ber 
Königin angenehme 3 U fein, unb bie ernfte, faft trojjige 
SJtiene, mit melier SJloltfe bie äujjere gorm ber @§r= 
erbietung erfüllte, betoicS, bafj er eljer einen ablefjnenbett 
Sefdtjeib, al§ eine Sßerljanblung münfcfjte. 

„SJiein föniglidjer SSetter," natjm 5ftargaretf)a 
ba§ UBort, tnbem fie ba3 bor iljr liegenbe Pergament bei 
©eite fdEjob unb ftcfj au fUtoltfe menbenb, ba§ Sluge foä= 
fd^enb auf ben fdjönen 3Jtann heftete, ber fte anfdtjaute, 
al§ fei er gegen ben Sauber iljreä 2öefen£ burdj ein 33or= 
urteil gepanjert , „mar früher menigftenS galant. Sä) 
roill jmar nic^t fagen, bafj idj großen Sßertl) auf feine 
Slrtigfeiten gelegt, aber iclj errate audj nicijt, moburdj id) 
il)m Stnlafj gegeben Ijabe, in mir eine Seinbin au arg-- 
toBfjnen. Sd£j bin ^ier, um ben Trieben mit bem ^anfa= 
bunbe a« befeftigen." 

Mennig b. 5 Jtoltfe lächelte ungläubig, „ffüdjtet fold^c 
SCßorte an bie ßübedfor," entgegnete er, „um fte bem 23ütib* 



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106 



$er lefete golfunger. 



nifj mit meinem Könige au entfrembeu, aber forbevt nicht, 
bafj id) fie au Äönig Sllbret^t trage." 

$a§ Slntlijj ber Königin färbte ftdj b&b er , fm erhob 
ftcb unb mafj ben ©beimann mit einem ©lide fönigticbcn 
©totaeS. „28enn ber Slbgefanbte be§ ©djmebentönigä be= 
auftragt ift, 3^»eifel in meine ©Sorte au fe|en," antmor* 
tete fie, „bann mar e3 nic^t bie Slbftdjt meinet SöetterS, 
mit mir au berbanbeln, fonbern mir au broljen. Slber id) 
tounbere mid), bajj er einen ©belntann gefunben, ber ftatt 
mir ben ^anbfdjub binaumerfen, fnb ^ergibt, eine Königin 
unb ein ©Seib au beleibigen." 

©o majeftätifeb mar bie Gattung ©targaretba’S in 
biefem ©ugenblid, unb ein foteber 3auber lag in ber ©djöne 
be» erregten, in ebtem Unmutb glübenben ©SeibeS, bab 
|>ennig bem ©inbrud nicht au miberfteben bermod)ie. SDaä 
©lut fdjob ibm butcb bie Slbern unb in feinem flammen» 
ben Sluge fpiegelte ftcb ber $ambf, ben er mit feinem ©or* 
urtbeil burebgefoibten. ,,©emei§t," rief er, „bab 3>b* nicht 
nach ©djmebenä $rone trachtet, unterfebreibt ben ©ertrag, 
ben i<b <£ucb borgelegt, unb 3b r merbet ba§ erfte ©Seib 
fein, bor bem id) ba§ Jfrtie beuge, ©eraeftjung au er» 
fleben." 

„3dj führe ba§ ©cepter für meinen ©obn," antmortete 
©targaretba, „unb toer bie ©efdjide ber ©öfter au lenfen 
bat, ber mübte bie ©djleier ber 3ufunft au beben ber» 
mögen, moßte er ftcb für lünftige 3eüen öerpflidjten. ©HU 
Sllbredjt ben Trieben, fo toerbe id) ibn nicht brechen. ©r» 
fpart ©ud) bie ©ntmort, märet 3b r ber ©ote eines anberen 
©tanneS, als $önig Sltbredjt, fo mürbe id) anberen ©e* 



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.jpiftorifcfier {Roman uon 6. £>. n. Xebenrotb. 107 

fcfyeib geben — ja, ftänbet 3$r bor mit alg Mennig 
b. SRoItfe, bet feinen Sinteren bertritt unb mir eine eljt=» 
licfje grage borlegt, fo toiitbe idtj micfj nidfjt freuen, meine 
5piäne mit ßucfj 31t befpred^en. SfJjr f$eint mir ein eljrlidjcr 
2Rann, unb begfjalb fränft midi) (Sucr Sltgmofyn. $d(j 
neibe $önig 2llbrec§t einen Sfteunb, ber ofjne ©djeu 
rebet, toie er benft unb ffiljlt, aber feljet (Sucf) bot, bafj 
Sffjr nic^t bon bem befrogen »erbet, ber @ud) gelehrt fjat, 
mir iu mißtrauen!" 

„3f)t feib fefjr gütig," entgegnete SRoltfe, ben Me 
Slrtigfeit SRargaretfja’g an bie SBarnung Sllbrecljt’g , fic^ 
nicf)t betören au taffen, erinnerte, »oßt mir ben 
-£>oljn berjjutfetn, mit bem 3ljt meinet Äönigg SSorfd^lftge 
abtoeifet. ßönig 9tlbred§t tftufdjt deinen, benn er fd^miebet 
feine {Ränfe, er teafjrt feine $tcne mit bem ©djtoert, aber 
er toirb bie ©piije beffelben gegen 2>iejenigen ricfjten, toeMje 
feine Untertanen butcf) fjeimlidje {Ränfe jurn Ungefjorfant 
unb jurn 2lufruf)t berleiten unb fie mit fdjönen SBorten 
unb 33etf)eijjungen täufcfjen." _ ^ 

SJamit bemeigte SRoltfe ftd^ tief unb berliejj, in 
fd^roffer SGßeife bag ©efprädj abbrecfjenb, bag ©ernad^. 
SDie {perfonen beg «jpofeg ber Königin, toeldje im 33or= 
jimmer beg Sluggangeg ber Slubiena darrten, fonnten eg 
aug feinen SJlienen lefen, bafj bie Skrljanblung ju feinem 
befriebigenben tRefuttat geführt fjatte. SRoItfe fdjritt er= 
fjobenen £>aupteg mit trofjig finfterem Slntlifc burd§ bie 
{Reifjen. (Sine junge fd^önc 2)ame, meldlje in einer ^enfter» 
nifcfje ftanb unb beren unruhige drtoartung einem 33eob» 
achter betragen Ijätte, bafj fie ein bcfonbeveg Stntereffe 



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I 



108 2er lefcte golfungcr. 

befchaftigte, Wechfelte mit bem Witter einen 33licf unb hohe 
9tötl)e beS Unmuts färbte ihre SQBangen. 

„©räftn Olfftröm!" ertönte au§ bem -Kabinet ber 9tuf 
ber Königin, unb bie junge Xante erfdjraf, als gittere fte, 
bafj Margaretha fie beobachtet haben fönne. Sie begab 
ftd) aur Königin, unb wer jejjt ihre ruhige, unbefangene 
Miene fah, h ö tte flieh* ahnen fömten, bafj fie eine leiben* 
fchaftliche Erregung bemeifterte. 

©bba Olfftröm War eine SBaife unb l^atte bis $u ihrem 
^Wan^igflen $ahre in Stocfholm gelebt; nach bem £obe 
ihrer Xante, Welche Mutterftelfe bei ihr toertreten, war 
fie 3 U 93erWanbten nach -Kopenhagen gezogen unb bon 
biefen an ben #of Margaretha’S gebraut Worben, wo fte 
jt<h batb baS Vertrauen unb bie ©unft ber Königin in 
fo ho^em ©rabe erworben l^attc, bafj Margaretha fte ftet§ 
in ihrer unmittelbaren Umgebung behielt, alle ©eheimniffe 
mit ihr feilte, ihre $läne mit iljr befprach unb fogar 
bie ©rjiehung i^reS Sof}neS Olaf ber Ueberwacfjung ©bba’S 
anbertraute. konnte ft<h deiner am |>ofe Margaretfja’S 
eine§ ©influffeS auf bie -Königin rühmen, fo fdjien ©bba 
ganj in bem Xenfen unb SBefen berf eiben auf gegangen, 
ein ^Weites 3 ch berfelben, ebenfo unnahbar für ©inftfifte= 
rungen, ein 2öefen, baS ber Königin mit Seib unb Seele 
ergeben unb ju eigen war. 

©S War für ben ganzen |>of ein SRäthfel, Woburch e§ 
©bba, bie hoch eine geborene Schwebin War, gelungen, 
ftch baS Vertrauen ber fonft fehr argwöhnifchen gfirftin 
in fo hohem Mafse ju erwerben, bafj biefc finge 3frau 
fich einbilbete, ©bba fönne feine anberen $ntereffen haben 



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i 




&iftorifd)er Vornan oon G. £). o. $5ebenrotb. 109 

alö bie ihrigen. ^Jiifjgönnte aber ber 9leib einer ^remben 
fo ld}t Seboraugung, unb gelang e§ deinem, fidj bie ©unft 
ber fcfiönen ©djtüebin au erobern, fdjien e§, als fei fie 
gegen 9lmor’3 Pfeile gefeit, fo fanb hoch baS Sluge ihrer 
Kleiber unb fteinbe nicht ben geringften 9lnlafj, fie ber 
Königin berbächtigen au fönnen, e§ fcf)ien, alä fei fie 
loirflich ein barmlofeä tfinb, beffen |>era, burd) S)anfbar= 
feit unb Siebe an bie Königin gefeffelt, nur banacf) traute, 
ben Sntereffen berfelben au bienen. 

SDiefeä Üinb toar aber ein blübenbeS Söeib. fehlte ib m 
ba§ Verlangen, ba§ bie 9latur in jebeä 2öeib gelegt, einen 
©atten au finben, beffen Siebe fte beglüden fönne, ober 
berleugnete fie, bafj ihr ^era fd^on baä bitterfte SQßeb er* 
fahren unb mit ber Hoffnung gebrochen 1 ? Söar fie toirf* 
lidj unempfinblicb gegen bie Sölide bon 33erel)rern, ober 
heuchelte fte nur biefe gteicbgiltige $älte, mit ber fte jebe 
.gmlbigung aurüdtoieä? 

„2)u baft mir ben 2Jtann bodj toobl nicht richtig ge* 
fdjjilbert, Gbba," begann bie Königin, alä bie ©räfin hinter 
ftd) bie Üf)üre beä ßabinetä gefdjloffen. „Unfere S3er= 
banblung bot ein anbereä Gmbe genommen, alä idb ge* 

hofft." 

Gbba fpielte bie Ueberrafdjte, ^Betroffene, ber fc^ärffte 
^Beobachter hätte au§ ihren fötienen nicht erraten fönnen, 
bafj fie auf biefe Jhtnbe borbereitet getoefen toar, bafj fte 
Ueberrafcbung nur heuchle. 3lber e§ fptacb fid) in i^ren 
Bügen auch jene tbeilnebmenbe 9ieugierbe auä, toelchc 
ein toarmeä Bnteveffe befunbet unb Vertrauen ertoedt. 

„Sch b°fie (Surer ^ftajeftät nad) beftetit Söiffett gefagt, 



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110 35er tcfetc ftolfitnger. 

toag ify über |>ennig Eioltfe früher gehört," fagte fte, 
„er galt überall für einen Etann, in bem fein £rug nnb 

8faW 

fölargaretfja anttoortete nidtjt fogfeicfi, fte bemerfte eg 
auclj nid^t, bafj ber forfctjenbe 33 lidf (Sbba’g ettoag Stedden» 
beg Ijatte, iljr Sluge toar 3U SSoben geheftet. 

,, 3 d() tooEte," fagte fte nadtj einer $aufe, faft toie 3U 
ftdfj felber rebenb, „Sltbredbt oon Scfjtoeben ptte mir einen 
anberen SEamt gefdjtdft. 33) fann eg 2)ir gefielen, Grbba, 
bor biefent fdjämte icf) mich beg uneljrlid&en Spielg, er 
fd^ien eg 3U argtoöbnen, bafj ictj ben Vertrag boc^ nur 
mit luntergebanfen unterf ^reiben fömte. 33) ^öbe eg 
nid^t getfian. 33) bermotijte micfj nicht bor einem Etamte 
3U berfteEen, ber mir in’g Sluge fab, toie biefer!" 

SDie Königin flaute noch immer 3U Soben, fte fab 
eg nicht , wie e§ aufblifcte in ßbba’g Singen, nnb toie 
eg bitter um if)re Sippen 3udfte, fte hätte fonft ent* 
bedfen mttffen, bafj biefeg 2Beib fie hoffe , bafj in biefem 
fcfjeinbar l^armlofen, ibr böEig ergebenen SSefen eg auf» 
3ifchte , alg tooEe bie Solange, bie fte umringelte, ©ift 
fpeien. 

„@g fcheint faft," fagte @bba mit fanfter (Stimme, 
afg ob fte fcfjmeichefnb ftch in J g Vertrauen fteljten tooEe, 
„bafj Mennig Ebftfe fich bag 3ntereffe meiner Königin 
erobert l)at. Stber bann berftehe icfj cg um fo toeniger, bafj 
3b* ben Vertrag nicht unterfctjf teben. SEit ber Slbfe^nung 
habt 3b* boct) ihm ben fpanbfdfjub fjingetoorfen." 

„Eidijt if)m! 9 Eir blieb nur bie SBabh bie Unter» 
fctjrift absuleljnen ober midtj mir felber beräcljtlidfj 31t 



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^iftorifcfter Montan oon ©. o. Sebenrotb. 111 

macfjen bor bem erften SJianne, ber e3 getoagt fjat, mein .§era 
auf^urufen aT§ 3e«gen gegen meine Sippen. 35odj e§ ift 
gefd^e^en, unb mein ©oljn muB babon unterrichtet toer* 
ben, baB et ben Mbgefanbten beg Äönigg bon ©darneben 
nid)t 3 U empfangen Brauet — aber toag ift Sir, Gbba, 
Su bift bod^ nicht ftan!? Seine SBange ift bleich «nb 
Seine «gjanb ift falt." 

„ÜJlir ift nidjtS — aber eg gefjt mit nahe, baB ber 
$lan meiner Königin bereitelt ift. 2tudj toirb eg ferner 
fein, bem ^rinjen bie beränberten Sßerhältniffe au erltären, er 
freute fidb fetjr barauf, einmal im föniglidfjen ©ctjmutfe eine 
Slubiena au geben unb einen ©taatgbertrag au unteraeidfmen." 

©g flog toie ein ©Ratten Über sjltargaretba’g SlntliB- 
„5Jtan lönnte itjm bag eitle Vergnügen getoatjren, bie 
Mbgeorbneten ber .gtanfa alg $öntg ber Sänen unb Mor* 
toeger an empfangen," berfe^te fie , „aber ich traue ihm 
nicht mehr, er fdtjeint fleh nach ber 3eit au fernen, too 
er münbig erflärt toerben fann, unb je^t , too ber 33rudj 
mit ©darneben gefd^e^en, ift hoppelte 2$orfid£)t geboten. 
9Jtan toirb betfudfjen, ben törichten Knaben aunt Unge^or» 
fam an berleiten, er muB ftrenger übettoadjt toerben alg 
je, bag ©piel mit ber Ärone ift gefd^rtid^." 

„Gg ift getoiB anm ©egen Guter Söölfer, baB 3h r bag 
©cepter führt, unb ebenfo ©uer Med^t, ©etjorfant bom 
©ohne au foTbern," entgegnete ©bba, „aber um ©urettoiHen 
bitte ich ©udh, 3 eigt eg toeniger bor ben Seuten, toeldb’ 
geringeg Vertrauen $h* auf Guten ©ofjit fefjet, ©ure 
ffreinbe fd^mieben baraug Söaffen ber SSerleuntbung gegen 
©udt) — er ift ©uer ©otjn — " 



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112 



$er lefcte f^olfunger. 



i 

„5Du toeifjt eä, bafj mein -fpera baratt atoeifelt. |>ütte 
er mein 33tut , fo toüre er ein 2Jtann. 3$ oerachte ba§ 
©erebe ber SJtenfchen. S)e§ 9torben§ SÖölter beieint ba§» 
felBe SStut, biefelben Sfntereffen, Dtetigion unb Sitten, unb 
toie ber 2Jlenfch nadj bem brängt, baä itjm fein ©ott 
im SEraume jeigt, fo brdngt e§ gucf) bie 33ötfer, ihre 33e= 
ftimmung $u erfüllen, unb toer oon ©ott etforen, fte p 
leiten, ber ntujj biefe§ 3iel int 2luge haben, mu§ in biefem 
©eifte fie führen, ober ber Strom geht über ihn tjintoeg. 
.fpütte ich einen Sohn, ben ich järtlidj liebte, unb ich 
erachtete ihn nicht toerth biefer tjoljen Aufgabe, fo liefje 
ich itjn lieber in einen Werfer fperren, all mein äöert üon 
ihm jerftören, ihn pm Söerberber meiner tJteidje loerben 
p laffen." 

2)a§ 2lntlit$ ber Königin glühte in ßeibenfchaft , alä 
fie fo fprach, e§ toar als fdjlügen bie flammen au8 ihrer 
innerften 33ruft, au3 bem <£>erbe ihrer ge^eimften ©ebottfen 
unb $(äne. Ebba flaute fte an, mie boit Segeifterung 
hingeriffen, aber e§ glühte büfter auf in ihren Slugen, 
toenn bie Königin ben tBlict abgetoenbet, als grolle fie 
bem SBeibe, ba§ fte toiber SEBiHen pr Setounberung ^toang. 
E3 mufjte ein feltfameä ©entifdh bon |>afj unb S3erehrung 
fein, ba§ oerborgen in ihrer SBruft tobte, nur bie 33eroun* 
berung fonnte ihr Stuge fo beleben unb nur ber tieffte 
.fpafj tonnte iljr bie Selbftbeherrfdjung geben, ihren ©roll 
über bie eigenen ©efüljte p berbergen, Ergebenheit p 
heucheln. 

2ll§ Ebba bie Königin Oerlaffen unb ftdj auf ihr 3intmer 
begeben hotte, als fie fich allein toufjte, ba Oerüuberte ji<h 



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^iftorifcljer Oioman oon E. £). o. SDebenrotb. 113 



ber ganae 2lu§brucf ihrer 3üge, unb toer fie jejjt fah, . 
hätte in iljr baä SBefen nicht toieber erfamtt, ba§ ftetS 
eine harmloä !inblid)e 3Jtiene aur ©d)au trug, ©chmera* 
lidje 93itterfeit, ein 9Iu§brud ber 9Uebergefchtagenheit, ber 
an 93 er 3 toeiflung grenzte, malte fnh in ihrem Slntlijj, 
unb, toie erfd^öpft aufammenbrechenb , fanl fie in einen 
©effel. — 

Mennig b. 9Jtoltfe hatte, toie toir ertoähnt, beim 93er* 
Iaffen ber 93orgemächer ber Königin mit Ebba einen 93lid 
getoechfelt, ber ein geheimes Einberftänbnifj mit ber 93er* 
trauten ber Königin toerriet^. 

Er hatte fie bor einigen Sauren in ©todljolm lennen 
gelernt, al§ bie junge ©räfin noch im .£>aufe iljrer 93er* 
toanbten mahnte, unb man hatte fie ihm al§ eine 2>ame 
beaeidjnet, toetche baS .jpera be§ flönigä 9llbred)t in glant* 
men gefegt habe. 2>a§ bebeutete nun eigentlich nicht biel, 
benn 9Ubred)t toar fthon al§ |jer 3 og bon 3ftedlenburg ein 
fehr galanter ^err getoefen, unb benutze je^t ben ©lana 
unb bie 9Jtadjt, bie ihm bie ßönigäftone berlichen, um 
ftih über alle föüdfidjten hintoegaufefjen , too eä bie 93e* 
friebigung feiner ©etüfte in allen irbifdjeit ffteuben unb 
Triumphen galt, er hatte fidj baburdj fdjon Mächtige bcä 
SReic^eS au fjeinben gemadjt unb bie Erbitterung ber 93iir* 
ger Ijerborgerufen , aber hier berleugnete er feine fcde 
3Dreiflig!eit , obtooljt Ebba fo gut toie fchutjloä baftanb, 
benn ihre alte 93ertoanbte fühlte fich burch bie 93efudje be§ 
Königs in ihrem |mufe gefchmeichelt. 933er bie ©etoohn* 
heiten be§ Königs fo gut lannte, toie 9ftoltfe, bem mufjte 
eS unerllärliih bleiben, burch toelche geheimnifjboHe 9Jtad?t 

SHbliottiel. 3af)rg. 1886. 33b. V. 8 



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114 



Der lefete ftolfunger. 



. baS junge Mäbdjen ben $önig in beu ©djranlen eines 
achtuitgSbollen SßerehrerS ^ieXt nnb bod) art ftch feffeTte, 
mäfjrenb SUbredjt fonft biel au eitel, au launenhaft unb 
au flatterhaft mar, um fi<h anbauemb um bie ©unft einer 
Dame au bemühen, bie ihn ernftfjaft abgemiefen. 

^ennig hatte fidj noch nie mit einem SBeibe fo biel 
in ©ebanlen befdjäftigt, mie mit biefem rdthfclljaften 2öefen, 
bon bem er nicht ttmfjte, ob fte als Söeib Hochachtung 
berbiene ober eine gefcfjidte $omöbiantin fei. Die ent= 
gegenlommenbe 3?reunbli<hteit, bie ihm Gebba aeigte, mahnte 
ihn baher jur 33orft<ht, je größer bie 33erfud)ung mürbe, 
fein ©lüd bei ber fdjönen ©räfin au erproben. 

Der SBruber (Sbba’ä marb, als er fein fe<h 3 ehnte§ 3fal)r 
erreichte, unter bie Gbelf naben beS Königs aufgenommen, 
bann berfchmanb 3fene plöfclidj au§ ©todhotm, unb Moltle 
hatte fte erft geftern in ber ©trafje im ©efolge ber $5= 
nigitt Margaretha mieber gefehen. (Sr täufchte ftch nicht, 
benn als ihr umherftreifenber 33lid ihn bemerlte, ergofj 
ftd) eine glühenbe 9töthe über ihr Stntlip. 

Die Ueberrafdjung Moltfe’S mar leine geringe. 3ll§ 
ßbba b. ülfftröm plöhlid) Stodffolm berlaffen hatte unb 
fftiemanb mufjte, mohin fte ftch gemenbet, hiefc e§ a^ar, fte 
habe ein 2lft)l bei augmäitS lebenben SSermanbten ange* 
nommen, aber man flüfterte auch, fte habe ftch entführen 
laffen unb lebe auf einem ber löniglidjen 6d)löffer. fttach 
SIKem, maS borgegangen, erfdjien ihr 23erfdjminben auf 
biefe Sßeife am natürlichften erllärt, ba ber Äönig, ber 
ftch bod) fo lebhaft für fie interefftrt, leine fftadjforfdjungen 
anftellte, fie audj gar nicht au bermiffett fchicn. ^efct aber 



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^iftorifd&er SRomcm bon 6. o. Debenrotf). 115 

falj 9JioItfe bie 23erfc£)tounbene in ber nädjfien Umgebung 
einer Königin, beren Sfntriguen $önig SUbrecijt gefäf)r- 
lieber als bie offene fjeinbfcfjaft Dänemark geloorben 
mären; er falj bie ©dljmebin atä Vertraute ber bünifefjen 
Königin, unb ©bba gab ifym burd^ berftofjTene ©efien ben 
SBinf, ifjr nidjt au baljen, fie nicf)t als 33efannte au be- 
grüben ! 

ÜJloItfe fjatte ftdj gegen ben Auftrag Sttbredjt’ä geflräubt, 
ba er iooffl mit bem ©dtjtoerte breinaufd£)lagen unb einen 
|)anbfdfjuf) fjinautoerfen , aber fiefj nicfjt auf Diplomatie 
unb 9tänfe öerfte^e ; e§ toar if)tn jefjt fefjr toiflfommen, 
bab ßbba feine Stnnöfjetung feiner 5ßerfon toünfcfjte, benn 
er moEte feinen Auftrag efjrlicf) boEaief)'n unb feine 6T;re 
rein fjalteu bon bem Slrgfoofjn, al§ fei er nebenher au 
fjeintlicfien Stntriguen beseitigt. 

(5r fottte fidE) jeboefj nidfjt gana bem ßinfluffe @bba’3 
entaieljen fbnnen. 2E8 er am geftrigen Slbenb ftdj in 
feinem Quartier aut 9tuf)e begeben tooEte, trat eine alte 
§rau bei if>m ein, tocldje ifjm eine SBotfd^aft bon 6bba 
braute. Sdjon bie geljeimnibboEe 3trt, mit ber ba§ Söeib 
fictj bei if>m eingefcljlicfjen Ijatte unb fiefj if)tc§ Sluftrageä 
entlebigen moEte, macfjte auf i§n einen für 6bba fefjr un- 
gültigen ©inbrudE. Die grau fdfjien au glauben, bab i§u 
bie SBotfdfjaft bon einer frönen, bornefimen ‘•tonte begfücfen 
müffe ; fie fagte, er toerbe feinen 3mecf r dtjen, aber bie 
Königin toerbe bem Vertrage eine fpitjF * Älaufel bei- 
fügen, er foEe baran feinen 3lnftob , bie ©räfitt 

Olfftrbm, beren |>eta gut fd^toebifu,, yeoittben, berbürge 
fief; bafür, bab ber ßönig 2ll6red£)t aucij mit ber betnnbertnt 



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116 



$er leßte fjotfungcr. 



Raffung beS Vertrages pftiebert fein toerbe. SBenn ber 
Vertrag unterjeicßnet fei, braucße 9Holt!e fidf) nidßt rneßr 
31 t freuen, in Sbba eine alte 33efannte 3 U begrüben, bie 
ftdj freuen toerbe, mit ißrn bon alter Seit 3 U plaubem. 

9Jtoltfe anttoortete, baß er !late 33efeßle ßabe unb 
batnadj ßanbeln toerbe. 9llS er ßeute ber Königin gegen* 
über geftanben, ßatte er bietleicßt gerabe infolge ber 33or* 
ftetlung Sbba’S, bem Statue entgegen, bie Königin 3 U einer 
eßrlidßen unb offenen Slnttoort in einer SBeife ermahnt, 
bie eS SJtargaretßa unmöglich gemalt, fiefj ßinter 3toei» 
beutigfeiten 3 U berfieden. 6S toar möglich, baß @bba 
föecßt ßatte, unb $önig TOrecßt feine £anblung 8 toeife 
mißbilligen toerbe, aber baS madjte ißm leinen Äummer; 
ebenfo toentg bebuuerte er eS, baß ißrn jeßt aueß eine 
berfönlicße Begegnung mit @bba berfagt fein foHte. 68 
blieb ißm jeßt eine 9lnfe<ßtung erfpart, beren 9teia er fteß 
nießt ableugnete, ben feine gefunbe Statur aber eßer füreß* 
tete, als ßerbeifeßnte. 

Mennig b. 9Mt!e begab ftdß jum tftatßSfeHer, um fieß 
bureß einen £run! 3 U erfrifeßen. 68 ertoartete ißn bort 
.§ert 23lafiu8 ©ture, ber ©oßn eines ber reießften $a= 
trister bon £übecE, bei toelcßem er Slbfteigequartier er* 
ßalten ßatte. 

SÖäßrenb $err 33lajtu8, ber überaus loflbar in ©ammet 
unb ©eibe gelleibet toar, bei einer tfanne füßen SBeincS 
nodß ber föücfleßr beS tKitterS bon ber Slubiena ßarrte, 
traten 3 toei iunge TOnner in baS ©etoötbe, bon benen 
ber Sine, fobalb er $enen erblidte, ißn bertrauließ, aber 
leineStoegS freubig ober ßer 3 licß begrüßte. 



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IE" 



$iftorif$er Vornan »on G. t>. SDebentoib. 117 

„(Mjarb SBarenborf)!" tief ©ture tiberrofd^t unb in 
einer SBeife, als toiffe auch er nidjt recht, toetcbeS ©eficbt 
et bemf eiben jeigen foße. feib in Sübecfl" 

„©eit borgeftern,- SlafiuS ©ture. ßomme mit bcr 
,£>Iga‘ bon Sergen unb bringe einen maderen Qfreunb mit, 
-£jafo £orften, einen Tormann aus Sergen, ber fein ©tüd 
bei unS fucben toUX." 

©ture, ein eitler, aufgeblafener Stenfd), ben bie 5iatux 
nicht mit ^otjen ©eifleSträften begabt batte, map ben ihm 
alfo borgefteßten jungen 5Jtann mit menig fchmeidjelbaftem 
Slide; festen ihm fdbon bie Segegnung mit ©ebtjatb nicht 
befonbetS angenehm, fo fd§ien er fidj noch tneniger bon ber 
neuen Selanntfchaft 3 U berforechen; fdbon bie einfadje 
Stacht ^jato’S berrieth ihm ja, bap berfelbe für feinen 
SBerlebr nicht baffe. 

SlafiuS ©ture tonnte jebodb ©ebbarb nidbt ohne 2öei* 
tereS fühl abfertigen, tüte er baS toobt am liebften getban 
hätte, benn nach bem SBißen feines SaterS unb beS alten 
SBatenbotp, fotnie audb nadb bem Serlangen feines ^er^enS 
betoarb er fidb um bie -£>anb bon ©ebharb’S ©dbtoefte r, 
unb Slanfa Söarenborp liebte ihren Sruber um fo ^ärt* 
lieber, je toeniger berfel&e mit ihrem Sater barmonirte. 
2 Bie P 0 I 3 ber alte ßßarenborp audj auf feine berühmten 
Slhnen unb ben Jriegerifchen SRubnt berfelben toar, batte 
baS Slntoadhfen feines SermögenS bodh bie Segierbe nach 
größerem ffteichthum unb bem ©influp, ben baS @o(b ber* 
fchafft , fo febr in ihm ergeugt, bap er bon Slatda for* 
berte, fie foße bem reidhften ^atriaierfohne ber ©tabt ihre 
$nnb reichen, unb bap er ©ebbarb jumuthete, feinen 



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118 



Ser letzte ^olfunger. 



Shatenburft unb ölten Neigungen feinet lebenilräftigen 
$ugenb 3U entfagen, nm ftc^ allein bet Vermehrung bei 
©olbei nnb SGßa^tnng bei Vetmögeni in ben ©omptoiren 
ju toibmen. Vlanfa Perftanb ei, bafj i^t Vruber batnadj 
bürffete, feine Kräfte auf tjotjet ©ee ober im Kampfe ju 
erproben, benn in ihren Staunten begeifterte ffd) it)t <£>erj 
ja auch für ritterliche gelben unb tütjne (SeefaBjret; bet 
gecfenhaft aufgeblähte ©tute tt>ar ihr in tiefftet ©eele ju* 
mibet. 

Vlafiui glaubte nicht anbeti, ati baff bet ©inffuff 
©ebharb’i ben ©efcljmacf Vlanla’i öerbotben; et ^atte fich 
im ©tiÜen gefreut, ali ^ener ohne ©tlaubniff feines Vateri 
baöon gegangen mar, et hatte gehofft, ©ebharb toetbe 
irgenbmo 3U ©runbe gehen obet hoch Pont Sorne bei Vater» 
terftoffen, nicht triebet beimfehren biirfen. Sie Heber* 
tafchung bei plötzlichen SBtebetfeheni toat bähet leine an» 
genehme. „3<h batf tooht annehmen, baff ©uet $ert 
Vater ©udj öetgiehen hat," fägte et, „unb ich freue mich 
beffen, obtoohl ich feinen 3orn ob ©urer Slbteife nicht 
tabeln butfte." 

(Sortierung folgt.) 



V*i 

Digitrzedw 1 



Gilt ©yfer iitr f eibcnCdjoft. 

ttooelU 

bon 

»»♦ Sofcelttfc. 

1. (9ladjt>rud bcrboten.) 

$err SPbWpP &orften, ber (S^ef beS ^>aufc§ tat 
StnbreaS #orften, beS größten StmportgefcbäfteS für tao» 
nialtoaaren in ber $auptftabt, fd^ritt unruhig in feinem 
SPribataimmer auf unb nieber. 5Dem ftattlicben HJlann 
fab man eS nicht an, bafj er bereits tj°dj in ben ^ünf= 
jigern ftanb. 2)aS braune <£>aar toar jtoar fcljon bon 
fitbernen Gräben burcbaogen, aber noch nicht gelichtet, unb 
auf ber inteHigenten <5tim tonnte man erft bie Salten 
beS nabenben SlUerS bemerten, toenn fie ftd}, toie jetjt, 
bolt Ingrimm aufammen^og. (Sin tooblgepflegter 23acten= 
hart bon lichterer S^be als baS Haupthaar rahmte baS 
ernfte unb charafterbotle ©efidjt ein, auS bem ein $aar 
buntte 5lugen f(ug unb fd^arffid^ttg in bie 2öett flauten. 

Philipp -frorfien befanb ft<b in eleganter SEoilette. 
(Sin fdbtoaraer UeberrodC, in beffen oberftem Änopflocb 
eine mehrfarbige OrbenSfcbteife prangte, umfd^lo^ bie breit» 
bruftige, ftämmige ©eftalt. 



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120 



©in Opfer ber Seibenföaft. 



3m 3tmnter Brannte bie Simpel unb berBreitete ein 
Beließ ßidtjt in bent mit bent ßujuS ber 93eBaglicBfeit aus* 
geftatteten ©emacB. ©eit einer 93iertetfiunbe ^atte |>orften 
feine unruhige Sßanbemng nicBt unterBro<Ben — nun 
Blieb er plöftficB bor bem großen CelBilb fielen , baä 
atoifcBen einem Slrrangement aus türfif<Ben SOiic^em, ©obc» 
linS unb ftftafartBlumen an ber ßuertoanb Bi n S unb 
toeldtjeS bie fdtjon bor einer SfteiBe bon 3al>ren berftor&ene 
©attin be§ ©rotlaufmanneS barftettte. @S toar ein fein» 
gefd&nitteneS unb borneBnteS Stntlitj, ba§ auS bunllem, 
melancBolifiBen Sluge auf 4?orften BeraBfd)aute, ein ©eficBt 
bon unberfennBar ariftolratifdjem 2ppu3. ber 
Batte bie ©emaBlin ^orften’S einem alten SlbelSgefcBlecBte 
ber fßrobina angeBört, unb nicBt leidtjt toaren bie |>inber- 
niffe au üBertoinben getoefen, bie ficB feiner 3eit ber 93er« 
Binbung ben jungen lieBenben «freien entgegenfefcten , ba 
ber 93ater ber 93aroneffe 3)orner in ber @B * feiner StocBter 
mit bem ÄaufmannSfoBne eine „SJleSattiance" faB, bie 
ni(Bt aum ©uten fü|ren lönne. S)er alte ftreiBerr tdufcBte 
fi(B inbeffen — bie @B C füBrtc bemtocB a^m ©uten, benn 
fte toar eine überaus glüdtlicBe. fPBilipp ^orften lieBte 
feine fdf)&ne, anmutBige unb BeraenSgute ©emaBtin Bei]?; 
feine Bwö^benbe Siebe tour be bon Seiten 93alerie'S mit 
gleicher Stufricfjtigleit eitoiebert, unb fo Bätte bie @B C ber 
93eiben in böttig ungetrübter Harmonie berfliejjen fönnen, 
toäre eS BeaüglicB ber ©raieBung ©buarb’S, beS einaigen 
ßinbeS ^orften’S, bi<Bi Bin nnb toieber au SDifferenaen 
gelommen, bie leidste fDtifjllänge im fonft fo freubenreicBen 
3ufammenIeBen Bevborgerufen Batten. 




StoneHe t>on o. 3°belti&. 



121 



Palette beraog ben bilbhübfdjen, aufgetoedten, mit einer 
güEe ^erborrogenber latente begabten, leiber ober aud) 
flatterhaften, aur •Oberftäc^Ii^fcit unb aum ßeidjtfinn ge» 
neigten Knaben mit ber ganzen 3örtlid^fcit eines Butter» 
heraenS, baS im Äinbe bie VerboEfommnung ber eigenen 
Statut erbücft. Vergeblich hatte ber Äommeraienrath au 
toieberljolten Vtalen berfudjt, biefer folgenfdjtoeren ©dtjtüäche 
feines fonft fo toeltflugen SBeibeS au fteuern — Valerie 
litt felbft bom Vater ihres ©olfneS eine Veeinfluffung 
ihrer eraieherifchen &hätig!eit nicht, ®o toar Gbuarb 
beim 2obe feiner abgöttifch geliebten Vtutter au einem 
Jüngling h eran ö cre ift / ben bie Statur mit großen unb 
fdjönen @aben auSgeftattet hatte, bem eS aber an Gh 0 * 
rafterftärfc gebrach, feine leichtfinnigen ^afftonen au über* 
toinben. 

VoE tiefer Sfnnigfeit unb bod^ boE Trauer unb 2Belj 3 
muth ruhte ber Vlid ^orften’S auf bem Porträt feiner 
©attin, auf biefen toei^en, bomehmen unb ftoljen 3ügen, 
bie ftch Sinie für Sinie im Slntlip Gbuarb’S toieberfanben. 
S)er ftarfe unb IraftboEe SJtann hatte gana unter bem 
Vann beS bunflen, träumerifchen kugenpaareS geftanben, 
er hatte bem theuren Söeibe, baS feinettoegen freubigen 
£eraenS mit einer aahfoidjen Vertnanbtfihaft gebroden, 
nie aürnen, !aum toibetfprechen lönnen. Stun rächte ftdj 
biefe ©djtüäche! Gin ©eufaer h°b bie Vruft ^otften’S: 
er liebte ja auch fein eigenes Vlut, aber er hatte einfehen 
gelernt, bafj Gbuarb nur burch eine eiferne |)anb geaügelt 
unb auf beffere V3ege gelenft toerben fonnte. 

fffeften ©drittes trat er an bie Xhüre unb brüdte auf 



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122 ©in Opfer ber ßeibenfc&aft. 

beit neben bet fßorti&re befinbticben $nopf ber elelttifdben 
©lode. ©er Säuteaubiener erfcbien nnb fragte nad) beä 
|jerrn S3efe^t. * 

„3fft mein Sobn noctj im ©efdjäfte?" 

„®er junge |>err ift foeben auf fein Zimmer gegangen." 
„fftufen Sie iljn — er fall fofort ju mir Jommen, idj 
habe mit ibnt au fprecben." 

©er ©iener entfernte ficb. ©r fannte baS ©eftcbt feines 
ftrengen ©ebieterS genau, ©ie aufantmengeaogenen 9lugen= 
brauen propbeaeiten nid)tä ©uteS. ®a mar ein ©emitter 
im Slnjug, nnb ber alte Äarl tourte tooljt, men äSlifc nnb 
©infdjtag treffen mürben. 

„©uten Slbenb, $Papa!" ÜJlit freunblictjem ©rufje trat 
©buatb in baS 3immer beS SSaterS. ©er filnfunbamanaig» 
jährige junge fDtann fab feiner Butter in ber ©bat fpre- 
djenb ähnlich- ©S maren biefetben frönen, fpmpatbifcben 
•Büge: bie bunJlen geiftbotlen Slugen, bie hohe ©time, über 
ber braune -£>aare ficb lodten, ber flotte (Schnitt be§ $Pro» 
filS, ber genufjbürftenbe fUiunb, ber einen auffaEenb bo<b* 
mütbigen SluSbrud annebmen Jonnte, menn bie Oberlippe 
ficb fpüttifdb mölbte. ©buatb trug einen Spromenaben« 
anaug auä graumelirtem englifdben Stoff, ber feine fcblauJe, 
tabellog gemacbfene ©eftalt auf baS Sßortbeilbaftefte bet* 
borfjob. 

©er $ommeraienratb mieS bie bargebotene $anb anrücf. 
„®u begritfjeft mich mie ein Sobn, aber ©u b an ^ e ^ 
nid)t mie ein Sobn gegen mich," fagte er ernft. „fftimm 
$lab, icb habe mit ©ir au reben." 

©buatb berfärbte ficb unmiEfürlicb. ©r mar an berlei 



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V 

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SRooelle oon ft. o. 123 

©eenen, bic tooljl itjre augenblicflidje JEBirhtng feiten Per* 
fehlten, aber nie einen nachhaltigen ©inbrucf auf iljn her* 
Porriefen, jtoar getoöhnt, aber in fo ernftem Sone toie 
heute ^atte ber Sater noch nie gefprodtjen. Gbuarb toarf 
fidj auf einen ftauteuil, ber neben bent STifc^e ftanb, treuste 
bie Seine unb fpielte mit ber Utjrlette. Gr ^atte be* 
fchloffen, fich nicht „imponiren" au taffen. 

Sie ©time ^orften’S 50 g fidj noch finfterer aufammen. 
„Gntjinnft Su Sich," fuhr er fort, „toag Su mir Por 
Pier SBochen bei einer gleich traurigen Unterrebung toie 
heute berfprodjen ^aft? Sein — toenigfteng mufi ich an» 
nehmen, bafc Su eg nicht tljuft. Su gabft mir bamalg 
Sein 2Bort — Sein Sßort, Gbuarb, bafj Su jenen 
Glub, ben elegante Sidjtgthuer, entartete ©pröfjlinge Por* 
nehmer Familien, reiche ©chlemmer unb SPraffer unb fon» 
ftige elenbe ©efetfen, bie beg ßebeng Ijöd^fte $beale im 
materiellen ©enuffe finben, begrünbet Ijaben, nicht mehr 
befugen toürbeft. Su Ijaft Sein SBort gebroden, benn Su 
toarft erft geftern Sbenb toieber bort unb ^aft im (Spiel 
über aetjntaufenb Star! Perloren. ©he toir toeitergeljen, 
beanttoorte mir aunadfjft bie ftrage : too ^aft Su baä ©elb 
hergenommen, ober toie — fallg Su eg in unbaaren ©üfcen 
Perfpielt ^aft, toag bei Such Stöbe au fein fdjeint — ge» 
bentft Su eg Sir au berfdjaffen?" 

drbuarb hatte bei .tbcnb gefprodjenen 

SBorten fcineg Saterg bod) g bie Raffung Per* 

loren. 5ln bem neroöfen 3 ucfen Slugen merfte man 
eg, toie plötzlich unb unertoartet i$ni bie lejjtgeflellte ftrage 
lam. Sennodj atoang er fich au einem leidsten ßadjeln. 



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124 



©in Opfer her Seibenfdjaft. 



„SDu muBt auBerorbentlidB auBerläffige Spione BaBen, 
$apa, nimm mir biefen ©intourf nidBt üBel, baB ©u 
ftets fo intim über baS Programm meiner Spribatber* 
gnitgungen orientirt Bift. Äannft ©u midB nic^t auf bie 
Spur biefer ßeute Bringen, bie fidj ein Söerbienft barauS 
macBen, ©eine ©eBeimbeteftibS au fpielen unb midB mie 
einen SpipBuBen auf Stritt unb ©ritt ju berfolgen?" 

,,©a3 ift feine Slntmort auf meine ff rage, ©buarb," 
fiel |>orjten mit erBoBener Stimme ein, „idB muB ©idB 
Bitten, Bei ber Sadfje au BleiBent 3fnt UeBrigen lann idB 
©ir berficBem, baB ©iejenigen, bie ©u Spione ju nennen 
BclieBft, treuere unb Bejfere ffreunbe bon ©ir ftnb, als 
jene ÄoBorte leidBtfinniger ßeBemänner, beren Intimität 
©u ©id? riiBmft unb bie ©ir bafür baS ©elb aus ber 
©afdBe aieBen! Unb nun nodB einmal jjuriitf au meiner 
Slnfrage: mie mißft ©u ©eine SpielfdBulben betfen?" 

„3cB Bin ©ein SoBn, Sßapa, unb B Q Be als ©rBe ber 
Qfirma §orften gottloB Ärebit genug, um mir nidBt toegen 
einiger taufenb SJtart ben Äopf aerBredBen a« müffen," 
entgegnete ©buarb gelaffen. 

•fporften fprang auf. ©ine Brennenbe 9WtBe flutBete 
üBer fein energifd^eS ©efidjt, unb bie |>anb, mit ber er 
ftcB auf bie ©ifcBplatte fitste, BeBte. ©r faB tiefgereiat 
unb aornig aus. 

„SDiefe ©rtoicberung fonnte idB nadEj ben ©rfaBrungen, 
bie idB Bereits mit ©ir gemadBt ^aBe, erfoarten," fagte er 
mit faunt nodj aurücfgeBaltenem ©roß. „©3 mar eine 
SEBorBeit bon mir, ©einem ßotterleBen Bis B eu ie MU* 
fdBauen unb midB auf ©vmaBnungen unb SBitten au Be» 

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9?oceHe oon ff. o. goBcltife. 



125 



fdjränfen. ßängft ^dttc ich mir fagen lönnen, baff ©u 
Bereits Biet ju entartet Bift, um ben SÖünfchen ©eines 
VaterS ©efför ju fcffenfen — ich Bin für ©ich ja nichts 
SlnbereS mehr als ber Vanfier, ber feinen SBeifungcn 
auf ber ©teüe ftolge ju leiften hat! SlBer baS fott ein 
(5nbe nehmen, baS fott anberS toerben. @S ift baS leffte 
ftttal getoefen, baff ich einen deiner Söechfet auS fchmuffigen 
Söud^erer^anben herBorfjote — ich habe teine ßujl, mein in 
ehrlicher SlrBeit ferner unb fauer BerbienteS @elb deinen 
leichtftnnigen ^Pafftonen au opfern! Von morgen aB Be» 
ginnt eine neue ©ageSeintheitung für ©ich : ©u trittft als 
GommiS in mein ©efdjäft ein unb h fl ft ©ich als fotd^er 
unBebingt ben Slnorbnungen beS erften VucffhatterS au 
fügen. ©aS ©eparataimmcr ejiftirt nicht mehr für ©ich, 
©ein ?ptaff ift Bon nun an am $Pulte neben Vergheim, 
unb an ßeffterem magft ©u 5Dir ein VorBilb beS ftleiffeS, 
ber SlrBeitSfraft unb ber pflichttreue nehmen. ©er Äaffirer 
hat Slntoeifung, baff ©ein Prioatlonto getöfd^t toirb; ©u 
Bift mit ben UeBrigen um acht Uhr VtorgenS im Gomptoir 
unb Berläfft eS nur jur VtittagSaeit unb nach ©<hluff beS 
©efdfjäftS. Äommft ©u aber meinen S3efeB)ten — eS finb 
leine 2öünfc§e mehr, Gbuarb — nicht unBebingt nach, 
fdjUefft ©u nicht thatfächlich mit ber Vergangenheit ab, 
führft ©u ©einen lieberlichen ßeBenSmanbet meiter, fo 
toerbe ich öffentlich elitären, baff ich fernerhin für bie Bon 
©ir gemachten ©chulben nicht auflomme. ©aS rnerle ©ir." 

Sluch Gbuarb hatte fich erhoben, Bleich unb mit 3 U» 
fammengeprefften ßippen, unb auch feine ©timme gitterte, 
als er tonlos fragte: ,,©atf ich gehen?" 



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126 



©in Opfer ber Seibenfhaft. 



„@evr 

Schmeigenb fcfjritt ber junge ÜJtann jur 2;|üre, aber 
er ^tte noch nicht bie tflinfe ergriffen, als ein 9tuf beS 
SßaterS i^n fielen biefj. 

„@bi!" ©aS !lang iveid^ «nb aärtüd^, unb als ©buarb 
fidj ummenbete, fab er, baff fein 33ater ibnt beibe .fpänbe 
entgcgenftvedte. Sööve ©buarb ber Stimme feines $eraenS 
gefolgt, fo batte er ficfj fchluchäenb bem Später in bie 2lrme 
geftür^t unb um SSerjeibung gefleht, fo aber fiegte ber ©rob 
in ibm unb er brängte bie Sbränen aurütf. 

„@bi, fomm’ b c *, reich’ mir bie ^anb unb fdjau’ mir 
in’S Stuge, berfpridj mir, bafj ©u ©ich beffern millft! 
©u bift ja mein eigen Sleifch unb S3£ut, für ©ich arbeite 
unb forge i<b mich, ©u bift ber ©rbe nic^t nur meines 
ffteidjtbumS, fonbern auch meines ehrlichen Samens! 33e* 
greifft ©u nicht, feie eS mich betrüben mufj, ©idj auf 
Sßegen ju feben, bie jurn Unbeil führen?" 

©buarb batte ftcb nicht bom !ßXafee gerührt, ftumm mar 
er fteben geblieben, bie 3übne jufammengebiffen, baS Sluge 
fiarr auf bie tSfarbenlinien beS ©eppidjS gerietet. 

„fßapa," faßte er enblidj mit tiefem Sltbcmjuge, ,,©u 
baft ja bon ©einem Stanbpunlte auS nicht Unrecht, aber 
©u nimmft 2WeS biel au tragifd). 3cb bin hoch noch 
nicht fo alt, bafj mir eine Heine ©jtrabagana nicht au 
beweiben märe. Sluch bespreche ich ©ir, baS Spiel, ben 
(Hub unb bie Sportfreunbe aufgeben ju moUen, menn ©u 
mir noch einmal auS ber Älentme btlfft- 3<b habe eine 
©ummbeit gemacht, aber eS folt bie lebte gemefen fein. 
SluS Sfurcht üor ©ir, unb meil ich annabm, ©u müfitcft 



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StooeUe coti v. 3°^ettife. 



127 



nichts Don bem gefirigen Spietabenbe , manbte ic^) mich 
nicht an Si<b mit ber S3ittc um ©elb, fonbern an 2fona3 
5ßaH . . . Ser Schuft gab mir millig bie Verlangten 
ätoölftaufenb Sftaxf auf brei Monate, aber lief) mich brei» 
je^ntaufenbfünf^unbert fdjreiben. SBenn id) morgen fdjon 
ben Söedjfet auätöfen taffe, fßnnte id) it»n billiger belom* 
men. 3(h bitte Sich, gib mir baä ©elb." 

^orfien tadjte fdjneibenb auf. Ser unerhörte 2eicf)t» 
fmn braute fein 33tut in SBaftung, er mar aufjer fidj. 

„Sticht einen Pfennig!" rief er unb fcfylug mit ber 
§auft auf ben Sifdj, mä^renb fein Singe blitzte. „3dj 
märe ein Starr, mottte ich noch meiter^in Seine Sborbeiten 
unterflögen! 3dj merbe ben 3ona§ S3att bie Srebpe 
binabmerfen unb ibm nodj obenbrein einen SBucberproaefj 
an ben ^at§ b^gen, menn er mir mit Seinem Seifet 
lomrnt." 

„5paba!" ©buarb jitterte bot ©rregung. „3dj bitte 
Sich, b^e ©infeben! ©3 mar eine Sborbeit — ja — c§ 
mar bitnberbrannt bon mir — aber eä ift bod^ einmal 
gefcbeben unb lann nur burdj btanfeS ©etb riidgäugig 
gemalt merben! S3aU forberte einen ©fjrenfdbein bon 
mir, unb in meiner Slngft — benn idb mu|te bie bertorene 
Summe bem ©rafen Stuggom jabten — unterfdjrieb id^ ibn." 

„©inen ©brenfd&ein? Sieb’ ba, ©buarb — ftufenmeife 
gebt’S alfo^ bergab 1 SEBecbfet, ©brenfcbein — unb baä ©nbe 
ift fdjtiefjtfcb Sfätfdjung. hinaus! Schaff’ Sir baä ©etb, 
Seinen ©brenfcbein ein^ulöfen, unb fannft Su ba3 nicht — 
nun, $ona§ S3atC mirb e§ ja nicht für ficb bebalten, baf) 
ber Sobn ^b^PP ^orften’ä feine ©bre bertoren b^!" 



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128 



Gin Opfer ber ßeibenfcöaft. 



Sbuarb’S |>änbe frampften ftdj au Rauften pfammeit 
unb feine ©eftatt toudj§. 

„Sitte ©ott, Sater," rief er mit halberfticfter (Stimme, 
„bafj Su nicht einmal Seinen Sfähaom unb Seine £art» 
heraigfeit au bereuen haben mirft!" 

Sr betliefj baS 3inimet unb marf Irachenb bie Sljüre 
in’S ©cf)lo|. 

2 . 

Srfchöpft Heb fidj ^ilipf) ^orften in ben SIrmfeffet 
bor feinem ©chreibtifche nieber unb ftiitste ben Äopf in 
beibe <£>ftnbe. ©o blieb er Stinuten lang fttjen, mit ar* 
beitenber Sruft unb Hopfenben 2tbern. 9118 er ftch miebet 
erhob, mar fein ©efidjt tobtenblafj, aber bie alte Stube 
mar in bie hatten 3 üge priicfgelehrt. Sr Hingelte unb 
trug bem eintretenben Siener auf, <£>erm 3feli| Sergheim 
au ihm au fd^iefett. 

Ser ©erufene lieb aicbt fange auf fidf matten. Qtlij 
Sergheim mar ber ©ohn beS Perftorbenen Proluriften ber 
ffritma «gmrften, eines SJtanneS, ben $orfien feiner Sreue, 
feines Pflichteifers unb feiner Slntjünglicbfeit megen hoch* 
geachtet hatte. Ser ©ohn fdjien gana in ben ftufjftapfen 
beS SaterS manbeln au motten, fffelij mar baS tüchtigfte 
SJtitgtieb beS SureauperfonatS unb mürbe infolge beffen 
bon «giorfien bei jebet ©elegenheit beüoraugt. ^orften’S 3u* 
neigung filr ben jungen Staun tag auch uoch eine anbere 
Urfadje 3 U ©runbe. Sie Äinberfreunbfchaft amifchen Sbuarb 
unb ftclij hatte fidj in ben 3üngtingSjabren ber Seibeit 
noch mehr gefeftigt; auf ben gemeinfchaftlicben Steifen, bie 
fie Stucdts ihrer faufmftnnifcben SluSbitbung nach Sonbon 



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9tooeUe oon ft. t). 3 <>beltife. 



129 



unb $ari3 unternommen Ratten, mar ber ßeljtere ßetuiffer* 
mafjeit ber SJtentor ©buatb’S gemefen, unb biefer hatte 
fi<h ber liebenSmürbigen SBcbormunbung gern gefügt, ^or* 
ften aber hielt ben ©influfj, ben ftelij auf feinen ©otjn 
auSübte, für einen fo günftigeit, bafj er bie ftreunbfdjaft 
ber jungen Seute befonberS pvotegirte. 

SBergljeint hatte äußerlich eine grofje Stetjnlichfeit mit 
ßbuarb. ©teid) fdjtanf gema<hfen , hatte er fief) im ber* 
trauten SSerfetjr mit bem ©otjne feines Gtjefg auch beffen 
Keine Gigentpmlidfjfeiten in SBejug auf ©ang unb S3e= 
toegungen angetoöpt. S)er Unterschieb ber 33eibcn tag im 
9luge unb im StuSbrucf beS föluubeS. 

3 n ehrerbietiger Gattung mar SSergheint bor feinem 
@h e f flehen geblieben. 

„2t<h habe Sie noch einmal rufen taffen, mein lieber 
SBergheint," begann |jorften, auf ben nädjften Stuhl beu= 
tenb, auf ben ftelij fi<h nieberliefj, „rneil ich 3 hwm ben 
Verlauf meiner Unterrebuug mit ©buarb mittheiten möchte. 
Seiber haben Sie SRed^t gehabt: ber Seidjtfinnige h Q t fidf) 
bereits heute bon SfonaS SBatt bie Summe aur 2)ecfung 
feiner ©djulb geborgt unb bafiir Söedhfel unb (fpenfdhein 
auSftetten müffen. 3<h habe ©buarb nun allcrbingS ge* 
broht, bie Rapiere nid^t auSlöfen 31 t motten; nach reiflicher 
Uebertegung aber hatte ich eS hoch für amecfmäfjiger, nodt) 
einmal ©nabe für föecht matten au taffen. £mbett ©ic 
bie ©üte, morgen m&hwab ber 9Jtittag§aeit ba§ ©cfd^ftft 
für mich a« beforgen; ich merbe 3h ne b bie Summe an* 
meifen taffen. 9toch eins, lieber 93erghcim, ich möchte 
nicht, ba| ©buarb burdf) Sie etmaS bon meiner ©ut* 

Sibliotl)e(. 3a^rö. 188G. ©b. V. 9 



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130 @in Opfer ber 2eibenfd>aft.- 

müttjigteit erfahre; bie Sorge ber Vefdhaffung jene? ©elbeS 
ift bie geliubefte Strafe für ihn. llnb mm nehmen Sie 
nod^ einmal meinen märrnften unb beralicbften SDanf für 
$fjre opferfreubige 9lnbängtidhfeit; ich merbe St^nen ba§ 
nicht bergeffen, unb idh bitte Sie, nach toic bor fdhatfen 
9luge§ über Grbuarb gu machen unb tbnt al§ guter (Snget 
mit fRatb nnb 2if)at jur Seite p fteljcn." 

£>orften reifte ftelij bie £anb, bie biefer mit refpett» 
boEer Verbeugung ergriff. 

ift eine fernere Aufgabe für mich/ entgegnete er 
mit betoegter Stimme, „benn ba§ Obium ber Spionage, 
toenn fie auch gute Stoecfe erfüllen foH, haftet mir immer 
au unb ift nicht leidet 3U tragen. 9Iber um (£buarb’3 
mißen unterbrüefe ich gern meine eigenen Siebenten. 3dh 
mürbe gtücflicb fein, toenn e§ mir gelänge, feinem Seicht* 
finn p fteuern." 

Viit einer nochmaligen Verbeugung fdjritt tfrelij 3ur 
Übüre. ' 

3)er 9tath bntte bei ber testen Verftdfjevung be§ jungen 
VtanneS erfreut unb lebhaft mit bem Äopfe genieft unb 
mar bann an feinen Sctjreibtifdj getreten. 

„Vcrgeffen Sie nicht $bre 9lntoeifung, Vergbeim," rief 
er, toarf einige 3^ilen auf baä Rapier unb reichte ihm 
baffelbe hin. Sein Vlicf fiel babei auf bie Slotiatafet, 
bie auf bem 9lrbeit§tifdhe lag, unb ein ärgerlicher SÄuä* 
brudf ging über feine 3üge. „2öat)rhaftig," fuhr er fort, 
„bei aE’ biefen Vrtoatfadben »ergeffe ich bie midhtigften 
©efdhäfte! Schiefen Sie mir SBaEer betein, lieber ffelij, 
eä muB noch eine gröbere Summe auf bie Vanf gebracht 



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Sooelle oon t>. ßobeltifc. 



181 



toerben, bebor ber Jtaffenfdblufi erfolgt. Siefleidtjt löitnen 
Sie mir felbft bic ©efälligleit ertoeifcn. SDodj nein, id) 
neunte Sie attju Jeljr in Slnfprudj unb toiH 2$re freie 
3eit nicht länger fcefdjränlen!" 

„C> — id) bitte, £err £orften," toarf ftelij ein, „ber* 
fügen Sie ganj über midj." 

„Sein, nein, laffen Sie nur, icb banfe 3bnen beftenS, 
ober idj ^abe fo toie fo nodfj mit Söaller ju fpredtjen. 
Slbieu, mein lieber Sergbeim." 

$er junge Stann berliefj ba8 ©emacfj, liefe aber, bebor 
er bie Xljüre fdjlofe, nodj einen rafdjen unb prüfenben 
Slid burdj ba§ ganje 3intmer gleiten. Sein 9luge nahm 
in biefem Moment einen faft erfdjredenb tüdifcben 2lu8» 
brucf an. — 

„treten Sie näher, SöaHer," fagte ^orften 3U bem 
alten Sucbfealter; „e8 ^anbelt fidb um eine Äommiffton, 
bie idj gerabe Sie auSjufüljren bitte ntödfjte. 3)er Ser» 
treter bon SernabeHi & @omp. toar borbin perfönlidj bei 
mir unb ^at für bie beftellte ßieferung eine Wnjaljlung 
bon 150,000 Start gegeben. 3d) möchte baä ©elb gern 
nodj ^eute auf ber San! unterbracht ^aben — man 
toeife nid&t, toa8 paffiren fann — tjatte abe* ben Äopf 
mit anberen Gingen fo boll, bafe ich erft V tuieber an 
bie Sadje gebadet bd&e- G3 ift b öl fö r Ub*, ^ en 
Äaffenboten möcfete idj nicht bamit ufen. $>er 

Surfte ift in ben lebten Söodjen *' redjt nach* 

läffig geloorben. $b u n ©i* ntr. Gefallen unb 

tragen Sie baS ©elb felbft bin." 

„Stit größtem Sergnügen, £err £orften," beeilte fidb 



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132 



Gin Opfer ber £eibenfd)aft. 



kr alte 9Jtann au berfidfjern, „Ijoffentlidt) finbe idj bie 
Kaffe nodj geöffnet." 

„SBenn ©ie ftcfj fofort auf ben SBeg matten, ofytt 
gtoeifel. 3dfj fe^e, ©ie IjaBen Paletot unb f?ut jur 
$anb, Braunen alfo nidjt nodfj einmal in 5 ä SSureau au* 
rücf ; eine ©elbtafdje lönnen ©ie bon mir Belommen." 
4 ?orften Ifatte fidj erhoben unb bie genannte ©untme aus 
bem eifernen ©elbfctjranl genommen, bie er nun in neuen 
$aufenbmarffdjeinen auf ben Slifctj 3 ftf>tte. „9lpropoS, 
äBaller," fagte er toäljrenb biefer Sefdfjdftigung, „e§ toöre 
mir angenehm, toenn ©ie e§ möglicf) matten lönnten, 
meinen ©oljn öftrer Familie ettoaS ferner au galten. 93er* 
fteljen ©ie rnicl) nieijt fatfdfj, id^ ad^tc unb fd&äfce ©ie unb 
3fyre Xodfjter tjodfj, feljr t)od£>, aBer idj lernte leiber ©otteS 
audt) ben leidjten ©inn Gbuarb’S, unb möchte 3fl)r BlottbeS 
9lenndjen bor einer <£jeraenSgefaljr Bemalten. ©o — ba 
liegt ba§ ©elb; aätjlen ©ie eS nodf) einmal burdf), unb 
bann neunten ©ie fiel) an ber niidjften ©trafjenecle eine 
$)rofct)fe." 

SöaHer Beugte ftd), um bie kläffe 3 U berBergen, bie 
Bei ben SBorten beS GljefS in fein faltigeg ©efidjt ge- 
treten mar, tief üBer bie ©elbfcfyeiite IjeraB unb adelte fie 
mit aitternben Ringern. £ann raffte er bie Rapiere au= 
fammen unb ftedfte fte in bie leberne £afdje, bie .fporften 
iljm gereicht Ijatte unb beren ©cfytiiffcl er in feinem fporte- 
tnonnaie berBarg. 

„£aBen ©ie nodf) tneitere 33efeljte?" fragte er. 

„Silr Ijeutc nidfjt metjr — icfj banle, mein ßieber." 

3BaÜer machte ein ungefdfjidfteS Kompliment unb ent= 



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9tooeße oon o. 3<>beltife- 



133 



fernte ficfj mit unterboten ©dritten. 2ltS er bie üOjüre 
öffnete, falj er in bent mit 2)ammerlicf)t erfüllten $otri» 
bore eine bunfle ©eftalt rafdt) unb getoanbt Qn ^,or= 
über bie Steppe Ijinabfptingen. 2Ittein mit aitberen ©e» 
banfen befdjäftigt, achtete er nidjt toeiter barauf. lieber 
bem Säljlen unb ©inpaifen ioar Diel Seit öetloren ge» 
gangen, er rnufjte eilen. 

2luf ber ©trabe tourben foeben bie ©aSflantmen an* 
$eftetft. SöaHer befc^teimigte feinen Stritt, fanb aber 
nidfjt, toie er gehofft fyatte, an ber nädfjftcn ©die eine 
SDrofd^fe unb muffte baljer au ffrub toeiter toanbern. ®em 
alteu 9Jtanne gingen Ijunbert ©ebanfen burclj ben $opf. 
3)ie matjnenben SDÖorte feines 6lj e fä Ratten ifyi aufgeregt 
unb befdtjäftigten itjn unauSgefept. 3a, ja, Herr Horften 
toar im ßtedfjt, fein ©djarfblidf betrog ilju nidjt. 2lud(j 
er, ber 33udf]patter fclbft, Ijatte löngft bemerft, ba| bie 
freunbfdtjaftlidljen 33efudje (Jbuarb’S mepr feinem 2lenndfjen, 
als i$m galten. 35er gute Herr ©buarb ! SBaller Tratte ben 
jungen fUlann feljr gern, er t)atte iljn in früheren $al)ren oft 
auf ben Firmen getragen, toenn fid§ baS Äinb bei i$m SBirnen 
unb 2lepfel geholt, unb Ijatte iljn tjerantoad&fen unb fidj 
enttoidfeln fet)en, er liebte iljn, als toäre er fein eigener 
©oljn. 2lber freilich, eS lieb fidfj nidjt leugnen: ber junge 
Herr befab eine gehörige Portion Seidjtfinn, unb toenn er 
audj au ebet unb torneljm badete, 2lennd(jen au hinter* 
geljen, fo trat bie 2lnnat>me bodfj nic^t au?gefdfjloffen, bab 
feine beftecljeube SiebenStoilrbigleit in bem jungen 9)täbd(jeu 
Hoffnungen ettoedfen lönnte, an beren 33ertoirllicfjung nie 
au beulen toar. Unb toi*' fcfjmcrate biefe ?lnnaljnte baS 



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134 ©iir £pfer ber ßeibenfd^aft. 

/ v 

Baterljetg! $aS blonbe, lieblidje 9lemtdjen toar ia bet 
gange ©tolg unb bet gange Bergug be§ bereiufamten ©tei« 
fe§, ifjr eine fonnenljette, fjeitere unb forgenlofe 3ufunft 
gu bereiten, fein fjeifjejler SBunfdj. @r ptte immer ge* 
glaubt, Seite Bergheim, mit beffen Sätet et befreunbet 
getoefen, intereffire ftdj für baS Stabten, aber Seite’ 
9lnnät)erung hatte nadjgelaffen, feit bie Befudje ©buarb’S 
häufiger gemorbett tnaren. SQJatter mar ba§ nidjt unlieb ; 
fo p$ er audj ben alten Bergheim gefdjäfct hatte, bet 
©ol)n mar iljm nie fonberlidj fhmpathijdj gemefen, unb 
et begriff ntd^t , mie ber tRatlj bie Sreunbfdjaft gmtfdjen 
biefem unb ©buarb nodj begünftige« fotmte. Seit? mar 
atlerbingS ein SJtufter bou §lei|, Sünftlidjfeit unb 3b" 
berfäffigfeit, aber fein glattes, fonbentionetteS SGBefen, baS 
er ber Statur ©buarb’S angupaffen fid) offenbar bemühte, 
oljne bafj eS iljm gang gelang, gefiel ipt nidjt. Sßatter 
fonnte ftd^ feine Stedjenfthaft über biefe eigentümliche 
Slbneigung gegen ben jungen Stenfdjen, ber fidj fonft all* 
gemeiner Beliebtheit erfreute, geben, er mar ftdj aber be* 
mufjt, ba| 9lenndjen äplidj badete, mie er, unb ba8 
freute ip. 

©einen ©ebanfen nadjpngenb, mar SÖaHer bis an bie 
©de ber ©trafjc gefommen, in ber ftdj bie Banf befanb. 
infolge feiner trüben Betrachtungen mar er moljt lang* 
ferner gegangen, als er beabfichtigt ptte, benn bie Uljt 
geigte beinahe Sieben, als et bidjt bot bet Sauf auf 
Bergheim traf, ber, eine Sigatre im Btunbe, langfam bie 
©trafje Ijinabfdjlenberte. 

„@uten 2lbenb, #ert Söalfer, Umhin nodj fo fpät?" 



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9?owUe oon v. 3obeltife. 



135 



„ 3 ur Äaffc# |>err SBergbeim, eg ift bie ^öd^fte 3 eit, 
Derben ©ie, bafj ich mich nicht länger aufbalte." 

S3erg|etm fagte ein berbinblicheg Söort, erzählte aber 
gefpradjtg noch Allerlei, ehe [ich ber SBudjbatter empfehlen 
lonnte. ßben alg er toifleng toar, fid^ ettergifd) logp* 
inanen, fdjlug bie Ubr Pont naben 2hutme ©ieben. £>bne 
noch toeiter ein 22 Bort berlieren, lief* SBatler ben i^nt 
böbnifdb nadjblicfenben 33ergbeim [teben unb [türmte in 
bag SBanfgebäube hinein. SDocb eg toar bereits 31 t fpät, 
ber ©chaltcr bereits gefdjlofien. (Sr lonnte [einen 2luf» 
trag [ür beute nicht mehr auSridjten. 

Sßäbrenb er noch ratblog, toobin er je^t mit bem 
©elbe [olle, ba[tanb, näherte [ich ihm ein SDien[tmann. 

„(Sntfcbulbigen ©ie, [inb ©ie -fperr 2BaEer3" 

ier SSudbbalter nicftc. „ 2 öag toün[cben ©ie?" 

„Sdj toar fdjon in 3 b r * m ©efdjftft, |>err SßaUer," 
[ubr ber SHenftmann im fflüfiertone fort „fanb ©ie bort 
aber nicht bor. (Sin |>err, ber mir auf ber kreppe be« 
gegnete, [agte mir, ©ie [eien jur S5anl gegangen, unb ba 
bin ich 3b n *n bi cl i ci: gefolgt. 3 dj fott 3 bnen einen [d^önen 
@rufj bon 3 b*em £>errn ©d^toager bcfteÜen, unb ©ic 
möchten boeb [0 gut [ein, gegen acht Ubr in bie SBeitt* 
[tube bon tßacbmüller p fommen. 3 b* ^err ©ebtoager 
bat Sbnen SOÖichtigeS mitptbeilen; faEg er nicht gan$ 
pünltlicb [ein lönnte, möchten ©ie gütigft toarten, eg 
toäre möglich, bafj eg eine b a ^ c ©tunbe [päter toerben 
toürbe." 

S?er S9uchbalter niefte. „(Sg i[t gut," [agte er. Unb 
bann überlegte er, toa§ nun 31 t tbun toar. 9tacb |>au[e 



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136 ßin Opfer ber Seibenfc&aft. 

fonnte et uidjt erft nodb aurfldfebren, um baä ®elb bort 
einaufcbliefjen, er hätte fonft bie ©tunbe beS ©teHbicbeinS 
mit feinem ©cbmager berfäumt, benn bie äQßeiuftube bon 
SSadjmiitler log an bem ber 33anl entgegengefetjten Gmbe 
ber ©tabt unb mar minbeftenä eine tjalbe ©tunbe meit 
entfernt, ©o befdjlofi benn Söaller, ba§ (Mb bei fidj - 
3 U behalten. 

„@ä ift fo and) am fidjerften," badete er. „Tiie* 
ntanb bermuthet ja , bafj ich eine foldje ©umme bei mir 
trage." 

@r beauftragte fobann ben Dienftntamt, feiner 
Docbter, Kraulern Stnna Skalier, ju geben unb ihr au 
melben, er fäme tjeute erft fpäter nach .fpaufe unb fie 
fotle ba^er nicht mit bem 9lbenbbrobe märten. Unb mäb= 
renb ber Dienftmann fidj entfernte, fnöbfte Söatler baä 
ßebertäfcbdben mit ben 33anlnoten unter feine SBefte, ben 
9todf barüber, ben fßaletot bi§ oben an ben.£>al§ feft p, 
unb fd^tug getroft ben 28eg nach ber SÖeinftube ein. 

3. 

Die SSeinftube bon SadtjntilUer mar bie ©tantmfneibe 
SBaUer’ö. @r fanb fid) bort jeben Slbenb amifd^en fteben 
unb adbt Uljr mit mehreren anberen ältlichen Herren, 
meift Äaufleuten mie er, au einem ©djoppen fütofelä ein, 
bei bem im SWgemeinen aientlidb mcnig gebrochen mürbe. 
Die alten Herren fafjen fdbmeigenb um ihren runben Difcb, 
batten bie grauen JUtyfe gefenlt unb ftarrten in baS gol= 
bene 9tafj ihrer ©löfer t;inein, biä bon 3eit au Beit einer 
bon ihnen ba§ |>aupt hob, um mit bergnügtem ©djmunaeln 



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^looeHe oon o. 3obeltife. 137 

eine uralte 2 lne!bote 311 cr^lcn. 3)ann ladjte Me3 utib 
bie frttfjcre ©tilfe trat miebcr ein. 

©0 ging e3 aucfj freute bei SSadjmütler f)er. 2 Baller 
fafj ^unft adjt lllfr am runben SEifdljc im Greife bcr 
(lotlegen uttb bficftc in feinen 5Jlofet hinein. 

2 lber c§ mürbe neun Uljr, unb ber ©djluager tjatte 
fid) nod) nid§t feljen taffen. 2 )afür mar ftetij Söergljeint 
e inge troffen ; er er^ä^lte, ba| er 31 t einer langmeiligen 
Slbenbgefellfcfjaft eingefaben fei, bei ber e§ erfaljrungS» 
ntäfjig ^cr^lic^ menig 3 U effeit unb 3 U trinfen gebe, unb 
baft er ftdj beö^alb borljer burdj einen ©dfjoppen ftärlen 
motte. 

„9tun, ^err SBatter," fragte er, fictj einen ©tuljt an 
ben 2 ifcff 3 ielfenb, „finb ©ie 3 tfren fdjnöben fDtammon 
nodff glücftidf lo§ gemorben?" 

„Seiber nein," entgegnete ber 2tngerebete, „bie $affe 
mar bei meinem (Eintritt fdfon gcfdfßoffen, unb nun Ifabe 
idj baä Vergnügen, morgen nod£) einmal ben gleiten 2 Beg 
machen 3 U müffen. Baratt ift aber lein 2 lnberer alä ©ie 
©djutb, $err 23erglfeim." 

,, 3 cf) fdjtage reuntütljig an meine 33ruft," tadfte 
$ctiy, „unb bitte uoetj nadjträglicij unterttjänigft um S3er= 
gebung!" 

S5er luftige 2mn, ben 9?eti? anfdjlug, brachte Seben in 
bie SEafetrunbe. Stile möglichen Stnetboten unb ©djnurren 
mürben aufgetifdjt unb ba§ Sadtjen moßte lein (Enbe nefj= 
men. @egen 3 elfn Utfr enblidf ertfob fid) Söerglfeim. 

„68 ift bie tjödffte 3 eit, bafj id) in meine ©cfetlfdffaft 
tomme," meinte er unb tieff fidf bom Kellner ben Ucber» 



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138 



©in Opfer ber Seibenjchaft. 



rocf reichen , „ich fürchte, ich merbe fo mie fo ber fiepte 
fein. 9tun, |>err Maller, ©ie Ratten ja ^eule gehörig 
aus, begleiten ©ie mich nicht?" 

„3dh möchte tooljf, aber ich mufj meinen ©dhmager, 
ben Maurermeifier tförbe, noch ertoarten. ©r feijeint ben 
SSornehmen fpielen au motten, länger als bis halb elf 
Uhr aber bleibe idfj feinenfaUS hier. ©ute 9ta<ht, fperr 
SSergheint !" 

Selij grüßte freunbtich nach allen ©eiten unb bertiejj 
baS £ofal. Maller martete noch gebulbig eine bolle 
©tunbe, ohne bafj fein ©djmager jtdh eingefunben hätte. 
SDer ^Buchhalter munberte fidj barüber, benn Äörbe mar 
ein pünftlidhcr unb jjuberläfftger Mann; er machte ftdj 
inbeffen feine meiteren ©ebanfen, jaulte unb berabfdhiebete • 
ftd^ gleichfalls. 

Matter mahlte, mie immer, toenn er eine größte ©elb* 
fumme bei fidfj trug, für ben ^eirnmeg bie belebteftcn ©tragen. 
6lje « bie mächtige £au§thüre auffdhtojj, fdhaute er fidj 
nodh einmal borficfjtig nadh allen ©eiten um, öffnete bann 
unb trat in ben bdllig bunfeln Stur. $ier blieb er einen 
Moment fteljen, jog eine ©dhadhtet mit 3ünbhötaern aus 
ber Xafdhe unb jünbete eines berfelben an. 3fm gleichen 
Moment fprang hinter bein nädhPen Maubpfeiler, ber bie 
gemölbte 3)ecfe ber Orturhalte tragen half, bie ©eftalt eines 
ManneS auf ihn $u. Mit einem bumpfen, halb erftidften 
©dhrei ftürate Maller au JBoben. — 

©S mochte gegen ein Uhr in ber ffladht fein, als Qretiy 
33ergheint nadh #aufe — er mohnte, mie Matter auch, int 
^orftcn’fdhen .£>aufe — aurürtfehrte. ©in leifer, mimrnern- 



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9toüeQe oon fr o. 3°beltife. 



139 



ber ©on im bunfetn Hausflur [chlug an [ein £>h*- O^li? 
blieb [leben. „2ßer ift [ragte er laut. 

Äeine Slnttoort, nur baffelbe eigentümliche ©eräufch, 
baS !aum einer ©ienfdjenfiimme glich- Ofelij jünbete eines 
bcr 2öadb§[treidbbö^ , bie er bei fi<h a u führen pflegte, 
an utib leuchtete lange umher. 

„^Untüchtiger ©ott, £err ©toUer!" fdjrie er auf. 

©er Schein ber flamme fiel auf bie ©eftalt bcS ©ucfj* 
halterS. ©er alte ©tann lag aufantmengebrodhen in ber 
©de neben ber SEbüre. Seine Slrnte toaren mit einem 
Stride an ben h°Qeren Seib feftgefd^nürt, mit einem an« 
beren Stride bie $üfje gebunben. ©in ©udh ftedte in 
[einem ©tunbe, unb ein atoeiteS ©udh, baS auf bcm hinter« 
topfe au einem knoten gefdhlungen, toar barüber gelnüpft 
toorbett. 3m staden trug ©toller eine fauftgrofje, blau 
angelaufeite , bodj nicht blutenbe ©tonbe. Paletot, 9Jod 
unb ©Jcfte toaren aufgeriffen. 

Qfelij fniete neben bem UeberfaHenen nieber, löste bie 
Stride an beffen Firmen unb 8?ü|en, befreite ihn bon bem 
Knebel unb ^atf ihm bann auf bie ©eine. 

„Um ber ©armheraigfeit toilten, «fretr ©toUer, toaS 
ift 3h ,tf n toiberfahren?" 

„Stitt — ftiU!" flöhute bereite, „fragen Sie nichts — 
nichts. ©her führen Sie mich hinauf — grojjer ©o!t, 
toie meine ©lieber aittern, toie eS mir bor ben klugen 
flimmert." 

©ergheim berfudhb*, ben ©udhholter au ftüfcen, aber er 
fam au [pöt : ©toller toar bon feuern ohnmächtig aufattt» 
mengebrochen. 



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140 



6iti Opfer ber £eibenfcf)aft. 



SJtit flicgenbcr @ile fbrang ffeltj bie £reftym hinauf. 
3m bierten ©tod tooljnte ber 33ud)batter mit feiner % q $= 
ter. SBergljeim 303 bie Klingel «nb faft unmittelbar 
barauf Hangen ©djritte im ßorribor unb eine 9ttäbcf)en= 
ftimme fragte burdj bie 3$fire : „33ift 2>u e§, 33äterdjen?" 

„33itte, öffnen ©ie, Srtäulein Slnna," flüflerte ffetij 
jurüd. „ 3 b* em £>errn Söater ift ein Ungtiid augeftofjen, 
er liegt ofynntädjtig auf ber ÜErebbe." 

(Sin ©djrei ertönte, bann flirrten bie Stieget unb in 
ber geöffneten Xpre erfdjieu bie £odjter SBaller’S mit 
einer Sambe in ber ^anb. 2)a3 junge OTbdjen toar 
tobtenbleidj unb ftarrte mit ben großen blauen Slugen ben 
bor iljr ©teljenben entfetjenSboH an. 

fffetij; griff nach ber -£>anb Slnna’S. „SJtutlj, liebet 
ffrüulein, SJtutlj!" fltifterte er. „£>ic ©adje ift nicht fo 
fdjlimm, mie e§ tooljt fdjeinen mag. SDie SBertounbung 
3^reö fperrn SßaterS bänft mir burdjauS nicht gefäbrlidj. 
freilich, e§ ift ttotljmenbig, bafj mir ihn in’S 39ett fd^affen 
unb ihm Äompreffen unt ben Staden legen. 3ft baS 
SDienftmäbdjen noch auf , baniit eS mir Reifen fann, ben 
alten £errn bie Xreppe beauftragen?" 

„3$ toerbe fetbft bebitflidj fein," entgegnete Slnna mit 
fefter ©timme unb fdjritt rafd^ mit ber Sambe boran. 

SBatler hatte fid^ bon feiner Ohnmacht bereits Uneber 
erfjolt, fo baff er mit llnterftü|ung ber SBeibcn , rnenn 
audj mübfelig, bie Trebbe ^inauffteigen fonnte. Äein SBort 
tourbe babei getoedjfelt, nur bon 3^it $u 3dt brang ein 
angftboU ftötjnenber Saut auS ber SBruft bcS alten 39udj» 
balterä bc^bor. 



*v 



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Sooelle oon ft. v. ftobeltife. 



141 



4. 

Ster Sitte Sßaller’g folgcnb, hatte ftelij in ber ftrühe 
beg nächften Sageg bem Gfyef Stittheilung Don bent Sor= 
faß gemacht, ^orfien mar aufjer ftdj — toeniger über 
ben Serluft beg ©elbeg, alg barüber, bajj ein mit fo un= 
erhörter ftrechhßit auggeftihrter 9taub in feinem eigenen 
£>aufe ftaltfinben fonnte. ©r trug ftelij auf, über bie 
ganje Angelegenheit borläufig liefet Schtoeigen au be= 
obachten unb begab fich bann in bie SJohnung beg Such* 
halterg. 

SBaUer lag im Sette, bie Aacfettounbe mit naffeit 
Süchent umtounben, bag alte forgenbolle ©efidjt tobten» 
bleid^. Aeben ihm fajj Anna, feine <£>anb in ber ihren, 
aber beim ©intritt beg freunblidt) grüjjenben ©h e Pä erhob 
fich bag junge Stäbchen fofort unb berliefj auf einen Sßint 
beg Saterg bag gimmer. 

$orften liefj ft<h nieber. 

„Stein armer alter SBaller," fagte er mitfühlenben 
Soncg, „eg ift ein fcljmereg Unglücf, bag Sie betroffen 
hat, aber hoffentlich toirb fthrc Sertuunbung halb ioieber 
geheilt fein unb bann laffen Sic fiel) bie Sache nicht 
toeiter au |>eraen gehen, £aben Sic beim einen tüchtigen 
Aqt? Sch bin fonft gern bereit, Sh^en ben Stebicinal» 
rath ftriebrichg, meinen .fraugarjt, holen au laffen." 

„Sie ftnb fehr gütig," antmortete ber Äranfe, „aber 
eine fo grofje Sorfidjt ift toirllich nicht bonuöthen. 3n 
einigen Sagen bin ich toißber he^gßftßHt unb fann ben 
Sienft Uon Aeuem aufnehmen." 

„S)efto beffer, äÖaller, befto beffer." £>orften rüdfte 



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142 



(?in Opfer ber öeibenfcbaft. 



unruhig auf feinem Stuhle §in unb l>er. „Unb nun er« 
gälten ©ie mir einmal, toie ba§ Attentat bor fld^ ge- 
gangen ift. 6ie tönnen ftdj benlen, bafj icf) entfdfjloffen 
bin, bie ©puren be§ freien Räuber? mit aller Energie 
31t berfolgen. SDie atoeifelloS äufterft forgfame Vorberei- 
tung beä UeberfaHä läfjt e§ nidtjt unmöglich erfechten, 
bafj ber 2)ieb nicf)t foeit ju fudtjen fein toirb. &aben ©ie 
gar leinen Verbaut, gegen fltiemanben?" 

Ueber baS ©efidjt be§ Vucljljalterg glitt eiu SluSbrudf 
namenlofer Slngft, ber bem 6l)ef nid^t entging, ©eine 
lageren Ringer audften über bie Vettbedfe unb fein SÖlicE 
irrte unruhig burdj ba§ Simmer. 

,,3df) tyabe f einerlei Verbaut, lann feinen fjaben," ent* 
gegnete er enblidtj mit gepreßter ©timme, „aber — aber, 
£err ^orften — idf) bitte, geftatten ©ie mir, Stynen einen 
Vorfdfjlag ju unterbreiten. 3d£j bin ©dfjulb an bem Ver- 
lufte be§ ©elbeä — itf) Ijätte e8 nidjt mit in baä SöirtfjS* - 
ljau§ nehmen bürfen. 2)a§ Vermögen meiner £odf)ter be= 
trägt breifjigtaufenb Scaler — eS ift 2We3, toaS toir 
Veibe beftfjen — idj miß jebodj mit Äörbe, meinem ©d&toa- 
ger, f preßen, unb id) glaube — * 

,,©ie ftnb nidjt flug. VßaHer," fiel ifjnt £orften in’3 
Vßort. „Sßollen ©ie mir bielleidjt bie fünfaigtaufenb 
Scaler erfefcen? $d(j bin ein ©efd^äjtSmann unb als 
foldjer öerliere id(j nidjt einen einzigen Üljaler gern — 
anberetfeitS aber fjabe idj ba3 @lücf, teidj ju fein, unb 
lann bemaufolge audj einen größeren Verluft berfdjmer- 
Sen, toenn eS fein mufj, unb in biefem Solle mufj e8 fein, 
©ie fmb mir feit langen Sauren ein eljrlidfjer unb treuer 




StooeHe non %. o. 3obeIti^. 



148 



Reifet gemefen, Söaßer, unb 3b rc Unborficfjtigfeit ift nur 
inbireft an beut Söertuflc be§ ©etbcä ©dEjutb unb aufjer* 
bcm t?er 3 ci^tid^ , benn mir finb jo am ©nbe Stile nicht 
unfehlbar. Sltfo taffen mir ba§. Slnberä ift e§ mit ber 
Stuäfunbfdljaftung bcä£t)äter§. 3)er ©ebanfe, bafj ftd^ in 
meinem eigenen #aufe, unter meinem ^erfonal Pießeicijt 
ein nieberträi^tiöer ©pipbube Pevbirgt, !ann mich in gren- 
aenlofe Stufregung toerfefcen. 3fcb muff K« feb^n, i<b toitt 
e3. SDer Sßabrbeit bie ©b re / 2öaßer! 3cb merfe eS an 
bem Sluäbrudfe 3^re§ ©efichteS, ich tefe e§ in Syrern Sluge : 
©ie ^aben einen S3erbad^t!" 

„Stein, $err $orften," fiicfi ber SBud^^alter angfiboß 
berbor, „ich ftef/e ©ie an, ich Bitte ©ie, fragen ©ie mich 
nicht meiter — i<b meijs nicht*, gar nidfjt§." 

„©eien ©ie bernünftig, SBaßer. 3d£) berftebe ©ie boß* 
fommen, meifi, ba|j ©ie ficb freuen, einen SBerbad^t au£* 
aufproeben, ber bießeidjt nicht gerechtfertigt ift. Vorläufig 
bente ich aber noch gar nicht baran, bie Slngetegenbeit ben 
©cridfjten au übergeben. 3cb gebe 3b ncn mein SOßort, SOBaßer, 
bafj ich gemißt bin, bie ganae ©adfje mit eigener ^anb 
in’3 Steine au bringen — natürlich nur bann, menn ©ie 
mir, auf mein Vertrauen bauenb, rücf^altötoö fagen, gegen 
men ©ie Sßerbacbt Regelt. SlnberenfaßS mürbe ich ben Staub 
ohne Söeitereä a«t Slnaeige bringen, unb bann finb ©ie 
genötigt, bem 3eugeneibe gemüb Sb^n Sßerbacbt bor ber 
Ceffentlicbfeit au§aufprecben." 

„Um ©otteä mißen, nur baä nicht!" Brach ber Äranfe 
to§ unb Sricberrofen brannten auf feinen Söangen. „Sch 
mieberbole Sb^cn, &err ^orften, jeber Sßerbacbt t egt mir 



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144 



(Sin Opfer her ßeibenfcbaft. 



fern, e§ toiir’ ein Verbrechen, einen foldhen auch nur an« 
jubeiden. 9113 ich gefieru 9lbenb in ben bunleln .£>au3= 
flur trat, toar mein erfteS ©efchäft, ein Streid)höl<idhen — 
ich führe immer foldje bei mir — an^ünben. 2)a3 Sid)t 
florierte auf — im fet6en 9lugenblid£ erhielt ich ben mich 
betäubeuben Schlag, aber er toar boctj nicht fo rafdh geführt 
toorben, bajj ich nicht noch einen fdhnellen Vlicf auf bic 
©eftalt neben mir Ijätte tocrfen lönnen." 

„9lh," machte $txx ^orftcn unb fein Stuge heftete fidfj 
gefpannt auf ben Sprechenben ; „Sie ^aben ben 9täubcr 
erfannt?" 

„9iein, £err £>orften." S5er alte Wann fHefj bie Worte 
förmlich -jtoifdjcn ben 3&^nen ^eröor. ,.3<h falj einen 
fdhlanlen Wenden bor mir, beffen ©efidjt eine fdjtoarge 
WaSfe Devbecfte. 6r trug einen ßtjlinber auf beut' .Hopfe 
unb einen — unb einen fpalctot bon hechtgrauer Snrbe — " 

„Von ^dhtgrauer garbe?" tftorflen fuhr empor, eine 
tiefe 9t5thc überzog fein ©efidjt. „So biel ich ntidh ent* 
finne, pflegt ©buaib — pflegt mein Sohn einen berartigen 
Ueberrod ju tragen." 

„©anj recht," ftöhnte ber 9llte unb feine Siufe hafdhte 
bittenb nad) ber -fpanb ^orfteu’S. „Seien Sie nicht böfe, 
ich tooHte e3 gar nicht fagen, toeit e3 fo lächcrlid; Hingt — 
aber ba Sie fragten — " 

„ßaffeit Sie gut fein, Waller," fiel ^orften, plöhlidh 
tiefernft getoorben, ein. „Sie hdben 3h re Sdhulbigfeit ge= 
than. 3fm Uebrigeit bitte idh Sie, 3h rc Gnlbcdimg 3eber* 
mann ju berheimlidhen, bis toir auf ber richtigen gährlc 
finb. ©olt befohlen, Waller, unb gule Vefferung!" 



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9ioi>eUe non $. o. 3 obcltife. 



145 



^orften griff nodj bem |jute, nidfte bem S3ud)t;atter 
noch einmal jju unb bertiejj baS 3intmer. 2luf bem erftcn 
Xteppenabfaf} Hieb er fielen unb griff nach ber ©Urne. 
2 >ann glitt ein Säbeln über fein (Sefxd^t. 

„Unfinn," murmelte er bor ftcb bia, „ich bin ein Übor, 
er maq leicbtfinnig fein, fd^ledbt ift er nidbt. 2Der tböriAte 
Sitte bat mid) erfd^rccft." 

@r flieg langfam bie üreppe biaab unb trat in fein 
Vribatcontptoir. $elij Vergbeim ertoartete ibn hier. 

„©buarb ift uns juborgefommen, #err ^orften," fagte 
ber junge 53lann, iitbem er ein 5ßädd)cn Vanfnoten auf 
ben £ifcb legte. „(Sr ift bereits in aller Srübe bei $onaS 
S3aH gemefen unb bat Söecbfel unb ©brenfdjem auSgelöSt." 

^orften ftüfcte fi(b ferner auf bie Safcbptatte, fo bafj 
baS maffibe ©idjenb^ äd) 3 te. 

„5Bo bat er baS ©elb bet!" fragte er betfer. 
ffetij judfte mit ben Slcbfeln. „Allein ©ott, icb ber* 
mutbe, ©buarb toirb im (Spiele gewonnen haben, bieUeid^t 
l;at ibm auch einer feiner ^eeunbe unter bie Strme ge= 
griffen." 

„$a, ja, fo toirb’S fein." SBie ein Slip löste eS ficb 
ben ber 23ruft «giovften’S. ,,©d;iden ©ie mir ©buarb ber, 
lieber Vergbeim — nein, Taffen ©ie baS, id) habe noch 
eine gefcbäfttidje SluSfabrt bor." 

©in neuer ©ebanle fd^o^ |>or[ten burd) ben Tfopf. 
SEßäbrenb fid) Sfetiy mit einer Verbeugung entfernte, llingelte 
er feinem Wiener unb befahl, baS ©oupe anfpanneit 31 t 
laffen. gehn SJtinuten fpäter hielt ber SBagen -£>orften’S 
bor bem „fpotet beS ^rinceS". 

SSibtiotlltt. 3o^9- 1S86. Sb. Y. in 



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146 



(Sin Opfer ber Seibenfdjaft. 



„3fft £err 3fofepfj Supani noch antoefenb?" fragte 
|jorften bett fßovtier, ber bie golbBetrefjte fDtüfce höflich 
Pont ßopfe rifj. 

„©ehr inohl, mein #err — Zimmer fftumero 17." 

„$5an!e fehr." 

$orften flieg bie Xreppe hinauf unb Hopfte an bie 
Simmerttjüre, bann trat er in bag ©emach, bag |>err 
fiupani, ber Vertreter ber fjirma SSernabeHi & (Somp. in 
©enua, Betoohnte. 

S)er ffteifenbe Begrüßte $orften mit großem fftefpelt 
unb brfidfte bann in getoapen Sßorten fein ©rftaunen 
ilBer ben unüermut^eten fDtorgenBefudj aug. 

,,©g ^anbelt fid^ um eine eigentümliche Söitte , 4>err 
ßupani," fagte .fporften, fJHai} neljmenb, in franflöfifcher 
©pra<he unb ftecfte ftd? bie £aPannah an, bie ber Slnbere 
ihm angeboten hatte. „©urdfj ein nterlmürbigeg Sßerfe^en — 
eg toiirbe ju toeit fügten, toollte ich mich beg Näheren er» 
Hären — finb bie 150,000 fütarl, bie ©ie mir geftern 
anja^Iten unb üBer bie ich quittirt habe, in Unrechte <£>änbe 
gelommen. 3d£| möchte nun, ber nötigen SKecherchen toegen, 
gern toiffen, oB ©ie pielleicht bie Hummern unb bag ©erien» 
aöig ber Betreffenben 33an!noten notirt haben." 

$err ßupani täfelte. S)ie SBorte beg ©efchäftgfreun« 
beg Hangen recht eigentümlich, aber ©ignor Snpani mar 
Piel ju fe^r ein fDlann Pon 32ßett, um feiner Neugier nach* 
jugeBen unb ftd^ betaißirter nach bem rät^fel^aftem S)e* 
Placement Pon 150,000 9Jlar! <ju erfunbigen. 

„3<h führte," entgegnete er, „anfänglich nur fran^öft» 
fdjeg ©elb bei mir, habe baffelbe aber in ^ranlfurt am 



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StooeKe ooit 3- »• 3<>belti&. 



147 



SJtain, ba ber ßurä aufattig überraföenb gut fianb, in 
beutfdje Stoten urngemed^felt. Stummem unb Serien pflege 
id) ftetä 3 U notiren, man meijj nie, toaä paffirt. <5nt« 
fdjulbigen Sie midi) einen Slugenblid, ict) merbe Sfjnen 
fofort bie Sifte abfdjreiben." 

Signor ßupani §olte feine boluminöfe S3rieftafdje tjer* 
bor, f elfte jtd^ bann an ben Sdjreibtifdj unb fopirte mit 
rafdjer $anb bie Stummem ber tjunbertfttnfaig üEaufenb* 
marlfd&eine, bie er bem Äommeraienratlj am geftrigen Sage 
im Aufträge feiner Ofitma alä Slnja^ung auägeljänbigt 
Ijatte. 

„So, mein #err, unb icfj münfdfje, bafc e§ biefer Sin* 
leitung gelingen möge, baä (Selb toieber in bie recfjte ^anb 
aurüdaubringen." 

„SJteinen betbinblidjften SDanl — beraeiljen Sie bie 
Störung." 

$err ßupani berneigte fid§ tief unb $orften lehrte au 
feinem SBagen gurüd. <£r befahl bem Äutfd&er, iljn an 
bie Gde ber Stofen* unb Sluguftfirafje au fahren; bort flieg 
er auä unb lief* ben Söagen toarten. 

S)er ßutfdjer tounberte jxd§ nicijt menig barüber, bafj 
fein £err in biefer Strafe berfelfrte; er mürbe aber fidler 
nodj größere Slugen gemalt Ijaben, ^ätte er gefeiert, mel* 
cljeä fd&mufcige unb baufällige alte £au§ berfelbe betrat. 

-fporften Inöpfte ben Paletot au, als er ben Sfufc in 
ben ÜJlur biefeS -jpaufeS fe^jte. ßine feud^te, übel ried&enbe 
ßuft fd^tug i^m entgegen unb benannt iffm faft ben Sittern, 
ßeere Tonnen, Äiften unb ©erümpel mandjerlei Slrt 
füllten ben 3 lur, nur ber 3 ugang gu einer lleinen £ljüre 



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148 



Gin Opfer ber ßeibenfdjaft. 



toar freigelaffen, unb an biefe Ijatte man ein ©tücf graue? 
Rapier geheftet, ba§ bie fcfjlecfjt gefdjriebene Sluffdjrift 
enthielt: „SfonaS Satt, Jfommiffionär." 

-frorftcn Hopfte an unb trat auf ba§ rafdj erfolgenbe 
fdjritte „herein" in ein minaigcS Gomptoir, baS gcrabe 
^laij genug für ein nmrmfticf)ige§ fßult mit einem ©tuljle 
babor unb ein mit papieren bottgepatfteS fRegal bot. 

Seim Gintritt .fporften’S fdjnettte ber Keine Stann, 
ber am faulte arbeitete, toie elettriflrt empor. 

„2ll> — #err #orften — tortd?’ tjolje Gljre!" ftiefj er 
mit bünner unb Reiferer ©timme Ijerbor, unb babei ber* 
beugte er fidj unselige ÜJlal unb rieb bie lageren ginger 
an einanber. 

Unfpmpatl)ifct) berührt, blieb ^orften fielen unb toarf 
einen finfteren Slitf auf bie toiberioörtige Grfdjeinung 
bor ftdj. 

,,©inb ©ie <§err 3fona§ Satt?" 

„3dj ^abe bie G^re, |jerr |jorften." 

„Unb tooljer lernten ©ie micf)?" 

„28o toerb’ idj ben $errn <£>otflen nid^t lenuen, ben 
alte Söelt fennt, achtet, fcfjäfct unb etjrt!" 

,,©d)on gut. 3$ lontme in Slngelegen^eiten meines 
©oljneä, ber ju meinem Sebauern ju Oefterent in eine 
eigentümliche 2lrt bon ©efcfjäftSberbinbung mit $hnen ju 
treten pflegt." 

3(ona§ Satt 30g bie farblofcn Slugenbrauen in bie 
.£>% unb fu!)r ftdj mit beiben ^änben in baS ftruppige 
rottje ^aar. 

„Gigentljümlidj — Ijalja, ©ie Ijaben ni<f)t Unrecht! 



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Siooelte oon o. Bobettifc. 



149 



Slber S)u UebeS ©ottchen, man ift eben nur einmal jung 
im ßeben, unb ^ugenb $at feine Sugenbl SöaS, £>err 
£otflen — ift eS nicht fo? Uebrigen — SlEeS toaS 
toatjr ift, Sie fönnen ftolj auf Staren £erm ©ohn fein! 
S)aS ift Breuer, ©luth unb ßeibenfehaft, baS ift Stobleffe, 
23ornet)mIjeit unb ßleganj, baS ift ein ©abalier, mie er 
fein foE! (Sr pflegt ^mar ben 3onaS 23aE nicht immer 
mit $artejten Bringern attaufaffen unb hot mir heute früh 
erE gefagt, er moEe meine ganje 33ube mit Stynamit in 
bie ßuft fprengen — aber id) nehme bem jungen $errn 
begleichen Söiljd^en nicht übel, er meinte nicht fo fdjtimm 
unb — " 

3JUt Ärgerlicher 39emegungminfte.£>orEen bem ©thtoajjen* 
ben ©djmeigen 3 U. 

„ßaffen Sie mich jur ©adje fommen," fei er ein, „ich 
habe Gite. SJtein ©ohn mar heute früh bei 3 huen?" 

„S)o ©ie baS bodh bereit? miffen, miE ich eS nidht 
leugnen." 

„(Sr hot 3hnen ©etb gebracht?" 

„©ehr mohl." 

„ 2 Bie biel?" 

3onaS S3aE machte eine ©eberbe, als fönne er eS mit 
feinem ©emiffen nicht berantmorten, bie ©umnte $u nennen, 
trofcbem antmortete er: „ 2 )reyehntaufenb SJtarf, ^err 
$orften. 3h* £>err ©ohn hot ein Slccept auSgetöSt, noch 
bor bem SSerfaEtage — aEe Sichtung bor ihm! ’S ftedft 
übrigen? hoch eine ganje Portion ßaufmannSblut in ihm — 
ich fonn ©ie berEthcm, er hot mie ein Sitter geljonbelt! 
Sünfhunbert SJtärfelchen höbe ich abloffen müflen — ©ic 



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150 



©in Opfer ber ßeibenfc&aft. 



fefjen barattS, bafj ber SfonaS 33aK ein toenig Beffer ift, 
als man ihm nachfagt." 

„.fpaben ©ie baS ©elb, baS mein ©otjn 3huen Braute, 
noch Bei ftdj 1 ?" 

„StllerbingS/ 

„©o feien ©ie fo freunblidh, eS mir 3U jeigen. ES 
Banbelt ft<h um bie Slufftärung eines fUtifjberftünbniffeS." 

SfonaS 33aE froch unter fein fßult, öffnete bie bafelbft 
ftehenbe, am 33oben angefd^rauBte eiferne Äaffette unb ent» 
naljm ihr ein HeineS fßacfet Söanfnoten, baS er bor $orften 
nieberlegte. ©ann 30g er fidfj in bie ffenfternifche juriidf, 
Beobachtete aber unter ben gefehlten 9lugenlibern h^Bor 
jebe Setoegung feines 33efu<heS. 

^orften Botte feine Brieftafche Betborgejogen unb ber* 
glich Bie Hummern ber bor ihm tiegenben ©aufenbmarf* 
fdfjeine mit ber ßifte, bie ©ignor Supani ihm gegeben Botte. 

©ie erfte SSanfnote trug ben ©erienbuchftaben „F." 
unb bie fJtro. 0274660. ©er Ringer ^orften’S glitt bie 
bon ßupani ausgefertigte ßifte Biuob. fpiöfclich tourbe er 
auffaEenb bleich, eine heftige Erfdfjütterung ging burch 
feinen flarfen Äörper, feine £>dnbe jüterten. ©a ftanb 
eS: F. fflro. 0274660! 

$err SPBfttBP ^otflen fchlug bie S3rieftafdEje 3U. 

„Söitrben ©ie bie Eüte hoben, £>err 33aE," fagte er 
mit einer ©timme, burch bie eine fettfame innere Er- 
regung BiuburchEang , „mir biefeS Selb 3U überlaffen? 
2fch toerbe 3fB n eu Bafür einen Ehe! geben, ben ©ie noch 
Beute Bei ber 33anl einlöfen fönnen. $0* 3B* e ©efäEig* 
feit nehmen ©ie biefeS als ©auf." 



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SlooeUe non ft. u. 3»I>ctttfe. 



151 



$orften liefj ein (SolbfiücE in bie #anb beä ftd^ tief 
irümmenben 3ona§ gleiten. 

„ßä ift mir eine <$§re unb ein Vergnügen, S^nen einen 
2>ienft ertoeifen ju fönnen, Ijof rubereljrenber ^err ^orflen," 
faßte ber Heine $tann, „unb if empfehle mif S^nen 
für anbere ©elegenljeiten , fei’S, ma§ eä fei, auf baä 
SBärmfte!" 

Sf neH berliejj |>otften baS ßomptoir. 2tt§ er mieber 
im Söagen fafj, mar er nof Bleicher als borl&er, unb 
grojje grünen liefen über feine SGÖangen. 

5. 

3u |>aufe angelangt ff lofj £>orften jtf in fein 3immer 
ein, fefjte jif an ben Sfreibtiff unb untermarf bie 
SSanlnoten, bie er bon 3ona3 23atl erhalten Batte, nof 
einmal einer forgfaltigen Prüfung. 5DaS Sftefultat Blieb 
baffetbe: bie Hummern unb Serienreifen ber breireBn Xaufenb» 
marfffeine fanben fif auf in ber ßifte ßupani’S Bor. 
SDamit mar jeher ^rrfum auSgeffloffen; bie 13,000 2ftarl, 
bie ßbuarb £orfien bem 2Buf erer S3aH jur JBerablung 
feines 2Öef felS gegeben ^atte, flammten bon jenem (Selbe, 
baS bem SBufBatter SBatfer am geftrigen Slbenb geraubt 
morben mar. 

ßine eiferne $ärte in ben emften (Sefif tSjügen, erljob 
fif .jporflen unb llingelte feinem Wiener, 

„Allein Soljn foH fofort ru mir fommen," Befahl er. 

SDrei Minuten fpäter trat ßbuatb ein — friff unb 
ftraBlenb mie immer, ein lieben SmttrbigeS ßäf ein auf ben 
Sippen. 



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152 



©in Opfer ber Seibcnfdjnft. 



|>orften beutete fdjtoeigenb auf einen 6 tufjl unb ©buavb 
nahm ohne SBeitereg Pafc. @r toar fe^r guter ßauitf 
unb l§atle ftd^ offenbar borgenommen , ftcb biefetbe niöjt 
jerftören au taffen, fetbft nicht bureb baS ©dfjtimmeS pro» 
pbejeienbe Stnttitj feines SaterS. 

„28o tjaft SDu bie 13,000 fDtarf tjerbetommen, ßbuarb, 
bie S)u beute früh aur SluStöfung 2 )eine§ SöecbfetS unb 
©fjrenfdjeineS bei $onaS Satt benu^teft 1 ?" fragte ber 9tatb 
ftreng. 

2ief erröt^enb fprang ©buarb auf. „2Beifft S)u baS 
auch fctjon toieber, pftm?" tief er ärgerticb. „Seim 
4 ?immet, icb ^be feine Suft, ntir biefe fortgefeffte Seauf= 
fictjtigung noch toeiter gefattm au taffen! 3 cb bin fein 
bummer Sfunge niebt, ber auf ©djritt unb Xritt am 
©ängel&anbe geteitet teerben mufj!" 

„Serubige SDidfj, ©buarb, eine berartige fieibenfcljaft* 
tiebfeit enttyriebt feineSteegS bem (Srnfie ber ©ituation. 
©0 lange $)u unter meiner bäterlicfjen Stutorität ftebft, 
habe i<b baS 9ted§t, S)ein SHjun unb Treiben au beob* 
achten ober beobachten au taffen. 2 Bittft $)u nun fo gütig 
fein, meine borberige f^rage 3 U beanttoorten?" 

„fftein, $apa, baS teilt ich ni(bt!" gab ©buarb ^efttg 
3 urücf. „2)u b^ft ntir geftern baS ©elb aur ©intöfung 
meines ©IfteufcbeinS bettoeigert, unb fo muffte ich eS mir 
bon anberer ©eite befdtjaffen. SöetdfjeS biefe ©eite tear, baS 
gebt allein mich an!" 

$er 5tatb teottte auffabren, aber er'befann ftch. ,,©ut, 
©buarb," erteieberte er, „taffen teir eS bortftuftg babei 
beteenben — toietteid^t toirft 3 )u mir bennoeb 3tntteort 



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Modelle ötm u. 3o&dtife. 



153 



geben, loenn ich S)ir erzähle, bafj bem SBuchhalter SGßatter 
geftem Stöenb 150,000 SJtarl geraubt toorben ftnb." 

„2BaKer — beraubt — ?" Gbuarb ftiefj biefe Söorte 
mit ftcEjtbarem Grfchreclen hetbor. „Slber toie toar ba§ 
nur möglich? 3cfj entfinne mich, bafj mitSöaller geftern 
9ta<hmittag ^toifchen fed^S unb fteben auf bet Strebe be= 
geguete unb mir fügte, er Ijabe noch eine größere Summe 
auf bie SSanl 5U tragen." 

„Sagte er baä?" fiel $orften fchatfen £one§ ein. 
„Sinn ja, ich hatte ihm freilich nicht berboten, baritber 
ju fpredhcn! SDoch h& te toeiter. SBaHer fanb bie S3anl 
bereits gefchloffen; er ging j$u 93a<hmüHer, too ihn fein 
Sdjtoager hinbefiettt hatte, toartete bort einige Stunben 
unb lehrte nach elf nach £aufe ^urüdf. 3m §lut tourbe 
er ^löblich überfallen unb burch einen Schlag in ben 
Staden betäubt — im felben Slugenblitf, ba er ein $ünb= 
höl^chen angebrannt hatte, um ftch bie 2reppe hinauf 
3U leuchten. 3nt Scheine beä fdjneE bcrlöfdjenben Sichteä 
fah SöaEer, toenn auch nur flüchtig, ben Sittentäter — 
einen SJtann bon deiner Sigur, ßbuarb, eine fchtoarae 
SJtaSle bor bem ©efuf)t, einen ©hlinbcrhut auf bem Äopfe 
unb mit einem hechtgrauen Hebertet, toie S)u ihn 301 
tragen pflegfi, belleibet." 

Slm ganzen Körper gitternb, mar ©buarb auf feinen Skter 
jugefprungen unb hatte ihn Irampfljaft am Slrme gcpadt. 

„Später — SSater!" rief er aufjer ftdj, „toie fott ich 
25eine SBorte bcrftehen? ©laubft S)u bteüeicht — */Tn 
mächtiger ©ott, hW ® 11 ® c ' T,en eigenen Scaler auf 
gemeinen Staubet für fä f ’ 



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154 



Gin Opfer ber Seibenfdjaft. 



,,£>ör’ mich p (£nbe" — 4?orfien toehrte, felbft Bebenb 
bor Aufregung, beit Süngling ab. „2)ie 150,000 Vtar!, 
bie Söalter geflößten toorben ftnb, toaren mir gefiem bon 
#errn Supani im Aufträge bott VemabeEi & (£omp. baar 
auSgephtt toorben. 2)urch Supani erlieft ich bie Sifte 
ber Hummern jener Vanlnoten, in melden mir bie 
Slnphlung geleijiet toorben toar. SDie Orbnung deiner 
Angelegenheiten führte mich p SfonaS Sali, unb bon ifjm 
erfuhr ich, bah SDu Sßechfel unb (Ihrenfdjeine Bereits Ijeute 
in aller Srühe auSgelöSt fjatteft. ^dj lieh mir baS ©elb, 
bie breijehn Üaufenbmarlfcheine, bie S)u Vall gegeben, 
borlegen, ihre fftummern entfprechen meiner Sifte, 
fie finb ein X^eit ber bem Vudjhalter ge- 
raubten Summe!" 

ßbuarb griff fidj entfett an bie Stirne. „3ft benn 
baS möglich, ©ott im #tmmel, ift benn baS möglich?" 
fd^rie er auf. „OBelch’ furchtbarer Verbacht — nein, 
5papa, ba muh ein Srrthum borliegen, ein gräfjUdjcS 
Vtihberjtänbnih! 3cf) habe baS ©etb fchon im Saufe beS 
gefirigen AbenbS erhalten, bebor baS Attentat auf SOßaUcr 
berilbt toorben ift — bon einer Seite, bie mit bem Ver- 
brechen in Verbinbung 3U Bringen ein Söahnfinn toäre." 

„ßbuarb, ich flehe 2)ich an, fo nenne mir hoch toenig« 
ftenS biefen geheimnifjboHen SQöoTjtt^äter ! Sieh ft 35u nicht, 
bah auch ich mi<h tn ttamenlofer Verpeiflung befinbe, bah 
ich Mat fehen toiH unb muh, bah mit ber ©ebanfe, SGßatter lönne 
g)ir ben Verbrecher ahnen, unfäglidje Oualen bereitet?" 
©buarb " M Äh c ^ftann erhob ftch langfam aus bem Sau» 
betoenben - bu,3ufammengebro<hen toar. 



9ioüefle üon fr t>. 3®bdtife. 



155 



„9hm gut, $ap a," ertoieberte er fcft, „i<$ felje, bafj idj 
in Slnbetracfjt ber ©acfjtage nid§t zögern barf, bic SBaljr» 
beit 3 « gefielen. ©rgrimmt unb jomig über bie SJerljal» 
tungSmafjregeln , bie 2)u mir gegeben batteft, befugte idj 
audfj geflern toieber ben 6lub unb fpielte. 9JUt bem 9tefte 
meines ©elbeS, einigen Ijunbert 9Jtar!, getoann idj grofje 
©ummen, Pertor bann toieber ©rtjeblidjeS, befielt aber bodj 
nodj fo Piet übrig, bafj ict) tjeute früh fronaS Statt befrio 
bigen tonnte." 

„©egen toen ^aft S)u gefpietU" 

„frdj ^ielt bie Stant unb entftnne midfj nidjt metjr 
genau alter ber Herren, bie gegen midj pointirten. ©raf 
£)flen, 9tuggoto, Oppenheim unb Urfetin toaren babei — 
am meiften aber öertor ein junger ßngldnber, ber fidtj auf 
ber 2)utd(jreife Ijier auftjielt unb ftdj ©ir Strtfjur 23lafer 
nannte." 

,,.£mft 3)u fronaä SBatt baS ©elb für ben SBedjfel in 
üaufenbmartfdjeinen auSgetjünbigt ?" 

„9tt£erbing3. 3dj ^atte ettoa 15,000 9Jtar! getoonnett, 
meift in Sßapier. ©ir SBIafer, ber beute früh toeiter reifen 
toottte unb Heinere 9toten brauste, b a tt ß ®üte, mir 
bief eiben in größere ©djeine untjutoedjfetn." 

„Söer ift biefer mpfteriBfe ©ir Stafer 1 ?" 

„3Jtpfteriö3 ift feine SPetfönlidjfeit !eine£toeg§, benn er 
trug ©mpfebtungen für ben engtifdjen 33otfdjafter bei fidj, 
bte getoid&tig genug toaren. 9tuggoto ^atte tfjn an ber 
2able b’-jpöte beä ,|?ötel be SßariS* fennen gelernt unb in 
ben Gtub eingefütjrt; fo Piet idj toeifj, ift ©ir Stader auf 
einer Söeltveife begriffen." 



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156 



Gin Opfer ber 2eibenfc§aft. 



„'Srugfi 2)u geftera teilten grauen Ueberrotf unb einen 
ß^Iinber^ut?" 

Gbuarb etHeidjte. „3cB fann e§ nidjt leugnen," er» 
tuieberie er, aber fein SSlicf ^ielt feft ben forfcfjenben be§ 
93ater§ au§. 

Sin ber £Bü Tß Hoffte e§. 33ergBeint trat mit ber» 
tegenent ©eftdijt in ba§ ©emacB- 

Bitte um Vergebung, toenn i<B ftöre, #err #orfien," 
fagte er, „unb toenn idj Sffjnen ein Sintiegen bortrage, gu 
beut idj getoifferma|en gelungen tnorben Bin. Stuf un= 
begreiftidje Sßeife — toie idj bermutlje, burdj eine unbor» 
fic^tige Steuerung beS fffräutein Slnna äöaüer — $at ficB 
bie Stadjri<Bt bon bem Staubanfall bereits im gangen £aufe 
berbreitet unb allgemein grojje ©rregung ^erborgerufen. 
3)ie Herren 2fö*eS ^ßerfonats, bie im $aufe tooBnen, 
fürdjten nun, fte !6nnten in Ungelegensten fommen unb 
Baben midj bemgemöfj beauftragt, Sie gu Bitten, bie Sin» 
gelegenst möglidjft ungefäumt ben ©erpten gu über- 
geben." 

Werften gog bie Stirne frauS. 

„S)ie Herren tnerben mir bodj hoffentlich geflatten, in 
biefer Sac^e, burdj bie idj allein gefdjäbigt tnorben bin, 
nadj eigenem ©utbünlen borgugeBen!" rief er gornig. „3fdj 
liebe eine berartige Seeinftuffung nicBt — audj ©ie B ä ^ cn 
baS toiffen fönnen, SSergBeim!" 

„Karbon, |>err |>orften, i(B bin nur baS SpracBroBr 
ber Slnberen," gab ber junge SJtann ruBig unb in be» 
ftimmtem Xone gurüd, „aber idj B^be micB iBre* Sitte 
um fo toeniger entgieBen fönnen, als mir fetbft baran 



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5boeQe dou o. 3°beltife. 



157 



liegt, ein entpörenbeä, tuenn aucf) nur unjtc§er unb anbeu- 
tungätoeife auftaud(jenbe§ ©erficht, ba§ aEgemadj ju lut« 
fiten beginnt, im Meinte ju erfticfen. $otoalcae!, ber 
4?au§fnec£)t, ^at bei ber Reinigung beä ffturä Ijeute frülj 
in ber 9lätje ber ©l)üre ein ütafdjenmeffer gefunben, ba§ 
er at§ ba§ ©buatb’g ertannt t)at." 

„9113 ba§ meine?" toar ein S3Ud gtauenboHen 
©ntfefcenä, ben ßbuorb auf SBerg^eim toarf. ,,^iat fid) 
benn 9Meä toiber rnicl) berfcljtooren — fott idj toir!= 
lid^ jum Skrbrcdfjer geftempeli toerben? 2Ba§ toar ba§ 
für ein Keffer? 2fcf) pflege nur feiten ein fotdjeä bei 
mir ju tragen — #otoalcael toitb Unfinn gefc§toa|t 
Ijaben!" 

Sergljeim trat an bie ©eite ©buarb’S. „©§ toat in 
ber ©Ijat eineä ©einer ©afdjenmeffer, ©bi," fagte er fanft, 
„ba§ Keine mit ber ©ilberfd&ale. ©u Ijaft e§ bieHeic^t 
3 ufatttg berloren! Sd) Ijabe Äotoalqet mit ftrengen 
SGßorten feine ungebührliche ©dfjtoäjjerei bertoiefen, glaube 
aber boef), bafj e§ am beften fein toirb, man jjeigt ben 
lieberfall ben ©ericljten an, bamit audh jebe unliebfame 
MuKjmajjung unterbrüdt toirb." 

üRit ftnfterer SJtiene ^atte fporften juge^ört. 9tun 
ful)t er bon feuern auf. „©oldje 9Jtutljmatung fc^on ift 
eine fdfjmadfjboEe Seleibigung, ift eine Frechheit! ©agen 
©ie ben Herren, bie ©ie au mir gefdjidt ^aben, bafj eä 
meine eigene ©adje toare, bie Angelegenheit aur Anacige 
au bringen, bafj ich mir jebe fernere (finmifdjung ftreng» 
ftenä betbäte! $otoalcael aber erhalt feinen £oljn für 
ba§ Vierteljahr unb toirb auf ber ©teile entlaffen; idj 



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158 



©in Opfer ber Seibenfdjaft. 



Braune feinen uneljrerBietigen ©dfimäSer in meinem ®e* 
fcfjüft. Banfe 3f>nen, SSerg^eim." 

Cljne ein SBort an entgegnen, betneigte jtdj geli? unb 
berlieji bag ©emadfj. ©buarb fiürate feinem SBater ent» 
gegen. 

„5ßapa, icfj Bitte Sidj flefjenttidlj , giB bem SöiHen 
Seiner ßeute nadfj unb Bringe bie ©adfje au* Slnaeige," 
rief er leibenfdtmftlicfj. „Sie 2JUfjberftänbniffe müffen fidj 
aufftären, unb bann Bin aucfj icfj bon bem entfestigen 
Srude Befreit, ber auf mir faftet! S3eim einigen ©ott, 
id§ begreife unb berftefje biefe Klette bon 3ufäftigfeiten 
nicf)t, bie fid^ um mid^ fd^lingt unb mit$ au berberBen 
brofjt." 

©cfjtoeigenb naljm $orften feinen ©olfn an ber ^anb 
unb trat mit itjm bor bag OelBilb feiner bereinigten 
©attin. 

„©(tjau’ Seine fDtutter an, ©buarb," fagte er müdfjtig 
Beioegt, „Bli<f il&r in’g 2luge. ©ie Ijat Sid§ fe^r geliebt 
unb ifjr ©eift mitb in biefer berljängnifjbotten ©tunbe Bei 
ung toeilen. ©dfjtoöre mir angefid£)tg Seiner fütutter unb 
Beim Slnbenfen an fie, bafj Su ben ÜtauB an SÖatter nicfjt 
beriiBt Ijaft!" 

„S3eim Slnbenfen meiner Butter, bag fdf)toöre id§," 
antwortete ©buarb feierlich, unb bann fanf er auffd^Iud;* 
aenb an bie SBruft beg SBaterg. 

„3dfj glaube Sir, mein ©o§n. w 5lud§ bie Slugen 
Iwrften’g Ratten ftdfj mit Spänen gefüllt. „3d§ glaube 
Sir. ©g Bleibt feine meitere Slmtaljme, af§ baff ber 
©d^urfe, ber bie SDjat ibirflicfj boKBrad§t, ficf) abfidjtlid) 



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SiooeUe von ft. u- 3<>belti&. 



159 



gegeben hat, ben 33erbadjt auf ©i<h au teufen. 
©5afj biefer Unbefamtte au meinem |mufe gehört, fdheint 
mir faum noch atoeifelljaft, aber toir toerben itjn ^öffent- 
lich ftnben, ohne bafj toir bie ©erichte brauchen, benn auch 
bie dichter finb SJtenfdjen unb fönnen nach bem Scheine 
urtheiten!" 

6 . 

©rei ©age berftoffen, ©age unerträglicher Sßein unb 
SBeängftigung für #orften unb ©buarb. ©a3 ©efchaftg- 
berfonal hatte fich toittig ben Slnorbnungen beä ßhefä Qe- 
fügt; jeber ©inaelne fürchtete, entlaffen a« toerben gleich 
Äotoatc 3 ef, bem $au§biener, ber feine unborftchtige Steue- 
rung fo bitter hatte bü|en müffen. Slber trofc ber füllen 
SSerpflichtung, bie Sfeber übernommen au haben fdjien, ber 
33etbfli<htung, über ben räthfetfjaften UeberfatC au fdjtoeigen, 
berbreitete fich baä ©erüdjt bon bem Sittentat hoch batb 
in ber Stachbarfdjaft. ©buarb mufjte e§ fich ö^fatten 
taffen, bon ben Slngefiellten feinet S3ater§ mit eigentüm- 
lich fcheuen S3ticfen betrachtet au toerben; fetbft ftetij, 
mit bem ihn bisher immer noch eine herali<h e ftreunbfchaft 
berbunben hatte, fdjien ihn gefliff entlieh meiben au toollen. 

^orften felbft fah man in biefen ©agen nicht auberS 
alä mit finfterer Stirn unb aufammengeaogenen Slugen« 
brauen feinen ©efchäften nachgehen, ©ine nerböfe Stuhe- 
lofigleit hatte fich be8 alten $errn bemächtigt, raubte ihm 
ben Schlaf unb bereitete ihm quatbotte Stunben. 3>m 
intierften ^erjen toar er bon ber Unfdhutb feinet Sohncä 
ü6eraeugt, aber fein fRechtlichteitögefüht mufjte ihm fagen, 
bafj bie ©hatfachen entfdjicben auf bie Schulb ©buarb’ä 



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160 



©in Opfer ber ßeibenfdjaft. 



hinwicfen. Vtit großem Qrifet hatte jtdj |jorften ber Unter* 
fitchung ber geTjeimnilboKen Angelegenheit geWibmet; ba 
er jeboch im eigenften $ntereffe nur unter ber |janb bor* 
gehen tonnte, fo Waren bie Aefuttate bem entfprechenb 
äufjerft geringfügige. 3onaS Vati, ben er jum ^Weiten 
9Jlate aufgefucht hotte, behauptete feft, bie ^apierfdheine 
bon ßbuatb erhalten au haben, eS fönne gar fein fDUfj* 
berftänbnifj botliegen, ba an jenem Vormittage aujjer ben 
beiben .fporfienS fein Anberer bei ihm geWefen fei. Söäre 
SonaS VaE nicht ein fo fchmächtigeS unb jämmerliches 
fleineS Vtännchen geWefen, ber Aath Würbe auf ihtt Ver* 
bacht gehabt haben, benn ber „^onunifjionär für Alles" 
machte burcfjauS feinen bertrauencrWecfenbeu ßinbruef. $afj 
VaU inbeffen Vtitttjäter an bem Verbrechen, toar immer* 
hin anauneljmcn, nur tiefj ftch auf biefer Annahme nicht 
Weiter Sfujj fajfeu. 

Auch baS 3?effetungSmateriat , baS $ur Unfdjäbliih* 
machung beS VuchhalterS gebient, bot feinerlei Anhalts* 
punfte, bie auf ben Später hätten fcfjtieien taffen fönnen. 
ßS toaren gewöhnliche ©triefe unb ;jWei Üücher: ein 
fchtoar^eS halbfeibeneS, Wie man eS bei fälterer Tempera* 
tur um ben |>alS ju tragen pflegt, unb ein neues Weifj* 
leinenes STafdfjentuch ohne eingeftieften AamenS^ug. Vetbe 
©egenftanbe gehörten ßbuarb nicht. 

<£>orften hielt an bem ©ebanfen feft, bafj ber feefe 
Aäuber ein Vtitgtieb feines V^fanalS, jebenfaUS aber 
ein VeWoljner feines Kaufes fein ntüffe. ßin großer Snjeü 
ber im ©efdjäfte AngefteÜten Wohnte im |>aufe, aber deinem 
traute ber Aath int ßmfte ein berartigeS Verbrechen ^u. 



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9looefle oon ff. »• SobcttitJ- 



161 



(Selbjt bcr entlaffene .ffottJölqe!, ein Sßole öon ©eburt, toar 
ein atoar tlatfdfjfüdljtiget unb bem Xrunfe augeneigter, fonft 
aber Ijarmlofer unb ungefährlicher ÜJienfdj. Unb ben* 
nodj — nur ein intim mit ben Serljältntffen beS ^>ar= 
ften’fdjen £aufeS Sertrauter tonnte baS Setbredjen be= 
gangen Ijaben! 

2lm öierten Stage nad§ bem föaubanfatl auf ben S3ud)* 
patter, ber übrigens fdjnelt ber ©enefung entgegenfdjritt, 
ereignete fidj ettoaS Unerwartetes. ©in Äriminalfommipr 
lief} ftch bei «horften anmelben. ©r tfjeilie i|m mit, bafj 
bei ber StaatSanwaltfdjaft eine 2)enunaiation eingelaufen 
fei, bie tuörtlich folgenben $nljalt pbe: 

„Sor meiner Slbreife nac!; Slmerifa füljle idj midi; 
berpflidjtet, einer Ijoljen Sefyjrbe Slnaeige au madjen, bajj 
ber Sucljljatter SBatler, Sßroturift ber ffitma J?arl SlnbreaS 
^orften, in ber 9tad£)t öom 11. bis 12. September biefeS 
SaljreS im fftur beS -fpaufeS tfönigSfirajje 61 öon einem 
unbetannten Stanne überfallen, betäubt unb einer Saar« 
fcfjaft Don 150,000 Start beraubt Worben ift. Stan öer« 
fud£)t, ben Serbact)t ber 3:ljäterfdjaft auf frembe ßeute au 
toälaen; ber eigentliche Später ift aber niemanb SlnbereS 
als ber |>err ©buarb $orften, beffen Üafdjenmeffer ich 
felbft am borgen nach bem Dtaubanfatl am Ort ber 3$at 
gefunben habe. 2US ich bieS aut Reibung braute, tourbe 
ich öom .fperrn ^orften aus bem ©efdjafte entlaßen. SOßei* 
tereS möge mon öom |jerrn ^orften unb feinem Sohne 
felbft, fowie öom ^Buchhalter äBaÖer unb bem Äotnmif* 
fionär 3onaS Sali, 9tofenftra|e 8, ertunben. 

tf r i e b t i dh $ o W a 1 c a e f." 

^ibliotbef. 3af)rg. 18SG. Sßb. V. 



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162 



ßin Opfer ber ßeibenfcfiaft. 



3) er Jhiminatfommiffär er^aljlte bem böHig fajfungS» 
lofen .£>otfien, bafj er fofort bie nötigen fftedjerdjen ein» 
geleitet Ijabe. er fei aunädjft felbft bet $onaS JBatt ge» 
toefen unb ^obe bort ben Umtaufdj ber berljängnifjbollen 
breye^tt XaufenbmarffdEjeine erfahren, tfotoalcael l)abe bei 
33aH, ber audj eine Heine ^fanbleilje betreibe, feine Uf)r 
Perfekt gehabt; beim SBiebertjoIen berfetben bor feiner Ab» 
reife nadj Amerifa fei er mit S3aH in ein ©efprädj ge» 
ratzen, unb fc^tie^tid^ ^abe er ben ©runb feiner Snttaffung 
aus bem Ijorften’fdjen ©efdjäfte erjütjlt. 9hm Ijabe 33aH 
toieberum bon bem auffattenben Söefudje .^orften’» bei itjrn 
unb bon bem Umtaufcij ber ©etbfdjeine gefprodtjen. 2)ieS 
Sefctere fei aber too^t Ijauptfädjltdj bie Urfad&e für bie 
©enunjiation ßotoalcäet’S getoefen. 

Aucfj bem SBudjljalter SöaHer tjatte ber ßommijjär 
bereits feinen Sefudfj abgeftattet. SDer ^Beamte, ein nodj 
junger ^err, bem man eS anmertte, bajj er fidfj gern bie 
erften ©poren berbienen tooHte, berftdjerte .jporften, bafj er 
im ©runbe felbft bon ber Unfdjulb ebuarb’S überzeugt 
fei. 2öie bie SBerljältniffe aber lägen, fei er berpflidjtet, 
ben jungen $errn in eine borläuftge UnterfudjungSfjaft 
ab^ufü^ren. @S foHe baS mit aller 2)iSfretion gefielen, 
bamit ber @^re beS Kaufes nic^t ^u nafje getreten tnerbe. 

©inen berartigen Umfctjtoung ber SDinge Ijatte $orften 
nid§t ertoartet. @r bot bem Äommiffär eine Kaution bon 
beliebiger $öl>e für bie greilaffung feines ©oljneS an — 
ber übermäßig pflid^teifrige 23eamte bebauerte aber, ficfj 
auf ein berartigeS Arrangement nidjt etnlaffen <}u tönnen, 
ba er nadj „leeren 93efel)len" $anblc. @r rietlj .fporften 



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Lobelie oon o. 



163 



jebodj, ftd(j perfönlid^ aum ^otijeiprflfibcnten au begeben, 
beffen ©influfj auf bie ©nttoictelung ber Slngelegenljeit nidfjt 
3 U unterfdfjatjen fei. 

©S toar ein fdjtoerer Slugenblicf für ben alten -£>errn, 
al§ er feinem ©oljn bie fdjlimme SBenbung mitttjeilen 
mu&te, a u ber bie ©enunaiation ßornalcaefs geführt ^atte. 
©buarb tourbe tobtenbteicfj , entgegnete aber, bafj er ftdj 
toittig ben 9lnorbnungen beS ©ericfjteg fügen merbe. S)aS 
gefdjloffene ©oup ^orften’S braute iljn in Begleitung beS 
ÄommiprS nadj bem $rintinalgebäube. 

9to<f) am f eiben £age mürben bie Simmer ßbuarb’S 
geridjtlidjerfeitS einer SDurdjfucfjung unteraogen unb bann 
berftegelt. SDie perfönlic^e Stüdforaclje £>orften’S mit bem 
5poliaeibräjtbenten Ijatte, mie jener gefürchtet, leinen ©rfolg 
gehabt. 2>er Sßräfibent ptte iljm adfjfelaudenb ermiebert, bafj 
er in ber traurigen ©adje nichts tljun tönne, ba fie bereits 

in bie #änbe ber ©taatSanmaltfdjaft übergegangen fei. 

* * 

* 

©S toar in ber bierten *ftad£}mtttag§ftunbe , als gelt? 
Berg^eim in ber Söoljnung BJatler’S borfpradj, um fid^ 
nadj bem Befinben beS BudjljalterS au erfunbigen. Slttna 
ptte bem jungen Btanne geöffnet unb führte iljn aunädfjft 
in iljr eigenes 3intmer. 

„$er Bater fdjlummert ein menig, «fperr Bergljeim," 
fagte fie, einen <5tul)l Ijerbeiaieljenb, „idj mödjte iljn nidjt gern 
ftören. ©ottlob beffert fein Suftanb fidj aufeljcnbS, idj Ijoffe, 
baff er fdljon morgen aum erften Btale toirb auffteljen tönnen. 

„S)anten mir bem Fimmel, ba§ bie SBunbe nidjt ge= 
fiiljrtidjer ausgefallen ift," antmortete fjelij pafc ne^menb. 



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164 



6in Opfer ber 2eibenfd)aft. 



„|jätte bet ©djlag ben #inter!opf getroffen, ich fürste, 
baS SDroma toiirbe noch tragifdjer geenbet haben. 9lbet 
maS fagen ©ie ju ben neueften traurigen (Srfolgen ber 
Unterfudfjung, gräulein Slnna?" 

2)aS junge ^Jtäbdjen flaute gefpannt unb ermartungS* 
boß auf. 

„3fch Jomrne nicht aus bent Zimmer, |jerr 33ergheim, 
unb tjöre feiten ettoa§ bon bem, maS im ^aufe borgest. 
$at man ben mirüichen SE^äter entbetft?" 

fjelty zauberte einen Slugenblicf. „uDa§ nicht," er* 
mieberte er fobann fdjneE, „aber man hat heute 93ormit= 
tag (Sbuarb in bie Unterfudjungäljaft abgefü|rt." 

„@ro|er ®ott!" 2lnna hatte bie |>änbe gefaltet, ihr 
£>aupt mar hintenüber gefunlen, ihre Slugen fdjloffen ftch- 
33oE h e i|er ©luth ruhte ber Slidt SSergheim’S auf bem 
frönen bleichen Slntlifj beS fütäbchenS, bann liefe et ftdfj 
bor ihr in bie Äniee nieber. 

„9lnna, geliebte 3lnna," flüfterte er unb umfaßte ihre 
#änbe, „hören ©ie mich an, eS brängt mich, Sh« en mein 
überboEeS «frera auSaufcf>ütten ! ©ie miffen ja fidler am 
beften, mie innig ich ©ie liebe — ntüffen eS miffen, menn 
ich mi<h auch in Icfeter 3eit gefliffentlich aurütfgeaogen 
habe. 2luch ben ©runb biefeS 3urücEaiehenS lennen ©ie — 
leugnen ©ie nicht, Slnna! Um beS fffreunbeS mißen ber* 
fudfjte ich, 3 « entfagen, berfuchte ich, eine ßeibenfehaft aus 
meinem £>eraen au reifen, bie bon £ag au £ag tiefer unb 
fefter SBurael au faffen brohte. 3ch mufjte nicht, baf* ber 
gfveunb meiner Qmtfagung, meines fchmerahaften £5pferS 
nicht merth mar!" 



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9tooeHe von %. v. 3<>beltit}. 



165 



©roh unb öffnete Slnna bie Slugen, unb ein lalter, 
abmeifenber S3ltdC traf Sfelij. 

„Stegen Sie auf, «£>err Vergheim," fagte fie hart, „ich 
teilt nicht, bafj man un3 in einer Situation überrafcht, 
bie ben tftatfchaungen beS ^aufc§ Stoff au unnötiger 
ttttebifance bieten mürbe. 3dfj miH auch nicht, bah Sie 
in einem £one au mir fpredEjen, au bem Sie nicht berech- 
tigt finb, in einem Xone, ber mich berieft, dagegen Ver- 
lange ich SrHärung Von 3h nen * Gbuarb $orften 

felbft hat mir eraa^It, baf* ttRibberftünbniffe feltfamer 2lrt 
unb eine SRei^c Don 3ufättigfeiten, ^{ c QU f c [ n £ aar öet3 
bred^erifd^en StbfichtlichMten gleichen, ben Verbacht ber 
Ühäterfdfjaft an bem Dtaubanfatt gegen meinen Vater auf 
ihn gelenft haben. Seine Verhaftung fam mir alfo nicht 
überrafdjenb, menn fie mich auch erfchredfen fonnte. Stttein 
überrafchenb hat $f)ve Sleuberung, ber öfreunb fei 
ßntfagung nicht merth gemefen, auf mich getoirlt. S)ie 9tebe= 
menbung felbft aeigt mir, bah ©ie über ben lieber» 

fall miffen; erHüren Sie mir ba3 ©eheimnibbotte 3h* e * 
Slnfpielung unb laffen Sie mich Har fehen — ich teerbe 
3hnen bafür fehr banlbar fein!" 

fjrelij fprang empor. @3 autfte über fein ©eficht, grim- 
mig unb hümifch unb botl Verhaltenen aber ber 

9luäbrucf mechfelte fofort, al3 er ben Vticf Stnna’g fragenb 
auf fictj gerichtet falj. 

„@ut, ich mitt 3huen Sltteä fagen, Slnna, auch menn 
ih ameifle, bah Sie mir glauben merben, menn ich 3h°eu 
fage* bah 3h re Siebe einem Unmürbigen gehört. 3a, 
Slnna, fo bitter ba3 Hingt unb einen fo groben Schmera 



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166 



Gin Opfer ber Seibenfd&aft. 



e§ Stiert ‘Bereiten mag, idj netjme bie Stnflage nid^t jurilct. 
Veffer ein furjer ©dfjmera, als ein langes Seiben — eS 
mufj fein ! 3« Ben VerbacfjtSmomenten, bie gegen Gbuarb 
fprecBen, tritt nodj eine meitere ^BatfacBe, bie mir allein 
Belannt ift unb bie aufjer 3Bnen in alle Groigleit fein 
VtenfcB erfahren fofl. 5lm Vormittage nadj bem 9tauB» 
anfatt fudfite id& Gbuarb in feinem 3immer auf. 2)ie 
©tube mar unbetfcBloffen, Gbuarb aBer nidjt anmefenb. 
3<ij moKte midlj mieber entfernen, als idB Bemerlte, bafj 
auS bem DfenlocB ein leidjter, übelriedjenber Cualm brang. 
Gin Unglüdt Befürd^tenb, öffnete id) bie eiferne OfentBüre, 
aus ber fd&melenben unb bampfenben Vtaffe im 3nnern 
fiel mir ein raudfjgefcBmärjteS ©tihf Seber unb ein nocB 
glüBenbeS JleineS Vteffingfd&löfjcBen entgegen. Veibe ©tücfe 
aber gehörten, mie ein erfter VlicE micB üBeraeugte , einer 
SebertafcBe an, in ber man ©elb ju tranSportiren pflegt." 

„.fpören ©ie auf, 4?err VergBeim!" Slnna Batte fid^ 
erlioBen, iBre ©timme !lang Beifer, iBre ©lieber flogen Bor 
Slufregung. „3<B glaube 3Bnen nicBt — id(j Eann 3Bnen 
nicBt glauben!" 

„2lu<B nicBt, menn id§ 3Bnen bie Vetoeife borlege?" 
gab getij aurüdf, „au<B bann nid^t? Veirn $immel, 
Slnna, glauben ©ie mir, an meinem ^»erjen nagt baS Ver* 
BrecBen, beffen Gbuarb ficB fcBulbig gemalt, nid^t minber 
fcBmerjlicB, als an bem 3B*en. 3<B B fl Be einen greunb 
berloren, ber mir VertoaiSten unb Vereinfamten SltteS er» 
fetjte, maS GItern= unb ©efdljtoifterlieBe Bieten !ann. 3<B 
berfleBe baBer feBr moBl bie Oualen, bie meine SJtittBei* 
lung 3Bnen Bereitet. Unb bennodB, 2lnna, fo feBr i(B miiB 



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Stooelle oon 5* o. 3°bettifo. 



167 



auch bagegen firäubte, eä toar noth»enbig, bafj i<h 
mein ©eheimnifj offenbarte: ich tonnte ©ie nid^t in bie 
.gmnbe eineä 6!§rIofen fallen laffen, ich ntufjte ©ie retten ! 
S)er Fimmel ift mein 3euge, bafj idj bie furchtbare Ent* 
bedfung, bie ein 3ufatt mit enthüllt, forgfam in ber 
eigenen Vruft au öerfchliejjen mir borgenommen habe, aber 
ich glaube, bafj leiber ©otte§ ftch bereite genug gaftoren 
äufammen gefunben haben, bie ben Stichtern ©runb jur Ver- 
urteilung Ebuarb’3 geben »erben. 2Jlir graut bor biefem 
|>aufe , unb ictj ^abe beäljalb fdljon bjeute -fperrn ^orften 
mitgetheilt, bafj ich »ittenä bin, mit ber Cuartal§»enbe 
baS ©efcfjäft au berlaffen. °E§ ift mir möglich getoorben, 
im ßaufe ber $ahre ein fXeineS Kapital au erfparen. Viel» 
leidet etablire i<h mich fpdter felbftftänbig, pnädjft ntöd^te 
ich auf Steifen gehen, um in ber fjrretnbe bie lebten trauri* 
gen Erfahrungen au bergeffen. VerfudEjen auch ©ie au 
bergeffen, Slnna" — bie ©timme Vergheim’3 erhob ftdh 
3 U leibenfctjaftlicher ©teigerung — „unb bauten ©ie ©ott, 
bafj er ©ie bor grofjem Unglücf bewahrt hat! SDie Vßunbe, 
bie 3hnen ein Verächtlicher gefchlagen, ift nicht unheit» 
bar. ©ie »erben genefen unb eä al§ ein ©lüd greifen, 
bafj ©ie redhtaeitig gewarnt »orben ftnb. Slnna — !" 

Vei biefem testen SluSruf »ar Vergheim bicht an ba§ 
junge Vtäbchen hetangetreten unb hatte ihre |)änbe au er- 
faffen berfudht. ©ie »ehrte ihn ab, aber babei nahm 
ihr bleicfjeä ©cfidjt einen feltfamen Sluäbrud an, einen 
lusbrucf hachgrabiger ©pannung unb bodj tiefften Er» 
fcljrecfenä. 

„ßaffen ©ie mich — unb gehen ©ie," ftilfteite fie. 



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1G8 



©in Opfer ber Seibenfdjjaft. 



•1 



fjelis ließ bie 2trme ftitfen, berbeugte fld^ furj unb formell 
unb fdjritt au§ bcitt gimmer. 

$ocljaufgericl)tet blieb ?lnna eine fur^e Söeile fielen. 
(Sie Ijatte bie £>äube über ber SSruft gelreujt, iljr toogcnber 
Sufen geigte an, toeldj’ ßatnpf in i|rem Ämtern tobte. 
Ülafdjcn <Sdjritte§ eilte fte bann in ba§ 9lebengemadb , in 
bent iljr Später rut;te. 2)er alte ^err mar eben erft au§ 
einem lurjen ftärfenben Schlummer ermadjt unb flaute 
feine £odjter mit Haren klugen an. 

„2Bie geljt e§ 2)ir, Später ?" 

„3dj banle, mein $inb — fo gut, bajj idj morgen 
aufpfteljen gebcnte." 

SInna fetjte fidfj auf ben <Stulß neben bem Sette be§ 
SudjljatterS. 

„3d(j möchte eine fftage an SDidj rieten, lieber Sater," 
fagte fte unb ftreid£)elte bie |janb beä alten Stanneä. 
„dsntfinnft 2)ir SDidlj toof)t , bafj un3 ba8 eigenartig ftarfe 
Parfüm auffiel, nach meldjern ba§ fdCjtoarje ©eibentudj, 
ba3 2)ir an jenem Unglüdlabenb um ben Stunb gebunben 
morben toar, buftete?" 

„©etbifj, mein Äinb, idj entfinne ntidj beffen mol)t." 

„3dj glaube, Sater," fuljr Slnna fort, „e§ märe bon 
ßÖicljtigfeit, ba§ ©eridjt auf biefen Umftanb aufmerffam 
p madjen. SDabei faßt mir nodj etmaä Slnbereä ein : SDu 
erpljlteft mir, SDu l^abefl benfelben SDienftmann, ber 2)ir bie 
fingirte Sefteßung Dntel ^örbe’S überbradjt, ju mir gefdjidt, 
bamit idlj über 2)ein SluSbleiben nidjt erfdjrede; Ijaft S)u 
2)ir bon jenem SDienftmann leine 9tummerntar!e geben laßen?" 

S)er Sitte richtete fidj empor. „Sfcl) tljue ba§ immer," 







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SlooeHe non S- o. 3obeltifo. 



169 



antroortcie er lebhaften 2one3, „unb au$ bamalä habe idj 
c§ nidtjt bergeffen. ©djau’ einmal in ber ©eitentafctje 
meinet grauen SBefie nactj, ^er^en, idj pflege bergleidjen 
3ettel bort hinein ju fteden." 

2lnna fprang mit glüljenben SBangen auf, Ijotte ba§ 
betreffenbe Äleibungäftücf au§ bem Sdjranfe unb burc§= 
Iramte bie £afdjen. SPfetbeba$nfcittet8 fielen Ijerauä, 
eine (Sontrcmarfe für bie ©arberobe beS ©djaufpielljaufeä 
unb ber gefudjte ©dEjein! „SDienftmann 9tro. 102" [taub 
auf bem Keinen rotten ben Slnna toie einen fofi* 

baren ©djafj berbarg. S)ann trat fte an ba§ S3ett iljre§ 
SBaterä ^urüd, lief} ftdj bort auf bie flniee nieber unb 
preßte ba§ 2Intlij} in bie Äiffen. £>er ©reiä ftridj mit 
ber mageren |>anb liebfofenb über iljr blonbe§ £>aar — 
er nmfjte nidjt, bafj in biefem Slugenblirfe ein Ijei&eä ©ebet 
auä bem ^erjett feiner £ocfjter jum Fimmel ftieg. 

7. 

„gürten ©ie bie SDarne herein," fagte ber Äriminat= 
fomtniffär, „unb meifen ©ie ben ©Treiber im 9teben3im=* 
mer an, bafj er unfere Untcrrebung ftenograpljirt." 

2)er 33ureaubiener öffnete bie £l)üre unb Slnna trat 
in ba§ Keine 3 mn^r. 

,,3d) Ijabe bie ©Ijre, mein Staulein,'* ber $ommiffär 
berneigte ftcb leidet, „bitte, nehmen ©ie $piat} unb bann 
tragen ©ie mir Slnliegen bor." 

SInna fdjlug ben ©dreier aurücf. „2)arf idj mir, be* 
bor idt) beginne," fagte fte mit fefter ©timme, „im $n« 
tereffe ber ©adjje nod) eine Stage erlauben?" 



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170 



©in Opfer ber ßeibcnfhaft. 



„23itte feljr, mein Fräulein; ich merbe mich freuen, fie 
Sitten beantmorten au lönnen." 

,,^ai bie Unterfudjung gegen |jerrn ©buarb £>orften 
bereits au Dtefultaten geführt 1 ?" 

£)er $ommiffär lächelte. „$>ie ßriminatpotiaei ift 
leibet ©otteS nicht beßfeberifcb berantagt. Sluch jte be= 
barf ber 3 e ^ unb ber ©rmägung. 3db toitt 3b nen m» 
beffen nicht belebten, baß fich bie Slngelegenbeit beS £errn 
-fporften bur<h unfere borläufigen 9te<hercben JeineSmegS ge* 
beffert bat. Heber beu ßttoerb jener lompromittirenben 
SSanlnoteit, bie |>ert <£orfien bern Äommiffionär SfonaS 
33aß auSgeaa^it bat, fcbtoebt immer noch ein betbängnifj* 
boßeS SDunlel. SJerfcbiebene Sttitglieber jenes ©pielctubs, 
in bem |mrften baS (Mb getoonnen haben miß, belunben, 
bafj er gegen ©nbe beS ©pielä mieber ftart berloren bube, 
jener ©nglätiber, ber ibm feinen Ueberfcbufj in Saufenb* 
marffcbeine umgemecbfelt , bat bte ©tabt aber tängft ber» 
taffen unb lein Sftenfcb meifj, mo er fi<h gegenmärtig aufbält. 
©etbft ein StUbiaeugnifj lann ber §err |>orfien nicht bei* 
bringen; er miß ftch um aebn Uhr aus bem ©tub entfernt unb 
fofort nach |>aufe begeben haben. $5aS ©rftere läßt fich burcb 
3eugenauSfagen mit S3emeifen belegen, baS Sefctere, atfo bie 
^auptfacbe — bte «^auptfac^e, mein gräutein, nicht! Unb 
nun au 3b*ent Sintiegen, barf ich bitten, fi<h au§ 3 ufpre<hen." 

„3<h moßte ©ie noch nachträglich auf ©inigeä auf* 
mertfam machen, baS ich bei 3b rem 33efu<he anaufübren 
bergeffen batte. SDaS fchmaraf eibene 2mcb, mit bem mein 
33ater gefnebelt morbeit mar, roch ftart nach einem eigen* 
artigen Parfüm — " 



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9?ooeUe oon 3- gobcltifc. 



171 



„Wach ©annennabelejtraEt," fiel ber $ommiffar, über» 
rafc§t aufljorchenb, ein. „©er junge -jporften beftreitet, 
biefe§ 5ßarfümä je bebient au Ijaben." 

„S<h glaube ba§ auch nicht," fagte Stnna erröthenb, 
„bagegen meifj ich beftimmt, bajj |jerr Srelij Serg^etm eä 
führt." 

©er ßommiffar legte bie 3?eber aut ©eite, er tourbe 
aufmerEfam. „2Ber ift biefer £>err ©ergheim?" fragte er. 

„©in SlngefieUter ber 3fania £>orfien unb ein ftreunb 
be§ £>errn ©buarb." 

„galten ©ie eä für möglich, baf} biefer |>err 23erg= 
heim ba§ Verbrechen begangen haben Eönnte?" 

„g?ür möglich — ja!" 

„Slber, mein gfräutein, 3h r eigener Vater hat bodj bie 
©efialt ©buarb |>orften’3 unb feine $leibung§fiüde beut» 
lieh erlannt?" 

„8?etij Vergheim fleht bem $ervn ©buarb namentlich 
in ber ©eftalt täufdjenb ähnlich, unb graue ©ommerüber» 
röde gibt eä mehr auf ber SBelt." 

,,©a Vergheim, toie ©ie felbft fagen, ein $reunb be§ 
jungen $orften ift, fo lft|t fid) bodj Eaum annehmen, bafj 
er ben Verbacht abfichttidj gcrabe auf biefen gelenft haben 
mürbe! Ober Eennen ©ie einen Vemeggrunb heimlicher 
Sreinbfdjaft Vergheim’3 gegen ©buarb Warften?" 

»Sa, ich glaube einen folgen au Eennen," entgegnete 
Wnna, unb mieber erröthete fte tief: „©ie ©iferfudjt!" 

©er Äommiffar marf einen begreifenben Vtid auf ba§ 
junge Wtübdjen unb fchritt bann aufgeregt im ©emadje 
auf unb nieber. 



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172 



(gilt Opfer ber Seibenfdjaft. 



„SQßenn bie ©adfje fo fteljt," meinte er, halb im ©etbft* 
Qcfprädje, l^alb 3« Slmta getoenbet, „toerben mir uns bocfj 
näher mit biefem $errn Sergheim ju befdhäftigen haben. DaS 
Sßefte mirb fein, toir nehmen augenbticflich eine Sßifitation 
feiner SGßohnung bor. £>aben ©ie noch ettoaS auf bem 
-fperjen, mein graut ein?" 

„Sch mufj noch einen Umftanb anffiljren, ber mir bon 
©etoicht erfcheint. $n einer Äleibertafdje meines SßaterS 
fanb fich bie fDtarle jenes DienfimanneS bor, ber bem 93ater 
bie angebliche Sßeftellung feines ©chtoagerS überbrachte, 
unb ben ber Sßater mir baraufljin mit einem Aufträge 
jjufanbte. 3<h habe — um Weiterungen ju bermeiben — 
ben Dienftmann bereits fetbft aufgefuc^t unb ihn burdfj 
ein ©elbgefchenf betoogen, mich 3U begleiten. Gr toartet 
bor ber 2hüre." 

„Sßrabo, mein gräulein, ©ie arbeiten ja toie ber er* 
fahrende Äriminalift!" 

Der tfontmiffar fdjritt jur Dhiire unb rief ben braufjen 
-jparrenben herein. 

,,©ie miffen, um toaS eS fleh hanbett?" fragte er nach 
luqer ffkotolottirung ber gamitienberhältniffe beS SJtanneS. 

„ga moht, $err ßommiffar, ich lernte bie ©efdjichte," 
anttoortete ber ©efragte fur^. 

„Wer gab 3h« e « ben Stuf trag, ^errn WaHer aufyu» 
fuchen?" 

„Gine mir unbclannte grau." 

„Unb too?" 

„Sin meinem ©tanbpta^, Gele ber Stofen*.unb Sluguft* 

Ttra|e. 



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9?ot>elIe oon »• 3 0 belti&. 



173 



„9t§!" S)er ßommiffar fällig bor drregung mit ber 
-gianb auf ben £ifdj. „SRofcnftrafje — beim Fimmel, ba 
mo^nt ja unfer fjreunb 3<ma3 33aE! örräulein 2ßaEer, 
ich bermuthe, ©ie haben burcfj 3h*e Angaben bem <£>errn 
öbuarb ^otften einen großen 2)ienft ermiefen. 3<h metbe 
ohne 2Beitere§ an bie SluSnütjung 3h*er f<hähen§merthen 
Angaben fdjreiten, haben ©ie borläuftg meinen beflen S)anf." 

Slnna erhob fidj; fxe oerftanb ben Äommiffar, man 
beburfte ihrer nicht toeiter. Slucfj ber 2)ienftmann tooHte 
ftch entfernen, aber ber Beamte hielt ihn aurücf. 

„Sleiben ©ie noch," fagte er, „mir brauchen ©ie pr 
SfeftfteHung ber. 5ßerfönlichfeit jener Unbefannten, bie 3h ne n 
ben Auftrag beS 9Jtaurermeifter3 Äörbe übergeben hat." 

3)er Äommiffar ging in baä 9tebengemach unb ber« 
hanbelte bort im Slüftertone mit ^mei in dibit getleibeten 
Herren. 2)ann lehrte er p bem 2)ienftmanne prücf unb 
erfuchte biefen, ihm au folgen. 

SJor bem ©eridjtSgebaube ftieg er mit feinem Begleiter 
in eine S)rofchIe unb fuhr nach ber föofenftrafje. 3n 
einem ameiten SBagen folgten bie beiben Herren — ©eheim« 
boliaiften — mit benen ber ßommiffar borher unterhanbelt 
hatte. 2ln ber defe ber 9tofen* unb Stuguftftrafe hielten 
bie SBagen unb bie Sfnfaffen fliegen au§. 

S)er 3 u faH mar bem jungen Jhiminalfommiffar heute 
bcfonberS günftig. 3m felben Slugenblicf, ba er ben Sfufj 
auf bie ©chmeöe ber SBohnung 3onaS 39alPä fe^te, fdjrüt 
eine biefe 3frau mit einem 2Jtarlt!orb unter bem rechten 2lrme 
bie ausgetretene «fpolatreppe nach beut erften ©toä htuauf. 

S'er ©ienftmann berührte bie ©chulter be§ ^Beamten, 



■fc. JL. 



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174 



©in Opfer ber Ceibenfc&aft. 



„$>aä xfl fie," flüflertc er, „ich mürbe bic 2>ide unter 
Snufenben mieber ertennen!" 

25er $ommiffar niefte, erfuchte bann feine ^Begleiter, 
ficfj im £>auSftur ju poftiren unb fdjritt ber grau mit bem 
2Jtar!t!orbe nach, bie hinter einer £pre ber erften ©tage 
berfdjmunben mar. 2ln biefer ^iire ftanb auf einem 
SPorjeHanfdjitbe : „3Bittme föte^er." darunter ftebte ein 
Bettel mit ber Sluffd^rift: „©in* unb Verlauf bon gc* 
tragener ©atberobe, ©olb* unb ©ilbermaaren u. f. m." 

„©pitjbubengefetlfchaft!" murmelte ber Äommiffar, in* 
bem er bie Älinget 30g. 2)ie bide grau öffnete felbft. 
„©inb ©ie grau fUtetyer?" 

„2>a§ bin ich" — ein mifstrauifcher S3lid flog über 
ben gremben — „ma§ münfeben ©ie 1 ?" 

2)er Äommiffar trat in baS 3immer unb 30g rafch bie 
5£f)üre hinter fich 3U. 

„geh bin Beamter ber jhiminalbol^et unb bereit, ©ie 
auf ber ©teile berljaften 3U taffen, menn ©ie mir nidtjt 
angeben, mer ©ie beauftragt f)at, am 9tbenb beS 11. ©ef* 
tember einen an ber ©de ber Sluguft» unb fRofenftrafje 
poftirten 3)ienftmann 3U bem Sucbhalter SBaüer 3U fchiden." 

25ic grau ftiefj einen ©chrei au§. „-^elf* mir ber 
$immet," freifcf)te fie auf, „ich muffte eä ja, baff au§ ber 
gan3en ©efcbichte nichts ©uteS b eraug kommen mürbe! 
©tauben ©ie mir, £>err Äommiffar, ich bin unfcbulbig, 
ich bin eine ehrliche, red^tfd^affene grau, unb ich hätte 
mich nun unb nimmer auf bie ©dhminbetei eingelaffen, 
hätte mir mein SSruber, ber ßump, nicht gefagt, baff eS 
fich nur um ein ^armlofeä ©päfjchen hnnble!" 



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Siooetle üon b. Bobcttitj. 



175 



„2Ber ift Sruber?" 

„2)er 3ona? Satt, ^err ßommiffar, er trotjnt unten, 
gleicB Iinl? bom (Eingang." 

„Unb er Bat Sie au bem $ienfimänn gefd)ifft?" 

„S)a? ^at er, <£>err ßomntiffar, idj !ann meine Selig* 
feit berpfänben — ba? Bat er!" 

S)er Seamte tourte genug, bie geBeimnifjbottc Singelegen* 
Beit enttoicfelte ficB immer üarer. @r berliefj bie 2ßoT)= 
nung ber $rau Steper, Beauftragte einen feiner ßeute, 
biefetBe bortäufig ju Bemachen unb flopfte bann Bei 2fonaS 
Satt an. $er fteine SJIann fafj mie getoötjnlidj am 5fMt c 
unb fri^efte in einem mächtigen Sfotianten, neben bem ein 
Sutterbrob auf einem Stütf 3eüung3papier tag. 

„£err Satt?" 

,,^>aBe bie ©Bre, mein fperr — mornit !ann idj bienen?" 

„3cf) Babe ben Sluftrag, Sie al? SJtittpter an ber 
SerauBung be? SudjBalter? Sßatter au ber^aften. Sperren 
unb miberfefcen Sie ficf) nicf)t, 3ona? Satt, meine ßeute 
ftetjen bor ber StBüre, unb -fpetr $etij SergBeim Bot Bereits 
Sitte? eingejtanben. ßeugnen ift atfo fiberflüffig." 

2>er .ttommifjtonär müire bor Streifen BeinaBe bon 
feinem breibeinigen Seffet gefallen, auf bem er BleicB unb 
aufamntengebrodjen, ein Sitb be? Jammer?, Ipg. 

„SergBeim Bat gefianben," adB^te er, „o biefer ScBuft, 
o biefe erBärmtidje Kreatur! ©r ift an Sittern ScButb, er 
Bat micB berftiBrt, |>err ßommiffar, Bot mir immer ge* 
fagt, idj fotte bie ^ödjften ?ßtoaente bom jungen -£>ernt 
.£>orften neBmen, Bat mi<B üBcrrebet — " 

„S>a? tbitucn Sie utt? Sitte? fpäter eraätjlen," fiel ber 




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176 



©in Opfer ber 2eibenfd)aft. 



33eantte anfdljeinenb ärgerlich eilt, „je^t ifi feine 3ett ju 
bertei Slnflagen. $acfen Sie Sfjre ©adljen -jufaminen itnb 
folgen ©ie un8, 2$re ©dfjmefter toirb 2$nen ©efeltfcijaft 
leiften, bamit ©ie fidj auf bem 2öege nadf) bem ©eric§t§* 
gcbäube nicijt langmeilen. Slber nun ein menig fd^nett, 
toenn idj bitten barfl" — — — 

fjfeli? Serg^eim mar im ©omptoir bei feinen Söücfjent 
beschäftigt , al§ ilpn gefagt mürbe, bafj im ©pred^tmmer 
ein ^>err feiner matte. SSergtjeim bettief} feinen pat} unb 
begab ftdj in ba8 bejeidjnete ©emaclj, in beffen ^Jtitte fein 
©tief unb ber $riminal=Äommiffar ftanben. Sin ber Xfjüre 
natf) bem Äorribot Ratten amei pliaifien in Uniform p>fto 
gefaxt. 

2118 gelij bie beiben pliaiften erblidfte, fjufdjte über 
fein jugenblidtjeS ©efidjt utplöjjlicf) eine faf)le S3Iaffe, bann 
fafcte er mit ber .£)anb nadj bem ^er^en unb bra<$ laut» 
Io8 jufammen. 



8 . 

2)a8 fjauptjfftbtifdje „SJtorgenbtatt" braute in feiner 
stummer bom 25. 9tobember unter ber Diubrif „ftorenfifd&e 
2Jtittf)eitungen" fofgenben Slrtifel: 

„fütit ber heutigen Sßerljanblung bcS poaeffeS gegen 
SSerg^eim unb ©enoffen Ijat audf) ber tetjte 2lft biefeS 
©enfation8brama’8 auSgefpielt. Sin einer anberen ©teile 
unfeteS S3tatte8 finbet ber ßefer eine faft mortgetreue 
Söiebergabe biefer ©djtufjberfjanblung ; bei bem allgemeinen 
Sntereffe aber, melcfje8 ber Sßroaef} 23ergf|cim gerabe in ben 
erften Greifen unferer ©efeKfd^aft erregte, fönnen mir e8 



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9loi?elIe uoit 5- o- Sobeltifc. 



177 



tmS uic^t berfagen, in 3orm eines StimmungSbitbcs noch 
einen furzen SRütfblicf auf benfetben ju merfett. 

3ür $ft)<hotogen ntufj bie ßntmicfelung biefev tra* 
giften Slngetegenljeit einen gana befonberen Steia gehabt 
haben. 25er Slngef tagte ift ein junger SJlantt, bem baS 
befte ßeumunbSaeugnil borauSgeht. 6t ftantmt aus guter 
Familie, fein ganjeS Auftreten ift ein burcfjauS fhmpathi* 
fdjcä, nur autoeilen toirft baS nerböfe 3toinfern feiner auf* 
fallenb glän-jenben Slugen ein toenig befrembenb; bielleidjt 
mag aud) ein SJtenfcfjeufenner im 33licf bc§ jungen Cannes 
aeittoeife ettoaS 2auernbeS entbedfen, baS auf heimliche 2ücfe 
fchtiefjen läfjt. fffelij Söergljeim ift ber Sohn beS ber= 
ftorbenen *Ptofurifien ber ftirma $arl SlnbrcaS Ǥorften unb 
fojufagen in biefem großen, befannten unb gearteten |>an* 
belshaufe erlogen tootbett. .£jerr tpijilipp <£)orften, ber (Hjef 
ber girota, läßt ifjin mit feinem eigenen Sohne 6buarb 
Unterricht ertfjeilen unb fd^ieft bie beiben Jünglinge fpäter= 
hin gemeinfam auf Steifen. £?felij unb ßbuatb toerben 
intim befreunbet — fein Söunbcr, benn auch 6rfterer gilt 
faft aB Sohn beS Kaufes. Sergljeim ift fein Unbanf* 
barer; als SJtitglieb beS ©efcfjäftsperfonals ber ftinua 
.fporften ift er allen Slnberen ein SSorbitb an Sleiß, Pflicht* 
treue unb SlnfteUigfeit. 25er @h e f h a * alle Urfadfje, mit 
feinem 309^9^ aufrieben au fein, unb er ift eS auch, ift 
cS um fo mehr, als fich ber gute ßinflufj, beit fteliy auf 
feinen Sohn auSübt, gar nicht berfenuen läßt. 

25a plöhlich toenbet fich baS Ölatt. Otlij; S3ergheim, 
bisher ein treuer unb toirftich aufrichtiger 3reunb beS 
jungen (Sbuarb |>otften, toirb bejfen erbittertfier f^einb. 

Söibliotljef. 3af)rg. 1886. 8b. V. 12 




178 



(Sin Cpfer bcr ßeibcitfdjaft. 



©lühcnber $afj berührt feine ©eele, eine Ijei|e 8tad)fud)t 
ergreift iljn unb erfiidt ade guten Äeime int ^serjen beä • 
jungen 9Jtanne8. ©ein ganjeS ©treten ton^entrirt fieft 
fürbert)in auf ben einen 3wed: ben ehemaligen §reunb 
ju bentidjten — moralifdj, PhPfifd), materiell, ganj gleich 
tuie! 23i§ bahin ein wohlnteinenber Diathgeber Gbuarb’S, 
wirb $elij nunmehr beffen Verführer. 3n ben Slugeit 
be§ Katers gilt er jtoar immer noch al§ ber 3ntimu8 
Gbuarb’ä, gana im ©eheimen ater ift er beffen töfer SDämott. 
Gr bringt ihn in fdjlecbte Sofate, rei^t ihn pm ©piel 
unb führt ihn entlieh einem alten ©auner in bie 9lrme, 
einer jener -fparphen, bie e§ fith aum ^Berufe gemacht hoben, 
unfere Sugenb tuiniren. SDamit aber noch nicht genug, 
©emeinfam mit 3ona§ Stad, jenem ©auner uub ^als= 
abfdjneiber, entwirft SBergheiut einen $tan, an beffen ge= 
lungener 2lu§führung atoar auch ber 3ufad, biefer tefte 
greunb aller «£talunfen, mitgearbeitet tjat, ber aber bodj 
fo raffinirt erfonnen ift, bafj er einen in ©ünbeit ergrauten 
Startredjcr aum Starfaffer haben fönnte. 2Jtan befd)liefit, 
einen Einbruch int <£>aufe ^orfiett p beritten unb burch 
21erbndjt§momente grabirenber 9lrt bie ©chulb auf Gbuarb 
ju teufen. Gine paffenbe Gelegenheit, bie ben eigentlichen 
Blatt freilich ein Wenig beränbert, ftnbet fid; halb. 9lm 
9iad)inittage be§ 11. ©eptember b&*t Stargteim burch einen 
.Sufall, bah ber Buchhalter Sünder ttod) in letzter ©tuitbe 
eine ©untme bon 150,000 9Jtarf auf ber Stauf bepeniren 
fod. Gin blitzartiger ©ebanfe fdjiejjt beut jungen 2)1 aitn 
burch beit -dopf: ber projeftirte Ginbruch Wirb aufgegebett, 
Ucberfad uub ^Beraubung fod an feine ©tede treten. Gr 



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SRoueHe ütm S u. 3 <>beltifo. 



179 



fiiirmt au Sionag 33all, mit iljrn 9täljereg befprecfien. 
guuädtjft mufj ber 33ud&l)alter SBaller berljinbert toerben, 
bag fragliche ©elb abliefern 511 lönnen. 2 >ie ©djmefter 
SBatl’g, SBitttoe SJtetyer, ein bielbeftrafteg 3 >ubibibuum, 
toirb p einem 2 >ienftmann gefdjiätt, ber SCßatter melbeit 
foll, bajj fein ©dtjtoager i|n um aäjt Ufjr in einer Söein» 
fiube ertoarte. 2 )er 2 >ienflmann trifft äßatter int |>aufe 
|>orften uidjt meljr an, auf ber SCrebbe ftbfjt er jebod) 
auf einen jungen |jerrn, bet iljm fagt, bafj ber S3uc^= 
Raiter auf bie SBanf gegangen fei. 2 ) er 2 >ienftmann 
eilt fort, SBergljeim aber toirft ficfj in eine SDrofdjle 
unb fäljrt eilenbg in bie 5Jtäl)e ber 33anl; eg glüclt iljnt 
audj toirllidfj, beit alten SBudjljalter nocl) bor berfelbeu 
3 U treffen unb fo lange aufpljalten , big eg fteben Uljt 
gefdjtagen Ijat. £er erfle 6 ouf> ift geglüdt: ber 83ud)= 
Ijalter Ijat fein ©elb nidjt beponiren lönnen. SBaller geljt 
in bie äBeinftube,. bie ifjm (angeblich) fein Sdjttmger alg 
9tenbea=boug beftimmt; SSergljeint folgt iljm, überzeugt fidfj, 
baf} Sßatler bie 150,000 2Jtarl itodj bei ficfj trägt unb 
bafj er bag ©aftljaug bor elf Uljr nidfjt berlaffen tbirb. 
©egen aefjn Uljr empfiehlt fidfj 33ergljeim, ftiir^t eilenbg 
ju Sonag S3att unb belleibet ficfj bort mit einem Ijedjt* 
grauen Ueberaietjer, tuie i^n ber junge #orften 3 U tragen 
pflegt unb tbie SBergljeiut if)n bereits bor einiger 3 cit 
feinen Plänen entfbrec^enb tjat anfertigen taffen. SDantt 
begibt er fidb in ben bunlleit <£>augflur unb berftcdt fiel) 
bort. !£er IRaubanfall gelingt; gelnebelt, gebunben unb 
oljnmäcf)tig bleibt ber 33udjfjalter SBaUer liegen. 2Bäljrenb= 
beffeit eilt SBergljeim mit feinem fRaube au Sfonag S3aK, 



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-ft 



180 Gin Opfer ber 2ciben)d)üft. 

beponirt ihn bort, fteibet fidj abermals um unb lehrt er fl 
gegen Vlitternacht nad) |>aufe jutiitf, um baS unglüdli<he 
Opfer feinet Verbrechens aus ber peinbodcn Sage, in ber 
er eS aurücfgelaffen, ju — retten. 

5Die ©pelulation Vergheint’S hatte ftch xid^tiQ 
ertoiefen. VÖader hatte beim 3luffladetn eines ©djtoefel* 
hotjeS bie ©eftalt Gbuarb ^orften’S unb beffen grauen 
Valetot ju erfenneit geglaubt. 21m nädjften Vtorgen fanb 
^oiualqe!, ber <£>auSlned)t, auch noch baS Vtejfer feines 
jungen fperrn am Ort ber £ljat bcr, baffelbe Vieffer, baS 
Vergheint Gbuarb gelegentlich enttoenbet; bie erften Vc* 
toeife bafiir, bafj ber junge ^orften ber ©djulbige, mären 
alfo gegeben. 9lun lam auch noch be* 3ufad bem 33er» 
bredjer ju |>ilfe. Gr tourte jnmr, bafj Gbuarb $orften, 
ber als ©oljn eines reichen VtamteS ein flottes Seben 
liebte, bon feinem Vater berhältnijjmäfjig ziemlich lurg 
gehalten toutbe unb infolge bejjen häufig in ©elbbcrlegen« 
heiten !am, tourte aber nicht, bafj biefer am 2lbenb beS 
Attentats in einem ©pietclub eine größere ©umme ge= 
trennen hatte. Gr erfuhr bieS erft burd? feinen Komplicen 
ScottaS Voll. Vei SfonaS Vafl hatte Gbuarb <£>orfteu nänt= 
lieh einen Ghrentoedjfel auS^ulbfen unb er benu^te ba$u 
bie erfpieltcn (Selber. Vergheint tou|te cS nun einjurichten, 
bafj ber alte «£>err .jporften fidj perfönlid) bei Vad nad) 
ben ginanagefdjüften feines ©ohneS erlunbigte; bem alten 
.fpernt fiel eS auf, bafj Gbuarb eine größere ©umme be= 
3 ahlt hatte, ohne biefelbe bon ihm, bem Vater, erhalten 
3 u haben — bon trüben Slhnungcn ergriffen, liefj er fidh 
bie Vanfnoten borlegeu, bie Gbuarb in gahlmtg gegeben, 



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Siooelle von ft. t>. 3 obeitiij. 



181 



unb fietje ba ! bxefeXben gesotten ber SBatter geraubten 
6 umme an. 3 « ber richtigen 2 krau 8 fict)t, bafi bie 9tum= 
mern ber geraubten Vantnoten faufmännifcher Ufance 
3 ufolge aufgefcfjricben morben feien, ^atte Sktt taut 
Verabrebung mit 33ergheim <£>errn 4?otften ftatt ber 
bretje^n Jaufenbmarffdjeine, bie Gbuarb in SBahrheit 
geßaljlt, brei^e^n Scheine be§ geflohenen öSetbeS borgelegt. 
Stun tonnte auch für ben eigenen Skier taum nodtj ein 
greifet ejiftiren, ba| fein Sohn ein S3erbxed§er fei! 

Unb bennodj — ta 8 Sßater^er^ bezweifelte nicht: 
audh je^t glaubte |jerr ^orftcn noch nicf;t au bie Sdjulb 
ßbuarb’ 8 ! (£r befcf)tojj eine Unterfudjung auf eigene .£>anb. 
2)a3 pafjte Vergheim fchtectjt — ber 9ii<f)t3n)üibige tüoHte 
ben einftigen ftfreunb öffentlich am Pranger feljen! ßo* 
watetet, ber «$au§biener .£>orftcn% toar au 8 bem ©efchäfte 
enttaffen toorben, unb mit ihm festen S3ergtjeim unb Sklt 
fidf) nun in Verbinbung. ^otoatcjef erhielt eine gröfere 
Summe betjufä lleberfiebelung nad(j Stmerifa unb benun* 
girte bafür (Sbuarb .fporften bei ber Staatknfoattfchaft. 
9htnmef>r mujjte ba 8 ©eridht einfehreiten unb e§ fdjritt 
ein, aber -JU Ungunften ber Verbrecher. Unfere fiefer Wiffcn, 
auf Welche Söeife bie S5kt)rljeit an ben dag tarn. 

diejenigen, bie au» Sntereffe 3 ur Sache ben Ver= 
fjanblungen biefeS eigenartigen ^ro^effeS ^erföntidh bei= 
gewohnt, Werben ftdf) oft gefragt tjaben, wie e 8 nur möglich 
fei, bafj einen bisher böHig unbefdjoltenen unb rechtlichen 
Vtenfchen urptöjjtich mit Wahrhaft fieberhafter ©eWatt ber 
däinon ber Siadjfucht erfaffen unb 311 m Verbrechen treiben, 
tönne. 3n ber meifterhaften Siebe bc§ VerttjeibigerS fyetir 



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182 



Gin Dpfer ber ßeibenfc^aft. 



©ergheim’S ftnbett toir bie £öfung biefcö rätselhaften 
pfpdjologifchen Vorgangs. ©er SBahnftnn ber Giferfucht 
l;at ben Unglücklichen 3 U ©runbe gerichtet! 

©ramatifdj, toie ber ganje ©erlauf beS SßroaeffeS, 
toar auch ber Slbfchlufj beffelben. ©tit lauter Stimme 
berlünbete ber ißräfibent baS Urtheil: je fteben 3ahre 
SuchthauS für ©ergheim unb ©aE, atoei Sahre 3u<hthauS 
für bie ©titthäterin Söitttoe ©teper unb bementfprechenbe 
Slberlennung ber bürgerlichen Ghrmrechte. ©er üßräfibent 
hatte noch nicht auSgefprodjen, als ein Schrei ben Schwur* 
gerichtSfaal burd)tönte. f^elir ©ergheitn hotte ihn aus» 
geftojjen. Seine jittembe §anb griff nach bent ©iunbe, 
bann ftür^te er, bon Krämpfen gefdjüttelt, ju ©oben. 
3 toei ©Hnuten fpöter toar er tobt. §luf Bisher noch nid^t 
aufgeklärte SBeife toar eS ihm gelungen, fich ein ftarf 
toirlenbeS ©ift au berfdjaffen, baS er unmittelbar nach ber 
UrtheilSberliinbtgung 31 t fich nahm." 



Söenige ©tonale nachher erhielt bie $irnta $arl 
SlnbreaS |>orfien einen neuen Ghef. ©er alte ^err, 
beffen -£>aar in toenigen bethängnifjboEen ©agen gänalich 
ergraut ift, hot fich b °n ben ©efchäften aurüdgeaogen. 
Sein Sohn Gbuarb ift an ferne Stelle getreten, nicht 
mehr ber Gbuarb bon früher, fonbern ein ©tann im 
beften Sinne beS SöorteS. ©reu aur Seite fteht ihm 3lnna, 
fein BlühenbeS SBeib — feine ©etterin. 

9luch ber ©uchholter SBaEer unterftüfct toieber eifrig 
feinen neuen Ghef «nb Schtoiegerfohn; nach tote bor befucbt 
er aEabenblidj bie Söeinftube bon ©achmitEer, um ftd) 



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Da? StiftSfrftulein von SKarienfließ. 183 

mit feinen ehemaligen (Softegen Slnefboten 3U erzählen 
nnb fauren Wofel 31t trinfen. ©elb aber nimmt er nie* 
ntalS mehr bahin mit, als er eben braucht, um feinen 
Schoppen P besohlen. 



Sag Stiftsfräutein non iSarieiifließ. 

<£inc t}ofgefd}ichte aus bcm (7. 3 a h r ^? un ^ er ^ 

* Son 

iWoberirfj Drcnfhorft. 

(9Ja^brud berbottn.) 

3n ber frühen, fagenburdjmebten ©efdjichte faft eines 
feben beutfchen gfirftengefchtechteS finbet man, baß eine 
beftimmte grau burch ihr Auftreten toefentlichen (Sinfluß 
auf bie ©efchicfe beffelben auSgeiibt hot, unb baß auch 
nach ih te m, faft regelmäßig tragifchen (Snbe ihr noch ein 
übernatürliches ©inhnrfen 3ugefd)rieben toirb. 

Söte (£ph eu alte Dh ör me manchmal im ßaufe ber 3ahre 
fo bi<ht übersieht, baß man faum ihre Ilmriffe noch 3U er* 
fennen berntag, fo öerbecfen bie ©ebilbe ber Sage bie 
tjiftorifchen ©efialten, bie fo berhüngnißbolf für ein ©e* 
fchlecht getoefen fein füllen, oft in bem Waße, baß fte 
faum fuh toieberfinben taffen. So ift eS mit ben »tueißen 
grauen 4 in 33erlin, SBaprcuth, Stuttgart, fo mit ber Äröten* 
frau in Deffou unb mit anbern ©eftalten an bieten anbern 
Orten. 



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184 $ft§ Stiftsfrfiulein oon 9Jtotienf(tejj. 

S5on Sibonie P. Söorfe bagegen, ber ,SH^nfrau‘ ber 
^er^öfle Don Sommern, l^at unS bie ©efdjichte Sauf unb 
Gnbe beS SebenS genau aufbetpatjrt, Sibonie mar bie Softer 
eines ber angefehenften pomnter’fchen (übelleute, £)tto’S P. 
SBorfe, ber auf Stramehl feinen fßitterft^ hatte; in biefem 
flehten Spfarrbörfdjen, baS ehebern in ber pommer’fihen ®e= 
fdjidjie als Stabt SBulfSberg eine größere Stolle gefpiett 
hatte, unb int 14. Satjrtjunbert jerftört morbcn mar, mürbe 
Sibonie geboren unb bort Derlebte fie auch ihre Äinbtjeit. 
Später, al§ fie 3 U einer ftattlidjen Jungfrau, beren Schön* 
f)ett unb Siebrei^ bie He^en ber jungen Männer umftricfte, 
herangemachfen mar, !am Sibonie an ben Hof be§ |>er= 
3 ogS I- öon ^ommern*2Bolgaft. 2>ie ßebenSluft 

beS alten dürften unb ber jungen ritterlichen ^rinjen 
hatte bie Hofhaltung in SBolgaft glänjenber gemacht, als 
bie ber benachbarten Stegenten 31 t fein pflegte, unb Sibo= 
nie D. SSorfe’S Schönheit machte fie bei folgen H 0 ft e fl s 
lichfeiten halb 31 « gefeiertften @rf<heinutig am SBolgafter 
Hofe. 

SBilbung Perlangte jene rauhe Seit Pott einer ffrau 
nicht gerabe biel, aber eS tuirb unfere ßeferinnen hoch 
iiberrafchen, bafj Sibonie faum ihren Staaten fchreibeu 
fomtte. Stroh ihrer finblidhen Unmiffenheit toarb fie aber 
Pon bett beften ßbelleuten beS ßanbeS urnfähmärmt, inbejj 
fie mieS alle ab; bie ®tnen fagen, tneil fie bereits eine Siete 
im Herren trug, bie Slnbern, meil ihr grenjenlofer @h r “ 
gei 3 jebeS toeichere ©efiihl unterbrücfte. 

<SS toar halb am Hofe fein Smeifel mehr, ba& ber 
ntelancholifche Sautenfpieler, $riu 3 Grnft ßubmig, ber fuh Pon 



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23on 9loöerid) Urenfljotft. 



185 



allen fffefilichfeiten unb namentlich bon ben toüften Xrin!* 
getagen gurüdgog, ber erflärte SieBhaBer ©ibonie’S b. Solle 
fei, ja Siete fpradjen fogar bon einer heimlichen ©|e gtoifdjen 
Seiten. 2)af} ©ibonie Bei ber bie ihr gange» Söefen 

Be^errfdjite, an eine faftifdje SerBinbung mit bem ^ringen 
gebaut ^Ben mag, ift möglich; bodj toeij} man nur ben 
©<htuf} biefer romantifdjen ßieBcSgefdjichte : «giergog ^ptn* 
lipp Beftimmte feinem ©ohne eine toelfifdje fßringeffin gut 
©emaljlin, ltnb ber junge spring ßtnft Snbmig gögerte nidjt 
gar tauge, ben Sunb mit jener gu fchliefjen. ©ibonie ber* 
lief? tief berieft ben $of, ben ©chauplajj i^rer ehemaligen 
Xriuntphe , unb nahm na(h biefer Cmttöufdjung einen 
tiefen, unergrünblichen |)a| gegen baS gürftengefdjtecht, 
bem ber Ungetreue angeljörte, mit fid) in bie (Hnfamfeit. 

9ll§ ihr Sater ftarB, t)intertie^ er ihr gum bürftigen 
Unterhalte nur einige ^Bauernhöfe gu -Sndioto- ©ibonie 
aBer Batib fid) nicht an einen feften äöohnfit}. ©ie leBte 
Balb in tttegentoalbe ober fjreienmatbe, Batb in ©targarb; 
längere .Seit fanb fie einmal eine angemeffette Untevfunft 
Bei ber «fpergogin Älara Starie bon StedlenBuvg , ber 
Tochter beS |>ergogS SogislauS XIII., bie fich ber armen 
Serlaffeuen unb faft gang £>attlofen fveunblich annahm. 
Stan erfährt nicht, meldjeS tjarte ©efdjid ftc bort toieber 
auS ber 9?ut)e aufrüttelte unb fie ton feuern in bie un» 
ruhebotte Söett hinauSftiefj. 2lu§ Slitteib unb auf £5?ür= 
fprache pommer’fcher (Sbelleute nahm liergogSogiStauä XIII. 
©ibonie b. Sorte, bie jefjt Bereits 57 3&h* e alt mar, im 
Sahre 1604 in baS Softer Starienfliefj auf. SicUeicht 
gefdjal) e§ aud), um ein atteS Unredjt, baS ein ©lieb beS 



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186 StoS Stiftsfräulein oon fDiarienfliefc. 

pommer’fdhen ^er3oggl§au|e§ Ufr cinft jugefügt hatte, mie* 
bet 3« fügten, bemt fd§ott barnalS toar e§ belannt, tote 
Bitteren .fpafi bie Ungtücltiche gegen bie pommer’fchen dür- 
ften int .fperjen trug. 

Von ihrer Slufnatjme in bie ßloftermauern bon hörten* 
fliefs aber Beginnt recht eigentlich bie Seibenggefchichte 
ber Sibonie b. Vorfe; gum Xtjeit hat fie burdj ihren 
£rotj, ihre Verbitterung nnb ihren bämonifdfjrn £>a| baS 
Unheil felbft über ihr £>aupt heraufbefcbtooren, aber jum 
Sdjeil trägt an ihrem Untergange auch bie thßrichte Ver* 
blenbung unb ber tljeitS finbifd^e, theilg fürchterliche ?lber* 
glaube ihrer 3eitgenoffen bie ©djulb. 

2Bie eg im ßeben oft 3U gehen pflegt, bafj grauen, 
bie in ihrer $ugenb megen ihrer Schönheit mit |mtbi» 
gungen überfchüttet toorben finb, im 9 llter griesgrämig 
unb eigenfinnig ihren Vtitmenfchen mit befonberem ©e= 
fdjicf baS ßeben 3U berbittern fuefjen, fo fcheint eS mit 
Sibonie ebenfalls getoefen 31t fein. SBenigftenS nennt fie 
ber Älofterhauptmann Schämt b. $e<hthaufen einmal in 
einem Vericfjte au ben $er3og einen „Äloflerteufel" unb 
eine „Schlange" unb toeifj bon ihrer VoShaftigfeit gegen 
bie übrigen ßlofterjungfrauen recht übte ©efchichten 3U 
ergähten. @S fann barüber lein 3bJfifet fein, bafj bie 
StiftSbame recljt toenig @igenf<haften befafj, treidle jtch für 
baS ftiUe, friebliche ßeben im Älofter fchidtten, unb bafj 
fie halb fo berhafjt in Vtarienfliejj toar, bajj man fd^on 
toenige 3atjre nach ih l ' er Aufnahme toieber an ihre @nt» 
fernung badete. üTtof}bem fcheint fie bont #er3oge felbft 
gefdtjübt toorbeu 3U fein, benn fie blieb trof* ber fehleren 



i 




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Son föobevich Srenftjovft. 



187 



Slntlagen, bie bag ßtofter gegen fte erhob, unb tro^bem 
fie ftd) atfejeit in ^Qrte Schmähungen ergoB gegen bag 
pommer’fche $ürftenhaug , bag an alT ihrem Ungliicf 
©djulb fei, im Jtlofter. 

Schon in ben eben ermähnten 9In!lagefchriften toirb ber 
Sibonie o. 33orle Uorgetoorfen, bafj fie franfe 9Jtenfchen unb 
Spiere befpredjen fönne, mit ihren Slraneibttchern tounber» 
liehe Äuren unternähme unb nicht frei bont Umgänge mit 
bem Teufel fei, toegtoegen i^r benn auch ber ßlofterpfarrer 
3)abib Siibedfe bag Slbenbmaht bertoeigert ^atte. $0311 
fagte man i§r ganj offen nach, baB fte an bem Xobe 
i^reg ehemaligen (beliebten, beg ^er^ogg (Srnft ßubtoig 
bon Sommern, fchutb fei, ber atlerbingg unter fehr auf» 
fallenben Umftänben ftarb. 

SCßenn man auch über ben toahren 3ufammenhang ber 
bunflen Umftänbe, toie fte fi(h um bag Sebengenbe beg 
•fperjogg gtuppirten, nie recht ftar getoorben ijt, fo fteht 
hoch fo biet feft, baB an bem |>ofe ju SEßolgaft bamalg 
eine ganj tolle 3Qßirthfc^aft geherrfcht haben muB- 35er 
gefammte $of unb .fperjog ©rnft ßubtotg felbft ftecfte big 
über bie Dhren im abfurbeften Slberglauben. 6 in bran» 
benburgifdher 2 Jtagifter trieb feit bem 3 ahre 1583 mit 
bem dürften ju Söolgaft bie fünfte ber Alchemie unb ber 
fbmpathifchen $uren unb ängftigte ben fcfjtüachen -fperrn 
mit bangen SBeiffagungen. 3«/ ein neibifcher (Sollege be» 
fdjulbigte ben UJtagifter fogar, baB er ben teufet in einem 
^TpftaUglafe bei fidfj führe, mit beffen |)tlfe er Slalenber 
machen fönne, toeiffage unb fonftige gefährliche fünfte 
triebe. 



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188 $)a§ Stiftsfriwilein oon -Utarienfttefj. 

©§ fantt unä alfo taum SBunber nehmen, bafj über 
bem tollen Treiben -gierig ©raft ßubmig tieffinnig mürbe, 
gerabe atä feine Tochter ©tifabeth in eine fd^xecftid^e 
©ehirntrantljeit Verfiel , bie man bem ©inmirfen einer 
bem pommer’fchen ^ürfienhaufe feinbtichcn Zauberin au= 
fcljrieb. ©ine eingehenbe Unterfu^ung mürbe über biefe 
bunften Vorgänge angeftettt, man 30 g biete grauen ein, 
bon benen man in bie Sitten fdjrieb, bafj „fie fiel) ein* 
anbei- bie Teufel in ßobern unb Äörben ^ngefd^icft haben 
füllten ", aber ©ibonie b. Sorte mürbe, troijbem ftch ber 
fdfjroerfte Serbacht auf fie lenfte, bamalä nod(j nicht ber* 
haftet, auch nicht, at3 plä^tich ber ffürft an ber Hopfrofe — 
eine tfranfheit, beren ©ntftehen man mit Sorliebe jaube* 
rifdf;er ©inmirtung jjujufchreiben pflegte — ftarb. 

■Söeit tauter liefen fich aber Slnttagcn gegen ©ibonie 
Oernehmen, al§ im Zahre 1610 Zoadfjim b. Sßebett auf 
Ärern^om, ber itjr mehr at$ einmal öffentlich bie ®d§ulb 
am 5£obe be§ per^ogS ©ruft ßubmig augefchrieben hatte, 
an einer unbetannten $ranfheit blötjliäj ftarb. SDaju mar 
bie alte Jungfer auch unftug genug, ihre ijteube über ben 
£ob be§ Stanneä offen auS^ufbred^en unb fich mit atterlei 
Seuten einaulaffen, benen ba§ abergläubische Solf ben Um* 
gang mit bem üEeufet unb Zauberei nachfagte. ©ine fotdhe 
abenteuertidhe ^igur mar bie „bitte SCßotbe Sllbrechtä", bie 
ehebern ein milbel Zigeunerleben geführt hatte; biefe alte, 
hatböerriittte Sßerfon, bie in einem einfamen SBalbptt^en 
bei Starienfliefj mcpte unb öon ben Säuern als eine 
gefährliche Zauberin fdfjeu gemieben mürbe, hatte ftch 
©ibonic ( vtr Sertrauten gemäht, unb ie tpr-ichter SltteS, 




f 





Sou 'Jtobericf) 2venffjorft. 



189 



tuar, mag bic Seibctt in einfamcn ©tunben trieben, befio 
mehr häufte ftdj ber SBexbad^t ber Zauberei gegen fie. 2 lber 
bcr 4 pof ioie§ alle Etagen ab, ja, einige ber ©tiftsbamen, 
bie ft<h 3 U ehrenrührigen ©chmähungen gegen ihre 2 Jtit= 
fdjtoefter h a Ü en fortreifjen taffen, mürben fogar beftraft. 
3)a§ Statt menbetc fiel) erft im 3ah*e 1615. 

©ibonie’3 9teffe, Otto b. Sorte, ging um biefe $dt 
bamit um, ber alten grau bie tteinen Sauernhöfe ju 
.Sachoto, bie ihr bon ihrem Sater teftamentarifch 3 unt 
Unterhalt bermacht morben maren, ju ent 3 iehen unb bie= 
felben an feinen Setter ^oft b. Sorte abjutreten. ©ibonie 
tlagte gegen Otto, |>ev 3 og ^hilifÜ 3 aber, beffen ßiebliug 
Soft b. Sorte mar, toieö fie ab, unb je ungerechter biefe 
.(panblungetoeife u>ar, befto entfeffetter fprad^ ft<h ber <fpafj 
©ibonie’3 gegen ihre Sertoanbten unb gegen ben ^er^og 
au§. ©ie freute fich nicht, offen babon 31 t fprechen, bajj 
fie täglich um ßrlöfung bon ihren ^einben bete, unb fie 
müfcte, bafj bie ©rfüllung ihre§ ©ebeteä eintreten mürbe. 

Ungtiidticher SBeife für ©ibonie b. Sorte hatte fie 
batin 9ie<ht, benn e§ mar taum ein Sfatjr bergangen, fo 
ertrantte Otto b. Sorte unb ftarb nach toenigen £ageu, 
ohne ba§ bie Siebte recht mufjten, meldjer tontheit ber 
fräftige Stann fo J)löt}lich erlegen fei. „Zauberei" flüfterte 
man fuh fofort 31 t unb mies mit Ringern auf ©ibouie, 
bie in ihrer Serblenbung ihrer Sfreube über ben £ob be§ 
feinblichen Sertoanbten offenen SuSbrud gab. 

Sluch 3 U ^»erjog Ohren braitg ber böfe 9tuf 

ber 5 rau; bont Stoßer tarnen Klagen über Klagen, unb 
er entfchlofs ftd) enblich, bie Unterfuchung im Äfofter 



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190 Sag ©tiftsfrciulciit uon Ntarienftieb. 

felbfl gegen ©ibonie b. Sorle borpne^men. 3 tlg er aber 
an einem Oltoberabenbe beä Sahreg 1617 in ber Nähe 
bon Ntarienfliefs im Sorfe ©atjig anlam, überfiel ihn 
^jlö^Xic^ heftiges UnWohlfein, unb fdjon am nächften Sage 
war er eine Seidje. Stan fann fidj benfen, Welch’ grofjeg 
Nuffehett biefer neue Sobegfatl erregte, unb wie nur noch 
eine ©timnte ber Nntlage gegen ©ibonie mar. Sie t^ö= 
richte Sitte aber ahnte nidjtg bon bern ihr broljenben Ser» 
berben, fte hielt auch jefjt nicht jurücf mit ihrer ©«haben* 
freube über einen Sobegfatl, ber ihren eigenen Untergang 
herbeiführen foUte. 

■^er^og 3?ratt3, ber bieKeidjt noch abergläubifhere unb 
jebenfatlg härtere Nachfolger fpei^ogg ShiftPb’ä, hielt eg 
für feine Pflicht, bie ffrau, ber bie öffentliche Steinung 
fo fthwere Sefdjulbigungen nachfagte, 3ur Nedjenfchaft 311 
Riehen unb übertrug bie Seitung ber Unterfuchung bern 
öffentlichen Nnltäger Shrifüan ßübiefe, einem Stanne, ber 
neben feiner anerfannten Sogljaftigfeit big über bie Oh^en 
in bern !inbif<hften Aberglauben feiner 3 f it ftedte unb 
fogleich ein förmlicheg ^jejengericht inftaUirte. 

3uerft tourbe bie „biefe SBolbe" einge3ogen, unb ba fte 
allgemein in beut Nufe einer gemeingefährlichen SPerfon unb 
bösartiger Zauberei [taub, fo machte man Wenig Untftänbe 
mit ihr unb unterwarf fte ber Sortur. Natürlich geftanb 
fie, Wag bie Unierfuchunggridhter eben Wiffeit Wollten: bafj 
fie gemeinfam mit bent JHofterfräutein 3<utberei getrieben, 
bafj ebenfo wie fie auch ©ibonie b. Sorte einen Seufel 
befi^e, beffeit Name „(£hi»t" fei/ unb baf biefer auf ihre 
Sitten bie berfchiebenen Serfonen 31t Sobe gebracht h ö &e*> 



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33on SRoberidj Srenftjorft. 



191 



SDic SBolbe Blieb Bet ifjrer 9lu£fage and) nod), alä ©ibonie 
b. Sorte iljr gegenüber gefteHt tourbe, unb ber ©erid)t2= 
Ijof Beeilte fidj, bie gefäl)tlidje Sauberi« möglidjft fcfjneH 
au§ ber SSelt au fdjaffen. 9tm 8. CltoBer ging ber erfie 
3l£t be§ fdjauerlidijen SErauerfpielä ju (fnbe, inbem bie 
„büfe SBolbe" auf einem freien $piatje bor bem ßlofier 
9JiarienfIie| öffentlich berbrannt tourbe. 

Sier Sage fpäter tourbe Sibonie b. Sorte, ber man 
jefjt aucf) ben plöfclictjen SEob be§ «JHofterpfatrerS S)abib 
Sübedfe unb be§ JHofterpförinerä 9)tat^ia§ SBinterfelb 
fd^ulb gab, au§ bem Älofter entfernt; man unterste 
it)re SeUt, aBer fanb nidjt» in berfel6en als fromme 
Südjer; troijbem brachte man fie als (Befangene nach bem 
aerfattenen ©chlofj CeberBurg, um itjr ben Sßroaejj au 
machen. Stan mag fidh einen Segriff machen, toie toenig 
fdhtoertoiegenb ba§ 9lnflage=9Jtaterial toar, trenn al§ Bc= 
fonberä Betaftenb für fte angefetjen tourbe, bafj fie bei ben 
aatjtreidfjen ^»ejenoerBrennungen fiet§ bie dichter ungerecht 
gefdjolten l^aBe, bie nicht toüfjten, toa§ fte träten, unb ben 
armen töpfern iebeSntal ba§ SEobtentjemb augefdjidt IjaBe! 
2Jtan fielet barauö, ©ibonie ^atte gefunben 9Jtenfc^en= 
berfianb unb fie hatte getoagt, gegen bie törichten Sor= 
urteile öffentlich aufautreten — baä aber hat noch 9tiemanb 
ungeftraft gethan. 

S!er fjfiälal ©tjtiftian JBübirfe gab fidj untcrbeffen alte 
erbenllidje Stühe, um ein ntßglidjft umfatigreidjeä Slnflage» 
material gegen bie Unglüdlidje aufantmen au Bringen, 
unb nahm e§ babei mit ben ßueüen, auä beneit er ba2 s 
felBe fdf)öpfte, nidjt genau. 2Der ganae fproaejj ift baä 



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102 $a3 StiftSfrciulein non SDtaricnfliefi. 

Berrbilb einer georbneten Rcdjtäpflege. ßiibide forntte 
fchoit im Februar bie Rnflagealten mit 74 ßlageartileln, 
unter beiten ftdj baS albernfte SBeibergefdjtoäh befanb — 

3. 33. bafj ©ibotiie fidj einen „©achfenfpiegel", jenes alte 
RcdjtSbuch ber ©adjfen, berfdjafft Ifjabe unb barauS mit 
|)ilfe ihres Teufels „@h f m" tua^rfagen fönne, ferner bafj 
fte im ©tanbe fei, burdj ihr ©ebet baS ßeben anbeter 
^erfoneit 3U berlürzen unb biefe Rtadjt gegen eine ganze 
9lnzahl ihrer f^einbe, barunter gegen ihren ehemaligen 
Liebhaber ©ruft ßubtoig unb ben 4per,3og Philipp in 2lit= 
toenbung gebracht bafo unb begleichen unfinnigeS Beug 
mehr, — an ben ©djöppenftuhl zu 2Jtagbeburg einfenben, 
um bie ©rlaubnifj bon bort zur Rntoenbuitg ber peinlichen 
Brage gegen bie Slngelfagte zu erlangen. 

Btoar trat ©ibonie’S SSertheibiger ©ta£ ßothmann 
mit aller Energie gegen baS leichtfinnige unb ungeredjte 
Verfahren beS SlnflägerS auf, aber er beredte bamit im 
©anzen nichts toeiter, als bafj ßiibtde mit funbantentalen 
©robheiten antwortete, ben Rbbolaten „einen ungefdjliffeneu 
©upplilantenfdhmieb unb ©chneiberSfobtt, ber ehrlichen 
ßeuten bie ©djuhe fdjmieren müfjte unb berbient hätte, 
mit Ruthen gefiridjett <ju Werben" nannte, unb ben Unter» 
gang ber Klientin Sothmann’S, fo biel an ihm lag, be* 
fcf)leunigte. 

$er ©dhöppenftuhl zu Rtagbeburg hatte unterbeffen auf 
Tortur erlannt, unb ber alte fßitterfaal ber Ceberbutg 
erlebte am 28. Buli 1620 baS graufige ©djaufpiel, bafj 
bie achtzigjährige ©reifin ben erfinberifdhen 9Jiartern einer ^ 
fannibalifdjen Rechtspflege unterworfen Würbe. 3)ie arme 



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93on 9lobenc(j 2ren!f)orft. 



193 



Sitte, bon allen Sttenfdfjen bettaffen unb nur bon ffcinben 
umgeben, Befannte unter ben furchtbaren ©dEjntergen ber 
„fbanifdfjen ©tiefein" 9We$, trag bie Slnlfagc trollte, baff 
fle einen Teufel StamenS „ 6 ^im" befttje, bafj berfelbe auf 
iljre SSitten bie Beiben ^»erjöge fotrie bie übrigen ^erfonen, 
trie ben Ätofierbfarrer, ben Pförtner unb ihren Steffen mit 
3Jter!urium int Söier bergiftet ^Be, furtum, bafj fte als 
Zauberin geleBt unb getrirlt Ijabe. ©o triberfinnig heute 
ein fotctjeS SBefenntnif Hingen mag, bamalS genügte eS, 
um ben ©erichtShof 3 ur Serurt^eiluug ber ©ibonie b. SBorte 
3 um fffeuertobe 3 u Beftimmen. S)ie arme, gellte unb ge* 
ängftigte Sitte bat felbft um ben £ob, fie trollte ba§ etenbe 
£eben nicht länger tragen. 

2 )en tieffien (Sinbtuct machte ber Sßro 3 efj auf ben £er= 
30 g Sfrang, ber leinen SlugenBtiif baran 3 tueifelte, bafj 
©ibonie ber SBürgettgel feines fjfürften^aufeS fei. ßr Be* 
gab ftch felbft, getrieben bon Stngft in ben Äerfer ber 
.(Hofterfrau unb Bot itjr ba 8 geben an, trenn fie ben tobt* 
Bringenben 3ßuch, ben fte über ba§ fjomnter’fche Surften* 
gefd§led)t mit .jpilfe ihres Teufels auSgefprechcn T^ätte, bon 
feinem #aufe neunten trollte. SM £roij über ben Unber* 
ftanb ihrer Reiniger unb bolt .fjajj gegen ben Urheber 
ihres SeibenS antlrortete ihm bie Sllte höhnifdh, „bafj baS 
|)ängefchtofj in trelcfjeg fie ben Sltuf) getnüpft ^abe, auch 
ihr Teufel ßhim nicht triebet auS ber £iefe bcS ©ee’S bei 
SJtarienftiefj ^erbor^oten lönne." Unb fo boßer Slbcr* 
glauben traren bie Slnfihauungen jener fonft fo toiffen* 
fcfjaftlich angelegten Seit, bafj eS Stiemanbeit gab, ber- 
ieten SBorten nicht botfen ©tauben fdjrnfte, unb eS ift 

»ibfiottie!. 3al)rfl. 1S86. SBb. V. ]3 



194 £sa§ ©tiftSfräulein »on SJlarienfliefj. 

munberbar genug, gerate tiefer *Pro 3 efj gegen ©ibonie 
o. Sötte fadste bie unfelige Söuth, »ermeintlidhe |>ejen 
mit Srewet unb ©dhtoert $u »erfolgen, »on Steuern an. 
©erabe bie ©teile, »on ber bie ©rleuchtung hätte au?gel)en 
f ollen , bie ilniöerfttät ©reifltualb ging barin mit üblem 
Seifbiele »oran unb »erhängte noch im 3ah« 1660 bein» 
liehe Unterfudhungen gegen tauberer; erft im Anfänge be? 
»origen Sfahrhunbert? begann ftd^ eine belfere Erleuchtung 
Saljn ju brechen, fo Ijartnätfig feft fafj ber Slberglaube 
frtbft in ben ilöpfen nüchterner, gebilbeter SJtänner feft! 

9lm 19. Sluguft 1620 fdhidte ftd^ ©ibonie ». Sorte, 
einft bie beneibete ©eliebte be? f<h5nften ^rin^en in ganj 
Sßommertanb, iefct gebrochen unb »ergründ ju ihrem lebten 
fdbmeren ©ange an; au? ©nabe mürbe bie Ungtücfliche 
3 uerft enthaubtet unb al?bann öor ben Xhoren Stettins 
»erbrannt. 2 Bunberli<her SBeife mar e? übrigen? ^erjog 
ffran^ felbft, ber bafür forgte, bafj ba? Slnbenfen an biefe 
bitterfte 3 *inbin feine? .£>aufe? nidht »ergeffen mürbe; er 
lief} fie burch feinen Hofmaler malen unb ba? ©dhicffal 
hat gemoüt, bafj bie? Sitbnifj ber ©egenmart erhalten 
morben ift. SJanadh ifi ©ibonie ö. Sorte in bem ganjen 
©lan^e jugenblicher ©djönheit bargefteHt, um aber 311 
geigen, bafj hiut er tiefem frönen Slntlii} fidh ein teuf» 
lifcher ©h arQ tter öerberge, lief} ber Staler bie „tiefe 2 Bolbe" 
in ihrer ganzen «fpäfjlichfeit ©ibonien über bie ©chutter 
6 licfen. SJtan fann fidh faum einen fdhreienberen ©egen» 
faj} beuten, al? biefe beiten ©efidhter neben einanber au?» 
üben ! 

©eitbem mich ba? Solf abergläubifch bie ©eberburg, 



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Son 9lobericfj Srenfprft. 



195 



unb batb raunte ©iner bem SInbern 3 U, bafj bort unb im 
Scpoffe 3 U Stettin bie Sibonie at§ ungtüdberpifenbcä 
©efbenft umginge. So bilbete fid) bie ©eflatt ber un= 
glüdtidjen Älofterfrau bon fJJtarienfliefj, bie at§ ein £>bfer 
i^reS eigenen racpüdjtigen GpratterS unb ber tpridjtcn 
SBerblenbung iper geitgenoffen fiel, aflntöpig im S3otfe 
3 U einer fogenannten , 2 öeifjen 3 rrau‘ au§. 

9iod) fedpig $ape nadfj bem Xobe Stbonie’3 erjäpt 
ein fonft berftanbiger ©efdtjidpgfcpeiber : „@§ toaren nodj 
fieben pommer’fdp ^er^öge am £eben unb fünf unter ipen 
berepidp. Sttlein ©ott pt berpngt, bafj bie j}toei un= 
berepicpen ganj jung, bie fünf aber in unfrucpbaven 
6 pn berftarben. 9Jtan gibt in Sommern unb in ber 
9Jlar! beftänbig bor, e§ pbe eine abeltge Jungfrau Si* 
bonie b. SBorfe atlefamt bezaubert, unb biemeit fie nun bie 
^Bezauberung nidp pbe töfen fönnen, pbe man fie burdj 
Urtpit unb 9tecp pngeridpet!" 




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fonbonet Cluü-Cebett. 

ßilber ans ber englifdjen flauptpabt. , 

33on 

(Stadjbtui! ber&oten.) 

Gngtanb ift baä eigenttidje Glubtanb, bod^ berPefjen 
öie Gnglänber felbft unter „Club land“ nur benjenigen 
SEfjeil bon ßonbon, ber tu unmittelbarer fltä’le bon ^att« 

9JtaÄ unb Regent Street gelegen ift, mo ein prächtiges 
GlubljauS fidj an ba§ anbere ret^t. 

Sie $bee be§ Gtub*SebenS ift uralt. 2Öie fdjon bie 
9tt^encr neben if)ten allgemeinen Spmpofien noch anbere 
3ufammenfünfte fjatten, too lieber feine Portion 311m 
©c^maufe einfanbte unb im Uebrigeit feinen Slntljeil ber 
9IuSgaben trug, fo berietet auch Gicero (de senectute) 
bereits bon bem Vergnügen, ba§ ihm ber S3efu<h jener 
fo^iaXen ^Bereinigungen feiner 3eit gemährte, tno nach 
altem ^»ertommen ein Sßräfibent gemäht mürbe unb mo 
man ©elegenljeit hatte, intereffante Unterrebungcn $u h&ren. 

$ie SBeaeichnung „Glub" gilt allgemein für ein ed£jt 
englifcljeS SBort, bod^ leitet e§ Gartple mohl nid^t mit 
Unrecht uon bem beutfd^en „©elübbe" ab, baS bie ®runb= 
läge ber beutfcljen SKitterorbeu bilbete. GS ginge un§ alfo 
mit bem Söorte mie mit fo manchen beutfdjcn inbup rieften '-nJ 



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SUon äßillj. ©raub. 



197 



ßraeugniffen unb manchen anberen beutfdjen SSßrtern — ich 
toeifc nur auf ba§ mibermärtige „SBaggou" hiu — , bie 
erft mit bern (Stempel be§ 2lu3lanbe4 nerfc^eit merbeu 
niüffen, um im eigenen Baterlanbe 2lnerfemtung au fiit= 
ben. Sreilidf) ^at „©elübbe" fornohl in bec {form mie in 
ber Bebeutung eine toefenilidje 2lenberung erfahren, biä 
e3 au „Glub" mürbe, auch ift biefe Ableitung feineämegä 
unbeftritten, Jam bodj ba§ jüngere Sßort erft au Slnfong 
be-3 17. ^ahrhunbertä auf, mo 21ubreh fdjrieb: „2öit 
braunen jeßt ba§ SBort „elubbe“ für eine gefeHige Ber« 
eiuigung in einem 2Birt^aug." 2öie öeifdjieben müffen 
atfo jene „Clubbes“ bon ben heutigen „Clubs“ ber au3= 
gebitbetften 2lrt gemefen fein, bie nicht nur auf feine SBirtp» 
Raufer mehr angemiefeu finb, fonbertt fclbft SPrad^tpalöfte 
befipen , mit benen in Beaug auf (Jlegana unb Komfort 
bie mobernfien 9tefiaurant§ nicht au metteifern bermßgen; 
jene Glubä, bie nid}t nur aur gefeÖigen Bereinigung bie« 
nen, fonbem auf aßen mßglidjen ©ebieten be§ öffentlichen 
Sebenä, auf miffenfchaftlichen, fünftlerifdjen, literarifchen, 
fommerjietten unb bezüglich Politiken, bebeuteube Btittel« 
fünfte unb nicht au unterfdjöfcenbe ffaftoren bilben. 

3)ie 3ahl biefer ^erborragenberen unb einflußreicheren 
61ubä allein beläuft fldj fd)on auf mehr al£ hunbert. 
$ch toitt baljer unter ihnen nur bie aHerbebeutenbften her» 
borheben, bie faft Sille erft im Saufe beä gegenmärtigen 
SiahrhunbertS in’3 ßeben gerufen mürben. 3)er ältefte ber» 
fclben ift „BJhite’ä (Slub" in ©t. Sameä’ ©treet, ber fchon 
1730 begrünbet morben unb noch heute in gutem Slnfehen 
fteht. Snt ^ahre 1814 gab berjelbe ben bamalä mit @ng» 




198 



ßouboner Glub= 2 eben. 



lattb betbüubeten unb in @nglanb antoefenben ©ouberüncn 
31 t @£jten, unter benen auch ber ßaifer bon 9tu|Ianb unb 
bet $ßnig bon 5Jkeufjen ftdh befanben, einen 33aH, beffen 
$ofttn fid) auf naljep 10,000 5pfb. ©terl. — alfo über 
200,000 fUtarl — beliefen, unb brei Sßocfjen fpüter ju 
g^reit beä ^erjogä bon Wellington ein SBanlett für 2480 
Sßfb. ©terl. 10, ©Ij. 9 Sßence, tote bie Annalen be§ @lub§ 
getreulich berjeic^nen. 23on bem ^er^og unb anberen §er* 
borragenben 5ßerfßnlicf)feiten beS «g>eereS unb ber 0-lotte 
tourbe bann halb nach ber ©flacht bei Waterloo ber 
„llniteb ©erbice=®tub" begrünbet, ber aber im ßaufe ber 
3eit fo ftarlen 3ufpruch erhielt, bafj fdjon 1827 ein jtoei* 
ter 5JUtitär=Glub, ber „Junior Uniteb ©erbice-ßlub", fidj 
bilbete, bem 1838 ber „2lrmp anb 9tabp={£lub" unb 1869 
ber „Junior 2 lrmt) anb fßabp^lub" folgte. 

SÖorjugätoeife ben fUtännern ber Wiffenfdjaft getoibmet 
unb bon ßeuten toie ©ir £l)oma 8 Satorence, ©ir Walter 
©cott, 5£f)oma§ 2Jloore u. &. 1824 in’ä Sehen gerufen, 
ift ber „2lthcnäum=@lub", ber cm ber ©de bon Waterloo 
$lace unb 5Patt=23taH ein prädjtige§ ßfubgebaube befifct. 
S)ie 3 ui)l ber 9Jtitgtieber ift auf 1200 befdjränlt, ber 3 u* 
brang ift aber fo grojj, bafj man fdhon bicle 3 al)re i«t 
23orau§ feinen tarnen anmelben laffen mufj, e^e man 
überhaupt jur Wahl gugelaffen toerben fann. Sa auf 
biefe Weife Wänner, toelcfje bem 6 lub jur 3iß*be gereichen 
toürben, t^atfäc^lid^ auf lange 3 eü babon auägefdhloffen 
fein ntüfjten, fo Ijat ba§ ßornite ba§ Stecht, folcfje in 2 ln* 
erlennung ihrer perfönlidjen 33erbien|te $u aufjerorbent* 
litten Witgliebern $u ernennen, eine S^re, bie natürlich 



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33on '-JBitfj. SBranb. 



199 



nur ben fjerborragenbftcn ©eiftern ber Seit 3 U SL^eit toirb 
uitb bemgemdfj ttt SÖfirbigung fieljt. 

Nidjt 5 U bertoec^fetn mit biefem „Nttjenäum=Slub" ift 
baS „©ermatt Ntfjenäum" ober ber „üDeutfdfje herein für 
$unft unb äöiffenfdjaft", ber in Niortimer (Street ein red)t 
flattlidjeS ©lublofal befißt unb na^ep 500 ber angefef)cn= 
ften 55eutfcf)en in Sonbott, fomie bett baterläubifcljen Äünft-- 
lern, bie ftdj fjier jeitmeife aufljalten, eine traute |>eim* 
flätte gemäfjrt. SSefonbcrS befudjt unb oftmals f)ödt)ft in* 
tereffant ftnb l)ier bie UnterljaltungSabenbe , bie miffett* 
fd^aftltc^en 33orträgen unb brantatifefjen mie namentlidj 
audj mufifalifdjen Aufführungen gemibrnet fittb, eine ßin* 
ridjtung, bie in feinem ber großen engttfdjen ©lubs 31 t 
finben ift. Unter ben auSlänbifdjen ©lubS fte^t biefer 
{ebenfalls bet Söeitem obenan, mie beim audj bie beutfd)c 
Nationalität unter ben fretitblänbifdjen in ßonbon bei 2 öci= 
tent am aa^lreid^ften bertreten ift. 

©anj befonberS mistig ftnb bie bolitifdjen ©lubS ©ng- 
lanbS, bie 3 ur SBerfedjtuitg bon $Partei*3ntereffcn itt mancher 
,£>inftcfjt bon größerer JBebeutung finb, als baS Parlament 
fctbjt. ©eljen bod^ bon ^ier auS gelegentlich einer *Par- 
latnentsma^l noef) immer laufenbe bon fßfnnb (Sterling 
aus beljufS „Seftreihtttg ber SSa^lunfoften", b. fj- 23c= 
ftedfjung unb ©rfaufung ber SOßdfjler; unb bie Varianten» 
tarier felbft galten hier, menn eS fidj um eine befonberS 
mistige botitifdje fjrage fjanbelt, 3 umeilen erft ihre Ntec» 
tingS ab, bie bon ßorbS mie ©emeinen ber 3 uflehenben 
gartet befudjt, erft 3 U ben Sefd^lüffen führen, bie ^ernad^ 
bann in ben betben „Käufern" beS SßalafteS bon 2Beft» 



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200 



fionboner ßlub'ßcben. 



minfter gemeinfaui Verfochten toetbcn. Solche Meetings 
ftnbcu in ben 6 lubS aEerbiugS nur äufjerft feiten flott, 
unb biefe orbnen fiel) feineStregS unbebingt ben ^ntereffen 
ihrer politifdjen gartet unter. So gefdjah eS bor etlichen 
Sagten, bafj einige belannte liberale Sßolitifer unb 3 )er* 
tnanbte eine§ ÄabinetSminifterS im „9ieform*6lub" — feit 
1834 betn unbeftritlcnen Hauptquartier beS liberalen Heeres* 
lagerS — nicht aufgenommen trerben füllten. @S ift mög* 
licH, bafj eine geheime Glique innerhalb beS GlubS bieS 311 
Hintertreiben muffte, möglich auch, bafj bie fokale Stellung 
ber tfanbibaten fie nidjt zur Aufnahme geeignet erfdjetnen 
lieb; trie bem auch fei, jebenfaES traten bie liberalen 
SEljrer über biefe Gntfdjeibung beS GlubS bermafjen er» 
boSt, bab fie fofort jur ©rünbung eines neuen GlubS 
fehritten, ber in elfter Steife ben ^ariei* 3 tntereffen bienen 
foEte. So entftanb 1882 ber „National Siberal Glub", 
ber 4500 EJtitglieber j&^lt, alfo bei SÖeitem mehr, als 
irgenb ein anbercr Sottboner Glub unb mehr als breimat 
fo öiel, als ber „9teform*Glub". Snbeffen ift ber „9ta* 
tional ßiberat Glub" mehr als $Partei*3nftitution Terror» 
ragenb, benn als Glub im eigentlichen Sinne; mährenb 
ber „9teform=Glub" gerabe als (Hub burd) biefe Trennung 
eine getriffe Säuterung erfahren h Qt - GJebäube beS 
,,tReform*GtubS" in 5paE*itaE gehört zu ben grofjartigften 
SSauten feiner 9lrt. GS ift eine Otadjbilbung beS *ßalazzo 
Sfarnefe in föoin unb foE über 100,000 $ßfb. Sterl. — 
alfo mehr als 2 , 000,000 EJtarf — gelüftet h a ^n. 35ie 
töorberfeite ift 135 Qmfj lang, unb ber ffiau enthält ein* 
fchliefjtich einer Slnzahl bon Schlafzimmern für bie 3Jtit= 



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33ou 2Bi^. g. 39ranb. 



201 



glieber 13-1 tRaurne. * Gin anberer Ijerborragenber liberaler 
Glub ift ber „2)ebonfbive-Glub" mit 1500 sflütgliebern. 

2ln ber ©eite beg „9ieform*Glub" ergebt fid) bag 
Hauptquartier ber anberen großen politifdjen Partei, ber 
lonferoatioe „GarltomGlub", gteidjfallg ein prädjtiscg ©e* 
baube, toenit aud) biefleidjt ein toenig überlaben mit S3er= 
äierungen. SDer Glub batirt Pon 1832 Ijer unb ^at 1600 
5JÜtglicber. 

Slnbere namhafte lonferbatibe Glubg ftnb ber „Junior 
Garlton", ber „Gonferoatib=", ber „SBeacongftelb»" unb ber 
„St. Stepban*Glub". Unter ben Äünftler* Glubg fielen ber 
„Sabage*GIub" unb ber „@arrid*Glub" obenan. Su beut 
Grfteren gehört aud) ber $iin 5 bon SBateg, bodj fein 
eigentlicher , bon ibm unb feinen perfönlidjen gfreunben 
felbft begrünbetcr Glub ift ber „2Jtarlborougb=Glub" in 
5pad=3JtaH # ber ba^ev toobl ber e?!lufioefte bon allen ift 
unb nur foldje Herren alg 3JUtglieber auläfjt, bie bent 
Springen perfönlidj belannt finb. 

Gkofj ift bie Slnaa^l berjenigen Glubg, bie bem einen 
ober anberen Sport getoibmet ftnb. Unter ihnen feien 
nur bie „Goad)iug> Glubg" fjerborgeljoben, beren ÜJUtglieber 
bon ^obem 23od herab eigenbänbig ein SBiergefpann teufen. 
G§ gibt ihrer jtoei; „5b e 3rour*in*b®Nk"®Iub mit 120 
unb „Zty Gcad)ing=Gtub" mit breiig „drays“. Unter 
ben te^teren mar big bor Äußern ber SBagen beg big= 
berigen beutf<ben SSotfcbafterg in ßonbon (ie^t in $arig) 
©rafen «Htünfter, eineg ber befannteften unb beftgefübrten. 
S)er H« 3 og bon 33eaufort ift Sßräfibent beiber Glubg. ©ie 
TOgüeber eineg jeben treffen fich tbübrenb ber Saifon 



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202 



iioitboner Glub*2cben. 



einige fötale im |>bbe=fparl, non too fie äufantmen nach 
bern Ärbftattpaläft, nach Slidjmonb unb beiartigen an= 
jie^enben fünften in ber fJiäbe fcott Sonbon fahren. 

Sie GtubS bereinigen ben Gomfort, bie Sraulichleit 
bcS Familienlebens mit ber ©efetttgfeit , ber jieten 216= 
toecbStung, bie ein fRefiaurant bietet ; nur mit bem Unter« 
triebe, bafj ber Glub beiberlei Söoribeile noch in erstem 
SJtafse getoäbrt, unb bafc man im Glub biel mehr £>err 
ift, als im ©aftbauS unb als ftdjerlid) manche Herren eS 
baljeim finb, unb fcbtiejjliih, bafj mir unS in ber ©efeEfdjaft 
bon ßeuten beftnben, bie mehr ober toeniger unfereSgleithen 
finb, jebenfaUS 2lUe fi<h ju benehmen toiffen. 

treten toir einmal ein burdj baS b°b c portal unfercS 
GtubS. Sa ftfct bie ftattlid^e Figur beS ^ortierS nabe am 
Gingang. Gr grüfjt nicht, ba ft<b biefeS nach englifdjen 
^Begriffen für unfere Steuer nicht fd^ieft. Gr bat uns nur 
foeben bemerlt, aber tote flüchtig auch ber SBlicf toar, er bat 
unS längft angemerlt, ob toir irgenb toetdje 2Büuf<he hegen, 
in benrn er uns förberlidj fein fönnte, toäbrenb jtoei ftje 
junge „pages“ ibm jur ^eite fteben, unfereS teifeften 2öin* 
feS getoärtig. Ser portier reicht unS bie 33riefe, bie 
toir aus bem einen ober anberen ©runbe nicht nach un« 
ferer fßriüattoobnung abrefftren taffen tootlien. GS gibt 
manche Gtubmitglieber, bie alte ihre JBriefe nach bem Glub 
fenben taffen, ©inb hoch biefe fRäume für manche ihr 
recht eigentliches £eim. Unb toaS für ein $eim! 2Bie 
prächtig ift febon baS föefiibüle unb toie geräumig, mit 
funfiöollen ©emätben unb ©fulpturen gegiert. Unb toeTd^e 
2luStoabt ber unS $ur föenüfcung offen fiebenben fRäunte, 





3?ou 2Biß). S. Sötanb. 



203 



SBoßcn toir fpeifen, fo flehen uns betriebene Gfjfälc au 
©ebote, einet, in bem bic „.fpäuSlicijleit" fo tueit getoaljrt 
ift, bafj nut bie ©lubmitgtieber 3utritt baau fabelt, ein 
anbetet, in ben toir aud§ unfete ©äfte führen fönncn. 
Unb tooßen toit nun gat ein flcineS g-efteffen geben unb 
baju ein referbitteä 3iutmer Ijabcn, fo fielen uti§ audj 
foldtje jut Beifügung, bornefynlicf) fiit einen Sunggcfeßen 
ober einen Stroljtüitttüer eine bortrefftidje ©inrid^tung. 

SBoßen toir lefen ober tauben, ober beibcS au gleidtjer 
3eit tljun, fo fielen unS aucfj für bicfe brei berfdjiebenen 
Söünfdje brei betfd^iebene grofje Staunte offen. Unb meid)’ 
einSSorratf} an ßeltüre, toeld)’ eine SluStoatjl bortteff liefen 
ÄvauteS. SÖofyl müffen toir für baS fiebere befonberS 
beachten, aber bie (Slubpreife finb faft ben <5in!aufSpteifen 
im ©rofjen gleich, eine Siegel, bie aucfj befonberS für ben 
auSgefudjten 2Bein!eßer befielt. $em entfpredfjenb finb 
audj aße anberen greife im @lub ntüfUg, fo liegt mit a- 33- 
ein SBeridjt übet bie Ginnafjmen unb SluSgabctt eines bet 
aßerevften SlubS bon ßonbon bot, toonad) bott ben 17,043 
in einem eingenommenen 2Jtal)laeiten im 3Durd;= 

fdjnitt bie einaelne auf 3 SJlat! 50 Pfennig ab fielen 
!am, toat)tlid(j für Sonboitct 33erljättniffe unb in 2lnbetrad;t 
bet borjüglidjen Qualität ber gebotenen Speifcn eine äufjerft 
geringfügige Summe. 

2Boßen toit aber uns umlleiben, unfete Stiefel toidjfeu 
laffen, ein faltet ober audj ein toatmeS 23ab nehmen, fo 
fann uns au aßebern ol>ne febtoebeS Entgelt beholfen toerben. 
Orüt baS Umfleiben inSbefonbeve finb meljr als ein S)u|enb 
fleineret 3ifnmer fjergeridjtet. $ie (Hubs ftnb aße inmitten 



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204 



Sonboncr ©lub=£eben. 



beS aefettigen Treibens ber bornebmen 2öett in unmittelbarer 
Stäbe fämmtlicber Theater gelegen, 3 U beren Sefucb um» 
bebingt ber Sracf erforberlidj ift. Stun mobnen manche 
Herren aber in ben 33orftäbten, unb nur, um fid) anzuzieben, 
batjin zurüdzufabren, märe febr unbequem. GsS gibt baljer 
biete Glubmitgtieber , bie fidj einen befonberen Qfracf 
nebft aßem gubebör j m (m u fc batten, unb bie 2ln!leibe= 
Zimmer gebären zu getoiffen Tageszeiten zu ben aßerbefudj* 
teften Räumen. Trintgelber finb natürlich in aßen StubS 
ungebräuchlich- @3 mürbe ^emanb burdj Sßerabreicbuitg 
eines fotdjen fid} nur läd^ertid^ machen, bemiefe er hoch 
baburdj, ba| er noch nicht zu ber Stuffaffung fnh bat auf* 
fdjmingen fönnen, bafj bie ßlubbiener feine Tiener finb; 
unb anbererfeitS bleibt hoch baS Trintgetb eine 9lrt bon 
33efte<hung, fi<h bie befonbere Stufmertfamteit ber Tiener 
ZU fiebern. S)aS märe aber entfd/ieben ber ganzen Äon* 
ftitution eines (StubS entgegen, bie auf ©runb beS Sßrin* 
ZipS ber unbebingtefien (Gleichberechtigung fämmtlicber ÜJUt= 
gtieber begrünbet ift ; unb ein berartiger löerftofj — menn 
jemals Semanb fo tböriebt fein tönnte, ibn zu machen — 
bilrfte leicht einen $ermeiS bon ©eiten beS Gomite’S nad? 
ficb ziehen. 

Tie Aufnahme eines neuen ßlubmitgtiebS gefd^iebt 
bur<h geheime SBafß aßer SJtitglieber, bie fidj baran zu 
betbeitigen Suft haben, unb ztoar in ben meiften (SlubS 
fo, bafi eine ablebnenbe ©timme unter je zeb n ©timmeit, 
bie für ben Äanbibaten abgegeben merben, biefen für ab* 
geroiefen erltärt. (£S ift baber nicht leicht, ja in manchen 
fräßen aufjerorbentlicb fehler, in einem Glub Stufnabme 



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58on 2BU&. fr »ranb. 



20 . r , - 

3 U finben, unb e§ taufen SJtänner genug ^erum, bie an 
toerfcfjtebenen Pforten burcb ihre Srteunbe bergebticb hoben 
anttopfen taffen. 

©a§ (SintrittSgeTb Betrögt in ben Beften ßtub§ meiftenS 
40 5Pfb. Stert. (800 SJtarf) unb ber Satjrelbetirag bis 311 
10 $fb. Stert., eine Summe, bie, toenn man in 3$e* 
tradjt 3 ieBt , h>aS für S5ort^eite unb Stnnetjmlidjfeiten 
bafür geboten merben, geringfügig erfdjeincn mufj für 
ßeute, toelcbe Seit b^ten, biefe Söort^eite gehörig au§= 
3 unu^en. 3 b* er b fl t jebcr Gtub eine gcmiffe Slnjabt auf* 
3 umeifen, beren ©efiäbter man ©ag für ©ag too möglich 
in berfelben frenfternifcbe erblicfen tann, toabrenb e§ eine 
SJtenge Slnberer gibt, bie ficf) taum ein* ober 3 toeimat beS 
3 at)rc§ bort feben taffen, bie fernab auf bem Sanbe ober 
felbft im Sluslanbe toobnen, aber eS ihrer Stellung fchut* 
big 3 U fein glauben, einem, menn nicht mehreren GlubS 
in Sonbon ansugebören. ^aben fte hoch auch toenigftenS 
ben Gottheit baoon, gelegentlich eines 33efud)eS in ber 
9 tefiben 3 im <£lub ein ^eim 3 U bcfifjen. 

©amen als SJtitglieber 31 t einem Gtub 3 U 3 utaffen, Bat 
man in ben testen fahren fcietfacb berfucht, aber biefe 
(Hubs finb faft allemal halb mieber eingegangen, ©er 
einzige biefer 5trt, ber augcnblicflid) befielt, ber „Silbe* 
marle*@lub", fott 3 toar gegen 500 SJtitgt’eber jählen, bot 
aber bei atlebem unb trot} ber genaitefien Siegeln, bie für 
ben Umgang bet beiben ©efdjtechter in benfelben Stäumen 
mafjgebenb fein fallen, feine ßebenefäbigteit auf bie ©auer 
noch nicht bemiefen. 

(Hubs aber, bie nach aitievifantfcbem $orbitb für 



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'206 



fionboner (SlufrSeBen. 



Tarnen allein Begrünbet tourben, finb noch biel fchneßer 
aufammengebrodhen. ©ie toaren natürlich nur bon ben 
©manjipirten iljreS ©efdjledjtg in’S SeBen gerufen unb 
bienten nur baju, bon ber £>infäßigfeit ihrer $been 
einen neuen SetoeiS au tiefem. Tiefe Tanten fatjen ba= 
her mit fdheelent Slid auf bie 2Jtännerclub3. TaS ttjun 
nun atoar auch aaT^Treid^e anbere Tanten. ©ie irren in« 
beffen fehr, toenn fte toä^nen, bafj bafetBft fonbertidh biel 
Unheil gebrütet toirb unb bafj eine Gtu&=Untertjattung 
au<h nur. im ©etingfien mit einem .tfaffeeftatfeh bergtei<h= 
Bar märe. ££ür Sfunggefeßen mag bie in einem GIuB ge= 
mährte |>au§Iict)feit aßerbingS ber ©ehnfudjt nach bat« 
biger 93eretjeticfjung nicht gerabe förbertidh fein, unb ber« 
tjeirathete TOnner mögen baroB ben Sptafc, ber ifjre recht 
eigentliche .gmuStidhfeit auSmadjen foßte, aumeiten bemach« 
täffigen. Toch ^at auch bie.©dhriftfteßerin 97trS. ©ore biel« 
leidet nicht fo gana Unrecht, toenn fie in einem ihrer 9?omane 
fagt: „Sonboner GtubS finb fdhtie|tidh für einen ^amitien* 
bater gar nicht fo ein übel Sing. Tiefelben toirfen als 3lb= 
leitet ber bie Süfte fdhtoängemben ©türme. Ter Stann, 
ber gemöhnt ift, au .fpaufe au Bleiben unb feine üble Saune 
an Brau unb flinbevn auSaulaffen, ift ein biel fdjtedf* 

. tidhereS Sßefen, als betfenige, ber murrenb feinen SBeg 
nach $Paß=Staß aieijt. Unb inbem er fidh fdheut, ben ©lub* 
bienem gegenüber au fluchen unb au fdjimpfen ober baS 
©tubgefchirr utnfjeraumerfen , mirb er in ein anftanbigeS 
Setragen ,hineingefoaialiftrt‘. Um eines 9Jta<nne§ ^i^igeS 
Temperament 31 t fügten, geht nichts Über bie Unterorb nung, 
uietdje bie ©emeinfehaft mit feineSgleicfjen ihm aufertegt." 




Sßon 2Billj. $ranb. 



207 



3Bet inbeffeit toirllicb ©rutib ^abett fönnte , über eine 
folcbe auägebebnte ©nttoicfelung beS 6lub=2eben§ p flogen, 
ba§ finb bie ßonboner ©afltoirtlje. ©rtoägen mir nur 
einmal, bafs bon ben ^unbert ^erborragenberen 6lub§ 
ßonbonä — pbllofer unbebeutenber gar nidjt p geben« 
fen — ein jeber burdjfdjnittlicfj 800 bis 1000 SJUtglieber 
aufpmeifen ^at, fo ergibt fidb febon eine recht erflecflicbe 
9tnpbf bon ßeuten, bie ben ©afttoirtben mehr ober tue« 
niger berloren geben, unb biefeS ift gerabe biejenige Älaffe 
bon Gönnern, bie in anberen ©rojjftabten bie feinften 
biefer ßofale in ftaljrung fefjen. S)er 9tu§länber mujj fiel) 
habet nicht tounbern, bafj ßonbon in biefer 33e«jiebung 
jenen nadhftebt, unb er tböte toobl, ftatt mifjmutbig butcb 
bie mit @af£3 unb 9teftaurant§ nur fpärtidj betfebenen 
ßonboner ©tragen ju fcblenbern, ficb lieber nach ©in* 
fübrung in einen ber ^ßaläfte bon SßaIl*2Jtal umptbun. 



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l 

I , 

I etwas öom Sttrntnjelt. 

populär-aftronomifc^e 3 f 1 5 5 e ' 

* bon 

9t. 2Sec&feI. 

(9Iad}brtt<f ber&oten.) 

2 öer jcmat§ bie Sßradjt beä trobifdjen SftaditfjimmelS 
SU Bettmnbern ©elegenljeit ljatte, bem toirb biefer SlnBItdE 
unbergefjltd) Bleiben. 9iidjt nur baS tiefe Stau be§ maje* 
ftätifdjen .£>tmmel3getö5IBe§ , nidjt nur bie toeit größere 
Slnjatjt bet bort fidjtBaren ©terne ift e§, t vaä it)m ben 
tjerrtidjen Slnbtid oerleiljt, fonbem öor 3IKem bie eigen* 
artige ©rubbirung ber ©terne, toeldje halb in großer $al|l 
unb intenfioem ©lange 31 t einer bitten ©ruBBe ober einem 
©ternbilbe bereinigt finb , halb an anberen ©teilen füör* 
tidj nnb feiten auftreten, fo bafj b^r baS Bfädjtige 3Mau 
bc§ Rimmels me^r gur ©eltung fommt. 

Slber fo majeftütifdj ber tropifefje ©ternenljimmel 9Iadjt 
für 9 tadjt fjerablcudjten mag, fo ^rad^töoUe. ©ternBitber 
bort audj glänzen mögen, er erfdjeint bod) fatt gegenüber 
unferem minterlidjen Firmament mit feinem nur in unfern 
Breiten Bemerfbaten ©ternfunfeln. 3 m Ijoljen korben, 
in ben ^olargegenben, fennt man cS and; nid;t; audj ift 
bie 3 nI)I Ber ©terne bort geringer, gWdjmftfjiger finb fie 





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3?on 9?. SSechfel. 



209 



übet baä .frimmelägetoölbe bertheilt, unb toenn nicht ba£ 
glän^enbe 9torblicht bem Sßolathimmel einen 9iei<j berlielje, 
fo mürbe eS an ©chönheit gegen cinbere .£>immel4räume 
meit aurüdfftehen. 2 )a§ ift bent Firmament ber heifcen 
unb bet falten gone gemetnfam: majeftätifc^ , falt, ftetö 
bie gleiche 9tuhe bemahrenb, ftrahlt ba§ ©terucnheer bont 
#immel4bome herab; bet unä aber glitjert unb funfeit unb 
flimmert e§, al£ ob ber gan^e .ftimmel mit f oftbaren Dia-- 
ntanteit überfäet märe; bort falte Dobeärulje beS girma* 
ment§ — f)ier Seben unb 33emegung. SBir höben alfo 
alle Urfadhe, un§ unfeteä ©ternhimmelä au freuen. 3 n 
folgenbeit 3eücn moEen mir öerfudtjeit, unferen ßefetn ein 
mögtichft flareä S3ilb beffelbeit au geben. 

9Jtan pflegt bie ©terne nach ihrer „©töfje" 31 t flaffi» 
fairen, bocf) ift biefe (Sintheilung eine burdjauä miE» 
fürlidhe unb bie ^Benennung nach ber „©röfje" eigentlich 
eine gana falfdje. Söenit man bon ©ternen erfter, ameiter, 
britter ic. (SJrijfje rebet, fo meint man bamit in Söirflicf ) 3 
feit eine 3lbftufung in ber ^elligfeit ber ©terne. Die 
©rennen amifdjen beit einjelnen klaffen an -£>eEigfeit mehr 
ober minber hcroorragenber ©terne finb babei gana miE* 
fürliche, unb nur für bie mit blofjeit Slugen fictjtbaren 
©terne nach 2 lrt einer fonöentioneEen Uebcreittfunft einiger* 
rnajjen fdharf geftedft. -Eianche Slftronomen höhen fo bie 
fämmtlichen ©terne in circa atoanaig klaffen untergebradht, 
bon beneit jebodh für ein unbemaffneteä normales Sluge 
in unferen Breiten nur fedhS Älaffen ober ettoa 4200 ©terne 
fichtbar finb. Die übrigen Ätaffen enthalten teleffopifche, 
b. h- nur mit bem Sretnrohre fichtbare ©tetne unb feigen 

33ibliotf)ef. 3<^tg. 1880. Sb. V. 14 



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210 CtroaS t>otn Sternenzelt. 

Binfid()t(icB ifjret ©rennen Bet bett berfdjiebenett 9lftronomen 
ftarfe 2)ifferenaen. 

(Sitte foldtje $lafftfiairung Bßt» toie leidet ein^ufe^en ift, 
nur toenigen ^raftifd^en SßertB, für bie Sßiffenfcfjaft biel» 
leicBt nur infofern, atä fte ettoaige Weuberungen in ber 
©lanzfiärle einzelner Sterne leidjter Bemerfßar macBt. 
Soldtjer Söedjfel ber ©tanzftärfe ift in ber Üljat Bei ein» 
Zeinen Sternen nadjgetoiefen, Bei mattcBen, Befonber§ !lei= 
neren, fogar periobifcB. 5tnt auffätligften erfdtjeint bieö 
Phänomen Bei bent Stern „2JUra" (ber beg^olB audf) feinen 
tarnen „ber SQßunberBare" trägt), toeldjer mit einer Sßerio* 
bicität non 332 2agen bon einem Stern 12. (Sröfje fidj 
3 U einem ©tanje gleich ben Sternen 4. ja oft 1. ©rBfje 
auffcBtoingt. „SHaol", ein Stern 2. ©röfjc itn SternBilbe 
be§ Sperfeuä erreicht in Se^ug auf <§eHigteit ein Minimum 
gleicB ben Sternen 4. ©rßfje; ber Stern SBeta in ber Seier 
ftBtoanlt atoifdjen 3. ttnb 5. ©rßfje. 9Zid£jt minber rätBfel* 
Baft ift ba§ SeneBnicn ber fogenannten temporären 
Sterne, tüeldfje aüerbing§ aufjerorbentlicB feiten ftnb (in 
ben testen jjtoci Saljrtaufenben ftnb laum ztoanjig mit 
SidtjerBeit nadfigctoiefen). Sic erfdtjeinen ganz plötjlidj; 
BleiBen einige 3cit ^inburd^ am Fimmel fielen unb ber* 
fcBioinben bann atlmäBlig toieber. $m 9. SaBrBuubett 
Berichten araBifd^e Slftronomen, bafj ein Stern, ber an 
£>eKigleit bem SJtonbglanj gtei(B!am, plßfclicB im Stern* 
Bilbe be§ Sforpion erfäjienett unb nadj bier Sttonaten 
toieber berfdfjtounben fp\. 2^° Be SSraBe liefert bie erfte 
berBürgte 9tad(jricBt iiber einen temporären Stern, toeldtjer 
mit einer alle ftiffterne üBertreffenben J^elligfeit fieBenjeBn 



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■ifcL I 



5ßon 9t. SBedjfet. 



211 



2Jtonate lang im ©ternbilbe ber ©affiopcja ftanb. 2)aS 
jüngfte unerltärlidje 5pi)änomen, für WetdjeS bie $lafjtfi= 
^irung ber ©terne ttad^ iljrer ©röfje bon SBebeutung War, 
Würbe im $aljre 1866 Beobachtet, ©in Heiner ©tont 
9. ©röfje im ©ternbilbe ber nötblidjen tone WudjS plöb= 
lief) in ber 9iadjt bom 12. jnnt 13. 2Jtai jju einem ©tern 
2. @röfje an, erfdjien in ben nächten 9täctjten wie bon 
einem fdf)Wactjcn klebet umpHt unb feljrte bann altmäl)lig 
3 u feinem früheren fdjwad&en ©lanje aurücE. 

2öeit Wichtiger als bie Älafftftfation ber ©terne ift bie 
^Benennung berfelben. ©egenwärtig Ijat man br ei er lei 
Sßeaetöjnungen für bie ©terne, wetdje mit unbewaffnetem 
2luge fichtbar ftnb nnb für bie teleffobifdjen nod) eine 
bierte: 1) ©cfjon frütjjeitig gab man ben ©ternen 9t amen 
bon ©ottljeiten, Dämonen, Halbgöttern, Ijerborragenbcn 
Sßerfönlicbfeiten, Kriegern, Königen ic., unb fo haben mir 
gegenwärtig nicht nur griedjifctje, römifdje, arabifdje Halben 
unb ©ötter am Himmel, fonbern auct) bie tiorbifd^e Sütbtljo* 
logie ift burdj biele 9tamen unter ben ©ternen bertreten; 
einzelne Slftronomen haben fogar üjre grauen unb ®e= 
liebten in bie ©ternenWett erhoben. ©S ift flar, bafj 
bei einer folgen 3lnljänfung bon ©igennanten, Wie fte bie 
SluSbeljnung biefer Benennung auf alle ©terne tjerbei* 
führen ntfifjte, baS gurectjtftnben in ben ©ternfatalogen 
3U fdjwierig toerben Würbe, ©o mirb bemnädjft biefer 
ganzen JBenennungSWeife Wol)l ein ©nbe gemacht merbeti, 
unb eine rationellere SBeaeidjnung ©infüljrung finben. 
2) S)ie ©rfinbung beS ^eleffopS unb bie bamit berbunbene 
©rWeiterung beS Himmels unb SBergröfjeumg ber ©tern= 



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212 



GtroaS oom ©tevnenjelt. 



30 hl madjte alsbalb aud) bett ameiten SenemtungSmobuS 
ber ©terne burd) Sudjftaben aut Unmöglid)!eit. 2 Bat es 
öielleidht burebauführen, bie mit btoftem Sluge fidjtbaren 
©terne innerhalb bet einaelnen ©ternbilber mit ben Such* 
ftaben beS lateittifd^en unb griecbifdjeu Alphabets au be* 
legen, fo mujite bod^ neben biefet Söeaeidjnung noeb eine 
anbete erbaäfjt merben, als bie Stilcbfirafje unb bie 9tebel* 
fXecfe fidj unter bem Fernrohre in neue gijfternbimmel 
auflösten. Saturn benennt man heute bie Sterne inner* 
halb bet einaelnen ©ternbilber 3) butdh 3 a bleu unb hat 
fo bem unenblithett 9teidhe bet ©terne eine unenbliche 
9teihe bon 3 ahfen gegenüber geflettt. daneben ftnb nun 
aüerbingS bie beiben erftgenannten Seacidjnungen beibe* 
halten unb man hat mithin ntandje ©terne, bie auf brei 
Derfchiebette SBeifen genannt merben. Gnblich toerben bie 
teleffopifdjen ©terne faft nur bur<b ihre ©teHung unter 
ben übrigen unterfdjieben , ba für bie meiften berfelben 
bem Slftronomen meniger an einem Flamen als an ihren 
Sterlmalen, bie aur ebentuellen SBieberauffinbung bienen, 
gelegen ift. 

Güten Serfud) nun, uns an uttferem Sternenhimmel 
au orientiren, mirb eine einfache $arte beS nörblidjeit 
Sternenhimmels, mie fie in jebent ©chulatlaS au finben 
unb mohl in febern <£>aufe üorhanben ift, bebeutenb unter* 
ftühen. Um uns biefen Serfudj au etleidjtern, motten mir 
uns baS ftcbtbare ^irnmelSgemölbe in hier Ouabranten 
3 erlegen. $eber fennt baS ©tcrnbilb beS grofjen Säten 
ober ben .fpirnntelsmagen. 3 nte ftcben ©terne ftnb inbefc 
nur ein S^eil beS mit bem Flamen beS grofjen Säten be= 




3$ou 91. Sbechfet. 



21a 

jeichneten SternbilbeS, tucTd^e^ int (Stangen einen ettoa 
biennal fo großen X^eil beS Rimmels einnimmt. (£S 
mürbe übrigens Piel ju toeit führen, tooEten toir t)ier eine 
genauere Umgrenjung beS ,§intmelStoagenS geben; toir 
toerben auch in Sufunft unter ben genannten Sterabilbent 
immer nur eine djaralterifirtc ©ruppe einzelner Sterne 
berftehen. 93ei einigermaßen flarent $immel (ohne Dtonb» 
fdjein) toirb ein normales Sluge gleidh über bent Stern» 
bilb beS großen SSären ben Hein eit SBären toahrnehmen 
fömten, toelcher an ©eftalt bent großen 58üren ähttltdf) ift, 
nur mit bem Unterschiebe, baß ber „Schtoana" beffelben, 
an beffen äußerfter Spiße ber Sßolarftern (polaris, beffen 
SteEung nahe am Dorbpot ber ©tbaje man fdjlechthin 
als ben Dorbpol beS ^imntelS bezeichnet) fteht, nach ber 
anberen Dichtung untgebogeu ift, baS Stemenoierecf mit» 
hin nadh bem Sdjtoanze beS großen Söären gerichtet ift. 
Renten toir uns nun eine ßinie burch bie .£mttevräber beS 
^»immelStoagenS uttb ben >4$ol nach beiben Dichtungen tjin 
Perlängert bis junt |>ori<jont, fo toirb baburch baS -fpintmelS» 
getoölbe in ztoei Steile geteilt. 3ieht ntan nun eine jjtoeite 
£inie Pott unferem Staitbpnnfte auS burch ben Sßolar» 
ftern, fo toirb biefe bie erftere fdjneiben uttb baS Rimmels» 
getoölbe jeßt baburch in Pier Slbtheilungen zerfaEeit, bie 
toir Quabranteit nennen tooEett. @iit erfter 53lirf zeigt, 
baß bie haften Sterne innerhalb biefer Pier ßuabranten 
fehr unregelmäßig oertheilt fittb, mithin auch bie ©tern» 
bilber, unb baß unfere Siniett entfliehen jtoei Sternbilber 
fd)neiben. SDer erfte Duabrant möge ber Pom großen 
SSären begrenzte fein, unb toir wählen bie Deitjcnfolge ber 






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214 (Simas oom ©ternen jelt. 

Ounbranten fo, bafj bet redjtS babon Beftnbli<$e ber stoeitc, 
bet oberhalb beS ameiten liegenbe bet btitte ift, unb bet 
gtofje 23är b5Kig im vierten Ouabranten fieljt. 

Sriit baS golQ^be ift nod^ 31 t bemerfen, bafj toir untet 
„oben" unb „oberhalb" bie SRidfjtung nadfj bem 9torbpol 
berfteljen, unter „unten" unb „unterhalb" bie entgegen* 
gefegte. 

SDie auerft bon uns gezogene Sinie burdf) ben 5ßolar= 
ftern unb jene beiben ©terne beS großen SSüren trifft, 
um ben adjtfacijen Slbftanb biefet beiben ©eftirne nacfj 
unten betfolgt, baS ©tembilb beS grofjen SB men (Leo) 
unb atuar atoei bet Ijellften ©terne beffelben; toeldje mit 
einem brüten nörblicf) babon gelegenen bie ©bifcen eines 
recljtminlligen SteietfS bitben ; in entgegengefefjter SRidjtung 
liegen mit etroaS größerem 5lbftanbe biet fcfjmädjete unb 
ein fetterer ©tern, bet Ijellfle beS gan 3 en SBilbeS, bet 
9ieguluS. 

Stiften tüit unfet Slugenmerf auf bie (nacf) ©üben 
gelegene) ©ren^linte beS 1. unb 2. Ouabranten, fo ftnben 
mit bort einen aufjerorbentUd£>en Sfteid^t^um an glan 3 boHen 
©tetnen. ©ntfernen mit unS auf unfetet Sinie um 
90 ©rab bont Sßot, fo treffen mir auf brei bidjt neben 
cinanbet fte^enbe ©terne, meldje bie ^albirungSlinie eines 
unregelmäßigen 93ieretfS bilben, an beffen ©den hier gleidlj» 
falls feljt tjelle ©terne fielen; befonberS f>erborragenb burclj 
ißren ©lana finb ber oberfte (SSeteigeuae) unb bet an ber 
entgegengefetjten ©die befinblicße unterfte (fftigel). 2)aS 
gefammte ©ternbilb Reifet ber Orion unb bie brei auerft 
genannten ©terne finb ber ©ürtel beS Orion, ©ine Sinie, 



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S3on s )i. ÜJedjfel. 



215 



bie man fidj ettoa Pom ©ttrtel b eg Orion über ben ber 
Seteigeuje nädjften ©dflern gezogen benft, trifft atgbalb 
einen ber ^eXXften ©terne beg ganzen Rimmels im ©tern- 
bilbe beg ©tierg (Taurus), ben Sllbebaran unb in ihrer 
toeiteren SBertängerung ein ©ternbäuftein , ba§ ft eine 
©iebengeftirn ober bie^lejaben genannt, (üinen äf)n= 
tilgen ©ternbaufen, bie £>paben fielet man in ber un- 
mittelbaren #öbe ber S3eteigeuje. $)ie 93erlängernng einer 
ßinie bont Sllbebaran über bie SSeteigeuje binaug trifft auf 
ben tjettften ©tern im fleinen .fpunbe (Canis minor) 
auf ben Sprogcpon; bertöngert man bagegen bie ßinie 
9ltbebaran=Driongürtel nach unten, fo trifft man auf ben 
©iriug, beffen ganjeg ©ternbilb, ber grobe |>unb, niept 
immer bei ung gu fetjen ift. gmifeben bem ?Pol unb bem 
Orion finben toir ein anbereg biefent an ©röfje gleiche!, 
an ©cpönbeit aber toeit autüäfiebenbeg ©ternbitb, ben 
Fuhrmann (Auriga); baffetbe hält ungefähr bie Glitte 
jtoiftben bem Oriongürlel unb bem Sßote, unb feine fteben 
-fpauptfterne liegen fdjeinbar auf einer dUipfe, beten grobe 
9lje nach bem $ole gerietet ift; ber bem $ole näcbftc 
©tern, bie Gapella, ift ber bellfte ber ganzen ®ruppe. 
SBirb bie Skrbinbunggliuie 9tigel=$eteigeuje nach oben ber- 
längert, fo fällt fte algbalb mit ber diagonale eineg 3)ier» 
ecfg aufammen, tueldfieg mit bem Orionbierecf grobe $lefm* 
liebfeit bat, fid> bon biefent nur butcb bie umgefebrte Sage 
unb ben Stängel beg „©ürtelg" unterfdjeibet. $)iefeg 
Söierccf, 3 U bem man leicht noch einige jiemficb grobe be* 
nadbbarte ©terne alg augeb&rig erfennen mirb, bilbet bag 
©ternbitb ber 3tr»itl in ge (Gemini). 2)ie beiben Uotit 



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216 



Gtroas uom ©ternenselt. 



Drion am toeiteften entfeinten unb IjeEften ©terne führen 
bie belannten Flamen (Saflor nnb $oEuj. 

3n bem 2. bei oben befdjriebenen Duabranten bürfte 
aufjer bem falben ©ternbilbe beg gu^rmann nur nod) bie 
Gaffiopeja ertoätjnengmertl) fein, ©ie ftel)t etloa ebenfo 
toeit bom Spole ab, ttne bei grofje 93är unb toiib feljr 
leidet gefunben, toenn man bett elften ©tern beg ©djtoanaeg 
(nidjt ben an bei ©djttmnafpifje) burdj eine ßinie mit 
bem 5}}olaiftein öerbinbet unb biefe um ftd) felbft bei= 
längert; man trifft bann in einer bertjältnijjmäfjig buntlen 
©egenb beg |>immelg auf iljre fünf beEen ©terue, toelcije 
paffenb burdf) ßinien betbunben bie ©eftalt eineg W ergeben. 
Verfolgen mir ben ben 2. unb 3. Duabranten trenuenben 
|>atbfrcig möglidbft tief jum |>oriaont, fo treffen mir, 
biefem gana nat)e auf ben f üb lieben gifcb (Piscis 
austrinus) beffen IjeEfter ©tern, gomalbaub, fofort burdj 
feinen großen ©lana in bie Slugen fpringt. 

3m 3. Duabranten finb brei ©ternbilber befonberg 
bemer!en§toertb. fjü^rt man bie SSerbinbungeltnie ber 
brei oberen ©terne ber ©afjxopeia big in bie 2Jtitte beg 
3. Duabranten gerabe fort, fo begegnet man brei gelten 
©ternen. S)iefe brei ©terne machen im SBefentlicbften bag 
©ternbilb beg 9lblerg (Aquila) aug unb atoar ift ber 
mittelfte, gläitaenbfte ber Sltair. 9törblid§ oott letzterem 
erblicft man, bargefteEt buicb fünf befonberg beEe ©terne 
ben ©dbtoan (Cygnus) unb bid^t baneben bie ßeier 
(Lyra), in melier nur ein ©tern, bte SQBega , befonberg 
IjeE berüortritt. Gin überaug glänaenbeg ©ternbilb ift ber 
©foipion (Scorpius), bei ung leibet feiten ftdfjtbar. 



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3Joit ')t. 'iÖedOfeL 



217 



$>er 9lntare§, fein glünaenbfter ©tem, ließt gerabe auf ber 
©ren^e jtoifdjen bent 3. unb 4. Ouabrant, nalje am 
^orijont. S)a§ ganje feljr grofje ©tembilb ljat 2tef)nlid)» 
feit mit einem S. 

(Snblidj fommen toir ^urüd jum 4. Quabranten , in 
toeldjent un3 fdjon bvei ©ternbilber , ber ßötoe unb bie 
beiben SSüten befannt finb. Verfolgen toir bie Stiftung ber 
lebten (äufjerften) beiben ©djtoanaftcrne be§ großen SSären 
breimal nadj unten, fo gelangen toir p öier ©ternen, unb 
nehmen toir bagu bie beiben nod) fetteren ©teme toeiter 
nuten, fo f)aben toir in biefen fedj§ ©eftirnen ben 33oote§ 
unb in bem bem ßötoen aunädjft fte^enben ©teme ben 
5lrcturu3 (Alpha Bootis). groifdjen biefent ©ternbilbe 
unb bem ßötoen befinbet ftdj ein fel)r grofjer Raufen gattj 
Heiner ©teme, bie infolge iljreä ftarfen ©efammtfcfyimmerä 
feljr beutlidj Ijerbortreten, ba§^)auptbaar berJBerenice 
(Coma Berenices). 3n ber Glitte atoifdjcn biefer ©ruppe 
unb bem ©djtoanje be§ SSären fteIXt ber einzelne ©tern 
bie Sagb^unbe (Canes venatici) bar. 3)a§ .fpauptljaaT 
ber Serenice gehört jum ©ternbilbe ber Jungfrau (Virgo); 
bie cbarafteriftifdjen ©teme bejfelben fielen tiefer unb 
bilben burcfj fünf ©teme einen gegen ben ßötoen offenen 
rechten 2Binfel, toälfrenb jtoei ©teme, unter iljnen ber 
IjeÜfte, ©pica, aufjerljalb beffelbeit nod) tiefer geftellt 
finb. 

2Bir fjaben un§ in Uorfteljenber ©fi^e auf bie be* 
merfen3toertl)eren unb befannteren unter ben ©ternbilbern, 
fotoeit biefelbm in unferen ©egcnben ftdjtbar finb, be* 
fdjränft unb glauben bamit unferen Btoetf, bent ßaien bie 



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218 



Gilt windiger Kulturträger. 



©rientiruttg an bem nächtlichen ©ternljimmcl jju et* 
letztem, beffer ju erreichen, als menn toir bte fämmt* 
liehen ©ternbilber, bereit GSefammtaaljt über ^unbert be= 
trägt, hier aufjätjlen tooKten. , 



(Eitt toiitjiger ftulturlröger. 

t 

Beitrag jur ^ittrattkelmtgßgtftijiiijtc b?0 iffefdjen. 

®on 

©ottfrteb ^feuffer. 

(9ta<t)brud betboten.) 

Klein unb unfcfjeinbar ift atoar ber ©egenftanb, toeldjeit 
toir in nadjfteljenber ©fiäje betrauten tnoHen, allein er ift 
trofjbem bon nidjt geringer Söidjtigleit für bie SBerüoÜ* 
lommnung unfereS täglichen GomfortS, ja felbft ein burdj* 
aus nicht ju toeracfjtenber Kulturträger geworben. 

fDtan ift fehr leicht 3 U ber Slnnaljme berfudjt, baS crjte 
SBeib Ijabe bie 9tabel erfunben, allein biefer @laube ift 
falfch- S)ie Utabel — bie 9täljnabet fotoofyl toie bie ©teef* 
nabel, toie toir fte Ijeute gebrauten — entflammt erft bem 
14. ^aljr^unbett. 

fabeln toaren allerbingS fdfjon ben eilten belannt, tocldje 
ihre Grfinbung ber ßföttin SBeHona auf djrieben; bodj beftanben 
fie anfangs nur aus S)ornen, <£jolaf)%n, ftif^gräten 
u. bergt 9Jtan bergegentoartige fid) nur, bafi 3 . 35. ber fo-- 



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93on ©ottfrieb ^ßfeiiffer. 



219 



f* 

/ 

/ 

| 

I 




genannte ©chneiberbogel fdjon lange fein Seft gufammcn- 
näbte, inbem er bie Sänber eines ober niedrerer größerer 
Slätter mit bent Schnabel burcbbobrte, feine Sßflan-jenfafern 
burdjäog unb bie Stätter fo gu einer Srt SCafdje öerbanb, 
bie er im Innern mit SOBoffe, Gebern unb anberen ®egen= 
ftiinben ausfütterte, ehe ber Stenfdj ftcb eine ähnliche Äunft 
für feine 3roedc aneignete. 3a, eS ift binreichenber ©runb 
fcorbanben, angunebmen, baff ber Stenfdb bie ©adje nicht 
einmal fo praltifdj anfing, als ber genannte Sogei, fonbern 
ftdj SunSoft bamit begnügte, 31 t feiner Seüeibuttg SPflan^cn- 
blütter einfach an einanber ju nefteln, mie baS bie Äinber 
noch ^eute gu tbun pflegen, toenn fie fid^ aus Slätteru Mnje 
r~ tainben. SDafür bot bie Satur überall reiches Staterial : bie 
} immergrünen unb buftigen fabeln ber bannen unb ftidjten 
unb noch mehr bie fefien ber Särgen unb bie langen ber 
Linien eigneten fleh öortrefftidf) 3 U biefer Sertoenbung. 91ber 
fte Ijatten auch ihre fdjmadbe ©eite, unb biefe tag in bent 
Stängel an ©auerljaftigleit ; fie mufften oft bur<h frifdjeS 
Stateriat erfefet merben. 

$lber bie Stenfdjen begnügten ftdj nicht aüju lange mit 
biefem rneljr als einfachen Äoftünt. ©ie lernten 5t^ierfelXe 
^ als Äleibuttg benütjen, unb als eS fiel) nun barum bonbette, 
biefelben an einanber gu fügen, reiften bie Sabeln ber 
Koniferen nicht mehr aus, fotdbe 31 t burdjbobrcn. Snbeffen 
half bie Satur auch b^r nodb auS: gab eS bodtj ©trau» 
dber, toelcbe mit b^ten 2)ornen befefct toarcn. Unb eS mar 
bttrdb fte gugleidj ber meitere ^ortfdbritt gegeben, baff man 
mit ibnen nicht btoS nefteln, fonbern aud; mirfUd) nähen 
fonnte. S)ie S^°ä^nr mar freilich umftänbtid) genug : 

\ 



JA 



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220 



Gin roinjiger Äulturtröger. 



9 iabel iinb ftaben blieben borlciufig noch bon einanber ge= 
trennt; mit ber SDornnabel ftad^ man 3uerft ein 2odj unb 
fdjob bann bcn $aben burdj baffelbe. SDie Slrbeit ber 
erften Klägerinnen mag fomit eine red^t mtihfelige unb seit* 
raubenbe gemefen fein. 

9 luch bie SDornen mürben berbrüngt, mie fie bie fabeln 
ber Koniferen berbrüngt tjatten. S 5 a§ Sl^ierreic^ mar e§ 
je^t, meldfjeä meit beffere 9 iabeln lieferte, al£ baä $flan3en» 
reich- Sget unb 6tarfjelfd)toein trugen ganje Sortimente 
fpitjer, harter unb bauerljafter fabeln auf bem 9 tüden mit 
ftd) ^erum, unb fjifd^e aller Slrt boten fold^e in ihrem 
Snnern. 3)ie beften fabeln lieferten bie gijchgrüten, ba 
fich bei ihnen leidet ein Heiner Söiberbafen anbringen fnfjbf - 
ber ba§ SHtrcfoietjen beä gabenS anftatt be§ mühfeligen 
S)urd^fdt)ieben8 mittelft ber .£>attb ermöglichte. 9 tun mar 
eigentlich erft bie Äunft be§ Kla^enä erfunben. \ 

3 )er Uebergang bon ber natürlichen Klabet, mie fie ba§ j 
Spflanacn« unb Shierreidh barbot, 311 ber fünftlich berfertig» 
ten mar nicht fchmer, fobalb bie ÜDlenfd^en ben ©ebraucfj 
unb bie ^Bearbeitung ber KJletatle fennen gelernt hötten; 
an bie Stelle ber fabeln au§ Stacheln, 3 rifchgräten~lmb 
3ugcfbihten unb bolirten ß’nochenfblittem traten folclje au§ 
KJletaUftiften, mie fie noch heutigen Xage§ in Sammlungen 
bon fjrunben au8 borgefchichtlicher Seit an3Utreffen ftnb. 

3« ben Ueberreften etrurifcher, griechifdjer unb römifchcr 
Kultur, melche bis auf unfere Xage gelommen finb, ftnbet 
man berartige Snftrnmente bon fo bor3üglich gefchmadtboHer 
unb lünftterifcher SluSführung, bafj fte noch jefct als em= 
b^ r r 'nsmerthe KJlufter bienen fönntcn. 



c 

■ 





93on ©ottfrieb ^Meufter. 



221 



\ 



3>ie älteflen folgen fabeln toeic^cit aber fämmtlid) boit 
unferen heutigen, abgefeben bon ihrer ©röpe unb 2 >icfe, 
audb barin ab, bap pe be§ OebreS entbehren, menigPenä in 
feiner jepigen Sorrn. d£ ift nämlidj meip baä Hintere 
dnbe be£ SJtetattftifteS in einer Söeife 3 ufammengebogen, 
meldje ba§ 2 >ur^ie^en eines Habens geflattet. 6 old§e 9 ta» 
beln mußten aus freier £anb gefdjmiebet merben, eine gar 
mübfelige Arbeit, bie felbfloerftänblid^ nur ^iemlicEj berbe 
Sßrobulte liefern fonnte. Unb bod) mar bie ÄunP, ÜJietatC 
auf -fpanb^iefjbätifen ju SJra^t 3 U formen, fdjon geraume 
3 eit borber erfunben, unb e§ lag eigentlich nalje, ben fo 
getoonnenen SDrabt 3 U 9täbnabeln, mie mir pe jept leimen, 
3 U berarbeiten. 

S)ieS gefdjal) aber erP biele $abrbunberte fbäter. 
Nürnberg lebte ein «fpatnmerfcbmieb Kantens 9tubolpb, ber 
ttad) langen 33erfudjen, bie in bie 3eit ömifdjen 1360 unb 
1400 fallen, auf ben ©ebanfeit gelommen mar, in eine 
Ijarte difenplatte fleine ßöcper bon berfd^iebenem SHtrcp* 
meffer ju fdjlagen, burcp biefe baS b^ipe difen mit einer 
3ange 3 U 3 ieben unb fo beffen 2 )urcbmePer aUmählig 3 U 
berringern. ?ll§ er bei bem SBerfudpe, bie gange mit ber 
«fpanb 3 u f affen unb ba£ SDurcbsieben felbft bor^unebmen, 
feine Äraft erfd^öpfte , fann er barauf, bie Slrbeit einer 
medjanifcben Söorridbtung 3 U übertragen, dr fdjmiebete 
einen $ing, ^ielt mit bemfel&eit bie gange feft, banb fie 
an einen ©trief unb ^eftete biefen an bie Söette feines 
^ammerrnerlef . 9tun 30 g bie 2 Baffer?raft ben 35rabt : baS 
3 ugefpipte beipevdifen ging bureb bie immer Heiner toer* 
benben ßödjer ber '^tfen platten, bis e§ 3 utept 3 um bünnen 



222 



©in nnnjiger Kulturträger. 



©raht tourbe. ©amit begann für bie Rabelfabrifation 
eine neue ^o^toic^tige ©poche; bon nun an fiel baS ©chmie* 
ben auS freier «fpaub toeg unb eS erhielt ber Rabelmacher 
fein Rohmaterial in ber 3?orm t>on ©ifen» ober ©tahl» 
braf)t. ©ie erftett in einer 3unft bereinigten Rabelmacher 
finbet man in bent ber alten ReidjSftabt Rürnberg nahe- 
gelegenen ©täbtchen ©chtoabadj, baS noch h eu t e ben eng» 
iifdjen gleichgefchähte Rabeln liefert. 

©o müljfetig, fo langfam, fo bon ©djritt 31t ©d^ritt 
mujjte biefeS unfeheinbare, Heine Snftrument fortenttoicfelt 
toerben, ehe eS einen getoiffen @rab Uon 33oHfommenheit 
erreichte, ©rft um baS $ahr 1410 begannen bie Rabeln 
Jbie ©rahtfiacheln $u berbrängen, bereu ft<h bis bahin bie 
armen ßeute gunt Sefeftigen ihrer ©etoänber bebienteu, fotoie 
bie ftlbernett unb golbeiten ©tifte, toeldje bie Reichen 31t 
gleichem 3ü?ecfe antoanbten. 

©ie ©chmierigleit ber ^erftellung machte anfänglich bie 
Rabeln ju feltenen unb loftbaren ©ingen, unb ihres h^en 
^reifes halber tnaren fte ein ©egenftanb, bem man fonft 
nur auf fürftlichen ©oilettetifcijen begegnete. ©0 figurirte 
eine S3ü<hfe mit Rabeln unter ben ©oben, toelche ftrau 
b. Seaujeau, ©odhter ßubtoig’S IX. bon Qfranfreich, bei 
ihrer SBermäljlung als Rtitgift erhielt. 3u* 3«* ber 
Königin Rtaria ©tuart (1542 bis 1587), einer ©poche, 
toeTche in ber Kleibertracht ber grauen einen Ucbergang 
be^eichnete, maren Rabeln als ©efctjenl fehr beliebt, ©ie 
toaten bamalS noch ein fehr theurer ©egenftanb, unb ba 
man fie häufig nicht felber fchenfte, fonbern baS Selb ba- 
ftir, fo bürgerte fid) aKmähUg baS „Rabelgelb" als eine 




3?on ©ottfrieb ^feuffer. 



223 



unumgängliche Sluägabe ein. 2)er Plante ifl geblieben, unb 
nodj gegcntoärtig berftefjt man unter Stabelgelb einen be* 
fiimmten Setrag, tueldjen ber SJtann feiner grau jur Se» 
ftreitung itjrer ^>erfönlid^en Ausgaben gibt, nur bafj bte 
fabeln in bemfelben Serljättniffe bittiger geworben finb, 
als bie Stabetgelber — fid^ bergröfjert fjabeit. 

©el)r langfam ging e£, bis bie Anfertigung ber fabeln 
ftdj über bie europäifd^eit Äutturlänber berbreitete. 33 iS 
über bie SJtitte beS 16. ;gatjrl)unbertS IjinauS probuairte 
£eutfdjlanb attein Stabein; neben iljm nur Spanien in 
befdjranftem SJtafje. Sitte anberen Sänber ©uropa’S, graul* 
reich unb Crnglanb mit inbegriffen, mufjten i|ren Sebarf 
an Stabein aus 2>eutfdf)lanb beaieljen. 33on ber pprenäi* 
fdjen |>atbinfel lam bamats ein Sieger nadj Sonbon, ber 
fpanifdje Stabein berfertigte; er galt für eine Art Sau* 
berer, foeil er eine fo tounberbare $unft trieb, berfrodj 
ftdh batjer toie ein ©olbma^er in feine SOBerfftatt, gönnte 
teinem 3Jlenfcf)en Cinblüf in fein ©etjeimnif?, unb als er 
ftarb, ging feine gan^c Jtunft mit iljm bertoren. Stadt) ein 
botteS 3fa^r^unbert muf*te bann bergeljen, elje bie betrieb* 
famcn ©nglänber fiel) felbft eine Stabelfabrifation im ©rofjen 
einridtjteten ; fie toaren bei ben SDeutfdjen in bie©dljule ge» 
gangen unb etablirten im 3a^re 1650 bie erften Söerl* 
ftätten. StadhmalS toarf ftch ßnglanb mit folgern ßifer 
barauf, bafj eS SDeutfd)tanb faft bom Söeltmarfte ber* 
brängte; eS galt nodj bis bor atoan^ig Sauren bei jebem 
©cljneiber unb bei jeher Stü^erin ber ©runbfatj, bafj bie 
beften Stabein aus ©nglanb lomnten müßten, unb beutfdje 



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224 



(Sin roinjiger Kulturträger. 



•T ■'Snr 



Orabrifen bettauften nidjt fetten ihre SBaare unter einet 
ettglifchen SSeaeidmuttg. 

3et$t enblid) hat bie Stabeliubuftrie unfereS Söaterlan* 
beg Wieber im 3n* unb Stuglanbe bie itjr gebührenbe Sln= 
ertennung gefunben ; fie Wetteifert erfolgreich mit ber eng= 
lifcheu unb berft im Vereine mit biefer je^t ben Stabet* 
bebarf ber ganaen 2Bett big auf ben zehnten Xheil/ Wetten 
einzelne augtänbifche ^abrifen liefern. SDie englifdje Stäfj 3 
nabetfabrüation ^at ihre .fpauptfitje in ©bjeffietb, 33irming* 
ham, bann in ben ©raffdjaften SBorcefter unb SQBarwid, 
bie fra^öftfche in S’Sligte im Drne=2)epartement ; htasegen 
fmb bie Slabelfabriten Defterreichä, SSelgieng unb ber Stic* 
berlanbe bon geringerer SSebeutung. SDie beutfchen Stähnabel* 
fabrifen höben itjren 6ih im Stheintanbe (hauptfädjtich 5 U 
Stachen unb SSurtfdjeib), in Söeftphaten (au Sfertohn unb 
Slltena), bann im Sfraufentanbe (au ©djwabach «nb Stürn* 
berg) unb in Sdjterghaufen in 21^üringen. 

SBährenb Stachen feinen $auptabfat) nach ^tanfreid) 
unb SDeutfdjlanb hat, beaiehen Stujjtanb unb Slmerifa haupt* 
fachlich bon 3ferlot)n. ßefjtgenannte ©tabt ift eg auch, 
Welche überhaupt bie größten Stabelfabrifen aufauweifen 
hat. Stm Sfahre 1880 Würbe bafetbft baS bebeutenbe 
Cuantum bon ungefähr 2400 SJtitlionen Stabetn im Söerthe 
bon 2,150,000 SDtart tjeageftetlt. 3fn ben acht Stabelfabri* 
ten Würben 1000 männliche unb 800 Weibliche Strbeiter 
befchäftigt, unb im ^Betriebe befanben fidh 8 SJampfmafchinen 
mit 225 ^Pferbeträften. 3tm 3ahre 1881 würben aug 
12,000 Zentner 2)raht ungefähr 2500 SJtiltionen Stabein 



< 

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23cm ©otifrieb ^feuffer. 



225 



Perfertigt. S)er Vetrieb tüiirbe bctoirtt burd) 0 2>mttpf* 
mafdjinen mit 230 5p f exbef r öf teit, tooau nod) 4 SBaffertoerte 
fatnen. S)ie 9lntoenbung Pan Perbefferten Sodhmajdjinen 
pr .^erftettung her 9tugcn für Heinere unb mittlere (Sorg- 
ten, fotoie bie Einführung Pott Schleifntafcbinen pnt feiten 
beS ÄopfeS höben toefenttid) bap beigetragen, fchnetler p 
probujiren unb baS ftabrifat 3 U Perbeffern. 

2 >ie $abrifation ber Vähnabetn ift eine überaus fom= 
ptipte unb erforbert eine ganje 9teihe ber Oerfdhicbcn» . 
artigften Operationen; bie meifte Slrbeit toirb burdfj bieder* 
fteflung beS CehreS Peranlajjt. S)ie beften fabeln finb bie 
aus ©ujjftaljtbratjt angefertigten, bie fdjtedjteften jene aus 
Eifenbraht, ber bor bent gärten ber fabeln in Stahl Oer» 
loanbelt toirb. 3 uerft toirb ber 2 )rat)t gejlredt, b. I). gc= 
rabe gebogen, bann in Stüde — Schachte genannt — 
Pott ettoaS über ber hoppelten ßänge ber Jünftigen 9tabel 
äerfdhnitten. 3)iefe Stüde toerben im ©tühofen gerietet 
(b. h- gerabe geftredt) unb bann auf ber Sdjleifmühle an 
beiben Enbett äugefpipt, eine Manipulation, toeldlje bie ©e* 
funbljeit ber t)iemit befd&äftigten Arbeiter aufjerorbentlidj 
gefährbet, »oeil ber bom Sd^leiffteine fprü^enbe Stahl* unb 
Steinftaub bie ßungen in ^o^ent ©rabe angreift. 2)ann 
toerben bie Ocf)re geprägt ober gepref t, tooburdj bie fjornt 
beS OehreS unb bie Vertiefung über unb unter bemfelben 
an beiben fabeln pgleid) hergefteUt toirb. darauf folgt 
baS Socken (b. h- baS SDurdjbrüden ber Oehre) unb baS 
Slbfeilen ber Unebenheiten, bie jtdj burdj baS prägen ber 
•Dehre ergaben. SDßeiter^iit fommt bie ^3rojebur beS fo= 
genannten .§albirenS, b. h- bie beiben bis jept nod) an 
©ib(iotf>ef. 3af>rg. 1886. ©b. V, 15 



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226 



©n wtnjiger Kulturträger. 



einanber ^öngenben Stabein derben 3 Wifd§en ben Oebren 
abgebrochen unb bie 33rudbfteHen geglättet. 

9hm ntfiffen bie noch rauben Oebre bohrt unb bie 
Köpfe gefetCt werben, hieran f<bliefjt fiep baä gärten, 
inbeut man bie Stabein auf Grifeublcdbtafeln in einen Ofen 
über «fpolafoblenfeuer bringt, fte fdjtoadj rotpglü^enb Wer* 
ben läfjt unb fte bann in Sßaffer, Sauge ober Cel fcpttttet. 
Unmittelbar barauf folgt ba§ Stadijlaffen, inbent bie nocf> 
befeuchteten fabeln neuerbing§ auf rot^glüpenbe Ofen* 
blatten gefd^üttet unb fo lange er^ipt Werben, bis fte rotb* 
gelb ober öeildjenblau anlaufen. hiebei belieben ftcfj Piele 
fabeln, bie bann Wieber gerabe gerietet werben müffen. 
S3iS je^t finb bie Stabeln immer noch fcbwara unb ntüffen 
nun gefcpeuert Werben. 3)ie§ gefehlt, inbent man eine 
gröfjere Sln^a^l berfelben mit Schmirgel, Oel unb Weidjer 
Seife in grobe Seinwanb au einem fallen aufammenbinbet 
unb unter ftarfent S)ru<f auf ber Stbeuermüble bin unb 
her rollt, eine Operation, welche geraume Seit in 9ln« 
fprudf) nimmt. 

darauf folgt ba§ 9lu8fucben unb ©leicbtegen ber 9ta* 
beln, Wobei bie berbogenen Wieberum gerabe gerichtet Wer- 
ben. hieran reibt fi(b ba§ Slnlaffen ber Köpfe, Woburdb 
bie Oebre bie jcböne ftablblaue fjatbe erbalten; man läfjt 
fie nämti<b mit einer glüpenben ßifenftange anlaufen, au 
Wetdtjem Swetf bie Oebre aUe an berfelben Seite liegen 
— Beffcren Stabein Werben bie Oebre aur 58c* 
fehigui^ ber etwa borpanbenen fcbarfeu Stänber noch ein* 
m °l nac^tert, juWeilen atnb bergolbet. Stun folgt ein 

,loc bnta(tg e§ 

um alle Staubigfeiten au entfernen 



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93on (Sottfrieb ^feuffer, 



227 



unb bie Spijjen au fdjärfen, unb ben Sdjlujj bitbet baS 
^oliren. erft ftnb bie fabeln pnt SJetpadfen fertig. 
33or§er müffen fie aber nod) abgejäljlt Serben, maS ent* 
toeber in getoölfnlicijer SBeife ober mittelft eines mit 3 rur* 
d(jen berfetjenen SinealS, ober einer 31 t biefetn 3mede fon« 
ftrimten 3 ä^wafc^ine gefdjieljt, burdtj beten 2 lnmenbung 
ein Slrbeiter 700Sttidf in bet Wtinute in bie Rapiere ab* 
jätilen lann. 

S3ei ber Slnfertigung bon Stedfnabeln mürben bie 
Höpfe nadj älterer 2 lrt burdj Wnftaudjen mittelft beS Jammers 
unb unter Seifjilfe eines Keinen pumpenartigen Stempels, 
gerabe mie bei ben Stiften unb Nägeln, gebilbet. Später, 
unb atoat mie eS fdjcint im 16. ^aljrljunbett , fing man 
an, ben Hopf auS atoei fdjraubenartigeu Söinbungen eines 
Ü)ial)teS ^erjufteCen, ber etmaS feiner als ber Stablbra^t 
mar. SDiefe Wingcldjen mürben in einem ©efenfe an bie 
Wabel angeljämmcrt. $tt ber 3eit bon 1680 bis 1690 
mürbe in Nürnberg bie unter bent Warnen äöippe befannte 
Heine Wtafdjine crfunben, meiere bie SBilbung ber lugeligen 
Höpfe unb bereu SBefeftigung auf ben Wabeln mefentlid) 
erleichterte. 

©ine ganj neue ißeriobe in ber Stednabelfabrifation 
beaeidjnet bie ©infüljrung bon Wlafdjinen, toeldje, ähnlich 
ben ©ratytftiftmafdjtnen, bie Wabcln auS bem cingefütjrten 
Staate fij unb fertig Ijerfteltcn, mobei ber Hopf nadj ber 
uralten Wtetljobe burdj Stauchen gebilbet mirb. 3uerft in 
Slmerifa, bann auct) in ©nglanb unb 3)eutfdjlanb mürben 
bon berfeijiebenen ©rftnbern berartige Wta|dt)inen tonftruirt, 
^ •‘^.fatiben bie bamit tjcrgeftetlten Stednabeln nur ge* 



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228 



©in toinjiger Äulturtrftger. 



ringen 23eifatf, fo bafj man baä ©djneiben unb <&i>i|eu 
toieber bet |janbatbeit überliejj unb nur für ba§ Stnfiaucijen 
ber $öpfe bie neue, feht bereinfacfjte SJiafd^tne benii|te. 
©ine folche 9Jlafchine liefert in ber ©timbe 7000 bis 9000 
Äöpfe, mähtenb itad; bem älteren Verfahren be§ SßinbenS 
unb <£c§neiben§ ber ^opfbrä^te nebft 3tuffe|en ber ßöbfe 
unter ber 2Bippe ein Arbeiter ftünblich nicht bicl über 
1000 Jbßpfe fertig bringen fonnte. 

2)ieS ift in ßurgern bie ©efdjidite beS Reinen 3«ftru= 
rnenteS, baS mit ^ug unb SRecht gu ben unentbehrlichen 
©egenflänben be§ täglichen SebenS gewählt Serben barf, 
unb baS bi§ auf ben heutigen £ag bie grauen aller SBitt fer 
mit ^ol^er Äunfifertigleit gu führen berftanben. 

3ßie an bie meiften ©egenftänbe beS täglichen ©ebraudjeS 
tnüßfen fid) auch an bie stabet mancherlei abergtäubifdfje 
Meinungen unb 35orftettuugen. Situ berbreitetften ift foohl 
ber Slberglaube, eS bringe Unglüd, Stemanbem eine 9label 
gu fdhenfen, bentt biefelbe „gerftedje bie $reunbfdjaft". 

Ueberblicfen tbir fchliejjlid) noch einmal bie SBanb* 
Zungen, toetdje bie Otabel bon ihrer utfprünglichen firotm 
bis gur gegentoärtigen töoKfoinmenheit, too fie in ber 9täh e 
mafd)tne Söunber berrid)tet, burdjlaufen Ijat, fo fehen mir, 
bafj ihre SßerboHfomtnnung mit bem $ulturfortf<hritt ber 
europäifchen Nationen gleiten ©ihritt gehalten hat unb bah«, 
fo ein toingigeS SBerlgeug fic auch ift, fe^r mohl als St)m* 
bol beffelben bienen fann. 



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föitig tljomits im .Bautte. 

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©ntttljologtfrije Ski^e 

„ tion 

■ c ß. ^eifdiert» 

•/. (Wac&btud btrboten.) 

$n alten Seiten, als jeber $Iang nodj Sinn unb 33 e» 
beutung l^atte, jtnb als aucf) bie S3öget ihre eigene Spradje 
befaßen, bie Sebermann berftanb, gefdjal) eS einmal, bafj 
an einem fdjönm SJtaimorgen aus allen Sßätbern unb 
Selbem bie 33ßget fid) öerfammetten, um fid) einen $önig 
3 U toäblen, ber über fic benfdje. GS marb Tbefc^loffen, 
bafj ber Äönig fein füllte, ber am Ijödjften fliegen lönnte, 
unb auf ein gegebenes Seiten erhob fxc^ bie ganje Schaar 
in bie Süfte. GS toar ein getoaltig Saufen unb 33raufen 
unb Sittigfdjtagen, unb eS fab aus, als toenn eine fcbtoarae 
Söolfe babinjöge. SDie Keinen 33ßgel aber blieben halb 
3 Utütf unb fielen toieber auf bie Grbe. Sludb bon beit 
gröberen fonnic eS feiner bem Stbter gleich tbun; ber 
ftieg fo bodj, bafj w ber Sonne hätte bie Slugen auSbadcn 
lönnen. SllS er fab, bafj bie anberen nid)t $u iljtn herauf 
fonnten, fing er an, fid) toieber be*d& au laffen. Slber 
bie 33ögel unter ihm riefen ihm Sitte 3 u: „2>u inufjt unfer 
Äönig fein, benn leiner ift höher geflogen als 5Du." — 
„StuSgenommcn idjl" fc^rie ein Keiner tfnirpS nodj ohne 



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230 



ÄÖnig $f}onta3 im 3uune. 



jeben tarnen, uttb er log nicht, benit er butte flc^ in bie 
Gebern be§ ?lbler§ öerlrodjen unb toar, als biejer feine 
Ijödjfte .jpöbe erreid^t batte, nodj ein fleineS ©tiidfcben b*%* 
hinauf geflogen. Unb öon jener 3eit an nennen i^n bie 
anberen SBgel aus ©pott 3 Q unfßnig ober ülljomaä im 
3aune. 

SDie nteifien unferer Sefer fennett ben fleinen munteren 
Surften toobl fd§on perfßnlidb ober toenigftenä im Siebe. 
2)ie $olfSbid(jtung bat ihn bunbertfadb öerberrlidht , unb 
fein Warne aEein fdfjon ift ein ©ebicbt. 3fn manchen ©e* 
genben nennt man iljtt „©cbneefönig", unb toer Perftänbe 
nidbt biefeu Flamen? ©in flönig felbft noch, toenn ber 
ftrenge SBinter ihm mit ©cbnee bie £afel jubecft unb ba> 
mit feine Stauung ihm Perbirgt unb üjn bent junger 
preisgibt; aber bennodfj ein tfßnig, toeil feine gufrieben» 
beit fein ©nbe finbet unb fein grobfinn felbft baS SBenige 
befingt, mag ihm noch bleibt, golgenbe ©tropfen dfjaraf» 
terifiren iljn baber ganj auSgeaeidhnet : 

„£ei§e toobl ßönig, bub* aber toenig; 

$ab’ toobl ein ficb’teS #au§, bin aber liebet btauä, 
©djtoeifenb in gelbem, iubelnb in SCÖälbern! 

Sufiig oljn’ Unterlaß, fc^eu* icb nidjt falt nocb nafj, 

grob unb gefellig, flinf unb anteilig 

$teib’ itb bie 3ägerei ©omntet unb SQßtnter frei. 

SBleibe fein bübfdj im Sanb, g’niig rnidj an meinem ©tanb; 
£>cifj’ idj gleich ßönig, b<*b’ ich gleich toenig: 

SBifjt, bafj in meinem ©inn, idj bodj ein Jtönig bin!" 

^Betrachten toir ben niebli^en ©nomen unferer SBogel» 
locft, ber in ber Söiffenfdbaft unter beut Warnen 3aun» 



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S3on SL «£)afdjert. 



231 



fdppfer (Troglodytes parvulus) befannt ift, naher, fo 
finben mir fein «uf ber Oberfeite roftbrauneS ©efteber 
burdh fdjtüäralidjc Oiterbinbett unb ba§ ber Unterfeite anf 
roftgrauent ©runbe mit bunfelbrauneit Söetlentinien ge» 
jeidhnet; ein brauner giegelftreifcn aic^t fich burdh’ö 9luge 
hinbutdh unb bie mittleren ÖlügelbedEfebetn finb an ber 
©pitje burdj länglich=runbe, meifje, hintermärtS fchmar^ 
begrengte fünfte gegiert. 

$n 35eutfd^Ianb gibt e§ feine ©egenb, feinen ©au, in 
toeWjem ber 3aunfönig nicht beobachtet toorben märe, unb 
an geeigneten Orten ift er überall Ijüufig. ©r betuohnt 
bie öerfdhiebenfien Oerttidf;feiten, am liebften aber Spüler, 
beten Söänbe mit bidhtem ©ebüfdh bebetft finb unb in 
bereit ©runbe ein SÖäfferdhen baljinriefeft. $ebodh auch in 
ben |>ecfen unb Söüfdhen beö ©ebirgeS ftnbet fich ba§ 
faum üier 3°U lange, mit §od£>ge!hobencm ©chmanae etoig 
umljer ppfenbe unb mauSartig Sltteg burdhfdhlüpfenbe 
muntere ^hierdhen. Oft fommt e§ bis in bie Dörfer unb 
fogar in bie ©itrten ber ©täbte herein unb ftebelt ftdj in 
nädhfter 9tähe ber menfdhlidhen Söohnungen an, fobalb e§ 
Ijier nur bidhte ©ebüfche ober Reefen finbet. 

2Ber gemohnt ift, ben Ijeimatljlidhen S3ögeltt feine 9fuf» 
merffamfeit ju fdhenfen, bem fatm eä faum begegnen, ben 
flehten mobilen SButfdhen, ber fidh fiet§ unb überall be= 
merfbar madht, $u überfeThen. ©e'hr fetten hat man ©e* 
legenheit, ihn auf höhnen Säumen $u beobachten ; bagegen 
fehett mir ihn regelmäßig in ber 9Mhe bc§ SSobenä ba§ 
©eftrüpp burthfriedhenb, alle SCBinfel unb Höhlungen burdh* 
fpäßenb, meift über ben Sobeu bahinfdhlüpfeitb ober oott 



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232 



Äöitifl TpinaS im Banne. 



einem Sufcb a um anbern fltegenb, bon 3eit au Beit aber 
auäj auf einem pl)eren Limite erfdjeinen, um jtcb gleicpant 
mit ©elbftbefriebigung au jeigett. 

„Sin SJtunterJeit unb froljer Saune," fagt ber Sogei* 
Jenner Staumann, „an ®ef(pflidbteit unb Schnelle im 
Turcbfdjlüpfen beS ©eftrüppS unb an einer gemiffeti JfeiJ* 
l^eit im Senebmen übertrifft ber Baunfcblüpfer bie meiften 
beutfdjeu Söget. ©eine -Mbeit ift jebodj gana eigener 
Slrt; fie öerfcbminbet bei bent geringfteu Stnfdjein toon 
©efap unb bermanbett ftcb ptöbtidj in grenaenlofe ?$rurdjt, 
!ept aber halb mieber. ©eine frö^lid^e ©timmung ber* 
täjjt i^n fetten. Sntmer ppft er fo Jed einher, als toenn 
er an Slllem Ueberflufj hätte, felbft mitten im SQBinter, 
menn es nic^t atlau fep [türmt, ober toenn bie ©onue 
menigftenS bann unb mann burdj bie SßolJeit bridjt. ©elbft 
menn bie treneften aller ©tanbbogel, unfere ©pafcen, un* 
aufrieben mit au ftrenger $älte, i^r ©efteber firäuben unb 
ihr trauriges SluSfebeit SJiifjmutlj unb großes Unbehagen 
bcrrätl), fo ift ber Heine Baunfdjlüpfer bodj nod; fröpidj 
unb fingt fein Siebeben, als ob eS bereits ftrübting märe." 
©ein poffierlidjeS Sßefen unb immer munteres Temperament 
machen ip au einer gar freunbtidjen Grrfdjeinung. 

©eine Semcgungeu finb gana eigent|üntlid; ; er ppft 
äufjerft fcpell auf bem Soben ^in unb Jriedjt mit munber* 
barer ©cmanbiJjcit burdj alle ßödber unb ^öblungen, burdj 
©palten unb Dcffnungen beS SobenS, im Stauertoerf, im 
bidjten ©eameig unb ©enift, fo bajj er einer StauS äp= 
lidjer erfdjeint, als einem Sögel. Tan! biefer SebeubigJeit 



entgeht er ben bieten Beinbett, bie and) i^u bebrobeit, beim 




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93on 2. .fpafdjert. 



233 



im fliegen leifict er mit feinen flirren O^ügeln burdh» 
au§ nicht biel. ©etoöhnlidfj fdhtoirrt er nur über !uqe 
©treden niebrig unb in geraber Sinie ba^in, unb bei aller 
Slnfitengung bringt er c§ ^öd^ftcnS au flauen, luraen Vo* 
gen, bereu ^ß^eit er nur müfjfam au erflimnten fdheint. 3hu 
freien ift er baljer trofc feiner Qrtügel gar halb berloreit; 
ein gut laufenber SJtenfdh lann ihn bann in lüraefter 3eit 
fo ermüben, bafj er, toenn er fid) nidjt im testen Slugen» 
blicE noch in ein Vtäufetcdh a w «tteu bermag, ftdj mittig 
gefangen nehmen lägt, ©ein Steidj ift nun einmal baS 
Vufdhbirficht, je unburchbringlidher, befto beffer. Unb ^ier 
befunbet er auch fein ganaeS, ihn fo prächtig djarafterift» 
renbeS S5?efcn. Vemerft er ettoaS ^luffatleubeS , fo macht 
er fdhueUc VüdClinge unb ftelat beit ©djtoana noch h% r 
als getoöhnlidh ; a^igt fidh ein Staubthier, fo macht er nodj 
fdhnettere SSücflinge , als ob er baffelbe gleidhfaut au ber» 
höhnen fudhe. S)en SJtenfdhen a^hU er niemals au feinen 
fteinben, als ob er mttfjte, mie gut er bei biefem an* 
gefdjtieben fteht; baruin betoeiSt er ihm auch ffetS fei« 
Vertrauen unb treibt fidh ohne ©<heu unb ohne alle furcht 
in feiner Stahe umher. 

„üDic ©timntc, melclje mau am häufigften ber nimmt," 
beridhtet Vrehm, „ift ein berfdhiebett betontes ,3err‘ ober 
,3era‘, ber VJarnungStuf, auf toelc^en auch anbere Vögel 
adjten, eine Verlängerung biefer Saute ober auch tooht ein 
oft mieberholteS ,3ed, aedE, acd‘. S)er ©efang ift bortreff» 
lieh unb hödjft angenehm, @r befiehl aus bieten anmuthig 
abmechfelnben , T^eHpfcifenbeu Xönen, meldje fidh in ber 
Viitte ber gcrabe nicht furant äöeife au einem bortrefflidjcn, 



234 



$önig Stomas im 3<mne. 



gegen baS ©nbe im ©one finfenben ©riEer geftalten. ©iefer 
flötenbe ©riEer toirb oft audj gegen baS ©nbe beS ©efattgeS 
toieberljolt unb bilbet baburch getoifferma|en ben Scfjlufj 
beS ©attaen. ©ie ©öne jinb fo ftaxl unb boE, bajj man 
erftaunt, tote ein fo Keiner SSogel fte ^erborfiringett tarnt." 
©in gutfcf)tagenbcr $anarienbogel fommt iljm im ©efang'am 
nddjften ; aber ber gauntönig hat toeit meljr geuer unb fingt 
audj biel fleißiger, nicht bloS im 3?rüpng unb (Sommer 
allein. „©er gaunfönig futgt baS ganae 3abr Ijinburdj, 
im Januar unb Februar fdjon fe^r fleißig, am eifrigften 
aber bon ©nbe TOra bis a u Anfang 2Jtai unb am an» 
haltenbflen in ben SJtorgenftunbeu. $n ben Söintermonaten 
nta<ht biefer ©efang einen aufjerorbentlidjen ©inbrud auf 
baS ©emütb beS 9Jienfd(jen. ©ie ganae Statur ftitt unb 
tobt, bie SBäume entlaubt, bie ©rbe unter Schnee unb ©iS 
begraben, alle anberen 23ögel fdhtoeigfam unb berbriefjlidh, 
nur er, ber Keinfte faft, Reiter unb tooblgemutlj." 

Seine 9taljrung ift biefetbe, toeldje auch anbere Keine 
^nfeftenfreffer a« fW& nehmen. 3m Sommer ift feine 
©afel reidhlidfj beftetlt , benn Äerbthiere jeher Slrt in ihren 
berfdjiebenen 33eitoanblungSauftänben bieten ihm Währung 
in reicher ftttEe; im ^erbfte labt er fidfj auch an mancherlei 
SSeeren. 3nt SBinter bagegen faßen iljm meiftenS SarDen, 
puppen unb ©ier bon 3Enfeften unb Keine Spinnen aur 
SSeute , toelcfje er auS Schlupftointeln ^eröoräie^t , bie bon 
teinem anberen SJogel auSgeftbbert toerben tönuen. Stur 
toenn überall bid^ter, ^ol^er Schnee ben SSoben bedt, fteEt 
ficfj toohl auch bei iljm bittere Stoth ein, toorin er auch 
einmal bie Suft aum Singen berlicrt. 2Bcnn aber Olafffcn 



33on 2. §>afchert. 



235 



bon mtferem 3uunfdhlüpfer eraäf)lt , ba§ berfellbe auf bcr 
3n[et 3f§tanb Bei großer ßätte unb tiefem ©djttce in bie 
^Bauernhöfe einbringe, um in ben ©chornfleinen bon bem 
JRauchfleifch au nafcfjen, fo ift gemifj auf biefe SJtittheilung 
nicht mehr ©etoicht au legen, als auf bie auS manchen 
©egenben £)eutf<hlanbS noch a u uns fommenbe, melcfje ben 
unfdjulbigen ftlebermäufen biefelbe ©chutb aufbftrbet. SBoht 
fommt unfer SBogel im ftrengen Söinter Bis in bie bon 
SJtenfcBen Bemohnien ©ebäube; bieS gefdjieht aber Bejtimmt 
nicht megen ber geräucherten Söürjie, ©chinfen unb ©pecf» 
feiten, fonbem megen bet ^iet fdjtafenben fliegen unb 
anbeten ©e^ieferS. £>at et einmal ein ©dhlupflodh erfpäht, 
metdjeS ihm 3utritt in baS innere eines |>aufeS geftattet, 
fo Benufct et eS regelmäßig, beim et Beftfjt ein auSgeaeich* 
neteS OrtSgebäctjnijj unb meiß feinen Söeg ftetS miebet au 
ftnbeit. 

2fnt ^aljte 1864 Berichtete bie naturmiffenfchaftliche 
3eitfdhrift „9tu3 bet £eimath": „3aunfönige pflegen fidfj 
feit bieten Sagten im ©pätherBft in ben SteiBBäufetn eines 
^ilbeSheimet flunftgärtnerS einauftnben unb bott ben 2Bin* 
tet übet au Bleiben. $>et HJtann läßt bie Sketchen ruhig 
gemähten, mofüt fie baS 2lmt bet 5potiaei unb Snfeften* 
fahnbuug gratis Befotgen. Unb aEerbingS betftehen bie 
Ühierchen eS Beffet unb aurter ein 23tätt<hen urnaumenben, 
als mit 9Jtenfchen mit unferen groben, bicfen Ringern; 
unb ift eS ihnen au groß, fo friethen fie barunter." $ein 
l?anfet unb feine ©pinne mar in ben ©emädhShäufern mehr 
au finben, bie fchäbtichen ©chmetterlingSeulen» unb Lotten- 
taupeit maten fämmtlidh berfdhmuubeu , alle SBlättcr b ” 






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236 



Äönig SDjomaS im 3öuue. 



bett läftigen ©chilb« unb SÖIattXäufeu fein gefäubert, bie 
©chmaltoanaen unb (Srbflöfje Dertilgt, unb bie Staben unb 
fchmar^en Erliegen boten bem fleißigen ©ärtner feine SÖer* 
antaffuttg mehr au Berger unb Serbruß. SBe^anbelte mau 
bie üihierdjen überall gut, fo mürben fie and} überall au* 
ihunlidj fein. 

©ein 9teft gehört au ben ffinfUtchflen Sauten, toeldje 
Don unferett beutfdjen Sögeln errietet toerben, unb beim 
Sau eine§ folgen entfaltet ber gaunfönig alle feine fftü^rig® 
feit, Seharrtichfeit unb SluSbauev. „ 6 r befunbet hier fo redjrt 
fpre^enb, baß ein Stiefe in bem SüJerge ioo^nt. 9Jlit feinem 
herrlichen Siebe bat er fchon früh int Stärj bie burd) alle 
Reefen unb Süfdje erjagte Seben§gefÜ|rtin bezaubert, mit 
Oon (Sefang gehobener Saune geht er aud) mit ihr an bett 
Sfteftbau. gtoei, ja brei Sauten fängt ber muntere |jod) s 
3 eiter im uitgeftümen SDrange üoreilig an, läßt fie aber, 
nur halb Ooßenbet, unbenu^t fielen, bis fid) baS SDßetbdjett 
enbltd^ gana heimlich eine ©teile gefugt hat, toofeibjt bie 
eigentliche 2 Biege für bie ^tadjfommenfdjaft gegrünbet ioer* 
ben foE. @S ift noch nicht ausgemacht, toelcheu fttotd 
biefe unfertigen Hefter ber Stän neben haben. Einige halten 
fie für SergnügungSbauten. ©ie alle ftnb unfertig, lotfer, 
oft nur halb getoölbt, entbehren regelmäßig ber SluSbolfie» 
rung mit Gebern unb finb Diel Heiner als bie eigentliche 
3 lifttoohnung. tiefer SDrang 3 U bauen fedjeint nidjtS StnbereS 
•ju fein, als eine ©pielerei bcS miunebejauberten fleinen 
$erld)enS. 2>aS liebefelige OTunchen gibt fi<h fo offen unb 
rüdhaltloS bem Saugefdjäft X)iu f baß man eS oft mit ber 
$anb fangen fann, menn es mit ©efang in baS üfteft 

V 



93 oit 2. £>afdjert. 



237 



Ijineingefd£)Iüpft ift. £at baS SBeibctjen enblid^ irgenb eine 
©teile pr ©rridfjitung ber ftamüientoofjnung gefunben, fo 
enben audj alSbalb biefe 93eluftigungen. 9tur einfame 
SMnndjen treiben biefe Spielereien fort, toie tüir eS nodj 
fcor .einigen Saljren an einem Seifpiet erfahren Ijaben, mo 
ein einfatneS .£jüf)nd)en im betgeblicbeit Drange nadtj ber 
©eligfeit beS Familienlebens p>ei unfertige, lofe 5)looS* 
nefter in SttauertBdjem anlegte. 

2)urd;fd(jnittlid(j) fudfjt ber 3aunfönig irgenb eine Unter* 
läge, unb fei eS ber fleinfle ©tüppunft, für ben SBoben 
feines SJtefteS. 2Bo er jebocij eine foldje ©tüfce am ge* 
toätjlten Orte nidfjt finbet, pugt er audj feine Sßopung 
mit ipretn oberen Steile an unb baut ein PoüftänbigeS 
£>ängeneft. 2lber felbft ber $unft, feinen S3au an eine fenl* 
rechte Söanb ope jebe ©tüpe attpfleben, ift unfer Heiner 
SBaumeifter gemäßen. 2Bir fanben einft ein fep umfang* 
reitpeS 9ieft bon 2ttooS unb 5}3latanenblättern an einem 
fenlredjten 93rücfenbalfen überall frei an baS ettoaS ber* 
toitterte .fpola angeHebt, tooran eS feinem SluSfeljen nadtj 
fdpn über ein $aljr gegangen paben mufjte. 

2Bie ftdj nun unfer 3*berg in feinem 93augefdjüfte als 
ein Stiefe an 9luSbauer, unb $unftfertigfeit betätigt, 
ebenfo bielfeitig unb gemanbt erfdjeint er mieberum bei ber 
SBaljl feines 9tifiplapeS unb ber 33auftoffe. 9luf ber @rbe 
toie im SBipfel ber SBdume finbet ftd) fein 9teft. .fpier 
gibt er im Ftüplinge bem murjelbetf^lungenen fftaine, 
ber 5Jlauernifdt)e, bem ©tropbadje ber ©ctjeune, ber 2Banb 
einer Äftljlerljütte ober eines 93ergtoer!SftoHenS ben SBor^ug; 
bort pftet er eS in ber btätterlofen ^fapeSjeit in ben 



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238 



$önig ‘JhontaS im 3 <wne. 



/ 

/ 

/ 



immergrünen 2öac3^^olberBufd^ ober in baS Gpheugeranle, 
toö^renb er im blätterreichen Sorfommer e§ ber S)ectung 
beS ßaubeä fhon mehr im freien anbertraut. 3 « äße 
Sagen unb 9täumtichleiten Weifi er ftdj ju fd^itfett , ja eS 
fheint, als wenn er Bet ber äöahl ber 9tiftfteIIe juweiten 
einer gewiffen ßaune folge, drin gorfher hat ba§ 9teft eines 
SaunlönigS auf einer alten Stü^e entbeeft, bie als Sogei» 
fdjeud)e linier GrBfen angebracht toar. (Jbenfo ioed^fett baS 
Staterial beS SaueS. 3toar jinb StooS unb SlätterWerf bie 
borherrfhenben, BelieBteften Stoffe beS SlufjenWerteS, Gebern 
bie ber inneren SöoIjnungsBefteibung. 3lber meift Weif} fte 
ber Saulünftter ber Umgebung gemäfj ju Wählen, unb in 
faft allen Sötten erfd^eint baS 9teft übereinftimmenb mit 
ber jeweiligen 9tiftftelle unb ift für ungeübte Slide fhwer 
31 t entbedeit. Strofjbem müffen eS beS SögeldjenS bielfadje 
Seinbe oft auSjufbüren Wiffen, ba feine Sermeljruug nid^t 
mit feiner §rudjtbarteit im Serhältniffe fteht." 

2 )ie weiften geinbe, Weihe beut tteinen ©eflüget ge* 
Jährlich Werben, lönnen bem 3öun!Bntg nichts anhaben; 



bagegen ift er Jreitich ben Söiefeln unb hatten fehr aus» 
gefegt, unj^ nentlich hat bie Srut, fo lange fie noch 
nicht alle feiten ber Sitten erlangt hat, unter ben 

gtachji' ner biet j}u leiben. 2 >er Stenfh berfolgt 

ihiL.. Ubern gewährt ihm bielmehr überall ©aft= 

^ken bie gmieigung, bi e et in ber 2 h a * ber* 

ftöbert aber auch ein Mul fein 9ieftd(jen 



einige Gier herauf unb legt fein eigenes 
sticht nur, bafj ber faum auS bem (Si 
nöling, ber feine Sflege= 6 ltern in Äußern 



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33on ß. .frafcfjert. 



239 



on ©rüße faft itnt baS dreifache überragt, feine Keinen 
Sßflegegefchtoifter mit feinen ftarfen Seinen matträtirt unb 
auf bie ©eite fcfjiefct unb auletjt tno^l gar aus intern 
eigenen |>aufe hinausmirft, baß fte elenbigtidj umlommen 
ntüffen, nein, auch bie armen Sitten bermag ber Schrei* 
hals bur<h feinen uitbertoüftlidhen junger bom frühen SJtor* 
gen bis put fpäten Slbcnb berntaßett au befdfjäftigen, baß 
fie ununterbrochen Ijerbeiaueilen genötigt ftnb, ißm ben 
$alS au ftopfen. <Srfl toenn ber flügge geworbene Slimnter« 
fatt ihr $eitn berlaffen ^at, fönnen fte mieber leidster 
aufathmen unb auf’S Sieue beS ßebenS fleh freuen, «fpaben 
fte baS ©lüde, itjre 5ßr inanen groß a u diesen , fo mollen 
biefe bann nie baS treidle Steft berlaffen, bis bie Sitten 
bie ©ebulb bertieren unb fte mit £ift ober ©etoalt aus 
bernf eiben au entfernen toiffen unb in büßte Reefen führen, 
Um fie eine Seit ßinbureß in ftitter Surücfgeaogenßeit ber* 
einigt bleiben, Grft ber <£>erbft aerfüeut fte bann nach 
allen föicßtungen, unb ehe ber SBinter lomnit, bernimntt 
man bistoeilen in rußig gelegenen ©ebttfeßen bereits bie 
erften Slnfänge ißreS ßiebeS, „baS Sichten ber jungen 
Saunprinacßen , um im äßinter feßon mit bem fertigen, 
lieblichen ©efange unS bie Slßnungen beS ftrüßlingS bor* 
auaaubern." 

3n ber ©efangenfcßaft geht ttnfer Sögelcßen bei aller ihm 
getoibmeten Sorgfalt meift halb au ©runbe ; fo gleidßgiltig 
ber 3oun!önig bie Unbill ber SBitterung erträgt, fo feßtoer 
getoößnt er fteß an eine gleichmäßige Währung unb bor SlUent 
an ben Serluft feiner ^rei^eit, benn Freiheit unb SlbtoecßS* 
lung geht ihm über SllleS. GS märe recht aUevliebft, ben 






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Ö40 



fDiaunigfaUigel. 



{leinen, nieblidjen Sutten immer Bet ftdj au haben; 
fdjöner aber ifl e§ boc| uodj, if)n um ba§ $au§ tjerwn 
fliegen au felgen unb feinen lieblich ftötenben Pßeifeit 31 t 
Kauften, 3 umal im Söintev, tnenn alle übrigen 2bne ber* 
fiummt finb. 



^tttttniöfatttges. 



Ueberftftet. — 3 U ben wanfelmütbigften freilich, aber atuf) 
3 « ben nüfcUcbften Parteigängern be§ erften Napoleon gehörten 
ber fUtinifter StaUegranb unb $oud&£, ber all (Sljef ber Xpolijei 
bei Dietzel unb ber $auptftabt norftanb. 3)er ©ine wie ber 
$Inbere waren burch ih re Schlauheit befannt, unb non ben biplo* 
matifd)en Schachjügen SuHegranb’l erjählte fich bie 2 Belt eben 
fo niel, wie non ber ft-inbigfeit $oud) 6 ’S, für ben e! fein @e* 
heimnijj ju geben freien. Unter einanbcr aber waren beibe sperren 
erflärte ©egner. fftur bal getueinfame $ntereffe jroängte fte ju 
freunblidjetn Perfehr jufantmen, jutnal wenn ber $aifer, an beffett 
2nfel fie büufig al! (Säfte weilten, in pari! anwefenb war. 
(Sine! £agel, am @nbe einel SDiner! beim $aifer, fam bie fRef>e 
auf bie beiben genannten Scannern in fo hohem (Srabe eigene 
^äljigfeit, ftetl 3 U nernteiben, ftdf) eine fomprotnittirenbe Plöjje 
ju geben, ober, fall! bie! einmal gefc&ehen, fidj ohne fRachtbeil, 
ja oft felbft jum (Schaben be§ ©ntbecfer!, au! ber peinlichen Sage 
wiebcr heran! ju widfeln. SBäljreiib SnUepranb behauptete, ba| 
in folgen fallen ber Diplomat bie fchroerfte Aufgabe habe, 
beftaub rffoiubl barauf, bafc bie! bei bem Pertreter ber 3 «ftij 



BJtonnigfaltigeS. 



241 



bet $all fei; wenn fich ber ^oltjeiminifter fompromittirt habe, 
fei feine Stellung fo gut wie nerloren, unb bad ifjm fetter nie* 
matt ein BRenfch eine folc&e Demütigung jujufügen im Stanbe 
fein roerbe, barauf neunte er febe ihm gebotene Söette an. Bta* 
poteon , ber biefe Blenderung ^örte , roarf einen bejeichnenben 
©lief auf DaHegranb unb biefer , im angenehmen ©enmfitfein, 
einen ©runb ju hoben, gegen ben gehabten Blebenbuhler unter 
ben Blugen beS ÄaiferS intriguiren ju bürfcn, nahm fofort bie 
Böette an. @S mürbe feftgefefct, bad bet unterliegenbe SEheil 
fchriftlich feine Biieberlage bem ftaifer ju betätigen unb eine 
nidht unbebeutenbe Summe an bie Blrmenhäufer ju jahlen ftch 
rcrpfltd&tew müffe. Der geheime gelbjug ber Diplomatie gegen 
bie ©olijei unb umgefehrt begann. Biber beinahe jroei BJionate 
uerftrichcn, ohne bad ©eftedjung ober ßift uon einer ober ber 
anberen Seite jum geroünfcf)ten 3*^ führte. Da erfchieit eines 
2ageS ganj unerwartet DaHegranb im Äabinet beS ©olijei« 
minifterS, tmb in ber triumphirenben BJiiene feines ©egnerS glaubte 
3ou<hä bie Urfad&e feines ÄommenS im ©orauS jtt lefen. Die 
©eftätigung blieb nicht auS: mit groder BÄühe mar eS bem 
Diplomaten gelungen, ftch eines geheimen eigenhänbigen Schrift« 
ftücfeS ftouthä’s ju bemächtigen, baS biefer einem ihm als oöHig 
junerläfftg gettenben Blgenten jur ^nftruftion eingehänbigt hotte. 

a eS fi<h um Staatsangelegenheiten honbelte, mar bei DaHeg* 
ranb baS ©eheimnid natürlich roohl geborgen, in anberen .fjätt* 
ben aber hätte ber ©eftfc beS fraglichen SchriftftücfeS nicht nur 
bem Urheber $ad unb Demüthigung, fonbern auch ber Biegie* 
ruttg grode Unannehmlichleiten bereiten fönnen. BJtan fonnte alfo 
iffouchä ber ßäffigfeit unb Umrorftchtigfeit jeihen, bad er fo mich* 
tige Schriftftücfe ©erfoiten in bie ftänbe gab, bereit er nicht ab* 
folut ficher mar; beim roie hätte DaUepranb in ben ©eftfj beS 
betreffenben SchriftftücfeS fommen follen, menn nicht burch ©e» 
ftedhung, roie eS in ber $hat auch ber $aU mar. goudfä oer« 
5BWiot&«t. Oohrg. 1886. SBb. V. 16 




242 



SJtannigfaltigeS. 



; 



fuc&te fich erft auf’S Seugnen ju »erlegen, aber halb genug 
gab er einem folgen ©egner gegenüber Hein bei unb bat feinen 
©egner brtngenb um (Jinhänbtgung beS »erhängnifwollen Schrift* 
ftüdeS, moju [ich Xaltepranb natürlich unter ber öebingung 
bereit erflärtc, bafj ber fÖiinifter bie bereits im SotauS non 
ihm .angefertigte, für beu Äaifer beftimmte 9lfte mtterfc&tetbe, 
worin er ben Serluft ber eingegangenen SBette erflärte unb 
[ich jur Zahlung ber beftimmten 93uf?e »erpflichtete. Ssiefe 6 r* 
flärung festen $oud)ä grofieS Unbehagen ju uerurfadjen, er 
[teilte Xalletjranb uor, baf? burch biefeS Selbftbefenntnifj fftapo* 
leon’S 3 UDCr fic^t auf feine ^ctfjigfeiten leicht erfdjüttert werben 
fonne, aber baS mar eS ja eben, was £aHepranb beabftG&tigte. 
(jr blieb unerfdjütterlich unb lief? fcftieblich feinem ©egner bie 
2Bat)I, ju unterfd&reiben ober baS »erhängnifwolle Sdjriftftüd in 
beS ÄaiferS eigene &anb gelegt ju [eben. Seufjenb fügte fidj 
^oudh^ in baS Unnermeiblidhe. Gr nahm baS 93latt, auf betn 
er mit eigener £)anb feine fftieberlage bereinigen fottte unb trat, 
non ben StrguSaugen Sallepranb’S Beobachtet, an ben S<hreibtif<h. 
2>er Diplomat gemährte mit innerem ftrohloden baS 3 ö 0 ern unb 
Sträuben feines ©egiterS, ehe biefer enblich fi<h in baS Un« 
nermeiblidhe fügte. 2 )en ^ebertiel in eines ber beiben ©läfcr 
beS mächtigen SchreibjeugeS taucheub, fehle er feinen •Kamen 
unter baS Rapier, bann übergab er eS £allegranb, um jenes 
Schriftftüd bagegen einjutaufchen. SaHepranb fah, bafs $oucf>e 
in feiner gebriidten Stimmung nur mühfam bie gorm ber 
©tifette beobachtete, innerlich triunrphirenb »erlief? er ihn, um 
[ich jum Se»er fftapoleon’S einjufinben; hier mar ber befte 
Ort, bent jtaifer oor aller klugen unb Ohren baS geugnif 
feines Triumphes ju unterbreiten. SDie Umftänbe famen ihm 
51 t §ilfe. iöonaparte mar befonberS guter Saune unb er= 

mahnte jufällig fJoudh^'S , ben er ftets mit bem ©hrentitel eines 
„^ucbfeS" ju belegen pflegte. Unter bem Rehagen ber »ornehmen 



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1 




IDiannigfaltigeS. 



243 



^uljörer erjagte Dallepranb, wie eS ihm gelungen fei , bau 
3udj§ eine $alle ju [teilen unb ihn su swingen, [eine De» 
mütbigung [elbcr su befräftigen. Dabei sog er baS uon bem 
Poliseiminifier unterfebriebene Rapier hervor unb reichte eS bem 
ilaifer. „Olber id) [e^e ja nichts," rief biefer, „als baS Formular 
beS 2BortlauteS ber Sßette, wo ftebt benn ber Oiame goucbe’S?" 
Der Olame? ^aüeyranb batte ihn boeb mit eigenen klugen 
[cbreibeit [eben, mit eigenen Olugen gelefen, ebc er baS Platt 
in [ein Portefeuille barg. Unb boeb — eS mar feine Däujcbung, 
bie ©teile, roo ^oucbd’S Unterfcbrift geftanben, prangte in jung* 
fraulicher SOßeifje. Olucb feine ©pur wicS barauf, bafi je baS 
©cbmars ber Stinte [ie beliebt. 9)iit ficbtlicbetn Vergnügen weti* 
bete fub Napoleon an 2allei)ranb’S Peftürsung, unb [einem Pei» 
[piel folgte in faunt unterbri'icfter ipeiterfeit bie gan 3 e Perjantm» 
lung. ©S blieb bem betrogenen Diplomaten fd)ief 3 lid) nichts 
übrig, als s» gefteben, baff er [elber, [tatt su triumpbiren, ber 
Pefiegte [ei. Die Pitten unb baS ©träuben goucbd’S , ber nur 
su wohl roiffen mochte, roie wenig [ein ©egner ebler Oiegungen 
sugänglicb, war nur Perftellung gewefen, Daflepraub fidler s« 
machen unb baS ihn [elber belaffenbe ©cbriftftücf in [eine ,§anb 
SU befommen. Die Unterfcbrift aber war mittelft einer fijmpatbi* 
[eben £ittte gefebrieben, bie [ich im sweiten ©lafe beS ©dhreibseugeS 
beS PoliseiminifterS befanb unb bie ©igenfebaft befafs, innerhalb 
einer ©tmtbe itadb bem ©ebraueb wieber [purloS su »erfdjwin» 
ben. 9)iit [einer befannten Dreiftigfeit erfliirte ^ouebd obenbreiit 
noch bie ganse -Dlittbeilung DaÜepranb’S für erbiebtet, unb ob» 
wohl Seber »on ber Dbatfacbe überseugt war, üjiviuocbte ber 
iiberliftete Diplomat biefer Pebauptung feinen PemeiS beS ©egen» 
tbeilS gegenüber su [teilen, benn er batte ja baS fompromittirenbe 
©cbriftftücf bem ©egiter wieber suriiefgegeben, [o bafj, wie [cboit 
[o oft, auch bieSmal ber gucbS [iegreicb aus ber ihm geftellten 
©cblinge beniorging. b. 



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244 



^Mannigfaltiges. 



©in GtottcSbicttfi im aRinen*<£amp. — $n einem ©olb* 
gräberlager in Kalifornien roirb, fctbft menn eS Sah« lang bc* 
mohnt ift, fefte Raufer beft^t unb ipmiberte »on Einwohnern 
gählt, nie baran gebadet werben, für eine Sofalität ju retigiöfen 
3roedfeit ju forgen. Sollte fjc^ 3emanb einmal gebrungen füh* 
len, eine Kirche ju befugen, fo ift er genötigt, eine größere 
Üieife nach einem Orte ju unternehmen, an welchem eine Kirche 
uorljanben ift, eS mühte fich benn ber 3»faH in’S fDlittel legen 
unb einen ^rebiger iit’S Saget führen, Ein folcheS Ereignih 
trat ein, als ich uor ungefähr IV* fahren in einem SöergwerfS* 
biftrift bei Julian im füblichen Kalifornien meilte, 2)er $lab 
mürbe nämlich eines XageS burdh baS Eintreffen eines fogenannten 
SBanberprebigerS erfreut. 2!iefe ßeute betreiben ihren S9eruf 
ganj gcfchäftlidf) unb halten fich mit Vorliebe an ben flöhen 
auf, rco fie roiffen , bah ®elb norhanben ift. 3)er ermähnte 
s -JJrebiger gehörte feiner beftimmten Sichtung an, fpradf) eS auch 
nicht aus, ob er fatljolifch, euangelifch ober etma gar mofaifch 
mar , fonbern behanbelte fein Amt oorn foSmopolitifchen Stanb* 
punfte aus, fidherlicb in ber Abficht, um nie einen 3uhörer, unter 
benot fich «He möglichen Konfefftoneu befinben fonnten, uor ben 
Kopf ju ftofien. Es mar bieS ein ganj rceifeS Verfahren non 
ihm unb legte 3 *ugnib baoon ab, bah ber ÜJfann SBelterfahrung 
befah- — An bem bejeichneten Orte langte er am Schluffe ber 
SSoche an, ftieg im <t>otel ab unb fragte, ob irgenb eine gröbere 
Saumlidhfeit norhanben fei, in ber er am nächften 2 age eine 
5$rebigt h^^cn fönne. 25er SBirth fteUte bereitroülig fofort fein 
geräumiges Sdhanflofal für biefen 3mecf jur Verfügung. 25cnt 
fDlanne ©otteS, bem ein folcheS Anerbieten mohl nicht baS erfte Stal 
im fielen gemacht morbett mar, fant biefe Aushilfe augetifcheinlidh 
ganj genehm unb er miHigte fofort ein, ftcherlich überjeugt, bah 
biefer Ort allein fchon bie AnjiehungSfraft befifcen mürbe, ihm 



3uhörer unb fomit Einnafnen 311 nerfdhaffen. Er lieh nun feine 



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“’i 




ÜJtannigfaltigei?. 



245 



Kbficfjt, am nä^ftcn SKorgen ju prebigen, im ganjen Orte befannt 
machen. $a§ ©nträe betrug nur jwei Dollar!?, wa3 mar ba§ bei 
bem guten 93erbienft, überbie§ fparte man bie§ (Selb ja fc^on in ber 
3 eit, in ber man ber ^rebigt laufchte, wäljrenb meiner natürlich 
weber Sdhnap§ noch 2öein getrunfen werben fonnte! $lm nächften 
SKorgen fc^on ganj frii^ waren ber 2 Birt§ unb feine ßeutc eifrig 
babei , baS 2 ofat ju fäubern unb angemeffeu herjurichten. SDie 
ftlafdjen, ©täfer, SMerfäffer :c. würben funftooll sugebeeft, einige 
nid)t gerabe fromme ©emätbe hing man einfach oerfehrt auf unb 
breitete eine alte bunfle Schabracfe, bie mit filbernen ftranfen 
befeht war, gleichfam al§ ^Utarbecfe über bie s Diitte be§ Schanftifche§, 
hinter welkem auf erhöhtem Sifce heute ber ^riefter feinen l$lab 
einnehmen foHte. Um bie Sache noch feierlicher ju geftalten, würben 
ein paar grobe ßeuchter ju beiben Seiten aufgefteüt unb fchnell 
ein höljerne^ ft'reuj jufammen genagelt, ba§ man oor bem $labe 
be§ erwarteten Sprecher^ aufpflanjte. 9113 Sibpläfce bienten aufcer 
ben gewöhnlichen Stühlen bioerfe grobe Soffer, bie in ba§ 2ofal 
gebraut würben unb über welche man lange Bretter gelegt hatte, 
fo bab auf biefe SEßeife Kiemanb gezwungen war, bem Vorträge, 
ber oieUeicht längere 3 eit mährte, fteljenb beijuwohnen. Sie 
Stunbe für ben öeginn war um ‘/«H Uhr feftgefe^t , bereit» 
lange oorher jeigte fleh ber Kaum, ber im ©anjen wohl 150 $er» 
fonen faffen mochte, jeboch fchon überooll. ©eoor ber $aftor 
erfchien, mubte ber Sßirth noch häufig unter bie oerhüllten heilig* 
thümer greifen, um tiefem unb Renern, beffen Stimmung noch 
nicht bie ganj richtige war, etwa§ ©eift einjuflöben. ©enau 
jur beftimmten trat ber Kebuer würbeooll herein, oerneigte 
fich oor ber harrenben ©emeinbe unb nahm feinen $Iafc ein. 
©r trug einen jiemlidj hellen Sommeranjug, eine rieftge Uhr* 
fette machte fleh auf ber SÖefte breit unb ein urwälblerifcher Soll« 
hart begattete feine gebräunten 3 ü 0 e - 3)iefe äubere ©rfchei* 
nung fchien ben alten ©olbgräbern aber f«hon 31 t gefallen, beim 



l£l *Vf ■*. * 



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246 



Mannigfaltige?. 



fie empfingen ihn mit einem lauten 53raoo. Al? er auf feiner 
impromfirteu ^anjel ftanb, überfcfjaute er bie 3 ahörerfchaft, roo* 
bei feine 3ü9 e einen recht befriebigten Aulbrud annahmeit; 
mahrfcheiitlich itbcrfchlug er im ©eifte bie reiche ©innaljtne. Nun» 
mehr begann er ju fprechcn, unb man muff e? bem Manne taffen, 
er muffte 51 t £>erjen ju rebeit, nicht falbutigloolle SBorte mareu 
el, mit benen er bie 2 eute, bie nietteic^t lange $ahre nicht» 
non Religion gehört, traftirte, nein au? bem ßeben gegriffen 
ermie? ftch ber feine? etma breiuiertel ©tunben mähren* 

beit Vertrag?. Anerfennenlmerth mar e? entfliehen , mie er e? 
»erftanb, ben richtigen Jon ju treffen. $a ff bie? nicht fo gaitj 
leicht mar bei einer folcfjen, theitmeife recht oerroilberten ©efeOfchaft, 
liegt flar auf ber .§anb. Unb bah er im ©taube mar, mit feiner 
Nebe bairernbe Grfolge jur ©in*, Umfehr unb $efferung ju 
crjielen, märe auch roofjl ju niet oertangt geroefen. ©einig, bah 
er ruhige, feinen JÖorten laufchenbe 3 u hörer fanb. Nadhbem er 
fein ^Jenfum beenbigt unb bie Anmefenben bem ^rebiger ihren Jsant 
aulgefprodjen hotten, luben fte ihn ein, mit ihnen jufammen ein 
©laichen ju trin feit. ©? mürben nunmehr bie überftüfftgen ©itje 
hinau? gebracht, bie 3eicheu ber Anbadfjt entfernt unb batb ftanb 
ba? £ofal all ba? mieber ba, mal e? eigentlich »orfteßte. J)er 
Sprecher aff allbann mit ben tßerfonen, bie hier für gemöhnlich 
fpeilten, unb Nachmittag? vereinigte fich ba? ganje Göttchen in 
unb oor bem ©afthaufe, um beim ©tafe ©ier 3 U plaubern. 
Rohheiten tarnen bielmal nicht nor, inbem $eber bem ©afte ben 
SBeroei? liefern ju motlen fchien, bah feine Nebe einen rootjl* 
thätigen ©inftufi auljuiiben nermocht. Ob biefer anhaltenb ge* 
mefen, uermag ich nidht anjugeben, ba ich bereit? ben Jag barauf 
abreiltC. C. b. ©riefen. 

(Sine Jcüauffülmmg mit ^cittämürften. — ©ine ber 
eigenthümlichften Aufführungen be? „UBilhelm JeU" hat in ben 
breihiger fahren in 9£ieu im ®arl?theater ftattgefunben. 3 U jener 



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SJtannigfaltigeg. 



247 



3ett war ber etwa§ eitle SBilhelm $unft bort al§ ,§elbenfpieler 
engagirt, unb gleichseitig als $omiler Steftrop unb ©dfjolj, alle 
$rei ßieblinge ber SBiener. ftunft fah mit einer geroiffen 93er« 
adhtung auf bie ßofallomifer herab unb mieb möglichst ben 93er» 
fefjr mit ihnen. Gine§ 2age§ aber machte er, unjufrieben, baft 
im Seil bie Lotten ber beiben ©ölbner ßeutljolb unb $rief$arbt 
non ©tatiften gefpielt merben füllten, bem ®ireftor ben 93or* 
fchtag, „ben beiben £>an§roürften", roie er Steftrop unb ©cholj 
nannte, biefe Stollen ju übertragen. 3 U i&«m nicht geringen 
Grftaunen erhielten bie beiben ^omifer bie Stollen sugefdjicft unb 
mit Gntrüftung hörten fie $unft’§ Steigerung über fte. $)ie 
Slufführung mar au§geseichnet befucht, 9lUe§ mar gefpannt, roie 
bie beiben ßieblinge be§ 9$ubli!um§ ftch mit ihren ©ölbnerrollen 
abfinben, roie fie fich in bem Hafftfchcn Stahmen au§nehmen roiir» 
ben. $)er britte Slft roar getommen. ®er Vorhang hob ftch 
unb man erblictte Sleftrop als ^riefsharbt unb .©chotj als ßeut« 
holb neben bem £>ute auf ber SBadht, 93eibe mit ben jämmer« 
lidhften ©eftdhtern, welche jeigen füllten, roie unglüdflich fte fidh 
in biefer Umgebung fühlten, ßadhen unb ßlatfchen ber ©allerie 
empfing fte unb folgte ihren erften ©äfeen. $a trat 2eU mit 
'einem Knaben auf, jeher 3°H ein föelb — unb baS ©elächter 
oerftummte in bemfelben ßXugcnblicfe. Stunft, ber wutentbrannt 
hinter ben Gouliffeit bie Sirfung ber poffenhaften $omil ber von 
ihm in bie Stollen ber ©ölbiter hineingejroungenen ßomifer beobachtet 
hatte, ftrahlte nor ©enugthuung. „T>aS ift ber Sriumpb W roahren 
ftunft!" fprach e£ aus jeber feiner 93eroegungeit. ©t , wollte er 
feiner Stolle gemäfj worüber fdhreiteit, ba begann ijrriehharbt*Steftrop 
ju reben unb ein fdhallenbeS ©elächter ertönte im $aufe, beim im 
reinften ßerchenfelber Sialefte hatte ^riefibarbt bem abgehenben 2ell 
nachgerufen: ,,©ö fteljt’S! ©ö b<*b’n bem tput nit Stcn’renj er« 
roief’n. ©ö feinb arr’tirt!" Äunft traut feinen Ohren nicht. 
, r 9Ba§ wollt $h^ warum haltet mich auf?" fragte er, feiner 



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248 



Mannigfaltige)?. 



Stolle entfpredjenb. Mit graufamer Ironie wieberholt Steftrot) feinen 
©pruch mit bet (Einleitung: „3 hab’S fdjon amol g’fagt: ©ö 
feinb arr’tirt!" Sin ^omerifc^e» ©elädjter burdjbröljnt baS £>auS, 
aber Äunft beherrfdjt ftch immer noch unb fagt mit bem ganjen 
(Ernfte feinet Stolle : „fjfreunb, lab mich gehn!" S)a tritt fieutholb* 
©c&olj an Steftrop heran, legt ihm bie £>anb auf bie ©djulter 
unb fagt im gemüthlichftenSlone: ,,©efj, ©epperl, lab ben armen 
Äerl laufen, ’S iS a ^amilienoater mit fieben ungejog’nen Äinbern. 
2affen wir’n lauf’n . . .!" Stun mar fein galten mehr im 
©ublifum, aber auch Äunft oertor feine Raffung. Müthenb 
fdjleuberte er feine Slrmbruft auf ben ©oben unb oerfdjwanb non 
ber ©eene. „$>öS fommt baoon," rief ihm Sieftrop nach, „warnt 
fich (Eins mit ftanSwurften einläjjt." 3)ie 33orfteHung war ju 
(Enbe. Meber Steftrop noch ©chotj ftnb roiebet in flafftfchen 
Stollen befchäftigt worben. ®l- 

(Dom ftarfen ©arfabaö. — Sluf einer feiner Steifen 
fanf fiubwig XTV. einft in $lanbern mit feinem Magen bis über 
bie Sipe in ben Moraft unb jwar berartig, bab ungeachtet ber 
Slnftrengungen ber oorgefpannten ©ferbe unb Dchfen eS nicht ge- 
lang, ben Magen aus bem tiefen ©chmufc ju bringen. $5a trat 
ein ©arbift, welcher ben $ßnig begleitete, StamenS ©arfabaS, 
hinju unb hob ben Magen ganj allein heraus. S)er föönig, ob 
ber Stiefenftärfe beS ©arfabaS hö$lichft erftaunt, beförberte ihn 
auf ber ©teile unb oerlieh ihm einen StahreSgeljalt. — (Einft* 
malS forberte ben ©arfabaS ein Mann, welcher fich auf feine 
©tärfe fehr oiel ju ©ute tljat, auf, fich mit ihm $u meffett. 
„£opp!" fagte biefer, „bie £anb barauf!" unb brüefte biefe &«nb 
fo jufamnten , bah er feinem Stioalen bie $nod>en jerbrach- 
©arfabaS ftieg einft oor einer ©chmiebe oom ©ferbe unb oer* 

• tätigte oom ©chmieb oon ben beften unb ftitrfften |)ufeifen. Stad)* 
bem man ihm biefe gereicht, serbrad) er fie mit ben £>änben unb 
gab fie als fchlechte jurüd. S)er .fruffchmieb erbot fich, fogleich ein 



BtannigfaltigeS. 



249 



beffere» ansufertigen. SBä^rcnb et aber am ffeuer befcbäftigt 
mar, nahm BarfabaS ben 2ImboS unter feinen SJtantel. 3ftbem 
roanbte fttb ber Scbntieb um, um auf bem 9lmboS ju arbeiten, 
unb erftaunte nicht menig, als er ben SlmboS oerfchraunben fanb. 
Unbemerft rooUte ihn BarfabaS roieber an feine Stelle fefcen, 
ber Scfjmieb bemerfte eS jebocb, ^ielt feinen (Saft, ber mit (Zent- 
nern nur fo fpielte, für ben Satan unb lief üoH ©ntfefcen banou. 

Bei einer anberen ©elegenbeit forberte BarfabaS non einer 
Seiler§frau gute, ftarfe Seile, unb jerrib fie bann. Sie gab 
iljm non ben fefteften; allein auch biefe serrib er. „9iun," faßte 
bie ffrau, „ich roiU ©uch noch beffere geben, aber fte ftnb tbeucv, 
unb ich roeib nid^t, ob 3b* wir biefelben bejahen werbet." Bar* 
fabaS legte fogleich ein paar ©elbftücfe auf ben Siftb. ®ie 
Seilerin serbrach fte febocb unb roarf itjm bie Stücfe bin mit ben 
äÖorten: „©ure ©elbftücfe ftnb nicht beffer als meine Seile; habt 
Sb* nicht beffer ©elb?" 3efct mar baS ©rftaunen an BarfabaS. 

©r erfutibigte ftcb nach ber ^erfunft ber ffrau unb erfuhr, bajt 
fie — feine Scbroefter fei. Sie mar nach betn Üobe ber armen 
©Item fdjon früh unter frembe 2eute gefontnten, fo bajj bie ©e* 
fcbroifter nichts roeiter non eittanber raubten. — ©in B*inj, in 
helfen Begleitung BarfabaS einft ritt, roünfcbte eine B*obe feiner 
gerühmten Stärfe ju feben. $>a fagte BarfabaS, inbem er nont 
Bfetbe fprang: „Biein BM> bat mich fo oft getragen, eS ift 
billig, bab ich eS auch einmal trage." 6r froch unter baffelbe 
unb trng baS jitternbc 2bie* auf feinen breiten Schultern über 
fünfzig Schritte roeit. ß- 

9Werfttmrbtgc 3»f äUe. — Biele ©rfinbungen, bie ganjc 
3nbuftr> rt nerbültniffe umgeftaltet ober vereinfacht haben, nerbanfeit 
ganj : ,ebilbeten öeuten, bie jufällig barauf nerfielen, ihre ©nt» 
ftebuit £>ieoon nur jroei Beifpiele! £)umpbretj Botter mar -v. 
ein fl c BergraerfSjunge in einer Kohlengrube in ©ommalliS, 
roo eS ,etne Aufgabe mar, an bem primitinen ftteracomb’fcheu 



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250 



fÜlannigfaltigeS. 



Sampfapparat bie Gglinberflappe jurn Gin* ober Austritt beS 
SantpfeS abmedhfelitb 511 öffnen unb ju fc^tiejsen. Sa er mehrere 
feiner jüngeren ?trbeitSgefährten oor bem ÜRafchinenhaufe fpielen 
fab, fo gelüftete eS ihn, an ihren Unterhaltungen 2 heil ju nehmen. 
So<h ber ©ang ber fDtafchine geftattete ihm nicht, ficb auch nur für 
wenige $ugenblicfe $u entfernen. Sa mürbe feine finbiffhe Spiel* 
luft bie Urfadhe einer mistigen Grfinbuttg. Gr fah, baff oon beit 
jroei am Gplinber angebrachten Ventilen ba§ eine ftetS im felben 
Slugenblicfe geöffnet, ba§ attbere Ventil gefchloffen werben muffte 
unb umgefehrt, eine Verrichtung, welche mit bem Stuf* unb ?lb* 
fteigen ber ißiftonftange sufammenhing. Gr folgerte barauS, baff 
er ber ffHftonftange ganj unb gar bie Arbeit beS OeffnenS unb 
©djlieffenS ber £>ähtte iiberlaffen lönne, wenn er mittelft ©triefen 
ober Vänbent jene Ventile mit ber Sßiftonbewegung itt $orrefporr 
benj brächte. SaS warb leicht bemerfftelligt; ber fleine $otter lief 
bann fort, um ftch feinen ©pielfameraben jujugefeüen unb — jum 
erften SDiale arbeiteten bie Gplinberllappen ohne menfchlicffe Vei* 
hilfe. SeneS finbifche Vinbwerf ift fpäter burch ©tangengetriebe 
erfefft worben. „2öie bemiithigenb für ben ftoljen männlidhen 
©eift eS auch fein mag," bemerft 9 frago, welcher biefe fleine 
Slnefbote erjählt, „fo muff hoch gefagt werben, baff eine ber 
wiefftigften mecffanifchen Ginführungen bem Spieleifer eines un* 
gebilbeten fleinen jungen 31t banfen ift." SaS anbere Veifpiel ift 
folgenbeS: .fmrgreaoe, ein ungebilbeter Vßeber auS ©tanb &ill 
bei Vlatfburn, ftaitb eines 2 ageS an ber ©eite feines 2 öeibeS 
unb wartete, bis biefeS ein Vünbel VMgant, welches er sur 
Arbeit benötffigte, abgefpult haben würbe. Sie ©pinmwrrichtüng, 
welche fein SBeib mit einem gufftritt in Veweguttg fefete, fiel 
jufäUig um; baS 9 fab löste fich loS, bie ©pule gerieth aus ber 
^ horisontalen Sage, in welcher fte ftch urfpritn glich befunbett hatte, 
.-ine oertifale, fuhr aber noch eine 3«it lang fort, um bie 
Mpe fiel) su'breheit. .fpargreaoe beobachtete bjefe Gr* 



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SDtannigfalttgeS. 



251 



r 

f Meinung fc^arf unb fc^to^ barauS, baff es möglich fein bürfte, 
i mit einem gröberen unb [tarieren Stabe gleichzeitig mehrere 
, ©pinbetn in Situation ju nerfehen, wenn biefetben anftatt mag* 
i. recht aufrecht angebracht mürben. 5)er S3erfuch, obgleidh un* 
behilflich unb ohne methanifche SoUfommenheit ausgeführt, gelang ; 
ftatt eine§ mürben jefct gleichzeitig mehrere gäben abgefponnen, 
imb ber Grfinber nannte nun feine neue -Dtafchine „genug" ju 
©tjren feiner grau, mcldje biefett Stamen führte. Etroa jroei gatjre 
lang arbeitete ^argreaoe mit einer adfjtfpuügen ©pinnoorrich* 
tung, als im gabre 1768 feine fttad&barn, roelche barüber mib' 
günftig maren unb auch nicht begreifen tonnten, mie biefer 
2Rann achtmal mehr ©am in ber 3Bod&e er jeugen tonnte, als 
fie, in’S ipauS einbrangen unb bie „genug" jerbrachen. »^ar* 
greane fiebette hierauf nach Stottingham über, roo er halb einen 
gefchicften unb reichen Sheilljaber fanb unb eine fedfzehnfpinbelige 
„genng" su ©tanbe brachte, roelche 1770 patentirt mürbe. 5>ie 
gabrifanten non ßancafhire jahlten bem Erfinber eine ©umme 
pon 80,000 SJtarf für bie Einführung biefer 23erbefferung in ihren 
EtabliffementS, unb obfd&on im gabre 1779 Tumulte gegen Stöbert 
SfSeel unb anbere SJteifter, metche bie fDtenfcbenarbeit erfparenbe 
„genug" aboptirt hatten, ausbrachen, hat biefe SJtafd&ine boch 
ihren ©ang um bie SBelt gemacht, bis fie bur<h bie nollfommeneren 
9torrichtungen ber Steujeit nerbrängt mürbe. Dr. n. »erg^aus. 

$ie Söebcutmtg bc$ SOtouatS guli in ber Störte 
gcfd)id)te. — $er fDtonat guli hat sablreidbe roeltgefchichtliche 
Ereigniffe gejeitigt, er uerrätb einen fehr unruhigen, renotutio* 
nclren Ebarafter unb nicht mit Unrecht fönnte man ihn ben 
hiftorifchen fDtonat nennen. SBir roollen nur einige Seifpiele 
anführen. Der 17. guli beS gahreS 1775 brachte bie Stenolution 
ber oereinigten Staaten non Storbamerita. 5lm 14. guli 1789 
erfolgte bie ©rftürmung ber 93aftiHe, meldhe man als baS Ipaupt- 
ereignib ber groben franjöfifchen Stenolution betradhtet. Den 



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«oksUl. : 



1 



252 



SOZanniflfaUtßeS. 



9. 2fjermtbor, b. h- beit 28. ^u(t 1793, mürbe 5Robe§pierre , ber 
SdijrecfenSmann ber iHeoolution, geftürjt. 21m 27. 3uli 1830 
brach bie sroeite franjöftfd^e ffteoolution au§. Sie trägt noch 
beute ben tarnen ber $ulireoolution. Unb um noch roeiter ju» 
rücfjugehen, fo ift bie Dieoolution ber oereinigten uieberlänbifdhen 
Vtooinjen oom 3wli 1571 batirt. S)en 9. 3ult 1769 ftieb bie 
„norbifd&e SemiramiS", Katharina II. oon SRublanb, ihren ©e« 
mahl oom 2 h*one. — feinem Sölonat fxnb auch mehr entfdhei* 
benbe Schlachten geliefert roorben, als im Suti. $ie am 8 . $uli 
au ber HQia gelieferte Schlacht hätte beinahe ben Untergang 
9lom§ ^erbeigefü^rt. 2)ie Schlacht bei Liberias am 3. 3uli 
brachte baS Königreich Serufalem in bie &anb ber Ungläubigen 
unb ftürjte ben unglücflidfjen Suftgnan oom 2hrone. S)ie Schlacht 
oon Duoigna, am 15. 3uli, oertrieb bie fölauren au§ Portugal 
unb erhob 2 llphon§ I. toieber jurn iperrn feines Reiches. 3>ie 
Schlacht bei Vuttaroa, am 8 . ^uli, oernichtete bie Vtacht Karl’S XII. 
unb legte ben ©runb ju Veler be§ ©roben Bladst. 2 lm 2 . Sali 
nahm Napoleon Vonaparte 9Ueyanbrien im Sturm. 9lm 3. SSuli 
\ 1799 tourbe bie Schlacht bei Ülbulir gefdhlageit unb am 5. unb 

6 . ftuli bie folgeufchioere Schlacht oon SBagram. 2 tm 3. $uli 
1866 enblich mar bie Schlacht bei Königgräfc. Dr. ß. 3 ä. 

3l»3 furcht. — Snt Sahre 1850 mürbe ein gemiffer Karl 
Siegel bei bettt Kreisgerichte ju ©Iah megen ßanbftreicherei unb 
oerfchiebener $iebftähle jur §aft unb Unterfudhung gebracht. 
9lu3 freien Städfen unb mit ber Vetheuerung, bab er feine ferner 
belaftete Seele burdh ein reumüthigeS Vefenntnib erleichtern molle, 
befannte er, folgenbe brei fchmere Verbrechen begangen ju haben : 
1 ) ©ne ©ranbftiftung an einem beroohnten ©ebäube, bei melier 
bie Sochter be£ ©genthümerS ihr Seben oerlor; 2 ) einen in 
©emeinfchaft mit $mei anberen Verfonen oeräbten Einbruch, unb 
melcb'' 3 ) e j nen an e { nem ^inbe burch ©fticfen beffelben begangenen 

5 u t SDtorb. .^inftchtlich ber ©laubroürbigfeit biefeS ©eftänbniffeS 

-• hör* 
in i 

feul 



©lannigfaltigeS. 



253 



fanben bie erforberüc^ett ©rmittelungen ftatt uttb btefe ergaben, 
baf? an ber Dlkhtigfeit ber Selbftbefcfjutbigung ju jmeifeln feine 
©eranlaffung oorhanben fei. Hm 19. Februar 1851 ffanb bem» 
nach $arl Siegel oor bem ©efchworenengerichte ju ©lafc, würbe 
infolge feiner ©eftcinbniffe für fcfjulbig erflärt unb jum Stöbe 
oerurtljeilt. 55aS Urteil nmrbe rechtSfräftig. 25ie Hften waren, 
ohne befonbereS ©egnabigungSgefuch, jur aUer^öcfjften ©eftätigung 
beS £obeSurtheilS abgegangen. mürbe burdp" 4 "“'*-- Hufall 
ermittelt, baf* Siegel am 30. Hpril 1847, mo biejen. 
brunft ftattgefunben hotte, wegen welker er fi<h felbft t 
batte, fern oott bem Orte in Jpaft gewefen war. Halben. 
äweifelloS feftgeftellt war, würben auch in ©etreff ber beb 
anberen ©erbrechen noch weitere 9la<hforfchungen angefteUt um 
jefct fonftatirt, bafs Siegel feines ber brei ©erbrechen, bereu er 
fiel) felbft angeflagt, begangen haben fönne. Huf ©runb ein» 
bringlichfter ©orfjaltung beS ©erichtS nahm er beim auch feine 
Selbftanflage jurücf. 5)aS ©lotio berfclben war weiter nichts S 
als furcht »or bem 3 u< ^l^ au f e flemcfeit. Sieber hatte er, um 
biefer ihm wegen feiner ‘Siebftähle bro|euben Strafe ju entgehen , 
©erbrechen fiel; jugefchrieben, auf beuen, wie er muffte, bie 2obeS* 
ftrafe ftanb. ©S blieb nun nur ber einjige HuSweg übrig, beu 
wegen breier ©erbrechen, bie er erwiefenermafien nicht begangen, 
rechtSfräftig ©erurtheilten ju „behäbigen". 3n’S 3 lIf hthauS 
nutzte er aber nun hoch. ^ 8. 

©tue äöcrbnng auS ber — ©egen ©litte beS 

18. ^ahrljunbertS fam ©larfefepne, ber ©ruber beS englifchen 
Hftronomen ©eoitl ©larfelepne, als $abett nach ^nbien, wo er 
mit ©lioe befannt würbe, bem fpüteren ßorb Glioe, bem ©c* 
grünber ber englifchen ©lacht in Oftinbien. ®ie ©efanntfehaft 
würbe jii innigfter greunbfehaft. 3n ©larfelcpne’S 3immer 
hingen mehrere ©orträtS, ber-*' ?§ ©lioe’S größte ©ewun* 
berung fanb. ©ineS grfelepne feinem ftreunbe, 



254 



fDtannigfaltigeS. , 






Nrbe,.. 

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3. 

2J 



baß beffen SDtaßregetn in ©nglanb fcharj getabelt worben feien, 
unb laS ihm einen eben erhaltenen S3rief wor, ber augeit* 
fcßeinlich groben ©inbrucf auf ben 3 u §örenben machte. 9lacß 
einigen Sagen wollte ©lioe ben Inhalt beS Schreibens noch 
einmal hören unb fragte, wer ber Stbfenber fei? „fDietne 
Sdjmefter," lautete bie Antwort, „beten Söilb hier hängt." — „3ft 
eS getroffen?" fragte ©lioe. — „$n ©eftalt unb ©eficht fprecßenb 
äh»liöhi aber ihren (Seift unb ©harafter fantt eS nicht jeigen." — 
„fpöre, fDlarfelepne," fpradj ©lioe, „Su fennft mich, wie ich 
wirtlich bin. 2Jteinft Su, bafs Seine Schwefter fidfj entßhließen 
fönnte, nach Snbien ju lommen unb mich ju heiraten? ©ei 
ber jefcigen £age ber ©erhaltniffe ift eS für. mich unmöglich, nach 
©nglanb ju reifen." fDlarlelepne braute beS ffreunbeS Werbung 
bei feiner Schmefter an, fie war bamit einoerftanben, fatn nach 
Snbien unb würbe im $ahre 1753 in SJlabraS mit ©lioe oermählt, 
beffen IRuhm unb 9luSjeichnung bamalS im Steigen war. 3t. 

(Sin ungelöstes SRäthfel. — Sie ärjtliche SBiffenfchaft 
unb bie ©rfahrung lehrt, baß ein fDtenfch auf bie Sauer beS 
Schlafes nicht entbehren fann, unb in ©hina gilt bie ©ntjiehung 
beS Schlafes als eine ber fcörteften Strafen für fcßwerc ©er* 
gehen. Sennoch ift ein ffaH befannt, bah ein DJtann ein ho$eS 
Sllter erreichte, trofcbem ihn Sahrsehnte lang ber Schlaf floh. 
3tlS baS fpäter fo unglücflidh ertbenbe ÄönigSpaar, ßubwig XVI. 
non ffranfreich unb feine junge ©emaljlin -Dlaria Antoinette, 
lurj nach ber ©ermahlung in ©ariS cinjog, oeranftaltete bie 
Stabt großartige ©mpfangSfeierlichleiten, unb um bie ©inwoßuer* 
fcßaft baS feltene Schaufpiel beffer genießen ju laffen,- waren au 
uielen geeigneten ©unlten an Straßen unb ©laßen Sribüneit er* 
richtet worben, ©iuer ber größten biefer prooiforifcßen .$olä* 
bauten aber war nicht mit ber nötigen ©orftdht errietet; am 
Sage be» jfrefteS, olS ftch bereits eine große ÜDienge 3ußhauer 
eingcfunben hatten, ftürjte biefe Sribüue jufammen unb begrub 



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X 1 





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I 



2Jlamugfaltige§. 255 

tpunberte tmu Stenfcbeit unter ihren Srümmern. (Sine groj?e 
Stnjabl Sobte unb noch mehr Sermunbete 30 g man unter bem 
©emitr »on jerfdjmetterten Satten unb Srettern ^eroot, unb 
Slbergläubifche, in erfter Dteibe bie Königin felbft, hielten biefeu 
Unglüdföfaß für eine fdjltmme Sorbebeutung, eine Slnnabme, bie 
fic§ in ber $olge befanntlicb auch auf bie traurigfte Steife be* 
ftätigte. @in junger Ülboofat, 9tomen£ 2 §erbette, mar einer ber 
©rften, bie tjernorgejogen würben, aber fein 3 uftaub war ein fo be= 
benflicber, bafj man }ebe Hoffnung auf Stieberberfteßung aufgeben 
nullte. @r ^atte einen Sdjäbelbrucb erlitten unb ein Sbeil be3 
©ebirnS mar blofjgelegt, fo bafc felbft bie ^lerjte be§ IpofpitalS, 
wohin er gefdjafft morben mar, nicht an eine ©enefung bacbten. 
Stiber alle» (Erwarten aber befferte fidj ber 3uftanb be§ Uranien 
non Sag ju Sag unb nach wenigen Monaten mürbe er als gebeilt 
entlaffen. Son bem Sage feiner Serlefeung an aber flob ibu ber 
Schlaf, mäbrenb feine Serftanbe3fräfte in feiner Steife gelitten 
batten. Siit <$ifer unb 2 lusbauer bcforgte er feine oft recht 
anftrcngenben 9totariat§gef<häfte, aßein ba§ Sebürfnifj nach 
Schlaf machte ftch nie bei ihm geltenb. Sie berühmteren SXerjte 
feiner 3 eit beobachteten unb unterfuchten ben fftotar unb ergingen 
fich in langatmigen miffeufchaftlichen $bbanblungen über biefe» 
feltfame Phänomen; ju erflären unb pbpftologifcb ju begrünben 
oermo^tc e§ deiner. 3lud) al§ ßberbette Stitte ber breifjiger 
Sabre unfereg SäfutumS ^oc^betagt geftorben mar, Härte bie 
oorgenommene Seftion bal ©ebeimnifj nicht auf unb bis auf 
ben heutigen Sag bat noch Sliemanb oermocbt, ben muuberbarcit 
Sorgang ju enträtbfeln. Sie geheime Sterfftätte ber fHatur ift 
eben erft 3 um lleinften Sbeil ergrünbet ; fie birgt Sterfjeuge unb 
DrganiSmen, bie wabrjunebmen unfere Sinne 31 t grob finb. 

TO. ß. 

SSJic Pielcr fWnbclfiti^c bebarf e§, um ein einfaches .fternb 
31 t nähen? Siefe^rage bat fub jüngft eine Steifinäbterin in Sei* 



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256 



Mannigfaltiges. 



cefter (©nglanb) geftellt tmb mit ©enauigfeit beantmortet. $a§ 
©rgebnifs iljrer 93erecf)nungen ift folgenbeS: fragen »äffen (oiet 
üieifjen) 3000 Stiche; ßnbe beffelben 500; Änopflfldjer unb 9In< 
näljen bet knöpfe 150; fragen annäffett unb Bufammenpeljen 
beS £>embe§ am £>alfe 1204; ©elenffcfjlufj (für&e Manfdjette) 
1228; ©nbe beffelben 68; Snopflodfer 148; Säumen ber Sdjlifce 
264; Bermel jufammenjieljen 840; Sinnäljen be§ ©elenffd&luffeS 
1468; Auflegen bet Schulterblätter (fe brei fReiffen) 1880; Säumen 
be§ ©tnfafceS 393; halfen ber Bermel 2554; ©infefcen berfelben 
imb ber Steile 3050; runb herum 1526; 9täf)te 848; ©infe^en 
ber Seitenteile 424; unterer Saum 1104; ©efammtja^l ber 
9tabelftic&e 20,649. * *. »■ 

Kel-üks, kel-kaks. — $n ber eftfinif^en Spraye Ifeifil 
kel fo oiel al§ „üljr" unb roirb immer oor bie auSjubrüdenbe 
Biffet geftellt; üks fjeifct „@in§", kaks „Bmei", alfo kel-üks = 
ein Ulfr, kel-kaks = jroei llf)r. 9U§ nor ©rridjtung ber ßifem 
bahnen ber bamatige ©roftfürft^hronfolger, Späterer Äaifer 9Ile* 
panber II., burdf ein eftljmfcbel 2>orf fam, roo bie 5ßferbe feines 
5Rciferoagen§ geroecbfelt tnerben mußten, batte ber ^oftmeifter ba» 
tPoft^auS mit ©uirlanben unb Sßlumen fdjmüclen laffen. 2)er 
©roftfürft, bie§ bemertenb, fagte läc^etnb ju feinem 9lbjutanten 
in fran^öftfc^er Spraye: „Quel luxe (fprid) fet lüp), mon Dieu, 
quel luxe (melier 2upu§)!“ Sogleich fprang ber ißoftmeifter, 
ber einen Brrt^um be§ ÄaiferS in ber Beitredjmmg nermut^ete, 
feine Uhr herootsiehenb, bienftfertig heran unb rief: „Kel-kaks, 
©ure Roheit, kel-kaks!“ $)er Staifer fott fpäter noch oft über 
biefeä erheiternbe Mifjücrftänbnif} gelacht unb eS gern unb ^aufiö 
erjagt haben. #. 




' 




£>er ausgegeben, gebrudt unb nerlegt non ^ermann S^önlein 

, in Stuttgart. 




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THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY 
REFERENCE DEPARTMENT 



Thia book Ja under no circumatances to be 
taken from the Building